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German Pages 200 [270] Year 2012
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UTB 3499
Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK/Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
III
Hermut Löhr (Hg.)
Abendmahl
Themen der Theologie herausgegeben von Christian Albrecht, Volker Henning Drecoll, Hermut Löhr, Friederike Nüssel, Konrad Schmid
Band 3
Mohr Siebeck
IV Hermut Löhr, geboren 1963; Professor für Neues Testament und Ge schichte und Literatur des frühesten Christentums an der EvangelischTheologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
ISBN 978-3-8252-3499-7 (UTB Band 3499) Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www. utb-shop.de Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut schen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg a.N. gesetzt und von Hubert & Co. in Göttingen gedruckt und gebunden.
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Inhalt
Einführung Hermut Löhr: Die vielen Gestalten des Abendmahls . . . . . . 1 Altes Testament Stefan Beyerle: Kult – Opfer – Erinnerung Zur Geschichte von Pesach und Mahlgemeinschaften im alten Israel und antiken Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Thematik und Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Ein Passa-Fest auf Elephantine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.1. Die jüdische Militärkolonie von Elephantine . . . . . . 7 2.2. Nachrichten zum Passa-Fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Das Passa bei den Samaritanern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.1. Die Samaritaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.2. Das „samaritanische Passa“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Das Passa in Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.1. Die Passa-Ordnung im alten Israel . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.2. Die Passa-Feiern der Landnahme und Königszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5. Passa und Mahlfeiern im antiken Judentum . . . . . . . . . . . 27 5.1. Das Passa in antik-jüdischen Texten . . . . . . . . . . . . . . 28 5.2. Mahlfeiern im antiken Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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Inhalt
Neues Testament Hermut Löhr: Entstehung und Bedeutung des Abendmahls im frühesten Christentum . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Verschiedene Fragen und ihre Interessen . . . . . . . . . . . . 51 2. Bezeichnungen: Herrenmahl – Brotbrechen – Eucharistie – Agape . . . . 53 3. Die Einsetzungsworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4. Zum Ablauf frühchristlicher Mahlfeiern . . . . . . . . . . . . . 67 4.1. Brot und Wein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.2. Abendmahl und Agape-Mahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3. „Brotbrechen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4.4. „Unser Herr, komm!“ und der „heilige Kuss“ . . . . . 73 4.5. Mahlgebete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.6. Räume – Zeiten – Teilnehmende – Ausschluss . . . . 77 5. Mahlzeiten Jesu und frühchristliche Mahlfeiern . . . . . . 79 6. Das Abendmahl und andere antike Mahlzeiten . . . . . . . 83 7. Zur theologischen Bedeutung des Abendmahls im entstehenden Christentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Geschichte des Christentums Volker Leppin: Das Ringen um die Gegenwart Christi in der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Etablierung des Abendmahls in den ersten Jahrhunderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Symbolisch vermittelte Teilhabe am Ausgang der Antike: Dionysios Areopagita und Augustin . . . . . . 100 3. Erster und zweiter Abendmahlsstreit im lateinischen Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Etablierung und Infragestellung der Transsub stantiationslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5. Reformatorischer Protest, reformatorischer Streit, reformatorische Lehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
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6. Auf dem Weg zum Sakrament der Einheit . . . . . . . . . . . 130 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Systematische Theologie Notger Slenczka: In ipsa fide Christus adest – „im Glauben selbst ist Christus da“ (Luther) als Grundlage einer evangelischen Lehre vom Abendmahl und von der Realpräsenz Christi . . . . . . . 137 1. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1.1. Das Abendmahl und sein Rahmen . . . . . . . . . . . . . . 137 1.2. Zum Einsatzpunkt einer Abendmahlslehre . . . . . . 138 1.2.1. Das Abendmahl als immer schon .vielstimmig Gedeutetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1.2.2. Vorthematisches und explizites Abend mahlsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1.2.3. Das Abendmahl als jeder Deutung Vorgegebenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1.3. Methodisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1.4. Folgerungen für die Anlage und das Vorgehen einer Abendmahlslehre . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Die konfessionsspezifischen Deutungen und ihre Horizonte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2.1. Das Abendmahl als Bekenntnis – Zwingli . . . . . . . 144 2.2. Das Abendmahl als göttliche Gabe – Luthers Widerspruch … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2.3. gegen die römisch-katholische Messopferlehre ��� 147 2.4. Vergegenwärtigung Christi im Geist des Menschen durch sinnenfällige Zeichen – der Hauptstrom der reformierten Deutung . . . . . 150 2.5. Die Eucharistie als Gnadenmittel . . . . . . . . . . . . . . 152 2.6. Das Abendmahl als Ursprung der Heilsgewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2.6.1. Abendmahl und Anfechtung . . . . . . . . . . . . 153 2.6.2. Abendmahl und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2.6.3. Das Abendmahl als Zeichen . . . . . . . . . . . . 155
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2.7. Abendmahl und neues Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2.8. Abendmahl und Ekklesiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.10. Die neuere ökumenische Diskussion . . . . . . . . . . . 159 3. Das Abendmahl als Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3.1. Unbeliebiger Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3.2. Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.3. Gegenwart Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3.4. Leidensnachfolge und Verrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3.5. Mahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3.5.1. Mahl mit Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3.5.2. Mahlgemeinschaft und Teilgabe . . . . . . . . . . . 166 3.5.3. Mahlgemeinschaft und Vergebung . . . . . . . . 167 3.6. Passion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.6.1. Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.6.2. Teilgabe am Tod des Gottlosen . . . . . . . . . . . . 168 3.7. Zueignung des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 3.7.1. Missverständnis der Zueignung des Todes als Eigenschaftsübertragung . . . . . . . . . . . . . . 169 3.7.2. Kontrafaktische Identitätszusage . . . . . . . . . . 170 3.7.3. Der Glaube als der Zusage entsprechendes Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3.7.4. Das Abendmahl als Identitätszusage und -aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3.8. Kontrafaktische Identitätszumutungen . . . . . . . . . 172 3.9. Neues Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.10. Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4. Realpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.1. Transsubstantiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.2. Eine reformatorische Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.2.1. Parallelen zu den Deuteworten . . . . . . . . . . . . 178 4.2.2. Die Theologie als Anwalt der neuen Sprache des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.2.3. Folgen für das Verständnis des Abendmahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
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4.2.4. Das Ziel: Die Einheit des Sünders .mit Christus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4.3. Abendmahl und Realpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.3.1. Identitätsgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.3.2. Das Abendmahl als Individuierung der Zusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.3.3. Realpräsenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.3.4. Manducatio impiorum / Das Essen (des Leibes Christi) durch die Gottlosen . . . . 186 5. Was ist das Abendmahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Praktische Theologie Corinna Dahlgrün: Von der „Speise der Seelen“ . . . . . . . . . 195 1. Methodische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Das eine Abendmahl und seine vielen Gestalten . . . . . . 198 2.1. Die erste Szene: Ein traditionelles lutherisches Abendmahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2.2. Die zweite Szene: Abendmahl in gestalteter Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2.3. Die dritte Szene: Hochkirchliche und ökumenische Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2.4. Vergleichende Zusammenschau . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Aktuelle Streitfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.1. Wer darf das Mahl einsetzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.2. Wer darf das Mahl empfangen? . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3.3. Wie ist die Liturgie der Mahlfeier zu gestalten? . . . 204 3.4. Wie ist mit den Texten im konkreten Vollzug umzugehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.5. Welche Gestalt dürfen die Elemente haben? . . . . . . 205 3.6. Welches Gerät ist angemessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3.7. Welche Spendeformel ist angemessen? . . . . . . . . . . . 206 3.8. Welche liturgischen Gesten sind zu vollziehen? . . . 206 3.9. In welcher Weise wird ausgeteilt? . . . . . . . . . . . . . . . 207
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3.10. Wie ist mit übriggebliebenen Elementen umzugehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.11. Wie häufig ist die Mahlfeier in einer Gemeinde anzubieten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.12. Welchen gottesdienstlichen Ort hat das Abendmahl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4. Antwortversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4.1. Mysterienfeier oder messianisches Mahl . . . . . . . . . 209 4.2. Die Gabe des Abendmahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.3. Dimensionen des Abendmahls . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 4.4. Theologischer Gehalt und Abendmahls frömmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.5. Geladene Gäste am Tisch des Herrn . . . . . . . . . . . . . 223 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.1. Es gibt nicht die eine „richtige“ Gestalt des Abendmahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.2. Änderungen der Liturgie brauchen Behutsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.3. Die Abendmahlsfeier kann verschiedene Schwerpunkte setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.4. Die Mündigkeit der Gemeinde muss ermöglicht werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5.5. Zu kritisieren ist zuerst die eigene Praxis . . . . . . . . . 228 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Zusammenschau Hermut Löhr: Das Abendmahl – ein „Fest der Bedeutungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. (K)eine gewöhnliche Speise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Außen- und Innenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 3. Der Ursprung als Inhalt und Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Abendmahl und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 5. Ein „Fest der Bedeutungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
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Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
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Einführung
Hermut Löhr
Die vielen Gestalten des Abendmahls Das Sakrament des Abendmahls hat in den Evangelischen Kirchen in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswerte Wiederbelebung erfahren (Weth 2010: 234). Dies gilt sowohl für die Praxis der Mahlfeier im Rahmen des sonntäglichen Gottesdienstes oder zu besonderen Anlässen als auch für die theoretische Beschäftigung mit seiner Geschichte und seiner gegenwärtigen theologischen Bedeutung. An die Stelle der Vernachlässigung oder des Vergessens eines erstmals im Zusammenhang der Konfirmation feierlich begangenen, danach eher selten und als bloßer Anhang zum Gottesdienst angeordneten und wahrgenommenen Ritus ist ein Bewusstsein für die zentrale Bedeutung des Sakraments für den evangelischen Gottesdienst und die anderen Kirchen der Ökumene getreten. Diese neue Wertschätzung findet ihren Ausdruck zum Beispiel in der Freude an vielfältiger Gestaltung einschließlich der Feier von so genannten „Agape“-(= Liebes)-Mählern in angenommener Entsprechung zum frühesten Christentum oder einem christlichen Pesach, in ästhetischer Würdigung traditioneller Messformulare oder in der Vorbereitung und Feier mit Kindern auch vor der Konfirmation. Das Herausarbeiten bestimmter, unterschiedlicher Aspekte der den Gemeinden wichtigen Elemente der Abendmahlstheologie führt zu unterschiedlichen Arten der Austeilung, der Gestaltung und Nutzung des Kirchenraums oder der aufgenommenen liturgischen Texte und Gesänge. Über das Maß der Beteiligung nicht ordinierter Christen an der Austeilung des Mahls wird ebenso diskutiert wie über die Spendeformeln. Welche Sorte von Brot soll ver-
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Einführung
wendet werden? Kann Traubensaft den Wein ersetzen? Was soll mit den Elementen nach der Mahlfeier passieren? Hinter diesen und anderen praktischen Fragen stehen im Einzelnen recht unterschiedliche Auffassungen vom evangelischen Abendmahl. „Wird die Gestaltung des Sakraments nicht so der Beliebigkeit preisgegeben? Gibt es noch Kriterien für den rechten und den falschen, den gültigen oder den ungültigen Vollzug des Abendmahls?“, fragen besorgte Stimmen, während andere das sich in solcher Vielgestaltigkeit aussprechende Verstehen als Ausdruck der Lebendigkeit des Abendmahls begrüßen. Evangelisches Christentum ist im deutschsprachigen Raum, für den dieses Buch vornehmlich geschrieben ist, nur noch ausnahmsweise als religiös geschlossenes Milieu präsent. Evangelische Christen haben in der Gegenwart vielfältige praktische und oft befruchtende Erfahrungen mit interkonfessioneller und interreligiöser Ökumene gemacht. In dieser Hinsicht stellt das Abendmahl vor besondere Fragen und Herausforderungen. Denn einerseits ist sein Gemeinschaftsaspekt unmittelbar evident: Die Mahlfeier wird als Ausdruck der Gemeinschaft untereinander und mit Christus verstanden. Zum anderen aber werden am Abendmahl wie an keinem zweiten Element des gelebten Christentums die Unterschiede und das Trennende zwischen den Konfessionen sichtbar: Zwar darf die Kluft zwischen Lutheranern und Reformierten in Hinsicht auf das Abendmahl spätestens seit der Leuenberger Konkordie von 1973 als überbrückt gelten. Umso mehr schmerzt jedoch, dass es zwischen den evangelischen Kirchen und zum Beispiel der römischkatholischen Kirche nicht nur hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Mahlfeier erhebliche Unterschiede gibt, sondern dass auch die unterschiedlichen theologischen Auffassungen von ihr bisher die Zulassung eines gemeinsamen Abendmahls verhindern: „Ist Christus etwa zerteilt (1Kor 1,13)?“ Besonders in der Vorbereitung von ökumenischen Gottesdiensten, etwa von Schulgottesdiensten, oder in gemischt-konfessionellen Partnerschaften und Familien wird dies als erhebliche Einschränkung und Beschädigung christlicher Gemeinschaft empfunden. Sollte das Abendmahl nicht das Mahl der Einheit in Christus sein? Ist es nicht ganz und gar wider den Willen Jesu und seiner ersten Nachfolger, unter Be-
Hermut Löhr
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rufung auf ihn das Abendmahl konfessionstrennend zu gestalten, viele christliche Abendmähler zu feiern? Tatsächlich aber finden ja gemeinsame Mahlfeiern statt, auch im Protest der christlichen Basis gegen die von Kirchenleitungen eingenommenen Positionen. Aber kann und darf die Praxis so einfach die Theorie, die Theologie übergehen? Wurzelt die so faktisch vollzogene Einheit der Kirchen ausreichend tief? Der vorliegende Band versucht, aus der Sicht der fünf klassischen Disziplinen der evangelischen Theologie eine fundierte Einführung in die gegenwärtige wissenschaftliche Diskussion um das Abendmahl zu bieten und damit zugleich einen Beitrag zur historisch und theologisch reflektierten Beantwortung der angedeuteten Fragen aus Theorie und Praxis der Mahlfeier zu bieten. Dabei berücksichtigt der alttestamentliche Beitrag auch die außerkanonischen Schriften des antiken Judentums ausführlich. Das Buch ist aus der Perspektive evangelischer Theologinnen und Theologen geschrieben, die selbst, durch ihre Zugehörigkeit zur Kirche und die eigene Abendmahlspraxis, in ihrer all- und sonntäglichen Lebenspraxis von den angedeuteten Fragen bewegt sind. Diese Voraussetzung ist klar zu benennen. Zugleich stellen die Autorin und die Autoren die Fachdiskurse zum Abendmahl in ihren jeweiligen Disziplinen ausführlich dar und begründen die eigene Position. Diese Fachdiskurse sind ihrerseits geprägt durch unterschiedliche methodische Ansätze, die teils innerhalb der Geschichte der Theologie als Wissenschaft selbst entwickelt wurden, teils aber auch aus anderen, nicht-theologischen Disziplinen entliehen sind. So gibt es nicht die eine evangelisch-theologische Sicht auf das Abendmahl; und das gilt auch für die einzelnen Fächer der Theologie. Mit anderen Worten: Die Einheit des vorliegenden Bandes ist nicht durch eine einheitliche Position, sondern durch das eine Thema gegeben.
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Einführung
Literatur: Weth 2010: Weth, Rudolf: Das Abendmahl und seine Spendeworte in neuerer biblisch-theologischer Perspektive, in: Hampel, Volker / ders. (Hgg.): Für uns gestorben. Sühne – Opfer – Stellvertretung, Neukirchen-Vluyn 2010, 231–243.
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Altes Testament
Stefan Beyerle
Kult – Opfer – Erinnerung Zur Geschichte von Pesach und Mahlgemeinschaften im alten Israel und antiken Judentum 1. Thematik und Problematik Bereits die Festlegung des letzten Mahles Jesu auf den „ersten Tag der ungesäuerten Brote, da man das Passa schlachtete“ (Mk 14,12 parr.), und das in der lukanischen Sonderüberlieferung geäußerte dringende Verlangen Jesu, vor seinem „Leiden mit euch [d.i. seinen Jüngern] dieses Passa zu essen“ (Lk 22,15), werfen die Frage nach der Verknüpfung des im Alten Testament und in antik-jüdischen Quellen verankerten Passa-Festes mit der christlichen Abendmahls tradition auf. Da zugleich vom „Tag der ungesäuerten Brote“ und vom „Passa“ die Rede ist, verweisen die Evangelien auf das „Fest der ungesäuerten Brote“ (hebr. ַחג ַהַמּּצׂ ות/ hag hammassôt), das auch in der älteren Rechtsliteratur des Alten Testaments bezeugt wird (vgl. Ex 23,14 f.), in Verbindung mit dem Passa-Fest (hebr. ֶּפ ַסח/ pæsah), das im Vorfeld des Auszugs der Israeliten aus Ägypten einen Blutritus schildert (vgl. Ex 12 f.). Zwar dürfte das Neue Testament bereits auf die Identifizierung beider Feste Bezug nehmen, die schon das Buch Deuteronomium (16,1–8) belegt. Doch wird zumindest an der Benennung und Bewahrung beider Festnamen deutlich, dass im gesamtbiblischen Horizont keine vereinfachenden Herleitungen oder vorschnellen Verknüpfungen greifen.
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Altes Testament
Dies gilt umso mehr dann, wenn sich der Blick weitet auf Mahlfeiern und ihre Bedeutung für die christliche Abendmahlstradition insgesamt. So ist schon länger ein auch in Bildquellen bezeugter Einfluss aus Traditionen griechischer Mahlfeiern im Küstenbereich Palästinas bekannt. Die relevanten Quellen datieren teilweise bereits vor das Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr., also vor-hellenistisch. Das griechisch-italische Mahlverständnis als „Symposium“ wird sowohl mit dem christlichen Abendmahl als auch mit dem jüdischen Passa in Verbindung gebracht. Sodann haben Juden und Samaritaner, oder auch die „Juden“ (s.u., 2.1.) auf der ägyptischen Insel Elephantine, offensichtlich mit ihrem je eigenen Brauch das Passa-Fest gefeiert. Zudem ist zu bedenken, dass im Passa keineswegs die einzige Form der altisraelitischen und antik-jüdischen Mahlfeier begegnet. Neben dem schon erwähnten „Fest der ungesäuerten Brote“ oder Mazzot wäre auf ein mutmaßliches Totenmahl, das „Marzeach“, zu verweisen (vgl. Am 6,7; Jer 16,5). Außerdem beschreiben einzelne Motivzusammenhänge Mahlvorstellungen, die jenseits des alltäglichen Sättigungsmahls angesiedelt sind: Schon die so genannte „Jesaja-Apokalypse“ (Jes 24–27) kennt ein eschatologisches Freudenmahl für alle Völker (Jes 25,6–10a). Etwa im nur durch das griechische Alte Testament (LXX) und verwandte Textformen überlieferten Buch Jesus Sirach (um 175 v. Chr.) wird die personifizierte und mit der Mose-Tora identifizierte Weisheit als Spenderin von Speisen geschildert (vgl. Sir 24,17–21: nach LXX und EÜ; Luther: Sir 24,23–29). Und der um die Zeitenwende zu datierende „Roman“ Joseph und Aseneth spricht u.a. vom „gesegneten Brot des Lebens“ und vom „gesegneten Kelch der Unsterblichkeit“ (vgl. Joseph und Aseneth [JosAs] 8,5.9; 15,5 u.ö.). Schließlich ist die im Alten Testament an unterschiedlichen Orten, nämlich in Ägypten (Ex 12 f.), am Jordan (Jos 5,10–12) oder in Jerusalem (2Kön 23,21–23; Esr 6,19–22), verankerte Passa / Maz zot-Feier von dem im antiken und rabbinischen Judentum bezeugten Festritus (vgl. Jubiläenbuch 49; Flavius Josephus; Mischna Pesachim X) zu unterscheiden. Es sind also nicht nur die altisraelitischen bzw. antik-jüdischen Voraussetzungen des christlichen Abendmahls kritisch zu hinterfragen. Vielmehr erweist sich auch der Zusammenhang des alttestamentlichen Passa / Mazzot-Ver-
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ständnisses mit der jüdischen Passa-Feier als grundsätzlich problematisch. Die folgende Darstellung unternimmt eine Zusammenschau der wichtigsten Mahlvorstellungen im Alten Testament und in den antik-jüdischen Texten. Der zunächst nur grob umrissene Befund und seine Problemzusammenhänge verdeutlichen bereits, dass die diversen Traditionen zunächst für sich stehen und auch entsprechend vorgestellt werden sollen. Erst in einer Gesamtschau lassen sich dann Hinweise auf Verknüpfungen und Überschneidungen benennen und auswerten. Wegen des ausdrücklichen Bezugs in den frühchristlichen Texten erscheint es sinnvoll, beim Thema „Mazzot – Passa“ den Schwerpunkt zu setzen. Den Ausgangspunkt bilden jedoch die durch außerkanonische Quellen bezeugten PassaFeiern in Elephantine (2.) und bei den Samaritanern (3.), die zwar mutmaßlich ein frühes Rezeptionsstadium repräsentieren, doch zugleich den „lebensweltlichen“ Horizont der Feier sehr viel stärker deutlich werden lassen. In einem nächsten Schritt werden dann die unterschiedlichen Passa-Konzeptionen im alten Israel (4.) und antiken Judentum (5.1.) dargestellt. Zuletzt sind die Freuden- und Gastmähler ohne ausdrücklichen Passa-Bezug zu behandeln (5.2.). Dabei werden Totenmahlfeier und die Fortentwicklungen des schon in der vor-exilischen Prophetie belegten „Marzeach“, einer mit Totenmahlfeiern verknüpften Bezeichnung, den Schlusspunkt setzen. Die Ergebnisse sind dann unter Berücksichtigung des Ritualaspektes knapp zusammengefasst (6.).
2. Ein Passa-Fest auf Elephantine 2.1. Die jüdische Militärkolonie von Elephantine Elephantine ist eine Nilinsel am ersten Nil-Katarakt, die seit der ägyptischen Frühgeschichte besiedelt ist. Vom Ende des 6. Jahrhunderts bis zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. bildete die Insel zugleich die Südgrenze des damaligen persischen Großreiches. Im Ezechielbuch heißt es, dass südlich von Seweneh / Syene (hebr. ְס ֵו ֵנה/ seweneh / „Markt“, „Handelsplatz“: Ez 29,10; 30,6), dem heu
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tigen Assuan, „Kusch“, also Äthiopien, beginnt. Seit 525 v. Chr. war Elephantine unter persischer Oberherrschaft. Es wurde als Kolonie militärischer Truppen, vor allem von Söldnerheeren, genutzt. Die Gruppierungen bezeichnen sich in den überlieferten Dokumenten selbst als „Fähnlein“, als Kompanien oder Regimenter. Unter jenen befand sich auch eine Gemeinschaft, die als Selbstbezeichnung in den überlieferten Texten „Jude“ (aram. ְיהּו ָדי/ jehûdāj) bzw. „Aramäer“ (aram. ֲא ַר ָּמי/ ’ arammāj) wählte. Da die Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Dokumente (Papyri, Ostraka = „beschriebene Tonscherben“) aus Elephantine, neben literarischen Texten und Briefen, auch juristische Zeugnisse und Handelsdokumente überliefern, dürften sich unter jener Bevölkerung Zivilisten befunden haben. Wichtig ist, dass sich die Gruppierung auch als Kultusgemeinschaft verstand. Sie besaß einen, allerdings archäologisch nicht nachgewiesenen, JHW-Tempel, der im 5. Jahrhundert v. Chr. von der ansässigen ägyptischen Chnum-Priesterschaft zerstört wurde, dann aber wieder aufgebaut werden konnte. Darüber hinaus beging diese Gemeinschaft offenbar auch das Passa-Fest. Dass man die jehûdāj genannte Gruppe nach wie vor als „Juden“ bezeichnet, im Sinne der JHWH-Anhänger aus Juda-Jerusalem, hat folgende Gründe: der Verweis in den Texten auf den Gott JHW, die Erwähnung eines JHW-Tempels, die theophoren, also den Bestandteil eines Gottesnamens tragenden Elemente (-JH) in einigen der genannten Personennamen sowie die Hinweise auf die SabbatEinhaltung und die Passa-Feier.
2.2. Nachrichten zum Passa-Fest In einem Schreiben (419 v. Chr.) an den Gemeinde-Vorsteher Jedaniah und seine Kollegen erwähnt ein gewisser Hananiah das Mazzot-Fest im Zusammenhang mit Reinheitsvorschriften. Der aramäische Begriff für das Passa, der in Elephantine nur auf zwei Ostraka vom Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. bezeugt ist (Nr. D7.6 u. D7.24), wird zwar im so genannten „Passa-Papyrus“ (Papyrus Cowley 21: A4.1) nicht genannt, doch zeigt die gut lesbare Zeitangabe „vom Tag 15 bis zum Tag 21“ im Monat Nisan (Z. 4r; vgl. 7v u. Ex 12,18), dass ein Bezug zum Mazzot-Fest immerhin
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möglich ist. – Der Monatsname „Nisan“ stammt aus dem altbabylonischen Kalender und bezeichnet dort den ersten Monat im Jahr (März / April). In nach-exilischer Zeit (nach 539 v. Chr.) ersetzte „Nisan“ den altisraelitischen Monatsnamen „Abib“ (s.u., 4.). – Ein weiterer Hinweis auf Passa / Mazzot in Papyrus Cowley ergibt sich aus Z. 6r: „[…] trinkt nicht und alles, was gesäuert (aram. ֲח ִמיר/ hamîr) ist […]“ und aus der zuvor betonten Bestimmung zur (kultischen) Reinheit. Der fragmentarische Textzustand erlaubt hier zwei Interpretationen: Abgesehen vom Sauerteig-Verbot wäre auch ein Genussverzicht von vergorenem ägyptischem Bier denkbar. Ersteres würde einen direkten Bezug zum Mazzot-Ritus der Tora herstellen, die den Genuss von Ungesäuertem vorschreibt (vgl. Ex 12,18f.39; Dtn 16,8). Letzteres würde im Kontext der Auseinandersetzungen mit den Chnum-Priestern zugleich eine anti-ägyptische Tendenz in die formulierte Anweisung eintragen (vgl. auch Mischna Pesachim III,1a). Grundsätzlich bleibt aber die Deutung auf die Verknüpfung von Passa- und Mazzot-Fest in Elephantine fraglich, da sie religiöse Verhältnisse des perserzeitlichen Judentums stillschweigend voraussetzt, wie sie u.a. die Schriften der Bibel (vgl. Esr 6,19–22, v.a. V. 20.22) widerspiegeln. Dies ist jedoch nicht statthaft. Denn schließlich bleibt beachtenswert, dass die mit dem Begriff jehûdāj bezeichnete Gruppierung auf Elephantine nicht nur den Gott JHW, sondern auch andere Götter wie ’šmbjt’l (Eschembetel?) oder ‘ntbjt’l (Anatbetel?) verehrte. Eine aus dem Jahre 400 v. Chr. datierende so genannte „Tempelsteuerliste“ (C3.15, Z. 127– 128r) weist dies aus.
2.3. Ergebnisse Als im Jahre 419 v. Chr. ein gewisser Hananiah an den Vorsteher der jehûdāj-Gemeinschaft auf Elephantine, Jedaniah, schreibt, wird das Passa längst gefeiert (vgl. die Ostraka). Für den Zeitraum des Passa-Festes wird dann um Einhaltung der Reinheitsgebote und die Enthaltung von Gesäuertem ersucht. Wenn bei der Rekonstruktion des Festes auf Elephantine der Vergleich mit den in anderen antik-jüdischen Texten gespiegelten religiösen Verhältnissen erlaubt ist, dann hieße dies: Mazzot- und Passa-Fest gehören bereits
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zusammen (vgl. Dtn 16,1–8: s.u., 4.1.), dienen unter Umständen zur Abgrenzung gegen das ägyptische Umfeld, sind aber keineswegs exklusiv auf den Gott JHW zu beziehen.
3. Das Passa bei den Samaritanern 3.1. Die Samaritaner Ähnlich wie die „Juden“ von Elephantine sind die Samaritaner nur in ihrem Verhältnis zu anderen Gruppierungen des antiken Judentums zu beschreiben. Bei den Samaritanern handelt es sich um eine ursprünglich dem Nordreich „Israel“ entstammende Gemeinschaft. In judäischer, insbesondere Jerusalemer Wahrnehmung dienten die Samaritaner nach dem Ende des Nordreiches (722 bzw. 720 v. Chr.) nicht mehr dem einen Gott JHWH. Ihnen wird vorgeworfen, sich der „heidnischen“ Bevölkerung angenähert zu haben, indem sie die „Götter nach dem Brauch der Nationen“ (2Kön 17,33) und „ihre Kultbilder“ (V. 41) verehrten, worin sie den „Juden“ von Elephantine durchaus vergleichbar waren. An der in der Prophetenschrift des Haggai reflektierten Auseinandersetzung von „Reinen“ und „Unreinen“ (Hag 2,10–14) beim Tempelbau orientierte sich die These der Trennung in „Juden“ und „Samaritaner“ am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. Die Samaritaner hätten nach Esr 4,1–3 ihre Mithilfe am Wiederaufbau des Tempels angeboten und seien wegen ihrer teilweise nicht-israelitischen bzw. nicht-jüdischen Herkunft abgewiesen worden. Doch ist in Hag 2 deutlich das ganze Volk „Israel“ angesprochen (vgl. Kippenberg 1971: 38 f.) und: Die Abspaltung (das „Schisma“) der Samaritaner datiert wohl erst in das 4. oder 3. Jahrhundert v. Chr. So ist die mit einer Frühdatierung des „Schisma“ verbundene Theorie grundsätzlich durch die unhistorische Entgegensetzung von „Samaritanern“ und einem mehr oder weniger kanonisierten Judentum belastet, das sich so erst in nach-biblischer Zeit ausformte. Wie die Juden des Kernlandes und in der Diaspora („Zerstreuung“) beziehen sich die Samaritaner zwar auf die Tora. Allerdings akzeptieren sie nur die schriftliche Tora des Pentateuch als Offen-
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barung. Zudem ist der samaritanische Pentateuch an einigen Stellen (vgl. Ex 20,17; Dtn 5,21; 11,30; 27,4) nicht identisch mit dem im Judentum festgelegten hebräischen Text. Weitere Traditionen, wie die über den Nachfolger Moses, Josua, werden berücksichtigt, haben jedoch keinen kanonischen Rang. Wie die Juden verehren die Samaritaner den Gott JHWH, allerdings mit abweichenden Gottesvorstellungen und nicht am „Wohnort seines Namens“, dem Zion, sondern auf dem Garizim nahe Sichem. Wie die Juden besitzen die Samaritaner einen Festkalender, der die zentralen Feste wie Sabbat, Passa oder Wochenfest umfasst. Allerdings weicht der samaritanische Kalender bis heute vom jüdischen ab, und die Feste zeichnen sich durch „vor-rabbinische“ Riten aus. Damit ist eine vorgebliche Orientierung an Ritualvorschriften der Tora, des Pentateuch, gemeint. Wie die Juden stellen die Samaritaner das Priestertum in das Zentrum kultischen Lebens. Allerdings ist in den chronistischen Nachrichten der Samaritaner ein gegenüber antikjüdischen Zeugnissen (vgl. 1Chr 5) abweichender Stammbaum bezeugt, der etwa weniger Wert auf die zadokidische Abstammung der Priester legt. An der Gegenüberstellung zeigt sich: Wie immer man das so genannte „samaritanische Schisma“ datiert, der auch politisch wahrnehmbaren Abspaltung der „Samaritaner“ geht die religiös-kultische Abspaltung voraus. Mit ihr erblickt man eher etwas Prozesshaftes, sich von den gemeinsamen Wurzeln anderer jüdischer Gruppen her Entwickelndes.
3.2. Das „samaritanische Passa“ Die Rekonstruktion eines antiken Passa-Ritus bei den Samaritanern wird durch die schwierige Quellenlage erschwert, die nur wenige Selbstzeugnisse bzw. historisch verlässliche Nachrichten ausweist. Da die ältere rabbinische Tradition, etwa in Tosefta Pesachim (II,1–3), die Übereinstimmungen des „jüdischen“ und „samaritanischen“ Passa betont, scheint zumindest in frührabbinischer Zeit eine gewisse rituelle Übereinkunft zwischen den religiösen Parteiungen geherrscht zu haben. Eine Trennung in „jüdische“ und „samaritanische“ Passa-Riten wird man frühestens im 3./4. Jahrhun-
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dert n. Chr. annehmen dürfen. Zwar verweist Tosefta Pesachim II,2 auf die unterschiedliche Dauer des Festes und in Tosefta Pesachim II,3 verbietet Rabbi Elazar den Genuss des ungesäuerten Brotes der Samaritaner für Juden, doch unterstreicht derselbe Abschnitt, dass das Brot der Samaritaner erlaubt sei. Rabban Schimon ben Ga maliel II. (160–180 n. Chr.) verweist gar auf die bei Samaritanern größere Genauigkeit in religiösen Vorschriften: „Das ungesäuerte Brot der Samaritaner (hebr. ַמ ָּצא ֶׁשל ּכּו ִתיִים/ mazzā’ šæl kûtîjim) ist erlaubt und man erfüllt damit seine Verpflichtung für Pessach. […] Rabban Schimon ben Gamaliel sagt: ,Jegliche religiöse Bestimmung (hebr. ֹּכל ִמ ְצ ָוה/ kål miswāh), an die sich die Samaritaner halten, erfüllen sie mit größerer Genauigkeit als die Israeliten‘.“ (Tosefta Pesachim II,3) Während die genannten rabbinischen Nachrichten aus jüdischer Sicht Mazzot- und Passa-Fest bereits als einen Ritus verstehen, bietet ein zeitgleiches christliches Zeugnis, der um 160 n. Chr. entstandene „Dialog mit dem Juden Tryphon“ des Apologeten Justinus (Justin der Märtyrer, ca. 100–165 n. Chr.) aus Sichem-Neapolis, eine ausführliche Beschreibung des samaritanischen Passa als Lammschlachtung (vgl. Dialogus cum Tryphone 40,3). Mit dem sich vom übrigen Judentum nach der Tempelzerstörung unterscheidenden samaritanischen Passa als Tieropfer verband man gerne einen Hinweis auf eine in samaritanischer Tradition fortwirkende Trennung von Mazzot- und Passa-Fest. So bezeugen die älteren samaritanischen Traditionen noch keine Bindung des Passa-Opfers an ein bestimmtes Heiligtum (Garizim), sondern setzen die an Ortschaften, wahrscheinlich den Familienkreis, anhaftende Passa-Feier voraus. Allerdings ist der Passa-Ritus bei Justin als „samaritanisch“ durch Vergleiche der Forschung mit neuzeitlichen Passa-Opfern bei den Samaritanern identifiziert worden. Und neuere kritische Stimmen beobachten bei jenem Vergleich inzwischen mehr Differenzen als Gemeinsamkeiten, so dass schon die Beschreibung des Passa-Opfers als „samaritanisch“ bei Justin in Zweifel gezogen werden kann (vgl. Pummer 2002: 18 mit Anm. 35 u. 23–25). Dennoch lassen sich Nachrichten über das samaritanische Passa zu einem Ablauf der Opferfeier zusammenfügen, die folgender maßen ausgesehen haben dürfte: Zur Vorbereitung auf die Passa-
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Feier gehört sicher der alte Reinigungsbrauch des Waschens der Kleider. Dann folgt die Auswahl von „makellosem“ Kleinvieh (vgl. Ex 12,3.5.21: hebr. ֶׂשה/ śæh, ֹּצאן/ so’n: synonym für „Ziege“ oder „Schaf“). Der Termin des 14. Nisan muss aufgrund des bei Juden und Samaritanern abweichenden Kalenders nicht auf dasselbe Datum fallen. Bei der zeitlichen Überschneidung von Passa-Termin und Sabbat neigte die samaritanische Gemeinde wohl zu einer rigoristischen Sabbat-Heiligung. Die Schlachtung wurde gemeinsam von Leviten, also Angehörigen eines „Priesterstammes“, und Laien durchgeführt. Und beim Blutritus hat man sich offenbar gegen die Praxis am Jerusalemer Tempel abgesetzt, indem man das Besprengen des Altars mit Blut (am Garizim) strikt vermied. Gegenüber der Bestimmung in Dtn 16,7, wo das Kochen des Tieres vorgeschrieben wird, kennt die samaritanische Tradition nur das Braten in einer Bratgrube durch Laien (vgl. auch Ex 12,8 f.). Dazu wurden Spieße aus Eichenholz verwendet. Vor und nach dem Verzehr des Passa-Lammes vollzogen Laien Verbrennungen. Sowohl die erste Verbrennung der Fettstücke als auch die zweite Verbrennung der Überreste (Knochen, Sehnen) haben dabei Opfercharakter, sind aber unabhängig von einem Heiligtum praktiziert worden.
3.3. Ergebnisse Bei allen Vorbehalten, die aus historischer Sicht dem zumeist aus späten Quellen rekonstruierten samaritanischen Passa-Ritus entgegenstehen, ist dem wohl schon für die Spätantike bezeugten Festbrauch der Opfercharakter kaum abzusprechen. Vor dem Hintergrund der biblischen Bezeugungen und Begründungen des Passa scheint sich jedenfalls im samaritanischen Milieu bis in die Gegenwart eine Praxis durchgehalten zu haben, die im Vergleich mit der jüdischen Tradition eine größere Konstanz, ja Ursprünglichkeit dokumentiert. Insbesondere die Beibehaltung der BlutopferZeremonie verdeutlicht dies. Sie zeigt zudem, dass die Passa-Feier zugleich als Familienfest, jenseits eines Zentralheiligtums, und als Opfergabe möglich war und ist.
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4. Das Passa in Israel Mit den gewählten Einstiegsbeispielen aus Elephantine und der samaritanischen Praxis ergeben sich bereits Frage- und Problemstellungen, die auch für die historischen Rückfragen im alttestamentlichen Kontext von Belang sind: In welchem Verhältnis stehen Passa und Mazzot? Welche Bedeutung haben Heiligtümer, bzw. das Heiligtum (Zion / Jerusalemer Tempel und Garizim), beim Passa-Ritus? Wann trug das Passa-Fest den Charakter eines Familien-, wann den eines Wallfahrtsfestes am Heiligtum? Und im Vorausblick auf das antike Judentum (s.u., 5.) wäre zu fragen: Auf welcher Festauffassung ruhen Veränderungen im Passa-Verständnis, die sich zwangsläufig nach der Zerstörung des Zweiten Tempels (70 n. Chr.) ergeben haben? Daraus folgend: Welche Konsequenzen für das Verstehen des Ritus und die Bedeutung des Passa ergeben sich durch die Aufgabe des im antiken Judentum vorherrschenden Opfercharakters nach der Zerstörung des zentralen Heiligtums in Jerusalem? Mehr noch: Sind die biblischen und nach-biblischen Traditionen vom Passa wirklich im Sinne einer sich durchhaltenden Tradition zu verstehen? Immerhin findet man in der nach-biblischen Literatur vereinzelt Hinweise auf einen sich in der Zukunft „fortsetzenden“ Tempeldienst (Mischna Pesachim X,6). Viele der hier aufgelisteten Fragen haben zumindest einen Bezug zu den rituellen Praktiken aus Elephantine und bei den Samaritanern, insofern sie Widersprüche jener Praxis zur „historischen Situation“ Altisraels markieren. Jene Ermittlung der „historischen Situation“ ist einer historisierenden Interpretation von Quellen wie Ex 12 oder Dtn 16 geschuldet. Insbesondere mit Ex 12 verbinden sich historische Urteile über unterschiedliche Passa-Liturgien. Diese wiederum wurden in vielen Darstellungen mit Gestalt und Alter differenzierter Quellenschichten in Ex 12 (v.a. Jahwist und Priesterschrift) verknüpft. Selbst in neueren, der klassischen Pentateuch-Quellenkritik gegenüber kritischen Darstellungen ist die Kultpraxis am Jerusalemer Tempel das entscheidende Kriterium zur literarhistorischen Einordnung der Texte. Doch ergeben sich aus jener engen Verknüpfung von literarhistorischen Textinterpre-
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tationen und realhistorischen Rekonstruktionen des Kultes zirkuläre Rückschlussverfahren (s.u.). Bevor nun die wichtigen Passa-Texte eigens vorgestellt werden, sei die hier beschriebene Verbindung von Kult und Text an einem Beispiel erläutert. Dabei kann zugleich eine erste Vorstellung von Verbindungslinien zwischen den Passa-Belegen vermittelt werden. Ausgangspunkt ist Ex 34,18, wo es heißt: „Du sollst das Fest der ungesäuerten Brote einhalten. Sieben Tage sollst du ungesäuerte Brote essen, wie ich dir befohlen habe, zur Zeit des Monats Abib, denn im Monat Abib bist du hinausgezogen aus Ägypten.“ Was an anderer Stelle mit dem Passa verbunden ist, nämlich die Erinnerung an den Auszug („Exodus“) der Israeliten aus Ägypten, wird in Ex 34 ausschließlich mit der Einhaltung des Mazzot-Festes verknüpft. Ganz anders formuliert Dtn 16,1–8, wo das Fest der ungesäuerten Brote mit dem ursprünglichen Familienfest des Passa verbunden erscheint und, der deuteronomischen Tendenz der „Zentralisation“ kultischer Begehungen folgend (vgl. v.a. Dtn 12), zum Wallfahrtsfest am Zentralheiligtum wird. So formuliert Dtn 16,1.7–8: „1 Beachte den Monat Abib und bereite Passa für JHWH, deinen Gott, denn im Monat Abib hat dich JHWH, dein Gott, des Nachts aus Ägypten herausgeführt. […] 7 Du sollst [es] kochen und essen an dem Ort, den JHWH, dein Gott, erwählen wird, und du sollst dich am Morgen umwenden und zu deinen Zelten gehen. 8 Sechs Tage isst du ungesäuerte Brote, und am siebten Tag ist Feiertag für JHWH, deinen Gott, an dem du keine Arbeit verrichten sollst.“ Die ursprünglich unabhängigen Feste Mazzot und Passa werden im deuteronomischen Festkalender kombiniert und aus dem familiären Festkreis an das Zentralheiligtum verlagert. Priesterschriftliche Kreise haben dann, nach der Zerstörung des salomonischen Tempels (587/586 v. Chr.) und vor Einweihung des Zweiten Tempels (515 v. Chr.), im Kontext des „Ägypten-Passa“ Passa und Mazzot wieder getrennt und vom (zerstörten) Heiligtum in den Familienverband verlagert. So heißt es in Ex 12,3 und 6: „3 Redet zur ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats sollen sie sich nehmen, ein jeder eine Ziege für ein Vaterhaus, eine Ziege für das Haus. 6 Und es sei für euch zur Aufbewahrung bis zum 14. Tag die-
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ses Monats. Und sie sollen es schlachten, die ganze Versammlung der Gemeinde Israel, zwischen den Abenden.“ Da das Mazzot-Fest erst in V. 15–20 eingeführt wird und Ex 12,1–14, historisierend auf die Exodus-Situation bezogen, das Passa im „Vaterhaus“ verortet, gehört dieser häufig der Priesterschrift zugeordnete Ritus in die Zeit ohne israelitisches Zentralheiligtum. Entsprechend wird an dieser Stelle dann die Unterscheidung in Kult bzw. Opfer und Ritus eingeführt: Während Dtn 16,1–8 das Passa / Mazzot als Opferbegehung im Zentralheiligtum vorsieht, beschreibt die Priesterschrift einen Ritus im familiären Umfeld, ähnlich der Beschneidung (Gen 17). Der Ritus gewinnt noch an Profil, wenn man zudem in der häuslichen Feier (Ex 12,3b) mit einem Unheil abwendendem Blutritus (V. 7a) und nächtlichem Mahl (V. 8a) eine vor-deuteronomistische Vorlage der Priesterschrift identifiziert. Man rekonstruiert so zwei höchst unterschiedliche Passa-Feste: als Opferfest und als Ritus bzw. in Kombination mit dem Mazzot-Fest, das über die Ägypten-Reminiszenz (Ex 23,15; 34,18, s.o.) mit dem Passa verbunden wurde, quasi als selbständige Festbegehungen. Die literargeschichtliche Rekonstruktion macht deutlich: Die ritualgeschichtliche Deutung des Passa beruht auf literarhistorischen Beurteilungen von Texten, die selbst der Nachzeichnung des Rituals dienen – die Gefahr des Zirkelschlusses ist somit groß. Die folgende Schau wichtiger Quellentexte des Alten Testaments setzt in Lev 23 (vgl. Num 28 f.), also einem Text aus dem so genannten „Heiligkeitsgesetz“ (Lev 17–26), an und schreitet zunächst über Num 9 und Dtn 16 zu Ex 12 voran. Im ersten Abschnitt stehen daher Texte über die Passa-Ordnung zur Diskussion. Ein zweiter Abschnitt diskutiert dann die literarischen Zeugnisse zur Passa-Pra xis, vor allem beim Josua- und Josia-Passa (vgl. Jos 5; 2Kön 23).
4.1. Die Passa-Ordnung im alten Israel Der nachfolgende Überblick diskutiert die wesentlichen alttestamentlichen Texte, die das Passa / Mazzot-Ritual im Sinne der Unterweisung behandeln. Dabei ist die Zielrichtung im chronologischen Sinne umgekehrt: von den späteren priesterschriftlichen
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Zeugnissen (Lev 23; Num 28 f.; 9) hin zur älteren Passa-Anordnung (Ex 12,21–23). Der Grund liegt in der Beobachtung, dass über die späteren, Einzelaspekte des Passa beleuchtenden Zeugnisse die Vielfalt der Passa / Mazzot-Vorstellungen in der Komposition von Ex 12 f. umso deutlicher zum Tragen kommt. Zusammen mit den Belegen aus dem Numeri-Buch (Num 28– 29: v.a. 28,16–25) gehört die Passa-Ordnung aus dem so genannten „Heiligkeitsgesetz“ zu den jüngsten Regelungen von Festzeiten im Alten Testament. Der Text in Lev 23,[4.]5–8 kombiniert Passa- und Mazzot-Fest (vgl. Ez 45,21). Gleich in V. 4 wird das Passa als festgelegte und als heilige Festzeit durch die „Israeliten“ (vgl. 17,1 f.; 23,1 f.) ausgerufen. Das Folgende ist eine strikte Regelung der Abfolge von Passa und Mazzot, die sich durch klare Zeitangaben auszeichnet (23,5–8), wobei jedoch jede ritualtechnische Anweisung fehlt. Passa und Mazzot begegnen im Zusammenhang eines auch an anderer Stelle im Alten Testament bezeugten und variierten Festkalenders (vgl. Ex 23,14–17; 34,18–23; Num 28 f.; Dtn 16,1– 17; vgl. Ez 45,18–25). In Lev 23 werden etwa noch Regelungen für den Tag der Omergabe (V. 10–14), das Wochenfest (V. 15–22), den Tag des Lärmblasens („Rosch-Haschana“: V. 24 f.), den Versöhnungstag („Jom Kippur“: V. 27–32) und das Laubhüttenfest („Sukkot“: V. 34–36.39–43) angeführt. Darüber hinaus hält Lev 23 fest, dass Passa und Mazzot in unmittelbarer Folge am 14. und, für die Dauer von sieben Tagen, am 15. des ersten Monats („Abib“: vgl. Ex 13,4; 23,15; 34,18; Dtn 16,1) zu feiern sind. Der erste und siebte Tag stehen dabei unter dem Verdikt der Arbeitsruhe (Lev 23,7 f.). Mit der Festlegung des Mazzot-Festes auf sieben Tage, der Arbeitsruhe am siebten Tag, der Anweisung zum „Feueropfer für JHWH“ (vgl. Num 28 f.), die auch die weiteren Festangaben bestimmt (Lev 23,8.13.18.25.27.36 f.), und dem vorausgehenden Sabbatgebot (V. 3) wird eine enge Verbindung mit dem Festkalender in Num 28–29 deutlich. Außerdem ist der sich in Ruhegebot, Siebenerschema und Opferthematik ausdrückende priesterschriftliche Duktus von Lev 23 ersichtlich. Doch bleibt jener Duktus, streng genommen, nur mit Blick auf das Mazzot-Fest erkennbar, dem das Passa chronologisch und sachlich vorgeordnet wird.
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Der Umstand, dass die Forschungsliteratur immer wieder kontrovers zum Problem Stellung bezieht, beruht darauf, dass dem Text in Lev 23 eine eindeutige Auskunft über den Vollzug und den Ort der Passa / Mazzot-Feier nicht zu entnehmen ist. Weder ist klar, ob der Kult im Kreis der Sippe bzw. Familie durchzuführen, noch ob ein Heiligtum, vielleicht sogar ausschließlich der Jerusalemer Tempel, vonnöten und daher das Passa / Mazzot als Wallfahrtsfest zu beschreiben ist. Die Art der Festbegehung, der mögliche Heiligtumsbezug und die Opferfrage bieten für die weiteren Passa / Mazzot-Belege den Fragehorizont. Zu beachten ist außerdem die heilsgeschichtliche, auf den Exodus und die Ägypten-Erfahrung bezogene und in Lev 23 notabene fehlende Begründung des Passa. Während in Lev 23,8 mit der Feueropfer-Gabe das Opfer kaum den Ritus der Passa / Mazzot-Feier bestimmt, geht Num 28,16–25 etwas weiter. Die „heilige Ausrufung“ des Festes fordert am ersten und siebten Tag, ähnlich wie Lev 23, die Arbeitsruhe und rahmt (vgl. Num 28,18.25) damit eine ausgeführte Liste von Brand-, Speise- und Sühnopfern. Der in mancher Hinsicht mit Lev 23 pa rallel gestaltete Text von Num 28 f. regelt zwar insgesamt die Opfer an bestimmten Tagen und zu konkreten Festzeiten, beschreibt das Passa / Mazzot jedoch noch nicht im spezifischen Sinne als Opfer. Dies vollzieht erst die für einen Spezialfall formulierte Bekräftigung der Passa-Ordnung in Num 9,1–14 (vgl. V. 3.12.14 mit Ex 12,43), die gemeinhin als Nachtrag in Num 1,1–10,10 bestimmt wird (vgl. Seebass 2008: 253–262). Bei diesem Fall geht es um an einem Toten unrein gewordene und damit vom Fest ausgeschlossene Männer. Jene fragen Mose: „Wir sind unrein an einem Toten. Wozu sollen wir zurückgestellt werden, so dass wir nicht die Opfergabe JHWHs ( ָק ְר ַּבן ְיה ָוה/ qårban JHWH) zu seiner festgelegten Zeit darbringen mitten unter den Israeliten?“ (Num 9,7). Das Passa ist ausdrücklich Opfergabe des Gottes JHWH (Genitiv des Subjekts) und wird den Unreinen dann, gemäß der strengen Forderung nach Befolgung des Passa, am 14. Tag des zweiten (statt des ersten) Monats gewährt (V. 10 f.). Da nicht nur die an einem Toten unrein gewordenen Israeliten, sondern auch Reisende von dieser Regelung betroffen sind, ist der Bezug des Passa-Opfers auf ein konkretes Heiligtum zumindest zu erwägen, wenn auch nicht beweisbar. Mit
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der dezidierten Frage der Betroffenen „wozu“, im Sinne von „zu welchem Ziel / Zweck“ ( ָל ָמה/ lāmāh), ist zudem der Zweck, und nicht der Grund ( ַמּדּו ַע/ maddûa‘), des drohenden Ausschlusses der verunreinigten Männer bzw. Reisenden von der durch das PassaOpfer gewährten Nähe zu JHWH angefragt. Die Heiligtumsproblematik wird in der der priesterschriftlichen zeitlich vorausgehenden deuteronomischen Fassung der PassaOrdnung eindeutig geklärt. Der Festkalender in Dtn 16 verknüpft in (spät-)vor-exilischer Zeit (wahrscheinlich 7. / 6. Jahrhundert v. Chr.) zum ersten Mal ausdrücklich die ursprünglich voneinander getrennten Feste Passa und Mazzot (V. 1–8) und sieht im Sinne der deuteronomischen Gesamttendenz (vgl. Dtn 12–26) für die Festbegehung einen konkreten Ort vor. Zwar nennt das Deuteronomium an keiner Stelle den Namen der Stätte, sondern spricht von einem „Ort“ ( ָמ ֹקום/ māqôm), den Gott erwählen wird, um dort seinen Namen wohnen zu lassen (hebr. ָׁש ַכן/ šākan: Dtn 16,2.6.11; vgl. 12,5.11; 14,23; 26,2) bzw. niederzulegen ( ִׂשים/ śîm: vgl. Dtn 12,5.21; 14,24), doch herrscht über die Identifizierung mit Zion bzw. dem Tempel in Jerusalem Einigkeit (vgl. auch Ps 132,13 2Kön 23,27). Die Heiligtumsbindung von Passa / Mazzot wird in Dtn 16,5–7 besonders deutlich: „5 Nicht kannst du schlachten das Passa in einem deiner Tore, die JHWH, dein Gott, dir gegeben hat. 6 Sondern an dem Ort, den JHWH, dein Gott, erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, dort sollst du das Passa opfern, am Abend, beim Untergang der Sonne, zur Zeit deines Auszugs aus Ägypten. 7 Du sollst [es] kochen und essen an dem Ort, den JHWH, dein Gott, erwählen wird, und du sollst dich am Morgen umwenden und zu deinen Zelten gehen.“ Nicht nur der gleich mehrfache Rückbezug auf den einen Ort, sondern auch die in V. 7 ausdrückliche Beschreibung als Wallfahrtsfest fallen auf. Zugleich ergeben sich aus den Angaben Probleme und Widersprüche, die immer wieder zu weitgehenden literarkritischen Lösungen geführt haben. Während das Passa „am Abend“ (V. 6) geschlachtet werden soll, die Kultgemeinschaft „am Morgen“ heimkehrt (V. 7), dauert Mazzot sechs Tage, mit dem Arbeitsverbot am siebten Tag (V. 8; vgl. Lev 23,6–8; Num 28,18.25: s.o.). Eine strikte Trennung von Passa und Mazzot in Dtn 16,1–8
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kann allerdings nicht gelingen. Denn nach V. 4 soll das PassaFleisch noch am selben Abend verzehrt werden (vgl. Ex 12,8–10; Num 9,11 f.), während es in V. 3 heißt: „Nicht sollst du damit zusammen [d.i. dem Passa] Gesäuertes essen. Sieben Tage sollst du damit zusammen ungesäuertes Brot, Elendsbrot, essen […].“ Der literarkritisch nicht zu lösende Widerspruch besteht also in der unterschiedlichen Befristung des Passa: zum einen, gemeinsam mit Mazzot, auf sieben Tage, zum anderen auf eine Nacht. Da sich die Widersprüche vor allem durch die Notizen zum Mazzot (Dtn 16,3 f.8) ergeben, wird man an eine überlieferungsgeschichtliche Verknüpfung des Passa mit älteren Mazzot-Bestimmungen (Dtn 16,3; vgl. Ex 23,15; 34,18) als Entstehungshintergrund denken dürfen (vgl. Konkel 2008: 223 f.), woraus sich dann auch die Datierung des Festes auf den „Ährenmonat“ Abib (Dtn 16,1) ergibt. Kurzum: Die deuteronomische Passa-Ordnung sieht eine Festkombination aus Passa und Mazzot an einem Zentralheiligtum vor, die als Opfer – V. 2.4.6 sprechen ausdrücklich vom „Opfern“ ( ָז ַבח/ zābah) des Passa (Kleinvieh und Rind) – konzipiert ist und mehrfach die heilsgeschichtliche Begründung der Ägypten-Reminiszenz einbringt (V. 1.3.6). Insbesondere die im Deuteronomium mit dem Passa verknüpfte Erinnerung legt eine kulturhermeneutische Dimension offen, die im kulturellen Gedächtnis, d.h. einer erinnernden Selbstvergewisserung „Israels“, das Mahl und die damit verbundene Gabe, nämlich Nahrung, betont. Zudem verknüpft Dtn 16 in Passa und Mazzot die befreiende Exoduserfahrung mit der Freude am agrarischen Reichtum Kanaans. Der Festcharakter von Passa / Mazzot in Dtn 16,1–8 vergegenwärtigt den Feiernden, dass ein Leben im verheißenen Land nur in der Erinnerung des Vergangenen möglich ist. Mit dem Verzehr des Schlachtopfers wird dies gleichsam „verinnerlicht“. In dieser Hinsicht greift die Ägypten-Reminiszenz nicht nur ein theologisches Anliegen der Konzeption im Deuteronomium auf, sondern verweist auch auf die Deutungskultur des christlichen Abendmahls (vgl. MacDonald 2008: 72–83.99). In Ex 12,1–13,16 liegt der klassische Gründungstext des altisraelitischen Passa vor, der formal eher eine heilsgeschichtlich orientierte Gründungserzählung (Ätiologie) denn eine Ordnung darstellt.
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Das sich mit dieser Einordnung von Ex 12 f. verbindende Problem besteht darin, dass die jüdische Passa-Ordnung, mit Vorstellungen und Textbearbeitungen aus dem 4.–7. Jahrhundert n. Chr. und vielleicht später, nur unter Vorbehalt mit dem alttestamentlichen Ritual verbunden werden kann, die Ätiologie also keinen unmittelbaren Bezug zur späteren Kultpraxis aufweist. Auch wenn in der innerbiblischen Interpretation der Überlie ferung bereits von der „Passa-Ordnung“ (Ex 12,43: ֻח ַקּת ַה ָפ ַסח/ huqqat happāsah) die Rede ist (vgl. 12,14.24), stellt der Text doch, schon aufgrund seiner kontextuellen Einbindung zwischen Plagen(Ex 7,14–11,10) und Meerwunderzyklus (13,17–14,31), eine Erzählung dar, die einen Festritus begründen will. Zumindest wurde der Passa-Zyklus des Exodusbuches in der Forschung lange Zeit so verstanden. Und in der Tat ist die Passa-Erzählung durch das Motiv der Tötung der ägyptischen Erstgeburt mit dem Plagenzyklus (vgl. 11,1–10 mit 12,29–36: zehnte Plage) und durch das Auszugsmotiv (vgl. 12,17.31.37 f.41 f.51; 13,3 f.14) mit dem nachfolgenden Bericht über den Weg Israels durch das Schilfmeer verbunden. Trotz der Einbindung in einen erzählerischen Rahmen ist Ex 12 f. selbst durch Ritualanweisungen (vgl. Ex 12,3.6–8.21 f.; siehe dazu die Ansätze bei Dahm 2003: 114–172) und durch die Erfüllungsnotiz: „Und die Israeliten gingen hin und taten, wie JHWH dem Mose und Aaron befohlen hatte, so taten sie“ (V. 28) sowie durch weitere Anordnungen durchaus als Unterweisung in ein Ritual kenntlich gemacht. Der Erzählzyklus vom „Ägypten-Passa“ ist nicht nur ein wichtiger Referenztext für alle Rekonstruktionen und religionsgeschichtlichen Deutungen des Passa-Festes, er gilt darüber hinaus als prominentes Textzeugnis bei der Erprobung weiter reichender literarhistorischer Modelle zum Pentateuch. Im gegenwärtig stark kritisierten Entstehungsmodell eines aus vier Quellen (Jahwist, Elohist, Priesterschrift, Deuteronomium) und den zugehörigen Redaktionen komponierten Pentateuch bzw. Hexateuch (fünf Bücher Mose und Buch Josua) hat Ex 12 f. einen prominenten Platz. In der Verknüpfung beider Aspekte formuliert die Forschung immer wieder mitunter sehr weit greifende Thesen über Bedeutung, Herkunft und Geschichte des altisraelitischen Passa. Im Rahmen
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des traditionellen Quellenmodells werden Anteile der Priesterschrift (6./5. Jahrhundert v. Chr.) und des Jahwisten (10./9. Jahrhundert v. Chr.) im Text identifiziert, wobei der älteste Kern v.a. in Ex 12,21–23 (J) angenommen wird: Mose ordnet den Ältesten die Schlachtung von Passa-Schafen an, mit deren Blut, an Türsturz und -pfosten gestrichen, der „Verderber“ ( ַמ ְׁש ִחית/ mašhît: vgl. FreyAnthes 2007: 274–280) auf Geheiß JHWHs die Israeliten verschont, um nur die Ägypter zu „schlagen“. Das Passa, zumal pseudo-etymologisch mit dem hebräischen Verb für „vorübergehen“ (oder: „zurückstoßen“, ָפ ַסח/ pāsah) verbunden, beschreibt hier einen Unheil abwendenden (apotropäischen) Ritus, der gerne auf ein No maden- oder Hirtenmilieu bezogen wird. Demgegenüber schildern Ex 12,1–14 (P) und 12,15–20 (P) ein detailliertes Schlachtritual, mit der Anweisung, das gebratene (V. 9) – und nicht gekochte (Dtn 16,7) – Tier in derselben Nacht zu verspeisen. Zwar ist auch der Blutritus erwähnt (Ex 12,7.13), jedoch historisierend eingebunden in die Situation Israels in Ägypten: „11 Und so sollt ihr es essen: Eure Hüften gegürtet, eure Schuhe an euren Füßen, euren Stab in eurer Hand. Und ihr esst es in Eile, Passa ist es für JHWH. 12 Und ich werde das Land Ägypten in dieser Nacht durchschreiten und werde jede Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Tier, und an allen Göttern Ägyptens verübe ich Gerichts taten, ich bin JHWH.“ Im zweiten der Priesterschrift zugeordneten Abschnitt (V. 15–20) wird das Halten der sieben Tage der ungesäuerten Brote mehrmals eingeschärft. Zwar formuliert V. 17, ein P-Nachtrag: „Und ihr sollt das Mazzot(fest) beachten, denn an eben dem Tag habe ich eure Heerscharen aus dem Land Ägypten geführt. Und ihr sollt diesen Tag für eure Generationen als ewige Ordnung bewahren“, rekurriert also auch bei Mazzot auf die Exo dus-Erinnerung (vgl. Ex 23,15; 34,18). Allerdings setzt die Priesterschrift für Passa und Mazzot offenbar unterschiedliche Perspektiven auf Israels Befindlichkeiten voraus: einmal in Ägypten und „in Eile“ (Ex 12,11), dann „sieben Tage“ Mazzot mit Arbeitsverbot am ersten und siebten Tag (vgl. Lev 23,7 f.). Also behandelt die Priesterschrift, einschließlich ihrer Überarbeitungsschichten, Mazzot und Passa als zwei zu unterscheidende Feste.
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Die Textbeispiele zeigen, dass nicht nur unterschiedliche literarische Schichten, seien es Quellen oder in Kompositionsbögen verarbeitete Traditionen, sondern auch divergierende Motive und Traditionen den Passa-Zyklus prägen: Einmal ein der Dämonenabwehr dienender apotropäischer Blutritus, dann ein historisierend, in der „Exodus“-Situation verankertes Schlachtritual; einmal ein mit dem Rhythmus des agrarisch orientierten, sesshaften Lebens und mit der Arbeitsruhe verbundenes, auf sieben Tage angelegtes Erntefest (Mazzot), dann ein der Erinnerung an den Ägypten-Aufenthalt und Exodus Israels dienendes Familienfest. Darüber hinaus wird das Passa-Fest in Ex 12 f., unabhängig von den benannten Unterscheidungen, grundsätzlich nicht als Opfer-Fest beschrieben (anders Num 9,1–14; 28 f.; Dtn 16,1–8). Denn insbesondere der Vergleich mit Dtn 16 zeigt, dass Ex 12 f. für die Schlachtung des Passa einen „profanen“ Akt des Schlachtens ( ָׁש ַחט/ šāhat: Ex 12,6.21; vgl. aber V. 27) im Familienkreis annimmt, während die deuteronomisch-deuteronomistische Version von einem Schlachtopfer am zentralen Heiligtum ausgeht (vgl. ָז ַבח/ zābah: Dtn 16,2.4–6). Passa und Mazzot sind in Ex 12 f. nicht als Opferfeste verstanden, unabhängig davon, welche literarische Größe: Priesterschrift, ältere Tradition oder späte Redaktion, man in Ex 12 f. betrachtet. Auch von einem zugehörigen Heiligtum weiß die Textkomposition nichts. Außerdem wird am „Ägypten-Passa“ noch einmal deutlich, was auch in den weiteren Textzeugnissen wenigstens impliziert war: Die Exodus-Erinnerung ist deutlicher an das Mazzotdenn an das Passa-Fest angebunden. Und mit der Exodus-Erinnerung, die im deuteronomistischen Nachtrag zum „Ägypten-Passa“ in Ex 13,1–16 durch die Motive generationenübergreifenden Gedenkens und des zeichenhaften Schreibens auf Hand und Stirn (Ex 13,8 f.14–16; vgl. Dtn 6,6–9) in besonderer Weise hervorgehoben wird, wächst dem Passa / Mazzot-Ritual im Auftrag zum Gedenken gleichsam überzeitliche Bedeutung zu: Es geht nicht um die Erinnerung historischer Tatsachen, die für die Exodusschilderung auch nicht zu erheben sind, sondern um das Vergegenwärtigen der Aktualität und Gültigkeit heilsgeschichtlicher Ereignisse zur Artikulation der Hoffnung auf eine heilvolle Zukunft hin und zur Verwirklichung der durch Gott selbst in Vergangenheit, Gegenwart
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und Zukunft gewährten Nähe. Kurz: Mit der Exodus-Erinnerung des „Ägypten-Passa“ ist eine theologische „Basis-Kategorie“ angesprochen. Von Ex 12 f. (vgl. auch 12,14) her erschließt sich über jene theologische „Basis-Kategorie“ ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Interpretation des christlichen Abendmahls (vgl. Haarmann 2004: 65–90). Ein Anknüpfungspunkt, der weder durch den im frühchristlichen Kontext zentralen Opfer- (trotz Num 9,1–14) noch den in den neutestamentlichen Zeugnissen gewichtigen Sühne-Aspekt (trotz Num 28,22; Ez 45,22) gegeben ist. Jene „Basis-Kategorie“ wird vielmehr durch die Verknüpfung von „Mahl“, „Gemeinschaft“ und „Erinnerung“ mit Inhalt gefüllt.
4.2. Die Passa-Feiern der Landnahme- und Königszeit Das Alte Testament kennt nur wenige Texte, die den konkreten Vollzug eines Passa-Mahls wiedergeben. Doch sind mit dem Josuaund Josia-Passa an Scharnierstellen der Geschichte Israels, nämlich der Landnahme (Jos 5,10–12) und der josianischen Tempelreform (2Kön 23,21–23), kurze Berichte überliefert. Noch unabhängig von inhaltlichen Vergleichen haben diese Berichte eines gemeinsam: Die Historizität der geschilderten Ereignisse ist höchst fraglich. Unmittelbar vor die Eroberung Jerichos und im Anschluss an die Beschneidung der zweiten Generation nach dem Exodus schildert Jos 5,10–12 das erste Passa Israels im Kulturland. Wenn die Lokalisierungen nicht auf unterschiedliche Bearbeiter des Textes zurückgehen (vgl. 4,13 neben 5,10 [LXX], wo Gilgal nicht erwähnt wird), dann ist Gilgal in den „Steppen Jerichos“ (V. 10; vgl. aber 4,19) zu suchen. Doch fehlt bisher jeder archäologische Hinweis auf eine Identifizierung Gilgals. Da die voranstehende Beschneidung (V. 2–9) zur Voraussetzung des Passa zählt, was Ex 12,48 erinnert, und die Nachricht vom Aufhören des „Manna“ im Anschluss an das Passa nicht nur auf die Landnahme, sondern auch auf die Manna-Ätiologie in Ex 16,[31–]35 verweist, dürfte hier eine Komposition aus nach-exilischer Zeit vorliegen (P-Nachtrag oder spät-deuteronomistisch). Die Passa-Nachricht beabsichtigt wohl, am Rande des Kulturlandes und im Übergang von der Wüstenzeit („Manna“) zur Landnahme (Landesspeise: ungesäuertes Brot und Röstkorn)
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mit der Passa-Feier die kultische Analogie zur „Wiederholung“ des Exodus JHWHs im Durchzug durch den Jordan anzuzeigen. Auch die Durchführung des Passa in der Königszeit unter Josia, von der im Zuge der Reformmaßnahmen berichtet wird, ist historisch anfechtbar und trägt zur Einsicht in die rituelle Mahlpraxis des Passa nichts bei. Allerdings geht gegenüber 2Kön 23,21–23 die chronistische Version des Josia-Passa sehr ausführlich (2Chr 35,1–19) auf Einzelheiten der Festliturgie ein. Unter anderem darin verläuft der Passa-Bericht aus 2Chr 35 in Übereinstimmung mit der Beschreibung einer Passa-Feier unter Hiskia (2Chr 30), die im deuteronomistischen Geschichtswerk kein Pendant besitzt. Die alttestamentliche Forschung ist sich jedoch weitgehend einig, dass die chronistischen Passa-Texte keinen Anhalt an der Historie haben. In 2Chr 30 etwa ist einerseits das Hiskia-Passa vom ersten in den „zweiten Monat“ (V. 2) verlegt, was den Unreinen unter den Priestern und den von Hiskia eigens eingeladenen Nordreich-Bewohnern geschuldet ist, womit auf Num 9,1–14 (s.o.) Bezug genommen wird. Andererseits sind die Festverlängerung auf vierzehn Tage (2Chr 30,21–23) und die gesamt-israelitische Perspektive, die nicht anti-samaritanisch gewertet werden kann, eher ungewöhnlich (vgl. Zsengellér 1998: 110–114). Schließlich sollte auch der Verweis auf die Priester und Leviten als Ausführende des Passa im Kontext chronistischer Interessen interpretiert werden, zumal der Bericht über das erste nach-exilische Passa (Esr 6,19–22: vgl. V. 20) hier konform geht. Eingeschaltet zwischen die Notizen über die Zerstörung des Heiligtums von Betel (2Kön 23,15–20) und die den Reformbericht insgesamt abschließende Ausrottung von Wahrsagerei und Totenbeschwörung, erfolgt der Bericht über ein bis dato unvergleichliches Passa-Fest, das König Josia in seinem 18. Jahr (622 v. Chr.) angeordnet habe (V. 21–23). In dasselbe Jahr datiert auch der Buchfindungsbericht (2Kön 22,3), wonach bei Ausbesserungsarbeiten am Jerusalemer Tempel das „Buch der Tora“ (V. 8.11) gefunden wurde. Auch wenn der Inhalt dieses Buches nirgends mitgeteilt wird, hat man aufgrund der Reaktion des Königs (V. 11.19: Trauer), der sich direkt anschließenden Reformmaßnahmen, die sowohl Kultzentralisation als auch -reinigung umfassen (23,4–
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20), und wegen der terminologischen Verweise auf das „Buch des Bundes“ ( ֵס ֶפר ַה ְּב ִרית/ sepær habberît: 23,2.21), das „Buch der Tora“ ( ֵס ֶפר ַה ֹּתו ָרה/ sepær hattôrāh: 22,8.11) und die „Mose-Tora“ ( ֹּתו ַרת מֹ ֶׁשה/ tôrat mošæh: 23,25) in der älteren Forschung auf eine Identifizierung mit einer zu rekonstruierenden Vorform des kanonischen Deuteronomium (Dtn 12 – 26) geschlossen. Neuerdings wird diese These aufgrund terminologischer Differenzen in 2Kön 22 und 23 und im Hinblick auf fehlende ikonographische und archäologische Anhaltspunkte für eine „Josia-Reform“ angezweifelt (vgl. Uehlinger 1995: 64–83). Jedenfalls wird man die Passa-Notiz nicht zum älteren Kern des Berichtes zählen können: Sprachlich ist 2Kön 23,21–23 als deuteronomistischer Text ausgewiesen, der zumal der inhaltlichen Tendenz folgt, die das Königtum zwischen Salomo und Josia abwertet – nur so ergibt der Hinweis Sinn, dass seit den „Tagen der Richter“ kein solches Passa mehr gefeiert wurde (V. 22), der ja kaum das vor die Richterzeit gehörende Josua-Passa zum Bezugspunkt haben kann. Dem Text in 2Kön 23,21–23 geht es vor allem um die Unvergleichlichkeit eines am deuteronomischen Festbrauch (vgl. V. 21 mit Dtn 16,1: s.o., 4.1.) orientierten Passa, dessen Verbindung mit dem Mazzot nur erschlossen werden kann. Der Ort des Passa ist der Jerusalemer Tempel. Weitere Informationen zum Ritual liefert der Text nicht.
