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German Pages 266 Year 2000
ANDREAS PFEIL
Abschied von der "schnellen Schiene"?
Ordo Politicus Veröffentlichungen des Arnold-Bergstraesser-Instituts. Freiburg i. Br.
Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Oberndörfer Band 35
Abschied von der "schnellen Schiene"? NAFfA, GATT und die Ratifizierung von Handelsabkommen in den USA, 1974-1999
Von
Andreas Pfeil
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Pfeil, Andreas: Abschied von der .,schnellen Schiene"? : NAFfA, GAlT und die Ratifizierung von Handelsabkommen in den USA, 1974-1999 / von Andreas Pfeil. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Ordo politicus ; Bd. 35) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-10072-7
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0474-3385 ISBN 3-428-10072-7 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Meinen Eltern, Klaus und Gudrun Pfeil, in Dankbarkeit
Vorwort Diese Studie ist die überarbeitete Version meiner Doktorarbeit, die ich im Februar 1998 der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. vorgelegt habe. Ich habe die Arbeit an dieser Studie als große Bereicherung meines Lebens und meiner akademischen Fähigkeiten erfahren und ich möchte allen danken, die mich in dieser wichtigen Phase meines Lebens unterstützt haben. Großer Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. h. c. Dieter Oberndörfer, der als mein Lehrer und Mentor mich in die akademische Welt eingeführt hat. An seinem Lehrstuhl habe ich im Laufe mehrer Jahre als studentischer Mitarbeiter das wissenschaftliche Handwerkszeug und die akademische Urteilskraft erworben, die mich für dieses Projekt befähigt haben. Von ihm habe ich jederzeit Unterstützung und Ermutigung erhalten. Während meines Forschungsjahres an der University of Wisconsin in Madison, Wl, 1995/96 hat mich Professor Charles O. Jones betreut. Als einer der wichtigsten Kenner des politischen Systems der USA hat er mich mit großer Geduld auf den ersten Schritten meiner Studie begleitet. Ihm verdanke ich ein vertieftes Verständnis für Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Präsident und Kongreß. Wer mit seiner Lehre vertraut ist, wird sie an vielen Stellen dieser Studie wiederfinden. Dr. Dr. habil. Andreas Falke hat als einer der besten deutschen Experten amerikanischer Handelspolitik frühe Gliederungen dieser Studie konstruktiv beurteilt. Von seinen Hinweisen habe ich stets profitiert. Dr. Uwe Bemdt, Dr. Ulrich Eith und Dr. Wolfgang Faßnacht haben mir als Lehrstuhlkollegen und Freunde im Anfangsstadium dieser Arbeit immer wieder guten Rat erteilt. Dr. Edgar Göll hat mit mir in vielen Diskussionen in Berlin und New York sein großes Wissen über US-Handelspolitik geteilt. Ich danke folgenden Organisationen, deren großzügige finanzielle Unterstützung es mir ermöglicht haben, meine ganze Zeit und Energie auf die Forschung in den USA zu verwenden: Landesgraduiertenstipendium BadenWürttemberg, University of Wisconsin, dem Fulbright-Programm und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Schließlich will ich meiner Frau Christina Janssen danken, die nicht nur meine mit dieser Doktorarbeit verbundenen guten und schlechten Launen
8
Vorwort
jahrelang ausgehalten, sondern mich tagtäglich unterstützt hat. Sollten aus den folgenden Seiten alte Brownstone-Häuser, ein großer Park und ein buntes kulturelles Gemisch durchschimmern, so ist dies kein Zufall. Ich habe die gesamte Studie in unserer Wohnung im 236 St. John's Place, Stadtteil Park Slope, in Brooklyn, New York, geschrieben. Diese Zeit war von wichtigen privaten und beruflichen Ereignissen geprägt. Ich widme dieses Buch meinen Eltern, Klaus und Gudrun Pfeil. Nie werde ich ihnen vergessen, daß sie meine Schwester und mich jahrelang ohne Vorgaben unterstützt haben. Sie ermöglichten uns die Studienjahre, die die Wirren der Nachkriegsjahre ihnen vorenthalten haben. Ihre Weitsicht ebnete uns den Weg in neue Welten. Beim Schreiben dieses Vorwortes denke ich schließlich an meine Tochter Lea, die am 17. Juni 1999 auf die Welt kam und mich gerade mit ihren großen blauen Augen anschaut. Brooklyn, New York, im April 2000
Andreas Pfeil
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Allgemeiner Teil
15
1. Einleitung und Anlage der Studie.. ...... ... ... . . ... ..... ........ ....
15
1.1. Forschungsstand ........................... '" . ... . . ... .. . . . .. .. 1.1.1. Amerikanische Außenhandelspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.1.2. Das fast-track procedure .................................. 1.1.3. Verhältnis von Kongreß und Präsident in der Außen(handels)politik... ... . ... ... . .. .......... .. ..... . ..... ..... ... .... 1.2. Theorieansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.3. Hypothesen .................................................... 1.4. Methodischer Ansatz ............... '" . .. . . ... . ..... .. ... ... .. .. 1.5. Quellen........................................................ 1.6. Aufbau der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1.7. Sprachliche Regelungen und Definitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
21 21 22 23 25 27 29 31 32 32
2. Historischer Hintergrund: Präsident und Kongreß in der amerikanischen Handelspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 2.1. Vor 1934: Der Kongreß als dominanter Akteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 2.2. 1934 bis 1967: Der Aufstieg der Exekutive in der Handelspolitik... .. 37 2.3. 1974 bis 1998: Erneute Dominanz des Kongresses? . . . ... . . . . . . ..... 42
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik . .. 47 3.1. Entwicklung und Funktion des fast-track procedure................. 51 3.2. "Delegation is not abdication!" Demokratietheoretische Kritik amfasttrack procedure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 Zweiter Teil
Empirisch-analytischer Teil
68
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979 - Ein idealtypischer Ratifizierungsprozeß............................................................. 68 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.
Die Vorgeschichte, 1973-1979. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 70 Die Positionen im Kongreß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 74 Jimmy Carters Position. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 81 Ein schwieriges Paar: Präsident Carters Verhältnis zum Kongreß. . . . .. 83 Eine gelungene Premiere: Interaktion von Präsident und Kongreß bei der Ratifizierung der Tokio-Runde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 87
10
Inhaltsverzeichnis 4.5.1. Phase 1 der Interaktion: Das Handelsgesetz von 1974. . . ... . .. 4.5.2. Phase 2 der Interaktion: Die GATI-Verhandlungen, 1975-1978 4.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Ratifizierung der Tokio-Runde. ..
87 92 96
S. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 5.1. Bedeutung ökonomischer Entwicklungen für den Ratifizierungsprozeß. 5.2. Bedeutung der Strukturen des politischen Systems für Ratifizierungsprozesse am Beispiel der Ausschüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5.3. Gestiegene Partizipation der Gesellschaft: Interessengruppen und Wähler ........................................................ 5.4. Außenpolitische Rahmenbedingungen und Entscheidungen in der Handelspolitik ......................................................
106 112 117 123
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993 . . . . . . . . . . . . . . .. 125 6.1. Vorgeschichte: Die ,,regionale Strategie" in der amerikanischen Außenhandelspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.2. Positionen des Kongresses in der Handelspolitik am Vorabend der Ratifizierung des NAFfA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.2.1. Handelspolitik im Zentrum des öffentlichen Interesses und ihre Politisierung in den Reagan-Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.2.2. Umwelt und Arbeit - Die Erweiterung der handelspolitischen Agenda .................................................. 6.3. Die Position der Clinton-Administration ........................... 6.4. Clintons Verhältnis zum 103. Kongreß ............................. 6.5. Drei Phasen der Interaktion beim Entscheidungsprozeß des NAFfA .. 6.5.1. Phase 1 der Interaktion: Die Verlängerung des fast-track-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6.5.2. Phase 2 der Interaktion: Die Rolle des Kongresses während der Verhandlungen, Juni 1991 bis August 1992 .................. 6.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Ratifizierung ...................
127 132 133 137 145 147 150 150 155 160
7. Fallstudie ill: Die Uruguay-Runde 1994 - Abnehmender Konsens ...... 171 7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5.
Vorgeschichte: Die endlose Runde, 1986-1993 ..................... Positionen im Kongreß: Ein Generationswechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Das ,,Erben" von Handelsabkommen und die Position des Präsidenten. Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß vor der Ratifizierung ..... Interaktion zwischen Präsident und Kongreß während der UruguayRunde ......................................................... 7.5.1. Phase 1 der Interaktion: Die Vorbereitungsphase, 1982-1986. .. 7.5.2. Phase 2 der Interaktion: Die Verhandlungen, 1986-1993 ....... 7.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Verabschiedung, 1994 ...........
172 178 185 188 191 191 196 199
8. Im Schatten von NAFfA: Fast-track procedure und Vollmacht des Präsidenten, 1994-1999 ................................................ 209 8.1. Das fast-track-Fiasko, November 1997 ........................... . 209 8.2. Fast-track zwischen Lewinsky und Gingrich: Die Niederlage von 1998 .......................................................... 219
Inhaltsverzeichnis
11
Dritter Teil
Präsentation der Ergebnisse
222
9. Ergebnisse der Fallstudienanalyse: Die Determinanten von Ratitizierungsprozessen ................................................... . 222
10. Abschied von der "schnellen Schiene"? Analyse der empirischen Untersuchung ..................................................... 10.1. Das Ende des cry-and-sigh-Syndroms in den 1990er Jahren. . . . . . . . . 10.2. Herausforderungen an die Akteure im Kongreß und Exekutive zu Beginn des 21. Jahrhunderts .................................... 10.3. Überwindung des Stillstands in der amerikanischen Außenhandelspolitik. Auswege und Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1. Revitalisierung der Exekutive ............................ 10.3.2. "Umwelt" und ,,Arbeit" - Elemente der handelspolitischen Agenda? .............................................. 10.3.3. Republikaner, nicht Demokraten, als "Blockadebrecher" ..... 10.3.4. Reform des fast-track procedure ......................... . 10.3.5. Ratifizierung ohne fast-track procedure? ..................
226 228 230 233 234 234 234 235 236
11. Ausblick .......................................................... 237 Quellen- und Literaturverzeichnis ..................................... . 239 1. Quellen ............................................................. 1.1. Anhörungen (Hearings) vor dem Kongreß ......................... 1.2. Reports........................................................ 1.3. Public Laws (in chronologischer Reihenfolge) ...................... 1.4. Berichte (Reports) des Congressional Research Service .............. 1.5. Sonstige Veröffentlichungen von Kongreß und Exekutive ............ 2. Literatur............................................................
239 239 241 242 242 244 245
Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ergebnisse der Ratifizierungsabstimmungen von vier multilateralen und regionalen Handelsabkommen, 1979-1994 ..................
18
Tabelle 2: Ergebnisse der Abstimmungen des Repräsentantenhauses über den Trade Expansion Act of 1962, den Trade Act of 1970 und den Trade Act of 1974 . .. .. . . .. . .. . ... .. ... . . ... .. . .. ... . . . .... . ..
78
Tabelle 3: Anteil verschiedener Regionen am Welthandel, 1980 und 1997 (Exporte, in Prozent) ......................................... 108 Tabelle 4: Anzahl der Anhörungen vor den Ausschüssen des Repräsentantenhauses und des Senat~ in Verbindung mit Handelsabkommen ...... 116 Tabelle 5: Meinungsumfragen über Zustimmung und Ablehnung zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen, August bis November 1993 (in Prozent) ................................................. 121 Tabelle 6: Auswirkungen der NAFTA-Abstimmung auf die Kongreßwahlen 1994 ....................................................... 122 Tabelle 7: Abstimmungsverhalten von Demokraten und Republikanern im Repräsentantenhaus bei den Ratifizierungsabstimmungen des NAFTA und der Uruguay-Runde .............................. 184 Tabelle 8: GATT-Runden, Dauer und beteiligte Administrationen, 1947-1994 . 186
Abkürzungsverzeichnis ACTPN
Advisory Committee on Trade Policy and Negotiations
AFL-CIO
American Federation of Labor, Congress of Industrial Organization
APEC
Asia Pacific Economic Community
CBO
Congressional Budget Office
CIEP
Council on International Economic Policy
CNN
Cable News Network
CRS
Congressional Research Service
CUFfA
Canadian United States Free Trade Area
EAI
Enterprise for the Americas Initiative
ECAT
Emergency Committee for American Trade
EDWAA
Economic Dislocation and Worker Adjustment Assistance
EIS
Environmental Impact Statement
EPI
Economic Policy Institute
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EU
Europäische Union
FrA
Free Trade Agreement
FrAA
Free Trade Area of the Americas
GAO
General Accounting Office
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
HR
House of Representatives
Hres
House Resolution
HTS
Hannonized Tariff Schedule
ILO
International Labor Organization
!TC
International Trade Commission
!DB
Inter-American Development Bank
ITO
International Trade Organization
ITPA
Job Training Partnership Act
NACE
North American Environmental Commis si on
NAFrA
North American Free Trade Agreement
NAM
National Association of Manufacturers
Abkürzungsverzeichnis
14 NEC
New Economic Policy
NEPA
National Environmental Policy Act
NGA
National Governors Association
PAC
Political Action Committee
S
Senate
Sres
Senate Resolution
STR
Special Trade Representative
TAA
Trade Adjustment Assistance
TRQ
Tariff rate quota
UAW
United Auto Workers
UNCTAD
Uni ted Nations Conference on Trade and Development
USTR
Uni ted States Trade Representative
WHFfA
Western Hemisphere Free Trade Area
WTO
World Trade Organization
Erster Teil
Allgemeiner Teil 1. Einleitung und Anlage der Studie Gegenstand der vorliegenden Studie sind die handelspolitischen Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit der Ratifizierung von Freihandelszonen und GATT-Abkommen im politischen System der USA. Multilaterale Handelsabkommen im Rahmen des General Agreement on Tariffs and rrade (GATT) sind schon seit 1947 fester Bestandteil amerikanischer Handelspolitik. Regionale oder bilaterale Handelsintegration hat für die Vereinigten Staaten in den 1980er und 1990er Jahren erheblich an ökonomischer und außenpolitischer Bedeutung gewonnen. Sie bildet heute neben dem Multilateralismus einen Pfeiler der amerikanischen Außenhandelspolitik. Gleichzeitig haben sich jedoch die Chancen für die politische Durchsetzbarkeit dieser Projekte verschlechtert. In den vergangenen 20 Jahren haben sich die innen- und außenpolitischen Bedingungen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses geändert, so daß die Akteure innerhalb der USA zunehmend vor Schwierigkeiten stehen, einen politischen Konsens in der Handelspolitik zu erzielen. Handelspolitik, insbesondere die Ratifizierung multilateraler und regionaler Handelsabkommen, entpuppt sich für die USA weniger als außenpolitische Aufgabe, als vielmehr innenpolitische Herausforderung. Diese Studie analysiert, wie die Entscheidungsträger unter geänderten Rahmenbedingungen Ende der 1990er Jahre handelspolitische Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Freihandelsabkommen treffen. Ansatzpunkt der Untersuchung ist die Interaktion der beiden Hauptakteure bei den Ratifizierungsprozessen, der amerikanische Präsident und der US-Kongreß. Beide Akteure sehen sich im Bereich der Außenhandelspolitik mit einem verfassungsrechtlichen Paradoxon konfrontiert. Die amerikanische Verfassung weist die Kompetenz in handelspolitischen Fragen grundsätzlich dem Kongreß, und nicht der Exekutive, zu. Damit ist der politisch regional und lokal verankerte, mit 535 Abgeordneten besetzte, von der Struktur dezentralisierte und vom politischen Prozeß fragmentierte Kongreß laut Verfassung damit beauftragt, gegenüber dem Ausland mit einheitlicher Verhandlungsposition aufzutreten und unter Zeitdruck gegebenenfalls Entscheidungen zu fällen, die nicht im Interesse seiner lokalen und regionalen
16
1. Teil: Allgemeiner Teil
Klientel liegen. Würde die Verfassung weiterhin buchstabengetreu umgesetzt, entginge der Exekutive mit der Außenhandelspolitik ein außenpolitisches Politikfeld, das sich wirkungsvoll für die ökonomischen, aber auch sicherheits- und außenpolitischen Interessen der USA einsetzen läßt; das betrifft ganz besonders den Abschluß von GATT-Verträgen und bilateralen Freihandelsabkommen. Die Verfassungswirklichkeit sieht allerdings anders aus. Kongreß und Präsident haben das verfassungsrechtliche Paradoxon in den 1930er Jahren im gegenseitigen Einverständnis pragmatisch gelöst, ohne daß die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben an Bedeutung verloren hätten. Seit 1934 delegiert der Kongreß zeitlich befristet handelspolitische Kompetenz an den Präsidenten. Auf dieser Grundlage kann der Präsident relativ unabhängig handelspolitische Entscheidungen fällen. Verhandlung und Ratifizierung multilateraler und regionaler Freihandelsabkommen, Gegenstand dieser Untersuchung, fallen auch darunter, haben jedoch Sonderfallcharakter und erfordern deshalb Abhandlung in einer eigenen Studie. Die einmalige Vorab-Genehmigung handelspolitischer Vollmacht durch den Kongreß reicht bei regionalen und multilateralen Handelsabkommen nicht aus. Die mit dem Ausland erzielten Verhandlungsergebnisse erfordern häufig Änderungen in amerikanischen Gesetzen, z. B. über Sicherheitsstandards oder Normen, die der Kongreß nicht dem Präsidenten allein überlassen will. Deshalb hat der Kongreß 1974 ein spezielles Ratifizierungsverfahren entwickelt, das fast-track procedure, l das Kongreß und Präsident seitdem ausschließlich für die Verabschiedung von Freihandelszonen und GATT-Abkommen benutzen. Durch das fast-track procedure verpflichtet sich der Kongreß, die Ratifizierung eines Handelsabkommens innerhalb eines vorgeschriebenen Zeitrahmens vorzunehmen; außerdem verzichten die Abgeordneten auf ihr Recht, das Abkommen wie im ,,regulären" Gesetzgebungsprozeß durch Änderungsanträge (amendments) inhaltlich zu modifizieren. Dem Kongreß bleibt jedoch am Ende des Entscheidungsprozesses eine Abstimmung vorbehalten, im dem er das durch den Präsidenten ausgehandelte Abkommen als Ganzes annehmen oder verwerfen kann. Diese Selbstbeschränkung des Kongresses gibt dem Präsidenten die nötige Autonomie und Glaubwürdigkeit bei Verhandlungen mit dem Ausland. Delegationen der Handelspartner können unter dem fast-track procedure relativ sicher sein, daß die mit der amerikanischen Exekutive getroffenen Vereinbarungen nicht im US-Kongreß wieder zerpflückt werden. Erhält der Präsident Autorisierung und fast-track procedure vom Kongreß, verpflichtet er sich im Gegenzug, die Abgeordneten über den Status von VerI Fast-track procedure wird häufig im Deutschen häufig als ..Schnellverfahren" übersetzt. Im Titel dieser Arbeit taucht der Begriff wörtlich übersetzt als ..schnelle Schiene" auf.
1. Einleitung und Anlage der Studie
17
handlungen zu konsultieren und ihre Interessen und Ziele bei Handelsgesprächen zu berücksichtigen. Die Delegierung handelspolitischer Vollmacht in Kombination mit dem fast-track procedure ist ein Faktor, der die Interaktion, Strategie und Taktik von Präsident und Kongreß beeinflußt. Durch das fast-track procedure hat der Kongreß bislang vier bedeutende multilaterale und regionale Handelsabkommen ratifiziert. Sie sind Gegenstand dieser Studie: Die Tokio-Runde des GATT (1979), das Freihandelsabkommen mit Kanada (1988), NAFTA (1993) sowie die Uruguay-Runde des GATT (1994). Fast 15 Jahre lang sind Ratifizierungsprozesse unter dem fast-track procedure reibungslos verlaufen. Der Kongreß verabschiedete die Abkommen der Tokio-Runde im GATT sowie das Freihandelsabkommen mit Kanada mit überwältigenden Mehrheiten. Die wissenschaftliche Gemeinde feierte den Verlauf der Ratifizierungsprozesse als große Erfolge. 2 In den 1990er Jahren ist das fast-track procedure und der handelspolitische Entscheidungsprozeß jedoch in eine Krise geraten: Die Ratifizierungen des NAFTA und der Uruguay-Runde waren alles andere als Routine. Beide trafen im Kongreß auf größeren Widerstand als ihre Vorgänger. Beide verabschiedete der Kongreß mit vergleichsweise erheblich knapperen Mehrheiten (vgl. Tabelle 1). NAFTA war das erste Abkommen, dessen Verabschiedung sogar zu scheitern drohte. Der bisherige Tiefpunkt dieser Entwicklung wurde im November 1997 und September 1998 erreicht. Im dritten und vierten Anlauf nach 1994 und 1995 3 scheiterte der Versuch Präsident Clintons, die handelspolitische Vollmacht inklusive des fast-track procedure zu erneuern. Am Kongreß ließ sich keine Mehrheit für den Antrag des Präsidenten finden. Im September 1998 stimmte der Kongreß sogar erstmalig gegen eine Erneuerung des Verfahrens. Präsident Clinton ist damit der erste Präsident seit Gerald Ford, dem der Kongreß die handelspolitische Vollmacht und das fast-track procedure verwehrt. Drei Motive und Ziele sind Hauptantrieb für das Erkenntnisinteresse dieser Studie: Erstens, eine Studie über die Ratifizierung von regionalen und multilateralen Handelsabkommen, einem Thema mit zentraler Bedeutung für die USA und ihre Handelspartner, liegt noch nicht vor. Eine Untersuchung über diesen zentralen Teilbereich der amerikanischen AußenhanVgl. Destler/Graham 1980, Twiggs 1987. 1994 schlug der Versuch der Clinton-Administration fehl, eine Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht und des fast-track procedure in das Implementierungsgesetz der Uruguay-Runde aufzunehmen. Im republikanisch geführten 104. Kongreß kam die fast-track-Initiative im Herbst 1995 nicht über die Ausschußebene hinaus (vgl. Kapitel 8). 2
3
2 pfeil
366-40
234-200
288-146
Kanada-USA Freihandelsabkommen (1988)
NAFTA (1993)
Uruguay-Runde (1994) 121-56
132-43
151-10
148-2
Republikaner
167-89 (0-1 1)*
102-156 (0-1 1)*
215-30
247-5
Demokraten
7fr-24
61-38
83-9
90-4
Senat total
.. Unabhängiger Abgeordneter, Rep. Sanders (I = Independent) aus Vennont stimmt in der Regel mit den Demokraten.
Quelle: Congressional Quarterly Almanac 1979, 1985, 1988, 1993, 1994.
395-7
Tokio-Runde (1979)
Repräsentantenhaus, total
35-11
34-10
4{}-2
38-1
Republikaner
---
41-13
27-28
43-7
52-3
Demokraten
Tabelle 1 Ergebnisse der Ratifizierungsabstimmungen von vier multilateralen und regionalen Handelsabkommen, 1979-1994
~
~
f.
~
~
:-
00
-
1. Einleitung und Anlage der Studie
19
deispolitik wird Aufschluß über die besonderen Entscheidungsprozesse und seine einzigartige politics geben. An zweiter Stelle steht das Ziel eines besseren Verständnis der Determinanten von Ratifizierungsprozessen. Von welchen Faktoren hängt die Ratifizierung eines multilateralen oder regionalen Handelsabkommens ab? Diese Fragestellung verfolgt das Ziel, zuverlässige Prognosen über die Zukunft dieser Projekte der Handelsliberalisierung zu machen. Die Analyse der jüngsten Ratifizierungsprozesse beim NAFfA und der Uruguay-Runde und die Debatte um die Erneuerung des fast-track procedure 1997 und 1998 gibt einen präzisen Überblick über die innenpolitischen Kräfteverhältnisse des handelspolitischen Entscheidungsprozesses in den USA zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dies wiederum ermöglicht Prognosen, inwieweit und ob die USA zukünftig weiterhin multilaterale und regionale Handelsintegration verfolgen können. Die Ziele der Amerikaner auf diesem Gebiet sind ehrgeizig: Eine Freihandelszone mit allen lateinamerikanischen Staaten ist bis zum Jahre 2005 geplant. Mit 18 pazifischen Anrainerstaaten, einschließlich Japan und China, wollen die USA bis zum Jahre 2010 bzw. 2020 ein Freihandelsabkommen abschließen. Mit der Europäischen Union kam es bereits 1995 zu Gesprächen über die Einrichtung einer transatlantischen Freihandelszone. Die im Frühjahr 1997 im Kongreß eingebrachte Afrika-Initiative beinhaltet als ein Element die Einrichtung von Freihandelszonen. Schließlich besteht immer die Möglichkeit einer neunten Verhandlungsrunde im Rahmen des GATI oder der WTO. Auf der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation Ende 1999 wird sich zeigen, ob es zu einer ,,Millennium Round" im Rahmen der WTO kommt. Alle Handelsabkommen dieser Art werden unter dem fast-track procedure ratifiziert. Der Weg zu den außenhandelspolitischen Zielen der Amerikaner führt demnach nur über den komplexen innenpolitischen Entscheidungsprozeß, in dessen Zentrum die Interaktion von Präsident und Kongreß und das fast-track procedure stehen. Das dritte Erkenntnisinteresse dieser Arbeit besteht in theoretischer Hinsicht und entspringt der Suche des Autors nach einem geeigneten Theorieansatz. Praktikable theoretische Annahmen über den handelspolitischen Entscheidungsprozeß stehen derzeit nur ansatzweise zur Verfügung. Überraschend ist dabei der Mangel an Ansätzen, die Aussagen über den Entscheidungsprozeß und die Akteursebene machen und dabei die Wirkung der ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen als Verhaltensdeterminanten für die Akteure einbeziehen. Gerade in den 1990er Jahren hat der Wandel der Umfeldbedingungen die Dynamik des innenpolitischen Entscheidungsprozesses jedoch nachhaltig verändert. Die vorliegende Forschung bietet dazu, etwas vereinfacht gesagt, zwei Gruppen von Erklärungsansätzen an: Auf der einen Seite stehen Ansätze von Arbeiten, die
20
1. Teil: Allgemeiner Teil
ihre Analyse ausschließlich auf die Interaktionen und Entscheidungen der Akteure beschränken;4 Außenfaktoren, wie z. B. weltwirtschaftliche oder außenpolitische Entwicklungen werden von diesen Ansätzen weitgehend ignoriert. Eine andere Gruppe richtet ihren Fokus wiederum schwerpunktmäßig auf Variationen der internationalen Faktoren und eignet sich kaum für eine Analyse des Verhaltensraums der Akteure. Diese künstliche Trennung durchzieht das gesamte Feld der Theorien der internationalen Politik. Dabei ist es doch eine Kombination innenpolitischer und internationaler Faktoren, die in der realen Politik außenpolitische Entscheidungen bestimmen. Natürlich liegen vereinzelt Ansätze vor, die Rahmenbedingungen in die Analyse nationaler Entscheidungsprozesse integrieren. Doch fangen diese die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß entweder nicht adäquat ein, wie z. B. systemtheoretische Ansätze/5 die auf der innenpolitischen Analyseebene immer noch an dem Black-Box Phänomen kranken, oder sie sind zu wenig reduktionistisch und damit für weitere Forschungsvorhaben schwer zu verwenden. 6
Wie weiter unten detailliert begründet, konzentriert sich die Analyse dieser Studie mittels eines Institutionenansatzes zunächst auf die Akteursebene. Gleichzeitig fragt sie danach, welche Bedeutung Rahmenbedingungen für das Kalkül der Akteure haben und ob diese in den Ansatz integriert werden können. Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit eignet sich aufgrund der so engen Verschränkung der verschiedenen Ebenen dazu, die Notwendigkeit eines theoretischen Ansatzes zu begründen, der allgemeine Aussagen über handelspolitische Willens bildungs- und Entscheidungsprozesse unter Einbeziehung der Umfeldvariablen macht. Folgende Fragen leiten die Untersuchung dieser Studie: Warum ist es im politischen System der USA offensichtlich schwieriger geworden, Mehrheiten für die Ratifizierung multilateraler und regionaler Handelsabkommen zu finden? Welche Rolle für den Ausgang des Entscheidungsprozesses spielt die Interaktion der am Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure, insbesondere die Interaktion von Kongreß und Präsident? Inwiefern wirken sich die Veränderungen der ökonomischen, institutionellen und sozialen Rahmenbedingungen der letzten zwei Jahrzehnte auf den handelspolitischen Entscheidungsprozeß aus?
4 Vgl. Schattschneider 1935, Bauer/Dexter/Pool 1967 und vor allem Pastor 1980. S Vgl. Rode 1980. 6 Vgl. Medick-Krakau 1995: 337-344.
1. Einleitung und Anlage der Studie
21
1.1. Forschungsstand
Mit Blick auf das soeben dargelegte Erkenntnisinteresse gilt es zunächst, die Studie in den Forschungsstand einzuordnen. Erst dies läßt detaillierte Einsichten in die potentiellen Ergebnisse der Arbeit zu. Ein Überblick über den Forschungsstand zeigt, wo diese Arbeit ansetzt und zu neuen Ergebnissen führen kann. Seit den frühen 1980er Jahren boomt die Forschung über amerikanische Außenhandelspolitik. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Handelspolitik der USA seit dieser Zeit haben Handelspolitik zu einem wichtigen nationalen Politikfeld gemacht und damit das Interesse der Forschung stimuliert. Der Schwerpunkt der Forschung liegt dem Forschungsgegenstand gemäß in den Vereinigten Staaten. Seit den späten achtziger Jahren gibt es auch in Deutschland ein wachsendes Fachinteresse. Die folgenden Seiten bieten eine Zusammenfassung der vier wichtigsten Teilbereiche des Forschungsstandes, die für die vorliegende Studie von zentraler Bedeutung sind: - Amerikanische Außenhandelspolitik - Das fast-track procedure und die Ratifizierung von Freihandelszonen oder GATT-Abkommen - Interaktion von Präsident und Kongreß besonders auf dem Gebiet der Außen(handels )politik - Theorieansätze über nationale Entscheidungsprozesse in der amerikanischen Außenhandelspolitik und der Institutionenansatz
1.1.1. Amerikanische Außenhandelspolitik Innerhalb der politikwissenschaftlichen Forschung über die Außenhandelspolitik der USA fällt diese Studie in den Bereich "multilaterale und regionale Handelsintegration", bzw. läßt sich unter die Stichworte "GATT", "Regionalismus" und "Freihandelszonen" einordnen. Die Forschung in diesem Teilbereich behandelt multilaterale und regionale Handelsabkommen im Rahmen der "Internationalen Politik" mit dem Schwerpunkt auf policy-Aspekten. In den letzten Jahren sind diesbezüglich vor allem die Themen Rückzug der USA aus dem GATT und die möglichen Folgen für das internationale Handelssystem7 und, die Neigung der USA, regionale Handelsinitiati ven abzuschließen, diskutiert worden. 8 7 Vgl. Bhagwati 1990, 1991, 1993, 1995; Falke 1993b, 1994, 1996, 1999; Fishlow/Haggard 1992; Low 1993; Garten 1995; Krueger 1995.
22
I. Teil: Allgemeiner Teil
Die Frage nach den innenpolitischen Kräften in den USA, die den Prozeß der Handelsintegration motivieren, nach den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen und damit nach den nationalen Voraussetzungen dieser Politik, bleiben bei vielen der genannten Studien unbeantwortet, unscharf oder sind allenfalls Beiwerk. Viele Autoren setzen anscheinend voraus, daß sich eine zunehmende Regionalisierung in der amerikanischen Außenhandelspolitik automatisch vollzieht und fragen nicht nach den innenpolitischen Impulsen dieser Politik. Insgesamt wird nur unzureichend beleuchtet, daß die Ratifizierung von Handelsabkommen eine eigene polities-Dimension hat, die Debatten und Kräftekonstellationen anderer Entscheidungsprozesse im Rahmen der amerikanischen Handelspolitik zwar ähnelt, sich jedoch trotzdem von ihnen unterscheidet: Die Themen Umwelt und Arbeit haben beispielsweise eine zentrale Rolle bei Ratifizierungsprozessen und erzeugen einzigartige innenpolitische Kräfteverhältnisse. Das fast-track proeedure strukturiert den Entscheidungsprozeß, indem es Fristen setzt und so das strategische Kalkül der Akteure wie bei keinem anderen Entscheidungsprozeß beeinflußt. Diese beiden Beispiele zeigen, daß die polities von Ratifizierungen eine eigenständige Behandlung erfordert. Diese Studie wird diese Aspekte aufgreifen und die allgemeine polieyOrientierung der Forschung um eine polities-orientierte Betrachtung ergänzen. Gegenstand dieser Studie sind die Netzwerke von Akteuren und Institutionen, die unter Berücksichtigung von strategischen Erwägungen Signale austauschen, miteinander interagieren und Entscheidungen treffen. 1.1.2. Das fast-track procedure
Die vorliegende Studie ist die erste systematische und vergleichende Untersuchung mehrerer Ratifizierungsprozesse von Freihandelszonen und GATI-Abkommen unter dem fast-track procedure. Das fast-track procedure selbst ist in der Literatur bislang kaum und hauptsächlich unter funktionalen Aspekten besprochen worden. Die zahlreichen technischen Details des Verfahrens ziehen dabei offensichtlich eher Juristen als Politikwissenschaftler an. 9 Politikwissenschaftlichen Betrachtungen des fast-track procedure finden sich bei Destier (1995; 1997) und O'Halloran (1994) und neuerdings Schott (1998). Destler behandelt fast-track im Rahmen seines Standardwerkes zur amerikanischen Handelspolitik. Dabei geht er allerdings weder vergleichend vor, noch ist es sein Ziel, die Entscheidungsprozesse unter dem fast-track procedure in einen theoretischen Rahmen einzuordnen. 8 Vgl. Schott 1989; DeMelo/Panagariya 1992; Gitly IRyd 1992; Göll 1992; Hakim 1992; Zellmer 1992; Cushing/Higley/Sutton 1993; Rüland 1994; Hufbauerl Schott 1994; Weintraub 1994. 9 Vgl. Bello/Holmer 1992, Koh 1992 und Taylor 1994.
1. Einleitung und Anlage der Studie
23
O'Hallorans Dissertation von 1994 zeigt im Rahmen eines ,,New Economics of Organization"-Ansatzes, daß der Kongreß mittels seiner Kompetenz, Verfahren und Strukturen des politischen Entscheidungsprozesses zu gestalten, in der Handelspolitik inhaltliche Ziele gegenüber der Exekutive durchzusetzen vermag; das fast-track procedure dient in diesem Zusammenhang als Beispiel. Schotts Sammelband bündelt eine Reihe von Beiträgen, die im Februar 1998 auf einer Konferenz des Institute for International Economics über fast-track gemacht worden sind. Diese Aufsatzsammlung stellt eine der ersten umfassenden Auseinandersetzungen mit der fast-track-Problematik dar. Die Entscheidungsprozesse bei Freihandelsabkommen und GATIRunden sind Gegenstand einiger Fallstudien, von denen jedoch keine komparativ angelegt ist. Der Ratifizierungsprozeß der Tokio-Runde 1979 hat von allen Ratifizierungsprozessen bislang die größte Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gelenkt. An herausragender Stelle ist hier die Monographie von Twiggs (1987) zu nennen; Destler/Graham (1980), Winham (1980), Cassidy (1981) und Ikenberry (1989) haben wichtige Teilaspekte dieses Ratifizierungsprozesses untersucht. Die Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Freihandelsabkommens mit Kanada sowie die Ratifizierung der Uruguay-Runde, sind bislang kaum untersucht. Michael Hart (1994) hat eine Analyse des kanadisch-amerikanischen Freihandelszone vorgelegt, wobei der Akzent auf dem kanadischen, weniger auf dem US-amerikanischen Entscheidungsprozeß, liegt. Über die Verabschiedung der Uruguay-Runde liegen bislang keine Monographien vor. Destier (1989; 1995) und die Darstellungen im Congressional Quarterly geben die bislang vollständigsten Überblicke über die innenpolitische Debatte in Verbindung mit der Ratifizierung der Uruguay-Runde. Über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen gibt es eine Flut von Veröffentlichungen. 10 Darstellungen über den innenpolitischen Entscheidungsprozeß beim NAFTA bieten Orme (1993; 1996), Wiarda (1994), Liebeier (1994), Destier (1995), Grayson (1995), Blecker (1996) und Meyer (1998). 1.1.3. Verhältnis von Kongreß und Präsident in der Außen(handels}politik
Eine Studie über die Interaktion von Präsident und Kongreß berührt zwangsläufig die seit einigen Jahren heftig geführte Debatte um das Verhältnis beider Akteure bei der Formulierung der amerikanischen Außenpolitik. Die umfangreiche Literatur kommt dabei immer wieder auf die Frage 10
Vgl. die Bibliographie von Metz 1996.
24
1. Teil: Allgemeiner Teil
zurück, ob der Präsident oder der Kongreß den Entscheidungsprozeß und damit den Kurs in der amerikanischen Außenpolitik dominiert. Einigkeit besteht darin, daß der Kongreß als Folge von Vietnam und Watergate seit Mitte der 1970 wesentlich aktiver seine umfangreichen außenpolitischen Prärogativen in der Verfassung wahrnimmt; folgt daraus aber bereits die Annahme, daß er auch die dominantere Kraft ist? Die Literatur zu dem Thema beschäftigt sich ausführlich mit folgenden Fragen: Trägt der Kongreß nur ein Scheinfechten mit dem Präsidenten aus, oder handelt es sich um eine tatsächliche Auseinandersetzung? 11 Ist der Kongreß aufgrund seiner internen Struktur überhaupt geeignet, eine aktive Partizipation im außenpolitischen Willensbildungsprozeß auszuüben?12 Diese Diskussion hat mittlerweile auch Studien über amerikanische Handelspolitik erfaßt und wird besonders von zwei Autoren geführt: O'Halloran kritisiert in ihren Arbeiten immer wieder, daß die handelspolitische Forschung der Exekutive ("presidential dominance models") zu große Aufmerksamkeit einräumt. 13 Die Autorin weist darauf hin, daß der Kongreß zahlreiche Möglichkeiten hat, den verfahrenstechnischen Ablauf des Entscheidungsprozesses zu gestalten. Deshalb kann er viele seiner inhaltlichen Ziele gegenüber dem Präsidenten durchsetzen. O'Halloran fordert, die Funktion und Rolle des Kongresses in der Handelspolitik stärker als bisher zu berücksichtigen. Der Hauptadressat dieser Kritik, Destier, weist die Konzeption und These O'Hallorans explizit zurück. "This approach, it seems to me, fits trade policy only for the years up through 1930.,,14 Institutionelle Bedingungen des Kongresses sowie inhaltliche und wahlpolitische Ziele lassen bei den einzelnen Abgeordneten nach Destler gar nicht erst den Willen entstehen, aktiv am handelspolitischen Entscheidungsprozeß beteiligt zu werden. Nach seiner Auffassung ist dem Kongreß eher damit gedient, handelspolitische Entscheidungen an die Exekutive zu delegieren und sich selbst auf eine jlag-waiving- und credit-claiming-Rolle zu beschränken. Wie gezeigt, geht das Gros der Forschung das Verhältnis von Präsident und Kongreß bei der Formulierung der Außenpolitik als Konkurrenzverhältnis an. Vorliegende Studie grenzt sich bewußt von dieser irreführenden Diskussion ab und bearbeitet das Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß als Kooperation. Im Text wird zwar, dem üblichen Sprachgebrauch der Forschung folgend, häufig von "Auseinandersetzung" oder "Konflikt" zwischen Präsident und Kongreß gesprochen; doch liegt der Studie grundsätzlich kein konflikthaftes Verständnis des Verhältnisses beider Institutio11
12 13 14
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Hinckley 1994. Burgin 1996. O'Halloran 1993 und 1994. DestIer 1994: 241, siehe die gesamte Argumentation, S. 240-245.
1. Einleitung und Anlage der Studie
25
nen zugrunde. Kongreß und Präsident stehen als Institutionen in keinem Wettbewerb. Damit stellt sich auch die Frage der Dominanz von Präsident oder Kongreß nicht. Die Grundannahme dieser Studie stellt vielmehr im Sinne von Charles O. Jones darauf ab, daß es sich bei beiden Institutionen um "separate but equal branches,,15 handelt: Kongreß und Präsident sind nach dieser Auffassung gleichgewichtige Teile des amerikanischen Govemment. Erst unter Berücksichtigung dieses grundsätzlichen Verhältnisses von Präsident und Kongreß wird eine subtile Analyse der Formulierung amerikanischer Handelspolitik möglich. Die Notwendigkeit, gegenüber den Handelspart!1ern mit einer Position aufzutreten und eine nationale Handelspolitik zu vertreten, wird nur ermöglicht, wenn intern die verschiedenen Interessen und Ziele unter Berücksichtigung der institutionellen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden. 1.2. Theorieansatz Mit dem wachsenden Interesse an Entscheidungsprozessen der amerikanischen Handelspolitik hat sich auch die Zahl der Theorieansätze zur Erklärung nationaler Entscheidungsprozesse in der Handelspolitik vervielfacht. Die folgenden Ausführungen bieten einen kurzen Überblick über die vorherrschenden Ansätze. Ausführlichere Überblicke geben Ikenberry !Lake! Mastanduno und Medick-Krakau, auf die sich folgende kurze Zusammenfassung stützt. 16 Die vorliegenden Theorieansätze zur Erklärung von handelspolitischen Entscheidungsprozessen in den USA lassen sich grob in systemische und subsystemische Ansätze unterscheiden. Systemische Ansätze führen nationale Entscheidungsprozesse auf Bedingungen des internationalen Umfelds zurück, wie z. B. Interessen und Ziele eines Landes im internationalen Staatengefüge. Im Gegensatz dazu beziehen sich subsystemische Ansätze in erster Linie auf den nationalen Entscheidungsprozeß und berücksichtigen internationale Faktoren, wie z. B. weltwirtschaftliche oder außenpolitische Entwicklungen, allenfalls am Rande. Subsystemische Ansätze werden weiterhin unterschieden in gesellschaftszentrierte und staatszentrierte Ansätze. 17 Gesellschaftszentrierte Ansätze führen handelspolitische Entscheidungen auf den Wettbewerb sozialer Gruppen und Eliten zurück. Bei staatszentrierten Ansätzen stehen insbesondere die politischen Strukturen und Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt des Erklärungsansatzes. Mit einem Blick auf die Forschung der letzten Jahre ist hinsichtlich der Analyse nationaler Entscheidungsprozesse in der amerikanischen AußenhandelspoliIS
16
17
Vgl. Jones 1994. Vgl. Ikenberry/Lake/Mastanduno 1988 und Medick-Krakau 1995: 27-44. Vgl. Ikenberry/Lake/Mastanduno 1988.
26
1. Teil: Allgemeiner Teil
tik ein Trend in Richtung staatszentrierte oder "politisches System"-zentrierte Theorieansätze und Modelle zu notieren. Vorliegende Studie folgt diesem Trend, fordert aber nachdrücklich die Öffnung und Erweiterung staatszentrierter Theorieansätze um Variablen des internationalen Umfelds. Als theoretischer Analyserahmen dient dieser Studie ein Institutionenansatz und steht damit in der Tradition der staatszentrierten Erklärungsansätze. 18 Der Ansatz stellt Institutionen, Akteure, Strukturen und Verfahren des politischen Systems in den Mittelpunkt der Analyse handelspolitischer Entscheidungsprozesse. Institutionen werden definiert als ,,( ... ) formal or informal procedures, routines, norms and conventions embedded in the organizational structure of the polity (... ).19 Institutionen sind nach diesem Verständnis demnach mehr als nur formale Regierungsstrukturen oder der Ort von Entscheidungsprozessen. Der Institutionenbegriff, der hier verwendetet wird, umfaßt politische Organisationen, geschriebene und ungeschriebene Normen oder Konventionen, formelle und informelle Verfahren. Der Fokus des Ansatzes liegt primär auf der Interaktion der Akteure. Verhalten und Entscheidungen eines Akteurs werden als Reaktion auf tatsächliche oder erwartete Handlungen und Entscheidungen anderer Akteure aufgefaßt. Medick-Krakau behauptet zurecht, daß der Institutionenansatz kein Ansatz in dem Sinne ist, als daß allgemeine Aussagen über das Verhältnis der Variablen untereinander gemacht werden. Vielmehr, so Medick-Krakau weiter, handele es sich beim Institutionenansatz um eine Forschungsperspektive, die lediglich festlege, wo die Analyse ansetzen solle. 2o Dennoch eignet sich sich der Institutionenansatz aus folgenden Gründen ganz besonders zur Analyse des handelspolitischen Entscheidungsprozesses und läßt sich gegebenenfalls zu einem Theorieansatz ausbauen. Der Fokus auf die Institutionen des politischen Systems bietet folgende drei Vorteile: Erstens, unter den staatszentrierten Ansätzen stellen Institutionen eine kleinere Analysekategorie als "der Staat" dar. Die Kategorie "Institution" ermöglicht die Disaggregierung in Teileinheiten und ist leicht operationalisierbar. Eine wesentlich präzisere, weil differenziertere, Analyse des Entscheidungsprozesses und seiner Akteure wird dadurch erst realisierbar. Die Institution "Kongreß" läßt sich beispielsweise in kleinere Analysekategorien wie Ausschüsse, Parteien, Fraktionen (caucus) oder gar einzelne Abgeordnete aufspalten. "Staat" steht im Kontrast dazu anderen umfassenden Kategorien wie "Gesellschaft" oder "internationales System" gegenüber 18 Vgl. March/Olsen 1984, Hall/Taylor 1996 und Lowndes 1996. Der Ansatz wird in der Forschung meist unter dem Namen Neuer Institutionalismus geführt. Das Adjektiv "neu" betont dabei die Wiederentdeckung der Bedeutung von Institutionen. 19 Vgl. Hall/Taylor 1996: 938. 20 Vgl. Medick-Krakau 1995: 40.
1. Einleitung und Anlage der Studie
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und erschwert differenzierte "Innenansichten". Zweitens, der institutionelle Ansatz hat das Potential, gesellschaftszentrierte Ansätze zu integrieren. So wird der Wettbewerb sozialer Gruppen und Eliten um handelspolitische Themen hauptsächlich im Kongreß ausgetragen. Das Lobbying spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle. Der Kongreß fungiert als Transmissionsriemen (Falke) zwischen Gesellschaft und politischem System. Die politische Institution "Kongreß" ist damit nicht nur eine politische Institution mit Gesetzgebungsfunktion, sondern wird stets auch als Austragungsort für gesellschaftliche Konflikte aufgefaßt. Drittens, von herausragender Bedeutung für das Erkenntnisinteresse dieser Studie ist die Möglichkeit, den Institutionenansatz um Variablen des internationalen Systems erweitern zu können. ,,( ... ) [I]nstitutionalists rarely insist that institutions are the only causal force in politics. They typically seek to locate institutions in a causal chain that accommodates a role for other factors, notably socioeconomic development (. .. ).,,21 Entscheidungen oder gewählte Strategien sind letztendlich nicht nur eine Reaktion auf das Verhalten anderer Akteure, sondern reflektieren Veränderungen des internationalen Umfelds. Der Institutionenansatz eröffnet die Möglichkeit, Änderungen des sozio-ökonomischen Systems als Verhaltensdeterminanten der Akteure zu definieren. 1.3. Hypothesen Nachstehende Thesen werden in dieser Arbeit empirisch überprüft: Die erste ist die Hauptthese und macht Annahmen über das Verhältnis von Akteuren und Rahmenbedingungen. Die zweite Hypothese faßt allgemeine Aussagen über die Akteure, die dritte allgemeine Annahmen über die Rahmenbedingungen zusammen. Hypothese 1: Das beinahe Scheitern des NAFTA, die Schwierigkeiten bei der Ratifizierung der Uruguay-Runde, das Scheitern der Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht im November 1997 und September 1998 sind auf die Strategie der Clinton-Administration zurückzuführen: Mehrdeutige Signale gegenüber dem Kongreß, unklare Positionen von Seiten der Exekutive sowie das Versäumnis, langfristige Konsensbildung zu verfolgen, haben immer wieder zu Verzögerungen im Entscheidungsprozeß geführt und dadurch der Opposition erst Raum für ihre Offensive geschaffen. Die ökonomischen und außenpolitischen Rahmenbedingungen haben zwar die politische Relevanz und die Zahl der Akteure in der Handelspolitik erhöht und damit den taktischen Spielraum der beteiligten Akteure eingeengt; letztendlich kommt es aber auf die Akteure in Exekutive und Kongreß an, sich auf die neuen Anforderungen durch die veränderten Rahmenbedingungen einzu21
Vgl. HaIl/Taylor 1996: 942.
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1. Teil: Allgemeiner Teil
stellen und Strategien für eine Mehrheitsbildung am Kongreß zu entwerfen. Multilaterale und regionale Handelsabkommen sind damit in der Zukunft grundsätzlich innenpolitisch durchsetzbar. Ihre Verabschiedung durch den Kongreß wird jedoch umstritten sein. Hypothese 2: Die innenpolitische Durchsetzbarkeit von multilateralen und regionalen Handelsabkommen in den USA hängt zukünftig vor allem von drei Faktoren ab: Erstens, von der Rolle des Präsidenten; zweitens, von den Mehrheitsverhältnissen im Kongreß; drittens, in welchem Ausmaß die Themen Umwelt und Arbeit im Ratifizierungsprozeß eine Rolle spielen. Je mehr die im folgenden kurz skizzierten Voraussetzungen gegeben sind, desto höher sind die Aussichten der USA, Handelsabkommen unter dem fast-track procedure zu ratifizieren. Hypothese 2a: Der erkennbare und konstante Einsatz des Präsidenten trägt positiv zur Ratifizierung bei. Der Präsident hat Einfluß auf den Zeitablauf der Ratifizierung. Der Präsident mobilisiert das Lobbying des privaten Sektors. Gezielte öffentliche Auftritte beeinflussen die Stimmung bei Bevölkerung und Entscheidungsträgern. Hypothese 2b: In beiden Parteien, Demokraten und Republikanern, sinkt die Zustimmung für Handelsliberalisierung. Je größer die Anzahl demokratischer Sitze im Kongreß, desto schwieriger wird die Durchsetzung von Freihandelsabkommen. Die Mehrheit der republikanischen Partei im Kongreß sowie Demokraten aus den westlichen und südlichen Wahlkreisen der USA bilden das Rückgrat für Handelsliberalisierung. Hypothese 2c: Je geringer die Rolle ökologischer und die Arbeitsverhältnisse betreffenden Themen im Zusammenhang mit einem Handelsabkommen ist, desto größer sind die Chancen der Ratifizierung. Freihandelsabkommen mit lateinamerikanischen oder afrikanischen Staaten, eine mit "grünen" oder arbeitsrechtlichen Themen befaßte Runde im Rahmen der Welthandelsorganisation werden innenpolitische Diskussionen auslösen. Hypothese 3: Rahmenbedingungen des Entscheidungsprozesses, wie z.B. weltwirtschaftliehe oder außenpolitische Entwicklungen, sind eine Determinante für das Verhalten der Akteure. Am deutlichsten schlägt sich dieser Einfluß im Kongreß nieder. Der Widerstand der Demokraten gegen Projekte der Handelsliberalisierung und die Erosion der freihändlerischen Position innerhalb der republikanischen Partei ist auf die veränderten Umfeldbedingungen zurückzuführen. und wird durch die Klientel an die Abgeordneten herangetragen. Allerdings ist auch das Präsidentenamt gegen Veränderungen der internationalen Rahmenbedingungen nicht immun. Diese Entwicklung beschädigt die traditionell freihändlerische Ausrichtung der amerikanischen Exekutive. Insbesondere NAFT A hat gezeigt, daß Präsidenten sich zukünftig im wachsenden Ausmaß nach ihrer innenpolitischen Klientel richten müssen.
1. Einleitung und Anlage der Studie
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1.4. Methodischer Ansatz In Anlehnung an Yin (1994) und Medick-Krakau (1995) verwendet diese Arbeit die "Vergleichende Fallstudie" als methodischen Ansatz. Dieser Methode folgend wird für jeden der ausgewählten Fälle die Wirkung der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable (Ergebnis von Ratifizierungsprozessen) untersucht; in einem nächsten Arbeitsschritt erfolgt dann ein Vergleich der Ergebnisse der Fälle miteinander, um allgemeine Aussagen über den Zusammenhang zwischen den Variablen abzuleiten. Bei der Methode handelt es sich konkret um einen "vertikalen Vergleich". Vertikaler Vergleich bedeutet, daß im Zeitablauf aufeinander folgende Fälle miteinander verglichen werden. Im Gegensatz dazu führen viele vergleichende Studien in der Politikwissenschaft einen horizontalen Vergleich durch, bei dem beispielsweise ein politisches Phänomen in verschiedenen Ländern im gleichen Zeitraum untersucht wird. Der methodische Ansatz "Vergleichende Fallstudie" eignet sich aus nachstehenden Gründen für die empirische Untersuchung von Ratifizierungsprozessen besonders: - Der Untersuchungsgegenstand ist ein politisches Phänomen, das bislang nur in wenigen Fällen vorliegt. Ein Datensatz, an dem sich statistische Tests durchführen ließen, existiert nicht. - Die ausgewählten Fälle eignen sich in hervorragender Weise für einen Vergleich, da sie Gemeinsamkeiten aufweisen (Vergleich von most similar cases). Bei den Fällen stellt das fast-track procedure die gemeinsame Klammer dar. - Eine Fallstudie bietet im Rahmen der qualitativen Forschung22 vielfältige Möglichkeiten, für die empirische Untersuchung ein breit diversifiziertes Quellenspektrum heranzuziehen. Die Studie berücksichtigt für die Analyse drei der vorliegenden Fälle: Die Ratifizierung der Tokio-Runde, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen und die Uruguay-Runde. Diese Auswahl wird aus zwei Gründen vorgenommen. Erstens, bei jedem dieser drei Fälle ist der Faktor "Partei konstellation" konstant: Der Demokrat Jimmy Carter sah sich im Jahr 1979 wie Bill Clinton 1993/94 einer Mehrheit seiner Partei in bei den Häusern des Kongresses gegenüber. Dadurch kann der Einfluß der parteipolitischen Komponente, die bei split- oder divided government Konstellationen eine beachtliche Rolle spielen würde, vernachlässigt werden. Zweitens, die Tokio-Runde stellt das erste unter dem fast-track procedure ratifizierte Abkommen dar, während es sich bei NAFT A und der Uruguay-Runde um die bislang jüngsten Ratifizierungsprozesse unter dem Verfahren handelt. 22
Vgl. Denzin/Lincoln 1994.
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1. Teil: Allgemeiner Teil
Die für den Vergleich benutzten Kriterien stammen aus der allgemeinen Forschung über den amerikanischen Präsidenten und Kongreß, aber auch aus der handelspolitischen Forschung. 23 Es handelt sich dabei um fünf Kriterien: - Positionen und Einstellungen der Kongreßabgeordneten in der Handelspolitik - Position des Präsidenten (Einstellung; prestige; reputation) - Strategische Ausgangspositionen (Erfahrungen beider Akteure miteinander; Erwartungen aneinander) - Interaktion zwischen Präsident und Kongreß (Signale; bargaining, legislative skills) - Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen Für jeden einzelnen der drei Fälle wird analysiert, welchen Einfluß diese Kriterien für den Verlauf und das Ergebnis des Entscheidungsprozesses hatten. Ziel ist es außerdem, herauszufinden, ob es noch andere Kriterien gibt, die an dieser Stelle nicht erfaßt sind. Erstmals wird bei der Analyse explizit versucht, dem Einfluß der Rahmenbedingungen (ökonomische Situation, außenpolitische Ereignisse etc.) Rechnung zu tragen. Diese wirken sich besonders auf die langfristigen Einstellungen der Kongreßabgeordneten und des Präsidenten in der Handelspolitik, aber auch auf ihre kurzfristigen taktischen Erwägungen, aus. Die Fallstudien nehmen deshalb immer wieder auf ökonomische Rahmenbedingungen Bezug. Kapitel 5 ist außerdem ausschließlich den Rahmenbedingungen gewidmet. Die Analyse der Interaktion zwischen Präsident und Kongreß (viertes Kriterium) erfolgt für jede Fallstudie in drei Schritten. Diese ergeben sich aus den strategischen Konstellationen; die durch die Anwendung des Jasttrack procedure entstehen. Die erste Phase urnfaßt die Zeit vor Beginn der Handelsgespräche mit dem Ausland. Der Präsident löst den Interaktionsprozeß aus, indem er den Kongreß von seiner Absicht, mit dem Ausland ein Handelsabkommen zu vereinbaren, informiert. Der Kongreß reagiert darauf in Form eines Handelsgesetzes, artikuliert eigene inhaltliche Ziele und steckt dem Präsidenten einen Verhandlungsrahmen ab. Im Austausch für die Vollmacht des Kongresses macht der Präsident bereits in dieser Phase bereits konkrete Zugeständnisse an den Kongreß, bzw. verspricht zumindest dem Kongreß, dessen Prioritäten während der Verhandlungen zu berücksichtigen. Die zweite Phase umfaßt die Verhandlungen selbst. Die Exekutive führt die Verhandlungen mit dem Ausland. Der Kongreß ist während der Verhandlungen auf eine Beobachterrolle beschränkt. Die eigentliche 23
Vgl. Neustadt 1990, Edwards 1980 und 1989. Pastor 1980 sowie DestIer 1995.
1. Einleitung und Anlage der Studie
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Entscheidung über ein Handelsabkommen fällt schließlich in der dritten Phase, an deren Ende der eigentliche Ratifizierungsprozeß liegt. Die Endabstimmung gibt dem Kongreß ein glaubhaftes Sanktionsmittel in die Hand, mit der die Exekutive gezwungen werden kann, auf ganz unterschiedliche Weise bestimmte Zugeständnisse oder inhaltliche Anpassungen im Sinne des Kongresses vorzunehmen. 1.5. Quellen
Die Arbeit wendet Instrumente der qualitativen Forschung an. Yin identifiziert sechs verschiedene Quellen empirischen Materials, die im Rahmen der qualitativen Forschung, zu der die Fallstudie zählt, verwendet werden können. 24 Vorliegende Studie stützt ihre Analyse gemäß der Yinschen Kategorien auf vier Quellen von Daten: Documentation (Dokumente), Archival Records (Archivmaterial), Interviews und - bedingt - direct observation (eigene Beobachtung und Erfahrung). Documentation und Archival records
Die meisten dieser Studie zugrundeliegenden Quellen sind Veröffentlichungen des US-Kongresses oder der amerikanischen Exekutive. Dazu gehören besonders die Transkripte der Anhörungen vor dem Kongreß, der Congressional Record aber auch die Berichte des Congressional Research Service. Darüber hinaus verwendet die Studie zahlreiche Quellen aus Inside U.S.-Trade. Diese wöchentlich an ein Fachpublikum gerichtete Zeitschrift zu Fragen der amerikanischen Außenhandelspolitik veröffentlicht Briefwechsel und Stellungnahmen von Politikern und am Entscheidungsprozeß beteiligter Interessengruppen. Interviews Erkenntnisse und Schlußfolgerungen dieser Untersuchung beruhen auf zahlreichen offiziellen und informellen Gesprächen, die der Autor im Laufe des Abfassens dieser Arbeit geführt hat. Einige dieser Gespräche liegen in Tonbandform vor. Direkte Beobachtung des politischen Prozesses Bei einem Praktikum am Repräsentantenhaus des amerikanischen Kongresses im Februar und März 1994 konnte sich der Autor selbst einen Eindruck von den grundsätzlichen Bedingungen des Entscheidungsprozesses 24
Vgl. Yin 1994: 78-101.
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1. Teil: Allgemeiner Teil
machen. Nur wenige Monate nach der Ratifizierung des NAFfA war die Erinnerung zahlreicher Gesprächspartner noch frisch. Einen in dieser Arbeit untersuchten Ratifizierungsprozeß hat der Autor selbst nicht vor Ort mitverfolgen können. 1.6. Aufbau der Arbeit Die Arbeit eröffnet mit einem allgemeinen historischen Überblick über das Verhältnis von Präsident und Kongreß bei der Formulierung der Außenhandelspolitik (Kapitel 2). Im Anschluß daran führt Kapitel 3 in den als fast-track procedure bekannt gewordenen Ratifizierungsmechanismus ein. Entwicklung und demokratietheoretische Kritik des fast-track werden dargestellt. Danach folgt der empirisch-analytische Hauptteil der Studie, der den Vergleich der drei Fallstudien über die Tokio-Runde (Kapitel 4), NAFfA (Kapitel 6) und die Uruguay-Runde (Kapitel 7) enthält. Die Analyse orientiert sich dabei strikt an dem in der Einleitung dargelegten Untersuchungsverlauf und den dargelegten Kriterien. Die Fallstudien werden in chronologischer Reihenfolge analysiert und verglichen. Der Veränderung der internationalen Rahmenbedingungen des Entscheidungsprozesses nach der Tokio-Runde wird dadurch Rechnung getragen, daß die Änderung der Rahmenbedingungen zwischen der Analyse der Tokio-Runde und NAFfA bzw. der Uruguay-Runde steht (Kapitel 5). Eine kurze Analyse der jüngsten Versuche der Clinton-Administration, 1997 und 1998 handelspolitische Vollmacht und das fast-track procedure vom Kongreß zu erhalten, beendet den analytischen Teil (Kapitel 8). Die Auswertung des empirschen Teils vor dem Hintergrund der in der Einleitung gemachten Hypothesen erfolgt in Kapitel 9. Kapitellübeendet schließlich die vorliegende Untersuchung, indem es die empirischen Ergebnisse in den breiten Kontext der Formulierung amerikanischer Außenhandelspolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts einordnet. 1.7. Sprachliche Regelungen und Definitionen Der Text dieser Studie gebraucht den Begriff "Ratifizierungsprozeß" in einem sehr breiten Sinn. "Ratifizierungsprozeß" bezeichnet im folgenden die Phase des Entscheidungsprozesses, die sich vom Ende der Handelsgespräche mit dem Ausland (Phase 11) bis zur eigentlichen Abstimmung im Kongreß hinzieht. Gelegentlich bezeichnet "Ratifizierungsprozeß" sogar den gesamten Entscheidungsprozeß, d. h. Initiationsphase, Verhandlungsphase und Endphase. Die sehr breite Interpretation des Begriffes unterstreicht, daß der eigentliche Ratifizierungsakt die gesamte Interaktion bei der Akteure von der Planungsphase bis zur tatsächlichen Abstimmung
2. Historischer Hintergrund
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bestimmt. Außerdem grenzt der Begriff "Ratifizierungsprozeß" die prozessualen und politischen Abläufe im Zusammenhang mit der Verabschiedung von Handelsabkommen vom regulären handelspolitischen Entscheidungsprozeß ab. Zwei kurze Bemerkungen zur Verwendung von Anglizismen im Text: Eine Arbeit über das politische System der Vereinigten Staaten kommt kaum ohne Ausdrücke in englischer Sprache aus. So halte ich z. B. die in der Literatur kursierende Übersetzung von fast-track procedure mit "Schnellverfahren" oder beispielsweise Committee on Ways and Means mit "Steuergesetzgebungsausschuß" für unvollständig, unpräzise und deshalb unbefriedigend. Technische Ausdrücke in englischer Sprache werden in ihrer Originalfassung und in kursiver Schrift verwendet. Sie werden im Verlaufe der Arbeit bei Ersterwähnung direkt oder indirekt (durch den Kontext) ins Deutsche übersetzt. Ein zweiter Hinweis betrifft den Begriff "Administration", der nachstehend für den Präsidenten, die Exekutive, das Weiße Haus etc. verwendet wird. Auch wenn Verfechter eines guten Stils in der deutschen Sprache25 diesen Begriff am treffendsten mit "Regierung" übersetzt sehen, weil "Administration" sonst mit "Verwaltung" verwechselt werden könnte, erscheint mir dieser Gebrauch als inhaltlich irreführend. Den amerikanischen Präsidenten als "Regierung" und den Kongreß als "Parlament" (so z. B. die Neue Zürcher Zeitung) zu übersetzen, suggeriert ein parlamentarisches System westeuropäischen Typs. Dieser Sprachgebrauch ignoriert, daß nach amerikanischem Verständnis Kongreß und Präsident zusammen das Govemment bilden, und weniger als konfrontativ sich gegenüberstehende Institutionen, sondern eher als zwei Teile einer Einheit begriffen werden müssen.
2. Historischer Hintergrund: Präsident und Kongreß in der amerikanischen Handelspolitik "This is a picture of Mr. Smoot and Mr. Hawley. (... ) Now, I framed this so you can put it on your wall if you want tO.,,26 Al Gore zu Ross Perot, NAFfA-Debatte aufCNN, 9. November 1993
Die Überreichung eines Portraits der Kongreßabgeordneten Smoot und Hawley durch Vize-Präsident Al Gore an den Milliardär Ross Perot vor den Augen des amerikanischen Fernsehpublikums war einer der Höhepunkte der 25 Vgl. Schneider, Wolf: Deutsch für Profis. Wege zu gutem Stil. Luis Murschetz. Hamburg 1984, S. 63. 26 Vgl. King 1995: 281.
3 Pfeil
~llustriert
von
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1. Teil: Allgemeiner Teil
NAPf A-Debatte Anfang November 1993. Die Episode unterstreicht die Bedeutung historischer Begebenheiten für aktuelle handelspolitische Debatten. Im Jahr 1930 waren Senator Reid Smoot (R-UT) und der Repräsentant Willis Hawley (D-OR) die Vorsitzenden des Finanzausschusses des amerikanischen Senates bzw. des Committees on Ways and Means am Repräsentantenhaus. Sie gelten als die Hauptverantwortlichen für das Zollgesetz von 1930, das Symbol für den amerikanischen Protektionismus ist. Das Gesetz, das den Namen der beiden Ausschußvorsitzenden trägt (SmootHawley-Act), schraubte amerikanische Zollsätze auf bis dahin unerreichte Höhen, provozierte Vergeltungsmaßnahmen des Auslandes und steht im Verdacht, dadurch die Depression der amerikanischen Wirtschaft in den 1930er Jahren verstärkt zu haben. 27 Durch die Überreichung des Portraits der Abgeordneten Smoot und Hawley an Ross Perot gelang es Al Gore, den Texaner und Hauptgegner des NAPfA in der kritischen Phase des Entscheidungsprozesses vor den Augen von Millionen von Fernsehzuschauern als Protektionisten zu brandmarken. Der aus der Sicht des Vize-Präsidenten erfolgreiche Ausgang der Debatte trug dazu bei, die skeptische, wenn nicht sogar ablehnende, Haltung der Öffentlichkeit abzuschwächen. Ein wichtiger Schritt in Richtung Ratifizierung des umstrittenen Freihandelsabkommens mit Mexiko und Kanada war getan. Diese Episode unterstreicht auch die Notwendigkeit, vorliegende Studie mit einem historischen Überblick zu eröffnen. Akteure in der Handelspolitik richten sich ganz offenbar nicht nur nach aktuellen Interessenkonstellationen und ihren taktischen Erwägungen, sondern beziehen auch Erfahrungen aus Entscheidungsprozessen der Vergangenheit mit in ihr Kalkül ein. 28 Ein Blick auf die Geschichte verdeutlicht zudem, wie sich das Verhältnis von Präsident und Kongreß in der Handelspolitik nach extern oder intern ausgelösten Krisen stets neu arrangiert hat. Diese Anpassungsprozesse an neue ökonomische oder politische Konstellationen sind zentral für eine Bewertung der in dieser Arbeit untersuchten Ratifizierungsprozesse der 1990er Jahre. Nach dem Ende des Kalten Krieges, wie auch schon in den dreißiger oder siebziger Jahren, stehen Präsident und Kongreß vor der Herausforderung, ihre Interaktion bei der Formulierung der Handels-politik im nationalen Interesse erneut abzustimmen. Die nachstehenden Kapitel (2.1. bis 2.3.) skizzieren die Entwicklung des Verhältnisses von Präsident und Kongreß in der Handelspolitik in drei Hauptphasen. Sämtliche in dieser Studie betrachteten Fallstudien fallen in die dritte Phase: 27 Vg1. Schattschneider 1935. Gute Darstellungen der Smoot-Hawley-Episode liefern Powell 1993 und Kaplan 1996: 21-41. 28 Zur Funktion und Bedeutung des "Gedächtnisses" im politischen System vg1. Medick-Krakau 1995: 62f.
2. Historischer Hintergrund
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- Die Periode von 1789 bis 1934: Dominanz des Kongresses in der amerikanischen Handelspolitik (2.1.) - Die Zeit zwischen 1934 bis in die 1970er Jahre: Aufstieg und zentrale Rolle der amerikanischen Exekutive bei der Formulierung der Handelspolitik (2.2.) - 1970er Jahre bis 1998: "Aktive" Rolle oder Dominanz des Kongresses im außenhandelspolitischen Entscheidungsprozeß? (2.3.) 2.1. Vor 1934: Der Kongreß als dominanter Akteur Die Verfassung der Vereinigten Staaten weist die Kompetenz für handelspolitische Entscheidungen eindeutig dem Kongreß zu. Während der Verfassungstext im außenpolitischen und militärischen Bereich starke Kompetenzüberschneidungen zwischen Präsident und Kongreß aufweist, ist die Zuständigkeit in der Handelspolitik eindeutig geregelt. 29 Zwar deckt die verfassungsrechliche Kompetenz des Präsidenten, mit dem Ausland Verträge abzuschließen (treaty power), theoretisch auch den Bereich der Handelspolitik ab;3o so könnte der Präsident beispielsweise durchaus im Alleingang ein Freihandelsabkommen mit einem Handelspartner vereinbaren. In der Praxis ist dazu jedoch ein explizites Mandat oder mindestens das stillschweigende Einverständnis des Kongresses erforderlich, um für das Abkommen innenpolitisch Zustimmung zu erhalten. Kongreßabgeordnete nehmen die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des Kongresses ernst und sind im Interesse ihrer Klientel nicht bereit, Kompetenzen an die Exekutive ohne Mitsprache abzutreten. Der amerikanische Kongreß nahm seine Kompetenz während der ersten 150 Jahre der amerikanischen Republik, bis Ende der 1920er Jahre, ausschließlich allein wahr? 1 Diese Dominanz des Kongresses gründete nicht nur auf seiner verfassungsrechtlichen Zuständigkeit, sondern beruhte auch auf der insgesamt schwachen Stellung des Präsidentenamtes bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts. Die vielzitierten Sätze aus der Verfassungsurkunde "The Congress shall have Power to lay and collect taxes, duties, imposts and excises" und "... to regulate commerce with foreign nations" (Artikel I, Sektion 8, Sätze 1 und 3) deuten bereits die Funktion der Handelspolitik in dieser Phase an: Handelspolitik im späten 18. und während des gesamten 19. Jahrhunderts war Zollpolitik und damit Steuerpolitik. Zölle stellten die Haupteinnahmequelle der Bundesregierung in Washington Vgl. Mann 1990 und Burgin 1997: 294-296. Vgl. Verfassung der Vereinigten Staaten, Artikel II, Sektion 2 (treaty-power). 31 Gute Überblicke über die Handelspolitik dieser Zeit bieten Ratner 1972, Pastor 1980, Cohen/PaullBlecker 1996: 25-52, Medick-Krakau 1995: 61-73, Hody 1996. 29
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dar. Erst mit Einführung der Einkommenssteuer im Jahre 1913 verlor dieser wichtige Aspekt an Bedeutung. 32 Diese Funktion der Handelspolitik als Steuerpolitik erklärt nicht nur, warum die Verfassung diesen Politikbereich dem Kongreß, und nicht der Exekutive, zuwies. Sie erklärt zudem die bis heute starke Stellung der beiden Auschüsse, Senate Finance Committee und Committee on Ways and Means, als für Steuern zuständige Ausschüsse, im handelspolitischen Entscheidungsprozeß. Auch die Tatsache, daß alle handelspolitischen Gesetzentwürfe nach wie vor offiziell im Repräsentantenhaus, d. h. der repräsentativen Kammer, zuerst eingebracht werden müssen, und nicht im Senat, ist auf die historische Funktion der Handelspolitik als Steuerquelle im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Wegen der Bedeutung von Zöllen für die Einnahmen der Bundesregierung stellte die Festlegung der Zollsätze, und damit der Kurs in der Handelspolitik, eines der umstrittensten politischen Themen in den USA von der Republikgründung bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts dar. Handelspolitik spaltete nicht nur die Parteien in "protektionistische" Republikaner und eher "freihändlerische" Demokraten. Sie verschärfte auch wie darin bereits impliziert - den Nord-Süd-Gegensatz zwischen den eher exportorientierten Agrarinteressen im Süden und den Industrien des produzierenden Gewerbes im Norden; letztere rechtfertigten Importschutz mit dem Argument, ihre ,jungen" Industriezweige in der Konsolidierungsphase gegen ausländische Konkurrenz abzuschirmen. Die Zölle selbst befanden sich während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf durchgehend hohem Niveau, je nachdem, welche Partei den Kongreß dominierte, bzw. ob Löcher in der Kriegskasse der USA Steuereinnahmen erforderlich machten. 33 Neue weltwirtschaftliche Konstellationen nach dem Ersten Weltkrieg zeigten jedoch die Defizite der alleinigen Vorherrschaft des Kongresses in der Handelspolitik auf und führten zur ersten Krise des handelspolitischen Entscheidungsprozesses. In den 1920er Jahren spürten die amerikanischen Farmer erstmals den Druck der internationalen Konkurrenz. Was ein Gesetz zu ihrem Schutz werden sollte, geriet im Kongreß zum berüchtigten SmootHawley-Act von 1930, der Schutzzölle nicht nur für den Agrarsektor sondern auch für tausende Nicht-Agrarprodukte dramatisch erhöhte. Das Gesetz rief weltweit Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner hervor. Ein erheblicher Rückgang des Welthandels und die Verschärfung der Depression in den USA waren die direkte Folge. Die Zeitgenossen machten jedoch weder die veränderte weltwirtschaftliche Stellung der USA nach dem Vgl. Hansen 1990. Die Höhe der Zollsätze in den USA im 19. und frühen 20. Jahrhundert zeigen die Schaubilder bei Medick-Krakau 1995: 65 und 68. 32
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Ersten Weltkrieg34 noch die Rolle Präsident Hoovers, der trotz der Warnung von über 1000 amerikanischen Ökonomen kein Veto gegen das Zollgesetz einlegte, für die Misere verantwortlich. Das System selbst, der handelspolitische Entscheidungsprozeß innerhalb des Kongresses, geriet in die Kritik: Unter dem Druck von Interessengruppen hatten sich die Kongreßabgeordneten gegenseitig Zollerhöhungen für die Industrien ihrer Wahlkreise gewährt. Die Hauptakteure im Weißen Haus und am Capitol Hill reagierten auf die Krise von Smoot-Hawley mit einer institutionellen Reform und veränderten für die nächsten Jahrzehnte den Modus der Interaktion zwischen Kongreß und Präsident in der Handelspolitik. 2.2. 1934 bis 1967: Der Aufstieg der Exekutive in der Handelspolitik Als Reaktion auf das Debakel im Zusammenhang mit dem SmootHawley-Act von 1930 verabschiedete der amerikanische Kongreß vier Jahre später den Reciprocal Trade Agreements Act. Das Handelsgesetz von 1934 endete die ausschließliche Zuständigkeit des Kongresses in der amerikanischen Handelspolitik und legte den Grundstein für eine drei Jahrzehnte währende enge Kooperation zwischen Präsident und Kongreß. 35 Das Gesetz modifizierte den handelspolitischen Entscheidungsprozeß, in dem der Präsident zukünftig eine zentrale Rolle spielte. Delegierung handelspolitischer Kompetenz vom Kongreß an die Exekutive war die Antwort auf die Krise von 1930. Der Kongreß delegierte fortan handelspolitische Kompetenzen an den Präsidenten, der sich aufgrund seiner nationalen Klientel und im Rahmen seiner außenpolitischen Funktionen für eine Politik der Handelsliberalisierung einsetzen konnte. Er wurde zur zentralen Entscheidungsinstanz in der Handelspolitik. Die Exekutive schirmte den Kongreß auf diese Weise von protektionistischen Forderungen ab und verhinderte damit eine Wiederholung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses, der zu dem Debakel von Smoot-Hawley geführt hatte. Ungeachtet der Tatsache, daß beide Institutionen in der Folgezeit aufgrund unterschiedlicher Klientel und institutioneller Prioritäten verschiedene Interessen und Ziele in der Handelspolitik verfolgt haben, ist ihr Verhältnis in diesem Politikbereich für die Phase zwischen 1934 und 1967 als kooperativ zu charakterisieren. 36 Obwohl die Initiative für das Handelsgesetz von 1934 von der RooseveltAdministration ausging, hatte auch der Kongreß starkes Interesse an einer Änderung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses. Fünf Motive Vgl. Junker 1975. Vgl. Haggard 1988. 36 Gute Überblicke dieser Phase bei Pastor 1980, Fürst 1989 und DestIer 1995: 11-38. 34 35
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beider Akteure sind für die Delegierung handelspolitischer Kompetenz an den Präsidenten durch den Kongreß anzuführen: Erstens, der Präsident galt damals wie heute aufgrund seiner nationalen Klientel als weniger anfällig gegenüber Forderungen nach Protektionismus. Da besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sich das Prinzip der Handelsliberalisierung als Leitprinzip der amerikanischen Außenhandelspolitik durchsetzte, das den politischen und ökonomischen Interessen der USA diente, galt es die Institution zu stärken, die dieses Prinzip am wirkungsvollsten in die Praxis umsetzen konnten. Im Vergleich zum Präsidenten waren und sind die Abgeordneten des Kongresses abhängiger von lokalen und regionalen Interessen und müssen häufig den protektionistischen Forderungen ihrer Wähler und Interessengruppen nachgeben. 37 Zweitens, mit der Exekutive war seit 1934 ein zusätzlicher und auch dominanter Akteuer in der Handelspolitik aktiv. Die Präsenz von zwei Akteuren in der Handelspolitik eröffnete den Entscheidungsträgern im Weißen Haus und am Capitol Hill die Möglichkeit, Verantwortung für eine bestimmte Politik zu verschleiern. Wähler, Interessengruppen und Handelspartner der USA vermochten mangels einer einzigen, zuständigen Entscheidungsinstanz weder Kongreß noch Präsident für eine bestimmte Politik haftbar zu machen. Kongreß und Präsident nutzten diesen Sachverhalt aus. Sie praktizierten für Jahrzehnte das Ritual, sich· gegenseitig für einen bestimmten handelspolitischen Schritt verantwortlich zu machen, ohne jedoch letztendlich Verantwortung tatsächlich zu übernehmen. Diese diffusion 01 responsibility verschaffte den Repräsentanten und Senatoren den nötigen Schutz vor dem lobbying und den Forderungen zahlreicher Interessengruppen: Mit dem Fingerzeig auf das Weiße Haus gelang es den Abgeordneten, Anwalt für ihre Klientel zu sein und doch gleichzeitig dem Vorwurf des Protektionismus zu entgehen. 38 Drittens, durch die Delegierung handelspolitischer Kompetenz entledigte sich der Kongreß eines Politikbereiches, in dem er aufgrund seiner dezentralisierten und fragmentierten Organisationsstruktur ohnehin kaum effektiv tätig werden konnte. Kongreßabgeordnete sind Generalisten, die in wesentlich mehr als nur einem Politikbereich tätig sein müssen. Gerade Handelspolitik absorbiert jedoch erhebliche zeitliche und personelle Ressour37 Die Annahme von der "freihändlerischen Exekutive" und der "protektionistischen Legislative" ist zwar grundSätzlich bis heute aufrechtzuerhalten, aber nicht immer pauschal gültig. Pietro S. Nivola hat zurecht darauf hingewiesen, daß auch Präsidenten durch protektionistische Maßnahmen sich der Unterstützung von Interessengruppen versichern. Präsidentschaftskandidaten machen Handelspolitik seit den achtziger Jahren immer wieder zu einem zentralen Thema im Wahlkampf. Vgl. Nivola 1993: 109-128. 38 Vgl. Weaver 1986.
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cen?9 Außenhandelspolitik ging besonders in der Nachkriegszeit mit langwierigen Verhandlungen mit dem Ausland einher und erforderte wochenoder gar monatelange Entsendungen hochspezialisierter Delegationen. Diese ließen sich viel einfacher aus den Ministerien der Exekutive als aus den Stäben des Kongresses rekrutieren. Viertens, Delegierung ermöglichte dem Kongreß zwar einerseits, Verantwortung für bestimmte Entscheidungen auf die Exekutive abzuwälzen; andererseits bot Delegierung handelspolitischer Kompetenz allerdings auch die Möglichkeit, Politikinhalte und Verfahren in der Handelspolitik zu steuern: Die Gewährung der handelspolitischen Vollmacht an den Präsidenten war meist an Bedingungen des Kongresses geknüpft. Im Austausch für das allgemeine Mandat des Kongresses, Handelsschranken abzubauen, erhielten bestimmte Wirtschaftsunternehmen in Ausnahmeregelungen oder durch Sonderabkommen Importschutz. Zudem zwang der Kongreß den Präsidenten zu einem bestimmten Verhalten, indem er in den Handelsgesetzen den Ablauf von Entscheidungsprozessen und Verfahren festschrieb. 40 Fünftens, auch der Präsident profitierte vom System der delegierten Kompetenz. Delegierung und Vollmacht gaben dem Präsidenten große flexibilität, außenpolitische Ziele zu verfolgen, ohne dabei stets an die mögliche Reaktion des Kongresses zu denken. Nach 1945 wurde Außenhandelspolitik ein wichtiger Eckpfeiler der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Prosperität der Alliierten in Asien und Mitteleuropa trug aus amerikanischer Sicht zur Eindämmung des kommunistischen Machtbereiches bei. Umgekehrt konnte der Präsident vor dem Kongreß bestimmte handelspolitische Projekte unter dem Hinweis auf außenpolitische Ziele und der Wahrung nationaler Interessen rechtfertigen. Wie sah die Delegierung handelspolitischer Kompetenzen an die Exekutive praktisch aus? Die Delegierung vollzog sich in den Handelsgesetzen. In der Zeit zwischen 1934 und 1967 verabschiedete der Kongreß insgesamt 13 Gesetze mit unterschiedlicher Bedeutung und Reichweite: 1934, 1937, 1940, 1943, 1945, 1948, 1949, 1951,1953, 1954, 1955, 1958 und 1962.41 In den Handelsgesetzen erteilte der Kongreß dem Präsidenten ein Mandat, gewisse handelspolitische Ziele zu verfolgen. Zwischen 1934 und 1945 erhielt der Präsident beispielsweise im Rahmen des Trade Agreements Program eine Vollmacht, bilaterale Abkommen zur Reduzierung von Zöllen abzuschließen. Nach 1945 enthielten die Handelsgesetze Vollmachten für den Präsidenten, Zollsenkungen auf multilateraler Ebene im Rahmen des 39 40
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Vgl. DestIer 1994: 241-243. Vgl. O'Halloran 1994. Vgl. Schwab 1994: 32f.
