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German Pages [188] Year 2018
L’Homme. Europa¨ische Zeitschrift fu¨r Feministische Geschichtswissenschaft
Herausgegeben von Caroline Arni/Basel, Gunda Barth-Scalmani/Innsbruck, Ingrid Bauer/Wien und Salzburg, Mineke Bosch/Groningen, Boz˙ena Chołuj/Warschau und Frankfurt (Oder), Maria Fritsche/Trondheim, Christa Ha¨mmerle/Wien, Gabriella Hauch/Wien, Almut Ho¨fert/Oldenburg, Anelia Kassabova/Sofia, Claudia Kraft/Wien, Ulrike Krampl/Tours, Margareth Lanzinger/Wien, Sandra Maß/Bochum, Claudia Opitz-Belakhal/Basel, Regina Schulte/ Berlin, Xenia von Tippelskirch/Berlin, Heidrun Zettelbauer/Graz Initiiert und mitbegru¨ndet von Edith Saurer (1942–2011)
Wissenschaftlicher Beirat Angiolina Arru/Rom, Sofia Boesch-Gajano/Rom, Susanna Burghartz/Basel, Kathleen Canning/Ann Arbor, Jane Caplan/Oxford, Krassimira Daskalova/ Sofia, Natalie Zemon Davis/Toronto, Barbara Duden/Hannover, Ays¸e Durakbas¸a/Istanbul, Esther Fischer-Homberger/Bern, Ute Frevert/Berlin, Ute Gerhard/Bremen, Angela Groppi/Rom, Francisca de Haan/Budapest, Hanna Hacker/Wien, Karen Hagemann/Chapel Hill, Daniela Hammer-Tugendhat/ Wien, Karin Hausen/Berlin, Hana Havelkova´/Prag, Waltraud Heindl/Wien, Dagmar Herzog/New York, Claudia Honegger/Bern, Isabel Hull/Ithaca, Marion Kaplan/New York, Christiane Klapisch-Zuber/Paris, Gudrun-Axeli Knapp/Hannover, Daniela Koleva/Sofia, Brigitte Mazohl/Innsbruck, Hans Medick/Go¨ttingen, Michael Mitterauer/Wien, Herta Nagl-Docekal/Wien, Kirsti Niskanen/Stockholm, Helga Nowotny/Wien, Karen Offen/Stanford, Michelle Perrot/Paris, Gianna Pomata/Bologna, Helmut Puff/Ann Arbor, Florence Rochefort/Paris, Lyndal Roper/Oxford, Raffaela Sarti/Urbino, Wolfgang Schmale/Wien, Gabriela Signori/Konstanz, Brigitte Studer/Bern, Marja van Tilburg/Groningen, Maria Todorova/Urbana-Champaign, Claudia Ulbrich/Berlin, Kaat Wils/Leuven
L’Homme. Europa¨ische Zeitschrift fu¨r Feministische Geschichtswissenschaft 29. Jg., Heft 2 (2018)
1914/18 – revisited Herausgegeben von Christa Ha¨mmerle, Ingrid Sharp und Heidrun Zettelbauer
V& R unipress
Inhalt
Christa Ha¨mmerle, Ingrid Sharp und Heidrun Zettelbauer Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Beitra¨ge Angelika Schaser ¨ sterreich in frauen- und Der Erste Weltkrieg in Deutschland und O geschlechtergeschichtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Alison S. Fell Female War Icons: Visual Representations of Women’s Contribution to the First World War in France and Britain in 1914–1918 and 2014–2018 . . . .
35
Fa´tima Mariano and Helena da Silva From Memory to Reality: Remembering the Great War in Portugal and Gender Perspectives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Judit Acsa´dy, Zsolt Me´sza´ros and Ma´te´ Zombory Reflections on the Gender Aspects of World War One: Commemoration Projects and Historiography in Hungary . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stefania Bartoloni Geschlechterspezifische Erinnerungsdiskurse zum Krieg 1915–1918. Das Fallbeispiel Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Extra Benjamin Ziemann Ambivalente Ma¨nnlichkeit. Geschlechterbilder und -praktiken in der kaiserlichen Marine am Beispiel von Martin Niemo¨ller . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Forum Ingrid Sharp Gedenken an den Kriegswiderstand 1914/18 in Großbritannien: Eine geschlechtergeschichtliche Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
Im Gespra¨ch Christa Ha¨mmerle im Gespra¨ch mit Margaret R. Higonnet “When is change not change?” Gender Relations and the First World War
. . 117
Aus den Archiven Benno Gammerl Das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus (E2H) – Queeres Kulturhaus in Berlin . . 127
Aktuelles & Kommentare Maria Ro¨sslhumer ¨ sterreich . . . . . 135 „Home Sweet Home“? 40 Jahre Frauenhausbewegung in O
Rezensionen Silke Fehlemann Linda J. Quiney, This Small Army of Women. Canadian Volunteer Nurses and the First World War Cynthia Toman, Sister of the Great War. The Nurses of the Canadian Army Medical Corps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Angelique Leszczawski-Schwerk Angela K. Smith, British women of the Eastern Front. War, writing and experience in Serbia and Russia, 1914–20 Aibe-Marlene Gerdes u. Michael Fischer (Hg.), Der Krieg und die Frauen. Geschlecht und popula¨re Literatur im Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . 149 Theresa Adamski Judith Szapor, Hungarian Women’s Activism in the Wake of the First World War. From Rights to Revanche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Maria Fritsche Digital Humanities Project „GWonline, the Bibliography, Filmography and Webography on Gender, War and the Western World since 1600“ . . . . . . 155
Inhalt
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Ulrike Krampl Maria Ågren (Hg.), Making a Living, Making a Difference. Gender and Work in Early Modern European Society . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Martina Gugglberger Kirsten Ru¨ther, Angelika Schaser u. Jacqueline van Gent, Gender and Conversion Narratives in the Nineteenth Century. German Mission at Home and Abroad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Li Gerhalter Johann Bacher, Waltraud Kannonier-Finster u. Meinrad Ziegler (Hg.), Marie Jahoda. Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850–1930. Dissertation 1932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Ingrid Bauer Bernhard Gotto u. Elke Seefried (Hg.), Ma¨nner mit „Makel“. Ma¨nnlichkeiten und gesellschaftlicher Wandel in der fru¨hen Bundesrepublik . . . . . . . . . 168 Abstracts
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Anschriften der AutorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Editorial
Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges ist in den letzten Jahren auch in jenen europa¨ischen La¨ndern, in denen das kollektive Erinnern an den Krieg lange marginalisiert blieb, ins Zentrum staatlich-nationaler Selbstvergewisserung und historiografischer Deutung getreten. Die darauf bezogenen, schon 2012 einsetzenden Aktivita¨ten sind in der Folge schier unu¨berschaubar geworden. Sie reichten und reichen von einer hohen Pra¨senz in der medialen Berichterstattung u¨ber Fernsehdokumentationen, Ausstellungen, Gedenkveranstaltungen und Fachtagungen bis hin zu wissenschaftlichen (Groß-)Publikationen; auch das Internet wurde dabei zu einer vielfach genutzten Plattform. An all dem wirkten auch Historiker und – weit seltener – Historikerinnen mit, die sich seit langem mit den Ursachen, Ereignissen und Folgen des Ersten Weltkrieges auseinandergesetzt haben. So ist es teilweise gelungen, den Mainstream der Kriegsdeutungen mitzugestalten, ja zu lenken – nicht zuletzt als Ausdruck einer sich am o¨ffentlichen Interesse kristallisierenden Selbstlegitimation der Disziplin. Das gilt insbesondere fu¨r die erneut aufgegriffene Frage der Kriegsschuld1 sowie fu¨r die – ungeachtet mancher innovativer transnationaler und globaler Synthesen – in vielen La¨ndern gleichzeitig auffallend stark in nationalen oder lokalen Kontexten verbleibenden Initiativen und Forschungen. Nicht selten wurden diese auch staatlicherseits koordiniert, sei es durch eigens eingerichtete Kommissionen oder beauftragte Institute, die verschiedene Gedenkveranstaltungen zu 1914/18 bu¨ndeln und – zumindest implizit – auch politisch kanalisieren sollten, sei es durch die gezielte Vergabe von Forschungsgeldern. Die aktuell zirkulierenden Wissensdiskurse zum Ersten Weltkrieg sind auf diese Weise von Formen der o¨ffentlich-medialen Steuerung, der Einflussnahme und Logik damit verbundener Erinnerungspolitiken und Deutungska¨mpfe vielfach nicht zu trennen: Sie schließen ein oder grenzen aus, hierarchisieren Relevanzen und generieren so intensiv diskutierte Wissensbesta¨nde ebenso wie Lu¨cken in der wissenschaftlichen wie o¨ffentlichen Diskussion. 1 Diese Debatte entstand neu in der Folge von: Christopher Clark, The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London 2012 (dt.: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, Mu¨nchen 2013).
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Wie steht es angesichts solcher Befunde um die Relevanz oder Des/Integration der analytischen Kategorie Geschlecht? Vor dem Hintergrund des historiografischen ,Großereignisses‘ der Erinnerungen an 1914/18 ist es fu¨r eine Zeitschrift wie „L’Homme. Z. F. G.“ naheliegend danach zu fragen, inwieweit frauen- und geschlechtergeschichtliche Zuga¨nge hierbei eine Rolle gespielt haben und welche Themen oder Aspekte aufgegriffen oder gar neu erforscht wurden. Kann die Bilanz tatsa¨chlich so positiv ausfallen, wie arrivierte Historiker in publizierten Forschungsbe¨ ffentlichkeit richten suggerieren? 2 Wurde das in den letzten Jahren so breit in die O getragene Gedenken an den Ersten Weltkrieg auch im Sinne frauen- und geschlechterhistorischer Perspektiven als Chance der Neuausrichtung von Wissensbesta¨nden, Projekten, Quelleneditionen und Forschungsarbeiten genutzt? Oder muss vielmehr die von feministischen Wissenschaftlerinnen auf der Basis von Fallbeispielen bereits gea¨ußerte Beobachtung einer (partiellen) Ru¨ckkehr der prima¨r in nationalgeschichtliche Kontexte eingepassten ,ma¨nnlichen Meistererza¨hlung‘ zum Ersten Weltkrieg3 auch umfassender konstatiert werden? Wenn dies der Fall ist, wie gestalteten sich diese Erza¨hlungen, welche Schwerpunkte und Zuga¨nge standen im Zentrum einzelner Weltkriegshistoriografien? Gilt fu¨r sie (noch immer), dass der damit verbundene Anspruch, ,Allgemeingeschichte‘ darzustellen, im Prinzip ohne Integration der analytischen Kategorie Geschlecht verfa¨hrt und „die Frau im Weltkrieg“ – wenn u¨berhaupt – nur als Attribut beziehungsweise in Form von ,Sonderkapiteln‘ abgehandelt bleibt? Existieren dabei feststellbare Unterschiede in nationalen Erinnerungs- und Wissenschaftskulturen, und wenn ja, wie lassen sich diese erkla¨ren? Der von solchen Fragen geleitete kritische Ru¨ckblick im Sinne eines „1914/18 – revisited“ erfolgt in dieser Ausgabe von „L’Homme. Z. F. G.“ auch vor dem Hintergrund eines im transnationalen Vergleich disparaten Forschungsstandes. Im angloamerikanischen beziehungsweise englischsprachigen, auch die USA, Kanada oder Australien inkludierenden Wissenschaftsfeld wurden frauen- und geschlechtergeschichtliche Studien, die hier spa¨testens seit den 1980er-Jahren entstanden und in den letzten Jahren durch eine Reihe von neuen Vero¨ffentlichungen fortgesetzt wurden,4 2 Vgl. Stig Fo¨rster, Hundert Jahre danach. Neue Literatur zum Ersten Weltkrieg, in: Neue Politische Literatur, 60 (2015), 5–25; Alan Sked, Austria-Hungary and the First World War, in: Histoire@Politique. Politique, culture, socie´te´, 1, (2014), 16–49, unter: www.cairn.info/revue-histoirepolitique-2014-1-page-16.htm, Zugriff: 2. 7. 2018. 3 Vgl. Christa Ha¨mmerle, Traditionen, Trends und Perspektiven. Zur Frauen- und Geschlechterge¨ sterreich, in: Geschichte und Region/Storia e regione, 23, 2 schichte des Ersten Weltkriegs in O ¨ beregger, (2014): Krieg und Geschlecht/Guerra e genere, hg. von Siglinde Clementi u. Oswald U 21–48; Ingrid E. Sharp, Geschlechtergeschichte und die Erforschung des Ersten Weltkriegs in Deutschland: Entwicklungen und Perspektiven, in: ebd., 49–66; Ana Carden-Coyne, Masculinity and the Wounds of the First World War: A Centenary Reflection, in: Revue Française de Civilisation Britannique. French Journal of British Studies, 20, 1 (2015): Revisiting the Great War, hg. von John Mullen u. Florence Binard, 1–8, 6. 4 Zu den Neuerscheinungen der letzten Jahre, die zum Teil in Form von Sammelba¨nden transnational-
Editorial
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generell in der Historiografie zum Ersten Weltkrieg relativ breit rezipiert. Ihre Ergebnisse fließen somit immer wieder auch in die hegemoniale Kriegserinnerungskultur dieser La¨nder ein. Fu¨r anderssprachige Wissensdiskurse gilt dies weniger: Hier sind frauen- und geschlechtergeschichtliche Forschungen zum Ersten Weltkrieg, so es sie u¨berhaupt in gro¨ßerem Umfang gibt, bis heute meist nur am Rande der Disziplin und in eher vereinzelten o¨ffentlichen Aktivita¨ten verortet, obwohl gerade in ju¨ngerer Zeit ebenfalls einige wichtige Publikationen mit entsprechendem Fokus vorgelegt wurden.5 Konnten solche Analysen aber tatsa¨chlich in die o¨ffentliche Gedenkkultur intervenieren und damit verbunden in Deutungska¨mpfe zum Ersten Weltkrieg? Wurden sie breiter rezipiert oder ist es ihnen sogar gelungen, hegemoniale historiografische Narrative aufzubrechen und zu vera¨ndern? Um solche Fragen zu beantworten, haben die Herausgeberinnen dieses Heftes, die in den letzten Jahren selbst in verschiedene Aktivita¨ten zu 1914/18 involviert waren, ¨ sterreich, Frankreich/Großbritannien, Italien, Portugal Fallstudien zu Deutschland/O und Ungarn zusammengestellt. Die Autor_innen der versammelten Beitra¨ge nutzen dabei je unterschiedliche methodische Zugangsweisen, um den skizzierten Fragen nachzugehen; zugleich wird in allen La¨ndern, die in den Blick genommen werden, eine breite Palette von (popula¨r-)wissenschaftlichen und medialen Gedenkformen deutlich. Obwohl die gezogenen Bilanzen verschieden ausfallen, zeigt sich doch in allen Beispielen, dass prima¨r frauengeschichtliche Themen integriert wurden beziehungsweise das analytische Potenzial der Kategorie Geschlecht kaum ausgescho¨pft wurde, um u¨berkommene historiografische Konzepte oder Narrative zum Ersten Weltkrieg zu dezentralisieren und umfassend neu auszurichten. Die Chance, die sich im Kontext des Gedenkens an 1914/18 fu¨r eine Reformulierung bisheriger Mainstream-Konzepte zum Ersten Weltkrieg bot, scheint – so das Fazit – damit weitgehend vertan worden zu sein. Nach wie vor ist die dreifache Forderung der Frauen- und Geschlechtergeschichte nur partiell umgesetzt: na¨mlich Frauen in der Geschichte sichtbar zu machen, Ma¨nner ebenfalls als Geschlechtswesen zu begreifen und damit auch Ma¨nnlichkeitskonstruktionen in den Blick zu nehmen und Geschlecht konsequent als grundlegendes Moment
vergleichend verfahren, geho¨ren etwa: Susan R. Grayzel, The First World War: A Brief History with Documents, Bedford St. Martin’s 2012; Susan R. Grayzel u. Tammy M. Proctor (Hg.), Gender and ¨ beregger u. Birgitta Bader-Zaar (Hg.), the Great War, Oxford 2017; Christa Ha¨mmerle, Oswald U Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014; Ingrid Sharp u. Matthew Stibbe (Hg.), Women Activists between War and Peace. Europe 1918–1923, London 2017; Ingrid Sharp u. Alison S. Fell (Hg.), The Women’s Movement in Wartime. International Perspectives 1914–1919, Basingstoke/New York 2007; Bruna Bianchi u. Geraldine Ludbrook (Hg.), Living War, Thinking Peace (1914–1924). Women’s Experiences, Feminist Thought, and International Relations, Cambridge 2016. Vgl. auch die themenrelevanten Rezensionen in diesem Heft. ¨ sterreich und Deutschland die Bilanzen zu solchen Forschungen in: Ha¨mmerle, Tradi5 Vgl. fu¨r O tionen, und Sharp, Geschlechtergeschichte, wie Anm. 3, sowie einzelne Beitra¨ge dieser Ausgabe von „L’Homme. Z. F. G.“.