4.3. Ergebnisse Die wenigen Belege des Alten Testaments zur Durchführung von Passa / Mazzot geben nur sporadisch Hinweise auf Inhalt und Form des Rituals. Hinzu kommt, dass sie weniger historisch verlässliche Nachrichten als literarische Interpretationen überliefern. Und nicht zuletzt zeigt der Befund, dass die Basis für eine Verknüpfung der Passa-Ordnung mit den Berichten zur Passa-Praxis eher schmal ist. Am deutlichsten artikuliert sich jene Verknüpfung noch in dem Spezialfall der Beteiligung von Unreinen beim Ritual (vgl. Num 9; 2Chr 30). Hier und, bedingt durch die Verbindung mit dem Bundesgedanken, in 2Kön 23 (2Chr 35) sowie in den „historisch“ besonders bedeutsamen Situationen der „Landnahme“ (Jos 5) und
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der Neukonstitution nach dem Exil (Esr 6) markiert die Überlieferung auch den gemeinschaftsbildenden Aspekt des Passa. Das Deuteronomium und die Priesterschrift bieten sehr unterschiedliche Konzepte vom Passa / Mazzot: Im Deuteronomium ist das Passa mit dem Mazzotfest identifiziert. Die gekochte Tiergabe soll am Zentralheiligtum gegessen werden, wodurch das Passa / Mazzot als Wallfahrts- und Opferfest begangen wird. Demgegenüber beschreibt die Priesterschrift das Passa als eine Familienfeier, die eine gebratene Tiergabe sowie die Trennung von Passa und Mazzot vorsieht. Auch die historisierende Einbindung in die Ägypten- und Exodus-Situation wird im priesterschriftlichen Zusammenhang deutlicher akzentuiert. Die Hypothese eines vordeuteronomischen Passa bleibt gegenwärtig Postulat, wenngleich die Annahme eines älteren apotropäischen Blutritus (Ex 12,21– 23) nach wie vor plausibel ist. Schließlich erweist der theologische Duktus zwei Schwerpunkte: zum einen die im Ritus ausgedrückte Gottesnähe, zum anderen das in der Ägypten- und Exodus-Erinnerung konkretisierte Gedenken stets neu zu aktualisierender Heilssetzung, u.a. als „Leidensgedächtnisfeier“ (Dtn 16,1–8; vgl. Braulik 1988: 101–108.118–121).
5. Passa und Mahlfeiern im antiken Judentum Mit dem „antiken Judentum“ ist ein Epochenbegriff gemeint, der historisch frühestens mit dem Ende der „Staatlichkeit“ (587/586 v. Chr.) greift, hier jedoch ausschließlich die griechisch-römische Zeit im Blick hat. Es werden vor allem Quellen aus jener Epoche berücksichtigt, die nicht in den alttestamentlichen Kanon aufgenommen wurden: die so genannten Apokryphen und Pseudepi graphen sowie weitere jüdisch-hellenistische Schriftsteller. Die folgende Darstellung ist zweigeteilt und berücksichtigt sowohl die antik-jüdischen Vorstellungen zu Passa / Mazzot als auch jene Texte, die ohne ausdrücklichen Bezug auf das Passa Mahlfeiern, bisweilen mit Hilfe spezifisch theologischer Akzente wie „Eschatologisierung“, schildern.
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5.1. Das Passa in antik-jüdischen Texten Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (seit 1946/1947) wurden in Höhlen der Mergelterrasse am Nordwestende des Toten Meeres Schriftrollen entdeckt, die Zeugnisse einer jüdischen Gemeinschaft bieten, die vermutlich zwischen dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. und 68 n. Chr. in der Siedlung von Qumran ihr Zentrum hatte. Die ältesten Schriftrollen datieren allerdings bereits ins 3./2. Jahrhundert v. Chr. Die Texte lassen sich in hebräische, aramäische und griechische Zeugnisse unterscheiden, die entweder von Angehörigen der Gemeinschaft nur abgeschrieben und überliefert – wie etwa die Jesajarolle – oder als so genannte „gruppenspezifische“ Kompositionen von ihnen verfasst wurden – wie die „Sekten-“ oder „Gemeinderegel“. Die Bewohner von Qumran, die man gerne als Teilelement der jüdischen Gruppierung der bei Flavius Josephus und anderen antiken Historikern beschriebenen „Essener“ identifiziert, zeichnen sich durch radikale Naherwartung und priesterliche Strenge (Hierarchie, Reinheit etc.) aus. Die Texte zeigen eine deutliche Polemik und Abgrenzung gegen das Jerusalemer Tempelpriestertum, wobei chronologische und kalendarische Fragen einen wichtigen Streitpunkt bilden. Und die relativ spärlichen Belege von Mazzot und Passa finden sich insbesondere in jenen Schriftrollen, die die genannten Fragen in besonderer Weise thematisieren: in den Kalendertexten und der Tempelrolle, wobei nur erstere als gruppenspezifisch gelten. Die Kalendertexte bezeugen, dass Mazzot und Passa zusammengehören (vgl. Calendrical Document C [4Q326] Z. 2 f., rekonstruiert). Dies ist deshalb bemerkenswert, weil etwa das Jubiläen buch (vgl. Jub 17 f. mit Jub 49) beide Feste getrennt voneinander behandeln kann – in Jub 49,22 f. ist der Verweis auf Mazzot lediglich nachgetragen. Und auch die Tempelrolle erwähnt beide Feste separat (T [11-Q19] 17,6–12). Gemeinsam ist den Qumran-Belegen, dass in beiden Kompositionen das Passa, wie auch andere Festzeiten, in ein chronologisches Schema eingeordnet ist, das einem 364-TageKalender folgt (vgl. Leonhard 2006: 230–267). Dies hat den Vorteil, dass die Festzeiten im Jahresablauf auf einen Wochentag fixiert sind und Überschneidungen, etwa mit dem Sabbat, vermieden wer-
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den. Allerdings ist die Frage der Interkalation mit dem astronomischen Sonnenjahr (365 ¼ Tage) nach wie vor ungelöst. Während die Kalendertexte (Calendrical Document A–G; Calendrical Docu ment / Mishmarot A–D; Mishmarot A–J) die Abfolge der Festzeiten mit Priesterordnungen verknüpfen und darauf hin auch das Passa berücksichtigen (vgl. v.a. Calendrical Document / Mishmarot A [4Q320] 4 iii–iv), begegnet das Passa / Mazzot in der Tempelrolle (vgl. T 17,6–9.10–16) im Kontext von Opfer- und Festbestimmungen, die wiederum in die Beschreibung einer idealen Tempelanlage eingeschaltet sind. In T 17,7–9 ist das Passa als Opfer (vgl. ָז ַבח/ zābah) verstanden, das von mindestens 20-jährigen (männlichen) Gemeinschaftsmitgliedern zur Nacht in den Tempelhöfen (vgl. Jub 49,16–20) konsumiert werden soll. Hierzu passt ein Text mit Anweisungen (Miscel laneous Rules [4Q265] 3,3), möglicherweise im Kontext eines Verbots, der eine Frau und einen Jungen ohne das angemessene Alter beim Passa erwähnt. Die zahlreichen Gruben mit Tierknochen, die in Qumran archäologisch nachgewiesen sind, können nur mit den gruppenspezifischen Gemeinschaftsmählern verbunden werden (s.u., 5.2.). Ein konkreter Hinweis auf die Passa-Praxis der Qum raniten sollte davon nicht abgeleitet werden. Das Passa / Mazzot in den antik-jüdischen Pseudepigraphen nötigt hinsichtlich der Ritualpraxis, ähnlich wie schon in Qumran, Zurückhaltung auf. Immerhin ist den Texten mit den Qumran-Belegen gemein, dass durchweg das Opferverständnis des Passa vorherrscht. Auch wenn der zentrale Referenztext in Ex 12 f. vorliegt, der selbst keinen Tempel- und Opferbezug aufweist, ist die Lokalisierung der Feier am Tempel in Jerusalem durch die antik-jüdischen Quellen häufig naheliegend. Unter den Pseudepigraphen, die sämtlich in das 2. Jahrhundert v. Chr. datieren, zeigen Jub 49 und Aristobulos Frgm. 1 eine besondere Nähe zum Befund aus Qumran, insofern beide auf kalendarisch-astronomische Fragen fokussieren. Aristobulos war ein jüdisch-hellenistischer Exeget und Verteidiger jüdischer Tradition (Apologet), der zur Regierungszeit König Ptolemaios VI. Philometor (180–145 v. Chr., vgl. 2Makk 1,10) wirkte, wahrscheinlich in der ägyptischen Metropole Alexandria. Er galt als Philosoph, der in
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apologetischer Absicht Traditionen der jüdischen Tora mit Einsichten der griechischen Philosophie verband. Sein Ziel bestand also darin, das jüdische Erbe in der zeitgenössischen hellenistischen Kultur zu verankern und damit auch zu bewahren. Sein Werk ist nicht überliefert, kann aber teilweise recht zuverlässig aus Zitaten der Kirchenväterliteratur des 3. bzw. 4. Jahrhunderts n. Chr. (Clemens Alexandrinus, Anatolius, Euseb von Caesarea) in fünf Fragmenten rekonstruiert werden. Das hier interessierende erste Fragment geht auf die Schrift „Über das Passa“ von Anatolius zurück, die aber ihrerseits verloren und nur durch eine Wiedergabe in der „Kirchengeschichte“ des Euseb bekannt ist. In Aristobulos Frgm. 1,17f. kommt der Autor unter ausdrücklichem Bezug auf das Buch Exodus auf den Termin des Passa, später auch der Mazzot-Feier (Frgm. 1,18) zu sprechen. Dass dies mit astronomischen Erwägungen einhergeht, ist für das antike Judentum durchaus nicht außergewöhnlich, wenn man an Texte wie Jub, das „Astronomische Henochbuch“ (1Hen 72–82) oder auch (Pseudo-)Eupolemos denkt. In Aristobulos Frgm. 1,17 wird zunächst der Passa-Termin auf „die Mitte des ersten Monats“ gelegt und das Passa selbst ausdrücklich als Opfer markiert, wobei Aristobulos hier eine griechische Wendung für das Passa gebraucht, die später auch Philo von Alexandrien nutzt: διαβατήρια / „Opfer vor einem Überschreiten“. Zudem ist in Aristobulos Frgm. 1,17 f. der Termin des Passa im Jahresverlauf zum ersten Mal in der jüdischen Tradition mit dem Frühjahrsäquinoktium sowie Hinweisen auf den Stand von Sonne und Mond verbunden. Vielleicht lag es in der Absicht des Apologeten, die Bedeutung des Passa über den jüdischen Kulturkreis hinaus durch seine Einbindung in kosmische Phänomene universal auszuweiten. Weitere Inhalte oder Anweisungen zur Durchführung des Passa / Mazzot nennt der Text nicht. Auch das in seiner Gesamtheit nur auf Äthiopisch überlieferte Jubiläenbuch (hebräisches Original: Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr.) kommt auf das Passa im Kontext von Ägyptenaufenthalt Israels und Exodus zu sprechen. Schon durch die Gesamtkonzeption des Jubiläenbuches, das eine interpretierende Nacherzählung von Gen 1 bis Ex 19 bietet, in der die Zeit von der Schöpfung bis zum Exodus in fünfzig Jubiläen, das sind für jedes Jubiläum sie-
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ben Jahrwochen (= 49 Jahre), eingeteilt wird, liegt es nahe, dass das Passa-Kapitel (Jub 49) insbesondere Ex 12 f. als Referenztext nutzt. Außerdem greift Jub 49,9 auf den Fall der Unreinen bzw. Festverweigerer aus Num 9 (s.o., 4.1.) zurück. Da Jub 49,9 ausdrücklich die „Gabe Gottes“ (äthiopisch qwerban) aus Num 9,7 erwähnt, das äthiopische Verb (gabra) für die Passa-Bereitung (Jub 49,1.15) auch „opfern“ bedeuten kann und Jub 49,16–19 vehement die Passa-Feier auf den Tempel beschränkt, wird man auch an dieser Stelle von einem Opferfest sprechen können. Zugleich ist der Charakter einer Mahlfeier hervorgehoben: Neben dem Fleischgenuss wird zum ersten Mal in der Überlieferung Wein erwähnt (V. 6). Und Lobpreis Gottes sowie Festfreude gehören gleichermaßen zum Passa (V. 2.6). Das Opfermahl ist dabei in jeder Hinsicht reglementiert. Gemäß dem im Gesamtduktus des Jubiläenbuches vorherrschenden Prinzip der Trennung und Ausgrenzung sind ausschließlich „Israeliten“ (20 Jahre und älter) angesprochen (V. 17), die das Passa am festgelegten Ort, dem Jerusalemer Tempel (V. 18), zur festgesetzten Zeit (V. 1.10–12) begehen. Da das Siebener-System des Jubiläenbu ches einen 364-Tage-Kalender vorgibt, war letztere chronologische Ausrichtung auf die Trennung von „heiligen und profanen Zeiten“ möglich (vgl. Berner 2006: 234–328.365–382). In Jub 49,6–8 werden Fest und Festfreude, das Gedenken „dieses Tages“, nämlich der Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, und die Legitimation der Passa-Anordnung durch die „himmlischen Tafeln“, auf denen sie festgehalten ist, eng miteinander verschränkt. Die sich dadurch wenigstens andeutende Heilsfunktion des Passa wird inhaltlich gefüllt durch die Bewahrung Israels vor dem „Verderber“ (vgl. Ex 12,13.23), der im Jubiläenbuch „Mastema“ („Feindschaft“) heißt, und durch den Hinweis auf die Intention des Verbots des Knochenbrechens beim Passa-Lamm (vgl. Ex 12,46): Auch Israel wird nicht irgendein Knochen gebrochen werden (Jub 49,13). Das Jubiläenbuch greift mit dem Motiv des „Gedenkens“ ins theologische Zentrum der Passa-Überlieferung (v.a. Ex 12 f.) und konkretisiert dieses Motiv, das schon im „Ägypten-Passa“ auf Aktualisierung göttlichen Heils ausgerichtet war (s.o., 4.1. u. 4.3.). Durch die strikte Periodisierung der Zeit betont das Jubiläenbuch die Zukünftigkeit des im Passa-Fest vollzogenen Erinnerns. Mit
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der Darstellung der Gegnerschaft „Mastemas“ (vgl. auch Jub 17 f.) und der Heilswirkung des Verbots des Knochenbrechens für „Israel“ selbst ist jene Zukünftigkeit inhaltlich mit dem „Schutz“ der Feiernden angemessen gefüllt (vgl. auch Ex 12,13.27 LXX mit der Wiedergabe σκεπάζω / „schützend bedecken“ für das hebräische Verb ָּפ ַסח/ pāsah). Auch der Tragiker Ezechiel nimmt jenes Motiv vom Schutz auf. Die auch „Exagoge“, d.h. „Herausführung“ betitelte Nacherzählung von Ex 1–15 ist ein wohl in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Alexandria abgefasstes dramatisches Gedicht in griechischem Versmaß. Wie schon bei Aristobulos kann der Text nur noch mit Hilfe von Kirchenväterzitaten (Clemens von Alexan drien, Euseb von Caesarea, Pseudo-Eustathius) rekonstruiert werden. Das „Ägypten-Passa“ wird in zwei Abschnitten (Tragiker Ezechiel [EzTrag] 156–174 und 175–192) interpretiert. Der Betonung des Schutzes ist schon in der Verbindung von Passa mit dem „vorbeiziehenden Schreckensengel“ (159) und dem „vorbeiziehenden Tod“ (187) sowie in dem zum Passa gehörenden apotropäischen Ritual (vgl. Ex 12,13.21–23) in EzTrag 157–159 und 184–187 Rechnung getragen. Explizit formulieren EzTrag 187 und 190: „So dass der Tod an den Hebräern vorbeigehen möge“, und: „Ja, Befreiung von euren Übeln wird sein.“ Das griechische Verb, das für die Befreiung von Übeln steht, verwendet auch 4Makk 9,16, um die Befreiung von Folter bei den Märtyrern zu artikulieren. Und in Sapientia Salomonis [SapSal] 12,20 sind es die Feinde, die sich von ihrer Schlechtigkeit befreien könnten. Somit wird über die Wortwahl ein Heilszusammenhang deutlich, der jedoch nicht in gleicher Weise zukunftsorientiert, also „eschatologisch“, erscheint wie im Jubiläenbuch (vgl. auch JosAs 8,5; 19,5; Testament Abrahams [TestAbr], Version A 18,7;19,16). Darüber hinaus ist das Passa gleich zu Beginn der ersten Sequenz (EzTrag 157) als „Passa-Opfer für Gott“ charakterisiert. Zudem sind Rückschlüsse auf den alljährlichen Festbrauch nahezu unmöglich, weil der Tragiker Passagen der Fest-Ätiologie und des Brauches in für die Auslegung kaum noch zu entschlüsselnder Weise miteinander verquickt hat. Die weiteren Hinweise auf das Passa im antiken Judentum begegnen in Texten und bei Autoren, die sämtlich ihre Texte in grie-
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chischer Sprache verfasst haben und um die Zeitenwende datieren: die Weisheit Salomos oder Sapientia Salomonis, eine pseudepigraphe Schrift, die auch in die Septuaginta Eingang fand, sowie die jüdisch-hellenistischen Schriftsteller Philo von Alexandrien (ca. 15 v. Chr. – nach 42 n. Chr.) und Flavius Josephus (ca. 37–100 n. Chr.). Allen Quellen ist eine recht starke Verankerung in der hellenistischen Kultur gemeinsam. In SapSal 18,6–9 zeigt sich jene Verankerung in einer thematischen Bezugnahme, ohne Erwähnung des „Passa“. Die Perikope ist Teil einer in sieben Abschnitte gegliederten, beurteilenden Vergleichung oder Gegenüberstellung von „Gerechten“ und „Frevlern“, die die hellenistische Gattung der „Synkrisis“, der „vergleichenden Beurteilung“ aufnimmt (SapSal 11–19). Thematisch bezieht sich die Weisheit Salomos dabei insbesondere auf die Plagen- und Exodus-Erzählungen aus Ex 1–15. In Kap. 18, das an die Passa-Nacht erinnert, können V. 6–9 und 10–13 als sich entsprechende Teile einer Gegenüberstellung verstanden werden. Während V. 10–13 die Strafe für die „Frevler“, nämlich die „Ägypter“, in der Passa-Nacht thematisiert, beschreibt V. 6–9 die Folgen jener Nacht für die „Gerechten“, nämlich das Gottesvolk. Entscheidend ist dabei das Motiv der Erstgeburtstötung, das schon in Ex 11–13 Plagen zyklus und Passa miteinander verbindet (s.o., 4.1.). Die Passa-Feier wird als Opfer verstanden, das „im Verborgenen“ stattfindet (SapSal 18,9), womit die Feier zum „Mysterienkult“ wird, wahrscheinlich gegen die Mysterienkulte der Umwelt gerichtet. Jedenfalls ist durch die weisheitliche Interpretation der Nacht als Zeit der Passa-Feier auf das räumliche „im Verborgenen“ hin die Kultgemeinschaft in besonderer Weise ausgezeichnet. Dieser Aspekt wäre gestärkt, wenn die „Eide, denen sie [die Väter] glaubten“ (SapSal 18,6) und die Verpflichtung auf das Gesetz (vgl. V. 9) als Hinweise auf eine Bundestheologie gedeutet werden könnten (so Hartenstein 2008: 193), was jedoch aufgrund der Anspielungen nicht erweisbar ist. In der besonderen Auszeichnung der Passa-Gemeinschaft sehen auch Philo von Alexandrien und Flavius Josephus einen Schwerpunkt der Überlieferung. Allerdings wird dieser Schwerpunkt der Passa-Deutung bei Philo und Josephus in sehr unterschiedlichen literarischen Formen verdeutlicht. Philo interpretiert das Passa in seinen exegetischen Werken mit allegorischen und lite-
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rarischen Methoden und zeigt dabei philosophische Einflüsse. Josephus schreibt als Historiograph jüdische Geschichte. Er verfasst seine beiden Hauptwerke zwischen 75 und 100 n.Chr. in Rom: die Antiquitates Judaicae, eine Art biblische Nacherzählung zur Geschichte der Juden von der Schöpfung bis zum Aufstand gegen Rom im Jahre 66 n. Chr., De Bello Judaico, eine historiographische Abhandlung über die jüdischen Aufstandsbewegungen, beginnend mit der „Syrischen Religionskrise“ unter Antiochos IV. Epiphanes im 2. Jahrhundert v. Chr. und endend mit dem „Ersten Jüdischen Krieg“. Grob könnte man festhalten: Während Philo, ein hoch gebildeter Aristokrat aus der „hellenistischen Hauptstadt“ Alexandria, exegetisch und philosophisch formulierte, schrieb Josephus, ein aus priesterlichem Geschlecht stammender und zu den Römern übergelaufener „Historiker“, nacherzählend-historisierend. Diese für die hellenistisch-römische Zeit durchaus nicht ungewöhnlichen literarischen Typen sind mit Blick auf das PassaVerständnis schon deshalb zu beachten, da in der Forschung beide Autoren immer wieder zur Rekonstruktion der Passa-Feier in der Zeit des Zweiten Tempels herangezogen werden. Neben der bei Philo und Josephus zu registrierenden Intention, den Gemeinschaftsaspekt beim Passa zu betonen, ergeben sich bei beiden Schriftstellern zahlreiche Einzelaspekte, die das bisher ermittelte Spektrum des antik-jüdischen Passa-Verständnisses erheblich erweitern. Bei Philo liegt dies in der Methode der allegorischen Schriftauslegung begründet, bei Josephus in der Abkehr von der Notwendigkeit des Jerusalemer Tempels als Ort des PassaOpfers. So ist bei Josephus das tempelzentrierte Opfer nur eine von vielen Verstehensmöglichkeiten des Passa. Die weiteren Möglichkeiten der Festbegehung werden dadurch legitimiert, dass der römisch-jüdische Historiograph das „Ägypten-Passa“ (Ex 12 f.) und das zeitgenössische, regelmäßige Passa-Ritual miteinander identifiziert (vgl. Flavius Josephus, Antiquitates 2,313 u. Colautti 2002: 23–34). Zum „Ägypten-Passa“ gehört bei Josephus kein apotro päischer Ritus. Vielmehr wird die Bedeutung des Bestreichens der Häuser mit Blut (vgl. Ex 12,7.21–23) umgedeutet: Die Israeliten sollen sich vom 10. bis 14. des ersten Monats (Nisan: s.o., 2.2.) r üsten und das Opfer bereithalten. Dann bestreichen die Israeliten ihre
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Häuser mit Opferblut, um sie so zu „reinigen“ – ob das griechische Verb ἁγνίζω / „reinigen“ hier sühnende Bedeutung hat, ist umstritten (Flavius Josephus, Antiquitates 2,311f.). Jedenfalls betont Josephus an anderen Stellen die Reinheit als wichtigen Bestandteil seines Passa-Verständnisses (vgl. Antiquitates 11,109; De Bello Judaico 6,426) und identifiziert das „Ägypten-Passa“ mit dem regelmäßigen jüdischen Fest, indem „Passa“ als das „Vorübergehen Gottes“ erklärt wird (ὑπερβάσια) (Flavius Josephus, Antiquitates 2,313). Auch Philo greift bei der Erklärung von „Passa“ auf dieses Wortfeld zurück. Allerdings führt er mit dem griechischen Begriff διαβατήρια / „Opfer vor einem Überschreiten“ (vgl. Philo, Quae stiones in Exodum I,4; De specialibus legibus II,145; De vita Mosis II, 224.226) im Gegensatz zu Josephus nicht nur einen das „Passa“ interpretierenden Terminus ein, sondern greift auf im Griechentum bereits bekannte Vorstellungen zurück (vgl. auch διάβασις / „Überschreiten“: Philo, Legum allegoriae III,165; De sacrificiis Abelis et Caini 63; De migratione Abrahami 25; De congressu eru ditionis gratia 106). Nicht zuletzt erhält Philo mit dieser „Worterklärung“ einen Anknüpfungspunkt für die allegorische Deutung des Passa. In einem Abschnitt aus De specialibus legibus (II,145–149) erläutert der Alexandriner drei Dimensionen des Passa: die literarische („historisch-wörtliche“), die allegorische („übertragene“) und die liturgische („rituelle“): Zunächst wird die Einbindung des Passa in die Situation der Befreiung der Hebräer aus Ägypten eingepasst. Die Haltung der Gemeinde besteht in „Erinnerung“ und „Dank“, so dass Dankopfer dargebracht werden. Da die Gemeinschaft nicht auf die Priester wartet, steht sie selbst an deren Stelle als Opfernde. Während die „Erinnerung“ einen bereits im „Ägypten-Passa“ angelegten Zug aufgreift (s.o., 4.3.), ist der Dank an anderer Stelle (De migratione Abrahami 25) gar mit dem Eucharistie-Begriff ausgedrückt. Der allegorische Teil bezieht das Passa-Fest auf die Reinigung der Seele. Was Philo damit gemeint hat, erläutert auch ein Abschnitt in der Schrift Legum allegoriae (III,94): Jene, die das erste Passa opfern, haben die Leidenschaften – wie die Versuchungen der Seele – überwunden. Demgegenüber sind solche, die das zweite Passa (vgl. Num 9; 2Chr 30) feiern, je zu den Leidenschaf-
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ten der Seele Zurückkehrende. Philo bezieht also den „Übergang“ des Passa, „historisch“ als Dank heischende Befreiung verstanden, allegorisch auf den Übergang der Seele von der Leidenschaft zur Tugend. Schließlich wendet sich der dritte Abschnitt in De specia libus legibus III,145–149 der regelmäßigen Festpraxis zu, wo u.a. jedes Haus der Festgemeinde zum Tempel erklärt wird. Nochmals ist hier also der besondere Gemeinschaft und Identität stiftende Aspekt des Passa betont. Es kann festgehalten werden: Die Passa-Interpretation im antiken Judentum erweitert das Bedeutungsspektrum erheblich und bietet, entweder durch einzelne Stichwörter wie „Eucharistie“ oder auch durch konzeptionell-theologische Schwerpunkte wie Schutz, Dank, Erinnerung, zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten für die Rezeption im frühen Christentum. Allerdings fällt auch auf, dass für das frühchristliche Abendmahl zentrale theologische Akzente wie Bund oder Sühne gar nicht oder nur sehr am Rande belegt sind (vgl. zum Befund Löhr 2008: 110–115). Eine verlässliche Rekonstruktion des Passa-Rituals in hellenistisch-römischer Zeit erlauben die Quellen bestenfalls in Ansätzen.
5.2. Mahlfeiern im antiken Judentum Insofern das alte Israel an der altorientalischen und das antike Judentum an der hellenistischen Kultur partizipieren, die je vielfältige Formen (kultischer) Mahlgemeinschaften kennen, ist ein Blick auch auf solche Mahlfeiern hilfreich, die nicht ausdrücklich im Kontext von Passa / Mazzot begegnen. Neuere Forschungen haben etwa gezeigt, dass sowohl die jüdische Passa-Liturgie (vgl. Mischna Pesachim) als auch das (früh-)christliche Abendmahl von Mahlvorstellungen bei Griechen und Römern (so genannte „Symposien“) beeinflusst wurden. Da hier insgesamt sehr unterschiedliche Traditionen zu berücksichtigen sind und zudem Motivzusammenhänge außerjüdischer und -christlicher Religionen im Vordergrund stehen, bewegt man sich auf einem höchst unsicheren Terrain. Zunächst ist wiederum Qumran zu beachten, wo Zeugnisse eines regelmäßigen Gemeinschaftsmahls überliefert sind. Zwei aufeinander zu beziehende, gruppenspezifische Texte, die „Sekten-“
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oder „Gemeinderegel“ und die „Gemeinschaftsregel“ betonen, dass die Qumraniten eine regelmäßige Mahlgemeinschaft praktiziert haben. Die „Gemeinderegel“ (hebr. særæk hajjahad [S]) aus Höhle 1 beschreibt in S (1Q28) VI,3–8 die Zusammenkunft zu einem Mahl. Wenn sich zehn männliche Mitglieder der Gemeinschaft versammeln, so soll in jedem Fall ein Priester zugegen sein, der der Gemeinschaft vorsitzt. Man kommt zusammen zu „Brot“ und „(neuem) Wein“, die hier für Speisen im Allgemeinen stehen. Tisch- und Redeordnung der Gemeinschaft sind, entsprechend der Rangordnung, streng festgelegt (vgl. auch S VI,8–13). Der Priester soll seine Hand zum Segen über „Brot“ und „Wein“ ausstrecken. Und die Zusammenkunft zielt auf die Auslegung der „Tora“. Die Aufnahme in die Gemeinschaft sieht zudem ein Noviziat von einem (S VI,16 f.) bzw. zwei Jahren (S VI,20 f.) vor. Es zeigt sich, dass insbesondere die Mahl-Gemeinschaft von Qumran durch eine strenge Ordnung gekennzeichnet ist. Die „Gemeinschaftsregel“ (hebr. særæk ha‘edāh [Sa]) präzisiert die Funktion der Mahlgemeinschaft in zweierlei Weise: Zum einen heißt es in Sa I,1: „Dies ist die Regel der ganzen Gemeinschaft Israels am Ende der Tage“, womit das Mahl eine eschatologische Bedeutung erhält. Zum anderen tritt eine messianische Funktion hinzu, denn in Sa II,11–22 sitzt der wiederum streng geregelten Rangordnung der „Gesalbte“ bei Tisch vor. Auch hier soll der Priester mit ausgestreckter Hand „Erstlingsbrot“ und „neuen Wein“ segnen. Jedoch folgt ihm nun der „Gesalbte“ mit der Segnung des „Brotes“ nach. Möglicherweise geht es der Gemeinschaft also um die Vorwegnahme des letzten messianischen Festmahls vor dem „Ende der Tage“. Unklar ist, inwiefern hier ein Kultmahl vorliegt, etwa als Ersatz für den Jerusalemer Tempelkult. Zweierlei ist bei dieser Frage zu beachten: Einmal ist das Buch Deuteronomium, das ja die Kultzentralisation propagiert (s.o., 4.1. u. 4.2.), ein in Qumran besonders beliebtes Buch, was seine zahlreichen Abschriften in den Höhlen vom Toten Meer zeigen. Wenn die Qumraniten den Inhalt von Dtn 12 f. nicht nur kannten, sondern auch befolgten, dann wird man sich einen – wie auch immer gearteten – Kult außerhalb des Jerusalemer Tempels in der Gemeinschaft kaum vorstellen können. Dazu würde auch passen, dass sich archäologisch keine kultrelevanten
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Gegenstände in Qumran nachweisen lassen. Wenn man zum anderen die Räumlichkeiten des Areals von Qumran in Augenschein nimmt, dann wird man mindestens in einem Fall auf einen Raum für die beschriebenen Mahlfeierlichkeiten schließen können. Hinzu kommen die zahlreichen Knochendepots. Sie verweisen als Reste auf eine ausgiebige Mahlpraxis in Qumran (vgl. Magness 2002: 113–126). Die Qumraniten haben also eine regelmäßige, vielleicht wie die „Therapeuten“ je am Sabbat einberufene, Mahlfeier veranstaltet. Das Mahl war mit Segenshandlungen über „Wein“ und „Brot“ und mit entsprechenden Gebeten verbunden, die vielleicht in den „Segenssprüchen“ (hebr. dibrê habberākôt [Sb]) überliefert sind. Das Bankett dürfte weniger ein kultisches als vielmehr ein endzeitlich-messianische Hoffnungen ausdrückendes Mahl gewesen sein (vgl. Sa). Insofern ist es vergleichbar dem endzeitlichen Völker- und Freudenmahl in Jes 25,6–10a, das jedoch seine Hoffnung auf das „Verschlingen des Todes“ (V. 8) und nicht auf das Kommen des Messias richtet. Der Weg dieser Hoffnung wurde in Qumran u.a. durch eine klare Hierarchisierung der Gemeinschaft und eine strenge Reinheitsauffassung, von der etwa auch die deponierten Knochenreste in Qumran zeugen, eingeschlagen. Die bereits erwähnten „Therapeuten“ sind eine jüdische Gruppierung in Alexandrien, die Philo in seinem Werk De vita contem plativa beschreibt. Die Schrift geht sehr detailliert auf einen Vergleich zwischen der griechischen bzw. italischen Symposienform und der Art, wie die „Therapeuten“ Mahlgemeinschaft feiern, ein. Philo wählt bei der Darstellung, wie schon die Weisheit Sa lomos (s.o., 5.1.), die literarische Form des kritischen Vergleiches oder: „Synkrisis“. Während die griechischen Symposien, etwa in den Darstellungen bei Xenophon und Platon, das philosophische Gespräch bemühen, die Qumraniten zur „Tora“-Auslegung zusammenkommen, geht es nach dem idealisierenden Schema des „Therapeuten“-Symposiums bei Philo um „Fragen über die heiligen Schriften“ (Philo, De vita contemplativa 75). Auch allgemein stellt Philo die konventionelle Symposien-Form derjenigen der „Therapeuten“ gegenüber: Dem Eintreffen mit Begrüßung, Händewaschen, Platzanweisung und der Vorspeise steht in der jüdischen Form kein analoger Ritus gegenüber. Beim Mahl entspre-
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chen der mehrgängigen Hauptmahlzeit in der konventionellen Form die Stille und der anschließende Lehrvortrag bei den „Therapeuten“. Diese beschränken sich beim Übergangsritual auch auf den Lobgesang Gottes, während die konventionelle Form noch das Tischabräumen und die Libation (Trankopfer) vorsieht. Schließlich ist der vierte Teil, das Symposion, nicht mit Nachtisch, gemischtem Wein, Gesprächen und weiteren Gästen, sondern mit Brot, Salz, klarem Wasser und dem „Exodustanz“ gefüllt. Hintergrund der idealisierenden Beschreibung bei Philo dürfte die schwierige Situation der Juden in Alexandria gewesen sein, die keine vollen Bürgerrechte besaßen und mit den konkurrierenden Griechen darum kämpften. Daher ist es die Absicht der Schrift, um die richtige, tugendhafte Haltung der Juden am leuchtenden Beispiel der „Therapeuten“ zu werben – gegen die verwerfliche SymposienPraxis der Griechen. Hierzu beruft sich Philo auf das stärkste Argument der jüdischen Tradition, die rettende Befreiungstat in Ägypten, und methodisch einmal mehr auf die allegorische Auslegung (vgl. insgesamt die Deutung bei Ebner 2007: 64–90). Eine besondere Schwierigkeit stellen die kurzen und formelhaften Formulierungen der antik-jüdischen Schrift Joseph und Aseneth (JosAs) dar. Die „romanartige“ Ausschmückung der in der Josephgeschichte (Gen 37–50) notierten Heirat Josephs mit der ägyptischen Priestertochter Asenat (vgl. Gen 41,45.50; 46,20), entstanden zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 2. Jahrhundert n. Chr., spricht – vereinfacht gesagt – vom „Brot des Lebens“, dem „Becher des Segens (der Weisheit)“ (JosAs 8,9; 19,5; 21,21) bzw. vom „Brot des Lebens“, dem „Becher der Unsterblichkeit“ und der „Salbe der Unverweslichkeit“ (JosAs 8,5; 15,5; 16,16). Hinzu kommt die Rede vom „Brot des Lebens“ und vom „Becher des Segens“ in 8,9. Die Deutungen dieser zunächst formelhaft wirkenden Passagen reichen von schlichter Berücksichtigung jüdischer Speisegebote, den Anspielungen auf ein Mysterienmahl, über Annahmen einer christlichen Einfügung (vgl. Joh 6,35.48.51) bis hin zum Verweis auf ein Kultmahl, etwa auch im Sinne des Passa. Allerdings bleibt angesichts der im Einzelnen variierenden Formulierungen der Schluss auf eine geprägte Formel eher unwahrscheinlich. Und die feste Einbindung der Begriffe und Formulierungen in Erzählungen und Gebete des
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„Romans“ zeigt die Bedeutung des Gesamtduktus der Schrift für das Verstehen jener Wendungen an. So geht es um die Frage, wie der fromme Joseph eine dem Götzendienst verfallene ägyptische Priestertocher heiraten konnte, und damit thematisch zugleich um die Bekehrung der Aseneth. Während also Joseph im Elternhaus der Aseneth weilt, will diese ihn begrüßen und küssen. Doch Joseph weist Aseneth zurück, da es sich für einen gottesfürchtigen Verehrer des lebendigen Gottes nicht schicke, eine fremde Frau zu küssen. Weiter stellt JosAs 8,5 Joseph und Aseneth einander gegenüber: Jener esse „gesegnetes Brot des Lebens“, trinke aus dem „gesegneten Becher der Unsterblichkeit“ und salbe sich mit „gesegneter Salbe der Unverweslichkeit“. Demgegenüber segne Aseneth Götzenbilder und esse – man beachte die Entsprechung – vom „Brot der Erstickung“, trinke aus dem „Kelch des Hinterhalts“ und salbe sich mit der „Salbe des Verderbens“. In einer weiteren Szene lädt Aseneth den Engel M ichael zu Tisch (vgl. 15,13–17,6). Auf dessen Vermittlung erhält Aseneth eine Honigwabe zu essen (16,15f.), die der „Geist des Lebens“ (16,14) ist. Da auch Aseneth von diesem Lebensbrot isst, versichert ihr der Engel, dass jetzt auch sie vom „Brot des Lebens“, vom „Becher der Unsterblichkeit“ gekostet und sich mit „Salbe der Unverweslichkeit“ gesalbt habe (16,16; vgl. 15,5). Bestenfalls die zuletzt beschriebene Szene kann eine Art Mahlgemeinschaft voraussetzen, auch wenn, wie die Beispiele aus Qumran und vom „Therapeuten“-Mahl (s.o.) gezeigt haben, zu einem ritualisierten Mahl mehr gehört. Hier geht es also nicht um Kultus, weniger um Ritus und eher um Habitus. So wird das jüdische Leben als gesegnetes, in Engel- und Gottesnähe, fern von allen Götzen und in der ganzen Fülle der Lebenskraft, die auf Unsterblichkeit zielt, umschrieben und gegen das verderbliche Dasein der „Heiden“ gestellt. An der ägyptischen „Heidin“ Aseneth wird dann der Weg der Konversion vom Verderben zu jener Lebensfülle, gleichsam von den Götzen zum einen Gott, erläutert. Die Belege in Joseph und Aseneth verweisen also nicht auf ein Mahl, schon gar nicht auf ein Kultmahl, sondern charakterisieren eine Lebensweise (vgl. Collins 2000: 230–233). Bereits für Qumran und Jes 25,6–10a waren eschatologische Aspekte der Mahlfeier zu bedenken. Hierzu passt die in zahlreichen
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Formen von Mahlfeiern begegnende Thematik vom Tod und – bisweilen – seiner Überwindung. Abschließend seien zu diesem Thema zwei Beispiele wenigstens knapp beschrieben: ein Totenmahlrelief aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und die Weiterentwicklung eines alt orientalischen Mahlbrauches (Marzeach) im antiken Judentum.
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An der palästinischen Küste, zum einen in der ehemaligen Philisterstadt Aschkalon (nördlich von Gaza) und zum anderen in Apollonia-Arsuf (nördlich von Jaffa), hat man zwei Totenmahlreliefs gefunden, die typische Szenen der aus Griechenland bekannten Darstellungen bieten. Zumindest das Marmorrelief aus Apollonia-Arsuf (11x15x2,5 cm) stammt noch aus der Zeit vor der griechischen Eroberung Palästinas. Es zeigt eine typische (attische) Totenmahlszene: An einem Tisch liegt eine als Heros dargestellte, bärtige Person, die ein Trankopfer ausführt, vermutlich mit Wein. Mit dem Bärtigen sitzt eine Frau am Tisch, die einen Becher in der Hand hält und den Heros ansieht. Abgebildet sind außerdem zwei stehende und anbetende Figuren sowie die im griechischen Kontext der Totenwelt zugehörigen Tiere (Pferd, Schlange), schließlich ein Altar in der Nähe der eigentlichen Mahlszene. Das Relief dürfte keine Importware darstellen, sondern ist wohl für einen an der palästinischen Küste ansässigen Griechen hergestellt worden und gehörte eher in ein Heiligtum als in den Grabkontext (vgl. Fischer / Tal 2003: 49–57). Die mit dem dargestellten Totenritual verbundenen Feiern sind zugleich Trauer- wie Vergnügungsfeste gewesen, bei denen etwa ein karnevalesker Personentausch stattfand. Dass das alte Israel, und später das Judentum (vgl. Elephan tine-Papyri D7.29, Z. 2 f.), solche Feste kannte, weiß man von dem in Am 6,7 und Jer 16,5 belegten Marzeach, das im antiken Judentum als „Maioumas“ und bei marokkanischen Juden bis in die Gegenwart als „Maimuna“-Fest gefeiert wird, und zwar am Tag nach dem Ende des Passa (vgl. Schorch 2003: 400–414).
5.3. Ergebnisse Im antiken Judentum wird das Passa weitgehend als Opfer aufgefasst. Und zwar auch zu Zeiten, da der Tempel als Opferstätte nicht mehr existierte (Josephus). Philo und Josephus heben sehr stark den Gemeinschaftsaspekt hervor, „demokratisieren“ so das Passa-Opfer als Identität stiftendes Gemeinschaftsmahl. Die Kultgemeinschaft „im Geheimen“ begegnet dann in der Sapientia Sa lomonis. In der LXX-Interpretation des „Ägypten-Passa“ bereits erkennbar, steht das Motiv des Schutzes im Vordergrund, das his-
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torisierend an den Blutritus und die Exodus-Erinnerung geknüpft und theologisierend als Nähe zum Gott Israels verstanden wird (Jub, EzTrag). Jene Nähe kann auch in den Mahlbestandteilen von Brot, Wein und Salbe zum Tragen kommen, selbst dann, wenn jene Bestandteile kein Kultmahl bezeichnen (JosAs). Schließlich unterstreichen die Nachrichten über Mahlfeiern zunächst die mögliche Vielfalt von Mahlritualen, wobei etwa das „Bundesmahl“ (Ex 24,9–11), das „Hochzeitsmahl“ (Ps 45), das „Gelage“-Haus (Pred 7,2), das „Wein“-Haus (Hhld 2,4) oder die Symposien-Protokolle am ptolemäischen Hof (Aristeasbrief § 187–300) zu ergänzen wären. Darüber hinaus zeigte sich auch bei den Nachrichten zu den Mahlfeiern, wie wenig diese für die in der Antike geübte konkrete Praxis aussagen. Es ist sinnvoll, insbesondere bei den zuletzt dargestellten Mahlfeiern, Ritus und Kultus voneinander zu unterscheiden. So zeigen die angeführten Beispiele, dass Opfer und die Durchführung von Opfern nicht immer eindeutig zu identifizieren sind, jedoch stets Rituale eine Rolle spielen (vgl. Qumran).
6. Zusammenfassung Nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n. Chr. hatten die jüdischen Feste, insbesondere die Wallfahrtsfeste (Passa, Wochenfest, Laubhüttenfest), ihr liturgisches Zentrum verloren. Die Liturgie verlagerte sich ganz in die Synagoge. Gebet und Schriftlesung ersetzten die Opfer. Die Festlesung für das Passa liegt im Hohenlied vor. Das Hohelied, eine der fünf „Festrollen“ ( ְמ ִגיּלוֹת/ megîllôt), wurde seinerseits schon früh auf die Liebe zwischen Gott und Israel gedeutet. Angesichts der sich im Durchgang durch die Passa-Traditionen herausschälenden theologischen Leitlinien von „Nähe zu Gott“, „Aktualisierung von Heil“ und „Schutz“ wird man in der Schriftlesung des Hohenliedes einen angemessenen Opferersatz sehen. Nun zeigt sich, dass das Passa (vgl. Ex 12 f.) und auch andere Mahlfeiern (Qumran) bisweilen ganz ohne die Opfervorstellung auskommen. Beim „Ägypten-Passa“ dürfte dies auch in der kompositorischen Verortung von Ex 12 f. im Pentateuch begründet liegen: Der Sinai und die Ordnungen zum Opfer sollten
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erst noch folgen (anders etwa Jub 49). Andere, wie Philo und Josephus, konnten das Opferverständnis modifizieren. Allerdings zeigt der dargestellte Befund auch, dass nur in vereinzelten Belegen die konkrete Praxis der Mahlfeiern durchscheint. Zumindest der heutige Beobachter, mit dem großen zeitlichen Abstand zur Entstehungszeit der Überlieferungen, muss feststellen: Die Texte stellen eher Interpretationen von nicht ausdrücklich mitgeteilten oder uns auch schlicht unbekannten Formen von Opfer und Ritual dar. Dennoch ist eine Deutung von Passa und antiken Festmählern in diesem Kontext statthaft, weil sich Rituale auch auf literarischer Ebene abbilden können, etwa in der Abfolge bestimmter Verbalformen in semitischen Sprachen – im Alten Testament (vgl. die Opfertexte in Lev 1,3–6.10 f.) wie in altorientalischen Texten. Schließlich sollte man Opfer und Ritual nicht miteinander vermengen. Die behandelten Zeugnisse zeigten, dass Ritus und Opfergabe sich keineswegs bedingen. Und in Judentum und Christentum allgemein ist mit dem „Ende des Opfers“, seiner „Spiritualisierung“, etwa im Gebet, oder Auflösung ins Ritual, etwa in der „Liturgie“, ein neuer Aufbruch verbunden, vielleicht auch eine schon in der Antike wirksame Etablierung und Verfestigung des jeweiligen religiösen Systems (vgl. Stroumsa 2009: 56–83). Rituale schaffen Orientierung in Raum und Zeit. Sie dienen der Selbstvergewisserung (Identität). Sie stellen sich selbst als notwendig dar, unterliegen in der eigenen Geschichte aber auch Wandlungen. Für das Passa sind hinsichtlich der Orientierung vor allem jene Belege interessant, die die Gemeinschaft der Feiernden besonders auszeichnen (SapSal 18,6–9; Philo und Josephus; vgl. auch das „Therapeuten“-Mahl) und den Zeitaspekt mit Blick auf Festtermin und Zeitstruktur allgemein hervorheben (vgl. Lev 23,5–8; Num 9,1–14; Aristobulos Frgm. 1; Jub 49; vgl. auch die Mahlfeiern in Qumran). Hinzu kommen für die hier diskutierten Mahlrituale insgesamt Verortungen im und außerhalb des „Heiligen“ bzw. „Heiligtums“ (vgl. Qumran; Totenmahlrelief). Der Aspekt der Selbstvergewisserung ist mit den v.a. historisierenden Verstehensweisen der Mahlfeiern verknüpft: Schon der Blutritus (Ex 12,21–23), dann die Rolle des „Verderbers“ und später „Mastemas“ (Jub 49,2) und die Betonung der Schutzfunktion (EzTrag 187.190)
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liefern Anhaltspunkte. Daneben dienen Mahlrituale der Identität von Gemeinschaft und damit auch der Abgrenzung gegenüber anderen (vgl. Ex 12,48; Elephantine, Samaria und Philo: „Therapeuten“-Mahl). „Notwendigkeit“ und „geschichtliche Wandelbarkeit“ von Ritualen sind schließlich beim Passa eng aufeinander bezogen: So garantiert die „Notwendigkeit“ des Passa seinen Bestand auch über die Zeit der Tempelzerstörung hinaus, und zwar indem die bei Philo und Josephus betonte „Demokratisierung“ des Opfers die Voraussetzung zum Wandel des Passa-Verständnisses anbahnt. Einerseits zeigte sich, übrigens mitunter gegen Tendenzen der älteren Passa-Deutung im Alten Testament, eine nahezu flächendeckende Auffassung vom Passa-Opfer im antiken Judentum. Andererseits konnte jener Opfer-Charakter des Passa nach der Zerstörung des zentralen Heiligtums, des Tempels in Jerusalem, nicht mehr oder nur noch in modifizierter Form (vgl. die Samaritaner) aufrecht erhalten werden.
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Entstehung und Bedeutung des Abendmahls im frühesten Christentum 1. Verschiedene Fragen und ihre Interessen Die Forschung stellt zum Thema Abendmahl verschiedene Fragen an das Neue Testament. Im Vordergrund scheint dabei ein vielfältiges historisches Interesse zu stehen: Wie feierten die ersten Christen das Abendmahl? Welche theologischen Vorstellungen, Erwartungen und Hoffnungen verbanden sie und später die Autoren des Neuen Testaments mit dem Ritus? Welche Anregungen aus ihrer Umwelt und ihrem religiösen Herkommen nahmen sie zur Gestaltung der Feier auf? Wie hätte der nicht-christliche zeitgenössische Betrachter die Mahlfeier der ersten Christen verstanden? Mit welchen anderen Phänomenen antiker Kultur und Religion hätte er sie verglichen? Und in welcher Beziehung steht das frühchristliche Abendmahl zu den Worten und Taten Jesu von Nazareth? Hat er tatsächlich das Abendmahl „eingesetzt“, d.h. dessen Feier begründet und befohlen? Zur Beantwortung dieser Fragen reicht es nicht, das Neue Testa ment allein zu untersuchen. Die später kanonischen Schriften waren noch gar nicht abgefasst, als die Christen schon das Abendmahl feierten. Zudem entstanden neben ihnen gleichzeitig solche, die nicht, oder nicht auf Dauer und überall, Teil des Neuen Testaments wurden. Generell gilt: Für die historische Erforschung des frühesten Christentums sind stets alle erreichbaren, nicht nur die später kanonischen, Quellen der Zeit heranzuziehen. Für die Frage nach
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dem Abendmahl hat diese allgemeine methodische Vorentscheidung große Bedeutung. Zwei Beispiele machen dies anschaulich: 1. Eine der wichtigsten frühchristlichen Quellen zum Abendmahl, die vielleicht schon zur Zeit der später kanonischen Schriften entstand, ist die so genannte Didache (von διδαχή = „Lehre“, gemeint ist die „Lehre der zwölf Apostel“). Dieser Text fand nicht endgültig einen Platz im Neuen Testament und wird heute zu den „Apostolischen Vätern“ gerechnet. 2. Das früheste bekannte heidnische Zeugnis über das entstehende Christentum, ein Brief des Statthalters (legatus Augusti) der römischen Provinz Bithynia-Pontus (im nördlichen Kleinasien), C. Plinius Secundus (auch Plinius der Jüngere genannt; 62–113 n. Chr.) an den Imperator Trajan, geht, wenn auch in wenig sachkundiger und etwas undeutlicher Weise, auf die Mahlfeier der Christen ein (Plinius, Epistulae 10,96). Das Interesse am frühchristlichen Zeugnis über das Abendmahl reicht jedoch über die historische Erforschung der Ursprünge hinaus: Wer sich über die Anfänge des Abendmahls informieren will, tut dies oft, um sich der eigenen Glaubenspraxis zu versichern, oder um Argumente in einer theologischen Auseinandersetzung über Bedeutung und Gestalt des Abendmahls in der Gegenwart zu finden. Mit anderen Worten: Die historische Frage dient legitimierenden oder kritischen Interessen im innerkirchlichen und theologischen Gespräch, bisweilen aber auch darüber hinaus: Wird das Abendmahl „richtig“ gefeiert? Wird sein traditionelles Bedeutungspotential ausgeschöpft? Lassen sich Probleme gegenwärtiger Abendmahlspraxis durch Besinnung auf ihre Ursprünge klären und lösen? Inwieweit dann der historische (im Unterschied zum kanonischen) Befund tatsächlich solche legitimierende oder korrigierende Kraft haben kann oder darf, ist eine Frage, die der systematisch-theologischen Klärung bedarf.
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2. Bezeichnungen: Herrenmahl – Brotbrechen – Eucharistie – Agape Die Bezeichnung „Abendmahl“ hat keine direkte Entsprechung in den frühchristlichen Quellen. Sie erinnert an die Herleitung des christlichen Sakraments vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern, das nach Mk 14,17 / Mt 26,20; 1Kor 11,23 abends bzw. nachts stattfand; die (weniger bestimmten) Angaben in Lk 22,14; Joh 13,2 setzen ebenso einen Abendtermin voraussetzen. Die vermutlich ältesten schriftlichen Quellen, die Briefe des Apostels Paulus, sprechen nicht vom Abendmahl, sondern einmal von dem „zum Herrn gehörenden Mahl“ bzw. dem „Herrenmahl“ (1Kor 11,20; κυριακὸν δεῖπνον; 1Kor 10,21 stellt den „Tisch des Herrn“ dem „Tisch der Dämonen“ gegenüber). Damit wird der „Herr“, gemeint ist Jesus Christus, als zentraler Bezugspunkt der Feier ausgewiesen. Kaum dürfte es sich nur um eine Bezeichnung der Mahlelemente, also um „Herrenspeise“ (Kremer 1996) handeln. Nach dem Kontext in 1Kor 11 ist nicht zu bezweifeln, dass Paulus den Herrn Jesus Christus als Urheber und Eigentümer bzw. gegenwärtigen Gastgeber, daneben wohl auch als wesentliche Sinngebung der Feier versteht. Ansonsten formulieren die paulinischen Texte verbal: Während in 1Kor 11,27 f. einfach von „Essen“ und „Trinken“ die Rede ist, scheint 1Kor 10,16 (über dem Segenskelch den Lobpreis sprechen – das Brot brechen) auf bereits geprägte Sprache zurückzugreifen. Der griechische Begriff δεῖπνον („Mahl“) weist übrigens auf die am späten Nachmittag oder frühen Abend eingenommene Mahlzeit hin (Heininger 2005: 36). In den Schriften, welche die Tradition auf Lukas zurückführt, begegnet erstmals die vermutlich feste Bezeichnung „Brotbrechen“ (κλάσις τοῦ ἄρτου), welche die besondere christliche Mahlfeier meint (vgl. Lk 24,35; Apg 2,42; verbal Apg 2,46; 20,7.11). Wohl in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts sprechen sowohl die bereits erwähnte Didache als auch die (in ihrer Echtheit umstrittenen) Briefe des Bischofs Ignatius von Antiochien in Syrien von der „Eucharistie“ (εὐχαριστία; wörtlich: „Dank“; vgl. Didache 9,1.5; Ignatius, An die Epheser 13,1; An die Philadelphier 4,1; An die
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Smyrnäer 7,1; 8,1). Diese Bezeichnung erlangte in der Geschichte besondere Bedeutung (Stuiber 1966: 915) und scheint die Mahlfeier als „Dankgebet“ oder „Dankopfer“ zu verstehen. Auch der griechische Begriff ἀγάπη (wörtlich: „Liebe“, gedacht ist an das Liebesmahl) wird gelegentlich für die frühchristliche Mahlfeier eingesetzt, so in Jud 12; 2Petr 2,13 varia lectio; Ignatius, An die Smyrnäer 8,2 (vgl. auch die Anspielung in Ignatius, An die Römer 7,3). Bei jeder historischen oder systematischen Ableitung theologischer Konzepte aus Terminologien und Etymologien ist große Zurückhaltung geboten. Unsere ersten Beobachtungen zu den verschiedenen quellensprachlichen Bezeichnungen der frühchristlichen Mahlfeier erlauben jedoch folgende Feststellungen: 1. Im frühesten Christentum fehlt eine einheitliche Bezeichnung der Mahlfeier, ohne dass dies erkennbar als gravierendes Problem empfunden worden wäre. 2. Die Tatsache jedoch, dass durchaus feste Bezeichnungen schon in den frühesten Quellen zu erkennen sind, deutet darauf hin, dass die Feier als ein besonderer Akt im frühchristlichen Gemeindeleben wahrgenommen wurde. Es geht in den Quellen also keineswegs nur um die Zuschreibung von theologischer Bedeutung zu den alltäglichen Mahlzeiten; es geht um einen bedeutsamen Ritus. 3. Mit dieser Feststellung ist aber weder über die genaue Gestalt der Mahlfeier (etwa ihre Verbindung zu anderen Elementen des frühchristlichen Gottesdienstes) entschieden, noch über religionsgeschichtliche Analogien und traditionsgeschichtliche Herleitungen. Ob also Mahlfeier und Wortgottesdienst getrennt oder zusammen begangen wurden, ob die Mahlfeier von einem „Sättigungsmahl“ unterschieden wurde, ob sie zusammen mit oder getrennt von diesem begangen wurde – über dies alles kann eine Analyse der Terminologie ebenso wenig Auskunft geben wie zu der Frage, ob schon im beginnenden Christentum verschiedene Gestalten der Mahlfeier neben- oder nacheinander existierten. 4. Diejenigen, die diese Bezeichnungen schufen und verwendeten, bzw. die frühchristlichen Autoren mit ihrem jeweiligen theologischen Konzept, verweisen durch diese Verschiedenheit der Be-
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zeichnungen ebenso auf unterschiedliche Bedeutungen, die der Mahlfeier zugeschrieben wurden.
3. Die Einsetzungsworte Die sog. Einsetzungsworte, welche die Feier des Abendmahls auf das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern und zum Teil auf seinen ausdrücklichen Befehl zur Wiederholung zurückführen, sind im Neuen Testament in vier einander ähnlichen, in Einzelheiten aber deutlich unterschiedlichen Fassungen überliefert, in Mk 14,22–25; Mt 26,26–29; Lk 22,15–20 sowie in 1Kor 11,23–25. Das Johannesevangelium enthält in seiner Schilderung des letzten Mahls dagegen keine Einsetzungsworte. Im evangelischen Gottesdienst wird vielfach, Luthers „Deutscher Messe“ folgend, eine Mischfassung verwendet (EGb 2000: 28). In den synoptischen Evangelien sind die Worte in die Erzählung von den letzten Tagen Jesu in Jerusalem eingebettet, während sie in 1Kor 11 im Rahmen von Erörterungen zu Problemen des Gemeindelebens in Korinth stehen. Schon die außergewöhnliche Tatsache, dass diese Jesus-Erzählung in so unterschiedlichen literarischen Kontexten begegnet, ist ein Indiz dafür, dass es sich um ein Traditionsstück handelt, das nicht erst von den Autoren derjenigen Schriften geschaffen wurde, in denen es sich jetzt findet. Paulus weist in der Einleitung zu den Einsetzungsworten in 1Kor 11,23a darauf hin, dass das nun Folgende von ihm schon zuvor empfangen und an die Gemeinde weitergegeben worden war. Die Bemerkung, der folgende Er-Bericht über das Tun Jesu stamme „vom Herrn“ (d.h. Jesus Christus) selbst, dürfte auf den eigentlichen Urheber der Tradition verweisen, dabei aber Mittler nicht ausschließen. Am nächsten liegt vielleicht die Annahme, Paulus sei durch Schüler Jesu von dem Geschehen informiert worden, doch dürfte das noch nicht vollständig den griechischen Wortlaut erklären.
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Der Text von 1Kor 11,23–25 lautet in deutscher Übersetzung: 23 Ich habe nämlich vom Herrn empfangen, was ich euch auch übergeben habe, nämlich: Der Herr Jesus nahm, in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, 24 und dankte, brach es und sagte: ‚Dies ist mein Leib für euch; dies tut zur Erinnerung an mich.‘ 25 In gleicher Weise nahm er auch den Kelch nach dem Essen und sagte: ‚Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Dies tut, so oft ihr trinkt, zur Erinnerung an mich.‘ Deutlich ist V. 23a als von Paulus geschaffene Einleitung zum Zitat der Einsetzungsworte erkennbar. Aus ihr geht auch hervor, dass die im Folgenden zitierte Tradition den Korinthern schon bei früherer Gelegenheit (bei der Erstverkündigung?) mitgeteilt worden war. Dieses Zitat dürfte mit V. 25 enden; in V. 26 spricht dann nicht mehr der Herr, sondern Paulus: 26 Sooft ihr nämlich dieses Brot esst und aus diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. Die von Paulus zitierten Einsetzungsworte umfassen also die Verse 23b–25. Sie bestehen aus Erzählung und wörtlicher Rede Jesu. In der (noch paulinischen?) Einleitung in V. 23b wird das Geschehen zunächst in der letzten Nacht Jesu (mit seinen Jüngern, diese werden aber nicht erwähnt) angesiedelt. Ob hinter der Wendung das Wissen um ein bestimmtes Datum steht, auch ob Paulus um die Pesachnacht-Tradition weiß (so Hengel 2004: 126–129.147 f.), ist nicht sicher anzugeben. Dann folgen zwei einigermaßen parallel gebaute Stücke, die jeweils ihren Abschluss in einem Wort Jesu finden. Die in der Forschung oft verwendeten Bezeichnungen „Brotwort“ und „Kelchwort“ sollten nicht übersehen lassen, dass das geschilderte Tun und die Worte Jesu eine Einheit bilden, die ohne weitere Begründung aufzulösen bereits eine theologische Vereinseitigung wäre. Deutlich weisen die Einsetzungsworte selbst (und nicht erst die von Paulus stammende Aussage in V. 26) über die Situation des Abschiedsmahls hinaus in die Zukunft der christlichen Ge-
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meinde. Der Befehl „dies tut“ zeigt, dass eine Praxis der Gemeinde im doppelten Sinn des Wortes begründet werden soll. Die Worte haben also ätiologische und katechetische Funktion. Diese rituelle Handlung dient, so sagen V. 24 und 25 weiter, der „Erinnerung“ (ἀνάμνησις; von daher der deutsche Ausdruck „Anamnese“) an Jesus; gedacht ist an eine gemeinschaftliche feiernde Vergegenwärtigung des Vergangenen. In welchem Turnus diese Feier stattfand, wird nicht direkt gesagt, doch deuten die Formulierungen in 1Kor 11,17 f.20.33 eher auf eine häufige (wöchentliche?) Wiederholung denn auf einen selten, z.B. nur jährlich, begangenen Ritus. Die Handlung Jesu über dem Brot umfasst das Nehmen, das „Danken“, d.h. das Sprechen eines Dankgebets, dessen Wortlaut nicht mitgeteilt wird, das „Brechen“ (die wiederholt behauptete Analogie zum „Zerbrechen“ am Kreuz steht so nicht im Text, wird aber in sekundären Lesarten ergänzt) sowie ein deutendes Wort. Dass das Brot auch genommen und gegessen werden soll, ist nicht ausdrücklich gesagt, dürfte aber vorausgesetzt sein. Der genaue Bezug des Deuteworts ist umstritten: Das einleitende neutrische Demonstrativpronomen τοῦτο („dies“) scheint syntaktisch nicht zum Wort „Brot“ (ἄρτος) zu passen, das maskulinisch ist. Daher gehen manche Forscher davon aus, dass sich das Deutewort nicht auf das Brot, sondern umfassender auf die Handlung an dem Brot bezieht. Doch ist das Neutrum τοῦτο wahrscheinlich in Angleichung an das folgende ebenfalls neutrische σῶμα („Leib“) gebildet (sog. attractio), so dass die Syntax keine eindeutige Entscheidung bringt. Die Parallele zwischen dem geteilten (!) Brot und dem Leib „für euch“ liegt aber so nahe, dass man nicht umhin kommt, in ihr auch die Absicht des Deutewortes zu sehen. Es leistet eine Identifikation („dies ist …“), deren genauer Charakter nur umrisshaft zu bestimmen ist: Weder reicht es aus, das geteilte Brot als bloße Veranschaulichung des Leibes Christi zu verstehen, gedacht zum besseren Verständnis und Behalten, noch ist dem Wortlaut die Vorstellung zu entnehmen, die Brotmaterie sei die Leibesmaterie (oder werde es durch eine Umwandlung, die sich beim Sprechen der Worte vollzieht). Man könnte von „symbolischer Identifikation“ sprechen, wobei aber der Symbolbegriff selbst vieles offen lässt. Vielleicht trifft das Wort „Vergegenwärtigung“ das Ge-
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meinte am besten. Will man die für die spätere Abendmahlstheologie bedeutsame Kategorie der „Präsenz“ zur Beschreibung des Gemeinten verwenden, wird man sie kaum auf die „Realpräsenz“ beschränken können (im Anschluss an Johannes Betz stellt Klauck 1989: 325–330 deshalb neben die „somatische Realpräsenz“ die „prinzipiale Personalpräsenz“, die „kommemorative Aktualpräsenz“ sowie die „proleptische Finalpräsenz“). Beachtet man ferner, dass „Leib“ und „Blut“ abgekürzte Ausdrücke für das Heilswirken Christi sind; dazu s. sogleich), könnte in dem „Ist“ durchaus der Aspekt der Anteilgabe enthalten sein; aus den „Deuteworten“ würden dann „Gabeworte“ (Hofius 1989: 224–226). In V. 27 geht Paulus so weit, im Rahmen einer Mahnung einen unwürdigen Genuss der Elemente als schuldhaftes Vergehen an Leib und Blut Christi darzustellen. Er spricht aber nirgends davon, dass im Abendmahl Leib und Blut Christi verzehrt würden. Damit ist ein mögliches Argument gegen die Echtheit der Worte abgewiesen, welches aus der Auffassung vom Blutgenuss – undenkbar im Mund des Juden Jesus – auf den nicht-authentischen Charakter der Worte schließen möchte (vgl. Klawans 2002: 6). Vielfach wird darauf hingewiesen, dass das Wort „Leib“ im Griechischen (wie auch das mit dem griechischen Begriff möglicherweise übersetzte aramäische Wort aMjV / gwf’a) nicht nur – vielleicht entgegen erster Vermutung – den menschlichen Körper (oder einen Teil bzw. Aspekt desselben) meine, sondern die leibhafte Person in ihren geschichtlich-sozialen Bezügen. Im Grunde würde Jesus also sagen wollen: „Dies bin ich, in meiner ganzen Existenz bis hin zum Tod, die euch zu Gute kommt“. Doch scheinen mir solche Interpretationen, wohl auch in dem Bemühen, einen übersteigerten Sakramentalismus von den Einsetzungsworten in ursprünglicher Gestalt fernzuhalten, über den Wortlaut des Textes hinauszugehen. Immerhin ist aber in der Überlieferung die Tendenz zu beobachten, das Begriffspaar „Leib“ – „Blut“ durch dasjenige von „Fleisch“ und „Blut“ zu ersetzen (vgl. Joh 6,53–56; bei Ignatius, An die Römer 7,3; vgl. An die Smyrnäer 7,1; Justin, Apologie 66,2). Hierbei handelt es sich um Bezeichnungen, welche einander stärker korrespondierenden Teile oder Aspekte des Menschen benennen.