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1947 gegründeten General Agreements on Tariffs and Trade (GATI) auszuhandeln. 42 Bei genauerer Untersuchung spiegeln die Handelsgesetze die Interessen von Präsident und Kongreß insofern deutlich wieder, als daß sie handelsliberalisierende und protektionistische Bestimmungen enthalten. Die Gesetze gewährten einerseits das Mandat für den Präsidenten: Der Präsident durfte daraufhin aktiv werden und mit dem Ausland Zollreduzierungen verhandeln. Die Vollmacht des Kongresses war zeitlich und inhaltlich begrenzt. Das Mandat für den Präsidenten erstreckte sich in der Regel über kurze Zeitspannen zwischen ein bis drei Jahren. Zudem legten die Abgeordneten im Gesetz genau das Ausmaß der Zollreduzierungen fest. Im Gegenzug dazu nahm der Kongreß andererseits handelsrestriktive Bestimmungen in die Gesetze auf, die im Interesse seiner Klientel lagen. Diese Bestimmungen handelte der Kongreß vom Präsidenten als Gegenleistung für die Gewährung seiner Vollmacht ein. Im folgenden werden exemplarisch zwei der Bereiche kurz erläutert, in denen Präsidenten typischerweise Konzessionen an den Kongreß machten. Diese Bereiche sind auch für diese Studie von Bedeutung. Bei der Ratifizierung von Handelsabkommen handeln Präsident und Kongreß häufig in diesen Bereichen Konzessionen aus. 43 - Das nationale Handelsrecht (trade remedies): Es handelt sich hierbei um Verfahren, durch die amerikanische Finnen sich vor Importen der ausländischen Konkurrenz schützen können. Dazu gehört beispielsweise die sog. escape clause, die Schutzklausei, die amerikanischen Finnen vor einem durch Handelsliberalisierung bedingten Anstieg der Importe kurzfristige Protektion ennöglichen soll. Weitere Beispiele stellen die Bestimmungen zum Anti-Dumping- oder zum Ausgleichszollverfahren dar. Diese Verfahren zielten gegen die als "unfair" bezeichneten Handelspraktiken des Dumping oder der Subventionen durch andere Staaten. Der Kongreß strebte häufig danach, in den Handelsgesetzen die Anwendung dieser Verfahren zu erleichtern und dadurch den Importschutz für bestimmte Unternehmen zu gewährleisten. 44 - Organisationsstruktur der handelspolitischen Verwaltung: Der Kongreß versuchte durch die Handelsgesetze, Änderungen an der Organisationsstruktur innerhalb der Administration vorzunehmen. So richtete er im Trade Expansion Act 0/1962 das Amt des Handelsbeauftragten im Rang eines Ministeriums im Weißen Haus ein (Special Trade Representative, STR). Das neue Amt übernahm handelspolitische Funktionen, die zuvor über mehrere Ministerien, insbesondere aber das Außenministerium, ver42 43 44
Vgl. Low 1993. Vgl. DestIer 1995: 139-173. Vgl. Nivola 1993 und Destier 1995: 139-173.
2. Historischer Hintergrund
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teilt waren. Nach Auffassung des Kongresses hatte das Außenministerium die Handelspolitik viel zu sehr für außenpolitische Ziele instrumentalisiert, und trug damit nach Meinung der Abgeordneten den Interessen der amerikanischen Firmen zu wenig Rechnung. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Phase zwischen 1934 und Ende der 1960er Jahre in der Literatur als das goldene Zeitalter der Interaktion zwischen Kongreß und Präsident bei der Formulierung der Handelspolitik gilt. Diese Periode war durch geringe Konfliktneigung und optimales Erreichen der Ziele der beteiligten Akteure gekennzeichnet. Die spezifische Rollen- und Funktionverteilung zwischen Präsident und Kongreß ermöglichte in dieser Phase eine Politik der Handelsliberalisierung. Diese Jahre sind durch einen weltweiten Abbau der Zölle gekennzeichnet. Diese Politik war allerdings nicht immer so prinzipiengeleitet wie viele amerikanische Darstellungen ausführen. Die USA sind nach dem Zweiten Weltkrieg der Motor für das multilaterale Handelssystem gewesen, haben diese Politik allerdings nicht uneigennützig, sondern in eigenem wirtschafts- und sicherheitspolitischen Interesse verfolgt. Daß dabei die Prinzipien des Freihandels nicht immer Motivation für die Handlungen gewesen sind, zeigt insbesondere die Ablehnung der International Trade Organization (ITO) durch den US-Kongreß und die amerikanischen Wirtschaftseliten im Jahr 1950. 45 Die zweite große Krise des handelspolitischen Entscheidungsprozesses trat am Ende der Kennedy-Runde (1964-1967) ein. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß der Kongreß zwischen 1967 und 1975 dem Präsidenten keine Vollmacht in der Handelspolitik übertrug. Weltwirtschaftliche Gründe sind als Auslöser dieser zweiten Krise der Handelspolitik anzuführen. Die Handeispartner der USA holten den wirtschaftlichen Nachkriegsvorsprung Amerikas auf; Anfang der 1970er Jahre verzeichneten die USA zum ersten Mal Defizite in der amerikanischen Zahlungs- und Handelsbilanz. Diese Entwicklungen nährten protektionistische Bestrebungen am Kongreß und erschütterte die Unterstützung wichtiger Eliten für die Handelsliberalisierung. 46 Das vorläufige Ende der harmonischen Beziehung zwischen Präsident und Kongreß Ende der 1960er Jahre verschuldete jedoch die Exekutive. Endete die erste Phase der amerikanischen Handelspolitik Anfang der 1930er Jahre, weil der Kongreß im Rahmen des Smoot-Hawley-Gesetzes als dominanter Akteur versagt hatte, so geriet der handelspolitische Entscheidungsprozeß der zweiten Phase in eine Sackgasse, weil die Exekutive ihr Mandat überschritt: Am Ende der sechsten Runde des GATT, der KennedyRunde (1962-1967), hatte die Johnson-Administration versucht, einen AntiDumping Code mit dem Ausland abzuschließen und den sog. American Sel4S 46
Vgl. Diebold 1952. Vgl. Baldwin 1984.
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1. Teil: Allgemeiner Teil
ling Price abzuschaffen. Für diese nicht-tarifären Handelsschranken hatte der Kongreß der Exekutive jedoch kein Mandat erteilt und weigerte sich dann mit Erfolg, sie zu ratifzieren. 47 Da nicht-tarifäre Handelsschranken im Welthandel gegenüber Zöllen erheblich an Bedeutung gewonnen hatten, waren Kongreß und Präsident in Zukunft gezwungen, einen Modus für die Verhandlung und Ratifizierung von Abkommen dieser Art zu finden. Nachdem die Vollmacht des Präsidenten 1967 ausgelaufen war, versuchten die Präsidenten Johnson und Nixon· vergeblich, eine Vollmacht für den Abbau nicht-tarifärer Handelsschranken vom Kongreß zu erhalten. Der Trade Expansion Act of 1967 und der Trade Act of 1969 scheiterten bereits in den Ausschüssen. 48 Es dauerte bis 1974, daß Präsident und Kongreß sich auf ein Verfahren einigen konnten, wie sie zukünftig den Abbau nichttarifärer Handelsschranken handhaben wollten. Das fast-track procedure, das diese Differenzen zwischen den Akteuren lösen sollte, war im Handelsgesetz von 1974 eine kaum beachtete legislative Innovation. Das Verfahren sollte jedoch in den kommenden Jahrzehnten dazu beitragen, die reibungslose Interaktion von Kongreß und Präsident bei der Verabschiedung zentraler Vorhaben der Handelsliberalisierung zu gewährleisten. 2.3. 1974 bis 1998: Erneute Dominanz des Kongresses? Am 3. Januar 1975 trat der Trade Act of 1974 durch die Unterschrift Präsident Fords in Kraft. Nach beinahe acht Jahren ohne Mandat erhielt die Exekutive erstmals wieder Vollmacht vom Kongreß, an internationalen Verhandlungen zur Beseitigung von Handelsschranken teilzunehmen. Teil des Gesetzes war das fast-track procedure, das die vordem umstrittene Ratifizierung nicht-tarifärer Handelsschranken regelte. Wie bisher würde der Kongreß dem Präsidenten per Vollmacht gewähren, mit dem Ausland die Reduzierung bestimmter Handelsschranken zu vereinbaren. Eine Neuerung des Handelsgesetzes legte dem Präsidenten gegenüber dem Kongreß eine Konsultierungspflicht während der Dauer der Verhandlungen auf. Wichtiger noch war die Innovation, daß der Präsident nach den Verhandlungen die mit dem Ausland vereinbarten Ergebnisse durch den Kongreß ratifizieren lassen mußte (für Details vgl. Kap. 3). Diese Reform des Verfahrens als Antwort auf die Krise des handelspolitischen Entscheidungsprozesses Ende der 1960er Jahre hat dazu beigetragen, daß der Kongreß seit dieser Zeit als starker, wenn nicht sogar dominanter, Akteur bei der Formulierung der amerikanischen Außenhandelspolitik gesehen wird. Vgl. Glennon/Franck/Cassidy 1984: 3-7 und 9-38. Vgl. Trade expansion. Protectionist moves both blocked, in: Congressional Quarterly Almanac 1968, S. 729-734, hier S. 729f. und Foreign trade bill dies in Senate at end 0/ session, in: Congressional Quarterly Almanac 1970, S. 1051-1067. 47 48
2. Historischer Hintergrund
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In der Tat hat sich der Kongreß seit Mitte der 1970er Jahre im Vergleich zu seiner Rolle in der Phase davor zu einem aktiven Akteur im handelspolitischen Entscheidungsprozeß entwickelt. Der Kongreß ist in handelspolitischen Fragen rhetorisch häufiger zu vernehmen; mittels der Handelsgesetze verschafft der Kongreß zahlreichen Wirtschaftsunternehmen die Möglichkeit, sich kurzfristig vor ausländischer Konkurrenz abzuschirmen, sei es durch die Schutzklausel, Anti-Dumping- oder Ausgleichszollverfahren; zudem hat sich die Kontrolle des Kongresses über die Exekutive verstärkt. Der handelspolitische Entscheidungsprozeß findet seit den 1980er Jahren vor den Augen einer Öffentlichkeit statt. Handelspolitik wird zunehmend politisiert. Sie ist Gegenstand heftiger partei politischer Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Demokraten und entwickelt sich zur Arena für innergesellschaftliche Konflikte. Der Kongreß steht dabei im Zentrum der Auseinandersetzungen. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich diese Tendenzen verstärkt. Die 1990er Jahre stehen im Zeichen der dritten Krise des handelspolitischen Entscheidungsprozesses. Abermals ist das Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß aus seinen gewohnten Bahnen geraten und muß neu geordnet werden, wenn es nicht dauerhaft zu Handlungsunfähigkeit der USA in der Außenhandelspolitik führen soll. Vor dem Hintergrund gewaltiger Veränderungen der internationalen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung einer als Reaktion darauf sehr facettenreichen Außenhandelspolitik, die sich längst nicht mehr nur um Zollsätze dreht, verschwimmen spätestens seit 1990 die Konturen eindeutig zuordbarer Rollen und Verhaltensmuster der beiden Hauptakteure in der Handelspolitik. Entscheidend ist, daß diese Entwicklungen längst nicht mehr ausschließlich den Kongreß betreffen, sondern auch die Rolle der Exekutive, spätestens seit dem Amtsantritt Bill Clintons, verändert haben. Die Ratifizierungen des NAFTA und der Uruguay-Runde sind prominente Beispiele, diese Krise im handelspolitischen Entscheidungsprozeß darzulegen und mögliche Szenarien über die Zukunft der innenpolitischen Kräftekonstellationen in der amerikanischen Außenhandelspolitik aufzuzeigen. Diese Entwicklungen rechtfertigen für manche Autoren die These, daß seit Mitte der 1970er Jahre, und endgültig seit den 1990er Jahren, der Kongreß, nicht die Exekutive, den Kurs der amerikanischen Außenhandelspolitik dominiert. 49 Wie nachstehende Ausführungen verdeutlichen, scheint diese These auf den ersten Blick gerechtfertigt. Ein Blick auf die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Präsident und Kongreß während der letzten 25 Jahre zeigt jedoch, daß die Annahme eines dominanten Kongresses empirisch keinesfalls abgesichert ist. Zwar entfaltet der Kongreß, wie oben 49
Vgl. Franck 1981, O'Halloran 1994.
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erwähnt, wesentlich größere Aktivitäten als noch in den 1950er und 1960er Jahren. Doch ergibt sich daraus keine Führungsposition des Kongresses, in der er Handelspolitik initiiert und gegenüber der Exekutive direkt oder indirekt durchsetzt. Mehrere Gründe führten zu einem stärkeren Engagement des Kongresses in der Handelspolitik: Vietnam und Watergate begründeten und motivierten den Anspruch des Kongresses allgemein, stärkere Kontrolle über die außenpolitischen Entscheidungen des Präsidenten auszuüben. Die wachsende Zahl der Mitarbeiterstäbe am Kongreß führte zu einer größeren Expertise des Kongresses in der Handelspolitik und zu einer Abnahme des Informationsvorsprungs der Exekutive. In den Handelsgesetzen schrieb der Kongreß dem Präsidenten eine strikte Konsultierungspflicht bei bestimmten handelspolitischen Entscheidungen vor; er gestaltete Entscheidungsprozesse, die die Exekutive dazu verpflichtete, sich an bestimmte Fristen und Auflagen zu halten. Weiterhin sind weltwirtschaftliche Gründe für das verstärkte Agieren des Kongresses in der Handelspolitik anzuführen. Anfang der 1970er Jahre verringerte sich die wirtschaftliche Überlegenheit der USA gegenüber den japanischen und europäischen Handelspartnem. Wachsende Konkurrenz und steigende Handelsbilanzdefizite führten zu einem Anschwellen von protektionistischen Forderungen am Kongreß. 5o Handelspolitik wurde zu einem öffentlich diskutierten Politikfeld. Der Kongreß reagierte auf die Forderungen seiner Klientel mit gesteigerter gesetzgeberischer und symbolischer Aktivität. Neue Gebiete der Außenhandelspolitik verlangten die größere Aufmerksamkeit des Kongresses. In dem Maße wie Zölle an Bedeutung in der Handelspolitik verloren, rückten andere Gebiete in den Mittelpunkt des Interesses: Nicht-tarifare Handelsschranken, Maßnahmen gegen "unfaire" Handelspraktiken, Freihandelszonen, Schutz intellektuellen Eigentums u. a. waren derart komplex, als daß der Kongreß sie der alleinigen Zuständigkeit der Exekutive überlassen wollte. Einige Beispiele illustrieren das stärkere Engagement des Kongresses: - Mitte der achtziger Jahre stieg die Zahl der protektionistischen Gesetzentwürfe dramatisch an. - Die Initiative für das Handelsgesetz von 1988 (Omnibus Trade and Competitiveness Act) ging erstmals seit den 1930er Jahren wieder ausschließlich vom Kongreß aus. 51 - Der Kongreß setzte in den Handelsgesetzen 1979, 1984 und 1988 eine erleichterte Anwendung der Verfahren gegen sog. "unfaire" Handelspraktiken (Anti-Dumping, Ausgleichszollvefahren) durch. Amerikanische 50 51
Vgl. Destler 1995: 41-63. Vgl. Göll 1994 und Schwab 1994.
2. Historischer Hintergrund
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Firmen haben von diesen Verfahren dann auch regen Gebrauch gemacht. 52 - Der Kongreß setzte im Handelsgesetz von 1988 eine Umwandlung der Section 301 in die Super 301 durch. Die Super 301 verpflichtet die Exekutive, dem Kongreß jedes Jahr bestimmte Länder zu nennen, deren Marktzugangsbarrieren amerikanische Exporte in ganz besonders schwerer Weise behinderten. Super 301 verpflichtete den Präsidenten dazu, diese Länder unter Androhung von Sanktionen zur Öffnung ihrer Märkte zu zwingen. - Durch das fast-track procedure im Trade Act of 1974 gab der Kongreß das Prinzip der einmaligen Vorab-Genehmigung für den Präsidenten bei der multilateralen Reduzierung von Handelsschranken auf. Wenn der Präsident nach 1975 den Abbau nicht-tarifarer Handelsschranken mit dem Ausland verhandeln wollte, war er verpflichtet, den Kongreß während der Verhandlungen auf dem laufenden zu halten und die Verhandlungsergebnisse dem Kongreß zur Abstimmung vorzulegen. - Im November 1997 scheiterte der Versuch der Clinton-Administration, eine Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht und des fast-track procedure vom Kongreß zu erhalten. Damit ist Bill Clinton der erste Präsident seit der Einführung des Verfahrens im Jahr 1974, dem der Kongreß fasttrack verweigerte (vgl. Kap. 8). Trotz der merklich gesteigerten Aktivitäten des Kongresses in der Handelspolitik läßt sich die These von der Dominanz des Kongresses dennoch nicht erhärten. Drei Gründe sprechen gegen die These von der Vorherrschaft des Kongresses in der Handelspolitik: Erstens, von einer einseitigen inhaltlichen Formulierung der amerikanischen Außenhandelspolitik durch den Kongreß kann nicht die Rede sein. Dem Kongreß gelingt es zwar, in Handelsgesetzen oder auch in multilateralen und regionalen Handelsabkommen eigene inhaltliche Prioritäten gegenüber dem Präsidenten durchzusetzen. Doch zeigen insbesondere die Fallstudien der folgenden Kapitel, daß dies stets in enger Abstimmung mit den Zielen der Exekutive geschieht. Weißes Haus und Kongreß müssen bei diesem Prozeß teilweise große Abstriche von ihren Positionen und beträchtliche Konzessionen an die jeweils andere Seite machen. Trotz der gestärkten Stellung des Kongresses im handelspolitischen Entscheidungsprozeß gehen dabei viele Initiativen von der Exekutive aus. Der Präsident ist es, der die Verhandlungen führt. Er vermag im Gegensatz zum Kongreß mit 52 Vgl. Ni vola 1993 und besonders DestIer 1992. DestIer listet alle Section 201Fälle der Jahre 1975-1990 (S. 259-267), Anti-Dumping-Verfahren zwischen 1979 und 1990 (S. 268-325) und Ausgleichszollverfahren zwischen 1979 und 1990 (S. 326-403) auf.
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"einer Stimme" zu sprechen und kann deshalb gezielt Inhalte und Verfahren im Zusammenhang mit der Verhandlung und Verabschiedung von Handelsabkommen vorantreiben. Der Kongreß, obwohl gestärkt, übernimmt die Rolle eines reaktiven Partners. Zweitens, das Interesse einzelner Repräsentanten und Senatoren spricht gegen einen möglichen Anspruch des Kongresses, die Formulierung der Handelspolitik zu dominieren. 53 Wie weiter oben bereits zum Thema Delegierung handelspolitischer Kompetenz ausgeführt, verträgt sich ein aktives handelspolitisches Engagement nicht immer mit den wahlpolitischen Zielen oder der angestrebten Stellung eines Abgeordneten am Kongreß. Zudem ist die hierarchisch organisierte und im Vergleich zum Kongreß relativ zentralisierte Entscheidungsstruktur der Exekutive strukturell besser für Formulierung und Ausführung von Handelspolitik geeignet. Drittens, das scheinbare Erstarken des Kongresses im handelspolitischen Entscheidungsprozeß ist keinesfalls auf einen Führungsanspruch des Kongresses zurückzuführen. Vielmehr erforderten veränderte Prioritäten und Verhaltensmuster der amerikanischen Präsidenten in den 1980er und 1990er Jahren unfreiwillig ein stärkeres Engagement des Kongresses, das nicht mit einem Streben des Kongresses nach einer Führungsposition in der Außenhandelspolitik verwechselt werden darf. Noch bis zum Beginn der 1980er Jahre hatte die Exekutive durch ihre strikte Ausrichtung auf eine Politik der Handelsliberalisierung protektionistische Tendenzen am Kongreß zügeln können. Unter Reagan und Clinton war es jedoch oftmals die Exekutive selbst, die je nach Situation unilateral oder gar handelsrestriktiv in die Handelspolitik eingriff und auf diese Weise dem Kongreß häufig keine andere Wahl ließ, als ebenfalls Interventionen im handelspolitischen Bereich einzufordern, die dann meist handelsrestriktiv ausfielen. Die Kongreßabgeordneten mußten unter Reagan das durch die Untätigkeit der Exekutive entstandene Vakuum mit handelspolitischen Initiativen füllen. Die Reagan-Administration hatte bis Mitte der 1980er Jahre die Außenhandelspolitik vernachlässigt. 54 Reagan leitete erst 1985 Schritte gegen die Überbewertung des amerikanischen Dollars ein. Diese hatte zu dramatischen Handelsbilanzdefiziten geführt und schürte dadurch die protektionistische Stimmung am Kongreß. Das Vermächtnis der Reagan-Jahre ist ein Kongreß, der eine erheblich höhere Bereitschaft als früher zeigte, auf dem Feld der Handelspo.litik aktiv zu agieren. Die Handelspolitik der Clinton-Administration zeichnet sich durch eine noch ausgeprägtere Mehrgleisigkeit der handelspolitischen Ansätze aus. Obwohl in den Reden Clintons das Bekenntnis zum GATT-Prozeß und zum Multilateralismus stets 53 54
Vgl. Destler 1994: 241-243. Vgl. Destler 1986, Pearson 1990, Richardson 1991 und Schwab 1994: 49-78.
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik
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beteuert55 und durch die Verabschiedung der Uruguay-Runde scheinbar unterstrichen wird, ist das Verhältnis der USA zum GATI-Prozeß keinesfalls eindeutig. Unilaterales Vorgehen seitens der Administration, managed trade gegenüber Japan und China, die Befürwortung industriepolitischer Ansätze sowie eine starke Ausrichtung der Handelspolitik an den Konzepten fair trade und Reziprozität haben das seit dem Ende des Kalten Krieges ohnehin vorherrschende Klima amerikanischer Alleingänge oder gar Rückzug aus der internationalen Politik geschürt. 56 Angesichts der veränderten Rollenverteilung zwischen Präsident und Kongreß in der Handelspolitik und der Multiplizierung des handelspolitischen Instrumentariums bleibt der zukünftige Kurs der amerikanischen Außenhandelspolitik ungewiß. Die Analyse der innenpolitischen Debatten im Zusammenhang mit Freihandelszonen und GATI-Verträgen, die auf den folgenden Seiten vorgenommen wird, stellt zwar nur einen Teilbereich der US-Handelspolitik dar. Dennoch bieten sie einen präzisen Einblick in die Themen und politischen Kräftekonstellationen, die die Fonnulierung amerikanischer Außenhandelspolitik in den kommenden Jahre bestimmen werden.
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik "The answer is to keep the pressure on. I am serving notice today that Congress will do that. Chairman Rostenkowski, Senator Bentsen, and I will sound like the song by the police that goes, ,Every breath you take, every step you take, every move you make, we'lI be watching you.· Trust but verify: that will be our policy." Richard Gephardt (D-MO), Mehrheitsführer der Demokraten im 103. Kongreß zu Präsident Bush, 23. Mai 1991 57
Am 13. Juni 1996 ratifizierte das Repräsentantenhaus H. R. 2754, den Shipbuilding Trade Agreements Act. Hierbei handelte es sich um ein internationales Abkommen zum Abbau von Subventionen im kommerziellen Schiffsbau. 58 Die USA, die Europäische Union, Japan, Südkorea und NorVgJ. Garten 1995. VgJ. Levinson 1996. 57 VgJ. Congressional Record, 23. Mai 1991, S. H 3608. 58 "Agreement respecting normal competitive conditions in the commercial shipbuilding and repair industry." VgJ. Shipbuilding Subsidies, Journal of Commerce, 12. Juni 1996, S. 8A und End shipbuilding subsidies, Journal of Commerce, 13. Juni 1996, S. 6A. 55
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wegen hatten das Abkommen im Rahmen der OECD zwischen 1989 und 1994 ausgehandelt. Nun stand es zur Ratifizierung in beiden Kammern des amerikanischen Kongresses an. Das Repräsentantenhaus machte im Juni 1996 den Anfang; die Abgeordneten votierten mit 325 zu 100 Stimmen überwältigend für das Abkommen. Dennoch bedeutete die Abstimmung aus Sicht der Befürworter von Deregulierung und Subventionsabbau keinen Erfolg, denn der republikanische Abgeordnete des ersten Wahldistrikts von Virginia, Herbert H. Bateman, hatte im Plenum des Repräsentantenhauses einen Änderungsantrag gestellt. 59 Sein amendment attackierte das Herzstück des Abkommens und garantierte amerikanischen Werften die Fortsetzung staatlicher Förderung für weitere 30 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Das Repräsentantenhaus hatte dieses amendment mit 278 zu 149 Stimr.nen angenommen. 60 Das ursprüngliche Ziel des Gesetzes war damit hinfällig. Den Befürwortern des Subventionsabbaus blieb nur noch die Abstimmung im Senat. Wenn dort das Abkommen in seiner ursprünglichen Form angenommen werden würde, bestand die Möglichkeit, daß die unterschiedlichen Versionen beider Kammern in einer gemeinsamen Konferenz von Senat und Repräsentantenhaus debattiert und die Version des Repräsentantenhauses dann möglicherweise abgeschwächt werden könnte. Senator John Breaux (D-LA) hatte zu diesem Zweck ein Gegen-amendment zum Änderungsvorschlag Batemans ausgearbeitet. 61 Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Senator Trent Lott (R-MS), ließ das Gesetz im Plenum des Senats jedoch nicht zur Abstimmung kommen. 62 Obwohl die Handelspartner den USA eine Verlängerung der Ratifizierungsphase gewährt hatten63 , gab es Ende 1998 wenig Hoffnung auf Ratifizierung. 59 In Batemans Wahlkreis befindet sich die Newport News and Drydoek Company, eine der größten Schiffs werften der USA. Vgl. Polities in Ameriea - 1994, the J03rd Congress. Washington, D.C., 1994, S. 1573-1575. 60 Vgl. House unravels ship subsidy deal, in: Journal of Commerce, 14. Juni 1996, S. lA und 2B. Vgl. auch die Fassung des Repräsentantenhauses, in: Congressional Record, 13. Juni 1996, S. H 6302 - H 6314. Das Bateman-Amendment ist abgedruckt ebd., S. H 6315f. . 61 Vgl. Breaux tries to find eompromise to move OECD Shipbuilding bill, in: Inside.U.S.-Trade, 30. August 1996, S. 11-13. 62 Der größte private Arbeitgeber in Lotts Bundesstaat, Mississipi, ist die 1ngalls Shipbuilding Company mit ca. 11000 Angestellten. Im Frühsommer 1998 ging durch die Presse, daß Trent Lott 50 Millionen US-Dollar als Anzahlung für die Anschaffung eines Hubschrauberträgers in die military authorization bill des Senates aufnehmen wollte. Hubschrauberträger werden derzeit ausschließlich in Mississipi hergestellt. Die US Navy sah zum Zeitpunkt der Debatte im Senat keinen Bedarf für das nach Fertigstellung insgesamt 1,5 Milliarden US-Dollar teure Schiff. Vgl. Lott pushes new warship for home-state eontraet. In: The New York Times, Tuesday, June 23, 1998, S. A 12. 63 Vgl. EU, Shipbuilding nations give U.S. more time to ratify OECD Accord, in: Inside.U.S.-Trade, 25. Oktober 1996, S. 8.
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Das OECD-Abkommen zur Beseitigung von Subventionen im Schiffsbau war letztendlich deshalb durchgefallen, weil es im Repräsentantenhaus ohne das sog. fast-track procedure zur Abstimmung gekommen war. Fast-track procedure oder auch fast-track rules heißt das Verfahren, das die zügige Ratifizierung eines Abkommens und dessen Unveränderlichkeit durch den amerikanischen Kongreß garantiert. Der Kongreß hatte das Verfahren 1974 für die Verabschiedung von internationalen Handelsabkommen, d. h. ursprünglich GATT-Abkommen, eingeführt, deren Bestimmungen Änderungen im amerikanischen Recht erforderten. Das fast-track procedure verschafft dem Präsidenten in Handelsgesprächen Verhandlungsfreiheit und Glaubwürdigkeit gegenüber dem Ausland, weil das Verfahren den Kongreß daran hindert, ein Abkommen nach den Verhandlungen durch amendments zu verändern. Nur eine zahlenmäßige Minderheit von Handelsabkommen wird durch das fast-track procedure ratifiziert, bzw. erfordert überhaupt eine Ratifizierung. So sind beispielsweise allein in den ersten fünf Jahren der ClintonAdministration über 200 Handelsabkommen abgeschlossen worden, ohne daß der Kongreß ratifizieren mußte (dann durch executive order des Präsidenten in Kraft getreten) bzw. ohne das Änderungen im amerikanischen Recht notwendig waren. 64 Die Abkommen, die eine Ratifizierung unter dem Verfahren erfordern, sind jedoch meistens Abkommen, die inhaltlich umfangreich, politisch umstritten und ganz besondere politische Signalwirkung und Symbolkraft besitzen. Alle GATT-Abkommen und Freihandelszonen, die Gegenstand dieser Studie sind, zählen dazu. Verhandlungen über multilaterale und regionale Handelsabkommen, einem Pfeiler der amerikanischen Außenhandelspolitik, wären ohne fasttrack procedure undenkbar. Ob multilaterale Verhandlungen im Rahmen des GATT oder Verhandlungen mit Kanada und Mexiko über die Einrichtung einer Freihandelszone - kein Handelspartner der USA läßt sich auf Gespräche über den Abschluß eines Freihandelsabkommens mit der amerikanischen Regierung ein, solange nicht gewährleistet ist, daß der Kongreß keine Änderungen am Inhalt des Abkommens vornehmen kann. Eine Ratifizierung des OECD-Abkommens unter den Regeln des fast-track hätte das Bateman-Amendment verhindert. Der Shipbuilding Trade Agreements Act war deshalb nicht unter dem fast-track- Verfahren behandelt worden, weil zu Beginn der internationalen Verhandlungen politischer Konsens unter den 64 DestIer 1998: 42 weist völlig zurecht hin: "But a look at the overwhelming majority of those 200-plus agreements establishes their irrelevance to the debate. Many were protectionist in character, for example bilateral textile deals in which exporting nations promised to limit their sales to the U.S. market. Most of the other agreements either committed the other party, not the United States, to take action (... ), or included US concessions that Congress had already authorized."
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wichtigsten Schiffswerften der USA über die Zielrichtung der Verhandlungen herrschte. Im Laufe der Verhandlungen scherten die Großwerften jedoch aus dem Konsens aus und forderten die temporäre Beibehaltung staatlicher Leistungen im Schiffsbau. 65 Die Tatsache, daß es sich bei den Werften um finanzkräftige Unternehmen handelte, die besonders in strukturschwachen Regionen tausende von Arbeitsplätzen garantierten, gab ihnen ein erhebliches politisches Gewicht im Kongreß. Ohne die Garantie des fast-track procedure wäre das Risiko demnach hoch, das ein in langwierigen Verhandlungen mit den Handelspartnern im Ausland ausgehandeltes Abkommen wegen Forderungen des Kongresses wieder geändert werden müßte. Erst 1995 unterbrach die Regierung Chiles bereits begonnene Verhandlungen mit den USA über die Einrichtung einer Freihandelszone, als sich abzeichnete, daß das fast-track- Verfahren für die Ratifizierung nicht zur Verfügung stehen würde: Das Verfahren war den parteipolitischen Grabenkämpfen zwischen dem republikanisch kontrollierten 104. Kongreß und Präsident Clinton im Winter 1995/1996 zum Opfer gefallen.66 Da das fast-track procedure im Mittelpunkt der Fallstudien dieser Arbeit steht, bieten die folgenden Seiten eine Einführung in Entwicklung und Funktion des Verfahrens. 67 Der Kongreß hat alle in dieser Arbeit untersuchten Ratifizierungsprozesse mit Hilfe des fast-track procedure vorgenommen. Die Interaktion von Präsident und Kongreß bei der Ratifizierung von Handelsabkommen ist durch das Verfahren präjudiziert. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: - Einführung in Entwicklung und Funktion des Verfahrens - Diskussion demokratietheoretischer Kritik am fast-track procedure vor dem Hintergrund der Kongreßdebatte über fast-track im Frühjahr 1991
65 Sek, Lenore: The OECD shipbuilding agreement and legislation in the 105th Congress. Washington, D.C., August 14, 1998 (CRS Report Nr. 97-662 E), S. 4-6. 66 Vgl. Destler 1997: 20-23 und Chile will not complete NAFTA talks unless fast-track authority is approved, in: International Trade Reporter 14. Juni 1995, S. 1032f.; Chile sticks to its insistence on fast track for substantive talks, in: International Trade Reporter 18. Oktober 1995, S. 1723; Dole rejects fast track limited to Chile, aide says, in: International Trade Reporter 10. Januar1996, S. 44; Talks with Chile on NAFTA labor laws continue unofficially, negotiator says, in: International Trade Reporter, 21. Februar 1996, S. 275. 67 Grundlegend zum fast-track procedure: Bello/Holmer 1992, Koh 1992, Taylor 1994, O'Halloran 1994, Destler 1995: 71-77, 98-103, 244f. und 290, aktuell auch Destler 1997.
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik
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3.1. Entwicklung und Funktion des fast-track procedure Der Schlüssel für ein Verständnis des fast-track procedure und der damit in Verbindung stehenden Debatten der 1990er Jahre ist die Tatsache, daß das Verfahren ein Produkt des Kongresses ist. Anfang der 1970er Jahre entwickelte der Kongreß das fast-track-procedure aus der Notwendigkeit heraus, internationale Vereinbarungen über den Abbau nicht-tarifärer Handeisschranken ratifizieren zu können. Im Vergleich zu tarifären Handelsschranken, d. h. Zölle, waren nicht-tarifäre Handelsschranken im Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß problematisch. Bis in die 1960er Jahre hatte der Kongreß dem Präsidenten zeitlich befristete Vollmachten erteilt, um Zollreduzierungen mit den Handelspartnern zu vereinbaren: Der Präsident handelte Zollsenkungen im Rahmen der vom Kongreß vorgegebenen Margen aus und setzte anschließend das Verhandlungsergebnis durch executive order in Kraft (vgl. Kapitel 2). Seit dem Ende der 1960er Jahre spielten Zölle im Welthandel eine immer geringere Rolle. Nicht-tarifäre Handeisschranken standen nun an der Spitze der handelspolitischen Agenda. Der Abbau nicht-tarifärer Handelsschranken erforderte in der Regel erhebliche Änderungen im amerikanischen Recht. Hatte sich eine amerikanische Verhandlungsdelegation beispielsweise mit den Europäern auf bestimmte Standards in einem Industriebereich geeinigt, mußte das die Standards betreffende amerikanische Gesetz daraufhin dementsprechend geändert werden. Diese Gesetzesänderungen wollten und konnten die Abgeordneten nicht mehr dem Präsidenten überlassen, ohne dabei ihre Gesetzgeberfunktion zu vernachlässigen. Deswegen war es erforderlich, ein neues Ratifizierungsverfahren zu entwickeln. Die Gelegenheit dafür bot sich, als Präsident Nixon den amerikanischen Kongreß im April 1973 um eine Vollmacht bat, damit die USA an der in Tokio initiierten siebten multilateralen Runde im Rahmen des GATT teilnehmen konnte. Die Vollmacht des Kongresses, unter der die Kennedy- und Johnson-Administrationen die GATT-Verhandlungen der 1960er Jahre geführt hatten, war 1967 ausgelaufen. Der erste Vorschlag für das neue Ratifizierungsverfahren kam 1973 aus der Nixon-Administration. Die Initiative räumte dem Kongreß ein Veto ein: Mit dem Ausland getroffene Vereinbarungen würden automatisch in amerikanisches Recht umgesetzt, solange nicht der Kongreß innerhalb von 90 Tagen ein Veto einlegte. Diese Version erfuhr im Repräsentantenhaus Zustimmung und findet sich in dem den Gesetzentwurf begleitenden Report des Committee on Ways and Means wieder. 68 Ein Mitglied des 68 Vgl. Trade Reform Act of 1973. U.S. Congress. House of Representatives. Report of the Committee on Ways and Means. 93rd Congress. 1st session. Washington, D.C., 1973, S. 23-25.
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Finanzausschusses am Senat, Senator Herman E. Talmadge (D-GA), hatte jedoch verfassungsrechtliche Bedenken und lehnte den Vorschlag der Administration ab. 69 Der Finanzausschuß präsentierte einen Gegenentwurf, den später alle Seiten akzeptierten - das fast-track procedure: Wie bisher sollte der Kongreß den Präsidenten für die Aufnahme von Verhandlungen im vorhinein autorisieren. Die Neuerung bestand darin, daß der Präsident nach Abschluß der Verhandlungen mit dem Abkommen wieder zum Kongreß zurückkehren mußte; eine Ratifizierungsabstimmung in beiden Kammern des Kongresses (mit einfachen Mehrheiten, keine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich) entschied dann über die Annahme oder Ablehnung des Abkommens. Die einschneidendste Regel des fast-track procedure lag in dieser Schlußphase des Entscheidungsprozesses: Im Zuge der Debatte in den Kammern durften die Abgeordneten und Senatoren nicht, wie sonst im ,,regulären" Gesetzgebungsprozeß üblich, Änderungen (amendments) an dem Handelsabkommen vornehmen, sondern konnten nur für oder gegen das Abkommen votieren (up-or-down-vote). Kennzeichen des fast-track procedure sind zahlreiche Fristen. Sie sollten gewährleisten, ein Handelsabkommen durch den stark fragmentierten Entscheidungsprozeß am Kongreß innerhalb eines festgelegten und damit kalkulierbaren Zeitrahmens zu schleusen: 90 Tage bevor der Präsident seine Unterschrift unter einen Vertrag setzte, war er gesetzlich dazu verpflichtet, den Senat und das Repräsentantenhaus von dieser Absicht in Kenntnis zu setzen. Diese Periode sollte den Abgeordneten ausreichend Zeit lassen, das Vertragswerk zu prüfen. Nach der Unterzeichnung des Handelsabkommens mit den internationalen Handelspartnern würde der Präsident das Handelsabkommen dem Kongreß zur Ratifizierung vorlegen. Von diesem Zeitpunkt an, blieb den Ausschüssen im Senat und im Repräsentantenhaus insgesamt weitere 45 Tage, um Anhörungen abzuhalten. Nach Ablauf dieser Frist würde der Vertrag automatisch und unverzüglich bei den Kammern zur Ratifizierungsabstimmung vorgelegt, die wiederum innerhalb von 15 Tagen erfolgen mußte. Die Debatte in den Kammern war auf jeweils 20 Stunden begrenzt. Danach mußten die Abstimmungen in Repräsentantenhaus und Senat erfolgen. Diese Version des fast-track procedure ging so in das Handeisgesetz von 1974 ein und trat durch die Unterschrift Präsident Fords am 3. Januar 1975 in Kraft. 7o Da die Initiative für das fast-track procedure aus den Reihen des Kongresses kam und die Exekutive offensichtlich ohne nennenswerte Kritik zustimmte, mußte das neue Verfahren im Interesse bei der Akteure liegen. Vgl. Destier 1995: 72. Vgl. Trade Act 0/1974, Public Law 93-618 (Jan. 2, 1975), in: United States Statutes at Large. volume 88. part 2. Washington. D.C.. 1976. S. 1978-2076. 69
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Welche Vorteile bot das fast-track procedure für den Präsidenten, welche Vorteile für den Kongreß? Das fast-track procedure stärkte die Verhandlungsposition des Präsidenten gegenüber dem Ausland. Erstens, das fast-track procedure versetzte ihn in die Lage, den Handelspartnern zu garantieren, daß der Kongreß das verhandelte Abkommen unverändert belassen und zu einem bestimmten und relativ voraussagbaren Zeitpunkt darüber abstimmen würde. Besonders in Hinsicht auf Verhandlungen über die Beseitigung nicht-tarifärer Handelsschranken war dies eine wichtige Voraussetzung: Internationale Verhandlungen beruhten auf gegenseitigen Zugeständnissen zwischen den Handelspartnern. Die Möglichkeit, daß der Kongreß Teilbereiche eines international erzielten Kompromisses am Ende anzweifeln und sogar verändern könnte, hätte letztendlich den Bestand des gesamten Abkommens gefährdet: "Agreements on nontariff measures involve carefully balanced concessions that require each country to change domestic laws. One country might, for example, agree to improve its enforcement of intellectual property rights in exchange for commitments from its trade partners to reduce barriers to its agricultural exports. If Congress amends a single part of a complex agreement with many balanced concessions among many trading partners, the entire agreement would have to be renegotiated.,,71
Zweitens, die Verhandlungsdelegation der Amerikaner vennochte mit dem Hinweis auf die mögliche Reaktion des Kongresses Druck auf die Verhandlungspartner im Ausland auszuüben. Die durch das fast-track procedure implizierte Möglichkeit, daß der Kongreß ein Abkommen bei der Endabstimmung ablehnen könnte, diente hierbei als Druckmittel: Bereits der leise geäußerte Zweifel seitens amerikanischer Verhandlungsdelegationen, daß eine bestimmte Forderung des Auslands im Kongreß möglicherweise nicht mehrheitsfähig sei, veranlaßte Handelspartner häufig dazu, ihre Positionen zu überdenken und Forderungen abzuschwächen. Worin bestand das Interesse des Kongresses am fast-track-Verfahren? Alle taktischen Feinheiten und Optionen, die der reguläre Gesetzgebungsprozeß bietet, hatte sich der Kongreß durch das fast-track procedure selbst vorenthalten; angefangen mit der Möglichkeit, den Inhalt des Handelsabkommens in den Ausschüssen oder im Plenum der Kammern zu verändern oder das Fortschreiten des Abkommens zu verzögern, bis hin zum filibuster im Senat, wo Senatoren gewöhnliche Gesetzentwürfe nonnalerweise durch zeitlich unbegrenzte Debatten aufhalten und endgültig zu stoppen vennochten. 72 71 Vgl. Holliday, George D.: Fast Track Authority. Negotiating objectives for multilateral and preferential trade agreements. Washington, D.C., August 14, 1995 (CRS Report Nr. 95-904 E) S. 3.
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I. Teil: Allgemeiner Teil
Die Hauptmotivation des Kongresses bei der Einführung des fast-track procedure war der alte Grund: Wie schon vor der Einführung des Verfahrens wollte der Kongreß schwierige und möglicherweise unpopuläre Entscheidungen in der Handelspolitik umgehen, gleichzeitig aber trotzdem Kontrolle über die Inhalte der Handelspolitik behalten. Fast-track machte dies möglich. Wie schon in den 1950er Jahren, delegierte der Kongreß im Rahmen eines Handelsgesetzes handelspolitische Vollmacht an den Präsidenten. Damit wurde die unmittelbare Verantwortung für die Formulierung des Abkommens auf die Exekutive abgeschoben; Wähler und Interessengruppen wurden mit Reden und Versprechen besänftigt und an das Weiße Haus verwiesen; schließlich fielen ja dort die Entscheidungen. Gleichzeitig eröffnete fast-track procedure dem Kongreß informelle Wege, indirekt doch einige seiner Ziele durchzusetzen. Fasttrack überträgt dem Kongreß ernstzunehmende Sanktionsmöglichkeiten, die die Exekutive indirekt zwingen, Forderungen und Positionen des Kongresses bereits während der Dauer der Verhandlungen mit dem Ausland in die amerikanische Verhandlungsposition einzubeziehen und bei den Gesprächen zu berücksichtigen. Die Sanktionsmöglichkeiten bestehen vor allem darin, daß der Kongreß das Abkommen entweder bei der Endabstimmung ablehnen kann oder aber der Exekutive die Anwendung der fast-track rules entzieht, was ein vorzeitiges Ende j~glicher Handelsgespräche bedeuten würde: Denn, steht das fast-track procedure nicht zur Verfügung, müßte ein Handelsabkommen durch den regulären Gesetzgebungsprozeß ratifiziert werden. Kein Handelspartner wäre bereit, dieses Risiko einzugehen, da der Kongreß das Abkommen in diesem Prozeß völlig verändern und damit die Verhandlungen hinfällig machen könnte. Die Positionen der Kongreßabgeordneten werden demnach während der Dauer der Verhandlungen mit dem Ausland kontinuierlich eingeflochten. ,,[T]he Fast Track does not so much affect whether an agreement can be amended as when it can be amended.,,73
Wann immer eine Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht und eine Verlängerung des fast-track procedure nach 1974 anstand, hat der Kongreß die Möglichkeit genutzt, um seine Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Präsidenten auszuweiten. Die Handelsgesetze von 1984 und 1988 haben die Möglichkeiten des Kongresses, ein Handelsabkommen zum Scheitern zu bringen, vergrößert. Nach der Verabschiedung des Omnibus Trade and Competitiveness Act of 1988 stehen dem Kongreß insgesamt fünf Möglichkeiten offen, Handelsgespräche mit dem Ausland zu stoppen. 72 Einen sehr kompakten Überblick über die Regeln des regulären Gesetzgebungsprozesses im Senat und im Repräsentanthenhaus bietet Oleszek 1996: Kapitel 5,6,7 und 8. 73 Vgl. Koh 1992: 165.
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- Die Ratifizierungsabstimmung ("up-or-down-vote") war und ist das ursprüngliche Druckmittel aus dem Handelsgesetz von 1974. Die Möglichkeit, daß der Kongreß am Ende dem in Frage stehenden Abkommen seine Zustimmung versagt, bewegt den Präsidenten dazu, die Forderungen des Kongresses bei den Verhandlungen zu berücksichtigen und Zugeständnisse an den Kongreß zu machen. - Das fast-track procedure ist ein Verfahren, das der Kongreß freiwillig und aus eigenem Antrieb entwickelt hat. Das Verfahren ist in der Regel Teil eines mit einfacher Mehrheit verabschiedeten Gesetzes. Der Kongreß hat stets die Möglichkeit, seine eigenen Verfahrensregeln selbst zu bestimmen und zu verändern. Obwohl die Abgeordneten dem Präsidenten die Ratifizierung eines Handelsabkommens unter dem fast-track procedure zugesagt haben, können sie jederzeit die Anwendung des Verfahrens stoppen. Der Präsident hat und hatte zu keiner Zeit einen Anspruch auf das Verfahren. - Der Trade and Tarif! Act of 1984 eröffnete dem Kongreß erstmals die Möglichkeit, die Anwendung des fast-track procedure noch vor Beginn der geplanten Gespräche zu stoppen. Das Gesetz erlegte dem Präsidenten eine Benachrichtigungspflicht des Ways and Means Committee am Repräsentantenhaus und des Senate Finance Committee auf. Beide Ausschüsse konnten sich innerhalb von 60 Tagen gegen den Beginn von Verhandlungen entscheiden. - Der Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 brachte zwei weitere Neuerungen. Erstens, die sog. "reverse fast-track"-Klausel eröffnete dem Kongreß die Möglichkeit, dem Präsidenten das fast-track procedure während der Dauer von Handelsgesprächen nachträglich wieder zu entziehen. Mittels der Verabschiedung einer einfachen Resolution, die nicht die Unterschrift des Präsidenten erfordert, konnten die Abgeordneten dem Präsident das fast-track procedure wieder wegnehmen und Verhandlungen über ein Handelsabkommen zum Scheitern bringen. - Die zweite Neuerung des 1988er Handelsgesetzes war eine Verlängerungsklausel. Das Handelsgesetz von 1988 erlaubte dem Präsidenten grundsätzlich, Handelsschranken in Verhandlungen mit dem Ausland insgesamt bis zum 1. Juni 1993 zu reduzieren. Die Anwendung des fasttrack-Verfahrens gestattete der Kongreß allerdings erst einmal nur bis zum 1. Juni 1991, mit der Möglichkeit einer zweijährigen Verlängerung. Senat und Repräsentantenhaus konnten dann erneut über die Verlängerung des fast-track procedure abstimmen und erhielten auf diese Weise noch einmal Gelegenheit, Druck auf den Präsidenten auszuüben und die Berücksichtigung ihrer Ziele einzufordern.
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Diese Möglichkeiten zeigen, daß der Kongreß demnach gar keine Wege sucht, ein Abkommen inhaltlich direkt mitgestalten zu können. Er sieht seine Interessen vielmehr dann gewahrt, wenn er Druck auf die Exekutive ausüben und die Berücksichtigung seiner Ziele einfordern kann. Hierin liegt der eigentliche Zweck des fast-track procedure. Die Möglichkeiten, Handelsabkommen in nahezu jeder Phase des Entscheidungsprozesses scheitern lassen zu können, gibt der Rhetorik des Kongresses ernstzunehmende Sanktionsmöglichkeiten. Die aufgezählten Mittel zielen darauf, den Präsidenten davon abzuschrecken, im Rahmen von Verhandlungen mit dem Ausland Alleingänge zu wagen, die nicht vorher mit dem Kongreß abgesprochen sind. Der Präsident oder die Verhandlungsdelegation der Exekutive ist gut beraten, Signale des Kongresses richtig zu deuten und Ernst zu nehmen sowie im Gegenzug den Kongreß ausreichend über die Absichten der Exekutive zu informieren. Die Konsultierungspflicht des Präsidenten ist deshalb in den Handelsgesetzen in Zusammenhang mit dem fast-track procedure immer wieder explizit aufgeführt. Die selbstauferlegte Restriktion des Kongresses, den Inhalt eines Handelsabkommens nicht durch amendments verändern zu dürfen, kann sich der Kongreß eben nur dann leisten, wenn die Ziele und Interessen der Abgeordneten in permanenter Abstimmung zwischen Weißem Haus und Capitol HilI vor, während und nach den Verhandlungen berücksichtigt werden. Mit dem fast-track- Verfahren hatte der Kongreß ein Ratifizierungsverfahren entwickelt, das sowohl den Interessen des Präsidenten als auch des Kongresses diente. Das Verfahren bewährte sich erstmals bei der Ratifizierung der Tokio-Runde 1979 (vgl. Kapitel 4), die der Kongreß mit überwältigenden Mehrheiten in beiden Kammern ratifizierte. Weiterhin ratifizierte er in den 1980er Jahren ein regionales Handelsabkommen mit Kanada. Aus welchem Grund das Verfahren im Frühjahr 1991 unter heftige Kritik geriet, zeigt der nun folgende Abschnitt.
3.2. "Delegation is not abdication!" Demokratietheoretische Kritik am fast-track procedure Das fast-track procedure ist während der ersten eineinhalb Jahrzehnte seiner Existenz kaum Gegenstand einer Kongreßdebatte gewesen. Der Grund dafür ist nicht nur darin zu sehen, daß eine Mehrheit der Kongreßabgeordneten das Verfahren befürwortete. Fast-track war zudem in den Jahren 1974, 1979, 1984 und 1988 als Teil sehr umfangreicher Handelsgesetze gewissermaßen "im Paket" verabschiedet worden. Es hatte niemals als alleinstehendes Gesetz vor dem Kongreß zur Disposition gestanden. Schließlich hatte der Kongreß das fast-track procedure bislang immer nur für Abkommen genehmigt, die von Anfang an relativ breite Zustimmung in
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik
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den Reihen der Senatoren und Repräsentanten gefunden hatten. Diese Haltung mußte sich ändern, als das fast-track procedure im Frühjahr 1991 zum ersten Mal für ein umstrittenes Abkommen zum Einsatz kommen sollte. Die angestrebte Freihandelszone zwischen den USA und Mexiko, NAFfA, stieß besonders bei den Demokraten am Kongreß auf heftigen Widerstand. Die anstehende Debatte über die Genehmigung des Verfahrens nutzten viele Demokraten, um erstmals ihren Unwillen gegen das fast-track procedure und gegen die geplante Freihandelszone zu artikulieren. Die Debatte über das Ratifizierungsverfahren geriet zu einer Debatte über das Abkommen selbst und umgekehrt (v gl. Kapitel 6.5.1.). Auslöser für die Debatte war die Anfrage Präsident George Bush bei dem von den Demokraten kontrollierten Kongreß, die Anwendung des fasttrack procedure für die Zeit vom 1. Juni 1991 bis zum 31. Mai 1993 zu verlängern. 74 Der Präsident benötigte das Verfahren ursprünglich für die Uruguay-Runde, die nur zähe Fortschritte machte und deren Ratifizierung keinesfalls vor Juni 1991 zu erwarten war. Die Möglichkeit einer Verlängerung des Verfahrens war im Handelsgesetz von 1988 festgelegt. Der Kongreß hatte dort fast-track für die Ratifizierung der Uruguay-Runde nur bis zum 1. Juni 1991 gewährt, allerdings mit der Möglichkeit, die Anwendung des Verfahrens um zwei Jahre zu verlängern. Durch die Verlängerungsklausel wollte sich der Kongreß gegenüber der Exekutive vorbehalten, fasttrack nicht zu verlängern, falls die Abgeordneten mit dem inhaltlichen Fortschritt der GAIT-Verhandlungen nicht einverstanden gewesen wären (vgl. Kapitel 3.1.). Die Verlängerung des fast-track procedure komplizierte sich im Frühjahr 1991 dadurch erheblich, weil Präsident Bush das fast-track procedure nicht nur für die Ratifizierung der Uruguay Runde verwenden wollte; seit Juni 1990 stand die Bush-Administration in ständigem Kontakt mit der Regierung Mexikos bezüglich der Einrichtung einer gemeinsamen Freihandelszone. Kanada schloß sich diesen Plänen Anfang 1991 an. Beide Handelspartner forderten die Garantie, daß der US-Kongreß das Handelsabkommen unter dem fast-track- Verfahren ratifizieren würde. Ohne fast-track procedure hätten sie die Verhandlungen nicht begonnen. Präsident Bush über74 Eine gute Übersicht über den Verlauf und die Positionen dieser Debatte bietet das Congressional Quarterly, Weekly Report, in folgenden Beiträgen: Congress wary of Bush Plan to open doors to Mexico, 23. Februar 1991, S. 451-454; Bush asks to stay on fast track, 2. März 1991, S. 531; LawfIUlkers offer plans to modify fast track, 27. April 1991, S. 1047; Bush's ,Action Plan' fIUly be key to approval of fast track, 4. Mai 1991, S. 1120-1125; Lopsided vote seen signaling win for Bush on fast track, 18. Mai 1991, S. 1257-1260 und Hili gives Bush green light to negotiate trade pacts, 25. Mai 1991, S. 1358f. Vgl. auch Sek, Lenore: Trade negotiating authority: The 1991 debate on extension. Washington, D.C., July 27, 1992 (CRS Report Nr. 92-592 E).
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1. Teil: Allgemeiner Teil
raschte die Abgeordneten des Kongresses demnach, als er die Verlängerung des fast-track procedure für zwei Handelsabkommen verlangte: Er konfrontierte den Kongreß mit der Alternative, fast-track entweder für die Uruguay-Runde und für NAPfA zu genehmigen oder das Verfahren für beide Abkommen zu verweigern. Eine getrennte Abstimmung war nicht vorgesehen. Da die GATI-Verhandlungen erheblich mehr Unterstützung am Kongreß hatten als NAPfA, sahen sich viele Abgeordnete mit einem Dilemma konfrontiert. Zwischen März und Mai 1991 entfaltete sich deshalb um die Verlängerung des fast-track procedure eine heftige Kontroverse. 75 Dabei ging es allerdings nicht nur um die Konsequenzen einer Freihandelszone mit Mexiko, obwohl die geplante Freihandelszone ein zentraler Streitpunkt der Auseinanderset:lung zwischen Präsident und Kongreß sowie zwischen Demokraten und Republikanern war. Fast-track stand im Frühjahr 1991 zum ersten Mal allein, d. h. unabhängig von einem umfangreichen Handelsgesetz, auf dem Prüfstand. Diefast-track-Debatte geriet zu einer demokratietheoretischen Diskussion, in der folgende Fragen im Vordergrund standen: Begünstigt das Verfahren den Präsidenten? Genügt der Kongreß unter dem fast-track procedure noch seiner verfassungsrechtlichen Stellung in der Handelspolitik? Ennöglicht fast-track die ausreichende Partizipation des Kongresses und wichtiger gesellschaftlicher Gruppen an den Handelsgesprächen? Ist das fast-track procedure undemokratisch, weil es wichtige Entscheidungen zu demokratisch nicht legitimierten Beamten in die Exekutive verlagert? Folgende Positionen und Kräfteverhältnisse lagen der fast-track-Debatte zugrunde: Der Präsident, die meisten Abgeordneten der republikanischen Partei und eine Minderheit der Demokraten am Kongreß befürworteten eine Verlängerung des fast-track procedure. Widerstand gegen das Verfahren kam hauptsächlich von den Demokraten am Repräsentantenhaus und Senat. Um es vorwegzunehmen: Der Kongreß genehmigte im Mai 1991 die Verlängerung des fast-track procedure um zwei Jahre. Allerdings hatte sich der Kongreß vom Präsidenten vorher schriftlich zusichern lassen, daß dieser insbesondere die Themen Arbeit und Umwelt bei den anstehenden Verhandlungen mit dem nördlichen und dem südlichen Nachbarn der USA berücksichtigte. 76 Der Schwerpunkt der folgenden Seiten liegt auf der demokratietheoretischen Kritik gegen das fast-track procedure. Nachstehend werden die von 7S Für eine ausführliche Darstellung der Diskussion über die geplante Freihandelszone mit Mexiko vgl. Kapitel 6.5.1. 76 Vgl. Exchange 0/ fetters on issues concerning the negotiation 0/ a North American Free Trade Agreement. V.S. Congress. House of Representatives. Committee on Ways and Means. 102. Congress, 1st session. May 1, 1991. Washington, D.C., 1991.
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den Gegnern des fast-track procedure am häufigsten vorgebrachten Argumente dargelegt und kritisch beleuchtet. Dabei handelt es sich hauptsächlich um drei Kritikpunkte, die der Debatte im Repräsentantenhaus sowie einer im Zusammenhang mit der Verlängerung des fast-track procedure stehenden Ausschußsitzung vom Frühjahr 1991 entnommen sind: - Fast-track beschneide den Kongreß seiner verfassungrechtlichen Stellung in der Handelspolitik (,,Abdankungs-( abdication)"Argument)
- Als Kehrseite derselben Medaille stellt das zweite Argument darauf ab, daß fast-track eine Machtverschiebung vom Kongreß zur Exekutive in der Außenhandelspolitik bewirke ("Machtverschiebungs-"Argument) - Fast-track sei deshalb undemokratisch, weil es bestimmte gesellschaftliche Gruppen effektiver in den handelspolitischen Entscheidungsprozeß einbinde und andere Gruppen benachteilige ("Partizipations-"Argument). Erster Kritikpunkt (Das "Abdication- "Argument)
Gegner des fast-track procedure kritisieren, daß der Kongreß seine verfassungsrechtliche Stellung in der Außenhandelspolitik vernachlässige, indem er sich die Möglichkeiten einer aktiven inhaltlichen Mitwirkung nehme: Die Delegierung handelspolitischer Kompetenzen an die Exekutive untergrabe die Repräsentations- und Gesetzgebungsfunktion des Kongresses. Dies werde dadurch besonders verstärkt, daß der Kongreß sich selbst die Möglichkeit versage, Änderungsanträge (amendments) in den Kammern (House and Senate Floor) einbringen zu können. "Can we be sure that we, as elected representatives of the American people, are fully exercising our authority as legislators if we abdicate our power to negotiate and fashion this agreement to faceless bureaucrats in the executive branch, leaving for ourselves only a "yes" or "no" vote on the final product? (... ) And granting the unique authority to the President and his negotiators, in my view, effectively removes Congress from this process and does great damage to the separation of powers and the role of the Congress.'m
Auf den ersten Blick erscheint dieses Argument zunächst deshalb stichhaltig, weil der Kongreß im Kontext des fast-track procedure nicht als der "Lehrbuch-Gesetzgeber" agiert, der Gesetze initiiert, sie in den Ausschüssen formuliert, verabschiedet und dem Präsidenten zur Unterschrift vorlegt. Im Rahmen des fast-track procedure sind die Rollen zwischen Legislative und Exekutive offiziell quasi vertauscht: Laut dem Gesetz schließt der Präsident mit den Handelspartnern einen Vertrag ab und legt diesen in Form des Implementierungsgesetzes dem Kongreß zur Ratifizierung vor; auf77 Vgl. Rede des Abgeordneten Miller (D-CA) in: Congressional Record 23. Mai 1991, S. H 3524.
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I. Teil: Allgemeiner Teil
grund der Restriktion, keine Änderungsanträge einbringen zu können, werden dem Kongreß direkte inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten genommen. Der Kongreß steht somit offiziell am Ende der Kette und ist vor die Wahl gestellt, das Handelsabkommen als Ganzes anzunehmen oder als Ganzes abzulehnen. 78 Würde tatsächlich auf diese Weise verfahren, bliebe der Kongreß bei der inhaltlichen Formulierung eines Handelsabkommens weitgehend Außen vor. In der Praxis hat sich das Verfahren jedoch anders entwickelt. Der Kongreß verzichtet unter dem fast-track procedure keinesfalls auf seine Rolle als Gesetzgeber, sondern nimmt seine verfassungsrechtliche Stellung in der Handelspolitik wahr. Viele seiner Positionen und Ziele und die seiner Wähler können gegenüber der Exekutive durch informelle Mitwirkung doch indirekt geltend gemacht werden, wenn auch nicht immer zu 100 Prozent. Gegen den ersten Kritikpunkt, das "Abdankungs-Argument", lassen sich vier Gegenargumente anführen. Erstens, der Kongreß wirkt bei der Formulierung eines Handelsabkommens mit. Durch seine Drohung und die tatsächlich bestehende Möglichkeit, ein Handelsabkommen in verschiedenen Phasen seines Entstehens abzulehnen, zwingt der Kongreß die Exekutive, seine inhaltlichen Prioritäten mit einzubeziehen. Der Einfluß erfolgt demnach nicht durch amendments in den Kammern des Kongresses am Ende des Entscheidungsprozesses, sondern wird graduell, permanent und wenig sichtbar durch indirekte Kanäle im Verlauf des Verhandlungs- und Entscheidungsprozesses an die exekutiven Entscheidungsträger herangetragen (vgl. Kapitel 3.1.). Zweitens, die Exekutive hat die fast-track rules dem Kongreß nicht aufoktroiert. Das Verfahren ist ein Produkt des Kongresses. Er ist jederzeit in der Lage, durch Mehrheitsentscheid das Verfahren zu ändern oder sogar abzuschaffen. Die Delegierung handelspolitischer Kompetenz samt fasttrack procedure ist eine bewußte, zeitlich begrenzte und kontrollierte Ermächtigung des Präsidenten durch den Kongreß. Drittens, das fast-track- Verfahren stellt keinen Extrem- oder Sonderfall dar. Die Verabschiedung von Gesetzen im Repräsentantenhaus unter einer sog. "closed rule", d.h. unter einem Verfahren, das das Einbringen von amendments verbietet, ist Mitte der 1970er Jahre von den Demokraten eingeführt und seitdem häufig praktiziert worden. 79 Der Hinweis, daß die Verabschiedung von Gesetzen unter einer closed rule gute Praxis im Repräsentantenhaus ist, rechtfertigt das Verfahren als solches natürlich nicht. Es entkräftet aber den von den Gegnern des Verfahrens oft implizierten Vorwurf, 78 Der Präsident muß das Implementierungsgesetz unterzeichnen oder es ohne seine Unterschrift Gesetz werden lassen. 79 Vgl. Smith/Bach 1988 und Smith 1989.
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daß das fast-track procedure eine besonders raffinierte Erfindung der Anhänger des Handelsliberalismus sei. Viertens, das fast-track procedure verwischt nicht die Spuren der Verantwortlichkeit, sondern hält die Repräsentanten und Senatoren weiterhin für ihre Abstimmungsentscheidung verantwortlich. Durch die Endabstimmung, den up-or-down-vote, nehmen die Abgeordneten zu dem Handelsabkommen vor der Öffentlichkeit Stellung und können hinterher von den Wählern zur Rechenschaft gezogen werden. Besonders bei der Verabschiedung des NAFfA haben viele Wähler ihren Repräsentanten am Kongreß mit Sanktionen für die Kongreßwahlen 1994 gedroht. Fast-track und die Delegation handelspolitischer Kompetenzen hat somit nichts mit dem Gramm-Rudman-Hollings-Mechanismus8o im Haushaltsprozeß oder dem Verfahren zur Schließung von Militärbasen in den USA 81 gemein, um nur zwei prominente Beispiele zu nennen: Einmal in Gang gesetzt, laufen diese Verfahren automatisch ab, ohne daß sich eine direkte Verantwortlichkeit für unpopuläre politische Maßnahmen durch den Wähler im nachhinein noch eindeutig zuordnen lassen würde. Durch die Ratifizierungsabstimmung von Handelsabkommen wahrt der Kongreß hingegen seine Repräsentationsfunktion und übernimmt für das Handelsabkommen als Ganzes Verantwortung. Zweiter Kritikpunkt (Das "Machtverschiebungs- "Argument) Ein weiterer Vorwurf gegen das fast-track procedure besteht darin, daß die Delegierung handelspolitischer Vollmacht in Verbindung mit fast-track dem Präsidenten erheblich mehr Macht gebe als unter dem normalen Gesetzgebungsprozeß. Delegierung eröffne dem Präsidenten größeren und aktiven Einfluß auf die Formulierung des Handelsabkommens als dem Kongreß: "The fast-track procedure allows the administration to undermine the intent of the Constitution by letting the President, rather than the Congress, formulate the goals and direction of this country's trade policy, implement those goals through trade negotiations and submit those proposals to Congress for a yes or no vote. Without the ability to amend the agreement, Congress is placed in an essentially reactive position ...82 Der zweite Kritikpunkt ist eine Umkehrung des ersten Kritikpunktes und konzentriert sich auf die Rolle des Präsidenten. Wie schon bei der Diskussion des ersten Kritikpunktes werden im folgenden die Argumente für und wieder der obenstehenden Behauptung vorgebracht und erörtert. Vgl. Schick 1995: 39. Vgl. Mayer 1995. 82 Vgl. Rede des Abgeordneten Bruce (D-IL) in: Congressional Record 23. Mai 1991, S. H 3565. 80 81
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1. Teil: Allgemeiner Teil
Zunächst ist es zutreffend, daß das fast-track procedure dem Präsidenten eine sehr aktive und "sichtbare" Rolle bei der Verhandlung und Ratifizierung von Handelsabkommen überläßt. Wenn es zu Verhandlungen mit dem Ausland kommt, hat der Präsident scheinbar freie Hand und ist offensichtlich nicht an die Aufsicht des Kongresses gebunden. Für diese Auffassung sprechen folgende Überlegungen: Erstens, die in Resolutionen geäußerten Ziele und Interessen des Kongresses sind für den Präsidenten rechtlich nicht bindend. Zweitens, die oft erwähnte Konsultierungspflicht des Präsidenten gegenüber dem Kongreß könnte sich in der Praxis als weniger bedeutungsvoll entpuppen als angenommen. In den neueren Handelsgesetzen, die dem Präsidenten das fast-track procedure übertragen, heißt es, daß der Präsident das Verfahren entzogen bekommt, sollte er seine Konsultierungspflicht vernachlässigen. Tatsächlich ist es natürlich Auslegungssache, ob der Präsident seine Konsultierungspflicht gegenüber dem Kongreß erfüllt oder nicht. 535 Abgeordnete können durchaus verschiedener Meinung darüber sein, inwieweit der Präsident diese Art von Auflagen einhält. Bevor es demnach zu ernstzunehmenden Sanktionen durch den Kongreß kommen kann, hat die Exekutive unter Umständen erheblichen Spielraum. Drittens, die Verhandlungen mit dem Ausland dominiert erwartungsgemäß die Exekutive. Das Büro des Handelsbeauftragten leitet und koordiniert die Verhandlungen. Die meisten Mitglieder der amerikanischen Delegation rekrutieren sich aus den Ministerien in Washington. Bei allen handelt es sich um ungewählte Beamte ohne demokratische Legitimation. Da dem Kongreß bei den Gesprächen selbst offiziell lediglich Beobachterstatus zukommt, sind einer aktiven Partizipation fonnal Schranken gesetzt. Viertens, auch nach dem Verhandlungsende erscheint der Präsident im Vorteil. Er bestimmt den Zeitpunkt, an dem er das Abkommen dem Kongreß zur Ratifizierung vorlegt. Die Bedeutung dieser Möglichkeit, einen politisch günstigen Zeitpunkt zu wählen, kann nicht überbewertet werden. Hier wird auch der Unterschied zum regulären Gesetzgebungsprozeß besonders augenfällig, wo der Präsident über den zeitlichen Ablauf des Gesetzgebungsprozesses nur sehr bedingt Einfluß ausübt. Wenn hingegen der Ratifizierungsprozeß unter dem fast-track procedure einmal in Gang gesetzt ist, greifen Verzögerungstaktiken des Kongresses kaum. Das letzte Argument für die These, daß das fast-track procedure eine Machtverschiebung vom Kongreß an den Präsidenten bewirke, liegt paradoxerweise in der Möglichkeit des Kongresses, ein Abkommen abzulehnen. Diese bisher als wirksames Druckmittel des Kongresses gegenüber dem Präsidenten dargestellte Möglichkeit könnte man auch als Bürde für die Abgeordneten interpretieren. Ein Abkommen nicht zu ratifizieren, heißt für den Kongreß auch, dann die Verantwortung z. B. für die beschädigte internationale Reputation der USA zu übernehmen. Obwohl der Kon-
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greß seit dem Zweiten Weltkrieg mindestens drei Abkommen oder Elemente von Abkommen nicht ratifiziert hat (die International Trade Organization, den Anti-Dumping-Kodex und den American Selling Price nach der Kennedy-Runde, das Handelsabkommen mit der Sowjetunion während der Nixon-Ära83 ) vermeidet es der Kongreß jedoch seit der SmootHawley-Episode nach Möglichkeit, als zu "protektionistisch" zu erscheinen. Somit könnte sich das einzige Druckmittel des Kongresses als leere Drohung herausstellen. Diese Argumente sind zu relativieren. Folgende Gegenargumente zeigen, daß es dem Kongreß gelingt, seinen Einfluß gegenüber dem Präsidenten zu wahren. Erstens, wie die Fallstudien dieser Studie belegen, ist der Druck, den der Kongreß auf den Präsidenten und die Verhandlungsdelegation ausübt, real und groß genug, um die Exekutive zur Kooperation und zur Einbeziehung der handelspolitischen Interessen des Kongresses zu bewegen. Dies zeigt sich auch in der steigenden Anzahl der Auftritte des oder der U.S.-Handelsbeauftragten und anderer hochrangiger Mitglieder der Administration vor den Ausschüssen des Kongresses im Zusammenhang mit den Verhandlungen eines Abkommens. Die Konsultierung ist während der letzten Ratifizierungsprozesse erheblich gestiegen (NAFfA, UruguayRunde). Zweitens, der Kongreß behält die Kontrolle über die Exekutive durch ein umfangreiches und inoffizielles Kommunikationssystem zwischen dem Weißen Haus und dem Capitol Hill. Telefonanrufe und informelle Treffen zwischen allen Ebenen der Vertreter der Exekutive und des Kongresses sind an der Tagesordnung. Drittens, angesichts der enormen inhaltlichen Zugeständnisse, die der Präsident dem Kongreß macht, kann von einer Machtverschiebung vom Kongreß zur Exekutive keine Rede sein. Die in den folgenden Kapiteln untersuchten Ratifizierungsprozesse bei der TokioRunde oder bei NAFTA zeigen das Ausmaß der Zugeständnisse, deren Umfang besonders im Zeitraum kurz vor der Abstimmung im Kongreß am größten ist. Dabei setzt der Kongreß in erheblichem Maße handelspolitische Ziele durch. Diese stehen zwar nicht immer im Zusammenhang mit dem zu ratifizierenden Handelsabkommen, binden den Präsidenten jedoch in anderen Bereichen der Handelspolitik an die Vorgaben des Kongresses. Viertens, der Präsident ist stets an einer Verlängerung und Erneuerung seiner Vollmacht und des fast-track procedure für zukünftige Verhandlungen interessiert. Handelspolitik ist immer ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik. Der Präsident möchte deshalb die Flexibilität in der Wahl seiner außenpolitischen Instrumente behalten. Selbst wenn es ihm also gelänge, ein Handelsabkommen unter Ignorierung der Präfe83 Letzteres ratifizierte der Kongreß im Trade Act of 1974, nach dem die Gewährung der Meistbegünstigungsklausel für die UdSSR an die Reisefreiheit ihrer Bürger gekoppelt wurde.
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renzen des Kongresses abzuschließen und ratifizieren zu lassen, riskiert er dabei das Mißtrauen des Kongresses und damit die Möglichkeit, weiterhin regionale und multilaterale Abkommen aushandeln zu können. Dritter Kritikpunkt (Das "Partizipations- "Argument)
Ein dritter Kritikpunkt der fast-track-Gegner wirft dem Verfahren vor, daß es "undemokratisch" sei, indem es die Öffentlichkeit kategorisch von der Formulierung und Ratifizierung eines Handelsabkommens ausschließe: "Put quite simply, much of corporate America looks at ,fast track' and sees ,fast buck.' I have no doubt that if this deal is cut under that authority, in back rooms and behind closed doors, the interests of big business will be weil represented, and the views of the multinational corporations and the major financial institutions will hold sway. Knocking fast-track off-track is the best way to ensure that the American public has a seat at the negotiating table, and that the remaining economic and environmental issues will be raised up front. ,,84
Die Frage, wie "demokratisch" das fast-track procedure ist, bzw. inwiefern es die Partizipation gesellschaftlicher und politischer Gruppen am Entscheidungsprozeß zuläßt, hängt von dem verwendeten Maßstab ab. Im Vergleich zum handelspolitischen Entscheidungsprozeß der parlamentarischen Systeme Westeuropas erscheint der Entscheidungsprozeß in den Vereinigten Staaten schon allein wegen der starken verfassungsrechtlichen Stellung des Kongresses in der Außenhandelspolitik "demokratischer" und für gesellschaftliche Gruppen transparenter zu sein. In parlamentarischen Systemen ist Außenhandelspolitik Sache der Exekutive. Handelsabkommen werden in der Regel mit den Stimmen der Regierungspartei geradezu routinemäßig ratifiziert, ohne daß die Volksvertretung nennenswerte inhaltliche Akzente setzen kann. Im Rahmen der europäischen Integration nehmen die im Rahmen der Europäischen Union getroffenen außenhandelspolitischen Entscheidungen zu. Zentrale Akteure sind die Kommission und der Ministerrat. Angesichts der relativ schwachen Stellung des europäischen Parlamentes müssen diese auf supranationaler Ebene gemachten Entscheidungen für Akteure der Zivilgesellschaft und Bürger in den Mitgliedsstaaten noch viel weiter außerhalb ihrer Reichweite und Kontrolle erscheinen als dies für vergleichbare Gruppen in den USA der Fall ist. Eine andere Möglichkeit, das fast-track procedure einem Demokratietest zu unterziehen, ist den Ratifizierungsprozeß unter fast-track-Regeln mit dem "regulären" Weg der Gesetzgebung im politischen System der USA 84 Vgl. die Aussage von Senator Howard M. Metzenbaum (D-OH) in: Economic and environmental implications 01 the proposed U.S. trade agreement with Mexico. U.S. Congress, Senate. Joint hearing before the Committee on Environment and Public Works and the Subcommittee on Labor of the Committee on Labor and Human Resources. 102nd Congress. First session. April 23 and May 8, 1991, S. 3.
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gegenüberzustellen. Die Grenzen eines solchen Ansatzes liegen jedoch auf der Hand. Den typischen Gesetzgebungsprozeß gibt es bei genauerem Hinsehen ohnehin nicht. Außerdem machen unterschiedliche Inhalte einen aussagekräftigen Vergleich nahezu unmöglich. Policy beeinflußt in dem Ausmaß die politics, insofern jedes Themengebiet eigene Besonderheiten des politischen Verfahrens, i. e. den verwendeten Regeln im Kongreß, den beteiligten Gruppen, Stellenwert auf den Agenden des Präsidenten und des Kongresses oder der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mit sich bringt. Bleibt schließlich als dritte Option, das Ausmaß der Partizipation politischer und gesellschaftlicher Gruppen bei den verschiedenen Ratifizierungsprozessen unter dem fast-track procedure gewissermaßen mit sich selbst zu vergleichen. Ein Vergleich der Entscheidungsprozesse bei der Tokio-Runde, beim NAFfA und der Uruguay-Runde lassen Aussagen über das Ausmaß gesellschaftlicher Partizipation zu. Da ein exaktes Messen bei diesem Ansatz allerdings unmöglich ist, sind bei diesem einfachen Test lediglich ordinale Ergebnisse zu erwarten, wie z. B. "mehr" oder "weniger" demokratisch. Innerhalb dieses Rahmens läßt sich dann aber die These vertreten, daß dieser dritte Kritikpunkt, das Partizipations-Argument, allenfalls für den Ratifizierungsprozeß bei der Tokio-Runde zutrifft. Für die Entscheidungsprozesse der neunziger Jahre (NAFfA, Uruguay-Runde) ist diese Kritik nicht mehr aufrechtzuerhalten, da diese umfangreiche öffentliche Debatten ausgelöst haben, bei denen alle relevanten sozialen und politischen Gruppen ihre Argumente mehrfach in den Entscheidungsprozeß einfließen lassen konnten. Beim Entscheidungsprozeß im Zusammenhang mit der Ratifizierung der Tokio-Runde war die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß unter Ausschluß der Öffentlichkeit beträchtlich. Erstens, Handelspolitik war ein Thema, das nur wenige Interessengruppen verfolgten. Es bestand demnach erst gar nicht die Forderung oder Notwendigkeit für Kongreß oder Präsident, den Entscheidungsprozeß einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zweitens, die Entscheidungsträger im Weißen Haus und am Kongreß wollten dem Ausland eine zügige Ratifizierung garantieren. Deshalb durfte der Ratifizierungsprozeß möglichst wenig den durch die Kongreßreformen induzierten Veränderungen ausgesetzt sein: Die Reformen hatten den Entscheidungsprozeß innerhalb des Kongresses geöffnet und dezentralisiert. Die Ratifizierung der Tokio-Runde 1979 hat gezeigt, daß das Jasttrack procedure in der Lage war, die Zeit gewissermaßen zurückzudrehen und die Bedingungen des "alten", vor den Kongreßreformen existierenden, Gesetzgebungsprozesses 85 wieder herzustellen: Anstatt das Abkommen einer Vielzahl von Ausschüssen und Unterausschüssen zuzuleiten, befaßten 85 5 pfeil
Vgl. Destler 1995: 73.
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1. Teil: Allgemeiner Teil
sich im wesentlichen nur zwei Ausschüsse mit der Ratifizierung. Dadurch war die Zahl der öffentlichen Anhörungen äußerst gering. Anstatt den Text des Implementierungsgesetzes in öffentlichen Ausschußsitzungen (mark-up) zu formulieren, zogen sich Präsident und Abgeordnete des Kongresses in geschlossene Sitzungen zurück. Die Ratifizierungen des NAFfA und der Uruguay-Runde fanden im Kontrast dazu unter Voraussetzungen statt, die den Ausschluß der Öffentlichkeit und effektive Partizipation nicht zuließen. Seit den 1980er Jahren verfolgt eine breites Publikum die handelspolitischen Entscheidungen in Washington. Die Zahl der aktiven Interessengruppen in diesem Politikfeld ist stark angestiegen. Dadurch hat sich auch die Artikulation von Argumenten aller gesellschaftlicher Gruppen vor dem Kongreß intensiviert. Die Zahl der öffentlichen Anhörungen vor dem Kongreß bei NAFfA und der UruguayRunde betrug im Vergleich zur Tokio-Runde ein Vielfaches. Dazu hat auch beigetragen, daß längst nicht mehr nur das Committee on Ways and Means oder das Senate Finance Committee am Entscheidungsprozeß beteiligt sind. Die Zahl der Ausschüsse und Unterausschüsse, die in Handelsfragen aktiv werden, ist seit 1979 dramatisch gestiegen. Ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse der veröffentlichten Hearings beispielsweise für das NAFfA gibt Aufschluß über die Bandbreite der Interessengruppen, die ihre Aussagen vor den Ausschüssen machen. Damit findet ein breites Spektrum an Positionen und Meinungen vor den Ausschüssen des Kongresses Gehör. Dazu gehörten ganz besonders auch die das NAFfA ablehnenden Gewerkschaften und die Umweltgruppen, die bei kaum einer der vielen Anhörungen gefehlt haben. Insgesamt vertritt diese Studie die These, daß die Gegner des Verfahrens die negativen Effekte des fast-track procedure überschätzen bzw. absichtlich überzeichnen. Die Kritik am fast-track procedure ist ungerechtfertigt. Das Verfahren ist in den 1990er Jahren deshalb in die Kritik geraten, weil es als Symbol für die Ziele der Handelsliberalisierung gilt. Eine erfolgreiche Attacke gegen das Verfahren ist damit immer auch eine Attacke gegen die Inhalte, die durch das Verfahren verabschiedet werden. Angesichts immer noch vorhandener, wenn auch schrumpfender, Mehrheiten für regionale und multilaterale Handelsabkommen im U.S.-Kongreß, müssen die Gegner der Handelsliberalisierung jede Gelegenheit nutzen, um Freihandelsabkommen zu vereiteln. Dazu zählt ganz besonders auch die Kritik am fast-track procedure, ohne dessen Existenz, wie mehrfach erwähnt, Handelsgespräche mit dem Ausland obsolet werden. Die Kritik am fast-track procedure ist auf den ersten Blick plausibel und daher weit verbreitet: Der Einfluß des Kongresses auf Handelsabkommen vollzieht sich indirekt und ist für die breite Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Und doch ist er vorhanden. Im Gegensatz zum regulären Gesetzgebungsprozeß, wo
3. Das fast-track procedure in der amerikanischen Außenhandelspolitik
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sich die Rolle des Kongresses für die Öffentlichkeit relativ sichtbar und in klar erkennbaren Funktionen vollzieht, basiert die Funktion des Kongresses bei der Ratifizierung von Handelsabkommen auf Informalität. Partizipation der Öffentlicheit wird keinesfalls einem zügigen Ratifizierungsprozeß, der lediglich politischen oder ökonomischen Eliten nützt, geopfert. Das Verfahren bietet vielmehr einen kunstvollen Mechanismus, Partizipation und Effizienz bei der Ratifizierung miteinander zu vereinbaren. "The fast-track process has been unfairly criticized. It stands, in my view, as one of the great innovations of the past quarter-century in executive-Iegislative policy coordination. ,,86 Die von den Gegnern des Verfahren vorgebrachte Kritik, daß die Interessen Multinationaler Konzerne einen größeren Einfluß auf die Entscheidungsfindung am Kongreß haben als Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen und Umweltverbände, ist dabei durchaus zutreffend, jedoch kaum auf das fast-track procedure zurückzuführen. Das vorhandene Ungleichgewicht in den Zugangs- und Einflußmöglichkeiten auf den amerikanischen Kongreß besteht auch unabhängig vom Ratifizierungsmechanismus und ist letztendlich auf das System der Wahlkampffinanzierung und andere strukturelle Eigenheiten des politischen Systems der USA zurückzuführen.
86 S'
Vgl. DestIer 1998: 51.