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gesellschaftlicher Ordnungssysteme beziehungsweise damit verbundener Machtverha¨ltnisse zu beru¨cksichtigen. Genau das ist auch die Einscha¨tzung von Angelika Schaser im ersten Heftbeitrag. Sie untersucht darin ein gro¨ßeres Sample von nach 2013 erschienenen wissenschaftlichen Texten, wobei sie auf den Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich und dem damaligen ¨ sterreich(-Ungarn) fokussiert. Hierfu¨r unterscheidet sie Literaturberichte und AnaO lysen zum Forschungsstand von Enzyklopa¨dien oder Sammelwerken mit transnationalen und globalen Perspektiven einerseits und nationalen, regionalen oder lokalen Studien andererseits. Jene Werke, Buchbeitra¨ge oder Passagen, die frauen-, ma¨nneroder geschlechtergeschichtliche Aspekte integrieren, unterzieht Schaser einer genaueren Analyse; sie fragt nach deren Funktion und Stellenwert im Kontext der jeweiligen Publikation ebenso wie nach der Persistenz u¨bergeordneter ,Meistererza¨hlungen‘. Ihr zufolge spielt die analytische Kategorie Geschlecht in der trotz neuer Trends nach wie vor dominierenden Milita¨r- und Politikgeschichte eine geringere Rolle, selbst wenn ihr ein innovatives Potenzial zugesprochen wird. Verwendet wird sie vor allem, um Frauen als Akteurinnen oder die ,Heimat‘ beziehungsweise die ,Heimatfront‘ in den Blick zu nehmen – also nur als „deuxie`me histoire“ im Sinne von Simone de Beauvoir. Alison S. Fell zeigt, wie der Krieg in Frankreich und Großbritannien Frauen sichtbar machte. Visuelle Medien konstruierten neue Vorbilder, die zwar den gea¨nderten Umsta¨nden entsprachen, jedoch der Vielfalt an neuen Mo¨glichkeiten fu¨r Frauenta¨tigkeiten nicht gerecht werden konnten. Bilder patriotischer Kriegsarbeit dienten in beiden La¨ndern als Propaganda fu¨r die Regierungen, die auf Frauenarbeit angewiesen waren. Sie nutzten außerdem den Anliegen der damaligen Frauenbewegung/en, die sich fu¨r politische Rechte fu¨r Frauen engagierten. Fell zeigt, wie Bilder von Frauen im Ersten Weltkrieg auch heute fu¨r verschiedene Zwecke eingesetzt werden. In ihrem Beitrag vergleicht sie, wie das ,Kriegserlebnis‘ von Frauen in Frankreich und Großbritannien kurz nach Kriegsende und hundert Jahre spa¨ter dargestellt wird. Sie arbeitet heraus, dass der Fokus auf Ausnahmen, auf mutige Heldinnen und Ma¨rtyrerinnen, im Prinzip gleichgeblieben ist – obwohl sich der Begriff vom ,weiblichen Heldentum‘ gleichzeitig erweitert hat. Damit ko¨nnen nun auch feministische Heldinnen gefeiert werden, die die ihrem Geschlecht zugewiesenen Grenzen beka¨mpften und sich auch wa¨hrend des Krieges fu¨r Frauenemanzipation einsetzten. Es folgen Beitra¨ge zu drei europa¨ischen La¨ndern, die innerhalb des transnationalen Wissensdiskurses zum Ersten Weltkrieg weit weniger oft vertreten sind – na¨mlich Portugal, Ungarn und Italien. Deren Forschungsstand ist freilich unterschiedlich, wie zuna¨chst Fa´tima Mariano und Helena da Silva fu¨r Portugal deutlich machen. Trotz unerwartet großem o¨ffentlichem und wissenschaftlichem Interesse an den Kriegsereignissen werden frauen- und geschlechtergeschichtliche Aspekte in der portugiesischen Erinnerungskultur vernachla¨ssigt. Die Betonung liegt nach wie vor auf der verallgemeinerten ,ma¨nnlichen‘ Kriegserfahrung in Milita¨r und Politik, auch Familiengeschichte wird lediglich aus der Perspektive ihrer ma¨nnlichen Mitglieder erza¨hlt.
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Von wenigen Ausnahmen abgesehen, bleiben die Kriegsbeteiligung der portugiesischen Frauen und die sozialen Vera¨nderungen infolge des Krieges ein weitgehend unerforschtes Gebiet. Die Autorinnen bieten dafu¨r zwei mo¨gliche Erkla¨rungen: Erstens gab es keine Kriegshandlung im Land selbst und die Mobilmachung betrug nur 3,5 Prozent der Ma¨nner, folglich fand keine tiefgreifende soziale Vera¨nderung der ,Heimatfront‘ statt. Dazu kommt, zweitens, die teilweise mit der hohen Analphabetenrate zusammenha¨ngende du¨rftige Quellenlage. So fehlen in den Archiven etwa Tagebu¨cher, Memoiren und Briefe, aber auch Schriften von Frauenorganisationen, die sich meist unmittelbar nach dem Krieg auflo¨sten, ohne ihre Korrespondenzen aufzubewahren. ¨ berliefert wurden fast nur von Ma¨nnern geschriebene Dokumente, was die WahrU nehmung versta¨rkt, dass der Krieg ausschließlich der ma¨nnlichen Spha¨re zuzurechnen sei. In Ungarn bildete – wie Judit Acsa´dy, Zsolt Me´sza´ros und Ma´te´ Zombory herausarbeiten – schon das Jahr 2012 den Auftakt fu¨r verschiedene erinnerungspolitische Aktivita¨ten. Sichtbar wird dabei, wie sehr jegliche Form der Gedenkpolitik in spa¨tmodernen Gesellschaften von je zeitgeno¨ssischen staatlich-nationalen sowie politischen Interessen gerahmt wird. Als Schlu¨sselmotiv im Fall Ungarn erweist sich ein Narrativ des Verlusts, welches mit einem zeitgleich stattfindenden Nationalisierungsschub korrespondierte. An die Geschichte des Ersten Weltkrieges wurden jedenfalls nicht nur heroisierende Erza¨hlungen angelagert, sondern auch solche u¨ber die ,nationale Gro¨ße‘ Ungarns, lediglich punktuell erga¨nzt durch kulturgeschichtliche Themen. Frauen fungierten dabei meist als ,Heldinnen der Heimatfront‘, mitunter wurden partizipationsbefo¨rdernde Aspekte betont. Generell wurde Geschlecht jedoch kaum konsequent integriert. Was mit Blick auf viele Gedenkinitiativen bleibt, ist der Befund einer Diskrepanz zwischen intendierten Zielen und realisierten Inhalten. Der Beitrag von Stefania Bartoloni zu Italien beschließt die transnationale Zusammenschau. Das Spezifikum dieses Fallbeispiels liegt darin, dass auf den Ersten Weltkrieg bezogene Geschlechterbilder im 20. Jahrhundert sowohl Anleihen am erinnerungspolitischen Repertoire der Feiern zur Einigung Italiens (1861) nahmen, als auch Bezugspunkte zum faschistischen Regime aufwiesen. Letzteres deklarierte den Krieg als zentrales ideologisches Moment und orientierte seine Geschlechterpolitik dementsprechend an Entwu¨rfen wehrhaft-soldatischer Ma¨nnlichkeit und fu¨rsorglichnationaler Mu¨tterlichkeit. Anders gestaltete sich die Situation nach 1945, als in dezidierter Abgrenzung vom Faschismus Akteurinnen und ihre Aktivita¨ten von 1915 bis 1918 zumeist ausgeblendet blieben beziehungsweise nur im Wissenschaftsfeld der neu entstandenen Frauengeschichte bearbeitet wurden. Erst mit dem Gedenkjahr 2015 ist die Forschung diesbezu¨glich wieder in Bewegung geraten. Ungeachtet dessen bleibt Bartolonis Fazit kritisch, insofern als sie auf einen signifikanten gender bias in der scientific community sowie auf weiterhin bestehende Desiderata verweist. Neben einschla¨gigen Rezensionen versammelt das vorliegende Heft weitere Beitra¨ge zum Themenschwerpunkt. Im „Forum“ befasst sich Ingrid Sharp mit den Initiativen
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zum Gedenken an Widerstand gegen den Krieg in Großbritannien. Es geht dabei um ein Themenfeld, das in der Forschung bis heute zu kurz kommt. Vor diesem Hintergrund stellt Sharp fest, dass auch hier die ,ma¨nnliche Kriegserfahrung‘ dominiert: Wa¨hrend Kriegsdienstverweigerer hohes o¨ffentliches Ansehen und wissenschaftliches Interesse genießen, wird der Anti-Kriegsaktivismus von Frauen weitgehend ausgeblendet. Fu¨r die Rubrik „Im Gespra¨ch“ hat Christa Ha¨mmerle ein schriftliches Interview mit Margaret R. Higonnet gefu¨hrt. Es stellt das in der einschla¨gigen Frauen- und Geschlechtergeschichte a¨ußerst einflussreich gewordene Modell der „Double Helix“ ins Zentrum, das Margaret und Patrice L.-R. Higonnet 1987 entwickelt haben, um die widerspru¨chliche Dynamik der Geschlechterverha¨ltnisse in und nach den beiden Weltkriegen zu fassen. Higonnets kritische Reflexion – sowohl des Potenzials als auch der Grenzen des Konzepts – entfaltet gleichzeitig eine spannende Reise in die seither entstandene, stark erweiterte Forschungslandschaft. Außerhalb des Schwerpunkts beleuchtet Benjamin Ziemann in „Extra“ am Beispiel des 1910 in die deutsche Marine eingetretenen protestantischen Pfarrersohnes Martin Niemo¨ller die zentrale Bedeutung des Milita¨rs fu¨r die Konstruktion von Ma¨nnlichkeit und entsprechende Praktiken der Kameradschaft. Er stu¨tzt sich hierbei auf eine dichte Quellenu¨berlieferung zur spa¨teren Leitfigur der Bekennenden Kirche und konstatiert, dass bisherige Biografien Niemo¨llers Ausbildung zum Seeoffizier nur ganz am Rande thematisiert haben. Hingegen zeigen seine Tagebu¨cher und Briefe, wie pra¨gend diese auch von Vereinsamung bestimmte Zeit fu¨r ihn war – nicht zuletzt angesichts der Gefahr einer von ihm innerlich beka¨mpften „Verrohung“ oder wegen der rigiden Heiratsbestimmungen fu¨r Offiziere, die den jungen Seekadetten zur schmerzvollen Auflo¨sung einer Liebesbeziehung motivierten. Seine milita¨rische Ma¨nnlichkeit kann nur als a¨ußerst ambivalent charakterisiert werden, was in der Offiziersforschung bislang unterbelichtet blieb. In der Rubrik „Aus den Archiven“ beschreibt Benno Gammerl aus einer auch kritischen Innenperspektive heraus die erfolgreiche Initiative zur Errichtung des „Eberskirchen-Hirschfeld-Hauses (E2H) – Queeres Kulturhaus in Berlin“. Dieses soll Anfang der 2020er-Jahre seine Pforten o¨ffnen und eine Reihe von Berliner LSBTI*Archiven und -Sammlungseinrichtungen unter einem gemeinsamen Dach vereinen – was einen ,Meilenstein‘, aber auch eine Herausforderung in der Kooperation aller Beteiligten darstellt. Ungeachtet vieler Hindernisse ebenfalls erfolgreich ist im Ru¨ckblick die seit vierzig Jahren aktive o¨sterreichische Frauenhausbewegung, die in „Aktuelles & Kommentare“ von Maria Ro¨sslhumer bilanziert wird.6 Ihren Aktivistinnen ist 6 Bisher sind in der Beitragsserie zur Geschichte und Gegenwart sexueller Gewalt folgende Texte erschienen: Gaby Zipfel, Sexuelle Gewalt – eine Einfu¨hrung, in: L’Homme. Z. F. G., 27, 1 (2016), 119–127; Alexandra Oberla¨nder, Zur Politisierung sexueller Gewalt. Der Fall Marija Spiridonova im revolutiona¨ren Russland 1906, in: L’Homme. Z. F. G., 27, 2 (2016), 133–142; Hyunah Yang, Justice Yet to Come: the Korea-Japan Foreign Ministers’ Agreement of 2015 Regarding the ,Japanese
Editorial
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es etwa gelungen, an der in Europa als vorbildlich gewerteten o¨sterreichischen Gewaltschutzgesetzgebung des Jahres 1997 mitzuwirken und mittlerweile insgesamt 30 Einrichtungen fu¨r gewaltbetroffene Frauen und Kinder zu betreiben – wobei nach wie vor ein dringender Bedarf an zusa¨tzlichen Einrichtungen besteht. Nicht zuletzt dieses Beispiel belegt eindringlich die Persistenz von physischer wie psychischer geschlechterbasierter Gewalt auch in heutigen ,Friedensgesellschaften‘. Es sind nach wie vor existierende Strukturen in hierarchischen Geschlechterbeziehungen, verbunden mit den vielfach schlechteren o¨konomischen Ressourcen von Frauen, die stets aufs Neue ha¨usliche (sexuelle) Gewalt perpetuieren – was eben immer wieder sichtbar gemacht werden muss, um eine Vera¨nderung zu bewirken. Letzteres gilt, um abschließend noch einmal auf den Heftschwerpunkt zuru¨ckzukommen, auch in Hinblick auf die staatlich organisierte Eskalation von Gewalt im Ersten Weltkrieg, fu¨r den Ma¨nner wie Frauen nicht zuletzt mittels der Kategorie Geschlecht mobilisiert wurden. In der heutigen Gedenkpraxis werden die grausame Wirklichkeit der Kriegsgewalt und ihre Folgen oft dezent hinter ,wu¨rdigen‘ und heroisierenden Symbolen und Gesten versteckt und ihre vergeschlechtlichte Natur wird kaum wahrgenommen. Das Tru¨mmerfeld Europa, welches dieser Krieg hinterlassen hat, muss von daher auch in dieser Hinsicht analysiert und erinnert werden. Die Verantwortung dafu¨r liegt nicht nur bei der Frauen- und Geschlechtergeschichte, sondern in einer erneuerten Geschichtswissenschaft insgesamt. Christa Ha¨mmerle, Ingrid Sharp und Heidrun Zettelbauer
Military Sexual Slavery‘, in: L’Homme. Z. F. G., 28, 2 (2017), 115–125; Birgitt Haller, Sexuelle Bela¨stigung von Lehrlingen und jungen ArbeitnehmerInnen, in: L’Homme. Z. F. G., 29, 1 (2018), 127–131.