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Bei der Interpretation des mit dem „Leib“ Gemeinten ist der Zusatz „für euch“, noch genauer: „der für euch [gegeben wird?]“ (τὸ ὑπὲρ ὑμῶν) zu beachten. Dieser Zusatz allein lässt zwar offen, welche genauere Vorstellung gemeint sei; man könnte sehr allgemein von einem Leben (und Sterben) anderen zugute oder anstelle von anderen sprechen. Vorstellungen von kultischem Opfer und Sühne könnten, müssten aber nicht den Hintergrund der Wendung bilden. Ein biblischer Hintergrund der Wendung könnte Jes 53,4 f. sein. Zwar ist σῶμα kein terminus technicus traditioneller Kultsprache, in welcher der „Leib“ als Opferleib zu verstehen wäre (vgl. immerhin Gen 15,11LXX; Hebr 10,5.10; 1Petr 2,24; Chilton 1994: 67). Doch legt sich eine solche kultische Deutung des Brotwortes vom folgenden Kelchwort her nahe. Dass das Brotwort jedenfalls auch auf den Tod Jesu vorausblickt, ohne nur diesen zu meinen und ohne ihn allein als sühnendes Opfer zu verstehen, ist sehr wahrscheinlich (Léon-Dufour 1982: 141–147). Das Geschehen über dem „Becher“ oder „Kelch“ (gedacht ist an einen Kelch mit – wohl mit Wasser gemischtem – Wein, ohne dass dies eigens gesagt würde) wird ausdrücklich mit der Brothandlung parallelisiert: „in gleicher Weise“. Ohne falsche Konsequenzmacherei wird man ein Textverständnis voraussetzen dürfen, demzufolge Jesus über dem Kelch ebenfalls ein Dankgebet sprach, dann den Kelch „austeilte“, d.h.: herumreichte, und dabei die deutenden Worte sprach. Auffällig ist die hinzu gesetzte Bemerkung „nach dem Essen“, die andeutet, dass zwischen dem Austeilen des Brotes und des Kelches eine Mahlzeit lag. Das dürfte nicht nur ein tradi tionelles Element sein, sondern wird auch für Paulus von Bedeutung gewesen sein, weil in der Gemeinde von Korinth offenbar andere Gebräuche eingerissen waren (vgl. V. 20 f.: die Mahlzeit wird nicht wirklich gemeinsam begangen; anders Klauck 1989: 320– 322). Das Deutewort nennt unmissverständlich den Kelch (und metonymisch den darin enthaltenen Wein) als Bezugspunkt der Deutung: „dieser Kelch“. Symbolisch wird dieser Kelch mit dem „neuen Bund in meinem Blut“ identifiziert. Mit dieser Wendung ist einerseits auf die schon alttestamentliche Vorstellung vom „neuen Bund“ (vgl. Jer 31,31) angespielt, andererseits auch auf das Bundesschlussritual in Ex 24,8,
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bei dem das Blut von Opfertieren eine besondere Rolle spielt. Wenn also wohl auch das Kelchwort eine kultische Komponente aufweist, ist doch zu beachten, dass Kelch oder Wein nicht unmittelbar mit dem Blut Jesu identifiziert werden! Doch liegen nicht „Leib“ und „Neuer Bund“ auf einer Sachebene, sondern „Leib“ und „Blut“ (im Rahmen kultischer Vorstellungen z.B. auch in Hebr 13,11 f.; vgl. Kol 1,20.22; Hebr 9,12.14; 10,5.10.19.29; 12,24). So kann Paulus in der an die Einsetzungsworte direkt anschließenden Warnung in V. 27 auch diese beiden Begriffe nebeneinander stellen. Dass vom Blut Jesu die Rede ist, zeigt, dass auch der (gewaltsame) Tod Jesu mit im Blick sein dürfte. Der anschließende Wiederholungsbefehl weicht von dem an das Brotwort angeschlossenen durch eine Zwischenbemerkung ab: „so oft ihr trinkt“. In historischer wie theologischer Hinsicht aufschlussreich ist ein Vergleich mit den Einsetzungsworten in der Fassung von Mk 14,22–25. Der Text lautet in deutscher Übersetzung: 22 Und als sie aßen, nahm er Brot, sprach einen Lobspruch, brach es und gab ihnen und sagte: ‚Nehmt, dies ist mein Leib.‘ 23 Und er nahm einen Kelch, sprach ein Dankgebet, gab ihnen, und sie tranken alle aus ihm. 24 Und er sagte ihnen: ‚Dies ist das Blut meines Bundes, das für viele vergossen wird. 25 Amen, ich sage euch, dass ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken werde, bis zu jenem Tag, wenn ich es aufs Neue trinke im Königreich Gottes.‘ Das Erzählstück steht im Kontext des Passionsberichts. Unmittelbar voraus gehen die Erzählungen vom Finden eines Saals für das Pesach-Mahl (Mk 14,12–16), vom gemeinsamen Essen und von der verhüllten Identifizierung des Verräters (V. 17–21). Im Vergleich mit dem bei Paulus überlieferten Text fallen vor allem folgende Unterschiede auf: 1. Das Mahl ist bei Markus eindeutig als Pesach-Mahl markiert; (mindestens) die Zwölf sind als anwesend vermerkt 2. Deutlicher als in 1Kor 11 wird der Genuss von Brot und Wein geschildert.
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3. In Bezug auf das Brot wird von einem Lobspruch Jesu (das griechische Verb εὐλογεῖν / „loben“ wird verwendet) berichtet, in Bezug auf den Kelch von einem Dankgebet (griechisch εὐχαριστεῖν / „danken“). 3. Das Brotwort ist ohne die Wendung „für euch“ formuliert. 4. Das Kelchwort, das erst nach dem Genuss geäußert wird, ist deutlicher als in 1Kor 11 in Parallele zum Brotwort formuliert: Die Einleitung spricht nicht ausdrücklich vom Kelch, sondern verwendet das Demonstrativpronomen „dies“; der Kelch wird mit dem Blut Jesu identifiziert, nicht mit dem Bund. 5. Der Text spricht vom „Blut meines Bundes“ oder, wahrscheinlicher, von „meinem Bundesblut“ (so David 1967; Philonenko 2004: 178–180), nicht vom neuen Bund. 6. Während in 1Kor 11,24 die Aussage über die Bedeutsamkeit für andere im Rahmen des Brotwortes begegnet, geschieht dies in Mk 14,24 im Kelchwort. Die Formulierung über das Blut, das „für viele“ vergossen wird, blickt deutlich auf den Tod Jesu voraus, könnte aber wiederum auf die Bundesschlusszeremonie in Ex 24 verweisen (die Septuaginta verwendet in V. 6 dasselbe Verb „vergießen“, ὲγχεῖν wie der Text bei Markus). 7. Das Motiv der Erinnerung wird nicht ausdrücklich genannt. 8. Die Voraussage in V. 25, das „Verzichtswort“, formuliert im Munde Jesu einen eschatologischen Ausblick, der eine entfernte Parallele in 1Kor 11,26 hat, dort als Kommentar des Paulus. In Bezug auf Mk 14,25 sprechen manche Ausleger (z.B. Niemand 2002: 105) deshalb auch von einem zweiten Kelchwort. 9. Während aber Paulus in seinem eschatologischen Ausblick von der Wiederkunft Christi spricht, bringt das abschließende Wort Jesu nach Mk 14,25 den Ausblick auf das Königreich Gottes ein – zwei durchaus unterschiedliche eschatologische Erwartungen! So wie die Einsetzungsworte in 1Kor 11 wahrscheinlich nicht erst von Paulus für den brieflichen Zusammenhang formuliert wurden, so werden auch die markinischen Worte älter als das Evangelium selbst sein. Möglicherweise fanden sie schon in einen vor-markinischen Passionsbericht Eingang, dessen Wortlaut jedoch kaum sicher wiederherzustellen ist. Dass ein solcher vor-markinischer Passionsbericht das Mahl nicht als Pesach-Mahl bezeich-
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net habe, bleibt daher Spekulation. Jedenfalls werden in 1Kor 11 und Mk 14 zwei schon traditionelle, voneinander unterschiedene Fassungen der Einsetzungsworte überliefert, über deren Alter und Verhältnis zueinander in der Exegese seit langem diskutiert wird. Einigkeit wurde bisher nicht erzielt (vgl. z.B. die Rekonstruktionsversuche bei Klauck 1982: 297–323; Kollmann 1990: 239–258; Theobald 2007: 123–129). Möglicherweise steht auch das Ältere bald in der einen, bald in der anderen Fassung. Die matthäische Fassung der Einsetzungsworte ist mit der in Mk 14 überlieferten eng verwandt, aber nicht identisch. Nimmt man (mit der Mehrheit der Forschung) die literarische Abhängigkeit des Matthäus- vom Markus-Evangelium an, so liegt es nahe zu vermuten, Matthäus habe auch diesen Text von Markus übernommen und überarbeitet. Manche Exegeten meinen, der Einfluss liturgischer Praxis mache sich hierbei geltend (Theißen 2007: 176), doch sind die Indizien für diese Auffassung nicht zwingend. Der deutlichste Unterschied ist die Hinzufügung der Wendung „zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) zum Kelchwort. Es ist nicht auszuschließen, dass das Matthäus-Evangelium hier auf eigene Traditionen zurückgreift. Vielleicht steht hinter dem Zusatz aber auch eine theologische Entscheidung, derzufolge die Sündenvergebung an das Abendmahl (und nicht an die Taufe; vgl. Mt 3,1,1 f. diff. Mk 1,4) geknüpft wird. Eigene Wege geht der lukanische Bericht (Kap. 22) vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern: 14 Und als die Stunde gekommen war, legten sich auch die Apostel mit ihm zu Tisch. 15 Und er sagte zu ihnen: ‚Ich habe sehr gewünscht, dieses Pesach mit euch zu essen, bevor ich leide. 16 Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es vollendet wird in der Königsherrschaft Gottes.‘ 17 Und er nahm den Kelch, sprach ein Dankgebet und sagte: ‚Nehmt diesen und reicht ihn einander weiter. 18 Ich sage euch nämlich, dass ich von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken werde, bis die Königsherrschaft Gottes kommt.‘
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19 Und er nahm Brot, sprach ein Dankgebet, brach es und gab ihnen, wobei er sagte: ‚Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Dies tut zur Erinnerung an mich.‘ 20 Und ebenso den Kelch nach dem Essen, wobei er sagte: ‚Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.‘ Zu dieser Passage lassen sich erhebliche Varianten in der handschriftlichen Überlieferung feststellen: So bietet der so genannte lukanische Kurztext in Lk 22,17–20 die Reihenfolge Kelch-Brot, d.h. er erwähnt den zweiten Kelch in V. 20 nicht (der komplexe Überlieferungsbefund ist dargestellt bei Rese 1975/1976, der den Kurztext für ursprünglich hält). Die Einleitung der Mahlszene betont den Charakter des Mahls als Festmahl zum Pesachfest (V. 14) und blickt zugleich auf das Leiden Jesu, aber auch auf das Königreich Gottes voraus, in dem Jesus erneut das Pesach zu feiern hofft (V. 16). Auffällig ist die ausdrückliche Erwähnung der (zwölf) Apostel, die vielleicht ein indirekter Hinweis auf die Verbindung dieser Szene mit der nachösterlichen Zeit ist. Dann folgt eine (erste) Kelchhandlung (V. 17) mit einem an Mk 14,25 erinnernden Deutewort, das auf das Kommen der Königsherrschaft Gottes vorausblickt (V. 18). Daran schließt die Handlung über dem Brot an (V. 19). Ihr Deutewort formuliert zunächst pa rallel, bringt dann aber mit der Hinzufügung „der für euch gegeben wird“ ein Bedeutungselement ein, das aus 1Kor 11,24 bekannt ist. Auch der Wiederholungsbefehl mit dem Stichwort „zur Erinnerung an mich“ entspricht der bei Paulus überlieferten Fassung. Das Kelchwort, in welchem Kelch und neuer Bund „in meinem Blut“ miteinander identifiziert werden, erinnert an 1Kor 11,25. Wie dort findet sich hier die Bemerkung „nach dem Essen“, die sich im lukanischen Kontext durch den Ablauf des Pesach-Mahls erklären dürfte. Das lukanische Kelchwort weicht aber dadurch von 1Kor 11 ab (und formuliert hierin ähnlich wie Mk 14,24), dass hinzugesetzt wird: „das für euch [Mk: für viele] vergossen ist“. Die lukanische Mahlszene enthält also, anders als die bisher betrachteten Überlie-
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ferungen, zwei Kelchhandlungen (aber vgl. die beiden aufeinander folgenden Kelchworte in Mk 14,24 f.) und weist in den Formulierungen bald Nähe zur markinischen, bald zur paulinischen Überlieferung auf. Auch dieser Befund ist kaum durch die Annahme einfacher literarischer Abhängigkeiten zu erklären, sondern deutet auf eine komplexe Traditionsgeschichte der Mahlworte im frühesten Christentum hin. Sie dürfte schon vor dem Beginn schriftlicher Traditionsbildung liegen. Eine Urfassung zu rekonstruieren ist aufgrund des vorliegenden Quellenbestands nicht möglich. Es ist auch zu fragen, ob es eine solche Urfassung, von der allein alle anderen abhängen, je gegeben hat. Nach diesem Durchgang durch die Texte seien die Einsetzungsworte noch einmal vergleichend nebeneinander gestellt: Mt 26,26–29
Mk 14,22–25
Lk 22,14–20 14 Und als die Stunde gekommen war, legten sich auch die Apostel mit ihm zu Tisch. 15 Und er sagte zu ihnen: ‚Ich habe sehr gewünscht, dieses Pesach mit euch zu essen, bevor ich leide. 16 Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werden bis es erfüllt wird in der Königsherrschaft Gottes.‘
1Kor 11,23–25
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Mt 26,26–29
Mk 14,22–25
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1Kor 11,23–25
17 Und er nahm den Kelch, sprach ein Dankgebet und sagte: ‚Nehmt diesen und reicht ihn einander weiter. 18 Ich sage euch nämlich, dass ich von nun an nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken werde, bis die Königsherrschaft Gottes kommt.‘ 22 Und als sie 26 Als sie aber aßen, nahm Jesus aßen, nahm er Brot, Brot und
19 Und er nahm Brot,
23 Der Herr Jesus nahm, in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot
sprach ein Dankgebet, brach es und gab ihnen, wobei er sagte: ‚Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Dies tut zur Erinnerung an mich.‘
24 und sprach ein Dankgebet, brach es und sagte: ‚Dies ist mein Leib für euch, dies tut zur Erinnerung an mich.‘
sprach einen Lobspruch, brach es und gab es seinen Jüngern und sagte: ‚Nehmt, esst, dies ist mein Leib.‘
sprach einen Lobspruch, brach es und gab ihnen und sagte: ‚Nehmt, dies ist mein Leib.‘
27 Und er nahm einen Kelch und sprach ein Dankgebet und gab ihnen,
23 Und er nahm 20 Und ebenso den Kelch nach einen Kelch, sprach ein Dank- dem Essen, gebet, gab ihnen, und sie tranken alle aus ihm.
25 In gleicher Weise nahm er auch den Kelch nach dem Essen,
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Mt 26,26–29
Mk 14,22–25
Lk 22,14–20
1Kor 11,23–25
wobei er sagte: ‚Trinkt alle aus ihm. 28 Dies ist nämlich mein Bundesblut, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.
24 Und er sagte ihnen: ‚Dies ist mein Bundesblut, das für viele vergossen wird.
wobei er sagte: ‚Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.‘
wobei er sagte: ‚Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; dies tut, so oft ihr trinkt, zur Erinnerung an mich.‘
29 Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an nicht mehr trinken von diesem Gewächs des Weinstocks bis zu jenem Tag, wenn ich es mit euch neu trinke in der Königsherrschaft meines Vaters.‘
24 Amen, ich sage euch, dass ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken werde, bis zu jenem Tag, wenn ich es aufs Neue trinke im Königreich Gottes.‘
Unklar ist, in welchem Zusammenhang die Mahlüberlieferung anfänglich verwendet wurde, wo ihr „Sitz im Leben“ der frühesten Christengemeinden zu finden ist. Ihre Kennzeichnung als „Kult ätiologie“ (Klauck 1982: 297 f.) gibt ja nur in allgemeiner Weise eine denkbare Funktion an. Ob diese Erzählüberlieferung direkt mit dem Vollzug der Mahlfeier verbunden war, ist sehr fraglich (bezweifelt z.B. schon von Schweitzer 1930: 264; Felmy 1983). Unsicher ist auch, ob Justin die Verwendung der Einsetzungsworte in der Mahlfeier voraussetzt (befürwortend Theißen 2007: 176 f. Anm. 18). Der früheste sichere Beleg für die Verwendung der Einsetzungsworte bei der Mahlfeier stammt jedenfalls aus viel späterer Zeit (Traditio Apostolica Kap. 4, wohl aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.). Alternativ könnte man an die Unterweisung Neubekehr-
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ter denken, denen mit Hilfe der Einsetzungsworte Auskunft über Ursprung und theologische Bedeutung eines wichtigen Ritus’ der Christen gegeben werden konnte. Erwogen wird auch, der Kontext der Einsetzungsworte bei den Synoptikern deute auf eine christliche Pesach-Liturgie, in der nur einmal im Jahr das sakramentale Mahl gefeiert worden sei (Fuller 1963; Theobald 2007: 127 f.). Doch würde man in diesem Fall wohl detailliertere Angaben zum Vollzug des christlichen Pesach erwarten.
4. Zum Ablauf frühchristlicher Mahlfeiern 4.1. Brot und Wein Die Ausführungen des Paulus in 1Kor 11 zeigen, dass zur Abfassungszeit dieses Briefes (ca. 55 n. Chr.; Schnelle 2007: 74), und das heißt zugleich: spätestens zwanzig Jahre nach der Kreuzigung Jesu, die Mahlfeier fester Bestandteil frühchristlichen Gemeindelebens sein konnte. Die relativ breite Überlieferung der Einsetzungsworte ist Beleg dafür, dass diese Praxis nicht auf den Bereich der von Paulus gegründeten oder beeinflussten Gemeinden beschränkt war, sondern vor der paulinischen Mission entstanden sein und über ihren Einflussbereich hinausgereicht haben dürfte. Ist das „Dass“ der Mahlfeier historisch gesichert, so bestehen hinsichtlich ihres Ablaufs in der Frühzeit des Christentums erhebliche Unsicherheiten. Wenn die Einsetzungsworte der Gattung nach keine Agende sind, dann sind aus ihnen zwar die für die Leser erkennbaren Grundelemente der christlichen Mahlfeier zu ersehen, aber kaum ihr exakter Ablauf. Was die Bemerkung in 1Kor 11,25 par. Lk 22,20 („nach dem Essen“) anzudeuten scheint, wenn man sie denn auf die Praxis der christlichen Gemeinde beziehen darf, legt sich auch vom Kontext in 1Kor 11 her nahe: Der feierliche Genuss von Brot und Wein dürfte mit einem (nach Vorstellung des Paulus gemeinsamen, in Korinth offenbar sozial unterscheidenden oder trennenden) Sättigungsmahl verbunden gewesen sein. Die Bemerkung des Apostels in V. 34, die das Sattessen in die Privathäuser
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verweist, ist dabei kaum als generelle Ablehnung eines gemeinsamen Sättigungsmahls im Rahmen des Herrenmahls zu interpretieren. Den Ablauf darf man sich vielleicht so vorstellen, dass die gemeinsame Mahlzeit mit dem Genuss des Herrenmahlsbrotes begonnen und mit dem Herrenmahlskelch beendet wurde. Eine solche Gestalt der Feier ist kaum vorstellbar, ohne dass Beginn und Ende, und d.h. zugleich: die besondere Bedeutung von Brot und Wein, durch Gesten (wie das Brechen und Herumreichen), aber vielleicht auch durch Worte herausgestellt wurden. Dies könnten deutende Worte gewesen sein (aber in welcher Gestalt? Als Zitat der Worte Jesu? Oder auf Jesus in der 3. Person verweisend?), aber auch Gebete, deren Platz die Einsetzungsworte ja angeben. Diese Vermutung wird durch altkirchliche Quellen wie die Didache oder die Apologie Justins des Märtyrers (65,1.3; 66,2; 67,5) bestätigt, welche die Existenz von Gebeten im Zusammenhang der Mahlfeier sicher belegen (dazu s.u. S. 75 f.), über besondere Gesten oder Deuteworte dagegen nichts sagen. Zugleich zeigen die Ausführungen des Paulus in 1Kor 11, dass die Rahmung der gemeinsamen Mahlzeit durch Brot und Wein offenbar in der Praxis verloren zu gehen drohte. Manche Exegeten nehmen an, das schon in Korinth greifbare Zusammenrücken von Brot und Wein, vielleicht im Anschluss an ein gemeinsames Mahl, habe sich in der Fassung der Einsetzungsworte von Mk 14 als der gewöhnliche Ritus niedergeschlagen. Die Einsetzungsworte setzen nach Paulus und dem MarkusEvangelium die Abfolge von Brot und Wein voraus (der erste Kelch nach Lk 22,17 wird hingegen eher dem Bericht über das PesachMahl als der urchristlichen Mahlpraxis geschuldet sein). Die Bemerkung „so oft ihr trinkt“ (1Kor 11,25) wird kaum, wie manche Interpreten annehmen (Schröter 2006: 36 Anm. 51), einschränkend auf eine Gestalt der Mahlfeier deuten, die ohne Wein auskam, sondern die Wiederholung der Handlung (und ihrer Bedeutung) gerade betonen (vgl. auch die Aufnahme der Wendung in V. 26, nun auf Brot und Wein bezogen). Vor diesem Hintergrund fällt eine Anspielung auf das Herrenmahl auf, die Paulus in 1Kor 10,16, im Zusammenhang seiner Erör-
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terung über den christlichen Umgang mit heidnischen Kulten und „Götzenopferfleisch“, einfügt: „Der Kelch des Segens, über den wir den Lobpreis sprechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir teilen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus?“ Warum stellt Paulus hier, entgegen der im folgenden Kapitel vorausgesetzten Abfolge von Essen und Trinken (vgl. neben den eigentlichen Einsetzungsworten auch 1Kor 11,27–29!), den Kelch voran? Eine Vermutung lautet: Weil Paulus hier an eine Mahlfeier denkt, in welcher die Abfolge tatsächlich den Kelch vor das Brot setzte! Auch V. 21 könnte diese Reihenfolge voraussetzen. Da die Ausführungen in Kap. 11 aber offenbar auch normativen Charakter haben, müsste es sich in 1Kor 10,16 um eine Achtlosigkeit handeln, die uns zufällig die Spur einer (nicht-paulinischen?) Mahlfeier erhalten hat. Auch andere Indizien für eine Mahlfeier mit der Reihenfolge Kelch – Brot werden angeführt: Der schon erwähnte Kurztext in Lk 22,17–20, der die Reihenfolge Kelch – Brot kennt; ferner die Abfolge der Mahlgebete der Didache, die zunächst ein Gebet zum Wein (Did 9,2), dann ein solches zum Brot bietet (Did 9,3 f.), freilich in Did 10,3 „(geistliche) Speise und Trank“ erwähnt. Vor solchen hinter den Text fragenden Hypothesen ist aber zu prüfen, ob sich der Befund in 1Kor 10 nicht einfacher und eher auf der Textebene erklären lässt. So könnte die Umkehrung der Reihenfolge gegenüber Kap. 11 in Zusammenhang mit der Bemerkung in V. 17 stehen, welche die Einheit der Gemeinde im Bild des Leibes veranschaulichen will. Ferner könnte dem Verfasser die Abfolge heidnischer Kultmähler wie auch jüdischer Mahlzeiten vor Augen stehen, die mit einer Trankspende bzw. mit einem Kelchsegen beginnen konnten (Rouwhorst 1995: 14 f.; vgl. Mischna Berachot 6,5). Nimmt Paulus hierauf Bezug, dann sagt der Text 1Kor 10,16 nichts über die Abfolge der Elemente in der christlichen Mahlfeier. Zudem könnte die Bezeichnung „Segensbecher“ (richtiger wäre vom „Lobpreisbecher“ zu sprechen) in diesem Vers feststehender Begriff für den Schlussbecher einer jüdischen Mahlzeit sein (Heckel 2002: 35 f.; Hofius 1989: 212 f.), sicher ist das aber nicht (Cohn-Sherbok 1981: 707 f.).
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4.2. Abendmahl und Agape-Mahl Ob Abendmahl und sättigendes Gemeinschaftsmahl in der Frühzeit so deutlich voneinander getrennt waren, dass man verschiedene Mahltypen (Eucharistie und Agape, d.h. sättigendes Liebesmahl) unterscheiden kann, ist dagegen sehr unsicher. Gewiss wurde auch bei der Mahlfeier, die Paulus vor Augen hat, mehr verzehrt als ein Brocken Brot und ein Schluck Wein. Aber die sich entwickelnde Trennung von Mahlfeier und Sättigungsmahl kritisiert Paulus in 1Kor 11 gerade, und dass die so kritisierte Praxis in Korinth aufgrund eines liturgischen oder theologischen Konzepts entstand, ist gar nicht zu erkennen. Das Erwähnen bzw. Nicht-Erwähnen einer Mahlzeit in der synoptischen Tradition (vgl. Lk 22,20 diff. Mk 14,23 / Mt 26,27) oder in der Didache (Did 10,1: „nach der Sättigung“) kann kaum als Beleg für zwei Mahltypen im Frühchristentum gelten. Weiter geht noch die These, in der Didache werde die eigentliche Eucharistie gar nicht erwähnt, es handele sich also um Gebete für eine Agape (Überblick bei Theobald 2007: 147). Hiergegen sprechen im jetzt vorliegenden Textzusammenhang (der allerdings eine Vorgeschichte haben könnte) schon die Einleitung zu den Gebeten in Did 9,1 und die Bemerkung in 9,5, jedenfalls dann, wenn man den dort gebrauchten Begriff εὐχαριστία auf die Mahlfeier, und nicht einfach auf Dankgebete, bezieht. Auch die Ausführungen in Kap. 14 können kaum ein Agape-Mahl meinen. Nicht überzeugend ist auch der Versuch, die in Apg 2,42 zu findende Zuordnung von „Gemeinschaft“ und Brotbrechen auf zwei Mahltypen zu deuten. Und auch die Erwähnung „gewöhnlicher Speise“ im Zusammenhang der bei Plinius d. J. (Epistulae 10,96) erwähnten Abendversammlung der Christen ist kein sicheres Indiz für eine von der Eucharistie getrennte Agape-Feier. Der Unterschied zwischen Abendmahl (Eucharistie) und Sättigungsmahl erscheint übrigens geringer, wenn man bedenkt, welche Art von Speise bei der gemeinschaftlichen Sättigungsmahlzeit verzehrt worden sein kann: In den kleinen und zwar nicht ausschließlich, aber doch überwiegend von Ärmeren gebildeten frühchristlichen Gemeinden dürften kaum opulente Bankette gefeiert wor-
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den sein. Zum Vergleich kann man auf Informationen verweisen, die uns aus einem antiken Verein aus Lanuvium südlich von Rom überliefert sind: In einer Inschrift, die auf das Jahr 136 n. Chr. datiert werden kann, werden nur Wein, Brot und Sardinen als Speise der Vereinsmähler erwähnt (Schmeller 1995: 104).
4.3. „Brotbrechen“ Als Indiz eines besonderen Typs frühchristlicher Mahlfeier (ohne Wein) hat man die schon erwähnte Rede vom „Brotbrechen“ verstehen wollen, die sich mehrfach im lukanischen Doppelwerk findet. Bevor man liturgiegeschichtliche Rückschlüsse versucht, ist zunächst wiederum der Befund in den Texten selbst wahrzunehmen und zu interpretieren. Die Substantivverbindung „Brechen des Brotes“ (κλάσις τοῦ ἄρτου) findet sich im Neuen Testament nur in Lk 24,35 und Apg 2,42. Öfter begegnet die verbale Formulierung. Sie scheint im lukanischen Werk eine feststehende Bezeichnung zu sein (vgl. Lk 24,30; Apg 2,46; 20,7.11). Die Wendung findet auch in Schilderungen der Mahlfeier Verwendung, ohne sie damit zu bezeichnen (vgl. neben den Einsetzungsworten Mt 26,26 parr. noch Apg 27,35; 1Kor 10,16; Did 14,1; Ignatius, An die Epheser 20,2). Sonst wird im Neuen Testa ment vom „Brotbrechen“ noch im Rahmen der Speisungswunder bei Matthäus und Markus (Mt 14,19; 15,36; Mk 8,6.19; Lk 9,16 verwendet das Kompositum κατακλάω) gesprochen. Die lukanische Verwendungsweise verrät ein theologisches Konzept: Während das „Brotbrechen“ weniger deutlich als Bestandteil der irdischen Wirksamkeit Jesu vor der Passion erwähnt wird, ist das Teilen innerhalb der Erzählung vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern vor der Passion eine von mehreren Handlungen Jesu über dem Brot. Durch den Wiederholungsbefehl kommt ihr Bedeutsamkeit auch für die Praxis der christlichen Gemeinde zu. Die Episode von den Emmaus-Jüngern in Lk 24,13–35 greift offenbar diese Mahlszene wieder auf (bes. V. 30), das Teilen des Brotes wird zum Zeichen des Wiedererkennens des Auferstandenen (V. 35).
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Die Aufzählung von Elementen des urchristlichen Gemeindelebens in Apg 2 nennt dann u.a. das „Brotbrechen“, neben dem Verharren in der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft und den Gebeten. Dass die Wendung in bewusster Anspielung zumal auf die Emmaus-Episode gewählt ist, ist sehr wahrscheinlich. In V. 46 wird dieses Brotbrechen „in den Häusern“ lokalisiert, was neben der Notiz steht, die ersten Jerusalemer Christen seien im Tempel gegenwärtig gewesen. Während die Erwähnung der „Gemeinschaft“ (κοινωνία) vor dem „Brotbrechen“ in V. 42 kaum zwei Mahltypen nebeneinander stellen will, unterscheidet V. 46 das „Brotbrechen“ als besonderen Akt von den gemeinsamen Mahlzeiten „in Jubel und Einfachheit des Herzens“. Stehen hier eucharistisches Mahl und Sättigungsmahl nebeneinander? Eine solche Deutung impliziert, dass die Bezeichnung „Brotbrechen“ auch den Verzehr des Brotes mit meine. Andere Belege aus dem lukanischen Doppelwerk (zu Apg 20,7 s. sogleich) legen eine solche metonymische Deutung der Wendung aber nicht nahe; wiederholt wird der Verzehr ausdrücklich neben dem Brotbrechen erwähnt, ohne dass damit zwei Typen von Mahlzeiten (mit unterschiedlichen Speisen) unterschieden werden sollen. Von daher dürfte auch in Apg 2,46 die Erwähnung der Speise eher explikativ sein. In Apg 20,7 ist „Brotbrechen“ feste Bezeichnung, die den Zweck der Versammlung „am ersten Tag der Woche“ (d.h. am Sonntag) nennt. Zwar gibt der Kontext nicht direkt zu erkennen, dass es sich um eine regelmäßige Versammlung handelt, aber es ist doch möglich, dass der Leser damit auf eigene oder typische Erfahrungen im christlichen Gemeindeleben angesprochen werden soll. Nirgends anders im lukanischen Doppelwerk wird so deutlich, dass das „Brotbrechen“ offenbar pars pro toto als Bezeichnung der ganzen gottesdienstlichen Feier verwendet werden kann, die neben Teilen und Verzehr des Brotes wohl auch (ob ausnahmsweise oder regelmäßig, ist nicht sicher zu sagen) eine Predigt enthalten konnte. In V. 11 wird das Brechen des Brotes noch einmal erwähnt, daneben nun ausdrücklich der Verzehr. Von Wein ist nicht die Rede. In Apg 27,35 ist keine vollständige Schilderung einer gottesdienstlichen Feier beabsichtigt; die Episode zielt auf das vorbildhafte Verhalten des Paulus in einer Notsituation. Dass mit der Rede
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vom Brotbrechen, wie mit weiteren Wendungen, auf das letzte Mahl Jesu vor seiner Passion angespielt sein dürfte, bleibt davon unberührt. Darüber hinaus sind Bezüge zur Speisungsgeschichte in Lk 9,10–17 wahrscheinlich. Das macht das in Apg 27 geschilderte Mahl aber noch nicht zu einer gottesdienstlichen Mahlfeier. Von daher ist der Schluss auf eine hinter dem Text stehende Art von Mahlfeier an dieser Stelle verfehlt. Der Befund spricht insgesamt für die Annahme, der Verfasser wolle das „Brotbrechen“ als regelmäßige Form der Mahlfeier im frühesten Christentum zu verstehen geben, möglicherweise ohne Wein (zu weiteren Spuren einer reinen „Brotkommunion“ in der Alten Kirche s. Lietzmann 1955: 238–249). Der „Einsetzungsbericht“ dieser Feier steht in Lk 24. Das theologische Konzept ist die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Gekreuzigten, ohne dass damit die Bedeutung des letzten vorösterlichen Mahls Jesu für die christliche Mahlfeier abgewertet werden sollte. Nur grundsätzliches historisches Misstrauen gegenüber der Darstellung in Lukas-Evangelium und Apostelgeschichte wird ausschließen, dass solch eine Feier und ihre Bezeichnung im frühen Christentum existierten, ob allerdings noch zur Zeit der Entstehung dieser Schriften, bleibt unklar. Aus dem Befund des lukanischen Doppelwerkes ergibt sich jedoch nicht, dass mit dem „Brotbrechen“ (oder dem Jubelmahl in Apg 2,46) ein ursprünglicherer christlicher Mahltyp gemeint sei, der auf Mahlgemeinschaften Jesu vor Passion und Ostern zurückgeht.
4.4. „Unser Herr, komm!“ und der „heilige Kuss“ Eine gewisse Bedeutung für die Frage nach dem Ablauf der frühchristlichen Mahlfeier gewann in der Forschungsgeschichte der Schluss des 1. Korintherbriefes. Hier sollte sich, nach einer einflussreichen These Reinhold Seebergs und Hans Lietzmanns (Lietzmann 1955: 229), der Übergang zur Feier des Abendmahls erhalten haben; der vorstehende Brief hätte, im Gottesdienst verlesen, den Platz der Predigt eingenommen. Wir hätten es also mit einem, ja vermutlich dem frühesten Stück christlicher Agende zu tun. Zur Prüfung der Hypothese ist wiederum zunächst der Wortlaut wahrzunehmen:
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In 1Kor 16 heißt es: 21 Der Gruß mit meiner, des Paulus, Hand. 22 Wenn jemand den Herrn nicht liebt, sei er verflucht. Maranatha. 23 Die Gnade unseres Herrn Jesus sei mit euch. 24 Meine Liebe sei mit euch allen in Christus Jesus. Während die Verse 21 (Eigenhändigkeitsvermerk), 23 (sog. Charis, nach dem griechischen Begriff χάρις für „Gnade“, der formelhaft verwendet wird) und 24 als typische Elemente des paulinischen Briefformulars zu erkennen sind, fallen die Formulierungen von V. 22 aus diesem Rahmen. V. 22a bietet ein bedingtes Fluchwort, 22b eine der bei Paulus ganz seltenen aramäischen Wendungen. Maranatha ist wahrscheinlich als Ruf „Unser Herr, komm“ zu übersetzen (Fitzmyer 1981). Dies entspricht Formulierungen in Offb 22,20 (vgl. V. 17 im brieflichen Schluss der Offenbarung; zur Hypothese eines liturgischen Bezugs s. Stein 2008: 298–314), wie auch in Did 10,6 f. (vgl. noch Jud 14 unter Rückgriff auf die Henoch-Tradition; Black 1973). Nach einem Dankgebet „nach der Sättigung“ heißt es dort: 6 a Es komme Gnade, und es vergehe diese Welt. b Hosanna dem Gott Davids. c Wenn jemand heilig ist, komme er. d Wenn jemand es nicht ist, kehre er um. e Maranatha. Amen. 7 Den Propheten aber gestattet Dank zu sagen, soviel sie wollen. Die Parallelen zwischen 1Kor 16,22 und Did 10,6 de sind auffällig. In der Didache dürfte es sich um einen liturgischen Dialog im Zusammenhang der Mahlfeier handeln. Vielfach wird angenommen, die eigentliche Eucharistie folge auf diesen Dialog, sei aber (wie in 1Kor 16) nicht mehr erwähnt. Wenn man aber davon ausgeht, dass die in Didache erkennbare Mahlfeier die Eucharistie ist, bildet der Dialog vermutlich ihren Abschluss (Thraede 1968/1969: 140; Koch 2010). Doch wird man die Formulierung im 1. Korintherbrief kaum von ihrem unmittelbaren brieflichen Kontext lösen können. Dass Paulus hier der angeschriebenen Gemeinde ein gottesdienstliches
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Formular zur Verfügung stellen wollte, ist im Text nirgends angedeutet und daher unwahrscheinlich. Die Formulierungen bleiben freilich im paulinischen Briefformular auffällig, und so ist es gut denkbar, dass der Apostel in Erinnerung an den frühchristlichen Gottesdienst formuliert. Der aramäische Ruf „Unser Herr, komm“ würde dabei in früheste Zeit weisen und die eschatologische Erwartung vielleicht schon der ersten Christen in Jerusalem zum Ausdruck bringen. Ob dies von Beginn an schon im Rahmen der Mahlfeier geschah, ist aber nicht sicher. Auch andere Elemente der paulinischen Briefe hat man als Übernahme aus dem Gottesdienst verstehen wollen. Insbesondere die Erwähnung des „heiligen Kusses“ (vgl. Röm 16,16; 1Kor 16,20; 2Kor 13,12; 1Thess 5,26) konnte als Hinweis auf eine frühchrist liche Gemeinde- und Gottesdienstpraxis verstanden werden. Doch hat Klaus Thraede, in Korrektur älterer Auffassungen, den literarischen Charakter der Wendung klar herausgestellt, was eine Anspielung auf einen Brauch unter Christen nicht ausschließt (Thraede 1968/1969: 125–143).
4.5. Mahlgebete Wird man sich eine frühchristliche Mahlfeier kaum ohne begleitende Lieder und Gebete vorstellen können, so sind doch aus der frühen Zeit keine sicher identifizierbaren Texte solcher liturgischen Elemente überliefert. Vielleicht hat das lange, in 1Clemens 59–61 überlieferte Gebet (dazu Löhr 2003) eine Rolle im frühchristlichen Gottesdienst gespielt; seine nähere Kennzeichnung als „Hochgebet“ oder als „Gemeindegebet“ in der Forschung aber erfolgte vor dem Hintergrund späterer liturgiegeschichtlicher Entwicklungen und setzt eine Gestalt der Herrenmahlsfeier voraus, die für das 1. Jahrhundert nicht nachzuweisen ist. Schon in den Einsetzungsworten sind Gebete über den Elementen angedeutet, und auch Justin der Märtyrer berichtet in seiner Apologie im 2. Jahrhundert über Gebete im Zusammenhang der Mahlfeier. Solche Gebete sind sicher in der Didache überliefert. Dankgebete über Kelch und „(Brot-) Brocken“ (κλάσμα) finden sich in Did 9,2.3 f., ein Dankgebet nach der Mahlfeier in Did 10,2–4.
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Zu Recht wird die Nähe dieser Gebete zu jüdischen Mahlgebeten festgestellt (van Cangh 1998: 368 f.), doch heißt das nicht, die in der Didache dargestellte Mahlfeier sei nicht die Eucharistie. Das Kelchgebet lautet (Did 9,2): Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechts, den du uns bekannt gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht [oder: Sohn]. Dir sei / ist die Ehre in Ewigkeit! Über dem gebrochenen Brot soll gebetet werden (Did 9,3 f.): Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, welche du uns bekannt gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht [oder: Sohn]. Dir sei / ist die Ehre in Ewigkeit. Wie dieses gebrochene Brot verstreut war auf den Bergen und zusammengebracht eins wurde, so soll deine Kirche zusammengebracht werden von den Enden der Erde in dein Königsreich. Denn dir gehört die Ehre und die Kraft durch Jesus Christus in Ewigkeit. Ferner wird ein Dankgebet „nach der Sättigung“ mitgeteilt (Did 10,1.2–5): Wir danken dir, heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du hast Wohnung nehmen lassen in unseren Herzen, und für die Erkenntnis und den Glauben und die Unsterblichkeit, welche du uns bekannt gemacht hast durch Jesus, deinen Knecht [oder: Sohn]. Dir sei / ist die Ehre in Ewigkeit. Du, Herr, Allherrscher, hast alles geschaffen um deines Namens willen, Speise und Trank gabst du den Menschen zum Genuss damit sie dir danken,
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uns aber schenktest du geistliche Nahrung und Trank und ewiges Leben durch deinen Knecht [oder: Sohn]. Vor allem danken wir dir, weil du mächtig bist. Dir sei / ist die Ehre in Ewigkeit. Gedenke, Herr, deiner Kirche, sie zu retten vor allem Bösen und zu vollenden in deiner Liebe, und bringe sie zusammen von den vier Himmelsrichtungen – die geheiligte – in dein Königreich, welches du ihr bereitet hast. Denn dir sei / ist die Kraft und die Ehre in Ewigkeit. Auch andere Spuren der Mahlliturgie könnten sich in den frühchristlichen Texten erhalten haben, z.B. Hymnen oder Segensformeln. Doch bleibt der Rückschluss von Formulierungen, die in verschiedene literarische Kontexte eingebettet sind, auf die gottesdienstliche Sprache der ersten Christen vielfach hypothetisch.
4.6. Räume – Zeiten – Teilnehmende – Ausschluss Aus der ersten Zeit des Christentums sind Reste von Sakralbauten nicht erhalten; vermutlich hat es sie noch nicht gegeben. Von daher gilt für die Feier des Abendmahls das, was für Gemeindeversammlungen und Gottesdienste insgesamt gelten wird: Am wahrscheinlichsten sind Zusammenkünfte in dafür ausreichenden Platz bietenden Privathäusern oder -räumen. Ob dabei für die Mahlfeier speziell an den Speiseraum (oder die Speiseräume) von Privathäusern (triclinium) zu denken ist, ob andere Räumlichkeiten (z.B. das in Mk 14,15; Lk 22,12 und Apg 20,8 erwähnte Obergeschoss) oder der (mehr Platz bietende) Innenhof benutzt wurden, ist nicht sicher anzugeben und dürfte je nach Gemeindegröße und -struktur unterschiedlich gehandhabt worden sein. Die Benutzung angemieteter Versammlungslokale (vgl. Apg 19,9 f.) ist ebenfalls in Betracht zu ziehen. Und auch Zusammenkünfte unter freiem Himmel sind, in Analogie zu antiken Vereinstreffen, durchaus vorstellbar. Die Darstellung bei Justin (Apologie 65,1; vgl. 61,3) scheint eine Unterscheidung von Taufstätte und Ort der gottesdienstlichen Versammlung insgesamt vorauszusetzen, ohne dass Details noch erkennbar wären.
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Eine enge Verbindung der Abendmahlsfeier mit der Begehung des „Herrentags“, d.h. vielleicht: des wöchentlichen Sonntags, liegt zwar nahe, ist aber aus den Quellen vor der Didache (14,1) – wobei hier eine gewisse Unsicherheit bleibt – und Justin (Apologie 67,3.8) nicht zu belegen. Sowohl Paulus in 1Kor 11,20 als auch Plinius d. J. (Epistulae 10,96,7) gehen jedenfalls von einer regelmäßig wiederkehrenden Feier aus, und beide Quellen scheinen eine Mahlfeier am Abend vorauszusetzen. Dagegen wird man eine Szene wie diejenige in Joh 21,1–14, die möglicherweise, aber nicht zwingend transparent ist für die frühchristliche Mahlfeier, und die am Morgen spielt, jedenfalls nicht als Beleg für eine regelmäßige morgendliche Feier des Abendmahls in Anspruch nehmen können. Daneben wird auch von Mahlfeiern in besonderen Situationen erzählt (Apg 20,7–11; vgl. Apg 27,33–38); der Zusammenhang von Bekehrung und Mahlfeier ist erst in den apokryphen Apostelakten bezeugt (Petrus-Akten 5; Thomas-Akten 26 f.49–51.120 f.158). Dass nur Getaufte an der Mahlfeier teilnehmen dürfen, wird im Christentum erstmals in Didache 9,5 formuliert. Inwiefern eine solche Regel auch zuvor zur Anwendung kam, ist nicht sicher anzugeben. Die Mahlfeier wird jedenfalls als innergemeindlicher Ritus erkennbar, wenn auch 1Kor 14,23–25 zumindest hypothetisch die Anwesenheit Gemeindefremder im Gottesdienst bedenken kann. Texte wie 1Kor 11,2–16 oder 14,33b–36 (von Paulus?) zeigen, dass die Anwesenheit von Frauen im Gottesdienst zu Diskussionen über ihre Rolle führte; sie war aber so wenig prinzipiell ausgeschlossen wie diejenige von Kindern. Gleiches dürfte für die Mahlfeier gegolten haben. Bereits in der Erörterung der Mahlproblematik durch Paulus klingt in 1Kor 11 der Gedanke des unwürdigen Mahlgenusses und seiner möglichen und tatsächlichen Folgen an (V. 27–32). Dem entspricht in organisatorischer Hinsicht der Ausschluss aus der Gemeinde (und damit auch von der Mahlfeier), den das frühe Christentum gelegentlich praktizierte (vgl. Mt 18,15–17; 1Kor 5). Inwiefern sich die Formulierung in Didache 10,6 („Wenn jemand heilig ist, komme er. Wenn jemand es nicht ist, kehre er um.“) als bedingte Ausschlussformel im Rahmen der Eucharistiefeier interpretieren lässt, ist unsicher (s. S. 74). Dass der (auch zeitweise) Aus-
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schluss von der Feier des Abendmahls ein besonderes Mittel der Kirchenzucht gewesen sei, ist nicht zu erkennen. Es ist festzuhalten, dass die direkten Aussagen über die Mahlfeier den Aspekt der Einladung aller, einschließlich sozialer Außenseiter, nicht akzentuieren.
5. Mahlzeiten Jesu und frühchristliche Mahlfeiern Die aus dem frühesten Christentum erhaltenen Kultätiologien verbinden das Abendmahl mit dem letzten Mahl Jesu und seiner Jünger vor der Passion. Ob dieses letzte Mahl Jesu als Pesach-Mahl gefeiert wurde (so besonders Jeremias 1967: 9–82) oder nicht, ist eine weitere Frage, die nicht allein anhand der Passionschronologie entschieden werden kann: Zwar gibt es Gründe, die johanneische Chronologie, die Jesus schon am Vorabend des Festes sterben lässt, gegenüber der synoptischen Darstellung vorzuziehen (Blinzler 1960: 78–81). Doch ist nicht auszuschließen, dass auch die johanneische Darstellung indirekt auf die Pesach-Mahl-Tradition deutet (Green 1988: 115 f.). Ein Vergleich mit der jüdischen Pesach-Theologie der Zeit lässt jedenfalls keine starken theologischen Gründe erkennen, dem christlichen Abendmahl nachträglich den Rahmen eines PesachMahls zu geben (Löhr 2008: 113–116). Auf der anderen Seite ist der Bezug auf ein Pesach-Mahl bei Paulus nicht ausgedrückt (vgl. aber die Pesach-Typologie in 1Kor 5,7) und z.B. auch in den Gebeten der Didache nicht zu erkennen. Es ist gut vorstellbar, dass ein frühchristlicher Autor, der um die Passion Jesu zum Pesach-Fest wusste, auch ohne genauere Informationen das letzte Mahl Jesu als Pesach-Mahl verstanden und dargestellt haben konnte. Das mögliche Argument, der historische Ursprung des Abendmahls im Pesach-Mahl hätte zu einer einmal jährlichen christlichen Mahlfeier führen müssen (Theißen / Merz 1997: 375), überzeugt jedoch nicht, denn die – vermutete, nicht sicher belegbare – wöchentliche Feier besitzt ebenfalls keinen direkten Anhalt im vorösterlichen Leben Jesu. Von der historischen Einmaligkeit im Leben Jesu zum regelmäßig wiederholten Ritual führt so oder so kein direkter Weg.
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Die historische Glaubwürdigkeit der Nachricht vom PesachMahl Jesu wird man ferner kaum dadurch erschüttern können, dass man auf das Fehlen einiger für dieses Festmahl typischer Elemente in den Abendmahlsberichten verweist. Denn zum einen liegt eine vollständige Schilderung der Mahlzeit nicht in der Absicht der synoptischen Berichte. Und zum anderen sind wir über die Gestalt des Pesach-Mahls zur Zeit Jesu nur sehr unzureichend informiert. Die scheinbare Sicherheit, die an diesem Punkt wissenschaftliche Veröffentlichungen noch in jüngerer Vergangenheit suggerieren konnten, ist irreführend (Stemberger 1990; Leonhard 2006: bes. 73–118). Zwei Beispiele: Die in Lk 22 erkennbare – und mit den Informationen späterer jüdischer Quellen übereinstimmende – Abfolge mehrerer Kelche während des Mahls ist in den vor-mischnischen Quellen über das Pesach nirgends erwähnt. Hier bietet also der dritte Evangelist den frühesten Beleg für den in der Mischna später kodifizierten Brauch. Und weder die Nacherzählung des Ursprungsgeschehens beim Exodus noch die Deutung von Elementen des Pesach-Mahls werden als Bestandteil der jüdischen Feier zur Zeit des Zweiten Tempels erkennbar. In den Evangelien werden jedoch auch andere, außergewöhnliche Mahlzeiten Jesu erwähnt, etwa das Essen mit Sündern und Außenseitern (Mk 2,13–17 parr.; Lk 7,34; 19,1–10; vgl. Mt 11,18 f. par.; Lk 14,16–24), Speisungswunder (Mk 6,30–44 parr.; 8,1–9 par.; Joh 6,1–13) sowie die Mahlszenen in der Gegenwart des Auferstandenen (Lk 24,13–35.36–43; Apg 1,4; Joh 21,1–14). Eine tägliche Tischgemeinschaft Jesu mit seinen Anhängern ist historisch wahrscheinlich, und es finden sich wiederholt entsprechende Anspielungen (vgl. Mk 1,31; 2,18–26; 3,20). Diese Tischgemeinschaft wird aber erzählerisch nirgends ausgearbeitet. Der immer wieder behauptete Bezug solcher Mahlszenen auf die Feier des frühchristlichen Abendmahls ist insgesamt weniger deutlich und unterschiedlich ausgeprägt. Sie sind, anders als die Einsetzungsworte, nicht erkennbar als Kultätiologien gestaltet. Indem aber, für uns erstmals im Markus-Evangelium greifbar, die Einsetzungstradition in einen narrativen Zusammenhang mit diesen verschiedenartigen Mahlszenen gebracht wird, entstehen für die Leser (bis heute) auch entsprechende Sinnbezüge. Wäre das Abendmahl
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historisch (auch) aus solchen Mahlzeiten herzuleiten, könnte man nicht von einer gezielten Einsetzung des Abendmahls durch Jesus sprechen, sondern müsste eher von einer Fortsetzung seiner voroder nachösterlichen Praxis ausgehen. Der Bezug der Emmaus-Perikope auf das letzte vorösterliche Mahl wurde bereits skizziert. Sie will kaum das frühchristliche Abendmahl unabhängig vom Passionsmahl begründen, sondern nachösterliches und vorösterliches Mahl miteinander verbinden. Hier dürfte dann auch das in der Apostelgeschichte erwähnte „Brotbrechen“ (s.o. S. 71 f.) anknüpfen. Die Mahlszene Lk 24,36–43 schildert keine Mahlgemeinschaft, sondern dient dem Erweis der Leibhaftigkeit des Auferstandenen (vgl. Apg 10,34–43). Der Text Joh 21,9–13 vereinigt mehrere erzählerische Motive und schildert u.a. das Austeilen von Brot und Fisch durch den Auferstandenen. Der Text dürfte u.a. auf das Speisungswunder in Joh 6 Bezug nehmen. Will man nicht eine Eucharistie mit Brot und Fisch im frühen Christentum postulieren (vgl. dazu McGowan 1999: 127–140), so ist festzustellen, dass eine Anspielung auf das Abendmahl nicht deutlich beabsichtigt ist. In Joh 6 folgt auf das Speisungswunder über Brot und Fisch (V. 1–15; Fisch wird danach in dem Kapitel nicht mehr erwähnt) und dem Seewandel (V. 16–21) ein Dialog mit „dem Volk“, in dem das Brotwunder besprochen wird (V. 22–59). Dabei wird dem Brot der Brotvermehrung „unvergängliche Speise“ (V. 27) gegenübergestellt. Des Weiteren wird auf das Wüstenmanna Bezug genommen (und damit indirekt auf Pesach-Mazzot V. 31; Pesach wird schon in 6,4 erwähnt), dem Jesus das „wahre Brot vom Himmel“ entgegenhält (V. 32). Dieses wird in V. 41.48.50 mit Jesus selbst identifiziert; der Glaube an ihn verschafft „Leben“. V. 51 führt sodann die Identifikation von „Brot“ und „Fleisch“ (scil. Jesu) „für das Leben der Welt“ neu ein und fordert zum Essen des Brotes auf, bevor dann ab V. 53 „Fleisch“ und „Blut“ mit Brot und Wein gleichgesetzt werden – eine klare Anspielung auf die Eucharistie. In mehreren Schritten erreicht die Komposition in der jetzt vorliegenden Gestalt den Bezug auf das Abendmahl, ohne dass man von einer Ätiologie sprechen könnte. V. 58 kehrt dann zur Motivik des Brotessens allein zurück.
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Dagegen sind Versuche, die synoptischen Speisungsgeschichten (oder Vorstufen derselben) als eucharistisch beeinflusst zu erweisen, weniger überzeugend. Zwar erinnert die Beschreibung des Tuns Jesu in Mk 6,41 parr. an die Abendmahlsszene, ist aber doch zu wenig spezifisch, um die ganze Handlung als Abbildung und narrativen Eintrag eines frühchristlichen Ritus’ verstehen zu lassen. Die in den synoptischen Evangelien erwähnten Mahlgemeinschaften Jesu mit „Sündern und Zöllnern“ schließlich stehen mit dem Ritus des Abendmahls in keiner erkennbaren direkten Verbindung; wird in ihnen z.B. nicht von Brot und Wein (oder anderen Speisen) gesprochen, so ergeht in den sicheren Abendmahls traditionen keine universale Einladung an „Sünder und Zöllner“, so zutreffend die Beobachtung ist, dass beim letzten Mahl mit Judas mindestens eine Person anwesend war, die als exemplarischer „Sünder“ interpretierbar wäre. Die im Neuen Testament vorliegenden Textbefunde reichen jedenfalls nicht aus, den Ursprung der christlichen Mahlfeier historisch sicher zu verorten. Im Hintergrund steht das methodische Problem, narrative Texte als Reflex der historischen Situation nicht der Zeit der Erzählung selbst, sondern derjenigen ihrer vermutlichen Entstehung auswerten zu wollen. Begegnet man den Quellen und dem in ihnen Berichteten nicht mit grundsätzlicher Skepsis oder Ablehnung (die jede historische Auswertung unmöglich machen), bleibt die wahrscheinlichste Annahme die Rückführung des Abendmahls auf das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Es ist auch nicht zu erweisen, dass eine ursprünglich andere und konkurrierende Herleitung (etwa aus anderen Tischgemeinschaften Jesu oder aus nicht-jesuanischen jüdischen, z.B. asketischen, Mahlzeiten) in der Überlieferung erst sekundär durch diejenige aus dem letzten vorösterlichen Mahl Jesu überlagert worden sei. Konkretisiert wurde die Frage nach dem historischen Ursprung des Abendmahls u.a. in der Suche nach dem ursprünglichen Wortlaut der Einsetzungsworte. Dabei ging es nicht allein um die Rekonstruktion eines möglichen frühchristlichen Ursprungstextes, der das Entstehen der jetzt vorliegenden Varianten erklären könnte. Einige Forscher strebten sogar an, bis zum Wortlaut der bei der Einsetzung von Jesus gesprochenen Worte vorzustoßen. Erhofft
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wurde offenbar, damit der von Jesus selbst dem Ritus beigemessenen Bedeutung nahe zu kommen. Ein solches Vorgehen macht mehrere, aus heutiger Sicht problematische Voraussetzungen: 1. Charakter und Bestand der Überlieferung erlauben die Rekonstruktion einer Urfassung. 2. Es existieren zuverlässige und trennscharfe Kriterien zur historischen Rückfrage nach den Worten und Taten Jesu. 3. Der Kern der Überlieferung ist in den Worten Jesu zu suchen; anders gesagt: narrative und Rede-Elemente der Einsetzungsworte lassen sich voneinander trennen. 4. Dem ursprünglichen Wortlaut der Einsetzungsworte kommt besondere theologisch-normative Kraft zu. In allen diesen Punkten sind Zweifel angebracht. Denkt man den Überlieferungsprozess weniger von seinem angenommenen Verursacher Jesus, sondern von den ersten Tradenten (z.B. Jünger Jesu, Apostel und Apostelschüler etc.) her, so wird deutlich, dass von Anfang an mit verschiedenen Traditionen, mit ihren je eigenen Profilen und Interessen, zu rechnen ist. Stimmt dies, so ist die S uche nach normativ gültigen „Ur-Worten“ vergebens. Schon am Anfang der in den Quellen noch fassbaren Entwicklung des Abendmahls dürfte die theologische Vielfalt gestanden haben.
6. Das Abendmahl und andere antike Mahlzeiten Auch wenn man das Abendmahl auf Jesus von Nazareth zurückführen kann, sei es im Sinne einer Einsetzung oder in Fortführung seiner Mahlpraxis, so ist damit die traditions- und religionsgeschichtliche Arbeit am Thema nicht erledigt. Hierbei können verschiedene Motive (auch in Kombination miteinander) erkenntnisleitend sein, z.B.: – die Suche nach Wurzeln und Anregungen der jesuanischen und frühchristlichen Praxis; – ein sozialgeschichtliches oder soziologisches Interesse am frühen Christentum und seiner Ritualpraxis; – der religionsphänomenologische Vergleich; – die historische Frage, in welchen Kategorien das Abendmahl
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von nicht-christlichen Zeitgenossen wahrgenommen und interpretiert werden konnte; – die kulturanthropologische und kulturgeschichtliche Positionsbestimmung; – ein biblisch-theologisches Interesse, das auch in Bezug auf das Abendmahl nach einem Sachbezug zum Alten Testament sucht. Vorgeschlagen wurden Beziehungen des Abendmahls zu alttestamentlichen, frühjüdischen und paganen Mahlzeiten und -feiern, sei es im Sinne direkter Abhängigkeiten, sei es im Sinne phänomenologischer und konzeptioneller Verwandtschaft (Überblick bei Stein 2008: 27–95). Möglichkeiten und Grenzen solcher Vergleiche seien anhand dreier Beispiele illustriert: 1. Bei der Suche nach der Wurzel des christlichen Abendmahls im Leben Jesu spielt, wie gezeigt, das Pesach-Mahl eine herausragende Rolle. Dabei geht es jedoch nicht allein um ein historisches Datum oder um bestimmte Bräuche. Ein Vergleich der frühchristlichen Pesach-Mahl-Überlieferung mit etwa zeitgenössischen jüdischen Quellen zeigt, dass die jüdische Pesach-Theologie wenig Widerhall in der frühesten Abendmahlsüberlieferung hat (Löhr 2008: 110–113). Auffällig ist dabei besonders, dass zum einen das für die Einsetzungsworte zentrale Motiv des Bundes in den Pesach-Texten nicht herausgearbeitet wird und dass zum anderen das Motiv von Exodus und Befreiung für die Heilserwartung der Abendmahlstexte nicht besonders relevant zu sein scheint. Andererseits fehlen Konvergenzen nicht völlig: Der Gedanke des Opfers ist in beiden Traditionen ebenso präsent wie derjenige der gemeinschaftsstiftenden Erinnerung, wobei natürlich die Referenzen – hier ägyptisches Pesach, dort das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern – voneinander unterschieden sind. 2. Die schon ältere These, die frühchristliche Mahlfeier – oder jedenfalls eine ihrer Gestalten – weise Beziehungen zu Mysterienfeiern auf, wurde in der jüngeren Vergangenheit wieder verstärkt diskutiert – nun eher im Sinne einer Analogie als einer direkten Genealogie. Dabei wurden u.a. die Rolle des begründenden Mythos für die rituelle Handlung, der symbolische Charakter der
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Mahlzeit, die Vorstellung der Anteilhabe am Schicksal der Gottheit, die damit verbundene (diesseitige oder jenseitige) Hoffnung sowie die Vorstellungen von der Tischgemeinschaft mit der Gottheit (sog. Theoxenie) sowie vom Verzehr derselben (sog. Theophagie) verschiedener paganer Kulte (z.B. Demeter, Dionysos, Attis, Isis, Mithras) in Beziehung zur frühchristlichen Mahlfeier gesetzt (Klauck 1982: 91–166). Auch das Motiv der „Erinnerung“ bzw. des „Gedenkens“ konnte in den Vergleich mit einbezogen werden (Zeller 1995). 3. Als einer möglichen Analogie zu frühchristlichen Gemeinden wurde dem vielfältigen antiken Vereinswesen gerade in jüngerer Vergangenheit verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet (Klinghardt 1996: bes. 29–43; Ebel 2004; Schmeller 1995). Dabei ist die gemeinsame Mahlfeier als wichtige Lebensäußerung dieser antiken Sozialform von besonderem Interesse. Fragen nach Finanzierung, Ort, Zeit, Ablauf, Teilnehmerschaft, Regelungen, identitätsbildenden Aspekten und praktischen Problemen werden aus den – relativ spärlichen – Quellen zu beantworten gesucht. Auch solche Vergleiche helfen zu verstehen, warum das Abendmahl auch in frühchristlichen Gemeinden, die der jüdischen Kultur und Tradition schon ferner standen, als lebendiger Ausdruck des eigenen Glaubens aufgenommen und gefeiert werden konnte. Und sie ermöglichen eine Interpretation des christlichen Gemeindelebens nicht primär in den Kategorien des (dann opfer- und tempellosen) Kults oder in einseitiger Orientierung an der Wortverkündigung, sondern als einer auf das Mahl konzentrierten Gemeinschaft. Sie helfen, einer Interpretation frühchristlicher Sozialformen mit anachronistischen, da der späteren kirchlichen Entwicklung entnommenen, Kategorien zu wehren. Doch sollten solche Vergleiche nicht dazu führen, in Reaktion auf frühere Forschungsansätze nunmehr eine unliturgische, unkultische oder gar kultkritische Frühphase des christlichen Gottesdienstes zu behaupten, die im Gegensatz zur späteren Entwicklung (erstmals greifbar in der Didache, deutlich ausgebildet bei Justin) stünde: Viel stärker als heute vorstellbar besaßen in der Antike auch eher alltägliche und unfeierliche Lebensvollzüge religiös-ritualisiertes Gepräge. Zudem wäre eine Rekonstruktion einer frühchristlichen Mahlfeier, welche die Entwicklung
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hin zu der bei Justin bezeugten und in ihrer Grundstruktur bis in die Gegenwart fortlebenden Form des Gottesdienstes nicht plausibel machen könnte, unter historischem Aspekt nicht hilfreich. Und schließlich darf die Analogisierung des frühchristlichen Abendmahls mit anderen Gemeinschaftsmählern antiker Gesellschaften nicht aus den Augen verlieren, dass das offene und auch in die Praxis umgesetzte Bekenntnis zu dem einen, in Jesus Christus offenbaren Gott von vielen zumal religiös konnotierten Sozialformen antiken Lebens ausschließen musste. Das Abendmahl verhalf nach allem, was wir aus den Quellen wissen, nicht zur Integration des frühen Christentums in seine Umwelt. Die angedeuteten Fragestellungen beschäftigen gegenwärtig die Forschung zum frühchristlichen Abendmahl intensiv. Sie wehren einer Verengung des historischen Interesses auf die Ursprungsfrage und tragen dazu bei, das Abendmahl nicht losgelöst von anderen Lebensäußerungen von Menschen und Gemeinschaften zu verstehen. Speise und Mahl (im Unterschied zur bloßen Ernährung) werden als Ausdruck sozialer Kommunikation und Ordnung der frühen christlichen Gemeinden verstehbar (vgl. Douglas 1982).
7. Zur theologischen Bedeutung des Abendmahls im entstehenden Christentum So wenig wie eine einheitliche Form der Mahlfeier ist eine einheitliche Mahltheologie im frühesten Christentum zu rekonstruieren. Doch seien abschließend wichtige theologische Motive genannt bzw. wiederholt, die in Bezug auf das Abendmahl in den verschiedenen frühchristlichen Quellen hervorgehoben werden: 1. Der Christus-Bezug der Mahlfeier im frühen Christentum ist nicht zu bezweifeln. Er gestaltet sich unterschiedlich: a. als geschichtlicher Bezug auf das letzte Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern vor der Passion hält (Synoptiker; 1Kor 11,23); b. als Erinnerung an die Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen (Lk 24; Joh 21; vgl. Apg 10,41);
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c. durch Bezug auf den „Herrn“ als Urheber und zentralen Inhalt der Feier (1Kor 10 f.); d. in der Erwähnung Jesu, des „Sohnes / Knechtes“ Gottes in den Mahlgebeten der Didache (Did 9,2 f.; 10,2); e. in den Elementen von Brot und Kelch bzw. Wein, die (mehr oder weniger direkt) auf Leib (bzw. „Fleisch“) und Blut Christi gedeutet werden (Synoptiker; Joh 6; 1Kor 11; Ignatius, An die Römer 7,3; An die Smyrnäer 7,1; Justin, Apologie 66,2); f. durch Aussagen über die heilswirksame Lebenshingabe, die an die Elemente angeknüpft werden (Mk 14,24 parr.; Lk 22,19; 1Kor 11,24; vgl. Joh 6,51); g. durch das Motiv der Erinnerung (Lk 22,19; 1Kor 11,24 f.). 2. Das Motiv des (neuen) Bundes im Anschluss an Jer 31 und Ex 24 spielt in einem Teil der Mahlüberlieferung (Synoptiker; 1Kor 11) eine wichtige Rolle. Die Rede vom „neuen Gebot“ in der Mahlszene Joh 13,34 f. könnte ebenfalls auf die Vorstellung vom neuen Bund anspielen (vgl. nämlich Jer 31,33). 3. Über die Vorstellung eines „Sterbens zugunsten von / anstelle von …“ hinaus ist von einem „Opfer“ im Zusammenhang der Mahlfeier ausdrücklich und mehrfach in Did 14 die Rede. In den Briefen des Ignatius finden sich bildhafte Aussagen, die solchem Verständnis nahe kommen (vgl. An die Epheser 5,2; An die Magne sier 7,2; An die Trallenser 7,2; An die Philadelphier 4). Auch die Rede vom „Tisch des Herrn“ in 1Kor 10,21 könnte opfertheologische Bezüge haben (Grappe 2004: 104–106). In wieweit, auf verschiedenen Stufen der Überlieferung, die Verwendung kultischer Sprache und Vorstellungen wie auch die Auswahl der Mahlelemente das Abendmahl als Kritik und Ablösung des (v.a. Jerusalemer) Opferkultes positionieren, wird kontrovers diskutiert (Klawans 2002; McGowan 1999). 4. In Mt 26,28 begegnet ausdrücklich das Motiv der Sündenvergebung; in Didache 14,1 wird das Sündenbekenntnis zur Voraussetzung der Teilnahme an der Mahlfeier gemacht. 5. Auch wird mit der Mahlfeier die Vorstellung der Verkündigung des Todes Jesu verknüpft (1Kor 11,26); diese geschieht nicht neben oder bei, sondern durch die Mahlfeier.
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6. Zwar ist in der Überlieferung der Einsetzungsworte vom heiligen Geist nicht die Rede, doch spielt pneumatologische Motivik durchaus eine Rolle, so besonders in Did 10,3, vielleicht auch schon bei Paulus in 1Kor 10,3 f. In den weiteren Kontext der Mahlszene von Joh 13–17 gehört die Verheißung des „Parakleten“, des heiligen Geistes, für die Zeit nach dem Weggang Jesu (Joh 14,16 f.; 15,26 f; 16,7–11.13–15). Auch die Erwähnung der Mahlfeiern der ersten Gemeinde erst nach dem Pfingstereignis in Apg 2 (und noch nicht in Apg 1,14) könnte Zeugnis der Rolle des Geistes in der frühchristlichen Mahltheologie sein (Theobald 2007: 140). 7. Damit verbunden ist in den Mahlgebeten der Didache herausgehoben von der Erkenntnis die Rede (Did 9,3; 10,2). Diese Gabe (die neben anderen wie Glaube, Leben und Unsterblichkeit steht) wird aber nicht direkt an die Mahlelemente gebunden, sondern als durch Jesus Christus vermittelt gedacht (vgl. auch 9,2). 8. In Joh 6, besonders V. 54, wird die Gabe des „Lebens“ ausdrücklich an den Genuss der Elemente geknüpft. Von der (schon erfolgten) Vermittlung des Lebens bzw. der Unsterblichkeit durch Jesus Christus sprechen die Mahlgebete der Didache (9,3; 10,2 f.). 9. Dass das Mahl Gemeinschaft herstellt, ist – zumal für antikes Verständnis – selbstverständlich. Ausdrücklich wird der Gemeinschaftsaspekt in der frühchristlichen Mahlüberlieferung in verschiedener Hinsicht entfaltet: 1Kor 10,16 spricht von der Gemeinschaft mit Leib und Blut Christi. Die Argumentation in 1Kor 11 zielt insgesamt darauf, das Herrenmahl als Gemeinschaftsmahl der Gemeinde zu sichern. Auf die (ortsübergreifende) Kirche bezogen sind die Bitten in den Mahlgebeten in Did 9,4; 10,5. Auch die Mahlszene in Joh 13 stellt mit dem Liebesgebot die Dimension der Gemeinschaft untereinander heraus. Zu erinnern ist auch an das Beieinander von „Gemeinschaft“ und „Brotbrechen“ in Apg 2,42. Es ist aber nicht zu erkennen, dass die frühchristliche Mahlüberlieferung einen besonderen Akzent auf die Gemeinschaft mit Außenseitern der Gesellschaft legt – jedenfalls dann nicht, wenn man nicht ganz generell verschiedene Mahlzeiten Jesu zu Vorabbildungen des Abendmahls erklärt. 10. In die Mahlüberlieferung wird ein eschatologischer Akzent eingebracht, der die Mahlfeier als zeitlich begrenzte Gestaltung der
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Vergegenwärtigung Jesu zu erkennen gibt. Dies gilt für 1Kor 11,26 ebenso wie für das sog. Verzichtswort Mk 14,25 / Mt 26,29 sowie Lk 22,16.18. Auch der Ruf „Unser Herr, komm“ in Did 10,6 könnte eschatologisch gemeint und auf die Wiederkunft Christi bezogen sein, wenn er nicht die Präsenz Christi beim Mahl herbeirufen soll. Gerade dieser eschatologische Vorbehalt spricht gegen die Annahme, im frühen Christentum sei das Abendmahl u.a. als Vorwegnahme des messianischen Mahls der Endzeit verstanden worden, wie es vielleicht in den Speisungswundern vorabgebildet ist oder in Texten wie Mt 8,11 f. par.; 22,1–14 par.; Lk 14,15–24; 15,11– 32; 22,24–30 u.a. besprochen wird.