Zweiter Teil
Empirisch-analytischer Teil 4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979 Ein idealtypischer Ratifizierungsprozeß ..(... ) [I]n my judgment, we have developed an almost classic example of how the system can, and should, work in this trade legislation ... 1 Robert S. Strauss, Handelsbeauftragter der Vereinigten Staaten vor dem Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance, U.S. Senate, 10. Juli 1979
Die Ratifizierung der Tokio-Runde des GATT gilt in der Literatur als Idealtypus und Musterbeispiel für einen Ratifizierungsprozeß? Das fasttrack procedure ermöglichte in relativ kurzer Zeit, Frühjahr und Sommer 1979, eine optimale Annäherung der Interessen von Exekutive und Kongreß. Die beiden Hauptakteure hatten im Vorfeld der Abstimmung im Juli Meinungsverschiedenheiten bezüglich des zu ratifizierenden GATT-Abkommens ausgeräumt. Auf seiten der Exekutive war die Arbeitsteilung zwischen Präsident Carter und dem Handelsbeauftragten Robert Strauss im Umgang mit dem Kongreß Voraussetzung für die erfolgreiche Verabschiedung. Der Kongreß wandte erstmals das fast-track procedure an und entwickelte eine Praxis, die sog. non-markups, bei der Präsident und Kongreß gemeinsam das Gesetz formulieren, über das der Kongreß letztendlich abstimmt und die GATT-Runde ratifiziert. Bis heute wird diese Praxis in der Endphase der Ratifizierung angewendet. Mit der Ratifizierung der Tokio-Runde hatte sich das im Trade Act of 1974 entwickelte fast-trackVerfahren bewährt. Die Ratifizierung der Tokio-Runde eignet sich als Ausgangspunkt für eine vergleichende Fallstudie in besonderer Weise. Als "idealtypischer" Ratifizierungsprozeß bietet sie sich als Vergleichsmaßstab für die beiden 1 Vgl. Trade Agreements Act of 1979. U.S. Congress. Senate. Hearings before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 96th Congress, First Session. 10. und 11. Juli 1979. Part 1 of 2 Parts (July 10, 1979). Washington, D.C., 1979, S. 393. 2 Vgl. Destler/Graham 1980, Winham 1980, Cassidy 1981, Ikenberry 1989 und Twiggs 1987.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
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folgenden Fallstudien dieser Untersuchung an. Die Tokio-Runde war das erste Handelsabkommen, das der Kongreß unter dem fast-track procedure ratifizierte. Im Gegensatz zu NAFT A und der Uruguay-Runde hat der Kongreß die Tokio-Runde fast einstimmig ratifiziert. Das Repräsentantenhaus verabschiedete die Tokio-Runde mit 395 zu 7 Stimmen, der Senat folgte mit einem Abstimmungsergebnis von 90 zu 4. Gerade wenn es das Ziel dieser Untersuchung ist, die Detenninanten zu benennen, denen eine erfolgreiche 3 Ratifizierung der Tokio-Runde zu verdanken ist, ist die Deutlichkeit des Abstimmungsergebnisses wichtig: Offensichtlich war das politische Umfeld und das Verhalten der beteiligten Akteure bei der TokioRunde optimal, so daß es zu einem breiten politischen Konsens kam. Weiterhin eignet sich die Tokio-Runde als Vergleichsmaßstab mit NAFTA und der Uruguay-Runde, weil die politische Konstellation bei allen drei Entscheidungsprozessen Parallelen aufweist: Präsident Carter, wie auch anderthalb Jahrzehnte später Präsident Clinton, gelang mit der Ratifizierung ein beachtlicher Sieg im Kongreß. Beide Präsidenten sahen sich im Kongreß einer Mehrheit ihrer Demokratischen Partei gegenüber. Carter, wie auch Clinton, befand sich laut Meinungsumfragen zum Zeitpunkt der Abstimmung auf einem Tiefpunkt seiner Präsidentschaft, an dem andere Vorhaben der Agenda zu scheitern drohten, bzw. schon gescheitert waren. Diese Parallelen sind wichtig, schließen sie doch aus, daß das überragende Abstimmungsergebnis bei der Tokio-Runde auf unterschiedliche Parteienkonstellationen oder einen besonders populären Präsidenten zurückzuführen ist. Im Vergleich mit diesem Ratifizierungsprozeß lassen sich im Verlauf der Arbeit Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit den Ratifizierungsprozessen beim NAFTA und der Uruguay-Runde herausarbeiten. Dabei liegt der Schwerpunkt der Analyse in den drei Fallstudien auf dem Prozeß der Ratifizierung und der Interaktion der Akteure. Ziel des Vergleichs ist es zu untersuchen, ob unterschiedliche Ratifizierungsergebnisse auf unterschiedliches Verhalten der Akteure zurückgeführt werden kann. Die Auswirkungen der internationalen Rahmenbedingungen auf die untersuchten Entscheidungsprozesse werden in Kapitel 5 gesondert betrachtet. Die Analyse des Entscheidungsprozesses bei der Ratifizierung der TokioRunde geht nach den im allgemein-systematischen Teil gemachten Ausführungen vor und gliedert sich wie folgt: - Hintergrund der Tokio-Runde - Inhaltliche Positionen des Kongresses und der Administration am Vorabend der Ratifizierung 3 "Erfolg" wird in diesem Kontext als Effizienz des Verfahrens gesehen und an dem gesetzten Ziel, Verabschiedung des GATI-Abkommens, gemessen. ,,Erfolg" beinhaltet hier keine Bewertung der in der Tokio-Runde erzielten Ergebnisse.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
- Allgemeines Verhältnis des Kongresses und der Carter-Administration (Strategische Ausgangspositionen) - Interaktion von Präsident und Kongreß in den drei Phasen der Ratifizierung 4.1. Die Vorgeschichte, 1973-1979 GATT-Runden haben aus Sicht der USA traditionell zwei Funktionen erfüllt: Sie eröffneten der amerikanischen Wirtschaft neue Absatzmärkte. Innenpolitisch schwächten GATT-Runden stets den Einfluß protektionistischer Tendenzen in den USA, indem sie die Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft auf ein gemeinsames Verhandlungsziel festlegten und ihnen Gewinne aus dem Abbau von Handelsschranken versprachen. Die TokioRunde machte davon keine Ausnahme. Die Tokio-Runde4 gilt als eine Reaktion auf die Krise des internationalen Handelssystems der frühen 1970er Jahre. Nicht-tarifäre Handelsschranken, nicht mehr Zölle, hatten während des vorgangegangenen Jahrzehnts an Bedeutung gewonnen und erwiesen sich als vielseitige und komplexe Handelsschranken. s Das Aufkommen nicht-tarifärer Handelsschranken hatte die Ergebnisse der Kennedy-Runde des GATT (1964-1967) beinahe obsolet gemacht. Diese hatte den weltweiten Abbau von Zöllen fortgesetzt. Doch fielen Zölle bereits im Verlauf der Runde an Bedeutung gegenüber den nicht-tarifären Handelsschranken zurück. Erneute internationale Verhandlungen waren nach Ansicht von Experten, Politikern und Wirtschaftsunternehmen erforderlich, um protektionistische Bestrebungen einzudämmen und andere Länder für die Produkte der USA zu öffnen. Die USA mußten sich in den 1960er und in den frühen 1970er Jahren auf eine neue Konstellation im Welthandel einstellen. Mit der Europäischen Gemeinschaft und Japan erwuchsen den USA ernsthafte Konkurrenz. Die Tage ihrer unangefochtenen wirtschaftlichen Hegemonie waren gezählt. Der Überschuß in der amerikanischen Handelsbilanz schrumpfte während der 1960er Jahre und wies 1971 erstmals ein Defizit auf. 6 Besonders die Europäische Gemeinschaft hatten die USA ins Visier genommen, deren Außenwirtschaftspolitik für die Amerikaner mit Protektionismus und Verstoß gegen das GATT-Prinzip der Nichtdiskriminierung gleichkam. Das galt in erster Linie der Gemeinsamen Agrarpolitik der EG. Aber auch die Sonder4 Die Darstellung dieses Kapitels folgt Winham 1986. Vgl. auch Pastor 1980: 117-135 und 1983: 167-170. 5 Vgl. Baldwin 1970: 30-148 und Senti 1986b. 6 Vgl. V.S. Balance of payments 1960-71. In: Economic Report of the President transmitted to the Congress in January 1972 together with the Annual Report of the Council of Economic Advisers. Washington, D.C., 1972, S. 150.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
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behandlung der AKP-Staaten sowie die geplante Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft um Großbritannien, Irland und Dänemark schürte Ressentiments in den Vereinigten Staaten. Der amerikanische Kongreß und der Präsident begegneten diesen weltwirtschaftlichen Entwicklungen mit Kursänderungen ihrer Handelspolitik. 1969 schloß die Nixon-Administration das erste "freiwillige" Exportselbstbeschränkungsabkommen mit japanischen und europäischen Stahlproduzenten ab. 7 Im Kongreß verstärkten sich protektionistische Tendenzen. Zahlreiche Abgeordnete brachten protektionistische Gesetzentwürfe im Kongreß ein; der bekannteste Entwurf, die sog. Mills-Bill aus dem Jahr 1970, fand besonders deshalb Beachtung, weil mit ihrem Autor, Wilbur Mills (D-AR), ein überzeugter Freihändler die Einführung von Importquoten auf Textilien und Schuhe forderte. 8 Der Kongreß verabschiedete letztlich keinen dieser Gesetzentwürfe. Doch signalisierten diese Initiativen eine Verschlechterung der Stimmung am Kongreß bezüglich einer Politik der Handelsliberalisierung. Das Weiße Haus unter Richard Nixon hatte sich Anfang der 1970er Jahre zudem mit einer Krise des internationalen Währungssystems auseinanderzusetzen. Das System fester Wechselkurse von Bretton-Woods und die Bindung der US-Währung an Gold konnte nicht länger aufrecht erhalten werden. Durch den Vietnam-Krieg und durch Präsident Lyndon Johnsons ehrgeizige Programme in der Sozialpolitik verursachte Preissteigerungen wurden durch das System der stabilen Wechselkurse ins Ausland transferiert. Außerdem gab das System Anreiz für Finanzspekulationen. Mit der New Economic Policy vom August 1971 suspendierte die Nixon-Administration die Goldkonvertibilität des US-Dollars und erreichte dadurch dessen Abwertung. Weiterhin erhob sie einen zehnprozentigen Zoll auf alle Importe. 9 Die Folge war das Ende des internationalen Währungssystems von Bretton-Woods. In den folgenden Jahren entwickelte sich das System flexibler Wechselkurse. 10 War die New Economic Policy der Nixon-Administration eine Antwort auf die Krise des monetären Systems, so bedeutet die Tokio-Runde eine Reaktion auf die Krise des Welthandelssystems. Der Impetus für diese neue Verhandlungsrunde im Rahmen des GATT ging von der Williams-Kommission aus, der Commission on International Trade and Investment Policy, Vgl. Scherpenberg 1985: 19f. Vgl. Pastor 1980: 125 f. 9 Vgl. Economic Report of the President transmitted to the Congress in January 1972 together with the Annual Report of the Council of Economic Advisers. Washington, D.C., 1972, S. 142-164. 10 Einen kurzen Überblick über Ursachen und Verlauf des Zusammenbruch des Bretton Woods Systems gibt Aschinger 1978: 11-22. 7
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
die Präsident Nixon von Mai 1970 bis Juli 1971 eingesetzt hatte. Die Kommission bestand aus 27 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften. Die Williams-Kommission empfahl in ihrem Abschlußbericht die Aufnahme multilateraler Verhandlungen im Rahmen des GATI: "The Commission believes the time has come to begin immediately a major series of international negotiations to cope effectively with current international economic problems, and to prepare the way for the elimination of all barriers to international trade and capital movements within the next 25 years."ll Diese Empfehlung folgte der Logik der sog. bicycle-Theorie. Wie bei einem Fahrrad, das bei Stillstand aus dem Gleichgewicht gerät, konnten dieser Theorie zufolge protektionistische Bestrebungen nur dann im Zaum gehalten werden, wenn durch eine permanent vorangetriebene Handelsliberalisierung neue Exportmärkte erschlossen und die Aufmerksamkeit der nationalen Entscheidungsträger dadurch von den Entwicklungen in der internationalen Politik absorbiert würden. t2 Der Abbau nicht-tarifärer Handelsschranken stand im Mittelpunkt der Tokio-Runde· und sorgte für einen langsamen Start der Verhandlungen. Nicht-tarifäre Handelsschranken waren verhandlungstechnisch schwer anzugehen. ,,[N]egotiating NTM's [Non-tarif! measures, Nicht-tarifäre Handeisschranken, A. P.] was problematic in that they were largely undefinable, numerous, often concealed, and incomparable, and that their effects were unknown precisely but generally thought to be pernicious.,,13 Deshalb dauerte es bis Mitte der 1970er Jahre, bis sich die Handelspartner darauf geeinigt hatten, welche nicht-tarifären Handelsschranken Gegenstand der Verhandlungen sein würden. Die Tokio-Runde machte bis 1977 aus drei weiteren Gründen lediglich geringe Fortschritte: Erstens, in wichtigen Teilnehmerstaaten überlagerten innenpolitische Entwicklungen die außenhandelspolitischen Ziele: Das Jahr 1976 war ein Wahljahr in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan und der Bundesrepublik Deutschland. Die Regierungen dieser Länder waren deshalb wenig geneigt, in diesem Jahr Konzessionen möglicherweise zu Lasten bestimmter innenpolitischer Klientel zu machen. Die Amerikaner erlebten in diesen Jahren eine Krise der amerikanischen Exekutive. Die Watergate-Affäre und das Ende des Vietnamkrieges brachten einen Vertrauensverlust in das Amt des Präsidenten. Eine neue Generation von Demokraten wurde in den Kongreß gewählt und führte umfangreiche Reformen 11 United States International Economic Policy in an interdependent world. Report to the President submitted by the Commission on International Trade and Investment Policy [The Williams Commission, A. P.] Washington, D.C., July 1971, S.301. 12 Vgl. Destier 1995: 17f. IJ Vgl. Winham 1986: 88.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
73
durch. Die amerikanische Exekutive konnte offiziell erst ab Januar 1975 an den GATI-Verhandlungen teilnehmen: Der Trade Act 0/ 1974, der die Autorisierung des Kongresses für die Teilnahme der USA an der TokioRunde enthielt, trat erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft. Zweitens, die Öl-Krise von 1973 verstärkte die Inflation in den Industrieländern und brachte viele ölimportierende Entwicklungsländer in Zahlungsschwierigkeiten. Hinzu kam Mitte der 1970er Jahre die wohl schwerste Rezession der Nachkriegszeit in den Industrieländern. In der Regel stehen Abschwünge des Konjunkturzyklus dem Abbau von Handelsschranken im Wege, weil sie die Bereitschaft von Regierungen dämpfen, von ihren innenpolitischen Klientel wirtschaftliche Zugeständnisse abzuverlangen. Drittens, die GATI-Gespräche selbst waren von Beginn an mit Meinungsverschiedenheiten zwischen den Hauptakteuren belastet und machten nur geringe Fortschritte. Besonders der Agrarsektor erwies sich als der große Streitpunkt der ersten Jahre. 14 Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Gemeinschaft (EG), ein Kembereich der EG, war den Amerikanern ein Dom im Auge. Die USA besaßen enorme Wettbewerbsvorteile im Agrarbereich. Sie wollten ihn deshalb gleichberechtigt neben anderen Bereiche in den Handelsgesprächen behandelt sehen, während die EG auf einen Sonderstatus des Agrarsektors drängte. Die EG und die Ford-Administration verharrten in ihren Positionen. Aufgrund dieses Stillstandes im Agrarbereich machten auch die Verhandlungen in anderen Themenbereichen keine nennenswerten Fortschritte. Der Stillstand in den Tokio-RundenVerhandlungen wurde erst mit Amtsantritt Jimmy Carters im Januar 1977 überwunden: "First, the Democrats have been somewhat less concerned about EC agricultural subsidies than the Republicans (... ). Second, the Carter administration initially took a more multilateral approach to world politics than its predecessor, which in trade politics became translated into a concern for the progress of the Tokyo Round. And finally, President Carter appointed a high-level management team on the trade side, headed by the se1ection as special trade representative of Robert Strauss, a colorful and experienced Washington politico.,,15
Nicht zuletzt dank des U.S.-Handelsbeauftragten in der Carter-Administration, Robert Strauss, legten die USA und die EG im Juli 1977 ihre Meinungsverschiedenheiten im Agrarstreit bei. Die Amerikaner hatten gegenüber den Europäern nachgegeben und willigten ein, den Agrarbereich separat von anderen Themen der Tokio-Runde zu verhandeln. In der Folgezeit entwickelten die Handelsgespräche eine Dynamik, und zur Jahreswende 14 Ebd., S. 146-155. lS Ebd., S. 165.
74
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
1978/79 kam die siebte Runde des GATI mit folgenden Ergebnissen zu ihrem Ende: 16 - Reduzierung tarifärer Handelsschranken - Vereinbarung zum Abbau nicht-tarifärer Handelsschranken. Dort hatten die Teilnehmer sich auf Kodices (Codes) in sechs Bereichen geeinigt: Zollwertfestsetzung, lmportliz~ierung-,-teclmis€heStandard&i fuflORSUbventionen, der Schutzklausei und öffentliche Auftragsvergabe. - ein Rahmenabkommen (Framework Agreement), das den Sonderstatus der Entwicklungsländer innerhalb des GATI festschrieb Die reibungslose Ratifizierung der Tokio-Runde im amerikanischen Kongreß ist zweifellos dadurch begünstigt worden, daß die Carter-Administration die stagnierenden Verhandlungen in Genf vorangetrieben hat. Der weitaus größte Teil der inhaltlichen Arbeit dieser siebten GATI-Runde ist erst nach Amtsantritt Jimmy Carters im Januar 1977 geleistet worden. Für die Ratifizierung der Tokio-Runde in den USA hatte dies Vorteile: Die CarterAdministration konnte dem Handelsabkommen "ihren Stempel" aufdrücken, was anschließend ihr Vorhaben begünstigte, den Kongreß für die Ratifizierung zu gewinnen: Bereits während der Verhandlungen konnte die Carter-Administration die Verhandlungsfortschritte in Genf mit den relevanten Gruppen in Kongreß, Wirtschaft und Gesellschaft abstimmen. Das überwältigende Ergebnis der Ratifizierungsabstimmung im Juli 1979 war somit Resultat langfristiger Kooperation zwischen Präsident und Kongreß, die nicht erst nach Verhandlungsende einsetzte. Deren Analyse ist Gegenstand der nächsten Seiten.
4.2. Die Positionen im Kongreß Wie so oft vor der Abstimmung eines großen Handelsgesetzes im Kongreß machten Experten auch vor dem Beginn des handelspolitischen Entscheidungsprozesses der Tokio-Runde negative Prognosen hinsichtlich einer Verabschiedung des GATI-Abkommens: "Having wrapped up an agreement to liberalize world trade, the Carter administration now must sell the pact to a Congress beset by protectionist pressures"17 schrieb das Congressional Quarterly im April 1979. Auch die New York Times hatte im Februar gleichen Jahres von einer "Confrontation in Congress over Carter's Trade Pact" gesprochen. 18 Die Skepsis der zitierten Publikationen im VorEine Übersicht der Ergebnisse bietet Graham 1979. Vgl. Congress faces hard choices on trade liberalization pact, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, April 14, 1979, S. 678--683. 18 Vgl. Confrontation in Congress over Caner's trade pact, in: The New York Times, Sunday, February 11, 1979, Section 3, S. I und 17. 16
17
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
75
feld war berechtigt. Mehrere Vorzeichen deuteten auf einen ungewissen Ausgang der Ratifizierung der Tokio-Runde hin. Seit dem Ende der 1960er Jahre hatten sich die gegensätzlichen Auffassungen von Republikanern und Demokraten in der Handelspolitik verschärft. Die Republikaner neigten eher zu einer Politik der Handelsliberaiisierung, während die meisten Demokraten für einen protektionistischen Kurs standen.
Im 96. Kongreß hatten die Demokraten Mehrheiten in beiden Kammern: Im Repräsentantenhaus hielten sie 275 und im Senat 59 Sitze; die Republikaner waren mit 159 Abgeordneten im Repräsentantenhaus und 41 Senatoren im Senat vertreten. 19 Die Stimmung der Abgeordneten in der Handelspolitik ließ sich schwer einschätzen: Zum Zeitpunkt der Ratifizierung 1979 lag die letzte bedeutende Abstimmung des Kongresses über ein Handelsgesetz fast fünf Jahre zurück. "Trade, moreover, had not been prominent on the Congressional agenda since 1974 (... ).,,20 Deshalb war der Ausgang der Ratifizierungsabstimmung tatsächlich ungewiß. Das Ergebnis der Abstimmungen über die Tokio-Runde im Kongreß vom Juli 1979, 395 zu 7 im Repräsentantenhaus und 90 zu 4 im Senat, war jedoch beinahe einstimmig. Die Ratifizierung schien entgegen den Prognosen demnach kaum gefahrdet gewesen zu sein. "The Multilateral Trade Negotiations never became a partisan matter.,,21 War der Graben zwischen den handelspolitischen Einstellungen von Demokraten und Republikanern überbewertet worden? Gab es entgegen aller Voraussagen doch einen breiten, von der Parteizugehörigkeit unabhängigen, Konsens aller Abgeordneten in der Handelspolitik? Die Fragen sind zu verneinen. Handelspolitik war immer ein politisches Thema das Demokraten und Republikaner gespalten hat und dies mit zunehmender Tendenz. Deshalb sind die Positionen der Abgeordneten des Kongresses eine Determinante, die den Ausgang von Ratifizierungsprozessen bestimmt. Die Rolle der Positionen von Abgeordneten und Parteien in der Handelspolitik ist erst in den neunziger Jahren stärker in den Blickpunkt der Forschung gerückt. 22 Dies hängt damit zusammen, daß den Positionen der Kongreßabgeordneten seit den handelspolitischen Auseinandersetzungen der 1980er Jahre eine gestiegene Bedeutung zukommt. Die vier meist genannten Determinanten, die die Positionen der Kongreßabgeordneten in der Handelspolitik bestimmen werden im folgenden skizziert: Stand 31. Dezember 1979. Vgl. Destler/Graham 1980: 60. 21 Vgl. Twiggs 1987: 84. 22 Vgl. Wade/Gates 1990, Doran/Marchildon 1994, O'Halloran/Lohmann 1994, Keech/Pak 1995 und Epstein/O'Halloran 1996. 19
20
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
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- Sozial-, Einkommens-, und Wirtschafts struktur der Wahlkreise - Interessengruppen - Politische Überzeugungen und ideologische Positionen - Parteiführung im Kongreß und Präsident Bei der Erläuterung dieser vier Faktoren ist zu beachten, daß eine analytische Trennung von "Position" und "Abstimmungsverhalten" nicht vorgenommen wird. Positionen beziehen sich auf die langfristigen Einstellungen, während Abstimmungsverhalten häufig von kurzfristigen, eher taktischen Erwägungen motiviert sein kann. Erstens, die in der Forschung vorherrschende Erklärung führt die Position der Kongreßabgeordneten in der Handelspolitik auf ihre Wahlkreise und Klientel zurück?3 Empirische Untersuchungen zeigen positive Korrelationen zwischen der Beschäftigungs-, Ausbildungs- und Einkommensstruktur der Wähler eines Wahlkreises und dem Abstimmungsverhalten von Kongreßabgeordneten. Zum Beispiel neigt ein Abgeordneter dazu, gegen Projekte der Handelsliberalisierung wie NAFTA zu stimmen, je höher der Anteil sog. importanfälliger Industrien und Wähler mit vergleichsweise niedrigem Einkommen und Ausbildungsstand in seinem Wahlkreis ist. Umgekehrt nimmt die Neigung von Abgeordneten, gegen Freihandelsabkommen zu stimmen ab, je höher der Anteil exportorientierter Industrien im Wahlkreis bzw. der Anteil von Wählern mit vergleichsweise hohem Einkommen und Ausbildungsstand im Wahlbezirk ist. 24 Zweitens, Übereinstimmung besteht in der Forschung, daß Interessengruppen einen Einfluß auf Positionen und Abstimmungsverhalten der Kongreßabgeordneten ausüben. Neueste empirische Studien zeigen einen engen Zusammenhang zwischen Wahlkampfspenden der Gewerkschaften mit der Ablehnung des NAFTA durch die Demokraten bzw. Wahlkampfspenden großer Wirtschaftskonzerne mit der Zustimmung vieler Republikaner zur Nordamerikanischen Freihandelszone. 25 Dieser Zusammenhang bestand schon zur Zeit der Ratifizierung der Tokio-Runde, wenn auch der Umfang der eingesetzten Gelder um ein Vielfaches geringer war. Drittens, persönliche Überzeugungen und grundsätzliche ideologische Positionen sind weiterhin ein Faktor für den Standpunkt der Abgeordneten in der Handelspolitik. 26 Doch sollten die ideologischen Bindungen der Kongreßabgeordneten nicht überbewertet werden. Ein Blick auf die regionale Verteilung der Gegner und Befürworter von Handelsliberalisierung in den 23
24 2S 26
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Destler 1995: 76-178, Nivola 1986: 586-590 und Baldwin 1985: 40-49. Baldwin 1998: 14-25. Steagall/Jennings 1996 oder Kahane 1996. Goldstein 1993 aber auch Kahane 1996.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
77
USA unterstützt die Hypothese, daß Abgeordnete ihre Position nicht nach ihrer Partei ausrichten, weil sie sich der Partei durch ideologische Bande verbunden fühlen, sondern weil es bei der Partei lediglich um einen Zusammenschluß von Abgeordneten mit ähnlichen Wahlkreis- und Wählerstrukturen handelt. Die Tatsache, daß republikanische Abgeordnete aus den nordöstlichen Regionen zusammen mit den Demokraten gegen Handelsliberalisierung stimmen, bzw. Abgeordnete der Demokraten aus dem Westen an der Seite ihrer republikanischen Kollegen für Freihandel votieren, zeigt die Partei als Sammelort von Abgeordneten mit ähnlichen Wahlkreis- und Interessengruppenprofilen. Viertens bleibt der Einfluß exekutiver oder legislativer Führer auf das Abstimmungsverhalten des Kongresses zu erwähnen: Je nach Popularität und Ansehen des Präsidenten kann seine Position das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten beeinflussen. Gleiches gilt für den Einfluß der Mehrheitsführer und Whip am Kongreß. Wie sahen angesichts dieser Theorieansätze die Positionen von Demokraten und Republikanern in der Handelspolitik am Vorabend des Ratifizierungsprozesses der Tokio-Runde aus? Die Positionen werden im folgenden anhand dreier Abstimmungen des Repräsentantenhauses zwischen 1962 und 1974 festgemacht. Abstimmungsergebnisse des Kongresses sind zwar kein idealer Indikator, um die grundsätzlichen Positionen der Mitglieder des Kongresses festzustellen, weil sie ein Produkt des politischen Prozesses sind und Ausdruck taktischer Erwägungen sein können. Dennoch stellen Abstimmungsergebnisse das präziseste und verläßlichste Datenmaterial zur Bestimmung der Positionen der Abgeordneten dar: Alternativen wären Inhaltsanalysen von Reden, Artikeln und Aussagen vor Ausschüssen, deren Auswertung Fehlerquellen birgt und bei weitem nicht alle Kongreßabgeordneten erfaßt. In Tabelle 2 wird die bedeutendste Abstimmung in der Handelspolitik der 1960er Jahre den Ergebnissen der beiden wohl wichtigsten Abstimmungen der 1970er Jahre gegenübergestellt. Konkret handelt es sich um die Abstimmungsergebnisse des Repräsentantenhauses über den Trade Expansion Act aus dem Jahr 1962, dem Trade Ac! 0/1970 und dem Trade Act 0/1974. Der Trade Expansion Ac! von 1962 und der Trade Ac! 0/1974 können als "handelsliberalisierende" Handelsgesetze charakterisiert werden. Sie autorisierten den Präsidenten, an multilateralen Verhandlungen im Rahmen des GATI teilzunehmen. Es handelte sich hierbei um richtungs weisende Entscheidungen, die als Meßlatte für die grundlegenden Präferenzen der Abgeordneten dienen. Der Trade Ac! 0/1970 war ein protektionistischer Gesetzentwurf und hätte, wäre er nicht im Senat gescheitert, Importquoten für zahlreiche Güter eingeführt. Die Abstimmungsergebnisse sind in Tabelle 2 so wiedergegeben,
Abstimmung insgesamt Demokraten (Norddemokraten) (Süddemokraten) Republikaner
Abstimmung insgesamt Demokraten - Norddemokraten - Süddemokraten Republikaner
Trade Act of 1970 H.R. 18970 19. November 1970 (Motion to recommit the bill)
Trade Act of 1974 H.R. 10710 11. Dezember 1973 (Final passage)
Quelle: Congressional Quarterly Almanac 1962, 1970 und 1973.
Abstimmung insgesamt Demokraten (Norddemokraten) (Süddemokraten) Republikaner
Ergebnisse nach Parteien
Trade Expansion Act H.R. 11970 28. Juni 1962 (Motion to recom~it the bill)
Handelsgesetz
44
19
(101) (20)
(52) (60) 160
140
121
272
lJ2
74
(63) (70)
(73) (11)
88
207
133
127
(7) (37)
171
- - - -
Protektionismus
172
84
43
253 210 (141) (69)
Handelsliberalisierung
Repräsentantenhaus
Ergebnisse der Abstimmungen des Repräsentantenhauses über den Trade Expansion Act 0/1962, den Trode Act 0/1970 und den Trade Act 0/1974
Tabelle 2
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4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
79
daß in den beiden rechten Spalten sich die Positionen "Protektionismus" und "Handelsliberalisierung" gegenüberstehen. Aufgrund dieser Abstimmungsergebnisse lassen sich drei Aussagen machen: - Am Vorabend der Tokio-Runde befand sich eine Mehrheit der Demokraten im Lager der Protektionisten und eine Mehrheit der Republikaner am Kongreß im Lager der Freihändler. - Von Anfang der 1960er Jahre bis Mitte der 1970ef Jahre haben Republikaner und Demokraten ihre Positionen in der Handelspolitik getauscht. - Der größte Positionswandel innerhalb der Demokratischen Partei hat innerhalb des Blockes der vom Congressional Quarteriyals "Norddemokraten" bezeichneten Repräsentanten (aus den Bundesstaaten Maine, Vermont, Connecticut, Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island, New York, Pennsylvania, New Jersey, Ohio, Indiana, Michigan, Wisconsin, Illinois) stattgefunden. Die Abgeordneten dieser Region stellen seit dieser Zeit den protektionistischen Kern des amerikanischen Kongresses dar. Demokraten aus den westlichen und südlichen Regionen der USA variieren durchaus in ihren Positionen in der Handelspolitik, neigen jedoch seit den 1990er Jahren tendenziell zu einer Politik der HandeIsliberalisierung. Zunächst zum Phänomen der Demokraten aus den nordöstlichen Regionen der USA: Die vom Congressional Quarteriyals "Norddemokraten" bezeichneten Abgeordneten gelten seit den 1970er Jahren als der protektionistische Block im Kongreß. Hatten nur 7 von 148 Demokraten dieser Gruppe gegen das Gesetz von 1962 gestimmt, so hielten sich die Stimmen der "Norddemokraten" bei der Abstimmung des Trade Act 0/ 1970 mit 73 zu 63 die Waage. 1973 votierten bereits doppelt soviele Demokraten (101) dieses Blocks gegen die Teilnahme der USA an der Tokio-Runde als dafür (52). Die Unterstützung dieser Gruppe für Handelsliberalisierung hatte innerhalb von 10 Jahren rapide abgenommen. 27 Wie ist der Tausch der Positionen in der Handelspolitik von Demokraten und Republikanern seit den fünfziger Jahren zu erklären? Von der Grün27 Das Stimmverhalten der Süddemokraten ist sowohl 1962 als auch 1973 durch umfangreiche Zugeständnisse der Exekutive beeinflußt worden. Hatte Watson 1956 die Süddemokraten noch als den protektionistischen Block innerhalb der Demokratischen Partei identifiziert, schwächten umfangreiche Konzessionen, die die Textilindustrie des Südens begünstigten, die protektionistischen Neigungen dieser Gruppe von Demokraten bei den Abstimmungen erheblich (vgl. Watson 1956). Das "wahre Gesicht" der Süddemokraten wird bei der Abstimmung 1970 deutlich, als 70 der 84 als Süddemokraten bezeichneten Abgeordneten für die Einführung von Importquoten für Textilien und damit für den protektionistischen Gesetzentwurf votierten.
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
80
dung der amerikanischen Republik bis zum Ende der 1940er Jahre waren die Demokraten für niedrige Zölle eingetreten und waren die Partei der Handelsliberalisierung; die Republikaner plädierten während dieser Zeitspanne für die Errichtung von Zollschranken und hatten somit protektionistische Positionen vertreten. 28 Der Tausch der Positionen wird anband der Abstimmungsergebnisse besonders augenfallig: 1962 hatten 210 Abgeordnete der Demokraten (83 % der an der Abstimmung teilnehmenden Demokraten) im Repräsentantenhaus für das liberale Handelsgesetz Präsident Kennedys gestimmt. Ein Jahrzehnt später, 1973, unterstützen nur noch 112 Demokraten (48 % der an der Abstimmung teilnehmenden Demokraten) die Vollmacht für Präsident Nixon, an der Tokio-Runde teilzunehmen. Die Daten für die Republikaner im Repräsentantenhaus demonstrieren den Wandel noch augenfalliger: Nur 43 Repräsentanten der Republikaner (25% der an der Abstimmung teilnehmenden Republikaner) stimmten für den Trade Expansion Act !962; 127 votierten dagegen. Bei der Abstimmung über den Trade Act 01 1970 teilte sich die Fraktion der Republikaner in 88 Gegner und 74 Befürworter der protektionistischen Maßnahme. Die Abstimmung der Republikaner über das Handelsgesetz von 1974 ist eine Umkehrung der Abstimmung über das Handelsgesetz von 1962: 160 Stimmen (89% der an der Abstimmung teilnehmenden Republikaner) gegen 19 Stimmen für die "freihändlerische" Position 1973. Selbstverständlich spielte es eine Rolle für den Ausgang der Abstimmungen, daß die Demokraten 1962 und die Republikaner im Jahr 1973 jeweils mit "ihrem" Präsidenten (John F. Kennedy bzw. Richard M. Nixon) stimmten, bzw. die Republikaner 1962 gegen Kennedy und die Demokraten 1973 gegen Nixon; dennoch erklärt dieser Faktor erfahrungsgemäß nur das Abstimmungsverhalten einiger Abgeordneter. Die Abstimmungsergebnisse dokumentieren deshalb tatsächlich einen tiefgreifenden Wandel der Positionen. Der Tausch der Positionen von Demokraten und Republikanern in der Handelspolitik in den 1950er und 1960er Jahren läßt sich folgendermaßen erklären. Die Republikaner verloren ihre Wählerbasis im amerikanischen Nordosten an die Demokraten, welche dadurch eine Klientel erbten, die in der Regel handelsrestriktive Maßnahmen befürworteten. "Most important was the shift in the geographie bases of the two politica1 parties. ,,29 Der Nordwesten der USA war und ist bis heute das Kernland der amerikanischen Gewerkschaften, die seit Anfang der 1970er Jahre handelsliberalisierende Maßnahmen ablehnen; die Gewerkschaften sind für die Abgeordneten der Demokratischen Partei die wichtigste Klientel. Entscheidend ist, daß sich im Widerstand von Wählern und Interessengruppen gegen Projekte der Handelsliberalisierung die Veränderungen in den internationalen Rahmenbe28 29
Vgl. Medick-Krakau 1995: 64-73 und O'Halloran 1996. Vgl. DestIer 1995: 177.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
81
dingungen spiegeln. Die Krise der Automobilindustrie, der Niedergang von Kohle und Stahl, Produktionsrückgänge in produzierenden Industrien haben zu der weitverbreiteten Auffassung geführt, daß die USA ihre Wettbewerbsfahigkeit gegenüber der ausländischen Konkurrenz eingebüßt hätten. "The historie reshaping of the regional basis of American trade sentiment can be explained by important recent shifts in the global economy, which infIuenced and interacted with national trends to alter the composition and comparative advantages of regional economies. ,,30 Die konkrete Sorge um Arbeitsplätze hat deshalb zu verstärkten Forderungen nach Importschutz aus der Region des sog. "rust belt" aber mittlerweile auch im amerikanischen Süden geführt. Umgekehrt liegen die Hochburgen der Freihändler im Westen und Nordwesten der USA. 31 Hier sind die exportorientierten Industrien der Vereinigten Staaten zu finden. Dieser auf die Einkommens- und Beschäftigungsstruktur ausgerichtete Ansatz erklärt auch die Lager innerhalb der beiden großen Parteien: Republikaner des Südens oder des Nordostens der USA stehen handelsrestriktiven Maßnahmen bei Abstimmungen wesentlich positiver gegenüber als ihre Parteikollegen aus westlichen Wahlkreisen. Umgekehrt finden sich in Kalifornien, aber auch im Südwesten der USA, Demokraten mit stark freihändlerischer Orientierung. Zusammenfassend kann man festhalten, daß die Positionen von Demokraten und Republikanern bezüglich des Kurses in der Handelspolitik vor dem Entscheidungsprozeß der Tokio-Runde durchaus divergierten. Dennoch fanden Grabenkämpfe zwischen den Parteien nicht statt, weil einerseits die Öffentlichkeit fehlte, die die Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern verstärkt hätte. Andererseits machte die Carter-Administration, die die Ratifizierung langfristig vorbereitete, rechtzeitig Zugeständnisse an bestimmte Gruppen und verhinderte durch ihr geschicktes Taktieren, daß es zu offenen Konflikten zwischen den Parteien kam.
4.3. Jimmy Carters Position Die inhaltliche Position des Präsidenten gegenüber einem Projekt seiner Agenda, beispielsweise einem Handelsabkommen, über das der Kongreß abstimmen muß, wird von der Forschung grundsätzlich als Ressource und wichtiger Faktor für dessen Verabschiedung gesehen. 32 Steht ein Präsident hinter dem Vorhaben, unternimmt er in der Regel auch die notwendigen Schritte, für das Projekt Zustimmung im Kongreß aufzubauen. Weiterhin hat seine Position gegenüber dem zu ratifizierenden Handelsabkommen Vgl. Wade/Gates 1990: 298. Für die regionale Verteilung der Zustimmung oder Ablehnung von Handelsliberalisierung und Protektionismus vgl. Wade/Gates 1990. . 32 Vgl. Edwards 1980 und 1989, sowie Bond/Fleisher 1990. 30
31
6 pfeil
82
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Signalwirkung auf die Kongreßabgeordneten. Je nachdem wie groß das Ansehen des Präsidenten in der Bevölkerung und am Kongreß ist, steigt sein Einfluß auf die Entscheidung der Abgeordneten, bzw. wird es bisweilen schwierig für die Abgeordneten, sich gegen seine Position zu entscheiden. 33 Die eindeutige und für alle am Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure klar erkennbare Positionserklärung des Präsidenten ist demnach ein Faktor, der die Ratifizierung eines Handelsabkommens begünstigt. Nachstehendes Zitat Jimmy Carters aus dem Economic Report 0/ the President vom Februar 1978 faßt die grundlegende Haltung des Präsidenten gegenüber der Tokio-Runde zusammen: "I place great importance on the Multilateral Trade Negotiations now under way in Geneva. 1 believe our negotiators will bring horne agreements that are fair and balanced and that will benefit our economy immensely over the years to come. The importance of these discussions can hardly be overemphasized. The trading system that emerges from the negotiations will set the tone for international commerce weIl into the 1980s. Our comrnitment to a successful conclusion to these talks underscores our long-term emphasis on the retention and expansion of open and fair trade among nations ...34
Carters Äußerungen zur Handelsliberalisierung stellten keine Lippenbekenntnisse dar, sondern entsprachen echter Überzeugung. Der Handelsbeauftragte der Carter-Administration, Robert Strauss, wird häufig mit der Äußerung zitiert, daß Carters Abneigung gegen Protektionismus "almost puritanical" gewesen sei. 35 Allerdings mußte Präsident Carter seine freihändlerischen Überzeugungen kaum gegenüber einem aggressiven Kongreß unter Beweis stellen. Jimmy Carter kann als der letzte Präsident gelten, für den das Politikfeld Handelspolitik nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ein Blick auf den Umfang des Themas Handelspolitik im Economic Reports 0/ the President der späten 1970er Jahre unterstreicht die Nachrangigkeit amerikanischer Außenhandelspolitik für die Carter-Administration im Vergleich zu seinen Nachfolgern: Einige Seiten bei Carter, ganze Kapitel während der Reagan- und Clinton-Jahre. Von großen handelspolitischen Debatten ist aus der Carter-Ära deshalb nicht zu berichten. Die U.S.-HandeIsbilanz befand sich 1971 mit 2,3 Milliarden US-Dollar erstmals im Defizit. Während der 1970er Jahre schwankte sie zwischen vergleichsweise leichten Defiziten, d.h. 6,4 Milliarden US-Dollar (1972), 5,3 Milliarden US-Dollar (1974) und 9,4 Milliarden US-Dollar (1976), und geringen HandeIsbilanzüberschüssen, d. h. 0,9 Milliarden US-Dollar (1973) und 9,0 MilVgl. Neustadt 1990. Vgl. Economic Report 0/ the President. Transmitted to the Congress January 1978 together with the annual Report of the Council of Economic Advisers. Washington, D.C., 1978, S. 23. 3S Vgl. Dryden 1995: 220. Siehe in diesem Sinne auch die kurze Passage bei Woolcock 1984: 50. 33
34
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liarden US-Dollar (1975), bevor sie dann ab 1977 für die Jahre der CarterAdministration in ein Defizit von mehr oder weniger ca. 30 Milliarden USDollar absackte. 36 Die Entscheidungsträger in Washington nahmen das Defizit zwar zur Kenntnis, doch konnte von Krisenstimmung keine Rede sein. Ein großer Teil des Defizits ließ sich außerdem durch die seit der ÖlKrise von 1973 erheblich verteuerten Öl-Importe in die USA erklären. 37 Die meisten der handelspolitischen Aktivitäten der Carter-Administration vor 1979 stehen in Verbindung mit der Ratifizierung der Tokio-Runde. Diese durchaus als protektionistisch zu charakterisierenden Maßnahmen der Carter-Administration zielten darauf, potentielle Kritiker der Tokio-Runde, d. h. insbesondere die Gewerkschaften und die Demokraten am Kongreß, von vornherein durch Zugeständnisse politisch zu neutralisieren und Opposition im Keim zu ersticken. Zu den protektionistischen Maßnahmen gehören z. B. ein Orderly Market Agreement mit Taiwan und Süd-Korea über den Einfuhr von Schuhen im Frühjahr und Sommer 1977, Einfuhrquoten für japanische Farbfernseher und verschiedene Vereinbarungen zum Schutz der amerikanischen Textil- und Stahlindustrie. Insbesondere diese Sektoren galten als die Hochburgen gewerkschaftlicher Macht und waren zudem im Kongreß stark repräsentiert. Wenn mit Widerstand gegen die Tokio-Runde zu rechnen war, dann würde er aus diesen Sektoren kommen. 38 Anknüpfend an die Ergebnisse des vorhergehenden Kapitels bleibt zusammenfassend festzuhahen, daß ein freihändlerisch ausgerichteter Präsident Jimmy Carter die Ergebnisse der Tokio-Runde einem vermeintlich protektionistisch gesinnten 96. Kongreß zur Ratifizierung vorlegen mußte.
4.4. Ein schwieriges Paar: Präsident Carters Verhältnis zum Kongreß Die beiden vorhergehenden Abschnitte haben gezeigt, daß sich die Positionen oder policy-Präferenzen von Präsident und Kongreß am Vorabend der Ratifizierung der Tokio-Runde klar umreißen lassen. Inhaltliche Positionen sind jedoch nur ein Faktor, der für den Entscheidungsprozeß eine Rolle spielt. Die Interaktion von Präsident und Kongreß, und letztendlich auch das Ergebnis der Ratifizierungsabstimmung, hängt auch von den strategischen Ausgangspositionen der beiden Akteure sowie ihren Erfahrungen mit 36 Vgl. Statistical Abstract 0/ the Vnited States. 103rd edition. 1982-1983. Department of Commerce. Bureau of the Census, Tafel 1467, S. 822. 37 Vgl. Causes and consequences 0/ the U.S. trade deficit and developing problems in V.S. expons. V.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means. 95th Congress, first session. November 3 and 4, 1977. Washington, D.C., 1978. 38 Vgl. Dryden 1995: 207-253. 6'
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und Erwartungen an das strategische und taktische Potential der jeweilig anderen Seite ab. 39 Die strategischen Ausgangspositionen des Präsidenten oder des Kongresses richten sich nach dem Mandat der Wähler für den Kongreß oder für den Präsidenten, deren Rückhalt in der Bevölkerung (Meinungsumfragen), Unterstützung des Präsidenten durch den Kongreß hinsichtlich anderer Projekte seiner Agenda, Einbeziehung tagespolitischer Ereignisse und ihre Wirkung auf den handelspolitischen Entscheidungsprozeß u.a. Durch den Fokus auf die Institutionen "Kongreß" und "Präsident" bietet der dieser Studie zugrundeliegende Institutionenansatz die Möglichkeit, eine Vielzahl von Faktoren einzubeziehen, die eine realistische Analyse des handelspolitischen Entscheidungsprozesses erst ermöglichen. Die Öffnung der Analyse für Faktoren wie die "strategischen Ausgangspositionen" von Präsident und Kongreß birgt einerseits das Risiko der Überfrachtung der Untersuchung. Gerade der Anspruch wissenschaftlicher Meßbarkeit und Exaktheit wird durch die Berücksichtigung der Ausgangspositionen von Kongreß und Präsident als Determinante der Verabschiedung von Handelsabkommen strapaziert. Andererseits ist eine realistische Analyse ohne die Einbeziehung dieser Faktoren nicht mehr zu leisten. Als Präsident Jimmy Carter Anfang Januar 1979 den Kongreß von seiner Absicht unterrichtete, die Tokio-Runde zu unterzeichnen und anschließend ratifizieren lassen zu wollen, befand sich die Carter-Administration in ihrem dritten Amtsjahr. Das Verhältnis zwischen Präsident Carter zum amerikanischen Kongreß muß bis zu diesem Zeitpunkt als problematisch charakterisiert werden und bot keine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Ratifizierung. Einem in der Zeit nach Watergate reformgesinnten Kongreß, in dem politisch unerfahrene und radikale Demokraten das Wort führten, stand ein Präsident gegenüber, der kaum Rückhalt in der Bevölkerung oder in Washington genoß, und der sein politisches Handeln nicht an Effizienz oder politischen Zielen, sondern an eigenen Maßstäben von Moralität und gutem Handeln ausrichtete. Auch in dieser Hinsicht überrascht das deutliche Abstimmungsergebnis des Kongresses über die Tokio-Runde. Die Charakterisierung des Verhältnisses von Präsident Carter und dem Kongreß vor der Ratifizierung der Tokio-Runde muß vor den politischen Entwicklungslinien der 1970er Jahre vorgenommen werden. Die TokioRunde stand am Ende eines Prozesses der Neubewertung des Verhältnisses von Präsident und Kongreß als Folge des Vietnam-Krieges und der Watergate-Affäre. Der Kongreß führte Reformen seiner Entscheidungsstrukturen durch und stärkte seine Stellung gegenüber dem Präsidenten. Vietnam und Watergate hatten das politische Washington, insbesondere das Präsidenten39
Vgl. Neustadt 1990.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
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amt, in Verruf gebracht und unter der Bevölkerung zu einem Vertrauens verlust in die politischen Institutionen geführt. Auf den Kongreß und das Präsidentenamt hatte dieser Vertrauensverlust tiefgreifende Wirkung: Die amerikanische Bevölkerung wählte eine neue Generation von Politikern in Kongreß und Weißes Haus. Die Kongreßwahlen 1974 und 1976 brachten eine große Anzahl von Demokraten in das Repräsentantenhaus und den Senat. Die Neugewählten interpretierten die Wahlsiege als Mandat für Reformen. Mitte der 1970er Jahre setzten sie eine umfangreiche Reform der Strukturen und Verfahren des Kongresses durch und weiteten die Kontrolle über den Präsidenten aus. Die Reformen öffneten und fragmentierten die Entscheidungsprozesse am Kongreß. In Ausschußsitzungen und in den Kammern des Senats und des Repräsentantenhauses wurde die Öffentlichkeit hergestellt. Die Fraktion der Demokratischen Partei schaffte die sog. ,.seniority rule" ab. Diese Klausel hatte in der Regel die langgedienten Abgeordneten bei der Zuweisung der begehrten Ausschußvorsitze bevorzugt und neugewählte Abgeordnete jahrelang zu einem Hinterbänklerdasein verurteilt. Nach den Reformen erhielten immer mehr Abgeordnete Posten, z. B. als Vorsitzende eines Unterausschusses, und gewannen dadurch im nunmehr dezentralisierten Gesetzgebungsprozeß an politischem Gewicht und Einfluß. Eine weitere Entwicklung war das Anwachsen der Personalstäbe der Abgeordneten, die auf diese Weise den Informationsvorsprung der Exekutive in vielen Politikbereichen einholten. Auch im Weißen Haus stand mit Jimmy Carter ein Personal wechsel an. Nach den Präsidenten Johnson, Nixon und Ford, die allesamt jahrzehntelange Erfahrung in Kongreß und Administration gemacht hatten und somit Exponenten der Washingtoner Elite waren, kam mit Jimmy Carter ein Außenseiter nach Washington. Carter konnte nach seiner Wahl im November 1976 zwar kein Mandat des Wählers für sich verbuchen; der Vorsprung vor dem Amtsinhaber Gerald Ford war äußerst gering. 4O Dennoch galt es als Signal der Wähler, daß sie einen bis dato Unbekannten, noch dazu einen Außenseiter der Washingtoner Eliten, ins Weiße Haus gewählt hatten. Der ehemalige Gouverneur aus Georgia brachte etwas ins Weiße Haus, was für Washingtoner Verhältnisse eher ungewohnt war und was seine Präsidentschaft und seinen Stil prägen sollte: Idealismus und eine stark moralische Komponente. Gerade Carters Verhältnis zum amerikanischen Kongreß war durch seine Überzeugungen so tief beeinflußt, daß Charles O. Jones die Präsidentschaft 40 Zum Sieg haben Gerald Ford nur 7.000 Stimmen im Bundesstaat Hawaii und rund 10.000 Stimmen im Bundesstaat Ohio gefehlt. Vgl. Guide to V.S. Elections. Second Edition. Edited by the Congressional Quarterly Publishers. Washington, D.C., 1985, S. 311 und 364.
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
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Carters zurecht als die Trusteeship Presidency (Treuhandschaft) bezeichnet hat. 41 Jimmy Carter betrachtete die Abgeordneten des Kongresses als politische Unternehmer, die ihrem Eigeninteresse folgten und die besonders anfällig für das Lobbying von Partikularinteressen waren. Da sie sich deshalb seiner Meinung nach nur unzureichend für das "öffentliche Wohl" einsetzen konnten, mußte nach Carters Auffassung der Präsident diese wichtige Rolle, als Treuhänder des amerikanischen Volkes, übernehmen. Selber durch die Bevölkerung direkt legitimiert sah Carter sich über allen politischen Dingen stehend. ,,[D]oing what's right not what's political,,42 bekam das Schlagwort für das Weiße Haus unter Präsident Carter; die Agenda des Präsidenten sollte nicht durch taktisches Verhalten oder wahlstrategische Ziele bestimmt werden; Moral und "gutes Handeln", nicht Pragmatismus, wurden zur Maxime der Administration. Die Auswirkungen dieses Konzeptes auf das Verhältnis mit dem Kongreß waren nachhaltig. Von Kooperation zwischen den Akteuren konnte keine Rede sein. Häufig ignorierte das Weiße Haus die Präferenzen, Ziele und Interessen der Abgeordneten bei der Politikformulierung. Repräsentanten und Senatoren wurden kaum über gesetzgeberische Vorhaben Carters im vorhinein informiert, sondern in der Regel im nachhinein vor vollendete Tatsachen gestellt. Die sog. "cozy little triangles", d. h. die Netzverbindungen zwischen Kongreß, Ministerien und Interessengruppen, die normalerweise die Achse Washingtoner Politikformulierung bilden, waren quasi nicht-existent. ,,( ... ) Jimmy Carter worked against the system.,,43 Besonders das Verhältnis zwischen Carter und seiner Partei, den Demokraten im Kongreß, hatte sich während der Amtszeit Carters dramatisch verschlechtert. Die Einstellung der Demokraten gegenüber dem Präsidenten war skeptisch. Viele fürchteten, daß die unpopuläre Art Carters ihnen die Wiederwahl kosten würde: ,,( ... ) [H]e undoubtedly could have done more to promote a harmonious and fruitful relationship with the Democratic Party. ,,44 Im Repräsentantenhaus stellten die Demokraten große Mehrheiten: 292 im 95. Kongreß, 276 im 96. Kongreß. Bei diesen Größenverhältnissen war Carter für die Ratifizierung der Tokio-Runde wenigstens auf einen Teil dieser Stimmen angewiesen. Als weiterer Faktor für eine schwache taktische Position Jimmy Carters gegenüber dem Kongreß kam sein Ansehensverlust in der Bevölkerung hinzu. Ein Präsident kann in der Regel seinen Rückhalt, den er beim Wähler genießt, in die Waagschale beim Tauziehen mit dem Kongreß 41
42 43 44
Vgl. Jones 1988. Ebd., S. 6. Ebd. Vgl. McClesky/McClesky 1984: 126.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
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werfen; nicht so Carter. Die Popularität und das Ansehen des Präsidenten sanken von Beginn seiner Präsidentschaft an rapide: Am Ende des ersten Amtsjahres befürworteten noch 57 % gegenüber 27 % der Befragten einer Gallup PoIl die Amtsführung des Präsidenten, am Ende des zweiten immerhin noch 51 % zu 34%.45 Die rasante Talfahrt der Popularität Carters ereignete sich während des ersten Halbjahres 1979, dem Zeitraum, in dem die Tokio-Runde zur Ratifizierung anstand: Von Anfang Januar 1979 sank die Zustimmung für die Arbeit des Präsidenten von 50 % Zustimmung gegen 36% Mißbilligung auf nur 28% Zustimmung gegenüber 59% Mißbilligung in der öffentlichen Meinung ab. Wie war es möglich, daß angesichts dieser prekären Ausgangslage der Ratifizierungsprozeß der Tokio-Runde als Musterfall in die Geschichte der amerikanischen Außenhandelspolitik eingegangen ist? Wie konnte ein Präsident, der jeder Art von Bargaining abwehrend gegenüberstand, erfolgreich einen Entscheidungsprozeß absolvieren, dessen Hauptbestandteil Bargaining war? Die nächsten Seiten werden Aufschluß über diese Fragen geben. Es zeigt sich, warum die Tokio-Runde in den meisten Darstellungen über die Amtszeit Carters kaum Erwähnung findet; nicht nur, weil in diesen Jahren andere innen- und außenpolitische Themen Handelspolitik in den Hintergrund drängten. Die erfolgreiche Verabschiedung der Tokio-Runde war vermutlich die erfolgreichste und deshalb am wenigsten typische Episode im Verhältnis zwischen Jimmy Carter und dem amerikanischen Kongreß.
4.5. Eine gelungene Premiere: Interaktion von Präsident und Kongreß bei der Ratifizierung der Tokio-Runde 4.5.1. Phase 1 der Interaktion: Das Handelsgesetz von 1974
Die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß vor den Verhandlungen zur Tokio-Runde vollzog sich im Rahmen des Entscheidungsprozesses beim Handelsgesetz von 1974.46 Mit dem Entschluß der Nixon-Administration, wieder an einer Verhandlungsrunde des GATI teilzunehmen, bestand gleichzeitig die Notwendigkeit, daß der Kongreß die Exekutive für die Verhandlungen vorher autorisierte. Die letzte Vollmacht des Kongresses war mit dem Ende der Kennedy-Runde Mitte 1967 ausgelaufen. Präsident Nixon trat deshalb im April 1973 mit einem Gesetzentwurf an den Kongreß heran, der eine Vollmacht des Kongresses für die Teilnahme an der siebten 45 Vgl. zu allen Angaben an dieser Stelle The Gallup Opinion Index, Nummer 192, Oktober/November 1982: 13f. 46 Eine detaillierte Übersicht über die Geschichte der Verabschiedung des Trade Ac! 0/1974 findet sich bei Destier 1980, Kapitel 10 und 11, Pastor 1980: 136-185, sowie bei Rode 1980.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
GATT-Runde enthielt. Diese Initiative der Administration beschränkte sich allerdings keinesfalls nur auf die Autorisierung, sondern strebte darüber hinaus eine umfangreiche Revision der nationalen Handelsgesetze an. Neben einer Überarbeitung der Schutzklausel (escape clause) schlug die Exekutive außerdem eine Verbesserung der Anpassungshilfe (trade adjustment assistance), der Anti-Dumping- und Ausgleichszollverfahren sowie die Einführung eines Präferenzsystems im Außenhandel mit den Entwicklungsländern (General System of Preferences) vor. Ferner sollte der Kongreß durch die Verabschiedung des Handelsgesetzes ein Handelsabkommen mit der Sowjetunion ratifizieren, das die Nixon-Administration im Oktober 1972 unterzeichnet hatte; das Abkommen regelte die Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips im Handel zwischen den USA und der UDSSR. 47 Mit dieser umfangreichen Reform des handelspolitischen Instrumentariums kam der Präsident einerseits Forderungen aus der Wirtschaft entgegen, die die AntiDumping- und Ausgleichszollverfahren für unzureichend hielten. Andererseits spekulierte das Weiße Haus darauf, daß der Kongreß eine Erleichterung der Verfahren als Entgegenkommen der Administration interpretieren und im Gegenzug grünes Licht für die GATT-Verhandlungen geben würde. Was die Autorisierung der Exekutive durch den Kongreß bezüglich der Verhandlung von tarifaren und nicht-tarifaren Handelsschranken betraf, so hatte die Nixon-Administration in ihrem Gesetzentwurf umfangreiche Vollmachten für den Präsidenten vorgesehen. Sie forderte vom Kongreß unbegrenzte Vollmacht für die Reduzierung oder Anhebung von Zöllen; vorhergehende Handelsgesetze hatten dem Präsidenten stets genau quantifizierte Margen vorgeschrieben, innerhalb derer er Reduzierungen mit dem Ausland vereinbaren durfte. Hinsichtlich des Abbaus nicht-tarifarer Handelsschranken galt es besonders zu regeln, durch welches Verfahren der Kongreß zukünftig Abkommen dieser Art ratifizieren würde. Die Exekutive hatte ein Vetoverfahren des Kongresses konzipiert: Dieses sah vor, daß das vom Präsidenten verhandelte Abkommen automatisch Gesetz werden würde, solange nicht entweder der Senat oder das Repräsentantenhaus innerhalb von 90 Tagen durch eine Resolution Einspruch einlegten. Das Ringen zwischen Präsident und Kongreß um die Verabschiedung des Trade Act of 1974 dauerte insgesamt 20 Monate. Der Entscheidungsprozeß im Repräsentantenhaus, das in Sachen Handelspolitik stets als erstes an der Reihe war, nahm das Jahr 1973 in Anspruch; der Entscheidungsprozeß im Senat zog sich bis Dezember 1974 hin. Innenpolitische und außenpolitische Krisen, der Rücktritt Richard Nixons im August 1974 als Folge der Water47 Der Gesetzesvorschlag der Nixon-Administration ist abgedruckt in: Trade Reform. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Committee on Ways and Means on H. R. 6767, The Trade Reform Act of 1973. 93rd Congress, first session. Part I of 15. May 9, 1973, Washington. D.C., 1973, S. 4-100.
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gate-Affare und der Jom Kippur Krieg mit dem Öl-Embargo der OPEC, nahmen nicht nur die Aufmerksamkeit und die Ressourcen des Kongresses in Anspruch: Watergate beschädigte das Vertrauen des Kongresses in den Präsidenten und trug zum Zögern vieler Kongreßabgeordneter bei, umfangreiche Vollmachten in der Handelspolitik auf das Weiße Haus zu übertragen. Die Öl-Krise verschlechterte zudem die ökonomischen Rahmenbedingungen und trug zu einer beträchtlichen Steigerung der Inflation bei. Dennoch war die Haltung des Kongresses gegenüber den multilateralen Verhandlungen unter dem GATI generell weder am Repräsentantenhaus noch am Senat zu irgendeinern Zeitpunkt des langen Entscheidungsprozesses skeptisch oder gar feindselig, wie dies Jahre später bei NAFTA oder bei der Uruguay-Runde der Fall sein sollte. Folgendes Zitat aus dem den Gesetzvorschlag begleitenden Report des Finanzausschusses am Senat vorn Dezember 1974 fängt die Stimmung am Kongreß hinsichtlich der anstehenden GATI-Verhandlungen ein: ,,President Ford has renewed the request for enactment of trade reform legislation during the 93rd Congress to permit multilateral trade negotiations to proceed. Trade negotiations are urgently needed to promote fairness and equity in the international trading system and to prevent a serious deterioration in the spirit of economic cooperation that is essential for the preservation of economic and political stability in a rapidly changing world...48
Bedenken am Kongreß tauchten anfangs nur bezüglich der von der Nixon-Administration geforderten Reichweite der Vollmacht auf. Der Vorsitzende des Committee on Ways and Means, Al Ullman (D-OR), äußerte zu Beginn der öffentlichen Anhörungen Skepsis gegenüber dem Entwurf der Nixon-Administration: "My problem with your proposal, and I think this perhaps will be your major problem in getting this legislation through, is the degree to which we are delegating broad new powers to the Executive in carrying out trade agreements. (... ) I see area after area of broad new delegation of authority to the Executive that has previously been held by the Congress.,,49 In Erwartung solch eher zurückhaltender Reaktionen vorn Kongreß hatte Präsident Nixon von vornherein versucht, seine Anfrage nach Handlungsvollmacht unter die Ziele der Außenpolitik und der internationalen Kooperation zu stellen. Anläßlich der Übermittlung seiner Gesetzesinitiative an den Kongreß schrieb der Präsident an den Kongreß: 48 Vgl. Trade Reform Act of 1974. U.S. Congress. Senate. Report of the Comrnittee on Finance together with additional views on H. R. 10710. 93rd. Congress, 2nd session. November 26, 1974. Washington, D.C., 1974, S. 5. 49 Vgl. Trade Reform. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Committee on Ways and Means on H. R. 6767, The Trade Reform Act of 1973. 93rd Congress, first session. Part I of 15. May 9, 1973, Washington, D.C., 1973, S.183.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
..Increasingly in recent years, countries have come to see that the best way of advancing their own interests is by expanding peaceful contracts with other peoples. We have thus begun to erect a durable structure of peace in the world from which all nations can benefit and in which all nations have a stake. This structure of peace cannot be strong, however, unless it encompasses international economic affairs. ,,50
Als bei den Anhörungen am Repräsentantenhaus dann weiterhin Kritik am Umfang der von der Administration geforderten Autorisierung laut wurde, versuchte Finanzminister George Shultz die Forderungen des Weißen Hauses zunächst herunterzuspielen und praktische Gründe für die Genehmigung der Vollmacht anzuführen: ,,( ... ) [I]t is essentially an extension of authority that has been granted before and used before and I think that our basic problem here is that if we are going to have a negotiation somebody has to do the negotiating so that there has to be some authority there to negotiate with."Sl In der vom Kongreß im Dezember 1974 verabschiedeten Version des Handelsgesetzes übertrug der Kongreß der Exekutive zwar umfangreiche Vollmachten, damit diese an der GATI-Runde teilnehmen konnte. Allerdings hatte der Kongreß Abstriche von der ursprünglich von Präsident Nixon geforderten Reichweite der Vollmacht vorgenommen: Bei Zöllen schrieb der Kongreß dem Präsidenten weiterhin vor, welche Zölle er um welches Ausmaß reduzieren dürfe; die Forderung nach einem Blankoscheck des Kongresses, d. h. einer unbegrenzten Vollmacht in diesem Bereich, ließ sich für die Administration nicht realisieren. Das Verfahren, das die Initiative Nixons zur Verabschiedung von Abkommen über die Beseitigung nicht-tariflirer Handelsschranken enthielt, hatte das Repräsentantenhaus noch passiert, traf jedoch im Senat auf unüberwindbaren Widerstand. Die Senatoren lehnten ein bloßes Vetorecht des Kongresses ab. Sie bestanden darauf, daß Vereinbarungen über die Reduzierung nicht-tariflirer Handelsschranken nur in Form eines Implementierungsgesetzes dem Kongreß zur Ratifizierung in beiden Häusern unter einem beschleunigten Verfahren (fast-track procedure) vorgelegt werden sollten (vgl. Kapitel 3.1.). Widerstand gegen die geplanten GATI-Verhandlungen kam konkret nur aus den Reihen der Gewerkschaften und einiger Demokraten am Kongreß. Diese unterstützten einen Gesetzentwurf des Abgeordneten James A. Burke (D-MA) und Senators Vance Hartke (D-IN) vom Herbst 1971. Die Burke-Hartke-Initiative, mit offiziellem Titel Foreign Trade and Invest50 Vgl. Message 01 the President, in: Trade Relonn. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Committee on Ways and Means on H. R. 6767, The Trade Reform Act of 1973. 93rd Congress, first session. Part 1 of 15. May 9, 1973, Washington, D.C., 1973, S. 98. 51 Ebd., S. 183.
4. Fallstudie I: Die Tokio-Runde 1979
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ment Act, plante die Einführung von Quoten für die Importe, die mehr als 15 Prozent Marktanteil auf dem amerikanischen Markt hielten, und zielte zudem darauf, amerikanische Firmen von Investitionen im Ausland abzuhalten: Damit zielte sie auf einen Trend, daß viele amerikanische Konzerne damit begannen, stärker als bisher· Direktinvestitionen im Ausland vorzunehmen und Produktionsstätten aus den USA in andere Länder zu verlagern. Diese Entwicklung, so befürchteten die Gewerkschaften, würde unweigerlich amerikanische Arbeitsplätze kosten. Doch mußten die Befürworter dieser protektionistischen Initiative schon früh im Gesetzgebungsprozeß ihre Hoffnung auf ein Erreichen ihrer Ziele begraben. Als der Abgeordnete Burke im Juli 1973 seinen Vorschlag als Änderungsantrag (amendment) während der Formulierung des Hauptgesetzes im Committee on Ways and Means einbrachte, wies der Ausschuß diesen deutlich mit 17 gegen 7 Stimmen zurück. 52 Der Widerstand der Gewerkschaften schwächte sich danach zwar keineswegs ab; dennoch gelang es den erklärten Gegnern bis zur Verabschiedung des Trade Act of 1974 zu keinem Zeitpunkt mehr, eine koordinierte und ernstzunehmende Attacke gegen das Gesetz zu führen. 53
Während des Entscheidungsprozesses im Senat geriet die Autorisierung des Präsidenten und die Teilnahme der USA an den GATI-Verhandlungen beinahe zur Nebensache. Die Gewährung der Meistbegünstigungsklausel an die UdSSR stand im Mittelpunkt der Diskussion. Das Weiße Haus, besonders Außenminister Henry Kissinger, setzte sich für die Anwendung des Prinzips der Meistbegünstigung im Warenaustausch mit der Sowjetunion ein. Die Meistbegünstigung sollte eine weitere Komponente in der von der Nixon-Administration vorangetriebenen Entspannung im Ost-West-Konflikt sein. Der Kongreß war im Gegensatz dazu fest entschlossen, Zugeständnisse in der Außenhandelspolitik an die Reisefreiheit von Sowjet-Bürgern zu koppeln. Neue Auflagen der Regierung der UdSSR bezüglich der Reisebedingungen ihrer Bürger betrafen in erster Linie jüdische Bürger der Sowjetunion, die auf ihre Ausreise in die Vereinigten Staaten warteten. 54 Erst im Oktober 1974 kam es in der Sache zu einem Kompromiß zwischen Präsident und Kongreß. Der Präsident würde zukünftig der Sowjetunion die Meistbegünstigungsklausel jeweils für die Dauer eines Jahres gewähren, nachdem er sich versichert hätte, daß die Regierung der UdSSR Anstrengungen unternehmen würde, insbesondere Juden die Ausreise nicht mehr zu erschweren. Der Kongreß behielt sich ein Einspruchsrecht gegen die Ent52 Vgl. Import quotas defeated. In: Congressional Quarterly, Weekly Report, July 21, 1973, S. 1989f. 53 Vgl. Destier 1980: 175f. 54 Vgl. Destier 1980: 170--174 und Soviet rrade Status rejected, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, September 29, 1973, S. 2597.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
scheidung des Präsidenten vor und konnte mit einer Resolution die Gewährung der Meistbegünstigung jederzeit zurücknehmen. Der Initiative Präsident Fords ist es zu verdanken, daß der Entscheidungsprozeß im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Handelsgesetzes nicht im Sande verlief. Schon bald nach seiner Amtsübernahme im August 1974 brachte Ford, der selbst jahrelang an führender Stelle im Kongreß gestanden hatte, die zerstrittenen Parteien an einen Tisch. Im November 1974 verabschiedete der Senat seine Version des Handelsgesetzes. In der Konferenz von Senat und Repräsentantenhaus übernahm das Repräsentantenhaus die in fast allen Bereichen striktere Version der Senatoren. Am 20. Dezember verabschiedete der Senat den Trade Act 0/1974 mit 72 zu 4 und das Repräsentantenhaus mit 323 zu 36 Stimmen. Damit waren die Hindernisse auf Seiten der Amerikaner aus dem Weg geräumt. Die Verhandlungen im Rahmen der Tokio-Runde des GATT, die seit dem offiziellen Beginn der Runde 1973 kaum Fortschritte gemacht hatten, konnten mit zwei Jahren Verspätung wie geplant beginnen. 4.5.2. Phase 2 der 1nteraktion: Die GATT- Verhandlungen, 1975-1978
Vier Jahre dauerten die Verhandlungen der Tokio-Runde im Rahmen des GATT. Die Verhandlungen für die USA führte die amerikanische Exekutive, die die Mitglieder der Verhandlungsdelegation aus dem Büro des Handeisbeauftragten und den verschiedenen Ministerien rekrutierte. Der Kongreß trat in Genf offiziell als Beobachter auf. Das Handelsgesetz von 1974 regelte den Beobachterstatus des Kongresses: Die für die Handelspolitik zuständigen Ausschüsse, Ways and Means Committee und Senate Finance Committee, entsandten jeweils fünf Abgeordnete des Repräsentantenhauses und des Senats zu den Verhandlungen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stäbe dieser Ausschüsse waren ebenfalls als Beobachter bei den Verhandlungen in Genf mit dabeL ss "Staff from the Ways and Means Committee were present on a full-time basis."s6 Die Kommunikation innerhalb der Exekutive wurde für den Kongreß transparent gemacht: Die .Exekutive informierte die Mitglieder des Committee on Ways and Means und des Finanzausschusses am Senat jederzeit über die Kommunikation zwischen der amerikanischen Verhandlungsdelegation in Genf und dem Handelsbeauftragten bzw .. dem Außenministerium in Washington. s7 Die Arbeitsteilung zwischen Präsident und Kongreß während der Verhandlungen erwies sich letztendlich jedoch keineswegs so strikt und klar SS S6 S7
Vgl. Destler/Graham 1980: 58 und Winharn 1980: 384. Vgl. Twiggs 1987: 30. Vgl. Cassidy 1981: 271.
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abgegrenzt, wie die hier geschilderte Aufteilung der Aufgaben suggeriert. Obwohl die Forschung die Interaktion der beiden Hauptakteure in der Verhandlungsphase nicht behandelt, zeigt diese Fallstudie, daß Präsident und Kongreß auch während der Verhandlungen nicht als getrennte Einheiten miteinander agieren, sondern vielmehr in enger, häufig informeller, Kooperation bei den Verhandlungen auftreten. Dabei ist ein direkter Einfluß von einem indirekten Einfluß des Kongresses zu unterscheiden. Der direkte Einfluß vollzieht sich etwa durch die Anwesenheit einer Kongreßdelegation bei den GATI-Verhandlungen oder durch Signale, die Kongreßabgeordnete der Exekuti ve bei Anhörungen vor den Ausschüssen am Kongreß oder durch informelle Kanäle, wie etwa Telefongespräche, übermitteln. Indirekter Einfluß besteht in der Regel dann, wenn die Exekutive Vereinbarungen mit dem Ausland in Antizipation der Reaktion des Kongresses trifft. Die Möglichkeit, daß der Kongreß das Handelsabkommen ablehnen könnte, motiviert die Verhandlungsdelegation der Exekutive, die Positionen des Kongresses in einem bestimmten Sachgebiet oder Sektor zu berücksichtigen. Folgende Beispiele belegen diesen Einfluß des Kongresses. Hinweise auf enge Kooperation der beiden Akteure finden sich in einer öffentlichen Anhörung des Unterausschusses für Internationalen Handel des Committee on Ways and Means am Repräsentantenhaus vom Juli 1978. Im Rahmen der im Handelsgesetz von 1974 vorgeschriebenen Konsultierungspflicht der Exekutive gegenüber dem Kongreß berichtete der Handelsbeauftragte der Carter-Administration, Robert Strauss, den Mitgliedern des Ausschusses über den Status und Verlauf der GATI-Gespräche. Dabei ging es insbesondere um das Gipfeltreffen der Staatschefs in Bonn und das GATIMinistertreffen in Genf vom 8. bis zum 13. Juli 1978. Obwohl am Vortag erst um Mitternacht aus Europa zurückgekehrt, betrachtete Strauss es offenbar als oberste Priorität, den Status der Verhandlungen umgehend dem Kongreß mitzuteilen: "Tired as I am, this is the place for me to be today [Congress, A. P.], a few hours after returning from these talks at the summit. Along with your counterparts in the Senate, with whom I will meet next week, you contributed to the initial shaping of much of our legislative mandate and you have advised and consulted with our predecessors [the FordAdministration, A. P.] and with us through 42 long months of negotiating (... ).,,58 Strauss bezeichnete den Kongreß weiterhin als "partner in a joint venture,,59 mit der amerikanischen Exekutive und versicherte: ,,1 do not intend to have any surprises for the Congress or the American people or the President at any stage of these negotiations. ,,60 Abschließend wies der 58 Vgl. Multilateral Trade Negotiations. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means. 95th Congress, 2nd session. July 18, 1978. Washington, D.C., 1978, S. 2. 59 Ebd.
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Handelsbeauftragte nochmals ausdrücklich auf seine Absicht hin, eng mit dem Kongreß zu kooperieren: "So I would hope to complete the work and have final agreements, agreements having been arrived at through week-byweek and almost day-to-day consultation with members of the committee and their staffs between now and December 15 [1978] (... ).,,61 Als Reaktion darauf signalisierten ihm einige Abgeordnete des Unterausschusses, Charles A. Vanik (D-OH), Sam Gibbons (D-FL), Dan Rostenkowski (DIL), Ken Holland (D-SC), James A. Burke (D-MA) und William A. Steiger (R-WI), ihre grundsätzliche Unterstützung für die GATI-Verhandlungen, nutzten jedoch die Gelegenheit, um vor den Augen ihrer Klientel Forderungen zu artikulieren. Dazu gehörten einerseits sektor-spezifische Belange, wie beispielsweise Produktion von Fernsehgeräten (Rostenkowski), Textilund Bekleidungsindustrie (Holland), Schuhe (Burke), Regelungen bezüglich der Ausgleichszollverfahren (Gibbons) oder andererseits allgemeine Fragen wie beispielsweise der Zeitrahmen der GATI-Verhandlungen, japanische Exporte in die USA oder der Status der Entwicklungsländer im GATI (Vanik).62 Ein weiteres Beispiel für die enge Kooperation zwischen Präsident und Kongreß stellt deren Interaktion bei den Verhandlungen vor Ort in Genf dar. Hierbei ist besonders die Beteiligung des privaten Sektors zu erwähnen. Eine Neuerung des Trade Act 0/1974 war ein Ausschußsystem, durch das amerikanische Unternehmen und andere Akteure, wie z. B. Gewerkschaften, ihre Standpunkte gegenüber den GATI-Verhandlungen einbringen konnten. Auf diese Weise waren sie in die Formulierung der amerikanischen Verhandlungsposition eingebunden. Diese Einrichtung kanalisierte Informationen und trug dazu bei, einen Abstimmungsprozeß zwischen Präsident und Kongreß zu gewährleisten. Im Viereck von Kongreß, Exekutive den amerikanischen Unternehmen und den Gewerkschaften vollzog sich dadurch eine Kooperation, bei dem die Grenzen der Rollen und Funktionen zwischen den Akteuren verwischt waren. Das Handelsgesetz von 1974 legte den Grundstein für ein umfangreiches System von Ausschüssen (advisory committees), die dem Büro des Handelsbeauftragten innerhalb der amerikanischen Exekutive angeschlossen waren. Vor und nach den internationalen Verhandlungen legten diese Gremien Berichte vor, in denen die Vertreter der jeweiligen Sektoren, z. B. Landwirtschaft oder produzierendes Gewerbe, eine Bewertung der Verhandlungsergebnisse der GATI-Runde vornahmen und gegenüber dem Präsident und dem Kongreß Empfehlungen für die Ratifizierung aussprachen. 63 tiO 61 62
Ebd., S. 4. Ebd., S. 12. Ebd., S. 10-32.
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Das System umfaßte drei Ebenen: Der führende Ausschuß war das Advisory Committee for Trade Policy and Negotiations: "The President shall establish an Advisory Committee for Trade Negotiations to provide overall policy advice on any trade agreement (... ).,,64 Dieses oberste Beratergremium sollte mit nicht mehr als 45 Mitgliedern besetzt werden, die vom Präsidenten für zwei Jahre ernannt und sämtliche Sektoren der Wirtschaft und Gesellschaft repräsentierten. Die zweite Ebene war mit insgesamt sieben Ausschüssen besetzt, die die wichtigsten Sektoren der Wirtschaft vertraten. 65 Während das ACTPN Empfehlungen für die gesamten Verhandlungen aussprach, war die zweite Ebene für konkrete Sektoren zuständig. Auf der dritten Ebene befanden sich schließlich Ausschüsse, die nicht wie die beiden oberen Ebenen Verhandlungspositionen artikulieren und miteinander abstimmen sollten, sondern die die notwendigen technischen Informationen für die zum Teil sehr komplexen Themenbereiche liefern sollten. Dazu gehörten z. B. das Agricultural Technical Advisory Committee (ATAC) oder das lndustry Sector Advisory Committee (ISAC). Bereits während der Tokio-Runde umfaßte das gesamte System 44 Ausschüsse und ca. 1000 Mitglieder. Nach dem Ende der Tokio-Runde bewerteten die Vertreter der Wirtschaft, der Präsident und der Kongreß das Beratersystem als Erfolg. Die Handelsgesetze von 1979 und 1988 behielten das Ausschußsystem deshalb bei. Sowohl bei der Uruguay-Runde als auch an den Verhandlungen zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen spielten die Beratergremien als Artikulationsforum der Interessen aus Wirtschaft und Gesellschaft eine Rolle. 66 Das Beratersystem wird in der Forschung unter dem Eindruck der Ratifizierung der Tokio-Runde positiv bewertet: Präsident und Kongreß profitierten von dem Beratersystem, da es dazu beitrug, von Beginn der Verhandlungen an auf einen innenpolitischen Konsens hinzuarbeiten. Die Exekutive konnte die Verhandlungsposition eng mit den Vertretern der betroffenen Sektoren abstimmen. Die Verhandlungsposition wurde dadurch präziser und Vgl. Destier/Graham 1980: 58f.,Twiggs 1987: 35-44 und Ikenberry 1989. Vgl. Section 135 (b)(I), Trade Agreements Act of 1974, Public Law 93-618 (Jan. 3, 1974), in: Statutes at Large 88, 1974, S. 1996. 6S Dabei handelt es sich um die folgenden Gremien: Industry Policy Advisory Committee (IPAC), Agricultural Policy Advisory Committee (APAC), Labor Advisory Committee for Trade Negotiations and Trade Policy (LAC), Defense Policy Advisory Committee (DPACT), Services Policy Advisory Committee (SPAC), Investment Policy Advisory Committee (INPAC), International Steel Policy Advisory Committee (ISPAC) und Commodity Policy Advisory Committee (CPAC). Vgl. A Preface to Trade, Executive Office of the President. United States Trade Representative. Washington, D.C., 1982, S. 86-88. 66 Vgl. Participation of the private sector in V.S. trade policymaking: The North American Free Trade Agreement as case study. Japan Economic Institute (JEI-Report Nr. 39a). 63
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die Verhandlungen zielgerichteter. Dem Kongreß blieb durch den direkten Zugang, den Vertreter der Wirtschaft bei den Verhandlungen erhielten, einiges an Lobbying erspart. Interessenvertreter gingen nicht ausschließlich den Umweg über den Kongreß, um ihre Positionen zu artikulieren, sondern waren in den Verhandlungsprozeß eingebunden. 67 Ob die Funktion des Beratersystems, Lobbying vom Kongreß abzuleiten, in den 1990er Jahren noch gegeben ist, darf bezweifelt werden. Gerade die Entscheidungsprozesse beim NAFTA und der Uruguay-Runde waren durch solch umfangreiches Lobbying begleitet, daß die erfolgreiche Kanalisierung und Umleitung von Forderungen durch das Beratersystem ernsthaft in Frage gestellt werden muß. 4.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Ratifizierung der Tokio-Runde
Bei der Ratifizierung der Tokio-Runde kam das fast-track procedure erstmals zum Einsatz. Das Handelsgesetz von 1974 machte zwar einige Vorgaben, indem es z. B. Fristen setzte, und damit den groben Rahmen für die Ratifizierung absteckte. Doch blieb die konkrete Anwendung und Ausgestaltung des Verfahrens dem Kongreß und dem Präsidenten überlassen. In der Endphase des Ratifizierungsprozesses beim NAFTA oder bei der Uruguay-Runde konnten die Akteure auf einen erprobten Ablauf des Prozesses zurückgreifen und sich damit voll und ganz den inhaltlichen Fragen der Abkommen widmen. Im Gegensatz dazu standen bei der Tokio-Runde zunächst Fragen des Verfahrens und des Entscheidungsprozesses selbst zur Diskussion. Diese würden nicht nur den Ausgang des Ratifizierungsprozesses beeinflussen, sondern grundSätzlich das Verhältnis und die Interaktion von Präsident und Kongreß bei handelspolitischen Entscheidungen Ende der 1970er Jahre neu bestimmen. Als das Repräsentantenhaus und der Senat die Tokio-Runde im Juli 1979 mit großen Mehrheiten verabschiedete, hatten Präsident und Kongreß einen Präzedenzfall für ein Verfahren für die Verabschiedung von GATT- und später auch für Freihandelsabkommen auf bilateraler Ebene geschaffen. Die verbleibenden Seiten dieses Kapitels analysieren die Interaktion von Präsident und Kongreß in der dritten und entscheidenden Phase bei der Ratifizierung der Tokio-Runde. 68 Im Laufe des Jahres 1978 zeichnete sich das Ende der GATT-Verhandlungen in Genf ab. Damit kam zwischen Kongreß und Exekutive die Frage auf, wie das fast-track procedure konkret in die Praxis umgesetzt werden sollte. Das Handelsgesetz von 1974 traf folgende Regelungen hinsichtlich der Ratifizierung der Tokio-Runde69 : 61 Vgl. die ausführliche Bewertung des Ausschußsystems bei Winham 1980: 387-390. 68 Vgl. dazu grundlegend Winham 1980, Destier/Graham 1981, Twiggs 1987.
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- Benachrichtigungspflicht des Präsidenten an den Kongreß 90 Tage vor der Unterzeichnung des GATT-Abkommens; - Präsident bestimmt Zeitpunkt, an dem er das Abkommen dem Kongreß zur Ratifizierung vorlegt; - Abstimmung beider Kammern des Kongresses über das Handelsabkommen innerhalb von 60 Tagen nach Übermittlung durch den Präsidenten; 45 Tage davon sind für eine Diskussion in den Ausschüssen reserviert; 15 Tage für eine Debatte und die Abstimmung in den Kammern. Repräsentanten und Senatoren verzichten auf die im regulären Gesetzgebungsprozeß sonst möglichen amendments (Änderungsanträge). Die Frage, die Präsident und Kongreß zu beantworten hatten, hing eng mit der no-amendments-Klausel zusammen: Wie konnte der Kongreß nach Abschluß der internationalen Handelsgespräche an der inhaltlichen Formulierung des Handelsabkommens oder dessen Umsetzung (implementation) mitwirken und dabei eigene Ziele durchsetzen, ohne die von der Exekutive an die Handelspartner der USA gemachten Zusagen zu kompromittieren? Im Verlauf der Handelsgespräche hatte die Exekutive bereits Prioritäten des Kongresses aufgegriffen (vgl. Kapitel 4.5.2.). Viele Ziele des Kongresses waren von Beginn der Verhandlungen an in die amerikanische Verhandlungsposition eingeflossen oder wurden während der Verhandlungen durch die intensive Kommunikation zwischen Verhandlungsdelegation der Exekutive und Kongreßdelegation in den Verhandlungen mit dem Ausland berücksichtigt. Dennoch blieben auch nach Ende der GATT-Verhandlungen Fragen zu klären, in welche die inhaltlichen Positionen des Kongresses nicht mehr einfließen konnten: Bei internationalen Handelsgesprächen fallen unter Zeitdruck viele Entscheidungen und Zugeständnisse an das Ausland erst kurz vor Abschluß der Gespräche. Ferner ergibt sich die konkrete Wirkung und Bedeutung einer auf internationaler Ebene gemachten Zusage oftmals erst bei deren Umsetzung im nationalen Kontext, d. h. nach den internationalen Verhandlungen. Somit besteht gerade während der eigentlichen Ratifizierungsphase ein Bedarf des Kongresses, inhaltliche Forderungen zu artikulieren und durchzusetzen. Abermals kam die Initiative zur Ausgestaltung und Anwendung des fasttrack-Verfahrens aus dem Kongreß, genauer, vom Stab des Senate Finance Committee. Bereits 1973/1974 hatte dieser Ausschuß den Vorschlag Präsi-
dent Nixons abgelehnt, die Ratifizierung von Handelsabkommen über den Abbau nicht-tarifarer Handelsschranken durch ein Veto-Verfahren des Kongresses vorzunehmen. Als Alternative hatte er schließlich das fast-track 69 Vgl. Section 151, Trade Act 0/1974, Public Law 93-618 (Jan .. 2, 1975), in: United States Statutes at Large, volume 88, part 2. Washington, D.C., 1976, S. 2001-2004.