Der Erste Weltkrieg in Deutschland und Österreich in frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive
Im vorliegenden Beitrag werden Neuerscheinungen zum Deutschen Reich und zur Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg untersucht, die nach dem Erscheinen der deutschen Ausgabe von Christopher Clarks „The Sleepwalkers“ 2013 publiziert wurden. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Rolle frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven darin spielen. Die Auswahl soll die Trends verdeutlichen, die sich momentan abzeichnen und die nur teilweise in einschla¨gigen Literatur- und Forschungsberichten bereits herausgearbeitet wurden. Am deutlichsten ausgepra¨gt erscheint das wachsende Interesse an transnationalen und globalgeschichtlichen Perspektiven bei gleichzeitigem Festhalten an nationalgeschichtlich konzipierten Darstellungen. Viele Arbeiten bescha¨ftigen sich auch mit den regional- und lokalgeschichtlichen Auswirkungen des Krieges und benutzen dazu gerne autobiografische Texte dieser Zeit als Quelle.1 Das Interesse an Ego-Dokumenten wird weit u¨ber das Fachpublikum hinaus von Sammlungen wie der Edition „Der Erste Weltkrieg in Nachla¨ssen von Frauen“2 und der „Europeana“ und deren Werbeaktionen befeuert.3 Zum Teil werden diese Texte unkommentiert als „authentisches Material“ zur Verfu¨gung gestellt.4 Sie bieten neben Belegen fu¨r die vielfachen Verbindungen zwischen ,Front‘ und ,Heimat‘ Einblicke in den Alltag, in Sagbares und Unsagbares, in Geschlechter(un)ordnungen, Generationenkonflikte, A¨ngste und Hoffnungen, Feindbilder und Illusionen und zeigen nicht zuletzt auch die Auswirkungen von 1 Dieser Trend ist nicht neu und reicht von der Politikgeschichte bis zu kultur- und geschlechtergeschichtlichen Darstellungen, vgl. etwa Michael Epkenhans (Hg.), Das ereignisreiche Leben eines „Wilhelminers“: Tagebu¨cher, Briefe, Aufzeichnungen 1901 bis 1920 von Albert Hopman, Mu¨nchen 2004, oder Dorothee Wierling, Eine Familie im Krieg. Leben, Sterben und Schreiben 1914–1918, Go¨ttingen 2013. 2 Edition der Sammlung Frauennachla¨sse am Institut fu¨r Geschichte der Universita¨t Wien, unter: http://www.univie.ac.at/Geschichte/salon21/?cat=157& paged=18, Zugriff: 31. 3. 2018. 3 Europeana Foundation (Hg.), Europeana 1914–1918 – Unbekannte Geschichten und offizielle Dokumente zum Ersten Weltkrieg, https://www.europeana.eu/portal/de/collections/world-war-I, Zugriff: 30. 1. 2018. ¨ berlebe ich, so schreibe ich weiter. Feldpost aus 4 Eva Prase, Stephan Lorenz u. Matthias Zwarg (Hg.), U dem Ersten Weltkrieg, Chemnitz 2015.
BEITRÄGE
Angelika Schaser
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L’Homme. Z. F. G. 29, 2 (2018)
(Selbst-)Zensur.5 Wa¨hrend autobiografische Texte von Vertreterinnen und Vertretern der Frauen- und Geschlechterforschung gerne als Quelle genutzt werden, bleiben Milita¨rhistoriker gegenu¨ber dieser Quellengattung eher skeptisch.6 Vorauszuschicken ist, dass gerade die Diskussion um Clarks Buch die Debatten auf (alte) politikgeschichtliche Fragestellungen zuru¨ckgefu¨hrt hat und frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven eher in einem separaten Strang parallel entwickelt werden. Ausgehend von ju¨ngsten Literatur- und Forschungsberichten sowie Neuerscheinungen wird zuna¨chst danach gefragt, ob und wenn ja in welchen Texten und auf welche Weise frauen-, ma¨nner- oder geschlechtergeschichtliche Perspektiven integriert wurden. Bei den (wenigen) Arbeiten, die dezidiert frauen-, ma¨nner- oder geschlechtergeschichtlich konzipiert wurden, Forschungsergebnisse aus solchen Untersuchungen aufgreifen oder zumindest Akteure und Akteurinnen sowie Autoren und Autorinnen nach Geschlecht unterscheiden, werden Funktion und Stellenwert dieser Passagen untersucht. Erga¨nzen sie die politischen und milita¨rgeschichtlichen Darstellungen zum Kriegsverlauf lediglich um die ,Heimatfront‘, fu¨hren sie zur Vera¨nderung der Konzeption oder tragen sie gar Entscheidendes zur Neuausrichtung der Forschungen zum Ersten Weltkrieg bei?
1.
Literaturberichte und Analysen zum Stand der Forschung7
Bereits 2014, im ersten Gedenkjahr zum ,Großen Krieg‘, erschienen mehrere Literaturberichte zu diesem Krieg. Alan Kramer, Mitherausgeber der „Internationalen Enzyklopa¨die1914–1918-online“,8 untersuchte in erster Linie die Internationalisierung ¨ berblickswerke sowie Forschungen zu den der Forschung seit 2001.9 Er analysierte U Ursachen des Ersten Weltkrieges, zu der Westfront und anderen Kampfpla¨tzen, zu der Zivilbevo¨lkerung und den Gefangenen, zu den globalen Aspekten des Krieges, zur Motivation und zum Durchhaltewillen der Soldaten, zu Intellektuellen, zum Ende des Krieges, zur Erinnerungskultur sowie biografische Studien zu Hindenburg, Ludendorff, Sir Henry Wilson, Wilhelm II., Hitler, Mussolini und Walther Rathenau. Forschungsdesiderata registrierte Kramer bezu¨glich der La¨nder, Regionen und Kontinente Russland, Ost- und Su¨dosteuropa, Afrika, Asien und Su¨damerika. Ebenso 5 Vgl. Li Gerhalter u. Christa Ha¨mmerle (Hg.), Krieg – Politik – Schreiben. Tagebu¨cher von Frauen (1918–1950), Wien/Ko¨ln/Weimar 2015. 6 Vgl. Stig Fo¨rster, Hundert Jahre danach. Neue Literatur zum Ersten Weltkrieg, in: Neue Politische Literatur, 60 (2015), 5–25, 20. 7 Aufgenommen wurden hier Sammelrezensionen und Forschungsberichte, in denen schwerpunkt¨ sterreich beru¨cksichtigt und mehr als fu¨nf Werke besprochen wurden. ma¨ßig Deutschland und O 8 Vgl. Ute Daniel u. a. (Hg.), 1914–1918-online. International Encyclopedia of the First World War, unter: www.1914-1918-online.net/, Zugriff: 6. 1. 2018. 9 Vgl. Alan Kramer, Recent Historiography of the First World War (Part I und Part II), in: Journal of Modern European History, 12, 1 (2014), 5–27 und 12, 2 (2014), 155–174.
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merkte er weiteren Forschungsbedarf zur Wirtschaftsgeschichte des Krieges an. Frauenund geschlechtergeschichtliche Perspektiven thematisierte er nicht. Christa Ha¨mmerle10 und Ingrid E. Sharp11 bilanzierten im selben Jahr Neuerscheinungen in Hinblick auf ihren frauen- und geschlechtergeschichtlichen Ertrag. Ingrid E. Sharp stellte vorwiegend deutsch- und englischsprachige frauen- und geschlechtergeschichtliche Publikationen seit den 1980er-Jahren vor. Die Rolle der Frauen, der pazifistischen Bewegung, die Konstruktion des Gegensatzes ,Heimat‘/ ,Front‘, Kunst, Heldenmythos, edierte autobiografische Texte wie Tagebu¨cher und Feldpostbriefe wurden behandelt. Auch untersuchte sie die von Hirschfeld, Krumeich und Renz 2003 herausgegebene Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg12 auf ihren (geringen) Anteil an frauen- und geschlechtergeschichtlichen Beitra¨gen. In Christopher Clarks „Sleepwalkers“ fand sie immerhin vier Seiten, auf denen der Autor auf der Suche nach den Kriegsursachen auch die damals herrschenden Vorstellungen von Ma¨nnlichkeit diskutiert. Sharp resu¨mierte, dass immer noch die Tendenz bestu¨nde, „ma¨nnliche Erfahrungen zu verallgemeinern und Ma¨nnlichkeit als Konzept unkommentiert stehen zu lassen, wohingegen die Erfahrungen von Frauen von vornherein als Geschlechtergeschichte eingestuft werden“.13 Am Ende des Artikels wies sie darauf hin, dass die Erforschung des Ersten Weltkrieges durch die konsequente Beru¨cksichtigung der interdisziplina¨r und international ausgerichteten Geschlechtergeschichte wesentlich profitieren ko¨nnte. Christa Ha¨mmerle konzentrierte sich in ihrem Forschungsbericht auf die Trends in der neueren Weltkriegshistoriografie und auf die Frauen- und Geschlechtergeschichte ¨ sterreich. Der Einsatz von Frauen fu¨r den Krieg, ihre des Ersten Weltkrieges in O Politisierung, der Pazifismus und der Protest, das Verha¨ltnis von ,Heimatfront‘ und ,Front‘, die Funktion von Feldpost sowie verschiedene Konzepte von Ma¨nnlichkeiten und Weiblichkeiten stehen im Mittelpunkt. Forschungsdesiderata werden an vielen ¨ sterreich deutlich. So fehlen laut Ha¨mmerle vergleichende Arbeiten zu den Stellen fu¨r O Erfahrungen von Kriegskrankenpflegerinnen, Untersuchungen zu Frauen an der Front, zu Gewalterfahrungen, zu pazifistischen Positionierungen, zur „Krise der Ma¨nnlichkeit“ sowie komparatistische Arbeiten, die die verschiedenen Ethnien des „Vielvo¨lkerstaates“ beru¨cksichtigen. Zudem stellte Ha¨mmerle fest, dass sich in den vier ¨ berblicksdarstellungen von Christopher 2013 und 2014 auf Deutsch erschienenen U 10 Vgl. Christa Ha¨mmerle, Traditionen, Trends und Perspektiven. Zur Frauen- und Geschlechter¨ sterreich, in: Geschichte und Region/Storia e regione: Krieg geschichte des Ersten Weltkriegs in O ¨ beregger, 23, 2 (2014), 21–48. und Geschlecht, hg. von Siglinde Clementi u. Oswald U 11 Vgl. Ingrid E. Sharp, Geschlechtergeschichte und die Erforschung des Ersten Weltkriegs in Deutschland. Entwicklungen und Perspektiven, in: Geschichte und Region/Storia e regione, 23, 2 (2014), 49–66. 12 Vgl. Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich u. Irina Renz (Hg.), Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg, Paderborn 22014. 13 Sharp, Geschlechtergeschichte, wie Anm. 11.
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Clark, Jo¨rn Leonhard, Oliver Janz und insbesondere bei Manfried Rauchensteiner14 „zumindest manche“ Aspekte der frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung zum Ersten Weltkrieg finden ließen,15 wenn sie auch in Synthesen zur „allgemeinen Geschichte“ des Ersten Weltkrieges weiterhin nur eine marginale Rolle spielen16 – was der Literaturbericht von Alan Kramer eindrucksvoll besta¨tigt. ¨ sterreich-Ungarn im 2014 erschien noch von Alan Sked ein Forschungsbericht zu O 17 Ersten Weltkrieg, in dem er detailliert auf die neueste Literatur zu den verschiedensten Aspekten einging, unter anderem auf die nationalen Differenzen innerhalb der Mo¨ sterreich. Obwohl Sked narchie und die Besetzung Serbiens und Galiziens durch O dabei auch mehrere Arbeiten vorstellte, in denen die Rolle der Frauen an der ,Heimatfront‘ untersucht wird, maß er diesen frauengeschichtlichen Beitra¨gen keine Bedeutung zu. Michael Epkenhans stellte 2015 in seinem Literaturbericht die 2013 und 2014 erschienenen Monografien zum Ersten Weltkrieg vor und konzentrierte sich auf die Diskussion um die Verantwortung fu¨r den Ausbruch des Krieges.18 Er rekurrierte dabei auf die Fischer-Kontroverse in Deutschland und diskutierte die Vereinnahmung von geschichtswissenschaftlichen Bu¨chern zum Ersten Weltkrieg durch die Politik. Wenig spa¨ter stellte auch Annika Mombauer in einer englischsprachigen Sammelrezension die Frage „Schuld oder Verantwortung?“ in komparativer Perspektive an die wichtigsten kriegfu¨hrenden La¨nder,19 nachdem sie ein Jahr zuvor die Julikrise untersucht hatte.20 Die Besprechungen von Epkenhans und Mombauer zeigen beide, wie stark die Debatte um den Ausbruch des Ersten Weltkrieges von der aktuellen politischen Situation beeinflusst wurde, unter anderem von dem Ausbruch des Krieges 2014 in der Ukraine, und wie dominant gerade das in viele Sprachen u¨bersetzte Buch von Clark die o¨ffentliche Debatte um die Vorgeschichte und den Ausbruch bestimmt hat. In seiner internationalen Rezeption ist es unterschiedlich interpretiert, zum Teil auch funktio-
14 Vgl. Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, Mu¨nchen 2013; Jo¨rn Leonhard, Die Bu¨chse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, Mu¨nchen 2014; Oliver Janz, 14 – Der große Krieg. Frankfurt a. M. 2013; Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien/Ko¨ln/Weimar 2013. 15 Ha¨mmerle, Traditionen, wie Anm. 10, 25. Rauchensteiners 2013 erschienenes Buch zur Geschichte ¨ sterreich, wie Anm. 14, wird von Ha¨mmerle hier ausfu¨hrlich analysiert. des Ersten Weltkrieges in O 16 Vgl. Ha¨mmerle, Traditionen, wie Anm. 10, 47. 17 Vgl. Alan Sked, Austria-Hungary and the First World War, in: Histoire@Politique, 22, 1 (2014), 16–49, unter: https://www.cairn.info/revue-histoire-politique-2014-1-page-16.htm#s1n11, Zugriff: 4. 4. 2018. 18 Vgl. Michael Epkenhans, Der Erste Weltkrieg – Jahrestagsgedenken, neue Forschungen und Debatten einhundert Jahre nach seinem Beginn, in: Vierteljahreshefte fu¨r Zeitgeschichte, 63, 2 (2015), 135–165. 19 Annika Mombauer, Guilt or Responsibility? The Hundred-Year Debate on the Origins of World War I, in: Central European History, 48, 4 (2015), 541–564. 20 Vgl. Annika Mombauer, Die Julikrise. Europas Weg in den Ersten Weltkrieg, Mu¨nchen 2014.
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nalisiert worden.21 Epkenhans und Mombauer pla¨dieren beide dafu¨r, emotional und moralisch aufgeladene Begriffe wie „Schuld“ und „Kriegsschuld“ oder das von Clark benutzte Bild der „Schlafwandler“ ku¨nftig durch Fragen nach der Verantwortung fu¨r den Kriegsausbruch und nach den konkreten Handlungsmo¨glichkeiten einzelner Politiker zu ersetzen. Geschlechtergeschichte spielt in diesen beiden Literaturberichten, wie schon in der Fischer-Kontroverse in den 1960er-Jahren, keine Rolle. Stig Fo¨rster bezog in seinen Literaturbericht 2015 ein breiteres Spektrum an Publikationen ein.22 Ausgehend von der Diskussion um Clarks Buch und den vier ¨ berblicksdarstellungen von Jay Winter, Jo¨rn Leonhard, Oliver Janz und Elise Julien23 U konzentrierte er sich dabei auf neue Entwicklungen der Forschung, stellte transnationale und nationale Beitra¨ge vor, verwies auf die Bedeutung von Gewaltforschung und die außereuropa¨ischen Dimensionen des Ersten Weltkrieges. Geschlechtergeschichte, so sein Fazit, wa¨re inzwischen zur „Selbstversta¨ndlichkeit“ geworden.24 Sucht man jedoch in seinem Text nach Hinweisen auf solche Analysen, dann fand er diese nur an zwei Stellen erwa¨hnenswert. Bei der Vorstellung der von Jay Winter herausgegebenen Darstellung des Ersten Weltkrieges25 weist Fo¨rster auf den dort thematisierten „Wandel der Geschlechterbeziehungen“26 hin und hebt die Bedeutung der von Christa Ha¨mmerle vorgelegten Arbeiten fu¨r die o¨sterreichische Geschichtsschreibung hervor. Fo¨rster erkla¨rt Ha¨mmerle zur „Repra¨sentantin eines alternativen Konzepts, das sich besonders der Milita¨rgeschichte von unten und der Geschlechtergeschichte widmet“.27 Geschlechtergeschichte wird von ihm also als eine innovative Form der Geschichtsschreibung wahrgenommen, sie wird jedoch zum „alternativen“ Ansatz erkla¨rt, der das „Meisterwerk“ von Rauchensteiner „erga¨nzt“.28 2016 publizierte Ju¨rgen Mu¨ller eine Sammelrezension zu regionalen und lokalen Folgen des Krieges, in der er zehn u¨berwiegend 2014 erschienene Bu¨cher vorstellte.29 Die besprochenen Werke zum Ersten Weltkrieg in der Rhein-Ruhr-Region, am Oberrhein, im Rhein-Neckar-Gebiet, im Nu¨rnberger Raum, in Ostfriesland, in Frankfurt am Main, in Gießen sowie im la¨ndlichen Raum im Kreis Zauch-Belzig zeigen ¨ ffentlichkeit an den „Kriegserlaut Mu¨ller das wachsende Interesse einer breiten O 21 Vgl. etwa die Rezension von Milosˇ Vojinovic´, Review: Christopher Clark, The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914, London 2012, in: Balcanica, XLIV (2013), 422–432. 22 Vgl. Fo¨rster, Hundert Jahre danach, wie Anm. 6. 23 Vgl. Clark, Schlafwandler, wie Anm. 14; Elise Julien, Der Erste Weltkrieg, Darmstadt 2014; Leonhard, Bu¨chse der Pandora, wie Anm. 14; Janz, 14 – der große Krieg, wie Anm. 14; Jay Winter (Hg.), The Cambridge History of the First World War, 3 Bde., Cambridge 2014. 24 Fo¨rster, Hundert Jahre danach, wie Anm. 6, 23. 25 Vgl. Winter, Cambridge History, wie Anm. 23. 26 Fo¨rster, Hundert Jahre danach, wie Anm. 6, 12. 27 Fo¨rster, Hundert Jahre danach, wie Anm. 6, 16. 28 Fo¨rster, Hundert Jahre danach, wie Anm. 6, 16, 17. 29 Vgl. Ju¨rgen Mu¨ller, Globaler Krieg – lokale Folgen. Zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf kommunaler und regionaler Ebene, in: Historische Zeitschrift, 302, 1 (2016), 103–126.