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Das Ringen um die Gegenwart Christi in der Geschichte 1. Etablierung des Abendmahls in den ersten Jahrhunderten Die frühen Zeugnisse der Alten Kirche zeigen vor allem eins: Das Abendmahl war als Ritus in den Gemeinden etabliert, auch wenn noch nicht in jeder Hinsicht volle Einigkeit und Klarheit herrschte. Je nach Datierung ist das früheste Zeugnis der Abendmahlsfeier außerhalb des biblischen Kanons die Didache, eine vermutlich in Syrien entstandene Sammlung von Vorschriften für das kirchliche Leben. Auch wenn sie aufgrund ihres redaktionellen Charakters außerordentlich schwer zu datieren ist und neben der verbreiteten Annahme einer Entstehung Anfang des 2. Jahrhunderts gelegentlich sogar das 3. Jahrhundert als möglicher Entstehungszeitraum ins Spiel gebracht wird, kann man selbst bei einer solchen Spätdatierung davon ausgehen, dass die in ihr sich widerspiegelnden Verhältnisse in bestimmten Bereichen Realitäten aus dem späten 1. Jahrhundert bzw. dem unmittelbaren zeitlichen und sozialen Umfeld der synoptischen Evangelien, zumal von Matthäus, bewahrt haben. Dies gilt besonders für den Bereich des Abendmahls – gerade weil sich hier Besonderheiten finden, welche die Didache auch von der matthäischen Tradition unterscheiden. Die markanteste liegt darin, dass in der Didache die Reihenfolge der Erwähnung von Brot und Wein gegenüber den neutestamentlichen Einsetzungsberichten umgekehrt ist, also wohl erst der Wein, dann
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das Brot ausgegeben wird. Dabei wird die Deutung freilich dadurch erschwert, dass die Autoren bzw. Sammler der Didache mit dem Abendmahl nicht etwas Unbekanntes einführen, sondern etwas Bekanntes regulieren wollen. So fehlt gegenüber den neutestamentlichen Zeugnissen ganz der Bericht von einer Einsetzung durch Jesus Christus – wohl kaum, weil man ihn nicht gekannt hätte, sondern eher im Gegenteil, weil dieser Vorgang wohlbekannt und damit seine Schilderung unnötig war. Wichtiger war es den hinter der Didache stehenden Kreisen, die Gebete zu regeln, die im Zuge der Feier gesprochen werden sollten. Um welche Art von Feier es sich dabei handelte, ist freilich unklar – die Tatsache, dass es von dem allgemeinen Dankgebet heißt, es erfolge „nach der Sättigung“ (Did 10,1) zeigt jedenfalls, dass die Gebetsformeln im Kontext eines allgemeinen Sättigungsmahls standen, also die in 1Kor 11,33 f. möglicherweise nachvollziehbare Unterscheidung eines liturgischen Vorgangs von der Sättigungsmahlzeit hier nicht vollzogen wurde. Dies wurde gelegentlich als Hinweis darauf gedeutet, dass es sich insgesamt bei dem in der Didache εὐχαριστία („Danksagung“) genannten Vorgang nicht um einen besonderen liturgischen Akt von sakramentaler Bedeutung handelt, sondern lediglich um eine mit bestimmten regulierten Gebeten besonders feierlich gestaltete Agape-Mahlzeit im Sinne der Apostelgeschichte. Sicherheit ist hier auch durch den Gebrauch des Begriffes „Opfer“ im Zusammenhang der Erwähnung des Brotbrechens in Did 14 nicht zu erlangen, da wiederum nicht eindeutig zu klären ist, ob dieser das Brotbrechen selbst bezeichnet oder von hier ausgehend das ganze Leben der Christen wie in Röm 12,1. Allerdings tragen solche Überlegungen möglicherweise Unterschiede in den Text, die diesem selbst eher fernliegen. Gewiss ist jedenfalls, dass das offenbar der Sättigung dienende Mahl nicht nur durch die Gebete besonders feierlich gestaltet war, sondern es hierfür auch bereits einen festen Tag, den „Herrentag“, gab (Did 14,1). Insofern wird man von einer Bestimmtheit durch eine besondere Zeit als einem ersten Anzeichen für eine Art gottesdienstlicher Gestaltung ausgehen können. Dies bestätigt sich auch durch andere Zeugnisse, besonders schlagend durch den Bericht eines Nichtchristen: Um 110 n. Chr. fragte Plinius der Jüngere (gest. ca. 113) als
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Statthalter von Bithynien bei Kaiser Trajan (98–117) an, wie er mit den Christen zu verfahren habe. Dies ist nicht nur das erste Zeugnis der Suche nach rechtlichen Regelungen für den Umgang mit den Christen – ja, Trajans Antwort auf den Pliniusbrief blieb auf Jahrhunderte hinaus die einzige diesbezügliche verbindliche Regelung –, sondern auch ein Dokument eines römischen Beamten, der sich bemühte, das fremde Phänomen des Christentums kennen zu lernen und voller Erstaunen von dem berichtete, was er in den Verhören erfuhr. Eine der Notizen besagte: adfirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire carmenque Christo quasi deo dicere secum in vicem seque sacramento […]. / „Sie beteuerten, dass sie gewöhnlich an einem festgesetzten Tag vor Sonnenaufgang sich versammelt, Christus als ihrem Gott im Wechsel Lob gesungen und sich mit einem Eid verpflichtet hätten“ (Plinius, Epistulae 10,96,7). Fester Tag und feste Stunde und sogar ein gewisser liturgischer Ablauf sind damit erkennbar, freilich wird von einem Mahl der Gemeinde in einem anderen, von diesem Morgengottesdienst getrennten Zusammenhang gesprochen. Wenig später macht eine ausführliche Beschreibung des Gottesdienstes deutlich, dass das Abendmahl Mitte des 2. Jahrhunderts schon seinen festen Platz im christlichen Glaubens- und Gemeindeleben besaß: Justin (gest. 165) berichtet in seiner Apologie von dem Geschehen, das, wie er schreibt, unter Christen εὐχαριστία („Danksagung“) genannt wird, und versucht es, dem Anliegen der gesamten Schrift entsprechend, Außenstehenden verständlich zu machen. Sein Zeugnis ist u.a. deswegen von hoher Relevanz, weil er selbst, aus Flavia Neapolis in Palästina stammend, auf weiten Reisen, die ihn bis nach Rom geführt haben, so viele unterschiedliche christliche Gemeinden kennengelernt hat, dass seinen Aussagen eine gewisse Allgemeingültigkeit zuzusprechen ist. In seinen Schilderungen wird auch deutlich, dass der liturgische Vorgang als solcher noch in Entwicklung war, denn Justin erwähnt nicht nur die Austeilung von Brot und Wein, sondern auch, möglicherweise als Folge von Joh 19,34, von mit Wasser vermischtem Wein (Justin, Apologie 65,3). Zugleich aber macht er auch deutlich, dass die Eucharistie in einen weiteren gottesdienstlichen Kontext eingebettet ist, zu dem nicht nur die von Plinius erwähnten Ge-
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sänge gehören, sondern auch Schriftlesungen; ein solcher Gottesdienst findet in besonders hervorgehobener Weise an Ostern statt, aber auch an jedem Sonntag – diesen Begriff (ἡ τοῦ Ἡλίου λεγoμένη ἡμέρα) verwendet Justin hier (ebd. 67,3) für den Herrentag, um den Außenstehenden verständlich zu sein. Bei ihm finden sich dann auch in Ansätzen theologische Reflexionen auf das Geschehen im Abendmahl: Es handele sich bei den Elementen ausdrücklich nicht um gewöhnliche Lebensmittel, sondern um Fleisch und Blut Jesu Christi (ebd. 66,2). Auch wenn der in diesem Zusammenhang erscheinende Begriff der Wandlung (μεταβολή, ebd. 66,2) grammatikalisch nicht eindeutig auf die eucharistischen Elemente zu beziehen ist, liegt damit offenkundig eine Auffassung vor, nach der die Elemente einer Änderung unterzogen werden, durch die Christi Präsenz mit ihnen selbst verbunden ist. Dieser Gedanke eines Gegenwärtigwerdens Christi erhöhte auch das Bedürfnis nach einem tatsächlichen Empfang des Abendmahls, was sich bei Justin unter anderem daran festmacht, dass er von Regelungen berichtet, nach denen das Abendmahl Abwesenden von den Diakonen gebracht wurde. Dem entspricht, dass wir ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert – wohl, wenn sich die These einer Späterdatierung nicht durchsetzen sollte, zur Zeit Trajans – Zeugnisse für eine starke theologische Deutung des Abendmahls haben: Für Ignatius, den Bischof von Antiochien, galt das Abendmahl als „Unsterblichkeitsmedizin“ (φάρμακον ἀθανασίας; Ignatius, An die Epheser 20,2), durch welche die Christen vor dem ewigen Tod bewahrt werden sollten. Entsprechend findet sich auch hier schon ein Hinweis darauf, dass die Eucharistie das Fleisch Jesu Christi sei (Ignatius, An die Smyr näer 7,1), und es kann gerade diese Bemerkung möglicherweise auch deutlich machen, aus welchem Kontext die besondere Betonung einer leiblichen Entsprechung zu Jesus Christus stammt: Ignatius kämpfte gegen Doketen, die Christus nur einen Scheinleib zusprachen – und offenbar erstreckte sich dieser Kampf bis hin zur Deutung der Eucharistie. Eine tragfähige Brücke für eine solche Vorstellung ergab sich entsprechend aus einem leiblichen Verständnis der Inkarnation, wie es dann auch Justin zur Untermalung seiner Aussagen betonte. Auf dieser Linie spielten dann im Laufe der
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christlichen Antike in das Abendmahlsverständnis auch die unterschiedlichen christologischen Positionen hinein. Besonders deutlich wurde dies bei Gregor von Nyssa (gest. nach 394). Als ein Vertreter der so genannten neunizänischen Theologie lag ihm daran, die Wesensgleichheit Christi mit dem Vater, also seine Göttlichkeit zu unterstreichen. So nahm er im 37. Kapitel seiner Oratio cateche tica magna das aus der Medizin entlehnte Bild auf und machte die heilende Wirkung des Abendmahls dadurch plausibel, dass er erklärte, ebenso wie im Leib des irdischen Christus der Logos Gottes gewohnt habe, könne dieser nun auch in dem Brot wohnen. Die sich so vollziehende Wandlung gibt dann den Glaubenden, die an der Eucharistie teilnehmen, Anteil an der Unsterblichkeit. In Anknüpfung hieran gab es einen starken Strang griechischer Theologie, der die tatsächliche leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl betonte und dies, markant etwa bei Kyrill von Alexandrien (gest. 444), mit der naturhaften Teilhabe der Kommunizierenden an diesem Leib verband. Der Gedanke, dass vornehmlich nicht die leibliche Nießung, sondern die geistliche Aufnahme Christi im Zentrum der Eucharistie steht, prägt die Taufkatechesen Kyrills von Jerusalem (gest. 387), der unter Verwendung zahlreicher biblischer Bilder – der Hochzeit von Kana wie der Schaubrote des Alten Bundes – diesen Vorrang des Spirituellen betonte (Kyrill, Mystago gische Katechesen 4). Nicht nur die Frage der Präsenz des ganzen Christus in der Eucharistie war ein gewichtiges theologisches Thema für die patristischen Debatten, sondern auch die Vorstellung des Opfers. Dieser Begriff findet sich, wie der obige Hinweis auf die Didache zeigt, schon sehr früh. Bei Ignatius erscheint er gebrochen, dafür aber deutlicher noch als in der Didache auf das eucharistische Geschehen selbst bezogen, wenn er im Blick auf den Ort, an dem die Eucharistie stattfindet, von einem θυσιαστήριον (Ignatius, An die Epheser 5,2), also einem Opferaltar (θυσία / „Opfer“) spricht. Darin ist so wenig wie bei anderen frühen Verwendungen dieses Begriffs für das Abendmahl bereits eine ausgefeilte Opfertheologie zu sehen, aber es verweist doch darauf, dass die religionsphänomenologische Entsprechung zu paganen Riten den neutestamentlichen Gedanken, dass mit dem Opfertod Christi ein für allemal
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das notwendige und gültige Opfer geschehen ist, mindestens in der Weise eines jeweils neuen Präsentwerdens dieses Opfers im Abendmahl umformte. Das sich damit stellende Problem wurde offensiv von Johannes Chrysostomus (gest. 407) angesprochen, der den Begriff des Gedächtnisses aus den Einsetzungsworten zur Leitfigur seiner Interpretation machte: Das eucharistische Geschehen war hiernach ein Gedächtnis des ein für allemal auf Golgotha dargebrachten Opfers, das auf diese Weise stets neu dargebracht wird (Chrysostomus, Homiliae in epistolam ad Hebraeos 17,3). Das Thema des Opfers blieb vor allem in der syrischen Theologie leitend. Theodor von Mopsuestia (gest. 428) entfaltete die Entwürfe des Johannes Chrysostomus weiter und betonte dabei vor allem den Gedanken der pneumatischen Vergegenwärtigung, die das vergangene Heilsgeschehen sich neu ereignen lässt und die Glaubenden zum künftigen Heil geleitet. Der eucharistische Gottesdienst wird so im Horizont der orthodoxen Theologie zu einem pneumatischen Nachvollzug der Heilsgeschichte.
2. Symbolisch vermittelte Teilhabe am Ausgang der Antike: Dionysios Areopagita und Augustin Am Ausgang der Antike stehen in griechischer und lateinischer Theologie große Entwürfe, die bereits die unterschiedlichen Akzentsetzungen erkennen lassen, welche dauerhaft die Spiritualität und Theologie des Abendmahls unterscheiden sollten, denen aber gemeinsam ist, dass das Abendmahl in ihnen als ein vornehmlich symbolisches Geschehen verstanden wird. Freilich war der denkerische Horizont hierfür ein ganz anderer als ein Jahrtausend später bei der signifikativen Deutung des Abendmahls durch Huldrych Zwingli (1484–1531; s.u. S. 122 ff.). Das symbolische Verständnis der Spätantike war vielmehr von einem neuplatonischen Horizont geprägt, in dessen Beschreibung der Wirklichkeit als einer Hierarchie von Seinsstufen ein Symbol nicht ein bloßes Zeichen war, sondern Teilhabe an einer höheren Wirklichkeit erschließen konnte.
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Das griechische Erbe verdichtete sich im Corpus Dionysiacum, einer Sammlung von Schriften eines unbekannten Autors aus der Zeit um 500, die den Eindruck erwecken wollten, von einem unmittelbaren Apostelschüler namens Dionysios zu stammen, der dann mit jenem Dionysios identifiziert wurde, der von Paulus auf dem Areopag bekehrt worden war (Apg 17,34). In seinen Texten hat er die neuplatonische Philosophie aufgegriffen und in einen Horizont mystischer Theologie gestellt. Diese ist aber bei ihm alles andere als individualistisch zugespitzt: Zentral für den Aufstieg zu Gott ist die Erfahrung seiner Mysterien in der Liturgie, die als irdisches Abbild der jenseitigen Wirklichkeit Anteil an dieser gibt. Die Eucharistie wird hier zu einer Nachahmung des Heilsgeschehens, für die die leibliche Teilhabe an den Elementen nicht die Bedeutung besitzt wie in der beschriebenen Tradition Gregors und Johannes’ Chrysostomus – der eucharistische Gottesdienst wurde so zu einem dramatischen Geschehen, das den Menschen in das Heil Christi weniger über die leibliche Kommunion als über den verstehend-glaubenden Nachvollzug hineinnimmt. Mit quasi-apostolischer Autorität hat Pseudo-Dionysios dieses Erbe an die byzantinische Theologie und Spiritualität weitergegeben, vor allem im liturgischen Bereich wirkte es aber auch im Westen nach. So hat Amalar von Metz (ca. 775/780–ca. 850) in seinem Liber officialis eine Messauslegung vorgelegt, die das ganze Geschehen des Gottesdienstes, beginnend mit dem Introitus als Ankündigung durch die Propheten bis hin zum Schlusssegen als Segnung der Jünger bei der Himmelfahrt Christi, als Nachspiel des Weges Jesu verstand. Theologisch war im Westen eine wichtige Weichenstellung ein Jahrhundert vor Ps.-Dionysios durch Augustin (354–431) erfolgt. Auch seine Abendmahlstheologie war vom neuplatonischen Erbe geprägt und in ihrer Grundüberzeugung symbolisch ausgerichtet. Leitend für sein Sakramentenverständnis war der Bezug von res, Sache, und signum, Zeichen. Innerhalb dieses Gesamtverständnisses war das Sakrament ein Zeichen, das eine reale Wandlung nicht etwa voraussetzte, sondern bewirkte. Damit unterschied sich Augustin auch von Ambrosius (gest. 397). Ambrosius betonte das wirkmächtige Wort Christi und erklärte: ubi accesserit consecratio, de pane fit caro Christi. / „Sobald die Konsekration erfolgt ist, wird
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aus dem Brot Christi Fleisch.“ (De sacramentis 4,14). Augustin hingegen betonte als das entscheidende Geschehen, das das Abendmahl bewirkte, die Hineinnahme der Glaubenden in das Corpus Christi, den Leib Christi. Ganz konsequent ist in diesem Sinne, orientiert an Röm 12,1, das eigentliche Opfer die Gemeinde selbst in ihrem Dienst. Das eucharistische Geschehen hat so einen eminent gemeindebauenden Impuls, und Augustin betonte auch die Notwendigkeit tatsächlicher Kommunion. Der Leib Christi aber, an den er dabei dachte, war in der Gemeinde lebendig, um die Elemente ging es dabei nur, insofern sie über sich selbst auf Christus hinauswiesen.
3. Erster und zweiter Abendmahlsstreit im lateinischen Mittelalter Die symbolische Deutung des Abendmahls blieb freilich nicht die einzige Möglichkeit des Umgangs mit dem Abendmahl im späten Mittelalter. Insbesondere die Dialogi Gregors des Großen (gest. 604) belegen, wie stark ein Glaube an die wunderwirkende Kraft Gottes im Abendmahl verbreitet war. Im Zuge der frühmittelalterlichen Ethnogenese und „Völkerwanderung“ verstärkten sich eher Frömmigkeitselemente materieller Art. Dies ist der Hintergrund dafür, dass im Zuge der karolingischen Renaissance, die eine Wiederbelebung theologischer Reflexion mit sich brachte, auch die Frage des Abendmahls neu debattiert wurde. Im sogenannten „ersten Abendmahlsstreit“ stießen dabei zwei Positionen aufeinander, die für die heutige Wahrnehmung in ihrer feinen Binnendifferenzierung nur schwer zu unterscheiden sind, aber einen Einblick geben, mit welchen Schwierigkeiten die mittelalterliche Christenheit in Fragen des Abendmahls zu tun hatte. Das eigene Gepräge dieser Auseinandersetzungen ist freilich oft übersehen worden, weil sie ganz im Horizont der späteren reformatorischen Auseinandersetzungen wahrgenommen wurden. So wurde Paschasius Radbertus (gest. 859) als Vertreter einer realpräsentischen Position gedeutet und sein Kontrahent, Ratramnus (gest. um 870), als Vertreter einer symbolischen Deutung. Mit
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solchen Projektionen wird man hier aber ebenso vorsichtig sein müssen wie im Falle Augustins, dessen Deutung ihrerseits beide, Radbertus wie Ratramnus, nachhaltig geprägt hat. Radbertus hat in seiner um 831/833 entstandenen und ein Jahrzehnt später noch einmal bearbeiteten Schrift De corpore et sanguine Domini betont, dass das reale Essen und Trinken von Fleisch und Blut Christi für die Glaubenden heilsnotwendig sei. Sein eigentliches Bemühen galt dem Versuch, die Weise genauer zu fassen, in der diese Präsenz denkbar war. Die Lösung, die er dabei anstrebte, bewegte sich an den Grenzen des Aussagbaren. Er versuchte, das eucharistische Geschehen zugleich als volle Realität (veritas) wie als bloßes Symbol (figura) zu verstehen. Real war es, insofern tatsächlich aus dem Brot und Wein wirksam Leib und Blut Christi werden, Symbol aber im Blick auf den liturgischen Vollzug und die einzelnen Elemente. Zusammenzudenken war dies nur im Horizont eines im Glauben anzunehmenden mysterium. Dieser Lösungsversuch stieß in einer Zeit, die sich verstärkt um rationale Durchdringung des Glaubens bemühte, bald auf massiven Protest – der westfränkische König Karl der Kahle selbst beauftragte den Mönch Ratramnus mit einer eigenen Schrift zur Klärung der Abendmahlsfrage. Schon der Auftrag zeigte, dass das Anliegen des Radbertus, Unterschiedliches zusammen zu halten, in Frage gestellt werden sollte: Ausdrücklich sollte Ratramnus gerade klären, ob Christi Leib denn nun im Herrenmahl in mysterio oder in veritate genossen werde. Ratramnus entzog sich allerdings dieser platten Gegenüberstellung. Die Rede vom mysterium gab er nicht auf, sondern ging der Frage nach dem Verhältnis von veritas und figura nach. Unter Wahrheit verstand er dabei die dingliche Wahrnehmung von etwas – das konnte aber nur von den äußeren Eigenschaften von Brot und Wein, nicht aber von Leib und Blut Christi gelten. Also war Christus nicht in Wahrheit anwesend, sondern nur in figura. Ratramnus erläuterte dies auch exegetisch anhand des Einsetzungsberichtes: Wenn denn Christus schon vor seinem Kreuzestod erklärte, dass das Brot sein Leib sei, so konnte er damit keine reale Identität mit seinem fleischlichen Leib meinen, der ja noch nicht am Kreuz gestorben war. Dass Christus aber nicht in Wahrheit anwesend war, bedeutete keineswegs, dass Ratramnus
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jegliche Gegenwart Christi bestritte. Zu ihrer Erklärung verwendete er nun den Begriff mysterium. Im Mysterium nämlich – das heißt: geistlich, im Glauben – war Christus für ihn tatsächlich in der Eucharistie präsent. Ja, für Ratramnus war gemäß Hebr 11,1 gerade die Tatsache, dass Christus nicht in der Weise sinnlicher Wahrnehmbarkeit anwesend war, Grund für die Möglichkeit glaubender Zuwendung zum mysterium (Ratramnus, De corpore et san guine Domini XI). Betrachtet man diese Lösung des Ratramnus, so wird deutlich, dass die im ersten Abendmahlsstreit formulierten Unterschiede lediglich Nuancierungen betrafen. Beide Seiten bemühten sich, zugleich der Realität der Begegnung mit Christus im Abendmahl und der bloßen Abbildhaftigkeit der Elemente gerecht zu werden. Zugespitzt kann man sagen: Radbertus betonte das Realsymbol, Ratramnus das Realsymbol. Zu einer irgendwie verbindlichen Entscheidung zwischen ihren Positionen kam es nicht. In der Frömmigkeit setzte sich aber immer mehr der Gedanke einer sehr stark gedeuteten leiblichen Präsenz Christi durch. Diese wurde dabei mehr geschaut als empfangen. Deutungen wie die erwähnte des Amalar von Metz verschoben das Partizipationsverhalten in der Messe immer mehr hin zu einer visuellen Frömmigkeit, in der das Wunder göttlichen Handelns erlebbar war. Symptomatisch hierfür ist ein Bericht aus der Vita des Augsburger Bischofs Ulrich (gest. 973), der das priesterliche Wandlungshandeln sehr unmittelbar im Sinne eines Eingreifens Gottes selbst deutete: […] cum religiosus vir die sancto paschae ministerium sacramentorum studiose perficere decertaret […] apparuit dextera cum dextera episcopi sacramenta sanctificans / „Als der fromme Bischof am heiligen Ostertag im Begriff war, eifrig den Dienst der Sakramente zu versehen […], erschien eine rechte Hand und weihte zusammen mit der Rechten des Bischofs die Sakramente“ (Vita Uolrici 60 f.). Doch nicht nur das priesterliche Handeln wurde so als Ausdruck göttlicher Gegenwart gefeiert, sondern auch und vor allem die Elemente selbst. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung stellte die Einführung der Elevation in der cluniazensischen Frömmigkeit im 11. Jahrhundert dar. In ihr verdichtete sich die Entwicklung der Schau des Mysteriums einerseits und der massiven Betonung
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der Präsenz andererseits in diesem sinnlich Wahrnehmbaren: Vor der emporgehobenen Hostie knieten die Gläubigen, um in ihr Jesus Christus selbst zu verehren. Dieser Betonung der Schau korrespondierte eine geringe Bedeutung der tatsächlichen Kommunion. Man vermutet für mittelalterliche Gläubige zwei oder drei Abendmahlsbesuche im Jahr. Dass das IV. Lateranum 1215 mindestens einen Abendmahlsbesuch im Jahr vorschrieb (DH 812), lässt in etwa erahnen, wie die Realität aussah. Die steigende Betonung der Realpräsenz bildete den Hintergrund für den zweiten Abendmahlsstreit. Auch wenn sein Prota gonist, der Mönch Berengar von Tours (ca. 1005–1088), sich auf die Schrift des Ratramnus berief (die er freilich für ein Werk des karolingischen Hoftheologen Johannes Scotus Eriugena [ca. 810– ca. 880] hielt), handelt es sich hier nicht einfach um eine Neuauflage des ersten Abendmahlsstreits. Die intellektuellen Rahmenbedingungen hatten sich mittlerweile grundlegend verändert: Berengar gehörte zu jenen, die die Regeln der Dialektik auf den Stoff der Theologie anzuwenden suchten und so unweigerlich auf Schwierigkeiten stoßen mussten. Unter Rückgriff auf die aristotelische Begrifflichkeit, die man zu seiner Zeit an den Kathedralschulen intensiv lehrte und lernte, argumentierte er logisch und ontologisch gegen die Annahme einer leiblichen Einnahme von Leib und Blut Christi im Abendmahl. Das logische Argument bestand in einer sprachlichen Analyse: Wollte man den Satz „Dies ist mein Leib“ als strenge Identitätsaussage verstehen, müsste er nach den Gesetzen der Logik umkehrbar sein. Das heißt, es dürfte nicht nur der Satz „Brot ist der Leib Christi“ gelten, sondern auch: „Der Leib Christi ist Brot“. Um eine solche offenkundige Absurdität zu umgehen, erklärte er, in den Einsetzungsworten sei nur vom Brot im eigentlichen Sinne die Rede, vom Leib Christi hingegen im metaphorischen Sinn (Rescrip tum contra Lanfrannum; CChr.CM 84A, 68, 1167–1170). Noch schlagkräftiger als dieses logische Argument war das ontologische. Berengar betonte immer wieder, dass es ja offenkundig sei, dass Brot und Wein nach der Weihe jedenfalls immer noch sinnlich wahrnehmbar seien, ihre Existenz also auf irgendeine Weise nicht beendet sein könne. Jedenfalls blieben ihre äußerlichen
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Eigenschaften erhalten. Solche äußeren Eigenschaften aber können nach aristotelischem Verständnis nicht bleiben, wenn das, wozu sie gehören, nicht auch wesentlich bleibt: Eine Eigenschaft ist immer nur Eigenschaft von etwas. Würde also im Abendmahl tatsächlich Christus selbst wesenhaft an die Stelle des Wesens von Brot und Wein treten, müssten auch alle äußeren Eigenschaften Christi an die Stelle der Eigenschaften dieser Elemente treten. Der Austausch eines Wesens unter den Eigenschaften hinweg ist nicht denkbar. Diese Lehre war mehr als die Sonderlehre eines einzelnen Gelehrten. Offenbar zog sie schon früh Kreise in ganz Europa – das zeigt sich schon allein daran, dass Berengars Prozess nach Rom verlagert wurde. Das hatte auch damit zu tun, dass das Wirken Be rengars in die Zeit des Reformpapsttums fiel, das nicht nur die Freiheit der Kirche vom weltlichen Zugriff besonders betonte, sondern auch die besondere Autorität des Papstes. Schon wenige Jahre bevor Berengar nach Rom kam, hatte dabei das Abendmahl am Rande eine Rolle gespielt. Zu den Argumenten, die den Bruch zwischen lateinischer und byzantinischer Kirche 1054 begründeten, gehörte auch die Frage des Ritus im Abendmahl: Während die Ostkirche Abendmahl mit gesäuertem Brot feierte, hatte sich im Westen der Gebrauch von ungesäuertem Brot durchgesetzt. Doch war dies nur ein Baustein in einem sehr komplexen Beziehungsgefüge, der dazu beitrug deutlich zu machen, dass Ost und West sich schon lange vor 1054 auseinanderentwickelt hatten. Viel zentraler ging es um das Abendmahl, als sich fünf Jahre später Berengar in Rom zu verantworten hatte. Im Jahre 1059 wurde er unter Papst Nikolaus II. (1058–1061) gezwungen vor einem römischen Konzil ein Bekenntnis vorzutragen, in dem es hieß, dass […] panem et vinum, quae in altari ponuntur, post consecrationem non solum sacramentum, sed etiam verum corpus et sanguinem Domini nostri Iesu Christi esse, et sensualiter, non solum sacramento, sed in veritate, manibus sacerdotum tractari et frangi et fidelium dentibus atteri. / „Brot und Wein, die auf dem Altar liegen, nach der Weihe nicht nur Sakrament sind, sondern der wahre Leib und Blut unseres Herrn Jesu Christi sind und in sinnfällig dinglicher Weise, nicht nur sakramental, sondern in Wirklichkeit von den Händen
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der Priester berührt und gebrochen und von den Zähnen der Gläubigen zermalmt werden“ (DH 690). Deutlicher und massiver konnte man die Realpräsenz kaum ausdrücken – und während der Papst den Widerruf Berengars bald in Europa bekanntgeben ließ, distanzierte dieser selbst sich schon wieder davon. Es kam zu längeren Auseinandersetzungen, an denen mit Lanfrank von Bec (ca. 1005–1089) einer der bedeutendsten Gelehrten der Zeit teilnahm. Die nachhaltigste Wirkung von Berengars Position aber kam auf eine geradezu ironische Weise zustande. Mit seiner Deutung des Verhältnisses von Wesen und Eigenschaft bewegte er sich innerhalb des aufkommenden lateinischen Aristotelismus auf einer Stufe, auf der die Terminologie nicht restlos geklärt war. So verwendete er zur Beschreibung des Sachverhaltes unterschiedliche Begriffe, darunter auch diejenigen, die sich später terminologisch durchsetzen sollten: accidens für die veränderliche Eigenschaft und substantia für das Wesen. Und wenn er auch nicht mit seinen Auffassungen selbst Erfolg hatte, so doch mit dieser Einzeichnung des Abendmahlsgeschehens in aristotelische Terminologie. Zwanzig Jahre nach seiner ersten Verurteilung – 1079 – musste er wieder ein Bekenntnis annehmen, das die realpräsentische Lehre gegen seine dialektische Kritik einschärfte, und darin hieß es nun unter anderem, dass Christus in proprietate naturae et veritate substan tiae / „in der Eigenheit der Natur und der Wahrheit der Substanz“ in den eucharistischen Elementen gegenwärtig sei (DH 700). Damit wurde erstmals für einen kirchlichen Text die aristotelische Terminologie leitend, die fast eineinhalb Jahrhunderte später auf dem Vierten Laterankonzil die kirchliche Lehre prägen sollte. Die von Berengar so forcierte Dialektik war damit zu einem Teil einer dogmatischen Entscheidung geworden.
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4. Etablierung und Infragestellung der Transsubstantiationslehre Die Berengar-Kontroverse ist ein Indiz für die weiter gestiegene Bedeutung der Realpräsenz: Je ferner die neuplatonischen Voraussetzungen eines Augustin oder auch noch der Beteiligten am ersten Abendmahlsstreit rückten, desto mehr verschob sich die Wahrnehmung des Realsymbols Abendmahl vom Symbol zur sinnlichen Realität. Die oben erwähnten Stränge in der Frömmigkeit, die dies anzeigen – die Tendenz zu einer Geringschätzung der tatsächlichen Kommunion und die Betonung der leiblichen Präsenz Christi – verdichteten sich in einer Regelung, die zunächst als Zugeständnis der Kirche an die Laien aufkam, wenige Jahrhunderte später aber zum Symbol des Protestes gegen Kleriker wurde: dem Verzicht auf die Spendung des Kelchs an die Laien. Dahinter steckten wohl vor allem Befürchtungen von Laien, sich womöglich bei der Entgegennahme des Kelchs durch Verschütten des Blutes Christi zu versündigen. Sie standen möglicherweise schon hinter der Sitte der intinctio, des Eintauchens der Hostie in den Wein, die das Konzil von Braga 675 untersagte. Aber die fromme Scheu wurde mit der anwachsenden Realitätsvorstellung immer ausgeprägter, auch wenn kirchenrechtliche Regelungen sich bemühten, die Spendung des Sakramentes unter beiderlei Gestalt aufrecht zu erhalten. Noch das Decretum Gratiani, die für das weitere Mittelalter maßgebliche Kirchenrechtssammlung aus dem 12. Jahrhundert, bezeichnete den Verzicht auf die Kelchkommunion als Aberglaube (Decreti Tertia pars De consecratione distinctio 2, caput 12). Doch griffen zu dieser Zeit schon die Bemühungen, den Kelchverzicht theologisch durch die Konkomi tanzlehre zu legitimieren. Nach dieser Auffassung ist Christus zugleich ganz im Brot und ganz im Wein. Wer auf letzteren verzichtete, erhielt also nicht weniger von Christus selbst beziehungsweise von seinem Heil. Auf dieser Grundlage konnte dann der Kelchverzicht, maßgeblich nachweisbar bei Kardinal Robert Pullus (gest. 1146), kirchlicherseits akzeptiert und zur üblichen Praxis im mittelalterlichen Glaubensleben werden. Auch wenn dies auf die Scheu
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der Laien selbst zurückging, bedeutete es einen Rückgang der Partizipation der Laien am gottesdienstlichen Geschehen, der in den folgenden Jahrhunderten auch genau so empfunden wurde. Den entscheidenden Schritt für die Etablierung eines theologischen Verständnisses der Realpräsenzlehre stellte dann die schon angedeutete Entscheidung des Vierten Laterankonzils von 1215 dar, das lehrte, dass corpus et sanguis in sacramento altaris sub speciebus panis et vini veraciter continentur, transsubstantiatis pane in corpus, et vino in sanguinem potestate divina. / „Leib und Blut im Sakrament des Altars unter den Gestalten von Brot und Wein wahrhaft enthalten sind, wenn durch göttliche Macht das Brot in den Leib und der Wein in das Blut wesenhaft verwandelt sind“ (DH 802). Die Verwandlung wurde mit dem Verb transsubstantiare ausgedrückt – damit war die Transsubstantiationslehre dogmatisiert und das Sprachgerüst des Aristoteles zum Teil der dogmatischen Abendmahlslehre geworden. Freilich formulierte auch das Konzil nicht durchgängig im Sinne strikter aristotelischer Sprache, und insofern kann man die intendierte Transsubstantiationslehre auch noch nicht ganz genau fassen: Gegenbegriff zur substantia war auch hier nicht das accidens, sondern die species, die Gestalt. Maßgeblich für die Ausformulierung des Transsubstantiations verständnisses war dann Thomas von Aquin (ca. 1224–1274). Im Rahmen seiner Sakramentenlehre stellte die Eucharistie den Höhepunkt aller Sakramente dar, weil in ihr Jesus Christus selbst sub stantiell enthalten war. Er beschrieb den Vorgang ganz mit den Mitteln des Aristotelismus: Die äußeren Akzidenzien von Brot und Wein blieben erhalten, während sich gewissermaßen unter ihnen hinweg die Substanz in diejenige Jesu Christi wandelte. Dass dies innerhalb des aristotelischen Denkens auf Schwierigkeiten stoßen musste, war ihm durchaus bewusst. So betonte er, dass es sich hierbei um einen übernatürlichen Vorgang handle, den er selbst nur mit sehr vorsichtigen Umschreibungen fasste: Christus ist nicht abgrenzbar und nicht räumlich unter den eucharistischen Elementen, sondern auf eine sakramentale Weise gegenwärtig, deren Sinn in ihrer Wirkung liegt, den Menschen zu einem Leben aus Gnade zu bewegen (Summa Theologiae III q. 79 a. 1). Diese Reflexionen zeigen auch, dass das Entscheidende an Thomas’ Eucharistielehre weniger
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die philosophische Erklärung ist als die Zuspitzung der Gnadenbewegung Gottes: In der Eucharistie kommt die Auferbauung des gefallenen Menschen durch Jesus Christus an ihr Ziel, weil Christus selbst dem Menschen entgegenkommt. Diese soteriologische Zentrierung machte sich auch in der Vorstellung des Aquinaten bemerkbar, dass das Sakrament die Passion Christi repräsentiere. Damit erhielt der in der Liturgie verankerte Gedanke einer vergegenwärtigenden Darstellung der Heilsgeschichte eine theologisch konzentrierte Zuspitzung. Tatsächlich kann man von der so ausgedrückten eucharistischen Repräsentationsfrömmigkeit aus die Grundvorstellungen mittelalterlichen Abendmahlsverständnisses darstellen, die unzureichend erfasst sind, wenn man nur auf die Frage der Weise der Präsenz Christi schaut – diese ist bestimmend für die konfessionellen Kontroversen geworden. Leitend für die Theologen und Glaubenden des Mittelalters selbst aber war die sich im Abendmahl verdichtende Dynamik des Gnadenhandelns Gottes. Von hier aus gedacht, lässt sich die Dynamik des mittelalterlichen Abendmahlsgeschehens im Sinne eines repräsentativen Reziprozitätsmodells verstehen: Der Priester ist in gewisser Weise ein doppelter Repräsentant. Er handelt an Christi Statt – und zugleich stellvertretend für die Gemeinde. Damit wiederholt er symbolisch auch die Zwei-Naturen-Existenz Christi, der die Menschen eben deswegen erlösen konnte, weil er Gott und Mensch war. Konkreter auf das Abendmahl bezogen, aber natürlich eng mit dem christologischen Bezug verbunden, begründet sich dieses Ineinander in der später konfessionell umstrittenen Kategorie des Opfers: Es ist nach mittelalterlichem Verständnis zugleich Christus, der sich in der Eucharistie je neu für die Glaubenden opfert – und es ist die Gemeinde, die Gott ein Opfer darbringt, beides konzentriert in der Gestalt des Priesters. Die Gemeinde allerdings, die handelt und an der gehandelt wird, ist nicht die je konkret vor Ort versammelte Gemeinde, sondern es ist die ganze Gemeinde Jesu Christi: die Kirche. Gerade dieser Gedanke hat zu der Entwicklung geführt, dass die Wirkung der Messe zum einen ganz durch ihren objektiven Charakter gesichert war, sie also ex opere operato („aus dem vollzogenen Werk“) wirkte, zum anderen hierfür die Anwe-
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senheit des zelebrierenden Priesters allein nötig war, der das heilige Opfer stellvertretend für die Gemeinde darbrachte – ein Phänomen, das als „Winkelmesse“ in der Reformation massive Kritik erfuhr. Zu den später umstrittenen Erscheinungen mittelalterlicher Religiosität gehörte auch der Glaube an eine Präsenz Christi in den einmal geweihten Elementen über den Vollzug des Gottesdienstes hinaus – dies war der Hintergrund dafür, dass es mit dem 1264 offiziell eingeführten Fronleichnamsfest eine eigene rituelle Feier des in der Hostie präsenten und damit in der Monstranz zeigbaren Herrenleibes (so die neuhochdeutsche Übersetzung für Fronleichnam) gab. Theologie und Frömmigkeit des späten Mittelalters waren vielfach durch scharfe Polaritäten zwischen unterschiedlichen Auffassungen und auch Frömmigkeitsstilen geprägt. So ist es charakteristisch, dass es nebeneinander zu einer Verstärkung der äußerlichmaterialen Abendmahlskultur wie auch zu einer Infragestellung ihrer theologischen und spirituellen Voraussetzungen kam. Insbesondere der Messvollzug durch den einzelnen Priester gewann eine immer höhere Bedeutung. Charakteristisch hierfür sind die architektonischen Veränderungen, wie man sie besonderes markant etwa am Mainzer Dom sehen kann, an dessen romanischen Kern im späten Mittelalter eine Fülle von Seitenkapellen angesetzt wurde. Solche Seitenaltäre waren charakteristisch für den Anstieg der Zahl von „Messpfaffen“, die die Aufgabe hatten, in einem bestimmten Auftrag und zu einem bestimmten Zweck Messen zu lesen. In den Städten sammelten sich vielfach Bruderschaften, um solche Priester zu finanzieren: Während die in der Bruderschaft Versammelten sich ihrerseits in alltagsweltlichen Zusammenhängen um eine christliche Lebensführung bemühen konnten, oblag es dem Priester, das gemeinsame Heil sakramental zu sichern. Der dabei getriebene Finanzaufwand war enorm; er konnte neben der Finanzierung des Personals auch die Bereitstellung der Kapelle und des Altars umfassen. Das Abendmahl wurde so zu einem durchaus beachtlichen wirtschaftlichen Faktor in der spätmittelalterlichen Stadt. Entscheidend aber blieb die Zelebration, nicht die Kommunion. Legenden unterstrichen dabei die Realität der Präsenz Christi. Die
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immer wieder erzählte Geschichte von angeblichem jüdischem Hostienfrevel hatte ihre Pointe neben dem darin ausgedrückten krassen Antijudaismus auch in der Betonung der dauerhaften Wandlung der Hostie, denn in der Regel kreiste die Erzählung um den Gedanken, dass eine Hostie, die mit Stichen verletzt worden war, zu bluten begann. Bildlich dienten Darstellungen der sogenannten Gregorsmesse dazu, die wahre Gegenwart Christi zu unterstreichen: Papst Gregor der Große, der ja in der Tat für die Entwicklung massiver Abendmahlsfrömmigkeit bedeutsam gewesen war, hatte nach einer Legende eine Vision gehabt, in der sich die Hostie in einen Finger verwandelte. Dies wurde im späten Mittelalter zu einem Bildtypus ausgebaut, in dem ein Schmerzensmann über dem Altar erschien, dessen Blut in den Kelch floss. Der so immer wieder präsent werdende und auch bleibende Christus musste dann mit besonderer Ehrfurcht behandelt werden. Das berühmte Sakramentshaus des Adam Kraft (gest. 1509) in St. Lorenz in Nürnberg zeugt davon, mit welchem Prunk man die alten Tabernakel, in denen die gewandelte Hostie aufbewahrt wurde, nun ausstattete, um so die vervielfachte Gegenwart Christi im kirchlichen Raum zu unterstreichen. Dieser sich immer weiter intensivierenden Frömmigkeit der Realpräsenz Christi standen in polarer Spannung verschiedene Formen der Relativierung, ja, Infragestellung dieser Präsenz entgegen. Die eine Form der Relativierung findet sich in der Theologie der Via moderna, also jener theologischen Richtung, die im 14. und 15. Jahrhundert das von Thomas von Aquin gefügte feste ontologische System aufgrund sprachkritischer Analysen in Frage stellte und sich neben dieser Via antiqua auch in Gestalt bestimmter Lehrstühle an Universitäten verfestigte. Eine der wichtigsten Gestalten dieser sich neu formierenden Denkrichtung, Wilhelm von Ockham (ca. 1285–1347), hat das kritische Potenzial dieses Denkens auf die Eucharistielehre angewendet. Als wäre es nicht 1215 zu einer Lehrentscheidung gekommen, erwog er noch einmal von Grund auf die unterschiedlichen Erklärungsmodelle, die sich in der Sentenzensammlung des Petrus Lombardus (1095–1160), dem maßgeblichen theologischen Lehrbuch des Mittelalters, fanden (Sentenzen IV d. 1 c. 2). Neben der Transsubstantiationslehre hatte
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dieser, noch unbelastet von der Konzilsentscheidung, auch die Konsubstantiation und die Annihilation erwogen: Im Unterschied zur Wandlung der Substanz von Brot und Wein in die von Leib und Blut Christi, wie sie die Transsubstantiationslehre annahm, ging die Konsubstantiationslehre davon aus, dass die Substanzen von Leib und Blut Christi neben die bleibenden Substanzen von Brot und Wein träten. Nach der Annihilationslehre wiederum käme es nicht zur Wandlung des einen in das andere, sondern die Sub stanzen von Brot und Wein würden vernichtet und durch die von Leib und Blut ersetzt. Es ist offenkundig, dass die von Berengar angesprochenen Probleme sich nur bei der Konsubstantiationslehre nicht stellten – in beiden anderen Fällen blieben die Akzidenzien von Brot und Wein ohne die Substanz, der sie eigentlich anhingen, erhalten. Die Konsubstantiation hingegen hält diesen Zusammenhang aufrecht und setzt nur den heilbringenden Leib Christi und sein Blut hinzu. So war es für einen scharfen Kopf wie Ockham klar, dass er erklärte: Die Konsubstantiation […] posset teneri, quia non repugnat rationi, nec alicui auctoritati Bibliae, et est rationabi lior et facilior ad tenendum inter omnes modos, quia pauciora in convenientia sequuntur ex eo quam ex aliquo alio modo. / „könnte man vertreten, weil sie der Vernunft nicht widerspricht, und auch keinem Zeugnis der Bibel, und weil sie unter allen Weisen am vernünftigsten und einfachsten zu vertreten ist; denn aus ihr folgen weniger unplausible Annahmen als aus irgendeiner anderen Auffassung.“ (Ockham, Sentenzenkommentar lib. 4 q. 8). Vor einem Abgleiten in häretische Aussagen schützte Ockham sich allerdings dadurch, dass er dem entgegenhielt, dass die Kirchenlehre sich für die Transsubstantiation ausgesprochen habe und er sich deshalb, dieser Autorität folgend, dieser Auffassung anschließe. So war äußerlich der rechte Glaube gewahrt – und doch machte die Weise der Argumentation deutlich, dass die Kirche sich mit ihrer Transsubstantiationslehre auf schwierigem Gelände bewegte. Allein schon diese Argumentation trug dazu bei, dass die Frage nach dem Eucharistieverständnis weiter diskutabel blieb. Noch Ende des 14. Jahrhunderts hat John Wyclif (1330–1384), der selbst nicht der Via moderna entstammte, gleichfalls betont, dass die
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Lehre von der Transsubstantiation in keiner Weise biblisch sei. Sein eigener Entwurf stellte eine gewisse Transformation des Konsub stantiationsmodells dar, insofern Wyclif auch lehrte, dass Brot und Wein erhalten blieben, aber dann nicht so sehr an eine substan tielle Hinzusetzung von Leib und Blut Christi dachte, als an eine besondere verborgene Gegenwart. Sein Bemühen um eine biblische Fundierung brachte es mit sich, dass die aristotelischen Deutungskategorien eine immer geringere Bedeutung für eine Erklärung des Mysteriums der Eucharistie gewannen (Wyclif, De eucharistia c. 1; c. 4). Wirksam wurde seine Theologie freilich weniger mit dieser ausgefeilten Deutung der Gegenwart Christi als mit einem ganz anderen, von ihm gar nicht intendierten Aspekt: Aufgrund kultureller Kontakte zwischen Böhmen und England wurden seine Gedanken insbesondere in Böhmen wirksam, wo Jan Hus (ca. 1371–1415) zur Zentralfigur eines nationalen und kirchlichen Widerstandes gegen die etablierten Eliten wurde. Er folgte in vielen Punkten der Theologie Wyclifs. Erst kurz vor seinem Tod auf dem Scheiterhaufen während des Konstanzer Konzils nahm Hus in sein Denken auch die Forderung nach der Spendung des Laienkelchs auf. Diese sollte dann zum Symbol der nach ihm benannten hussitischen Bewegung werden, der es in lang anhaltenden Kämpfen gelang, in Böhmen eine eigene, von Rom gelöste Nationalkirche zu errichten. Ihre immer wiederholte und auch bildlich untermalte Forderung nach der Spendung des Sakraments „unter beiderlei (Gestalt)“, sub utraque, begründet ihre Benennung als „Utraquisten“. Doch nicht nur auf der Ebene der Reflexion über die Weise der Gegenwart Christi in der Eucharistie kam es zu erheblichen Relativierungen der offiziellen Abendmahlslehre. Eine brisante Infragestellung entwickelte sich in der mystischen Theologie: Der Gedanke, dass Gott den Glaubenden in mystischer Begegnung unmittelbar nahe komme, konnte dazu führen, dass grundsätzlich die Frage aufkam, ob denn die Eucharistie überhaupt noch für solche Menschen nötig sei. Eine Verurteilung mystisch bewegter Beginen auf dem Konzil von Vienne unterstellte diesen 1312 die Auffassung, man dürfe bei der Elevation im Abendmahl dem so gezeigten Leib Christi keine Verehrung erweisen. Tatsächlich gibt es im mystischen Kontext nicht nur den auch möglichen Gedanken,
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dass die intensive leibliche Begegnung mit Christus selbst mystisch inspirierend wirken könne, sondern auch die Vorstellung, dass diese ganz gleichgültig werde. Wie beides zusammengehen und so Abendmahlsfrömmigkeit zugleich intensiviert und relativiert werden konnte, zeigt eine Predigt von Johannes Tauler (ca. 1300–1361). Ausgerechnet am Fronleichnamstag, der ganz der Schau des Leibes Christi gewidmet war, betonte er die Einnahme des Sakramentes mit dem Jubelruf: „Wir essent unsern Gott“ und setzte noch hinzu: „Nu ist enkein materielich ding das als nahe und inwendiklich den menschen kume als essen und trinken, das der mensche zuo dem munde in nimet“ (Tauler, Predigten Nr. 60c). Der eigentliche Zielpunkt aber war gerade nicht dieser stoffliche Vorgang, sondern eine Art Umkehrung des Geschehens: Im Zuge seiner Predigt entfaltete Tauler, dass eigentlich nicht wir Christus äßen, sondern dieser uns, und zwar durch die Zerknirschung, in der wir Abstand von uns nehmen und eben darin Platz für Christus machen. So sehr damit der Ausgangspunkt beim äußeren Sakrament genommen war, so sehr war doch Tauler zugleich bei der eigentlichen theologischen Entwicklung zu einem Gedanken gekommen, der das Geschehen des Abendmahls spiritualisierte und damit von der Einnahme des Abendmahls wiederum löste – wenn die innere Zerknirschung das Entscheidende war, waren in einem Zuge Abendmahl und auch das äußere Sakrament der Buße in Frage gestellt. Wenn Tauler auch beides grundsätzlich aufrechterhielt, steht seine Theologie damit innerhalb der im Spätmittelalter zusammengehaltenen Polaritäten auf der Seite derjenigen Konzeptionen, die die Bedeutung des äußeren Vollzugs des Abendmahls sowohl für das Sehen als auch für das Schmecken reduzierten.
5. Reformatorischer Protest, reformatorischer Streit, reformatorische Lehren Für Luthers reformatorische Entwicklung war die mystische Theologie von entscheidender Bedeutung: Er las um 1515 Johannes Tauler, wenig später die ebenfalls mystisch ausgerichtete Theolo gia deutsch. Nach und nach formte er die hier gewonnene Einsicht
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in die unmittelbare Zuwendung Gottes mit Hilfe Augustins und der Paulusbriefe zu seiner Rechtfertigungstheologie aus. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass seine ersten Äußerungen zum Abendmahl stark dessen signifikative Bedeutung hervorheben (Luther, Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacrament; WA 2,743,20–26) und dass ähnlich wie bei Tauler ein enger Zusammenhang zwischen Abendmahl und innerer Zerknirschung (contritio) begegnet, wobei diese für Luther zur angemessenen Vorbereitung auf das Abendmahl zählt (Luther, Sermo de digna praeparatione; WA 1,331,19–21). Im Zuge der Ausformung seiner Rechtfertigungslehre tritt dann immer mehr der Charakter des Abendmahls als Gabe Gottes an den Menschen hervor: So wie Gott den Menschen allein aus Gnade und allein durch den Glauben rechtfertigt, so ist auch das Abendmahl ganz und gar und ausschließlich ein Handeln Gottes, das der Mensch empfangen darf, und es kann in keiner Weise ein Werk sein. Luther machte dies an der Vorstellung des Abendmahls als eines Testamentes fest, das durch die Einsetzungsworte vermacht wird. Das „für euch“ macht den Verheißungs charakter deutlich, der überhaupt begründet, warum man beim Abendmahl von einem Sakrament sprechen kann. Nach Luthers 1520 in seiner Schrift De captivitate Babylonica entfalteten Auffassung ist ein Sakrament eben dadurch gekennzeichnet, dass sich in ihm ein äußerlich sichtbares Zeichen mit einem Verheißungswort (promissio) verbindet; die biblische Einsetzung ist dabei konstitutiv, aber sie wäre ohne diese beiden Kriterien allein nicht tragfähig. Wenn aber das Abendmahl vornehmlich Gabe Gottes, getragen durch die Verheißung der Sündenvergebung, ist, musste ein für das mittelalterliche Glaubensleben zentraler Aspekt der Eucharistielehre massiver Kritik ausgesetzt werden: die Vorstellung des Opfers. Auch wenn mittelalterliche Theologie nicht in der Eindimensionalität, wie es ihr von reformatorischer Seite vorgehalten wurde, ein menschliches Handeln lehrte, so gab doch die beschriebene reziproke Dynamik dem menschlichen Handeln als unabdingbarem Bestandteil des Heilsgeschehens Raum – und in der Frömmigkeit jener Einzelmessen hatte sich dieser Aspekt sogar noch stärker in den Vordergrund gerückt. Luther setzte an die Stelle dieser reziproken Dynamik ein Deszendenzmodell: Christus gibt sich dem Glau-
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benden im Vollzug des Abendmahls. Die Dynamik der Handlung ist nicht wie im Mittelalter als wechselseitiges Geschehen zu verstehen, sondern sie richtet sich ganz von Gott auf den Menschen. Seine Neuorientierung des Abendmahlsverständnisses hat Luther einerseits im Horizont erbaulicher Schriften entwickelt, vor allem dem Sermon vom Neuen Testament, durch den er den glaubenden Menschen einen neuen Zugang zu dieser besonderen Gnadengabe eröffnen wollte. Das ging aber nicht ohne kritische Abgrenzung von der gültigen kirchlichen Lehre – diese erfolgte in aller Schärfe in der schon erwähnten Schrift De captivitate Babylonica, in der er alle sieben Sakramente der mittelalterlichen Kirche kritisch musterte und unter ihnen allein Abendmahl und Taufe, sowie bedingt, als Rückkehr zur Taufe, die Buße gelten ließ. Den anderen vier im Mittelalter als Sakrament begangenen Handlungen aber – Firmung, Weihe, Ehe, Letzte Ölung – sprach er den sakramentalen Charakter ab. Paradigmatisch entfaltete er sein neues Sakramentenverständnis anhand des Abendmahls, mit dessen Behandlung der große Traktat auch einsetzt. Luther sah das Abendmahl in seiner Zeit einer dreifachen Gefangenschaft ausgesetzt. Die erste war die offenkundigste, gleichwohl durch den Ablauf der Auseinandersetzungen des späten Mittelalters äußerst brisante: Luther kritisierte, dass den Laien der Kelch vorenthalten wurde, machte sich also stark für die Grundauffassung jener Gruppierung, deren Gründergestalt, Jan Hus, ein Jahrhundert zuvor als Ketzer hingerichtet worden war. Es waren die klaren Formulierungen der Einsetzungsworte, die hier für ihn leitend wurden. Zwar folgerte er hieraus ausdrücklich keinen Zwang, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt einzunehmen – schon aus seelsorgerlichen Gründen gestand er den Glaubenden zu, das Abendmahl weiter unter einer Gestalt einzunehmen –, aber das Umgekehrte, das Verbot der Feier unter beiderlei Gestalt, kritisierte er scharf. Die zweite Gefangenschaft lag für ihn in der Transsubstantiationslehre. Obwohl er die scholastischen Auseinandersetzungen um die Frage, ob der Vorgang nach der aristotelischen Lehre möglich sei, kannte und auf sie anspielte, war nicht dies sein entscheidender Gesichtspunkt. Vielmehr sah er die Gefangenschaft gerade darin, dass die Dogmatisierung der Transsub-
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stantiation eine bestimmte philosophische Auslegung der Präsenz Christi im Abendmahl für den Glauben verbindlich machen und damit die Gewissen unangemessen binden wollte. Er selbst neigte dabei zu einer Auffassung, die am ehesten der Wyclifs ähnelte: Er betonte das volle Bleiben von Brot und Wein und zugleich die Gegenwart Christi, vermied aber eine präzise philosophische Festlegung dieses Zusammenhangs. Selbst die räumliche Beziehung hat er auf unterschiedliche Weise beschrieben, so dass seine Auffassung am ehesten mit den gelegentlich bei ihm zu findenden Formulierungen „in, mit und unter“ zu fassen ist. Die dritte Gefangenschaft schließlich betrifft die oben ausgeführte Vorstellung vom Opfer. Luther wusste, welch heikle Frage er damit anging und listete all die Formen spätmittelalterlicher Frömmigkeit auf, die von diesem Gedanken getragen und damit von seiner diesbezüglichen Kritik betroffen waren. Tatsächlich rührte diese Vorstellung tief an den Zusammenhang von Gesellschaft, Ökonomie und Frömmigkeit. Wollte man den Opfercharakter der Messe beseitigen, folgte ein Umbau zentraler Bereiche des öffentlichen Lebens, nicht nur im kirchlichen Raum. So war Luther auch vorsichtig genug, die Umsetzung der 1520 formulierten neuen Auffassung nur allmählich anzugehen – wie sich an der Frage der Spendung unter beiderlei Gestalt zeigt, bemühte er sich gerade auch, den Menschen ein Leben unter Umständen zu ermöglichen, in denen noch nicht alle Forderungen einer Umgestaltung des Abendmahls erfüllt waren. Auf dieser Allmählichkeit der Umsetzung beharrte er auch, als es in der Zeit seines erzwungenen Schutzaufenthaltes auf der Wartburg nach dem Wormser Reichstag 1521/1522 zu tumultuarischen Zuständen in Wittenberg kam: Sein Kollege Andreas Karlstadt (1486–1541) feierte am Weihnachtstag 1521 in der Stadtkirche, deren Predigerstelle durch Luthers Abwesenheit verwaist war, einen Gottesdienst mit dem Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Die Liturgie war um alle Formulierungen, die auf einen Opfercharakter hinwiesen, gekürzt, und Karlstadt verzichtete auf liturgische Gewänder. Wenig später sah eine Ordnung der Stadt Wittenberg wesentliche Änderungen der Liturgie und des Altarwesens vor. Die rasanten und radikalen Änderungen brachten, wenige Monate nach dem Wormser Edikt,
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das Luther in Reichsacht gesetzt hatte, den Kurfürsten in Bedrängnis und gefährdeten so das Bemühen um eine Veränderung der Kirche insgesamt. So kehrte Luther, ungeachtet der Warnung des Kurfürsten, dass er ihm keinen Schutz vor den Maßnahmen des Kaisers gewähren könne, nach Wittenberg zurück und mahnte im März 1522 in seinen Invokavitpredigten zu gemäßigter Reform, auch was das Abendmahl betraf. Bald machte er sich an die allmähliche Umgestaltung. Schon 1523 legte er mit seiner Formula Missae et com munionis pro Ecclesia Wittenbergensi eine lateinische Liturgie vor, die sich in vielem an die hergebrachten Formulierungen anlehnte, diese aber um die opfertheologischen Wendungen kürzte und so in den neuen theologischen Rahmen einordnete. Zwei Jahre später, 1525/1526, folgte sein Entwurf der Deutschen Messe. Während für die Gebildeten der lateinische Gottesdienst erhalten blieb, sollte der allgemeine Gottesdienst, wie er in Wittenberg gefeiert wurde, nun in deutscher Sprache stattfinden. So konnte sein Charakter als Verkündigungsgeschehen herausgestrichen werden – was Luther bis dahin durchgestaltete, dass er die Einsetzungsworte im liturgischen Ton der Evangelienlesung singen lassen wollte. Nicht eine Wandlung stand im Mittelpunkt, sondern die Verkündigung der Verheißung Gottes. An der Realpräsenz Christi in den Elementen im Vollzug des Abendmahls hat Luther dabei nicht gezweifelt, im Gegenteil: Er hat sie im Zuge der innerreformatorischen Auseinandersetzungen immer stärker betont. Die Kritik am Opfercharakter der Messe war Gemeingut aller Reformatoren, doch die Deutung des Bezuges zwischen den Elementen und Jesus Christus selbst begründete Differenzen, die über Jahrhunderte prägend für das Antlitz des Protestantismus wurden. Der erste, mit dem Luther sich über diese Frage auseinanderzusetzen hatte, war wiederum Andreas Karlstadt. Nach Luthers Rückkehr nach Wittenberg war der einstmals angesehene Theologieprofessor hier in die Isolierung geraten und entschied sich schließlich, selbst als Geistlicher in der Pfarrei Orlamünde zu wirken, die bislang im Rahmen des mittelalterlichen Pfründensystems der Finanzierung seiner Professur gedient hatte. Hier entwickelte
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er ein von Mystik und Einfachheitsidealen geprägtes Reformprogramm, bis er 1524 aus Sachsen ausgewiesen wurde. Zu den Früchten seiner Orlamünder Tätigkeit gehörte auch die Entfaltung eines Abendmahlsverständnisses, in dem die Bindung der Präsenz Christi an die Elemente bestritten wurde. Sein Argument hierfür stellte eine bemerkenswerte Folge der neuen philologischen Bemühungen dar, in denen die Reformatoren mit den Humanisten der Zeit verbunden waren. Wenn Christus erklärte: „Dies ist mein Leib“, so konnte dies zu Lebzeiten Jesu ja nur auf den noch vorhandenen Menschenleib bezogen sein: Jesus habe, als er das τοῦτο („dies“) aussprach, nicht etwa auf das Brot gezeigt, sondern auf sich selbst (Karlstadt, Dialogus). Diese philologische Überlegung diente bei Karlstadt dazu, eine spiritualisierte Deutung der Begegnung mit Christus in den Vordergrund zu stellen, die gar die Notwendigkeit der Einnahme des Abendmahls in Frage stellte. Karlstadt blieb mit solchen Überlegungen nicht allein. Später fanden sich vergleichbare Gedanken in spiritualistischen Kreisen der Reformation – etwa bei Kaspar von Schwenckfeld (1489–1561) und seinen Anhängern – wieder. Längerfristig bedeutsam wurde aber eine andere Kontroverse, die Luther ausfocht: die mit dem Zürcher Reformator Huldrych Zwingli. Er war etwa zeitgleich mit Luther, aber unter ganz anderen geistigen Voraussetzungen zur Kritik an der gegebenen Kirche und zur Bemühung um eine reformatorische Umgestaltung gekommen. Während für Luther die mystische Theologie maßgeblich gewesen war, kamen die prägenden Einflüsse für Huldrych Zwingli aus der Theologie des Duns Scotus (1265/1266–1308) und des spätmittelalterlichen Scotismus. Ein zentraler Gedanke, den er von hier übernahm, war der vom unendlichen Gegensatz zwischen Schöpfer und Geschöpf. Humanistische Einflüsse sorgten für eine geschärfte Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Ursprüngen und späteren Traditionen, und so formte sich der scotistische Gegensatz bei Zwingli zur Entgegensetzung von Gotteswort und Menschenwort – und damit zu einem Hebel, mit dem große Teile der spätmittelalterlichen kirchenrechtlichen Regelungen anzugreifen waren. Im Zuge seiner theologischen Entwicklung verband sich dieser Gegensatz immer mehr mit einer ontologischen Unterschei-
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dung, die Zwingli unter Humanisten kennenlernte: die von Geist und Materie. Eben hier war der metaphysische Ansatzpunkt zur Kritik an der herkömmlichen Realpräsenzlehre. Je stärker der Geist-Materie-Gegensatz betont wurde, desto weniger vorstellbar war es, dass der wesentlich als Geist verstandene Gott bzw. die göttliche Natur Christi in Materie, d.h. in Brot einging. Es konnte aber allein der Geist sein, der selig machte. In den folgenden Jahren hat Zwingli dies immer wieder an einem biblischen Vers festgemacht: „Das Fleisch ist nichts nütze“ (Joh 6,63). Diese ontologischen Überlegungen wurden durch philologische Beobachtungen unterstützt: 1525 veröffentlichte Martin Bucer einen Brief des niederländischen Humanisten Cornelisz Hoen, in dem dieser erklärte, dass die Abendmahlsworte: „Dies ist mein Leib“ signifikativ zu verstehen seien: „Dies bedeutet meinen Leib“ (vgl. Kaufmann 1992). Damit lag der Akzent etwas anders als bei Karlstadt: Der für jeden unbefangenen Leser offenkundige Bezug des τοῦτο auf das Brot blieb erhalten, aber an die Stelle einer Identitätsaussage, deren logische Problematik schon Berengar aufgewiesen hatte, trat nun ein signifikatives Bezugsverhältnis. Ontologische Neubestimmung und philologische Interpretationsmöglichkeit führte Zwingli in einem Entwurf zusammen, der die Reziprozität des mittelalterlichen Modells gleichfalls auflöste – jedoch in einer Richtung, die der von Luther gewählten genau entgegengesetzt war: Er entwickelte nun ein Aszendenzmodell. Das Abendmahl war weder Berührungsort zweier Bewegungsrichtungen von oben und unten wie im Mittelalter noch Gnadenbewegung Christi zu den Menschen wie bei Luther, sondern umgekehrt Erhebung des Geistes zu Gott. In seinem Commentarius de vera et falsa religione machte Zwingli dies 1525 an einer weiteren philologischen Beobachtung fest: Der lateinische Begriff sacramentum, so führte er aus, bedeutete ursprünglich Fahneneid, und genau in diesem Sinne verstand er nun auch das Altarsakrament: als eine Handlung, in der die Teilnehmenden sich auf ihren Glauben verpflichteten. […] gratiarum actio et communis gratulatio eorum, qui mortem Christi annunciant, hoc est: ebuccinant, laudant, confitentur ac unice exaltant. / „Es ist eine Danksagung und gemeinsame Freudenkundgebung derer, die den
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Tod Christi verkündigen, das heißt, den Tod Christi ausrufen, loben, bekennen und einmütig preisen“ (Zwingli, Commentarius, 775). Die gemeinsame kritische Basis der Reformatoren – gegen den Opfergedanken und gegen die Lehre von der Transsubstantiation – hatte sich damit aufgrund unterschiedlicher Deutungen der Dynamik des Abendmahlsgeschehens auseinanderentwickelt. Und dies machte sich an radikal unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Gegenwart Christi fest: Während Luther die Lehre von der Realpräsenz in Verbindung mit den Elementen aufrechterhielt, wurde das Abendmahl für Zwingli zu einem menschlichen Vorgang, in dem der Bezug auf Christus allein signifikativ, nicht aber real hergestellt wurde. Aus dieser unterschiedlichen Sicht der Dinge erwuchs ein Konflikt, der das reformatorische Lager zerriss und dauerhaft einheitliches Agieren unmöglich machte. Luther hat den Streit nicht unmittelbar gesucht, dann aber mit aller Energie durchgefochten. Der Sermon von dem Sakrament des Lei bes und Blutes Christi wider die Schwarmgeister war nicht von ihm selbst für den Druck vorbereitet worden, gab aber Predigten wieder, die er zum Abendmahl gehalten hatte. Die Ablehnung der als Sakramentierertum und Schwärmerei verstandenen Schweizer Auffassung kam darin deutlich zum Tragen, und so antwortete Zwingli hierauf 1527 mit seiner Amica Exegesis, der „freundschaftlichen Auslegung“, in der er die Gültigkeit seiner Auffassung unterstrich. Die Schriften gingen nun im wahrsten Sinne des Wortes hin und her. Noch 1527 erschien Luthers Schrift: Daß diese Worte Christi ‚Das ist mein Leib etc.‘ noch fest stehen wider die Schwärmgeister, und, wiederum noch im selben Jahr, Zwinglis: Daß diese Worte Jesu Christi: ‚Das ist mein Leichnam, der für euch hingegeben wird‘ ewiglich den alten einigen Sinn haben werden. Im folgenden Jahr, 1528, brachte dann Luther seine große Abhandlung Vom Abendmahl Christi, Be kenntnis heraus, die er selbst als abschließendes Wort verstand. In den Auseinandersetzungen zwischen Zwingli und Luther kann man drei Ebenen unterscheiden: die der sprachlichen Deutung der Einsetzungsworte, die dabei hineinspielende Ontologie und die christologische Dimension. Beide mussten ihre Auffassung von den Einsetzungsworten – als dezidiertes est („ist“) einerseits,
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als significat („bedeutet“) andererseits – deutlich machen. Zwingli tat dies durch Hinweis auf den auch sonst in der Heiligen Schrift vorliegenden Gebrauch von „Tropen“, metaphorischen Redewendungen. Ein wichtiger Beleg hierfür war für ihn 1Kor 10,4: „Der Fels aber war Christus“. Auch hier, so Zwinglis Argumentation, gehe man ja nicht von einer Gleichsetzung aus, sondern von einer metaphorischen Bedeutung des Begriffs „Fels“, der mithin Christus bedeute, aber nicht im strengen Sinne der Identität. Luther hielt dem entgegen, die Einsetzungsworte seien nicht einfach im Sinne eines Tropus zu verstehen, sondern speziell im Sinne der rhetorischen Figur der Synekdoche, bei der man einen Sachverhalt durch einen nicht unmittelbar mit dem Gemeinten identischen Begriff ausdrückt. Sein plastisches Beispiel hierfür war, dass jemand einem anderen einen Geldbeutel mit den Worten „Das sind hundert gülden“ überreichen könne. Man sieht ja eigentlich nur ein Säckchen und nicht das Geld – und doch ist es gerade das Geld, worauf es ankommt. So verhält es sich nach Luther mit den in den Elementen enthaltenen Gaben von Leib und Blut Christi (Luther, Vom Abend mahl Christi; WA 26,444,1–20). Ontologisch stieß der humanistisch geprägte Gegensatz von Geist und Materie, der für Zwingli eine Aufnahme des geistlichgeistigen Göttlichen in das materielle Brot unmöglich machte, bei Luther auf ein Seinsverständnis, das Geistliches als etwas vorstellte, das Materielles ganz und gar durchdringen kann. Dies gilt freilich nicht erst auf der Ebene des Brotes, das demnach von der geistlichen Natur Christi durchdrungen sei, sondern schon auf der Ebene Christi selbst. In ihm sind nicht Leib und Geist strikt geschieden, sondern in eigentümlicher Weise gegenseitig durchdrungen. Damit ist unausweichlich die Ebene der Christologie angesprochen. Hintergrund für Luthers Vorstellung von der Durchdringung von Geist und Leib in Christus, die eine entsprechende Durchdringung auch im Brot ermöglicht, ist die Lehre von der Idiomenkommunikation: Die Eigenschaften von göttlicher und menschlicher Natur in Christus sind nicht einfach separat auf beide Naturen aufzuteilen, sondern es kommt zu Übertragungsvorgängen, sowohl von einer Natur auf den gesamten Christus als auch in bestimmten Zusammenhängen von der einen Natur auf die andere. Dies
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gilt nun nach Luther für die zunächst der göttlichen Natur zukommende Eigenschaft der Allgegenwärtigkeit, der Ubiquität: Durch eine Übertragung von der göttlichen Natur kann die menschliche Natur Christi ihrerseits ubiquitär werden, und so ist es in der Tat möglich, dass der Leib Christi in die Abendmahlselemente eingeht. Zwingli hingegen konnte sich solche Übertragungsprozesse zwischen den Naturen nicht als reale Vorgänge vorstellen, sondern sah Fälle, in denen man in dieser Weise redete, als rein sprachliche Übertragung, wiederum im Sinne der rhetorischen Lehre als Alloiosis, „ein abtuschen oder gegenwechßeln zweyer naturen, die in einer Person sind. Da man aber die einen nennet unnd die an dren verstat, oder das nennet, das sy bed sind, und doch nun die einen verstat“ (Zwingli, Daß diese Worte Jesu Christi; CR 92, 925 f.). Real aber blieben beide Naturen unterschieden, und das hieß: Die menschliche Natur Christi, seine ganze Leiblichkeit, behielt die Eigenschaft lokaler Begrenztheit, wie sie dem menschlichen Körper eigen ist, und konnte nach der Himmelfahrt nur an ihrem festen Platz im Himmel sein, nicht aber in den Abendmahlselemen ten. Der Geist aber entzog sich jeglicher räumlichen Eingeschlossenheit, und so war für Zwingli die Möglichkeit einer Gegenwart Christi weder nach seiner menschlichen noch nach seiner göttlichen Natur denkbar. Diese christologischen und letztlich wohl entscheidenden Differenzen stellen einen gewissen Anklang an die oben angesprochenen Zusammenhänge zwischen christologischer Argumentation und Abendmahlslehre schon in der Antike dar. Tatsächlich kann man in aller Vorsicht Zwinglis christologische Position näher an der stark auf die Unterscheidung der Naturen ausgerichteten antiochenischen Theologie der Antike sehen und Luthers näher an dem Alexandriner Kyrill, der die Einheit in den Vordergrund stellte. Zugleich aber gewann die Debatte damit ein Komplexitätsniveau, das nicht für alle Zeitgenossen ohne Weiteres nachvollziehbar war – und dies umso mehr, als die theologischen Auseinandersetzungen das reformatorische Lager auch politisch zu spalten drohten. Besonders stark hat dies Landgraf Philipp von Hessen empfunden, der meinte, dass die reformatorische Botschaft durch klaren Rückbezug auf den biblischen Text bewahrt werden sollte,
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nicht aber durch Streitigkeiten, die weit von dieser Klarheit fortzuführen schienen. Er war nicht nur theologisch, sondern auch politisch in besonderer Weise betroffen, denn sein Territorium lag geographisch an der Scharnierstelle zwischen dem von Luther geprägten Sachsen und dem oberdeutschen Raum, in dem in unterschiedlichen Varianten humanistisch inspirierte Abendmahlsdeutungen, wie sie in besonderer Weise durch Zwingli repräsentiert wurden, vorherrschten. So bemühte er sich, beide Kontrahenten und ihren jeweiligen theologischen Anhang an einen gemeinsamen Tisch zu bringen. Tatsächlich kam es auch vom 27. September bis zum 4. Oktober 1529 zum Marburger Religionsgespräch auf dem dortigen Landgrafenschloss. Neben Luther und Zwingli waren hier unter anderem Philipp Melanchthon (1497–1560) aus Wittenberg, Martin Bucer (1491–1551) aus Straßburg, Johannes Oekolampad (1482–1531) aus Basel und Andreas Osiander (1498– 1552) aus Nürnberg vertreten. Doch die einwöchige Debatte blieb ohne durchschlagendes Ergebnis. Zwar konnte man sich über vierzehn Punkte gemeinsamer reformatorischer Lehre einigen, aber am entscheidenden Punkt, dem Abendmahl, gingen die Auffassungen auseinander: „Zum funfzehendten, gleuben und halten wir alle von dem nacht male unsers lieben hern Hiesu Christi, das man bede gestalt nach der Insatzung Christi prauchen solle, Das auch das Sacrament des altars sey ein Sacrament des waren leibs und pluts Hiesu Christi und dj gaistliche niessung desselbigen leibs und pluts Einem yeden Christen furnemblich von notten, Desßgleichen der brauch des Sacraments wie das wort von got dem almechtigen gegeben und geordnet sey, damit dj schwachen gewissen zu gleuben zubewegen durch den heilligen gaist. Und wiewol aber wir uns, Ob der war leib und plut Christi leiblich jm Brot und wein sey, dißer Zeit nit vergleicht haben, So sal doch ein teill jegen dem andern Christliche liebe, so fer yedes gewiessen ymmer leyden kann, erzeigen, und bedeteil got den almechtigen vleissig bidten, das er uns durch seinen gaist den rechten verstandt bestettigen wolle. Amen.“ (WA 30/3,169,5–170,15). Der Konsens war auch an diesem Punkt groß: Die Ablehnung der mittelalterlich-altgläubigen Position konnte gemeinsam klar formuliert werden, ebenso klar der Bezug des Abendmahls auf
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Leib und Blut Christi. Ja, Zwingli war Luther sogar einen bedeutenden Schritt entgegengekommen, indem er zugestanden hatte, dass das Abendmahl in der Lage sei, die schwachen Gewissen zu trösten und zum Glauben zu bewegen, also Aspekte des lutherischen Deszendenzmodells aufgenommen hatte, die seinem eigenen As zendenzmodell eigentlich widersprachen. Doch die Frage nach der Realpräsenz unterschied die beiden Ausrichtungen reformatorischer Theologie weiter grundlegend, und damit war eine Differenz begründet, die das reformatorische Lager nachhaltig trennte. Das wurde im folgenden Jahr, 1530, auf dem Reichstag offensichtlich, zu dem Karl V. nach Augsburg einlud. Er forderte dabei beide Parteien – reformatorisch wie altgläubig – auf, ihre Meinung darzulegen. Die reformatorische Seite konnte dies nicht mit einer Stimme tun, sondern insgesamt wurden drei Texte vorgelegt: Für die an der Wittenberger Richtung orientierten Stände die Confessio Augustana (CA), das Augsburger Bekenntnis, für vier oberdeutsche Städte die Confessio Tetrapolitana und außerhalb der offiziellen Reichstagsvertretung eine individuelle Vorlage von Huldrych Zwingli, die Fidei ratio. Gerade in der Frage des Abendmahls spiegelt sich in der Con fessio Augustana deutlich deren Grundaufbau wider: Artikel 1–21 stellen die Hauptartikel des Glaubens dar und versuchen darin so weit wie möglich eine Position zu formulieren, die die Grundlage einer Einigung mit der altgläubigen Seite darstellen kann, während Artikel 22–28 deutlich die Differenzen markieren bzw. die Punkte benennen, an denen die reformatorischen Stände nach ihrem Selbstverständnis Missbräuche beseitigt haben. Artikel 22 bekennt sich deutlich zur Spendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, Artikel 24 verwirft die Opferlehre – hier werden die reformatorischen Positionen klar erkennbar formuliert. Artikel 10 hingegen, „Vom heiligen Abendmahl“, betont vor allem das Gemeinsame, nämlich die Realpräsenz. Die deutsche Fassung des Textes, der durchweg in einer lateinischen und einer deutschen Version vorliegt, spielt sogar offenkundig auf die Formulierung des Vierten Laterankonzils an, wenn es heißt, „daß wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestalt des Brots und Weins im Abendmahl gegenwärtig sei“ (BSLK 1998, 64,3–6). Tatsächlich
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hat die Confutatio, mit der die Altgläubigen auf die Confessio Au gustana reagierten, an diesem Wortlaut nichts auszusetzen gehabt, allerdings Klarheit im Blick auf die Konkomitanz- wie die Transsubstantiationslehre angemahnt. Eine solche Präzisierung hat Melanchthon dann in der Apologie der CA nicht geboten, aber auch keine Schärfung der Differenzen. Diese Offenheit gegenüber der altgläubigen Seite, zumal die aus klarer eigener Überzeugung erfolgende Bejahung der Realpräsenz hat zwar Philipp von Hessen nicht an der Unterschrift unter die CA gehindert, wohl aber dazu beigetragen, dass vier Reichsstädte ein eigenes Bekenntnis vorlegten. Den Umständen entsprechend waren auch hier weniger die Differenzen als die Gemeinsamkeiten betont. So gewann das Bekenntnis, das maßgeblich der Straßburger Reformator Martin Bucer verfasst hatte, Züge einer Deszendenzvorstellung: Es betonte, dass Christus in dem Sakrament wirklich seinen Leib zur Speisung der Seelen gab, und dass es sich bei den Elementen auch nicht um einfaches Bäckerbrot und schlichten Wein handele – die Zuordnung von Elementen und Leib und Blut Christi blieb aber offen, und noch waren nicht alle Fragen zwischen Oberdeutschen und Sachsen geklärt. Dass allerdings schon in Augsburg Zwingli einen eigenen Text vorlegte und im folgenden Jahr in der Schlacht von Kappel die Zürcher eine verheerende Niederlage erlitten, bei der Zwingli selbst fiel, verstärkte den Druck zu einer politischen und theologischen Einigung der oberdeutschen Städte mit Wittenberg. Die politische Einigung wurde durch die Gründung des Schmalkaldischen Bundes bald nach dem Augsburger Reichstag erreicht. Doch stand eine Klärung der theologischen Differenzen innerhalb des Bündnisses zunächst noch aus. Philipp von Hessen bereitete gemeinsam mit Melanchthon und Bucer eine Einigung vor. Als Haupthindernis der Einigung stellte sich dabei die Frage, in welchem Zusammenhang die tatsächliche Gegenwart Christi im Abendmahl mit dem Glauben des Empfangenden stand: Während nach der Wittenber ger Lehre Jesus Christus unabhängig von der Disposition des Empfangenden im Geschehen des Abendmahls präsent war – den einen zum Heil, den anderen zum Unheil –, lehrten die Oberdeutschen eine Präsenz Christi nur dort, wo der Heilige Geist auch auf Sei-
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ten des Empfangenden wirksam war, wo also bei diesem Glauben gegeben war. Melanchthon und Bucer wollten das Problem nicht von Grund auf theologisch aufrollen, sondern sie suchten nach geeigneten Formeln, die gemeinsam getragen werden konnten. So war denn auch die Lösung überaus feinsinnig: Eine Einnahme des Leibes Christi durch die Ungläubigen, eine manducatio impiorum, konnten die Oberdeutschen auf keinen Fall lehren. So einigte man sich auf die 1Kor 11,27–29 aufgreifende Formulierung einer man ducatio indignorum, einer Einnahme durch die Unwürdigen. Diese Formel konnte in Wittenberg im Sinne des mangelnden Glaubens gedeutet werden, bei den Oberdeutschen hingegen im Sinne einer unzureichenden Lebensführung der Gläubigen. Diesem Kompromiss konnte dann auch Luther zustimmen. Am 28. Mai 1536 wurde mit der Wittenberger Konkordie ein Text beschlossen, der freilich genau genommen nicht eine volle Erklärung der Gemeinsamkeit darstellte, sondern besagte, dass die Wittenberger diese Formulierungen als Auslegung des Abendmahls durch die Straßburger akzeptierten. Faktisch aber war damit eine Einheit erreicht, die einen weitgehenden Konsens der Evangelischen darstellte – freilich keinen umfassenden, denn die Schweizer Theologie wurde am Ende nicht integriert. Der Genfer Reformator Johannes Calvin intendierte eine Abendmahlsdeutung zu entwerfen, die die Anliegen Luthers integrierte, ohne die Bedenken Zwinglis ganz aus dem Blick zu verlieren (Rogge 1965). Insbesondere die scharfe Entgegensetzung von Materiellem und Geistigem behielt Calvin bei. So stand für ihn auch außer Frage, dass der Leib Christi sich räumlich im Himmel befand. Später sprach man sogar von einem Extra Calvinisticum, einer betonten Lehre, dass Gott als Geist immer über das materiell Fassbare hinausgehe – letztlich ein durch Zwingli vermitteltes Erbe des Scotismus. Dennoch hat Calvin sich weit über das Zwinglische Aszendenzmodell hinausbewegt: Einerseits bekannte er sich ausdrücklich zu einer figürlichen Deutung der Einsetzungsworte, indem er Kelch und Brot in weitreichender Auslegung von 1Kor 11,25 auf den neuen Bund bezog. Aber das bedeutete andererseits keinen Verzicht auf die Präsenz Christi. Diese war jedoch nicht an die Elemente gebunden, sondern erfolgte im Geist. Leib und Blut Christi
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sind also nicht unabhängig von der Disposition des Empfangenden präsent, sondern diese wird mitkonstitutiv für die Präsenz Christi, die durch den Geist vermittelt ist. Entscheidend ist also das pneu matische Geschehen: Der Geist konstituiert das Abendmahlsgeschehen, und zwar auf beiden Seiten: auf Seiten Christi wie auf Seiten der Glaubenden. In gewisser Weise erscheint damit wieder, jenseits von Deszendenz- und Aszendenzmodell, ein Reziprozitätsmodell, das aber nun im Unterschied zum mittelalterlichen Verständnis nicht über den Gedanken der repräsentativen Stellvertretung funktioniert, sondern tatsächlich über die Kommunikation zwischen Christus und den Glaubenden, so dass es sich hier um ein kommunikatives Reziprozitätsmodell handelt. So sehr Calvin nach seinem Selbstverständnis damit die Anliegen Luthers aufgegriffen und weitergeführt hatte – die konfessionelle Entwicklung ging dennoch auseinander, und dies aus verschiedenen Gründen: Zum einen haben sich 1549, während im Reich die Protestanten durch die Interimsregelungen des Augsburger Reichstages von 1548 unter großem Druck standen, die Schweizer miteinander im Consensus Tigurinus über ihre Abendmahlslehre verständigt, so dass nun Zürich, vertreten durch Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger (1504–1575), und Genf auf einer gemeinsamen theologischen Grundlage agierten. Die Grundlinie dieses Konsenses war eine Betonung der im Abendmahl erfolgenden Gnadenzuwendung Gottes, die aber nur den Prädestinierten zuteil wurde. Diese Zuwendung erfolgte dabei geistlich als eine enge Verbindung in Entsprechung zu dem, was äußerlich-sinnlich die Zeichen darreichten. Die damit formulierte Grundauffassung und die weiter von Calvin entfaltete Abendmahlslehre wurden zum anderen langfristig von lutherischer Seite nicht akzeptiert: Im zweiten reformatorischen Abendmahlsstreit hat der Hamburger Pastor Joachim Westphal (gest. 1574) sich scharf gegen Calvin gewandt, und die Konkordienformel von 1577 hat die lutherische Abendmahlslehre noch einmal in einer Weise unterstrichen, die sie zugleich von der calvinistischen wie von der katholischen, durch das Konzil von Trient bestätigten Lehre abgrenzte.