7 pfeil
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procedure eingeführt. Als die Ratifizierung der Tokio-Runde im Sommer und Herbst 1978 näher rückte, entwickelte das Senate Finance Committee eine Verfahrensweise für die Ratifizierung, die von folgenden Überlegungen ausging: Formal betrachtet, ratifizierte der Kongreß nicht den Vertragstext des GATT-Abkommens selbst. Die Abstimmung des Kongresses (up-ordown-vote) erfolgte vielmehr über das sog. Implementierungsgesetz (implementing legislation).?O Das Implementierungsgesetz beinhaltete die Änderungen im amerikanischen Recht, die erforderlich waren, um die international gemachten Vereinbarungen in Kraft zu setzen. Der Vorschlag des Finanzausschusses setzte bei der Formulierung des Implementierungsgesetzes an: Der Trade Act 0/ 1974 gab lediglich vor, daß der Präsident dem Kongreß das Implementierungsgesetz zur Abstimmung vorlegen sollte; im Falle einer Mehrheit im Kongreß galt das Gesetz dann als angenommen und die GATT-Runde damit als ratifiziert. Das Handelsgesetz ließ allerdings offen, wer den Inhalt des Implementierungsgesetzes formulieren würde. Der Stab des Senate Finance Committee schlug deshalb vor, daß das Implementierungsgesetz in informeller Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Stäbe des Finanzausschusses am Senat, des Ways and Means Committee im Repräsentantenhaus, des Legislative Counsel und Vertretern der Exekutive, d. h. des Stabes des "Büros des Handelsbeauftragten" (Special Trade Representative) am Capitol Hili formuliert werden sollte. Die Sitzungen fanden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Exekutive und Kongreß glichen ihre Vorstellungen für den Inhalt des Implementierungsgesetzes aneinander an.?! ,,( ... ) [T]he Subcommittee began executive sessions with the STR [Special Trade Representative, A. P.] and other Administration officials on March 12 [1979, A. P.] which were closed to the public (... ). The Subcommittee and members of other committees and their staffs met with Administration officials for a total of 47.5 hours on March 12-14, 19-21; April 3-5 and 10; and May 1-3, 8 and 16, resulting in recommendations on implementation of the MTN [Multilateral Trade Negotiations, A. P.] agreements (... ).,,72 Dieses Verfahren wurden unter der Bezeichnung non-markups bekannt. Dieser Name bezieht sich auf den Begriff des markups beim ,,regulären" Gesetzgebungsprozeß. Der Markup bezeichnet die Phase, in der die Mitglieder eines Kongreßausschusses die einzelnen Passagen eines eingebrachten Gesetzentwurfes formulieren und Änderungen im Entwurf vornehmen, bevor das Gesetz dann dem Plenum zugeleitet wird. Da die markup-Phase bei einem Implementierungsgesetz offiziell nicht existiert (weil im Gesetz Vgl. Sec. 151 (b) (1), ebd., S. 2001. Vgl. Cassidy 1981: 275. 72 Vgl. Trade Agreements Act of 1979. U.S. Congress. House of Representatives. Report of the Committee on Ways and Means to accompany H. R. 4537. July 3, 1979. Washington, D.C.. 1979, S. 27. 70 71
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nicht vorgesehen), hat man es als non-markup bezeichnet. Das von den Ausschüssen fabrizierte Implementierungsgesetz wurde in einem nächsten Schritt inoffiziell der Exekutive zugeleitet, nachdem Repräsentantenhaus und Senat zuvor ihre unterschiedlichen Versionen in einer non-conference aneinander angeglichen hatten. An dieser Version konnte der Präsident theoretisch wiederum Änderungen vornehmen. Doch hielt er diese Modifikationen aus eigenem Interesse in Grenzen; schließlich bestand für das inoffiziell formulierte Gesetz ein relativ breiter Konsens unter den Abgeordneten, die der Präsident im Fall umfangreicher Änderungen von seiner Seite wieder aufs Spiel gesetzt hätte. Obwohl die non-markups nie schriftlich in einem Gesetzestext fixiert wurden, sind sie seit der Ratifizierung der Tokio-Runde bei jedem Ratifizierungsprozeß ein zentrales Element für die Interaktion von Präsident und Kongreß. Ihre Bedeutung für den Ratifizierungsprozeß der Tokio-Runde und alle folgenden Ratifizierungsprozesse dieser Studie kann nicht überbewertet und ausreichend genug betont werden. Kongreß und Exekutive profitierten von diesem Prozeß: Durch die gemeinsame Formulierung des Implementierungsgesetzes mit der Exekutive gelang es dem Kongreß, die noamendments-Regel quasi zu umgehen. Änderungen, die der Kongreß für notwendig erachtete, flossen bei gemeinsamen Formulierung des Gesetzes mit ein. Demnach hatten die Kongreßabgeordneten bei der Abstimmung des Implementierungsgesetzes keine Überraschungen zu erwarten. Die gemeinsame Formulierung des Implementierungsgesetzes eröffnete auch dem Präsidenten strategische Vorteile: Die Exekutive nutzte die non-markups dazu, bestimmten Abgeordneten Konzessionen zu machen und dadurch die Akzeptanz des Abkommens am Kongreß zu vergrößern. Die bisherigen Ausführungen zeigen den Kongreß als alleinigen Gestalter des Ratifizierungsverfahrens. Der Präsident, wie auch der Handelsbeauftragte, akzeptierten offenbar ohne Widerstand die Vorschläge des Senate Finance Committee im Herbst 1978 bezüglich der geplanten gemeinsamen Formulierung des Implementierungsgesetzes. 73 Auch hinsichtlich der inhaltlichen Debatte in der Ratifizierungsphase war es der Kongreß, nicht die Exekutive, der während des ersten Halbjahres 1979 die Rolle des AgendaSetter spielte. Die Kritikpunkte und Forderungen einiger Kongreßabgeordneter bezogen sich auf die von der Exekutive in Genf gemachten Zugeständnisse. Der Kongreß protestierte beispielsweise erfolgreich gegen die Vereinbarungen, die die Administration im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens (public procurement) besonders mit den Europäern 73 Vgl. den Briefwechsel zwischen dem Vorsitzenden des Unterausschusses für Internationalen Handel am Senat, Senator Abraham Ribicoff (D-CT), und dem Handeisbeauftragten Robert S. Strauss vom Sommer 1978, in: Glennon/Franck/Cassidy 1984: 163-228. 7·
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getroffen haue. 74 Weiterhin stellte der Kongreß Forderungen auf, die zwar in Verbindung mit der Tokio-Runde standen, die aber eher den allgemeinen handelspolitischen Zielen der Abgeordneten dienten: So stand während der Schlußphase der Ratifizierung der Tokio-Runde besonders die Reorganisation der handelspolitischen Verwaltung im Vordergrund. Der Finanzausschuß des Senats unter der Führung von Senator Abraham Ribicoff (D-CT), drohte die Abstimmung über das Implementierungsgesetz im Senat hinauszuzögern, solange die Carter-Administration keine Initiative zur Konsolidierung der handelspolitischen Verwaltung vorlegte. ,,[T]he executive branch trade policy agencies must be reorganized. We can no longer afford the luxury of dispersing political responsibility for international economic policymaking among many agencies. (... ) [I]t was my impression that the administration was to send to us its recommendations for the reorganization of our trade agencies by the 10th of July. Today is July 10. If anybody has seen a copy of it, I have not. ..75 Die Carter-Administration willigte ein und übertrug zentrale Funktionen der Handelspolitik, wie beispielsweise die Verwaltung der Anti-Dumping-Verfahren, vom Finanzministerium auf das Handelsministerium. 76 Insgesamt wird in der Ratifizierungsphase ein sehr aktiver Kongreß erkennbar, der seinen Einfluß auf die Tokio-Runde und in der Handelspolitik allgemein durch die Gestaltung von Verfahren und das Artikulieren von Forderungen durchsetzt. Demgegenüber erscheint die Funktion des Präsidenten während der Ratifizierung auf den ersten Blick eher zurückhaltend. Der Eindruck täuscht. Die Exekutive erfüllte im Entscheidungsprozeß bei der Tokio-Runde fundamentale Funktionen, von denen Erfolg oder Scheitern des GATT-Abkommens abhing. Dazu gehörte, erstens, die Möglichkeit des Präsidenten, den Verlauf der Ratifizierung zeitlich zu seinen Gunsten zu strukturieren. Am 4. Januar 1979 benachrichtigte Präsident Carter den Kongreß von seiner Absicht, die Tokio-Runde nach der vorgeschriebenen Frist von 90 Tagen zu unterzeich74 Die Vereinbarungen hätten alle von der Bundesregierung in Washington, D.C., öffentlich vergebenen Aufträge im Wert von mehr als 190.000 US Dollar auch für ausländische Wettbewerber geöffnet. Damit kollidierten diese Bestimmungen jedoch mit einem anderen Bundesprogramm, das von ethnischen Minderheiten betriebenen Kleinunternehmen eine bevorzugte Behandlung bei der Vergabe von Aufträgen zuwies. Die Carter-Administration zog darauf hin ihr Angebot an die Europäer zurück. Die Passage war die einzige der Tokio-Runde, die aufgrund des Protests vom Kongreß nachträglich neu mit dem Ausland verhandelt werden mußte. Vgl. Twiggs 1987: 65f. und Small business forces V.S. shift on Trade Treaty, in: The New York Times, Friday, March 23, 1979, S. Al und D5. 7S Vgl. Trade Agreements Act of 1979. U.S. Congress. Senate. Hearings before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 96th Congress, first Session. July 10 and 11, 1979. Washington, D.C., 1979, S. 390f. 76 Vgl. Carter asks for trade revamping, in: The New York Times, Friday, July 20, 1979, S. DI und 07.
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nen. Damit signalisierte er dem Kongreß, daß nach der Unterzeichnung des Abkommens im April in Genf, die Formulierung des Implementierungsgesetzes und weiterhin die Abstimmung desselben im Kongreß anstand. Die Wahl des richtigen Zeitpunktes spielte bei der Tokio-Runde im Vergleich zum NAFT A oder der Uruguay-Runde allerdings eine verhältnismäßig geringere Rolle. Der Widerstand gegen das GAIT-Abkommen 1979 war im Vergleich zu den handelspolitischen Auseinandersetzungen um die Verabschiedung des NAFT A gering. Zweitens, die Exekutive hatte die Voraussetzungen für die relativ unumstrittene Verabschiedung der Tokio-Runde geschaffen, indem sie mögliche Opposition im Kongreß bereits im Vorfeld des eigentlichen Ratifizierungsprozesses neutralisiert hatte. 77 Zugeständnisse der Exekutive an die innenpolitische Klientel einiger Sektoren wie z. B. die amerikanische Stahl-, Textilien-, Farbfernseher- und Schuhindustrie hatte die Exekutive bereits während der Dauer der Verhandlungen gemacht. Die Konzessionen bestanden darin, daß die US-Verhandlungsdelegation die Belange dieser Industrien bei den GAIT-Gesprächen in Genf besonders berücksichtigte, bzw. daß einige dieser Industrien in den Jahren 1977 und 1978 in irgendeiner Form Importschutz erhalten hatten. Die Exekutive bediente verschiedene Forderungen, dämpfte dadurch die Auswirkungen internationaler Konkurrenz auf sog. import-anfallige Industrien bzw. vermittelte den Eindruck, dieses zu tun, und versicherte sich dadurch eines Stillhaltens der amerikanischen Gewerkschaften. Von diesen war die nachhaltigste Opposition gegen die TokioRunde zu erwarten. Schließlich sagten die Projektionen des Congressional Budget Office die größten Negativeffekte der Tokio-Runde auf den Arbeitsmarkt für die Hochburgen gewerkschaftlicher Macht voraus, insbesondere für die Bundesstaaten New York, Pennsylvania, New Jersey, aber auch für Bundesstaaten des Südens, wie West Virginia, Maryland, Delaware, Virginia, North und South Carolina, Florida und den Distriet of Columbia. Dort stand gemäß einer Studie des CBO der Verlust von insgesamt 8.700 Arbeitsplätzen als Folge der Tokio-Runde zu befürchten.78 Unterm Strich dürfen die ökonomischen Folgen der Tokio-Runde auf die USA als vernachlässigbar eingestuft werden. Prognosen veranschlagten den Effekt der Tokio-Runde mit einer Nettozunahme von 15,000 Arbeitsplätzen, pro Jahr eine um 0,4 % bis 0,6 % geringere Preissteigerung und einer Zunahme des Bruttosozialproduktes um I bis 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr. 79 Angesichts Vgl. Twiggs 1987: 52-58 und Dryden 1995: 210-218. Vgl. Tafel 8 in The effects 0/ the Tokyo Round 0/ multilateral trade negotiations on the U.S. economy. An updated view. V.S. Congress. Congressional Budget Office (CBO). Prepared by Carl Richard Neu and Emery Simon. Washington, D.C., July 1979, S. 21. 79 Vgl. ebd., S. 21 und 44. 77 78
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einer Gesamtarbeitnehmerschaft von 104 Millionen Arbeitnehmern im Jahr 1979 und einem Bruttosozialprodukt von ca. 2.100 Milliarden US-Dollar (1979-Dollar) fiel die GATI-Runde kaum ins Gewicht. 8o Studien bezeichneten den Landwirtschafts- sowie den Hochtechnologiesektor als Nutznießer der GATI-Runde, während Verluste in den Sektoren des produzierenden Gewerbes und für Arbeitnehmer ohne hohe Berufsausbildung drohten. Die dritte und vielleicht wichtigste Funktion der Exekutive bei der Ratifizierung ist die der Überzeugung (persuasion) des Kongresses. Darunter fällt explizit die Fähigkeit des Präsidenten, mit dem Kongreß zu verhandeln und durch den gezielten Einsatz von Konzessionen eine Mehrheit unter den Repräsentanten und Senatoren für das in Frage stehende Abkommen zusammen zu bringen. Dennoch geht die persuasion über den Handel um Stimmen des Kongresses hinaus. Persuasion setzt viel weitergehender noch das grundsätzliche Engagement des Präsidenten und dessen Signalisierung an den Kongreß voraus: Erst das Wissen um den uneingeschränkten Einsatz des Präsidenten und dessen Willen, das GATI-Abkommen wirklich ratifizieren zu wollen, mobilisiert in ihrer Entscheidung noch unschlüssige Kongreßabgeordnete für das Handelsabkommen und läßt Gegner zögern, Opposition gegen das Abkommen zu koordinieren und ins Feld zu führen. Diese Funktion setzt die Zusammenarbeit des Präsidenten mit dem Handelsbeauftragten voraus. Bei der Ratifizierung der Tokio-Runde haben die zuständigen Hauptpersonen innerhalb der Exekutive, Präsident Carter und der Special Trade Representative, Robert S. Strauss, diese Aufgabe wahrgenommen. Gerade die Unterschiedlichkeit dieser bei den Charaktere und ihre unterschiedliche Auffassung des politischen Prozesses war die Grundlage einer einheitlichen Strategie innerhalb der Exekutive. Mit Robert Strauss nahm ein Polit-Profi und Kenner des politischen Washington am Entscheidungsprozeß teil. 8l Strauss war bei den Repräsentanten und Senatoren am Kongreß wohl bekannt. Er galt als kompetent. Damit brachte er Qualitäten ins Weiße Haus, die der Kongreß mit Präsident Carter kaum assoziierte. "The Carter team had campaigned on an anti-Washington, antipolitician theme. Once inside the White House, they had difficulty reconciling that image with the political requirements of working the system to get things done. Strauss helped to bridge that gap. He knew how to accomplish the goals he set, and he knew whose help he would need to do it. He brought to the Carter White House an extensive network of well-established relationships with members of Congress."S2 80 Vgl. Statistical Abstract 01 the United States 1979. lOOth edition. Washington, D.C., 1979: 394 und 437. 81 Für eine Charakterisierung von Bob Strauss vgl. Dryden 1995: 207-210 und 231-233. 82 Vgl. Twiggs 1987: 47.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
103
Carter und Strauss ergänzten sich hinsichtlich ihrer Einstellung zum politischen Prozeß: Carters Stärke lag nicht im politischen Bargaining und dem Umgang mit dem Kongreß; Strauss hingegen war in seinem Element, wenn er um die Zustimmung des Kongresses feilschen konnte. Carter signalisierte dem Kongreß eindeutig sein Ziel, die Tokio-Runde zu verabschieden; Strauss, den Dryden als "non-substance-politician" bezeichnet, war weniger an politischen Inhalten, als am politischen Prozeß interessiert. Er brachte demnach keine eigenen inhaltlichen Akzente in den Ratifizierungsprozeß ein, die zu Mißverständnissen oder Signalüberschneidungen mit dem Präsidenten gegenüber den Kongreßabgeordneten hätten führen können. Carter machte dem Kongreß von Anfang an deutlich, daß der Handelsbeauftragte die Hauptperson der Exekutive bei der Ratifizierung der Tokio-Runde sei. Der Effekt war, daß die Exekutive stets mit einer Stimme mit dem Kongreß kommunizierte. Zudem war es für den Kongreß wichtig, zu wissen, an wen man sich wenden und wessen Zusagen man trauen konnte. Auch wenn die inhaltlichen Ergebnisse der Tokio-Runde am Kongreß in den 1980er Jahren eher kritisch beurteilt werden sollten, so hatte die Ratifizierung doch aus Sicht vieler Abgeordneter ein positives Ergebnis hinsichtlich des Verfahrens hervorgebracht. Die 1974 eingeführte institutionelle Innovation des Kongresses, das fast-track procedure, hatte sich in der Praxis bewährt. Seine Anwendung bei der Verabschiedung der Tokio-Runde stellte für Kongreß und Exekutive von diesem Zeitpunkt an ein Beispiel für den vorbildlichen Verlauf eines Ratifizierungsprozesses dar.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse ,,For U.S. trade policy, the past quarter-century is not without irony. lts first 20 years were replete with economic troubles, 0 yet the Uni ted States maintained its open-market international trade policies O. In the past five years, the U.S. econornic situation has turned astonishingly rosy. Yet since the beginning of 1995, U.S. trade policy has been on hold." I. M. Destler83
Während der Fokus in den untersuchten drei Ratifizierungsprozessen dieser Studie auf der Interaktion und den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen der Akteure liegt, beleuchtet dieser Abschnitt die Rahmenbedingungen dieser Interaktion. Arbeiten älteren Datums über amerikanische Handelspolitik haben auf ökonomische oder soziale Entwicklungen kaum Bezug genommen. 84 In der zunehmend integrierten Weltwirtschaft 83
Vgl. Destler 1999: 27.
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
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und einer multipolaren politischen Weltordnung nach Ende des Kalten Krieges wäre es jedoch schlechthin unrealistisch, den handelspolitischen Entscheidungsprozeß zu analysieren, ohne die Wirkung externer Parameter auf das Entscheidungskalkül der Akteure zu berücksichtigen. Deshalb ist es unerläßlich, im folgenden den Blick auf die Faktoren zu richten, die Entscheidungsfindungen der beteiligten Akteure beeinflussen. Die Ratifizierungsprozesse und Debatten im Zusammenhang mit der Verabschiedung des NAFT A und der Uruguay-Runde haben sich im Vergleich zur Tokio-Runde unter völlig unterschiedlichen ökonomischen, sozialen, institutionellen und außenpolitischen Rahmenbedingungen abgespielt. Das veränderte Umfeld der 1990er Jahre hat die Handlungsspielräume der Akteure bei der Interaktion eingeengt. Einige konkrete Beispiele verdeutlichen diesen Einfluß der Rahmenbedingungen im handelspolitischen Entscheidungsprozeß: Die zunehmende Verflechtung der amerikanischen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft hat die Anzahl der Gewinner und Verlierer handelspolitischer Entscheidungsprozesse erhöht; folglich versucht eine zunehmende Zahl von Interessengruppen auf den handelspolitischen Entscheidungsprozeß Einfluß zu nehmen. Institutionelle Veränderungen, besonders im amerikanischen Kongreß, öffnen Interessengruppen zusätzliche Kanäle der Einflußnahme; die Öffentlichkeit nimmt handelspolitische Entscheidungen als relevant wahr, und Wähler neigen zunehmend dazu, Entscheidungen von Politikern in der Handelspolitik bei ihrer Wahlentscheidung zu berücksichtigen. Diese Entwicklungen sind für Kongreßabgeordnete somit höchst relevant, wenn ein Freihandelsabkommen zur Ratifizierung ansteht. Dieser Überblick zeigt bereits, daß der Grund für den abnehmenden Konsens bei der Ratifizierung von Handelsabkommen nicht nur im Verhaltensraum der Akteure zu suchen ist, sondern daß auch die Rahmenbedingungen für einen Erklärungsansatz heranzuziehen sind. Für einen Vergleich von Ratifizierungsprozessen der 1970er mit denen der 1990er Jahre ist es somit erforderlich, die Bedeutung der Rahmenbedingungen für Ratifizierungsprozesse an dieser Stelle der Arbeit, zwischen den Fallstudien der Tokio-Runde und denen von NAFTA und der Uruguay-Runde, herauszustellen. Rahmenbedingungen werden in dieser Arbeit definiert als externe Faktoren, die direkt oder indirekt das Verhalten, Interaktion und Entscheidungen von Akteuren bestimmen oder von diesen berücksichtigt werden müssen, ohne daß die Akteure in der Lage sind, selbst auf diese Faktoren Einfluß auszuüben. Die einzige Ausnahme davon bilden politische Strukturen und Verfahren, die die Akteure zumindest bedingt gestalten können. Vier Faktorenkategorien stellen für die am Ratifizierungsprozeß beteiligten Akteure 84
V gl. Pastor 1980.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
105
entscheidungsrelevante Parameter dar: Wirtschaftliche Entwicklungen, politische Institutionen und Verfahren, Einstellungen der Öffentlichkeit und ihre Partizipation, außenpolitische Bedingungen. Obwohl der Einfluß dieser Faktoren weder präzise meßbar ist noch eine konkrete Gewichtung ihrer Bedeutung vorgenommen werden kann, ist aus der Beobachtung des politischen Prozesses evident, daß die Veränderungen der Rahmenbedingungen einen relevanten Faktor für die Ratifizierung darstellen. Obwohl die Bedeutung der ökonomischen, sozialen und außenpolitischen Veränderungen grundsätzlich als für den Entscheidungsprozeß relevant anerkannt sind,85 reflektiert keiner der vorliegenden Theorieansätze in der Forschung über Handelspolitik die Rolle der Rahmenbedingungen. Einige Beispiele, die stellvertretend für den Stand der Forschung sind: In einer der ersten, vielbeachteten Untersuchungen über den nationalen Entscheidungsprozeß auf dem Gebiet der Handelspolitik, Robert Pastors Congress and the polities 01 U.S. loreign eeonomie policy von 1980, schlägt der Autor fünf theoretische Ansätze zur Erklärung von Entscheidungsprozessen in der Handelspolitik vor. 86 Vier beziehen sich ausschließlich auf Institutionen und Akteure und klammem weltwirtschaftliche Entwicklungen und andere Umfeldbedingungen aus; der fünfte Ansatz, structuralism and the world political economy,81 bezieht sich zwar auf die USA im internationalen Wirtschaftssystem, doch wird hier "die USA" lediglich als ein homogener und monolithischer Akteur aufgefaßt, der mit anderen Staaten gewissermaßen im Wettbewerb der Nationen agiert. Innenpolitische Entscheidungen werden hier nicht berücksichtigt. Ein Ansatz, der eine Verbindung zwischen diesen externen Faktoren und dem Entscheidungskalkül der Akteure darstellt, bietet Pastor nicht an. Er selbst wählte für seine Studie die interbranch-politics lens, die sich auf die Interaktion von Kongreß und Exekutive beschränkt und Umfeldbedingungen weitgehend von der Analyse ausklammert. 88 Ein ähnlicher Befund läßt sich für die von Ikenberry/Lake/Mastanduno89 diskutierten Ansätze feststellen. Die Autoren besprechen verschiedene Theorieansätze zur Erklärung handelspolitischer Entscheidungsprozesse. Sie teilen die vorliegenden Ansätze in drei Gruppen ein: Systemische, sozial- und staats-bezogene Ansätze. Der Befund des Aufsatzes ähnelt dem bei Pastor und zeigt, daß sich während der achtziger Jahre in punkto Theorie kaum 85 Vgl. das dritte Kapitel in DestIers Standardwerk in der zweiten Auflage von 1992 oder der dritten Auflage von 1995. Siehe auch Low 1993: 9-33, Nivola 1993: 6-13, und Falke 1994. 86 Vgl. Pastor 1980: 26--65. 87 Ebd., S. 29f. 88 Ebd., S. 49-57. 89 Vgl. Ikenberry/Lake/Mastanduno 1988.
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
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etwas verändert hat: Systemische Theorieansätze führen handelspolitische Entscheidungen auf die Interaktion des Akteurs USA mit anderen internationalen Akteuren vor dem Hintergrund des Weltwirtschaftssystem zurück. Sozial- und staats-bezogene Ansätze betonen die Bedeutung nationaler Entscheidungsprozesse, vernachlässigen hingegen die Rolle internationaler Rahmenbedingungen. Abennals wird keine Verbindung zwischen internationalen Entwicklungen und ihre Reflektion auf nationaler Ebene hergestellt. In der deutschen Forschung hat Reinhard Rode den handelspolitischen Entscheidungsprozeß mit einem systemtheoretischen Ansatz erfaßt,90 was bislang die am weitestgehende Berücksichtigung der Rahmenbedingungen darstellen dürfte. Die Systemtheorie bezieht die Umweltfaktoren ausdrücklich in ihren Ansatz ein. Doch kommt bei diesem Ansatz die in vorliegender Studie angestrebte Analyse der Entscheidungsfindung der Entscheidungsträger und ihre Interaktion mit anderen nationalen Akteuren zu kurz. Aktionen und Entscheidungen der wichtigsten Akteure, Kongreß und Präsident, bleiben bei Rode mehr oder weniger in der Black Box verbannt und liegen damit außerhalb der Reichweite einer gründlichen Analyse. 91 Vorliegende Studie will Anstöße dazu geben, die in weiten Teilen der Literatur aufrechterhaltene künstliche Trennung von nationaler Entscheidungsebene und ökonomischen und anderen internationalen Entwicklungen zu überwinden. Anhand konkreter Beispiele werden die folgenden Seiten den Einfluß von vier externen Faktoren auf Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Ratifizierungen erläutern. Dabei handelt es sich um - ökonomische - institutionell-strukturelle - Einstellungen und Partizipation der Öffentlichkeit betreffende und - außenpolitische Faktoren.
5.1. Bedeutung ökonomischer Entwicklungen für den Ratifizierungsprozeß Seit der Ratifizierung der Tokio-Runde haben wirtschaftliche Entwicklungen, die nachstehend skizziert werden, den handelspolitischen Entscheidungsprozeß in zweierlei Hinsicht beeinflußt. Erstens, die verstärkte Verflechtung der Wirtschaft der USA mit der Weltwirtschaft und deren zunehmende Abhängigkeit vom Außenhandel hat die Zahl der Gewinner und 90 91
Vgl. Rode 1980. Ebd., S. 26-31.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
107
Verlierer in der Außenhandelspolitik ansteigen lassen. Nicht nur amerikanische Unternehmen versuchen auf handelspolitische Entscheidungen zu ihren Gunsten Einfluß zu nehmen. Zugenommen hat auch das Engagement bestimmter Segmente der Bevölkerung an der Formulierung der Außenhandelspolitik, was sich in der Partizipation von Konsumenten- und Umweltgruppen als auch den Gewerkschaften am handelspolitischen Entscheidungsprozeß zeigt. Im Gegensatz zur Tokio-Runde nimmt damit in den 1990er Jahren eine größere Anzahl von Akteuren, d. h. insbesondere Interessengruppen, Einfluß auf den handelspolitischen Entscheidungsprozeß. Zweitens, eng damit verbunden ist das Aufkommen handelspolitischer Ansätze, wie z. B. Merkantilismus, strategische Handelspolitik, Unilateralismus und fair trade, die mit den bisherigen Leitkonzepten der amerikanischen Außenhandelspolitik, der multilateralen Handelsliberalisierung und dem Freihandel, konkurrieren und für viele Akteure plausible Alternativen darstellen. Der Nutzen von Handelsliberalisierung wird dadurch in Frage gestellt. Die Ratifizierungsprozesse des NAFTA und der Uruguay-Runde zeigen deutlich, daß beide Entwicklungen eine Konsensbildung unter den beteiligten Akteuren erschweren. Die wichtigsten ökonomischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der außenhandelspolitischen Position der USA sind hinlänglich bekannt und werden im folgenden nur kurz dargelegt. Die Vereinigten Staaten haben seit den 1970er Jahren ihre Führungsposition als die Industrie- und Handelsnation der Nachkriegszeit eingebüßt. In absoluten Zahlen sind die USA zwar nach wie vor die größte Volkswirtschaft mit der größten Industrieproduktion und dem größten Handelsvolumen. Relativ betrachtet, haben andere Länder aufgeholt. Nicht nur in Europa und Japan sind den USA kompetente Konkurrenten erwachsen. Auch ehemalige Entwicklungsländer in Asien, Lateinamerika, Osteuropa und Afrika, seit einigen Jahren als "aufkommende Märkte" (emerging markets)92 bekannt, dringen in die Marktanteile amerikanischer Firmen ein und werden in den Vereinigten Staaten sowohl als ernsthafte Konkurrenz als auch als zukünftige Absatzmärkte wahrgenommen. Auch die Asienkrise wird an diesem Trend langfristig nichts ändern. Um diese Entwicklungen empirisch zu fassen, bedient sich die Forschung stets ähnlicher Indikatoren. 93 Sei es der Anteil der Ein- oder Ausfuhren von Waren am amerikanischen Bruttoinlandsprodukt oder an der Industrieerzeugung, sei es der Anteil des amerikanischen Außenhandels am Welthandel (vgl. Tabelle 3) oder am Handelsaufkommen innerhalb der Triade (USA, Europa, Japan), sei es eine gesamtwirtschaftliche oder auf einzelne Sekto92 Vgl. Garten 1997, dessen Ausführungen auf eine Studie des HandeIsministeriums in Washington von 1993 zurückgehen. 93 Vgl. DestIer 1995: 45-53.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
ren der Wirtschaft bezogene Betrachtung: Die Zahlenreihen über Zeit betrachtet, belegen, daß die USA ihre HegemoniesteIlung eingebüßt haben und neben Europa und Japan eher zum primus inter pares geworden sind. Auch die stark divergierenden konjunkturellen Entwicklungen der 1990er Jahre, Hochkonjunktur in den Vereinigten Staaten und Rezession und Krisenerfahrungen in Europa und Japan, können nicht über die langfristigen strukturellen Entwicklungen auf dem Feld der Außenhandelspolitik hinwegtäuschen: Die Abhängigkeit der wirtschaftlichen Prosperität der USA hängt mit steigender Tendenz vom Außenhandel ab: Betrug der Anteil des Außenhandels der USA, d. h. die Summe aller Exporte und Importe, am Bruttosozialprodukt zur Zeiten der Tokio-Runde noch etwas über 20%, so ist er bis zur Ratifizierung von NAFTA und der Uruguay-Runde auf bis zu 30% angewachsen. 94 Die Importpenetration, d. h. das Ausmaß der Konkurrenz ausländischer Unternehmen für amerikanische Firmen, ist in den letzten zwei Jahrzehnten gestiegen. Tabelle 3
Anteil verschiedener Regionen am Welthandel, 1980 und 1997 (Exporte, in Prozent) Region/Land
1980
1997
USA
11.1
12.5
EU 15
37.1
38.4
Asien
15.9
28.1
Asien ohne China und Japan
8.6
17.1
China
0.9
3.3
Japan
6.4
7.7
Lateinamerika
5.4
5.1
Lateinamerika ohne Mexiko
4.5
3.1
Afrika
5.9
2.3
10.6
3.2
7.7
3.3
Mittlerer Osten Gemeinschaft unabhängiger Staaten und Osteuropa
Quelle: Welthandelsorganisation (WTO), www.wto.org/statis/stat.htm. 30. April, 1999 94 Vgl. 1998 Trade Policy Agenda and 1997 Annual Report 0/ the President 0/ the United States on the Trade Agreements Program. United States Trade Representative. Washington, D.C., 1998, S. 13.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
109
Fast 90 % aller Güter und Dienstleistungen, die amerikanische Konsumenten nachfragen sind immer noch ,,Made in USA". Heißt: Nur 10% werden importiert, ein Anteil, der sich zwischen 1980 und 1990 so gut wie nicht verändert hat. Weiterhin ist das von der Öffentlichkeit vielbeachtete Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz in absoluten Zahlen zwar von 174 Milliarden US-Dollar (1995) über 191 Milliarden US-Dollar (1996), 198 Milliarden US-Dollar (1997) bis auf 248 Milliarden US-Dollar 1998 gestiegen. 95 Für 1999 könnte das Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz sogar bis auf 300 Milliarden US-Dollar anwachsen. Doch ist der Anteil des Handelsbilanzdefizits am Bruttosozialprodukt (BSP) seit Ende der 1980er Jahre rückläufig. 96 Betrug der Anteil des Handelsbilanzdefizites im Güterhandel 1987 am BSP noch 3,4%, sank er 1998 auf 2% ab. Für den handelspolitischen Entscheidungsprozeß in den USA spielt die Wahrnehmung. dieser Entwicklungen in der amerikanischen Bevölkerung und unter den Entscheidungsträgern in Washington eine Rolle. Seit den 1980er Jahren beurteilt eine Mehrheit der amerikanischen Haushalte ihre eigene ökonomische Sicherheit und Zukunft eher skeptisch. Stagnierende Reallöhne, zunehmend ungleiche Einkommensverteilung, Rückgang von Arbeitsplätzen in den produzierenden Industrien und relativ häufiger Wechsel des Arbeitsplatzes wird von weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung als Verringerung ihrer Wohlfahrt notiert und zunehmend mit außenhandelspolitischen Entwicklungen in Verbindung gebracht. Die Diskussion um das Handelsbilanzdefizit in den 1980er Jahre belegt, wie Daten über die Außenhandelspolitik von Gegnern und Befürwortern der Handelsliberalisierung auf Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt oder auf Löhne projeziert werden und damit für den handelspolitischen Entscheidungsprozeß an Relevanz gewinnen. Das Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz war während der 1980er Jahre wohl der erste außenhandelspolitische Indikator, der weitverbreitete öffentliche Aufmerksamkeit erlangte. Die populistische Interpretation der defizitären Handelsbilanz hielt diese für einen Beweis der sich "verschlechternden" amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit oder dafür, daß "das Ausland" sich "unfairer Handelspraktiken" wie Dumping oder Exportsubventionen bediente. 97 Ausländische Konkurrenten, so diese Auffassung weiter, würden ausnutzen, daß der amerikanische Markt der "offenste" der Welt sei, während die Ausländer selbst Importbarrieren aufrechterhielten. 98 Daß tatsächlich die Überbewertung des Dollars für das Defizit in der Handelsbilanz verantwortlich war, blieb der breiten Öffent9S Vgl. 1999 Trade Policy Agenda and 1998 Annual Report 0/ the President 0/ the United States on the Trade Agreements Program. United States Trade Representative. Washington, D.C., 1999, S. 29. 96 Ebd., S. 29. 97 Vgl. Nivola 1993.
110
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
lichkeit zunächst verborgen: Nicht nur Politiker schlugen aus den Arbeitsplatz- und Zukunftsängsten der Bevölkerung politisches Kapital, indem sie aggressive Rhetorik an die Adresse Japans richteten. Auch Meinungsführer aus Forschung und Presse profitierten von der Welle außenhandelspolitischer Paranoia. Thesen der späten 1980er Jahre, die von einem "ökonomischen Niedergang" der USA99 sprachen, und renommierte Experten, die vom "Aufstieg und Fall der größen Mächte"IOO schrieben bzw. mit einem Blick auf die 1990er Jahre ein "age of diminished expectations"IOI voraussagten, hatten durch die kollektiven Zukunftsängste der Amerikaner Aufmerksamkeit und Buchauflagen. Wie zu Beginn dieses Abschnitts angedeutet, sind es insbesondere zwei Effekte, zu deren Entwicklung die Veränderung weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und ihre Wahrnehmung durch die Akteure beigetragen haben. Erstens: Die Zahl der Interessengruppen und Verbände, die an der Formulierung amerikanischer Außenhandelspolitik beteiligt sind, hat sich seit der Ratifizierung der Tokio-Runde erheblich vergrößert. Damit hat der Druck der Klientel auf den oder die einzelne Kongreßabgeordnete bei der Verabschiedung von Handelsabkommen zugenommen. Eine präzise und verläßliche Angabe über die genaue Anzahl von Interessengruppen, die heute auf dem Capitol Hili Entscheidungen in der Handelspolitik zu beeinflussen suchen, liegt nicht vor, dürfte aber in die Tausende gehen. Eine genaue Zahl ist deshalb schwierig anzugeben, da die Fluktuation unter den Verbänden oder Anwaltskanzleien von Entscheidungsprozeß zu Entscheidungsprozeß schwankt. Viele Interessengruppen sind nicht permanent existent, sondern sind nur für die Dauer eines bestimmten Entscheidungsprozesses präsent. Die Organisation USA *NAFTA, ein Verband, der die Interessen der Multinationalen Konzerne vertrat, wurde beispielsweise eigens für die Ratifizierung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens gegfÜndet. 102 Dasselbe gilt für die Organisation GA1T Now, die sich für die Verabschiedung der Uruguay-Runde einsetzte. Die wachsende Zahl von Interessengruppen erklärt sich primär durch die gestiegene Bedeutung des Außenhandels für viele amerikanische Unternehmen. Dabei sind es jedoch längst nicht mehr nur die "Verlierer" der Handelspolitik, die die -hohe Zahl der Interessengruppen ausmachen. Destler/Odell haben bereits in einer 98 Vgl. den jährlich veröffentlichten Bericht des Handelsbeauftragten, 1998 National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers. United States Representative. Washington, D.C., 1998. 99 Vgl. Bluestone 1982, Lawrence 1984, AmdtlBouton 1987, Wallace/Rothschild 1988, Nau 1990. 100 Vgl. Paul Kennedys Bestseller aus dem Jahre 1989. 101 Vgl. Krugman 1990. 102 Vgl. Anderson/Cavanagh 1993.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
111
1987 veröffentlichten Studie gezeigt, daß auch gerade die Nutznießer von Handelsliberalisierung (exportorientierte Unternehmen oder Firmen, die besonders auf den Import von Komponenten angewiesen sind) sich in den 1980er Jahren zusammengetan haben und ihre Forderungen für eine Öffnung von Märkten im Kongreß artikulieren. Ganz besonders die Agrarlobby hat sich während der 1990er Jahre mit Nachdruck für die Öffnung von Märkten eingesetzt. Ferner hat die Verbreiterung der handelspolitischen Agenda zu einer Aktivierung von Interessenverbänden geführt, die vormals nicht im Zusammenhang mit der Formulierung der Außenhandelspolitik aufgetreten sind: Gerade der durch NAPfA vollzogene Übergang von einer Handelspolitik, die sich mit rein ökonomischen Aspekten des zwischenstaatlichen Waren- und Dienstleistungsaustausches befaßt, hin zu einer qualitativen Handelspolitik, die soziale und ökologische Wirkungen der Handeisliberalisierung thematisiert, hat eine Vielzahl von Interessengruppen auf den Plan gerufen, die ursprünglich im traditionellen Politikfeld Handelspolitik keine Rolle spielten. Die zweite Entwicklung, die durch die gewachsene Bedeutung des Außenhandels für die amerikanische Wirtschaft stattgefunden hat, ist das Aufkommen alternativer Konzepte zu den Grundsätzen des ,,Freihandels" oder der "Handelsliberalisierung", die bis in die 1970er/1980er Jahre hinein die dominanten Prinzipien der Außenhandelspolitik der USA waren. Auch wenn diese Alternativansätze multilaterale und regionale Handelsabkommen materiell nicht direkt berühren, beeinflussen sie das Bewußtsein der Entscheidungsträger dahingehend, als daß sie ein intellektuelles Klima gegen die klassische Schule der Handelsliberalisierung schaffen. Abkommen wie NAPfA oder die Uruguay-Runde treffen damit auf Entscheidungsträger am Kongreß oder in der Exekutive, die vom Nutzen dieser Handelsabkommen keineswegs überzeugt sind, sondern grundsätzlich staatliche Eingriffe in Handelspolitik unterstützen. Bei den Ansätzen handelt es sich dabei keinesfalls um Konzepte, die nur Gegner der Handelsliberalisierung in die Diskussion einführten. Die Ansätze lassen sich deshalb nicht als Protektionismus charakterisieren. Auch Anhänger des Abbaus von Handelsschranken befürworten Abweichungen vom Prinzip des puren Freihandels, mit der Absicht, den Nutzen des Außenhandels für die USA zu erhöhen. Die Konzepte fair trade, strategische Handelspolitik und Unilateralismus sind drei Beispiele für Ansätze, die bis heute die akademische und politische Diskussion in der Handelspolitik beeinflussen: Fair Trade anstelle von Free Trade ist ein Ansatz, den zahlreiche Experten und Entscheidungsträger seit den frühen 1970er Jahren in der handelspolitischen Diskussion vertreten. Die eigentlichen Wurzeln liegen allerdings im Merkantilismus. Der in der klassischen Lehre bereits als vorteilhaft ver-
112
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
standene einseitige Abbau von Handelsbarrieren wird von dieser Schule verneint. Fair trade und die Forderung nach einem "level playing field" betont die Reziprozität von Zugeständnissen. Handelspolitik wird als Nullsummen spiel aufgefaßt, in der Konzessionen oder das Ausmaß der Marktöffnung sich zwischen Verhandlungspartnern die Waage halten müssen. 103 "Strategische Handelspolitik" stellt auf die aktive Unterstützung von Unternehmen im Hochtechnologiesektor durch den Staat ab, mit dem Ziel, daß die nationale Wirtschaft international weubewerbsfahig bleibt oder wird. Auf diese Weise wollen Vertreter dieser Schule ,,komparative Wettbewerbsvorteile" in Sektoren aufrechterhalten, die für den eigenen Markt hochqualifizierte und gutbezahlte Arbeitsplätze als auch erwünschte Nebeneffekte (spill-over-Effekte) in Form von technologischen Verbesserungen anderer Produkte oder Produktionsprozessen bedeuten. 104 "Unilateralismus" in der Außenhandelspolitik der Vereinigten Staaten kam mit der Verabschiedung des Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 zum Durchbruch. Der Begriff "Unilateralismus", abgesehen von seiner konkreten Umsetzung in dem zur Marktöffnung bekannt gewordenen Instrument der Super 301, steht ganz allgemein für die Bereitschaft, HandeIsliberalisierung nicht mehr multilateral durch das GATI, sondern auf eigene Faust und unter Verzicht von gegenseitiger Kooperation durchzusetzen. IOS Fair trade, strategische Handelspolitik und Unilateralismus sind nur drei Beispiele für eine Pluralisierung der Ansätze in der amerikanischen Außenhandelspolitik. Gegenüber langwierigen Verhandlungen im Rahmen des GATI oder der Einrichtung von Freihandelsabkommen haben diese Ansätze aus Sicht ihrer Protagonisten zwei Vorteile. Sie zeitigen kurzfristig meßbare Ergebnisse und sind gerade im Zuge der Politisierung der Handelspolitik populäre Maßnahmen in den Augen der Öffentlichkeit.
5.2. Bedeutung der Strukturen des politischen Systems für Ratifizierungsprozesse am Beispiel der Ausschüsse Entscheidungen und taktisches Verhalten von Kongreßabgeordneten, Akteuren in der Exekutive und Interessengruppen richten sich nach den Regeln und Strukturen des Entscheidungsprozesses. Die drei Fallstudien dieser Arbeit zeigen, daß die Akteure wissen, an welchem Punkt des Entscheidungsprozesses ihr Einfluß auf die anderen Akteure am größten ist, wann es Zeit ist, Forderungen aufzustellen und in welcher Phase Kompro103 104
lOS
Vgl. Pearson 1990, Vgl. Krugman 1986, Richardson 1990. Vgl. Bayard/Elliott 1994.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
113
misse notwendig sind. Institutionelle Faktoren sind die einzigen in diesem Kapitel betrachteten Parameter, die von den Akteuren beeinflußt werden können. Teilweise gestalten Akteure, wie beispielsweise der Kongreß, Institutionen und Verfahren, um auf diese Weise politische Inhalte durchzusetzen. 106 Dieser Abschnitt fragt nach den Implikationen der Strukturen auf das Entscheidungskalkül der Akteure. Unter "Struktur des politischen Systems" werden im folgenden die Institutionen und Verfahrensregeln des Entscheidungsprozesses verstanden. Institutionelle Rahmenbedingungen wirken in dreierlei Hinsicht auf den Verlauf und Ausgang eines Entscheidungsprozesses. Erstens, sie beeinflussen die Geschwindigkeit des Prozesses; zweitens, sie regeln den Zugang der Akteure von innerhalb und außerhalb des Kongresses auf den Entscheidungsprozeß; drittens, sie sind Orte der Politikformulierung. Diese drei Implikationen von Institutionen und Verfahrensregeln werden anhand des Beispiels der Kongreßausschüsse bei der Verabschiedung von Handelsabkommen illustriert. Die Ausschüsse stellen ein gutes Beispiel für die Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen dar, da sie eine zentrale Stellung und Funktion im fast-track procedure einnehmen. Geschwindigkeit und Dauer des Entscheidungsprozesses: Obwohl den Kongreßausschüssen durch fast-track die Möglichkeit genommen wird, wie im regulären Gesetzgebungsprozeß durch beabsichtigte Untätigkeit ein Implementierungsgesetz zu verzögern oder gar ganz zu verhindern, 107 stehen ihnen dennoch Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, mit der sie Einfluß auf den Fortgang und die Geschwindigkeit von Verhandlungen ausüben können. Die Ausschüsse besitzen quasi ein Vetorecht, mit dem sie die Aufnahme von Verhandlungen aufhalten können. Vor Beginn von Handelsgesprächen muß der Präsident laut Gesetz vom Senate Finance Committee und dem Ways and Means Committee grünes Licht für die Anwendung des fast-track procedure zur Ratifizierung der Verhandlungsergebnisse erbitten. Beide Ausschüsse haben dann 60 Tage Zeit, um über die Anfrage des Präsidenten zu beraten. lOS Stimmt einer der Ausschüsse durch Mehrheitsentscheid gegen die Anwendung des fast-track- Verfahrens, muß die angeVgJ. O'Halloran 1994. Dies bewirkt die in die Handelsgesetze aufgenommene automatie diseharge provision, die das Implementierungsgesetz automatisch am 45. Tag nach seiner Übergabe an den Ausschuß an die zuständige Kammer des Kongresses übersendet. Die durch viele Ausschußvorsitzende weithin praktizierte Technik, eine Gesetzesvorlage im Ausschuß "sterben" zu lassen, indem sie nicht im Ausschuß zur Diskussion kommt und weiter an die nächste Stufe im Gesetzgebungsprozeß verwiesen wird, steht damit für Implementierungsgesetze von Handelsabkommen nicht zur Verfügung. VgJ. Trade Act 0/1974, Public Law 93-618 (Jan. 2, 1975), in: United States Statutes at Large, volume 88, part 2. Washington. D.C., 1976, Section 151 (e)(1), S. 2002f. 106
\07
8 Pfeil
114
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
strebte Freihandelszone oder GATT-Abkommen durch den nonnalen Gesetzgebungsprozeß des Kongresses ratifiziert werden, was die Chancen auf Ratifizierung dramatisch verringert (vgl. Kap. 3). Daß der Kongreß von dieser Regelung Gebrauch macht, zeigt die Episode im Zusammenhang mit dem amerikanisch-kanadischen Freihandelsabkommen von 1986, als das Senate Finance Committee in letzter Minute beinahe die Aufnahme von Handelsgesprächen vereitelt hätte. 109 Die zweite Vetomöglichkeit steht den Ausschüssen seit dem Handelsgesetz von 1988 zur Verfügung. Wie in Kapitel 3 dargestellt, nahm der Kongreß in den Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 erstmals eine Verlängerungsklausel für das fast-track procedure auf. Nach Ablauf der Zeitspanne, für die das Verfahren zunächst genehmigt war, durfte der Präsident vom Kongreß eine Verlängerung der Anwendung des Verfahrens um weitere zwei Jahre beantragen. Das Gesetz schrieb weiter vor, daß die Verabschiedung einer Resolution durch eine der beiden Kammern ausreichen würde, um den Antrag des Präsidenten abzulehnen. Das Handelsgesetz regelte, daß eine Resolution erst durch das Ways and Means Committee bzw. das Senate Finance Committee verabschiedet werden mußte, damit das Repräsentantenhaus bzw. der Senat darüber abstimmen konnte. 110 Dadurch stand beiden Ausschüsse wiederum die Möglichkeit offen, das Fortschreiten oder den Beginn von Verhandlungen zu kontrollieren. Eine letzte Möglichkeit, den Verlauf und die Geschwindigkeit des Ratifizierungsprozesses zu beeinflussen, haben die Ausschüsse nach Verhandlungsende. Wiederum ist der Präsident gesetzlich verpflichtet, den beiden Ausschüssen am Senat und Repräsentantenhaus von seiner Absicht, ein Handelsabkommen zu unterzeichnen, Nachricht zu geben. Den Ausschüssen stehen dann 45 Tage zu Beratungszwecken zur Verfügung. In der Regel nutzen die Ausschüsse diese Zeitspanne bei weitem nicht aus, da der Kongreß bereits während der Verhandlungen das Abkommen inhaltlich mitgestalten konnte. Wie jedoch die Fallstudie der Uruguay-Runde zeigen wird, gelang es Senator Ernest Hollings (D-SC), im Herbst 1994 die Ratifizierung des Implementierungsgesetzes der Uruguay-Runde dadurch zu verzögern und beinahe zum Scheitern zu bringen, indem er auf die volle Länge des ihm zur Verfügung stehenden Zeitraumes bestand. III lOS Grundlage dieser Regelung bildet der Trade and Tarif! Act von 1984. Vgl. Trade and Tarif! Act 0/1984, Public Law 98-573 (Oct. 30, 1984), in: United States Statutes at Large, volume 98, part 3. Washington, D.C., 1986, Section 401 (a)(4)(A) und (B), S. 3014. 109 Vgl. Koh 1992 b: 12-14. 110 Vgl. Omnibus Trade and Competitiveness Act 0/ 1988, Public Law 100-418 (Aug. 23, 1988), in: Uni ted States Statutes at Large, volume 102, part 2. Washington, D.C., 1990, Section 1103 (b)( 4 )(D), S. 1130.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
115
Zugang zum Entscheidungsprozeß: Die Bedeutung institutioneller Rahmenbedingungen für Entscheidungsbildungsprozesse wird auch aus der zweiten Funktion der Kongreßausschüsse bei Ratifizierungsprozessen deutlich. Diese Funktion besteht in der Regulierung des Zugangs von Akteuren zum Entscheidungsprozeß und betrifft Interessengruppen und Verbände. Ausschüsse sind traditionell im Gesetzgebungsprozeß die Orte, an denen bei Anhörungen alle am Prozeß Beteiligten zusammentreffen. Durch die Festlegung der Verfahren kann der Kongreß im allgemeinen beeinflussen, welche Gruppen zu welchem Zeitpunkt ihre Positionen artikulieren können.
Bei der Ratifizierung von Handelsabkommen hat der Kongreß erst widerstrebend öffentliche Anhörungen zu einem festen Bestandteil des Entscheidungsprozesses gemacht. Als das Politikfeld Handelspolitik während der 1980er Jahre für viele Akteure an Bedeutung gewann, stieg die Anzahl der Ausschüsse, die sich mit Handelspolitik befaßten und damit auch die Zahl der Anhörungen. Tabelle 4 verschafft einen Überblick über die Anzahl der Anhörungen vor den Ausschüssen des Kongresses in Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen der USA mit Kanada und Mexiko sowie der Tokio- und der Uruguay-Runde. Für die Tokio-Runde fanden 9 Anhörungen vor dem Kongreß statt, 20 beim Freihandelsabkommen mit Kanada, 61 beim NAFTA, und schließlich 17 während der Ratifizierung der Uruguay-Runde. Die Ausschüsse am Repräsentantenhaus hielten dabei im Vergleich zum Senat die größere Anzahl von Sitzungen ab, ein Unterschied, der sich aus der unterschiedlichen Größe der Kammern erklärt. Die steigende Zahl der Anhörungen in Zusammenhang mit der Verabschiedung von Handelsabkommen war dabei keineswegs ungewöhnlich, sondern folgte eher einem allgemeinen Trend. Seit der Einführung der Möglichkeit im Jahr 1975, ein und dieselbe Gesetzesinitiative mehr als nur einem Ausschuß zuzuweisen (multiple referral), ist die Zahl der von mehreren Ausschüssen gleichzeitig (oder nacheinander) bearbeiteten Gesetzesinitiativen stetig gestiegen. 112 Während bei der Tokio-Runde nur das Committee on Ways and Means und das Senate Finance Committee öffentliche Anhörungen abhielten, waren in den 1990er Jahre die Ausschüsse des Kongresses involviert, die sich im weitesten Sinne für zuständig erklären konnten. Gerade die Vielfalt und Komplexität der Themenbereiche, die in der jüngeren Vergangenheit bei Handelsabkommen eine Rolle spielen und die von Beseitigung von Handelsschranken bei Finanzdienstleistungen bis zu komplizierten Berechnungen des Anteils inländischer Wertschöpfung bei Ursprungsregeln reichen, ist von nur zwei Ausschüssen nicht mehr zu 111 112 S"
Vgl. Kapitel 7.5.3. Vgl. Davidson/Oleszek/Kephart 1988: 7.
116
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil Tabelle 4
Anzahl der Anhörungen vor den Ausschüssen des Repräsentantenhauses und des Senats in Verbindung mit Handelsabkommen Anzahl der Anhörungen (Hearings) vor dem Kongreß* Abkommen
Insgesamt
Repräsentantenhaus
Senat
Tokio-Runde
9
2
7
Kanada-US-FfA
20
12
8
NAFfA
61
42
19
Uruguay-Runde
17
II
6
Quellen: CIS-Index 1979. 1986. 1993. 1994; Library 01 Congress. Washington. D.C.; Katalog der Hauptbibliothek der University 01 Wisconsin in Madison und Katalog der Historical State Society Library in Madison. Wisconsin. • Die Tabelle erfaßt alle Anhörungen. die im Zusammenhang mit der Formulierung der Implementierungsgesetze stehen. Dazu zählen auch solche Anhörungen. in deren Titel das zur Dispositon stehende Handelsabkommen nicht explizit genannt wird: So wird z. B. das Hearing über den IntematioruJl Procurement Code zur Tokio-Runde gerechnet. obwohl der Begriff Multilateral Trade Negotiations oder Trade Agreements Act im Titel des veröffentlichten Protokolls nicht vorkommt. Eine Anhörung wird als eine Anhörung gezählt. auch wenn sie sich über mehrere Tage erstreckte und/oder in der anschließend veröffentlichten Form in mehr als einem Band vorliegt. Der Erfassungszeitraum fLir die Anhörungen beginnt bei jedem Abkommen erst mit dem Abschluß der internationalen Verhandlungen. Damit gehen alle Anhörungen. die vor oder wahrend der internationalen Verhandlungen stattgefunden haben. nicht in die Tabelle ein. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen. daß z. B. die fast-track-Debatte vor den Verhandlungen zur NAFTA. die von einer beträchtlichen Anzahl von Anhörungen begleitet wurde. kein Pendant bei den anderen Handelsabkommen besitzt. Die durch die unterschiedlich langen Erfassungszeiträume variierenden Ergebnisse werden bei der Diskussion der Tabelle berüCksichtigt.
bewältigen. Die Komplexität handelspolitischer Fragen wird besonders durch den Umfang der Implementierungsgesetze l13 dokumentiert, der im Laufe der Jahre deutlich gestiegen ist: Der Trade Agreements Act, mit dem 1979 die Tokio-Runde ratifiziert wurde, nahm in den Statutes at Large 183 Seiten ein; die Uruguay-Runde benötigte bereits 244 Seiten. Der gleiche Befund gilt für die Freihandelsabkommen: Kanada-USA Free Trade Agreement 47 Seiten, NAFfA 168 Seiten. In Tabelle 4 fällt weiter die unterschiedliche Anzahl öffentlicher Anhörungen bei regionalen Handelsabkommen im Gegensatz zu GATT-Runden auf. Bei multilateralen Abkommen hält der Kongreß weniger Ausschußsitzungen ab als bei Freihandelsabkommen. Besonders auffällig ist dieser 113 Implementierungsgesetze beinhalten die Änderungen im amerikanischen Recht. die im Zuge des Abschlusses eines internationalen Handelsvertrages notwendig werden.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
117
Kontrast zwischen der Uruguay-Runde und NAFfA, die der 103. Kongreß unter gleichen institutionellen Rahmenbedingungen ratifizierte. Zwischen dem jeweiligen Ende der Verhandlungen und der jeweiligen Ratifizierungsabstimmung hielt der Kongreß bei der Uruguay-Runde 17 Anhörungen, bei NAFf A hingegen 61 ab. Dabei erklärt die unterschiedliche Länge dieses Zeitraumes - bei der Uruguay-Runde ca. 11 Monate, bei NAFfA ca. 16 Monate - die Diskrepanz nur teilweise. Entscheidend ist die Bedeutung, die Akteure am Kongreß als auch Medien und Öffentlichkeit einem Handelsabkommen beimessen. Orte der Politikfonnulierung: Ausschüsse sind ein Ort der Politikformulierung. Wie in der Fallstudie über die Tokio-Runde ausführlich dargestellt (vgl. Kap. 4.5.3.), findet ein zentraler Teil des Bargaining und der Angleichung unterschiedlicher Positionen zwischen Kongreß und Exekutive während der sog. non-markups statt. Während öffentliche Anhörungen Interessengruppen die Möglichkeit zur Partizipation und Artikulation bieten, schaffen die unter Ausschluß der Öffentlichkeit abgehaltenen Ausschußsitzungen der non-markups den Akteuren die Bedingungen, die zur Erzielung von Kompromissen als erforderlich gelten.
5.3. Gestiegene Partizipation der Gesellschaft: Interessengruppen und Wähler Eine dritte Kategorie von Rahmenbedingungen, die die Entscheidungen von Präsident und Kongreß bei der Verabschiedung von Handelsabkommen beeinflußt, ist die Partizipation von Interessengruppen und Wählern an handelspolitischen Entscheidungen. Im Vergleich zur Tokio-Runde fanden die Ratifizierungsprozesse des NAFfA und der Uruguay-Runde größere Beachtung der Öffentlichkeit, was sich empirisch in der gestiegenen Zahl von Meinungsumfragen, Briefen oder Telefonanrufen am Capitol Hili zeigt. Auch ist die Zahl der Interessengruppen gestiegen, die im Bereich der Außenhandelspolitik Einfluß nehmen (vgl. Kap. 5.1.). Obwohl sich die Entscheidungen einzelner Kongreßabgeordneter nach einer Vielzahl von Faktoren richten, wie z. B. eigenen Überzeugungen und Zielen, Einfluß des Präsidenten oder die Führung ihrer Partei, spielt der Einfluß von Interessengruppen und der Wähler eine wichtige Rolle für das Stimmverhalten des Kongresses (vgl. Kap. 4.2.). Der Kongreß ist in den 1990er Jahren einer größeren Anzahl von externen Einflüssen ausgesetzt als zur Zeit der TokioRunde. Handelspolitische Entscheidungen haben damit für die Karriere des einzelnen Abgeordneten eine vergleichsweise größere Bedeutung. Aufgrund des gestiegenen öffentlichen Druckes ist es vielen Kongreßabgeordneten nicht. mehr uneingeschränkt möglich, für Handelsliberalisierung zu stimmen. Andere benötigen umfangreiche Zugeständnisse von der Exekutive,
118
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
um ihr Votum vor ihrer Klientel rechtfertigen zu können. Das exzessive Bargaining im Zusammenhang mit der Ratifizierung des NAFT A ist Beleg für diese Entwicklung. Im folgenden wird die These vertreten, daß Interessengruppen jedoch ein größeres Gewicht auf die Entscheidung eines Kongreßabgeordneten bei Ratifizierungsabstimmungen haben als Wähler. Die Wirkung des Einflusses von Interessengruppen auf den Kongreß mittels Wahlkampfunterstützung und der gezielten Kanalisierung von Informationen zu den Abgeordneten ist unmittelbarer als der Einfluß der Wähler. Wähler erweisen sich Umfragen zufolge selbst über so bekannte Abkommen wie NAFfA relativ wenig informiert. Insbesondere mit dem GATI ist nur eine Minderheit der Amerikaner vertraut. Auch ist die Neigung der Wähler, ihren Kongreßabgeordneten wegen einer Entscheidung in der Handelspolitik "abzuwählen", geringer als angenommen. Das heißt nicht, daß Wähler kein Faktor im Entscheidungskalkül des Kongresses sind. Umfragen zeigen lediglich, daß Widerstand gegen regionale und multilaterale Handelsabkommen keinesfalls breit in der Bevölkerung verankert ist, sondern auf einige Segmente der Bevölkerung begrenzt bleibt. Von einer breiten sozialen Bewegung gegen Handelsliberalisierung kann nicht die Rede sein. Wie aus den weiter unten aufgeführten Meinungsumfragen deutlich wird, ist die Haltung der Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung gegenüber Freihandelszonen wie NAFf A indifferent. Der Einfluß von Interessengruppen und Wählern wird im folgenden diskutiert. Der Einfluß von Interessengruppen auf Entscheidungen in der Handelspolitik spielt in vielen Beiträgen der Forschung eine Rolle. Bereits E. E. Schnattschneiders Studie von 1935, PolWes, pressures, and the tarif!, 114 hatte nach dem Debakel des Smoot-Hawley-Handelsgesetzes (vgl. Kapitel 2) den Interessengruppen eine besondere Bedeutung für den handelspolitischen Entscheidungsprozeß zugewiesen. Seither gibt es kaum eine Arbeit im Bereich der Handelspolitik, die nicht auf die Funktion und die Bedeutung des lobbying bei der Formulierung der amerikanischen Handelspolitik hinweist. 115 Eine gewisse Zurückhaltung bei der Diskussion der Rolle von Interessengruppen in der Außenhandelspolitik ist dennoch kaum zu übersehen. Der Grund dafür liegt darin, daß der tatsächliche Einfluß von Interessengruppen nicht meßbar oder quantifizierbar ist: Es steht fest, daß Interessengruppen einen Einfluß im handelspolitischen Entscheidungsprozeß haben und daß die Artikulation von Argumenten, ihr lobbying und damit auch ihr Gewicht im Entscheidungskalkül der einzelnen Kongreßabgeordneten seit Vgl. Schattschneider 1935 (hier Auflage von 1963). Vgl. l.B. Rode 1980: 45-79, Kramer 1989: 114-189, F1iess 1991: 155-165, Ehler 1993: 156-178, Göll 1994a: 42-48 und DestIer 1995: 191-198. 114
\IS
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
119
der Tokio-Runde stetig zugenommen hat. 116 Der Forderungsdruck der Interessengruppen, der Umfang der vom Kongreß zu verarbeitenden Infonnationen und damit auch die Abhängigkeit der Abgeordneten von Interessengruppen sind für die Analyse der Entscheidungsprozesse beim NAFTA und der Uruguay-Runde höher zu veranschlagen als bei der Tokio-Runde. Mehrere Faktoren sind für die gestiegene Bedeutung der Interessengruppen verantwortlich: Erstens, die Entscheidungsprozesse am Kongreß sind seit den Kongreßrefonnen der 1970er Jahre transparenter und offener geworden. Interessengruppen haben damit einen leichteren Zugang zum Entscheidungsprozeß (vgl. 5.2.). Zweitens, die Kosten für Wahlkämpfe sind im Verlauf der letzten zwanzig Jahre rapide gestiegen; die Notwendigkeit für einen Abgeordneten, Wahlkampfressourcen zu finden, ist stetig gewachsen. Besonders seit den Refonnen in der Wahlkampffinanzierung, 1971 und 1974, hat der Einfluß von pressure groups durch das Aufkommen der sog. Political Action Committees (PACs)117 beträchtlich zugenommen. Drittens, neue Infonnationstechnologien und Medien machen es Interessengruppen sowohl einfacher ihre Interessen am Kongreß zu artikulieren als auch ihre Mitglieder zu mobilisieren und Abgeordnete durch ständige Berichterstattung in den Medien unter Druck zu setzen. 118 Demgegenüber ist die Haltung der Wähler von geringerem Gewicht. Grundlage für die nachstehenden Ausführungen sind Meinungsumfragen über die Haltung der Amerikaner zu Projekten der Handelsliberalisierung, insbesondere zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen. Für die Tokio-Runde sind nach intensiver Suche keine Meinungsumfragen zu finden, was ein Indiz für die Rolle der Öffentlichkeit in dieser Zeit ist. Ein völlig anderes Bild ergibt sich hingegen für NAFTA und die UruguayRunde. NAFTA insbesondere hat die Meinungsforscher im Spätherbst 1993 ausführlich beschäftigt. 119 Die folgenden Ausführungen basieren auf Meinungsumfragen über NAFT A von August bis November 1993 und der Uruguay-Runde vom Dezember 1994. Eine Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung bringt handelspolitischen Entscheidungen nur mäßiges Interesse entgegen. In einer Umfrage von CBS-News und der New York Times von August 1993, d.h. wenige Wochen vor der NAFTA-Offensive der Clinton-Administration, gaben lediglich 10% der Befragten an, dem Thema "NAFTA" große Aufmerksamkeit zu 116 Vgl. zur allgemeinen Forschung über Interessengruppen und ihre Rolle bezüglich des Kongresses den neuesten Stand bei Petracca 1992, Cigler/Loomis 1995 und die sehr kompakte Darstellung bei Wright 1996. 117 Vgl. Wright 1996: 115-164. 118 Vgl. Cigler/Loomis 1995: l. 119 Vgl. die gesammelten Umfragen zu NAFfA und GATT im P'ublic Opinion Index 1993 und 1994.
120
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
widmen; 35 % versicherten "etwas" über NAFfA gehört zu haben. 48 % antworteten, "nicht viel" über NAFf A zu wissen und die verbleibenden 7 % hatten nach ihren Angaben noch nie etwas über NAFf A gehört. 120 Anderthalb Monate später, Ende September 1993, als NAFfA bereits regelmäßig die ersten Seiten der Zeitungen und die Nachrichtensendungen des Fernsehens beherrschte, 121 hatten sich die Zahlen kaum geändert: 40% der Befragten gaben an "viel" bzw. "etwas" über NAFfA gehört zu haben, 59% der Befragten verfolgten die Ereignisse ,,kaum" bzw. "gar nicht".122 Besonders auffallend ist die Unkenntnis der Bevölkerung wenn es zu multilateralen Handelsabkommen unter dem GA TI kommt: Als die Uruguay-Runde Ende November 1994 zur Ratifizierungsabstimmung im Kongreß kam, befürworteten 23% der Bevölkerung das Abkommen, 14% lehnten es ab und 63 % gestanden ein, nicht genug über GATI zu wissen, um die Frage nach Zustimmung oder Ablehnung beantworten zu können. 123 Der Inhalt von GATI-Abkommen ist für Laien viel abstrakter und ihre ökonomischen Auswirkungen sind schwerer zu überblicken als die eines NAFf A, dessen Implikationen für die meisten Wähler viel greifbarer sein können, wie die Diskussion um den potentiellen Verlust von Arbeitsplätzen beim NAFf A gezeigt hat. Diese Ergebnisse sind nicht nur auf die beiden soeben erwähnten Umfragen beschränkt. Sämtliche Umfragen aus dem American Public Opinion Index des Jahres 1993, die mit einer ähnlichen Fragestellung zur NAFfA gearbeitet haben, kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Angesichts dieses Befundes überrascht es nicht, daß die meisten Amerikaner wenig Konsequenzen von NAFf A für ihren wirtschaftlichen Status erwarteten. Eine Umfrage zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung über NAFfA im Repräsentantenhaus, am 15. und 16. November 1993, gibt Aufschluß über die Erwartungen: Auf die Frage, welche Auswirkungen NAFfA auf das finanzielle und ökonomische Wohlergehen der Befragten haben würde, äußerten von den 1008 repräsentativ Ausgewählten 4% "sehr 120 "How much have you heard about the North American Free Trade agreement caIled NAFTA ... ?" Vgl. Surveys by CBS News/New York Times (16.-19. September 1993), in: The American Enterprise 4 (1993), November/December, S. 76. Siehe auch, Free Trade Pact is still a mystery to many in V.S., in: The New York Times, Monday, July 12, 1993, p. Al. 121 Vgl. Schmitt 1996. 122 "How c10sely did you foIlow news stories about the debate about the free trade agreement between the United States, Canada, and Mexico?" Vgl. Surveys by Princeton Survey Research Associates for the Times Mirror Center for the People and the Press (24.-27. September 1993), in: The American Enterprise 4 (1993), November/December, S. 76. 123 Vgl. GATT still a mystery to most Americans, in: The GaIlup PoIl Monthly, December 1994, S. 16, zitierte Umfrageergebnisse S. 17.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
121
positive" Erwartungen, 16% "recht positiv" (somewhat positive), 51 % gaben an, daß NAFfA "keinen Effekt" auf ihren Status hätte und nur 15% rechneten mit "leicht negativen", 7% mit "sehr negativen" Auswirkungen der Freihandelszone auf ihre private wirtschaftliche Situation. 124 Wie war die Haltung der amerikanischen Bevölkerung zum NAFfA? Tabelle 5 gibt eine Übersicht über repräsentative Umfragen nach Zustimmung oder Ablehnung zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen von August, September, Anfang und Mitte November 1993. Die Tabelle zeigt, daß Befürworter und Gegner des NAFfA in der Bevölkerung sich im Verlauf der Hochphase der NAFfA-Debatte zwischen August und November 1993 nahezu die Waage halten, mit einem leichten Vorsprung der Gegner. Größere Diskrepanzen zwischen Gegnern und Befürwortern liegen in der September- und der ersten November-Umfrage vor. Im September liegen die Gegner einmal mit 6 Prozentpunkten vor den Gegnern, in der Umfrage vom 2. bis 4. November sogar mit 8 Prozentpunkten. Vermutlich als Folge der Fernsehdebatte zwischen Vizepräsident Al Gore und dem texanischen Unternehmer Ross Perot in der Fernsehsendung Larry King Live, am 9. November 1993, verzeichnet die Umfrage vom 15./16. November 1993 einen Einbruch von 5 Prozent auf Seiten der Gegner des NAFfA. Diese Ergebnisse belegen, daß bei einer Fragestellung "Für-oderGegen-NAFfA" ein Sockel von mindestens 40% sich gegen die Freihandelszone ausspricht. Tabelle 5 Meinungsumfragen über Zustimmung und Ablehnung zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen, August bis November 1993 Frage: Sind Sie für oder gegen das Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko? 8.-10. August
10.-12. September
2.-4. November
15.-16. November
Pro
41%
35%
38%
38%
Contra
44%
41%
46%
41%
Keine Meinung
15%
24%
16%
21%
Insgesamt
100%
100%
100%
100%
Quelle: Umfrageergebnisse in The Gallup Poll Monthly, November 1993, S. 17. Tabelle und Übersetzung durch den Autor. 124
Vgl. The Gallup PoIl Monthly, November 1993, S. 19.
122
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Aus der Sicht der Repräsentanten und Senatoren des Kongresses sind Umfragen wie diese jedoch erst dann relevant, wenn daraus hervorgeht, wieviele Wähler die Wiederwahl ihres Repräsentanten oder Senators von dessen oder deren Abstimmungsverhalten bei NAFT A abhängig machen. Die Ratifizierungsabstimmung des NAFTA fand im November 1993 statt. Die nächsten Kongreßwahlen waren genau für ein Jahr später, November 1994, angesetzt. Tabelle 6 gibt Aufschluß darüber, wieviel Prozent der Befragten im November 1993 angaben, aufgrund der Position ihres Kongreßabgeordneten zu NAFTA, ihn oder sie ein Jahr später wiederzuwählen oder nicht wiederzuwählen. Zwei Drittel (67%) der Befragten machten ihre Wahlentscheidung bei den Kongreßwahlen 1994 nicht von der Position ihres Abgeordneten gegenüber NAFTA abhängig; lediglich jeder Fünfte gab im November 1993 an, seinen Kandidaten an der Urne zu bestrafen, sollte das Abstimmungsverhalten des betreffenden Abgeordneten von der eigenen Position abweichen. Die überwältigende Mehrheit der Repräsentanten und Senatoren mußte nicht befürchten, wegen ihres Abstimmungsverhaltens beim NAFTA einen
Tabelle 6 Auswirkungen der NAFTA-Abstimmung auf die Kongreßwahlen 1994 Frage: Wenn Ihr/e Kongreßabgeordnete / r für NAFTA stimmt, werden Sie ihn oder sie nächstes Jahr dann eher wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich wiederwählen; oder wird seine/ihre Position zu NAFTA Ihre Wahlentscheidung gar nicht beeinflussen? Total
Pro-NAFTA
Anti-NAFTA
9%
21 %
3%
Wahrscheinlich nicht wiederwählen
20%
3%
40%
Abstimmungsverhalten hat keinen Effekt auf Wahlentscheidung
67%
74%
56%
4%
2%
1%
100%
100%
100%
Wahrscheinlich wiederwählen
Keine Meinung Insgesamt
Quelle: Umfrageergebnisse in The Gallup Poil Monthly, November 1993, S. 11. Tabelle und Übersetzung durch den Autor.
5. Die Rahmenbedingungen der Ratifizierungsprozesse
123
Denkzettel des Wählers zu erhalten. Vorsehen mußten sich allerdings die Abgeordneten. in deren Wahlbezirk viele Gegner des NAFfA vorhanden waren. 40 Prozent der NAFfA-Gegner drohten nämlich damit. ihre Wahlentscheidung bei den 1994er Kongreßwahlen vom Abstimmungsverhalten ihres Abgeordneten bei NAFfA abhängig machen zu wollen. Hiervon waren besonders viele Demokraten im Repräsentantenhaus betroffen. die am Ende gegen NAFf A stimmten. 5.4. Außenpolitische Rahmenbedingungen und Entscheidungen in der Handelspolitik Handelspolitische Entscheidungen von Exekutive und Kongreß beziehen in ihr Kalkül außenpolitische Zielsetzungen mit ein bzw. werden von außenpolitischen Entwicklungen beeinflußt. Außenpolitische Rahmenbedingungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erlaubten Akteuren in Washington, handelspolitische Entscheidungen zu treffen, die vor dem Zerfall des Ostblocks nicht möglich gewesen wären. Waren außenhandelspolitische Entscheidungen vor 1989 oft an sicherheits- und außenpolitische Erwägungen gebunden, so bot das Ende der Ost-West-Konfrontation Spielraum für eine Handelspolitik, in der kurzfristige ökonomische Interessen oder handelspolitische Alleingänge weniger Rücksicht auf außenpolitische Allianzen nehmen mußten. Multilaterale Handelsabkommen unter dem GATI waren davon in unterschiedlicher Weise betroffen als regionale Freihandelsabkommen. Die Skepsis des amerikanischen Kongresses gegenüber dem GATI oder der WTO in den 1990er Jahren ist durch die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Jahr 1989 zu erklären. 125 Das Ende des Kalten Krieges schuf die außenpolitischen Grundlage für einen "Paradigmenwechsel in der amerikanischen Außenhandelspolitik" (Falke), in der sich die USA von einer Politik des Freihandels im Rahmen des GA TI einer facettenreichen Handelspolitik zuwandte, in der auch unilaterale und regionale Ansätze Platz hatten. 126 In dem Maße, in dem die multilaterale Option an Bedeutung verlor, gewannen regionale Freihandelsabkommen aus außenpolitischer Sicht an Bedeutung. Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen ist dafür ein Beispiel. Das Ende des Kalten Krieges hat dennoch keineswegs zu einer Entkoppelung der Außenhandelspolitik von der Außenpolitik während der ClintonAdministration geführt, wie dies in der Literatur artikuliert worden ist. 127 Diese These bezieht sich auf eine frühe Phase der Clinton-Admini125 126 127
Vgl. Bergsten 1992. Vgl. Falke 1994: 265-267 und 1999. Vgl. Nau 1995 und Nivola 1997.
124
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
stration, als der Eindruck entstand, daß die USA zukünftig handels- und wirtschaftspolitische Ziele unabhängig von außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen verfolgen würden. Bei seinem Antrittsbesuch vor dem Finanzausschuß des amerikanischen Senats im März 1993 äußerte der Handeisbeauftragte, Mickey Kantor: "Past administrations have often neglected U.S. econornic and trading interests because of foreign policy and defense concerns. And they may have been legitimate at points. The days when we could afford to do so are long past. In the post-cold-war world, our national security depends on our economic strengths.,,128 Die Aussage Kantors schien eine Trendwende in der amerikanischen Handelspolitik anzudeuten, in der ehemalige Verbündete der USA zu Kontrahenten in der internationalen Wettbewerbsfahigkeit und Marktanteilen wurden. Hinter dieser Politik stand die weitverbreitete Auffassung, daß die USA während des Kalten Krieges zuviele Zugeständnisse in der Handelspolitik zugunsten ihrer Alliierten gemacht hätten, um deren Prosperität und den Zusammenhalt mit ihnen bei der Eindämmung des Kommunismus zu garantieren. Wie das Zitat Mickey Kantors belegt, wurde der "myth of commercial martyrdom" (Nivola) zu Beginn der Amtszeit Clintons von den engsten Zirkeln um den Präsidenten vertreten. 129 Einige handelspolitische Entscheidungen der Clinton-Administration schienen die von Kantor dargelegte Position zu bestätigen. Der amerikanisch-japanische Konflikt um die Einfuhr japanischer Autos und Automobilteile im Frühjahr 1995 war ein Beispiel für die neue Politik: Ohne Rücksicht auf die japanisch-amerikanischen Beziehungen, denen in der Taiwanund China-Frage besondere außenpolitische Bedeutung zukamen, zwangen die Amerikaner die Japaner auf Kosten der außenpolitischen Zusammenarbeit zu Zugeständnissen im Automobilsektor, deren ökonomische Bedeutung marginal war. l3O Am Ende der Clinton-Administration zeigt sich, daß Außenpolitik und Außenhandels- und Wirtschaftspolitik der USA nach wie vor in engem Verhältnis stehen, nur daß dieses Verhältnis längst nicht mehr konstant oder berechenbar ist, wie dies vor 1989 der Fall war. Die amerikanische Außenhandelspolitik gegenüber China wird von außenpolitischen Erwägungen dominiert. Die Gewährung des Meistbegünstigungsstatus oder die Mitgliedschaft Chinas in der Welthandelsorganisation sind dabei die wichtig128 U.S. Trade Policy and NAFTA. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 103rd Congress. First session. March 9, 1993. Washington, D.C., 1993, S. 9f. 129 Vgl. Nivola 1997 und Tyson 1992. 130 Vgl. Nanto, Dick K.lCooper, William/Bass, Gwenell L.: The JapanU.S. automobile and parts trade dispute. Washington, D.C., June 9, 1995 (CRS-Report Nr. 95-725 E).
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFTA, 1993
125
sten Hebel der Amerikaner, um die Chinesen zu Zugeständnissen hinsichtlich von Menschenrechten zu bewegen. Inwiefern diese Politik tatsächlich von der Besorgnis um Menschenrechte und nicht von dem gewaltigen Defizit in der Handelsbilanz, das die USA mit China haben, motiviert ist, läßt sich kaum eindeutig bestimmen. US-Politik gegenüber Afrika wird auch durch außenhandelspolitische Maßnahmen flankiert. Freihandelszonen sind Teil einer außenpolitischen Strategie, die Afrika unabhängig von Transferzahlungen der Industrienationen macht und einige Staaten des Kontinents an das westliche Lager bindet. Als letztes Beispiel bleibt das Verhältnis der Vereinigten Staaten zur Europäischen Union zu nennen. Ende der 1990er Jahre sind die Beziehungen zwischen den beiden Blöcken wirtschaftspolitisch auf einen Nullpunkt gesunken. Der Streit um das Bananenregime der Europäischen Union oder der Konflikt über amerikanische Rindfleischexporte nach Europa überschatten die transatlantischen Beziehungen und belasten die Glaubwürdigkeit der Welthandelsorganisation. 131 Unter dem gemeinsamen Dach der NATO vermögen die Kontrahenten auf beiden Seiten des Atlantiks trotz der Streitigkeiten in der Handelspolitik eine gemeinsame Politik im Kosovo-Konflikt zu formulieren.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFTA, 1993 ,,( ... ) NAFTA has become sort of the catch-all for the accumulated resentments of the past, the anxieties about the future, and the frustrations of the present. Irrelevant are the specific provisions of the agreement, which plainly make beUer all the specific complaints many of the people opposing NAFTA have about our relationship with Mexico.'.t32 William Jefferson Clinton, Remarks at the Wall Street Journal Conference on the Americas, New York City, October 28, 1993 "The Presidents share a commitment to forge a vigorous partnership for sustained economic growth and opportunity - one which will open markets, so that trade and investment can expand further. The two Presidents have determined that a comprehensive Free Trade Agreement is the best vehicle to achieve these ambitious objectives and, therefore, agree to move in a timely manner toward this end.,,133 Als die Präsidenten George Bush und Carlos Salinas de Gortari am 10. Juni 1990 in Washington ihren Willen 131 Vgl. At daggers drawn, In: The Economist, May 8, 1999, S. 17-20. 132 Vgl. Public Papers 0/ the Presidents 0/ the United States. William J. Clinton. 1993 (two books), Book 11: August 1 to December 31, 1993. Washington, D.C., 1994, S. 1850.