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fahrungen der einfachen Menschen“ im regionalen, lokalen und familia¨ren Bereich.30 Der Kriegsalltag von Frauen, ihre Rollen im Krieg und die verschiedenen Aktivita¨ten der Frauenvereine werden beschrieben, die Bedeutung der Frauenarbeit fu¨r den Krieg unterstrichen. Deutlich wird laut Mu¨ller, dass der Krieg „alle Lebensbereiche durchdrang“, die la¨ndliche Bevo¨lkerung wohl weniger verarmte und „mo¨glicherweise eine gro¨ßere Resilienz gegenu¨ber den destabilisierenden Wirkungen des Weltkriegs“ aufwies.31 Trotz dieser vielversprechenden Publikationen blieben jedoch regionale und lokale Untersuchungen, insbesondere des la¨ndlichen Raums, weiterhin ein wichtiges Forschungsdesiderat,32 nicht zuletzt gelte es auch, die Unterschiede zwischen dem Verhalten und den Reaktionen von Frauen und Ma¨nnern weiter zu ergru¨nden.33 Da in diesen Studien viel neues Quellenmaterial, wie lokale Presseerzeugnisse und Schulchroniken, ausgewertet wurde, werden Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen sichtbar. Zur Gesellschaftsanalyse wurde die Frage nach den Geschlechterunterschieden jedoch nur von wenigen Autoren und Autorinnen konsequent eingesetzt. 2017 erschien der Beitrag von Siegfried Weichlein, der mehr als dreißig, u¨berwiegend von 2012 bis 2014 publizierte deutsch- und englischsprachige Gesamtdarstellungen, Sammelba¨nde und Ausstellungen besprach.34 Er stellte dabei die Bu¨cher von Christopher Clark und Adam Tooze heraus, die seiner Meinung nach neue Deutungsperspektiven ero¨ffnen,35 und rezensierte Publikationen zur regionalen und lokalen Geschichte sowie zur „zweiten Geschichte“ des Krieges. An Clarks Buch lobt Weichlein, dass dieser die Julikrise als „hochkomplexe internationale Krise“ neu entwerfe, indem er „Nebenschaupla¨tzen“ mehr Gewicht einra¨ume und das minutio¨s beschriebene Attentat von Sarajewo aus verschiedenen nationalen Perspektiven beleuchte, wozu ihm das diplomatische und politische Personal reichlich Material lieferte.36 Auch wenn Weichlein Kritik an einzelnen Punkten von Clarks Darstellung u¨bt und dessen „close reading“ vorstellt, geht er hier nicht weiter auf diese aus der Kulturgeschichte u¨bernommene Methode ein. Tooze, der den Aufstieg der USA zur Weltmacht im Ersten Weltkrieg beginnen la¨sst, tra¨gt laut Weichlein mit seiner Finanzund Wirtschaftsgeschichte des Krieges Entscheidendes zur Entideologisierung „der internationalen Beziehungen der Nachkriegszeit“37 bei. Die beiden Bu¨cher von Clark und Tooze sind laut Weichlein „methodisch konservativ gearbeitet“ und stellen wieder die „hohe Politik“ und einzelne ma¨nnliche Politiker in den Mittelpunkt.38 Weichlein 30 31 32 33 34 35 36 37 38
Mu¨ller, Globaler Krieg, wie Anm. 29, 126. Mu¨ller, Globaler Krieg, wie Anm. 29, 123. Vgl. Mu¨ller, Globaler Krieg, wie Anm. 29, 106, 121, 126. Vgl. Mu¨ller, Globaler Krieg, wie Anm. 29, 116. Vgl. Siegfried Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber. Neue Literatur zum Ersten Weltkrieg, in: Hessisches Jahrbuch fu¨r Landesgeschichte, 67 (2017), 231–263. Vgl. Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 231. Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 233–236. Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 262. Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 263.
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resu¨miert, dass nach der Abwendung der Forschung von der „hohen Politik“ in den 1980er-Jahren und der Zuwendung zu sozial-, kultur-, mikrogeschichtlichen und transnationalen Fragen nun aber die Kulturgeschichte nicht etwa die Politikgeschichte ersetze, sondern die Forschung nur deutlich „diverser“ geworden sei. Denn auch die Arbeiten „zur Ha¨uslichkeit in Schu¨tzengra¨ben und den Gefu¨hlen im Krieg und in der Kriegsliteratur“ ha¨tten Innovatives zu bieten.39
2.
Transnationale und globale Perspektiven
Das wohl umfangreichste und ambitionierteste Unternehmen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges stellt die Enzyklopa¨die „1914–1918-online“ dar, die 2014 freigeschaltet wurde.40 Bis Ende 2017 hatten dort 1.000 Autoren und Autorinnen, Herausgeber und Herausgeberinnen und externe Gutachter und Gutachterinnen aus mehr als fu¨nfzig La¨ndern u¨ber 1.200 Artikel verfasst, begutachtet und publiziert. Ziel der Enzyklopa¨die ist es, neben den la¨nder- und regionsspezifischen Aspekten auch die globale Dimension des Krieges darzustellen und mo¨glichst viele Perspektiven auf den Krieg und die Wirtschaft durch die Untersuchung unterschiedlicher Regionen inklusive der neutralen Staaten zu bearbeiten. Oliver Janz, „Editor-in-Chief“, zeigt sich drei Jahre nach der Freischaltung der Website von diesem Ansatz und dem Ziel der Ausdehnung des geografischen und zeitlichen Untersuchungsraums des „Greater War“41 weiterhin u¨berzeugt und hebt die sich daraus ergebenden neuen Verknu¨pfungen und Erkenntnisse hervor.42 Frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven spricht Janz in diesem halbstu¨ndigen Podcast nicht an. Sucht man danach in den Artikeln, ko¨nnte ebenfalls der Eindruck entstehen, dass hier eine Chance fu¨r einen neuen Blick auf diesen Krieg, zu dem einige der „General Editors“ und „Section Editors“ in der Enzyklopa¨die und anderenorts Wesentliches beigetragen haben, bislang noch wenig genutzt wird. Die thematischen Artikel folgen in ihrem Aufbau u¨berwiegend den alten, nationalgeschichtlich konzipierten Narrativen. Auch diejenigen regionalen Artikel, die interessante neue Perspektiven bieten, kommen gro¨ßtenteils ohne die geschlechtergeschichtliche Dimension aus. Die meisten Artikel mit solchen Bezu¨gen finden sich hingegen in dem la¨nderu¨bergreifenden, komparatistisch angelegten Themenblock „Home Front“. In vielen Artikeln wird dort das Thema „Women’s Mobilization for War“ integriert. Auch in den alltagsgeschichtlichen Beitra¨gen, wie zum Beispiel im
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Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 263. Vgl. Daniel u. a., 1914–1918-online, wie Anm. 8. Gemeint sind damit die kriegerischen Auseinandersetzungen von 1912 bis 1923. Vgl. Oliver Janz, About the International Encyclopedia of the First World War, in: The Great War Channel Podcast TGW007 [14. 12. 2017], unter: https://thegreatwar.podigee.io/7-tgw007-oliverjanz-encyclopedia-ww1, Zugriff: 8. 1. 2018.
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Aufsatz von Tammy M. Proctor „The Everday as Involved in War“43, gibt es u¨berzeugende geschlechtergeschichtliche Analysen. Insgesamt ist aber eine konsequente Einbindung noch ein Desiderat, oft wird den alten Narrativen lediglich die „Geschichte der Frauen“ hinzugefu¨gt. Auch die „open articles“ lassen keine gezielte Suche nach geschlechtergeschichtlichen Texten erkennen.44 Eine weitere Einbindung der geschlechtergeschichtlichen Perspektive ko¨nnte die Website „1914–1918-online“, die durch die Ausdehnung des Untersuchungsraums auf su¨dosteuropa¨ische und außereuropa¨ische Regionen beeindruckt, durch gezielte Einwerbung realisieren. Das bis zur Vero¨ffentlichung der Enzyklopa¨die „1914–1918-online“ aktuellste ¨ berblickswerk in deutscher Sprache war die „Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg“, die in U erster Auflage 2004 und 2012 auch auf Englisch erschien und als Standardwerk gilt. Das Buch besteht aus la¨ngeren Aufsa¨tzen im ersten Teil „Darstellungen“, in dem ¨ berschriften „Staaten“, „Gesellschaft im Krieg“, verschiedene Themen unter den U „Kriegsverlauf“ und „Geschichtsschreibung“ behandelt werden. Danach folgen ein umfangreicher Lexikonteil mit ku¨rzeren Artikeln sowie eine Chronik der Jahre 1914 bis 1918. Die zweite, aktualisierte und um rund hundert Seiten erweiterte Auflage erschien 2014.45 Die Erweiterung besteht im Wesentlichen aus elf Beitra¨gen neu gewonnener Autoren und Autorinnen, die nach dem Lexikonteil unter dem Titel „Perspektiven der Forschung“ eingereiht wurden. Die Bedeutung der Frauen sowie der frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung zum Ersten Weltkrieg hat Ute Daniel bereits in der Erstausgabe des Bandes in ihrem schlicht mit „Frauen“ betitelten Aufsatz verdeutlicht.46 Wencke Meteling unterstreicht in einem neuen Artikel fu¨r die erweiterte Ausgabe den Stellenwert der Geschlechterforschung fu¨r die Neue Kulturgeschichte und verweist auf die Studien zu ma¨nnlichen Identita¨ten im Ersten Weltkrieg von Joanna Bourke und Sabine Kienitz.47 Insgesamt, so resu¨miert sie, hat sich jedoch unter Historikern und Historikerinnen „die Erkenntnis, dass Geschlechterdifferenz ein zentrales Strukturprinzip von Gesellschaften […] ist, […] la¨ngst nicht allgemein verbindlich durchgesetzt“.48 In noch weit ho¨herem Maße gilt diese Feststellung fu¨r die Reihe „Die Habsburgermonarchie 1848–1918“, in deren Rahmen 2016 zwei Ba¨nde zum Ersten Welt-
43 Vgl. Tammy M. Proctor, The Everyday as Involved in War [8. 10. 2014], in: Daniel u. a., 1914–1918-online, unter: https://encyclopedia.1914-1918-online.net/article/the_everyday_as_in volved_in_war?version=1.0, Zugriff: 30. 1. 2018. 44 Im Januar 2018 gab es 71 davon. Vgl. Call for Papers, in: Daniel u. a., 1914–1918-online, wie Anm. 8, unter: https://encyclopedia.1914-1918-online.net/call-for-papers/, Zugriff: 8. 1. 2018. 45 Vgl. Hirschfeld/Krumeich/Renz, Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg, wie Anm. 12. 46 Vgl. Ute Daniel, Frauen, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz, Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg, wie Anm. 12, 116–134. 47 Vgl. Wencke Meteling, Neuere Kulturgeschichte, in: Hirschfeld/Krumeich/Renz, Enzyklopa¨die Erster Weltkrieg, wie Anm. 12, 1047–1051, 1049. 48 Meteling, Neuere Kulturgeschichte, wie Anm. 47, 1049.
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krieg49 erschienen, die von Helmut Rumpler und Anatol Schmied-Kowarzik heraus¨ sterreich-Ungarn gegeben wurden. Teil der Reihe ist auch die Weltkriegsstatistik O 50 1914–1918, die zwei Jahre zuvor publiziert wurde. Obwohl frauen- und geschlech¨ sterreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg vorliegen,51 fintergeschichtliche Studien zu O den sie keine Resonanz in den Ba¨nden. Geschlecht wird selbst dann nicht weiter thematisiert, wenn im Kapitel „Flu¨chtlinge, Zivilinternierte und Konfinierte“ fu¨r das Internierungslager in Sopronnye´k im Mai 1916 die genaue Zahl der dort inhaftierten Frauen und die hohe wo¨chentliche Geburtenzahl im Lager angefu¨hrt werden.52 Die Zivilbevo¨lkerung wird weitgehend geschlechtslos dargestellt, wenn auch an zwei Stellen die unterschiedlichen Lo¨hne fu¨r Frauen thematisiert werden.53 Fu¨r Ruma¨nien wird zumindest die „ruma¨nische Frau und der Krieg“ in einem Unterkapitel behandelt,54 und Marsha Rozenblit erwa¨hnt in ihrem Aufsatz u¨ber den „Habsburg-Patriotismus der Juden“ die Rolle der ju¨dischen Frauenorganisationen im karitativen Bereich.55 Insgesamt zeigen alle hier vorgestellten Werke, dass die Forschungen nicht nur differenziert, sondern weiterhin auch klar hierarchisiert werden. Als relevant und ¨ berblicksdarstellungen angesehen, die sich mit weiterfu¨hrend werden in erster Linie U außenpolitischen Zusammenha¨ngen und zentralen Akteuren der Innenpolitik bescha¨ftigen, neue Quellen erschließen und den nationalgeschichtlichen Rahmen u¨berschreiten. Da Untersuchungen, die Geschlecht oder Frauen (und Kinder) syste¨ berblickswerke konzipiert werden und matisch oder separat thematisieren, nicht als U ha¨ufig Quellenmaterial von weitgehend unbekannten Autoren und Autorinnen nutzen, werden sie zwar durchaus als anregend oder innovativ zur Kenntnis genommen, aber als erga¨nzende Publikationen eingestuft.
49 Vgl. Helmut Rumpler (Hg.), Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg. 1. Teilband: Der Kampf um die Neuordnung Mitteleuropas. Teil 1: Vom Balkankonflikt zum Weltkrieg, Wien 2016; ders. (Hg.), Die Habsburgermonarchie und der Erste Weltkrieg. 1. Teilband: Der Kampf um die ¨ sterreich-Ungarn zum neuen Europa der Neuordnung Mitteleuropas. Teil 2: Vom Vielvo¨lkerstaat O Nationalstaaten, Wien 2016. 50 Vgl. Helmut Rumpler u. Anatol Schmied-Kowarzik (Hg.), Die Habsburgermonarchie und der Erste ¨ sterreich-Ungarn 1914–1918. Bevo¨lkerungsbeweWeltkrieg. 2. Teilband: Weltkriegsstatistik O gung, Kriegstote, Kriegswirtschaft, Wien 2013. 51 Vgl. z. B. Christa Ha¨mmerle, Heimat/Front: Geschlechtergeschichte/n des Ersten Weltkriegs in ¨ sterreich-Ungarn, Wien 2014, bzw. der Forschungsu¨berblick in Ha¨mmerle, Traditionen, wie O Anm. 10. 52 Vgl. Erwin A. Schmidl, Die Totalisierung des Krieges, in: Rumpler, Die Habsburgermonarchie, 1. Teilband, Teil 1, wie Anm. 49, 331–391, 385. 53 Vgl. Schmidl, Die Totalisierung, wie Anm. 52. 54 Vgl. Ra˘zvan Paˆraˆianu, Von der kulturellen zur politischen Einheit der Ruma¨nen, in: Rumpler, Die Habsburgermonarchie, 1. Teilband, Teil 2, wie Anm. 49, 767–812, 797–802. 55 Vgl. Marsha Rozenblit, Der Habsburg-Patriotismus der Juden, in: Rumpler, Die Habsburgermonarchie, 1. Teilband, Teil 2, wie Anm. 49, 887–917, 898.