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6. Auf dem Weg zum Sakrament der Einheit Die im 16. Jahrhundert geschaffenen Lehrdifferenzen blieben über Jahrhunderte hinweg kirchentrennend – im Blick auf das Gespräch zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche sind sie es bis heute. Dabei sind die Etappen der Annäherung vielfältig. Zu einer erheblichen Relativierung der konfessionellen Unterschiede führte vor allem die Aufklärungstheologie, in der gelegentlich, etwa bei Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781), mit Unverständnis vermerkt wurde, Luther und Zwingli hätten sich über bloße Worte gestritten (Lessing, Gedanken über die Herrnhuter; Lessing, Werke I,941,10 f.). Vor dem Hintergrund einer solchen wachsenden Distanz zu den konfessionellen Unterschieden kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu dem Versuch, die innerevangelischen Differenzen zu überwinden und die Kirchentrennung durch Bildung von Unionen zu überwinden. Symptomatisch hierfür ist die Bildung der Union in Preußen, wo seit dem Übertritt des brandenburgischen Herrscherhauses zum Calvinismus 1613 zwei evangelische Konfessionen in einem Territorium bestanden. Die Vereinigung beider Kirchen sollte mit einem gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst am 300. Jahrestag der Reformation, dem 31. Oktober 1817, begangen werden. Obwohl dies tatsächlich vollzogen wurde, gelang es auch in langanhaltenden Auseinandersetzungen nicht, die Union vollständig durchzuführen. So hatte der Versuch einer Unionsbildung die eigenartige Folge, dass nicht aus zwei gegebenen Konfessionen eine neue Gemeinsamkeit entstand, sondern neben die beiden hergebrachten Konfessionen eine dritte trat. In weiten Teilen blieb das Abendmahl weiterhin aufgrund der unterschiedlichen Auslegungen kirchentrennend, ja, die Reaktion auf die Bildung der Union führte gelegentlich sogar zu einer vehementen Rekonfessionalisierung auch der Abendmahlslehre, wie sie sich etwa in der 1823 erschienenen schroff lutherischen Schrift Das Abend mahl des Herrn des Breslauer Theologieprofessors Johann Gottfried Scheibel (1783–1843) zeigte. Der weiter trennende Charakter der Abendmahlslehre bestätigte sich auch bei der Bildung der Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg: Noch die Grundordnung von
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1948 musste das Fehlen voller Übereinstimmung in der Frage des Abendmahls feststellen, was sich bis hin zu der Frage der gegenseitigen Zulassung zum Abendmahl auch sehr konkret auswirkte. Vor diesem Hintergrund war es ein ganz wesentlicher Schritt, dass es 1957 in den Arnoldshainer Thesen gelang, eine Erklärung vorzulegen, in der sich lutherische, reformierte und unierte Theologen gemeinsam über das Abendmahl verständigten und dabei zwar auf die Formulierungen der Bekenntnisse eingingen, vor allem aber den Versuch machten, dem biblischen Befund gerecht zu werden. Diese Thesen wurden 1958 vom Rat der EKD angenommen und ebneten somit den Weg zu einem gemeinsamen Abendmahlsverständnis. Den entscheidenden Schritt für ein solches aber stellte 1973 die Leuenberger Konkordie dar, die ausdrücklich für die unterzeichnenden lutherischen, reformierten und unierten Kirchen sowie die Waldenser und Böhmischen Brüder eine Kirchengemeinschaft auf der Grundlage einer gemeinsamen Abendmahlslehre erklärte. Diese Abendmahlslehre lautete auf der Basis einer gemeinsam formulierten Rechtfertigungslehre: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. Er gewährt uns dadurch Vergebung der Sünden und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Er läßt uns neu erfahren, daß wir Glieder an seinem Leibe sind. Er stärkt uns zum Dienst an den Menschen. […] Wenn wir das Abendmahl feiern, verkündigen wir den Tod Christi, durch den Gott die Welt mit sich selbst versöhnt hat. Wir bekennen die Gegenwart des auferstandenen Herrn unter uns. In der Freude darüber, daß der Herr zu uns gekommen ist, warten wir auf seine Zukunft in Herrlichkeit“ (Leuenberger Konkordie 21). Wesentlich für die kirchenverbindende Umsetzung dieses gemeinsamen Bekenntnisses waren dann weitere Erläuterungen, die einerseits die Diskussion um die Weise der Gegenwart Christi im Zusammenhang des Essens und Trinkens des Abendmahls als dem Bekenntnis der Gnadengabe gegenüber theologisch nachrangig charakterisierten, und andererseits betonten, dass die Gabe Christi im Abendmahl gleichermaßen dem Glauben zum Heil und
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dem Unglauben zum Gericht widerfahre. Damit war eine Deutung des Abendmahls erreicht, die sich an der Wittenberger Konkordie orientierte und für Lutheraner wie Reformierte tragbar war. Die seit der Reformation bestehende Spaltung innerhalb der evangelischen Christenheit war damit aufgehoben, das Abendmahl für die evangelische Seite zu einem Sakrament der Einheit geworden. Trotz zahlreicher Konvergenzbemühungen ist dies in Gesprächen zwischen evangelischer und römisch-katholischer Seite noch nicht in einer kirchlich rezipierbaren Weise erreicht worden.
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In ipsa fide Christus adest – „im Glauben selbst ist Christus da“ (Luther) als Grundlage einer evangelischen Lehre vom Abendmahl und von der Realpräsenz Christi 1. Vorüberlegungen 1.1. Das Abendmahl und sein Rahmen Das im neueren ökumenischen Dialog als „Sakrament der Einheit“ apostrophierte Abendmahl ist bis heute Ursache und Gegenstand tiefgreifender innerchristlicher Differenzen. Die immer wieder aufbrechenden Debatten trugen auch dazu bei, dass die Lehre vom Abendmahl zu den in höchstem Maße systematisch durchgearbeiteten Lehrstücken des christlichen Glaubens gehört. Dabei ist aber deutlich, dass jede Deutung des Abendmahls Vorentscheidungen auf Gebieten entspringt, die außerhalb der Lehre vom Abendmahl im engeren Sinne liegen; sie entspringt darüber hinaus auch weiterreichenden Vorentscheidungen, die jenseits des klassischen Themengebietes der kirchlichen Theologie fallen. Die herkömmlichen Positionierungen auf dem Gebiet der Abendmahlslehre sind nämlich abhängig von metaphysischen und kosmologischen Vorentscheidungen über das Verhältnis von Gott und Welt, „Geist“ und „Materie“, Seele und Körper; sie sind sodann abhängig von den ekklesiologischen, anthropologischen und soteriologischen Rahmenvorstellungen, denen sich das Abendmahl einfügt, von den Deutungen der Person Jesu, von expliziten oder impliziten Zei-
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chen- und Symboltheorien und nicht zuletzt von hermeneutischen Prämissen, die das Verständnis der einschlägigen Schriftaussagen leiten. Im Verständnis des Abendmahls schlagen sich also Differenzen nieder, die häufig ganz andere Sachgebiete als das Abendmahl im engsten Sinne betreffen und die in der Reflexion dieses Vollzuges sich manifestieren und zu Bewusstsein kommen. Ein Beispiel dafür sind die innerprotestantischen Streitigkeiten in der Reformationszeit, in denen die bis dahin latent gebliebenen, aber tiefgreifenden Unterschiede im Verständnis der Person und des Heilswerkes Christi zum Vorschein kamen.
1.2. Zum Einsatzpunkt einer Abendmahlslehre 1.2.1. Das Abendmahl als immer schon vielstimmig Gedeutetes Der Befund, dass das Verständnis des Abendmahls sich aus theologischen Hintergrundprämissen ergibt, stellt vor das Problem, wo eine theologische Erschließung einzusetzen hat. Zu kurz greift jedenfalls die gerade von den reformatorischen Theologen geprägte Vorstellung, man könne, hinter die Interpretationen des Abendmahls in der kirchlichen Tradition zurückgehend, durch eine schlichte Besinnung auf die Einsetzungsworte oder die biblischen Berichte vom letzten Mahl Jesu der Wahrheit dieses Ritus näherkommen und möglicherweise so die in der Christenheit bestehenden Differenzen im Verständnis des Abendmahls bereinigen. Zuweilen wird dabei in jüngerer Zeit die Vorstellung gepflegt, dass die biblischen Berichte den Zugang zu einem von den ersten Christen einsinnig verstandenen Mahlgeschehen eröffnen, das den Deutungen in der kirchlichen Tradition zugrunde liege. Dabei werden unterschiedliche Vorschläge für den ursprünglichen Charakter des Abendmahls vorgetragen: Es handle sich um ein Passamahl, oder ein Haburamahl (Genossenschaftsmahl), oder ein Qiddushmahl (ein Segensritus über einem Becher Wein, der die heilige Zeit von der profanen trennt). Dieses Verständnis sei erst in der Folgezeit verloren gegangen und müsse, könne aber auch wiedergewonnen werden – etwa im Rückgang auf „hebräische“ Denkvoraussetzungen (oder auf die Kontexte von hellenistischen Mysterienkulten).
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Eine solche Erwartung dürfte von einer falschen Voraussetzung – nämlich von der ursprünglichen Eindeutigkeit des Mahlgeschehens – ausgehen. Dasselbe gilt für zuweilen unternommene Versuche, die Berichte der Evangelisten vom Letzten Mahl als historische Quellen zur Erhebung des Selbstverständnisses Jesu zu behandeln und den Texten Hinweise auf die Art und Weise zu entnehmen, wie möglicherweise Jesus selbst vor jeder kirchlichen Interpretation das Mahl verstanden haben könnte (Jeremias 1967). Gerade die Vielstimmigkeit der exegetischen Ergebnisse verweist auf eine Uneindeutigkeit des Verständnisses des Mahls schon auf der Ebene der biblischen Texte. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es den Ritus ohne diese Uneindeutigkeit und Vielfalt des Verständnisses nie gegeben hat. Somit gilt: Das Abendmahl – oder ein Mahlritus, aus dem das Abendmahl hervorgegangen ist – ist mit großer Wahrscheinlichkeit seit den Anfängen der Christenheit in der einen oder anderen Weise gepflegt worden; der Ritus war aber unbeschadet seiner zentralen Bedeutung und identitätsstiftenden Funktion nicht nur im Laufe der Kirchengeschichte selten unstrittig, sondern vermutlich bereits in den Anfängen in seinem Sinn nie ursprünglich eindeutig.
1.2.2. Vorthematisches und explizites Abendmahlsverständnis Damit tritt dieses Mahl den Interpreten als ein Ritus entgegen, der von vielfachen Deutungsversuchen und -horizonten schon immer umgeben ist. Bereits im jeweils zeitgenössischen, traditionsgeleiteten liturgischen Vollzug ist das Mahl immer irgendwie, wenn auch meist implizit und vorthematisch, verstanden – wo es in der Alten Kirche als unerschöpfliches „Mysterion“ beschrieben wird, da wird auf diese vorthematische Sinnerfahrung abgehoben. Die theologisch expliziten Deutungen des Mahls sind der Versuch, das vorgegebene Verstehen des Ritus zu entfalten. Die Theologie des Abendmahls entsteht nicht im isolierten, um die Deutung in der kirchlichen Tradition und um den jeweils gegenwärtigen Vollzug unbekümmerten Rückgang auf die biblischen Texte. Vielmehr entsteht eine Theologie des Abendmahls im Versuch, das im jeweils gegenwärtigen Vollzug verborgene Verständnis des Mahles ausdrücklich zu machen; dies hat im Laufe der Theologiegeschichte zu
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sehr unterschiedlichen Deutungen des Mahls geführt. Umgekehrt wirken diese expliziten Deutungen natürlich zurück auf den Vollzug und prägen folgeweise – etwa durch die kirchliche Erziehung und die Predigt – das den Vollzug leitende Verstehen, und zwar auch das vorthematische Verstehen der nicht explizit theologisch gebildeten Mahlteilnehmer.
1.2.3. Das Abendmahl als jeder Deutung Vorgegebenes Allerdings gilt ebenso, dass alle expliziten – theologischen – Deutungen über sich hinausweisen darauf, dass die Kirche das Mahl nicht selbst gestiftet, sondern übernommen haben will (1Kor 11,23). So richtig es ist, dass es das Abendmahl nur als implizit oder explizit (und zwar vielfältig) gedeutetes Mahl gibt: Das Verstehen des Mahls und die Deutungsversuche sind ebenso wie der Vollzug immer vom Bewusstsein begleitet, dass sie das Mahl und seinen Sinn selbst nicht konstituieren, sondern voraussetzen. Für diesen Charakter der Unbeliebigkeit und für das Vorausgesetztsein des Mahls stehen die biblischen Einsetzungsberichte.
1.3. Methodisches Das heißt: Das Verständnis der verba testamenti (Einsetzungsworte) bzw. des Letzten Mahles ist immer schon bestimmt von den genannten oder vergleichbaren Vorverständnissen. Das gilt nicht nur für Zwingli, dessen Einwände gegen die Möglichkeit der Realpräsenz des Leibes Christi unter den Gestalten von Brot und Wein ohne Zweifel von einem vorgefassten Gottesbegriff geleitet waren, sondern das gilt eben auch für Luther: Trotz seines gegen Zwingli gerichteten Votums für einen vorurteilslosen Rückgang auf den eindeutigen Sinn der Einsetzungsworte ist auch sein Gottesbegriff und sind die soteriologischen und christologischen Rahmenbedingungen seines Votums für die Realpräsenz nicht einfach den vorurteilsfrei exegesierten Einsetzungsberichten entnommen. Seit dem Sermon vom Neuen Testament von 1520 gründet Luther eine Theologie des Abendmahls auf die verba testamenti – aber auch dieser Rückgang auf die Einsetzungsworte ist geleitet von dem ihm aufgegangenen Verständnis des Sakraments insgesamt
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als Manifestation des auf Glauben zielenden göttlichen Wortes. Die Einsicht, dass das Verhältnis von Gott und Mensch insgesamt ein Verhältnis von Verheißung (der Sündenvergebung) und vertrauensvollem „Sich-Verstehen“ gemäß der Verheißung ist (dazu unten 3.), erschließt ihm den Sinn der Sakramente insgesamt und damit auch des Abendmahls: Es ist wortartig, verbum visibile – „sichtbares Wort“. Das steht aber nicht in den Einsetzungsworten, sondern es stellt den von Luther als selbstverständlich vorausgesetzten Rahmen ihres Verständnisses dar. Das bedeutet, dass eine vergegenwärtigende Reflexion des Abendmahls nicht einfach von den einschlägigen biblischen Texten, von den Einsetzungsberichten oder gar von den Deuteworten („das ist mein Leib / der Kelch des Neuen Testaments in meinem Blut“) ausgehen kann, da diese immer schon im Deutungshorizont einer bestimmten Tradition – oder in der Abgrenzung gegen sie – verstanden sind. Ausgangspunkt der theologischen Deutung des Abendmahls ist – ob man das will, oder nicht – das im Vollzug erschlossene und den Vollzug immer schon leitende, mehr oder weniger ausdrückliche Verstehen des Vollzuges. Man kann sich das auch daran deutlich machen, dass nicht erst die explizite Theorie des Abendmahls die Teilnahme ermöglicht, sondern dass ein freilich nicht unverständiger, wohl aber unausdrücklich von einer kirchlichen Tradition geleiteter Vollzug des Mahls der theologischen Reflexion vorausgeht. Die Theologie kommt immer später als die Teilnahme am Abendmahl; aber diese Teilnahme selbst ist – zumindest als traditionsgeleitete – implizit verständig. Allerdings ist es auf der anderen Seite auch nicht möglich, nun den je eigenen Deutungshorizont als normativ zu setzen und allein von ihm ausgehend sich des Sinnes des Abendmahls in einer Theologie des Abendmahls zu versichern: Zum einen sind die im Laufe der Theologiegeschichte entstandenen Deutehorizonte so vielfältig, dass die Wahl eines von ihnen entschieden den Charakter der Willkür hätte, zumal das Verständnis der Worte nicht nur von den genannten weiteren kosmologischen oder soteriologischen Rahmenbedingungen her bestimmt ist, sondern auch von näheren Leitperspektiven, die die Momente des Mahles selbst integrieren und korrelieren – das Verständnis des Abendmahls als Opferhandlung,
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als Gemeinschaftsmahl, als Kommunikation des Sünders mit Gott. Diese Leitperspektiven sind sehr unterschiedlich, auch wenn in den konfessionellen Traditionen jeweils eine derselben die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels für das Verständnis des Mahls übernommen hat. Sie schließen einander nicht notwendig aus, aber das Abendmahl stellt sich anders dar, wenn es vom Zentrum einer Mahlgemeinschaft her oder als Opfer, als Bekenntnisakt, als Dankvollzug, in Analogie zu einem Heilmittel, als Kommunikationsmedium bzw. als Mittel des Zuspruchs verstanden wird, und es stellt sich anders dar, wenn es stärker in den Zusammenhang der individuellen Buße oder der Konstitution kirchlicher Gemeinschaft gestellt wird. In diese Kontexte wird jeweils das Verständnis aller Momente des Mahls und eben auch der Deuteworte eingestellt – und deren Vielfalt verbietet es, einen von ihnen zu verabsolutieren. Zum anderen ist ein solcher Zugang zum Abendmahl von der jeweiligen kontingenten, kirchlich-traditionellen Vorgabe her aber darum nicht sachgemäß, weil sich, wie gesagt (1.2.3.), die im Verlauf der Kirchengeschichte vorgenommenen Deutungen immer auf etwas bereits Vorgegebenes beziehen. Nicht einen ursprünglichen Sinn und wahren Kern, wohl aber dieses unbeliebige Vorgegebensein repräsentiert der biblische Text. Die Theologen, die eine Theologie des Abendmahls entwerfen, sprechen wie auch die Autoren der biblischen Texte über das Abendmahl als einen nicht dem Willen der Kirche entspringenden Ritus, der jeder Interpretation vorgegeben ist, der gedeutet wird, den es ohne die Deutungen nie gegeben hat, der aber zugleich jeder Deutung voraus ist. Auch wenn ein unmittelbarer Zugriff auf den ursprünglichen Sinn des Mahls in einer Auslegung der biblischen Texte weder möglich noch hermeneutisch sinnvoll ist, muss doch dem in jeder Deutung mitgesetzten Bewusstsein der Unverfügbarkeit und Vorgegebenheit des Mahlvollzuges Rechnung getragen werden. Das kann so geschehen, dass die sich aus den Deutehorizonten ergebenden expliziten Interpretationen des Mahls daraufhin geprüft werden, ob und wieweit sie fähig sind, den vorgegebenen liturgischen Vollzug und die in ihn aufgenommenen biblischen Texte zu integrieren und als verständlich zu erschließen. Das heißt mit Bezug auf die Schriftgrundlage des Abendmahlsverständnisses: Wenn auch die bibli-
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schen Berichte und die Deuteworte kein eindeutiges Verständnis des Abendmahls aus sich heraussetzen, so sind sie doch als Indikatoren der Unbeliebigkeit in den kirchlichen Vollzug aufgenommen. Nicht als isolierte Quellen eines ursprünglichen und darum wahren jesuanischen oder urchristlichen Verständnisses des Mahls, sondern als den kirchlichen Vollzug unbeliebig prägende Texte sind sie doch ein negatives Kriterium einer angemessenen Abendmahlslehre: Diese weist sich darin aus, dass und wie sie ein Verständnis des kirchlichen Vollzuges erschließt, das diesen unbeliebigen Texten nicht Gewalt antut, sondern sie zum Sprechen bringt.
1.4. Folgerungen für die Anlage und das Vorgehen einer Abendmahlslehre Daraus ergibt sich bei näherem Hinsehen ein möglicher Zugang zum Phänomen des Abendmahls: Das Abendmahl ist zunächst einmal der mehr oder weniger mit Verständnis begleitete Vollzug einer Gemeinde oder kirchlichen Gemeinschaft. Dieses implizite Verständnis wird explizit in der Selbstverständigung der Kirche und ihrer Theologie über das Abendmahl, die den Vollzug reflektiert und auf das Verständnis des Vollzuges zurückwirkt. Eine dogmatische Reflexion des Abendmahls wird ausgehen müssen von diesen expliziten Lehrgebilden. Unter den Bedingungen der konfessionellen Differenzierung gibt es diese Lehrgebilde nur im Plural, d.h. in Gestalt der unterschiedlichen konfessionellen Deutungstraditionen, die den vorgegebenen Vollzug unter ständigem Blick auf die jeweils grundlegenden Deutungen des Verhältnisses von Gott und Mensch erschließen; diese konfessionellen Deutungen sind zu erheben (2.). Diese Deutungen integrieren die biblischen Einsetzungsberichte und verweisen so über sich hinaus auf einen Vollzug und auf einen Stiftungszusammenhang, der dem Belieben der Kirche entzogen ist (unten 3.1.). Es ist in einem weiteren Schritt (3.) zurückzufragen nach dem Vollzug des Abendmahls, der geleitet ist durch die Einsetzungsworte: Was wird aus einer gegenwärtigen Mahlgemeinschaft, die sich unter Bezugnahme auf die biblischen Berichte vom letzten Mahl Jesu konstituiert?
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Diese Darstellung wird den Sinn des Mahls erschließen ohne Bezugnahme auf das Problem der Realpräsenz. Daher soll in einem letzten Schritt (4.) die Frage nach der Identität der Mahlelemente gestellt und die Rede von der „Realpräsenz Christi in, mit und unter den Gestalten“ als sinnvolle und soteriologisch gehaltvolle, den Sinn des Mahles zusammenfassende Interpretation nachvollzogen werden.
2. Die konfessionsspezifischen Deutungen und ihre Horizonte Zunächst geht es also darum, die konfessionellen Deutungsperspektiven auf das Abendmahl zu erschließen und zu zeigen, dass und inwiefern sie von weiterreichenden Rahmenannahmen her den vorgegebenen Ritus zu entziffern suchen. Eine vollständige Darstellung ist nicht beabsichtigt, sondern es soll sichtbar werden, dass die konfessionellen Traditionen Partizipanten an einem zusammenhängenden Gespräch sind.
2.1. Das Abendmahl als Bekenntnis – Zwingli Dem in 1.2. Ausgeführten ist zu entnehmen, dass das Abendmahl keinen isolierten Vollzug darstellt, der für sich genommen Gegenstand theologischer Reflexion werden könnte, sondern einen zwar vorgegebenen, immer aber schon implizit oder explizit verstandenen Vollzug. Im expliziten theologischen Verständnis dieses Vollzugs konzentriert sich das im Glaubensbekenntnis entfaltete Selbst-, Welt- und Gottesverständnis des christlichen Glaubens bzw. einer bestimmten Gemeinschaft insgesamt. Und das legt eben auch die These nahe: Der implizit verständige Vollzug des Abendmahls selbst ist ein Grundvollzug des Glaubens, in dem vorprädikativ und unausgesprochen alles mitgesetzt ist und auf den alles abzielt, was das explizite Bekenntnis einer kirchlichen Gemeinschaft zur Sprache bringt. Das ist zunächst Anlass, einem Anliegen des Zwinglischen Flügels der Reformation Rechnung zu tragen, das Zwingli in De vera et falsa religione commentarius (Zwingli, Commentarius cap. 15 und
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18) herausgestellt hat: Der Vollzug des Abendmahls, wenn es sich wirklich um den Grundvollzug des Glaubens handelt, hat in der Tat den Charakter des erinnernden und verkündigenden Bekenntnisses. Bei Zwingli ist dies verstanden als expliziter Ausdrucksakt, in dem der Mensch den am Mahl teilnehmenden Mitchristen seine Zugehörigkeit zu Christus bekundet und durch dieses Zeichen zu erkennen gibt, denn das ist die mitgeführte kosmologische Grundprämisse: Ein äußerliches, körperhaftes Element kann nicht – davon geht nach Zwingli die altgläubige Position aus – auf die Seele einwirken (ebd. 15; vgl. Zwingli, Freundliche Verglimpfung 781 f. [18 f.]). Nur der Geist kommuniziert mit dem Geist: Der Heilige Geist geht unmittelbar mit dem Geist des Menschen um und umgekehrt. Das körperhafte Element kann daher keine magische Veränderung des menschlichen Geistes vermitteln, wie die Altgläubigen (nach Zwingli) annehmen, sondern diese Veränderung erfolgt im Verstehen: dadurch, dass etwas einleuchtet. Die Veränderung, die der christliche Glaube darstellt, entspringt nicht wundersam dem Umgang mit äußeren Mitteln, sondern dem im Herzen – im menschlichen Inneren – Verstehen weckenden Heiligen Geist. Dieser Glaube als Zugehörigkeit zu Christus kann sich freilich im Medium eines konventionellen äußeren Aktes, den der Glaubende vollzieht, ausdrücken. Und so versteht Zwingli die Sakramente insgesamt als Ausdrucksakte, durch die sich die Zugehörigkeit zu Christus darstellt, so dass der Mitchrist in diesem Ausdrucksakt die Zugehörigkeit wahrnehmen kann. Dabei nehmen sich die Christen wechselseitig in diesen Ausdrucksakten so wahr, wie menschliche Geister einander allein wahrzunehmen fähig sind: vermittelt durch leibliche Medien, und damit immer in der Gefahr der Täuschung oder des Irrtums stehend. Zwingli hat in seinem Verständnis des Abendmahls und des Sakraments insgesamt am konsequentesten mit der traditionellen Vorgabe gebrochen, nach der das Sakrament vom Zentrum des Gebens Gottes her zu verstehen ist. Er deutet das Abendmahl – relativ konsequent – als Ausdrucksakt des Glaubenden. Die übrigen Reformatoren einschließlich der Oberdeutschen und der calvinistisch geprägten Schweizer sind ihm hierin überwiegend nicht gefolgt: Denn die Mahlberichte stellen doch mit einiger Eindeutigkeit die Jünger in ein Empfängerverhältnis zum Mahlherren Jesus, das
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sich in der Deutung des Mahles als Bekenntnisakt nicht abbildet. Dennoch hat die Position Zwinglis ihr wohlverstandenes Recht, wenn man das Bekenntnis des Glaubens als einen vorprädikativen Vollzug versteht: Auch dann, wenn man das Abendmahl, wie Luther, als Manifestation des Gebens Gottes und des reinen Empfangens des Menschen versteht, ist doch die vertrauensvoll empfangende Teilnahme am Mahl zugleich die Anerkennung der eigenen Bedürftigkeit und Anerkennung der Angewiesenheit auf den gebenden Gott – in diesem Sinne ist die Teilnahme ein Bekenntnis. Dies freilich nur unter dem auch von Calvin (Institutio IV, 14,13) vorgebrachten Vorbehalt, dass das Abendmahl keineswegs nur ein Ausdruck der Innerlichkeit des Glaubens ist: Es ist Bekenntnis nur darum, weil es mehr ist als dies, nämlich Empfangen im Bewusstsein, dass Gott der Ursprung des Guten ist.
2.2. Das Abendmahl als göttliche Gabe – Luthers Widerspruch … Dieser Zwinglischen Deutung des Abendmahls als Ausdrucksakt des Menschen widerspricht also fast die gesamte abendländische Tradition, einmal abgesehen von Karl Barth und ihm folgenden Positionen (Barth, Kirchliche Dogmatik IV,1,167 f.): Barth deutet die Sakramente insgesamt als den Gehorsamsakt, der den Beginn und den Vollzug des durch die göttliche Offenbarung ermöglichten und eröffneten neuen Lebens des Christen markiert. Alle anderen Traditionen fassen das Abendmahl als Manifestation einer von Gott zum Menschen verlaufenden Bewegung, als Gabe Gottes respektive Christi an den Menschen. Luther hat dabei in seiner Auseinandersetzung mit dem römisch-katholischen Verständnis des Abendmahls dieses ganz unter das Vorzeichen des Verhältnisses von promissio und fides – Zuspruch der Sündenvergebung und Glaube – gestellt (De captivitate, WA 6, 515,17–518,23). Der Glaube ist dabei verstanden als reines Empfangen im Sinne eines durch die Zusage der Sündenvergebung eröffneten „Sich-Verstehens als Gerechter“; die Zusage wiederum ist verstanden als die Zusage der Vergebung bzw. der Gerechtigkeit, die gänzlich im Urteil Gottes begründet ist, das sich an der Gerechtigkeit Christi und nicht an
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der Vorfindlichkeit des Menschen orientiert. Luther entfaltet diese einsinnige Bewegungsrichtung des Abendmahls im Widerspruch
2.3. gegen die römisch-katholische Messopferlehre, die Luther und die ihm folgende Tradition als eine Umdeutung des Abendmahls in ein menschliches Werk versteht (De captivitate). Das systematische Grundproblem, das den Anlass zu dieser Auseinandersetzung gibt, besteht darin, dass sich die altgläubige Soteriologie insgesamt im Leitparadigma von Verdienst und Lohn hält. Das hat zur Folge, dass das Urteil im Gericht, um das es im Vorgang der Erlösung des Menschen geht, als Urteil über erworbene Verdienste verstanden wird und entsprechend auch das Heilswerk Christi unter das Vorzeichen des Erwerbs und der Weitergabe von Verdiensten gestellt ist. Dass der Tod Christi am Kreuz ein verdienstliches Opfer zugunsten der Menschen sei, führt in aller Selbstverständlichkeit zu der Frage, wie und wo dieses Verdienst zum Verdienst des erlösungsbedürftigen Menschen wird – und der dafür sich anbietende Ort ist das sakramentale Opfer, in dem – unbeschadet seiner Einmaligkeit – das Opfer Christi vergegenwärtigt und zum Opfer der Kirche wird. Das genaue Verhältnis des sakramentalen Opfers zum Opfer Christi und die Bestimmung des Sinnes, in dem durch den Vollzug des Sakraments der Eucharistie dieses Opfer auf Golgatha zum Opfer der Kirche bzw. des einzelnen Glaubenden wird, bleibt im vorreformatorischen Katholizismus strittig und ungeklärt. Es gibt dabei durchaus Positionen, die in die Nähe der Behauptung einer Art erneuter Verwirklichung des Opfers Christi auf dem Altar kommen; daneben stehen aber Positionen wie die des Thomas von Aquin, der die Bezeichnung der Eucharistie als Opfer (immolatio Christi / „Opferung Christi“) zum einen damit begründet, dass im eucharistischen Vollzug das Opfer Christi ebenso abgebildet wird wie in den diesem vorausgehenden alttestamentlichen Opferriten. Damit besteht zwischen dem Opfer der Kirche und dem Opfer Christi ein reines Hinweisverhältnis (Thomas, Summa III q 83 a 1 resp). Zum anderen kann nach Thomas die Eucharistie insofern als immolatio / „Opferung“ Christi bezeichnet werden, als in ihr das Kreuzesopfer zu seinem
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Ziel kommt, indem der Mensch der Wirkung des Opfers teilhaftig wird – in genau diesem und nur in diesem Sinne könne man sagen, dass im Moment der eucharistischen Liturgie das Werk der Erlösung vollbracht wird. In der jüngeren innerkatholischen (Semmelroth 1955; Rahner 1960; Schillebeeckx 1965; Schneider 1979), in der ökumenischen Diskussion (Lehmann 1983) sowie in den einschlägigen Dokumenten (Pannenberg 1986: 89–124, bes. 89–113) wird die Lehre vom Altarsakrament in den Rahmen der Ekklesiologie und der Christologie gestellt und die Vergegenwärtigung des Opfers Christi im Akt der Kirche in Analogie gebracht zur Realpräsenz Christi unter den Gestalten: Der Charakter der Wiederholung des Letzten Mahles als Gedächtnis des Todes Jesu („das tut zu meinem Gedächtnis“) vergegenwärtigt das Werk Christi im Handeln der Kirche („kommemorative Aktualpräsenz“; Betz 1955). Dabei ist der Kreuzestod Christi selbst wiederum verstanden als die Manifestation der innertrinitarischen Selbsthingabe des Sohnes an den Vater in irdischer Sichtbarkeit (Schillebeeckx 1952 und 1965). Die Menschheit Christi und das um den Kreuzestod konzentrierte Leben Christi ist damit selbst ein Sakrament dieser innertrinitarischen Selbsthingabe (Christus als Grundsakrament). Die Kirche als der Leib Christi ist die – im priesterlichen Amt konzentrierte, aber nicht darauf beschränkte – Fortdauer dieses sakramentalen Vollzuges des Lebens und der Hingabe Christi in der Welt (die Kirche als Ursakrament: Semmelroth 1955; Schneider 1979). Entsprechend sind die erinnernd auf das Kreuz Christi bezogenen Handlungen der Kirche, insbesondere das Altarsakrament, nicht einfach Hinweiszeichen, sondern Vergegenwärtigung und Darstellung der Vollzüge Christi selbst und damit letztlich der innertrinitarischen Selbsthingabe des Sohnes an den Vater. In den Sakramenten vergegenwärtigt sich der Vollzug Christi, so dass die Kirche teilnimmt an dieser Selbsthingabe Christi: Die Eucharistie ist Opfer. Die Eucharistie ist damit zugleich göttliches Handeln und menschlicher Vollzug, Selbstvollzug der Kirche und Selbstvollzug Christi. Entsprechend hat das Abendmahl den Charakter der Teilgabe an der Wirklichkeit Christi und seinen Lebensvollzügen (sacramen tum). Diese Teilgabe an der Wirklichkeit Christi gibt es allerdings
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nur als Teilgabe an seinem Selbstvollzug (Teilgabe an seinem im kirchlichen Handeln präsenten Opfer: sacrificium; Schillebeeckx 1965; Semmelroth 1960; dazu Koch 1965). Die Sakramente sind die Aufnahme menschlicher Vollzüge in das Handeln Christi selbst, das sich durch sie hindurch vollzieht und an dem die Kirche bzw. die Glaubenden in diesem Mitvollzug teilhaben (Slenczka 1993: 18–34). In diesem Sinne ist die Bewegungsrichtung aller Sakramente und im Zentrum die Bewegung des Abendmahls nicht einsinnig, sondern im Abendmahl vollzieht sich eine „katabatische“, d.h. „herabsteigende“ Bewegung: die Teilgabe am auf Gott ausgerichteten Werk Christi. Gleichzeitig vollzieht sich eine „anabatische“, d.h. „aufsteigende“ Bewegung: der Vollzug dieses Werkes Christi auf Gott hin im Werk der Kirche bzw. der beteiligten Glaubenden. Diese das Abendmahl mit dem Kreuzes-„Opfer“ verbindende Position, die etwa bei Johannes Paul II. in Ecclesia de Eucharistia (2003) so weit getrieben wird, dass der sakrifizielle Aspekt zum integrierenden Zentrum für alle Momente der Eucharistie wird, hat ihr Wahrheitsmoment darin, dass in der Beschreibung der Mahl situation in den Evangelien in der Tat das Letzte Mahl auf den Vorabend des Leidens terminiert und damit in den Kontext des Kreuzesgeschehens gestellt ist; dieser Bezug wird in der Deutung des Geschehens durch Paulus („sooft ihr von diesem Brot esst […] verkündet ihr den Tod des Herrn“, 1Kor 11,26) und vor allem in den Deuteworten explizit gemacht. Wie immer man die Identifikation der Mahlelemente mit Leib und Blut Christi versteht: Die Evangelisten halten den Zusammenhang dieses Leibes und Blutes mit dem als Geschehen zugunsten der Menschen verstandenen Kreuzesgeschehen fest („für euch gegeben / vergossen“). Dass mit dieser Deutung die – im Blick auf manche zeitgenössische Abendmahlslehren berechtigten – Einwände Luthers gegen die römische Eucharistielehre nicht mehr greifen, ist deutlich. Es ist freilich zu fragen, ob der Mahlkontext, der die Jünger ausschließlich in die Rolle der Empfänger einweist, das Aufbrechen der Struktur von Geber und Empfänger durch den Gedanken einer Mitwirkung der Empfangenden am Tun des Gebers zulässt. In der römisch-katholischen Diskussion ist diese Deutung abgedeckt durch die Bezugnahme auf den
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Wiederholungsbefehl, der, so scheint es, das Einrücken der Jünger in die Funktion des Mahlherren zulässt. Daher rührt die konstitutive Funktion des – zum Handeln in persona Christi / an der Stelle Christi und so zur Darstellung Christi berechtigten – priester lichen Amtes für das Zustandekommen eines gültigen Abendmahls (dazu unten 2.8.). Allerdings fügt sich die skizzierte Deutung des Abendmahls in der römisch-katholischen Kirche ein in den Zusammenhang der „Liturgischen Bewegung“, deren erklärtes Ziel die Deutung der liturgischen Vollzüge als Akte der ganzen Kirche, also auch der Laien, ist, die sich in einem innerlichen Akt dem Handeln der Priester anschließen und es mitvollziehen (Guardini 1983; Slenczka 1993: 18–34). Das wieder würde bedeuten, dass es im Vollzug des eucharistischen Opfers keine Empfänger gäbe, die nicht zugleich am Akt der Gabe teilnehmen und nur in dieser Aktivität Empfänger sind. Die manifeste Problematik dieses Gedankens legt die Frage nahe, ob es nicht geeignetere Konzeptionen gibt, in denen der – freilich notwendigerweise zu explizierende – Zusammenhang von Kreuz und Abendmahl bzw. die Teilgabe am Kreuzesgeschehen zur Darstellung gebracht werden kann (unten 3.6.–3.8.).
2.4. Vergegenwärtigung Christi im Geist des Menschen durch sinnenfällige Zeichen – der Hauptstrom der reformierten Deutung Der Widerspruch Luthers und der lutherischen Tradition besteht auf der Eindeutigkeit der Unterscheidung des Gebens – das allein Christus zugeschrieben wird – vom Empfangen des Menschen; das Handeln des Liturgen ist dabei ausschließlich Dienst am jeden Mitvollzug ausschließenden Wirken Christi. Dabei ist Luther durchaus dessen ansichtig geworden, dass die Deutung des Abendmahls als Opferhandlung an der Realpräsenz Christi hängt und am wirksamsten durch die Bestreitung der Realpräsenz und durch die Deutung des Abendmahls als reines Hinweiszeichen beseitigt werden könnte. Während Luther aus Gründen der Integration der Deuteworte sich dieser Option nicht anschloss, folgt der refor-
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mierte Flügel des Protestantismus der exegetischen Einsicht des Niederländers Cornelisz Heinrich Hoen, der vorgeschlagen hatte, das est (hoc est corpus meum / „das ist mein Leib“) nicht als identifizierendes est / „ist“ zu verstehen, sondern als significat / „bezeichnet“. Das ist ein Vorschlag, der mehr als eine exegetische Idee ist, weil zumindest Calvin das Zeichen der Mahlelemente im Sinne der Augustinischen Zeichentheorie versteht, wonach ein Zeichen dadurch bestimmt ist, dass es etwas anderes als es selbst im Geist des Empfängers gegenwärtig setzt (Augustin, De doctrina II, I,1). Der Effekt des Abendmahls wird damit so beschreibbar: Die Mahlelemente werden in den Deuteworten als solche Zeichen erschlossen, die eine Bewegung des menschlichen Geistes auslösen, der sich durch diese Elemente auf den im Himmel zur Rechten Gottes thronenden Christus bzw. auf das vergangene Kreuzesopfer verweisen lässt (vgl. das sursum corda / „erhebet eure Herzen“ im Eingang der Abendmahlsliturgie). Auf diese Weise werden Christus, sein Leib und das vergangene Kreuzesopfer vergegenwärtigt – freilich nicht in der Mahlhandlung oder gar unter den Gestalten, sondern im Modus der Erinnerung und damit im Geist des Empfängers. Es ist demnach der Glaubende (und nur er), in dem spiritualiter / „geistlich“ Christus gegenwärtig wird (Calvin, Institutio IV,17,1–4 ff.). Diese Deutung geht über Zwinglis Verständnis hinaus (oben 2.1.), auch darin, dass der von Calvin beeinflusste Zweig des Pro testantismus das Abendmahl wie die Sakramente insgesamt im Zusammenhang der Vergewisserung des Menschen bezüglich seines Heils verortet, was Zwingli ausdrücklich abgelehnt hatte. Der äußere, zeichenhafte Vollzug des Abendmahls mit der Gabe der auf den Leib und das Blut Christi verweisenden Mahlelemente versichert den Feiernden eines inneren Wirkens des Heiligen Geistes, der im Geist des Menschen Christus und das in ihm beschlossene Heil vergegenwärtigt (Heidelberger Katechismus Frage 75 und 78 f.). Man spricht hier von einem Sakramentenparallelismus, nach dem das äußere Geschehen auf ein gleichzeitig sich vollziehendes in neres Wirken des Geistes verweist, der im Menschen spiritualiter die Person Jesu vergegenwärtigt. Diese Deutung des Abendmahls als Zeichen hat seine Stärke darin, dass das Abendmahl als ein Vollzug verstanden wird, der sich wie ein Wortzeichen an das Verste-
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hen richtet und wesentlich Verstehen wirkt, und zwar so, dass die Person sich selbst im Verhältnis zu Gott (sc. als versöhnt) versteht. Damit ist das Abendmahl als Zeichen begriffen. Dass das Abendmahl, wie alle Sakramente, zur Gattung der Zeichen gehört, ist eine Einsicht, welche die abendländische Kirche von Augustin übernommen und seitdem festgehalten hat. Dass gerade das Abendmahl über diese Zeichenfunktion hinaus auch noch (als Medium der Gnadenmitteilung) wirksam ist, hatte die vorreformatorische Tradition betont. Dass das Abendmahl in genau der Weise wirksam ist, dass es das Bezeichnete vergegenwärtigt, steht – von einigen eher randständigen Positionen abgesehen – bis ins 16. Jahrhundert den Theologen des Abendlands fest. Man kann die calvinistische Deutung so zuordnen, dass hier die Wirksamkeit und die vergegenwärtigende Funktion des Zeichens in seinem Bezeichnen liegt, dass also das durch das Zeichen geweckte Verstehen und die entsprechende Gewissheit über den Heilsstand – kurz: der Glaube – die eigentliche Wirkung des Abendmahls ist, und dass die Gegenwart Christi im Abendmahl zwar nicht eine Gegenwart unter den Gestalten, wohl aber die Gegenwart im Glauben ist. Und dies ist eine Gegenwart, die Calvin als Gegenwart auch des Leibes Christi und als Teilhabe an ihm bezeichnen kann (Institutio IV,17,10). Dieser Gegensatz wird der Glaubende durch das Zeichen des Brotes versichert: Durch das Verweiszeichen des Mahles und der Mahlelemente, so könnte man nach Calvin sagen, wird der Leib Christi im Glaubenden vergegenwärtigt.
2.5. Die Eucharistie als Gnadenmittel Mit dieser Deutung ist zugleich eine Abgrenzung zunächst gegenüber dem römisch-katholischen Verständnis der Wirksamkeit des Sakraments vollzogen, das sich jedenfalls im Trienter Konzil und in der prägenden Gestalt der Thomasischen Theologie am Modell der infusio gratiae / „Einflößung der Gnade“ in die Seele orientierte, die durch diese Gnade im Modus der Tugenden von Glaube, Liebe und Hoffnung auf Gott ausgerichtet und so zurechtgebracht wird. Die Eucharistie wirkt hier nicht allein als Zeichen im Verstehen des Zeichens; sie wirkt vielmehr dadurch, dass sie nicht nur (wie
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die anderen Sakramente) mit einer an der Seele wirksamen Gnadenkraft erfüllt ist, sondern den Ursprung und Träger der Gnade selbst, nämlich Christus, in sich trägt und weitergibt. Die Wirksamkeit des Sakraments steht damit allerdings unverbunden neben dem Zeichencharakter des Sakraments. Der oben berührte Widerspruch Zwinglis (und Luthers) gegen die Möglichkeit, durch äußere Medien die Seele zu beeinflussen, richtete sich auch gegen ein solches gegenständliches Verständnis der Gnade als der Seele eingeflößte qualitas / „Beschaffenheit“. Das gilt unbeschadet dessen, dass in neueren katholisch-theologischen Entwürfen – etwa bei Karl Rahner (Rahner 1968) – der Versuch unternommen wird, den Prozess der Gnadenvermittlung zu personalisieren und die Eucharistie und die in ihr vermittelte Gnade in den Prozess der als personales Verhältnis verstandenen Begegnung von Gott und Mensch einzuzeichnen (so auch Schillebeeckx 1965). Auch wenn die Vergegenständlichung der Gnade auch in der neueren römischkatholischen Theologie als Problem erkannt ist, stellt sich dennoch die Frage, ob die Gabe des Abendmahls tatsächlich nichts anderes und nicht mehr vermittelt als das Wort – und in welcher Weise die Realpräsenz Christi, wenn man sie denn lehrt, das Bild dieser Wirksamkeit verändert, bzw. wie sich eine „gegenständliche“ Gegenwart einfügt in den Zusammenhang von Wort und Glaube (unten 2.6.2. und 2.6.3.).
2.6. Das Abendmahl als Ursprung der Heilsgewissheit 2.6.1. Abendmahl und Anfechtung Der Einwand Luthers und der lutherischen Tradition gegen die Deutung des Abendmahls in der calvinistischen Tradition macht sich systematisch daran fest, dass die Gewissheit, ob Gott wirklich im Vollzug des Mahls durch seinen Geist das Heil des Menschen wirkt (anders formuliert: ihm Christus vergegenwärtigt), nur dadurch entstehen kann, dass der Glaubende in sich die Wirkung dieses Geistes erfährt: Die Reflexion auf den Glauben würde dann dessen gewiss machen, dass Gott das Heil des Menschen will. Die auf Luther zurückgehende Tradition ist allerdings geprägt durch die traumatische Anfechtungserfahrung Luthers, die in eigenen
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und fremden Berichten immer wieder aktualisiert und als Manifestation des Grundproblems des Menschseins gedeutet wurde. Die lutherische Theologie ist damit theologisch orientiert durch das Kriterium, dass der christliche Glaube als wirksam befreiender Umgang mit dieser Anfechtung erfahren wurde. Somit weist sich ein rechtes Verständnis dieses Glaubens nicht zuletzt dadurch aus, dass es dieser Anfechtungserfahrung gewachsen ist und sie zu bewältigen hilft. Das Insistieren Luthers und der von ihm geprägten Theologen auf den Einsetzungsworten und der dort vorgenommenen Identifikation des Brotes mit dem Leib und dem Blut Christi hat genau den Sinn, alle Hindernisse für das Entstehen von fester Gewissheit bezüglich des Heilswillens Gottes zu beseitigen: Die Deuteworte sind, so Luther, im schlichtesten Wortsinn und in Analogie zu ähnlichen prädikativen Sätzen zu verstehen – denn das unbegründete Eintragen tropologischer Deutungen durch einen menschlichen Interpreten würde dem so entstehenden Sinn den Charakter der Gewissheit nehmen. Und die durch diese einfach hingenommenen Deuteworte verbürgte heilvolle Realpräsenz Christi unter den Gestalten von Brot und Wein darf nicht selbst an der Bedingung des Glaubens des Empfängers hängen, wenn sie Ursprung und Halt der Gewissheit sein soll. Das heißt: sie muss unabhängig vom Glauben und ihm voraus sein (Slenczka 2005a). Die reformierte Tradition geht davon aus, dass nur die Glaubenden an der Wirkung des Sakraments und an dem durch es vermittelten Heil Anteil haben (manducatio fidelium – das Essen [des Leibes und Blutes Christi] nur durch die Glaubenden); diese grundsätzliche Position wird zuweilen im Gespräch mit der lutherischen Gegenseite präzisiert durch das Zugeständnis einer manducatio in dignorum – das Essen [des Leibes und Blutes Christi] auch durch diejenigen, die grundsätzlich glauben, aber (etwa durch ihren Lebenswandel) der Gemeinschaft mit Christus unwürdig sind und sich das Mahl zum Gericht essen (1Kor 11,27.29). Im Unterschied dazu vertreten die von Luther geprägten Theologen eine mandu catio impiorum – die These also, dass auch derjenige, der sich dem Glauben verweigert, im Essen von Brot und Wein Leib und Blut Christi zu sich nimmt; freilich handelt es sich dabei nach Überzeugung der lutherischen Theologen um ein nur leibliches Essen
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(manducatio oralis / Essen mit dem Mund), dem die geistliche Wirkung versagt bleibt: Wer so das Abendmahl im Unglauben nimmt, empfängt auch den Leib Christi – aber eben zum Gericht (1Kor 11,29). Das Interesse der lutherischen Tradition an dieser Lehrbildung zielt mit der Absicht der Vergewisserung darauf, den Empfänger von der Reflexion auf die eigene Würdigkeit abzulenken und auf das die Gabe begleitende Verheißungswort auszurichten. Dies kulminiert in der Feststellung Luthers und beispielsweise der Kon kordienformel, dass nicht der Sündenfreie, sondern der sich seiner Unwürdigkeit bewusste Sünder der in Wahrheit würdige Empfänger des Sakraments ist, der der Gnadengabe teilhaftig wird (For mula Concordiae, Solida Declaratio Art. VII, BSLK 996,25–997,13).
2.6.2. Abendmahl und Glaube Das weist darauf hin, dass Luther und die lutherische Tradition die grundsätzliche Option der reformatorischen Hauptschriften, nach der das Sakrament dem Glauben zugeordnet ist und der Glaube die Verheißung „stabilisiert“ (De captivitate, WA 6, 517,10), nicht aufgegeben haben: Ohne den Glauben gibt es durch das Sakrament kein Heil. Diese Position präzisiert Luther in den Auseinandersetzungen mit Zwingli und Oekolampad dahin, dass der Glaube eines ihm äußerlichen Grundes bedarf, an dem seine Gewissheit entsteht und bleibend haftet und worauf er „sich verlassen“ kann; dieser Grund kann bei einem leiblichen Sinnenwesen nicht rein „innerlich“ und kann auch nicht unsichtbar sein, sondern muss äußerlich und wahrnehmbar sein: Das äußere Wort (und nicht das Sprechen des Heiligen Geistes im Herzen), die äußere Realpräsenz Christi (und nicht die innere Gegenwart Christi im Glauben), das der eigenen Verfügung entzogene Zeichen der Taufe sind der Halt und der Grund der Gewissheit des Glaubens. 2.6.3. Das Abendmahl als Zeichen Dabei ist auch deutlich, dass für Luther wie für den reformierten Flügel der Reformation dieser Glaube die eigentliche Wirksamkeit des Sakraments ist. Es liegt im Zeichencharakter des Sakraments begründet, dass es über sich hinausweist. Das Ziel des Verweisens ist auch bei den römischen Katholiken nicht die Realpräsenz
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Christi: Der realpräsente Leib Christi ist vielmehr ein Bezeichnetes (durch Brot und Wein, die nur Zeichen sind: sacramentum tan tum), das selbst wieder auf ein weiteres Bezeichnetes hinweist (res et sacramentum – zugleich Gegenstand [eines Zeichens] und selbst Zeichen). Dieses letzte Bezeichnete des Abendmahls ist die durch das Sakrament hergestellte unio cum Christo / „die Einheit der Kirche und der Glaubenden mit Christus“ (etwa Thomas, Summa III q 73 a 1 ad 3, vgl. 79 a 1 resp). In derselben Weise ist der Genuss des Abendmahls auch nach dem Verständnis der lutherischen Tradition nicht die körperliche Einverleibung Christi, sondern die Selbstgabe Christi im Mahl zielt über das leibliche Essen hinaus auf die Gewissheit, eins mit Christus und in diesem Sinn ein neuer Mensch zu sein. Nach Luther sind nicht, wie in der reformierten und in der römisch-katholischen Abendmahlstheologie, Brot und Wein die Zeichenelemente des Sakraments, sondern als Zeichen fungiert der realpräsente Leib Christi, der eben nicht einfach auf ein Essen, sondern auf die Aneignung in einem Verstehen abzielt, das den Menschen gewiss macht, eins zu sein mit Christus. In diesem Sinne nimmt Luther die augustinische Wendung vom Sakrament als verbum visibile / „sichtbares Wort“ auf: Worthaft ist das Abendmahl in dem Sinne, dass das Element auf das Verstehen und auf die Vergewisserung dessen zielt, was in den Deuteworten zugesagt ist – in Kurzform: „Christi Leib, für dich gegeben“ (Luther, De captivitate, WA 6, 518,10 f.).
2.7. Abendmahl und neues Leben Deutlicher als die klassische lutherische Tradition hebt der reformierte Flügel des Protestantismus auf die der Rechtfertigung folgende Neuorientierung des Lebens ab. Diese weiterreichende Differenz schlägt sich auch im Verständnis des Abendmahls nieder. Auch in der calvinistischen Tradition wird der Bekenntnischarakter des Abendmahls als beigeordnetes Moment des Aspektes der Verheißung (promissio) festgehalten (Calvin, Institutio IV, 17,6, vgl. 14,13) und im Zusammenhang damit eingeschärft, dass sich dieses Bekenntnis zu Christus in einem der Zugehörigkeit zum Leib Christi entsprechenden Lebenswandel niederschlagen muss.
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Der Ausschluss vom Abendmahl als Moment der Kirchenzucht hat auch darin seinen Anhalt, dass mit dem Mahl die Kirche konstituiert wird und damit eine Gemeinschaft derer entsteht, die in die ethische Bewährung ihres Glaubens entlassen sind. Die Frage wird traditionell unter dem Vorzeichen behandelt, wer der würdige Empfänger des Abendmahls ist, der sich das Mahl nicht zum Gericht isst (1Kor 11,29) – zum würdigen Empfang gehört nach reformiertem Verständnis eben auch die Neuorientierung des Lebens. Die präzise Verhältnisbestimmung von Abendmahlsteilnahme und „neuem Leben“ ist allerdings ein Problem. Eine Verhältnisbestimmung ist auch nach reformierter Auffassung nur dann zufriedenstellend, wenn zwei schwer vereinbare Bedingungen erfüllt sind: Einerseits darf das Verständnis des Abendmahls nicht durch (ethische) Würdigkeitsbedingungen die Bewältigung der Anfechtungssituation unmöglich machen. Andererseits darf die in der lutherischen Tradition zentrale Feststellung, dass gerade derjenige, der sich (reuevoll) nicht würdig weiß, der würdige Empfänger des Sakraments ist, nicht zur ethischen Folgenlosigkeit des Abendmahlsempfangs führen.