126
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
bekundeten, eine Freihandelszone zwischen den USA und Mexiko einzurichten, war nicht abzusehen, daß sich die Debatte um NAFI'A zu einer der erbittertsten innenpolitischen Auseinandersetzungen der neunziger Jahre in den USA entwickeln würde. NAFfA war der erste bedeutende handelspolitische Entscheidungsprozeß nach Ende des Kalten Krieges. Der Streit um die Ratifizierung des NAFfA ließ Risse in einem Konsens sichtbar werden, der noch bis in die 1980er Jahre hinein stets komfortable Mehrheiten im Kongreß für Projekte der Handelsliberalisierung gewährleistet hatte. Die innenpolitische Debatte um die Freihandelszone legte die Polarisierung zwischen, aber auch innerhalb, der bei den großen politischen Parteien offen. Die Probleme bei der Ratifizierung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens sahen zunächst wie ein Sonderfall aus, der den grundsätzlichen Konsens in der Handelspolitik nicht gefährden würde: Niemals zuvor hatte ein Land mit einem Wirtschaftsniveau wie die USA eine Freihandelszone mit einem benachbarten Schwellen- oder Entwicklungsland wie Mexiko eingerichtet. Viele Gruppen in den USA nutzten die Unkenntnis der Amerikaner in bezug auf das völlig unterschiedliche politische, wirtschaftliche und kulturelle System Mexikos, um Ängste in der amerikanischen Bevölkerung zu schüren, auf ökologische Mißstände aufmerksam zu machen und NAFI'A für ihre innenpolitischen Interessen einzusetzen. NAFI'A war zu keinem Zeitpunkt eine bloße handelspolitische Angelegenheit. Dieser Entscheidungsprozeß stellte ungewöhnlich hohe Anforderungen an die beteiligten Akteure und führte deshalb beinahe zum Scheitern des Abkommens. Nach der Verabschiedung des NAFfA schien es plausibel, daß zukünftig Ratifizierungsprozesse wieder nach dem gewohnten Muster des cry-andsigh-syndrome ablaufen: Handelspolitische Entscheidungen werden weiterhin zu Beginn kontrovers diskutiert, jedoch letztenendes im Kongreß verabschiedet. 134 Diese Studie argumentiert, daß NAFfA keinen Sonderfall darstellte, sondern sich als Beginn der Lähmung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses in den USA erwies. NAFfA hat die Konfliktlinien zukünftiger handelspolitischer Entscheidungsprozesse vorgezeichnet. Der Konflikt um das Freihandelsabkommen hat verschiedene innenpolitische Lager herausgebildet. Themen wie Umwelt und Arbeit werden nicht wieder verschwinden, sondern auch bei zukünftigen Ratifizierungsprozessen eine zentrale Rolle spielen. Die Diskussion um die Erneuerung der Jast-track-authority oder um eine panamerikanische Freihandelszone bestätigen diese These. 133 Vgl. "Mexico-United States Joint Statement on Negotiation 0/ a Free Trade Agreement", June 11, 1990, in: Public Papers 0/ the Presidents 0/ the United States. George Bush. 1990, Book I, Jan. I to June 30. Washington, D.C., 1991, S. 806f. 134 Vgl. Pastor 1983.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
127
Diese Post-NAFTA-Phase ist durch heftige parteipolitische Auseinandersetzungen in der Handelspolitik geprägt, die Präsident Clinton bezüglich multilateraler Handelsabkommen im Rahmen der WTO und Freihandelszonen verhandlungsunfahig machen. Die amerikanische Handelspolitik ist Teil der großen Auseinandersetzung in der amerikanischen Außenpolitik Ende der 1990er Jahre, in der politische Eliten wichtige außenpolitische Ziele der USA zugunsten innenpolitischer Interessen zurückstellen. Die Diskussion um die Mitgliedsbeiträge der USA für die Vereinten Nationen oder die Zahlungen der USA an den Internationalen Währungsfonds sind weitere prominente Beispiele. Die Fallstudie über den Entscheidungsprozeß beim NAFTA hat für die Argumentation der Dissertation höchste Aussagekraft: Im Kontrast zur Tokio-Runde (Fallstudie 1) oder auch zum Ratifizierungsprozeß des Freihandelsabkommens mit Kanada ist NAFTA das erste Handelsabkommen unter fast-track, bei dem Präsident und Kongreß unter den veränderten innen- und außenpolitische Rahmenbedingungen agiert haben. NAFTA ist das erste Freihandelsabkommen, das beinahe im Kongreß durchgefallen wäre. Das Verhalten der Akteure unter den neuen Rahmenbedingungen ist ausschlaggebend für den Ausgang weiterer außenhandelspolitischer Entscheidungen. Inwiefern haben sich ihre Positionen geändert? Welche Strategien wenden Kongreß und Präsident an, um ihre Ziele zu erreichen? Welche neuen Interessenkoalitionen, welche neuen Themen bestimmen die Dynamik und Ausgang des Entscheidungsprozesses? Die Fallstudie des NAFTA ist ein Schritt zur Beantwortung dieser Fragen. Das Kapitel gliedert sich wie die Fallstudie der Tokio-Runde: - Hintergrund des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens - Positionen des Kongresses und der Administration am Vorabend der Ratifizierung - Strategische Ausgangspositionen - Verhältnis zwischen dem 103. Kongreß und der Clinton-Administration - Interaktion von Präsident und Kongreß in den drei Phasen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses 6.1. Vorgeschichte: Die "regionale Strategie" in der amerikanischen Außenhandelspolitik Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFT A) ist im Zuge der Hochkonjunktur regionaler Freihandelsinitiativen entstanden: Ein 1995 erschienener Bericht der Welthandelsorganisation (WTO) zählt zwischen 1947 und 1994 die Entstehung von weltweit insgesamt 98 Freihandelszonen
128
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
und Zollunionen. 135 Mehr als ein Drittel dieser regionalen Initiativen ist in den neunziger Jahren entstanden. Der rapide Anstieg regionaler Wirtschaftsinitiativen deutet darauf hin, daß viele Regierungen sich Vorteile von Regionalisierung 136 als Ergänzung oder als Alternative zur multilateralen Handelsliberalisierung unter dem GATI versprechen. Auch die USA sind diesem globalen Trend gefolgt und haben seit Mitte der 1980er Jahre einige bilaterale bzw. regionale Handelsabkommen abgeschlossen: ein Zollpräferenzabkommen mit den Staaten der Karibik (1984) und mit vier Staaten der Anden-Region, Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru (1991)137, sowie Freihandelsabkommen mit Israel (1985) und Kanada (1988). Die verbleibenden Seiten dieses Kapitels handeln ausschließlich vom innenpolitischen Entscheidungsprozeß im Zusammenhang mit NAFT A. Die Einordnung des NAFTA in den übergeordneten außenpolitischen und handelspolitischen Kontext ist für das Verständnis der sich anschließenden Analyse des innenpolitischen Entscheidungsprozesses allerdings unerläßlich: NAFTA ist keineswegs als das Arbeitsplatzbeschaffungsprogramm konzipiert worden, für das es die Entscheidungsträger im Verlauf der innenpolitischen Kontroverse ausgaben. NAFT A stellte ursprünglich eine außenpolitische Initiative dar, von der amerikanische Firmen profitieren sollten. Hinweise, daß die USA eine regionale Strategie in der Außenhandelspolitik einschlagen könnten, liegen seit spätestens Mitte der 1970er Jahre vor. In einem Report des Finanzausschusses am Senat zum Handelsgesetz von 1974 heißt es: " ... [T]he Committee believes that, in any situation in whieh bilateral negotiations would more effectively serve to promote the economic interests of the Uni ted States than multilateral negotiations, such bilateral agreements should be entered into.,,138 Ein Jahrzehnt später, 1985, heißt es im Economic Report 0/ the President: "A potential problem with multilateral negotiations is that they may be stalled by a relatively small group of countries. If this occurs, the United States and others may eventually be forced to resort to secondary strategies for liberalization. The new freetrade area (FTA) negotiating authority given the President (sie!) offers one possible option."139 Auslöser für die Aktivierung der regionalen Strategie 13S Vgl. Regionalism and the World Trading System. World Trade Organization (Hrsg.), Genf 1995: 25-41, für die Angaben vgl. insbesondere S. 25f. und S. 39. Siehe zu gleicher Thematik ebenfalls Fishlow /Haggard 1992. 136 Eine gute Einführung in die ökonomischen Aspekte der Debatte bietet Frankel 1997. 137 Vgl. Overview and compilation of U.S. trade statutes. V.S. Congress. House of Representatives. Committee on Ways and Means. 105th Congress, Ist Session. June 25, 1997, S. 19-30. 138 Vgl. Trade Reform Act of /974. V.S. Congress. Senate. Report of the Committee on Finance together with additional views on H.R. 10710. 93rd. Congress. 2nd session. November 26. 1974. Washington. D.C.. 1974. S. 80.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
129
war die Enttäuschung der Amerikaner über das gescheiterte GATT-Ministertreffen 1982 in Genf. Die amerikanische Initiative für eine neue GATTRunde scheiterte damals. Die Amerikaner konnten sich mit Europäern und Entwicklungsländern auf keine gemeinsame Agenda verständigen. Intern begann die Reagan-Administration, eine Strategie von Freihandelsabkommen als Alternative zum Multilateralismus zu diskutieren. Aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage in den USA, der wegen des steigenden Dollars rasant zunehmenden Importe und des daraus resultierenden wachsenden Defizits in der Handelsbilanz, bestand aus Sicht der Administration großer Handlungsbedarf: 140 Protektionistische Forderungen bedrängten den Kongreß. Um innenpolitisch Entlastung von den protektionistischen Bestrebungen und außenpolitisch Druck auf die Handelsparmer zu erzeugen, dem Start einer neuen GATT-Runde zuzustimmen, schloß die Reagan-Administration 1985 ein Freihandelsabkommen mit Israel ab, mit dem Ziel, die Freihandelszone der nationalen und internationalen Öffentlichkeit als Modell für weitere regionale Abkommen darzustellen. 141 Im gleichen Jahr vereinbarte Ronald Reagan mit dem kanadischen Premierminister Brian Mulroney den Beginn von Gesprächen über die Einrichtung einer Freihandelszone zwischen beiden Staaten. Freihandelszonen oder regionale Präferenzabkommen haben offenbar mehrere Vorteile gegenüber multilateralen Verhandlungen unter dem GATT: 142 Erstens, wenige Teilnehmer bei Handelsgesprächen ermöglichen vermeintlich schnellere Ergebnisse als über 100 Teilnehmer bei GATT-Verhandlungen. Insbesondere die langwierigen Handelsgespräche im Rahmen der Uruguay-Runde scheinen dieses Argument zu untermauern. Zweitens, in regionalen Handelsabkommen lassen sich handelspolitische Ziele einfacher und weitgehender durchsetzen als im GATT. Die Amerikaner forderten seit Mitte der 1980er Jahre beispielsweise die Einbeziehung von Dienstleistungen, des Agrarsektors und den Schutz geistigen Eigentums in die GATT-Gespräche. Diese Ziele erreichten die USA bei der Uruguay-Runde erst nach vielen Jahren. Hingegen waren diese Forderungen regional leichter durchsetzbar, wie die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada über das NAFfA gezeigt haben. Drittens, Freihandelszonen sind nicht unbedingt eine Absage an den Multilateralismus, sondern Teil einer Strategie der schrittweisen Handelsintegration. Dabei ist vorgesehen, kleine Einheiten nach und nach zu großen Freihandelsräumen zusammenzufügen. NAFfA gilt beispielsweise als erster Schritt in Richtung auf eine panamerikanische Vgl. Economic Report 0/ the President, Februar 1985, S. 125. Vgl. Fliess 1991: 43-56. 141 Vgl. Israel Free Trade Bill clears House easily, In: Congressional Quarterly, Weekly Report, May 11, 1985: 880. . 142 Vgl. Schott 1989: 6-16. \39
140
9 Pfeil
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Freihandelszone. Viertens, parallel zu den handelspolitischen Zielsetzungen verfolgten die USA stets auch außen- und sicherheitspolitische Ziele mit dem Abschluß bilateraler Handelsabkommen. So eignet sich der Abschluß von regionalen Abkommen als Drohung gegenüber den Europäern. Die Bemühungen der Amerikaner um eine pazifische Freihandelszone haben im Winter 1993 zu einer Beschleunigung der ins Stocken geratenen Gespräche bei der Uruguay-Runde beigetragen. In einem Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Kongresses (Congressional Research Service) für die Abgeordneten des 103. Kongresses (1993/1994) heißt es: The free trade agreements the United States has entered into to date also have been largely propelled by specific political considerations: The one-way free trade area negotiated with the Caribbean Basin countries in 1984 was motivated primarily by security rather than economic considerations. (... ) The United States-Israel free trade agreement (... ) was motivated overwhelmingly by support for bolstering the economy of a U.S. ally in the Middle East rather than considerations of U.S. economic gains. The 1988 U.S.-Canada free trade agreement (... ) was openly portrayed by U.S. proponents as a mechanism for enhancing U.S. bargaining leverage with its European trading partners (... ). The one-way duty-free preferential trade program for the Andean nations in 1991 was motivated by concems about drug trafficking in that region. (... ) The controversial NAFrA agreement has underlying, but often unstated, political motivations. ,,143
Das zunehmende Gewicht einer regionalen Strategie in der amerikanischen Außenhandelspolitik hat in Expertenkreisen eine Diskussion entfacht, ob die USA dem multilateralen GATI-Prozeß den Rücken kehren und fortan stattdessen handelspolitische Alleingänge in Form von bilateralen Handelsabkommen gehen würden. Besonders Jagdish Bhagwati, ein Verfechter des Freihandels unter dem multilateralen Handelsregime des GATI, befürchtet in Schriften wie The World Trading System at Risk (1991) und The dangerous drift to preferential trade agreements (1995) die Schädigung oder gar den Zusammenbruch der multilateralen Handelsliberalisierung im Rahmen des GATI, sollten die USA ihre Bemühungen um den Ausbau weiterer Freihandelszonen fortsetzen. Die Entstehung der nordamerikanischen Freihandelszone macht jedoch deutlich, daß die Amerikaner keineswegs daran denken, den multilateralen Weg der Handelsliberalisierung aufzugeben. Amerikanische Initiativen regionaler Wirtschaftsintegration wie das NAPfAverfolgen mehrere Ziele: Neben handelspolitischen Erwägungen stehen stets auch außenpolitische Ziele im Vordergrund. Die Handelspolitik war und ist ein Instrument der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik. 143 Vgl. Aheam, Raymond J./Reifman, Alfred: V.S. [nterest in Western Hemisphere Free Trade. Washington, D.C., November 12, 1993 (CRS Report Nr. 93-988
F, S. 5.
6. Fallstudie II: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
131
Außenpolitische Ziele waren es auch, die die Amerikaner in den 1970er und frühen 1980er Jahren zur Initiative der Einrichtung einer Freihandelszone mit Mexiko motivierten: Politische und wirtschaftliche Stabilität Mexikos, Reduzierung der Zahl illegaler Einwanderer, Bekämpfung des Drogenhandels, Zugang zu den umfangreichen mexikanischen Erdölvorkommen. 144 Der Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei im Wahlkampf 1980, Ronald Reagan, gilt als der erste Protagonist einer nordamerikanischen Freihandelszone. Die Idee war jedoch nicht völlig neu: Bereits in den 1970er Jahren hatten der ehemalige Finanzminister der Nixon-Administration, John Connally, der ehemalige Verteidigungsminister Robert McNamara in seiner Funktion als Chef der Weltbank und der kalifornische Gouverneur Jerry Brown aus unterschiedlichen Motiven für eine Intensivierung der mexikanisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen plädiert. 145 Das Handelsgesetz von 1979, das die Tokio-Runde ratifizierte, bemerkte in Section 1104 beiläufig: "The President shall study the desirability of entering into trade agreements with countries in the northern portion of the western hemisphere (. .. )".146 Die Initiative Ronald Reagans aus dem Wahlkampf 1980 stieß zu diesem Zeitpunkt jedoch auf taube Ohren der mexikanischen Regierung unter L6pez Portillo. Beträchtliche Ölfunde hatten die mexikanische Regierung Ende der 1970er Jahre dazu ermutigt, ihre Politik der rhetorischen Konfrontation gegenüber den USA noch zu verstärken und auf aktive Hilfe der Sandinisten in Nikaragua auszuweiten. 147 Diese Haltung änderte sich jedoch abrupt als Mexiko 1982 im Zuge der Schuldenkrise die Zahlungsunfähigkeit erklärte. Die neue mexikanische Führung unter Miguel de la Madrid leitete im Zuge der mexikanischen Schulden- und Wirtschaftskrise umfangreiche Reformen ein, die nicht nur das Schuldenproblem des Landes lösen, sondern Mexiko von einem Entwicklungsland innerhalb kürzester Zeit zu einer Industrienation katapultieren sollten. Außenpolitisch gingen diese Reformen im Laufe der 1980er Jahre mit einer dramatischen Annäherung Mexikos an die USA einher. Unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds und ihres Hauptgläubigers, den USA, verordneten die Regierungen de la Madrid (1982-1988) und Salinas de Gortari (1988-1994) Mexiko eine neoliberale Strategie: Annullierung des Wirtschaftsmodells der Importsubstitution, d. h. Öffnung Vgl. in diesem Sinne Krugman 1993 und Göll 1994b: 44f. Die Darstellung folgt Orme 1993: 21-26, hier S. 26. 146 Vgl. Section 1104, Trade Agreements Act of 1979. V.S. Congress. Senate. Hearings before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 96th Congress, first Session. July 10 and 11, 1979. Washington, D.C., 1979, S.31O. 147 Für den folgenden Absatz vgl. Schirm 1994: 56-120 und 1995: 17-22. 144
14S
9·
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
des mexikanischen Marktes für ausländische Anbieter, Privatisierung der Staatsbetriebe, Hinwendung zu einer exportorientierten Wirtschaftspolitik. Diese Reformen vertrugen sich mit einer kritischen Haltung gegenüber den USA nicht mehr. Besonders als deutlich wurde, daß die mexikanische Schuldenkrise langfristiger Natur war, gab die Regierung in Mexiko-City die ehemaligen ,,revolutionären" außenpolitischen Positionen auf und ordnete sie ihren wirtschaftlichen Zielsetzungen unter. Der radikale Wandel der mexikanischen Regierung gegenüber dem Nachbarn im Norden wurde offenbar: 1990 schlugen die Mexikaner den USA die Einrichtung einer nordamerikanischen Freihandelszone vor. Die Initiative der mexikanischen Regierung war von wirtschaftspolitischen Interessen geleitet: Der mexikanische Präsident Salinas de Gortari realisierte, daß Mexiko den wirtschaftlichen Umbau ohne die Zufuhr ausländischen Kapitals nicht alleine bewältigen konnte. Um amerikanischen und anderen ausländischen Investoren größere Anlagesicherheiten zu bieten, startete die mexikanische Regierung die Initiative, ihr Land in eine Freihandelszone mit den USA einzubeziehen. Die USA waren und sind bis heute der bei weitem größte Exportmarkt Mexikos. Eine Freihandelszone sollte außerdem amerikanisches Kapital langfristig, und nicht nur auf die nördliche Region begrenzt, anziehen. Zudem schien ein Freihandelsabkommen auch ein Garant gegen die gefürchteten unilateralen außenhandelspolitischen Maßnahmen der amerikanischen Handelspolitik. Die amerikanische Regierung unter George Bush nahm die mexikanische Anfrage positiv auf. Aus handelspolitischer Sicht hatte eine Freihandelszone mit Mexiko für die USA keine große Priorität. Mexiko hatte im Zuge seiner wirtschaftspolitischen Reformen seinen Markt für die USA bereits 1986 beträchtlich geöffnet. Dennoch erhofften sich die USA von einer Freihandelszone mit dem südlichen Nachbarn langfristig die Lösung derselben Probleme, die bereits Ronald Reagan zehn Jahre zuvor in den Griff bekommen wollte: Illegale Einwanderung, Drogenhandel, Zugang zum mexikanischen Erdöl, politische und wirtschaftliche Stabilität in Mexiko. 6.2. Positionen des Kongresses in der Handelspolitik am Vorabend der Ratifizierung des NAFTA In den 1980er und 1990er Jahren haben sich die Bedingungen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses grundlegend geändert. Im Unterschied zur Tokio-Runde wirkten in der Phase vor der NAFTA-Ratifizierung drei Faktoren auf die Positionen der Kongreßabgeordneten: Erstens, der handelspolitische Entscheidungsprozeß ist zunehmend einer Öffentlichkeit ausgesetzt. Handelspolitik entwickelte sich nach der Tokio-
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Runde von einern kaum beachteten Thema zu einern schwer umkämpften Politikfeld (6.2.1.). Zweitens, auf den Rändern beider großer Parteien tauchte das Phänomen des sog. "economic nationalism" auf. Politiker wie Richard Gephardt, Tom Harkin, Ross Perot und Pat Buchanan benutzten die handelspolitische Thematik für ihre populistische Agenda und wahlkampfpolitischen Ziele. Dieser "ökonomische Nationalismus" bedeutet die Politisierung der Handelspolitik. Er mobilisiert kurzfristig Wähler und beeinflußt daher Kongreßabgeordnete (6.2.1.). Drittens, die handelspolitische Diskussion wurde um neue Themen wie z. B. "Umwelt" und "Arbeit" erweitert. Beide Themen betrafen die Kernklientel von Demokraten und Republikaner und berührten die ideologischen Fundamente von Abgeordneten dieser Parteien (6.2.2). 6.2.1. Handelspolitik im Zentrum des öffentlichen Interesses und ihre Politisierung in den Reagan-Jahren
Im Unterschied zur Tokio-Runde spielte sich der Entscheidungsprozeß beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen und der Uruguay-Runde in der öffentlichen Arena ab. Während der 1980er Jahre entstand das Meinungsurnfeld, in dem die NAFTA-Debatte ihre Brisanz erlangte. Handelspolitik war in dieser Phase ein viel beachtetes und hart umkämpftes Politikfeld geworden. Die Öffentlichkeit und die zunehmende Politisierung handelspolitischer Themen wirkte sich auf die Positionen des Kongresses in zweifacher Hinsicht aus. Erstens, die Position des einzelnen Kongreßabgeordneten war plötzlich einer Vielzahl von Einflüssen und Interessen ausgesetzt. Die Zahl der arn Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure wuchs beträchtlich. Politische Eliten, aber auch die Wähler, widmeten der Handelspolitik zunehmend Aufmerksamkeit. Abgeordnete mußten sich somit für ihre Positionen in der Handelspolitik rechtfertigen. Zweitens, Politiker schlugen aus dieser Entwicklung politisches Kapital. Sie spielten mit der ökonomischen Unsicherheit der Bevölkerung. Arbeitsplatzsorgen und sinkende Reallöhne ließen sich thematisch mit Handelspolitik in Verbindung bringen. Im Rahmen eines "ökonomischen Nationalismus" wurden simplifizierte Analysen und Lösungen angeboten: Vertreter dieser Richtung machten Japan, die Politiker in Washington und amerikanische Wirtschaftsführer für den von der Öffentlichkeit wahrgenommenen Niedergang der USA verantwortlich. Die Öffnung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses und Politisierung der Handelspolitik engten die Handlungsspielräume von Präsident und Kongreß ein: Für das informelle und vor den Augen der Öffentlichkeit
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weitgehend verborgene Bargaining, wie während der Endphase der GATT-Runde 1979, ließ diese Entwicklung wenig Raum. Wie konnte Handelspolitik innerhalb von nur zehn Jahren in den Brennpunkt der politischen Auseinandersetzung gelangen? Wieso gab es Ende der 1980er Jahre ein öffentliches Bewußtsein für ein Thema, das zuvor fast ausschließlich nur Eliten betraf, wie z. B. Wirtschaftsunternehmen und Politiker in Washington ? In erster Linie waren es makroökonomische Faktoren, wie der Höhenflug des amerikanischen Dollars, die in den achtziger Jahren den handelspolitischen Entscheidungsprozeß der VSA in ein umkämpftes Politikfeld verwandelten. 148 Die Reagan-Administration hatte früh in ihrer Amtszeit Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung unternommen. Ein strikte Geldmengenpolitik trieb die Zinsen in die Höhe. Weiterhin standen Steuersenkungen großen Ausgabensteigerungen (Verteidigungsetat) im Bundeshaushalt gegenüber, die das Haushaltsdefizit anschwellen ließen. Die Finanzierung des rasch wachsenden Haushaltsdefizites wurde über die Kapitalmärkte vorgenommen; da inländisches Kapital aufgrund der im Vergleich zu anderen westlichen Industriestaaten wesentlich geringeren Sparquote in der USA nicht ausreichend vorhanden war, griffen die Amerikaner auf ausländische Anleger zurück. Hohe Zinsen lockten ausländisches Kapital an. Der Run auf die amerikanischen Kapitalmärkte sorgte für eine Verteuerung der amerikanischen Währung und damit auch ein wachsendes Defizit in der Handelsbilanz: Ein starker Dollar verteuert amerikanische Waren im Ausland und läßt amerikanische Exporte zurückgehen. Ein überbewerteter Dollar stärkt die Kaufkraft der V.S.-Amerikaner im Ausland und gibt den amerikanischen Konsumenten zusätzliche Anreize, ausländische Güter nachzufragen; die Importe steigen erheblich und damit das Defizit in der Handelsbilanz: Betrug das Defizit in der Handelsbilanz am Ende des ersten Amtsjahres Ronald Reagans noch 28 Milliarden V.S. Dollar, stieg es innerhalb der nächsten fünf Jahre rapide: 67.1 Milliarden V.S.-Dollar (1983), 112.5 Milliarden U.S.-Dollar (1984), 122.2 Milliarden U.S.-Dollar (1985), 145.1 Milliarden V.S.-Dollar (1986), 159.9 Milliarden U.S.-Dollar (1987).149 Von großer politischer Bedeutung war, daß die Bevölkerung diese Zahlen mit Besorgnis verfolgte: " ... [S]urveys regularly record high levels of concern over the trade deficit, and over American competitiveness in general.,,150 Bedenklich erschien den Amerikanern besonders, mit welchen Handelspartnern die USA die größten bilateralen Handelsdefizite hatten und in welchen Sektoren der Wirtschaft V.S.-Exporte zurückgingen. Die größten bilateralen Defizite im Außenhandel verzeichneten die VSA mit Japan und den sog. 148 149
130
Vgl. Cline 1989: 61 f. und Low 1993: 12-15. Vgl. Destler 1995: 45. Vgl. Teixeira/Molyneux 1993: 5.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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..Tigerstaaten", Taiwan, Hong Kong, Südkorea und Singapur. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Länder symbolisierte, daß die Jahre der amerikanischen Hegemonie in der Weltwirtschaft gezählt waren. Deprimierend wurde außerdem empfunden, daß Exporte nicht nur in den Wirtschaftszweigen Stahl, Kohle und Textilien zurückgingen, sondern auch im Hochtechnologiesektor, wie z. B. dem Halbleitermarkt, in dem die Amerikaner lange Jahre führend gewesen waren. Diese ökonomischen Entwicklungen führten am Ende des Jahrzehnts zu einer kollektiven Untergangsstimmung in den USA, die Jagdish Bhagwati als ,,Diminished Giant Syndrome,,151 bezeichnet. Die pessimistische Stimmung im Land und die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Unternehmen führte zu erheblichen Forderungen an den Staat. Viele Firmen forderten Schutz vor ausländischen Importen oder verlangten die Öffnung ausländischer Märkte. Wähler machten zunehmend die Handelspolitik für die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich. Handelsbilanzdefizite und Krisenbewußtsein allein hätten die Handelspolitik nicht zu einem brisanten Politikfeld gemacht, wenn das politische System auf die gesteigerten Forderungen der Wirtschaft mit konkreten Initiativen reagiert hätte. Die Exekutive unter der Führung von Reagan fing die Wucht dieser Forderungen nicht ab, wie Präsidenten vor Reagan es zu tun pflegten. Der Präsident überließ es dem Kongreß, die Krise in der Handelspolitik zu bewältigen. Auf die Überbewertung des Dollars reagierte die Administration unter Ronald Reagan zu spät. In der Handelspolitik verfolgte sie außer Einzelinitiativen kein umfassendes Konzep: "In fact, the evidence suggests that the economic philosophy of the Reagan administration had no discemible effects on US trade policy.,,152 Resultat dieser Politik war ein "handelspolitischer Problemstau" (Edgar Göll), der im 99. Kongreß (1985) kulminierte und zu einer Hut von protektionistischen Gesetzesinitiativen im Kongreß führte. 153 Wirksame Maßnahmen gegen die Überbewertung der amerikanischen Währung hätten vermutlich das Wachstum des Defizits in der Handelsbilanz verlangsamt. Den Höhenflug des amerikanischen Dollars begriff die Reagan-Administration jedoch als Zeichen der Stärke der amerikanischen Wirtschaft. Versuche, den Wert des Dollars gegenüber anderen Währungen zu dämpfen, erfolgten erst mit dem Plaza-Abkommen von New York 1985. Der Kurs der amerikanischen Währung war daraufhin 1987 und 1988 wieder auf den Wert von 1980 gesunken und auch das Defizit in der Handelsbilanz verringerte sich etwas. Politisch war diese Änderung der wirtschaftlichen Daten allerdings kaum zu spüren. 154 Der Kongreß hatte Mitte ISI IS2 IS3
154
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Bhagwati 1991. Pearson 1990: 24. Kramer 1989: 169f. und Göll 1994a: 90ff. Low 1993: 14f.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
der 1980er Jahre zahlreiche Gesetzesinitiativen eingeleitet, die eine Eigendynamik entfalteten und nicht abrupt gestoppt werden konnten. Die Positionen der Demokraten und Republikaner in der Handelspolitik tendierten in diesen Jahren deutlich in Richtung Protektionismus. ISS Dabei konnten die Demokraten von der Situation profitieren. Republikanische Senatoren und Repräsentanten befanden sich durch die Tatenlosigkeit der Exekutive in einer ungewohnten Lage. Für sie war die Lage in der Handelspolitik in den 1980er Jahren besonders paradox: Einer der bisher populärsten Präsidenten ihrer Partei befand sich im Weißen Haus, und sie hatten zudem seit Ende 1981 für sechs Jahre eine Mehrheit im Senat. Die Republikaner waren ideologisch die Partei der Handelsliberalisierung; Präsident Reagan war, wie auch die große Mehrheit der Republikaner am Kongreß, ein erklärter Freihändler. Die oben geschilderte wirtschaftliche Entwicklung trieb viele Republikaner kurzfristig ins protektionistische Lager, um dem Forderungsdruck der Öffentlichkeit zu begegnen. Die Demokraten hingegen profitierten von dem Vakuum auf dem Gebiet der Handelspolitik. Das Thema gab ihnen völlig unerwartet Gelegenheit, sich vor den Wählern ein wirtschaftspolitisches Profil aufzubauen und, gegen Japan gerichtet, ihren "Patriotismus für die USA" unter Beweis zu stellen. Beide Themen waren während der Reagan-Jahre von den Republikanern besetzt. "Trade is a democratic macho issue. We are for American strength,,156, bemerkte Tony Coelho, Vorsitzender des Demoeratie Congressional Campaign Committee, in den 1980er Jahren. Der Präsidentschaftswahlkampf 1988 zeigte die Dimensionen dieses neuen "eeonomie nationalism".157 Einer der aussichtsreichen Kandidaten der Demokraten, Richard A. Gephardt (D-MO), versuchte mit seinen aggressiven Attacken gegen Japan, mit denen die USA das größte bilaterale Defizit in der Handelspolitik hatten, wahlkampfpolitisch zu punkten. Gephardt spielte hierbei mit den Ängsten der Amerikaner: Umfragen bestätigten immer wieder, daß die Bevölkerung Entwicklungen in der Handelspolitik besonders in Hinsicht auf die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze verfolgte. Die 1980er Jahre hatten mit einer Rezession begonnen. Die Arbeitslosenquote in den USA war von 9,5% im Jahr 1982 nur langsam auf 6,9% im Jahr 1986 und schließlich auf unter 6% Ende des Jahrzehnts gesunken!58 Die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung nahm eine sich kontinuierlich verringernde Wettbewerbsfähigkeit der USA gegenüber andeISS Vgl. für die Positionen der beiden Parteien in den 1980er Jahren die gute Darstellung bei Ehler 1993: 101-113. IS6 Vgl. Ehler 1993: 107. 1S7 Vgl. Teixeira/Molyneux 1993. IS8 Vgl. Statistical Abstract o[ the United States 1993. 113th edition. Department of Commerce, Bureau of Census, Tafel 621, S. 393.
6. Fallstudie II: Das beinahe Scheitern des NAFTA, 1993
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ren Handelsnationen wahr. 159 Laut Meinungsumfragen machten die Amerikaner nicht nur niedrigere Löhne im Ausland, die starke Arbeitsmoral und die unfairen Handelspraktiken der ausländischen Konkurrenz, insbesondere Japan, verantwortlich, sondern auch die Management-Schwächen amerikanischer Unternehmer und das Versagen der politischen Führung. l60 Auf der Plattform des "ökonomischen Nationalismus" hat bisher noch kein Kandidat erfolgreich einen Wahlkampf bestritten; eine aggressive Haltung in der Handelspolitik erregt lediglich zeitweise Aufmerksamkeit, bringt jedoch keine Mehrheit der Wähler an die Urne. 161 Die Debatte um NAFfA hat jedoch gezeigt, daß der ökonomische Nationalismus in bestimmte Wählerlager einbrechen und die Sitze alteingesessener Abgeordneter gefährden kann. Die Kandidaturen Ross Perots und Pat Buchanans in den Präsidentschaftswahlen 1992 und 1996 haben dieses Potential unterstrichen. Vor der AntiNAFfA Propaganda Ross Perots versuchten sich viele republikanische Abgeordnete zu schützen, indem sie auf Distanz zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen gingen. Am Ende der Reagan-Jahre hatte sich der Kongreß mehr als jemals zuvor als aktiver Mitspieler in der Handelspolitik etabliert. Der Omnibus Trade and Competitiveness Act 01 1988 war das erste Handelsgesetz seit den 1930er Jahren, das der Kongreß initiierte und gegen das Veto des Präsidenten verabschiedete. Die protektionistischen Tendenzen vieler Kongreßabgeordneter waren in der Amtszeit George Bush nicht mehr vorhanden. Die Ära Reagan hatte jedoch im Kongreß und unter den Interessenverbänden zu einer "Aufrüstung" in der Handelspolitik geführt. Anfang der 1990er Jahre stieg das Bewußtsein für die Bedeutung handelspolitischer Fragen und damit auch die Bereitschaft, schneller als bisher Maßnahmen zu ergreifen. Dann kam NAFfA.
6.2.2. Umwelt und Arbeit - Die Erweiterung der handelspolitischen Agenda Die Frage nach den Positionen der Kongreßabgeordneten am Vorabend der NAFfA-Debatte ist mit dem Protektionisten-Freihändler-Schema nicht mehr ausreichend zu erfassen. In den 1990er Jahren hat sich die handelspolitische Agenda um Themen erweitert, die traditionell nicht im Zusammenhang mit Handelsbeziehungen diskutiert werden. Themen wie "Umwelt" und "Arbeit", und nicht mehr nur Zustimmung oder Ablehnung von HanEbd., S. 12ff. Ebd., S. 8. 161 Vgl. The Trade issue is a non-starter. Unveröffentlichtes Papier, Washington, D.C., 1997, das mir Pietro Nivola durch Charles O. Jones freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. 159
160
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deisliberalisierung, bestimmten das Abstimmungsverhalten der Kongreßabgeordneten beim NAFTA. Bei den Aspekten Umwelt und Arbeit geht es im Kern um die Frage, ob Handelsliberalisierung zwischen Ländern mit stark unterschiedlichem Wirtschaftsniveau, wie Mexiko und die USA, negative Wirkungen hat auf die Umweltqualität oder das Wohlstandsniveau der Vertragspartner oder ob die geplante Freihandelszone zur Erreichung umweltpolitischer oder arbeitsrechtlicher Ziele eingesetzt werden kann. Die Positionen in dieser Debatte sind eindeutig zu benennen. Viele Demokraten forderten ökologische und die Arbeitsstandards betreffende Klauseln im NAFfA-Vertrag. Zusammen mit ihrer Klientel, Gewerkschaften und Umweltverbänden, befürchteten sie, daß die niedrigeren Löhne Mexikos für viele amerikanische Unternehmen Anreiz bieten könnten, ihre Standorte aus den USA nach Mexiko zu verlegen oder, daß die höheren amerikanischen Standards im Umweltbereich sich den niedrigeren ökologischen Standards Mexikos "nach unten" anpassen würden. Die Mehrheit der Demokraten lehnte NAFfA ab, weil ihrer Meinung nach Ökologie und Arbeitsbedingungen nicht ausreichend bei den Verhandlungen berücksichtigt wurden und machten ihre Zustimmung von der Einbeziehung dieser Aspekte in den NAFfA-Vertrag abhängig. 162 Die meisten Republikaner am Kongreß und die Bush-Administration lehnten die Einbeziehung der Themen Umwelt und Arbeit in die Verhandlungen über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen ab. Große Unternehmen, die zur Klientel der Republikaner zählen, betrachteten umweltpolitische und arbeitsrechtliche Auflagen als potentielle Barrieren im Handel mit Mexiko, bzw. widersprachen den von den Gewerkschaften projezierten Arbeitsplatzverlusten in der amerikanischen Wirtschaft. Threr Meinung nach würde NAFTA Arbeitsplätze schaffen, nicht eliminieren. Zudem sahen sie Umweltprogramme oder Anpassungshilfen für Arbeitnehmer stets mit Kosten oder der Schaffung administrativer Strukturen verbunden, die traditionell von Republikanern abgelehnt werden. Trotz dieser eindeutigen Einordnung von Demokraten und Republikaner in die verschiedenen Lager folgt daraus nicht, daß alle Demokraten als Protektionisten zu bezeichnen sind, weil sie die Berücksichtigung umweltpolitischer oder arbeitsrechtlicher Aspekte in den NAFfA-Vertrag forderten. Zweifellos dient der Ruf von gewerkschaftlicher Seite nach ökologischer Verträglichkeit handelsliberalisierender Maßnahmen oft nur als Vorwand, um den Abbau von Handelsschranken zu verhindern und den Verlust von 162 Einen guten Überblick über die Argumente und Positionen der Gegner von Freihandel bietet der bei Earth Island Press 1993 erschienene Sammelband The case againstfree trade. Siehe auch Nader/Wallach 1996.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAPfA, 1993
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Arbeitsplätzen abzuwenden. Dennoch muß eine Analyse der politischen Debatte um die Verabschiedung des NAFfA die unterschiedlichen Schattierungen der Positionen von Demokraten und Republikaner berücksichtigen: Kongreßabgeordnete, besonders in den Reihen der Demokraten, können auch dann zum Lager der Befürworter von Handelsliberalisierung gezählt werden, wenn sie sich für die Berücksichtigung von Umwelt und Arbeit in Handelsabkommen aussprechen. Sie befürworten eine Handelsliberalisierung, die qualitative Aspekte wie Umweltverträglichkeit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen berücksichtigt. Die große Bedeutung der Themen Umwelt und Arbeit im Zusammenhang mit Handelspolitik besteht in ihrer politischen Brisanz. Die im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten stärkere parteipolitische Polarisierung der Handelspolitik zwischen Demokraten und Republikanern, aber auch innerhalb der Parteien, ist in den 1990er Jahren auf die Erweiterung der handelspolitischen Debatte um diese Themen zurückzuführen. Besonders die Republikaner verstehen es seit der NAFfA-Diskussion, mit den Themen Umwelt und Arbeit die Reihen der Demokraten beim Thema Handelspolitik zu spalten und dadurch in Verlegenheit zu bringen. Die Republikaner machen sich außerdem zunutze, daß Präsident Clinton seit NAFfA stets auf den Großteil republikanischer Stimmen angewiesen ist, wenn er in der Außenhandelspolitik etwas bewegen will. Der Präsident war und ist deshalb gut beraten, das Ausmaß ökologischer und arbeitsrechtlicher Bestimmungen in Handelsabkommen eher gering zu halten, um die Zustimmung der Grand Old Party nicht aufs Spiel zu setzen. Diese Position führt unweigerlich zu Reibereien mit der Mehrheit der Demokraten im Kongreß und ihrer Kemklientel der Demokraten, den Gewerkschaften. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, forderte im Juni 1998 eine Verlängerung des Jast-track- Verfahrens. Gingrich spekulierte damit, daß durch eine erneute Jast-track-Debatte die Demokraten unmittelbar vor den Wahlen aneinandergeraten würden oder der Präsident, um eine Konfrontation mit seiner Partei vor den Augen der Wähler zu vermeiden, zähneknirschend auf die Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht und damit auch auf die Möglichkeit, Außenpolitik und Außenhandelspolitik zu gestalten, würde verzichten müssen. Die politischen Triebkräfte für die Einbeziehung ökologischer und die Arbeitsstandards betreffenden Themen waren die Demokraten und ihre Klientel, Gewerkschaften und Umweltverbände. Von ihnen ging während der NAFfA-Debatte der größte Widerstand gegen die geplante Freihandelszone mit Mexiko aus. Die Motivation beider Gruppen und ihre Rolle bei der Ratifizierung des NAFfA wird nachstehend kurz skizziert. Die Gewerkschaften standen vielen Demokraten ideologisch nahe und waren traditionell eine bedeutende finanzielle Quelle für ihre Wahlkämpfe.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Seit Ende der 1960er Jahre sorgten sie für protektionistische Sentiments in der Demokratischen Partei. 163 Wie dargestellt, brachten die Gewerkschaften der Ratifizierung der Tokio-Runde die stärkste Opposition aller Akteure entgegen. Zu Beginn der 1990er Jahre steckten die Gewerkschaften bereits seit zwei Jahrzehnten in einer Krise. l64 Sie standen in dem Ruf, korrupt zu sein und Verbindungen mit dem organisierten Verbrechen zu unterhalten. Der Rückgang der Zahl ihrer Mitglieder in den 1970er und 1980er Jahren war angesichts steigender Beschäftigungszahlen dramatisch. Die Gewerkschaften hatten den Strukturwandel hin zu den Dienstleistungsindustrien versäumt und waren dort besonders gering organisiert. Mit der Abnahme der Beschäftigung in den produzierenden Industrien und einer Zunahme der Beschäftigung im Dienstleistungssektor nahm die Gewerkschaftsmacht ab. Weiterhin hatten die Gewerkschaften versäumt, die Arbeitgeber dazu zu bringen, Gewinne aus den Produktivitätszuwächsen an die Arbeiter weiterzugeben. Zum Zeitpunkt der NAFTA-Debatte stagnierten die Reallöhne bereits seit vielen Jahren. 165 Hinzu kam das gewerkschaftsfeindliche politische Klima der Reagan- und Bush-Jahre. Am Vorabend der NAFTADebatte war kein Ende dieses Abwärtstrends abzusehen. NAFTA bot der Gewerkschaftsbewegung Gelegenheit, Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich als gesellschaftlich relevante Bewegung auf der politischen Bühne zurückzumelden. l66 Die Thematik besaß wachsende öffentliche Aufmerksamkeit und berührte die Kembelange der Gewerkschaften, wie z. B. das sog. outsourcing, d. h. die Verlagerung von Produktionsprozessen zu billigeren Anbietem im Ausland, Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz u. a. Die Gewerkschaften, vertreten durch die Demokraten, forderten die Einrichtung von freien und unabhängigen Gewerkschaften in Mexiko, das Recht der Mexikaner auf kollektive Tarifverhandlungen, die Einführung von Mindestlöhnen in Mexiko, die Verbesserung und Überwachung von Sicherheitsstandards an mexikanischen Arbeitsplätzen und die Abschaffung der Kinderarbeit. Zu Beginn der Debatte um die Verlängerung des fast-track procedure im März 1991 hatten die Gewerkschaften und die Demokraten folgende Befürchtungen hinsichtlich einer Freihandelszone zwischen den USA und Mexiko: 167 Vgl. Moody/McGinn 1992. Vgl. Göll 1994c. 165 Vgl. Blue-collar blues. In: The Economist, vol. 337, no. 7938, October 28, 1995, S. 29-31. Zur Diskussion der Lohnentwicklungen unter dem NAFfA vgl. Bolle, Mary Jane: NAFfA: U.S. employment and wage effects. Washington, D.C., April 27, 1993 (CRS Report NR. 93-447 E). 166 Vgl. Gennond/Witcover 1993. 163
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- Niedrige Arbeitslöhne in Mexiko könnten amerikanische Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktionsstandorte nach Mexiko zu verlegen. Der Verlust tausender Arbeitsplätze in den USA wäre die Folge, vor allem in den arbeitsintensiven Industrien. 168 - Die erheblich geringeren Arbeitslöhne in Mexiko könnten die Löhne auf der amerikanischen Seite drücken. - Diese Entwicklungen könnten dazu führen, daß die Zahl der Mitglieder amerikanischer Gewerkschaften weiter sinkt und gewerkschaftliche Macht weiter ausgehöhlt wird. - Amerikanische Arbeitsstandards (z. B. Verbot der Kinderarbeit, Sicherheit am Arbeitsplatz; Länge von Pausen) könnten durch NAFfA auf das mexikanische Niveau sinken, basierend auf der Annahme, daß Standards eher nach unten als nach oben angepaßt werden. Befürworter des NAFfA sagten dagegen eine Zunahme von Arbeitsplätzen voraus. 169 Am bekanntesten dürften hierbei die Studie von Schott und Hufbauer aus dem Jahre 1993 sein, die 20000 neue Arbeitsplätze in den USA für jede zusätzliche Milliarde des amerikanischen Handelsbilanzüberschusses mit Mexiko voraussagte. Bis Ende 1995 würden diesen Annahmen zufolge netto 170000 neue Jobs in den USA entstehen. 17o Die Prognosen der Gegner, am prominentesten die Studie des gewerkschaftsnahen Economic Policy Institute, 171 reichen von 490000 Arbeitsplätzen, die bis zum Jahr 2000 durch NAFf A in Mexiko und damit nicht in den USA geschaffen würden, bis hin zu Ross Perots Szenario eines "giant sucking sound", eines gewaltigen Sauggeräusches, das das Geräusch symbolisierte, wenn Perot zufolge 5 Millionen amerikanischer Niedriglohnjobs nach Mexiko abwandern würden. 172 167 Vgl. Wiarda 1994: 124-126. Vgl. die Argumente dieser Diskussion auch in North American Free Trade Agreement: Are there jobs Jor American workers? V.S. Congress. House of Representative. Hearing before the Employment, Housing, and Aviation Subcommittee of the Committee on Government Operations. 103rd Congress, first session. May 27, 1993. Washington, D.C., 1993. 168 Vgl. zum Thema Arbeitsmarkt und NAFfA - Reifman, Alfred: NAFTA and jobs. An overview. Washington, D.C., December 21,1992 (CRS Report Nr. 92-955 S). 169 Einen guten Überblick über die Vielzahl der verschiedenen Studien verschafft Hinojosa-Ojeda/Robinson 1992: 78-94. Zusammenfassungen der Argumente von Gegnern und Befürwortern bieten Reifman, Alfred: NAFTA and jobs. An overview. Washington, D.C., December 21, 1992 (CRS Report Nr. 92-955 S) und Bolle, Mary Jane: NAFTA: V.S. employment and wage effects. Washington, D.C., April 27, 1993 (CRS Report NR. 93-447 E). 170 Vgl. HufbauerlSchott 1993: 14ff. 171 Zitiert in Orme 1993: 74f. 172 Vgl. Perotl Choate 1993.
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Sechs Jahre nach Inkrafttreten des NAFfA wird nicht nur die Unzulänglichkeit sämtlicher ökonomischer Modelle, sondern auch das volle Ausmaß der Politisierung der Debatte offenbar. Keine der Studien konnte Mexikos Peso-Krise von 1994/1995 oder die andauernde Hochkonjunktur in den USA voraussagen. Beide Phänomene wandelten den prognostizierten Überschuß in der amerikanischen Handelsbilanz in ein erhebliches Defizit und hatten unerwartete Folgen auf die Arbeitsmarktentwicklungen auf beiden Seiten des Rio Grande. Die Studien der Befürworter und Gegner des NAFfA produzierten auch 1997/98 widersprüchlige Daten über die tatsächlichen Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf den amerikanischen oder mexikanischen Arbeitsmarkt. Die im Juli 1997 vorgelegte Studie der Clinton-Administration spricht von 2,3 Millionen Arbeitsplätzen, die von Exporten in NAFfA-Länder abhingen. Sie räumt jedoch ein, daß die NettoArbeitsplatzzunahme durch NAFfA bis 1996 lediglich 90000 bis 160000 beträgt 173 und nicht 200000, wie von dem Handelsbeauftragten der ClintonAdministration, Mickey Kantor, für den Zeitraum von 1994 bis 1995 vorausgesagt. Demgegenüber belaufen sich die Berechnungen des Economic Policy Institute bis September 1997, d.h. etwa drei Monate nach Veröffentlichung des Berichts der Clinton-Administration, auf einen Netto-Verlust von insgesamt 394835 Arbeitsplätzen seit Januar 1994p4 Die Fülle der Faktoren für die Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten Mexikos und den USA und die Vielzahl der Annahmen und Definitionen, die sämtlichen Modellen zugrunde liegen, macht eine auch nur annähernd präzise Prognose der Arbeitsmarktentwicklung unter Bedingungen eines Freihandelsabkommens unmöglich. Das ,,NAFfA numbers game,,175 entpuppt sich als wissenschaftliches Ränkespiel, das beiden Seiten der NAFfA-Debatte populistische Argumente, aber keine Gewißheit über die realen Auswirkungen der Freihandelszone auf den amerikanischen Arbeitsmarkt lieferte. Im Vergleich zu den Gewerkschaften ist die Verbindung zwischen den Umweltverbänden und den Demokraten jüngeren Datums. Fragen des Umwelt- und Naturschutzes erreichten in den USA erst in den 1970er Jahren eine breite Öffentlichkeit. Mit dem wachsenden Umweltbewußtsein änderte sich der Charakter und die Gräße der Umweltorganisationen. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten entwickelten sich Interessengruppen wie der
Sierra Club, Friends of the Earth, National Audubon Society, National Wildlife Federation, Greenpeace USA u. a. von kleinen, relativ unbedeuten-
173 Vgl. Study on the operation and effects 0/ the Nonh American Free Trade Agreement. The President of the United States. Washington, D.C., July 1997: 1822. 174 Vgl. Rothstein/Scott 1997a und Rothstein/Scott 1997b. 17S Vgl. Orme 1993: 73ff.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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den Organisationen zu professionellen und für den politischen Entscheidungsprozeß höchst einflußreichen Verbänden mit wachsender Mitgliedschaft. 176 NAPfA gab für die Umweltgruppen ein lohnenswertes Ziel ab. Im Unterschied zu den Gewerkschaften war ihre Kritik an dem Freihandelsabkommen eindeutiger zu belegen. Die durch das Maquiladora-Phänomen 177 verursachten ökologischen Schäden an der amerikanisch-mexikanischen Grenze waren bereits eingetreten, durch zahlreiche Gutachten und Studien untersucht und konnten selbst von republikanischer Beite kaum angezweifelt werden. Im Unterschied zu den Gewerkschaften, deren Kritik auf bloße Projektionen möglicher Arbeitsplatzverluste in der Zukunft basierte, bezogen sich die Umweltgruppen auf ein real-existierendes Szenario. Neben der Sorge um die ökologische Situation und ihre negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung im Norden Mexikos, standen auch eigennützige Motive der Umweltlobby: die eigene Finanzierung. Mit der Professionalisierung der Verbände und dem rapiden Wachstum ihrer Mitgliederzahlen stiegen die Verwaltungskosten. Christopher J. Bosso zufolge sahen sich die Umweltverbände deshalb in den 1990er Jahren mit dem Problem konfrontiert "to manage big, expensive, professional advocacy operations while retaining the comrnitment and financial support of a heterogeneous and frequently restive membership.,,178 Die Komplexität der ökologischen Themen in Verbindung mit NAFTA rechtfertigte die aufwendigen und teuren Verwaltungsapparate, Stäbe und Gutachter. NAFTA und die ökologische Situation an 176 Zur Entwicklung der Mitgliederzahlen dieser Organisationen vgl. Bosso 1995: 104, Tafel 5.1. 177 Die sog. Maquiladora-Industrien im Norden Mexikos gehen auf einen Vertrag zwischen Mexiko und den USA zurück. Unter dem Programm dürfen ausländische Unternehmen (vorwiegend amerikanische) Fabrikationsstätten im Norden Mexikos einrichten, Fertigteile zollfrei nach Mexiko einführen, in den Fabriken mit billigen mexikanischen Arbeitskräften montieren und wieder zollfrei in die USA ausführen. Das Maquiladora-Programm ist der Nachfolger des Anfang der sechziger Jahre ausgelaufenen Bracero-Programmes. Unter dem Bracero-Programm waren zwischen 1942 und 1964 insgesamt 5,2 Millionen mexikanische Arbeitskräfte vorwiegend in der amerikanischen Landwirtschaft beschäftigt. Sie kamen der großen Arbeitsnachfrage in den USA zur Zeiten des Kriegs- und Nachkriegsbooms nach. Die Anfang der sechziger Jahre einsetzende Rezession in den Vereinigten Staaten beendigte das Bracero-Programm. Im Rahmen des Maquiladora-Programms sollten die arbeitslosen mexikanischen Landarbeiter neue Arbeitsstellen erhalten. Das Phänomen der Maquiladora-Industrien ist sehr umstritten. Nicht nur die ökologischen Probleme verbunden mit den Maquiladoras stehen im Mittelpunkt der Kritik. Zu fragen ist nach dem Wert dieses Modells für die mexikanische Entwicklung. Vgl. zum Themenkomplex der Maquiladora-Industrien Burkard 1992:375-382 und sehr kompakt Villarreal, M. Angeles: Mexico's Maquiladora industry. Washington, D.C., September 27, 1991, updated December 14, 1993 (CRS Report Nr. 93-1050 E). 178 Vgl. Bosso 1995: 101.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
der Nordgrenze stellte nach Auffassung der Umweltverbände ein plastisches Beispiel für die negativen Effekte des Freihandels dar. Die Umweltverbände formulierten im wesentlichen drei Kritikpunkte gegen die geplante Freihandelszone mit Mexiko: 179 - Die wesentlich niedrigeren Umweltstandards könnten Anreiz für amerikanische Firmen sein, die umweltbelastenden Produktionsschritte ihrer Produktion nach Mexiko zu verlegen (pollution-heaven-Argument). - Die Maquiladora-Industrien an der mexikanisch-amerikanischen Grenze haben zu schweren Umweltschäden im Grenzgebiet in Wasser, Boden und Luft geführt. Es wird prognostiziert, daß die Emissionen unter dem geplanten Freihandelsabkommen noch weiter zunehmen. Besonders die auf der mexikanischen Seite der Grenze lebenden Menschen tragen nachweisbar erhebliche gesundheitliche Schäden davon. Auf U.S.-amerikanischer Seite sind vor allem die südwestlichen Bundesstaaten der USA betroffen, die eine gemeinsame Grenze mit Mexiko haben: Texas, NeuMexiko, Arizona, Kalifomien. - Die im Vergleich zu den Vereinigten Staaten geringeren mexikanischen Umwelt- und Gesundheitsstandards bedrohen das Wohlergehen der U.S.Amerikaner; als Beispiel wurde stets die Verwendung von Pestiziden in der mexikanischen Landwirtschaft angeführt, deren Produkte den amerikanischen Markt erreichen. Im Gegenzug bestünde die Gefahr, daß Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheits standards der USA durch eine Freihandelszone mit Mexiko aufgeweicht werden könnten. 180 Während die Gewerkschaften NAFTA von Anfang an ablehnten und ihre Position auch im Zuge der Zusatzabkommen über Umwelt und Arbeit im Frühjahr 1993 nicht revidierten, gelang es der Clinton-Administation durch Konzessionen im Umweltbereich einige Umweltverbände auf ihre Seite zu ziehen. Organisationen wie die National Wildlife Federation, Environmental Defense Fund, National Audubon Society, Natural Resources Defense Council, World Wildlife Fund und Conservation International unterstützten 179 Vgl. dazu Economic and environmental implications of the proposed U.S. Trade Agreement with Mexico. U.S. Congress. Senate. Joint Hearing before the
Committee on Environment and Public Works and the Subcomrnittee on Labor of the Committee on Labor and Human Resources. 102nd Congress, First session, April 23 and May 8, 1991. Washington, D.C., 1991. Die Anhörung spiegelt die Diskussion im weiteren Verlauf der NAFTA-Debatte wieder: Environmental Aspects 01 the North American Free Trade Agreement. Hearing before the Committee on Environment and Public Works. Senate. 103rd Congress, First Session. March 16, 1993. Washington, D.C., 1993. 180 Vgl. Vogt, Donna U.: North American Free Trade Agreement: Concems about health and food safety problems. Washington, D.C., November 24, 1992 (CRS Report Nr. 92-834 SPR).
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFI'A, 1993
145
letztendlich NAFf A, weil sie der Auffassung waren, daß die ClintonAdministration in ausreichender Weise auf ihre Forderungen eingegangen sei. 181 Die Tatsache, daß die ökologische Situation an der rnexikanischamerikanischen Grenze sich in den Jahren nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens nicht änderte, sollte sich als Hypothek der Clinton-Administration in späteren Entscheidungsprozessen erweisen. 6.3. Die Position der Clinton-Administration Wie bereits früher ausgeführt, kommt dem Präsidenten bei der Verabschiedung eines Handelsabkommens eine Schlüssefunktion zu (vgl. Kapitel 4.3). Er handelt das Abkommen mit dem Ausland aus und wählt den Zeitpunkt, an dem er dem Kongreß das Abkommen zur Ratifizierungsabstimmung vorlegt. Von seinen Prioritäten und seinem Engagement hängt es ab, ob er den Kongreß überzeugen kann, das Abkommen zu ratifizieren. Dieser Abschnitt stellt die Haltung der Exekutive zu NAFTA im Übergang von der Bush- zur Clinton-Administration dar. Der Präsidentschaftswahlkampf beeinflußte die Debatte um NAFTA in zweierlei Hinsicht: Erstens, die Präsidentschaftskandidaten, insbesondere George Bush, diskutierten NAFTA erstmals primär in einem innenpolitischen und wirtschaftspolitischen Kontext. Die Gegner des amtierenden Präsidenten Bush warfen ihm eine Überakzentuierung außenpolitischer Themen vor. Im Laufe des Wahlkampfes wich George Bush deshalb von seiner Haltung ab, daß NAFTA eine rein außenpolitische Angelegenheit sei und betonte ab 1992 zunehmend die Bedeutung des Abkommens für den amerikanischen Arbeitsmarkt: ,,( ... ) [T]he North American free trade agreement is going to increase jobs dramatically. And the more exports you have, the more domestic jobs you have.,,182 Zweitens, der Wahlkampf erforderte auch vom Kandidaten der Demokraten, Bill Clinton, eine Stellungnahme zum geplanten Freihandelsabkommen. Clinton hatte sich im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1992 zu einem ernstzunehmenden Gegenkandidaten für George Bush entwickelt. Im Gegensatz zu Bush betonte Clinton im Wahlkampf besonders innenpoliti181 Zur Erläuterung der Beweggründe für ihre Entscheidung, NAFI'A zu unterstützen, vgl. die Aussage des Executive Director des Environmental Defense Fund, Fred Krupp, vor dem Committee on Finance des amerikanischen Senates, in: NAFTA and related side agreements. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 103rd Congress. First session. September 15, 21, and 28, 1993. Washington, D.C., 1994, S. 1l5f. 182 Vgl. Public papers 0/ the Presidents 0/ the United States. George H. Bush. 1992. (In two books), Book I: January 1 to July 31, 1992. Washington, D.C., 1993, S.422.
10 pfeil
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
sche Themen, insbesondere Wirtschaftspolitik. Clintons Position zu der Freihandelszone mit Mexiko wurde spätestens seit dem Sommer immer häufiger eingefordert. Die Bush-Administration hatte die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada am 12. August 1992 für beendet erklärt. Nach der Sommerpause des Kongresses, Anfang September 1992, häuften sich im Kongreß die Stimmen, die eine Neuverhandlung des NAPf A-Vertrages forderten. Die Kandidaten mußten Stellung beziehen. Clintons Position zu NAPf A war im Laufe des Jahres zwischen die Fronten geraten. Von der einen Seite machte George Bush gegen Clinton wahlkampfpolitisch Stimmung, indem er das Image Clintons als "Neuen Demokraten" attackierte und ihn als anti-Freihändler und damit Demokraten alten Stils hinstellte. 183 Von anderer Seite geriet Clinton ebenfalls unter Druck. Clintons wichtigste Klientel, Gewerkschaften und Umweltverbände im Bündnis mit der Führung der Demokraten im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt und David Bonior, forderten den Bewerber der Demokraten auf, NAPfA abzulehnen. Clinton stand nun vor dem Dilemma, den Vorwurf des Protektionismus abzuschütteln, ohne die Unterstützung der Gewerkschaften aufs Spiel zu setzen. Einen Monat vor der Wahl, am 4. Oktober 1992, erklärte Bill Clinton seine Position zu NAPfA. In einer Rede auf dem Campus der North CaroUna State University sprach er sich für das NAPfA aus, räumte jedoch ein, daß er NAPfA in seiner gegenwärtigen Form nicht dem Kongreß vorlegen wolle. Das Abkommen enthielt seiner Auffassung nach große Defizite in den Bereichen Umwelt und Arbeit. Clinton plädierte deshalb dafür, Zusatzabkommen zum NAPfA zu verhandeln, die diese Defizite angehen und beheben sollten. l84 Diese Position des "Ja, aber" ermöglichte es Clinton für die verbleibende Zeit vor der Wahl, allen seinen Kritikern entgegenzutreten. Dem Vorwurf Bushs trat er mit einem freihändlerischen Profil entgegen, das ihn als "neuen Demokraten" auswies. Die Kritik aus den Reihen der Demokratischen Partei, Gewerkschaften und Umweltgruppen konnte er mit dem Hinweis auf die von ihm geforderten Zusatzabkommen zurückweisen. Entscheidend für den Ratifizierungsprozeß des NAPfA ist, daß Clinton diese Wahlkampfposition zur offiziellen Position seines ersten Amtsjahres 1993 machte. NAPfA hatte keinerlei Priorität für die neue Administration. Clinton betrachtete das Freihandelsabkommen als eines der Elemente seines wirtschaftlichen Programmes, das auf die Erhaltung der amerikanischen "Wettbewerbsfähigkeit" zielte. Dieser Ansatz führte zu einer weiteren 183 Vgl. Clinton keeps "wait and see" stance on NAFTA, Bush siams Democrat for waffling, in: Inside U.S.-Trade, September 4, 1992, S. 3f. 184 Vgl. With reservations, Clinton endorses Free-Trade Pact, in: The New York Times, Monday, October 5, 1992, S. A 1.
6. Fallstudie II: Das beinahe Scheitern des NAFfA. 1993
147
Innenpolitisierung NAFfAs. die durch die Diskussion während des Präsi-
dentschaftswahlkampfes schon eingeleitet worden war. Durch den Hinweis, NAFfA stehe im engen Zusammenhang mit der Sicherung und der Schaffung von Arbeitsplätzen. schaffte Clinton erst eine Sensibilität für das Thema in den Medien und im Kongreß. Die Clinton-Administration nahm sich von Anfang die Option, NAFf A der Öffentlichkeit als außenpolitische Maßnahme verkaufen zu können und ließ sich stattdessen auf die Diskussion ein, wieviele Arbeitsplätze durch NAFfA gewonnen oder verloren gehen würden. Diese Debatte erwies sich als sehr abstrakt und eher willkürlich, hingen die erwarteten Projektionen offensichtlich von den grundsätzlichen Einstellungen der Institutionen ab, die die Gutachten erstellten.
Die Clinton-Administration sprach sich im Laufe des Jahres 1993 wiederholt für NAPf A aus, machte dessen Verabschiedung durch den Kongreß jedoch weiterhin von Zusatzabkommen in den Bereichen Umwelt und Arbeit abhängig. Diese Strategie hatte zunächst die Funktion, die unmittelbaren Gegner des NAPfA in den Reihen der eigenen Klientel zu besänftigen und hinzuhalten. Aussagen der Vertreter von Gewerkschaften und Umweltgruppen vor den Ausschüssen des Kongresses im Februar und März 1993 bestätigen, daß diese Rechnung anfangs aufging. Besonders die Gewerkschaften erhielten die Opposition gegen NAFfA weiterhin aufrecht; allerdings artikulieren Vertreter der Gewerkschaften und der Umweltlobby die Hoffnung, daß die geplanten Zusatzabkommen zumindest die als besonders gravierend empfundenen Defizite des NAPfA-Vertrages nachbessern würden.
6.4. Clintons Verhältnis zum 103. Kongreß Die Interaktion des Präsidenten mit dem Kongreß war auch im Fall des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens von den Erfahrungen mit vorhergehenden Entscheidungsprozessen bestimmt. ..The Congress takes its measure of every new President - the members watching and sniffing the air and feeling the pulse of their constituents. It is constantly judging how strong a President is and how popular he is, as they make their calculations of how important it is to support hirn and the consequences of not doing SO.,,185 Wie waren die strategischen Ausgangspositionen zwischen Präsident Clinton und dem 103. Kongreß vor Beginn der heißen Phase der NAFfADebatte Anfang September 1993? Welche Auswirkungen hatten sie auf den handelspolitischen Entscheidungsprozeß beim NAFfA? Der erste Eindruck, den das politische Washington von Bill Clinton bekam, war der von Inkompetenz und Unerfahrenheit. 186 Die Übergangs18S
Vgl. Drew 1994: 107.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
phase von der Bush- zur Clinton-Administration bereitete Clinton offenbar große Schwierigkeiten: Die Besetzung der Kabinettposten und die Rekrutierung der Mitarbeiterstäbe zögerte sich im Vergleich zu vorhergehenden Administrationen viel zu lange hin. Clintons Präsidentschaft erwies sich als skandalträchtig: Durch die Presse gingen Episoden wie die des 200 DollarHaarschnitts in Air Force One auf dem Flughafen von Los Angeles, die Entlassung der Belegschaft des Reisebüros im Weißen Haus oder seine als Whitewater bekannt gewordenen vermeintlichen Grundstücks-Transaktionen in Arkansas. Diese Episoden stellten die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Clinton-Administration von Beginn an in Frage und schwächten damit seine Stellung gegenüber dem Kongreß. Die Popularität Präsident Clintons in der Bevölkerung war, gemessen an seinen Vorgängern, erheblich geringer und demnach kein Pfeiler, auf den er sich während der NAFrA-Debatte stützen konnte. Bei der Präsidentschaftswahl im November 1992 waren auf Bill Clinton 43% der abgegebenen Stimmen entfallen. Dieses Ergebnis stellte kein Mandat der Wählerinnen und Wähler dar. Die Mehrzahl seiner Vorgänger war mit erheblich größeren Margen ins Amt gekommen: George Bush 1988 (53,4%), Ronald Reagan 1980 (50,7%), Jimmy Carter 1976 (50,1 %), Richard Nixon 1968 (43,4%) und Lyndon B. Johnson 1964 (61 %). Meinungsumfragen aus dem ersten halben Jahr nach Amtsantritt zeigen, daß Clinton im Vergleich zu seinen Vorgängern erheblich weniger Rückhalt in der Bevölkerung besaß. Nach sechs Monaten im Amt, Ende Juni 1993, befürworteten lediglich 46% der Befragten Clintons Amtsführung [(Vergleich frühere Präsidenten im sechsten Monat ihrer Amtszeit: Bush (66%), Reagan (60%), Carter (67%), Nixon (65%) und Johnson (75%)].187 Clintons Popularität blieb auf diesem Niveau während des gesamten Sommers. Erst im Herbst 1993 stieg die Zustimmungsrate leicht an, was hauptsächlich auf Clintons Erfolge im Nahost-Friedensprozeß und auf die erfolgreiche Ratifizierung des NAFrA zurückzuführen war. Der Erfolg beim NAFrA verhalf Clinton zu besseren Ergebnissen in den Meinungsumfragen, nicht umgekehrt. Das Verhältnis zwischen Clinton und dem Kongreß war dadurch gekennzeichnet, daß Clinton auf eine Strategie verzichtete, die die Interessen von Demokraten und Republikanern berücksichtigte. 188 Während der ersten Monate seiner Amtszeit ignorierte der neue Präsident die Republikaner und verließ sich auf die Mehrheiten der Demokraten in beiden Kammern des Kongresses. Clinton mußte somit zu jedem Zeitpunkt die Einheit seiner Vgl. Drew 1994. Vgl. die Meinungsumfrage über "Clinton Job Performance", in: The Gallup Poil Monthly, November 1993, S. 26 mit Gallup-Umfragen über die Popularität seiner Vorgänger, in: The American Enterprise, vol. 4 (1993), Marchl April, S. 94. 188 Vgl. Woodward 1994: 3l7f. 186 187
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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Partei wahren, um nicht auf Stimmen aus dem republikanischen Lager angewiesen zu sein. Dies erwies sich als eine fast unmögliche Aufgabe, war doch der ideologische Graben zwischen den linken und konservativen Flügeln seiner Partei erheblich. Seit den Carter-Jahren regierte mit Präsident Clinton erstmals wieder ein Demokrat im Weißen Haus zusammen mit einer Mehrheit seiner Partei im Kongreß. Im Repräsentantenhaus betrug das Kräfteverhältnis 258 Demokraten zu 176 Republikanern; im Senat standen 57 Demokraten 43 Republikanern gegenüber. Der Präsident unternahm während der ersten Monate keine Versuche, die Interessen der Republikaner zu berücksichtigen oder gar einen All-ParteienKonsens für seine Projekte zu erreichen. Bei den Abstimmungen über den Haushalt und das "Stimulus-Gesetz", das der amerikanische Wirtschaft Impulse geben sollte, erhielt der Präsident dann auch keine einzige Stimme von den Republikanern im Repräsentantenhaus. Für die Verabschiedung des NAFfA war diese Strategie eine schlechte Voraussetzung, weil zu erwarten war, daß die Ratifizierung des Freihandelsabkommens einen Großteil republikanischer Stimmen erforderte. Außerdem benötigte der Präsident für NAFfA die Stimmen der 30-40 konservativen Abgeordneten der Demokraten am Repräsentantenhaus, deren Vertrauen der Präsident verschiedene Male strapaziert hatte. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung seines ehrgeizigen Haushaltsplanes hatte Clinton diesen Teil der Partei dazu gebracht, für eine unpopuläre Energiesteuer unter der Zusicherung zu votieren, gemeinsam mit ihnen die politische Verantwortung dafür zu tragen. Die Steuer tauchte in der Haushaltsversion des Senates nicht mehr auf, und der Präsident hatte die Demokraten quasi ohne Grund dazu veraniaßt, es sich mit ihrer Klientel bei diesem Thema zu verderben. "I don't know if the President can get anyone to go out on a limb again,,189 war die Reaktion eines demokratischen Abgeordneten auf den Umgang Clintons mit seiner Partei. Die Episode um die Energiesteuer kostete Clinton das Vertrauen vieler seiner Parteigenossen am Kongreß. Als es im November 1993 zur Abstimmung über das Nordamerikanische Freihandelsabkommen im Kongreß kam, mußte Clinton den Demokraten zahlreiche Zugeständnisse machen, um sich ihrer Zustimmung zu versichern. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß Präsident Clinton von einer schwachen Position gegenüber dem Kongreß in den Entscheidungsprozeß um das NAFfA ging: Im Vorlauf des Entscheidungsprozesses hatte er sich weder durch Kompetenz im Gesetzgebungsprozeß ausgezeichnet noch genoß er nennenswerten Rückhalt bei der Bevölkerung. Er baute bei der Umsetzung seiner ehrgeizigen Agenda auf die Mehrheit seiner Partei, die uneinig hinter ihm stand. 189
Vgl. Drew 1994: 173.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
6.5. Drei Phasen der Interaktion beim Entscheidungsprozeß des NAFT A Am 17. November 1993 um 22:26 Uhr zeigte die Anzeigetafel des Repräsentantenhauses das Ergebnis der Abstimmung: 234 Stimmen .·.für NAFfA, 200 Stimmen dagegen. Experten hatten ein erheblich knapperes Resultat vorausgesagt. Fast drei Monate stand das Tauziehen um NAFT A zwischen Kongreß und Präsident, zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen Multinationalen Konzernen und Gewerkschaften im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Viel hatte auf dem Spiel gestanden, besonders für Präsident Clinton. Am Ende eines in den Augen der Beobachter fast mißlungenen ersten Amtsjahres im Weißen Haus galt der Abstimmungserfolg über das NAFTA als ein Kompetenzbeweis der Clinton-Administration. Der Präsident bezeichnete vor der Presse den Ausgang der Abstimmung als "defining moment for our nation"l90. Sind Verlauf und Ausgang des Entscheidungsprozesses zum NAFTA nur eine Neuauflage des von Robert Pastor als "cry-and-sigh-syndrome,,191 bezeichneten Phänomens - "Vom Aufschrei zum erleichterten Seufzen,,192? War, wie bei so vielen Handelsgesetzen, die Auseinandersetzung um das NAFfA nur das gewohnte, wenn auch mit höherer Intensität durchgeführte, rituelle Scheinfechten der Gegner und Befürworter des Abkommens? Nach dem Muster der Fallstudie über die Tokio-Runde gliedert sich die Untersuchung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses beim NAFTA in drei Abschnitte, die mit den Phasen des Entscheidungsprozesses identisch sind: Die erste Phase umfaßt die Zeit bis zu dem Beginn der Handelsgespräche, März 1991 bis Juni 1991 (Kapitel 6.5.1.); es folgt die Interaktion von Präsident und Kongreß während der Dauer der Verhandlungen, Juli 1991 bis August 1992 (Kapitel 6.5.2.); schließlich wird der Ratifizierungsprozeß analysiert, September 1992 bis November 1993. 6.5.1. Phase 1 der 1nteraktion: Die Verlängerung des fast-track- Verfahrens
Im Vergleich zur Tokio-Runde spielte der Kongreß in der Vorphase der Verhandlungen eine sehr aktive Rolle. Die Phase vor dem Beginn der Verhandlungen im Frühjahr 1991 war durch eine intensive Interaktion zwi190 Vgl. Remarks on the House 01 Representatives Action on the Nonh American Free Trade Agreement and an Exchange With Reponers, November 17, 1993, in: Public Papers 01 the President 01 the United States. William 1. Clinton. Book 11,
August 1 to Deceniber 31, 1993. Washington, D.C., 1994, S. 2005. 191 Vgl. Pastor 1983. 192 Übersetzung ist Titel des Buches von Edgar Göll 1994a.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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schen Präsident und Kongreß gekennzeichnet. Der Kongreß prüfte das geplante Projekt und stellte konkrete Forderungen auf, die der Präsident in die Agenda der Verhandlungen aufnehmen mußte. Der Kongreß machte auch zum ersten Mal das Ratifizierungsverfahren selbst zum Gegenstand einer umfangreichen Debatte. Er beschränkte sich nicht mehr darauf, der Exekutive durch allgemeine Vorgaben einen Rahmen abzustecken, sondern verlangte vielmehr die Einbeziehung spezifischer Themenbereiche, ganz besonders Umwelt und Arbeit, in die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada. Der Druck auf den Präsidenten war in dieser Phase so stark, daß dieser es für notwendig hielt, dem Kongreß schriftlich Zusagen bezüglich seiner Forderungen zu machen. Am 5. Februar 1991 einigten sich Mexiko, die USA und Kanada auf eine Teilnahme Kanadas an den Verhandlungen für eine Nordamerikanische Freihandelszone. Aus kanadischer Sicht bot sich dieser Schritt an. Die USA und Kanada befanden sich seit dem 1. Januar 1989 in einer Freihandelszone, deren Vertrag Grundlage für die Handelsgespräche mit Mexiko sein würde. Um mit den Verhandlungen beginnen zu können, benötigte George Bush eine Verlängerung des fast-track procedure. Das Handelsgesetz von 1988, der Omnibus Trade and Competitiveness Act, hatte das fast-track procedure zunächst nur bis zum 31. Mai 1991 gewährt. Nach diesem Datum würde sich eine Anwendung des Verfahrens automatisch um zwei Jahre verlängern, wenn nicht mindestens eine Kammer des Kongresses eine Verlängerung ablehnen würde. Das Tauziehen zwischen Präsident und Kongreß um das fast-track- Verfahren sollte das umstrittenste wirtschaftspolitische Thema des Jahres 1991 werden. 193 Das Gesetz von 1988 schrieb dem Präsidenten vor, mindestens 90 Tage vor Ablauf der Frist, d.h. spätestens bis zum 1. März 1991, dem Kongreß mitzuteilen, daß er das Verfahren für zwei weitere Jahre benötigte. George Bush benachrichtigte am 1. März 1991 den Kongreß offiziell von seiner Absicht. Im 102. Kongreß (1991/1992) hatten die Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von 268 zu 166 und im Senat von 57 zu 43. Eine Mehrzahl von ihnen war fest entschlossen, eine Verlängerung des fast-track procedure zu unterbinden. Diese hauptsächlich aus Demokraten bestehende Gruppe lehnte eine Verlängerung des fast-track procedure ab. Ihre Opposition gründete nicht nur auf Kritik an dem geplanten Freihandelsabkommen mit Mexiko. Die Demokraten am Kongreß fühlten sich übergangen, weil Präsident Bush Anfang März 1991 die Verlängerung des fast-track procedure für die Verhandlungen mit Mexiko und die GATT-Gespräche verlangte. Für das GATT, nicht für eine Freihandelszone mit Mexiko und Kanada, hatte der Kongreß das Verfahren 1988 ursprünglich vorgesehen. Das Dilemma des Kongresses 193
Für einen Überblick vgl. Destler 1995: 98-103.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
bestand darin, fast-track entweder für beide Abkommen zu verlängern oder beide Verhandlungen durch eine Ablehnung des Verfahrens zum Scheitern zu bringen. Der Kongreß unterstützte die Uruguay-Runde, lehnte eine Freihandelszone mit Mexiko jedoch ab. Die Koalitionen der Befürworter und Gegner des fast-track procedure setzten sich folgendermaßen zusammen: Präsident George Bush, die überwiegende Mehrheit der Republikaner im Kongreß, sowie eine Minderheit der Demokraten befürworteten die Weiterführung der GATI-Gespräche und die Aufnahme von Verhandlungen über NAFTA. Als Vorteil aus der Sicht des Präsidenten war die Zustimmung der Vorsitzenden der wichtigsten Ausschüsse. Dan Rostenkowski (D-IL) vom Committee on Ways and Means und Senator Lloyd Bentsen (D-TX) vom Senate Finance Committee signalisierten von Beginn an, daß sie auf der Seite von George Bush standen. Ihre Unterstützung sollte sich als einer der Schlüssel für den späteren Erfolg der Administration erweisen. Ihre Gegner bestanden aus der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus und Senat. Diese war keinesfalls homogen, sondern teilte sich in verschiedene Untergruppen auf: Dazu zählten Abgeordnete, die beide Abkommen ablehnten und andere, die nur die NAFTA- oder nur die GATI-Verhandlungen stoppen wollten. Der größte Widerstand richtete sich gegen die geplante Freihandelszone mit Mexiko. Viele NAFfA-Gegner machten ihre Zustimmung zu fast-track davon abhängig, ob und inwieweit die Bush-Administration die Themen Umwelt und Arbeit bei den Handelsgesprächen berücksichtigen würden (vgl. Kapitel 6.2.2.). Weder George Bush, die Republikaner noch die mexikanische oder kanadische Regierung waren an einer Diskussion umweltpolitischer oder Arbeitsstandards betreffenden Aspekte interessiert. Eine Schlüsselrolle bei der Debatte kam dem Mehrheitsführer der Demokraten am Repräsentantenhaus, Richard Gephardt (D-MO), ZU. 194 Er repräsentierte den linken Flügel der Demokratischen Partei und war der Favorit der Gewerkschaften, der als Exponent protektionistischer Handelspolitik innerhalb der Partei galt. Gephardt hatte Handelspolitik im Präsidentschaftswahlkampf 1988 erfolgreich thematisiert, bevor seine Kampagne am Super Tuesday an Geldmangel scheiterte. Seine Position gegenüber der Verlängerung des fast-track procedure würde das Stimmverhalten vieler Demokraten beeinflussen. Gephardts Entscheidung, für oder gegen eine Verlängerung zu stimmen, wurde von seinen Ambitionen auf das Präsidentenamt bestimmt, für das er im Frühjahr 1991 erneut eine Kandidatur erwog. Der amtierende Präsident Bush genoß nach dem Sieg der USA und ihrer Alliierten über 194 Vgl. Democrats weigh the polities 0/ hattling Bush on Mexico, in: Congressional Quarterly, Weeldy Report, March 16, 1991, S. 660f.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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den Irak im Golfkrieg große Popularität in der Bevölkerung. Die Demokraten und Gephardt hatten vor dem Golfkrieg auf das falsche Pferd gesetzt, als sie sich gegen den Einsatz amerikanischer Truppen ausgesprochen hatten. 195 Bei der Debatte um die Verlängerung des fast-track procedure riskierten die Demokraten abermals, nicht nur wieder als Verlierer dazustehen, sondern setzten sich zudem noch dem Vorwurf aus, Protektionisten zu sein. Gephardt zögerte lange und votierte einige Tage vor der Abstimmung jedoch für eine Verlängerung des fast-track procedure. 196 Auf die Anfrage des Präsidenten vom 1. März 1991, das fast-track procedure zu verlängern, brachten die Gegner Resolutionen im Kongreß ein. Byron Dorgan (D-ND) war der Autor der House Resolution 101, der er am 6. März 1991 im Repräsentantenhaus einbrachte, Senator Ernest Hollings (D-SC) war der Sponsor der Senate Resolution 78 (13. März), die gleichen Inhalts im Senat zur Abstimmung kommen sollte. Einfache Mehrheiten in einer der beiden Kammern wären ausreichend gewesen, um eine Resolution zu verabschieden und damit den Ausstieg der USA aus den GATI-Verhandlungen und das vorzeitige Ende des NAFfA zu besiegeln. Initiativen der Demokraten, über das fast-track- Verfahren für NAFfA und GATI getrennte Abstimmungen vorzunehmen oder eine begrenzte Anzahl von Änderungsanträgen (amendments) im Kongreß zuzulassen, kamen über die Ausschußebene im Kongreß nicht hinaus. Am 7. März 1991, einen Tag nachdem Byron Dorgan seine Resolution im Repräsentantenhaus eingebracht hatte, wandten sich die Ausschußvorsitzenden Bentsen und Rostenkowski in einem Schreiben an George Bush. Sie drängten den Präsidenten, sich der Verlängerung des fast-track procedure zu versichern, indem er auf die Kritik vieler Abgeordneter bezüglich NAFfA einging: ..Specific concerns include the disparity between the two countries in the adequacy and enforcement of environmental standards, health and safety standards and worker rights. While we recognize that 195 Der Senat und das Repräsentantenhaus des U.S.-Kongresses hatten am 12. Januar 1991 über Resolutionen abgestimmt, die Präsident Bush die Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak auf der Grundlage der UN-Resolution 678 genehmigten. Die Abstimmungen trennte Republikaner und Demokraten im Kongreß. Die Resolution H. J. Res. 77 wurde vom Repräsentantenhaus mit 250 zu 183 angenommen. 86 Demokraten und 164 Republikaner befürworteten den Einsatz militärischer Schritte, 179 Demokraten und 3 Republikaner lehnten sie ab. Der Senat verabschiedete S. J. Res 2 mit 52 zu 47 Stimmen. Lediglich 9 Demokraten, aber 43 Republikaner unterstützten den Waffengang der USA im Golf, 45 Demokraten und 2 Republikaner votierten dagegen. Vgl. Gulf Crisis grows into War with Iraq, in: Congressional Quarterly Almanac 1990, S. 717-756, darin zur Haltung von Demokraten und Republikanern im Kongreß vgl. S. 747-753. 196 Gephardt supports fast track but leaves door open for future amendments, in: Inside U.S.-Trade, May 10, 1991, S. I, 18f.
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issues such as these are not typically addressed in a trade agreement, we believe that such issues need to be addressed in this case (... ).,,197 Die Administration kam der Anfrage Rostenkowskis und Bentsens nach. Am 1. Mai 1991, wenige Wochen vor der Abstimmung über die Resolutionen, legte Bush dem Kongreß einen ,,Action Plan'''' vor. In dem 86seitigen Dokument sicherte die Administration dem Kongreß zu, Übergangsphasen, Ursprungsregeln und Safeguards mechanism, d. h. Schutzklauseln einzuführen, die bei einem unerwarteten Anstieg der Importe in einem Sektor die vorübergehende Wiedereinführung von Handelsschranken erlauben würden. Von besonderer Bedeutung für die Demokraten waren die umfangreichen Zusagen in den Bereichen Umwelt und Arbeit. Dazu gehörten der Ausbau der Anpassungshilfe (worker adjustment): Amerikanische Arbeiter, die im ~uge der Einrichtung der nordamerikanischen Freihandelszone nachweislich ihren Arbeitsplatz verlieren würden, sollten Übergangszahlungen beantragen oder sich Fortbildungslehrgänge finanzieren lassen können. Im Bereich Umwelt versicherte die Bush-Administration, daß NAFf A keinesfalls zu einer Senkung amerikanischer Standards, beispielsweise in der Landwirtschaft, führen würde. Außerdem sicherte sie zu, die Umweltschäden im mexikanisch-amerikanischen Grenzgebiet anzugehen, allerdings "in parallel to the FrA negotiations". 198 Der Action-Plan bedeutete den Beginn der Einbeziehung umweltpolitischer und arbeitsrechtlicher Aspekte in Handelsabkommen. Bis zur Verabschiedung des NAFfA, 20 Monate nach Veröffentlichung des Plans, nahmen die Abgeordneten des Kongresses immer wieder auf den Action Plan Bezug, wenn sie die Bush-Administration und später auch Präsident Clinton an die Einhaltung ihrer Zusagen erinnerten. Der Action-Plan verpflichtete die Bush-Administration nicht verbindlich. Viel später sollte erst deutlich werden, daß die Einbeziehung "grüner" Klauseln in das NAFfA noch nicht mit einer ausreichenden Finanzierung oder gezielten Umsetzung von Umweltprojekten gleichzusetzen war. Aus Sicht von Präsident Bush erfüllte der Action-Plan sein Ziel. 199 Abgeordnete, die NAFfA kritisiert hatten, konnten unter Verweis auf den Plan ihre Zustimmung für eine Verlängerung des fast-track procedures rechtfertigen. Der Plan schwächte den Widerstand der Umweltlobby: Mehrere Umweltverbände, die sich anfangs gegen NAFrA ausgesprochen hatten, gaben angesichts der Zusicherungen des Präsidenten ihre Opposition auf.2oo 197 Vgl. Exchange of letters on issues conceming the negotiation of a Nonh American Free Trade Agreement. U.S. Congress. House of Representatives. Committee
on Ways and Means. May I, 1991. Washington, D.C., 1991, S. 87. 198 Ebd., S. 5. 199 Vgl. Bush's ,Action Plan' may be key to approval of fast track, in: Congressional Quarterly, Weekly Report. May 4, 1991, S. 1120ff.