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Der Erste Weltkrieg in deutscher, österreichischer, regionaler und lokaler Perspektive
Als Gradmesser fu¨r die Integration der Frauen- und Geschlechterforschung in die ¨ berblicksdarstellungen, die Publikationen zum Ersten Weltkrieg taugen neben den U ¨ sich an das Fachpublikum und eine breitere Offentlichkeit wenden, auch Studienbu¨cher. Michael Epkenhans legte 2015 ein „Seminarbuch Geschichte“ zum Ersten Weltkrieg vor.56 Weitgehend chronologisch aufgebaut liegt der Schwerpunkt hier auf Deutschland und integriert sowohl die Vor- wie die Nachgeschichte des Krieges. Frauengeschichtliche Aspekte fließen am Rande ein, wenn etwa auf die bedeutende Rolle der Frauen in der Kriegswirtschaft hingewiesen wird,57 Frauen als separate Opfergruppen thematisiert, Positionen der Frauenbewegung zum Krieg vorgestellt werden und dabei das klare Urteil gefa¨llt wird, dass die Frauenemanzipation „wa¨hrend des Krieges keine Fortschritte“ machte.58 Am ha¨ufigsten erfolgt der Hinweis auf Frauen in dem Kapitel „Heimatfront“. Der Begriff wird dabei zwar in Anfu¨hrungszeichen gesetzt, das Konstrukt des Gegensatzes ,Heimatfront‘ und ,Krieg‘ beziehungsweise ,Kriegsfront‘ jedoch nicht kritisiert. Interessant an diesem Buch ist, dass die Konzentration auf die Politik- und Milita¨rgeschichte durch Quellenausschnitte aus autobiografischen Texten und Schulchroniken an vielen Stellen Hinweise auf eine Geschichte der Gefu¨hle integriert, wobei hier Texte von Frauen und Ma¨nnern Beru¨cksichtigung finden. Der anla¨sslich des Gedenkjahres 2014 auf Deutsch und Italienisch erschienene Sammelband „Krieg in den Alpen“, in dem die „o¨sterreichisch-italienische […] Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte des Ersten Weltkrieges“ im Mittelpunkt steht, verspricht konzeptuell eine Alternative zu den nationalhistorischen Meisterza¨hlungen.59 Hier geht es jedoch aufgrund fehlender Vorarbeiten weniger um einen transnationalen Ansatz als um „Parallelgeschichten aus o¨sterreichischer und italienischer ¨ sterreichPerspektive“,60 die Grundlagen fu¨r den Vergleich zwischen Italien und O Ungarn im Ersten Weltkrieg ermo¨glichen sollen. In diesem Band stellt Christa Ha¨mmerle in ihrem Beitrag „Opferhelden? Zur Geschichte der k.u.k. Soldaten an der Su¨dwestfront“ noch einmal die Forderung, die Verflechtungen zwischen ,Front‘, ,Etappe‘ und ,Heimat‘ genauer zu untersuchen und „die Geschichte der Soldaten in einem weit sta¨rkeren Ausmaß als bislang […] auch gesellschafts- und geschlechterge-
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Vgl. Michael Epkenhans, Der Erste Weltkrieg 2014–2018, Paderborn 2015. Epkenhans, Der Erste Weltkrieg, wie Anm. 56, 164. Epkenhans, Der Erste Weltkrieg, wie Anm. 56, 158–160. ¨ sterreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg, in: Nicola ¨ beregger, Einleitung. O Oswald U ¨ sterreich-Ungarn und Italien im Ersten ¨ beregger (Hg.), Krieg in den Alpen. O Labanca u. Oswald U Weltkrieg (1914–1918), Wien/Ko¨ln/Weimar 2015, 7–19, 13. ¨ beregger, Einleitung, wie Anm. 59, 14. 60 U
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schichtlich“ zu perspektivieren.61 Der Aufsatz markiert damit das Forschungsdesiderat des Bandes. Ein von Stefan Karner und Philipp Lesiak herausgegebener Band, der die lokalen Folgen des Ersten Weltkrieges in den Mittelpunkt stellt,62 entstand im Rahmen des Gedenkjahres 2014. Die Herausgeber verstehen die Publikation „als Erga¨nzung zur ¨ berblicksliteratur“.63 Die Beitra¨ge konzentrieren sich auf die als „reexistenten […] U levante Themen“ identifizierten Felder „Fronterfahrungen; Kriegswirtschaft; Kriegsgefangene und Zivilinternierte; Kriegspatriotismus; Heimatfront; Propaganda; identita¨tsstiftende Kriegsfolgen“.64 Wenn auch Beitra¨ge zu u¨bergreifenden Themen und zu Russland, Frankreich und Japan aufgenommen wurden, so stehen doch verschiedene Regionen und Sta¨dte der Habsburgermonarchie im Fokus. Der Band entha¨lt nur wenige frauen- und geschlechtergeschichtliche Beitra¨ge: Emmanuel Debruyne skizziert die sexuellen Beziehungen zwischen Frauen und den deutschen Besatzern in Belgien und Frankreich, und ein Beitrag von Gunda Barth-Scalmani und Gertrud Margesin untersucht den Kriegsalltag der in der Tiroler Landwirtschaft ta¨tigen Frauen im Spiegel von Korrespondenzen und Presseberichten. Dieser Aufsatz verdeutlicht die schwierige Quellenlage und zeigt, dass der Kriegseinsatz der Ma¨nner „zu einer Unordnung der traditionellen Arbeitsverteilung“ auf dem Land fu¨hrte.65 Dem Konzept des Bandes entsprechend, erscheint hier Frauen- und Geschlechtergeschichte als eine der vielen mo¨glichen Erga¨nzungen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges. Auch Patrick J. Houlihan integriert in seinem Buch zum Katholizismus in ¨ sterreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg eine frauengeschichtliche Deutschland und O 66 Perspektive. Er untersucht schwerpunktma¨ßig Soldaten, Frauen und Kinder, Milita¨rgeistliche und Papst Benedikt XV. und fragt nach den verschiedenen Glaubenshaltungen und Praktiken der Katholiken und Katholikinnen in den beiden La¨ndern. Katholische Frauen, so Houlihan, eroberten im Ersten Weltkrieg neue Handlungsra¨ume, blieben aber Traditionen und konservativen Ideologien verhaftet.67 Sie hatten sowohl praktisch wie symbolisch einen bedeutenden Anteil am Krieg.68 Verschiedene Fro¨mmigkeitsformen und -rituale schienen es Katholiken und Katholikinnen leichter 61 Christa Ha¨mmerle, Opferhelden? Zur Geschichte der k.u.k. Soldaten an der Su¨dwestfront, in: ¨ beregger, Krieg in den Alpen, wie Anm. 59, 155–180, 179. Labanca/U 62 Vgl. Stefan Karner u. Philipp Lesiak (Hg.), Erster Weltkrieg. Globaler Konflikt – lokale Folgen. Neue Perspektiven, Innsbruck/Wien/Bozen 2014. 63 Stefan Karner u. Philipp Lesiak, Einleitung, in: dies., Erster Weltkrieg, wie Anm. 62, 9–18, 15. 64 Karner/Lesiak, Einleitung, wie Anm. 63, 15. 65 Gunda Barth-Scalmani u. Gertrud Margesin, Frauen in der Landwirtschaft wa¨hrend des Ersten Weltkriegs: Anna¨herungen an einen blinden Fleck der Weltkriegshistoriografie aus regionaler Perspektive, in: Karner/Lesiak, Erster Weltkrieg, wie Anm. 62, 273–305, 296. 66 Vgl. Patrick J. Houlihan, Catholicism and the Great War. Religion and Everyday Life in Germany and Austria-Hungary. 1914–1922, Cambridge 2015. 67 Vgl. Houlihan, Catholicism and the Great War, wie Anm. 66, 184. 68 Vgl. Houlihan, Catholicism and the Great War, wie Anm. 66, 258.
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gemacht zu haben, den Krieg und den Verlust von Familienangeho¨rigen zu ertragen. Religion und Glauben werden hier große Bedeutung zugemessen, die Meistererza¨hlungen der Sa¨kularisierung und Modernisierung nicht zuletzt durch die Integration einer frauengeschichtlichen Perspektive in Frage gestellt. Unter dem Motto „Verzo¨gerter Widerstand“ werden in dem von Bernd Hu¨ttner herausgegebenen Band die Arbeiterbewegung und der Erste Weltkrieg untersucht.69 Der Herausgeber stellt in seinem Vorwort die These auf, dass die Avantgarde und die Reformbewegungen bereits vor 1914 die Geschlechterordnung so erschu¨ttert ha¨tten, dass der Erste Weltkrieg als „eine Gegenrevolution, als blutiges Instrument zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der konservativen, harten, soldatischen Ma¨nnlichkeit interpretiert werden“ ko¨nne.70 Die Artikel in dem Band greifen diese These jedoch kaum auf, sondern bescha¨ftigen sich vorrangig mit den laut Axel Weipert von der aktuellen Geschichtsschreibung vernachla¨ssigten Protesten gegen den Krieg, ohne Geschlecht zu thematisieren. Den Auswirkungen der russischen Oktoberrevolution und dem sozialistischen Widerstand allgemein gegen den Krieg, der Antikriegshaltung von Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, den Antikriegsaktionen an einzelnen Orten (Rhein-Main-Gebiet, der Berliner Vorstadtgemeinde Neuko¨lln, Jena) und den Massenstreiks fu¨r Frieden und Demokratie gilt das Interesse der Autorinnen und Autoren des Bandes. Lediglich Gisela Notz knu¨pft an die im Vorwort vorgestellte These an, indem sie in einem Satz darauf verweist, dass die „aus bu¨rgerlichen Verha¨ltnissen stammende Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin Lily Braun […] schrieb […], dass der Krieg endlich wieder zeige, was wahre Ma¨nnlichkeit und Weiblichkeit sei“.71 Zwei Jahre spa¨ter gab Axel Weipert mit drei Kollegen unter Verwendung eines Zitats von Eric Hobsbawm einen Band heraus, dessen Beitra¨ge zum großen Teil auf Vortra¨gen und Workshops beruhen, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung 2014 veranstaltet hat.72 ¨ berwindung des nationalen Die Herausgeber strebten mit dieser Publikation die U Blicks an und forderten unter den verschiedenen methodischen Zuga¨ngen auch ausdru¨cklich die geschlechtergeschichtliche Perspektive ein.73 Auch in diesem Buch wird nach dem „widersta¨ndige[n] Verhalten“ „der Arbeiterbewegung und der politische[n] Linke[n]“74 gefragt, die 2014 gefu¨hrte Kriegsschulddebatte kritisch kommentiert und es werden die Entwicklungen vom Ersten Weltkrieg in den Faschismus und Nationalsozialismus untersucht. Das Themenspektrum ist dabei sehr breit angelegt und 69 Vgl. Bernd Hu¨ttner (Hg.), Verzo¨gerter Widerstand. Die Arbeiterbewegung und der Erste Weltkrieg, Berlin 2015. 70 Bernd Hu¨ttner, Vorwort, in: ders., Verzo¨gerter Widerstand, wie Anm. 69, 8. 71 Gisela Notz, Widerstand sozialistischer Frauen gegen den Krieg, in: Hu¨ttner, Verzo¨gerter Widerstand, wie Anm. 69, 20–30, 21. 72 Vgl. Axel Weipert u. a. (Hg.), „Maschine zur Brutalisierung der Welt“? Der Erste Weltkrieg – Deutungen und Haltungen 1914 bis heute, Mu¨nster 2017. 73 Weipert u. a., Maschine zur Brutalisierung, wie Anm. 72, 7. 74 Weipert u. a., Maschine zur Brutalisierung, wie Anm. 72, 10.
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reicht vom „Erste[n] Weltkrieg in der jiddischen Literatur“ (Bella Szwarcman-Czarnota) u¨ber die „serbische Sozialdemokratie in der Zeit der Balkankriege und des Ersten Weltkriegs“ (Milosˇ Bacovic´ Jadzˇic´) bis zum „Erste[n] Weltkrieg aus afrikanischer Perspektive“ (Michael Pesek). Hier finden sich nun auch tatsa¨chlich je ein ma¨nner- und ein frauengeschichtlich konzipierter Beitrag. Yves Mu¨ller arbeitet die „Ma¨nnlichkeitskonstruktionen der SA“ heraus, indem er aufzeigt, wie der idealisierte SA-Mann in der Propaganda, in der Belletristik und im Film zur „Aufrechterhaltung der Geschlechterdichotomie und der Heroisierung des Mannes“ beitragen sollte.75 Irena Selisˇnik, Ana Cergol Paradizˇ und Zˇiga Koncilija untersuchen „Frauenproteste in den slowenisch¨ sterreich-Ungarns vor und im Ersten Weltkrieg“. Dabei werden sprachigen Regionen O spontane Proteste von u¨berwiegend a¨rmeren Frauen gegen die unzula¨ngliche Lebensmittelversorgung ebenso analysiert wie der Versuch der Sozialdemokraten, durch die „Institution von ,Vertrauenspersonen‘ oder ,Frauensprecherinnen‘“ Frauen an sich zu binden und zu disziplinieren.76 Der Beitrag von Axel Weipert zu Antikriegsaktionen in Berlin und Wien besta¨tigt die fu¨r die slowenischsprachigen Regionen des Habsburgerreiches vorgestellte Beobachtung, dass die Proteste wegen der schlechten Versorgungslage auch in diesen Sta¨dten „vielfach von Frauen“ getragen wurden.77 Zu Wien hat Veronika Helfert 2014 einen Aufsatz publiziert, in dem sie die Proteste von Frauen als politische Aktionen einstuft. Damit interpretiert sie die Polizeiakten neu, in denen dieses fu¨r Frauen als inada¨quat geltende Verhalten „als irrationaler Ausdruck von Gefu¨hlen“ eingestuft wurde.78 Ein zweiba¨ndiges Werk zu den Universita¨ten im Ersten Weltkrieg, das weder Frauen noch Geschlecht im Titel anfu¨hrt, fa¨llt durch eine konsequente Einbindung der Frage nach dem Geschlecht auf. Trude Maurer untersucht die Entwicklung der Universita¨ten in Berlin, Gießen und Straßburg im Ersten Weltkrieg.79 Die Studie zeigt deutlich den Mehrgewinn der gemeinsamen Betrachtung von Studenten und Studentinnen. Im Namensregister finden sich knapp hundert Frauen, viele von ihnen bekannte Vertreterinnen der Frauenbewegung. Die nicht erst seit 1914 bei Studenten und Dozenten unterschiedlichster politischer Couleur festzustellende Kampfbereitschaft machte vor den Studentinnen nicht halt. Erst seit kurzem zum Universita¨tsstudium zugelassen, 75 Yves Mu¨ller, „Becoming Fascists“. Ma¨nnlichkeitskonstruktionen der SA zwischen den Kriegen, in: Weipert u. a., Maschine zur Brutalisierung, wie Anm. 72, 129–142, 130. 76 Irena Selisˇnik, Ana Cergol Paradizˇ u. Zˇiga Koncilija, Frauenproteste in den slowenischsprachigen ¨ sterreich-Ungarns vor und im Ersten Weltkrieg, in: Weipert u. a., Maschine zur BruRegionen O talisierung, wie Anm. 72, 232–250, 236. 77 Axel Weipert, Widerstand im Zentrum der Macht. Antikriegsaktionen in Berlin und Wien im Vergleich, in: ders. u. a., Maschine zur Brutalisierung, wie Anm. 72, 200–226, 213. 78 Veronika Helfert, „Unter Anfu¨hrung eines 13ja¨hrigen Ma¨dchens“. Gewalt und Geschlecht in unorganisierten Protestformen in Wien wa¨hrend des Ersten Weltkrieges, in: Jahrbuch fu¨r Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 13, 2 (2014), 66–82, 82. 79 Vgl. Trude Maurer, „… und wir geho¨ren auch dazu“. Universita¨t und ,Volksgemeinschaft‘ im Ersten Weltkrieg. 2 Bde., Go¨ttingen 2015.