2.8. Abendmahl und Ekklesiologie In ganz anderer und im Blick auf die ökumenische Verständigung höchst folgenreicher Weise ist die Abendmahlslehre mit der Lehre von der Kirche in der römisch-katholischen Theologie verbunden: Ein wirksam vollzogenes Sakrament gibt es nur, wenn die Eucharistiefeier von einem ordinierten Priester durchgeführt wird. Das Sakrament ist grundsätzlich ein Sakrament der Kirche; der vollziehende Priester und die Empfänger müssen Teil der römischen Kirche sein. Die Priesterweihe hat ihr Zentrum in der Vermittlung der Fähigkeit (und der Pflicht), in persona Christi / an Stelle Christi das Sakrament der Eucharistie zu vollziehen und zu spenden. Die Neuinterpretationen der Messopferlehre (als Mitvollzug des Opfers Christi durch die Kirche, s.o. 2.3.), die eigentlich auch darauf abzielten, ökumenische Anstöße zu entschärfen, unterstreichen diese Bindung von gültiger Priesterweihe und wirksamem Vollzug der Eucharistie sogar noch, weil sie die Kirche, in der Christus die sa-
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krifizielle Bewegung auf den Vater zu vollzieht, institutionell (und damit durch die Priesterweihe) identifizieren (zuletzt offiziell Johannes Paul II. in Ecclesia de Eucharistia, 2003, Textnr. 29). Das bedeutet eben auch, dass die in anderen Kirchen von nicht gültig geweihten Amtsträgern vollzogenen Abendmahlsfeiern im Sinne der römisch-katholischen Kirche wirkungslos sind: Weder kommt es zu einer Realpräsenz unter den Gestalten noch zu einem Vollzug des Messopfers. Die Forderung der Kirchlichkeit des Sakraments hat zudem zur Folge, dass weder römische Katholiken an Abendmahlsfeiern einer Kirche ohne gültiges Amt teilnehmen dürfen, noch Angehörige anderer Konfessionen zu Eucharistiefeiern der römischen Kirche regulär zugelassen sind (ebd.).
2.9. Zusammenfassung Damit sind in einem Überblick die wichtigsten im interkonfessionellen Gespräch strittigen Fragen benannt; es sind einige Rahmenbedingungen der konfessionellen Deutungsmuster erkennbar geworden, gleichzeitig aber Grundfragen, zu denen eine Abendmahlstheologie Stellung beziehen muss – darunter eben die Frage nach der Bewegungsrichtung, der sich das Abendmahl einordnet (2.1.–2.3.), die Frage nach der Wirkung des Abendmahls: Handelt es sich um ein der Verkündigung zu parallelisierendes verbum visi bile, das als ein das Wort unterstreichendes Zeichen auf Glaubensgewissheit abzielt und in dieser ihre Wirkung entfaltet, oder wirkt es anders und mehr als das Wort – etwa durch die Vermittlung einer die Seele verändernden Gnadenwirkung (2.4. und 2.5.)? Es stellt sich die Frage nach dem Ort oder dem Sitz im Leben des Abendmahls – wie verhalten sich seine Funktionen als Mittel der Bewältigung der Anfechtung einerseits und als Ursprung einer neuen und neu ausgerichteten Lebensbewegung andererseits zueinander (2.6. und 2.7.)? Es stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von Abendmahls- und Kirchengemeinschaft (2.8.) Und es stellt sich die Frage nach dem Modus und dem Sinn der Realpräsenz (dazu 4.).
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2.10. Die neuere ökumenische Diskussion Die neuere ökumenische Diskussion geht davon aus, dass die wechselseitige Verweigerung der Abendmahlsgemeinschaft das schmerzlichste Zeichen der fehlenden Einheit der Kirche ist und dem Wesen der Kirche ebenso wie dem Wesen des Abendmahls widerspricht, das „Sakrament der Einheit“ (Kasper 2004) sei. Üblicherweise wird im impliziten oder expliziten Anschluss an Confes sio Augustana (CA) VII die Einigkeit in der Lehre – im Verständnis des Evangeliums von Christus und im Verständnis der Sakramente – als Bedingung der Feststellung der Kircheneinheit, die dann auch Abendmahlsgemeinschaft ermöglichen würde, betrachtet (etwa: Malta-Bericht, Textnr. 68–75). In der neueren ökumenischen Diskussion über das Abendmahl und in den wichtigsten ökumenischen Dokumenten wird vor allem der Versuch unternommen, die Frage nach der Realpräsenz und nach dem Modus der Realpräsenz aus der theologisch ungesunden Isolierung gegen den Kontext des Mahles, der Kommunikation Jesu mit der Gemeinde und der Mahlgemeinschaft, zu befreien und als Moment eines umfassenden Zusammenhangs der Selbstgabe zu verstehen (s.o. 2.3.). Dabei sind unterschiedliche Interessen leitend – zum einen das Anliegen, die Realpräsenz im Rahmen eines weiten, nicht auf die Realpräsenz unter den Gestalten beschränkten Verständnisses der Gegenwart Christi zu verorten. Damit tritt die Realpräsenz unter den Gestalten in den Zusammenhang der Gegenwart Christi in seiner Kirche („Personalpräsenz“; Betz 1955) bzw. der „Aktualpräsenz“, der Gegenwart des Handelns Christi im Handeln der Kirche. Das schließt zum anderen die in allen gegenwärtigen Darstellungen des Abendmahls feststellbare weitergehende Tendenz ein, die Realpräsenz von einer Gesamtdeutung des Abendmahls – als Vollzug eines Mahls oder des Opfers – her zu verstehen (und nicht das Mahl von der zuvor festgestellten Realpräsenz her). Oder aber es ist – drittens – das Interesse leitend, die Abendmahlsgemeinschaft aus der Konzentration auf die Gemeinschaft des Einzelnen mit Christus zu lösen und als Stiftung von (kirchlicher) Gemeinschaft der Teilnehmenden zum Leib Christi zu verstehen (M. Barth 1945); diese ekklesiologische und eschatologische
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Zuordnung des Mahls bestimmt gerade neuere ökumenische Dokumente wie beispielsweise die Lima-Liturgie und entspringt einer Besinnung auf die Konnotationen des liturgischen Vollzuges. In diesen Zusammenhang gehört (viertens) die insbesondere in ökumenischen Begegnungen zwischen Reformierten und römischen Katholiken in Frankreich erfolgte neue Besinnung auf den anamnetischen Charakter des Abendmahls (Thurian 1963), die eine eigentümliche Verbindung einer reformierten Deutung des Abendmahls als Gedächtnismahl mit der in der römisch-katholischen Liturgischen Bewegung gepflegten Deutung der Gegenwart des Opfers Christi als Folge des Gedenkens der Kirche vollzieht und damit eine Verbindung von „Erinnerung“ und „Realpräsenz“ erreicht oder erreichen will (Slenczka 1993). Auch in der Bilanz des reformiert-lutherischen Gesprächs in den Arnoldshainer Thesen (1957) wird das Verständnis der Realpräsenz in den Kontext des Mahles und in ein weites Konzept der Gegenwart Christi eingebunden: Dort spricht nämlich nach einer vorausgehenden Erläuterung des Mahlkontextes die These 4 nicht von einer Realpräsenz unter den Gestalten, sondern stellt in einer sehr weiten Formel fest: „[…] der gekreuzigte und auferstandene Herr läßt sich in seinem für alle in den Tod gegebenen Leib und seinem für alle vergossenen Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein von uns nehmen […]“ (These 4). Diese Feststellung wird dann in These 5 nach dem Vorbild der chalcedonensischen Konzilsentscheidung von Abgrenzungen umgeben, die keine Lehre von der Realpräsenz fixieren, sondern Grenzen legitimer Aussagen über das Abendmahl und die Präsenz Christi markieren. These 8 stellt schließlich fest, dass der Glaube, der nicht auf die eigene Würdigkeit baut, empfängt, was ihm verheißen ist – die Frage nach der manducatio impiorum (oben 2.6.1.) bleibt ungestellt. In der Leuenberger Konkordie (1973), in der – als Ergebnis eines längeren, seit 1937 anhaltenden Prozesses – europäische reformierte und lutherische Kirchen auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses des Evangeliums Kanzel- und Altargemeinschaft erklärten, wird zur Frage der Realpräsenz eine ähnliche Formulierung wie die der Arnoldshainer Thesen gewählt (Leuenberger Kon kordie 1973, Textnr. 15). Es wird festgestellt, dass sich Christus vor-
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behaltlos allen gibt, die Brot und Wein empfangen (was ein impius unter Brot und Wein empfängt, wird nicht gefragt). Schließlich wird, der genannten Tendenz entsprechend, gemahnt, dass ein Interesse an der Gegenwart Christi, das vom Mahlcharakter absieht, „Gefahr läuft, den Sinn des Mahls zu verdunkeln“ (ebd., Textnr. 19). In den Dokumenten der weltweiten Ökumene und in den Texten, die katholische oder orthodoxe Gesprächspartner einschließen, ist häufig der liturgische Rahmen das Medium, durch dessen Auslegung die Momente des Abendmahls integriert und die Frage der Realpräsenz kontextualisiert wird – so etwa in der 1974 verabschiedeten Erklärung Die Eucharistie der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Hier steht im Zentrum die liturgische Danksagung (Textnr. 6 und 7), die vergegenwärtigende Anamnese des Todes Christi (Textnr. 8–13) und die Epiklese (Textnr. 14 und 15) sowie die dadurch verwirklichte Gemeinschaft des Leibes Christi (Textnr. 19). Eine Feststellung der Realpräsenz unter den Gestalten oder gar eine Definition ihres Modus wird vermieden und allgemeiner von einer Gegenwart Christi „in unserer Eucharistie“ (Textnr. 14; vgl. 4 und 5) gesprochen; in ähnlicher Weise verfährt 1982 die Lima-Erklärung.
3. Das Abendmahl als Vollzug Damit ist nun die Aufgabe gestellt, sich dem gottesdienstlichen Vollzug, auf den die in 2. skizzierten expliziten Theologien des Abendmahls ausgerichtet sind und den sie über sich selbst und über sein vorprädikatives Verständnis aufklären wollen, zuzuwenden (methodisch ähnlicher Ansatz bei der Beschreibung des Vollzuges des Abendmahls: Schlink 1983: 490–513). Dieser Vollzug wird hier verstanden als eröffnet durch die Einsetzungsworte bzw. durch die biblischen Berichte vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern, so freilich, dass die Frage der Realpräsenz über der Nachzeichnung des Sinnes des Vollzuges und seiner Absicht unberührt bleibt. Diese Frage wird unten in einem eigenen Abschnitt erörtert (4.). Darin entspricht die folgende Darstellung der Einsicht der meisten Theologen aller Konfessionen und der oben (2.10.) skiz-
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zierten Tendenz der ökumenischen Dokumente, nach denen eine Lehre von der Realpräsenz sich aus dem Kontext des Mahlvollzuges ergibt und eine gegen den Vollzug und seine Intention isolierte Betrachtung der Deuteworte und der Mahlelemente abendmahlstheologisch ruinös ist. Denn das Abendmahl ist ein Geschehen, in dem die Elemente und Worte ihren Sinn gewinnen (Welker 2004; Pannenberg 1993, 337).
3.1. Unbeliebiger Vollzug Die liturgische Feier des Abendmahls ist nach dem Verständnis aller Kirchen konstitutiv bestimmt durch die Einsetzungsworte, die den gegenwärtigen Vollzug in unbeliebiger, weil in der Autorität Christi begründeter, Weise normieren. Was auch immer im aktuellen Vollzug eines Mahls in einer Gemeinde geschehen mag und welche Gebräuche immer integriert werden mögen: Das Mahl ist jedenfalls getragen von dem Bewusstsein, dass nicht die gegenwärtige Gemeinde dieses Mahl begründet, sondern es als ihr anvertrautes Faktum vorfindet (1Kor 11,23). Die Bezugnahme auf die Einsetzungsworte macht zugleich darauf aufmerksam, dass das Mahl auch nicht auf die Kirche, sondern auf einen Stiftungsakt Jesu zurückgeführt wird und die feiernde Gemeinde sich dessen bewusst ist, dass sie in ein Geschehen eintritt, das eigenen Gesetzen folgt und sich der Einebnung in den durchschnittlichen Lebensvollzug entzieht. Genau darum ist es sinnvoll, darauf zu achten, dass das Abendmahl den Charakter des Fremden und dem Durchschnittlichen Entzogenen nicht dadurch verliert, dass es in Mahlkontexte einer Gemeinde integriert wird (Agapemahl u.ä.). Diese Zuordnungen haben ihren guten Sinn (3.5.), sofern sie die Besonderheit des Geschehens des Abendmahls wahren und sich ihr durchsichtig zuordnen. Das trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Einsetzungsworte selbst für den Brot- und Weinritus zwar ein Mahl voraussetzen (etwa: „Desgleichen [nahm er] auch den Kelch nach dem Mahl“; Lk 22,20); an diesem vorausgehenden Mahl sind sie aber nicht ausdrücklich interessiert, sondern ausschließlich an dem besonderen Brot- und Weinritus.
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3.2. Kirche Die Einsetzungsworte sind nicht einfach Deuteworte über Brot und Wein, sondern sie deuten die Mahlsituation und damit die gegenwärtige Gemeinde. In den Einsetzungsworten wird ausdrücklich Bezug genommen auf künftige Mahlfeiern, die sich am letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern orientieren („das tut …“) und so die Person und das Wirken Jesu erinnern sollen. Das jeweils gegenwärtige Geschehen wird damit eingezeichnet in die Situation des Letzten Mahles und identifiziert als das Zusammensein der Jünger mit Jesus von Nazareth; dadurch wird jeweils die gegenwärtige Gemeinde eingetragen in den Kreis der Jünger am Tag vor der Passion. In diesem Sinne geschieht beim Abendmahl das, was im Missionsbefehl (Mt 28,18) aufgetragen wird: Die in der Abendmahlsgemeinde Versammelten werden ‚zu Jüngern gemacht‘. Die Deuteworte haben damit einen performativen – auf eine Veränderung abzielenden – Sinn: Sie sprechen der Gemeinschaft und jedem Glied dieser Gemeinschaft eine Identität zu, nämlich die Identität von Jüngern und Nachfolgern Jesu, die in den biblischen Texten und in der kirchlichen Tradition als Leib Christi, als Gemeinschaft der Heiligen oder als Kirche – Gemeinschaft der Herausgerufenen – apostrophiert wird. Der Zuspruch dieser Identität zielt auf die Übernahme dieses Zuspruchs in ein Selbstverständnis, darauf also, dass sich die Gemeinde und ihre Glieder verstehen als Jüngergemeinschaft und damit als Glieder des Leibes Christi und als „Heilige“ (vgl. die Briefanreden des Paulus).
3.3. Gegenwart Christi Jede Gemeinschaft der Jünger steht insgesamt unter der Verheißung, dass Jesus von Nazareth bei ihnen gegenwärtig ist (Mt 18,20; 28,20). Dabei ist die Gemeinschaft aller Jünger (und nicht etwa von vornherein die Gemeinschaft der Träger eines Amtes) der Ort der Gegenwart Christi. Selbstverständlich agieren im Rahmen des Abendmahls von der Gemeinde (damit von Christus) beauftragte Gemeindeglieder in persona Christi / „in der Rolle Christi“, indem sie die Handlungen Jesu in der Situation des Letzten Mahles voll-
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ziehen: das Brotbrechen und Kelchsegnen. Sie tun es aber sinnvollerweise in der Weise der Rezitation der Berichte von diesem Mahl. Streng genommen spielen die Leiter einer Abendmahlsfeier also gerade nicht die Rolle Jesu, sprechen nicht in persona Christi, sondern jeder Leiter distanziert sich gerade im Modus des Berichtes („Unser Herr Jesus Christus … nahm …“) als Berichterstatter bzw. im Rezitieren von Berichterstattern von dem, was Jesus tat und jetzt tut. Die zur Leitung des Abendmahls bestimmten Personen erinnern die Gemeinde an das Tun Jesu damals, vollziehen also das Gedächtnis, dem das Abendmahl dient und durch das es die versammelte Gemeinde in die Gemeinschaft der Jünger einbezieht. Das Handeln in persona Christi wird somit gerade durch die Wiedergabe der Einsetzungsworte eingegrenzt und durch die Berichtsform darauf durchsichtig gemacht, dass das Subjekt der damaligen und auch der gegenwärtigen Handlung nicht der Priester oder der Leiter der Feier, sondern der selbst gegenwärtige Jesus Christus ist. Die Vorstellung, man könne in der Mahlgemeinde Empfänger des Mahls unterscheiden von den Amtsträgern, die in besonderer Weise die Person und das Handeln Christi repräsentieren, widerspricht dem Sinn dieses Geschehens: Die Kirche, auch der Amtsträger, der die Berichte vom Mahl Jesu rezitiert (und nicht in persona Christi spricht), steht gleichermaßen Jesus von Nazareth als dem Mahlherren gegenüber.
3.4. Leidensnachfolge und Verrat Die gegenwärtige Gemeinde wird durch die Einsetzungsworte in eine hochkomplexe Situation eingezeichnet, die in den einleitenden Worten des Berichtes vergegenwärtigt wird („… in der Nacht, da er verraten ward …“). Diese nur in der paulinischen Gestalt der Worte (1Kor 11,23) überlieferte Wendung kann auch allgemeiner mit „ausliefern“ übersetzt werden und das Dahingegebenwerden Jesu durch Gott bezeichnen. Die liturgische Übersetzung ist aber sachgemäß, da sie die in allen Einsetzungsberichten der Evangelien das Mahl begleitende, im Bericht vorangehende Ankündigung des Verrats und den in allen Berichten folgenden Verrat des Judas aufnimmt. Das weist zunächst einmal darauf hin, dass ein Ver-
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ständnis der Mahlfeier – schon bei Paulus – den weiteren situativen Kontext der Passionsereignisse präsent halten muss, und das heißt: Die gegenwärtige Gemeinde wird nicht einfach als Jüngergemeinschaft identifiziert, sondern als Gemeinschaft, die – dafür stehen die Leidensankündigungen – um die bevorstehende Passion weiß. Die gegenwärtige Gemeinde ist damit die Gemeinschaft, die Jesus auf dem Weg ans Kreuz nachfolgt und die in dieser Nachfolge selbst zum Leiden gerufen ist (Mk 8,34–38). Dieser situative Kontext trägt eigentümliche Ambivalenzen in die Identifikation der Gemeinde mit den Jüngern (oben 3.2.) ein, denn die Gemeinschaft der Jünger, mit der die Mahlteilnehmer identifiziert werden, ist gerade keine Gemeinschaft von Menschen mit einem ungebrochenen Zugehörigkeitsbewusstsein. Der Bericht von der Ankündigung des Verrates des Judas (Mk 14,10–11 und 18–20 parr.) hat nicht den Charakter des erzählerischen Ausschlusses des nicht Dazugehörigen, sondern prägt auch das Bild der übrigen Jünger, die nach den Berichten der Evangelisten im unmittelbaren Kontext des Mahles mit der Möglichkeit rechnen, dass sie selbst dieser (zu diesem Zeitpunkt noch) ungenannte Verräter sein könnten („bin ich’s?“ – vgl. Mk 14,19 par.). Zudem steht vom erzählerischen Zusammenhang her das von Jesus ebenfalls im Mahlkontext angekündigte Versagen der Jünger (Mk 14,50 parr.) und insbesondere des Petrus im Raum (Mk 14,27–31 und 66–72 parr.). Der Vorblick auf das Leiden, das die Mahlsituation vom Kontext und von den Deuteworten her prägt, ist also ein Vorblick auf ein Leiden, das Jesus allein und damit stellvertretend für die Jünger übernimmt. Und die Kennzeichnung der Gemeinde als Gemeinschaft der Nachfolger ist gleichzeitig die Kennzeichnung der Gemeinde als Gemeinschaft derjenigen, die in dieser Nachfolge am entscheidenden Punkt versagen.
3.5. Mahl Die Einsetzungsworte evozieren und vergegenwärtigen die Situation eines Mahls, das Jesus mit seinen Jüngern hält.
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3.5.1. Mahl mit Jesus Die Wendung „Jesus mit seinen Jüngern“ ist dabei nicht unwesentlich, denn die Einsetzungsberichte sind programmatisch desinteressiert an der Gemeinschaft der Jünger untereinander. Sie stellen sie vielmehr als ein Kollektiv dar, das Gemeinschaft mit Jesus hat. Alle Gespräche bei Tisch verlaufen zwischen Jesus und den Jüngern (und nicht unter den Jüngern); wo, wie bei Lukas, Gespräche der Jünger untereinander berichtet werden, handelt es sich um die Gemeinschaft zerstörende Auseinandersetzungen (Lk 22,23 f.). 3.5.2. Mahlgemeinschaft und Teilgabe Die Mahlgemeinschaft, das gemeinsame Essen und Trinken ist eine eigentümlich intime und damit unselbstverständliche Situation, in der Gemeinschaft vorausgesetzt und verwirklicht wird. Mahlgemeinschaft insgesamt hat mit dem Teilen von etwas zu tun, was von einem Verfügungsberechtigten zum Gemeinsamen erklärt wird. Im Falle eines Gastmahls, in dem sich – anders als im familialen Zusammensein – eine Gemeinschaft auf Zeit begründet, ist das am deutlichsten: Der Gastgeber gewährt Anteil an dem, was sein ist. Allerdings ist das kein Vertragsverhältnis, das auf eine Gegenleistung berechnet ist, und es ist kein Verhältnis, das willkürlich kündbar ist: Der Gastgeber gewährt nicht nur Anteil, sondern er gewährt dem Gast das Anrecht auf einen Anteil und üblicherweise sogar auf eine bevorzugte Behandlung. Im familialen oder tribalen gemeinsamen Essen ist dieses Gastrecht für die festen Mitglieder der Gemeinschaft institutionalisiert. Der Gast auf Zeit wird in diesen Rechtszusammenhang einbezogen und Teil der Gemeinschaft. Das Mahl setzt den Vorgang der Anerkennung der Gemeinschaftsfähigkeit und der Gleichberechtigung, zuweilen der Höherwertigkeit des Gastes voraus, wie die Berichte von der Reaktion der Zeitgenossen auf die Mahlgemeinschaft Jesu mit Sündern zu erkennen geben (etwa Mk 2,16 u.ö.).
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3.5.3. Mahlgemeinschaft und Vergebung Genau diese Mahlgemeinschaften sind mit der beschriebenen Ambivalenz der Mahlteilnehmer angesichts ihrer Bewährung bzw. ihres Versagens in der Nachfolge im Blick. Die Mahlgemeinschaft stiftet der Verratene mit den Verrätern im – so will es der erzählerische Kontext des Mahlberichts – Wissen um den kommenden Verrat und das Versagen der Jünger (Mk 14,27). Die Gewährung der Gemeinschaft gilt den Nachfolgern Jesu und bereitet auf die Kreuzesnachfolge vor; sie ist aber bedingungslos und steht nicht unter dem Vorbehalt kommender Bewährung – ganz im Gegenteil: Das Mahl greift im Wiederholungsbefehl (1Kor 11,25) über das ausdrücklich vorhergesehene Versagen in der Nachfolge hinaus und gewinnt für jede nachösterliche Gemeinde den Charakter der Wiederaufnahme und Fortsetzung der Mahlgemeinschaft und damit der Vergebung des Verratenen und der Versöhnung mit den Verrätern. Die Finalisierung des Geschehens auf die Vergebung der Sünden in der matthäischen Gestalt des Kelchwortes (Mt 26,28) hebt somit nur ausdrücklich heraus, was in der Mahlgemeinschaft angelegt ist, wenn sie so verstanden wird, wie es die Berichte von der ‚Ursituation‘ des Letzten Mahles nahelegen. Es ist daher sachgemäß, dass die kirchlichen Liturgien – jedenfalls die lutherischen – diesen Zusatz des Matthäus in die liturgische Rezitation der Einsetzungsworte aufnehmen.
3.6. Passion Den nächsten rahmenden Kontext des Mahles, den insbesondere die Deuteworte über Brot und Wein aufrufen, bildet der Passionsbericht.
3.6.1. Opfer In den Deuteworten werden nicht einfach Leib und Blut genannt, sondern bei allen Evangelisten das Blut und bei Lukas auch das Brot durch die Wendung „für euch …“ oder „für viele …“ vergossen bzw. gegeben qualifiziert (Mk 14,22–24 parr.). Die Heilsgabe ist streng genommen nicht der Leib und das Blut, sondern der Tod
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Jesu als Heilsgeschehen (das ist eine nicht aufgebbare Einsicht von Althaus 1931): Es geht nicht einfach um das Blut, sondern um das vergossene Blut; und dieses ist nicht einfach vergossen, sondern dieses Vergießen geschieht zum Heil der Menschen: „für die Vielen“ bzw. „für euch“. Die genaue Bedeutung dieser „Hingabeformel“ ist im Kontext der soteriologischen Deutung des Todes Jesu in den Schriften des Neuen Testaments umstritten; jedenfalls kommt die Gabe des Mahles von vornherein als Anteilgabe an dem im Tod Christi beschlossenen Heil in den Blick. Im Abendmahl kommt es nicht einfach zu einer Vergegenwärtigung und Mitteilung des Leibes und des Blutes Christi, sondern zur Vergegenwärtigung und Mitteilung des zugunsten der Menschen hingegebenen Leibes und vergossenen Blutes. Nicht nur Leib und Blut, sondern der Tod Jesu und das in diesem Tod beschlossene Heil ist die eigentliche Gabe des Abendmahls. Bei Lukas wird dieser Zusammenhang in der Ergänzung des Brotwortes durch die Wendung „das für euch gegeben ist“ sinnenfällig (Lk 22,19–20): Auf der einen Seite erreicht Lukas damit eine Parallelität zum Kelchwort – und das dürfte seine primäre Absicht sein; auf der anderen Seite aber wählt er die Wendung „für euch gegeben“ und bedient sich dafür desselben Verbs wie in der Wendung „dankte, brach’s und gab’s ihnen“; damit wird – nach meinem Eindruck bewusst – undeutlich, wann dieses „Geben“ geschieht: damals auf Golgatha oder jetzt in der Mahlsituation. Diese Wendung ist exegetisch der nächste Anhalt für die in der römisch-katholischen Tradition vorgenommene Deutung der Messe als Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers.
3.6.2. Teilgabe am Tod des Gottlosen Allerdings legt sich die Deutung des Letzten Mahles als Vollzug eines Opfers nicht nahe; naheliegend ist es vielmehr, den Zusammenhang von der das Mahl umgebenden Situation des Verrates her zu lesen: Der im Mahlbericht aufgerufene, im Kontext angekündigte und damit präsente Jüngerverrat – alle werden Anstoß an ihm nehmen und ihn verlassen – hält fest, dass Jesus von Nazareth den Weg ans Kreuz allein ging, dass keiner der Jünger mit ihm in den Tod ging. Dies wird schon im Johannesevangelium als Vorgang der Freilassung der Jünger interpretiert (Joh 18,8), die der
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Weg Jesu in den Tod ermöglicht: Der nach Überzeugung der Evangelisten Sündenfreie stirbt den Tod des Gottlosen, und der Gottlose kommt frei. Vor jeder Frage nach dem Sinn der Identifikation von Brot und Wein mit dem Leib und dem Blut Christi ist deutlich, dass die Gabe des Abendmahls die Zueignung dieses vom Sündenfreien übernommenen Todes des Gottlosen (Mk 14,63) – in den die Jünger nicht mitgehen – an die Gemeinde ist.
3.7. Zueignung des Todes Die vorangehend benannten Momente aufnehmend: Im Vollzug des Abendmahls wird die gegenwärtige Gemeinde mit der Jüngergemeinschaft vor dem Tag der Passion identifiziert, damit als die Gemeinschaft der zu Jesus von Nazareth gehörigen Nachfolger, die die Kreuzesnachfolge gerade verweigern und damit nur kontrafaktisch, durch die ihnen gewährte Zugehörigkeit zur Mahlgemeinschaft über die Situation des Versagens hinaus, Jünger Jesu sind. Gerade sie erhalten im Mahl Anteil am Tod Jesu Christi und an dem in ihm beschlossenen Heil.
3.7.1. Missverständnis der Zueignung des Todes als Eigenschaftsübertragung In diesem Mahl vollzieht sich eine Zueignung von Brot und Wein als Leib und Blut Christi, in deren Zentrum die Zueignung des Todes Jesu – des Todes des Gottlosen – steht. Wenn diese Zueignung keinen anderen Sinn haben könnte als den einer irgendwie magischen, nicht näher verständlichen Vergegenwärtigung eines vergangenen Geschehens nach dem Modell der Teilgabe am Geschick des Kultheros, die in den antiken Mysterienkulten offenbar begangen wurde, dann würde es sich um einen nicht nachvollziehbaren Vorgang handeln, der in der Gegenwart aus Gefühlen der Pietät vor einer langen Tradition, aber nicht in authentischer Anteilnahme mitvollzogen werden könnte.
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3.7.2. Kontrafaktische Identitätszusage Nun gewinnt aber diese Zueignung des Todes Jesu einen guten und nachvollziehbaren Sinn, wenn man den Vorgang als eine kontrafaktische – dem Wahrnehmbaren widersprechende – Identitätszusage versteht und darin Luther folgt, der in seiner Anleitung zum Lesen der Evangelien in der Kirchenpostille (Luther, Unter richt) den Sinn der Berichte der Evangelien nicht darin gesehen hat, dass sie vom vorbildlichen Leben und Sterben Jesu erzählen, sondern darin, dass von diesem Leben unter dem Vorzeichen des Zuspruchs eben dieses Lebens an den Leser respektive Hörer berichtet wird. Luther bestimmt die in den Evangelien dargestellte Lebensgeschichte Christi als getragen von einer performativen Intention; die Evangelien sind insgesamt ein Zuspruch, so dass in den Evangelien in einem sprachlichen Vorgang alles, was von Christus berichtet wird, dem Glaubenden zugleich zugesprochen wird, und umgekehrt alles, was vom Glaubenden gilt, von Christus ausgesagt wird: „Das Hauptstück und Grund des Evangeliums ist, dass du Christus, ehe du ihn als Exempel fasst, aufnimmst und erkennst als eine Gabe und ein Geschenk, das dir von Gott gegeben und dein eigen sei, so dass, wenn du ihm zusiehst oder hörst, dass er etwas tut oder leidet, du nicht daran zweifelst, er selbst Christus mit solchem Tun und Leiden sei dein, worauf du dich nicht weniger verlassen sollst, als hättest du es selbst getan, ja als wärest du derselbe Christus“ (Luther, Unterricht, WA 10/I,1, 11,12–18; übertr. von N. Sl.). 3.7.3. Der Glaube als der Zusage entsprechendes Selbstverständnis Die Nachzeichnung des Lebensvollzuges Jesu in den Evangelien hat nach Luther selbst den Zweck, diesen Lebensvollzug dem hörenden oder lesenden Subjekt zuzueignen. Zugleich steht damit dieses Subjekt unter der Zumutung, diese fremde Biographie als eigene anzueignen, sich gegen das, was der Hörer und Leser von sich selbst weiß und wahrnimmt (im Folgenden: „kontrafaktisch“), durch die und mit der Biographie einer fremden Person zu identifizieren. Der sachgemäße „Gebrauch“ der Evangelien ist genau diese Übernahme des im Evangelium ergehenden Zuspruchs in ein Selbsturteil: „… so dass, wenn du ihm zusiehst oder hörst, dass er
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etwas tut oder leidet, du nicht daran zweifelst, er selbst Christus mit solchem Tun und Leiden sei dein, worauf du dich nicht weniger verlassen sollst, als hättest du es selbst getan, ja als wärest du derselbe Christus.“ Der Glaube besteht somit nun nicht einfach darin, diese Eigenschaft anzunehmen oder Ähnliches, sondern der Glaube ist eine Gestalt des Selbsturteils, ein Selbstverhältnis, in dem der Mensch sich selbst nicht nur durch diese fremde Eigenschaft der Gerechtigkeit Christi, sondern durch die Person Christi insgesamt identifiziert: „Man muss richtig von dem Glauben lehren, durch den du so mit Christus zusammengeschweißt wirst, dass aus dir und ihm gleichsam eine Person wird, die man von ihm nicht losreißen kann, sondern die beständig ihm anhangt und spricht: Ich bin [wie] Christus; und Christus wiederum spricht: Ich bin [wie] jener Sünder, der an mir hängt und an dem ich hänge. Denn wir sind durch den Glauben zu einem Fleisch und Bein verbunden, wie Eph 5,30 steht […] So, dass dieser Glaube Christus und mich enger verbindet als Gatte und Gattin verbunden sind“ (Luther, Galaterbrief vorlesung; WA 40/I, 285,24–286,17 [Dr]). Hier wird der Vorgang der Übertragung der Eigenschaften des Glaubenden auf Christus beschrieben aus der Perspektive des betroffenen Subjektes, das sich die Identität Christi in eben der Weise aneignet, wie es sich seine eigene Vergangenheit anzueignen gezwungen ist. Die eigene Identität tritt unter das Vorzeichen der Identität Christi; diese fremde Identität wird von mir als meine angeeignet. Genau dieses „nicht daran Zweifeln“, d.h. die Selbstidentifikation durch eine fremde Biographie („als wärest du derselbe Christus“), ist das, was Glaube eigentlich ist: fides apprehensiva / „aneignender Glaube“ in genau dem Sinne, dass man sich versteht durch ein anderes.
3.7.4. Das Abendmahl als Identitätszusage und -aneignung Versteht man von diesem Vorgang der kontrafaktischen Identitätszu- und -aneignung her den Vorgang der Zueignung des Todes Jesu im Abendmahl, dann wird dieser Vorgang verständlich als die im Vollzug des Abendmahls erfolgende Zueignung einer Identität
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und der Übernahme dieser Identität in das Selbstverständnis des Menschen, der sich aufgrund dieses Zuspruchs neu versteht – eben: als Teilhaber an dem Tod des Gottlosen, den der sündlose Jesus am Kreuz gestorben ist. Für den Empfänger des Mahls gilt, dass er, der in der Nachfolge versagende Gottlose, zu seinem Ende gekommen ist. Die Zueignung des Todes Jesu erfolgt somit im Abendmahl im Modus des auf Aneignung zielenden Zuspruchs, und der Tod Jesu wird dem Menschen zu eigen nicht in einer merkwürdigen gegenständlichen Vergegenwärtigung und einer wie immer vorgestellten Übertragung vergangener Ereignisse, sondern in der Aneignung des Zuspruchs in einem ihm entsprechenden Selbstverständnis.
3.8. Kontrafaktische Identitätszumutungen Genau genommen ist das Abendmahl, so verstanden, insgesamt bestimmt von derartigen Identitätszumutungen: Zunächst der in der Rezitation des Berichtes vom Letzten Mahl liegenden Zumutung, die eigene Gegenwart mit der Jüngergemeinde der Ursprungssituation zu identifizieren; dann der damit verbundenen Zumutung, sich zu wissen als zur Nachfolge gerufen und in der Nachfolge versagend; und schließlich von der Zumutung, sich zu verstehen als Teil der jenseits des Versagens in die bedingungslose Gemeinschaft mit Christus zugelassenen Gemeinde der Jünger. Dies setzt voraus, dass die kontrafaktische Identitätszumutung, die im Abendmahl erfolgt, auf ein Wissen um sich selbst stößt, das den Charakter des Bewusstseins der Schuld und damit den Charakter des Leidens unter sich selbst hat. Die Mahlsituation in der Darstellung der Evangelisten greift in der Ankündigung des Verrats und in der Ankündigung der Verleugnung voraus auf die Reue des Petrus und die Verzweiflung des Judas, die mit sich selbst und der Identität, die sie sich zugezogen haben, zu leben unfähig sind. Der Zuspruch des Abendmahls ist die Eröffnung eines neuen Selbstverständnisses als Erlösung aus dem Bewusstsein der Schuld – wobei auch diese Schuld nicht schlicht vergessen ist. Was den Übergang vom Bewusst sein, schuldig zu sein, zum Bewusstsein, dass die Schuld im Tod bewältigt ist, ermöglicht, ist die Bezugnahme auf den Tod des Gottlosen, den Jesus stirbt und im Abendmahl zueignet.
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Diesen performativen – Veränderung hervorrufenden – Identitätszuweisungen und aneignungen fügt sich das Deutewort über Brot und Wein so ein, dass hier deutlich wird, dass die Schuld des in die Gemeinschaft mit Christus berufenen Menschen nicht einfach übersprungen, verdrängt oder vergessen, sondern so bewältigt wird, dass der Tod des Gottlosen den Sündlosen trifft. Dieser stellvertretende Tod wird dem Menschen so zugeeignet, dass er sich nicht mehr als Gottlosen, sondern als jemand verstehen soll, der den Tod und damit diese Identität des Gottlosen hinter sich hat. Die „alte Identität“ bleibt wirksam, weil bewusst. Der Christ steht beständig vor der Nötigung, die zugesprochene und angeeignete Biographie Christi (Christi Leib, Christi Blut, für dich vergossen zur Vergebung der Sünden) festzuhalten gegen das Urteil des Gesetzes, das ihn mit dem identifiziert, was er im Laufe seines Lebens geworden ist: Der Christ lebt in genau diesem Sinne aufgrund des im Abendmahl erfolgenden Zuspruchs zwischen Gesetz und Evangelium bzw. als iustus et peccator („Gerechter und Sünder“): als Inhaber – als Bewusstsein! – zweier Identitäten.
3.9. Neues Leben Das Leitmotiv einer lutherischen Theologie des Abendmahls kann in drei Anliegen zusammengefasst werden: Dass das Abendmahl in den Zusammenhang der Bewältigung der „Situation vor dem Gesetz“ gehört, damit in den Kontext des Leidens des Sünders unter sich selbst und seiner Unfähigkeit, eins zu sein mit sich selbst; dass es darum beim Abendmahl um die Gewissheit der neuen Identität des Glaubenden und um den Zuspruch geht, der Ge wissheit der Zugehörigkeit zu Christus stiftet; dass dieser Zuspruch bedingungslos ist und auch nicht einmal durch den Schein einer Bedingung ethischer Lebensführung gestört werden darf. Demgegenüber insistieren die Theologen der reformierten Tradition darauf, dass dem Abendmahl ein neues Leben entspringen muss und dass der Christ nicht dauerhaft festgehalten werden kann und darf in der ethischen Folgenlosigkeit der Bewältigung seiner Anfechtung. Die Berechtigung dieses reformierten Anliegens leuchtet gerade dann völlig ein, wenn man im beschriebenen Sinne das
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Abendmahl als den auf Aneignung zielenden Zuspruch einer kontrafaktischen Identität versteht: Wer sich als mit Christus Gestorbener und durch die Identität Christi definiert weiß, der lebt aus diesem neuen Verständnis seiner selbst (Gal 2,19 f.). Er wird, wie Luther in der Freiheitsschrift (zum 27.; WA 7, 35,34–36,4) sagt, das Bewusstsein seiner Einheit mit Christus dadurch manifestieren, dass er dem Nächsten „ein Christus“ wird in dem Sinne, dass sein Lebensvollzug bestimmt ist von der Bewegung des „Sich-Gebens“ für den Nächsten. Der Ruf in die Nachfolge über das Versagen in der Nachfolge hinweg ist zugleich der Ruf in die Bewährung, die dann missverstanden ist, wenn sie zur vorbehaltlichen Bedingung der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft derer wird, die zum Mahl mit Jesus von Nazareth gerufen sind.
3.10. Glaube Das schließt aber ein, dass der in diesem Mahl vermittelte Zuspruch auf den Glauben im Sinne des beschriebenen „neuen Selbstverständnisses“ abzielt. Die Feststellung der Reformatoren, dass der Glaube unabdingbar sei für die heilsame Wirkung des Sakraments, dass aber die im Sakrament ergehende Zusage an den Glauben nicht wie an eine Bedingung gebunden sei, erschließt sich von dem entfalteten Verständnis des Abendmahls als Identitätszueignung: Die Wirkung des Sakraments ist die Sündenvergebung, zu verstehen als die Bewältigung des Bewusstseins der Schuld: des Gewissens als der Unfähigkeit, mit sich selbst im Reinen zu sein, die der christliche Glaube als Störung im Gottesverhältnis und als Erfahrung des Gerichtes Gottes deutet. Die Schuld in diesem Sinne ist ein Sachverhalt, der nicht anders als bewältigt betrachtet sein kann als dadurch, dass im Schuldigen das Bewusstsein entsteht, dass die Schuld bewältigt ist. Nur wenn sich die Zusage des Todes des Sünders in einem neuen Selbstverständnis des Sünders durchsetzt, der Sünder sich als gerecht weiß, ist die Sünde bewältigt. Das heißt: Die Bewältigung der Sünde hängt in der Tat am Glauben, den das Sakrament weckt, so aber, dass dieser Glaube in keiner Weise den Charakter einer zu erbringenden Bedingung hat. Die Sünde ist nicht vergeben unter der Bedingung, dass der Mensch glaubt, son-
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dern die Vergebung ist darin wirksam, dass sie in der Eröffnung eines neuen Selbstverständnisses den Menschen aus der Hölle seines Identitätsbewusstseins befreit.
4. Realpräsenz Damit ist, wie angekündigt, ein Verständnis des Abendmahls skizziert, das zunächst gänzlich ohne den Rekurs auf die Frage nach der Realpräsenz auskommt. Seit dem 9. Jahrhundert (Ratramnus-Radbertus-Streit) bzw. seit der Frühscholastik (Auseinandersetzungen um Berengar im 11. Jahrhundert; zu beidem Slenczka 1993: 57–72) wird eine Aus einandersetzung um die Realpräsenz Christi unter den Gestalten von Brot und Wein geführt, die insbesondere in der Reformationszeit den zentralen Gegenstand der innerprotestantischen Ausein andersetzungen darstellte. Diese Frage soll nun als Leitfaden eines Deutungsangebotes für das Verständnis des Abendmahls dienen, denn hier erschließt sich von einem auf den ersten Blick sehr kleinteiligen Problem her der gegenwartsfähige soteriologische Sinn des Abendmahls. Die Darstellung ist orientiert an der Position Luthers und der lutherischen Theologen des 17. Jahrhunderts und durch sie geleitet, ohne sie zu zitieren und nicht ohne einige ihrer Einsichten stärker zu dehnen, als sie das selbst getan hätten (Slenczka 2005b).
4.1. Transsubstantiation Alle klassischen Auseinandersetzungen um die Realpräsenz sind Auseinandersetzungen darum, ob und in welchem Sinn die verba testamenti („Dies ist mein Leib / das Neue Testament in meinem Blut“) wörtlich zu verstehen sind, wobei „wörtlich verstehen“ besagt, dass der Satz im Blick auf seine Intention, seinen Wahrheitsanspruch und auf seine Wahrheitsbedingungen in Analogie zu ähnlich strukturierten Aussagesätzen (S[ubjekt] i[st] P[rädikat]) verstanden werden kann. Der römisch-katholischen Position (Concilium Tridentinum, sessio 13; Thomas, Summa III q 75; vgl. Slenczka 1993) liegt die Annahme zugrunde, dass mit diesen Wor-
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ten eine Identifikation der Elemente mit dem Leib und dem Blut Christi vorgenommen wird, dass diese Worte also wahr in dem Sinne sind, in dem ein Aussagesatz wahr ist. Für die an Aristoteles geschulten mittelalterlichen Theologen kann ein derartiger Satz nur genau dann wahr sei, wenn Subjekt und Prädikat „für dasselbe stehen können“ oder als im Bezeichneten vereinigt gedacht werden können. Das ist normalerweise kein Problem: Im Falle des Satzes „Sokrates ist ein Mensch“ ist dasjenige, was mit dem Namen Sokrates bezeichnet wird, gleichzeitig ein Mensch, so dass Subjekt (Sokrates) und Prädikat (Mensch) für dasselbe stehen. Im Falle des Satzes „Das Pferd ist weiß“ steht das Prädikat (weiß) für etwas, was an einem Pferd sein kann, und in der Wirklichkeit des „Schimmels“ sind beide Begriffe (Pferd und weiß) vereint. Unmöglich aber kann der Satz „der Rappe ist weiß“ wahr sein, weil „Rappe (schwarzes Pferd)“ und „weiß“ nicht für denselben Gegenstand stehen bzw. im Gegenstand vereinigt sein können. Im Falle der eucharistischen Deuteworte entsteht nun die Schwierigkeit, dass im Aussprechen des Satzes das im Subjekt „dies“ bezeichnete Brot identisch sein muss mit dem Prädikat „mein Leib“ – das Brot müsste also der Leib Christi sein. Die Begriffe Brot und Leib können aber unmöglich dasselbe bezeichnen. Wenn also dieser Satz Jesu Christi, der immerhin, wie alle Scholastiker in diesem Zusammenhang betonen, selbst die Wahrheit ist, wahr sein soll, dann muss sich im Aussprechen der Worte das Bezeichnete wandeln, so dass das, was bislang – im Aussprechen des „dies“ – Brot war, Leib Christi wird, ohne dass sich das Aussehen ändert. Die Unterscheidung der durch den Wesensbegriff (Brot / Leib Christi) bezeichneten Substanz von den sinnenfälligen Akzidentien (Farbe, Geschmack, Größe etc.) eröffnet die Möglichkeit, die Wahrheit der Worte mit dem Augenschein zu vereinbaren: Dasjenige, was wie Brot aussieht, ist der Leib Christi darum, weil sich im Aussprechen der Wandlungsworte die Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi verwandelt hat, während die Akzidenzien diejenigen des Brotes bleiben. Diese Lehre von der „Transsubstantiation“ (Substanzverwandlung) vertritt die römische Kirche offiziell seit dem IV. Laterankonzil 1215; das bedeutet zugleich, dass die Elemente auch außerhalb des Vollzugs der Eucharistie (extra usum) Ort der Realpräsenz Christi blei-
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ben und als solche Gegenstand der Verehrung sind (Aussetzung zur Anbetung; Fronleichnamsprozession) und ehrfurchtsvoll (im Tabernakel) aufbewahrt werden. In neueren römisch-katholischen Positionen wird die damit vollzogene Konzentration der Eucharistielehre auf die Realpräsenz Christi dadurch aufgelockert, dass das Sakrament als Akt Christi in und mit der Kirche verstanden wird (grundgelegt bei Odo Casel [Casel 1960]). Die Realpräsenz wird dabei – in der oben (2.10.) beschriebenen Weise der „Aktualpräsenz“ – der Gegenwart Christi bzw. seines Kreuzestodes im Vollzug der glaubenden Gemeinde bzw. der Kirche eingeordnet. Die Eucharistie bzw. die in sie integrierten Mahlelemente werden verstanden als „Realsymbol“ – d.h. das Bezeichnete vergegenwärtigendes Zeichen – der Gegenwart Christi beim Glaubenden und der Selbstgabe Christi an den Glaubenden. Brot und Wein werden in diesem Vollzug dem durchschnittlichen Gebrauch entnommen und zu Zeichen und Medien dieses Anteil gebenden Handelns Christi (Schillebeeckx 1967). In dem Sinne, dass Christus durch diese Medien dem Glaubenden bzw. der Kirche seine Gegenwart vermittelt, kann man nach Meinung der Neuinterpreten sagen, dass Christus unter Brot und Wein gegenwärtig ist, und in dem Sinne, dass sich die Funktion bzw. der Sinn des Brotes und des Weines wandelt (vom Nahrungsmittel zum Medium der Selbstgabe Christi), kann man sagen, dass sich das Wesen von Brot und Wein gewandelt hat. Die Transsubstantiation ist ein Sinnwandel (Transsignifikation oder Transfinalisation), der sich mit Brot und Wein vollzieht. Dieser Sinnwandel ist – recht verstanden – ein Substanz wandel (dazu ausführlich und kritisch Slenczka 1993).
4.2. Eine reformatorische Position Die Spielarten der reformierten Abendmahlslehre haben, wie bereits dargestellt, mit dem figurativen Verständnis der Einsetzungsworte nicht nur der Transsubstantiationslehre, sondern der Annahme einer Realpräsenz Christi unter Brot und Wein in denkbar größter Eindeutigkeit widersprochen (2.1. und 2.4.). Die Position des lutherischen Flügels der Reformation scheint in einer unklaren Mittelstellung zwischen den römischen Katholiken und den Refor-
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mierten zu bleiben und wird häufig als „Konsubstantiation“ kari kiert; mit diesem unsinnigen Namen soll die durch das Aussprechen der Deuteworte hergestellte Kopräsenz der Brotsubstanz mit dem Leib Christi bezeichnet werden. Diese Simplifizierung wird dem systematischen Gehalt dieser Position nicht gerecht; er soll im Folgenden so nachgezeichnet werden, dass sich erschließt, warum man es in der um diese Deutung der Realpräsenz konzentrierten Abendmahlslehre mit der Zusammenfassung eines neuen Wirklichkeitsverständnisses und mit einem entscheidend weiterführenden Denkangebot zu tun hat, das sich in ausgezeichneter Weise zu dem entfalteten Sinn des von den Einsetzungsworten geleiteten Vollzuges fügt und ihn gleichsam auf den Begriff bringt.
4.2.1. Parallelen zu den Deuteworten Die entscheidende Behauptung der lutherischen Tradition ist der Hinweis darauf, dass man es in den Deuteworten („dieses Brot ist mein Leib“) nicht mit singulären Sätzen zu tun hat, dass sich vielmehr diese Sätze einfügen in ein Feld weiterer, gleich strukturierter und damit ähnlich aporetischer Sätze aus dem Feld der Christologie einerseits und der Rechtfertigungslehre andererseits: im Rahmen der Christologie die Sätze, die die beiden Naturen Christi voneinander aussagen (Gott wurde Fleisch, dieser Mensch ist Gott, Gott war in Christus); im Rahmen der Rechtfertigungslehre die Aussagen, die den Gerechtfertigten als Sünder und Gerechten zugleich apostrophieren oder die über den Sünder Aussagen machen, die seinem Sündersein widersprechen und damit eigentlich nicht wahr sein können. Diese Aussagen finden sich nach Überzeugung der lutherischen Theologen in den Texten der Bibel und von dort ausgehend in der kirchlichen Tradition, und sie sind gerade im Rahmen der Christologie von einem Hof ähnlicher Feststellungen umgeben, die von Gott und vom Menschen Feststellungen treffen, die dem durchschnittlichen Verständnis dessen, was von einem Gott und einem Menschen sinnvollerweise ausgesagt werden kann, widersprechen. So ist für die lutherische Tradition des 16. und 17. Jahrhunderts der Satz, dass Gott am Kreuz gestorben ist, nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, und desgleichen die Aussage, dass der menschlichen Na-
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tur Christi und damit seinem Leib das eigentlich Gott vorbehaltene Prädikat der Allgegenwart zukomme und dieser Leib somit auf mehreren Altären unter Brot und Wein realpräsent sein kann (Baur 1993; Slenczka 2005; Hund 2006); das hatte beispielsweise, aber nicht nur, Zwingli bestritten. Die erste Feststellung lautet also: Die Deuteworte sind, was ihre Struktur und Aporetik angeht, nicht allein.
4.2.2. Die Theologie als Anwalt der neuen Sprache des Heiligen Geistes Mit Bezug auf diese von den biblischen Texten und der kirchlichen Tradition vorgegebenen Sätze stellt sich die Frage, ob und wie man sie deutet: Ob man sie so einebnet, dass sie zu dem passen, was man durchschnittlicherweise von Brot und vom Leib Christi, von Gott und vom Menschen sowie vom Sünder weiß. In diesem Fall bestünde die Aufgabe der Theologie im Wächteramt über die durchschnittliche Bedeutung der Worte im Gebrauch der Theologie. Dann müsste man eben feststellen, dass Brot nie der Leib Christi sein kann, und zu der Auskunft greifen, dass das Brot in den Händen der Kommunikanten und Christi Leib im Himmel ist – so die reformierte Tradition; oder man müsste feststellen, dass die Hostie zwar aussieht wie Brot, dass sich aber der Sachverhalt so gewandelt hat, dass es mit der Wahrheit des Deutewortes seine Richtigkeit hat. In beiden Fällen wäre festgehalten, dass die Begriffe im Rahmen der Abendmahlslehre in genau dem Sinn verwendet werden wie im durchschnittlichen Sprachgebrauch. Entsprechend würde man im christologischen Kontext die biblischen und traditionellen Aussagen über ein Leiden und Sterben Gottes unter den Vorbehalt der Zwei-Naturen-Lehre stellen und festhalten, dass diese Aussagen selbstverständlich nur von der menschlichen Natur gelten können und gelten, und man würde mit den Aussagen über eine Allgegenwart des Menschen Jesus von Nazareth und seine Herrschaft über die Welt ebenso verfahren. Darauf läuft Zwinglis Vorschlag hinaus, der die genannten Aussagen als reine Redeweisen verstehen will, die – im Rahmen der Christologie – unter dem Vorbehalt der Zuweisung des Leidens an die Menschheit und der Hoheitsaussagen an die Gottheit Christi stehen (Alloiosis – Zwingli, Daß diese Worte, 922–929).
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Das Insistieren Luthers auf dem wörtlichen Verständnis der Einsetzungsworte fügt sich ein in sein Insistieren auf einem wörtlichen Verständnis der entsprechenden christologischen Wendungen. Die Struktur dieser Sätze hat die lutherische Theologie am schärfsten im Rahmen der Christologie reflektiert. Hier wird die in den entsprechenden biblischen Aussagen eröffnete Möglichkeit, von Gott Leiden und – abendmahlstheologisch relevant: – vom Menschen und damit vom Leib Jesu Allgegenwart auszusagen, verstanden als Indiz einer untrennbaren Einheit und Gemeinschaft von Gottheit und Menschheit in der Person Jesu. Die biblischen Wendungen, die göttliche Prärogative vom Menschen Jesus von Nazareth und menschliche Widerfahrnisse von Gott aussagen, weisen hin auf eine in der Person Jesu sich vollziehende Kommunikation von Gott und Mensch, die einander wechselseitig ihre idiomata oder proprieta tes / „Eigenschaften“ mitteilen: Man spricht von der communicatio idiomatum / „Mitteilung der Eigenschaften“. Dieses Verhältnis ist dann missverstanden, wenn man es als Hin- und Herschieben von gegenständlichen Eigenschaften versteht, das letztlich dazu führen würde, dass Gott und Mensch jeweils ihre Eigenschaften verlieren. Vielmehr geht es darum, dass Gott und Mensch durch die jeweils fremden Eigenschaften des Menschen und Gottes bestimmt werden – Gott leidet und stirbt nicht in eigener Person, sondern durch das fremde Leiden Jesu von Nazareth; und die Menschheit Christi ist nicht durch eine ihr zu eigen übertragene Eigenschaft der Allgegenwart überall (wie immer man sich das vorstellen sollte), sondern kraft der fremden und fremd bleibenden Allgegenwart Gottes. Was sich vollzieht, ist der Vorgang, dass Gott und Mensch unter Einschluss des je anderen definiert werden: Die Frage nach Gott und seinem Wesen kann nicht ohne Bezug auf die Person und das Leben Jesu von Nazareth beantwortet werden, und die Rede von der Person Jesu von Nazareth ist durch Gott den Sohn definiert. Mit Bezug auf diese Person Jesu von Nazareth ergibt sich ein semantischer Gewinn für die Begriffe „Gott“ und „Mensch“. Luther spricht hier von der grammatica spiritus sancti / „der Grammatik des Heiligen Geistes“ (De divinitate 1540, Th. 20–24; WA 39/II, 94,17–26; vgl. ebd. 104,24 f.), die der Neubestimmung Gottes durch den Menschen Jesus von Nazareth und der Neubestimmung dieses Men-
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schen durch die Gemeinschaft mit Gott Rechnung trägt und die die Tradition auf die langweilige Formel „Zwei Naturen in einer Person“ bringt. Die Wahrheit der Zwei-Naturen-Lehre ist die Idiomenkommunikation, die nicht ein Nebeneinander zweier Naturen ansagt, sondern die wechselseitige Definition durch ein anderes: Zum Wesen Gottes gehört dieser Mensch, und umgekehrt (Baur 1993). Die Theologie ist damit nicht Anwalt des Herkömmlichen und Durchschnittlichen, sondern Anwalt dieser „neuen Sprache“, in der, wie sich zeigen wird, der Unterschied des „Evangeliums“ zum Gesetz sich manifestiert.
4.2.3. Folgen für das Verständnis des Abendmahls Zunächst aber zurück zur Abendmahlslehre und zum Verständnis der Deuteworte: Versteht man die Worte „Dies ist mein Leib“ in Analogie zu den christologischen Prädikationen, so weisen die Deuteworte darauf hin, dass in den Abendmahlselementen Christi Leib und das Brot in derselben Weise vereint sind wie die göttliche und menschliche Natur in Christus und dass sich hier derselbe Vorgang der wechselseitigen Selbstmitteilung vollzieht wie in der Person Jesu von Nazareth: Auch hier erschließt der sprachliche Vorgang („dies ist mein Leib“) einen Kommunikationsvollzug, in dem eben nicht nur das Brot und der Leib Christi gleichsam nebeneinander am gleichen Ort sind, wie die genau darum ganz unangemessene Rede von einer „Konsubstantiation“ oder „Kopräsenz“ nahelegen würde; vielmehr handelt es sich um den Vollzug einer Mitteilung Christi an das Brot und einer Aufnahme des Brotes in die eigene Identität. Diese auf den ersten Blick skurrile Vorstellung erlaubt es nun aber nicht nur, Brot und Wein als Leib und Blut Christi zu bezeichnen; vielmehr verlangt sie danach, festzustellen, dass derjenige, der Brot und Wein nimmt und isst und trinkt, gerade darin etwas tut, was nicht nur dem Brot und dem Wein widerfährt, sondern dem Leib und dem Blut Christi selbst. Das Essen und Trinken des Brotes und des Weines widerfährt – weil der Leib und das Blut Christi durch das ihnen Fremde (Brot und Wein) definiert sind – dem Leib und dem Blut Christi. In den Einsetzungsworten manifestiert sich eine Neubestimmung der Sprache: Brot und Wein schließen den Leib und das Blut Christi ein und kön-
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nen mit ihnen identifiziert werden; und in dieser Neubestimmung der Sprache erschließt sich eine Neubestimmung der Wirklichkeit. Diese Neubestimmung der Sprache und der Wirklichkeit ist aber auch nicht ein abendmahlstheologischer Sondersachverhalt, sondern entspricht dem Zentrum dessen, was in der Person Jesu Christi geschieht: Dort, und erst folgeweise in den Elementen des Abendmahls, eröffnet das deutende Wort den Vollzug einer Neubestimmung der Wirklichkeit, die sich im sprachlichen Vollzug abbildet und erschließt. Damit wird eben auch deutlich, dass die traditionelle Wendung, Christus sei „in, mit und unter“ den Elementen des Abendmahls, streng genommen den Sachverhalt nicht trifft, und dass lokale Termini – die Rede von der „Gegenwart“ oder „Anwesenheit“ Christi – ebenfalls Unterbestimmungen darstellen. Christus ist nicht „in“ Brot und Wein, sondern eins mit Brot und Wein, und zwar so, dass es der Empfänger des Mahls im Umgang mit Brot und Wein mit Christus selbst zu tun hat. Dies geschieht gerade nicht so, dass Christus gleichsam eingeschlossen wäre in Brot und Wein und daher mit ergriffen und verspeist würde, sondern so, dass das auf das Brot gerichtete Berühren und Essen ein Widerfahrnis des Brotes ist, das Christus sprachlich zugeeignet wird, weil Christus sich mit dem Brot verbindet und mit dem Brot gibt. Bei der Rede von der Realpräsenz kommt es darauf an, dass der Mensch dessen gewiss sein kann, dass ihm mit Brot und Wein Christus sich bzw. seinen Tod schenkt, so dass dem Menschen, indem ihm Brot und Wein zugeeignet wird, die Person und das Werk Christi so zugeeignet werden, dass er sich von dieser Person her neu verstehen kann.
4.2.4. Das Ziel: Die Einheit des Sünders mit Christus In dieses Verständnis der „neuen Sprache“ fügt sich damit auch die oben beschriebene Neubestimmung der Identität des Menschen durch die Person und das Werk Jesu von Nazareth ein, die sich in der Zueignung des Todes Jesu vollzieht, welche im Zentrum des Abendmahls steht (oben 3.7. und 3.8.). Die Rechtfertigungslehre ist – nach dem Verständnis aller Reformatoren – dann missverstanden, wenn man sie auf ein „Vergeben“ reduziert und sich dieses Vergeben als irgendwie sich vollziehendes Durchstreichen der
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Sünde vorstellt. Vielmehr handelt es sich darum, dass dem Sünder in der oben beschriebenen Weise die Identität Christi zugesprochen wird und diese Identität Jesu Christi von ihm gilt: Wie Gott in Christus durch das fremde Sterben stirbt, so ist auch der Sünder gerecht durch die fremde und fremd bleibende Gerechtigkeit Christi; und wie dieses Sterben Gottes nicht nur eine Redeweise, sondern wahr ist, so ist die fremde Gerechtigkeit des Menschen die Wahrheit über ihn. Und in derselben Weise gilt, dass Jesus einerseits sich (unbeschadet seiner Sündlosigkeit) die fremde Sünde des Menschen zurechnet und sie im Tod trägt, und dass andererseits dieser fremde Tod dem Menschen als sein Eigen zugesprochen wird, so dass dies – dass er gestorben ist – die Wahrheit über ihn ist (Gal 2,19). Hier wird deutlich, dass in der Tat diese Verhältnisse der Identifikation von etwas durch ein anderes der Vorgang sind, den die lutherische Tradition „Evangelium“ nennt und vom Gesetz unterscheidet. Denn im Zentrum des Gesetzes steht die Einsicht, dass alles nur durch sich selbst definiert ist und nie durch ein anderes, das sich ihm mitteilt (Baur 1993). Und genau dieses neue Selbstverständnis identifiziert Luther als die Gegenwart Christi, wenn er feststellt, dass in ipsa fide Christus adest / „im Glauben ist Christus gegenwärtig“. Es gibt – in diesem Sinne der Identitätszu- und -aneignung – eine Realpräsenz Christi im Glauben (Luther, Sermon von dem Sakrament 1526; WA 19, 500, 488,9–494,14, bes. 489,9–491,16; ders., Daß diese Worte; WA 23,183,34–189,37).
4.3. Abendmahl und Realpräsenz Die Lehre von der Realpräsenz, die Christologie und die Lehre von der Rechtfertigung folgen einem analogen Prinzip, dessen Grundlage ein bestimmtes Verständnis der christologischen Idiomenkommunikation ist. Nun stellt sich die Aufgabe, diese eigentüm liche Gestalt der Lehre von der Realpräsenz in das Verständnis des Abendmahls einzuzeichnen.
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4.3.1. Identitätsgewährung Der Vollzug des Abendmahls ist, so hatte sich in 3. gezeigt, die den versagenden Jüngern gewährte Gemeinschaft mit dem verratenen Jesus von Nazareth, in deren Zentrum der Vorgang der Zumutung eines Selbstverständnisses steht (3.8.): Die versammelte Gemeinschaft wird mit den Jüngern in der Situation des Letzten Mahles identifiziert und aufgefordert, sich als Gemeinschaft der gefährdeten Nachfolger zu verstehen. Dem Empfänger des Mahls wird mit Brot und Wein der Tod Jesu als Tod des Gottesfernen zugesprochen mit der Zumutung, diesen fremden Tod wie das fremde Leben Jesu als Eigenes zu betrachten, sich daraus in Wahrheit definiert zu wissen und aus diesem Selbstverständnis zu leben. 4.3.2. Das Abendmahl als Individuierung der Zusage Dieser Prozess der Neubestimmung der eigenen Identität ist – das ist die Überzeugung der Reformation insgesamt – als Leistung des Subjektes, das sich ein neues Verständnis seiner selbst verschafft, nicht denkbar. Es bedarf einer dem Subjekt gegenübertretenden Instanz, welche die Möglichkeit einer Neubestimmung der Wirklichkeit und die Möglichkeit eines neuen Selbstverständnisses allererst eröffnet. Diese Instanz ist zum einen die Verkündigung als pro missio / „Zusage“ (nämlich der Person Christi und ihres Werkes auf Aneignung hin): Die kategorische, kontrafaktische Identifikation von etwas durch etwas anderes mit der Folge, dass etwas mehr ist bzw. sich als mehr versteht, als es von sich selbst her ist: Der Sünder ist gerecht bzw.: „Ich bin dieser Christus“ (3.7.). Eine besondere Gestalt dieser das Selbstverständnis eröffnenden Zusage ist das Abendmahl, das sich ausschließlich durch das Medium des identitätsstiftenden Mahles und der darin integrierten Elemente von Brot und Wein vom zueignenden Wort unterscheidet. Der Unterschied der Zueignung im Abendmahl zur Zueignung der Person Jesu in der Verkündigung ist die Individuierung, die sich hier wie in jedem Sakrament vollzieht: Die individuelle Gabe des Brotes macht den Empfänger dessen gewiss, dass er gemeint ist und dass er neu bestimmt wird mit dem Ziel, dass er sich neu versteht. Das Deutewort („Dies ist mein Leib / Blut des neuen Bun-
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des“) steht damit im Kontext eines darreichenden Vorgangs, richtet sich also nicht an das Brot und wandelt es; das Wort deutet auch streng genommen nicht das Brot, sondern es richtet sich an den Empfänger und bedeutet ihm, dass gerade ihm im Geben und Entgegennehmen von Brot und Wein die Person und das Werk Christi zugeeignet wird. Dem Empfänger wird damit zugesagt, dass ihm, indem er Brot und Wein ergreift und nimmt, die Person und das Werk Christi so gehören, dass er in ihnen seine Wahrheit hat und durch sie so definiert ist, dass er nicht mehr Sünder ist, sondern dass der Tod Jesu als Tod des Gottlosen sein Tod ist. Durch den Vollzug wird Christus im Glaubenden – das heißt: in seinem Selbstverständnis – realpräsent: Weil der Glaubende sich durch Christi Person definiert: „Ich bin [wie] Christus“ (oben 3.7.).
4.3.3. Realpräsenz Die eben gebrauchte Wendung „indem er Brot und Wein ergreift“ nimmt zunächst einmal die entsprechende Wendung des Heidelberger Katechismus (Heidelberger Katechismus, Frage 79) auf und trägt dem Anliegen der reformierten Tradition Rechnung – denn: Die Realpräsenz Christi ist die Gegenwart im Selbstverständnis des Glaubenden, der sich als Christus weiß und durch ihn definiert. Dieser Gegenwart im Selbstverständnis des Glaubens dient das Abendmahl, auf sie zielt es ab – in der Terminologie der Tradition ist Christus in der Weise gegenwärtig, dass er eine Einheit mit dem Glaubenden eingeht (unio mystica cum Christo / „mystische Einheit mit Christus“, so die lutherischen Dogmatiker des 17. Jahrhunderts; etwa Hollaz, Examen p. III cap. 9) – freilich so, dass diese Einheit und Einwohnung Christi keine gegenständliche Anwesenheit im Glaubenden ist, sondern im Sich-Verstehen aus dem anderen her besteht (oben 3.7.): Sie ereignet sich, indem der Christ sich als gerecht weiß, weil Christus gerecht ist, und den Tod Christi als seinen Tod weiß. In dieser (und keiner anderen) Weise ist Christus im Glauben gegenwärtig. In den Zuspruch der fremden Identität, die sich genauso gut im Wort (2Kor 5,14–21) und in der Taufe (Röm 6,2–11) ereignet, ist im Falle des Abendmahls Brot und Wein aufgenommen, das dem Empfänger bekräftigend gegeben wird. Der Empfänger, in dem
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dieser Glaube entsteht, hat mit Brot und Wein die gewiss machende Zusage erfahren, die Ursprung seines Selbstverständnisses und in diesem Sinne der Gegenwart Christi in ihm wird. Brot und Wein sind ihm der Ursprung eines neuen Selbstverständnisses und damit Medium der Gegenwart Christi geworden. Die Rede von der Realpräsenz Christi trägt diesem medialen Charakter von Brot und Wein Rechnung: Durch sie entsteht im Kontext des Identität stiftenden Mahls die Gegenwart Christi im Glaubenden: Wo er es mit Brot und Wein zu tun hat, darf er dessen gewiss sein, dass sich ihm Christus zuspricht und damit in ihm gegenwärtig wird. Die Identifikation des Brotes und des Weins mit der Person und dem Werk – dem Todesgeschick – Jesu fasst diese Erfahrung der Vergegenwärtigung Christi im Glaubenden durch das Mahl zusammen. Die Identifikation wird also zunächst aus der Perspektive dessen vollzogen, in dem durch das Abendmahl die Gewissheit der Einheit mit Christus im beschriebenen Sinne entsteht. Die „Realpräsenz Christi unter Brot und Wein“ ist nichts anderes als eine Beschreibung der Erfahrung, die der Glaubende im Empfang der Elemente macht: Dass er mit der Gabe von Brot und Wein dessen gewiss wird, dass das Leben und Sterben Christi sein eigen ist, dass in diesem Sinne Christus sich ihm schenkt und in seinem Glauben gegenwärtig ist. Der Glaubende, der auf diese Zusage hin das Leben und den Tod Jesu als sein eigenes weiß, identifiziert die von ihm als Medien seiner Gewissheit erfahrenen Elemente mit dem, was er durch sie erfährt: Realpräsent ist ihm Christus unter Brot und Wein, da er, indem er Brot und Wein nimmt, Christus sich zugesprochen und sich mit ihm eins weiß. Weil er durch Brot und Wein dessen gewiss wird, dass Christus sich und seinen Tod ihm als Grund seiner Identität schenkt, identifiziert er Brot und Wein als den Leib und das Blut Christi.