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Nach beträchtlichem Lobbying des Weißen Hauses 201 verwarfen Repräsentantenhaus und Senat ihre Resolutionen gegen fast-track am 23. und 24. Mai 1991. Fast-track verlängerte sich dadurch bis zum 31. Mai 1993. Der Weg war frei für die GATT- und NAFTA-Verhandlungen. Das Abstimmungsergebnis im Repräsentantenhaus besÜitigte die Koalition aus Gegnern und Befürwortern: 231 Abgeordnete stimmten für eine Verlängerung, d. h. für NAFTA und GATT, 192 Abgeordnete stimmten dagegen. Wie erwartet, unterstützen 140 Republikaner die Anfrage von George Bush; 21 lehnten eine Verlängerung ab. Bei den Demokraten votierten 170 gegen eine Verlängerung, nur 91 stimmten dafür. 202 Das Repräsentantenhaus verabschiedete allerdings eine weitere Resolution, House Resolution 146203 , mit der die Abgeordneten des Repräsentantenhauses der Bush-Administration drohten, ihr das fast-track- Verfahren zu entziehen, sollte sich die Administration nicht an ihre im Action Plan gemachten Zusagen halten. Die Resolution 146 sollte der Bush-Administration als Warnung dienen und sie daran erinnern, daß der Kongreß mit der Gewährung des fast-track- Verfahrens keinesfalls nachgegeben hatte, sondern die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada kritisch beobachten würde. 6.5.2. Phase 2 der Interaktion: Die Rolle des Kongresses während der Verhandlungen, Juni 1991 bis August 1992
Von Juni 1991 bis Mitte August 1992 verhandelten die Delegationen Kanadas, Mexikos und der USA das Nordamerikanische Freihandelsabkommen.204 Die Verhandlungsphase des NAFTA war im Vergleich zur TokioRunde durch eine besonders lebhafte Interaktion von Präsident und Kongreß gekennzeichnet. Der amerikanische Präsident stand bei den Verhandlungen an der Schnittstelle zwischen den internationalen und nationalen Akteuren. Diese Konstellation erforderte von der Exekutive in der Regel einen Balanceakt. Außenhandelspolitische Zielsetzungen mußten mit den Interessen nationaler Akteure abgestimmt sein. Forderungen der nationalen 200 Administration gains slight environmental endorsement for fast track, in: Inside U.S.-Trade May 24, 1991, S. 7. 201 Vgl. President puts his prestige on the line to rally support for his trade power, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, May 4, 1991, S. 1122f. 202 Für die Abstimmungsergebnisse vgl. Congressional Quarterly, Weekly Report, House vote Nr. 115, S. 1408f. 203 Vgl. ebd, House vote Nr. 116, offizieller Titel von H. Res. 146: ,,A resolution expressing the sense of the House of Representatives with respect to the United States objectives that should be achieved in the negotiation of future trade agreements. " 204 Einen raschen Überblick über den Verlauf der Verhandlungen vermittelt Grayson 1995: 73-107.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Klientel konnten auf den Widerstand der Handelspartner stoßen. Der Kongreß beschränkte sich im Vergleich zur Tokio-Runde keinesfalls auf einen passiven Beobachterstatus. Er fungierte beim NAFTA einmal mehr als Resonanzkörper von Wählern und Interessengruppen. Demokraten im Kongreß forderten die Bush-Administration wiederholt zur Einhaltung der im Action Plan gemachten Zusagen auf. Dies betraf in erster Linie die Berücksichtigung der Themen Umwelt und Arbeit im NAFfA-Abkommen. Dem Kongreß diente dabei die anstehende Ratifizierungsabstimmung über das Abkommen als Drohmittel gegenüber der Exekutive. Die Möglichkeit, daß der Kongreß NAFfA die Zustimmung verweigern könnte, war Motivation für die Verhandlungsdelegation der Exekutive, gegenüber Mexiko und Kanada Forderungen der nationalen Klientel in den USA zu artikulieren. Der Verhandlungsphase kommt damit in Hinsicht auf das fast-track procedure große Bedeutung zu. Da fast-track die inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Kongresses nach den Verhandlungen beschränkt, muß es dem Kongreß gelingen, bereits während der Verhandlungen inhaltliche Ziele durchzusetzen (vgl. Kapitel 3). Daß dem Kongreß tatsächlich gelingt, zumindest Teile seiner Agenda im Verlauf der Verhandlungen durchzusetzen, wird auf den folgenden Seiten am Beispiel der umweltpolitischen Klauseln im Zusammenhang mit NAFTA nachgewiesen. Diese eignen sich für diesen Zweck aus zwei Gründen: Erstens, den umweltpolitischen Aspekten kam beim NAFfA die größte politische Bedeutung zu und waren die meist diskutiertesten Themen. Zweitens, umweltpolitische Themen sind in dem komplexen Vertragswerk leicht auszumachen, was hilfreich ist, wenn man nachvollziehen will, welche Forderungen der Demokraten und Umweltverbände in den NAFT A-Vertrag Eingang gefunden haben. Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist eine Zusammenfassung der Kernpunkte des Action Plan, den Präsident und Kongreß als Grundlage für die umweltpolitische Diskussion akzeptierten. Ein zweiter Schritt schildert Maßnahmen der Demokraten am Kongreß, um die Bush-Administration zur Einbeziehung umweltpolitischer Aspekte zu bewegen. In einem dritten Schritt wird dann die Reaktion und Strategie der Exekutive auf die Forderungen und Maßnahmen des Kongresses dargestellt. Der abschließende Abschnitt listet die umweltpolitischen Bestimmungen des NAFTAVertrags auf und diskutiert, ob Kongreß oder Präsident ihre politischen Ziele erreicht haben. Die Bush-Administration hatte dem Kongreß im Action Plan vom Mai 1991 zugesagt, folgende umweltpolitischen Themen bei den NAFTA-Verhandlungen aufzugreifen: - Investitionen unter NAFTA sollen im Einklang mit mexikanisehern Umweltrecht stehen - Die USA erhalten ihre umweltpolitischen Standards aufrecht; Güter aus Mexiko dürfen dann nicht in die USA importiert werden, solange sie
6. Fallstudie II: Das beinahe Scheitern des NAFTA, 1993
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nicht in Übereinstimmung mit amerikanischen Umweltstandards sind. Internationale Umweltabkommen sollen im Rahmen des NAFfA eingehalten werden - Mexiko soll sein Umweltrecht einhalten . - Ausarbeitung eines Plans, um Umweltschäden an der U.S.-mexikanischen Grenze zu beseitigen. 205 Seit Juni 1991, dem Beginn der NAFfA-Verhandlungen, ergriffen besonders die Demokraten am Kongreß die Initiative, um die Exekutive zur Berücksichtigung dieser Ziele zu bewegen. Dabei kamen folgende Strategien zum Einsatz: - Organisation: Die Gegner des NAFfA im Kongreß organisierten sich in Gruppen oder Fraktionen (caucus) , um ihrer Opposition größeres Gewicht zu verleihen. Während der Dauer der NAFfA-Verhandlungen gingen viele Initiativen, wie z. B. Briefe von Abgeordneten an den Präsidenten oder Resolutionen des Repräsentantenhauses von Gruppen aus. Zu Beginn der NAFfA-Verhandlungen bildete sich auf Initiative der Abgeordneten Marcy Kaptur (D-OH) am Repräsentantenhaus der sog. "Fair Trade Caucus", in dem sich Gegner der Verlängerung des fast-track procedure mit dem Ziel zusammenschlossen, ,,[to] fight for a fair GATI agreement as weIl as the rights of the American and Mexican worker, our environment and a North American economic and social compact that is just...206 - Information: Die Beschaffung von Informationen durch den Kongreß dient dem Ausgleich des Informationsvorsprungs der Exekutive beim NAFfA. Mitte Juli 1991 beauftragten der Mehrheitsführer der Demokraten am Repräsentantenhaus, Richard Gephardt (D-MO) und der Repräsentant Sander Levin (D-MI), beim Congressional Research Service, General Accounting Office und beim Office of Technology Assessment, Gutachten über die Auswirkung des NAFfA auf die USA. 207 - Kontrolle: Kontrolle über die Exekutive übte der Kongreß mittels der Handelsgesetze aus. Im Vordergrund stand dabei die Konsultierungspflicht des Präsidenten. Die U.S.-Handelsbeauftragten mußten regelmäßig vor den Ausschüssen des Kongresses erscheinen und über den Stand der Handelsgespräche Rede und Antwort stehen. 20S Vgl. Exchange of [etters on issues conceming the negotiation of a North American Free Trade Agreement. U.S. Congress. House of Representatives. Committee on Ways and Means. May I, 1991. Washington, D.C., 1991, S. 4f. (Überblick), ausführlich S. 72-86. 206 Vgl Democrats form ,Fair Trade Caucus' to monitor, influence trade negotiations, in: Inside U.S.-Trade, June 21, 1991, S. 12. 207 Vgl. Gephardt, Levin press for Congress-generated data on North American trade, in: Inside U.S.-Trade, July 26, 1991, S. 6.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Artikulation und Sanktion: Während bei der Tokio-Runde ein großer Teil des Einflusses infonnell über die Abgeordneten und Mitglieder der Stäbe erfolgte, die vor Ort an den GATI-Verhandlungen in Genf teilnahmen, ging beim NAFfA der Druck des Kongresses auf die Exekutive in Washington, D.C., aus. Mittel der Artikulation sind Interviews, Artikel auf den Meinungsseiten der großen Tageszeitungen, veröffentlichte Briefe an den Präsidenten und die Handelsbeauftragten, Stellungnahmen während öffentlicher Anhörungen oder Resolutionen und Gesetzentwürfe. Die Artikulation von Forderungen und Zielvorstellungen machte nur dann Sinn, wenn sie mit möglichen Sanktionen des Kongresses verbunden waren. Primäres Druckmittel des Kongresses stellte die Drohung der Abgeordneten dar, NAFfA bei der Endabstimmung (up-or-down vote) abzulehnen.
Die Reaktion der Exekutive auf die Forderungen der Demokraten am Kongreß war unter Präsident George Bush zurückhaltend. Bush hatte einen Balanceakt zu leisten. Den Kritikern des NAFfA in den USA wollte die Bush-Administration stets Handlungsbereitschaft hinsichtlich der umweltpolitischen Problematik beim NAFfA zeigen. Die Zugeständnisse im umweltpolitischen Bereich durften jedoch nicht zu weit gehen, um die Zustimmung der Republikaner nicht zu verspielen. Mexiko und Kanada durften ebenfalls durch Forderungen der USA im Bereich Umwelt nicht vergrault werden. Beide Länder fürchteten aufgrund der Größe der US-Wirtschaft in einigen Bereichen um ihre nationale Identität: Mexiko war besorgt, Kontrolle über seinen historisch wichtigen Ölsektor zu verlieren. Die Kanadier fürchteten den amerikanischen Einfluß auf das kulturelle Leben ihres Landes. Die "grünen" Passagen des NAFfA-Vertrages und die umweltpolitischen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit NAFfA ergriffen wurden, spiegeln diese Abwägungen der Bush-Administration und Interessenkonstellationen in Kongreß und Exekutive wider. Sie sind Beleg dafür, daß der Kongreß seine Ziele und Interessen während der Verhandlungen eines internationalen Handelsabkommens den politischen Kräfteverhältnissen teilweise durchsetzen kann. In der Präambel des NAFfA-Vertrages verpflichteten sich die USA, Mexiko und Kanada, ihre Handelsbeziehungen am Prinzip der "nachhaltigen" bzw. "zukunftsfabigen Entwicklung" auszurichten.2°8 Die Vertragspartner stellten direkt auf die· Prinzipien der Agenda 21 ab, die die meisten Staaten der Welt 1992 auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro unterschrieben hatten. Weiterhin verpflichteten sich die NAFfA-Partner, drei interna208 Einen guten Überblick bietet Esty 1994b:69-74 und Tiemann, Mary: North American Free Trade Agreement: Environmental provisions and issues. Washington, D.C., August 23, 1993 (CRS Report Nr. 93-760 ENR), S. 6-19.
6. Fallstudie II: Das beinahe Scheitern des NAFI'A, 1993
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tionale Umweltabkommen einzuhalten: Das Montreal Protokoll zum Schutz der Ozonschicht, die Konvention zum Artenschutz und die Basler Konvention über den grenzüberschreitenden Transport und die Beseitigung von Giftmüll. Die Passagen über "sanitary and phytosanitary provisions" im NAFfAVertrag hielten den Regierungen der drei Länder offen, eigene Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheits standards zu setzen. Voraussetzung dafür sei, so der Vertrag weiter, daß diese Standards keine "unnötigen Hindernisse" für den Handel zwischen den drei Staaten darstellten.- Auf ähnlichen Grundsätzen beruhten die Regelungen für Investitionen. Der NAFfA-Vertrag untersagte, ökologische Standards zu senken, um Direktinvestitionen anzuziehen. NAFTA legte schließlich die Grundlage für einen Streitbeilegungsmechanismus, der Konflikte zwischen den Vertragspartnern im Zusammenhang mit umweltpolitischen Maßnahmen beilegen sollte. 209 Wie sind die umweltpolitischen Bestimmungen im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen zu bewerten? Haben die Demokraten am Kongreß oder die Republikaner ihre Ziele erreicht? Die Bewertung der ökologischen Klauseln des NAFfA-Vertrages hängt von den angelegten Kriterien und dem politischen Standpunkt ab. Die Handelsbeauftragte der Bush-Administration, Carla Hills, stellte NAFTA in der Öffentlichkeit als das "greenest trade agreement ever" dar: Niemals zuvor waren umweltpolitische Regeln Teil eines Handelsabkommens.2 l0 Für engagierte Umweltschützer dürften die Passagen im NAFfA-Abkommen eine Enttäuschung darstellen. Die von den Umweltverbänden und Naturschützern geforderten Umweltprogramme, die mit ausreichend finanziellen Ressourcen ausgestattet sind, um die ökologischen Schäden an der amerikanisch-mexikanischen Grenze zu beheben, sind ausgeblieben. Wirksame Mechanismen, die die Einhaltung von existierenden Umweltstandards überwachen und bei Verstößen tatsächlich Sanktionen gegen mögliche Umweltsünder einleiten, liegen nicht vor. Ein positives Urteil bei der Bewertung der Ökoklauseln des NAFfA kommt zustande, wenn man den politischen Kräfteverhältnissen in Exekutive und Kongreß zum Zeitpunkt der NAFTA-Verhandlungen Rechnung trägt. Die Bush-Administration, die auf der Seite der amerikanischen Unternehmen stand, ließ sich durch eigene taktische Erwägungen und den Druck des Kongresses dazu bewegen, erstmals Umweltpolitik im Zusammenhang mit einem Freihandelsabkommen zu diskutieren und ökologische Klauseln im Vertrag zu unterschreiben. Langfristig hat die NAFTA-Debatte geleistet, daß Umwelt und Handel in zukünftigen Handelsgesprächen kaum noch getrennt werden können. Sowohl die beginnende Diskussion über eine 209
210
Vgl. Parker 1989. Vgl. Onne 1993: 106.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
nächste Runde im Rahmen der Welthandelsorganisation oder die Vorgespräche über die Einrichtung einer panamerikanischen Freihandelszone unterstreichen dies. Die gelegentlich als "non-trade issues..211 bezeichneten Themenbereiche, wie Umwelt, werden aus der Handelspolitik nicht mehr wegzudenken sein. Die NAFfA-Debatte hat zudem auf die ökologischen Schäden in der amerikanisch-mexikanischen Grenzregion aufmerksam gemacht, die auf die Ausweitung der Maquiladora-Industrien zurückzuführen sind. Prognosen von Experten, daß die Maquiladoras ein Übergangsphänomen seien, das mit NAFfA verschwinden würde,212 haben sich sechs Jahre nach Inkraftreten des Abkommens nicht bestätigt. Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß weder Kongreß noch Präsident die Verhandlungsphase allein dominieren, sondern auf eine Kooperation angewiesen sind. Der Kongreß vermochte bei den NAFfA-Verhandlungen Teile seiner umweltpolitischen Agenda gegenüber der Exekutive durchzusetzen, auch wenn sich die umweltpolitischen Regelungen im NAFfA-Vertrag bisher als wenig wirkungsvoll entpuppt haben. Ohne den permanenten Druck der Demokraten am Kongreß wären jedoch auch diese nicht in den NAFfA-Vertrag aufgenommen worden. Langfristig werden handelspolitische Verhandlungen ökologische Aspekte berücksichtigen müssen, um innenpolitisch mehrheitsfähig zu sein. Im Austausch für die Ökoklauseln im NAFfA gelang es der Bush-Administration, die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada erfolgreich zu Ende zu bringen. Mit NAFfA haben die USA ein Handelsabkommen abgeschlossen, das ihnen erheblichen Zugang zum mexikanischen Markt öffnet und Sektoren einschließt, die die USA auf multilateraler Ebene bis zu diesem Zeitpunkt vergeblich zu regeln versuchten. 6.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Ratifizierung
Am 12. August 1992 endeten die Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten, Mexiko und Kanada über die Einrichtung einer Nordamerikanischen Freihandelszone. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bush-Administration bereits eingesehen, daß es nicht mehr möglich war, NAFfA noch im selben Jahr durch den Kongreß zu verabschieden. 213 Im November standen PräsiVgl. Pastor 1992 und 1993. Vgl. Weintraub 1994: 47-49, insbesondere S. 48. 213 Diese Erkenntnis zeichnete sich schon seit Män 1992 ab. Vgl. Arizona Republican says Bush committed to concluding NAFTA this year, in: Inside U.S.-Trade March 13, 1992, S. 10, Hills insist administration must present detailed NAFTA text to Congress, in: Inside U.S.-Trade, March 20, 1992, S. I f. und New Jersey Democrat declares Congress will not approve NAFTA this year, in: Inside U.S.-Trade, Special Report. April 3, 1992. S. S-4. 211
212
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
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dentschafts- und Kongreßwahlen an, und das Jast-track- Verfahren schrieb Fristen vor, deren Einhaltung einen Ratifizierungstermin vor den Wahlen unwahrscheinlich machten. Gemäß des Verfahrens mußte der Präsident den Kongreß von seiner Absicht unterrichten, das Abkommen unterzeichnen zu wollen. Der Kongreß erhielt dann formal 90 Tage Zeit, um den Inhalt des Freihandelsabkommens zu prüfen. 214 George Bush unterzeichnete das Nordamerikanische Freihandelsabkommen mit dem mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari und dem kanadischen Premierminister Brian Mulroney am 17. Dezember 1992. Es war einer der letzten Amtshandlungen George Bushs als Präsident. Einen Monat zuvor hatte der Demokrat William Jefferson Clinton das Weiße Haus gewonnen. Ihm kam nun die Aufgabe zu, NAFTAdern Kongreß zur Ratifizierung zuzuleiten. Auf diese Phase des handelspolitischen Entscheidungsprozesses konzentriert sich das vorliegende Kapitel. Eine der Ausgangsfragen dieser Studie war, inwieweit neben den veränderten Rahmenbedingungen auch das Akteursverhalten als Erklärung für das beinahe Scheitern des NAFTA herangezogen werden kann. Welche Rolle spielte die Clinton-Administration beim NAFTA? Hat Bill Clinton die Ratifizierung des NAFTA durch sein Agieren gefabrdet oder ist der Präsident am Ende sogar der Retter des NAFTA gewesen? Voraussetzung für eine Antwort auf diese Fragen ist eine Analyse der Interaktion von Präsident Clinton mit dem 103. Kongreß während des Jahres 1993. Auf der Grundlage der vorliegenden Forschung215 und des Quellenmaterials wird das Verhalten der Entscheidungsträger, d. h. insbesondere von Präsident und der Kongreß, bei der NAFTA-Abstimmung analysiert. Dieses Kapitel argumentiert, daß die Clinton-Administration durch ihre nach Außen hin uneindeutige Position gegenüber NAFFA und ihrem langen Zögern, die Ratifizierung des Abkommens anzugehen, die Debatte um die Verabschiedung des NAFTA zunächst verschärft und die Freihandelszone an den Rand einer Niederlage geführt hat. Durch ihr Verhalten gab das Weiße Haus unter Bill Clinton der Opposition Gelegenheit, sich zu formieren und gegen NAFTA Stimmung zu machen. Der späte Entschluß der Clinton-Administration, die Ratifizierung doch noch voranzutreiben, war aus Sicht der NAFTA-Befürworter erfolgreich. Die Entscheidung Clintons, 214 Vgl. Sec. 1103 (a)(l)(A), Omnibus Trade and Competitiveness Act 0/ 1988, Public Law 100-418 (Aug. 23, 1988), in: United States Statutes at Large, volume 102, part 2. Washington, D.C., 1990, S. 1128. 215 Vgl. die allgemeinen Überblicke und Analysen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses bei Grayson 1993, Wiarda 1994, Drew 1994: 288-290, 297300 und 338-346, DestIer 1995: 222-228 und Mayer 1998. Siehe außerdem die ausführliche Berichterstattung des Congressional Quarterly, Weekly Report, verschiedene Ausgaben 1993 und den Congressional Quarterly Almanac 1993. 11 Pf.il
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
NAFT A dem Kongreß zur Ratifizierung vorzulegen, war allerdings weniger handelspolitisch als tagespolitisch motiviert. Nach einem schwierigen ersten Amtsjahr stand die Administration unter Druck, Kompetenz im Umgang mit dem Kongreß zu zeigen und einem drohenden Image- und Machtverlust Clintons abzuwenden. Die Entscheidungsprozesse der Tokio-Runde und des Freihandelsabkommens mit Kanada haben die charakteristische Rollen und Verhaltensmuster von Exekutive und Kongreß in der dritten Phase aufgezeigt: Grundsätzlich ist der Präsident Initiativkraft bei Ratifizierungsprozessen. Er setzt sich für das mit dem Ausland verhandelte Abkommen ein und sucht nach einem geeigneten Zeitpunkt, es dem Kongreß zur Ratifizierung vorzulegen. Hauptfunktion der Exekutive ist es, den privaten Sektor zu mobilisieren und durch Konzessionen an den Kongreß eine Mehrheit für das zur Abstimmung stehende Abkommen zu finden. Der Kongreß gibt im Zeitraum vor der Abstimmung die Themen der inhaltliche Diskussion vor. Sein Einfluß auf den Präsidenten ist umso größer, je näher die Endabstimmung rückt. Das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten richtet sich dabei primär nach den Interessen ihrer Klientel, obwohl auch eigene Überzeugungen, sowie strategische Erwägungen zwischen Kongreß und Präsident eine Rolle spielen (vgl. Kapitel 5.2.). Zugeständnisse der Exekutive an den Kongreß erfüllen dabei einerseits inhaltliche Präferenzen des Kongresses und erleichtern den Abgeordneten, ihre Entscheidung vor Wählern und Interessengruppen zu rechtfertigen. Die Clinton-Administration kam mit der Wahlkampf-Strategie für NAFTA ins Amt. In Clintons Wahlkampfrede von Oktober 1992 hatte der Präsidentschaftskandidat die Verhandlung von Zusatzabkommen mit Mexiko und Kanada in drei Bereichen verlangt: Umwelt, Arbeitsbeziehungen und Absicherungen gegen einen unvorhergesehenen Anstieg der Importe in einem Sektor. Ohne die Zusatzabkommen durfte es nach Clintons Auffassung kein NAFTA geben (vgl. Kap. 6.3.). Die Strategie, durch Zusatzabkommen die Oppositon zu neutralisieren, sollte sich jedoch als nur mäßig erfolgreich erweisen: Teile der Umweltorganisationen gaben ihren Widerstand gegen das Freihandelsabkommen auf. Die Gewerkschaften waren jedoch enttäuscht von den Zusatzabkommen und lehnten NAFTA nach wie vor ab. Nur wenige Kongreßabgeordnete würden am Ende wegen der Zusatzabkommen ihr Abstimmungsverhalten ändern. 216 Im Gegenteil: Das langwierige Aushandeln der Zusatzabkommen erwies sich als kontraproduktiv. Die Zusatzabkommen suggerierten, daß NAFTA gravierende Defizite aufwies. Nachdem der Präsident das Freihandelsabkommen offensichtlich für unzureichend hielt, blieb den Gegnern des 216
Vgl. Destler 1995: 224 und LiebeIer 1994.
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NAFfA kaum noch etwas anderes übrig, als ihre Kritik an der Freihandelszone zu verstärken. Die Verhandlungen der Zusatzabkommen erstreckten sich bis Mitte August 1993 und hatten eine brisante Zeitverzögerung zur Folge. Die Opposition gewann Zeit, ihre Einwände zu artikulieren. 217 Am 1. Januar 1994 sollte NAFfA laut Plan in Kraft treten. Aufgrund der Sommerpause verschob sich die Ratifizierung in den Herbst, was dem handelspolitischen Entscheidungsprozeß nur noch drei Monate ließ und NAFf A zudem zeitlich mit anderen Schwerpunkten von Clintons Agenda in Konflikt brachte, wie z. B. mit der geplanten Gesundheitsreform, einem Kernstück seines innenpolitischen Reformpaketes. Der größte inhaltliche Streitpunkt zwischen den USA, Mexiko und Kanada bei den Gesprächen über die Zusatzabkommen war die Frage supranationaler Sanktionen: Sollten beispielsweise zwei Vertragsparteien eine Dritte, mittels Sanktionen zur Einhaltung ihres Umweltrechts zwingen dürfen? Mexiko und besonders Kanada lehnten diese Möglichkeit strikt ab. Die Verhandlungsdelegation der USA drängte offiziell auf ernstzunehmende supranationale Durchsetzungsmöglichkeiten. Das Thema setzte Clinton der Gefahr aus, innenpolitisch ins Schlingern zu kommen. Gut funktionierende und länderübergreifende Sanktionsmöglichkeiten mochten dem NAFfA Anhänger unter den Demokraten am Kongreß gewinnen, setzten allerdings die Zustimmung der republikanischen Fraktion aufs Spiel, auf deren Unterstützung der Präsident angewiesen war. Für die Republikaner war die Möglichkeit unakzeptabel, daß Mexiko und Kanada Aktionen gegen ein amerikanisches Unternehmen einleiten könnten. 218 Das Ergebnis dieser innen- wie außenpolitisch verfahrenen Situation waren die drei Zusatzabkommen von August 1993. 219 In den Bereichen Ökologie und Arbeitsstandards legten die Zusatzabkommen die Grundlage für trinationale Kommissionen, die für die Überwachung, Einhaltung und den Austausch von Informationen zuständig sein sollten. Bezüglich der umstrittenen Sanktionen hatten sich zumindest Mexiko und die USA auf länderübergreifende Sanktionsmechanismen einigen können, auch wenn das damit in Verbindung stehende Verfahren lange Fristen beinhaltete und den Parteien viel Spielraum bot, so daß ernstzunehmende Sanktionen kaum zu erwarten waren. Vgl. Destler 1995: 222-224. Vgl. Pro-NAFTA Republicans, leadership warn Clinton on NAFTA side accords, in: Inside U.S.-Trade, May 28, 1993, S. 8. Siehe insbesondere den Abdruck der Briefe S. 9 und 10. 219 Vgl. HutbauerlSchott 1993:157-165, Sek, Lenore: North American Free Trade Agreement. Washington, D.C., January 5, 1994 (CRS Issue Brief Nr. IB 90140), S. 8-12 und Thomas/Tereposky 1993. 217 218
11*
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Als die Verhandlungen über die Zusatzabkommen zu Ende gingen, waren bereits sieben Monate der Amtszeit Bill Clintons verstrichen, ohne daß der Präsident nennenswerte Anstrengungen unternommen hätte, für das Abkommen am Kongreß zu werben. Bis August blieben die Befürworter des Abkommens über die Pläne Präsident Clintons im unklaren. Der Präsident signalisierte bei öffentlichen Auftritten stets seine Unterstützung für das Abkommen,22o doch kursierten Gerüchte, wonach Berater des Präsidenten sich gegen NAFfA aussprachen. 221 Der Handelsbeauftragte, Mickey Kantor, hatte angeregt, erhebliche Forderungen an Mexiko und Kanada zu stellen, um die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Auf diese Weise hätte die Clinton-Administration einen politisch "ehrenvollen" Ausstieg aus den NAFfA-Verhandlungen erhalten. 222 Gerüchte über die prinzipielle Unentschlossenheit Clintons erhielten weitere Nahrung. Im Juli 1993 hatte der Handelsausschuß des Senates öffentliche Anhörungen über NAFTA angesetzt. Kein Mitglied von Clintons Kabinett zeigte sich vor den Senatoren. "The opponents had the floor to themselves. The Agriculture Department produced a statement defending the agreement but it arrived when the hearing was half over and it was never discussed.,,223 Die mehrdeutigen Signale aus dem Weißen Haus wirkten sich negativ auf die Befürworter des Freihandelsabkommens aus. Weder Republikaner am Kongreß noch die großen Wirtschaftsverbände waren bereit, NAFTA zu unterstützen, solange sie nicht sicher sein konnten, daß das Abkommen zu einer Abstimmung im Kongreß kommen würde. Einmal mehr hatten die Gegner der Freihandelszone die ungeteilte Aufmerksamkeit der Medien. Im Frühsommer 1993 sanken die Hoffnungen der NAFfA-Anhänger auf eine Ratifizierung weiter. Ende Juni 1993 verurteilte ein Richter am Gericht des District 0/ Columbia die Clinton-Administration dazu, ein Umweltgutachten (environmental impact statement) für NAFTA zu erstellen. Das Gericht hatte der Klage dreier Umwelt- und Konsumentgruppen, Public Citizen, Sierra Club, Friends 0/ the Earth, stattgegeben. Die Gruppen beriefen sich in ihrer Klage auf den National Environmental Policy Act 220 Vgl. die Äußerungen des Präsidenten bei den dokumentierten öffentlichen Auftritten in Public Papers 0/ the Presidents 0/ the United States. William J. Clinton. Book I, Jan. 20-July 31, 1993. Washington, D.C., 1994. Für den Zeitraum vom 20. Januar bis zum 13. August (Abschluß der Verhandlungen über die Zusatzabkommen) hatte sich der Präsident bei 25 Auftritten stets zustimmend für das NAFTA geäußert: Vgl. verschiedene Seiten. 53 f., 115, 130, 212, 340, 490, 580, 666, 692, 800, 83lf., 852, 880, 896f., 906f., 911, 912, 956, 977-979, 988f., 1004, 1035f., 1126f., 1147, 1189. 221 Vgl. Drew 1994: 288 und Woodward 1994: 314-319. 222 Ebd., S. 289. m Vgl. Low profile 0/ White House angers backers 0/ trade pact, in: The New York Times, August 9, 1993, S. Al.
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(NEPA) von 1969: ,,NEPA requires all federal agencies to prepare and make public an environmental impact statement for ,every recommendation or report on proposals for legislation and other major federal actions significantly affecting the human environment,.,,224 NAFfA wäre beinahe an der Entscheidung des Gerichts gescheitert. Experten setzten die Dauer für die Erstellung eines Gutachtens zwischen 6 bis 18 Monaten 225 an. Damit wäre das Inkrafttreten des NAFfA zum 1. Januar 1994 und damit der Bestand des Abkommens insgesamt gefährdet gewesen. Die Gerichtsentscheidung hinderte den Präsidenten daran, NAFfA dem Kongreß zur Ratifizierung zuzuleiten, solange nicht ein Umweltgutachten vorlag. Die ClintonAdministration legte Einspruch gegen das Urteil ein. 226 Das Gericht kam Ende September 1993 zu dem Ergebnis, daß das erste Urteil nicht verfassungsrechtlich sei: Ein Gericht könne die Exekutive nicht in ihrem Verfassungsrecht beschneiden, jederzeit dem Kongreß eine Gesetzesvorlage zur Verabschiedung vorzulegen, argumentierte das Berufungsgericht. Der Weg für den Präsidenten war nun endgültig frei, eine Mehrheit für NAFfA zu finden. Im Unterschied zur Endphase des Entscheidungsprozesses bei der TokioRunde war die Intensität der Interaktion zwischen Präsident und Kongreß beim NAPfA deutlich größer. Während der Tokio-Runde hatte die Angleichung von Positionen zwischen Präsident und Kongreß diskret und durch informelle Kanäle stattgefunden. Beim NAPfA war eine informelle Angleichung von Positionen aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit und der politischen Bedeutung NAFfAs für die Präsidentschaft Clintons nicht möglich. NAFfA war das politische Thema im Herbst 1993. Ab September begann das Weiße Haus unter der Aufbietung aller Ressourcen um eine Mehrheit für das Nordamerikanische Freihandelsabkommen zu werben. Im Gegensatz zur Ratifizierung der Tokio-Runde waren beim NAFfA die Zuständigkeiten innerhalb des Weißen Hauses aus Sicht des Kongresses uneindeutig verteilt: "The NAFfA effort had several generals and no general. ,,227 Die unklaren Zuständigkeiten beeinträchtigten die 224 Zitiert nach "Testimony of the Center for International Environmental Law and the National Audubon Society, The Application 0/ The National Environmental Policy Act to the North American Free Trade Agreement, before the Senate Committee on Environment and Public Works, submitted August 9, 1993." In: The Na-
tional Environmental Policy Act and the North American Free Trade Agreement.
U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Environment and Public Works. 103rd Congress. First session. July 22, 1993, S. 92. 225 Vgl. U.S., Advocacy groups agree to speedy appeal 0/ NAFTA court case, in: Inside U.S. Trade July 9,1993, S. 1 und 16f., hier S. 17. 226 Vgl. Advocacy groups agree to speedy appeal 0/ NAFTA court case, Inside U.S. Trade July 9, 1993, S. 1 und 16f. und Trade groups to support govemment in NAFTA environment appeal, in: Inside U.S. Trade July 16, 1993, S. 6f.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Kommunikation zwischen Weißem Haus und Kongreß. Die starke Einbeziehung des Präsidenten in der Schlußphase erhöhte den Einsatz, den das Weiße Haus beim NAFfA zu verlieren hatte. Bei der Tokio-Runde lag die Entscheidungsgewalt des Weißen Hauses in der Hand des Handelsbeauftragten Robert Strauss. Jimmy Carter hatte seine grundsätzliche Unterstützung für die Tokio-Runde zu Beginn des Entscheidungsprozesses deutlich signalisiert und war danach am Bargaining-Prozeß mit dem Kongreß kaum beteiligt. Als Problem erwies sich, daß dem Weißen Haus die zentralen Schaltstellen am Kongreß fehlten, die Präsident Bush bei der Verlängerung des fast-track procedure zu einem Sieg verholfen hatten. Sowohl der Mehrheitsführer der Demokraten, Richard Gephardt, als auch der Whip, David Bonior, befanden sich an der Spitze der NAFfA-Opposition. Dan Rostenkowski, der bei der Verlängerung des fast-track procedures eine wichtige Rolle gespielt hatte, war im Herbst 1993 Gegenstand eines Skandals und fiel deshalb für die Kampagne der Clinton-Administration aus. Das Weiße Haus sah sich gezwungen, die fehlende Unterstützung der demokratischen Führung am Kongreß zu überbrücken. Präsident Clinton hatte zu diesem Zweck ein Team zusammengestellt. Aus Chicago ließ er den später als ,,NAFfA-Zar" bekannt gewordenen Rechtsanwalt William Daley 228 einfliegen, den er zum Vorsitzenden einer NAFTA Task Force ernannte, die sich ausschließlich der Verabschiedung des Freihandelsabkommens widmete. Der NAFTA Task Force gehörte außerdem der frühere Kongreßabgeordnete der Republikaner, William Frenzel, an. Frenzels Aufgabe war es, die Republikaner am Kongreß in der NAFfA-Koalition zu halten. 229 Neben den Mitgliedern des Kabinetts, von denen der Handelsbeauftragte Mickey Kantor, Finanzminister Lloyd Bentsen, Außenminister Warren Christopher und Arbeitsminister Robert Reich wiederholt vor Ausschüssen des Kongresses aussagten, waren von der Seite der Demokraten am Kongreß Robert T. Matsui (D-KA) und Bill Richardson (D-NM) beteiligt. Der Fokus des Weißen Hauses beschränkte sich vorwiegend auf das Repräsentantenhaus. Im Senat galt NAFfA als ungefährdet. Die Tatsache, daß seine Partei eine komfortable Mehrheit im Kongreß hatte, war für Präsident Clinton dabei kein Vorteil. Der größte Widerstand gegen das NAFfA kam aus den Reihen der Demokraten, und erstmals in seiner Amtszeit hielt Clinton zu den Republikanern engen Kontakt. Ohne erhebliche Unterstützung von dieser Seite war an einen Erfolg beim NAFfA nicht zu Vgl. Drew 1994: 340. Vgl. For a bruising battle, Clinton enlists a Daley, in: Tbe New York Times, September 7, 1993, S. A 16. 229 Vgl. Clinton to name Republican to aid in selling trade pact, in: Tbe New York Times, September 3, 1993, S. A 16. Interview mit Bill Frenze1, BrookingsInstitution, Washington. D.C.. 2. Februar 1996. 227
228
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
167
denken. Mit der republikanischen Führung im Repräsentantenhaus hatte Clinton folgende Vereinbarung getroffen: Das Weiße Haus würde versuchen, am Repräsentantenhaus 100 Demokraten zu finden, die für NAPfA stimmten. Die Republikaner sollten im Gegenzug mit mindestens 118 Abgeordneten von ihrer Seite aufwarten, um eine Mehrheit für die Freihandelszone zu gewährleisten. Obwohl es sich bei NAFf A um eine Initiative George Bushs handelte und die Republikaner den Freihandel, vom ideologischen Standpunkt betrachtet, unterstützen, konnte Clinton Anfang September auch mit diesen 118 republikanischen Stimmen (von insgesamt 176 Republikanern im Repräsentantenhaus) nicht mit Sicherheit rechnen. Viele der Republikaner hatten den Einfluß Ross Perot zu fürchten. Der texanische Unternehmer hatte sich medienwirksam an die Spitze der NAPfA-Opposition gestellt. Perot war bei den Präsidentschaftswahlen 1992 als dritter Kandidat vorwiegend in das republikanische Stammwählerpotential eingebrochen. Wähler, die sich vor mexikanischen Einwanderern oder einen Verlust amerikanischer Souveränität fürchteten, fanden die populistischen Argumente Perots überzeugend. Je nach Distrikt konnten diese Wähler eine kritische Masse erreichen, die republikanische Amtsinhaber mit Blick auf die Kongreßwahlen 1994 im Auge behalten mußten. Viele Republikaner zögerten lange, eine eindeutige Position gegenüber dem Freihandelsabkommen zu beziehen.23o Präsident Clinton mußte gleichfalls die Entwicklung hinsichlich anderer Themen im Auge behalten, die bei der Ratifizierung des NAPfA eine Rolle spielten, um republikanische Stimmen nicht zu verprellen: Ein Beispiel dafür stellte die von der Administration ursprünglich geplante Finanzierung des durch NAFfA zu erwartenden Ausfalls von Zolleinnahmen dar: Durch den Abbau tarifärer Handelsschranken an der Grenze zu Mexiko würden der Bundeskasse über einen Zeitraum von fünf Jahren ca. 2,3 bis 2,5 Milliarden Dollar entgehen. 231 Haushaltsgesetze schrieben vor, diese Mindereinnahmen durch Einnahmeerhöhungen oder Ausgabenkürzungen in Bundesprogrammen auszugleichen, um NAPfA budgetneutral zu halten. Das Weiße Haus und die republikanischen Abgeordneten am Repräsentantenhaus gerieten aneinander, als die Clinton-Administration eine drastische Erhöhung der Flughafensteuern vorschlug, um das zu erwartende Haushaltsloches zu stopfen. Die Administration nahm diesen Vorschlag jedoch sofort wieder zurück, als die republikanische Führung Vgl. Onne 1993: 64-68 und Doran/Marchildon 1994: 247-262. Die Schätzungen variierten: Das Office oJ Management and Budget schätzte den durch NAFfAverursachten Einnahmenausfall auf 2,3 Milliarden Dollar, das Congressional Budget Office auf 2,5 Milliarden Dollar. Vgl. Administration to propose doubling oJ travel Jees to pay Jor NAFTA, in: Inside U.S.-Trade, October 15, 1993, S. 10. 230 231
168
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
unter Newt Gingrich (R-GA) dagegen rebellierte. "Steuererhöhungen" lehnten die Republikaner ab. 232 In der Retrospektive hat NAFfA unter den Republikanern am Kongreß zu jedem Zeitpunkt des Entscheidungsprozesses eine Mehrheit gehabt. Die Republikaner ließen sich jedoch absichtlich Zeit. Ein zu frühes Signalisieren republikanischer Zustimmung hätte bedeutet, daß der Präsident sich zu sehr auf die Republikaner verlassen und nicht entschlossen genug um die Stimmen der Demokraten geworben hätte. Außerdem wollten sich viele Republikaner den Konflikt zwischen Präsident Clinton und den Gewerkschaften nicht entgehen lassen. Um Stimmen der Demokraten zu bekommen, war ein Zusammenstoß mit dieser Hauptklientel der Partei praktisch unausweichlich. Für die Verabschiedung des NAFfA war es erforderlich, daß Clinton auf Konfrontationskurs mit den Gewerkschaften und vielen Demokraten am Kongreß ging. Langfristig wollte er sich allerdings keine tiefen Gräben zwischen ihm und seiner Partei leisten. Bei der von ihm geplanten Reform des Gesundheitswesens würde er jede Stimme der Demokraten benötigen. Aus der Sicht des Weißen Hauses spalteten sich die Demokraten (und auch die Republikaner) am Kongreß in drei Gruppen: Befürworter des NAFfA, Gegner des NAFfA und die Unentschiedenen, die dem Abkommen entweder nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen wollten oder ihre Position aus taktischen Erwägungen noch nicht erklärt hatten. Letzterer Gruppe galten die Bemühungen des Präsidenten. Für die Endphase des Ratifizierungsprozesses beim NAFfA wich Bill Clinton von seiner üblichen Strategie ab, durch öffentliche Auftritte gezielt für ein bestimmtes Projekt zunächst Zustimmung in der Bevölkerung und dadurch indirekt im Kongreß zu erhalten?33 Beim NAFfA konzentrierte sich die Clinton-Administration auf das Bargaining mit dem Kongreß. Inhaltliche Zugeständnisse zwischen Administration und Kongreß liefen auch beim NAFfA zunächst durch die non-markups ab (vgl. Kapitel 4.5.3.). Das Ways and Means Committee und das Senate Finance Committee schrieben hinter verschlossenen Türen das Implementierungsgesetz für NAFfA, welches der Präsident Anfang November als "seine" Gesetzesvorlage wiederum dem Kongreß zur Ratifizierung vorlegte. Bei der Verabschiedung der Tokio-Runde hatte dieser informelle Prozeß ausgereicht, um im Kongreß eine Mehrheit für das GATT-Abkommen zu garantieren. Für den der Öffentlichkeit ausgesetzten Entscheidungsprozeß beim NAFfA war dieses Verfahren nicht genug, um eine Mehrheit der Abgeordneten hinter der Vorlage zu vereinen. Gerade weil Wähler und Interessengruppen jede Handlung der Ent232 Vgl. dazu einen Brief, den 27 Republikaner im Oktober 1993 an die Regierung Clinton richteten, in: House Republican letter on NAFTA lax, in: Inside U.STrade, October 22, 1993, S. 20. 233 Vgl. Jones 1996.
6. Fallstudie 11: Das beinahe Scheitern des NAFfA, 1993
169
scheidungsträger verfolgten, mußten Positionen, Forderungen und Konzessionen gut wahrnehmbar ausgetauscht werden. Viele Kongreßabgeordnete benötigten für die Augen der Öffentlichkeit leicht identifizierbare Konzessionen. Bei anderen Gesetzesinitiativen im Frühjahr und Sommer 1993 hatte sich Clinton bereits als Händler im Umgang mit dem Kongreß erwiesen. In der Endphase des NAFfA war es wieder notwendig, Konzessionen zu machen. Dabei ging Clinton im Ausmaß weit über das hinaus, was die BushAdministration den Abgeordneten ursprünglich versprochen hatte: "And the President made deals. The deals were so numerous that it seemed as if a For Sale sign had been hung over the White House.,,234 Die Konzessionen in Zusammenhang mit der Verabschiedung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens lassen sich in vier Kategorien unterteilen: sektorale, umwelt- und Arbeitsbeziehungen betreffende, institutionelle und nicht-handelsbezogene. Einige Beispiele: Typische sektorale Zugeständnisse machte die Clinton-Administration in landwirtschaftlichen Bereichen wie z. B. Erdnußbutter, Orangensaftkonzentrat, Zucker, Weizen, Wein, Rindfleisch und Gurken; dabei handelte es sich meistens um Zugeständnisse, die einen Abbau von Handelsschranken in diesen Sektoren langsamer als ursprünglich geplant gestaltete. Umwelt- und die Arbeitsbeziehungen betreffende Konzessionen haben die . gesamte Diskussion um das NAFTA begleitet. Im Grunde genommen handelte es sich schon bei den NAFfA-Zusatzabkommen um Zugeständnisse diesen Typs. In den letzten Wochen vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus entwickelte die Clinton-Administration zusätzlich dazu noch ein Programm der Anpassungshilfe. Die Anpassungshilfe sah Unterhaltungszahlungen, Umbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeiter vor, die durch die wegfallenden Handelsschranken des NAFTA nachweislich ihre Arbeitsstelle verloren hatten. 235 Durch die Forderung nach institutionellen Zugeständnisse will der Kongreß erreichen, daß eine bestimmte Politik durch die Gründung einer Organisation verstetigt und langfristig angelegt wird. Die Clinton-Administration wollte die Stimmen der Abgeordneten hispanischer Zugehörigkeit durch die Einrichtung der sog. North American Development Bank sichern. Die Bank sollte Infrastrukturprojekte im Umweltbereich an der mexikanisch-amerikanischen Grenze finanzieren. Schließlich bleiben noch die nicht-handelsbezogenen Konzessionen: Dem Abgeordneten Johnson (D-Tx) wurde der Bau zweier Militär-Transportflugzeuge vom Typ C-17 in seinem Wahlkreis zugesichert, damit er seine Zustimmung für das NAFfA erklärte. Clay Shaw (R-FL), ein Republikaner aus Florida, erhielt durch die 234
235
Vgl. Drew 1994: 34lf. Vgl. Adjustment Assistance Jor Workers Dislocated by the North American
Free Trade Agreement. CRS-Report for Congress 94-52 EPW, bearbeitet von Ann M. Lordmann und James R. Storey, January 25, 1994.
170
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
diplomatischen Kanäle der Clinton-Administration von der mexikanischen Regierung eine Garantie, daß sie einen Straftäter an die USA ausliefern würde, den man der Vergewaltigung der Tochter eines Assistenten Shaws' beschuldigte. Erst dann ließ sich der Republikaner überreden, für NAFfA zu stimmen. Die zahlreichen Zugeständnisse brachte dem Weißen Haus eine schlechte Presse ein,236 führten aber letztendlich zum Erfolg: Am 17. November 1993 ratifizierte das Repräsentantenhaus mit 234 zu 200 Stimmen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. Der Senat folgte drei Tage später mit einem erwarteten deutlicheren Ergebnis von 61 zu 38. 237 Obwohl die Abstimmungen weniger knapp ausfielen als ursprünglich angenommen, besteht kaum Zweifel darüber, daß NAFfA tatsächlich beinahe gescheitert wäre. Präsident Clinton darf zwar als der Retter des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens gelten. Durch eine beispiellosen Kraftakt hat das Weiße Haus eine drohende Niederlage im Kongreß abgewendet. Dieser Erfolg hatte einen Preis. Durch ihr Vorgehen beim NAFfA hat die Clinton-Administration zum Zerfall des politischen Konsenses in der amerikanischen Außenhandelspolitik beigetragen. Demokraten, Gewerkschaften und Umweltverbände haben sich als Folge der Debatte um NAFfA organisiert. NAFfA hatte ihnen gezeigt, wie öffentlichkeitswirksam das Thema Handel war und wie nah sie einem Sieg gekommen waren. Als Hypothek für zukünftige Entscheidungsprozesse in der Handelspolitik sollte sich erweisen, daß die Clinton-Administration NAFfA nur aus kurzfristigen tagespolitischen Gründen unterstützt hat. In der Folgezeit versäumte sie es, sich um die zahlreichen Versprechen und Konzessionen zu kümmern, die sie in der Hitze des Gefechts gemacht hatte. Allzu offensichtlich war weiterhin, daß NAFfA keineswegs einer langfristig angelegten außenhandelspolitischen Strategie der Clinton-Administration entsprang. Ein Glaubwürdigkeitsverlust der Administration am Kongreß war die Konsequenz, von der sich der Präsident bis an das Ende seiner Amtszeit im Bereich der Außenhandelspolitik nicht mehr erholen sollte. 236 Vgl. Clinton's shopping list Jor votes has ring oJ grocery's buyer's list, in: The New York Times, Nov. 17, 1993, S. A 21, Wheeling anti dealing led to NAFTA victory, in: Christian Science Monitor, Nov. 19, 1993, S. 2f, Clinton got his bakking at a bargain price, in: Financial Times, Nov. 19, 1993, S. 6, NAFTA: Let's make a side deal, in: Investor' s Business Daily, Dec. I, 1993, S. 1 f. 237 Für die Abstimmungsergebnisse im Repräsentantenhaus über HR. 3450, NAFTA ImplementationlPassage, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, November 20, 1993, S. 3224 f., Abstimmung Nr. 575. Für die Ergebnisse der Abstimmung im Senat über HR. 3450, NAFTA ImplementationlPassage, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, November 27, 1993, S. 3294, Abstimmung Nr. 395. Eine ausführliche Analyse der Abstimmungen nehmen vor: MishellTeixeira 1993, Doran/ Marchildon 1994: Kapitel 11 und Kahane 1996.
7. Fallstudie I1I: Die Uruguay-Runde 1994
171
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994 Abnehmender Konsens "The agreement is sitting out there. It's a big, complicated, subtle system. And as people catch up with the agreement, questions are raised and gradually the thing is acquiring a lot of weight. ..238 Jeffrey M. Lang, ehemaliger Beirat des Senate Finance Committee
Die Parallelen hätten nicht größer sein können: Fast auf den Tag genau 15 Jahre nach Unterzeichnung der Tokio-Runde kamen im April 1994 die Staatsoberhäupter von 117 Staaten in Marrakesch, Marroko, zusammen, um die achte GATT-Runde zu unterzeichnen. 1994, wie auch 1979, war für die USA wieder ein Präsident der Demokratischen Partei damit betraut, dieses Handelsabkommen dem Kongreß zur Ratifizierung vorzulegen. 1994, wie 1979, kontrollierten die Demokraten beide Kammern des Kongresses. Im Fall der Uruguay-Runde, wie auch bei der Tokio-Runde, begann die Exekutive bereits im Januar Kontakte mit dem Kongreß aufzunehmen, um Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Akteuren auszuräumen. Dabei bedienten sich die Akteure in Exekutive und Legislative der gewohnten Praxis der gemeinsamen Formulierung des Implementierungsgesetzes. 239 Trotz der zeitlichen Synchronität der Entwicklungen bei der UruguayRunde und der Tokio-Runde, trotz ähnlicher Kräftekonstellationen in Exekutive und Kongreß, trotz der Verwendung des gleichen Ratifizierungsmechanismus erwies sich das Ergebnis und der Verlauf des handelspolitischen Entscheidungsprozesses in beiden Fällen unterschiedlich. Repräsentantenhaus und Senat verabschiedeten die Tokio-Runde im Juli 1979 mit überwältigenden Mehrheiten. Die Ratifizierung der Uruguay-Runde war im Unterschied zum NAFTA zwar zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet, doch zeigte sich im Laufe des Entscheidungsprozesses, daß der innenpolitische Konsens in der amerikanischen Außenhandelspolitik bröckelte. Die Ratifizierung der Uruguay-Runde verzögerte sich während des Sommers und gelang erst Ende November 1994 im Rahmen einer Verlängerung der Legislaturperiode des 103. Kongresses um zwei Tage. Was hatte die Verabschiedung der Uruguay-Runde im Unterschied zur Ratifizierung der Tokio-Runde verzögert und kompliziert? Neben den geän238 Vgl. The GATT battleround shifts from Geneva to Capitol Hili, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, April 2, 1994, S. 792. 239 Dabei handelte es sich um jenes Gesetz, das die erforderlichen Änderungen im amerikanischen Recht beinhalten und dessen Verabschiedung durch den Kongreß technisch und rechtlich die Ratifizierung der Uruguay-Runde bedeuten würde.
172
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
derten Rahmenbedingungen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses (vgl. Kapitel 5) haben nach der hier vertretenen These weitgehend taktische Entscheidungen der Clinton-Administration zu den Problemen der Ratifizierung der Uruguay-Runde beigetragen. Dabei geht es konkret, erstens, um die zeitliche Strukturierung des Ratifizierungprozesses. Wie beim NAFTA lagen die Prioritäten des Präsidenten 1994 auf seiner innenpolitischen Reformagenda, insbesondere der" Gesundheitsreform, nicht auf der Ratifizierung der Uruguay-Runde. Zweitens, die Clinton-Administration hat einige ihrer inhaltlichen Forderungen, wie z. B. die Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht in der Handelspolitik und dem fast-track-Mechanismus, taktisch zum falschen Zeitpunkt lanciert und inhaltlich überzogene Forderungen aufgestellt. Eine Konsequenz davon war die zunehmende partei politische Polarisierung des Entscheidungsprozesses, die zu weiterem Zeitverlust führte. Daß der Kongreß die Uruguay-Runde letztendlich doch mit deutlicher Mehrheit verabschiedete, lag an der grundsätzlich hohen Akzeptanz der GATT-Runde im Kongreß. Außerdem hatte sich im Unterschied zur Verabschiedung des NAFTA keine schlagkräftige Koalition der Opposition zusammengefunden, die die Uruguay-Runde verhindern wollte. Auf den folgenden Seiten wird die Interaktion von Präsident und Kongreß im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozeß und der Verabschiedung der Uruguay-Runde analysiert und die vorgebrachte These diskutiert. Wie schon bei den vorhergehenden Fallstudien geht die Analyse folgendermaßen vor: - Hintergrund der Uruguay-Runde - Positionen des Kongresses hinsichtlich der achten GATT-Runde - Position der Clinton-Administration 1994 - Strategische Ausgangsposition und Verhältnis zwischen der ClintonAdministration und dem 103. Kongreß - Analyse der Interaktion von Exekutive und Kongreß in den drei Phasen der Interaktion, vor und während der Verhandlungen und bei der Ratifizierung 1994.
7.1. Vorgeschichte: Die endlose Runde, 1986-1993 Der überwältigende Teil der Forschung über die Uruguay-Runde behandelt die Inhalte der Runde, analysiert den Verlauf der Handelsgespräche, betrachtet die Rolle einzelner Staaten bei den GATT-Verhandlungen oder untersucht die Ergebnisse der Runde hinsichtlich einzelner Sektoren. Um diesen Schwerpunkten der Forschung Rechnung zu tragen, aber auch, um den auf den verbleibenden Seiten dieses Kapitels behandelten nationalen
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
173
Entscheidungsprozeß in einen Kontext einzuordnen, zeichnet dieser Abschnitt den Verlauf der Uruguay-Runde nach. Die achte Runde im Rahmen des GATI, die Uruguay-Runde, stellte bezüglich ihrer Agenda und der Rolle der Entwicklungsländer den bislang größten Bruch im Vergleich zu ihren Vorgängern dar. In anderer Hinsicht, i.e. Aufnahme der unbearbeiteten Inhalte der vorangegangenen GATIRunde und lange Vorlaufphase, wies die Uruguay-Runde Kontinuitäten mit ihren Vorgängern auf. In ihrer Agenda hatten sich die sieben vorhergehenden Runden vornehmlich mit der Reduzierung von tarifären Handelsschranken befaßt. Erst mit dem Ende der Kennedy-Runde 1967 bzw. während der Tokio-Runde in den 1970er Jahren standen nicht-tarifäre Handelsschranken im Mittelpunkt der GATI-Verhandlungen. Die Uruguay-Runde ging über diese Inhalte hinaus und bezog erstmals Themen in die Handelsgespräche ein, deren Behandlung im Rahmen des GATI bislang undenkbar gewesen waren (Dienstleistungen, Schutz geistigen Eigentums, Landwirtschaft, Textilien, handelsbezogene Investitionsmaßnahmen, Streitbeilegungsmechanismus und institutionelle Reform). Besonders die USA setzten sich für eine Behandlung dieser Bereiche ein. Ein anderer Unterschied zu den sieben vorangegangenen GATI-Runden bestand in der Rolle der Entwicklungsländer bei den Uruguay-Runden-Verhandlungen: Die Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Japan hatten die vorhergehenden sieben GATI-Runden dominiert. Die Entwicklungsländer hatten seit den 1960er Jahren einen Sonderstatus im GATI erhalten240 und traten ansonsten als aktive Verhandlungspartner kaum in Erscheinung, bzw. nutzen die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) als Forum, um ihre handelspolitischen Ziele und Interessen zu artikulieren. Die Uruguay-Runde überwand den Nord-Süd-Gegensatz nicht, bedeutete dennoch einen Bruch mit der bisherigen Rollenverteilung. Bereits in der Vorbereitungsphase der Uruguay-Runde waren die Entwicklungsländer vergleichsweise stärker eingebunden. Der das GATI bis einschließlich zur Tokio-Runde beherrschende Nord-Süd-Konflikt schwächte sich dadurch etwas ab, daß einerseits die USA sich seit Beginn der 1980er Jahre mit der Graduierungspolitik aus ihrer Sicht erfolgreich für eine Abschaffung des Sonderstatus der Entwicklungsländer eingesetzt hatten 241 und andererseits 240 Der Sonderstatus des Teil IV des GATT-Vertrages und die während der Tokio-Runde aufgenommene "enabling cIause" schrieben den Verzicht der Industrienationen auf die Anwendung des Prinzips der Gegenseitigkeit (Reziprozität) der Zugeständnisse fest. Prinzipiell war es somit möglich, daß Industrieländer Produkte aus den Entwicklungsländern zu Meistbegünstigungsbedingungen auf ihren Markt ließen, ohne dafür gleichwertigen Marktzutritt in den betreffenden Entwicklungsländern einzufordern. Vgl. dazu Engels 1994: 57.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
die Notwendigkeit dieses Sonderstatus durch die unterschiedliche ökonomische Entwicklung innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer in Frage gestellt wurde. Im Verlauf der Uruguay-Runde brach die ursprünglich relativ monolithische Koalition der Entwicklungsländer auf. Verschiedene Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bildeten Koalitionen untereinander, aber auch mit Industriestaaten, die ihren Verhandlungszielen oder ihren wirtschaftlichen Interessen dienten. Eine der bekanntesten unter diesen Gruppen war die Caims-Group, eine Länderkoalition von 14 agrarexportierenden Nationen?42 Dabei wies die Uruguay-Runde nicht nur Unterschiede, sondern auch Kontinuitäten und Charakteristiken der vorhergehenden Runden des GATT auf. Wie alle Runden vor ihr knüpfte die Uruguay-Runde in ihren Ursprüngen Anfang der 1980er Jahre inhaltlich zunächst an die vorhergehende Runde an: Besonders bezüglich der sog. Schutzklausei (safeguards), i. e. der Artikel XIX des General Agreement on Tariffs and Trade, Subventionen, Streitbeilegungsmechanismus und nicht zuletzt im Landwirtschaftssektor hatte die Tokio-Runde keine oder für viele Staaten keine zufriedenstellenden Ergebnisse hervorgebracht. 243 Sämtliche Bereiche wurden Elemente der Agenda der neuen Runde. Ein weitere Ähnlichkeit, besonders mit dem Beginn der Tokio-Runde, war die lange Anlaufzeit bis zum Beginn der Verhandlungen. Zwischen dem Ende der Kennedy-Runde, 1967, und dem Beginn der siebten GATTRunde, der Tokio-Runde, 1973, lagen sechs Jahre. Bis zum Start der Uruguay-Runde in Punta deI Este, im September 1986, waren seit dem Ende der Tokio-Runde 1979 wiederum sieben Jahre vergangen. Beide Perioden sahen eine Konjunktur protektionistischer Bestrebungen weltweit, aber besonders in den USA. Durch beide GATT-Runden versuchten die Vereinigten Staaten den Protektionismus im eigenen Land durch die Initiierung einer neuen GATT-Runde einzudämmen: Indem die amerikanische Regierung den Wachstumsbranchen im Lande die Erschließung neuer Märkte durch die Beseitigung von Handelsschranken zusicherte, sorgte sie für eine Mobilisierung vieler an Handelsliberalisierung interessierter Gruppen und Wirtschaftszweige. 244 Der Auftakt für die achte Verhandlungsrunde des GATT erwies sich aus einer Reihe von Gründen als unverhältnismäßig schwierig und zog sich von Vgl. Fliess 1991: 46 und Preeg 1995: 73f. Mitglieder der in Cairns, Australien im August 1986 gegründeten Gruppe: Australien, Neuseeland, Brasilien, Kanada, Chile, Fiji, Kolumbien, Indonesien. Malaysia, Ungarn. Thailand. Uruguay. die Philippinen. Argentinien. 243 Vgl. Preeg 1995: 24-27. 244 Vgl. Fliess 1991: 62. 241
242
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
175
1979 bis 1986 hin. 245 Erstens, die weltweiten ökonomischen Rahmenbedingungen bildeten in der ersten Hälfte der 1980er Jahre kein günstiges Klima für einen Abbau von Handelsschranken: Die führenden Industriestaaten befanden sich Anfang des Jahrzehnts in einer Rezession. Die Entwicklungsländer hatten mit den Auswirkungen der zweiten Ölkrise und hoher Auslandsverschuldung zu kämpfen. Zweitens, die inhaltlichen Forderungen der USA für die Agenda einer neuen GATI-Runde trafen bei vielen Nationen auf Ablehnung. Die Entwicklungsländer weigerten sich strikt, die "neuen Themen", wie z.B. Dienstleistungen oder den Schutz geistigen Eigentums, in die GATI-Verhandlungen einzubeziehen. Die Europäische Gemeinschaft befürwortete grundsätzlich die Initiative für eine GATI-Runde, lehnte jedoch die Einbeziehung des Agrarsektors vehement ab. Drittens, die USA schienen nicht bereit, um jeden Preis als Motor des GATI-Systems zu agieren und zeigten wiederholt Bereitschaft, sich auch mit weniger umfassenden Verhandlungslösungen abzufinden. Hatten sie 1982 noch auf die Aufnahme einer GATI-Runde basierend auf dem Konsens aller Vertragspartner gedrängt, so wich die Administration Reagan in der Folgezeit von diesem Konzept ab. Anfang 1983 regten die Vereinigten Staaten an, ein GATI der verschiedenen Geschwindigkeiten einzurichten: Unter den Begriffen "GATI-Plus", "Super-GATI" oder "GATI of like-minded countries" dachte die Reagan-Administration laut darüber nach, Schritte der Handelsliberalisierung unter einer Gruppe gleichgesinnter Handelspartner durchzusetzen und erst dann auf andere Länder auszudehnen. 246 Außerdem zeigten die USA mit der Aufnahme von Verhandlungen über die Einrichtung einer Freihandelszone mit Israel 1984 ihre Bereitschaft, Alleingänge in der Handelspolitik zu unternehmen, die vom multilateralen Ansatz des GATI abwichen. Der Versuch der USA, den Startschuß für eine neue Verhandlungsrunde auf einem Ministertreffen des GATI zu geben, war im November 1982 gescheitert: "Undoubtedly, the meeting was ill-prepared and near chaotic in its final phase. ,,247 Die Industriestaaten konnten sich auf keine gemeinsame Strategie einigen. Die Entwicklungsländer fürchteten, daß die Industriestaaten zu sehr auf die Einbeziehung der neuen Themen drängten und die Belange der Entwicklungsländer vernachlässigten. Im nachhinein hatte das Ministertreffen immerhin doch zumindest Impulse gegeben, die im Laufe der nächsten Jahre über Informationsbeschaffung und Vorbereitungstreffen bis hin zur Formulierung einer Agenda für die GATI-Verhandlungen führ245 Vgl. für die Phase der Vorbereitung der Uruguay-Runde (Zeitraum zwischen 1979 und 1986) Fliess 1991: 43-99, Low 1993: 189-207, Preeg 1995: 2~3 sowie Croome 1995: 5-27. 246 Vgl. Fliess 1991: 52f. 247 Vgl. Preeg 1995: 34.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
ten. In Punta deI Este, Uruguay, einigten sich die GATI-Vertragsparteien dann schließlich im September 1986 auf eine gemeinsame Agenda. 248 Die Verhandlungen waren ursprünglich auf vier Jahre, von 1987 bis 1990, angesetzt. Bis jedoch letztendlich ein Konsens in allen Bereichen erreicht war, vergingen sieben Jahre. Die Konfliktlinien der Handelsgespräche verliefen mit wechselnden Koalitionen einerseits zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft, andererseits zwischen den Entwicklungsländern und den Industriestaaten. Die USA und die EG stritten sieben Jahre lang um die Liberalisierung des Agrarsektors. Die Amerikaner drängten auf eine Öffnung des europäischen Marktes für Agrarprodukte und forderten die Europäer kompromißlos auf, ihre Exportsubventionen im Agrarbereich abzubauen. Die Europäer weigerten sich, nicht weniger kompromißbereit. Der Landwirtschaftssektor war und ist ein Bereich, der nicht nur innerhalb der einzelnen europäischen Staaten für Zündstoff birgt, sondern auch stets zwischen den Mitgliedern der EG zu schweren Konflikten geführt hat. Die Uruguay-Runde drohte an dem Stillstand im Agrarsektor fast zu scheitern. 249 Sowohl das zur Halbzeit der Verhandlungen abgehaltene Treffen in Montreal, Dezember 1988, als auch das Ministertreffen in Genf, Dezember 1990, das bereits das Ende der Runde herbeiführen sollte, scheiterten letztendlich am Unvermögen der USA und der EG, im Agrarsektor eine Einigung zu erzielen. Auch Verhandlungserfolge in anderen Bereichen führten nicht aus der Sackgasse der Agrarverhandlungen. Eher umgekehrt: Der Ausgang der Runde schien von einem Kompromiß im Agrarbereich abzuhängen. Den anderen grundSätzlichen Konflikt während der Uruguay-Runde trugen die Entwicklungsländer mit den Industriestaaten aus. Einige Entwicklungsländer, unter der Führung von Indien und Brasilien, weigerten sich zu Beginn der GATI-Verhandlungen, Bereiche wie Dienstleistungen und den Schutz geistigen Eigentums in das GATI einzubeziehen. Sie sahen sich in diesen Bereichen gegenüber den Industriestaaten als nicht ausreichend wettbewerbsfähig an. Außerdem glaubten sie, daß besonders der Schutz geistigen Eigentums vielen Unternehmen der Industrieländer eine Monopolstellung sichern und den von vielen Entwicklungsländern so dringend benötigten Transfer von Technologie und Wissen unterbinden würde. Die Erreichung eines Kompromisses in der scheinbar aussichtslosen Verhandlungssituation, war am Ende letztendlich der Länge der UruguayRunde zu verdanken. Während der Dauer der Verhandlungen änderte sich die Lage in einigen Entwicklungsländern in bestimmten Sektoren der Wirt248 Vgl. die Erklärung der Minister von Punta del Este, abgedruckt in Croome 1995: 382-392. 249 Vgl. Langhammer 1991.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
177
schaft grundlegend. Indien entwickelte sich beispielsweise zu einem wettbewerbsfähigen Anbieter von Computer-Technologie. Viele Entwicklungsländer realisierten außerdem, daß Multinationale Konzerne viel eher dazu neigten, Investitionen in den Entwicklungsländern zu tätigen, wenn sie davon ausgehen konnten, daß ihre Innovationen vor illegalen Kopien und Markenpiraterie geschützt waren. Schließlich zwangen auch die Bestimmungen des amerikanischen Handelsgesetzes von 1988 die Entwicklungsländer indirekt dazu, ihren Widerstand gegen die Einbeziehung der neuen Themen aufzugeben: Das Gesetz schuf die rechtliche Grundlage für die USA, unilateral und mit drakonischen Maßnahmen gegen Handelspartner vorzugehen, die ihrer Auffassung nach für Verstöße gegen den Schutz geistigen Eigentums verantwortlich waren. Vor die Option gestellt, den Regeln des GATI zu unterliegen, oder dem unilateralen Vorgehen der USA ausgesetzt zu sein, zogen viele Entwicklungsländer ersteres vor. 250 Der Durchbruch in der Uruguay-Runde erfolgte erst im November 1992, als sich die Verhandlungsdelegationen der USA und der EG im Gästehaus des Weißen Hauses, dem Blair House, auf einen Kompromiß im Landwirtschaftssektor einigen konnten. Da insbesondere Frankreich die Vereinbarungen auch in der Folgezeit kaum akzeptieren wollte, zog sich der tatsächliche Abschluß der Uruguay-Runde bis zum letzten Tag der Verhandlungsvollmacht des amerikanischen Präsidenten durch den Kongreß, dem 15. Dezember 1993, hin. Die Ergebnisse der achten Verhandlungsrunde des GATI sind ohne Zweifel die weitreichendsten und umfangreichsten seit Bestehen des GATI. 251 Das bedeutendste Ergebnis der Uruguay-Runde ist die Gründung der Welthandelsorganisation WTO, die den provisorischen Charakter des GATI ablöst und zum ersten Mal nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine für internationale Handelsfragen zuständige Organisation schafft. Inhaltlich sind die Erwartungen der Industriestaaten, allen voran die USA, in Sektoren wie z. B. Schutz geistigen Eigentums oder Dienstleistungen, in der Uruguay-Runde bei weitem übertroffen worden. Die Wohlfahrtseffekte der Entwicklungsländer werden im Vergleich dazu geringer erwartet. Besonders in den Bereichen Landwirtschaft oder Textilien und Bekleidung sind die Ergebnisse aus der Sicht der ärmsten Länder eher enttäuschend ausgefallen bzw. hängen von einer konsequenten Umsetzung der in Marrakesch im April 1994 unterzeichneten Verträge ab. 252
Vgl. Preeg 1995: 66f. Kompakte Überblicke der Ergebnisse der Uruguay-Runde bieten Schott 1994, Evans/Walsh 1994, Senti 1994 und HauserlSchanz 1995. . 252 Vgl. Agosin/Tussie/Crespi 1994, Engels 1994 und Windfuhr 1994. 250 251
12 pfeil
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
7.2. Positionen im Kongreß: Ein Generationswechsel Die Ratifizierung der Uruguay-Runde durch den amerikanischen Kongreß stand im Vergleich zu der des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage. Jahrzehntelang hatten die USA die Handelsliberalisierung im Rahmen des GAlT vorangetrieben. Stets waren es außenpolitische, aber auch besonders nationale ökonomische Interessen der Vereinigten Staaten gewesen, die von den GAlT-Runden profitiert hatten. Die Uruguay-Runde machte davon nicht nur keine Ausnahme, sondern sollte ihre Vorgänger hinsichtlich der prognostizierten Ergebnisse noch übertreffen. Unter der Überschrift "GATT: Where the real money is" bemerkte der ehemalige republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses und Handelsexperte, William Frenzel: "The Uruguay-Round of trade liberalization means percentage points, not basis points, of U.S. GDP growth. It means trillions of dollars in increased world trade. ,,253 Die Endabstimmung des Repräsentantenhauses über die Uruguay-Runde am 29. November 1994 produzierte folgerichtig ein klares Ergebnis: 288 Abgeordnete stimmten für die Ratifizierung der Uruguay-Runde, 146 dagegen. Die Beurteilung dieser Abstimmung ist in der Literatur durchweg positiv: "A surprisingly strong bipartisan reaffirmation of a liberal trade policy had been achieved",254 und " ... [B]oth parties supported the bill by margins of two-to-one, and the bill received at least 64 percent support from every region of the country. ,,255 Diese Einschätzungen treffen grundSätzlich zu. Besonders innerhalb der Reihen der Demokraten am Repräsentantenhaus war die Akzeptanz der Uruguay-Runde wesentlich höher als die des NAFfA: Nur 40 Prozent aller Demokraten im Repräsentantenhaus hatten für NAFTA votiert, während 65 Prozent von ihnen für die Uruguay-Runde stimmten. Das Ergebnis der Ratifizierungsabstimmung läßt andere Interpretationen zu: Grundsätzlich ist bis Mitte der 1990er Jahre die Zustimmung des Kongresses für multilaterale Handelsliberalisierung wesentlich größer als für bestimmte regionale Abkommen; NAFT A und die Uruguay-Runde sind 2S3 Vgl. Frenzel 1994: 3. Die bekanntesten Prognosen sagten als Folge der Uruguay-Runde weltweite Einkommenseffekte in dreistelliger Milliardenhöhe über einen Zeitraum von 10 Jahren voraus: Weltbank: $ 213 Milliarden (1992 Dollar im Jahr 2002), OECD: $ 274 Milliarden (1992 Dollar im Jahr 2002), GATT Sekretariat: $ 230 Milliarden (1992 Dollar im Jahr 2002), Council of Economic Advisersl United States Trade Representative: $ 775 Milliarden (1990 Dollar im Jahr 2002). Vgl. Evans/Waish 1994: 3-5. 2S4 Vgl. Preeg 1995: 183. 2!5S Vgl. DestIer 1995: 253f., siehe auch in diesem Sinne Free Trade carries the day as GATT easily passes, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, December 3, 1994, S. 3446-3450.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
179
Beispiele dafür. Die Ratifizierungsabstimmung der Uruguay-Runde hat demonstriert, daß der Multilateralismus nicht mehr das einzige oder gar unumstrittene Leitkonzept der amerikanischen Außenhandelspolitik ist: Die Tokio-Runde erhielt bei der Endabstimmung im Repräsentantenhaus im Juli 1979 ganze 7 Gegenstimmen256 , die Uruguay-Runde 146. Auch wenn man berücksichtigt, daß bei der Uruguay-Runde potentiell größerer Widerstand des Kongresses zu erwarten war, da die Bestimmungen der Uruguay-Runde inhaltlich erheblich weiter als die der Tokio-Runde gingen und somit in wesentlich größerem Umfang die Interessen der Abgeordneten berührten, ist das Abstimmungsergebnis des Kongresses jedoch insgesamt als Abnahme der Unterstützung der multilateralen Handelsliberalisierung zu werten Im weiteren belegt das Abstimmungsergebnis einen Trend, der bereits bei der Abstimmung des NAFfA schon zu beobachten war: Im Kongreß bahnt sich ein Generationswechsel in der Unterstützung von Projekten der Handelsliberalisierung an. Die Unterstützung des GATI unter den jüngeren Abgeordneten ist geringer als unter denen älterer Jahrgänge. Das überraschende daran ist, daß dieser Befund für Demokraten und Republikaner gleichermaßen gilt. Während die Debatte um NAFfA die oppositionelle Haltung der Demokraten einmal mehr bestätigte, zeigten die Abstimmungsergebnisse des NAFfA und der Uruguay-Runde erstmals auch die schwindende Zustimmung der Republikaner für Handelsliberalisierung. Folgende Absätze fassen zunächst anband von Dokumenten die Positionen der Kongreßabgeordneten gegenüber der Uruguay-Runde in den 1980er und frühen 1990er Jahre zusammen. Anband der Ergebnisse der Ratifizierungsabstimmungen beim NAFfA und der Uruguay-Runde wird dann die These vom Generationswechsel im Kongreß hinsichtlich der Einstellungen der Abgeordneten in der Handelspolitik aufgezeigt. Für die Einstellungen der Abgeordneten gegenüber der Uruguay-Runde sei vorab auf die Ausführungen in Kapitel 6.2. verwiesen. Besonders die Schilderung der Handelspolitik in der Ära Reagan ist für eine Analyse der Positionen der Abgeordneten bei der Uruguay-Runde relevant und wird an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholt. Die Einstellungen und Positionen der Kongreßabgeordneten gegenüber der Uruguay-Runde sind während der Vorbereitung der GATI-Runde in den frühen 1980er Jahren und während der Verhandlungen im allgemeinen zustimmend, wenn auch nicht euphorisch, gewesen. Die Uruguay-Runde hatte am Kongreß zu jedem Zeitpunkt eine wesentlich höhere Akzeptanz 256 Bei der Abstimmung am 11. Juli 1979 hatten allerdings 33 Abgeordnete nicht am Urnengang teilgenommen, während der Ratifizierungsabstimmung der UruguayRunde nur ein Abgeordneter fern blieb. 12'
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
als NAFTA und war bis auf die letzten Wochen vor ihrer Ratifizierung kaum kontrovers. Doch bedeutete die Zustimmung des Kongresses keinesfalls, daß die Abgeordneten die Uruguay-Runde jemals zur Priorität der handelspolitischen Agenda machten. Anhörungen des Kongresses zur Außenhandelspolitik in der ersten Hälfte der 1980er Jahre zeigen deutlich, daß ,,zustimmung" zu einer neuen GATI-Runde zunächst lediglich "Duldung" oder "Indifferenz" bedeutete. Aus Sicht vieler damaliger Repräsentanten und Senatoren schadeten GATI-Verhandlungen nicht, da sie potentiell Bereiche wie Dienstleistungen, Schutz geistigen Eigentums oder Landwirtschaft betreffen würden, in denen die Amerikaner wettbewerbsfähig waren. Die eher gedämpfte Stimmung des Kongresses gegenüber der achten GATI-Runde rührte nicht aus der Sorge her, ökonomisch Schaden zu nehmen, sondern eher aus dem Zweifel an dem Nutzen und der Relevanz des GATI. Das GATI befand sich in den USA nach der Tokio-Runde in einer Legitimitätskrise. Viele am Kongreß bezweifelten, daß das GATI überhaupt in der Lage sei, nennenswerte Ergebnisse zu produzieren. Nach dem GATI-Ministertreffen in Genf im November 1982, auf dem die teilnehmenden Länder sich nicht auf eine Agenda für eine neue GATI-Runde einigen konnten, bemerkte der republikanische Senator William Roth (R-DE) vor dem Finanzausschuß des Senats: "There is no question the GATT is suffering from a terminal illness. Unless we take action soon, the patient will die. (... ) The GATT is worse than a paper tiger. It's a paper mouse, bogged down in dotting the "i's" and crossing the "t's" in its working documents while a world trade war rages all around it. It's just like Nero fiddling while Rome burned. No, the GATT is not relevant for today's trading problems...257
Andere Kritiker wie Senator John Heinz (R-PA) stellten den Nutzen der Tokio-Runde in Frage: Die ökonomischen Effekte der Tokio-Runde ließen sich für die USA kaum erkennen; ihre Ergebnisse in den Bereichen Subventionen, Schutzklausei oder Streitbeilegungsmechanismus hätten den Kongreß enttäuscht: "I am not convinced that we have an adequate understanding or any analysis of the cost and benefits of the last round of negotiations to the United States.,,258 Zudem sahen sich die Amerikaner Mitte der 1980er Jahre jedes Jahr erneut vor gigantische Defizite in der Handelsbilanz gestellt. Obwohl dem m Vgl. Administration's assessment 0/ the 1982 Meeting 0/ the Ministers to the GAIT. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 98th Con-
gress. First session. January 25, 1983. Washington. D.C., 1983, S. 3. 2S8 Vgl. Possible new Round 0/ Multilateral Trade Negotiations. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 99th Congress. 2nd session. On S 1860, S 1837, and S 1865. May 14, 1986. Washington. D.C., 1986, S. 16.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
181
Kongreß der Zusammenhang zwischen monetären Faktoren, wie etwa der Überbewertung des Dollars, und dem Defizit bekannt waren, lag die Priorität der Abgeordneten hinsichtlich Außenhandel eher auf unilateralen oder bilateralen Instrumenten. Kurzfristige Abhilfe war gefragt. Der GATIProzeß erwies sich vor diesem Hintergrund als zu langwierig und konnte aus der Sicht der Abgeordneten allenfalls als flankierende Maßnahme dienen. 259 Im Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 übertrug der Kongreß dem Präsidenten die nötige Verhandlungsvollmacht für die UruguayRunde und garantierte ihm, daß der Kongreß die Ergebnisse der UruguayRunde durch das Jast-track-procedure ratifizieren würde. Abermals darf die Erteilung der Verhandlungsvollmacht nicht als Zustimmung des Kongresses für das GATI interpretiert werden, obwohl folgendes Zitat aus dem einer ersten Fassung des Gesetzes begleitenden Report des Finanzausschusses am Senat von Mitte 1987 einen positiven Eindruck vermittelt: "The Committee has conc1uded that only by initiated far-ranging multilateral trade negotiations can the United States hope to maintain its leadership in the world economy and shape this world to the benefit of its own citizens. The potential improvement in the standard of living in this country from a fully realized global economy is too great to bypass. Moreover, no other nation appears to be in a position to provide the leadership necessary to realize this potential except the Uni ted States. Therefore, the Committee has conc1uded it is necessary and appropriate for the United States to provide that leadership.,,260
Wiederum bedarf es der einschränkenden Bemerkung, daß die Übertragung der Vollmacht keinesfalls Hauptzweck dieses Handelsgesetzes war. Der Kongreß faßte die Vollmacht für die Uruguay-Runde als Konzession an den Präsidenten auf. Im Gegenzug setzte dieser seine Unterschrift unter ein Handelsgesetz, das erstmals seit den 1930er Jahren ausschließlich im Kongreß entstanden war und das eine Verschärfung bestehender außenhandelspolitischer Instrumente beinhaltete. 261 Die relativ positive Haltung des Kongresses gegenüber der UruguayRunde verbesserte sich noch während ihres Verlaufs. Diesen Schluß lassen die beiden Abstimmungen des Kongresses über die Verlängerung des Jasttrack procedure im Mai 1991 und 1993 zu. Die unvorhergesehene Länge der Uruguay-Runde holte die vom Kongreß gesetzte Dauer des Jast-track procedure immer wieder ein, so daß Verlängerungen des Verfahrens nötig Vgl. Destler 1989: 200-202. Vgl. Omnibus Trade Act 011987. U.S. Congress. Senate. Report of the Committee on Finance on S. 490 together with additional views. lOOth Congress, Ist session. June 12, 1987. Washington, D.C., 1987, S. 4. Ausführlich zu den geplanten Verhandlungen und der Vollmacht für den Präsidenten S. 4-9 und S. 30-45. 261 Vgl. DestIer 1989: 201 f. 2S9
260
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
wurden. Eine Abstimmung über das fast-track procedure ist stets ein indirekter Test für die Stimmung des Kongresses gegenüber dem zu verhandelnden Abkommen selbst. 1991 entschied das Repräsentantenhaus mit 231 zu 192 Stimmen, dem Präsidenten das fast-track- Verfahren weiterhin zu garantieren. 262 Wie in Kapitel 3 ausführlich dargestellt, war die in diesem Zusammenhang geführte Debatte zwischen Kongreß und Exekutive eher ein Streit um die Aufnahme der NAFfA-Verhandlungen; die Uruguay-Runde spielte in dieser Diskussion nur eine Nebenrolle, doch ist der positive Ausgang der Abstimmung weitestgehend darauf zurückzuführen, daß der Kongreß die laufenden GATI-Gespräche nicht scheitern lassen wollte. Diese Einschätzung bestätigt das Abstimmungsergebnis des Repräsentantenhauses über die Verlängerung des fast-track procedure im Juni 1993. Abermals drohte dem Präsidenten der Verlust der fast-track-Regeln, da sich die GATI-Verhandlungen auch nach dem Durchbruch im Agrarsektor vom November 1992 wesentlich länger hinzogen als erwartet. Wiederum mußte der Kongreß über das fast-track procedure abstimmen, diesmal allerdings ohne daß NAFfA die Aufmerksamkeit der Abgeordneten absorbierte und das Stimmverhalten beeinflußte. Der Ausgang der Abstimmung im Repräsentantenhaus war mit 295 zu 126 Stimmen noch deutlicher als zwei Jahre zuvor.2 63 Die Akzeptanz der Uruguay-Runde am Kongreß erklärt sich, wie eingangs erwähnt, aus den positiven ökonomischen Erwartungen der Abgeordneten. Die wissenschaftlichen Dienste des Kongresses, der Congressional Research Service,264 und das General Accounting Office, veröffentlichten 1993 und 1994 viel beachtete Studien, die einen Gewinn für die amerikanische Volkswirtschaft prognostizierten. So heißt es im Abschlußbericht des General Accounting Office vom Juli 1994, wenige Monate vor der Abstimmung: "While Congress will have to weigh many varied and sometimes competing interests in deciding whether to implement the Final Act of the Uruguay Round, we believe that the Final Act would produce overall economic gains for the United States.,,26S 262 Vgl. Abstimmungsergebnisse des Repräsentantenhauses über H. Res. 101, Disapproval 0/ Fast-track procedures/Adoption, in: Congressional Quarterly, WeekIy Report, May 25, 1991, Abstimmung Nr. 115, S. 1408. 263 Vgl. Abstimmungsergebnisse des Repräsentantenhauses zu H. R. 1876, Fasttrack extension/Passage, in: Congressional Quarterly Almanac 1993, Abstimmung Nr. 247, S. 6O-H. Siehe dazu auch die positiven Empfehlungen des das Gesetz begleitenden Berichts des zuständigen Ausschusses: Uruguay-Round 0/ Multilateral Trade Negotiations. U.S. Congress. House of Representalives. Report together with additional views of the Committee on Ways and Means [to accompany H. R. 1876], Part I. April 28, 1993. Washington, D.C., 1993. 264 Vgl. Elwell, Craig/Reifman, Alfred: The Uruguay Round: A macroeconomic assessment (CRS-Report for Congress Nr. 93-533 E) Washington, D.C., June I, 1993.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
183
Die relativ positive Einstellung des Kongresses gegenüber der UruguayRunde verdeckte einen Trend, der erst Ende der 1990er Jahre in seinem gesamten Ausmaß sichtbar werden sollte: Der abnehmende Konsens des US-Kongresses gegenüber Handelsliberalisierung. Das Neue an diesem Phänomen ist die Erkenntnis, daß offenbar nicht mehr nur die Wahlkreise die Position eines Kongreßabgeordneten beeinflussen, sondern daß anscheinend verschiedene Generationen von Abgeordneten unterschiedliche Einstellungen in der Handelspolitik haben. Eine nach Altersgruppen vorgenommene Analyse des Abstimmungsverhaltens der Abgeordneten des Repräsentantenhauses beim NAFTA und der Uruguay-Runde ergibt, daß der Konsens in beiden Parteien für eine Außenhandelspolitik der Handelsliberalisierung schrumpft. Tabelle 7 gibt Aufschluß über einen sich abzeichnenden Generationswechsel hinsichtlich der Unterstützung von Abkommen zum Abbau von Handelsschranken innerhalb des Kongresses. Unter den Abgeordneten der Demokraten am Repräsentantenhaus die vor 1945 geboren sind, votierten 58% gegen NAFTA; innerhalb der Riege der jüngeren Abgeordneten der Partei, d. h. die nach 1946 geboren wurden, ist die Opposition deutlich höher: Von ihnen stimmten 67 % gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. Das gleiche Bild ergibt sich für die Uruguay-Runde: Unter den Demokraten am Repräsentantenhaus, die vor und während des Zweiten Weltkriegs geboren wurden stimmten 31 % gegen die Uruguay-Runde. Unter den jüngeren Repräsentanten der Demokraten lehnten 36% die GAIT-Runde ab. Der brisantere Befund ist allerdings auf seiten der Republikaner im Repräsentantenhaus zu verzeichnen. Während von den Demokraten ohnehin eine protektionistisch orientierte Politik erwartet wird, schienen die Republikaner bislang relativ geschlossen im Lager der Freihändler zu stehen. Die vorliegenden Zahlen deuten einen Trend an, der besagt, daß diese Position aufweichen könnte: Die Diskrepanz zwischen der Vorkriegs- und der Nachkriegsgeneration hinsichtlich der Unterstützung von Handelsliberalisierung ist innerhalb der republikanischen Partei im Repräsentantenhaus nicht weniger deutlich als auf der Seite der Demokraten: Nur jeder fünfte (21 %) Republikaner der Altersgruppe Jahrgang 1945 und älter stimmte gegen das Nordamerikanische Freihandelsabkommen. Innerhalb der Gruppe der ,jüngeren" Republikaner (Jahrgang 1946 und jünger) ist es jedoch jeder Dritte (32 %) der Abgeordneten, der die Freihandelszone mit Mexiko ablehnte. 26% der republikanischen Abgeordneten der Vorkriegsgeneration votierten 265 Vgl. United States General Accounting Office. The General Agreement on Tariffs and Trade. Uruguay Round Final Act should produce overall U.S. Economic Gains. Report to Congress Nr. GAO/GGD-94-83a, volume 1, Wasl1ington, D.C., 1994, S. 2.