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¨ ffentlichkeit kontrovers wurde die Pra¨senz von Frauen an den Universita¨ten in der O diskutiert. Wie die nicht kriegspflichtigen und kriegsuntauglichen Studenten und Professoren betonten auch Studentinnen ihren Willen zum Einsatz fu¨r die Volksgemeinschaft und wollten anderen Frauen dadurch Vorbild sein. Sie arbeiteten zuna¨chst hauptsa¨chlich in Lazaretten und der Fu¨rsorge, gaben in der Schule Unterricht und unterstu¨tzten durch „Liebesgaben“ die Ma¨nner an der Front, gegen Ende des Krieges dann zunehmend auch in der Munitionsindustrie und als Schreib- und Verwaltungskra¨fte in der Etappe. Die organisierten Studentinnen bemu¨hten sich, „ihren Einsatz dem der Ma¨nner anzugleichen“.80 Der wachsende Anteil der Studentinnen in den Universita¨ten ließ bei Studenten und Dozenten die Furcht vor einer Feminisierung der akademischen Berufe aufkommen. Maurer zeigt nicht nur, wie ma¨nnlich die Universita¨t gepra¨gt war, sondern auch, wie stark die polare Geschlechterordnung und die Hierarchisierung der Geschlechter an diesem Ort wirkten. Der Band „Kriegsbeginn in Norddeutschland“ fokussiert auf die „Kriegskultur“, die laut Titel in transkultureller Perspektive dargestellt werden soll. Im Wesentlichen versuchen die Beitra¨ge „Vorstellungen und Aneignungsweisen des Krieges“81 im ¨ bergang zwischen Friedenszeit und „Kriegsnormalita¨t“ in Norddeutschland zu deU chiffrieren und reichern die Texte „mit internationalen Vergleichen“ an.82 Der Krieg gegen die Entente lasse sich „auch als Verteidigung eines u¨berkommenen Frauenbildes“83 verstehen, stellen die Herausgeber und die Herausgeberin fest, ein Befund, der mit der Interpretation des Krieges durch Hu¨ttner zur „Aufrechterhaltung der konservativen, harten, soldatischen Ma¨nnlichkeit“ korrespondiert.84 Christoph Nu¨bel untersucht in diesem Zusammenhang Aktionen und Handlungsmo¨glichkeiten von Frauen in Mu¨nster, David Ciarlo stellt zu Kriegsbeginn eine Maskulinisierung der Bildreklame in Deutschland fest.85 Obwohl weitere Beitra¨ge u¨ber die deutsch-ju¨dische Presse, die Braunschweiger Landeskirche und Universita¨ten beziehungsweise Universita¨tssta¨dte Chancen fu¨r einen geschlechtergeschichtlichen Blick auf die „Kriegskultur“ ero¨ffnen, wurde diese Perspektive in dem Buch nicht weiter genutzt. Der von Harald Heppner herausgegebene Band zu Siebenbu¨rgen und dem Ersten Weltkrieg entha¨lt einen Beitrag von Ingrid Schiel zu den „Siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen 80 Maurer, „…und wir geho¨ren auch dazu“, Bd. 1, wie Anm. 79, 529. 81 Cornelia Rauh, Arnd Reitemeier u. Dirk Schumann, Kriegsbeginn in Norddeutschland. Zur Herausbildung einer „Kriegskultur“ 1914/15 in transnationaler Perspektive, in: dies. (Hg.), Kriegsbeginn in Norddeutschland. Zur Herausbildung einer „Kriegskultur“ 1914/15 in transnationaler Perspektive, Go¨ttingen 2015, 7–40, 30. 82 Rauh/Reitemeier/Schumann, Kriegsbeginn in Norddeutschland, wie Anm. 81, 27. 83 Rauh/Reitemeier/Schumann, Kriegsbeginn in Norddeutschland, wie Anm. 81, 24. 84 Vgl. Hu¨ttner, Vorwort, wie Anm. 70. 85 Vgl. Christoph Nu¨bel, Sicherheit, Ausnahmezustand, Burgfrieden. Opfero¨konomien in der Lokalgeschichte der „Heimatfront“ zu Beginn des Ersten Weltkrieges, in: Rauh/Reitemeier/Schumann, Kriegsbeginn in Norddeutschland, wie Anm. 81, 55–81, bes. 78–81; David Ciarlo, Die Vermarktung des Krieges. Bildreklame in Deutschland, 1910–1916, in: ebd., 82–105.
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Frauen zwischen den Fronten der Kriege 1914/18 und 1918/19“.86 Zum Kriegsschauplatz wurde Siebenbu¨rgen durch den Kriegseintritt Ruma¨niens auf der Seite der Alliierten im August 1916. Die Frauen u¨bernahmen die Arbeit der einberufenen Ma¨nner, bauten Volksku¨chen und soziale Projekte mit auf, sammelten Spenden, arbeiteten in Krankenha¨usern und Pflegestationen und unterstu¨tzten Soldaten mit „Liebesgaben“. Der Einsatz war so groß, dass auf den Verkauf von Handarbeiten angewiesene Frauen durch den Eifer „ehrenamtlich ta¨tiger Damen“87 zum Teil arbeitslos wurden. Obwohl in Siebenbu¨rgen verschiedene nationale Expansionsgelu¨ste aufeinanderprallten, arbeiteten protestantische, katholische, griechisch-katholische, reformierte und ju¨dische Frauenvereine bei der Bewa¨ltigung des Kriegsalltags u¨ber nationale, ethnische und konfessionelle Grenzen hinweg zusammen.88 Die Mehrsprachigkeit sowie Kenntnis der unterschiedlichen Kulturen nutzend, dehnten sie ihre Aktivita¨ten auch u¨ber die traditionellen Aufgabengebiete Krankenpflege und Wohlfahrt hinaus aus. Die „sa¨chsische weibliche Avantgarde“89 hielt dabei an dem Bild von der Geschlechterdifferenz fest, in dem die Ma¨nner fu¨r den Krieg und die Frauen fu¨r den Frieden verantwortlich gemacht wurden. So konnten oder mussten auch die siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen Frauen ihren Handlungsspielraum deutlich erweitern, stellten dabei jedoch nicht die traditionelle Geschlechterordnung in Frage. Der Beitrag markiert in dem national- und politikgeschichtlich ausgerichteten Band eine Leerstelle und eine mo¨gliche neue Perspektive.
4.
Fazit
Die vorgestellten Werke zeigen, soweit sie frauen-, ma¨nner- oder geschlechtergeschichtliche Perspektiven behandeln, dass der Erste Weltkrieg die Geschlechterordnung der Vorkriegszeit erschu¨ttern, aber nicht beseitigen konnte. Die fu¨r beide Geschlechter gemeinsame nationale Aufgabe der Verteidigung des Vaterlandes beziehungsweise der Wiederherstellung oder der Schaffung eines Nationalstaates a¨nderte nichts daran, dass die Verschiebungen in der Geschlechterordnung von den meisten Frauen und Ma¨nnern als Zwischenlo¨sung gedacht und erfahren wurden und sich die Bevo¨lkerung in Hinblick auf den gro¨ßeren Aktionsradius und die erweiterten Handlungsspielra¨ume fu¨r Frauen ein „Zuru¨ck zur (Vorkriegs-)Normalita¨t“90 wu¨nschte. 86 Ingrid Schiel, Die Siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen Frauen zwischen den Fronten der Kriege 1914/18 und 1918/19, in: Harald Heppner (Hg.), Umbruch mit Schlachtenla¨rm. Siebenbu¨rgen und der Erste Weltkrieg, Ko¨ln/Weimar/Wien 2017, 197–221. 87 Schiel, Die Siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen Frauen, wie Anm. 86, 198. 88 Vgl. Schiel, Die Siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen Frauen, wie Anm. 86, 202 u. 220. 89 Schiel, Die Siebenbu¨rgisch-sa¨chsischen Frauen, wie Anm. 86, 221. 90 Anja Tscho¨rtner, „I want to be a munitionette!“ – The Depiction of Young Women’s War Work in British and German Popular Fiction for Girls in the First World War, in: Hans-Heino Ewers (Hg.),
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Geschlecht – wenn es denn thematisiert wird – zeigt sich gleichzeitig als dominante und relationale Kategorie, die in Kriegszeiten stark von den nationalen beziehungsweise ethnischen und konfessionellen Zugeho¨rigkeiten u¨berlagert wird. Geschlecht spielt in der Politik- und Milita¨rgeschichte immer noch eine geringe Rolle, gerne wird sie weiterhin als scheinbar geschlechtsneutral pra¨sentiert. Vielen Experten und Expertinnen in diesem Feld erscheint Geschlecht als analytische Kategorie nur dort sinnvoll, wo auch Frauen als Akteurinnen zu finden sind. Feminisierungen und Maskulinisierungen oder die Hierarchisierung und Problematisierung von ¨ blichsten bleibt die TheMa¨nnlichkeiten werden immer noch oft u¨bersehen. Am U matisierung von Geschlecht in Texten beziehungsweise Textpassagen, die die ,Heimatfront‘ behandeln. Noch zu selten werden dabei die enge Verflechtung von ,Heimat‘ und ,Front‘ sowie die Rolle von Frauen an der Front und in der Etappe zum Untersuchungsgegenstand. Oft bleibt die Erwa¨hnung von Frauen, nicht selten unter der ¨ berschrift „Frauen und Kinder“, der einzige Hinweis auf Geschlecht – womit GeU schlecht lediglich Frauen zugeschrieben wird, in dem von Simone de Beauvoir 1949 so trefflich charakterisierten Sinn des „deuxie`me sexe“, das vom „allgemein menschlichen/ ma¨nnlichen“ abweicht.91 Damit spiegelt die Forschungslage zu Deutschland wie zu ¨ sterreich die fachinterne Hierarchisierung von Themen: Die „hohe Politik“, die bei O ¨ berblicksdarstellungen zum Ersten Weltkrieg momentan große Aufmerksamkeit den U auf sich zieht, kommt in der Regel ohne geschlechtergeschichtliche Perspektive aus. Geschlecht wird vor allem dann thematisiert, wenn ,Heimat‘, privates Leben und Alltagserfahrungen behandelt werden. Das sind Felder, die als erga¨nzende Untersuchungsbereiche willkommen sind, aber nicht als wegweisend fu¨r die Forschungen zum Ersten Weltkrieg erachtet werden. Solche Arbeiten erscheinen in den Literatur- und Forschungsberichten, den Monografien und den Sammelba¨nden eben als eine nachgeordnete „deuxie`me histoire“ im Sinne von Simone de Beauvoir. Wenn auch frauen-, ma¨nner- und geschlechtergeschichtliche Publikationen bislang noch immer zu wenig rezipiert werden, so zeigt sich doch ihr Einfluss indirekt in vielen Arbeiten – vor allem dort, wo sich politik- und milita¨rgeschichtliche Untersuchungen auf kulturgeschichtliche Aspekte und Methoden einlassen. Der Erfolg des Bestsellers von Christopher Clark mag deshalb einen Hinweis auf den Aufstieg neuer Darstellungsweisen und den Niedergang der alten deutschen Politikgeschichte liefern, den der englische Theologe Lawrence P. Jacks schon 1915 prophezeite: „The age of German footnotes is on the wane.“92 Auf frauen-, ma¨nner- und geschlechtergeschichtliche Forschungen wartet hier weiter ein dreifaches Aufgabenfeld: Frauen in der Geschichte zur Sichtbarkeit zu verhelfen, Ma¨nner als Geschlechtswesen zu analysieren und die ¨ sterreich, Osteuropa, England, Erster Weltkrieg. Kindheit, Jugend und Literatur. Deutschland, O Belgien und Frankreich, Frankfurt a. M. 2016, 231–245, 244. 91 Vgl. Simone de Beauvoir, Le deuxie`me sexe. Les faits et les mythes, Paris 1949. 92 Lawrence Pearsall Jacks, A Theological Holiday – and after, in: The Hippert Journal, 14 (1915), 1–8, 6, zit. nach: Weichlein, Schlafwandler und Mehlschieber, wie Anm. 34, 232.
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Bedeutung von Geschlecht fu¨r die Machtverha¨ltnisse in Gesellschaften zu verdeutlichen. Bleibt zu wu¨nschen, dass bei der Suche nach einer innovativen postnationalen Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg zuku¨nftig Geschlecht ebenso wie soziale, ethnische und konfessionelle Zugeho¨rigkeit als wichtiges Strukturelement der Gesellschaft erkannt und untersucht werden mo¨ge.
Alison S. Fell
Female War Icons: Visual Representations of Women’s Contribution to the First World War in France and Britain in 1914–1918 and 2014–2018
In both France and Britain, women’s participation in the First World War was highly mediatised from the outbreak of the conflict onwards. Although, as historians have argued, for the majority of women the war did not necessarily bring about a change in the kinds of waged or unwaged work that they carried out, it certainly made working women more visible.1 Numerous photographs, drawings, films, books and newspaper articles depicted their diverse roles, constructing new versions of national heroines: angelic nurses, stoical mothers and plucky young war workers. Like all constructions of female identity, these idealised representations of women at war drew on familiar tropes of femininity which were adapted for the particular circumstances of ‘total war’.2 Alongside war heroines came their counterparts, anti-patriotic female villains – eroticised spies, selfish socialites, unfaithful wives – which equally drew on long-standing socio-cultural constructions of femininity. Some individual women gained iconic status during the war. Although she was executed for her role in an escape network for Allied soldiers, Edith Cavell embodied for many the patriotic self-sacrificing nurse, while Mata Hara tended to be cast as the model for the untrustworthy and anti-patriotic prostitute-spy.3 Such stereotypes necessarily failed to account for the diversity and range
1 On women and work in the First World War cf. for example Deborah Thom, Nice Girls and Rude Girls: Women Workers in World War 1, London 2000; Gail Braybon, Women Workers in the First World War, London 1981; Evelyne Morin-Rotureau, 1914–18: Combats de femmes, Paris 2004; Françoise The´baud, Les Femmes au temps de la guerre de 14, Paris 1986; Margaret Darrow, French Women and the First World War, Oxford 2000; Laura Lee Downs, Manufacturing Inequality: Gender Division in the French and British Metalworking Industries 1914–1939, New York 1995; Laura Lee Downs, War Work, in: Jay Winter (ed.), The Cambridge History of the First World War, vol. 3, Cambridge 2014, 72–95; Keith Mann, Forging Political Identity: Silk and Metal Workers in Lyon, France 1900–1939, Oxford 2010. 2 Cf. Alison S. Fell, Remembering French and British First World War Heroines, in: Christa Ha¨m¨ beregger and Birgitta Bader-Zaar (eds.), Gender and the First World War, Basingmerle, Oswald U stoke/New York 2014, 108–126; Susan R. Grayzel, Women’s Identities at War: Gender, Motherhood and Politics during the First World War, Chapel Hill 1999; Jean-Yves Le Naour, Mise`res et tourments de la chair durant la Grande Guerre, Paris 2002. 3 Cf. Tammy Proctor, Female Intelligence: Women and Espionage in the First World War, New York/
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of French and British women’s activities, attitudes and experiences during the war. But they formed a backdrop for any visual representation of women’s wartime roles; photographs and films depicting ‘real’ women in wartime were shaped both by popular wartime stereotypes and by long-standing gender imperatives that prescribed the limits of female roles. In 1918, the French and British governments sought to record women’s contributions to the war effort by commissioning photographs and making films. They did so for a range of motives: to document and memorialise what was largely presented as the temporary replacement of male workers by women in a time of national emergency; to reassure both civilians and mobilised men that women were ‘doing their bit’ for the war effort; and, in some cases, to inform future government policy around female employment and family welfare. At the same time, suffragists and feminists were keen to make the most of the opportunity to showcase the evidence of women’s efforts as citizens in order to argue for increased civil and political rights for women – particularly the vote – and improved working conditions for women workers. French suffragist Le´on Abensour’s 1917 publication “Les Vaillantes: He´ro¨ines, Marytrs et Remplaçantes”, for example, presents women’s activities during the war years not as a temporary chapter in his nation’s history, but as the culmination of women’s increasingly important contribution to society. Abensour thus begins his eulogy to women’s contributions to the war effort with a vision of a future in which “one half of the human species which has up until this point been relegated to the side-lines will bring a new energy with which to serve society”.4 Positive images of women at war could therefore be used to serve different political purposes, depending on the ways in which they were presented, circulated and interpreted. Whatever the political agenda, however, certain images had more propaganda value than others. The emphasis was placed on women whose contributions were seen as the most worthy and whose lives had been transformed by the war, rather than on the majority of women who continued to work in roles during the war that were similar to those they had done previously – albeit in different and often difficult circumstances. A hundred years later, the French and British governments are once again funding representations and re-appraisals of women’s roles during the First World War in the context of the wealth of public events, museum exhibitions, films, television dramas and documentaries and other cultural programmes designed to commemorate and reflect on the war and its legacies. Against this background, this article will compare and contrast the representation of women’s roles in the conflict in France and Britain during two key moments in which the war’s cultural memory has been constructed: at the end London 2003; Chantal Antier, Marianne Walle and Olivier Lahaie, Les Espionnes dans la Grande Guerre, Rennes 2008. 4 Le´on Abensour, Les Vaillaintes: He´ro¨ines, Marytrs et Remplaçantes, Paris 1917, 1.