4.3.4. Manducatio impiorum / Das Essen (des Leibes Christi) durch die Gottlosen Streng genommen setzt die Feststellung, dass unter Brot und Wein Christus bzw. sein Leben und Sterben gegenwärtig ist in dem Sinne, dass er durch diese Medien dem Menschen zugesprochen wird, die
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Perspektive des Glaubenden voraus; es handelt sich um eine Erfahrung und eine Aussage, die ausschließlich der Glaubende machen kann. Die Erfahrung einer durch Brot und Wein bzw. durch das begleitende Wort ausgelösten Wandlung seines Selbstverständnisses spricht der Glaubende in der Behauptung aus, dass er mit Brot und Wein Christus, sein Leiden und Sterben, sich zugeeignet weiß; in diesem Sinne sagt er, dass Christus ihm mit und somit unter Brot und Wein gegenwärtig ist. Der Nachvollzug der Lehre von der Realpräsenz würde – in den traditionellen Kategorien gesprochen – auf der Ebene einer manducatio fidelium, der Feststellung, dass nur die Glaubenden unter Brot und Wein den Leib und das Blut Christi empfangen, stehenbleiben: Denn diese Einheit mit Christus erfährt nur der Glaubende, und nur er spricht sie aus. Freilich: Dass sich in der Identifikation des Brotes und des Weins mit der Person und dem Werk Christi der Glaube ausspricht, weil er sich durch Brot und Wein der Einheit mit Christus bewusst wird, ist eine Feststellung, die dem Glaubenden selbst im Vollzug des Mahls nicht zugänglich ist. Der Glaubende erfährt durch Brot und Wein die individuierende Selbstgabe Christi und kann den Vorgang der Neubestimmung seiner Identität, dem er sich ausgesetzt sieht, nur so beschreiben, dass ihm voraus und unabhängig von ihm mit Brot und Wein der schenkende Herr sich vergegenwärtigt, sich ihm schenkt und ihm so gegenwärtig ist. Der Glaubende ist nicht fähig, sein Selbstverständnis und seinen in dem Zuspruch begründeten, Christus ergreifenden Glauben („Ich bin dieser Christus“, 3.7.) als Grund dessen zu erfassen, dass Brot und Wein mehr ist als es selbst. Erst wenn er aus dem Vollzug heraustritt und diesen reflektiert, wird er seiner selbst als Voraussetzung ansichtig. Der Glaubende weiß sich und sein Selbstverständnis begründet in der Zusage, setzt also, indem er glaubt, diese Wirklichkeit „sich voraus“. Das lutherische Beharren auf der manducatio impiorum, auf der Feststellung, dass auch die Gottlosen Christus empfangen, trägt dem Rechnung: Diese Wendung besagt, dass dem Glauben voraus und unabhängig von ihm unter Brot und Wein Christus gegenwärtig ist und sich schenkt (so dass auch der Nichtglaubende ihn empfängt). Diese Feststellung ist der genuine Ausdruck des Glaubens, für den (und in diesem Sinne: durch den) Brot und Wein
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mehr sind als sie selbst. Nur der Glaube erfährt Brot und Wein als Ort der Selbstmitteilung des Leibes und Blutes Christi. Aber dieser Glaube kann die Realpräsenz unter den Gestalten nur als unabhängig von ihm selbst und ihm voraus bestehend betrachten, weil er sich in seinem Selbstverständnis von diesem Zuspruch abhängig weiß.
5. Was ist das Abendmahl? Fasst man die Entfaltung wieder zusammen, so lässt sich feststellen: Im Zentrum des Abendmahls steht ein Zuspruchgeschehen, das zu kontrafaktischen, dem Wahrnehmbaren widersprechenden Identifikationen führt: Die Gemeinde wird identifiziert mit den Jüngern Jesu, d.h. mit denen, die zu Jesus von Nazareth gehören und ihn verraten bzw. verlassen. Ein Gemeinschaft stiftendes Mahl wird gefeiert, das von der Gemeinde wiederholt werden soll – damit erfährt die Gemeinde die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit dem Verratenen. In diesem Mahl wird Brot und Wein gegeben und damit der Tod des Gottlosen, den Christus stirbt, der Gemeinde zugeeignet: Der fremde Tod Jesu, den er, der Sündlose, allein und für die Gottlosen gestorben ist, wird der Gemeinde zu eigen – mit dem Ziel, dass diese Gemeinde sich als eins mit Christus und als „tot für die Sünde“ (Röm 6,11) weiß und so entsprechend dem Zuspruch neu versteht. Dies ist die Realpräsenz Christi im Glauben. Der Glaubende, dem dieser Zuspruch der Identität Christi und die kontrafaktische Neubestimmung seiner Existenz („Ich bin wie Christus“) aufgeht, erfasst die Bedeutung von Brot und Wein als Medien dieser Selbstgabe Christi: Durch sie schenkt sich ihm Christus, und durch sie entsteht in ihm die Gewissheit, dass Christi Leben ihm gehört. In diesem Sinne identifiziert er Brot und Wein mit dem, was er durch sie zu erhalten gewiss ist, und versteht so die Worte über Brot und Wein als Ansage, dass das, was er erfährt, ihm mit Gewissheit zugeeignet wird. Und weil es dem Glauben eigentümlich ist, dass er sich in der Zusage und außerhalb seiner selbst begründet weiß und gewiss ist, spricht er davon, dass ihm voraus und als Grund des Glaubens, damit unabhängig von ihm das Le-
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ben Christi, das er durch Brot und Wein empfängt, unter Brot und Wein gegenwärtig ist.
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Von der „Speise der Seelen“ Bevor eine praktisch-theologische Beschäftigung mit dem Abendmahl einsetzen kann, ist grundsätzlich festzustellen: Theologie ist immer ein Nach-Denken über das göttliche Tun und über die daraus resultierende menschliche Praxis. Das Nachdenken beschäftigt sich in diesem Fall mit dem von Christus gestifteten Abendmahl und mit den liturgischen Gestalten, in denen das Mahl in der gemeindlichen Praxis begegnet. Liturgie wiederum ist gelebte Theologie und verändert sich im Gefolge der Änderungen im theologischen Denken (allerdings ist gerade in liturgischen Fragen oft ein gewisses Beharrungsvermögen der Gemeinden zu erkennen). Das gilt auch für die Abendmahlspraxis, die ein besonderes Moment innerhalb der Liturgie ist, genauer: in den Liturgien, die in den Kirchen in je spezifischer Weise gefeiert werden. Dieses Ineinander von Liturgie und Theologie ist vor jeder theoretischen Auseinandersetzung zu bedenken, und es ist bei jedem praktisch-theologischen Bemühen im Blick zu behalten, damit Theorie und Praxis sich nicht zu weit voneinander entfernen, damit die Praxis von der Theorie profitieren kann und schließlich auch, damit die Theorie in der Praxis keine unerwünschten Nebenwirkungen zur Folge hat.
1. Methodische Vorbemerkung Die Praktische Theologie bietet sehr verschiedene, ihren Teildisziplinen zuzuordnende, Perspektiven auf das eine Abendmahl:
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Praktische Theologie
– Es kann oikodomisch betrachtet werden, also aus dem Blickwinkel des Gemeindeaufbaus; dann stellt sich die Frage, ob „einladend“ gefeiert werden soll, mit einer missionarischen Dimension, und darum offen für alle, die kommen wollen, oder ob das Mahl vorrangig die Gemeinde stärken soll, damit also exklusiv zu feiern ist innerhalb der konkreten Ortsgemeinde, in der Gemeinschaft der Getauften. – Es kann kybernetisch betrachtet werden, also aus dem Blickwinkel des kirchenleitenden Handelns; dabei ist das Kirchenrecht von Interesse, die rechtlichen Regelungen der Teilnahme in Kirchengesetzen und Verfassungen der Landeskirchen. Doch auch die Frage der Kirchenzucht ist hier zu bedenken, d.h. die Frage eines möglichen Ausschlusses eines Gemeindegliedes vom Mahl wegen eines offenbaren Fehlverhaltens. So konnten in der Vergangenheit nicht nur Abweichungen in Fragen des Glaubens, sondern auch Abweichungen in Fragen der Sexualmoral oder Straftatbestände sanktioniert werden; heute wird von dieser Möglichkeit außer in einigen Freikirchen m.W. nur noch selten Gebrauch gemacht. – Das Abendmahl kann aus der Perspektive der Seelsorge betrachtet werden, poimenisch, aus dem Blickwinkel der Teilnehmenden. Dann sind alle Fragen von Interesse, die mit Sorgen oder Gewissensnöten der Gemeinde zusammenhängen, z.B. der Umgang mit Alkoholkranken (Wein oder Saft), oder die Konflikte von Eltern, die nicht wissen, ob ihre getauften Kinder beim Abendmahl willkommen sind. – Es kann semiotisch betrachtet werden, als eine bewusst komponierte Zeichenhandlung, eine Theaterinszenierung oder eine Performance, in der die einzelnen Handlungselemente je für sich und in der vorliegenden Kombination eine Aussageabsicht haben, die von den Gestaltenden zu bestimmen und umzusetzen, von den Rezipienten zu entschlüsseln ist. – Es kann auch rezeptionsästhetisch betrachtet werden, aus der Perspektive der Feiernden, im Blick auf ihr Erleben und ihre Bedürfnisse – gern unter Hinweis darauf, dass schließlich die Gemeinde das Subjekt des Abendmahls sei; in diesem Zusammenhang wird häufig die Beachtung der geschlechterspezifischen Rezeption angemahnt, die Gender-Perspektive, wegen der körper-
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lichen Erfahrungsdimension und der Schwierigkeiten, die insbesondere Frauen mit der Opfertheologie hätten. – Die Perspektive der Spiritualität ist von Bedeutung, insofern als das Abendmahl in allen Kirchen eine besondere Rolle für die Glaubensgestaltung und die Glaubensgewissheit des einzelnen Christen spielt, wenngleich konfessionell unterschieden. – Damit zusammenhängend ist auch die ökumenische Perspektive zu bedenken, denn gerade am Abendmahl sind theologische Unterschiede ablesbar, die häufig zu Konflikten führen, in privater (z.B. bei Ehepaaren unterschiedlicher Konfession) wie öffentlicher Praxis (z.B. bei ökumenischen Feiern auf Gemeindeebene, ganz zu schweigen von ökumenischen Kirchentagen). – Um diese Differenzen verstehen zu können, ist die liturgie geschichtliche Perspektive wichtig, die versucht, die unterschiedlichen Gestalten des Abendmahles in ihrer Herkunft zu begreifen. – Und um auf dieser Grundlage zu Urteilskriterien zu gelangen, ist die vorfindliche Praxis liturgietheologisch zu bedenken, denn jede gottesdienstliche, liturgische Gestalt ist gelebte Theologie, die sich vor der Bibel und der Tradition zu verantworten hat. – Zunächst aber sollte das Abendmahl phänomenologisch betrachtet werden, im Hinblick auf das, was tatsächlich wahrzunehmen ist – eine Perspektive, die das Material für alle weiteren Betrachtungsweisen zusammenzustellen hilft. Etliche der Teildisziplinen der Praktischen Theologie bieten also Perspektiven auf das eine Abendmahl, die helfen können, die Abendmahlspraxis der Kirche angemessen zu beschreiben, sie zu verstehen und in ihrem Vollzug zu würdigen, sie theologisch ebenso wie anthropologisch zu reflektieren und gegebenenfalls zu kritisieren und zu erneuern. Sinnvollerweise sollten die Perspektiven im Umgang mit konkreten Fragen ineinandergreifen, eine Zuspitzung auf eine einzelne Blickrichtung wäre eine Engführung, durch die andere wesentliche Momente vernachlässigt würden. Allerdings ist die Rede von dem einen Abendmahl, selbst in den Kirchen der Reformation, missverständlich.
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2. Das eine Abendmahl und seine vielen Gestalten Wer die Möglichkeit hätte, an einem beliebigen Sonntag den Abendmahlsgottesdienst in verschiedenen lutherischen oder unierten Kirchen zu besuchen, ganz zu schweigen von Gottesdiensten in reformierten oder freikirchlichen Gemeinden, könnte durchaus den Eindruck gewinnen, bei verschiedenen Konfessionen Gast an dem einen Tisch des Herrn zu sein, so unterschiedlich sind die Liturgien, die bei protestantischen Mahlfeiern Verwendung finden. Drei Szenen aus lutherischen Gottesdiensten – dem mir vertrautesten kirchlichen Raum – sollen das vor Augen führen.
2.1. Die erste Szene: Ein traditionelles lutherisches Abendmahl Der Gottesdienst wird entsprechend dem Ordinarium der Agende I, Form A gefeiert (Agende I: 50*–83*), er folgt also der Form von Luthers Deutscher Messe. Auf Rüstgebet und offene Schuld mit abschließendem Vergebungszuspruch folgen Introituspsalm, Kyrie, Gloria und Kollektengebet (Kollekte, weil das Gebet thematisch die vorhergehenden Stücke sammelt, d.h. bündelt), Epistel mit Halleluja und Wochenlied, Evangelium, Credo und Predigt. Nach Abkündigungen, Dankopfer und allgemeinem Kirchengebet (Fürbitten) erfolgt eine Abendmahlsvermahnung unter Einbeziehung von 1Kor 11,27–29; dann erhebt sich die Gemeinde zur Präfation (das feierliche Gebet vor den Einsetzungsworten, den Verba Testa menti), die der Pfarrer singt. Auf das Sanctus (das „Dreimal Heilig“) und das vom Pfarrer gesungene Vaterunser folgt die eigentliche Einsetzung, die Einsetzungsworte werden wiederum gesungen, wie zuvor bleibt der Liturg zum Altar gewandt. Während die ersten Gemeindeglieder in gesammeltem Ernst zum Altar treten und kniend das Sakrament empfangen, wobei einige Hostie und Kelch in die Hände nehmen, während andere sie direkt mit dem Mund empfangen (Mundkommunion), singt die Gemeinde das Agnus Dei („Christe, du Lamm Gottes“, EG 190.2). Während der Austeilung sagt der Pfarrer: „Nehmet hin und esset: das ist der wahre Leib
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unsers Herrn Jesu Christi, für euch dahingegeben in den Tod. Das stärke und bewahre euch im Glauben zum ewigen Leben.“ Und: „Nehmet hin und trinket: das ist das wahre Blut des neuen Testa ments, für euch vergossen zur Vergebung der Sünden. Das stärke und bewahre euch im Glauben zum ewigen Leben.“ Während die Teilnehmer an der Mahlfeier, die Kommunikanten, kniend auf die Gaben des Mahles warten, beten sie, der Agende zufolge, in der Stille: „Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehest, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Ich will das Himmelsbrot nehmen und den Namen des Herrn anrufen.“ Und: „Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er an mir tut? Ich will den Kelch des Heils nehmen und den Namen des Herrn anrufen.“ Nach der Entlassung beten sie in der Stille an ihrem Platz. Es folgen Schlusskollekte (wiederum ein bündelndes Gebet), Benedicamus (gesungener Dank) und der gesungene aaronitische Segen. Der Gottesdienst – in genau dieser Gestalt nur noch selten anzutreffen – schließt mit dem Orgelnachspiel.
2.2. Die zweite Szene: Abendmahl in gestalteter Freiheit Auf die frei formulierte Begrüßung, die mit dem trinitarischen Votum schließt („Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“), lässt die Prädikantin ein entfaltetes Kyrie folgen, das die Themen des konziliaren Prozesses, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, zum Inhalt hat. Damit macht sie von den Möglichkeiten Gebrauch, zu denen das Evangelische Gottes dienstbuch ausdrücklich ermutigt (EGb 2000: 38). Ein längeres Tagesgebet versucht die Anliegen gebündelt aufzunehmen. Auf den Predigttext antwortet die Gemeinde mit einem Credolied aus dem Regionalteil für Bayern und Thüringen: „Ich glaube, Gott ist Herr der Welt“ (EG 704). Auf die Predigt folgen unmittelbar das Dankopfer, die Sammlung von Spenden in der Kollekte und die Gabenbereitung, ein gemeinsames Decken des Tisches des Herrn mit einer Gabenprozession, der sich die ganze Gemeinde anschließt, mit Kerzen, Blumen und dem Abendmahlsgerät, dem großen Holzteller mit Fladenbrot und den Tonkelchen mit Wein und Traubensaft. Die Prädikantin, pro tempore und pro loco beauftragt (d.h. sie darf
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in dieser einen Gemeinde predigen und das Abendmahl feiern, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder bis auf Widerruf), spricht die Gabenbetrachtung: „Der Tisch ist errichtet. Er steht in unserer Mitte. Er ist festlich geschmückt und reich gedeckt: Brot und Wein, Gaben des Lebens in Fülle. Jeder ist an diesem Tisch willkommen. Keiner ist ausgeschlossen. Keiner muss sich ausschließen. Das Brot des Lebens ist für alle da. Der Wein ist das Zeichen des Festes, zu dem alle zugelassen sind“ (Christiansen / Cornehl 1981: 105). Das Gabengebet ist formuliert in Anlehnung an Didache 9,4, es schließt mit „Wie aus den Körnern das Brot, aus den Trauben der Wein geworden ist, so mache aus uns eine Gemeinde, ein Zeichen des Friedens für diese Welt.“ Ein ausführlicher Lobpreis, der die Gaben des Schöpfers preist, geht über in die Erinnerung an die Entstehung des „Mahles des Friedens“ und die Einsetzungsworte. Als Sanctus folgt das „Gloria sei dir gesungen“ aus Philipp Nicolais Lied (EG 147.3), anschließend das gemeinsam gesprochene Vaterunser und der Friedensgruß, bei dem die Teilnehmer einander die Hände geben oder sich umarmen; darauf singen sie das Agnus Dei. Dann reichen die Teilnehmer in dem großen Kreis den Teller mit Brot und die Kelche mit Saft (links) und Wein (rechts) einander weiter mit den Worten: „Nimm und iss vom Brot des Lebens, nimm und trink vom Kelch des Heils.“ Bei den Kindern, die gemäß dem Kirchenvorstandsbeschluss dabei sind, helfen die Erwachsenen. Anschließend fassen sich alle an den Händen und werden mit einem Jesuswort entlassen. Die Prädikantin schließt mit Dank- und Fürbittgebet sowie erweitertem Segen.
2.3. Die dritte Szene: Hochkirchliche und ökumenische Einflüsse Der Gottesdienst beginnt mit einem großen Einzug der Pfarrerin und ihrer Assistenten während des vom Chor gesungenen Introituspsalms (vgl. Zeremoniale 2004: 28–36). Die Liturgin singt den Gruß, das Kyrie singen Liturgin und Assistenten gemeinsam, darauf stimmt die Liturgin das Gloria an und betet das Tagesgebet. Nun nimmt auch die Gemeinde wieder Platz. Die drei Lesungen werden von den Assistenten vorgetragen. Die Evangeliumslesung
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wird hervorgehoben, indem zwei Altarkerzen neben dem Lesenden gehalten werden. Die Predigt wird von einem Gebet beschlossen, es folgen Credo, das Glaubensbekenntnis der Gemeinde, Fürbitten und Dankopfer. Dann bereitet die Liturgin den Altar für die Mahlfeier vor und sie inzensiert (beräuchert) mit einem vom Assistenten gebrachten Weihrauchfass Altar, Kruzifix und Gaben. Das Abendmahlsgebet, in den unterschiedlichen Gebetshaltungen (Orantenhaltung, d.h. zu den Seiten hin nach oben geöffnete Hände; zusammengelegte bzw. über die Gaben ausgestreckte Hände) vollzogen, besteht aus Präfation, Sanctus, dem heilsgeschichtlich anamnetischen (erinnernden) Teil des Eucharistiegebets, der in die versus populum (zur Gemeinde hin gewandten) gesungenen Verba Testa menti übergeht, bei denen die Zelebrationshostie (eine größere, darum bei der Elevation, dem Emporheben besser sichtbare H ostie) eleviert und anschließend gebrochen wird. Auch der Kelch wird deutlich emporgehoben. Auf die Einsetzungsworte folgt wiederum ein eschatologischer Ausblick. Darauf antwortet die Gemeinde mit den Worten „Geheimnis des Glaubens“. Nun folgt die Epiklese (ein Bittgebet um das Kommen des Heiligen Geistes) mit der Bitte, dass der Geist die Gemeinde einen möge, wiederum mit starkem eschatologischen Akzent (EGb 2000: 643 f.), dann das Vaterunser, von allen gemeinsam gesprochen, der Friedensgruß, in den Bankreihen mit Händedruck weitergegeben, schließlich das Agnus Dei. Die Gemeinde empfängt in einer Wandelkommunion von der Liturgin und den Assistenten die Hostie („Christi Leib für dich gegeben“) und bekommt den Kelch gereicht („Christi Blut für dich vergossen“); einige vollziehen die Intinctio, das Eintauchen der Hostie in den Wein, andere nehmen den Kelch in die Hände und trinken. Die Kinder, die mit ihren Eltern an den Altar getreten sind, werden gesegnet. Anschließend spricht die Liturgin das Dankgebet, die Gemeinde antwortet mit „Großer Gott, wir loben dich“ (EG 331) und empfängt den Segen.
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2.4. Vergleichende Zusammenschau Obwohl es schwer zu glauben ist: Es handelt sich hier um drei Formen einer Feier, wenn auch in sehr unterschiedlicher Gestalt, und mit verschiedenen Schwerpunkten. Szene 1 legt viel Gewicht auf das Moment der Sündenvergebung, auch der Aspekt des Bekenntnismahls spielt eine Rolle. Szene 2 betont den Gemeinschaftsaspekt, akzentuiert aber auch die Schöpfungsdimension und die Anliegen des konziliaren Prozesses. Szene 3 beschreibt eine Eucharistiefeier mit eschatologischem Schwerpunkt in der Form eines Gedächtnismahls, bei dem die Feiernden in den lebendigen Vollzug hineingestellt werden, an den die Einsetzungsworte erinnern. Freilich werden die aufgenommenen Aspekte jeweils so gewichtet, dass die nicht betonten Dimensionen gar nicht enthalten zu sein scheinen – die Sündenvergebung spielt in Szene 2 keine, in 3 allenfalls eine untergeordnete Rolle, das Moment der Gemeinschaft findet sich in Szene 1 und 3 deutlich schwächer aufgenommen, etc. Drei lutherische Abendmahlsfeiern, alle im Sinne der Bekenntnisschriften „rite“, also korrekt, gültig, vollzogen, alle von der gültigen Agende her ebenso wie kirchenrechtlich möglich, von der sehr offenen Einladung in Szene 2 einmal abgesehen, da ja aus kirchenrechtlicher Perspektive die Abendmahlsteilnahme an die durch die Taufe erlangte Kirchenzugehörigkeit gebunden ist. Wie ist mit dieser Verschiedenheit umzugehen? Ist die Haltung eines „anything goes“ angemessen? Können theologische Kriterien formuliert werden, die die Präferenz der einen oder der anderen Form nahelegen, sei es auch nur im Sinne eines konfessionellen Profils? Muss gestritten werden um der Wahrheit willen? Noch einmal: Grundsätzlich sind alle hier dargestellten Szenen als gültige Formen der einen Feier anzusprechen. Die Verwurzelung dieser Formen in der jeweiligen gemeindlichen Frömmigkeit und die teilweise problematischen Folgen für die vor Ort selbstverständlich gelebte Spiritualität sind ein anderes Thema. Doch auch so gibt es Probleme genug. Nun ist das nichts Neues. Seit Jesus sich mit Menschen zur Feier eines gemeinsamen Mahles zusammengesetzt hat, hat es darüber Streit gegeben. Zu denken ist an die Kritik der Pharisäer wegen Jesu
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Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern (Mk 2,16 parr). Zwischen den synoptischen Evangelien und dem Evangelisten Johannes ist die Frage der Datierung des Letzten Mahles nicht geklärt. Bei Markus und Paulus finden sich verschiedene Akzente, was das Verhältnis von Mahlfeier und Sättigungsmahl angeht. Mit der korinthischen Gemeinde muss Paulus die Auseinandersetzung um die rechte Praxis der gemeindlichen Feier führen. An die großen Abendmahlsstreitigkeiten im Verlauf der Kirchengeschichte, in der Alten Kirche, im Mittelalter oder in der Reformationszeit, sei nur pauschal erinnert. Deutlich ist: Streit um das Abendmahl scheint zur Abendmahls praxis zu gehören, und bei näherer Betrachtung ist das auch verständlich. Denn schließlich geht es hier für viele Menschen um die Heilsgewissheit, die durch die Teilnahme am Mahl – das verkündigende Wort unterstützend – vermittelt wird und die darum nicht durch möglicherweise nicht stiftungsgemäße, damit falsche Worte, Gesten oder Materialien in Gefahr gebracht werden soll.
3. Aktuelle Streitfragen Es gibt bei näherem Hinsehen kaum einen Aspekt des Mahles, der nicht strittig ist – oder der es nicht in Gemeinden, Synoden, Konventen oder theologischen Fakultäten ganz schnell werden kann. Wenigstens zwölf größere Fragenkomplexe sind zu nennen.
3.1. Wer darf das Mahl einsetzen? Müssen es ordinierte Pfarrerinnen und Pfarrer sein, unter welchen Bedingungen dürfen es andere Beauftragte, von wem müssen sie beauftragt werden? Wie sind ihre Pflichten und Rechte zu definieren und wie zu begrenzen? Die Kirchenämter entscheiden diese Fragen gegenwärtig den jeweiligen gemeindlichen Erfordernissen entsprechend, doch eine grundsätzliche Klärung muss anderes bedenken: Welche Folgen resultieren daraus, für die jeweiligen Beauftragten, für die Ökumene (obwohl das angesichts der Haltung der katholischen und orthodoxen Christen gegenüber der
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protestantischen Ordination kaum ins Gewicht fallen dürfte)? Und selbst wenn es kirchenrechtlich nicht mehr strittig ist, wer entscheidet, wer eine solche Beauftragung empfangen darf und wem sie zu verweigern ist? Wie steht es mit dem theologischen Urteil in dieser Frage? Wer ist zu einem solchen theologischen, einem geistlichen Urteil befähigt? Und hat im Zweifel der Gedanke des Priestertums aller Getauften das höhere Gewicht als das Ordnungsargument in den Bekenntnisschriften (Confessio Augustana 14, BSLK 1998: 69), so dass im Bedarfsfall jedes Gemeindeglied das Abendmahl einsetzen dürfte?
3.2. Wer darf das Mahl empfangen? Wer kann zugelassen werden zum Abendmahl? Wem ist es gegebenenfalls zu verweigern – und wenn: durch wen, mit welchem Argument? Ist die Beichte Voraussetzung? Sind Kinder eingeladen, sind es Ausgetretene, sind es sogar Ungetaufte? Wenn das Sakrament bei dem, der es gläubig und als Getaufter empfängt, zum Heil wirkt, was passiert mit den Ungetauften, die das Mahl empfangen? Was ist bei ihnen die Gabe des Mahls? Und wenn jemand vom Tisch des Herrn ausgeschlossen wird, aus welchen Motiven heraus darf dies dann geschehen: Geht es um den Schutz der Kommunizierenden vor möglichen negativen Folgen durch „unwürdigen“ Empfang (1Kor 11,27–29) oder um den Schutz des Heiligen vor der Annäherung durch Menschen, die es nicht ernst nehmen und damit „entweihen“? Wird seelsorglich argumentiert, mit der Verantwortung für die Gewissen der anderen, mit der Ordnung in den Gemeinden? Und ist uns hinlänglich bewusst, dass in jedem Fall die Prüfung der Zulassung keine formaljuristische oder allein kirchenrechtliche, sondern vor allem eine geistliche Aufgabe ist, der die Prüfenden geistlich gewachsen sein müssen?
3.3. Wie ist die Liturgie der Mahlfeier zu gestalten? Ist die von Luther überlieferte Kurzform zu verwenden, an der die Liturgiewissenschaftler mit guten Gründen Kritik geübt haben, weil sie – im Bestreben, den Opfergedanken zu tilgen – vieles We-
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sentliche gestrichen hat, ohne für einen Ersatz zu sorgen? Ist die Liturgie wieder reicher zu gestalten unter Rückgriff auf die Tradition anderer Kirchen, die auf ihre theologische Verträglichkeit mit den reformatorischen Grundsätzen im Einzelfall dann freilich zu überprüfen ist? Wie viel Eucharistiegebet ist wünschenswert oder zumutbar und wie viel und welche Epiklese? Oder ist die liturgische Form beliebig, solange jedenfalls die Einsetzungsworte vorkommen?
3.4. Wie ist mit den Texten im konkreten Vollzug umzugehen? Ist die Liturgie zu singen oder zu sprechen? Welche Argumente sprechen, von der möglicherweise fehlenden Musikalität des Liturgen einmal abgesehen, für das eine oder das andere? Was ist überhaupt das Anliegen hinter dieser Fragestellung, die bessere Verständlichkeit, die größere Feierlichkeit, die größere Objektivität? Welchen Rang haben die liturgischen Texte? Sind sie als Vorschläge anzusehen, an denen „gebastelt“ werden darf oder sind sie verbindlich? Gibt es hier zwischen den verschiedenen Texten Unterschiede? Darf der Wortlaut der Verba Testamenti gegenüber den eingeführten Agenden verändert werden, wie es etwa das Formular für das Feierabendmahl des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2009 vorsieht? (So heißt es im Kelchwort: „Der neue Bund durch mein Blut ist mit diesem Becher da“; Materialheft 2009: 26).
3.5. Welche Gestalt dürfen die Elemente haben? Hier handelt es sich um die seit Jahrzehnten diskutierte Frage „Wein oder Saft?“. Was ist mit den Alkoholkranken, was ist, bei Zulassung der Kinder, mit den Kindern? Außerdem: Wer besonders nachdrücklich für Wein plädiert unter Hinweis auf die Tradition, sollte auch das Brot einer Betrachtung unterziehen. Denn Jesus brach das Brot, er knackte keine Hostie. Also die zweite Frage „Brot oder Hostien?“ – und was ist dann mit den Allergikern mit
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Glutenunverträglichkeit? Wie ist es in Notzeiten, in denen weder Wein noch Brot zur Verfügung stehen, darf dann auch anderes an die Stelle der biblisch genannten Elemente treten? Oder ist auf das Mahl zu verzichten?
3.6. Welches Gerät ist angemessen? Und welcher Gebrauch dieses Geräts? Muss es ein Gemeinschaftskelch sein, aus dem alle trinken? Soll dieser Kelch zwischendurch gereinigt werden? Und wie? (Ein trockenes Tuch ist wenig effektiv.) Oder ist der Gemeinschaftskelch generell oder nach Wunsch in der Weise der Intinctio zu nutzen? Sind einer solchen Praxis Einzelkelche vorzuziehen, wobei das Gemeinschaftliche dann durch einen Gießkelch verdeutlicht wird, aus dem sie alle gefüllt werden? Und sind diese Einzelkelche sofort nach Empfang zu leeren, oder sollen alle gemeinsam und gleichzeitig trinken? Oder empfiehlt sich angesichts der diversen Sorgen gleich eine Kommunion sub una, d.h. nur in Gestalt der Hostie?
3.7. Welche Spendeformel ist angemessen? Muss es heißen „Christi Leib für dich gegeben“, oder kann man auch sagen: „Nimm und iss vom Brot des Lebens“? Spielen die Wünsche der Abendmahlsteilnehmer und -teilnehmerinnen bei der Auswahl der Worte eine Rolle, ihr mögliches Unbehagen, das von Jesus jedenfalls zurückgewiesen wurde (Joh 6,52–54)? Ist auf alle Hinweise auf Christi Tod pro nobis, auf das Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes zu verzichten, sofern diese nicht mehr mehrheitsfähig sind und die Gemeindeglieder vielleicht sogar an der Teilnahme am Mahl hindern?
3.8. Welche liturgischen Gesten sind zu vollziehen? Was bedeuten sie, vor allem das Kreuzeszeichen über den Elementen, wie es die lutherische Liturgie vorsieht? Geschieht dabei etwas, oder ist es eine explikatorische Geste? Welche Ausrichtung des Liturgen ist während der Abendmahlsliturgie korrekt – zum Altar
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hin oder zur Gemeinde gewandt? Welche Handhaltung ist korrekt? Ist das Kreuz nur über dem Kelch zu zeichnen, den die Liturgin in der Hand hat, oder auch über den Kelchen, die noch auf dem Altar stehen? Sind Kelch und Hostie während des Sprechens der Einsetzungsworte zu erheben? Und soll die Hostie gebrochen werden – eingedenk einer beiläufigen Stellungnahme Luthers gegen diesen Brauch – und dies womöglich noch vor dem Mikrophon, damit das Knacken durch die Kirche hallt?
3.9. In welcher Weise wird ausgeteilt? Sollen die Gäste am Tisch des Herrn zum Empfang des Sakraments knien – eine Gestaltung, die die Sündenvergebung betont? Soll die Gemeinde in Wandelkommunion an den Austeilenden vorbeiziehen – eine Gestaltung, die die Einladung an den Tisch des Herrn erlebbar werden lässt? Soll sie in einem großen Kreis stehen und die Elemente gereicht bekommen oder einander reichen – eine Form, bei der das Gewicht auf der Gemeinschaft liegt? Soll sie, wie bei den Herrnhutern und in manchen Freikirchen, in den Bänken sitzen, oder an Tischen – die Gemeinde um den Tisch des Herrn versammelt? Wer wäre bei dieser Form für die Zulassung bzw. vor allem die Nicht-Zulassung zuständig?
3.10. Wie ist mit übriggebliebenen Elementen umzugehen? Die reformatorische Lehre der Lutheraner geht von einer Realpräsenz, einer Gegenwart Christi in den Elementen, nur während der Mahlfeier aus, nur intra usum, danach wäre der weitere Umgang jedenfalls ohne theologische Bedeutung. Welche Rolle spielt das Wissen um ökumenische Sensibilitäten? Und konkret: Wohin sollen die überzähligen Hostien, über denen die Einsetzungsworte gesprochen wurden, gelegt werden – in ein eigenes Gefäß zur Aufbewahrung für die nächste Kommunionfeier oder zurück in den Aufbewahrungsbehälter? Sollen sie aufgegessen oder für andere Mahlfeiern außerhalb der Sonntagsgottesdienste (eventuell in Gemeindekreisen oder beim Krankenabendmahl) verwendet werden? Oder brauchen evangelische Gemeinden ein Tabernakel, wie es die
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römisch-katholische Kirche kennt? Wohin gehört der übriggebliebene Wein oder der Saft? Ist er auszutrinken? Wird er in die Erde gegossen?
3.11. Wie häufig ist die Mahlfeier in einer Gemeinde anzubieten? Soll einmal jährlich gefeiert werden, viermal im Jahr, wie es nach 1945 vielerorts üblich war und wie es der viermal jährlichen Pflichtbeichte der Katholiken entsprach – wohl nicht zufällig, da es bei beiden Sakramenten den Gemeinden wesentlich um die Vergebung der Sünden ging? Ist das Mahl einmal monatlich anzubieten, vierzehntägig, wöchentlich, gar täglich (ganz abgesehen von der immer wieder aufkommenden Streitfrage, ob der Karfreitag gerade ohne oder gerade mit Abendmahl zu feiern sei)? Und woran hängt eine Entscheidung dieser Frage?
3.12. Welchen gottesdienstlichen Ort hat das Abendmahl? Wenigstens diese Frage ist inzwischen fast überall zugunsten einer Feier innerhalb des Gottesdienstes geklärt; das Abendmahl „im Anschluss“ wird kaum mehr gefeiert, und das mit gutem Grund. Zum einen ist es eine liturgische Unart, die Gemeinde erst mit dem Segen zu entlassen, um sie dann erneut einzuladen. Zum anderen ist es theologisch bedenklich, denn diese Praxis geht auf ein individualistisches Heilsverständnis zurück, das den Aspekt der Gemeinde vernachlässigt – gegen die Intention der biblischen Zeugnisse.
4. Antwortversuche Am Abendmahl kann also so ziemlich alles strittig werden, zumal unter Theologen, doch sobald eine Änderung der bisherigen Praxis vorgenommen wird, ebenso unter Gemeindegliedern. Die Argumente, die dabei zum Vortrag kommen, entstammen in aller Regel
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einer Gemengelage; sie haben oft mit eigenen Gewohnheiten und mit Gefühlen gottesdienstlicher Beheimatung zu tun, oft mit den nicht immer bewussten Bedürfnissen der eigenen Frömmigkeit, gelegentlich mit kirchenrechtlichen Regelungen und manchmal mit theologischen Überzeugungen. Die Streitpunkte können nun liturgiegeschichtlich bedacht werden, die Argumente können systematisch-theologisch gesichtet und gewichtet werden. Möglichkeiten können geklärt und Kriterien gesucht und mit etwas Glück gefunden werden. Man sollte sich nur davor hüten, von irgendeiner Quelle eindeutige und letztgültige, jede Streitfrage entscheidende Antworten bekommen zu wollen. Die biblischen Schriften brauchen ebenso wie die kirchlichen Bekenntnisschriften je eine neue Auslegung in die gegebene Situation hinein. Jedes gegenwartsbezogene Bekennen (und nur ein solches ist sinnvoll) ist von sich aus dafür offen. Eindeutig herleitbar ist damit keine Form. Fünf Fragen, die sich aus der eben zusammengestellten Liste ergeben, möchte ich nun im Sinne einer Praktischen Theologie im Vollzug etwas genauer betrachten, wegen ihrer Tragweite und weil an ihnen exemplarisch deutlich werden kann, worum es bei den zahlreichen Konflikten eigentlich geht. – Ist die Mahlfeier in ihrer Substanz als Mysterienfeier zu verstehen oder als ein messianisches Mahl? – Worin besteht die Gabe des Abendmahles? – Welche Dimensionen hat das Abendmahl? – Welche dieser Dimensionen sind bei seiner Feier zu berücksichtigen? – Wer ist geladener Gast am Tisch des Herrn?
4.1. Mysterienfeier oder messianisches Mahl Das Abendmahl hat viele Namen, die, je nach Gebrauch, bestimmte Bedeutungsnuancen betonen und darum selbst wieder zum Gegenstand von Auseinandersetzungen werden können, zumal, wenn der Name als Beleg für „die“ ursprüngliche Ausrichtung verstanden wird. Mit gleichermaßen guten Gründen kann mit 1Kor 11,20 vom „Herrenmahl“ die Rede sein, von „Eucharistie“,
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zurückgehend auf die Rede vom Dankgebet, das Christus über den Elementen spricht (Mk 14,23 parr, aber ebenso z.B. Didache 9,1), vom „messianischen Mahl“ im Blick auf Jesu Mahlgemeinschaften, oder vom „Heiligen Abendmahl“, weil das Letzte Mahl am Abend gefeiert wurde und weil diese Mahlfeier im Laufe der Entwicklung der Kirche eine ganz besondere Bedeutung gewann. Die Rede vom „Heiligen Abendmahl“ kann sich in der evangelischen Kirche zudem auf Martin Luther berufen, der diese Bezeichnung besonders häufig verwendete. Neben diesen Namen ist noch eine Funktionsbezeichnung zu erwähnen: So wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass das christliche Abendmahl der Sache nach als eine „Mysterienfeier“ anzusprechen sei, in Analogie zu verschiedenen Kulten im Römischen Reich. Gleichgültig, welcher Name gebraucht wird: Das Mahl ist kaum auf eine bestimmte Wurzel zurückzuführen. Von Jesus selbst sind neben dem besonderen „letzten Mahl“ zahlreiche Mahlfeiern überliefert, die sich vor allem durch Offenheit gegenüber Außenseitern auszeichneten. Bereits im Matthäus-Evangelium kündigt sich eine Verengung der jesuanischen Praxis an, wenn im Gleichnis vom großen Gastmahl der unvorbereitete Gast von der Tafel entfernt wird (Mt 22,11–13). Dies zeigt, dass die Urgemeinde die jesuanische Freiheit nicht fortsetzen konnte. Ihre Umgebung war größtenteils feindlich, darum brauchte die Gemeinde Schutz und das Wissen, in ihren Zusammenkünften unter sich zu sein. Die Verkündigung der Präsenz des Heils erforderte Gemeindebindung und gemeinsames Bekenntnis, und vollends führte dann die Entwicklung der frühen Kirche weg von Jesu vorösterlichen Mahlgemeinschaften. Vor der Umwandlung des Christentums zur Staatsreligion in der nachkonstantinischen Zeit konnte das Verständnis der Mahlgemeinschaft als einer Mysterienfeier eine Frage des Überlebens sein. In der weiteren kirchengeschichtlichen Entwicklung konnte zwar von einem Geheimnis, das nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt sein durfte, nicht mehr die Rede sein. Doch blieb der Charakter der Mysterienfeier erhalten, weil das Sakrament an die kirchliche Hierarchie gebunden blieb, zur Sicherung seines rechten Verständnisses und zur Kontrolle der Rechtgläubigkeit der Teilnehmenden. Im Raum der Reformation wurden diese
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Momente später verbunden mit einer besonderen Gewichtung des paulinischen Ernstes (Paulus schärft in 1Kor 11,27–29 ein, dass sich schuldig mache, wer unwürdig das Mahl empfängt): Das rechte Verständnis war ebenso zu überprüfen wie das Gewissen. Dafür kam es zu einer Vernachlässigung von Lobpreis und Opfer, das in der Tradition immer mit einer Sammlung für die Armen verbunden war – damit also auch zu einer Vernachlässigung der sozialen Dimension. Schon dieser sehr geraffte Überblick macht plausibel, dass keine Gestalt kirchlicher Lehre besondere Dignität beanspruchen sollte, keine Gestalt ist einfach „die richtige“. Es ist also auch auf die Normen und Formbildungen der Kirchen das Verfahren der historisch-kritischen Exegese anzuwenden. Sofern im Blick auf die neutestamentlichen Zeugnisse von einem „Ursprung“ gesprochen werden kann, liegt dieser in einer Verbindung aus Agapemahl (die abendliche Mahlfeier der ersten christlichen Gemeinden, die mit einer Speisung der Armen verbunden war) und Eucharistie (die Feier des Sakraments, wie es der Einsetzung entspricht). Das Abendmahl weist somit ein Ineinander von sakramentalen und agapeisch-sozialen Zügen auf, ähnlich der Pessachfeier in der jüdischen Tradition. Dieses Ineinander ist gerade gegenüber Protestanten zu betonen, denn das Problem speziell der protestantischen Praxis könnte darin bestehen, die Texte so zu lesen, als sei eine Trennung zwischen diesen Zügen ohne Verlust für das Sakramentale möglich. Doch wer die Welt ausspart, verliert zuletzt auch das Sakrament, denn sakramentales Handeln ist immer ein Handeln in der Welt, das Auswirkungen auf die Welt hat und haben muss. Da nun der eine historische Ursprung des Abendmahles, wie es heute gefeiert wird, kaum eindeutig festzuschreiben ist, ist auch die Frage nach der einen, der „richtigen“ Gestalt der Abendmahlsfeier nicht letztgültig zu beantworten. Dennoch wird sie immer wieder diskutiert, häufig in Gestalt der – freilich irreführenden – Alternative zwischen „Mysterienfeier“ und „messianischem Mahl“. Deutlich ist, dass diese beiden Verständnisweisen in ihrer Reinform einander tatsächlich ausschließen, denn ein Mysterienmahl erfordert den Schutz des gefeierten Geheimnisses ebenso wie den Schutz der Feiernden und ihrer Gemeinschaft, damit aber zugleich
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die Reglementierung der Zulassung, es setzt die Bindung aller Beteiligten an ein bestimmtes Geheimnis (oder Bekenntnis) voraus. Das messianische Mahl ist dagegen davon geprägt, dass voraussetzungslos alle eingeladen sind, als Zeichen für das bereits geschehende Hereinbrechen des Gottesreiches mit seinem entschränkenden Heil. Angesichts dieser Alternativen ist die Frage, wer ein solches Mahl einsetzen und vor allem, wer es empfangen soll, eindeutig zu entscheiden: Bei einer Mysterienfeier darf nur ein Geweihter das Sakrament einsetzen und nur der Eingeweihte darf es empfangen; im messianischen Mahl feiert eine sich je neu findende Gemeinschaft coram Deo („vor Gott“), eine Gemeinschaft, die offen ist für alle, die kommen und daran teilhaben wollen. Von dem Ideal des messianischen Mahles her wurde im 20. Jahrhundert am Funktionswandel des Mahles zu einer Mysterienfeier immer wieder Kritik geübt. Einen in dieser Hinsicht besonders pointierten Beitrag hat 1969 der damalige Mitarbeiter des Genfer Weltkirchenrates Ernst Lange vorgelegt. Lange geht es vor allem darum, die Verheißung des Gottesreiches, die im messianischen Mahl enthalten und zeichenhaft gelebt worden sei, als Ermutigung zu Widerstand und Aufbruch in der gegenwärtigen Welt zu verstehen und fruchtbar zu machen: Vorösterlich seien Zöllner und Sünder in der Mahlgemeinschaft mit Jesus zu finden gewesen, am Letzten Mahl habe auch Judas teilgenommen. Erst nachösterlich habe die Gemeinde diejenigen ausgegrenzt, die nicht zu ihr gehörten, und sie habe das ihr Überlieferte in eine eucharistische Myste rienfeier umgewandelt – noch Paulus habe in der korinthischen Korrespondenz gegen einen solchen Wandel gekämpft. Aus ihm resultiere die unglückliche Spaltung der Glaubenden in Priester und Laien, der Wortgottesdienst werde zu einer bloß vorbereitenden Feier für Katechumenen (Taufbewerber). Die Einheit von Welt und Heiligem sei preisgegeben, die Vorstellung von der Notwendigkeit einer feiernden Vergegenwärtigung Christi bedeute gleichzeitig seine Abwesenheit im Alltag. Und vor allem stelle sich mit der Ausbildung einer Mysterienfeier das Problem der Zulassung bzw. des Ausschlusses der Nicht-Eingeweihten (Lange 2002: 351–353). So plausibel Langes Überlegungen sind, sie übergehen erstens die Tatsache, dass etliche der Inhalte der Mahlfeier, die für Jesus
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lebendige Realität waren, durchaus den Charakter eines Myste riums, eines Geheimnisses, haben. Wenn wir feiern, dass das Gottesreich in dieser Welt angebrochen ist, wenn wir damit zugleich die Gemeinschaft mit den himmlischen Mächten feiern, so sind diese eschatologischen Inhalte der Mahlfeier für die in dieser Welt lebenden und auf dieser Welt feiernden Menschen in sich selbst Geheimnis. Zweitens übergehen Langes Überlegungen, dass in den Mahlgemeinschaften nicht nur irgendein (und sei es ein vorbildlicher) Mensch das messianische Mahl feierte, sondern dass es Jesus Christus war, wahrer Mensch und wahrer Gott, dass es sich zuerst und zuletzt darum um ein messianisches Mahl handeln konnte und dass zudem die Gottheit Christi eben nicht rational erfassbar, sondern Geheimnis und als solches Gegenstand des Glaubens ist. Drittens ist gegen die vollständige Offenheit der Feiern in Entsprechung zum messianischen Mahl einzuwenden, dass das Abendmahl nachösterlich zugleich die Feier des neuen Bundes Gottes mit seinem Volk ist, in die es den Mitfeiernden aufnimmt (ob damit zugleich die Aufnahme in eine Unterabteilung dieses neuen Bundes gemeint sein muss, sei sie evangelisch oder katholisch, bleibe hier dahingestellt). Ungetaufte, die beim Abendmahl der Gemeinde Brot und Wein empfingen, vollzögen damit den zweiten Schritt des Eintritts, die Teilnahme am Bundesmahl, vor dem ersten, der Taufe, oder sie nähmen ohne wirkliche Grundlage an dieser Gemeinschaft teil, wenn auch kaum ohne Folgen. Denn auch Ungetaufte verhalten sich, wenn sie Gast bei Gottes Mahl mit seinem Volk sind, als Glieder des neuen Bundes. Dabei ist zum einen fraglich, ob ihnen das jeweils in letzter Konsequenz klar ist, ob sie wissen, dass sie sich mit der Teilnahme am Mahl zur Gemeinde Christi bekennen (nicht umsonst geschieht die Aufnahme Getaufter in die evangelische Kirche mittels der Abendmahlsteilnahme). Zum anderen kann auch die Frage gestellt werden, welche Konsequenz Gott daraus ziehen wird – diesem Urteil ist nicht vorzugreifen, doch ausweislich der biblischen Befunde (1Kor 11,27 und 29 in Verbindung mit der Gerichtsrede Jesu, z.B. Mt 5,21 f., 10,15–17, 23,33 u.ö.) könnte es sich dabei um die Verdammnis handeln. Wie ist also zu entscheiden? Erstens: Jesus hat mit seinen Mahlfeiern den Anbruch der Gottesherrschaft zugleich vorweggenom-
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men und gefeiert und vor allem die Sünder, die Kranken, die des Arztes bedürfen, dazu eingeladen (Mk 2,17). Dieses Moment ist zu bewahren. Zweitens: Die nachösterlichen Gemeinden haben Christi Gegenwart im Mahl gefeiert, da diese Gegenwart ihnen den neuen Bund mit Gott schenkte und Heil und Anteil am ewigen Leben zueignete. Auch hinter diese Einsicht dürfen wir nicht zurückfallen. Die Folgerung ist, dass theologisch nicht schroff zwischen den Alternativen „Mysterienfeier“ und „messianisches Mahl“ getrennt werden darf. Doch was heißt das für die Praxis? Wenn wir davon ausgehen, dass Gott selbst zum Mahl einlädt und so an den Kommunikanten wirkt, besteht zwar immer noch die Gefahr, dass Menschen am Mahl teilnehmen, die es nicht tun sollten, doch die Entscheidung über ihre Teilnahme oder NichtTeilnahme liegt zuletzt nicht bei denen, die zur Feier einladen. Grundsätzlich sollte ohne ein sicheres geistliches Urteil niemand, der kommt und am Mahl teilnehmen will, zurückgewiesen werden. Für die Praxis bedeutet das: Wenn ich die Person, die zum Mahl kommt, kenne und um ein Problem weiß, kann ich leise fragen, ob sie sich ihres Tuns bewusst und darin sicher ist (und bei Verneinung einen Segen spenden). In jedem Fall sollte ich im Anschluss ein Gespräch suchen. Ernst Bizer formulierte diese Einsicht vor Jahren so: „Weil das Bibelwort keine Einschränkungen macht, dürfen wir auch keine machen.“ (Bizer 1955: 8) Das setzt allerdings voraus, dass Gottesdienstbesuchern eine eigene Entscheidung über die Teilnahme am Mahl nicht nur zugebilligt, sondern auch ermöglicht wird, indem vor jeder Mahlfeier ganz klar benannt wird, welche Voraussetzungen, welche Implikationen und welche Folgen die Teilnahme am Mahl hat.
4.2. Die Gabe des Abendmahls Was schenkt das Abendmahl denen, die es feiern? Empfangen sie darin Christus? Empfangen sie Vergebungsgewissheit, Glaubensgewissheit, Bekräftigung des im Wort Zugesprochenen, ein leibliches, leibhaftiges Erfahren des Wortes? Oder ist das Mahl vielmehr ein Heilsereignis, das objektiv wirksam ist als Teilhabe an Christus, ist es „Medizin der Unsterblichkeit“, Leben und Seligkeit?
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Für die reformierte Position ist die Antwort leicht zu formulieren: Sakramente sind bestätigende, nicht wirkende Gnadenmittel, sie versichern, und insofern versiegeln sie bzw. sind sie Pfänder (vgl. Calvin, Institutio IV,17,1.3, 940 f.). Allerdings sollen, so mahnt Calvin, die Zeichen auch nicht in ihrem Werk verkleinert, nicht von denen in ihnen veranschaulichten Geheimnissen losgerissen werden (ebd. IV,17,5, 943). Gott handelt im Sakrament am schwachen, doch glaubenden Menschen, die von Gott gewollte Einheit von Sache und Zeichen kommt allerdings nur im Glaubenden zum Ziel. Doch auch in der lutherischen Position ist es klar, dass die Gabe des Sakraments sich nicht substantiell von der Gabe des gesprochenen Wortes unterscheidet. Wichtig ist die Sichtbarkeit des Sakraments, da der Leib Christi durch den Empfang manifest wird. Für Luther ist das Abendmahl im Kern freisprechendes Wort; deshalb ist die hörbare und verstehbare Rezitation der unveränderten Verba Testamenti nach dem Großen Katechismus (BSLK 1998: 708) für ihn so wichtig. Und dieses freisprechende Wort wird sichtbar gemacht und besiegelt im Element. Die Vergebung ist die zentrale Gabe des Mahles. Sie ist im Herzen zu fassen. Das Abendmahl enthält und bringt nichts substantiell anderes als das Wort, d.h. als Christus, aber in anderer Gestalt, „ganzheitlicher“, leibhaftig erfahrbar. Es wären sehr viele Worte nötig, um alles lebendig zu machen, was in, mit und unter Brot und Wein gegeben wird. Auch ein anthropologisches Argument ist anzuführen: Menschen sind nicht nur Geist und Seele, sondern auch Leib, und darum brauchen sie das leibliche Medium. Gott ist Fleisch geworden zu unserer Befreiung und hat sich in Christus im Mahl gegeben – das dürfen wir nicht verkürzen. Luther konnte sagen, dass uns das Sakrament um der Schwachheit willen gegeben ist, zum Trost und zur Stärkung. Doch auch die Starken, die nicht darauf angewiesen sind, sollen in Demut und Gottesfurcht zum Tisch des Herrn gehen. Denn die eigentliche Natur beweist der Glaube in der Furcht, im Tod, in den Sünden, in allem, das den Menschen verzagt macht (Martin Luther, Sermon auf den andern Osterfeiertag; WA 12,499,27–30). Hinsichtlich der Frage nach einer Beichte (mit Absolution) vor der Abendmahlsfeier ist darum festzuhalten: Einerseits geschähe
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damit eine Doppelung, denn das Mahl selbst spricht ja Sündenvergebung zu; andererseits sind Menschen immer auf Vergebung angewiesen, zumal vor jeder Begegnung mit dem heiligen Gott. Außerdem ist es erforderlich, dass der Mensch sich sein Sündersein, sein Angewiesensein auf die Vergebung immer neu vergegenwärtigt. Eine plausible Lösung scheint mir in der Praxis der alten Agende I zu liegen, der offenen Schuld zu Beginn des Gottesdienstes. Denn ein Bereiten auf das Abendmahl ist das Wünschen der Vergebung und ihr Annehmen (so Luther im Großen Katechismus, BSLK 1998: 707–725). Damit ist eine separate Beichte nicht notwendig, notwendig ist nur das Sündenbekenntnis, denn gerade die Sünder sind geladen. Nicht nur die Vergebungsgewissheit, auch die Gemeinschaft gehört zu den Gaben des Sakraments. In der Theorie kann man dabei eine Abfolge festhalten: Zuerst wird die Gemeinschaft mit Christus gegeben, darin und dadurch auch die Gemeinschaft untereinander. Doch ist dies nur eine theoretische, eine theologische Aussage, im Vollzug ist beides nicht zu trennen, weil das Mahl den neuen Bund schenkt. Denn der Bund ist von Gott nicht mit dem Einzelnen geschlossen worden, sondern mit der Gemeinschaft. Alles andere wäre eine Individualisierung und damit ein typisch protestantisches Missverständnis. Indem das Mahl Anteil an Christus gibt, schenkt es Vergebungsgewissheit und Gemeinschaft. Doch in welcher Weise ist das vorzustellen, wie ist die Präsenz Christi zu denken? Diese Frage spielt in den Debatten um die Häufigkeit von Abendmahlsgottesdiensten eine wichtige Rolle. Ist es eine Personalpräsenz, wie die Kompromisse in der Leuenberger Konkordie von 1973 nahelegen (Leuenber ger Konkordie: 21)? Ist es eine Realpräsenz, wie Luther in größerer Nähe zur katholischen Position stets betonte? Und wie ist das Verhältnis von Wort und Zeichen zu bestimmen? Für die lutherische Position ist die Frage eindeutig zu beantworten: Lutheraner gehen von einer Realpräsenz Christi während der Feier aus, einer Präsenz also seines Fleisches und Blutes, wobei die Formel „in, mit und unter“ die räumliche Einschließung von Christi Leib in das Element vermeidet. Doch das Wort bringt, wovon es redet, d.h. es bringt Leib und Blut in die äußeren Elemente, die geistlich stärken (also in
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sich wirksam sind, nicht lediglich bestätigend). Das Wort verbürgt die Gegenwart von Leib und Blut und teilt sie mit. Die Gabe des Wortes ist die Vergebung, die im Wort wirksam zugesprochen wird – die Vergebung kann nur als Wort zu uns kommen. Die Elemente sind ein zusätzlicher Schatz als dingliches Pfand und Zeichen. Das Wort ist das Wesentliche, das Pfand hat keinen eigenen Wert neben dem Wort, das heißt: Auch ein Wortgottesdienst schenkt das, worauf es ankommt, vollgültig. Aus seelsorglicher Perspektive ist festzuhalten, dass das unterschiedliche Bedürfnis nach der Teilnahme am Mahl aus unterschiedlichen Gestalten der Frömmigkeit resultiert, doch es betrifft auch das Bekenntnis: Wenn das Wort weniger gäbe, müsste das Sakrament häufiger gefeiert werden. Darum noch einmal: Gemäß der Leuenberger Konkordie besteht Identität zwischen Wort und Sakrament, die lutherische Position sieht eine Differenz. Diese besteht jedoch nicht in der Substanz der Gabe des Mahles, sondern nur darin, dass das Sakrament menschliches Handeln stärker in den Glauben einbezieht als es die Wortverkündigung tut; es hat darum seine spezifische Bedeutung für die Glaubensgewissheit durch Sichtbarkeit und Fühlbarkeit. Für Luther war darum die möglichst tägliche Feier selbstverständlich, denn er zog daraus Gewissheit, Trost und Kraft. – In jedem Fall gilt, dass die Häufigkeit der Kommunion nicht vorzuschreiben ist, doch ich halte es für sinnvoll, das Abendmahl jedenfalls einmal wöchentlich anzubieten. Worin besteht schließlich die Gabe des Sakraments für NichtGlaubende? Hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Sakrament und Glaube. Das Wort selbst als Verheißungswort fordert den Glauben, wie Luther im Großen Katechismus darlegt (BSLK 1998: 713 f.), und insofern das Wort einen Inhalt hat, fordert es den Glauben an die Gegenwart des Pfandes. Das heißt: Alle Christen bekommen das Mahl, doch nur der Gläubige „hat“ es. Die Kenntnis der Worte und ihrer Bedeutung ist darum die Voraussetzung für die Zulassung zum Mahl; Erklärungen sind nicht nötig, weil die Worte aus sich selbst sprechen. Das Wort macht, so Luther, als Verkündigung Brot und Wein zu Leib und Blut. Zugleich ist festzuhalten, dass die reale Anwesenheit von Christi Leib und Blut durch das Essen gegeben wird – also empfängt auch der glaubende
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Unwürdige. Der Ungläubige dagegen empfängt nur Brot und Wein. Auch gemäß der Confessio Augustana 13 (BSLK 1998: 68) bieten die Sakramente die Verheißung dar und zeigen sie, um zu trösten in Anfechtung und um die Vergebung zu schenken. Im Sakrament wird der Heilige Geist gegeben. Alle diese Aussagen setzen die substantielle Gegenwart von Leib und Blut in Brot und Wein voraus. Die Wirklichkeit der Gabe beruht auf Christi Einsetzung, nicht auf unserem Glauben. Die Zueignung der Vergebung dagegen geschieht durch den Glauben. Die Gabe des Abendmahls empfängt damit nur, wer sie empfangen will, d.h. die Gemeinde muss sich für den Empfang bereit machen. Bereitung auf das Abendmahl bedeutet zuzulassen, dass Gott am Empfangenden handelt. Dann stärkt das Sakrament den Glauben. Mit anderen Worten: Der Glaube macht nicht das Sakrament, er empfängt es, sola fide („allein im Glauben“), d.h. ohne Zutun des Menschen, allein aus dem Handeln Gottes. Dies ist bei Abendmahlsfeiern in Erinnerung zu rufen.
4.3. Dimensionen des Abendmahls Das Abendmahl hat noch weitere Dimensionen. Es wird gefeiert zur Erinnerung an das Heilshandeln Gottes in Christus, zugleich erinnert es an die Mahlgemeinschaft Jesu mit Zöllnern und Sündern, und damit an die weltweite Gemeinschaft aller Menschen. Es schenkt die Gewissheit der Sündenvergebung. Es stiftet Gemeinschaft, den neuen Bund mit Gott und die Gemeinschaft der Feiernden. Es lässt die Gemeinde einstimmen in den Jubel der Engel (so formuliert es die Präfation: „Mit ihnen [den Himmelsbewohnern] vereinen auch wir unsere Stimmen und bekennen ohne Ende“, EGb 2000: 111), insofern schenkt es den Feiernden Anteil an etwas, das sie in ganzer Fülle erst im ewigen Leben erfahren werden: Teilnahme am eschatologischen, himmlischen Freudenmahl. Es verwendet mit Brot und Wein Gaben der Schöpfung und erinnert damit an die Schöpfungsverantwortung des Menschen ebenso wie an die Freude an der guten Schöpfung Gottes. Es feiert das uns in Christus geschenkte Heil, darum ist es ein Freudenmahl, Eucharistie. Ablesbar sind die verschiedenen Dimensionen zum einen an der Gestaltung der Mahlfeier ins-
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gesamt, zu denken ist an die eingangs beschriebenen Szenen, zum anderen vor allem an den Eucharistiegebeten (EGb 2000: 80 f.113– 117.633–660), die in der Liturgiewissenschaft lange ein Streitpunkt waren und es in den Gemeinden oft heute noch sind (hier vor allem wegen ihrer erheblichen Länge). Das zwar im Neuen Testament nicht überlieferte, doch altkirchlich begründete Eucharistiegebet mit seiner Fülle von Bezügen wurde vor einiger Zeit in den Kirchen der Reformation wiederentdeckt. Die Reformatoren hatten drastisch gekürzt: Die Streichung der Eucharistiegebete aus den lutherischen Gottesdienstformularen resultierte zum einen aus der Feststellung, dass die altkirchlichen Wurzeln nicht mehr freizulegen waren unter den spätmittelalterlichen Wucherungen, zum anderen aus dem Bestreben, jeden Anklang an die Messopferlehre zu tilgen. Das heißt, es durfte keinerlei Handeln der Gemeinde Gott gegenüber ausgesagt werden, denn das widerspräche dem einmaligen Heilshandeln Gottes uns zugute im Opfer Christi. Deshalb kann nicht von unserem Mitopfern unser Selbst vor dem Vater die Rede sein, auch wenn das einmalige Heilsopfer im Mahl enthalten ist, auch wenn wir ihm darin gegenwärtig werden. Doch wir werden es ausschließlich als Empfangende, nicht als Mittäter. An die Stelle des Eucharistiegebetes war in der Reformationszeit selbst der Choral getreten, der als gemeindliches Handeln die Inhalte von Anamnese, Epiklese und Doxologie (Gotteslob) in sich aufgenommen hatte. Eine Wiederentdeckung des Eucharistiegebets setzte im 19. Jahrhundert ein. Sie erwuchs aus exegetischen Erkenntnissen und aus der Begegnung mit der Orthodoxie (so z.B. bei Wilhelm Löhe); aufgegriffen wurde dies im 20. Jahrhundert von der jüngeren liturgischen Bewegung und den Kommunitäten. Auch die Agende I enthält fakultativ ein rekonstruiertes Eucha ristiegebet der Alten Kirche. Verstärkt wurden die entsprechenden Impulse seit Ende der 70er Jahre. Seit den 80er Jahren, im Gefolge der Lima-Liturgie (ein Gottesdienstformular, mit dem der Ökumenische Rat der Kirchen 1982 die Konvergenzerklärung zu „Taufe, Eucharistie und Amt“ gefeiert hatte), ist das Eucharistiegebet als Ausdruck einer biblischen, historischen und theologischen Neubesinnung breit rezipiert worden.
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Die Wiedereinführung des Eucharistiegebets kann sich auf den Wortlaut der Verba Testamenti berufen: Wir sollen „solches“ zu Jesu Gedächtnis tun, nicht bloß sagen, d.h. wir sollen wie er über den Elementen das Dankgebet sprechen und sie mit bestimmten Worten austeilen (vgl. Schmidt-Lauber 1984: 139). Weiterhin kann dafür angeführt werden, dass es entscheidend gegen eine Verarmung hilft, gegen eine Beschränkung nur auf die Zelebration oder nur auf das Wort, weil es den ganzen Menschen berührt, in seinem Herzen wie in der Gemeinschaft der Betenden (vgl. Kühn 1999: 266–268). Das ganze eucharistische Gebet sei, so Ulrich Kühn, eine Entfaltung der Verba Testamenti; dies verhindere eine Festlegung auf eine Konsekration (Weihe) und auf die Elemente, indem es ein Herausheben der Einsetzungsworte als Konsekrationshandlung vermeide. Das entspreche dem Denken der Alten Kirche, für die das gesamte Gebetshandeln konsekratorischen Charakter habe. Durch Luthers Tilgung des Opfergedankens sei das Abendmahl wiederum zum Dienst Gottes an uns geworden, der Nachteil bestehe allerdings darin, dass in seinem Gottesdienstformular die Einsetzungsworte nun als Konsekration (miss)verstanden werden konnten. Einen Vorzug der Verwendung des Eucharistiegebetes sieht Kühn ganz zu Recht darin, dass sich im Gebet Anabatisches (Aufsteigendes, Dank) und Katabatisches (Herabsteigendes, Zuwendung Gottes) unlösbar verbänden – Gott ist in, mit, unter menschlichem Handeln am Werk. Die Rechtfertigung allein aus Gottes Gnade wird auf Seiten des Menschen mit Glauben beantwortet, der in ein Tun mündet, das selbstverständlich auch im Dank besteht. Gott ist der Handelnde, und im Dank der Eucharistie verbindet sich das Wirken des Geistes mit dem Dienst der Gläubigen, auch durch sie und ihren Dienst wirkt der Geist.
4.4. Theologischer Gehalt und Abendmahlsfrömmigkeit Das Abendmahl bewirkte nach reformatorischer Überzeugung noch Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem eines: Sündenvergebung, die Vergebung jeder Entfernung von Gott in Haltung und Tat, in „Gedanken, Worten und Werken“ (so in verschiedenen
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Beichtgebeten, vgl. z.B. EGb 2000: 494). Das Mahl, das diese Vergebung schenkte, wurde als eine gewichtige Gabe gesehen, auf deren Empfang sich der Mensch vorbereiten wollte und musste. Doch vor allem wurde das Abendmahl als ein höchst wirksames Gnadenmittel gesehen, darum war es den Gemeinden kostbar, so kostbar, dass es nicht durch häufigen Gebrauch banalisiert und entwertet werden sollte. Sowohl die erforderliche besondere Vorbereitung als auch der Wert des Sakramentes bedingten dessen eher seltenen Einsatz und den Empfang in einer Haltung tiefen Ernstes. Dieser spezifischen Gestalt der Abendmahlsfrömmigkeit entsprach die liturgische Gestaltung des Abendmahlsempfanges: Die ernste Haltung beim Gang zum Altar war als Ausdruck der Sammlung zu verstehen, der Konzentration auf das Kommende mit seiner für den Menschen lebenswichtigen Bedeutung. Die Ausrichtung der Kommunizierenden zum Altar hin zeigte an, dass es beim Abendmahl um das Gottesverhältnis des einzelnen Christen ging. Das Knien drückte Demut aus, ein sich Klein-Machen vor dem heiligen Gott im Bewusstsein der eigenen Unwürdigkeit infolge der Sünde. Die vor allem von den Älteren praktizierte Mundkommunion wies einerseits auf die Passivität des Menschen in diesem Vorgang hin, auf seine grundsätzliche Unfähigkeit, zu Gottes Handeln etwas hinzu zu tun; zum anderen war es Ausdruck eines fast furchterfüllten Respekts, der ein Berühren der Elemente, in, mit und unter denen nach lutherischem Verständnis Christus anwesend ist, vermied. In dieser Haltung (s. 2.1.) kam eine geistliche Prägung, eine Spiritualität zum Ausdruck, die über Jahrhunderte das Abendmahlsverständnis und die entsprechende Praxis in lutherischen Gemeinden bestimmt hat. Von großer Bedeutung ist das Abendmahl noch heute, doch inzwischen sehen die Mahlfeiern meist deutlich anders aus als in der ersten Szene: Das Mahl wird häufiger gefeiert; die Art der Abendmahlsausteilung ist deutlicher gemeinschaftsbezogen und kommunikativer geworden, die Haltung der Kommunizierenden häufig freier und eher fröhlich als ernst; auch eine Scheu vor den Elementen ist kaum mehr zu erkennen. Vor allem aber ist das Abendmahl nicht mehr ausschließlich (oder überhaupt) auf die Sündenvergebung konzentriert, sondern gestaltet eine Fülle ande-
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rer Bezüge. Das entsprechende Anliegen war bereits in den 40er Jahren formuliert worden; verbreitet wurde die Erweiterung um die verschiedenen, in 4.3. genannten Dimensionen vor allem durch die Abendmahlsforen der Kirchentage 1979 in Nürnberg und 1981 in Hamburg. So theologisch angemessen und liturgiegeschichtlich richtig diese Erweiterung war, bleibt doch ein Problem festzuhalten: Theologisch motivierte Änderungen richten, wenn sie gegen die lebendige Frömmigkeit der Gemeinden erfolgen und ohne Rücksicht auf den ganz anderen spirituellen Wurzelboden, aus dem sie erwachsen sind, oft mehr Schaden an, als dass sie nützen. Sie zerstören Vorhandenes, ohne Neues einpflanzen zu können. Zwar wurden die protestantischen Feiern ganzheitlicher, gemeinschaftlicher, festlicher und freudiger, doch ihr zentrales Moment, die Befreiung des Menschen von aller seiner Schuld durch die leibhafte Teilhabe an Christus, wurde verwischt. Mit anderen Worten: Die theologisch motivierte Erneuerung und Erweiterung des Abendmahlsverständnisses führte in der Praxis zu einer Ausdünnung, weil die genuin protestantische Spiritualität nicht beachtet und nicht hinreichend in das neue Verständnis integriert worden war. Hinzu kommt, dass die an die Stelle dieses Fokus getretenen theologischen Inhalte durch die Protestanten allenfalls verzerrt und verkürzt rezipiert werden konnten, ohne deren inhärente theologische Substanz, weil die entsprechenden Denkvoraussetzungen fehlten, und zwar ebenso theologisch wie geistlich. Es gab keine spirituelle Basis, an der sich das neue Gedankengut anlagern konnte. So konnte der Gedanke eines vorweggenommenen himmlischen Mahles nicht wirklich überzeugen, weil die gegenwärtige protestantische Frömmigkeit zwar auf ein Jenseits hofft, aber doch vor allem im Diesseits lebt. Und der Gemeinschaftsgedanke traf auf eine Lehre, die das Individuum in seinem Sein vor Gott betonte und der darum eine emotionale Besetzung des Kirchenbegriffs fehlte. Lediglich ein verkürzter, rein anthropologisch, zwischenmenschlich gefüllter Gemeinschaftsbegriff wurde rezipiert. Das Resultat besteht oft in einem Bemühen um die Vermittlung menschlicher (und nur menschlicher) Nähe und Wärme, in der Herstellung einer Art „Kuschelgruppe“ anstelle des Leibes Christi. Ähnlich kann
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der Aspekt der Erinnerung ohne mystagogische Hinführung zu einer mehr oder weniger platten Rezitation historischer Fakten ohne Vergegenwärtigung führen, und die Vorstellung der Feier wird ohne eschatologische Dimension zu einem menschlichen Fest ohne theologische Tiefe. So richtig die Änderungen also theologisch sind – sie sind, wegen anders gelagerter Frömmigkeit, nur oberflächlich und verkürzt aufgenommen worden und haben zugleich der Vergewisserung der Sündenvergebung im Herrenmahl den Boden entzogen.