184
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
gegen die Uruguay-Runde; im Gegensatz dazu sprachen sich 34% der Babyboomer gegen das multilaterale Handelsabkommen aus. 266 Unter der Bedingung, daß sich dieser Trend fortsetzt, bedeuten diese Ergebnisse keinesfalls einen völligen Bruch mit dem Ziel der Handelsliberalisierung. Die Zahlen dokumentieren jedoch eine Verschiebung der Präferenzen bei den jüngeren Abgeordneten, die in den nächsten Jahren immer stärker im Kongreß vertreten sein werden. Handel und Handelsliberalisierung wird eine vergleichsweise geringere Priorität für die Abgeordneten einnehmen.
Tabelle 7 Abstimmungsverhalten von Demokraten und Republikanern im Repräsentantenhaus bei den Ratifizierungsabstimmungen des NAFTA und der Uruguay-Runde "Nein" zu NAFTA
"Nein" zur Uruguay-Runde
Demokraten insgesamt
61%
33%
Demokraten, Jahrgang 1945 und älter
58%
31%
Demokraten, Jahrgang 1946 und jünger
67%
36%
Republikaner insgesamt
25%
29%
Republikaner, Jahrgang 1945 und älter
21%
26%
Republikaner, Jahrgang 1946 und jünger
32%
34%
Quelle: Eigene Berechnungen des Autors, basierend auf Congressional Quarterly's Politics in America 1994 und Abstimmungsergebnisse des Repräsentantenhauses über NAFfA in Congressional Quarterly, Weekly Report, November 20, 1993, HR 3450, NAFTA ImplementationlPassage, Abstimmung Nr. 575, S. 3224f. und Abstimmung über die Uruguay-Runde in Congressional Quarterly Almanac 1994, HR 5110, General Agreement on Tariffs and TradelPassage, Abstimmung Nr. 507, S. 150 H.
266 Vgl. dazu The G.O.P. looks homeward on trade, in: The New York Times, Sunday, October 16, 1994, Section 4, S. 3.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
185
7.3. Das "Erben" von Handelsabkommen und die Position des Präsidenten Auch in dieser dritten Fallstudie wird die Position der Exekutive hinsichtlich des zu verabschiedenden Abkommens untersucht. Für den Entscheidungsprozeß vor der Abstimmung über die Uruguay-Runde im Kongreß ist dabei lediglich die Position der Clinton-Administration entscheidend. Dieses Vorgehen folgt der in der Einleitung dargelegten Annahme, wonach die Position des Präsidenten eine der Determinanten für den Ausgang von Ratifizierungsprozessen ist. Zur Erinnerung: Eine deutliche Positionserklärung des Präsidenten vermag Unterstützung innerhalb und außerhalb des Kongresses zu mobilisieren. Sie begünstigt die Verabschiedung von Handelsabkommen. Eine vage, mehrdeutige oder zögerliche Position des Präsidenten stärkt in der Regel die Opposition eines Handelsabkommens und hemmt den Aufbau einer Koalition zur Verabschiedung. Eine eindeutige Definition, worum es sich bei einer "klaren oder unklaren Position" des Präsidenten handelt, ist schwer vorzunehmen. Im allgemeinen entscheidet nämlich die Wahrnehmung der am Entscheidungsprozeß beteiligten Akteure darüber, ob und inwieweit der Präsident hinter dem zur Ratifizierung anstehenden Abkommen steht. Das Engagement des Präsidenten bei der Verabschiedung von regionalen und multilateralen Handelsabkommen richtet sich ganz allgemein nach seinen Überzeugungen, seiner Agenda, seinen taktischen Zielen gegenüber dem Kongreß und den Interessen seiner Klientel. Wie alle drei Fallstudien in dieser Studie zeigen, ist es von großer Bedeutung für die Position des Präsidenten, ob er selbst eine GATI-Runde initiiert und diese dem Kongreß zur Ratifizierung vorlegt, oder aber ob er ein Handelsabkommen von seinem Amtsvorgänger übernimmt. Unter letzterem Szenario muß er damit für ein Abkommen um Zustimmung am Kongreß werben, das nicht seinen Stempel trägt. Seit der "Dillon-Runde" des GATI (1960/61) erstreckten sich alle GATI-Verhandlungen zeitlich über mindestens zwei Präsidentschaften. Die Kennedy-Administration vollendete die unter Präsident Dwight D. Eisenhower vorbereitete "Dillon-Runde". Die "Kennedy-Runde" (1964-1967) brachte die Administration unter Lyndon B. Johnson zu Ende. Die Tokio-Runde (1973-1979) begann während der Präsidentschaft Richard Nixons, ging weiter unter Gerald Ford und wurde schließlich von Jimmy Carter in wesentlichen Teilen verhandelt und ratifiziert. Auch die UruguayRunde dauerte über die Amtszeiten dreier Präsidenten: Ronald Reagan, George Bush und Bill Clinton. Für die Ratifizierungsprozesse der "Dillon-Runde" und für die "Kennedy-Runde" in den 1960er Jahren spielte es keine Rolle, ob sie in die Amtszeit eines anderen Präsidenten hineinragten. In dieser Phase der ameri-
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil Tabelle 8
GATT-Runden, Dauer und beteiligte Administrationen der USA, 1947-1994 GATT-Runde
Präsidentschaft
Dauer
Genf
Truman
1947
Annecy
Truman
1949
Torquay
Truman
1950/51
Genf
Eisenhower
1955/56
Genf ("Dillon-Runde")
Eisenhower, Kennedy
1961/62
Genf ("Kennedy-Runde")
Kennedy, Johnson
1964-67
Genf ("Tokio-Runde")
Nixon, Ford, Carter
1973-79
Genf ("Uruguay-Runde")
Reagan, Bush, Clinton
1986-94
Quelle: Zusammengestellt auf der Grundlage von Informationen aus Senti, Richard: GATT. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen als System der Welthandelsordnung. Zürich 1986, S. 70ff.
kanischen Außenhandelspolitik war eine Ratifizierung nach den internationalen Verhandlungen noch nicht erforderlich. Wie im historischen Teil dargelegt, erteilte der Kongreß in dieser Zeit in der Regel eine Vorab-Genehmigung für die GATT-Verhandlungen. Die Exekutive führte dann die Handeisgespräche mit dem Ausland und die Reduzierung tarifärer Handelsschranken konnte im Rahmen der vom Kongreß genehmigten Margen vorgenommen werden. Spätestens seit der Tokio-Runde kommt jedoch der Administration, die ein bereits verhandeltes Abkommen von ihren Vorgängern übernimmt, eine besondere Bedeutung zu, da seit 1974 das fast-track procedure die Ratifizierung eines Abkommens verlangt. Dadurch kann der Fall eintreten, daß ein Präsident eine Mehrheit für ein GATT-Abkommen im Kongreß finden muß, das er weder initiiert noch, im Falle der Freihandelszone NAFTA, selbst verhandelt hat. Gleichfalls besteht die Möglichkeit, daß sich der Präsident einem Kongreß gegenübersieht, dessen handelspolitische Zielsetzungen und parteipolitische Mehrheiten sich erheblich von dem Kongreß unterscheiden, der ursprünglich dem vorangegangenen Präsidenten die Autorisierung für die GATT-Verhandlungen erteilt hat. Die Auswirkungen müssen nicht per se negativ sein, sondern können eine Ratifizierung theoretisch auch begünstigen. Gerade die Erfahrungen mit NAFTA und der Uruguay-Runde haben jedoch illustriert, daß das "Erben" von Handelsab-
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
187
kommen für den Ausgang von Ratifizierungsprozessen eher Nachteile als Vorteile birgt. Die Fallstudien der Tokio- und der Uruguay-Runde zeigen, daß die Motivation eines Präsidenten, sich für die Verabschiedung einer GATT-Runde einzusetzen, u. a. von seiner Rolle während der GATT-Verhandlungen und seiner eigenen Agenda abhängt. Die Tokio-Runde hatte unter den republikanischen Präsidenten Nixon und Ford begonnen, jedoch bis 1977 lediglich geringe Fortschritte gemacht. Somit war es an der Carter-Administration, den überwiegenden Teil der internationalen Verhandlungen durchzuführen. Carter konnte die Tokio-Runde deshalb zurecht größtenteils als sein Produkt ansehen. Seine uneingeschränkte Zustimmung zum GATT und die seines Handelsbeauftragten, Robert Strauss, stand somit niemals in Frage. Im Gegensatz dazu fiel die Endphase der Uruguay-Runde in das erste Amtsjahr der Clinton-Administration. Ohne Zweifel war die Clinton-Administration erheblich daran beteiligt, besonders mit den Europäern letzte Hindernisse aus dem Weg zu räumen, bevor die GATT-Runde im Dezember 1993 zu einem Abschluß kam. Jedoch zeigte sich das Ausland besonders während der ersten drei Monate nach Amtsantritt Clintons darüber irritiert, daß sich der administrative Übergang von der Bush- zur ClintonAdministration verhältnismäßig langsam vollzog. Außerdem schürte die auf die Innenpolitik fixierte Orientierung Clintons Spekulationen über seine tatsächliche Entschlossenheit, die GATT-Runde schnell zu Ende zu bringen. Der Präsident versicherte in Reden und bei öffentlichen Auftritten stets seinen festen Willen, die multilateralen Verhandlungen abzuschließen und das GATI-Abkommen dem Kongreß zur Ratifizierung vorzulegen. Die ersten handelspolitischen Maßnahmen der Administration im Frühjahr 1993 weckten Zweifel, ob sie am Grundsatz des Handelsliberalismus festhalten würde. Daß die Clinton-Administration den multilateralen Prozeß im Rahmen des GATT lediglich als einen unter vielen Ansätzen im Bereich der Außenhandelspolitik betrachtete, zeigt auch Clintons erster Economic Report 0/ the President vom Februar 1994. Der Bericht erweckt den Eindruck, als besäßen die multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde gleiches Gewicht wie andere unilaterale, bilaterale oder regionale Ansätze in der Handelspolitik.267
267 Vgl. Economic Repon of the President. Together with the Annual Report of the Council of Economic Advisers. Transmitted to Congress in February 1994. Washington. D.C .• S. 214-237.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
7.4. Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß vor der Ratifizierung Die zweite Hälfte des 103. Kongresses stand im Zeichen einer aggressiven parteipolitischen Konfrontation, die zum Entgleisen von Clintons innenpolitischer Agenda führte. Am Ende verloren die Demokraten die Novemberwahlen 1994. Die Republikaner gewannen erstmals seit 40 Jahren wieder eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus. Die parteipolitischen Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Republikanern und zwischen dem Weißen Haus und dem Kongreß beeinflußten den Ratifizierungsprozeß der Uruguay-Runde erheblich, führten aber nicht zu dessen Scheitern. Im Gegenteil, das Implementierungsgesetz, mit dem der Kongreß die Uruguay-Runde ratifizierte, kann im nachhinein noch als eine der erfolgreichsten gesetzgeberischen Initiativen der Clinton-Administration 1994 gelten. Das zweite Amtsjahr Bill Clintons, Januar bis November 1994, geriet aus Sicht des Präsidenten zum Debakel. Die Kernstücke seiner innenpolitischen Reformagenda, insbesondere die Gesundheitsreform, scheiterten. Angesichts der bevorstehenden Kongreßwahlen im November begangen die Republikaner, stärker noch als 1993, die Gesetzesinitiativen des Demokraten im Weißen Haus zu torpedieren. Diese Strategie zielte darauf, die Administration Clinton und die regierenden Demokraten im Kongreß als inkompetent und regierungsunfabig hinzustellen. Damit einher ging, daß Clinton nicht mehr in dem Maße auf die Mehrheiten seiner Partei in beiden Kammern des Kongresses bauen konnte, wie dies noch während des ersten Amtsjahres wiederholt der Fall gewesen war. Außerdem schien die Administration bei der Planung ihrer Agenda Anfang 1994 übersehen zu haben, daß die Demokraten im Senat keinesfalls über die 60 Stimmen verfügten, die nötig waren, um die filibuster der Republikaner zu blocken. Die Republikaner würden diese Waffe im Verlauf des Jahres erfolgreich an entscheidenden Punkten des Gesetzgebungsprozeß einsetzen können. 268 Das Jahr 1994 hatte aus Sicht der Administration erfolgreich begonnen. Präsident Clinton war es in seinem ersten Amtsjahr gelungen, die wichtigsten Komponenten seines ökonomischen Planes durch den Kongreß zu bringen. Zudem schaffte er es, mit NAFTA und der sog. Brady-Bill, ein Gesetz, das beim Kauf von Handfeuerwaffen zukünftig Wartezeiten vorschrieb, zwei weitere wichtige Erfolge zu verzeichnen. Die Bevölkerung honorierte diese gesetzgeberischen Initiativen mit Zustimmung; im Dezember 1993 genoß Bill Clinton mit 56 Prozent Zustimmung gegen 33 Prozent 268 Zum Gebrauch des filibusters, des Rechts der unbegrenzten Rede, im Verlaufe des 103. Kongresses vgl. Democrats decry GOP filibusters, in: Congressional Quarterly Almanac 1994, S. 9.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
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Mißbilligung die höchsten Zustimmungsraten seit seinem Amtsantritt. 269 Der Präsident beging im Laufe des Jahres folgende Fehler, die den Ratifizierungsprozeß der Uruguay-Runde beeinträchtigten und letztendlich zur Niederlage der Demokraten bei den Kongreßwahlen im November führten. Erstens, bereits in seiner Regierungserklärung, der State 01 the Union Address, vom 25. Januar 1994, zeichnete sich die Überfrachtung von Clintons Agenda ab. 27o Mit der Reform des Gesundheitswesens, der Reform des Sozialversicherungssystems, einer Anti-Verbrechensmaßnahme, der anstehenden Ratifizierung der Uruguay-Runde sowie mehreren kleineren Initiativen im Erziehungswesen hatte Clinton sich und dem Kongreß eine große Agenda aufgeladen. Eine Folge war, daß viele Abgeordnete am Kongreß unklar über die Prioritäten des Präsidenten waren. Die Administration schien ferner nicht zu berücksichtigen, daß aufgrund der für November angesetzten Wahlen die zur Verfügung stehende Zeit zur Verabschiedung der Uruguay-Runde wesentlich knapper bemessen war als 1993. Zweitens, die Strategie des Präsidenten zur Umsetzung seiner innenpolitischen Agenda schloß von vornherein die Republikaner im Kongreß aus. Diese Entscheidung fiel in einem Strategietreffen zwischen Clinton, Mitgliedern seines Kabinetts, sowie hochrangigen Vertretern der Führung der Demokraten am Kongreß im Februar 1994: "The decision to forgo abipartisan, less confrontational approach to health care prefigured a year of legislative setbacks andfiascoes that contributed heavily to the rout of the Democrats in the midterm elections.,,27J Der Verzicht, die Opposition am Kongreß in die Formulierung solch ehrgeiziger Reformprojekte wie das des Gesundheitswesens einzubinden, erleichterte den Republikanern nicht nur, jegliche Verantwortung für diese Initiativen von sich zu weisen und sie abzulehnen, sondern zwang den Präsidenten auch, sich auf die Demokraten im Kongreß zu verlassen, eine Strategie, die sich als fatal erweisen sollte. Drittens, die Clinton-Administration beteiligte den Kongreß viel zu spät an der Ausarbeitung und Formulierung von Gesetzesinitiativen und wiederholte damit 1994 die Fehler des ersten Amtsjahres. Gesetzentwürfe wurden lange und detailliert innerhalb der Exekutive vorbereitet und erst dann dem Kongreß vorgelegt. Eine Folge war, daß am Kongreß weder Aktzeptanz für diese Initiativen entstehen konnte, noch ausreichend Zeit blieb, Meinungsunterschiede auszuräumen. 272 269 Vgl. NBC News/The Wall Street Journal Poil in: The National Journal, vol. 26 (January 8, 1994) Nr. 2, S. 89. 270 Vgl. Address before a Joint Session of the Congress on the State of the Union, January 25, 1994. In: Public Papers of the Presidents of the United States. William 1. Clinton. Book I, January I to July 31, 1994. Washington, D.C., 1995, S. 126-135. 271 Vgl. Clinton 's legislative strategy falters, in: Congressional Quarterly Almanac 1994, S. 29.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Die Wirkung dieser strategischen Fehlentscheidungen zu Beginn des zweiten Amtsjahres verstärkte sich durch die aggressive Strategie der Republikaner. Die Republikaner hatten keine Mühe, die Gesetzesinitiativen der Administration zu blockieren. Ganz allgemein unterstützten sie eine Reform des Gesundheitswesens oder der Sozialhilfe und befürworteten neue Schritte zur Verbrechensbekämpfung. Doch konnten die Unterschiede hinsichtlich der Lösungsansätze und den philosophischen Grundlagen zwischen Republikanern und Demokraten kaum größer sein. Angesichts der bevorstehenden Wahlen erschien es der republikanischen Führung im Kongreß deshalb nur folgerichtig, eine Strategie der Nicht-Kooperation mit dem Weißen Haus zu betreiben. Die Strategie zahlte sich aus Sicht der Republikaner aus. Die vom Congressional Quarterly jährlich ermittelte Erfolgsquote der Gesetzesinitiativen des Präsidenten im Kongreß 273 war für die Clinton-Administration mit 86,4 Prozent genauso hoch wie 1993 und stellte im Vergleich mit Clintons Vorgängern bis zurück zu Präsident Eisenhower einen Spitzenwert dar. Dieser Wert gab aber keine Auskunft über die qualitative Dimension dieses Erfolges. 1994 fielen der parteipolitischen Konfrontation die wichtigsten Elemente von Clintons Agenda zum Opfer. Der Rückhalt des Präsidenten in der Bevölkerung hatte sich nach der Sommerpause 1994 im Vergleich zum Jahresbeginn spürbar abgeschwächt. Eine CBS News/The New York Times Meinungsumfrage vom September 1994 ermittelte lediglich eine Zustimmungsrate von 42 Prozent gegen 49 Prozent Mißbilligung. 274 Die Uruguay-Runde erwies sich im Vergleich zu den anderen Projekten von Clintons Agenda als relativ immun gegen den Konflikt zwischen Republikanern und Demokraten und zwischen dem Weißen Haus und dem Kongreß. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß eine Nicht-Ratifizierung der Uruguay-Runde zu beträchtlichen außenpolitischen Schaden geführt hätte, für den weder Republikaner noch Demokraten verantwortlich zeichnen wollten. Außerdem versprach die Runde Wachstum und Arbeitsplätze für die amerikanische Wirtschaft. Der Ratifizierungsprozeß geriet in den Sog der tagespolitischen Ereignisse, als die Clinton-Administration im September 1994 das Scheitern der Gesundheitsreform zugeben mußte. Danach benötigte Clinton dringend einen Erfolg, um bei den bevorstehenden Wahlen nicht völlig mit leeren Händen dazustehen. Der Erfolg sollte ihm Ebd., S. 31. Die am Ende eines jeden Jahres berechnete Erfolgsquote drückt aus, wie oft der Kongreß im Sinne des Präsidenten über Gesetze abgestimmt hat, zu denen der Präsident eine eindeutige Position bezogen hat. Vgl. für das Jahr 1994, Congressional Quarterly Almanac 1994, S. 3 C - 6 C. 274 Vgl. CBS News-The New York Times Poil, in: The National Journal, vol 26 (üctober 8, 1994) Nr. 41, S. 2368. 272 273
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
191
vor den Wahlen nicht mehr vergönnt sein. Einzelne Demokraten und Republikaner nutzten die Zwangslage des Präsidenten, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Durch Verzögerungstaktiken gelang es der republikanischen Führung am Kongreß, die Ratifizierungsabstimmung bis nach den Novemberwahlen 1994 hinauszuzögern. Es war die letzte Handlung des 103. Kongresses.
7.5. Interaktion zwischen Präsident und Kongreß während der Uruguay-Runde Der gesamte handelspolitische Entscheidungsprozeß, der zur Verabschiedung der Uruguay-Runde führte, wird auch in dieser dritten Fallstudie gemäß des im allgemeinen Teil dargelegten Analyserahmens untersucht (vgl. Kapitel 1.4.). Die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß wird in drei Phasen zerlegt: Die Vor-Verhandlungsphase (1982-1986), die Verhandlungsphase (1986-1993) und schließlich der Ratifizierungsprozeß selbst mit der Abstimmung (1994). In Zusammenhang mit der Uruguay-Runde sind folgende Vorüberlegungen diesbezüglich erforderlich. Die Fallstudie übel' die Uruguay-Runde erstreckt sich über einen Zeitraum von 12 Jahren, angefangen mit 1982, das gescheiterte Ministertreffen in Genf, bis hin zur Ratifizierung der Uruguay-Runde durch den Kongreß im November 1994. Die hinsichtlich der Interaktion von Präsident und Kongreß ereignisreichste und am besten dokumentierte Zeit beschränkt sich lediglich auf den Sommer und Herbst 1994. Bereits bei den vorhergehenden Fallstudien war augenfällig, daß der empirisch am besten dokumentierteste Kontakt zwischen den beiden Hauptakteuren in dieser dritten Phase stattfindet. Die spärliche Literatur über diesen Ratifizierungsprozeß konzentriert sich auf diese Phase. Die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß in den 11 Jahren zuvor wird in der Literatur kaum behandelt.
7.5.1. Phase 1 der Interaktion: Die Vorbereitungsphase, 1982-1986 Der Diskussion zwischen Präsident und Kongreß über die amerikanische Position im Vorlauf zur achten GATT-Runde fehlten die erbitterten Kontroversen und Auseinandersetzungen, die die Vor-Verhandlungsphase des NAFTA im Frühjahr 1991 gekennzeichnet hatten (vgl. Kapitel 6.5.1.). Die Interaktion beider Akteure hinsichtlich einer neuen Verhandlungsrunde in den Jahren von 1982 bis 1986 betraf hauptsächlich die gemeinsame Formulierung der amerikanischen Position und der Themen, die die Amerikaner in der GATT-Runde verhandeln wollten. Dabei bestand grundsätzlich
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Einigkeit. Auch hinsichtlich der Verlängerung des fast-track procedure kam es zu keinen nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen Präsident und Kongreß. Dieser Befund ist keinesfalls selbstverständlich, gerieten Kongreß und Exekutive gerade in der ersten Hälfte der 1980er Jahre im Bereich der Außenhandelspolitik aneinander. Daß die Uruguay-Runde dabei nur wenig zwischen die Fronten geriet, ist auf ihre Randbedeutung zurückzuführen, die sie für den Kongreß, aber wohl auch für Teile der Exekutive anfangs hatte. Die Reagan-Administration verfolgte die Aufnahme einer neuen multilateralen Verhandlungsrunde zunächst nur halbherzig. Abgesehen von anfänglichen klaren Bekundigungen, eine neue GATT-Runde einläuten zu wollen, wie auf dem Ministertreffen von 1982, sendete das Weiße Haus unter Ronald Reagan mit seinen bilateralen Initiativen und seinen Alternativvorschlägen zum GATT 1983 und 1984 eher gemischte Signale an die Handelspartner. Der Kongreß zeigte sich in diesen Jahren einer neuen GATT-Runde im Grundsatz nicht abgeneigt. Er hinterfragte jedoch die Relevanz und Effektivität des Multilateralismus. Auf der handelspolitischen Agenda plagten den Kongreß andere Probleme: Das Mitte der 1980er Jahre rasant wachsende Defizit in der amerikanischen Handelsbilanz in Verbindung mit starken Forderungen nach Importschutz aus dem privaten Sektor erforderte schnelle Abhilfe. Die Exekutive war offenbar nicht bereit, durch eine aktive handelspolitische Agenda den Kongreß von den Forderungen der Wirtschaft und deren Lobbying zu entlasten. Die Interaktion von Kongreß und Präsident in der Vorbereitung der Uruguay-Runde fand demnach in einer Phase statt, in der beide Akteure besonders auf dem Feld der Handelspolitik sich mit Vorwürfen überhäuften. So äußerte Senator George J. Mitchell (D-ME) anläßlich der Nominierung von Clayton K. Yeutter zum Handelsbeauftragten der USA, im Juni 1985: "There is a widespread feeling in this country, (... ) that this Nation's trade policy is adrift and no coordinated strategy exist to actively deal with this Nation's deteriorating trade position. We are looking for leadership in the trade area.,,275 Vor Beginn der Uruguay-Runde, im Mai 1986, drückte Senator John Heinz (R-PA) seine Mißbilligung gegenüber der Haltung des Weißen Hauses im Bereich der Handelspolitik aus: ,,( ... ) [T]here are serious concems about the administration' s disregard of every congressional proposal to strengthen our trade policy. The administration characterizes everything we do as protectionism, and if they are for it, it is free trade. And that is a dichotomy that, in my view, is false. I guess maybe the 275 Vgl. Nomination 0/ Dr. Clayon Yeutter. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 99th Congress. First session. On nomination of Dr. Clayton Yeutter to be Uni ted States Trade Representative. June 25, 1985. Washington, D.C., 1985, S. 12.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
193
bottom line is that the administration just does not take Congress seriously in the trade policy area. ,,276 Der Tiefpunkt in der Stimmung zwischen Präsident und Kongreß auf dem Feld der Handelspolitik bildete angesichts des handelspolitischen Problemstaus im 99. Kongreß die lange Vakanz des Posten des amerikanischen Handelsbeauftragten. Ronald Reagan hatte im Frühjahr 1985 den amtierenden Handelsbeauftragten, William R. Brock, seines Amtes enthoben und zum Arbeitsminister gemacht. 277 Danach benötigte die Reagan-Administration zum Ärger des Kongresses drei Monate, bis sie den für die Außenhandelspolitik so wichtigen Posten des Handelsbeauftragten neu besetzt hatte. Aus Sicht vieler Kongreßabgeordneter stellte diese Episode einen völlig überflüssigen Zeitverzug und ein Zeichen für die nicht vorhandene Führung des Weißen Hauses in der Außenhandelspolitik dar. Brocks Nachfolger, Clayton K. Yeutter, demonstrierte Entschlossenheit und kam dem großen Handlungsbedarf des Kongresses entgegen: Abgesehen von der zügigen Anwendung bilateraler und unilateraler Instrumente in der Handelspolitik befürwortete Yeutter ebenso die Aufnahme neuer GATT-Verhandlungen. So äußerte er anläßlich der Senatanhörung zu seiner Nominierung: ,,( ... ) [W]e need to have a new round of negotiations very soon. ,,278 Als es 1986 darum ging, sich auf eine gemeinsame amerikanische Agenda zu einigen, hatten Präsident und Kongreß bereits damit begonnen, ihre Prioritäten aufeinander abzustimmen. Schon in einer Anhörung des Finanzausschusses des Senates unter dem Vorsitz von Bob Dole (R-KA) in der unmittelbaren Folgezeit des GATT-Ministertreffens vom November 1982, Anfang 1983, artikulierten die Senatoren erstmals Elemente einer möglichen amerikanischen Agenda für eine neue GATT-Runde. Dabei handelte es sich in erster Linie um Themen, die die Tokio-Runde nach Auffassung der Senatoren nicht oder nur unzureichend behandelt hatte. Im Vordergrund stand der Subventionscode der Tokio-Runde, der den Senatoren nicht weitreichend genug erschien, weil er die europäischen Subventionen im Agrarbereich unberührt ließ. Weiterhin sprachen sie sich für eine Reform des Streitbeilegungsmechanismus aus und traten gegen die selektive Anwendung von Artikel 19 des GATT, die Schutzklausei, ein. Im Mittelpunkt der Forderungen stand jedoch der Agrarbereich, dessen Einbeziehung 276 Vgl. Possible new Round 0/ Multilateral Trade Negotiations. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 99th Congress. 2nd session. On S 1860, S 1837, and S 1865. May 14, 1986. Washington, D.C., 1986, S. 16. 277 Vgl. Dryden 1995: 301-303. 278 Vgl. Nomination 0/ Dr. Clayon Yeutter. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 99th Congress. First session. On nomination of Dr. Clayton Yeutter to be United States Trade Representative. lune 25, 1985. Washington, D.C., 1985, S. 16.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
in GATI-Verhandlungen die Kongreßabgeordneten seit 1982 in jeder Anhörung des Kongresses zum Thema GATI-Runde forderten. 279 Daß die Reagan-Administration bereit war, diese Signale des Kongresses zur Kenntnis zu nehmen, bzw. daß die Agenda von Exekutive und Kongreß hinsichtlich der GATI-Runde wahrscheinlich von vornherein sehr ähnlich waren, zeigte sich in der Anhörung des Senate Finance Committee zur Nominierung von Clayton K. Yeutter. In Yeutters vorbereiteter Stellungnahme vor dem Ausschuß tauchten diese zuvor artikulierten Forderungen des Kongresses prompt wieder auf. 28o Fast ein Jahr später, im Mai 1986, wiederholte und präzisierte der Handelsbeauftragte die Themen einer aus Sicht der Vereinigten Staaten wünschenswerten Agenda. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Handelsnationen der Welt bereits einen Termin für ein Treffen in Punta deI Este, Uruguay, im September vereinbart. Vor dem Unterausschuß für Internationalen Handel des Finanzausschusses am Senat zählte Yeutter abermals eine breite Palette von Themen auf, die in Übereinstimmung mit dem Kongreß in den anstehenden GATI-Gesprächen eine zentrale Rolle einnehmen sollten: Landwirtschaft, SchutzklauseI, nicht-tarifäre und tarifäre HandeIsschranken (Marktzugang), Dienstleistungen, Schutz geistigen Eigentums, Hochtechnologie, Reform des GATI als Institution. 281 Hierbei handelte es sich durchweg um Sektoren, in denen die USA auf internationalen Märkten konkurrieren konnten und deren Einbeziehung in das GATI Vorteile für die amerikanische Wirtschaft bedeuteten. Natürlich gab es auch einige Bereiche, die umstritten waren: Kritisch war der Textil- und Bekleidungssektor oder einige Bereiche in der Landwirtschaft, wie z. B. Milchprodukte, Rindfleisch und Zucker. Diese wenigen Ausnahmen stellten jedoch keine Stolpersteine dar. Hinsichtlich der Formulierung der gemeinsamen amerikanischen Position in der Uruguay-Runde kam es zwischen Präsident und Kongreß zu keinen nennenswerten Kontroversen.
279 Vgl. Administration's assessment of the 1982 Meeting of the Ministers to the GAIT. V.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 98th Congress. First session. January 25, 1983. Washington, D.C., 1983, insbesondere S. 3~ 32 (Streitbeilegung, Schutzklausei), S. 66 (Agrarbereich) und S. 68 (Selektivität oder allgemeine Verwendung von Artikel 19 des GATI). 280 Vgl. Nomination of Dr. Clayon Yeutter. V.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 99th Congress. First session. On nomination of Dr. Clayton Yeutter to be Vnited States Trade Representative. June 25, 1985. Washington, D.C., 1985, S. 16ff. 281 Vgl. Possible new RouM of Multilateral Trade Negotiations. V.S. Congress. Senate. Hearing before the Subcommittee on International Trade of the Committee on Finance. 99th Congress. 2nd session. On S 1860, S 1837, and S 1865. May 14, 1986. Washington, D.C., 1986, S. 35-44.
7. Fallstudie II1: Die Uruguay-Runde 1994
195
Diese Aussage gilt im wesentlichen auch für die Einigung zwischen beiden Akteuren in Bezug auf das fast-track procedure. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre stand das Verfahren noch nicht im Mittelpunkt der handelspolitischen Debatte zwischen Präsident und Kongreß. Konkrete GATIVerhandlungen zeichneten sich noch nicht ab. Zudem hatte die Section 1101 des Trade Agreements Act of 1979 das fast-track procedure für die Ratifizierung von Vereinbarungen über nicht-tarifäre Handelsschranken bis zum 3. Januar 1988 gewährt. Zölle, d. h. tarifäre Handelshemmnisse, blieben von dieser Regelung allerdings ausdrücklich ausgeschlossen. Der Kongreß hatte die Verlängerung in das Handelsgesetz von 1979 aufgenommen, nicht etwa weil eine neue Initiative der Handelsliberalisierung zur Ratifizierung anstand, sondern weil Nachverhandlungen über die Kodizes der Tokio-Runde zur erwarten waren, die die Verlängerung des fast-track procedure damit abdecken würde. Die Reagan-Administration konnte auf Dauer nicht vermeiden, am Kongreß eine Erneuerung der Verhandlungsvollmacht und eine Verlängerung des fast-track procedure zu beantragen. Die GATI-Gespräche in den Arbeitsgruppen hatten Anfang 1987 begonnen. Je näher die Administration an den 3. Januar 1988 rückte, bzw. je weiter sie diesen Termin gar überziehen würde, desto größer waren die Zugeständnisse, die die Administration an den Kongreß zu machen hätte, um eine Erneuerung des fast-track procedure zu erhalten. Außerdem verschlechterte sich die Verhandlungsposition des Weißen Hauses unter Ronald Reagan für eine Debatte mit dem Kongreß zu Beginn der Uruguay-Runden-Verhandlungen zunehmend: Bei den Novemberwahlen im November 1986 hatten die Demokraten wieder den Senat gewonnen und hielten nunmehr komfortable Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses. Zusätzlich war das Ansehen und die Popularität Präsident Reagans seit den Enthüllungen in der Iran-Kontra-Affäre stark angeschlagen. In der Handelspolitik kam weiter hinzu, daß beide Häuser des Kongresses an einer umfassenden Reform der amerikanischen Handelsgesetze arbeiteten: Auf dem Capitol Hili spekulierte man darauf, daß die Administration den unilateralen und eher protektionistischen Passagen der Gesetzesinitiativen zustimmen mußte, um als Gegenleistung die Autorisierung und das fast-track procedure für die Uruguay-Runde zu erhalten. Wie erwähnt, gewährte der Kongreß der Exekutive im Handelsgesetz von 1988 beides. Während der Diskussion kam es vereinzelt zu Unwillensbekundungen, die aber weniger auf die Opposition der Abgeordneten gegen die Uruguay-Runde zurückzuführen waren, als vielmehr auf parteipolitische Attakken zwischen Präsident und Kongreß. So erklärte Senator Lloyd Bentsen (D-TX) vor dem Finanzausschuß des Senates: "Without the legislative rules of the fast track, it would be almost impossible to implement international trade agreements. But without consultation between the Administration and the Congress, this Committee has no business authorizing fast track proce13·
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
dures. In the last six years, the Administration has steadfastly refused to consult. The (... ) Administration has allowed the consultative mechanism to deteriorate. ,,282 7.5.2. Phase 2 der Interaktion: Die Verhandlungen, 1986-1993
Die Analyse der vorhergehenden Fallstudien hat bereits deutlich gezeigt, daß die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß während der Verhandlungen von Fall zu Fall ähnliche Strukturen aufweist. Unterschiede in Intensität und Verlauf der Interaktion treten hauptsächlich vor den Verhandlungen bzw. vor der Ratifizierungsabstimmung auf. In diesen Phasen kommen die Zieldivergenzen beider Akteure am deutlichsten zum Vorschein bzw. ist die Abgleichung der unterschiedlichen Interessen mit den höchsten politischen Kosten verbunden. Die Grunde für das relativ gleichförmige Verhältnis von Präsident und Kongreß in der Verhandlungsphase liegen einerseits in der starren Rollenverteilung beider Akteure in dieser Phase und andererseits in der geringen öffentlichen Aufmerksamkeit, die die Medien den Verhandlungen widmen. Die Exekutive führt die Handelsgespräche mit dem Ausland und besitzt damit eine aktive Funktion. Der Kongreß tritt in dieser Phase eher reaktiv auf; er beschränkt sich auf seinen Beobachterstatus. Abgesandte des Kongresses nehmen an den Verhandlungen beratend und beobachtend teil. Im Vergleich zu den Phasen vor und nach den Verhandlungen sind es einmal mehr die zuständigen Ausschüsse des Kongresses, deren Mitglieder gewissermaßen stellvertrend für ihre Kollegen den Verlauf der Handelsgespräche verfolgen. Während der gewöhnliche Kongreßabgeordnete spätestens vor der Ratifizierung eine Position einzunehmen hat und durchaus von allen möglichen Seiten zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten gedrängt wird, muß er oder sie vom Fortgang und Status der Verhandlungen vergleichsweise weniger Notiz nehmen. Die geringe Konfliktneigung zwischen Präsident und Kongreß ist weiterhin darauf zuruckzuführen, daß die Kongreßabgeordneten während der Verhandlungsphase keine direkten Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Exekutive haben, sieht man einmal von der hypothetischen Möglichkeit eines Entzugs des fast-track procedure ab: Wie früher besprochen, kann eine Kammer des Kongresses der Exekutive das bereits erteilte fast-track- Verfahren theoretisch nachträglich wieder entziehen, sollte eine Mehrheit der Abgeordneten der Auffassung sein, die Exekutive komme ihrer Konsultationspflicht gegenüber dem Kongreß nicht nach. Der Kongreß hat von dieser "reverse fast-track"-Klausel bislang allerdings noch keinen Gebrauch gemacht. 282 Vgl. Possible new Round 0/ Multilateral Trade Negotiations. D.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 99th Congress. 2nd session. July 23, 1986. Washington, D.C., 1986, S. 4.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
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Der zweite Grund für die niedrige Konfliktneigung, die das Verhältnis zwischen Präsident und Kongreß während der Dauer der Uruguay-RundenVerhandlungen charakterisierte, liegt in der geringen Aufmerksamkeit, die die Medien dem Thema widmen: Handelsgespräche im Rahmen des GATI sind komplex, langwierig und vor allem geheim; die Interaktion von Präsident und Kongreß ist sporadisch und wenig konfrontativ. Grund genug für die Medien, sich beinahe ausschließlich auf die kurze Zeit vor der Ratifizierungsabstimmung (Phase 3) zu konzentrieren und den Verlauf der Verhandlungen weitgehend den Historikern zu überlassen. Die oberflächliche Berichterstattung nach Außen enthebt die Kongreßabgeordneten von der Notwendigkeit, sich permanent positionieren und rechtfertigen zu müssen. Signale und Abstimmungsprozesse zwischen Exekutive und Legislative verlaufen somit informell und wesentlich sachbezogener, als dies vor einem breiten Publikum der Fall wäre. Für die Verhandlungsphase der Uruguay-Runde, Januar 1987 bis Dezember 1993, seien im folgenden drei für diese Phase typische und vorherrschende Formen der Interaktion zwischen dem amerikanischen Präsidenten und dem Kongreß erläutert. Dazu zählt, erstens, die früher schon erwähnte Konsultierungspflicht der Exekutive gegenüber dem Kongreß. Während der Dauer der Handelsgespräche sagt der amerikanische Handelsbeauftragte regelmäßig vor den zuständigen Ausschüssen des Kongresses über den Status und Verlauf der Verhandlungen mit dem Ausland aus. Diese Auftritte nutzen besonders die Mitglieder der Ausschüsse, um ihrer Klientel mit besonders kritischen Fragen an die Exekutive ihr Engagement zu zeigen. Die Antworten der oder des Handelsbeauftragten bleiben in der Regel eher allgemein und tragen der Tatsache Rechnung, daß die Verhandlungen schließlich noch im Gange sind und somit einer Geheimhaltung unterliegen. Bei den Auftritten vor den Ausschüssen sendet der Handelsbeauftragte nicht nur Signale an den Kongreß, sondern vor allem auch an das Ausland. Fragen nach der amerikanischen Verhandlungs taktik und der tatsächlichen amerikanischen Positionen und Kompromißwilligkeit hinsichtlich bestimmter Sektoren werden mit den Kongreßabgeordneten unter Ausschluß der Öffentlichkeit erörtert. So bemerkte der Vorsitzende des Unterausschusses für Handel des Committee on Ways and Means, Sam Gibbons (D-FL), zu Beginn der Uruguay-Runden-Gespräche 1986: "We are entering into a new phase now of what our negotiating strategy should be. Whenever we conduct hearings on negotiating strategy in the future they will be behind closed doors, as has been the tradititon in this comrnittee and in this country for some time ...283 283 Vgl. Results of the GATT Ministerial Meeting held in Punta deI Este, Uruguay. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Subcommittee
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Als zweite Form der Interaktion kann die Entsendung von Abgeordneten des Kongresses und ihrer Stäbe zu den Verhandlungen selbst gelten. Beim Auftakt der Uruguay-Runde auf dem Ministertreffen in Punta deI Este im September 1986 nahm der Abgeordnete William Frenzel (R-MN) als einziger Abgeordneter des Kongresses teil. 284 Wie er in die Verhandlungen mit dem Ausland eingebunden wurde, belegt ein Zitat des Handelsbeauftragten Clayton Yeutter kurz nach dem Punta-del-Este-Treffen. Es kann stellvertretend für die Einbindung des Kongresses während der gesamten Verhandlungsphase betrachtet werden: ,,( ... ) [W]e, for all practical purposes, just considered Congressman Frenzel to be a member of the delegation. We did the same thing with the private sector advisers who were there. We had about 10 of those, as I recall, most of them chairman of some of our individual advisory committees, and we essentially made them members of the delegation, too and used them that way. That just gave us some additional horsepower, and it made a lot of difference. We could go into dinner meetings or luncheon meetings and give the congressional viewpoim, the private sector viewpoint, and executive viewpoint all at once.,,28S Der Kongreß beschränkt sich aber nicht nur auf eine unmittelbare Teilnahme bei den Handelsgesprächen. Wie ein "Reisebericht" einiger Senatoren aus dem Frühjahr 1989 zeigt, begaben sich Vertreter der amerikanischen Legislative auf eine ,Iact-finding mission", d. h. auf eine Informationsreise. 286 Vier Senatoren, Lloyd Bentsen (D-TX), Bob Packwood (ROR), Max Baucus (D-MT) und David Pryor (D-AR) bereisten für 12 Tage die europäischen Städte London, Brüssel, Paris, Venedig und Genf. Dabei trafen sie nicht nur mit der englischen Premierministerin Thatcher und dem französischen Premierminister Rocard zusammen, sondern auch mit GATTDirektor Arthur Dunkel. Gegenstand der Gespräche mit den Europäern waren immer auch die GATT-Verhandlungen. Gerade der Konflikt im Agrarsektor zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Gemeinschaft war Thema auf allen Reisestationen. Schließlich bleibt, drittens, hinsichtlich der Interaktion von Präsident und Kongreß während der Dauer der GATT-Verhandlungen noch die Beteiligung des privaten Sektors zu erwähnen. Dabei handelt es sich um ein das on Trade of the Committee on Ways and Means. 99th Congress, second session. September 25, 1986. Washington, D.C., 1986, S. 24. 284 Vgl. Preeg 1995: 6. 285 Vgl. Results 0/ the GAIT Ministerial Meeting held in Punta dei Este, Uruguay. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means. 99th Congress, second session. September 25, 1986. Washington, D.C., 1986, S. 4. 286 Vgl. Trip Report on Congressional Delegation Bentsen. (European visit of Friday, March 17, 1989 through Wednesday, March 29, 1989). USo Congress. Senate. Committee on Finance. lOtst Congress, first session. Washington, D.C., 1989.
7. Fallstudie 111: Die Uruguay-Runde 1994
199
in der Fallstudie über die Tokio-Runde dargestellte Ausschußsystem, durch das Unternehmen und andere gesellschaftliche Akteure, wie z. B. Gewerkschaften, ihre Standpunkte bezüglich der GATI-Verhandlungen einbringen konnten (vgl. Kap. 4). Während der Dauer der Verhandlungen artikulieren die Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft ihre Positionen und geben Unterstützung in technischen Fragen. Dabei stehen sie in engster Kooperation mit der amerikanischen Verhandlungsdelegation und der Kongreßdelegation. Die Verhandlungsführer der US-Delegation begeben sich mit diesen Informationen in die jeweiligen GATI-Arbeitsgruppen, um sie dort mit den Vorstellungen und Positionen der anderen Handelsnationen abzustimmen. Verhandlungsfortschritte oder Engpässe in den Gesprächen melden die Delegationsmitglieder der Exekutive wieder zurück an die Beratergremien der betreffenden Sektoren, deren Vertreter dann entscheiden, ob und zu welchen Konzessionen sie bereit sind. 287 Somit ergibt sich eine enge Kooperation zwischen Verhandlungsdelegation, privatem Sektor und Kongreßbeobachtern, bei der die Grenzen zwischen direkter und indirekter Teilnahme an den Handelsgesprächen für Außenstehende verwischt sind. 7.5.3. Phase 3 der Interaktion: Die Verabschiedung, 1994
Wie schon bei der Tokio-Runde und beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen verlief die dritte Phase des Ratifizierungsprozesses (Januar bis November 1994) bei der Uruguay-Runde formal nach gleichem Muster: Der Präsident benachrichtigte den Kongreß von seiner Absicht, das GATIAbkommen mit den Handelspartnern in Marokko unterzeichnen zu wollen und leitete damit 90 Tage vor der Unterzeichnung die Ratifizierung ein. Abermals stand die gemeinsame Formulierung des Implementierungsgesetzes im Zentrum des Entscheidungsprozesses. Am Kongreß arbeiteten das Senate Finance Committee und das Committee on Ways and Means des Repräsentantenhauses zunächst unabhängig voneinander an ihren Versionen des Implementierungsgesetzes. Nach der Verabschiedung der unterschiedlichen Versionen durch die beiden Ausschüsse galt es diese in einer non-conference in Einklang zu bringen. Erst dann schickte der Kongreß die gemeinsam erarbeitete Version des Gesetzes an den Präsidenten. Formell konnte die Administration dann wiederum Änderungen im Text vornehmen, da ja offiziell sie es war, die das Implementierungsgesetz formulierte. In der Regel unterließ es die Exekutive jedoch, große Modifikationen an dem Gesetz anzubringen, um den mühsam erreichten Konsens mit dem Kongreß nicht zu gefahrden. Erst danach legte der Präsident dem Kongreß das Gesetz und damit faktisch die Uruguay-Runde zur Ratifizierung vor. Von 287 Interview mit dem Congressional Research Service, 5. Februar 1996, Washington, D.C.
200
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
dem Zeitpunkt der Übersendung blieb dem Repräsentantenhaus und dem Senat 90 Tage, um den up-or-down vote ohne Änderungen am Gesetzestext vorzunehmen und das GATT-Abkommen zu verabschieden. Was die Kooperation zwischen Exekutive und Kongreß bei der Formulierung des Implementierungsgesetzes betraf, so ist mit I. M. Destler darauf hinzuweisen, daß zunächst personelle Veränderungen in Schlüsselpositionen der zuständigen Ausschüsse am Kongreß die Interaktion beeinträchtigten. 288 Aus der Sicht der Befürworter von Handelsliberalisierung war der größte Verlust durch den Rücktritt des Demokraten Dan Rostenkowski (D-IL) als Vorsitzender des Committee on Ways and Means entstanden. Die Vorwürfe gegen Rostenkowski lauteten Bereicherung im Amt. Sein Nachfolger, Sam Gibbons (D-FL), war dem Freihandel nicht weniger positiv eingestellt. Rostenkowski besaß die größeren Qualitäten als Gesetzgeber, weil er jahrelang sehr effektiv die Raffinessen des Gesetzgebungsprozesses für die HandeIsliberalisierung eingesetzt hatte. Rostenkowskis Fähigkeiten auf diesem Gebiet würden im Laufe des Entscheidungsprozesses fehlen. Auch der Vorsitz des Finanzausschusses auf der Senatsseite des Kongresses war von personellen Änderungen betroffen. Bill Clinton hatte den bisherigen Vorsitzenden, Senator Lloyd Bentsen (D-TX), zum Finanzminister der Administration berufen. Seine Nachfolge übernahm der New Yorker Demokrat Daniel Patrick Moynihan (D-NY). Moynihans Position in der Handelspolitik war niemals eindeutig. Obwohl intellektuell auf Seiten der Handelsliberalisierung hatte er trotzdem gegen NAFTA gestimmt und trat seit vielen Jahren als Anwalt der Textilindustrie seines Staates New York auf. 289 Wichtiger als diese personellen Aspekte geriet jedoch die Diskussion um die Sachfragen. Die Auseinandersetzung zwischen Präsident und Kongreß, Demokraten und Republikanern, drehte sich im wesentlichen um vier Themen, die alle zur parteipolitischen Polarisierung und zum Dissens zwischen Präsident und Kongreß beitrugen: - die Frage um die Erneuerung des fast-track procedure - die Problematik der Finanzierung der durch das GATT-Abkommen verursachten Einnahmeausfälle im amerikanischen Bundeshaushalt - die Frage der amerikanischen Souveränität - die Reform der Anti-Dumping-Handelsgesetze. Diese vier Themen werden im folgenden erläutert. Mit einem Blick auf die Interaktion zwischen Präsident und Kongreß steht die strategische und politische Bedeutung der Sachthemen für den Ratifizierungsprozeß im Vordergrund. 288 289
Vgl. DestIer 1995: 239.
Ebd.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
201
(1) Erneuerung des fast-track procedure Mit der Uruguay-Runde lief die Vollmacht Präsident Clintons in der Handelspolitik und das fast-track procedure aus. Da Clinton weiterhin die Süderweiterung des NAFfA verfolgte, benötigte er eine Erneuerung dieser Vollmacht. Diese im Rahmen des Uruguay-Runden-Implementierungsgesetzes vorzunehmen war durchaus nichts ungewöhnliches. Bereits 1979 hatte der Kongreß im Zuge der Verabschiedung der Tokio-Runde fast-track gewährt. Mit der Vorlage ihrer Initiative zum fast-track procedure brachte sich die Clinton-Administration allerdings selbst in eine Situation, in der sie entweder die Unterstützung der Republikaner oder der Demokraten riskierte. Als der Handelsbeauftragte der Clinton-Administration, Mickey Kantor, im Juni 1994 mit den Details der Initiative der Clinton-Administration an den Kongreß herantrat, waren es vor allem zwei Aspekte, die auf dem Capitol Hill für Überraschung und Verärgerung sorgten. Zum einen lehnten viele Abgeordneten die geforderte Dauer der Vollmacht ab: Die Administration bat den Kongreß um eine Vollmacht für sieben Jahre. Für die Tokio-Runde hatte die genehmigte Dauer fünf Jahre, für die UruguayRunde zunächst drei mit der Möglichkeit einer Verlängerung um zwei Jahre, betragen. Die zweite Forderung der Administration bezog sich auf die Einbeziehung der Themen Umwelt und Arbeit in Handelsverträge. Die Clinton-Administration bestand zum Ärger der Republikaner am Kongreß darauf, diese Themen explizit in Verhandlungen von Freihandelszonen einbeziehen zu können. 29O Bereits zum damaligen Zeitpunkt überraschte diese Forderung, war doch die Verabschiedung des NAFfA ein halbes Jahr zuvor beinahe an den Themen Umwelt und Arbeit gescheitert. Weder Interviews noch Dokumente lassen auf Erklärungen schließen, warum die Administration im Sommer 1994 realistisch annehmen konnte, daß der Kongreß eine Verabschiedung der Uruguay-Runde mit derartigen fast-track-Regeln vornehmen würde. Die politische Auseinandersetzung diesbezüglich verlief wie beim NAFfA entlang parteipolitischer Linien: Die meisten Demokraten, flankiert von den Gewerkschaften und den Umweltverbänden, unterstützten die Initiative der Administration. Die meisten Republikaner lehnten die Initiative ab. Die Version des Implementierungsgesetzes des Senate Finance Committee enthielt keine Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht. Die Version des vom Ways and Means Committee formulierten Gesetzvorschlages sah eine Erneuerung des fast-track procedure vor, allerdings ohne die von der Exekutive gewünschten ökologischen und arbeitsrechtlichen Klauseln. Der erst im August von der Administration angebotene Kompromiß, die geforderte 290 Vgl. Administration continues to press for Fast Track on GATT bill, in: Inside U.S. Trade, August 5, 1994, S. 1 und 17-20.
202
2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Dauer der Vollmacht zu kürzen und ökologische und arbeitsrechtliche Aspekte auszulassen, kam zu spät und ließ sich politisch nicht durchsetzen; die Gewerkschaften liefen dagegen Sturm. 291 Das selbst-fabrizierte Dilemma löste die Administration, als sie am 13. September erklärte, auf ihre Forderung nach einer Erneuerung der präsidentiellen Vollmacht und dem fast-track procedure ganz zu verzichten. Die von Anfang an aussichtslose Diskussion hatte die Verabschiedung der Uruguay-Runde beträchtlich verzögert und dazu beigetragen, den Zeitdruck zu kreieren, der am Ende des Ratifizierungsprozesses große Schwierigkeiten bereiten sollte. (2) Finanzierung des Abkommens . Ein zweites Problem stellte die Frage der Finanzierung des GATIAbkommens dar. Das Thema spaltete Demokraten und Republikaner im Kongreß und im Weißen Haus nicht weniger als die Diskussion um die Erneuerung des fast-track procedure. Die Situation war folgende: Durch den Abbau tarifärer Handelsschranken würden dem amerikanischen Bundeshaushalt Einnahmeverluste durch entgangene Zollzahlungen entstehen. Die durch das GATI ermöglichte Handelsliberalisierung würde für Wirtschaftswachsturn sorgen, die wiederum ein erhöhtes Steueraufkommen bedeutete und den Einnahmeausfall wettmachen würde. Doch mußten sich die Akteure an die Vorschriften des Budget Enforcement Act von 1990 halten. Dieser enthielt die sog. Paygo-Regeln, die vorschrieben, daß eine durch den Kongreß verabschiedete Maßnahme budgetneutral zu sein habe. Im Falle der Uruguay-Runde bedeutete dies, daß die erwarteten Einnahmeausfälle im amerikanischen Bundeshaushalt entweder durch Mehreinnahmen, wie z. B. Steuern, oder durch Programmkürzungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden müßten. Die prognostizierten Einnahmeausfalle des amerikanischen Fiskus durch den Zollabbau betrugen ca. $ 12 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Lösung des Finanzierungsproblems bereitete allgemein Schwierigkeiten 292 und muß vor dem Hintergrund der allgemeinen Haushaltsdebatte in den USA gesehen werden. Die 1990er Jahre standen im Zeichen der Haushaltssanierung. Politisches Ziel der Republikaner und zunehmend auch des Weißen Hauses war ein balanced budget, d. h. ein Haushalt, in dem sich Eingaben wie Ausgaben die Waage hielten. Für viele Republikaner führte 291 Vgl. Administration offers new Fast Track concessions to business, GOP, in: Inside U.S. Trade, Special Report, August 12, 1994, S. SI und S4. 292 Vgl. Moynihan, Packwood blast Administration over funding for GATT bill, in: Inside U.S. Trade, Special Report, July 29, 1994, S. SI und S9. Einen Überblick über den Finanzierungsvorschlag des Finanzausschusses am Senat gibt Senate funding package, in: Inside U.S. Trade, August 5, 1994, S. 10.
7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
203
der Weg zu diesem Ziel nur über umfangreiche Programmkürzungen. Deshalb lehnten sie eine von den Demokraten verlangte Finanzierung über mögliche Steuererhöhungen ab.293 Sie plädierten dafür, daß der Kongreß in den bei den Kammern jeweils über einen waiver, d. h. eine Ausnahmeregelung, abstimmen sollte, die das GATI von der Vorschrift der Budgetneutralität befreien würde. Mit anderen Worten: GATI sollte nach republikanischer Auffassung vorübergehend über das Defizit finanziert werden. Die von der Handelsliberalisierung stimulierte Wirtschaftstätigkeit würden ausreichend Steuereinnahmen generieren, die dieses Defizit wieder ausglichen. Für die Demokraten erschien diese Option nicht akzeptabel, sahen sie doch sehr wohl, daß die Republikaner den Sachzwang GATI dazu benutzen wollten, allgemein die Einnahmebasis zu verringern und auf diesem Weg von den Demokraten unterstützte Programme anzugreifen. Die Demokraten weigerten sich, Einsparungen und Programmkürzungen in anderen Bereichen des Haushalts vorzunehmen. Da sie wiederum mit Steuererhöhungen liebäugelten, gegen die sich jedoch die Republikaner vehement sperrten, blieb schließlich nur eine Kompromißlösung übrig. Die 12 Milliarden US Dollar wurden durch eine Mischung aus Buchungstricks im Bundeshaushalt (accounting gimmicks) und einigen tatsächlichen Programmkürzungen finanziert. Die Programmkürzungen waren im Agrarsektor vorgesehen, wo abgesehen von den Abgeordneten der agrarproduzierenden Bundesstaaten eine Mehrheit im Kongreß bereit war, Exportsubventionen zu streichen. Die Situation komplizierte sich allerdings dadurch, daß es im Senat eine Sonderregel gab, die Budgetneutralität nicht für diese fünf, sondern für zehn Jahre vorschrieb. Hinsichtlich der ,,zehn-Jahres-Regel" hielten es die Senatoren für realistisch, lediglich eine Finanzierung für fünf Jahre vorzunehmen; für die zweiten fünf Jahre sollte über die erwähnte Ausnahmeregelung (waiver) abgestimmt werden, die jedoch aufgrund der Budgetvorschriften 60 Stimmen zur Verabschiedung erforderte. Diese Regel stellte einen zusätzlichen möglichen Stolperstein bei der Ratifizierung dar, gab es doch den Gegnern des GATI theoretisch eine realistischere Chance, das GATIAbkommen zu Fall zu bringen. Ohne Finanzierung kein GATI, und die Finanzierung konnte man in diesem Falle mit nur 41 Stimmen blocken. Das Finanzierungsproblem war im Herbst für die Mehrheit der Kongreßabgeordneten mehr oder weniger gelöst, rief dennoch bis zur Ratifizierungsabstimmung vereinzelt immer wieder Kritik und Unwillen hervor.
293 Vgl. Gingrich predicts 150 Republicans would oppose GAIT tax-hike bill, in: Inside U.S. Trade, August 5, 1994, S. 14f.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
(3) Souveränität
Ein dritter Problembereich stellte die Frage der amerikanischen Souveränität im Zusammenhang mit der Welthandelsorganisation (WTO) und ihrem neuen Streitbeilegungsmechanismus dar. Ein Problem des GATT hatte bis zur Uruguay-Runde darin bestanden, daß Entscheidungen einer Schiedskommission oder gar Sanktionen des GATT gegen eine Handelsnation wegen Handelspraktiken, die nicht im Einklang mit den GATT-Regeln standen, nur auf Konsensbasis verhängt werden konnten. Die Konsensregel implizierte, daß nicht zuletzt der betroffene Staat selbst Einspruch erheben konnte und somit faktisch ein Vetorecht besaß. Die Uruguay-Runde änderte diese Situation grundlegend. Einerseits überwand die achte GATT-Runde den Zustand des GATT als Provisoriums. Offiziell hatte das GATT keine Mitglieder gehabt, sondern lediglich Vertragsparteien, die keine internationale Organisation darstellten. Mit der Gründung der World Trade Organization (WTO) entstand eine Organisation, in der alle Mitglieder gleiches Stimmrecht besitzen. Die Konsensregel des GATT wurde dahingehend geändert, daß nunmehr ein Konsens nicht mehr bei der Verhängung einer Entscheidung, sondern bei deren Aufhebung bestehen mußte.294 Das Vetorecht war damit abgeschafft. Mitglieder der WTO waren erstmals der realen Möglichkeit ausgesetzt, wegen Verstößen gegen internationale Handelsregeln geahndet zu werden. In den Vereinigten Staaten riefen diese Neuerungen der Uruguay-Runde bei drei Gruppen Ängste und Empörung hervor. Erstens, Vertreter der politischen Rechten innerhalb und außerhalb des Kongresses befürchteten, daß die Souveränität der USA auf dem Spiel stünde. Politiker wie Pat Buchanan, Jesse Helms (R-NC) oder Ross Perot entwarfen das Szenario einer Weltregierung, in der die Mehrheit der Staaten der Erde den USA zukünftig vorschreiben würden, was diese zu tun oder zu lassen hätte. Zweitens, Umweltverbände äußerten die Befürchtung, daß die WTO Änderungen im amerikanischen Umweltrecht fordern und durchsetzen könnte, weil dieses von den Handelspartnern als Handelsschranke interpretiert und deshalb attackiert werden könnte. Drittens, besondere Bedenken gegen die WTO meldeten schließlich auch die amerikanischen Bundesstaaten an. Sie befürchteten nicht nur einen Verlust ihrer Kompetenz, innerstaatliche Wirtschaftspolitik zu betreiben, sondern auch, daß die Bundesregierung in Washington ihre bundesstaatlichen Kompetenzen als bargaining chip, d.h. Tauschobjekt, gegenüber den internationalen Handelspartnern einsetzen könnte. Der kanadisch-amerikanische Bierstreit von 1991 schien zu zeigen, daß diese Befürchtungen keinesfalls nur hypothetischer Natur waren. 29S
294
Vgl. Evans/Walsh 1994: 46-48.
7. Fallstudie III: Die Vruguay-Runde 1994
205
Im Unterschied zur Frage der Erneuerung des fast-track procedure barg die Diskussion um die amerikanische Souveränität zu keinem Zeitpunkt genug Zündstoff, um den Ausgang des Ratifizierungprozesses zu gefahrden. Sie trug dennoch zur Verzögerung bei, weil sie stets das Potential besaß von den Flügeln der beiden Parteien gelegentlich auch von ideologisch gemäßigten und eher pragmatischen Politikern, wie z. B. Robert Dole, benutzt zu werden. Gegen die Diffamierungskampagnen der extremen Rechten und der Umweltverbände setzte die Clinton-Adrninistration zunächst das Mittel der Aufklärung. Schließlich waren einige der von den Kritikern vorgebrachten Argumente sachlich falsch. Um die Aufregung über eine mögliche Einschränkung der amerikanischen Souveränität vollends abklingen zu lassen, stimmte das Weiße Haus dem Vorschlag des Committee of Ways and Means zu: Auf Initiative der Republikaner im Repräsentantenhaus unter der Führung von Newt Gingrich (R-GA) wurde eine Klausel in das Implementierungsgesetz aufgenommen, die theoretisch ein Ausscheren der USA aus der Welthandelsorganisation nach fünf Jahren ermöglichen sollte. 296 (4) Reform der Anti-Dumping-Regeln
Das vierte Thema, das zu einer Verzögerung des Entscheidungsprozesses und zur parteipolitischen Polarisierung zwischen Präsident und Kongreß beitrug, war die Reform der Anti-Dumping-Regeln des GATT-Abkommens. Maßnahmen gegen Dumping, d. h. gegen das Verkaufen von Waren in einem ausländischen Markt (angeblich) unterhalb der Kosten, die zu ihrer Produktion im heimischen Markt notwendig sind, hatten sich sowohl in der Europäischen Gemeinschaft als auch in den USA zu den am häufigsten verwendeten Mitteln zum Schutz gegen Importe entwickelt. Die UruguayRunde hatte die Anti-Dumping-Gesetze eingeschränkt. Einige Industriezweige in den USA, die von den Anti-Dumping-Regeln am meisten profitierten, so z.B. die Stahlindustrie, übten Druck auf Exekutive und Kongreß aus, die in der Uruguay-Runde erreichten Bestimmungen rückgängig zu machen. I. M. Destlers Vorwurf an die Clinton-Administration ist zuzustimmen, wonach die Administration sich keineswegs so nachhaltig für ein Aufweichen der Anti-Dumping-Reformen hätte einsetzen müssen, wie sie es
u.s.
295 Vgl. Critics fear GA1T may declare open season on laws, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, July 23, S. 2005-2010. Zum Bierstreit mit Kanada siehe S. 2009. 296 Vgl. Ways and Means approves procedure for reconsidering WTO membership, in: Inside V.S. Trade, August 19, 1994, S. 1 und 13 f. Die Passage findet sich im Implementierungsgesetz unter Section 125, Uruguay Round Agreements Act, Public Law 103-465 (Dec. 8, 1994), in: Vnited States Statutes at Large, volume 108, part 6. Washington, D.C., S. 4833 f.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
letztendlich getan hat. 297 Schwierige und langwierige Verhandlungen wären ihr erspart geblieben. Weder am Kongreß noch in der Exekutive hatten die Gegner einer Reform der Anti-Dumping-Gesetze zum Zeitpunkt der Formulierung des Implementierung-Gesetzes großen Einfluß. Dem Handelsbeauftragten Mickey Kantor schien es um Prestige und Zeichen seines Einflusses zu gehen, als er sich bereits in der Endphase der Uruguay-Runden-Verhandlungen dafür eingesetzt hatte, die relativ strikten Bestimmungen aufzuweichen. "Kantor made no bones about where he stood: he was convinced that the administration's (and his) reputation for toughness, and hence its credibility in pushing trade expansion, depended on defense of the antidumping laws ...298 Die Forderungen der Stahlindustrie und die Position der ClintonAdministration stießen auf den Widerstand exportorientierter Interessen in den USA, beispielsweise der Computer- und der Tabakindustrie. Die Vertreter dieser Industriezweige befürchteten, daß eine weniger strikte Anwendung der auf internationaler Ebene erzielten Einigung im Dumping-Bereich zu Gegenmaßnahmen anderer Handelsnationen und letztendlich zu Marktschließungstendenzen führen könnte. 299 Sie konnten nicht verhindern, daß das Implementierungsgesetz weite Passagen enthielt, in denen die Umsetzung der in der Uruguay-Runde vereinbarten Anti-Dumping-Reformen wieder entschärft wurden. 3OO Die Diskussion und die Verhandlungen all dieser Themen mit dem Kongreß kostete die Clinton-Administration wertvolle Zeit. Nachdem sich Clinton und Kantor Mitte September entschieden hatten, die umstrittene Erneuerung der Verhandlungsvollmacht und das fast-track procedure aus dem Implementierungsgesetz herauszulassen, sahen die Chancen für eine baldige Ratifizierung vorübergehend recht positiv aus. Die größten Streitpunkte zwischen Präsident und Kongreß waren ausgeräumt, bzw. schienen einer Lösung nah. Rein formal schrieb der Ratifizierungsprozeß unter dem fast-track procedure vor, daß dem Kongreß von dem Zeitpunkt, da der Präsident das Implementierungsgesetz beiden Kammern zur Ratifizierung vorlegte, maximal 90 Tage Zeit zur Verfügung stand. Bei keinem der früheren Handelsabkommen hatte der Kongreß diese Zeitspanne ausgenutzt. Im Gegenteil, HandelsabVgl. Destier 1995: 243. Vgl. ebd., S. 242, zum Themenbereich Anti-Dumping-Gesetze und ihre Rolle in der Uruguay-Runde, S. 240-244. 299 Vgl. The GA1T battleground shifts from Geneva to Capitol Hili. In: Congressional Quarterly, Weekly Report, April 2, 1994, S. 792-795. 300 Vgl. Senate Finance helps steel industry with new rules in GA1T bill, in: Inside U.S. Trade, August 5, 1994, S. 6-8. Vgl. auch die Bestimmungen im Implementierungsgesetz, Section 211-Section 234, Uruguay RouM Agreements Act, Public Law 103-465 (Dec. 8, 1994), in: United States Statutes at Large, volume 108, part 6. Washington, D.C., S. 4842-4901. 297
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7. Fallstudie III: Die Uruguay-Runde 1994
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kommen unter dem fast-track procedure kamen in der Regel so schnell nach der offiziellen Übersendung durch den Präsidenten zur Abstimmung, daß bereits Vorschläge kursierten, den Zeitraum von 90 Tagen erheblich zu verkürzen. Bei der Uruguay-Runde war dies anders. Am 27. September sendete Präsident Clinton das Implementierungsgesetz zum Capitol Hill in Erwartung einer zügigen Abstimmung. Einen Tag später trat der Vorsitzende des Commerce Committee am Senat, Senator Ernest F. Hollings (D-SC) mit der Nachricht an die Öffentlichkeit, von seinem Recht, das Implementierungsgesetz zum Zwecke von öffentlichen Anhörungen bis zu 45 Tagen in seinem Ausschuß zu halten, Gebrauch zu machen. Senator Hollings leugnete natürlich, daß es ihm nur um die Textilindustrie South Carolinas ging, wegen der er das GATT-Abkommen aufuielt: "I'm not shilling for a single industry, I'm shilling for the United States of America.,,301 Eine zügige Verabschiedung der Uruguay-Runde war damit scheinbar in weite Feme gerückt. Der Zeitdruck, zu dessen Entstehung die Clinton-Administration im Laufe des Jahres selbst maßgeblich beigetragen hatte, führte sie in eine Sackgasse, in der ihr kein Manövrierraum mehr für Auswege blieb. Diese Ausweglosigkeit der Situation und die Manövrierunfähigkeit des Weißen Hauses nutzten außer Hollings noch zwei andere Gruppen und Personen aus, denen es primär um die Verfolgung ihrer eigenen Agenden und nicht um die Uruguay-Runde ging: Die Republikaner am Repräsentantenhaus unter der Führung von Newt Gingrich und der Minderheitenführer arn Senat, Bob Dole. Die Republikaner ahnten bereits im Oktober, daß sich bei den Kongreßwahlen eine Wende in den Machverhältnissen in Washington anbahnen könnte. Daß die Partei des Präsidenten bei den midterm-Wahlen seit 1945 stets Sitze verlor, war mittlerweile ein gewohntes Phänomen. Die Möglichkeit, eine republikanische Mehrheit im Kongreß zu erlangen, war jedoch eine neue Perspektive. Das neue Selbstbewußtsein der republikanischen Partei, das ganz besonders im Repräsentantenhaus verwurzelt war, führte zu dem Entschluß der Führungsriege um Newt Gingrich, dem Präsidenten den dringend benötigten Erfolg in Form der Verabschiedung der UruguayRunde vor den Wahlen vorzuenthalten. Das Implementierungsgesetz war wegen dem Einschreiten von Senator Hollings im Senat schon auf Grund gelaufen. Auf Betreiben der Minderheitenpartei im Repräsentantenhaus wurde nun auch die Abstimmung dort bis zur sog. lame-duck session, die für Ende November angesetzt war, aufgeschoben. 301 Vgl. GAIT pact lurches off course as Hollings hits the brake, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, October I, 1994, S. 2764.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Als die Republikaner schließlich Anfang November tatsächlich Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses gewannen, bereiteten auch die Republikaner im Senat sich auf ihre neue Führungsrolle vor. Insbesondere Bob Dole (R-KS), der neue Mehrheitsführer der Republikaner im 104. Kongreß, übte Kritik an der Einrichtung einer neuen Welthandelsorganisation und griff das Thema Souveränität auf. Damit noch nicht genug. Der Senator aus Kansas knüpfte außerdem seine Zustimmung für die Uruguay-Runde an eine Kürzung der Kapitalertragssteuer (capital gains tax). Der Clinton-Administration blieb in punkto Souveränität nichts anderes übrig, als Dole entgegenzukommen. Zusätzlich zu der bereits in das Implementierungsgesetz aufgenommenen Klausel, wonach der Kongreß nach Ablauf von fünf Jahren über einen Verbleib in der Welthandelsorganisation abstimmen durfte, wurde eine weitere Bestimmung verfügt: Die Administration und Dole einigten sich auf die Einrichtung einer WTO Dispute Settlement Review Commission. Die mit fünf amerikanischen Richtern besetzte Kommission sollte in der Zukunft alle Schiedssprüche der WTO prüfen, die gegen das Interesse der Vereinigten Staaten liefen. Sollte sich bei diesen Überprüfungen innerhalb von fünf Jahren dreimal ergeben, daß die WTO-Entscheidungen nicht amerikanischem Rechtsempfinden entsprachen, konnte jeder Kongreßabgeordnete eine Resolution im Kongreß über den Austritt der USA aus der Welthandelsorganisation zur Abstimmung einbringen. Hinsichtlich Doles Forderung nach einer Kürzung der Kapitalertragssteuer kam das Weiße Haus nicht weiter in Verlegenheit. Selbst aus den Reihen der Republikaner kam Kritik an der Forderung des zukünftigen Mehrheitsführers. Viele Republikaner sahen keinen Zusammenhang zwischen der Verabschiedung der Uruguay-Runde und der Kapitalertragssteuer. Außerdem waren die Republikaner natürlich auch interessiert daran, das GATI-Abkommen zu ratifizieren. Dole beharrte nicht auf eine Kürzung der Kapitalertragssteuer, sondern gab grünes Licht für die Ratifizierung der Runde. Der Senator hatte sein Ziel erreicht, Stärke zu zeigen und ein Signal zu setzen, wer im 104. Kongreß den Ton angeben würde. Mit den Abstimmungen des Repräsentantenhauses und des Senats am 29. November bzw. 1. Dezember 1994 endete die bislang letzte Ratifizierung eines Handelsabkommens unter dem/ast-track procedure.
8. Im Schatten von NAFTA 1994-1999
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8. Im Schatten von NAFTA: Fast-track procedure und Vollmacht des Präsidenten, 1994-1999 "We hope and pray you'll get the votes tomorrow, Mr. President. ..302 Ex-Präsident Gerald R. Ford zu Präsident Clinton anläßlich der Eröffnung der George Bush Presidential Library in College Station, Texas, 6. November 1997
1997 erlangte das fast-track procedure erneute Aktualität. Die Initiative der Clinton-Administration, eine Erneuerung der Vollmacht für den Präsidenten in der Handelspolitik und das fast-track procedure zu erhalten, scheiterten am Widerstand des Kongresses. Präsident Clinton ist der erste Präsident seit Gerald Ford, dem der Kongreß die handelspolitische Vollmacht und das fast-track procedure verweigert. Die Handlungsfähigkeit der Administration hinsichtlich der Verhandlung weiterer Freihandelszonen mit Lateinamerika und Asien ist damit stark eingeschränkt. Für die Fragestellung und das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit (vgl. Kapitell) besitzt die fast-track-Episode von 1997 zweierlei Bedeutung: Erstens, sie unterstreicht die allgemeine Relevanz der in dieser Studie behandelten Ratifizierungsprozesse für den handelspolitischen Entscheidungsprozeß insgesamt: Der Streit um NAPfA 1993 bildete keine Ausnahme von einem ansonsten konsensorientierten Entscheidungsprozeß, sondern war das erste Zeichen einer Krise im handelspolitischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozeß. Zweitens, die fast-track-Episode 1997 kann als die vierte Fallstudie dieser Arbeit gelten. Die Auseinandersetzung um das fast-track procedure 1997 ähnelt in vielem der Debatte um die Verabschiedung des NAPfA. Die nächsten Seiten analysieren Verlauf und Ausgang der 1997er fasttrack-Debatte. Leitende Fragen sind, warum die Initiative der ClintonAdministration gescheitert ist und welche Rolle NAPfA in diesem Zusammenhang gespielt hat (Kapitel 8.1.). Das nächste Unterkapitel gibt einen kurzen Überblick über die Ereignisse um das fast-track procedure bis Mitte 1999 (Kapitel 8.2.). 8.1. Das fast-track-Fiasko, November 1997 Mit der Verabschiedung der Uruguay-Runde Ende 1994 lief die handelspolitische Vollmacht des Präsidenten und damit auch die Garantie des Kongresses aus, Handelsabkommen durch das fast-track procedure zu ratifizieren. Die Clinton-Administration war auf diese Vollmacht angewiesen, weil 302 Vgl. Weekly compilation o[ Presidential Documents, vol. 33, no: 45 (Monday, Nov. 10, 1997), S. 1741. 14 pfeil
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
sich die handelspolitischen Ambitionen der Amerikaner nur mit fast-track verwirklichen ließen. Präsident und Kongreß unternahmen zwischen 1994 und 1997 drei Anläufe, um die Vollmacht zu erneuern. Der erste Versuch scheiterte während der Ratifizierung der UruguayRunde. Der Kongreß lehnte die Initiative der Clinton-Administration ab, das fast-track procedure innerhalb des Implementierungsgesetzes der Uruguay-Runde neu zu beleben (Vgl. Kapitel 7.5.3.). Der nächste Versuch ging 1995 von der republikanischen Mehrheit des Kongresses aus. 303 Die Initiative des Ways anti Means Committee am Repräsentantenhaus stand von Beginn an unter schlechten Zeichen. Die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Republikanern zur Zeit des 104. Kongresses, besonders der Konflikt um die Verabschiedung des Bundeshaushaltes im Winter 1995/96, hatten ein Klima geschaffen, in dem eine Einigung von vornherein schwierig erschien. 304 Die von den Republikanern des Ways anti Means Committee entworfene Gesetzesvorlage hätte Clinton eine Vollmacht und fast-track bis Ende 1999 eingeräumt, mit der Möglichkeit diese um zwei weitere Jahre zu verlängern. Die Vorlage begrenzte die Einbeziehung der umstrittenen Themen Umwelt und Arbeit. Die Clinton-Administration war deshalb zögerlich, vor dem Präsidentschaftswahljahr 1996 darauf zu reagieren und selbst eine Vorlage zu machen, die unweigerlich zu diesen Themenbereichen hätte Stellung nehmen müssen. Die Initiative wurde 1996 nicht wieder aufgenommen. Der wohl bedeutendste der drei Versuche ging von der Clinton-Administration 1997 aus. Die Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht für den Präsidenten stellte eines der wichtigsten politischen Ziele des Jahres dar. Im November 1997 scheiterte jedoch auch dieser Versuch. Eine Analyse dieser Episode folgt auf den nächsten Seiten. Folgende These wird der Analyse vorangestellt: Der Hauptgrund für das Scheitern der Initiative der Administration war, daß die Akteure in Exekutive und Kongreß mit der Diskussion um das fast-track procedure 1997 indirekt die NAFfA-Debatte von 1993 fortsetzten. Die Clinton-Administration bediente sich der gleichen Strategien wie beim NAFfA, ohne den veränderten Machtverhältnissen im Kongreß in besonderer Weise Rechnung zu tragen: Mit den gleichen Argumenten, den gleichen Versprechungen und Konzessionen wie 1993 ließen sich 1997 allerdings keine Stimmen gewinnen. 30S NAFfA hatte die Glaubwürdigkeit Clintons untergraben. Am Ende Vgl. Destier 1997: 20-23. Vgl. GOP fast-track plans may split fragile free-trade coalition, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, July 8, 1995, S. 1992f., und Panel restriets Clinton's control in negotiations, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, September 23, 1995, S. 2873, sowie House Committees consider other trade legislation, in: Congressional Quarterly, Almanac 1995, S. 2-94f. 303
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8. Im Schatten von NAFfA 1994-1999
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fehlten dem Präsidenten die Stimmen der Demokraten, die sich für die Ratifizierung des NAFfA noch von ihm hatten überzeugen lassen. 1997 standen die gleichen politischen Koalitionen wie beim NAFfA gegeneinander: Gewerkschaften, Umweltverbände und die meisten Demokraten des Kongresses auf der einen Seite, Wirtschaftsunternehmen, die Administration und die meisten Republikaner am Kongreß auf der anderen Seite. Wie schon bei der Ratifizierung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens stellten die Themen Arbeit und Ökologie den größten Streitpunkt in der Auseinandersetzung dar: Republikaner lehnten ihre Einbeziehung in Handelsabkommen ab, Demokraten forderten sie. Im Gegensatz zur Verabschiedung des NAFfA stand die fast-trackDebatte 1997 jedoch unter ganz anderen Voraussetzungen. Die Republikaner hielten Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses. Viele Republikaner weigerten sich aus parteipolitischen Gründen, die handelspolitische Vollmacht an den Demokraten im Weißen Haus zu delegieren. Der Präsident war 1997 deshalb in einem noch stärkerem Maße als 1993 von der Zustimmung seiner eigenen Partei abhängig. Die Demokraten verweigerten ihm jedoch abermals die Gefolgschaft. Der gestiegene Einfluß der Gewerkschaften seit 1995, einhergehend mit einem viel schwächeren lobbying der Wirtschaftsunternehmen für fast-track, machte vielen Demokraten die Zustimmung unmöglich. Die Aussichten auf eine reibungslose Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht waren von Beginn des Jahres 1997 an wegen neuer Mehrheitsverhältnisse im Kongreß und wegen Zeitmangel von vornherein ungünstig. Seit 1994 hatten die Republikaner Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat. Unter den 1994 und 1996 in den Kongreß Neugewählten befanden sich viele junge Abgeordnete der Demokraten und der Republikaner, deren Ziele und Prioritäten in der Handelspolitik im allgemeinen unbekannt waren; bereits die Abstimmungen über NAFfA und die Uruguay-Runde hatten jedoch eher das anti-freihändlerische Profil der Neulinge angedeutet (vgl. Kapitel 7.2.). Die handelspolitische Initiative Präsident Clintons stand von Beginn an unter großem Zeitdruck. Clintons Inauguration hatte Ende Januar stattgefunden. Seine "Regierungserklärung" in der State of the Union Address, in der der Präsident offiziell eine Erneuerung des fast-track procedure vom Kongreß forderte, lieferte er am 4. Februar 1997 ab. Die Agenda des Präsidenten für das laufende Jahr war dicht gedrängt. Neben umfangreichen Reformen im Erziehungs- und Bildungswesen, einer angestrebten Reform des Wahl30S Vgl. Free Irade doesn " seil in Congress anymore, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, September 19, 1998, S. 2459-2464. 14"
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
kampffinanzierungssystems stand besonders die Debatte um ein Balanced Budget, den ausgeglichenen Bundeshaushalt, auf der Prioritätenliste des Präsidenten. Bezüglich einer Erneuerung des fast-track procedure sorgten drei andere Faktoren zusätzlich für Zeitdruck: Erstens, die neue U.S.-Handelsbeauftragte, Charlene Barshefsky, die an vorderster Stelle die Sache der Administration bei der Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht vertreten sollte, konnte erst im März vom Senat in das Amt eingeführt werden. Barshefsky hatte in der Vergangenheit für eine kanadische Interessengruppe in Washington gearbeitet. Ein amerikanisches Bundesgesetz machte für diesen Fall eine Ausnahmegenehmigung (waiver) erforderlich, damit Barshefsky das Amt antreten konnte. Die Genehmigung erforderte eine Abstimmung im Senat. Dieses Routineverfahren geriet zum Gegenstand einer politischen Kontroverse, als Senator Ernest Hollings (D-SC) zusammen mit dem waiver ein amendment verabschieden wollte, das eine Abstimmung des Kongresses für jedes die WTO betreffende Handelsabkommen forderte. Hollings amendment scheiterte zwar. Die Episode kostete Zeit, und Barshefsky konnte ihr Amt des U.S.-Handelsbeauftragten erst Mitte März 1997 antreten. 306 Ein zweiter Faktor, der Fortschritt bei der Erneuerung des fast-track procedure verhinderte, war das Gutachten der Clinton-Administration über NAFTA. Das NAFTA-Implementierungsgesetz sah in Section 512 vor, daß die amerikanische Exekutive dem Kongreß im Juli 1997 ein Gutachten über Status und Erfolg der Umsetzung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens vorlegen mußte. 307 Es zeichnete sich ab, daß das Gutachten zumindest teilweise zu einem Wiederaufflammen der NAFTA-Debatte führen würde. Der Zeitpunkt des Gutachtens war denkbar ungünstig. Die Gegner von NAFTA und fast-track würden die Gelegenheit nutzen, um auf die mageren Ergebnisse und die zahlreichen mit NAFTA in Verbindung gebrachten Probleme hinzuweisen. Dies war eine schlechte Voraussetzung für eine Debatte über einen Ratifizierungsmechanismus, der den Abschluß weiterer Freihandelsabkommen ermöglichen würde. Der dritte Grund für Zeitdruck lag in den anstehenden Kongreßwahlen im November 1998. Handelspolitische Entscheidungsprozesse waren in der 306 Vgl. Hollings amendment holds up Barshefsky nomination, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, February 15, 1997, S. 410. 307 "Sy not later than July I, 1997, the President shall provide to the Congress a comprehensive study on the operation and effects of the Agreement." Vgl. Section 512, North American Free Trade Agreement Implementation Act, Public Law 103182 (Dec. 8, 1993), in: United States Statutes at Large, volume 107, part 3. Washington, D.C., 1994, S. 2155f. Vgl. auch dazu das Gutachten unter dem Titel Study on the Operation and effects of the North American Free Trade Agreement. The President of the United States. Washington, D.C., July 1997. Andere Einschätzungen über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des NAFTA bieten Lustig 1997 und Schirm 1997.