Alison S. Fell, Female War Icons in France and Britain
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of the war and during its centenary years. In order to do so, it will first consider two visual sources dating from 1918: the film “La Femme française pendant la guerre” and photographs of British women’s war work commissioned by the Photographic Section of the Ministry of Information. It will then analyse the representation of women and the First World War in two museum exhibitions both launched in anticipation of the public interest that would be generated by the centenary of the conflict: the First World War galleries in the Imperial War Museum in London, which opened in 2014, and the permanent exhibition in the Muse´e de la Grande Guerre in Meaux, which first opened its doors in 2011.
1.
Visualising Women and War in 1918
In both nations examined here, the manpower shortage that intensified from 1916 onwards led to increased government efforts to recruit women into a range of waged war work in diverse sectors of the economy. Targeting women was done in part by positive press and magazine articles highlighting the importance and patriotic virtue of women engaged in war work. The emphasis remained on the temporary nature of the work, reassuring their audiences that traditional boundaries of what was considered acceptable for men and women would be reinstated once the guns had fallen silent. This is reflected in the language used to describe women’s war work: in Britain, work was described as being only ‘for the duration’, while in France women war workers were frequently referred to as ‘les remplaçantes’ (substitutes). At the same time, there were also concerns in both nations about the potential impact of the war on the birth rate, on women’s health and on family life. Emphasis continued to be placed on the importance of motherhood as women’s primary role, which was presented as a national duty as well as a source of individual fulfilment, particularly in France where pronatalism had been a growing force in political life from the late nineteenth century onwards.5 While some images of women in the First World War therefore emphasise the (temporary) transgressions of what were seen as the boundaries of women’s identities, carrying out tasks previously understood as inappropriate or unfeasible for women, others celebrate the continuity of traditional women’s roles as actual or potential wives and mothers. As Laurent Ve´ray notes in relation to the representation of women’s work in French wartime propaganda films: “Certainly important social changes in women’s activities are highlighted. But at the same time in each film there are multiple maternal metaphors, and feminine qualities are sought out; even when women are dressed and working like men, an effort is made to feminise them, to remind
5 Cf. Grayzel, Women’s Identities at War, see note 1; Anne Cova, Maternite´ et droits des femmes en France, Paris 1997.
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the spectator that fundamentally they are still women, whose essential task in a bloody war is to repopulate France.”6
This was particularly the case at the end of the war, when images of mothers and young children not only served to underscore this pronatalist message, but also to embody a vision of a peaceful imagined future and post-war return to the status quo. This becomes very clear by looking at a film made by the Section cine´matographique de l’arme´e.7 “La Femme Française pendant la Guerre”, directed by Alexandre Devarennes, was shown to both soldiers and the public after it was released in 1918.8 The film is an example of this sometimes uneasy blend of the new and the traditional in terms of the iconic visual images of wartime femininity it offers. Its underlying narrative suggests that despite the temporary (and heroic) replacement of men by women at a time of national emergency, the French woman has retained the essential qualities of her femininity. Its message is underscored in the tricolor poster (figure 1) created to publicise it which features a triptych of women with a seated breastfeeding mother in the centre flanked by an industrial worker on the left and a paysanne on the right. In the background and looming over all three women is a Marianne figure, symbolising the mother country; the four female figures taken together function to underline the voluntary subordination of French women’s individual concerns to the totalising national war project. The message of the poster and the film is clear: women have given freely of their labour for the nation, but their primary task remains that of repopulating France with its future citizens. The film is a blend of fiction and documentary, opening with a fictional tableau with actors playing the roles of female relatives of mobilised men, before moving to documentary-style images of the ‘voluntary mobilisation’ of women working in towns, factories, farms and hospitals. The ‘women at work’ section of the film concentrates on those roles more usually performed by men before the war: railway porters, tram drivers, mechanics, welders, chimney sweeps and so on. In agricultural work, the women are shown ploughing, using pitchforks and cultivating the land. Frequently the clips chosen foreground the physically demanding nature of the task and the cheerful resilience of the women workers. In this way, the continuity of women’s work before and during the war is underplayed, and emphasis is placed instead on the work as both new and temporary. In reality, although in both nations the war saw high levels of women employed in industry, for many of them it was a case of moving from one sector to 6 Laurent Ve´ray, Le cine´ma de propagande durant la Grande Guerre: endoctrinement ou consentement de l’Opinion?, in: Jean-Pierre Bertin-Maghit (ed.), Une histoire mondiale des cine´mas de propagande, Paris 2008, 41. 7 Founded in 1916 and abandoned in 1919, the Section cine´matographique de l’arme´e made 930 films in total. Cf. Violaine Challe´at, Le cine´ma au service de la de´fense, 1915–2008, in: Revue historique des arme´es, 252 (2008), 3–15. 8 The film is available to view online via the EPCAD archives: www.ecpad.fr/la-femme-francaisependant-la-guerre/, access: 30 May 2018.
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Figure 1: “The Frenchwoman in War-time”, poster, 1918 V Library of Congress, Washington, DC
another, often for (temporarily) higher wages. In France, the 1906 census stated that women accounted for 33.9 percent of France’s industrial labour force. By 1918, this had increased to over 40 percent.9 However, the film’s sections on ‘towns’ and ‘factories’ imply that the war had resulted in an influx of women coming into the industrial workforce for the first time rather than what in real terms was an increase of around seven percent. The film is also keen to show that work did not mean the neglect of their maternal duties. Female metal workers – described in the intertitle as “ouvrie`res et mamans” (workers and mums) – are shown carefully washing their hands and putting on clean over-clothes before breastfeeding their babies in the factory cre`che, thereby
9 Cf. Mann, Forging Political Identity, see note 1, 18.
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dispelling anxieties around the potentially harmful impact of factory work on women’s health and on family life. The second half of the film emphasises the largely unwaged work that blended seamlessly with what were constructed as the ‘eternal’ qualities of women: nurturing women knit, care for sick and wounded soldiers and raise future generations of patriotic young citizens. Bourgeois women are depicted to have enthusiastically responded to what the inter-title refers to as the ‘call made to their hearts’. Their work is therefore presented as an extension of the domestic space; and there are frequent associations made with Catholic images of saintly and selfless female virtue. At the end of this section, for example, the film shows statues of St Genevie`ve, Joan of Arc and Jeanne Hachette, presenting them as ‘the lessons of the past’ that French women have drawn on during the war. When we see a series of women being awarded medals at the end of the film, this is framed in the light of transcendent heroines answering to a ‘higher call’ rather than ordinary women acting as patriotic French citizens. Nevertheless, the final scene in which heavily bandaged women lie helplessly in hospital beds with their medals displayed on the hospital wall above them, whom we learn from the intertitles are “workers who remained at their posts when Paris was bombed [in an air raid] on 30 January 1918”, is not easily integrated with this more abstract Catholic framework of female martyrdom. The visceral impact of their injured bodies and laboured breathing brings the violence of war on women to the foreground and does not sit easily with the more sanitised and highly stylised representations of the impact of war on women’s lives that we see in other scenes. The film is framed, however, with two images of grieving mothers and widows of mobilised men. In the first, a stylised tableau bearing the hallmarks of melodrama shows a woman giving up her husband to the patrie. In the final scene, women dressed in mourning are given medals in a large outdoor ceremony by the French state. “La Femme Française pendant la Guerre” thus praises women for their war service but, crucially, it is not their own sacrifice that is prioritised at the start and end of the film, but that of their male relatives. Although there were a range of political positions within France in arguments for and against women’s citizenship amongst, for example, Catholics and Republicans, in this film individuals’ differentiated relationship to the state based on their gender is not questioned. It is the men who have paid the ‘blood tax’ as a central tenet of their Republican citizenship. Women’s relationship to the state is understood primarily not as individual citizens, but as the female relatives of male citizens, and as the reproducers of future ones. In Britain, press articles describing and celebrating women’s wartime roles were often illustrated by photographers working for the Ministry of Information or Ministry of Munitions. These photographs perform a similar function to the documentary footage of women at work filmed by the Section cine´matographique de l’arme´e, at least to some extent. The government had commissioned photographs to be taken of women workers in part to encourage sceptical employers to take on women to replace skilled
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male workers. Dilution officers were employed to tour the provinces to convince reluctant employers, worried about the potential problems of employing women such as discipline issues or the costs of providing separate female lavatories, to consider employing more female workers. These officers took photographs with them to help make their case, and two booklets of photographs were also produced and sent all over the country.10 As Deborah Thom and Claire Bowen have argued, it is important when looking at official photographs taken of women workers to bear in mind the circumstances in which they were produced and the messages they were intended to convey. Originally, these photographs were designed to offer a positive image of women working in jobs normally reserved for men. The Photographic Section of the Ministry of Information sent out a letter in June 1918 stating that the government was “desirous of making a complete collection of photographs illustrating the wonderful manner in which women have taken the place of men during the war”.11 As was the case for “La Femme Française pendant la Guerre”, whereas British women had been working in diverse roles in factories and mills before the outbreak of the war, these photographs suggested that this kind of work was new for women, created by the unique circumstances of the war. Studying these photographs uncritically can therefore risk “encouraging a history of innovation which understates the persistence of some aspects of industrial life”.12 Equally, government photographers Horace Nicholls and G. P. Lewis actively sought out women workers who would make for good photographs, rather than aiming for an exhaustive record of female labour in the war years. The ordinary was rejected in favour of the sensational; images of women carrying out hard manual labour were selected, for example, to underscore the extent to which they had replaced absent men. Their expressions are usually cheery or stoical rather than miserable or bored. The desired impression was of a plucky band of willing and capable temporary women workers. As Claire Buck summarises, this placed considerable representative weight on female industrial workers, who became a “metonym for the whole nation”, with images of female munitions workers in particular making women “the symbolic link between the domestic home front and the war”.13 (figure 2) However, if the short-term objective of photographing women in their workplace was to help solve the labour shortage by implementing the system of dilution, their longer-term importance as records of the war years was almost immediately recognised. 10 Cf. Deborah Thom, Making Spectaculars: Museums and how we remember Gender in Wartime, in: Gail Braybon (ed.), Evidence, History and the Great War: Historians and the Impact of 1914–18, Oxford 2003, 48–66. 11 Letter, J. B. Browne, Photographic Section of the Ministry of Information to Messrs Scowcroft and Sons, Wigan, 8 June 1918. Ministry of Information Papers, Box 2, Wellington House Files. Quoted in: Claire Bowen, Recording women’s work in factories during the Great War: the Women’s Work Sub-Committee’s ‘substitution’ photographic project, in: Revue LISA/LISA e-journal, 6, 4 (2008), 27–39, 33. 12 Thom, Making Spectaculars, see note 10, 58. 13 Claire Buck, Conceiving Strangeness in British First World War Writing, Basingstoke 2015, 179.
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Figure 2: “On Her their Lives Depend”, British recruitment poster, Ministry of Munitions, 1916 V Pictorial Press Ltd/Alamy Stock photo
In March 1917, the National War Museum Committee, which was to lead to the founding of the Imperial War Museum, established a Women’s Work Sub-Committee that began to commission photographs directly for a series of exhibitions. The photographers Nicholls and Lewis were seconded to the sub-committee in August 1918 and organised factory visits both in London in the provinces. A first exhibition of Women’s Work took place in October 1918, attracting 82,000 visitors including the Queen.14 Agnes Conway, daughter of Sir Alfred Mund who was the original chairman 14 Cf. Gaynor Kavanagh, Museum as Memorial: The Origins of the Imperial War Museum, in: Journal of Contemporary History, 23, 1 (1988), 77–97.
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of the committee, was the appointed official responsible to Lady Norman, who like several women of her class had run a hospital in France early in the war, for the Women’s Work section.15 Conway was a middle-class suffragist and was keen to underscore women’s importance to the war effort through the depiction of women in war work and potentially provide evidence for arguments supporting women’s continuing importance in paid and skilled jobs after the war.16 The emphasis was rather different, then, to that of the photographs taken to support the dilution scheme. However, it remains important to bear the aims and motivations of the Women’s Work section in mind when considering the photographic archive that they commissioned. Some work and activities carried out by women was underrepresented or absent. There were more photographs of women working in munitions than was proportionally the case, as these roles had higher propaganda value. In short, and as an official memo relating to a 1919 exhibition of women’s war work summarises, the men and women who commissioned and took photographs of women at work in the First World War “were consistently moved more by a concern for good propaganda than for an accurate record or representative sample”.17 That said, and as is equally the case with the French film, the wide range of industrial activities covered – glass-making, construction, air-craft building, munitions, chemicals, ceramics, breweries, steel, mining, textiles, flour and paper-mills – still gives us a sense of the diverse work in which women were engaged in order to produce the goods required to keep the army and the country functioning. Some of the photographs appear to be staged. Others, however, have a more documentary style, highlighting the professional context and depicting the women as skilled workers rather than portraying them as artificially glamorous ‘munitionettes’ like those who sometimes graced the pages of magazines, or as ornamental accessories used to sell wartime goods. “La Femme Française pendant la Guerre” and the photographs taken for the Women’s Work Sub-Committee continue to serve to remind us of the broad range of waged and unwaged work undertaken by women during the war. Rarely had women’s employment been so carefully visually documented. The different contexts and aims of the Section cine´matographique de l’arme´e and the women’s Work Sub-Committee meant that the French film is much more explicit in its espousing of a pronatalist message and in underscoring women’s role in the reconstruction of the nation after the war, whereas the British photographs tend instead to emphasise the skills, adaptability and competence of working women. In both cases, however, when depicting women’s waged work, change was prioritised over continuity; collaboration over industrial un15 Chair of the Women’s Work Committee, Lady Priscilla Norman (1883–1964), was a wealthy suffragist who became a Trustee of the Imperial War Museum. Her work, such as commissioning artwork, helped ensure that women’s wartime contributions were not forgotten. 16 Mary Wilkinson, A Closer Look at the Women’s Work Collection. Available online at: www.iwm. org.uk/history/a-closer-look-at-the-womens-work-collection, access: 30 May 2018. 17 Quoted in: Thom, Making Spectaculars, see note 10, 60.
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rest; and political consensus over political resistance. The resulting images give an impression of women of different ages and social backgrounds willingly giving of their service and sacrifice for the sake of the greater good.
2.