4.5. Geladene Gäste am Tisch des Herrn Wer ist an den Tisch des Herrn geladen? Was zeichnet einen Geladenen aus? Diese Fragen können in verschiedenen Kontexten erörtert werden, im Zusammenhang mit Kirchengemeinschaft, Ökumene, Kinderabendmahl und dem Umgang mit Ausgetretenen und Ungetauften. Ich bedenke vor allem die beiden letzteren, gehe aber zunächst kurz auf die Frage nach einer evangelisch-katholischen Mahlgemeinschaft ein. Die Trennung der Konfessionen ist grundsätzlich schmerzlich. Für viele ist sie es besonders in der Abendmahlsfrage, für Menschen in konfessionsverbindenden Ehen ebenso wie für alle, die eine gute ökumenische Zusammenarbeit vor Ort erleben und diese Zusammenarbeit im gemeinsamen Mahl bekräftigen wollen. Die Position der Kirchen ist eindeutig: Auf evangelischer Seite sind alle Getauften, gleich welcher Konfession, eingeladen; wo keine Abendmahlsgemeinschaft besteht, gibt es die Haltung der eucharistischen Gastfreundschaft. Die römisch-katholische Kirche untersagt ihren Mitgliedern wegen Differenzen in der Frage des ordinierten Amtes, vor allem aber wegen der fehlenden Kirchengemeinschaft, an evangelischen Mahlfeiern teilzunehmen und lädt ihrerseits keine evangelischen Christen zur Teilnahme ein (Ausnahmen gibt es, doch sind das seelsorglich begründete Einzelfälle). In der Praxis vor Ort wird dies von einigen konsequent ignoriert – ich habe Einladungen zu katholischen Eucharistiefeiern erlebt, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass Rom weit sei. Evangelische Christen nehmen „heimlich“ an katholischen Mahlfeiern teil, katholische Christen halten
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es umgekehrt ebenso. Ich sehe dies weniger als eine kirchenrechtliche denn als eine Gewissensfrage und möchte darum nicht urteilen. Man kann die Position vertreten, dass durch die Praxis des gemeinsamen Mahles die Kirche schneller geeinigt werde, man kann aber auch sagen, das Mahl sei die Feier der vollzogenen Einigung. Ich selbst neige eher zu letzterer Haltung: Die Kirchen sind voneinander getrennt, diese Trennung ist schmerzlich; der Schmerz der fehlenden Mahlgemeinschaft entspricht damit der vorfindlichen Wahrheit und sollte als Erinnerung daran ausgehalten werden, dass hier noch viel Arbeit zu tun ist. Wenn nun eine offene Einladung an den Tisch des Herrn ausgesprochen wird, heißt das nicht, dass sich jeder zufällig Anwesende eingeladen fühlen soll. Fehlendes Sündenbewusstsein macht, nach Luther, zum Empfang unwürdig. Würdig ist dagegen jeder, der sich seiner Unwürdigkeit bewusst ist und darum Vergebung begehrt. Verächter des Sakraments sollten sich aus Einsicht fernhalten, denn während Unwissende und als solche Ungläubige nur Brot und Wein zu sich nehmen, bekommen Verächter Anteil an Leib und Blut Christi – sich selbst zum Gericht. Doch wer ist ein Verächter, wodurch wird Verachtung ausgedrückt? Sicher durch Leugnung, Abneigung, durch bewusste Abkehr vom Glauben. Auch durch Lieblosigkeit und ein entsprechendes Leben? Das bedeutete Ausschluss vom Abendmahl als Kirchenzucht, oder mindestens ein Gespräch mit dem betreffenden Kommunionswilligen. Zeigt ein Kirchenaustritt die Verachtung des Sakraments? Dann wären die Ausgetretenen auf die geistlichen Folgen hinzuweisen und nicht nur besorgt nach den Gründen für ihren Austritt zu fragen. Ich komme hier wieder zu dem Schluss, dass die Verantwortung bei den Liturgen liegt: Die Abendmahlsvermahnung ist, wo sie außer Gebrauch geraten ist, wiederzubeleben. Doch wie verhält es sich mit dem Kinderabendmahl? Diese Einrichtung gibt es in den protestantischen Kirchen seit Mitte der 70er Jahre, sie ist aus der Praxis der Familien- und Kindergottesdienste erwachsen. Argumentiert wird häufig mit alten Dokumenten wie der Traditio Apostolica (s.o. S. 66) und mit der Praxis in der katholischen Kirche (Abendmahlsteilnahme ab der Erstkommunion) und vor allem in den orthodoxen Kirchen (Abendmahlsempfang
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von der Taufe an). Die VELKD-Generalsynode war 1977 zu dem Schluss gelangt, dass es bei Kindern ab sechs Jahren keinerlei Bedenken gegen die Teilnahme an der Mahlfeier geben könne, sofern diese gewünscht werde und eine Unterweisung stattgefunden habe. Betont wurde der Empfang im Glauben, der sich in unterschiedlichen Altersstufen je unterschiedlich artikuliere. Wichtig sei überdies, dass die Teilnahme am Mahl die Aufnahme in den neuen Bund bedeute. Das heiße zum einen, dass der Gabecharakter erkennbar werden müsse durch biblisches Stiftungswort und die Art der Austeilung, zum anderen sei entscheidend, dass die Gabe aufgenommen und angenommen werde. Darum biete sich eine liturgische Gestaltung an, die sich speziell an den teilnehmenden Kindern orientiere. Weitere Argumente für eine Teilnahme der Kinder lauteten: Die Konfirmation als erstes Abendmahl bleibe meist selbst bei Sakramentsunterricht ohne tiefere Wirkung. Außerdem hätten Kinder einen leichteren Zugang zum zeichenhaften Vollzug. Zweifellos ist es so, das lässt sich für das Kinderabendmahl sagen, dass das Abendmahl als Ritual das Wesen des christlichen Glaubens zum Ausdruck bringt, und dass die Dynamik des Rituals auch durch die erfasst werden kann, die es kognitiv nicht verstehen. Glaube, der zum Empfang nötig ist, ist nicht mit Wissen gleichzusetzen, das wäre ein rationalistisches Missverständnis. Glaube wächst, er wird konstituiert, wenn das Herrenmahl wirklich gefeiert wird, denn das ermöglicht ein Einstimmen in den Glauben der Gemeinschaft. Hier ist allerdings einschränkend anzumerken, dass es an einer solchen „wirklichen“ Feier in den Gemeinden oft fehlt. Doch es gibt weitere Einwände: Wenn Luther das fehlende Sündenbewusstsein als Zeichen der Unwürdigkeit bestimmt, können dann Kinder den „Schatz der Vergebung“ begehren? Schuldbe wusstsein kommt – bei entsprechender Erziehung – auch bei Kindern nicht selten vor, allerdings erst ab einem bestimmten Alter. Kleinere Kinder könnten immerhin die Nähe zu Christus wünschen. Wichtig ist auch hier eine entsprechende Vermahnung vor der Einladung, die die Eltern an die Notwendigkeit der vorausgegangenen Erziehung erinnert. Was den Hinweis auf die Kirchen der Orthodoxie angeht, so ist deren Taufverständnis (die Taufhandlung gewährt zugleich die
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Versiegelung, so dass eine spätere bewusste Zustimmung nicht erforderlich ist) ebenso zu bedenken wie das daraus resultierende Fehlen der Konfirmation. Und was bliebe als Funktion der Konfirmation, über das Kirchenrecht hinaus, wenn alle „nur“ Getauften am Mahl teilhaben dürften? Oder ist umgekehrt zu fragen, ob die Konfirmation als Abschluss eines nachgeholten Taufunterrichts heute noch eine sinnvolle Einrichtung ist? Theologische Argumente gegen eine Teilnahme getaufter Christen am Mahl sind jedenfalls nicht ohne Weiteres zu formulieren. Und wenn eine religiöse Erziehung des Kindes gegeben ist, spricht nichts gegen seine Kommunion. Doch muss in den Gemeinden der entsprechende klare Entschluss vorliegen, damit die Familien die religiöse Unterweisung ihrer Kinder dementsprechend vornehmen können. Und der Gemeinde muss ebenfalls bewusst sein, dass ihre eigene Verantwortung damit wächst, denn sie darf die Familien mit dieser religiösen Erziehung nicht allein lassen. Wo keine eindeutige Regelung vorliegt, scheint es mir richtiger und besser, die zur Kommunion mitgebrachten Kinder nur zu segnen.
5. Fazit Praktisch-theologische Überlegungen werden gemeinhin nicht um ihrer selbst willen, sondern im Blick auf die kirchliche Praxis angestellt, die zu beschreiben und zu verstehen, doch ebenso kritisch zu begleiten und gegebenenfalls zu verbessern ist. Welche Folgerungen im Hinblick auf das Abendmahl sind nun aus den hier angestellten Überlegungen zu ziehen?
5.1. Es gibt nicht die eine „richtige“ Gestalt des Abendmahls Unser Abendmahl geht zwar auf Christi Stiftung zurück, aber in der Gestalt, in der es seit Jahrhunderten gefeiert wurde, gründet es nicht in seiner Stiftung – dies gilt für alle Kirchen. Es ist nicht möglich, die eine „richtige“ Ursprungsform zu erheben, denn kein liturgischer Brauch gilt kraft göttlichen Rechts. Doch ob oder ob nicht der historische Jesus, der mit dem baldigen Kommen des Got-
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tesreiches rechnete, einen Kult der Kirche nach seinem Tod stiften wollte: Die Gegenwart des Heils ist an die Person Jesu Christi gebunden. Das Abendmahl gewährt die Teilhabe an Christus. Es geht also nicht um Körner und Beeren oder um himmlische Speise. Entscheidend ist, dass Christus Anteil gibt an sich selbst, dass er sich selbst gibt. Welche Ausformungen des einen Grundgedankens auch gewählt werden mögen, dieser Grundgedanke steht nicht zur Disposition: Im Abendmahl ist Christus Gabe und Gebender, Gabe des Mahles und Herr des Mahles, zugleich.
5.2. Änderungen der Liturgie brauchen Behutsamkeit Grundsätzlich tun die mit agendarischen Erneuerungen Befassten gut daran, die Fülle des möglichen Gehaltes und den Reichtum der Tradition wahrzunehmen, doch bei der Eintragung in die Gemeinden auf deren Fassungsvermögen und deren spirituelle Prägung (so eine solche noch gegeben ist) zu achten. Das bedeutet auch, dass ein funktionierender Brauch nicht leichtfertig geändert werden sollte. In jedem Fall erfordern Änderungen mindestens einen magnus consensus („große Übereinstimmung“) (Confessio Au gustana 1, BSLK 1998: 50 f.), besser noch Einmütigkeit, die nur der Geist schenken kann.
5.3. Die Abendmahlsfeier kann verschiedene Schwerpunkte setzen Die Mahlfeier hat verschiedene Dimensionen, und diese ermöglichen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Das Beharren auf nur einer richtigen Gestalt resultiert aus Sicherheitsdenken, das theologisch zu kritisieren ist, weil es Gott „haben“ will und den Versuch unternimmt, ihn verfügbar zu machen.
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5.4. Die Mündigkeit der Gemeinde muss ermöglicht werden Die Möglichkeit eines unwürdigen Genusses ist nicht aus dem Blick zu verlieren, doch andererseits ist die Mündigkeit der Glaubenden, auch im Sinne des Priestertums aller, ebenso zu bedenken, wie die Mündigkeit der Nicht-Glaubenden ernst zu nehmen ist. Ich bin ihnen als Liturgin eine deutliche Vermahnung schuldig, die die Möglichkeit des Gerichts ebenso enthält wie eine Aussage über das Verhältnis zur feiernden Gemeinschaft. Auf dieser Basis ist dann die Offenheit der Einladung möglich, denn nicht ich entscheide zuletzt darüber, ob jemand unwürdig isst und trinkt. Die Freiheit des Geistes ist uns geschenkt, der Geist weht, wo er will, und letztlich urteilen nicht wir, sondern Gott. Wer bereit ist, sich im Abendmahl die Gemeinschaft mit Christus schenken zu lassen, und wer glaubt, dass der Leib Christi für ihn gegeben und das Blut Christi für ihn vergossen ist, der darf zugelassen werden.
5.5. Zu kritisieren ist zuerst die eigene Praxis Gott stiftet den Glauben und lässt geistliches Leben entstehen, auch unter Frömmigkeitsformen, die uns fremd sind. Das bedeutet: Kritik sollten wir immer nur an der eigenen Praxis und den eigenen Gemeinden üben; andere können wir an das Wesentliche nur erinnern und nach seinem Verbleib oder seiner Handhabung fragen.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellen und Übersetzungen Agende I: Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden. Erster Band: Der Hauptgottesdienst mit Predigt und heiligem Abendmahl und die sonstigen Predigt- und Abendmahlsgottesdienste, hg. von der Kirchenleitung der VELKD, Berlin / Hamburg 1969. Confessio Augustana: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK), hg. vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 199812, 35– 137.
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Calvin, Institutio: Calvin, Johannes: Institutio Christianae Religionis Deutsch. Unterricht in der christlichen Religion. Nach der letzten Ausgabe übs. und bearbeitet von Otto Weber, Neukirchen 1955. Didache / Zwölf-Apostel-Lehre: Didache. Zwölf-Apostel-Lehre: übs. und eingeleitet von Georg Schöllgen (Fontes Christiani 1), Freiburg i.Br. u.a. 1991, 13–139. EGb 2000: Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands. Hg. von der Kirchenleitung der VELKD und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der EKU, Berlin / Bielefeld / Hannover 2000. EG: Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. Antwort finden in alten und neuen Liedern, in Worten zum Nachdenken und Beten, hg. von der Ev.-Luth. Kirche in Bayern, München / Weimar 1996. Leuenberger Konkordie: KJ 100 (1973), 19–23. Materialheft 2009: Materialheft für Feierabendmahle; hg. vom 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag Bremen 2009. Für den Inhalt verantwortlich: Brigitte Gläser / Christian Lühder, Bremen 2009. Luther, Martin, Der große Katechismus: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK), hg. vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 199812, 545–733. Luther, Martin, Sermon auf den andern Osterfeiertag: Sermon auf den andern Osterfeiertag, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesammtausgabe, Bd. 12, Weimar 1891, 494–505.
2. Sekundärliteratur Bizer 1955: Bizer, Ernst: Die Abendmahlslehre in den reformatorischen Bekenntnisschriften (TEH 47), München 1955. Christiansen / Cornehl 1981: Christiansen, Rolf / Cornehl, Peter (Hgg.): Alle an einen Tisch. (Forum Abendmahl 2), Gütersloh 1981. Zeremoniale 2004: Zeremoniale-Ausschuss der Liturgischen Konferenz (Hg.), Ein Evangelisches Zeremoniale. Liturgie vorbereiten – Liturgie gestalten – Liturgie verantworten, Gütersloh 2004. Kühn 1999: Kühn, Ulrich: Der eucharistische Charakter des Herrenmahls, PTh 88 (1999), 255–268. Lange 2002: Lange, Ernst: Bemerkungen zum Abendmahl heute, PTh 91 (2002), 346–360. Schmidt-Lauber 1984: Schmidt-Lauber, Hans-Christoph: Die Wiederentdeckung des eucharistischen Gebetes in den evangelischen Kirchen, PTh 73 (1984), 134–147.
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3. Literaturhinweise zum vertiefenden Studium Josuttis, Manfred: Der Weg in das Leben. Eine Einführung in den Gottesdienst auf verhaltenswissenschaftlicher Grundlage, München 1991 (bes. 247–297). Josuttis, Manfred / Martin, Gerhard Marcel (Hgg.): Das heilige Essen. Kulturwissenschaftliche Beiträge zum Verständnis des Abendmahls, Stuttgart / Berlin 1980. Kretschmar, Georg / Meyer, Hans Bernhard / Niebergall, Alfred:, Art. Abendmahlsfeier, in: TRE 1, Berlin/New York 1977, 229–328. Pahl, Irmgard: Das Paschamysterium in seiner zentralen Bedeutung für die Gestalt christlicher Liturgie, LJ 46 (1996) 71–93. Schmidt-Lauber, Hans-Christoph / Seitz, Manfred (Hgg.): Der Gottesdienst. Grundlagen und Predigthilfen zu den liturgischen Stücken, Stuttgart 1992 (bes. 166–233).
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Das Abendmahl – ein „Fest der Bedeutungen“ Die in diesem Band eröffneten Perspektiven auf das Abendmahl als Thema der evangelischen Theologie sind nicht abschließend auf einen Lehr-Satz reduzierbar. Das würde der Fülle der gewonnenen Einsichten, aber auch der Vielfalt der in den einzelnen Disziplinen der Theologie gestellten Fragen und angewendeten Methoden, die ihrerseits nur exemplarisch skizziert werden konnten, nicht gerecht. Doch ist es möglich, disziplinübergreifend einige wichtige Einsichten zu benennen, die für das Nachdenken über das Abendmahl von besonderer Bedeutung sind.
1. (K)eine gewöhnliche Speise Zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. machen ehemalige Christen im Verhör dem römischen Statthalter in Bithynia-Pontus Angaben über ihr der frühmorgendlichen Versammlung folgendes Tun. Der Statthalter, Plinius d. J. (s.o. S. 52.70.78.96 f.) berichtet darüber seinem Imperator Trajan aus der römischen Provinz (Plinius, Epistu lae 10,96,7): „Nachdem dies durchgeführt worden sei, seien sie der Gewohnheit gemäß auseinandergegangen und wieder zusammengekommen, um Speise zu sich zu nehmen, gewöhnliche jedoch und unschädliche. Dies zu tun hätten sie aufgehört nach meinem Edikt, in welchem ich nach deinen Anordnungen Vereinigungen verboten hatte.“
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Offenkundig nehmen die Aussagen Bezug auf ein gemeinsames Mahl, dessen genaue Gestalt und Bedeutungszuschreibung jedoch nicht zu erkennen sind. Naheliegend, aber nicht sicher, ist es, hier die regelmäßige Abendmahlsfeier einer frühchristlichen Gruppe erkennen zu wollen. Die Betonung, die gemeinsam eingenommene Speise sei „gewöhnlich und unschädlich“ (promiscuum […] et in noxium) dient erkennbar apologetischen Zwecken: Die Harmlosigkeit der Zusammenkunft und der hinter ihr stehenden sozialen Gruppe soll auf diese Weise erwiesen werden, und der Bericht erstattende Statthalter scheint dieser Argumentation zu folgen. Zugleich wird jedoch deutlich, dass Harmlosigkeit, Normalität und Alltäglichkeit des Geschehens keineswegs unumstritten sind. Gerüchte und Verleumdungen, dem entsprechende Nachfragen im Verhör, vielleicht aber auch schlicht die Tatsache, dass das gemeinsame Essen ein Bestandteil dieser regelmäßig (wöchentlich?) wiederkehrenden Versammlung waren, mochten den Festgenommenen solche Verteidigung offenbar als sinnvoll erscheinen lassen. Mit anderen Worten: Die gemeinte Speise und Mahlzeit waren schon zur Zeit des entstehenden Christentums keineswegs unum stritten gewöhnlich. Für unser Empfinden mag sich die Besonderheit des Rituals schon in der Bezeichnung „Abendmahl“ selbst ausdrücken: Während der Begriff des „Mahls“ in gegenwärtigem Sprachgebrauch auf eine besondere, nicht alltägliche Mahlzeit deutet, ist die Verwendung der Zeitangabe „Abend“, die ja in der kirchlichen Praxis keineswegs immer, sondern eher ausnahmsweise mit dem tatsächlichen Zeitpunkt des Mahls übereinstimmt, ein Verweis auf einen Bedeutungszusammenhang, der nicht einfach schon mit dem Akt des Essens präsent ist: Das Abendmahl ist eine besondere und bedeutsame Mahlzeit. Die Frage, inwieweit die bei dieser Mahlzeit verzehrten Speisen selbst zum besonderen Charakter beitragen, inwieweit sie als außergewöhnliche Nahrungsmittel gelten, ist je nach zeitlichem und kulturellem Kontext unterschiedlich zu beantworten: Während Brot und (mit Wasser gemischter) Wein in der antiken Welt des entstehenden Christentums als durchaus gewöhnliche und auch sättigende Speise gelten konnten (s.o. S. 70 f.), ist dies für die Ge-
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genwart z.B. Mitteleuropas nicht generell vorauszusetzen. Während also bestimmte Formen des Abendmahls in der Antike als alltagsnahes oder asketisch konnotiertes Gegenmodell gegen die religiöse „cuisine of sacrifice“ (McGowan 1999: 60–67 u.ö.) interpretiert werden können, ist das Abendmahl mit den Mahlelementen gegenwärtig als spezifisch religiöse, rituell-kultische Begehung, als symbolische Mahlzeit konnotiert. Dass, in Erinnerung an die vermeintlichen Ursprünge, durch Verbindung des Abendmahls mit sättigenden Mahlzeiten und Speisen in gegenwärtiger kirchlicher Praxis gelegentlich die Mahlfeier den alltäglichen Lebensvollzügen stärker angenähert werden soll, bestätigt dabei nur die Wahrnehmung einer grundsätzlichen Diskrepanz. Doch geht es nicht nur um Speisen und ihre Bedeutung in einem etablierten System von Mahlzeiten. Die Differenz zwischen den antiken Referenztexten und gegenwärtiger Abendmahlspraxis betrifft insgesamt die Einordnung des feierlichen Mahls in das kulturell-religiöse Koordinatensystem: die Unterscheidung von Alltag und Ritus, von Profan und Heilig, von Religiösem und religiös Indifferentem.
2. Außen- und Innenperspektive Die Behandlung des Themas „Abendmahl“ in den verschiedenen Disziplinen der Theologie ist durch die Verbindung von Außenund Innenperspektive gekennzeichnet. Einerseits widmen sich die Beiträge der Interpretation der (überwiegend schriftlichen) Quellen in Hinsicht auf den sozialen und kulturellen Kontext, die Praxis und das Verständnis des Abendmahls und beleuchten traditionsgeschichtliche Voraussetzungen und religionsgeschichtliche Parallelen. Neben den innerhalb der evangelischen Theologie klassischen Arbeitsweisen der philologischen und historischen Kritik treten dabei Methoden und Fragen, die z.B. aus Soziologie und Semiotik oder dem weiten Bereich der Kulturwissenschaften, z.B. aus Ethnologie und Kulturanthropologie, entliehen sind. Man wird sogar sagen dürfen, dass die Beschäftigung mit dem Abendmahl innerhalb der Theologie ge-
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rade durch die Anregungen aus den zuletzt genannten Disziplinen wichtige neue Impulse erfahren hat. So ist es berechtigt, in zweifacher Weise von einer damit eingenommenen Außenperspektive auf das Abendmahl als geschichtlichem und kulturell-religiösem Phänomen zu sprechen: Zum einen konzentriert sich die Theologie auf die Beschreibung dessen, was beim Abendmahl getan wurde und wird und was darüber gedacht und geglaubt wurde und wird, zum anderen übernimmt sie Frageperspektiven anderer Wissenschaften, die noch nicht zum allgemein angewendeten Repertoire der Methoden der theologischen Fächer selbst gehören. Die Rede von der Außenperspektive scheint auch eingedenk des konstruktiven Charakters jeder historischen Beschreibung oder der Tatsache, dass Beschreibung nur als teilnehmende Beschreibung den Phänomenen wirklich nahe kommt, berechtigt; dies wird durch den Vergleich zur möglichen Innenperspektive auf das Abendmahl besonders plausibel. Andererseits wird nämlich das Abendmahl in der Theologie nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie als historisch-kulturelles Phänomen, als Ausdruck und Konstruktionsgerüst der Sozialität einer religiösen Gemeinschaft unter wechselnden Kontextbedingungen untersucht. Das Abendmahl ist zuerst Sakrament, eine Zeichenhandlung, welche mit göttlicher Verheißung verbunden ist (s.o. S. 116). Dieses Sakramentsverständnis wäre theologisch-methodisch nur unzureichend erfasst, würde man Gestalt und Kontext der Zeichenhandlung einerseits, Bedeutungszuschreibungen von Beteiligten und Interpreten andererseits beschreiben. Denn die Frage „Was geschieht im Abendmahl?“ findet mit den Stichwörtern von „Zeichenhandlung und Sinnzuschreibung“ vielleicht in der Außenperspektive eine im Prinzip genügende Antwort, keineswegs jedoch stellt sie das theologische Interesse am Sakrament zufrieden. Daher sind erkennbar alle Fächer der evangelischen Theologie, und nicht allein die in dieser Hinsicht besonders prononcierte Systematische Theologie, in die Suche nach dem, was im Abendmahl – man mag sagen: wirklich, oder man formuliert: in der Sicht des Glaubens – geschieht, involviert; und auch teilnehmende Beobachtung und historische Beschreibung, die über bloß individuelle Meinungen und Erfahrungen weit hinaus füh-
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ren, werden zum Ausdruck dieser Suche nach der Wirklichkeit des Sakraments.
3. Der Ursprung als Inhalt und Norm Für evangelisches Sakramentsverständnis, und so auch für das Abendmahl als Thema evangelischer Theologie, ist der Bezug auf den Ursprung, die Einsetzung durch Jesus, wesentlich, wenn auch nicht allein konstitutiv (s.o. S. 116). Die Einsetzungsworte erzählen diesen Ursprung und bringen ihn, soweit ihre Rezitation Teil der Liturgie ist (s. aber oben S. 66 f.), als Sinnhorizont der Feier in dieser selbst zur Sprache. Die Worte verbinden die präsentische Deutung der Elemente („dies ist …“) mit dem Verweis auf das geschichtlich Vergangene: „In der Nacht, da er verraten ward …“. Die Bedeutung des Abendmahls umfasst beides, und Versuche, diese Bedeutung zu formulieren, kreisen daher um die Kategorien von Gegenwart oder Präsenz Christi einerseits, um „Gedächtnis“ bzw. „Erinnerung“ als Vergegenwärtigung des Vergangenen andererseits. Dies spiegelt sich auch in der Bearbeitung des Themas durch die unterschiedlichen theologischen Disziplinen: Neben der teilnehmenden Beobachtung, Beschreibung und Deutung des bei der Feier Gegebenen, Geschehenden und zu Erfahrenden steht die Interpretation von Texten, nämlich der Einsetzungsworte, ihrer theologischen Implikate und ihrer biblischen Bezüge; neben der Rechenschaft über die je gegenwärtige vielfältige Praxis und Theorie des Abendmahls in der Geschichte des Christentums steht die Untersuchung der historischen Anfänge im 1. Jahrhundert n. Chr. sowie traditionsgeschichtlicher Voraussetzungen und religionsgeschichtlicher Analogien. Die als Methode der Exegese und damit der evangelischen Theologie insgesamt etablierte historische Kritik hat im Falle des Abendmahls die orientierend oder normativ gemeinte Frage nach dem Ursprung keineswegs zugunsten der Einsicht in die historische Relativität abgelöst, sondern die Vorstellung vom Ursprung als Norm gleichsam verdoppelt: Neben den biblischen Ursprung des Sakraments, der wesentlich durch die heilige Schrift, konkret: die Einsetzungsworte, gegeben ist, tritt die historische
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Rückschau, welche das Schriftzeugnis als fiktionale Vergangenheit relativiert und ergänzt und damit zugleich als Entdeckungszusammenhang für implizite und explizierbare Bedeutungen des Abendmahls wirksam werden kann. Dabei weitet sich der Horizont über die in den Einsetzungsworten geschilderte Mahlszene: In den Blick kommen die sozialen (ekklesiologischen) und funktionalen (ämtertheologischen) Implikate und Explikate der Mahlfeier ebenso wie Sinnkonvergenzen mit anderen Mahlszenen und Mahlfeiern der Antike, seien sie jüdisch, christlich oder griechisch-römisch. So konnte etwa die Vorstellung vom „messianischen Mahl“ der jüdischen Tradition in die (auch soteriologische) Deutung der christlichen Mahlfeier aufgenommen werden (s. S. 89.209–214). Mit solchen Anreicherungen des Sinnpotenzials reagiert die Theologie auf die elementare exegetische Einsicht, dass die in den Ursprungstexten gegebenen Deutungen der sakramentalen Kraft des Mahls vielfältig und nicht einstimmig sind. So spielen allein in den Einsetzungsworten die Vorstellungen vom neuen Bund Gottes mit dem Menschen, vom stellvertretenden Einsatz des Lebens, von kultischer Sühne und Sündenvergebung nebeneinander und in verschiedenen literarischen Schichten eine Rolle. Im narrativen Kontext der Evangelien treten offenkundig beabsichtigte Bezüge zu anderen Mahlszenen hinzu, so dass die vor- und nachösterliche Mahlgemeinschaft Jesu mit anderen (und daraus abgeleitet die Mahlgemeinschaft von Menschen untereinander) zum Sinnhorizont des Abendmahls wird: Das Abendmahl kann so u.a. zum österlichen Freudenmahl werden, oder zum Mahl mit Außenseitern der Gesellschaft und der etablierten Religiosität, mit „Sündern und Zöllnern“. Schon die frühesten erhaltenen sicher liturgischen Texte, die Mahlgebete der Didache, formulieren Bedeutungszuschreibungen, welche sich im Kontext der Einsetzungsworte nicht finden und durchaus unabhängig vom Kontext der Passion Jesu bestehen könnten (s.o. S. 76 f.96). Aus diesem Befund auf eine zweite, von der Passionstradition unabhängige Wurzel des Abendmahls zu schließen, wäre freilich voreilig. Vorsichtiger beurteilt sind diese und andere liturgische Mahlgebete Beleg für die Einsicht, dass die ausdrücklich in der Geschichte und Gegenwart der Mahl-Liturgie rezitierten Texte den Sinnhorizont der Feier keineswegs ausschöpfen, sondern aspektweise beleuchten.
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Eine besondere Rolle spielt in diesem Kontext die Frage nach dem Zusammenhang von Abendmahl und Pesach-Mahl. Einerseits ist diese Verbindung durch die narrative Einbettung der Einsetzungsworte jedenfalls in den synoptischen Evangelien gegeben, andererseits ergibt er sich aus der historischen These, das letzte Mahl des historischen Jesus mit seinen Jüngern sei ein PesachMahl gewesen. Das Abendmahl erhält so einen doppelten Sinnbezug, welcher durch die Erhellung der biblisch-jüdischen narrativen Pesach-Tradition, aber auch die Analyse der zeitgenössischen jüdischen Pesach-Praxis und ihrer Bedeutungszuschreibungen bereichert wird. Doch zeigen sich gerade an diesem Beispiel auch die Grenzen der Berufung auf die Ursprünge: Abgesehen von dem Problem der exakten Passionschronologie, mit deren Beantwortung freilich noch nicht über Pesach / Mazzot als Sinnhorizont des christlichen Abendmahls entschieden ist (s.o. S. 79 f.), stellt sich der historischen Analyse die Frage nach der Praxis und den Bedeutungszuschreibungen der Pesach-Feier im antiken Judentum zur Zeit Jesu: Eine spätere, z.B. mittelalterliche Ausgestaltung und Ausdeutung des Pesach zum Verstehen des Abendmahls heranzuziehen, scheint gerade wegen der Orientierung am Ursprung nicht statthaft. Die Einsicht in geschichtlich gegebene und bedingte Bedeutungszuschreibungen wird hier theologisch normativ. Ein kleines Gedankenexperiment macht deutlich, dass das Abendmahl jedoch kaum ohne den Bezug auf den historisch konkreten Ursprung denkbar ist: Einer Mahlfeier, die auf den Verweis auf die „Nacht, in der Jesus ausgeliefert wurde“, verzichten würde, würde nicht nur eine andere Definition von Sakrament erfordern und die Einsetzungsworte als Schriftbezug aufgeben müssen; unplausibel würden auch die Rede von der vergegenwärtigenden Erinnerung, der Horizont des Passionsgeschehens und seiner theologischen Bedeutung und somit die Vorstellung von der im Mahl zu erfahrenden und zu feiernden Gemeinschaft mit Christus.
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4. Abendmahl und Ethik Fröhliche Feier, soziale Gemeinschaft und wechselseitige Annahme sind Aspekte gegenwärtiger Abendmahlstheologie und -praxis, die nicht wenig zur Wiederbelebung des Sakraments im Gottesdienstleben evangelischer Gemeinden beigetragen haben dürften. Der einladende, die umfassende Gnade Gottes verkündende Charakter des Sakraments wird so zeichenhaft erfahrbar. Ein solches Verständnis des Abendmahls kann anderen Konzepten entgegen gestellt werden, welche eher auf die Beziehung des Individuums zu Gott sowie die Vergegenwärtigung des Heilstodes Christi „für uns“ bzw. „für unsere Sünden“ in der Mahlfeier konzentriert sind. Zwar ist eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen einem Verständnis des Mahls als freudiger Feier und der Herleitung des Abendmahls aus Mahlgemeinschaften Jesu vor dem Letzten Mahl oder aus der Hoffnung auf das messianische Freudenmahl nicht erweisbar, doch treffen hier Entwicklungslinien der theologischen Forschung und Reflexion zusammen und werden praktisch wirksam. Inwieweit ein solcherart verstandenes und gefeiertes Abendmahl als Mensch und Mensch, aber auch Gott und Mensch versöhnend erfahrbar wird (s.o. S. 167), und wie die aus solcher Erfahrung von Versöhnung und damit verbundener Freude entspringende Kraft zur tätigen Veränderung zur Theologie des Mahl selbst gehören, wäre weiter zu entfalten. Kann man in dieser Hinsicht von ethischen Implikaten und gesellschaftsutopischen Potenzialen des Abendmahls sprechen, so erinnern die gewonnenen Perspektiven auf das Sakrament daran, dass in seiner Geschichte die ethische Dimension auch in Hinsicht auf die Vorbereitung und den Vollzug der Mahlfeier selbst relevant war. Stichwörter wie „Würdigkeit“ und „Unwürdigkeit“ (s.o. S. 155.221), „Selbstprüfung“, „Zulassung“ (s.o. S. 207.212–214.217 f.), manducatio impiorum / indignorum (s.o. S. 128.154 f.186–188) oder „Kirchenzucht“ (s.o. S. 157.196) erinnern an Aspekte von Abendmahlstheologie und -frömmigkeit, die gegenwärtig eher als belastendes Erbe verstanden werden dürften. Geht es dabei doch nicht allein um Fragen der praktischen Gemeinde- und Kirchenorganisation, die bei der Mahlfeier zum Ausdruck kommen und dringlich
Hermut Löhr
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werden, sondern auch um die Bewertung des Individuums, das am Mahl teilnimmt, als eines Handelnden, um Moral und Ethik vor und angesichts des Sakraments. Werden aber so der Freudencharakter des Mahls und die gnädige Einladung (mit der theologischen Tradition gesprochen: an die Sünder!) nicht verdunkelt? Müsste die Theologie dieses belastende Erbe nicht ausschlagen und diese Art der Verbindung von Mahl und Ethik ganz hinter sich lassen, um zu verhindern, dass geistlich und psychologisch zum Teil hoch problematische Formen der Abendmahlsfrömmigkeit – etwa in Gestalt skrupulöser Selbstprüfung vor dem Genuss der Elemente – wieder Raum gewinnen? Gewiss aber leitet die Feier des Abendmahls – keine gewöhnliche Speise! – zur Unterscheidung von Heiligem und Unheiligem an, und damit zur Anerkennung von Kategorien, die für christliches Verständnis (darin seinem jüdischen Erbe verpflichtet) von Beginn an auch ethisch konnotiert sind.
5. Ein „Fest der Bedeutungen“ Das Abendmahl ist, so lehren die Betrachtungen des vorliegenden Bandes, kein Mahl der einheitlichen theologischen Deutung oder Bedeutung. Indem es die Gegenwart des abwesenden Herrn feiert, lässt es Raum für verschiedene Erinnerungen, Vergewisserungen und Vergegenwärtigungen. Diese Vielfalt ist zwar in der Gegenwart vielleicht weniger Anlass zum Konflikt, aber kein allein postmodernes Phänomen. Wir stellten fest: Nur in seiner Vielfalt war und ist das Abendmahl geschichtlich wirksam. Die Bezeichnung, die Bruce Chilton (Chilton 1994) für das Sakrament in Hinblick auf seine früheste Geschichte wählte, passt insgesamt: Das Abendmahl ist ein „feast of meanings“, ein Fest der Bedeutungen. In seiner Geschichte und in Wechselwirkung mit seinem Vollzug, ja aus seiner Feier heraus entstehen vielfältige Bedeutungen. Die Geschichte des Abendmahls ist also die Geschichte dieses andauernden Festes von Bedeutungen. Sie kann theologisch als noch nicht abgeschlossene Entdeckungsgeschichte der Wirklichkeit des Mahls verstanden werden.
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Zusammenschau
In dieser Perspektive kann auch die Vielgestaltigkeit der Deutungen und Praktiken des christlichen Abendmahls in der Gegenwart eher als natürlicher, sachlich angemessener Ausdruck des Reichtums des Sakraments von Anfang an denn als Beschädigung einer ursprünglichen, verlorenen Einheit beim Mahl verstanden werden. Eine ökumenische Abendmahlstheologie, welche den gegenwärtig andauernden wechselseitigen Ausschluss von Personen und Konfessionen vom gemeinsamen Mahl am Tisch des Herrn zu Recht als Skandal empfindet, müsste sich nicht weiter daran abarbeiten, zu dem einen Verständnis – oder zu mühsam verhandelten Formelkompromissen – vorzudringen. Ein solches einheitliches Verstehen Christi und seines Handelns hat es schon im Abendmahlssaal in Jerusalem wohl nicht gegeben, und so kann es als Leitbild auch gegenwärtigen interkonfessionellen Nachdenkens über das Abendmahl entfallen.
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellen und Übersetzungen Plinius, Epistulae / Briefe: Plinius: Epistulae Liber X, Der Briefwechsel mit Kaiser Trajan, Lateinisch / Deutsch, hg. und übers. von Marion Giebel, Ditzingen 1996.
2. Sekundärliteratur Chilton 1994: Chilton, Bruce: A Feast of Meanings. Eucharistic Theologies from Jesus through Johannine Circles (NT.S 72), Leiden u.a. 1994. McGowan 1999: McGowan, Andrew: Ascetic Eucharists. Food and Drink in Early Christian Ritual Meals (The Oxford Early Christian Studies), Oxford 1999.
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Autoren
Beyerle, Stefan, geb. 1964, ist Professor für Altes Testament an der Theolo gischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Dahlgrün, Corinna, geb. 1957, ist Professorin für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Leppin, Volker, geb. 1966, ist Professor für Kirchengeschichte mit Schwerpunkt Mittelalter und Reformationsgeschichte und Direktor des Instituts für Spätmittelalter und Reformation an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen. Löhr, Hermut, geb. 1963, ist Professor für Neues Testament und Geschichte und Literatur des frühesten Christentums an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Slenczka, Notger, geb. 1960, ist Professor für Systematische Theologie / Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der Herausgeber dankt cand. theol. David C. Bienert, Dr. Sebastian Fuhrmann und stud. theol. Gunnar Schröder für die wertvolle Hilfe bei der Re daktion des vorliegenden Bandes.
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Personenregister
Althaus, Paul 168 Amalar von Metz 101 Ambrosius 101 Anabetel 9 Antiochos IV. Epiphanes 34 Aristobulos 29 f. Aristoteles 105–107, 109 Aseneth 4 Augustin 101, 151 f., 156, Barth, Karl 146 Barth, Markus 159 Baur, Jörg 181, 183 Berengar von Tours 105 f., 107, 113, 175 Berner, Christoph 31 Betz, Johannes 58, 148, 159 Bizer, Ernst 214 Black, Matthew 74 Blinzler, Josef 79 Braulik, Georg 27 Bucer, Martin 121, 125, 127 f. Bullinger, Heinrich 129 Calvin, Johannes 128 f., 146, 151, 215 Cangh, Jean-Marie van 76 Casel, Odo 177 Chilton, Bruce 59, 239 Christiansen, Rolf 200 Clemens von Alexandrien 32 Cohn-Sherbok, Dan 69 Collins, John J. 40 Dahm, Ulrike 21 David, Jean-Eudes 61
(Pseudo-) Dionysios (Areopagita) 100–102 Douglas, Mary 86 Duns Scotus 120 Ebel, Eva 85 Ebner, Martin 39 Elazar 12 Eschembetel 9 Euseb von Caesarea 30, 32 Flavius Josephus 6, 33 f., 35 Felmy, Karl Heinz 66 Fischer, Moshe 42 Fitzmyer, Joseph 7 Fuller, Reginald H. 67. Gamaliel II. 12 Grappe, Christian 87 Green, Joel B. 79 Gregor der Große 102, 112 Gregor von Nyssa 99 Guardini, Romano 150 Haggai 10 Hananiah 8 f. Hartenstein, Judith 33 Heckel, Ulrich 69 Heininger, Bernhard 53 Hengel, Martin 56 Hiskia 25 Hoen, Cornelisz Heinrich 121, 151 Hofius, Otfried 69 Hollaz, David 185 Hund, Johannes 179 Hus, Jan 114 f.
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Personenregister
Ignatius von Antiochien 53 f., 58, 71, 98 f. Jedaniah 8 f. Jeremias, Joachim 79, 139 Jesus von Nazareth 163, 165, 168, 212 Johannes Chrysostomus 100 Johannes Paul II. 149, 158 Joseph 40 Josua 11, 24 f. Judas Iskariot 164 f., 172, 212 Justin der Märtyrer 12, 58, 66, 68, 75, 77 f., 97 Karl der Kahle 103 Karl V. 126 Karlstadt, Andreas 118, 120 Kasper, Walter 159 Kaufmann, Thomas 121 Klauck, Hans-Josef 58 f., 62, 66, 85 Klawans, Jonathan 58, 87 Koch, Dietrich-Alex 74 Koch, Ottfried 149 Kollmann, Bernd 62 Konkel, Michael 20 Kraft, Adam 112 Kühn, Ulrich 220 Kyrill von Alexandrien 99, 124 Lanfrank von Bec 107 Lange, Ernst 212 f. Lehmann, Karl 148 Léon-Dufour, Xavier 59 Leonhard, Clemens 28, 80 Lessing, Gotthold Ephraim 130 Lietzmann, Hans 73 Löhe, Wilhelm 219 Löhr, Hermut 36, 75, 79, 84 Lombardus, Petrus 122 Luther, Martin 55, 115–119, 122, 140, 146 f., 149 f., 153–156, 170 f., 174 f., 180, 183, 198, 210, 215–217, 224 f.
Magness, Jodi 38 McGowan, Andrew 81, 87, 233 Melanchthon, Philipp 125, 127 f. Merz, Annette 79 Niemand, Christoph 61 Nikolaus II. 106 Oekolampad, Johannes 125 Osiander, Andreas 125 Pannenberg, Wolfhart 148, 162 Paulus von Tarsus 149, 212 Petrus 165, 172 Phillip von Hessen 124, 127 Philo von Alexandrien 30, 33 f., 35 f., 38 f. Philonenko, Marc 61 Platon 38 Plinius der Jüngere 52 f., 70, 96 f., 231 (Pseudo-)Eupolemos 30, (Pseudo-)Eustathius 32 Ptolemaios VI. Philometor 29 Pullus, Robert 108 Pummer, Reinhard 12 Radbertus 102–104, 175 Rahner, Karl 148, 153 Ratramnus 102–104, 175 Rese, Martin 63 Rogge, Joachim 128 Rouwhorst, Gerard A.M. 69 Scheibel, Johann Gottfried 130 Schillebeeckx, Edward 148 f., 153, 177 Schlink, Edmund 161 Schmeller, Thomas 71, 85 Schmidt-Lauber, Hans-Christoph 220 Schneider, Theodor 148 Schnelle, Udo 67 Schorch, Stefan 42
Personenregister
Schreibel, Johann Gottfried 130 Schröter, Jens 68 Schweitzer, Albert 67 Schwenkfeld, Kaspar von 120 Seebass, Horst 18 Seeberg. Reinhold 73 Semmelroth, Otto 148 f. Slenczka, Notger 149 f., 154, 160, 175, 177, 179 Stein, Hans Joachim 75, 84 Stemberger, Günter 80 Stroumsa, Guy G. 44 Tal, Oren 42 Tauler, Johannes 115 Theißen, Gerd 63, 66 Theobald, Michael 62, 67, 70, 88 Theodor von Mopsuestia 100
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Thomas von Aquin 109, 147, 156 Trajan 231 Thraede, Klaus 75 Thurian, Max 160 Trajan 52, 97 Welker, Michael 162 Westphal, Joachim 129 Weth, Rudolf 1 Wilhelm von Ockham 112 f. Wyclif, John 113–115, 118 Xenophon 38 Zeller, Dieter 85 Zsengellér, József 25 Zwingli, Huldrych 120–126, 127, 140, 144–146, 151, 179, 200
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Sachregister
Abendmahl – Abendmahlstheologie 1, 139, 238, 240 – als Gabe 116, 131, 146 – als Gemeinschaftsmahl 142 – als Opferhandlung 99, 116, 118, 141, 148, 150 – als symbolisches Geschehen 100, 102, 177 – als Testament 116 – als Zeichen 151 f. – anabatisch/katabatisch 149, 220 – Ausschluss 196 – Austeilung 221 – Deutungen 142 – Frömmigkeit 221 – Geschehen 53, 162 – gültiger/ungültiger Vollzug 2, 78 – Heiliges 210 – im Anschluss 208 – interkonfessionell 158 – ohne Wein 68, 196, 205 – Teilnahme 214 – Turnus 57 – Vermahnung 198 – Verweigerung der Mahlgemeinschaft 159, 224 – Vollzug 140, 141, 144, 151, 161, 205 – Zulassung 78, 204, 212, 228, 238 – Zuspruch 172 Abendmahlsstreit – erster 102–104 – zweiter 105 Abib 8, 15, 17, 20 accidens 107
Agape 1, 54, 70, 96, 162, 211 Agende 73, 198, 216, 219 Agnus Dei 198, 200 f. Ägypten-Passa s. Pesach Alexandrinische Theologie 124 Alkoholismus 196, 205 Allergiker 205 Allgegenwart 180 Alloiosis 179 Altar 198, 221 Amt 236 Anamnese 57, 160, 201, 219 Anfechtung 153 f., 157 Anthropologie 197, 215 Antijudaismus 112 Antiochenische Theologie 124 Apologetik 232 Apologie der CA 127 Apostel – Zwölf 63 Aramäer 8 Arbeitsruhe 17, 18, 19, 23 Arbeitsverbot 22 Aristeasbrief 43 Aristotelismus – lateinischer 107 Arnoldshainer Thesen 160 Astronomisches Henochbuch 30 Aszendenzmodell 121, 126, 128 Ätiologie – Einsetzungsworte als 57 – Fest-Ätiologie 32 – Kult-Ätiologie 20, 66, 79 f. attractio 57 Aufstieg zu Gott 101 Augsburger Reichstag 129 Ausschluss aus der Gemeinde 78
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Sachregister
Autorität Christi 162 Becher – der Erstickung 40 – der Unsterblichkeit 39 f. – des Segens 39, 69 Beichte 204, 208, 215 f. Bekenntnis – Bekenntnisakt 142, 209, 217 – Bekenntnismahl 202 – Glaubensbekenntnis 144 f., 146, 198, 201 Benedicamus 199 Bewährung 157, 174 Biographie 170 f. Blut – des Bundes 61 – Fleisch und 58 – Jesu 60, 98 – Leib und 58, 218, 228 – vergossenes 168 Blutritus 13, 22, 34 Braten 13 Bratgrube 13 Brot 39, 71, 81, 205, 232 – Brot des Lebens 39 f. – Brot und Wein 37 f., 60, 67–69, 81, 87, 95, 97, 162, 181, 186, 232 – Brot vom Himmel 81 Brotbrechen 53, 57, 71–73, 81, 96, 164 Brotkommunion 73 Brotvermehrung 81 Brotwort 56, 61 Brotwunder 81 Bruderschaft 111 Buch – Buchfindungsbericht 25 – der Tora 26 – des Bundes 26 Bund – Bundesblut 61 – Bundesmahl 43, 213 – Bundesschluss 59, 61
– Bundestheologie 33, 36 – in den Einsetzungsworten 84 – neuer 59, 87, 213 f., 216, 225, 236 Buße 115, 142 Charis 74 Chnum-Priester 8 Choral 219 Christologie 123 f., 148, 178, 180 communicatio idiomatum 180 f. Confessio Augustana 126 f., 159, 218, 227 Confessio Tetrapolitana 126 Confutatio 127 Consensus Tigurinus 129 coram Deo 212 Corpus Dionysiacum 101 Credo s. Bekenntnis Credolied 199 Dank 36, 142 Dankgebet 54, 57, 61, 75, 96, 210 Dankopfer 32, 54, 198 f., 201 Decretum Gratiani 108 Deszendenzmodell 116 f., 126 f., 129 Deuteronominum 21, 26 Deuteworte 57, 59, 163, 173, 178 Deutsche Messe 55 Diakon 98 Dialektik 105 Dialog – liturgischer 74 Diaspora 10 Didache 52 f., 68, 69, 70, 74, 75, 78, 79, 95 f., 99, 200, 210, 236 Doketismus 98 Doxologie 219 Ehe – gemischtkonfessionell 2, 197, 223 f. Eigenhändigkeitsvermerk 74 Einheit 156
Sachregister
Einsetzungsworte 55–67, 83, 138, 140, 162, 175, 198, 200 f., 217 f., 220, 235, 237 Einsetzungsworte als Bericht 164 Ekklesiologie 148, 157 f., 236 Elephantine 6, 7, 8, 14 Elephantine-Papyri 42 Elevation 104 f., 114, 201, 207 Elohist 21 emisch 233 f. Engel – Jubel der 218 – Michael 40 Epiklese 201, 205, 219 Erinnerung 23, 36, 57, 63, 84 f., 87, 151, 160, 235, 237 Erlösung 147, 172 Erntefest 23 Erstgeburt – ägyptische 21 – Tötung der 33 Erstkommunion 224 f. Eschatologie 88 f., 202 Esra 10 Essen und Trinken 166, 232 Essener 28 Ethik 157, 238 f. etisch 233 f. Eucharistie – als Opfer 99, 116, 118, 141, 148, 150, – Begriff 35, 70, 96 f., 147, 209, 211 – Die Eucharistie 161 – Gebet 205, 219 f. Eucharistisches Geschehen 103 Evangelium – Gebrauch 170 f. – Lesung 200 Evangelisches Gottesdienstbuch 199 ex opere operato 110 Exagoge 32 Exegese – historisch-kritische 211
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Exodus 15, 20, 23, 33, 84 Exodustanz 39 Extra Calvinisticum 128 Ezechielbuch 7 Feast of meanings 239 Fest der ungesäuerten Brote 6, 15 Festkalender 17 – der Samaritaner 10 – deuteronomischer 15, 19 – in Num 28–29 17 Festritus 21 fides – apprehensiva 171 – promissio und 146 figura 103 Fisch 81 Fleisch 58, 81, 98 Fluchwort 74 Formelkompromiss 240 Frau 78 Frevler 33 Friedensgruß 200 f. Fronleichnam 111, 177 Frühjahrsäquinoktium 30 Fürbitten 198, 200 f. Gabenbereitung 199 Gabenbetrachtung 200 Gabenprozession 199 Gabewort 58 Garizim 10, 13, 14 Gastmahl 166 Gastrecht 166 Gebet 43, 54, 57, 61, 68 f., 75–77, 96, 199 f., 205, 210, 221 Gebot – neues 87 Gedächtnis – kulturelles 20 – des Todes Jesu 148, 164, 235 Gedächtnismahl 160, 202 Gedenken 31 Gefühl 209
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Sachregister
Geist – des Lebens 40 – des Menschen 145 – Geist und Materie 121, 137 – heiliger 88, 129, 145, 151, 180 Gemeindeaufbau 196 Gemeindegebet 75 Gemeinschaft 88 – als κοινωνία 72 – Gemeinschaftskelch 206 – Gemeinschaftsmahl 202, 216 – der Heiligen 163 – kirchliche 142, 159, 222–224 – s. Abendmahl Gender-Perspektive 196 f. Gerechte 33 Gerechtigkeit – Christi 146 Gericht 224 Gesäuertes – Enthaltung von Gesäuertem 9 Gesetz und Evangelium 173, 181, 183 Geste – explikatorische 206 – liturgische 207 Gewissen 211, 224 Glaube 141, 144, 146, 155, 171, 174 f., 183 Glaube und Wissen 225 Glaube, Liebe Hoffnung 152 Glaubensbekenntnis s. Bekenntnis Glaubensgewissheit 214 Gleichnis vom großen Gastmahl 210 Gloria 198, 200 Glutenunverträglichkeit 206 Gnade – als qualitas 153 – Einflößung 152 – Mitteilung 151 – Vermittlung 152 Gnosis 88
Gott – Gott und Welt 137 – Lob Gottes 39 – Reich Gottes 212 f. Gottesdienst – eucharistisch 101 – ökumenisch 2 – Schulgottesdienst 2 – Wortgottesdienst 54, 212, 217 Gotteswort und Menschenwort 120 Götzenopferfleisch 69 Grammatik des Heiliges Geistes 180 Gregorsmesse 112 Haburamahl 138 Handeln – in persona Christi 163 f. Haus – als Tempel 36 – Privathaus 77 hebräisches Denken 138 Heidelberger Katechismus 151, 185 heilig 44, 204 Heilige Schrift 38 Heiligkeitsgesetz 16 f. Heiligtumsbindung s. Zentrali sation des Kultes Heilmittel 142 Heilsgewissheit 203 Heilswerk Christi 147 Heilswillen Gottes 154 Herrenmahl 53, 209 Herrentag 96, 98 Herrnhuter 207 Hexateuch 21 Hierarchie 210 himmlische Tafeln 31 Hingabeformel 168 Hochgebet 75 Hochzeitsmahl 43 Hoheslied 43 Honigwabe 40
Sachregister
Hostie 112, 198, 201, 205, 207 Hostienfrevel 112 Humanismus 121 Hymnen 77 Identität 44, 171 f., 173, 174, 187 Identitätsaussage 105 Idiomenkommunikation s. communicatio idiomatum „in, mit und unter“ 118, 216 Individuierung 184 f. Inszenierung 196 Interkalation 29 intinctio 108, 201, 206 intra usum 207 Introituspsalm 198, 200 iustus et peccator 173, 178 Jahr – 364 Tage 28, 31 – 365 ¼ Tage 29 Jahwist 21 f. Jesaja-Apokalypse 6 Jesajarolle 28 Jesus Christus – als Herr 53, 87 – als Mahlherr 145, 150, 164, 182 – als Sohn/Knecht Gottes 87 – Gedächtnis des Todes 148, 164 – Handeln 177 – historischer 226 f. – Opfer 147 f., 160 Jesus Sirach 6 Jom Kippur 17 Joseph und Aseneth 6, 39 f. Josia 25, Josia-Reform 26 Josua 24 f. Jubelmahl 73 Jubiläenbuch 6, 28 f., 30 f., 32 Jude 8 Judentum – antikes 27 – in Alexandria 39
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Jünger 163 Kalendertexte 28 f. Karfreitag 208 Katechumenat 212 Kategorie – theologische Basis-Kategorie 24 Kelch – des Hinterhalts 40 – des Segens 53, 69, 164 – Einzelkelch 206 – Gemeinschaft 206 – Gießkelch 206 – Verzicht auf 108 Kelchhandlung 64 Kelchverzicht 108 Kelchwort 56, 61, 167 Kind 78 Kinderabendmahl 196, 200 f., 205, 223 f. Kirche 148, 163 Kirchenaustritt 223 f. Kircheneintritt 213 Kirchenrecht 196, 209 Kirchentag 197, 205, 222 Kirchenzucht 79, 157, 196, 224, 238 Kirchlichkeit des Sakraments 158 Kleinvieh 13, 20 Knochenbrechen – Verbot 31 f. Knochendepot 38 Kochen 13 Kollekte 199, 211 Kollektengebet 198 Kommunikant 199 Kommunikation – des Sünders mit Gott 142, 180 – Medium 142 Kommunikationsvollzug 181 Konfirmation 1, 225 f. Königreich Gottes 61, 63, 227 Königsherrschaft Gottes 63, 213 Konkordienformel 129, 155 Konsekration 101, 220
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Sachregister
Konsubstantiation 113, 178 Konzil – Viertes Laterankonzil 105, 107, 109, 176 – von Chalcedon 160 – von Konstanz 114 – von Trient 129, 152, 175 – von Vienne 114 Kopräsenz s. Präsenz Körper – Seele und 137 Kreuz – Jesu 149 – Kreuzesnachfolge 167 – Zeichen 206 Kult – Unterscheidung von Ritus 16 Kultmahl 37, 39 Kulturanthropologie 233 f. Kurztext – lukanischer 63 Kuschelgruppe 222 Kuss – heiliger 75 Kybernetik 196 Kyrie 198 f., 200 Kyrios s. Jesus Christus Laienkelch – Empfang 114, 117 Laubhüttenfest s. Sukkot Lebenshingabe 87 Lebensvollzug Jesu 170 Leib – Opferleib 59 – als Medium 145, 186 – als Zeichen 156 – Christi 102, 156, 159 – Kirche als Leib Christi 148, 163 – Leib und Blut Christi 58, 60, 181, 186, 218, 228 Leidensgedächtnisfeier 27 Letztes Mahl Jesu 55, 73, 79, 82, 84, 86, 139, 148 f., 161, 163, 203, 210
Leuenberger Konkordie 2, 131, 160, 216 f. Leviten 13 Liebe 54 Lieder 75 Lima-Erklärung 161 Lima-Liturgie 160, 219 Liturgie – Gesang 205 – Geschichte der 197 – Geste 207 – Mysterium und 101 – Theologie der 195, 197 Liturgische Bewegung 150, 160 Lobpreisbecher 69 Lobspruch 61 Lohn 147 magnus consensus 227 Mahlelemente – Abfolge 69, 95 f. Mahlfeier – am Morgen 78, 97 – Gestalt und Ablauf 54, 67–79 – griechisch 6 – jährlich 79 Mahlgebet 69, 75–77 Mahlgemeinschaft – als Kommunikation Jesu mit der Gemeinde 159 – Gastmahl 166 – mit dem Auferstandenen 80, 86, 236 – mit Sündern, Aussätzigen und Zöllnern 80, 82, 203, 210, 212, 214, 218, 236 Mainzer Dom 111 Malta-Bericht 159 manducatio – fidelium 154, 187 – impiorum 128, 154, 187, 238 – indignorum 128, 154, 228, 238 – oralis 155 Maranatha 74, 88
Sachregister
Marburger Religionsgespräch 125 Marzeach 6, 7, 41 f. Mastema 31 f. Mazzot 6, 7, 8, 10, 14, 15, 16, 17, 20, 23 Messe 110 f., 168 Messformular 1 Messianisches Mahl 89, 212 f., 236, 238 Messias 37 Messopferlehre 157, 219 Messpfaffe 111 Messvollzug 111 Mikrophon 207 Mischna – Berachot 69 – Pesachim 6, 9, 14, 36 Missionsbefehl 163 Monstranz 111 Morgengottesdienst 97 Mose-Tora 26 Mundkommunion 198, 221 Mysterium – Mysterienkult 33, 39, 84, 138, 211 – liturgischer Vollzug 101, 103, 139, 213 – Sinnerfahrung 139 Mystik 114 Nachfolge 172, 174 Nisan 9, 13 Norm 235 Not 206 Noviziat 37 Oikodome 196 Ökumene 197, 223 f., 240 Omergabe 17 Opfer – Altar 99 – Brandopfer 18 – Christi 147 f., 160 – Dankopfer 35, 54, 198 f., 201
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– der Kirche 147 – Eucharistie als 99, 116, 118, 141, 148, 150 – Feueropfer 17 f. – Heilsopfer 219 – kultisches 19, 59 – Opferfest 31 – Opferleib 59 – Schlachtopfer 23 – Speiseopfer 18 – Sühnopfer 18 – Theologie 197, 204 – verdienstlich 147 Opferthematik 17 Orantenhaltung 201 Orthodoxie 219 Ostraka 8 Papyrus 8 Papyrus Cowley 8 Paraklet 88 Passa s. Pesach Passa-Papyrus 8 Passamahl s. Pesach Passion – Christi 110, 149, 165 – Passionsbericht 60, 167 – Passionschronologie 237 – vor-markinischer Passions bericht 61 Pentateuch 21 – samaritanischer 11 Performance 196 Pesach – Ägypten-Passa 15, 21, 23 f., 32, 43, 84 – als Opfer 29 f., 30 f., 33, 45 – als Übergang 36 – Begriff 35 – christliche Liturgie 67 – Demokratisierung 45 – drei Dimensionen 35 – Erzählung 21 – Familienfeier 12, 13, 15
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Sachregister
Festlegung 43 Hiskia-Passa 25 Josia-Passa 24 f. Josua-Passa 24 f. Lamm 31 Liturgie 36 Mahl 5, 6, 7, 8, 9, 12, 14, 16, 17, 19, 20, 22, 23, 24, 60, 79 f., 84, 138, 211, 236 – Nacht 33, 56 – Ordnung 18, 21 – samaritanisches 11 – Termin 13 – Termin 30 – Theologie 79, 84 – vorübergehen 35 – Wallfahrtsfest 14, 18, 19 – Zyklus 21 Petrus-Akten 78 Phänomenologie 197 Plagen- und Meerwunderzyklus 21 Poimenik 196 Prädestination 129 Präfation 198, 201, 218 Praktische Theologie im Vollzug 209 Präsenz – Christi 89, 98 f., 104, 111, 119, 122, 126–129, 131, 140, 148, 150, 153 f., 155, 159 f., 182, 214, 216, 221, 235 – kommemorative Aktualpräsenz 58, 148, 159, 177 – prinzipiale Personalpräsenz 58, 159, 216 – proleptische Finalpräsenz 58 – somatische Realpräsenz 58, 102, 107, 109, 159, 160, 175–188, 207, 216 – Kopräsenz 178 Predigt 72, 198, 201 Priester – als Repräsentant 110 f.
– Amt 150, 157, 164 – im antiken Judentum 37 – und Laien 212 – Weihe 158 Priesterschrift 16, 21 f. Priestertum aller Getauften 204 pro loco 199 pro nobis 206, 238 pro tempore 199 promissio 116, 146, 184 Prozess – konziliarer 199, 202 qårban 18 Qiddushmahl 138 Qumran 28, 36 Realität 103 Realpräsenz 58, 102, 107, 109, 159, 160, 175–188, 207, 216 Realsymbol 104, 177 Rechtfertigung 116, 131, 178, 182 Reformpapsttum 106 rein/unrein 18 f., 26, 38 Reinheitsgebote 9 res 101 Rezeptionsästhetik 196 Reziprozitätsmodell, kommuni katives 129 Rind 20 rite 202 Ritual 44 Ritus – apotropäischer 22 f., 32 – Blutritus 13, 22, 34, 44 – Unterscheidung von Kult 16 Rosch-Haschana 17 Ruhegebot 17 Rüstgebet 198 Sabbat 13, 38 Sakrament – als Zeichen 101, 155 f., 177, 196, 234
Sachregister
– der Einheit 137, 159 – Handeln 211, 217 – der Kirche 157 f. Sakramentenlehre 109, 117, 121 f., 145, 146, 148, 155 Sakramentenparallelismus 151 Sakramentshaus 112 Sakramentsunterricht 225 Salbe – der Unverweslichkeit 39 f. – des Verderbens 40 Salz 39 Samaritaner 7, 10 Sanctus 198, 201 Sapientia Salomonis 32 f. Sardinen 71 Sättigungsmahl 54, 67, 70, 72, 96, 203, 233 Sauerteig-Verbot 8 Schawuot 17, Schisma – der Samaritaner 10 – von 1054 106 Schlachtritual 23 Schmalkaldischer Bund 127 Schmerzensmann 112 Schöpfung 202, 218 Schriftauslegung – allegorische 34 – situationsbezogene 209 Schriftlesung 43, 98 Schuld – Bewältigung 173 – Bewusstsein 172, 174, 225 – offene 198, 216 Schutz 36 Seele – Reinigung 35 – Seele und Körper 137 – Versuchung der 35 Seelsorge 196 Segen – aaronitischer 199 – Becher des 39, 69
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– erweiterter 200 – Formel 77, 214 – Kelch des 53, 69, 164 Seitenaltar 111 Seitenkapelle 111 Semiotik 196, 233 Sektenregel/Gemeinderegel 28, 36 f. Selbsthingabe 148 Sichem 10 Siebenerschema 17 signum 101 Sitz im Leben 66 sola fide 218 Sonntag 72, 78, 98 Soteriologie 147 species 109 Speisegebote 39 Speisungsgeschichte 73, 82 Speisungswunder 71, 80 Spendeformel 1 Spiritualisierung – des Opfers 44 Spiritualität 197, 221 f., 227 Stellvertretung 129, 173, 236 Stiftungsakt Jesu 162 sub una 206 substantia 107 Substanzwandel 177 Sühne 24, 36, 59, 236 Sünde – Bewältigung 174 – Selbstverständnis des Sünders 174 – Sündenbekenntnis 87 – Tod des Sünders 174 – Vergebung der 62, 87, 116, 141, 146, 174, 167, 182 f., 202, 207, 215 f., 218, 220, 236 Sukkot 17 sursum corda 151 Symbol 103 Symposien-Protokolle 43 Symposium 6, 36, 38 Synagoge 43
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Sachregister
Synekdoche 123 Synkrisis 33, 38 Tabernakel 112, 177, 207 Tag der ungesäuerten Brote 5 Tag des Lärmblasens s. RoschHaschana Taufe 61, 185, 213, 223 f., 225 Taufe, Eucharistie und Amt 219 Teilgabe an der Wirklichkeit Christi 148 f. Tempel – in Jerusalem 13, 14, 19 – JHW-Tempel in Elephantine 8 – Salomonischer 15 – Zweiter 14 Tempelrolle 28 f. Testament Abrahams 32 Theophagie 85 Theorie und Praxis 195 Theoxenie 85 Therapeuten 38 Thomas-Akten 78 Tierknochen 29 Tisch – der Dämonen 53 – des Herrn 53, 78, 207 Tischgemeinschaft – mit Jesus 80 Tod – Christi 60, 147, 167 f., 170 – des Gottlosen 169 – im Kontext der Mahlfeier 41 Tosefta Pesachim 11 f. Totenmahlrelief 41 f. Tora – schriftliche 10 Traditio Apostolica 66, 224 f. Tragiker Ezechiel 32 Trankspende 69 Transfinalisation 177 Transsignifikation 177 Transsubstantiation 109, 112, 117, 176 f.
Traubensaft 2, 205 triclinium 77 Tropus 123 Ubiquität 124 Ungetaufte 204, 213 unio cum Christo 156, 185 Union – altpreußische 130 Unsterblichkeit 39 f., 88, 98 Unsterblichkeitsmedizin 98, 124 Utraquismus 114 Vaterunser 198, 200 f. verba testamenti s. Einsetzungsworte Verbrennung – der Fettstücke 13 – der Überreste 13 verbum visibile s. Wort Verderber 22 Verdienst 147 Vereine 71, 85 Vergebung – s. Sündenvergebung – Vergebungszuspruch 198, 218 Vergegenwärtigung 57, 152 Vergegenwärtigung des Heils geschehens 110 Verheißung 141, 155, 217 f., 234 Verkündigung – des Todes Jesu 87 Verrat 164 f., 167, 168 Versammlungslokal 77 Versöhnung 238 Versöhnungstag s. Jom Kippur Verstehen – Gottesverständnis 144 – neues Selbstverständnis 186 – Selbstverständnis 144 f., 172, 174 Verzichtswort 61, 89 Via antiqua 112 Via moderna 112
Sachregister
Völkermahl 38 Votum – trinitarisches 199 Wächteramt der Theologie 179 Wallfahrtsfest 43 Wandelkommunion 201, 207 Wandlung 98 f., 109, 112, 176 Waschen – der Kleider 13 Wasser 39, 59, 97 Wein 31, 59, 71, 205, 232 Weisheit Salomos s. Sapientia Salomonis Weltkirchenrat 212 Wesensgleichheit Christi 99 Wiedererkennen 71 Wiederholungsbefehl 60, 150, 167 Wiederkunft Christi 61 Winkelmesse 111 Wittenberger Konkordie 128, 132 Wochenfest s. Schawuot
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Wormser Edikt 118 f. Wormser Reichstag 118 Wort – äußeres 155 – Gottes 141, 215 f. – sichtbares 141, 156 Wortgottesdienst s. Gottesdienst Würdigkeit 157, 224, 228, 238 Wüstenmanna 81 Zeichenhandlung 196, 234 Zeichentheorie – augustinische 151 Zelebrationshostie 201 Zentralisation des Kultes 13, 15, 19, 25 Zueignung des Todes Jesu 170–172 Zuspruch 142, 172 Zwei-Naturen-Lehre 110, 123 f., 178, 181, 213
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