8. Im Schatten von NAFfA 1994-1999
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jüngsten Vergangenheit stets Anlaß für schwere partei politische Auseinandersetzungen. Entscheidungen in der Handelspolitik wurden desto unwahrscheinlicher, je näher die Wahlen rückten. Besonders angesichts der Kompromißlosigkeit des rechten Flügels der republikanischen Partei und den gewerkschaftsnahen Demokraten erschienen die Chancen einer erfolgreichen Verabschiedung der handelspolitischen Vollmacht im Jahr 1998 gering. Die fast-track-Initiative Clintons knüpfte inhaltlich an frühere fast-trackGesetze an, war allerdings in vielerlei Hinsicht ein Kompromiß an die Republikaner. Die Initiative mit dem Namen Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act of 1997308 erteilte dem Präsidenten handelspolitische Vollmacht und fast-track rules bis zum 1. Oktober 2001, mit der Möglichkeit, diese bis zum 1. Oktober 2005 zu verlängern. Diese Autorisierung durch den Kongreß hätte es der Clinton-Administration ermöglicht, sektorale Handelsabkommen in drei Bereichen abzuschließen: Erstens, Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), d. h. insbesondere im Agrarsektor, öffentliche Beschaffung und Dienstleistungen. Zweitens, bilaterale und multilaterale Freihandelsabkommen. Konkret stand dabei eine Freihandelszone mit Chile als erstem Schritt einer Süderweiterung des NAFfA an. Drittens, sektorale Abkommen im Rahmen der Asia Pacific Economic Community, besonders in den Bereichen Informationsund Gentechnologie. 309 Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongreß machte die ClintonAdministration Zugeständnisse an die Republikaner. Bei der kritischen Thematik der ökologischen und arbeitsrechtlichen Fragen hatte sich die Clinton-Initiative einen Schritt auf die Position der Republikaner zu bewegt. 310 Der Gesetzesvorschlag sah die Berücksichtigung der Themen Umwelt und Arbeit im Zusammenhang mit Handelsabkommen nur noch vor, wenn diese ,,( ... ) directly related to trade ( ... ),dll seien. Die Formulierung zielte auf eine minimale Berücksichtigung der Themen Umwelt und Arbeit. Eine 308 Vgl. den kompletten Abdruck des Entwurfs in Clinton fast-track bill limits scope of labor, environment rules. In: Inside V.S. Trade, Special Report, September 17, 1997, S. S-2 - S-IO. 309 Vgl. White House cranks up push for renewal of fast track. In: Congressional Quarterly, Weekly Report, August 16, 1997, S. 1957. 310 Vgl. Gingrich suggests softer Republican stance on fast-track authority, in: Inside V.S. Trade, February 6, 1997, S. 1 und 22f. Barshefslcy calls for flexible labor, environmental fast track terms, in: Inside V.S. Trade, June 6, 1997, S. 4f., und Barshefslcy says labor, green issues could stay out of trade deals, in: Inside V.S. Trade, June 13, 1997, S. 7f. und Barshefslcy hints at solution to fast track labor-environment fight, in: Inside V.S. Trade, August 8, 1997, S. 1 und 23-25. 3ll Vgl. Section 2(a)(5) des Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act of 1997, in: Inside V.S. Trade, Special Report, September 17, 1997, S. S-2.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
genaue Definition der Fonnel "directly related to trade" und deren Implikation ließen die Autoren des Gesetzes nicht verlauten. Die Version der Administration räumte zwar als Signal und Zugeständnis an die Demokraten im Kongreß ein, daß sich die USA im Rahmen der Welthandelsorganisation und der International Labor Organization (ILO) für Arbeitnehmerrechte einsetzen wollten. Handelsabkommen. so die Administration weiter, sollten unter dem Ziel der "nachhaltigen Entwicklung" verhandelt und abgeschlossen werden. 312 Trotz dieser Absichtserklärungen bedeutete die "directly-related-to-trade"-Fonnel zunächst jedoch eine grundSätzliche Beschränkung der Reichweite ökologischer und die Arbeitsbeziehungen betreffenden Klauseln in Handelsverträgen. Noch in einem anderen Punkt kam die Administration den Republikanern entgegen. Dieser betraf die sog . •,necessary-and-appropriate"-Klausel der Implementierungsgesetze. Wie mehrfach an anderer Stelle ausgeführt. nehmen Implementierungsgesetze Änderungen in amerikanischen Gesetzen vor. die aufgrund der an das Ausland in Verhandlungen gemachten Zusagen erforderlich wurden. Bislang hatten die fast-track-Bestimmungen vorgeschrieben. daß die Implementierungsgesetze alle Änderungen im amerikanischen Recht beinhalten sollten, die für die Verabschiedung eines Abkommens .,necessary and appropriate" wären. Diese flexible und vage Fonnel hatte dazu geführt, daß Kongreßabgeordnete im Rahmen der Ratifizierung von Handelsabkommen eine große Bandbreite von Bestimmungen in das Implementierungsgesetz aufnahmen. auch wenn diese nur im weitesten Sinne mit dem Handelsabkommen zu tun hatten. Die Klausel wurde dazu benutzt. um Konzessionen an unentschiedene Abgeordnete zu machen. Die Republikaner hatten bereits 1995 signalisiert. dieser von ihnen als Mißbrauch empfundenen Praxis einen Riegel vorzuschieben. 313 Der Gesetzesvorschlag der Clinton-Adrninistration beließ zwar zunächst die Fonnulierung ,,necessary and appropriate". fügte aber auch hier hinzu ,,( ... ) which are necessary or appropriate to implement such trade agreements (... ) which are related to trade (... ).,,314 Diese Einschränkung war ein Zugeständnis an die Republikaner. 312 Vgl. Section 2(b)(7) des Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act 0/1997, in: ebd.• S. S3. 313 Vgl. die Aussage des früheren republikanischen Abgeordneten William Frenzel in: Fast-track issues. U.S. Congress. House of Representatives. Joint hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means and Committee on Rules. l04th Congress. first session. May 11 and 17. 1995. Washington. D.C .• 1995. S. 173. 314 Vgl. Section 3(b)(3)(B). Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act 0/ 1997. in: Inside U.S. Trade. Special Report. September 17. 1997. S. S-6. [Kursive Hervorhebung durch A. P.]
8. Im Schatten von NAFrA 1994-1999
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Die fast-track-Initiative geriet unter heftige Kritik von Abgeordneten beider Parteien. Vielen Demokraten ging die Berücksichtigung ökologischer und arbeitsrechtlicher Aspekte in der Initiative der Clinton-Administration nicht weit genug; vielen Republikanern ging sie immer noch zu weit. Hinter beiden Lagern standen Interessengruppen. Viele Demokraten, die Gewerkschaften und Umweltorganisationen hatten gleich zu Beginn des Jahres 1997 ihre Opposition gegen das fast-track procedure erklärt. 315 Der Einfluß der Gewerkschaften auf die Demokraten am Kongreß hatte sich seit 1994 beträchtlich vergrößert. Nach der Machtübernahme der Republikaner hatte sich die Richtung der Wahlkampfspenden von den Demokraten hin zu den Republikanern geändert. Die Gelder großer Unternehmen flossen seitdem in die Schatullen der Republikaner, mit der Folge, daß der Anteil gewerkschaftlicher Gelder an der Wahlkampffinanzierung der Demokraten proportional stieg. Gerade für viele Neulinge der Demokraten am Kongreß bildeten die Gewerkschaften die Hauptfinanzierungsquelle für ihren Wahlkampf. 316 Für die Ziele der Gewerkschaften war die Auseinandersetzung um die Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht und das fast-track procedure 1997 von noch größerer Bedeutung als der Streit um die Verabschiedung des NAFfA vier Jahre zuvor. Mit John Sweeney hatte der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO im Herbst 1995 eine neue Führung erhalten. Sweeney und sein Team wollten die Gewerkschaften aus der Krise führen. Dazu gehörte ihrer Auffassung nach nicht nur die Verbesserung der gewerkschaftlichen Funktion als Unterhändler der Arbeitnehmerschaft beim Aushandeln von Arbeitsverträgen. Die Gewerkschaften wollten vielmehr Teil einer progressiven politischen und sozialen Bewegung werden, die gemeinsam gegen den von ihnen wahrgenommenen Rechtsruck im Kongreß stand. Das unverhältnismäßig starke Engagement der Gewerkschaften bei den Kongreßwahlen 1996 symbolisierte diesen Anspruch. Die Auseinandersetzung um das fast-track procedure fiel in ein für die Gewerkschaften erfolgreiches Jahr 1997. Im Frühjahr hatten sie mit großem Erfolg auf die Situation von Erdbeerpflückern hispanischer Herkunft in Kalifornien hingewiesen; ihre Kampagne gegen schlechte Arbeitsbedingungen bei geringem Entgelt erhielt nationale Aufmerksamkeit. Den größten Sieg meldeten die Gewerkschaften im Laufe der Sommerpause als sie per Streik die Arbeitgeber des United Parcel Service (UPS) zu Konzessionen bei Bezahlung, der Umwandlung von Teilzeit- in Vollzeitstellen und bei der 3\S Vgl. AFL-CIO, green groups call for stricter conditions on fast track, in: Inside U.S. Trade, February 21, 1997, S. 1Of., und Gephardt calls on Democrats to back limitedfast track deal, in: Inside U.S. Trade, February 28, 1997, S. 6f. 316 Vgl. Labor victory on trade reveals power, in: The New ·York Times, 12. November 1997, S. A 1 und A 28.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
Verwaltung der Rentenfonds zwangen. Die Verhinderung des fast-track procedure war ein weiterer, medienwirksamer Sieg, der die Gewerkschaften als wichtige politische Kraft in Washington bestätigte. Noch in einem anderen Zusammenhang spielten die Gewerkschaften indirekt eine wichtige Rolle beim Streit um die Erneuerung des fast-track procedure. Um ihre Unterstützung buhlten zwei potentielle Kandidaten der Demokratische Partei für den Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2000: der Führer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt (D-MO), und Vize-Präsident Al Gore. Beide repräsentierten den Graben innerhalb der Demokratischen Partei bezüglich der handelspolitischen Debatte. Gephardt betrieb seit der Wiederwahl Clintons eine systematische Politik der Polarisierung vom Weißen Haus und damit gegen den ,,rechten" Flügel der Demokratischen Partei, verkörpert durch den Präsidenten und Al Gore. Neben Gephardts Opposition gegen das von der Clinton-Administration unterstützte Balanced Budget boten sich besonders handelspolitische Themen an, um sich klar von Gore abzugrenzen: Dazu zählten die jährliche Abstimmung über die Gewährung des Meistbegünstigungsstatus an China und die Erneuerung des fast-track procedure. Gephardts Strategie zwang Clinton und Gore in die Defensive. 317 Der Vizepräsident war im Frühjahr und Sommer 1997 politisch angeschlagen: Al Gore stand wegen seiner Rolle im Wahlkampffinanzierungsskandal im Mittelpunkt der Kritik. Der Druck von Gephardt und der Parteilinken war deshalb ein weiterer Faktor für den Entschluß des Weißen Hauses, die Initiative zur Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht in die Zeit nach der Sommerpause zu verschieben?18 Das Scheitern der gesamten Initiative bedeutete einen wichtigen Sieg für Gephardt und eine Niederlage für Gore. Gephardt war mit dem Scheitern des fast-track procedure gelungen, die führenden Demokraten im Weißen Haus innerhalb der Partei zu isolieren, seine eigene Stellung zu stärken und die Parteilinie für seine Zwecke zu definieren. Die Republikaner unterstützten eine Erneuerung der handelspolitischen Vollmacht und fast-track mit großer Mehrheit. Ausgehend von einem festen Sockel republikanischer Zustimmung kreisten die taktischen Erwägungen Präsident Clintons wie schon beim NAFfA darum, wieviele Stimmen seiner eigenen Partei er noch benötigen würde, um eine siegreiche Mehrheit von 218 Stimmen im Repräsentantenhaus zu sichern. Doch erwies sich der Sockel der republikanischen Stimmen aus fünf Gründen keinesfalls als solide. Erstens, manche Republikaner wollten einem demokratischen Präsidenten keine Vollmacht in der Handelspolitik gewähren. Für NAFfA hatten 311 Vgl. Gephardt, long on sideline, scores a touchdown at last, in: The New York Times, November 12, 1997, S. A 28. 318 Vgl. Administration decides to delay fast track until September, in: Inside U.S. Trade, May 23, 1997, S. 1 und 19.
8. Im Schatten von NAFfA 1994-1999
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viele Republikaner nur gestimmt, weil es sich letztendlich um eine Initiative der Präsidenten Reagan und Bush handelte. Zweitens, in einigen Wahlkreisen hatten auch republikanische Abgeordnete mit negativen Effekten des NAFfA zu ringen. So protestierten beispielsweise die Zitrus- und Gemüsefarmer Floridas gegen eine Süderweiterung der Freihandelszone und sorgten damit auch für Opposition in den republikanischen Rängen der Florida-Delegation des Repräsentantenhauses. Drittens, am rechten Rand der republikanischen Partei lehnten die Parteigänger Patrick Buchanans weitere Handelsliberalisierung ab. Buchanan war bei den Vorwahlen im Präsidentschaftswahlkampf 1996 mit protektionistischen Parolen angetreten, die u. a. auf der Sorge vor dem Verlust amerikanischer Souveränität durch multilaterale Handelsabkommen gründeten. Viertens, mit einem Blick auf die Kongreßwahlen 1998 hielten sich diejenigen Republikaner mit einer offenen Zustimmung des fast-track procedure zurück, die sich in ihrem Wahlkreis einem starken demokratischen Gegenkandidaten gegenüber sahen. 319 Fünftens, das Lobbying der Industrie und Wirtschaftsunternehmen fiel 1997 im Unterschied zum Entscheidungsprozeß beim NAFfA relativ schwach aus. Einerseits assoziierten die Wirtschaftsunternehmen mit der Verabschiedung des fast-track procedure, d. h. des bloßen Ratifizierungsmechanismus, keinen unmittelbaren Gewinn. Andererseits erwies sich die Clinton-Administration in der Mobilisierung dieser flankierenden Unterstützung durch die Multinationalen Konzerne äußerst zurückhaltend, um die Zustimmung der Demokraten nicht zu verspielen. Unter diesen Voraussetzungen und angesichts der Tatsache, daß der Kongreß Mitte November schon die Weihnachtspause begann, startete die Debatte im Herbst 1997 unter einem schlechtem Stern. Als Hoffnungsschimmer für die Initiative des Weißen Hauses galt zunächst die Abstimmung im Finanzausschuß des Senates. Dieser hatte am 1. Oktober in einer mündlichen Abstimmung eine durch Senator William Roth (R-DE) leicht modifizierte Version des Gesetzesentwurfs bei nur einer Gegenstimme verabschiedet. 32o Das eigentliche Problem der Administration trat allerdings eine Woche später bei der entsprechenden Abstimmung im Committee on Ways and Means des Repräsentantenhauses erstmals zu Tage. Zwar sprach sich auch dieser Ausschuß grundsätzlich für eine Erneuerung des fast-track procedure aus. Allerdings stimmten lediglich 4 der 16 Demokraten des Ausschusses im Sinne ihres Präsidenten und deuteten damit die Mehrheitsverhältnisse ihrer Partei im Repräsentantenhaus an. 321 319 Vgl. Clinton sways few Democrats as House sets fast-track vote, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, November I, 1997, S. 2667f., hier insbesondere S.2668. 320 Vgl. Senate Finance Committee passes compromise version offast track. In: Inside U.S. Trade, October 3, 1997, S. 14-22.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
In den verbleibenden Wochen vor der Weihnachtspause ging es hauptsächlich um die Frage, ob angesichts der ungewissen Mehrheitsverhältnisse überhaupt eine Abstimmung stattfinden würde. Die Ungewißheit einer Abstimmung ließ wiederum viele Abgeordnete zögern, überhaupt eine Position für oder gegen fast-track zu erklären: Warum sollte man die Unterstützung potentieller Geldgeber riskieren, wenn am Ende gar keine Abstimmung stattfände? Das Repräsentantenhaus mußte zuerst über die Initiative abstimmen. Verfassungsrechtlich ist jedes Handelsgesetz im weitesten Sinne ein Steuergesetz und muß deshalb zuerst vom Repräsentantenhaus aufgenommen werden (vgl. Kapitel 2). Wie auch beim NAFTA hätten die Befürworter der präsidentiellen Vollmacht in der Handelspolitik am liebsten die Abstimmung im Senat vorgezogen. Dort war eine deutliche Mehrheit vorhanden: Am 4. ~ovember stimmte der Senat über cloture ab, d. h. eine Maßnahme, die das filibuster, das Recht der unbegrenzten Rede, untersagte. Die Abstimmung verlief mit 69 zu 31 Stimmen deutlich und symbolisierte damit die überragende Zustimmung des Senats für das fast-track procedure. Im Repräsentantenhaus kam jedoch keine Mehrheit zustande. Wie bereits beim NAFTA vier Jahre zuvor versuchte der Präsident unter großem persönlichen Einsatz unentschiedene Demokraten auf seine Seite zu ziehen und damit aufbauend auf einem Block von republikanischen Stimmen eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erreichen. Seine Versprechen und Konzessionen, die 1993 letztendlich eine kritische Zahl von Demokraten doch noch umstimmte und für NAFTA votieren ließ, war ohne Erfolg. Versprechungen über den ökonomischen Nutzen einer Süderweiterung des NAFfA stießen auf taube Ohren: In ihrem Gutachten über NAFfA mußte die Administration im Juli 1997 selbst zugeben, daß NAFTA entgegen den Projektionen und Versprechen der Bush- und Clinton-Administration auch im vierten Jahr seines Inkrafttretens keine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen in den USA geschaffen hatte. 322 Die Bilanz der NAFTA-Zusatzabkommen 323 und der umweltpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verabschiedung des NAFfA fiel aus der Sicht von Umweltorganisationen nach vier Jahren ebenfalls dürftig aus; Verbände, wie die National Wildlife Fund, die NAFfA 1993 noch unterstützt hatten, lehnten eine Erneuerung des fast-track procedure 1997 ab. 324 Zahlreiche Konzessionen 321 Vgl. Fast-track bill gets little support from Ways and Means Democrats, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, October 11, 1997, S. 2467f. 322 Vgl. Study on the Operation and effects of the North American Free Trade Agreement. The President of the United States. Washington, D.C., July 1997, S.18-22. 323 Vgl. eine Bilanz der Zusatzabkommen vier Jahre nach Inkrafttreten des NAFTA zieht McFadyen 1998. 324 Vgl. Senate Finance poised to pass fast track without labor, environment, in: Inside U .S. Trade, Special Report, October 1, 1997, hier S. 12.
8. Im Schatten von NAFfA 1994-1999
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Clintons, die der Präsident am Wochenende des 8. und 9. November in zahlreichen persönlichen Zusammentreffen mit Demokraten des Repräsentantenhauses machte, blieben erfolglos. Viele Demokraten zeigten sich von den Versprechungen des Präsidenten desillusioniert: "I took my bullet from labor and they didn't come to my rescue",32S bemerkte Alcee L. Hastings vom 23. Wahlbezirk in Aorida mit einem Blick auf das Weiße Haus. Der Demokrat hatte NAFfA zunächst abgelehnt. Der Präsident stimmte ihn in letzter Minute vor der Abstimmung doch noch um. Seit 1994 hatte die Tomaten-, Orangen- und Grapefruitindustrie seines Wahlkreises im Bereich Fort Lauderdale, Miami und Lake Okeechobee wegen NAPfA Verluste hinnehmen müssen und ihm schwere Kritik eingebracht. Keines der vom Präsident damals versprochenen Programme wie Trade Adjustment Assistance vermochte merklich Abhilfe zu schaffen. Deshalb mobilisierte die Zusicherung der Clinton-Administration vom November 1997, vier Milliarden Dollar für die Arbeiter und Angestellte zur Verfügung zu stellen, die wegen Handelsliberalisierung ihre Arbeitsstelle verloren, keine Stimmen mehr. 326 8.2. Fast-track zwischen Lewinsky und Gingrich: Die Niederlage von 1998
1998 stand das fast-track procedure wieder zur Disposition. Die Initiative ging diesesmal nicht von Präsident Clinton aus. Er hatte den Ratifizierungsmechanismus wieder in seiner State of the Union Speech vom Kongreß gefordert. Aufgrund der politischen Ereignisse im Zusammenhang mit der Lewinsky-Affare und angesichts der Kongreßwahlen im November startete das Weiße Haus von sich aus allerdings keine Initiative. Diese ging vom Speaker Newt Gingrich (R-GA) aus, der fast-track im September zu einer Abstimmung im Repräsentantenhaus brachte. Nur 29 Demokraten und 151 Republikaner des Repräsentantenhauses votierten am 25. September 1998 für eine Erneuerung des fast-track procedure. 327 Damit fehlten einer Mehrheit 38 Stimmen. Erstmals in seiner Geschichte fiel der Ratifizierungsmechanismus bei einer Abstimmung durch. Die Clinton-Administration bleibt damit in zentralen handelspoliti~ sehen Projekten weiterhin handlungsunfähig. Angesichts der weltwirtschaftlichen Entwicklungen und der anstehenden Präsidentschaftswahlen, die ihre Schatten bereits im Herbst 1999 vorauswerfen werden, sind die Chancen 325 Vgl. Sour taste of NAFI'A: Old friends become foes, in: The New York Times, Friday, November 7, 1997, S. 8. 326 Vgl. Lee 1995. 327 Für die Abstimmungsergebnisse vgl. Bipartisan opposition leads 10 180--243 house defeat of Fast Track. in: Inside V.S. Trade, Special Report, September 28, 1998, S. 2-4.
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2. Teil: Empirisch-analytischer Teil
für das fast-track procedure gering, noch innerhalb der Amtszeit Clintons verabschiedet zu werden. Das politische Umfeld für eine Verabschiedung des fast-track procedure war 1998 von Anfang an denkbar ungünstig. 1998 war von den Enthüllungen des Independent Counsel Kenneth Starr über Präsident C1intons Affäre mit der früheren Praktikantin Monica Lewinsky dominiert. Nennenswerte Debatten um politische Inhalte waren Mangelware, nicht zuletzt auch wegen den anstehenden Kongreßwahlen. Weiterhin stand die Nation unter dem Eindruck der Asienkrise und ihren Auswirkungen auf Rußland und Lateinamerika. Nach über sieben Jahren Wirtschaftswachstum und steigenden Aktienkursen reichten die Prognosen für die USA nunmehr von bloßer Konjunkturverflachung bis hin zur Möglichkeit einer weltweiten Depression. Dieses Klima von politischer Apathie und Überdruß, wegen der Lewinsky-Affäre, und den Aussichten einer wirtschaftlich ungewissen Zukunft, wegen den Folgen der Asienkrise, war keine Grundlage für einen Konsens in der Handelspolitik. Der Präsident hatte sich völlig aus dem politischen Entscheidungsprozeß um das fast-track procedure herausgehalten und fehlte damit als konsensbildendes Element. Die Initiative für fast-track ging von Newt Gingrlch aus, der den knappen Vorsprung seiner Partei im Repräsentantenhaus bei den Wahlen ausweiten wollte. Besonders die Art und Weise, wie fast-track 1998 im Kongreß scheiterte, gibt Anlaß, die Aussichten für eine Verabschiedung des Verfahrens in der nahen Zukunft eher skeptisch zu sehen. 328 Parteipolitische Ziele waren der Hauptgrund für die Niederlage. Im Frühsommer hatte Newt Gingrich eine Abstimmung über das Verfahren für die letzten Septembertage angekündigt. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, daß im Repräsentantenhaus keine Mehrheit für die Maßnahme vorhanden sein würde. Gingrlchs Motivation, fast-track trotz fehlender Mehrheit zur Abstimmung zu bringen, war zweierlei. Zum einen wollte er die Demokraten zwingen, als Gegner von fast-track in den Congressional Record einzugehen. Dadurch konnte er darauf hoffen, die Demokraten um die letzte finanzielle Unterstützung der Wirtschaft zu bringen, die das fast-track- Verfahren mit Nachdruck forderte. Zum anderen spekulierte Gingrich mit der Abstimmung sechs Wochen vor den Kongreßwahlen, einen Streit zwischen Präsident Clinton und den gewerkschaftsnahen Demokraten am Kongreß zu provozieren. Der Präsident hatte wiederholt das Verfahren vom Kongreß gefordert. Die Demokraten am Kongreß konnten es "ihm kurz vor den Wahlen keinesfalls gewähren. Eine niedrige Wahlbeteiligung war vorausgesagt, was implizierte, daß besonders die Parteigetreuen, d.h. gewerkschaftsnahe Wähler, im November zu den Urnen gehen würden. 328 Vgl. House vote signals a key reversal of V.S. support for free trade, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, September 26, 1998. S. 2603f.
8. Im Schatten von NAFfA 1994-1999
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Die Rechnung des Speaker ging nicht auf. Es kam zu keinem Konflikt zwischen Präsident und den Demokraten am Kongreß. Bei den Wahlen gewannen die Demokraten im Repräsentantenhaus fünf Sitze hinzu. Die deutliche Niederlage des fast-track procedure wird vielen Abgeordneten die Flexibilität nehmen, bei einer erneuten Abstimmung im Frühjahr 1999 ihr Votum zu ändern.
Dritter Teil
Präsentation der Ergebnisse Wie in der Einleitung formuliert, verfolgt die vorliegende Studie drei Erkenntnisinteressen: - Systematische Untersuchung der Ratifizierungsprozesse unter dem Jasttrack procedure - Bestimmung der Faktoren, die den Ausgang von Ratifizierungsprozessen beeinflussen - Anhand der Ergebnisse Prognosen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses am Anfang des 21. Jahrhunderts Um Antworten auf diese Zielsetzungen zu geben, hat die Untersuchung drei Fallstudien aufgrund bestimmter Kriterien miteinander verglichen (die Tokio- und die Uruguay-Runde des GATT, und NAFTA). Die Ergebnisse werden im folgenden in zwei Schritten präsentiert. Kapitel 9 wertet die empirische Untersuchung aus und stellt dar, inwieweit die zu Beginn der Studie als relevant angenommenen Determinanten den Verlauf und Ausgang von Ratifizierungsprozessen tatsächlich bestimmen. Kapitel 10 interpretiert diese Ergebnisse, ordnet sie in den größeren Zusammenhang der amerikanischen Außenhandelspolitik ein und zeigt mögliche Szenarien auf, wie die Krise in der US-Handelspolitik überwunden werden könnte.
9. Ergebnisse der Fallstudienanalyse: Die Determinanten von Ratifizierungsprozessen Die Studie ging zu Beginn davon aus, daß folgende Faktoren den Verlauf und Ausgang von Ratifizierungsprozessen beeinflussen: - Verhalten des Präsidenten - Inhaltliche Positionen und Zustimmung der Kongreßabgeordneten - Strategische Ausgangspositionen der Akteure - Ökonomische und außenpolitische Rahmenbedingungen Die folgenden Abschnitte fassen zusammen, inwieweit die oben genannten Faktoren relevant sind. Zwei Bemerkungen vorweg: Die Gewichtung
9. Ergebnisse der Fallstudienanalyse
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der Faktoren und ihr Verhältnis zueinander lassen sich schwer einschätzen. Handelspolitik ist kein schematischer oder logischer Prozeß, sondern, wie alle Entscheidungsprozesse, Summe einer Vielzahl von Einzelaktionen. Zweitens, die vorliegende Studie hat den Verlauf und Ausgang von Ratifizierungsprozessen ausschließlich unter Effizienzkriterien untersucht. Ob eine Ratifizierung weiterer Freihandelsabkommen wünschenswert ist, steht nicht zur Debatte. Damit bildet die Arbeit einen Kontrapunkt gegen die stark ideologisch aufgeladene Diskussion in der Literatur.
Erster Faktor: Verhalten und Funktion des Präsidenten Die Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit der Tokio-Runde, dem NAFTA, der Uruguay-Runde und der Jast-track-Debatte 1997 haben die von I. M. DestIer formulierte zentrale Funktion des Präsidenten in der Handelspolitik auch für die Ratifizierung von Handelsabkommen bestätigt. Vorliegende Studie geht jedoch über Destier hinaus, als daß sie vier spezielle Funktionen des Präsidenten bei der Ratifizierung von Handelsabkommen herausarbeitet. Je nachdem, wie Präsidenten diese Funktionen ausfüllen, erhöhen oder verringern sich die Chancen der Ratifizierung eines Handelsabkommens. Erstens, die Fallstudienanalyse zeigt, daß es von Vorteil ist, wenn der Präsident eine klare Position gegenüber dem zu ratifizierenden Handelsabkommen bezieht. In keinem der untersuchten Ratifizierungsprozesse signalisierte die Clinton-Administration dem Kongreß ihre eindeutige Position. Wenn das Weiße Haus eine Position zu erkennen gab, ging die Rhetorik selten mit entsprechenden Maßnahmen einher: Im Fall von NAFTA hatte der Präsident wiederholt seine Zustimmung versichert und dennoch forderten mehrere seiner Berater, NAFTA aufzugeben. Diese Unklarheiten kombiniert mit der Unentschlossenheit der Clinton-Administration, den Ratifizierungsprozeß einzuleiten, gaben der Opposition des Freihandelsabkommens Auftrieb. Potentielle Befürworter am Kongreß zögerten, ihre Zustimmung zu dem Abkommen zu erklären. Im Gegensatz dazu stand die Position Jimmy Carters gegenüber der Tokio-Runde niemals in Frage. Präsident Carter vermied dadurch Unklarheiten und Mißverständnisse in der Interaktion mit dem Kongreß. Zweitens, für die Ratifizierung von Handelsabkommen ist eine langfristig angelegte Strategie des Präsidenten im Umgang mit dem Kongreß und Interessengruppen erforderlich. Wenn Mehrheiten für Handelsliberalisierung knapp sind, eröffnen mangelhafte Planung und Zeitdruck der Opposition strategische Vorteile. In den Fällen NAFTA, Uruguay-Runde und der Jasttrack-Episode 1997 hat die Clinton-Administration versäumt, frühzeitig eine Strategie festzulegen. Der Präsident entschied sich in beiden Fällen
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3. Teil: Präsentation der Ergebnisse
spät, die Projekte zu unterstützen. Der dadurch entstandene Zeitdruck brachte die Clinton-Administration wiederholt in eine strategisch schwache Position gegenüber dem Kongreß. Die Administration konnte nur noch durch große Zugeständnisse an den Kongreß die Ratifizierung erreichen, wie etwa beim NAPfA, bzw. verfehlte sogar ihr Ziel im November 1997. Im Gegensatz dazu begann die Carter-Administration bereits 1977, d. h. zwei Jahre bevor die Tokio-Runde im Kongreß zur Ratifizierung anstand, durch gezielte Zugeständnisse mögliche Opposition zu neutralisieren und einen Konsens für die Ratifizierung aufzubauen. Drittens, es ist die Aufgabe des Präsidenten, die Zustimmung des privaten Sektor zu mobilisieren. Bei der fehlgeschlagenen Erneuerung des Jasttrack procedure im November 1997 versäumte die Clinton-Administration, rechtzeitig den privaten Sektor in ihre Strategie einzubinden und verspielte damit den Einfluß der Wirtschaft gegenüber dem Kongreß. Viertens, der Präsident muß die Strategie innerhalb der Exekutive koordinieren. Insbesondere bei NAPfA und der Uruguay-Runde fehlte diese Abstimmung. Die Rolle des Präsidenten war nicht klar definiert. Mitglieder des Kabinetts gaben widersprüchliche Signale an die Presse und den Kongreß. Dieses Vorgehen beschädigte die Rolle des Präsidenten als AgendaSetter und behinderte die Ratifizierung. Im Gegensatz dazu war die klare Rollenaufteilung zwischen Präsident Carter und dem Handelsbeauftragten Robert Strauss Schlüssel für den reibungslosen Ablauf der Interaktion zwischen Präsident und Kongreß 1979. Carter unterstützte die Idee der TokioRunde, aber übte Zurückhaltung im bargaining mit dem Kongreß. Strauss setzte keine eigenen inhaltliche Akzente, verhandelte aber erfolgreich mit dem Kongreß. Die Eigenschaften der beiden Personen ergänzten sich und bildeten die Grundlage für die Verabschiedung der Tokio-Runde. Zweiter Faktor: Abstimmungsverhalten des Kongresses
Neben dem Verhalten des Präsidenten ist das Abstimmungsverhalten der Kongreßabgeordneten bei der Ratifizierung ein wichtiger Faktor. Das Repräsentantenhaus steht dabei im Vordergrund, da regionale und multilaterale Handelsabkommen im Senat in der Regel ungefährdet sind. Inhaltliche Einstellungen und Kräftekonstellationen im Repräsentantenhaus entscheiden zukünftig darüber, ob die USA regionale und multilaterale Handelsabkommen abschließen wird. Die Positionen der Kongreßabgeordneten richten sich bekannterweise nach ihren Wahlkreisen und Interessengruppen. Diese Studie wirft erstmals Licht auf einen Generationswechsel unter den Abgeordneten des US-Kongresses: Nach dem Zweiten Weltkrieg geborene Abgeordnete beider Parteien haben öfter gegen NAPfA und die Uruguay-Runde gestimmt als
9. Ergebnisse der FaIlstudienanalyse
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ältere Jahrgänge (vgl. Kapitel 7.2.). Das heißt, daß sich im Kongreß die Einstellungen gegenüber Freihandel auch unabhängig vom unmittelbaren Einfluß der Wahlkreise ändern. Die jüngere Generation von Abgeordneten ist nicht mehr bedingungslos auf die Doktrin des Freihandels ausgerichtet. Die Zustimmung für Handelsliberalisierung schwindet bei Demokraten und Republikanern gleichermaßen. Demokraten, die Handelsliberalisierung ablehnen, repräsentieren Wahlkreise oder Bundesstaaten mit hohem Arbeiteranteil und großer Gewerkschaftsmacht. Republikaner, die Handelsliberalisierung ablehnen, repräsentieren Wahlbezirke oder Bundesstaaten, die nicht von der weltwirtschaftlichen Integration profitieren. Weiterhin spricht sich die Interessenvertretung der Kleinunternehmer, eine wichtige Klientel der Republikaner, gegen Handelsliberalisierung aus. Der rechte Flügel der republikanischen Partei lehnt Handelsliberalisierung ab, weil er den Abbau nationaler Handelsschranken und das internationale Handelsregime der Welthandelsorganisation (WTO) als einen Verlust nationaler Souveränität der USA auffaßt. Dritter Faktor: Strategische Ausgangspositionen
Zwischen den strategischen Ausgangspositionen von Präsident und Kongreß (Ansehen in der Bevölkerung; Mandat durch Wahlen; von der Öffentlichkeit und von anderen Akteuren wahrgenommene Kompetenz im Gesetzgebungsprozeß) und dem Ergebnis von Ratifizierungsabstimmungen besteht kein signifikanter empirischer Zusammenhang. Vor den Ratifizierungen der Tokio-Runde, NAFT A, und der Uruguay-Runde stand der Ruf der Präsidenten Carter und Clinton und ihre Kompetenz im Gesetzgebungsprozeß in Zweifel. Der Rückhalt beider Präsidenten in der Bevölkerung war in jedem der Fälle gering. Beide Präsidenten setzten sich dennoch bei der Ratifizierungsabstimmung im Kongreß durch. Vierter Faktor: Rahmenbedingungen
Ökonomische, institutionelle und außenpolitische Rahmenbedingungen beeinflussen die Verabschiedung von Handelsabkommen indirekt, d. h. auf Umwegen über Interessengruppen und den Kongreß. Der Zusammenhang ist nicht immer evident: Die amerikanische Außenhandelspolitik ist beispielsweise Mitte der 1990er Jahre in eine Krise geraten, als die konjunkturellen Daten einen idealen wirtschaftlichen Rahmen für Handelsliberalisierung darstellten. Die Analyse der Fallstudien hat ergeben, daß Rahmenbedingungen langfristig die Einstellungen der Kongreßabgeordneten sowie die Herausbildung einer außerparlamentarischen Interessenstruktur beeinflußt haben. Rahmenbedingungen stellen demnach nur indirekt entscheidungsrelevante Parameter dar. Wahlverhalten und Interessenstruktur der Wahlkreise, 15 Pfeil
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3. Teil: Präsentation der Ergebnisse
außenpolitische Entwicklungen oder Institutionen und die Strukturierung des Entscheidungsprozesses selbst fließen in die Ratifizierungsentscheidung des einzelnen Abgeordneten ein. Fünfter Faktor: Substanz der Handelsabkommen
Die Analyse hat ergeben, daß der Inhalt von Handelsabkommen ein zusätzlicher Faktor für ihre Ratifizierung darstellt. Der Vergleich von NAFfA, einem regionalen Handelsabkommen, mit zwei multilateralen GATT-Runden macht deutlich: Policy beeinflußt polities. Aus drei Gründen haben multilaterale Abkommen größere Aussichten, durch den Kongreß ratifiziert zu werden als Freihandelszonen. 1 Erstens, in Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts ausgedrückt, ist ihr wirtschaftlicher Nutzen größer als der von Freihandelsabkommen. Zweitens, der Inhalt multilateraler Abkommen ist abstrakter als der Inhalt von Freihandelsabkommen und für die Opposition damit schwieriger zu attackieren. Drittens, der Kongreß sieht den politischen Schaden, der durch die Ablehnung einer Freihandelszone entstünde als geringer an als wenn ein GATT-Abkommen scheitern würde. In der Zukunft könnte ein Konsens in der Handelspolitik zunächst über ein multilaterales Abkommen führen. Die Einbeziehung ökologischer und Arbeitsstandards betreffender Bestimmungen in Handelsabkommen wird bestimmen, ob im Kongreß zukünftig eine Mehrheit zustande kommt oder nicht. (vgl. Kapitel 10). Zusammenfassend hat die Fallstudienanalyse vier Determinanten herausgestellt, die die Ratifizierung von regionalen und multilateralen Handelsabkommen beeinflussen: - Verhalten und Funktion des Präsidenten - Positionen und Abstimmungsverhalten des Kongresses - Ökonomische, institutionelle und außenpolitische Rahmenbedingungen - Inhalt der Handelsabkommen
10. Abschied von der "schnellen Schiene"? Analyse der empirischen Untersuchung Nach der Auswertung der Fallstudienanalyse diskutiert folgender Abschnitt die Ergebnisse vor dem Hintergrund des Entscheidungsprozesses in der amerikanischen Außenhandelspolitik. Insbesondere wird die Frage beantwortet, ob das fast-track procedure als Mechanismus der Interaktion zwischen Präsident und Kongreß in der Handelspolitik ausgedient hat. 1
Vgl. Bergsten 1998: 2f.
10. Analyse der empirischen Untersuchung
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Die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit deuten darauf hin. Am 25. September 1998 stimmte eine Mehrheit des Repräsentantenhauses gegen H. R. 2621, den Reciprocal Trade Agreement Authorities Act. Nach 1994, 1995 und 1997 scheiterte damit der vierte Versuch, handelspolitische Vollmacht und das fast-track procedure für Präsident Clinton bereitzustellen. 2 Die Süderweiterung des NAFfA, die panamerikanische Freihandelszone und andere regionale Initiativen in Asien sind als Folge dieser Abstimmung vorerst gestoppt. Ob die USA ohne Autorisierung des Kongresses und ohne fast-track procedure an der für Ende 1999 geplanten "Millennium"-Runde der WTO teilnehmen können, ist fraglich. Die Chancen für eine Verabschiedung des fast-track procedure im 106. Kongreß sind ungewiß: Seit dem impeachment-Verfahren hat Präsident Clinton gegenüber dem Kongreß weniger Gewicht. Speaker Dennis Hastert übt über die Republikaner im Repräsentantenhaus nur mäßige Kontrolle aus. Die Zahl der Demokraten im Repräsentantenhaus, aus deren Reihen der nachhaltigste Widerstand gegen fast-track kommt, hat sich nach den Wahlen im November 1998 um fünf erhöht. Der enorme Anstieg des Handelsbilanzdefizites nach der Asienkrise hat die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Handelsliberalisierung verschlechtert. Mit dem Scheitern des fast-track procedure 1997 und 1998 verliefen erstmals handelspolitische Entscheidungsprozesse nicht nach dem seit Jahrzehnten beobachteten Muster, das Robert Pastor "cry-and-sigh-Syndrom" genannt hat. 3 Das cry-and-sigh-Syndrom charakterisierte den typischen Verlauf des handelspolitischen Entscheidungsprozesses: Zu Beginn eines Entscheidungsprozesses kündigen die Gegner der Handelsliberalisierung im Kongreß Widerstand gegen ein Handelsgesetz oder eine Freihandelszone an; die Prognosen auf Verabschiedung sind zu diesem Zeitpunkt stets pessimistisch. Im weiteren Verlauf erhalten die Gegner Konzessionen als Reaktion auf ihre Forderungen. Der Widerstand klingt ab. Am Ende verabschiedet der Kongreß Handelsgesetze und Abkommen mit großen Mehrheiten; vom entsetzten Aufschrei (cry) vieler Abgeordneter zu Beginn des Entscheidungsprozesses ist am Ende ein erleichtertes Seufzen (sigh) übrig geblieben. 4 Ein Abweichen von diesem typischen Verlauf kündigte sich bereits bei der Verabschiedung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens an. Nur durch außerordentliche Konzessionen an den Kongreß bewahrte die 2 Vgl. House rejects expanded trade power for President, in: The New York Times, Saturday, September 26, 1998, p. A 9 und House vote signals a key reversal of V.S. support for free trade, in: Congressional Quarterly, Weekly Report, September 26, 1998, S. 2603 f. 3 Vgl. Pastor 1983. 4 Vgl. Göll 1994a.
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Clinton-Administration NAFfA in letzter Minute vor dem Scheitern. Der Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act of 1997, der die Verlängerung des fast-track procedure beinhaltete (vgl. Kapitel 8), war das erste Handelsgesetz, das nicht dem gewohnten Verlauf des cry-and-sighsyndrome folgte: Das erleichterte Seufzen blieb aus. Gegner des fast-track procedure waren auch durch große Zugeständnisse nicht umzustimmen. Angesichts einer fehlenden Mehrheit im Repräsentantenhaus ließen Speaker und Mehrheitsführer die Vorlage gar nicht erst zur Abstimmung kommen. Der Reciprocal Trade Agreement Authorities Act von 1998 scheiterte mit 180 zu 243 Stimmen. Bedeutet diese Entwicklung das Ende von Ratifizierungen unter dem fast-track procedure? Ist dies der Abschied von der Schnellen Schiene? Kündigt sich eine Trendwende im handelspolitischen Entscheidungsprozeß an oder handelt es sich nur um eine protektionistische Phase, die auch schon nach der Kennedy-Runde 1967 und der TokioRunde 1979 beobachtet werden konnte? Welcher Verlauf und welche Ergebnisse des handelspolitischen Entscheidungsprozesses sind zukünftig zu erwarten? 10.1. Das Ende des cry-and-sigh-Syndroms in den 1990er Jahren Vorliegende Studie argumentiert, daß es langfristig wieder Ratifizierungen von multilateralen und regionalen Handelsabkommen geben wird. Eine Prämisse für diese These ist, daß es sich die USA als wirtschaftliche, militärische und außenpolitische Supermacht nicht leisten können, auf eine an Handelsliberalisierung ausgerichtete Handelspolitk zu verzichten. Grundsätzlich will eine Mehrheit der politischen und ökonomischen Eliten der USA einen inhaltlichen und verfahrenstechnischen Konsens bei der Formulierung der Handelspolitik, der eine reibungslose Formulierung der Außenhandelspolitik ermöglicht. Diese Prämisse gilt, trotz der Konjunktur isolationistischer und nationalistischer Ansätze in der amerikanischen Politik nach Ende des Kalten Krieges. Mehrheiten im Kongreß für Projekte der Handelsliberalisierung gehören damit keineswegs der Vergangenheit an, auch wenn sie in Zukunft schmaler ausfallen könnten und weniger berechenbar sein werden. Ein neuer innenpolitischer Konsens in der amerikanischen Handelspolitik scheint möglich. Die Akteure des Entscheidungsprozesses müßten sich dafür auf die veränderten innenpolitische Interessenkonstellationen in der Handelspolitik nach Ende des Ost-West-Konflikts einstellen. Präsident und Kongreß haben auf Krisen in ihrem Verhältnis im Zuge der ökonomischen Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg oder Ende der 1960er Jahre stets mit institutionellen und verfahrenstechnischen Innovationen reagiert, wie z. B. die Delegierung handelspolitischer Vollmacht (1934) oder die Entwicklung des fast-
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track procedure (1974). Wie bei diesen historischen Parallelen ist auch die gegenwärtige Phase durch hohe Konfliktintensität in der Handelspolitik und Lähmung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses charakterisiert. Die Probleme bei der Ratifizierung des NAFfA und der Uruguay-Runde, sowie das Scheitern der Erneuerung des fast-track procedure 1997 und 1998 sind typische Phänomene solch einer Phase. Es ist derzeit allerdings offen, ob die gegenwärtige Situation überwunden werden kann durch institutionelle Innovation, Vermeidung oder Einbeziehung bestimmter Themen in Handelsabkommen oder neue Strategien der Akteure. Sicher ist, daß der Schlüssel für eine Lösung des gordischen Knotens in der Handelspolitik auf der Akteursebene liegt. Folgende Überlegungen unterstützen diese These. Zunächst ist es erforderlich, kurz die Bedingungen des traditionellen Systems handelspolitischer Entscheidungsfindung zu rekapitulieren und die Faktoren herauszustellen, die dieses System aus der Bahn geworfen haben. Voraussetzung für das cry-and-sigh-Syndrome während der letzten Jahrzehnte war ein Konsens zwischen Exekutive, Kongreß, dem privaten Sektor und anderen politischen und gesellschaftlichen Akteuren in der Handelspolitik. Wirkliche Gegner von Handelsliberalisierung gab es im Kongreß wenig. Viele Abgeordnete übten zwar regelmäßig Kritik an Handelsliberalisierung, waren aber mit Konzessionen umzustimmen oder hatten ihr Ziel erreicht, wenn sie rhetorisch als Anwalt ihrer Klientel in den Congressional Record eingehen konnten (cry). Der Kongreß verabschiedete Handelsgesetze und Handelsabkommen in dieser Phase meistens mit komfortablen Mehrheiten (sigh). Die Tokio-Runde (Fallstudie 1) ist ein typisches Beispiel für einen handelspolitischen Entscheidungsprozeß dieser Phase. Die Bedingungen des handelspolitischen Entscheidungsprozesses in den 1990er Jahren haben den Konsens beschädigt und dem cry-and-sigh-Effekt die Grundlagen entzogen. Eine Mehrheit für Handelsliberalisierung ist nicht mehr sicher. Wie ausführlich beschrieben (Kapitel 2), beruhte das "System" auf der Delegierung zeitlich befristeter handelspolitischer Kompetenzen vom Kongreß an den Präsidenten. Der Präsident konnte so internationale Verhandlungen führen und letztendlich amerikanische Außenhandelspolitik gestalten. Diese Aufgabenteilung nutzte beiden Seiten. Der Kongreß setzte eigene Interessen durch, ohne für einzelne Entscheidungen unmittelbare Verantwortung gegenüber seiner Klientel zu übernehmen. Der Präsident hatte gegenüber dem Ausland Glaubwürdigkeit und weitestgehend Verhandlungsfreiheit. Diese Konstellation bot Kongreß und Präsident die Möglichkeit, Verantwortung für eine bestimmte Politik der jeweilig anderen Seite anzulasten (blame avoidance; diffusion of responsibility). In den 1990er Jahren ist dieses System aus den Fugen geraten. Dies äußert sich wie folgt: Erstens, das Ende des Kalten Krieges ermöglichte es den Akteuren in Kongreß und Exekutive, eine allein an amerikanischen
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Interessen ausgerichtete Außen(handels)politik zu formulieren, die weniger Rücksicht auf ehemalige Alliierte nehmen mußte. Die geänderten Einstellungen der Akteure innerhalb und außerhalb des Kongresses sind teilweise darauf zurückzuführen. 5 Zweitens, die "außerparlamentarische" Opposition gegen Freihandel ist so stark geworden, daß die Akteure im Weißen Haus und auf dem Capitol Hill sie mit den Mitteln der Delegierung kaum noch eindämmen können. Drittens, das Lager der Gegner von Handelsliberalisierung ist auch innerhalb des Kongresses gewachsen. Problematisch ist hierbei, daß diese Opposition nicht mehr durch die traditionellen Konzessionen des sektoralen Importschutzes neutralisiert werden kann. An vierter Stelle ist die mangelnde Führung der Exekutive hervorzuheben. Bill Clinton war rhetorisch meist zum freihändlerischen Lager zu zählen, kam in der Praxis jedoch seiner Funktion als Agenda-Setter in der Handelspolitik nicht nach. Die Abwesenheit exekutiver Vorgaben hat zu einem Wildwuchs handelspolitischer Alternativen innerhalb und außerhalb des Kongresses und zu einem Erstarken der Partikularinteressen geführt. Damit setzte sich unter Clinton ein Trend fort, der bereits unter Ronald Reagan in den 1980er Jahren begonnen hatte. Handelspolitische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse finden zu Beginn des 21. Jahrhunderts somit unter radikal veränderten Vorzeichen statt. Das cry-and-sigh-syndrome charakterisierte einen handelspolitischen Prozeß, der mit der Regulierung von Widerstand gegen Handelsliberalisierung befaßt war, dabei jedoch grundSätzlich auf dem Fundament eines Konsenses in der Handelspolitik baute. In der nahen Zukunft wird die Herbeiführung und Aufrechterhaltung dieses Konsenses selbst Ziel und Herausforderung des handelspolitischen Entscheidungsprozesses sein.
10.2. Herausforderungen an die Akteure im Kongreß und Exekutive zu Beginn des 21. Jahrhunderts Fünf Faktoren stellen in der Zukunft die größten Herausforderungen an die Akteure in Kongreß und Exekutive bei der Formulierung amerikanischer Handelspolitik dar. Sie werden nachstehend erläutert: - Skepsis gegenüber Handelsliberalisierung im Kongreß - Überlappung des Politikfeldes Handelspolitik mit anderen Politikfeldern wie beispielsweise Ökologie und Arbeitsbeziehungen - Stellvertreterfunktion der Handelspolitik für übergeordnete politische Konflikte - Anti-Globalisierungskoalition außerhalb des Kongresses - Infragestellung des Nutzens von Handelsliberalisierung , Vgl. Falke 1994.
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Erstens, wie mehrfach geschildert, hat die Zustimmung im amerikanischen Kongreß für Projekte der Handelsliberalisierung in den 1990er Jahren abgenommen. Im Kongreß, und dort besonders im Repräsentantenhaus, hat ein Generationswechsel bezüglich handelspolitischer Einstellungen stattgefunden. Neben dem Widerstand der Demokraten im Kongreß ist besonders die gestiegene Ablehnung für das Konzept der Handelsliberalisierung in den Reihen der Republikaner bemerkenswert. Die Republikaner werden sich als Partei zwar nicht von der Politik des Freihandels abwenden. Die fortschreitende Erosion der freihändlerischen Position bei den Republikanern führt nichtsdestotrotz zu einer Schwächung der Koalition der Handelsliberalisierung im Kongreß. In Entscheidungsprozessen sind die Interessen dieses Flügels zu berücksichtigen und erschweren den Prozeß der Mehrheitsbildung. Die abnehmende Bindung von Kongreßabgeordneten an das Konzept der Handelsliberalisierung geht zeitgleich einher mit der zunehmend aktiven Rolle des Kongresses in der Handelspolitik.6 Das fast-track- Verfahren hat dem Kongreß im Laufe der Jahre mehr Möglichkeiten eingeräumt, die Exekutive an Verhandlungen zu hindern. Die Kombination aus abnehmender Bindung an das Konzept der Handelsliberalisierung und der Stärkung des Kongresses in der Handelspolitik ist eine problematische Mischung. Die drei Fallstudien haben von Entscheidungsprozeß zu Entscheidungsprozeß eine deutliche Verstärkung der Aktivitäten und Forderungen des Kongresses vor der Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ausland gezeigt. Der Streit um die Verlängerung des fast-track procedure im Frühjahr 1991 und die fast-track-Episode aus dem Jahr 1997 zeigen, daß die Hürden für den Präsidenten, überhaupt Verhandlungen mit dem Ausland aufnehmen zu können, größer werden. Eine zweite Herausforderung ist die Überfrachtung der handelspolitischen Agenda mit Elementen anderer Politikfelder, insbesondere ökologischer und arbeitsrechtlicher Themen. In den 1990er Jahren ist Handelspolitik gleichzeitig auch Menschenrechtspolitik, Handelspolitik ist Umweltpolitik, Handelspolitik ist Arbeitsmarktpolitik, Handelspolitik ist Außenpolitik, Handelspolitik ist Einwanderungspolitik. Diese Überfrachtung führt dazu, daß Interessengruppen das Politikfeld Handelspolitik entdecken, die bisher dort nicht tätig waren. Handelspolitk wird damit zum Megathema, das alles und jeden betrifft. Handelspolitische Entscheidungen werden durch diese Entwicklung mit vormals nicht-handelspolitisch bezogenen Argumenten und Interessen überladen. Entscheidungsprozesse werden langsamer, Kompromisse schwieriger.
6
Vgl. Falke 1999 (i.E.).
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An dritter Stelle ist die Stellvertreterfunktion der Handelspolitik für übergeordnete politische Konflikte zu nennen. Die öffentliche Aufmerksamkeit für handelspolitische Entscheidungen ist besonders innerhalb Washingtons in einem Ausmaß gestiegen, daß Kongreßabgeordnete ihren allgemeinen politischen Standort über ihre Position in handelspolitischen Fragen definieren und sich von ihren Konkurrenten abgrenzen können. Handelspolitik ist damit nicht mehr nur der Streit um die Verteilung von Importschutz an bestimmte Industrien. Handelspolitik wird zum Ersatzschauplatz für politische Richtungskämpfe in den Vereinigten Staaten. Eine Abstimmung über NAFT A oder die Erneuerung des fast-track procedure ist nicht mehr nur ein Votum für oder gegen eine Freihandelszone oder einen Ratifizierungsmechanismus, sondern wird zum Schicksal über die politischen Kräfteverhältnisse in den USA stilisiert. Viertens, die handelspolitischen Debatten seit NAFTA haben eine professionelle, ideologische Grenzen übergreifende Koalition von Gegnern der Handelsliberalisierung entstehen lassen. Gewerkschaften, Umwelt- und Konsumentenverbände, religiöse Gruppen, Konservative wie Pat Buchanan, Populisten und Verlierer von Handelsintegration stehen jederzeit bereit, um Projekte der Handelsliberalisierung zu bekämpfen. Diese Koalition steht einer Phalanx von Regierung und multinationalen Konzernen gegenüber, versteht sich aber dennoch darauf, ihren Forderungen nach Erhalt von Handeisschranken und einer Handelsliberalisierung, die soziale, ökologische und arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt, Gehör zu verleihen. Das Scheitern des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) im Herbst 1998, gegen das die Gegner erfolgreich über das Internet Front machten, zeigt, mit welcher Art von Opposition Befürworter der Handelsliberalisierung zukünftig rechnen müssen. 7 Es ist zu erwarten, daß die kommende ,,Millennium"-Runde im Rahmen der Welthandelsorganisation bislang nicht erreichte öffentliche Aufmerksamkeit erhält und wahrscheinlich auf massiven Widerstand der Zivilgesellschaft stoßen wird. Fünftens, im öffentlichen Diskurs seit NAPfA ist nicht deutlich geworden, welchen Nutzen Handelsliberalisierung tatsächlich für die USA hat. Die von den Protagonisten des NAPfA 1993 versprochenen Arbeitsplätze sind durch die Handelsliberalisierung mit Mexiko nicht geschaffen worden. Im Gegenteil, in einigen Sektoren der amerikanischen Wirtschaft, wie z. B. der Automobilindustrie, hat die Beschäftigung abgenommen, was auf die Verlagerung von Produktionsstandorten der Industrie nach Mexiko zurückzuführen ist. Gleiches gilt für die multilaterale Handelsliberalisierung im Rahmen des GATI oder der WTO. Prognosen des US-Handelsbeauftragten sprachen 1994 von einem Gewinn durch die Uruguay-Runde für die Verei7
Vgl. Kobrin 1998.
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nigten Staaten von insgesamt ca. 220 Milliarden US-Dollar in einem Zeitraum von sechs Jahren nach der Unterzeichnung in Marrakesh. Prognostizierte Ergebnisse im Economic Report of the President aus dem Jahre 1994 sagen Gewinne von 100 bis 200 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von 10 Jahren voraus. 8 Zum Vergleich: Das Bruttosozialprodukt der USA in nur einem Jahr beträgt rund 7700 Milliarden (1997). Auch wenn die negativen Prognosen und Unkenrufe der Gegner auch nicht viel präziser sind als die von Hoffnung getragenen Prognosen der Befürworter, werden die Befürworter der Handelsliberalisierung zukünftig sorgfältig begründen müssen, warum regionale und multilaterale Freihandelsabkommen aufwendige Entscheidungsprozesse in der Handelspolitik rechtfertigen. Für die Akteure in Exekutive und Kongreß bedeuten diese fünf Herausforderungen, daß die Zeiten des cry-and-sigh-Syndroms vorbei sind. Traditionelle Strategien der Mehrheitsbildung, wie die Neutralisierung der Opposition im Kongreß durch Zugeständnisse in der Endphase des Entscheidungsprozesses, reichen angesichts dieser Entwicklungen nicht mehr aus. Es genügt nicht mehr, daß der Kongreß einzelne Abgeordnete aus Wahlkreisen, in denen Stahl- oder Textilindustrie angesiedelt ist, mit Importschutz versorgt, um Mehrheiten für Handelsgesetze zu erhalten. Die Überschneidung des Politikfeldes Handelspolitik mit anderen Politikfeldern, die wachsende politische Bedeutung handelspolitischer Entscheidungen und die breite Anti-Globalisierungskoalition schafft Öffentlichkeit, vergrößert die Streitrnasse und die Zahl der Akteure und Argumente. Muß dieser Trend in einem fragmentierten Entscheidungsprozeß wie in den USA unweigerlich zum Scheitern von Projekten der Handelsliberalisierung führen?
10.3. Überwindung des Stillstands in der amerikanischen Außenhandelspolitik. Auswege und Szenarien Eine Rückkehr zum alten System des handelspolitischen Entscheidungsprozesses ist kaum mehr möglich. Zu sehr haben sich die Einstellungen und Erwartungshaltungen der Akteure, Interessengruppenprofile, internationale Rahmenbedingungen und der Stellenwert der Handelspolitik als politisches Thema geändert. Trotzdem sind Auswege und Szenarien denkbar, unter denen die Verabschiedung multilateraler und regionaler Handelsabkommen wieder wahrscheinlich wird. Folgende Bedingungen müßten einzeln oder in Kombination vorliegen, um dauerhaft einen innenpolitischen Konsens bei der Formulierung der Handelspolitik herbeizuführen. 8 Vgl. The General Agreement on Tariffs and Trade. Uruguay Round Final Act should produce overall U.S. Economic Gains. United States General Accounting
Office (GAO). Report to Congress Nr. GAO/GGD-94-83b, volume 2, Washington, D.C., 1994, S. 23 f. Angaben des USTR in 1989-Dollar.
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10.3.1. Revitalisierung der Exekutive
Die zentrale Rolle des Präsidenten in der amerikanischen Außenhandelspolitik ist in Kapitel 9 ausführlich behandelt worden. Ein Präsident, der eine klare Agenda in der Handelspolitik verfolgt, sie den beteiligten Akteuren innerhalb und außerhalb des Kongresses signalisiert und handelspolitische Initiativen langfristig vorbereitet, könnte eine Schlüsselfunktion spielen, um Mehrheiten für regionale und multilaterale Freihandelsabkommen zu erreichen. Die amerikanische Handelspolitik in den 1980er und 1990er Jahren hat gezeigt, daß der Kongreß im Bereich der Handelspolitik immer dann mit anti-freihändlerischen Maßnahmen aktiv wurde, wenn in der Exekutive ein Vakuum herrschte. 10.3.2. Umwelt und Arbeit Elemente der handelspolitischen Agenda?
Die Themen Umwelt, Arbeit und SozialklauseIn werden Schlüssel oder Stolpersteine bei der Ratifizierung von Handelsabkommen sein. Je stärker diese Themen mit Handelsabkommen in Verbindung gebracht werden, desto mehr Demokraten als Republikaner werden für ein Abkommen stimmen. Je weniger diese Themen in Freihandelsabkommen auftauchen, desto mehr Republikaner als Demokraten werden für diese Abkommen votieren. Ein Ausweg könnte sein, daß besonders die Republikaner sich dazu durchringen, Themen wie Umwelt und Arbeit nicht mehr kategorisch von der handelspolitischen Agenda auszuschließen. Zum einen ist der kausale Zusammenhang zwischen Handel und Umwelt bzw. Handel und Arbeitsbedingungen nicht mehr zu leugnen. Zum anderen erhöht die Einbeziehung dieser Themen die Akzeptanz von Handelsabkommen bei den Demokraten und der Zivilgesellschaft. Ein Trend, ob Umwelt und Arbeit in der Zukunft Teil von Handelsabkommen sein werden, zeichnet sich derzeit nicht ab. 10.3.3. Republikaner, nicht Demokraten, als "Blockadebrecher"
Standardinterpretationen über Entscheidungsprozesse in der US-Außenhandelspolitik machen in der Regel die Demokraten für das Scheitern von fast-track und Handelsliberalisierung verantwortlich. Die finanzielle Abhängigkeit von den Gewerkschaften und ihrer Arbeiterklientel würde die Demokraten dazu verleiten, Handelsliberalisierung abzulehnen und durch Forderungen nach ökologischen und arbeitsrechtlichen Klauseln in Handelsverträgen einen Konsens in der Handelspolitik zu verhindern. Empirisch treffen diese Zusammenhänge zu, greifen allerdings viel zu kurz. Ansätze dieser Art verkennen, daß ein Konsens in der Handelspolitik nicht nur
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scheitert, weil Demokraten auf Themen wie Umwelt und Arbeit in Freihandelsabkommen bestehen, sondern auch, weil die Republikaner die Einbeziehung ökologischer und und arbeitsrechtlicher Klauseln ablehnen. Unter reinen Effizienz- und Machbarkeitskriterien erscheint der Widerstand der Republikaner gegen die Einbeziehung der Themen Umwelt und Arbeit in Handelsabkommen im Interesse ihrer Ziele unvernünftig. Der Entscheidungsprozeß beim NAFf A hätte den Republikanern als Modell für künftige Strategien im handelspolitischen Entscheidungsprozeß dienen müssen. Grundsätzlich sind die Republikaner, Wall Street und die multinationalen Konzerne die großen Gewinner von NAFfA und anderer Freihandelsabkommen - trotz umweltpolitischer und arbeitsrechtlicher Bestimmungen. NAFfA hat der amerikanischen Wirtschaft und den Finanzmärkten den mexikanischen Markt auf fast allen Sektoren geöffnet. Amerikanische Unternehmen und amerikanisches Kapital ziehen großen wirtschaftlichen Nutzen aus Freihandelszonen. Die politischen Kosten aus Sicht der Republikaner waren einige vage umweltpolitische Zielformulierungen im NAFfAVertragstext, substanziell schwache Zusatzabkommen im Bereich Umwelt und Arbeit und ein Sieg für Präsident Clinton. Sechs Jahre nach Inkrafttreten des NAFf A sind die von den Republikanern befürchteten kostspieligen Umweltprogramme für die amerikanisch-mexikanische Grenze, sowie die in diesem Zusammenhang vorausgesagten Steuererhöhungen und die Schaffung zusätzlicher Verwaltungsstrukturen ausgeblieben. Angesichts des großen Gewinnes, den die Republikaner und ihre Klientel aus NAFfA ziehen, war der politische Preis, den sie gezahlt haben, gering. Es ist zu bezweifeln, daß die Republikaner eine Kursänderung vornehmen werden. Die ideologische Haltung der republikanischen Führung im Kongreß müßte dafür einem an der Tagespolitik ausgerichteten Pragmatismus weichen. 10.3.4. Reform des fast-track procedure
Ein reformiertes fast-track procedure könnte die Chancen für seine eigene politische Akzeptanz im Kongreß und die Aussichten für die zukünftige Verabschiedung von Freihandelsabkommen erhöhen. Ziel einer Reform des fast-track procedure könnte sein, die Partizipation des Kongresses weiter zu verbessern und Entscheidungsprozesse für die Öffentlichkeit transparenter zu machen. Vorschläge zielen auf die Einführung von zusätzlichen Institutionen und Verfahren, die die Beteiligung des Kongresses an der Formulierung eines Abkommens und des Implementierungsgesetzes unterstreichen. Damit könnte Kritikern der Einwand genommen werden, daß das fast-track procedure dem Kongreß jegliche Mitsprachemöglichkeiten nimmt, weil es das Einbringen von amendments in den Kammern des Kongresses untersagt.
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Befürworter des fast-track procedure, wie I. M. Destler und C. Fred Bergsten vom Institute for International Economics in Washington, schlagen Reformen vor, um das fast-track procedure leistungsfähiger und attraktiver zu machen. 9 Dabei handelt es sich nicht um einen in sich konsistenten Reformenkatalog, sondern lediglich um verschiedene Optionen, die dem Kongreß bei der nächsten Diskussion des Verfahrens zur Verfügung stehen: - Bereitstellung von fast-track nur für multilaterale Abkommen im Rahmen der WTO - ausdrückliche Genehmigung des Kongresses für jede Verhandlungen - Einführung eines permanenten fast-track procedure - verbesserte Konsultierungspflicht der Exekutive an den Kongreß - Einrichtung eines congressional review panel, um den Fortgang von Handeisgesprächen zu verfolgen 10 10.3.5. Ratifizierungen ohne fast-track procedure?
Unter der Überschrift ,.Fast-track isn't fast enough" forderte der ehemalige Stabschef Bill Clintons, Mack McLarty, die Clinton-Administration im Sommer 1999 in der New York Times auf, das Warten auf das fast-track procedure aufzugeben und dem US-Kongreß ein Freihandelsabkommen zu präsentieren, auch ohne das der fast-track Mechanismus zur Verfügung stände. 11 "When presented with specifics, Congress repeatedly votes protrade." McLarty denkt in diesem Zusammenhang an Freihandelsabkommen mit Chile, welches aus Sicht der USA ein Modell der lateinamerikanischen Volkswirtschaften darstellte und das der Kongreß keinesfalls ablehnen würde. Formal wäre der amerikanische Präsident im Rahmen seiner außenpolitischen Kompetenzen durchaus in der Lage, dem Kongreß ein Freihandelsabkommen ohne fast-track procedure zuzuleiten. In der Praxis dürften die Chancen eines Freihandelsabkommens, unbeschadet den Entscheidungsprozeß im Kongreß zu überstehen, sehr gering sein. Aus diesen Gründen werden Handelspartner der USA von vornherein zögern, sich in· ernsthafte Verhandlungen mit den USA einzulassen. 12
9 Die aufgeführten Refonnvorschläge stützen sich besonders auf Destier 1998, aber auch auf andere Beiträge aus dem von Schott 1998a herausgegebenen Sammelband. 10 Für Details vgl. ebd. 11 Vgl. Maek Me Larty, Fast track isn't fast enough, in: The New York Times, Tuesday, July 20, 1999, S. A 15. 12 Vgl. Schott 1998e: 31.
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11. Ausblick "Change is not always easy, but we have to reap its benefits. And remember the big picture. While we have been entering into hundreds of new trade agreements, we have been creating millions of new jobs. (... ) I am renewing my request for the fast-track negotiating authority necessary to open markets and create jobs, which every President has had for two decades.,,13 In seiner State of the Union Address vom 27. Januar 1998 fragte Präsident Clinton den 105. Kongreß wieder einmal um die Vollmacht in der Handelspolitik und das fast-track procedure. Acht Monate später scheiterte das Anliegen des Präsidenten erneut. Im Unterschied zum Vorjahr hatte fast-track diesesmal nicht die Agenda in Washington bestimmt. Die Enthüllungen um die Affare des Präsidenten mit Monica Lewinsky hielten die Nation im Verlauf des Sommers 1998 in Atem. Was an öffentlicher Aufmerksamkeit für außenwirtschaftliche Themen übrig blieb, wurde von der Frage absorbiert, ob Zinssenkungen der Federal Reserve eine drohende globale Rezession als Folge der Asienkrise abwenden könnten. Das andere außen wirtschaftliche Thema war der Streit um die Aufstockung der finanziellen Ressourcen des Internationalen Währungsfonds (IMF) durch die USA. Der Kongreß blockierte lange Zeit die Zahlung des amerikanischen Anteils. Die Erneuerung des fast-track procedure und der präsidentiellen Vollmacht in der Handelspolitik gerieten dabei in den Hintergrund. Die letzte Chance für fast-track, noch innerhalb der Amtszeit Präsident Clintons genehmigt zu werden, besteht nur 1999. Sollten die Republikaner unter der Führung von Speaker Dennis Hastert einen pragmatischen Ansatz in ihrer Kooperation mit dem Weißen Haus verfolgen, gäbe es eine kleine Chance, daß Präsident und Kongreß sich noch vor dem angekündigten Beginn der "Millennium"-Runde im November 1999 auf eine Erneuerung des fast-track procedure einigen. Wenn erst die Präsidentschaftskandidaten im Winter und Frühjahr 2000 zu den Vorwahlen nach lowa und New Hampshire ziehen, bleibt für das Thema Handelsliberalisierung, das sich populistisch ausschlachten läßt, kaum noch politischer Spielraum. Der Beobachter neigt allerdings leicht dazu, sich von der Hut gegenwärtiger Fakten überwältigen zu lassen. Selbst wenn der Konflikt des Verhältnisses zwischen Präsident und Kongreß bei der Formulierung und Verabschiedung von Handelsabkommen noch einige Jahre anhalten sollte, wird er im nachhinein nur als Episode erscheinen. Die scheinbar auf die kurze Frist ausgerichtete Politik und die aktuellen Umstände dürfen nicht über die langfristigen Ziele und grundsätzlichen Prioritäten der USA hinwegtäu13 Vgl. The prepared text 0/ President Clinton's State 0/ the Union message, in: The New York Times, Wednesday, January 28, 1998, S. A 19.
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schen. Die USA werden sich die Erschließung neuer Absatzmärkte in Asien und Lateinamerika, und ganz besonders die Stabilisierung der dortigen Finanzmärkte, nicht entgehen lassen. Der amerikanische Führungsanspruch in der globalen Außen- und Sicherheitspolitik ist tief in der politischen Tradition der Eliten des Landes verwurzelt. "Remember the big picture", sagte Präsident Clinton in seiner State 0/ the Union Address 1998. Amerika wird sich erinnern.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellen 1.1. Anhörungen (Hearings) vor dem Kongreß Administration's assessment 01 the 1982 Meeting 01 the Ministers to the GA1T. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Finance. 98th Congress, first session. January 25, 1983. Washington, D.C., 1983. Can the labor side agreements save NAFI'A? U.S. Congress. House of Representatives. Hearings before the Employment, Housing, and Aviation Subcommittee of the Committee on Government Operations. 103rd Congress. First session. September 9 and October 7, 1993. Washington, D.C., 1994. Causes and consequences 01 the V.S. trade deficit and developing problems in V.S. exports. U.S. Congress. House of Representatives. Hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means. 95th Congress. First session. November 3 and 4, 1977. Washington, D.C., 1978. Economic and environmental implications of the proposed V.S. trade agreement with Mexico. U.S. Congress. Senate. Joint hearing before the Committee on Environment and Public Works and the Subcommittee on Labor of the Committee on Labor and Human Resources. 102nd Congress. First session. April 23 and May 8, 1991. Washington, D.C., 1991. Environmental aspects of the North American Free Trade Agreement. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Environment and Public Works. 103rd Congress. First session. March 16, 1993. Washington, D.C., 1993. Fast-track issues. U.S. Congress. House of Representatives. Joint hearing before the Subcommittee on Trade of the Committee on Ways and Means and Committee on Rules. l04th Congress, first session. May 11 and 17, 1995. Washington, D.C., 1995. Federal job movement data and the implications for NAFI'A. U.S. Congress. Senate. Hearings before the Subcommittee on Oversight of Government Management of the Committee on Governmental Affairs. 103rd Congress. First session. April 1st, 1993: Will jobs be America's biggest export under NAFI'A? April 28, 1993: Oversight offederal trade data: What we don't know could hurt uso Washington, D.C., 1993. The impact of the North American Free Trade Agreement on V.S. jobs and wages. U.S. Congress. Senate. Hearing before the Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs. 103rd Congress. First session on The impact of the proposed
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Personen- und Sachwortverzeichnis Action-Plan 154, 156 Anpassungshilfe 154, 169 Barshefsky, Charlene 212 Bonior, David (D-MI) 166 Bretton-Woods 71 Buchanan, Pat 133, 137, 204, 217 Burke-Hartke-Initiative 90 Bush, George 125, 132, 145, 152, 153, 158, 161 Carter, Jimmy 68, 73, 84, 85, 100 Clinton, Bill 139, 145, 146, 147, 150, 161, 164, 166, 188, 190, 206, 209, 219 - Mandat 148 - Meinungsumfragen 1994 190 - Rückhalt in der Bevölkerung 148 - und Demokratische Partei 149 - Verhältnis zum 103. Kongreß 147, 188 - Zustimmung der Bevölkerung 188 cry-and-sigh-syndrome 126, 150, 227, 229 Daley, William 166 de Gortari, Carlos Salinas 125, 132, 161 Delegierung handelspolitischer Kompetenz 38,39 Demokraten 28, 79, 80, 156, 157, 160, 168, 171, 178, 183, 195, 203, 210, 211,214,215,217, 21l 220 - Abstimmung über fast-track 1997 219 - Forderungen im NAFfA 138 - im 19. Jahrhundert 36 - Positionen gegenüber der TokioRunde 77 - Reform des Kongresses in den 1970er Jahren 85 - und Bill Clinton 149
- und Debatte um fast-track procedure 151 - und fast-track Debatte 1997 211 - und fast-track procedure 1991 58 - und Gewerkschaften 76 - und Handelspolitik in der ReaganÄra 136 - und Jimmy Carter 86 Dole, Bob (R-KS) 208 Dorgan, Byron (D-ND) 153 economic nationalism 136 Ende des Kalten Krieges 123 Erben von Handelsabkommen 185 Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act of 1997 213 Fair Trade 111 fast-track procedure - Abstimmung Mai 1991 155 - Anwendung in der Tokio-Runde 96 - Debatte 1991 57, 151 - Diskussion vor der Uruguay-Runde 195 - Entwicklung 51 - Erneuerung unter Clinton 209 - Funktion 52 - Ratifizierungen ohne das Verfahren 236 - Reform 235 - Scheitern des Verfahrens im November 1997 218 - Uruguay-Runde 201 - Verlängerung 1991 und 1993 181 Ford, Gerald 92 Freihandelsabkommen - außenpolitische Motive 131 - mit Israel 129 - mit Kanada 17, 23, 57, 128, 151, 158, 162 - seit 1947 127
Personen- und Sachwortveneichnis - Verhandlungen mit Chile 50 - Vorteile gegenüber Multilateralismus 129 Generationswechsel im Kongreß 183 Gephardt, Richard (D-MO) 133, 136, 152, 166, 216 Gewerkschaften 101, 138, 139, 140, 147, 152, 168,215 - Handelsgesetz von 1974 90 - Kritik an NAFfA 141 Gibbons, Sam (D-A-) 200 Gingrich, Newt (R-GA) 139, 168, 205, 219 Gore, Al 33, 216 Handelsbilanz - in den 1970er Jahren 82 - in den 1980er Jahren 134 - in den 1990er Jahren 109 - Wahrnehmung in der Bevölkerung 134 Handelspolitik - USA, 19. Jahrhundert 36 - verfassungsrechtliche Kompetenz 35 - in der Ära Carter 83 - in der Ära Reagan 46 - regionale Strategie 128 Harkin, Tom 133 Hastings, Alcee L. (D-A-) 219 Helms, Jesse (R-NC) 204 HiIIs, Carla 159 Hollings, Ernest F. (D-SC) 153, 207, 212 Implementierungsgesetz 98 - Umfang 116 Institutionenansatz 84 Interessengruppen 119 Kantor, Mickey 124, 142, 164, 201, 206 Kaptur, Marcy (D-OH) 157 Kongreß - als dominanter Akteur in der Handelspolitik 42 - Generationswechsel 179 - Interessengruppen 76
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- Mehrheitsverhältnisse im 103. Kongreß 149 - Mehrheitsverhältnisse im 96. Kongreß 75 - Positionen der Parteien 75 - Refonnen der 1970er Jahre 85 - regionale Unterschiede 76 - Wahlkreise 76 - während der NAFfA-Verhandlungen 156 Kongreßausschüsse 113 Lewinsky, Monica 220 Maquiladoras 143, 144, 160 Meinungsumfragen - NAFfA 119 - Tokio-Runde 119 - Uruguay-Runde 120 Mexiko - Motive für NAFfA 131 - Wirtschaftsrefonnen 131 Moynihan, Daniel Patrick (D-NY) 200 myth 0/ commercial martyrdom 124 NAFfA - Abstimmungsergebnis 170 - als Sonderfall 126 - Arbeitsplätze 141, 142, 147 - Konzessionen an den Kongreß 169 - non-markups 168 - Präsidentschaftswahlkampf 1992 145 - Repräsentantenhaus 166 - Rolle der Clinton-Administration bei der Ratifizierung 161 - Strategie der Clinton-Administration 147 - Umweltgutachten 164 - umweltpolitische Regelungen 158 - umweltpolitische und arbeitsrechtliche Aspekte 138 - Zolleinnahmen 167 necessary-and-appropriate-Klausel 214 New Economic Policy 71 nicht-tarifare Handelsschranken 51 Niedergang der USA 110 Nixon, Richard 87
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Personen- und Sachwortverzeichnis
non-con/erence 99 non-markup 98 North American Development Bank 169 Novemberwahlen 1994 188 Omnibus Trade and Competitiveness Act 0/1988 137 - fast-track procedure 54 Perot, Ross 133, 137, 167, 204 - Interview bei Larry King 121 persuasion 102 Punta dei Este 198 Rahmenbedingungen 103 - außenpolitische 123 - institutionelle 112 - Öffentlichkeit 117· - ökonomische 106 Reagan, Ronald 46, 129, 131, 134, 136, 175, 195 Reciprocal Trade Agreements Act 1934 37 Reorganisation der handelspolitischen Verwaltung 100 Republikaner 28, 76, 79, 80, 138, 139, 152, 163, 168, 190, 201, 207, 210, 211,213,215 - Finanzierung der Uruguay-Runde 202 - Generationswechsel im Kongreß 183 - im 19. Jahrhundert 36 - Mehrheit im Kongreß nach 1994 211 - Position in der Handelspolitik während der Reagan-Ära 136 - Positionen gegenüber der TokioRunde 77 - schwindene Zustimmung für HandeIsliberalisierung 179 - Strategie gegenüber Clinton· 1994 190 - und Bill Clinton 148, 149, 166 - und die Erneuerung des fast-track procedure 1997 216 - und die WTO 208 - und Ross Perot 167
- Zustimmung zum fast-track procedure 1991 155 Richard Nixon 51 Robert Strauss 68 Ross Perot 33 Rostenkowski, Dan (D-IL) 94, 152, 166,200
Senate Finance Committee 97 Shipbuilding Trade Agreements Act 1996 47 Smoot-Hawley-Act 34, 36 Strategische Handelspolitik 112 Strauss, Robert 93, 102, 103 Sweeney, John 215 Theorieansätze - Bedeutung der Rahmenbedingungen 105 Tokio-Runde - Abstimmungsergebnis 75 - Auswirkungen auf die Wirtschaft 101 - Beteiligung des privaten Sektors 94 - Entstehung und Verlauf 70 - Ergebnisse 73 - internationale Verhandlungen 92 - Mehrheitsverhältnisse im 96. Kongreß 75 - Position Jimmy Carters 82 - Zweifel am Nutzen 180 Trade Act 0/1974 42, 87 Trade and Tarif! Act 0/1984 55 Trent Lott (R-MS) 48 Trusteeship Presidency 86 Umweltverbände 138, 142, 144, 147 - Kritik an NAFTA 144 Unilateralismus 112 Uruguay-Runde - Abstimmungsergebnis 178 - Agrarsektor 176 - Anti-Dumping-Regeln 205 - Clinton-Administration 187 - Entwicklungsländer 173 - Ergebnisse 177 - grundsätzliche Akzeptanz am Kongreß 179
Personen- und Sachwortverzeichnis - Hintergrund 173 - Interaktion zwischen Präsident und Kongreß 197
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US-Dollar - Reaktion der Reagan-Administration 135 - Überbewertung 134
- ökonomische Effekte 182 - Präsident und Kongreß im Vorfeld 192 - Souveränität 204
Williams-Kommission 71 WTO Dispute Settlement Review Commission 208
- Verlauf der Verhandlungen 176
Yeutter, Clayton K. 194
- wegfallende Zolleinnahmen 202
Zusatzabkommen des NAFfA 163