Representing Women and War during the Centenary
I will now turn to two major museum projects – the First World War Galleries in the Imperial War Museum and the Muse´e de la Grande Guerre in Meaux – to assess whether the activity generated by the war’s centenary has offered the French and British public a different take on women’s roles and activities during the First World War.18 Situated at the site of the first Battle of the Marne, the Muse´e de la Grande Guerre was the brainchild of Jean-Pierre Verney, who had amassed an enormous collection of First World War objects over several decades, and Jean-François Cope´, president of the regional authority of Meaux, representing 85,000 inhabitants.19 Cope´ acquired the collection in 2005 and set about raising funding for the museum. This has not been without controversy: some inhabitants have objected to their taxes being used to fund the museum, but Cope´ has defended the museum both in terms of its importance as a lieu de me´moire and its benefits to the local economy.20 The museum was opened on 10 November 2011. It includes the ‘couloir des femmes’ (women’s corridor), running alongside the main museum space, which was expanded in 2016. The museum has also curated a 16 panel mobile exhibition on women in the war that is available for hire to be exhibited in other settings during the centenary period.21 The permanent and mobile exhibitions on women feature some of the same women who appeared in the 1918 film. For example, a photograph of Germaine Malaterre Sellier and Jeanne Macherez, two Red Cross nurses who worked in Soissons during the war and who were both awarded the Croix de guerre and the Prix Audiffred by the French state for their bravery, appears in both and underlines in both cases a specifically
18 Although the Historial de la Grande Guerre in Pe´ronne, which first opened in 1992, is better-known amongst historians, I focus here on the Muse´e de la Grande Guerre because like the IWM Galleries it was founded specifically in anticipation of the centenary. 19 Muse´e de la Grande Guerre de Pays de Meaux, Chemins de me´moire website of the Ministre des Arme´es, at: www.cheminsdememoire.gouv.fr/fr/musee-de-la-grande-guerre-du-pays-de-meaux; Le passeur de me´moire, interview with Jean-Pierre Verney by François Guillaume Lorrain, in: Le Point, 9 November 2011, at: www.lepoint.fr/culture/le-passeur-de-memoire-09-11-2011-1394492_3. php#, access: 30 May 2018. 20 Cf. Valentine Rousseau, Pays de Meaux. Le Muse´e de la Grande Guerre pe`se sur le budget, in: Le Parisien, 18 March 2016, at: www.leparisien.fr/meaux-77100/pays-de-meaux-le-musee-de-lagrande-guerre-pese-sur-le-budget-18-03-2016-5638367.php, access: 30 May 2018. 21 Cf. www.museedelagrandeguerre.eu/fr/expositions-evenements/expositions-itinerantes.html, access: 30 May 2018.
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‘feminine’ brand of heroism during the war.22 However, the museum certainly offers a broader range of women’s activities and roles during the war than the 1918 film. A notable difference is a focus on working women who led episodes of industrial action, and not merely a celebration of female industrial workers as ‘mobilised’ for the nation. A film shown next to one of the panels in the women’s corridor, for example, tells the story of the highly mediatised and successful strike by Parisian textile workers (popularly known as the midinettes). There is also a greater concentration on the ways in which women’s everyday lives were affected by the experience of occupation. One of the women featured in an individual panel, for example, is Gabrielle Marchand, who refused to be evacuated from Lille and managed the family farm. We are also told that at the end of the war her husband married another woman, and she was left a single mother caring for her children. This story of separation and bigamy was relatively common during the war, but is rarely a focus of popular histories of the conflict. However, despite this inclusion of a more varied range of women’s experiences and a less celebratory tone when describing their participation, a new kind of heroine emerges in ‘le couloir des femmes’: the feminist or proto-feminist. Whereas the assumption of the film-makers in 1918 was that women carrying out men’s roles were worthy of praise and admiration because they had temporarily left their domestic roles, in the early twenty-first century such transgressions are celebrated because they are seen as female incursions into public space. This means that in contemporary museum exhibitions particular attention is given, for example, to women who were very close to the front lines or to female combatants, even though such women represented a tiny minority of the female population as a whole. In Meaux, a panel explains the existence of the Russian women’s Battalion of Death and the founding of the British Women’s Army Auxiliary Corps in 1917. It includes images of the Serbian combatant Milunka Savic, Russian Maria Bochkareva and Frenchwoman Marie Marvingt as examples of women who carried out combatant roles. Because of the rarity of the combatant experience for women in France (Marvingt probably served in a French combatant unit for about three weeks with the 42nd Batallion of the Chasseurs a` Pied), the museum is forced to turn to examples from other nations.23 It is notable that this is not the case, for example, when considering French women’s experiences of enemy occupation or of war work. The reasons for their inclusion is perhaps made clear when the next panel focuses on the responses of French and international feminist organisations, including feminist pacifists such as Frenchwoman He´le`ne Brion, to the war. A key difference between the narratives of women’s First World War experiences in 1918 and a hundred years later is thus the link that is nearly always made to the progress (or lack of progress) in women’s 22 Cf. Alison S. Fell, Germaine Malaterre-Sellier, la Grande Guerre et le fe´minisme pacifiste de l’entredeux-guerres, in: Christine Bard (ed.), Les fe´ministes de la premie`re vague, Rennes 2015, 207–216. 23 Cf. Marcel Cordier and Rosalie Maggio, Marie Marvingt: La Femme d’un sie`cle, Sarreguemines 1991.
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rights. The continuing insistence in popular culture of the war as straightforwardly emancipatory for women, a view of the war that was discredited by many historians from the 1980s onwards, especially in relation to France where women remained disenfranchised until after the Second World War, appears to have inflected the way in which their participation is represented in museums such as the Muse´e de la Grande Guerre in Meaux.24 Whereas female experiences of the war are limited to a single area of the main exhibition in Meaux, the ‘women’s corridor’, this is not the case in the First World War galleries in the Imperial War Museum in London, which opened in 2014. The new galleries were part of an ambitious redevelopment of the museum timed to coincide with the start of the war’s centenary, which was funded by an initial £5 million government grant, a £6.5 million grant by the Heritage Lottery Fund, and a further £25 million of funding secured from a variety of sources.25 An accompanying book was published by Paul Cornish, senior curator of the galleries, with a forward by the Duke of Cambridge.26 Deborah Thom, a leading historian of British women’s war work, was appointed to the committee, alongside Dan Todman, whose work explores the evolving British cultural attitudes to the conflict, including towards its impact on women. It is clear, then, that the IWM saw it as important not to exclude women from their 2014 narrative of the war.27 Yet although women’s roles are not relegated to a separate part of the exhibition, the only mention of them in the museum’s press release at the launch of the galleries resembles the way in which women’s participation in the war had been represented in 1918: “[the exhibition] explores how a total war on the battlefields meant a total war on the home front as women stepped into roles in factories, hospitals, transport and agriculture.”28 Thus, the IWM’s desire to tell a fuller story of the war, including the story of Empire and of global conflict, has not completely eradicated the 1918 prioritising of what was seen as a temporary taking on of men’s roles as part of a broader national sacrifice necessitated by ‘total war’. However, in the galleries more generally, the IWM was attempting to produce a ‘thick description’ of the First World War, placing items in a broader context and paying particular attention to hitherto overlooked aspects, thereby shaping and shifting public 24 For a discussion of the limitations of the war as emancipatory for women in France cf. James F. McMillan, Housewife or Harlot? The Place of Women in French Society 1870–1940, New York 1981; Françoise The´baud, La Femme, see note 1; Sıˆan Reynolds, France Between the Wars: Gender and Politics, London 1996. 25 Cf. www.1914.org/news/pm-david-cameron-announces-funding-for-iwm-london-new-first-worldwar-galleries/; www.iwm.org.uk/sites/default/files/press-release/PR-IWMLsecuresHLFgrant.pdf, access: 30 May 2018. 26 Cf. Paul Cornish, The First World War Galleries, London 2014. 27 Cf. Thom, Nice Girls and Rude Girls, see note 1; Daniel Todman, The Great War: Myth and Memory, London 2005. 28 Cf. www.iwm.org.uk/sites/default/files/pressrelease/First%20World%20War%20Galleries%20 at%20IWM%20London_0.pdf, access: 30 May 2018.
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perceptions of the war and its legacies. In terms of the galleries’ narrative, the curators consciously incorporated a contemporaneous understanding of the war by including participants’ own voices alongside a sense of the social, political, economic and military structures that underpinned that individual experience. In practice, this means that women’s experience is reduced to a selection of representative cases. Unlike in Meaux, there are no in-depth case studies of lesser-known women, and the examples chosen tend to tread fairly well-worn paths. In the section on mobilisation “Your Country Needs You” in the exhibition’s accompanying book, for example, “some enterprising women” who went closest to the fighting fronts are included, such as a photograph of the well-known “Heroines of Pervyse”, Elsie Knocker and Mairi Chisholm, and a book commemorating the execution of Edith Cavell.29 In the section “At All Costs”, we are shown a nurse’s uniform, a Glasgow tramways conductress’s hat, an armband from the Women’s National Land Service Corps and a photograph of members of the women’s auxiliary services. In the galleries themselves, there are several items and interpretation panels relating to women’s war work, with a focus on munitions, and smaller sections on nursing and the women’s auxiliary services. There are also a few items relating to women’s political activity, such as the 1915 Glasgow rent strikes, and to women’s postwar experiences, including a diary of an ex-servicewoman’s pilgrimage to the Western Front in 1928. In all cases, there is an attempt to include women’s experiences in the broader picture and to add some contemporary analysis, such as a 1917 quotation from the “Daily Mail” praising “the woman clerk” as having “made good beyond all expectation”. However, a lot of information is provided in a relatively small space, and only a broad-brush approach is possible. The problem with this approach to constructing a narrative of the First World War, as Claire Buck notes in relation to the exhibition’s representation of the non-white experience of the war, is that “without prior knowledge we can only glimpse another way of understanding the war”.30 It is important to acknowledge that the Imperial War Museum saw its First World War Galleries as offering a “totalising vision” of the war, functioning as one of principle ways during the centenary years in which British citizens would learn about, and see itself recognised in, the complex histories and legacies of the conflict. Its public remit is reflected in the amount of public funding it received and its high visitor numbers (in 2014, the IWM attracted almost 915,000 visitors, up 153 percent on the previous year).31 The centenary has also offered opportunities for alternative representations of women’s roles in the First World War, including theatre productions, films, television dramas and other museum exhibitions. While some of these have relied on well-worn narratives, others have offered a fresh vision of the war and its impacts on women’s lives by uncovering lesser-known stories or by reflecting on the ways in which women’s lives 29 Cf. Cornish, The First World War Galleries, see note 26, 57. 30 Buck, Conceiving Strangeness, see note 13, 191. 31 Cf. www.centenarynews.com/article?id=3267, access: 30 May 2018.
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between 1914 and 1918 can inform our understanding of women’s lives a hundred years later.32
3.
Conclusion
Comparing visual sources in France and Britain reveals some divergences that relate to the nations’ different experiences of the war. Notable in this context, for example, is the inclusion in France of the experiences of women living under German occupation – something which tends to be only indirectly referred to in Britain via the case of Edith Cavell. However, it is equally noteworthy that there are more similarities than differences when we examine evolving understandings of women’s contributions to the First World War via the visual sources used to depict them. While popular stereotypes of heroines have shifted to occasionally include women who resisted the war, women workers involved in industrial action and the rare cases of women who took on combat roles, women’s contribution is still nearly always couched in relation to the central war story of the suffering front-line combatant, particularly on the Western Front. This explains the continuing emphasis on exceptional martyr-heroines such as Edith Cavell who can be seen as having paid an equivalent ‘ultimate sacrifice’, on women who lost sons and husbands or on nurses who cared for sick and wounded men. When there is a focus on women’s work behind the lines, priority is given to women’s munitions work, which is often presented as an alternative ‘front’ where workers are carrying out an equivalent of male military service. A narrative of the war that prioritises front-line combat also means that the diversity of men’s activities and experiences, both within and without the armed services, is rarely foregrounded. For example, older men, male war workers and non-combatant enlisted men are almost never featured in museum exhibitions. This means that women’s roles and experiences during the war are rarely integrated with those of men, although they were often living and working side by side rather than separately, as in the case of workers involved in episodes of industrial action or in medical personnel working in hospitals and casualty clearing stations. Of course, there is no solution to this tension between a more in-depth and nuanced approach to the diversity of women’s experiences of the First World War on the one hand, and the need to place those experiences both side by side with those of (combatant 32 Cf. for example a 2017 photography exhibition, “No Man’s Land”, in Bradford: www.impressionsgallery.com/exhibitions/exhibition.php?id=82. This innovative exhibition combined rarely seen photographs taken by women during the war with new commissioned works by contemporary female photographers. In France, a 2017 exhibition in the Panthe´on, a building which was hitherto a bastion of celebratory (male) Republican identity, explored Marie Curie’s mobile X-ray unit: http:// centenaire.org/fr/autour-de-la-grande-guerre/expositions/exposition-marie-curie-une-femme-aupantheon, access: 30 May 2018.
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and non-combatant) men and within broader historical frameworks and timelines on the other. Museums are increasingly operating with what James Wallace and James Taylor call a “more consultancy-based mind set”, wishing to take account of external expectations and diverse audiences as well as needing to be aware of the economics of the museum as a tourist destination.33 This “shift in power towards the visitor” has resulted, in the case of the representation of women’s participation in the conflict, in the continuing inclusion of ‘heroines’ in the narrative of the First World War. Who counts as a heroine today includes not only the heroines of 1918, the ‘plucky’ temporary war workers, angelic nurses and martyr-heroines, but also ‘feminist heroines’, those who ‘dared’ to defy patriarchal expectations in order to gain access to the front lines, who dressed up as men in order to play a combatant role or who carried on a political struggle for women’s rights during the war. These new heroines reflect contemporary understandings of the war as an important staging post in the progression of European women’s rights. Yet, like the ‘heroines of the nation’ who were constructed in the French and British films and photographs produced in 1918, they also necessarily highlight a symbolic few over a more representative many, and in so doing focus on change rather than on continuity.
33 James Wallace and James Taylor, The Art of War Display: The Imperial War Museum’s First World War Galleries, 2014, in: James Wallace and David C. Harvey (eds.), Commemorative Spaces of the First World War: Historical Geographies at the Centenary, London/New York 2018, 100–115.
Fa´tima Mariano and Helena da Silva
From Memory to Reality: Remembering the Great War in Portugal and Gender Perspectives1
Similar to many other countries, there has been a growing popular, scholarly and media interest in Portugal in gaining a deeper understanding of the history of the Great War. From 2014, and even more so from 2016 onwards (the year that marked the centenary of the country’s official entry into this global conflict), the initiatives designed to remember the years of the war and its consequences on a social, political, cultural and military level have multiplied. At the time of writing this article – in November 2017 –, exhibitions and conferences have been and continue to be held, Collection Days are being promoted, academic and journalistic articles, monographs and fiction books are being published, memoirs and diaries reprinted, new research topics pursued in universities, documentaries broadcasted on radio and TV. However, despite this unprecedented dynamic, the emphasis of the remembrance of the Great War in terms of gender has mainly focused on male perspectives. Contrary to what might be expected, Portuguese historiography continues to be more interested in the politico-diplomatic, military and economic context of the war than its impact on civil society. The main focus is placed on politico-diplomatic aspects that led to Portugal’s entrance into the war, on how the expeditionary troops were prepared for participating in the conflict and on the question of whether and to what extent the war contributed to the deterioration of the country’s economy. The historical narrative mainly focuses on the soldier who went to the war front, who put his life at risk, who suffered the hardships of captivity, who died in the battlefield or returned home maimed. Thus, apart from some exceptions, women’s contributions to the war effort and changes of women’s status in family and society as a result of the conflict are still uncharted territory. As Michelle Perrot has highlighted years ago, “[i]n the theatre of memory, women are tenuous shadows. The traditional historical narrative does not leave them much space, specifically insofar as it favours the public arena – politics, war –
1 This work was supported by FCT – Portuguese Foundation for Science and Technology (IF/00631/ 2014/CP1221/CT0004).
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where they barely seem to appear.”2 In Portugal’s case, the theatre of memory of the Great War is mainly dominated by male voices and perspectives representing the remembrance of 1914–1918 in academic publications and events. In this article, we examine how and to what extent gender perspectives have been taken into consideration in the context of the remembrance of the Great War in Portugal. We will focus on those activities promoted since 2014 which include women,3 because soldiers’ and veterans’ masculinities and sexualities have been completely forgotten in commemorative activities. Then, we will attempt to give possible reasons for the marginalisation of gender aspects by Portuguese historiography. Finally, we will discuss potential topics for further research.
1.
The Centenary and Portuguese Women
It should be noted that Portugal entered the Great War alongside the Triple Entente. From August 1914 onwards, there were multiple conflicts between German and Portuguese troops in the south of Angola and the north of Mozambique. By declaring itself non-neutral and non-belligerent, Portugal attempted to maintain its African territories and increased its military presence in these places by sending 49,000 men between 1914 and 1918. After Germany declared war on Portugal on 9 March 1916, over 56,000 men were sent to France and about 50 women were deployed as nurses.4 The Portuguese involvement in the world conflict was also seen as an opportunity to strengthen the young and unstable republic, and to reinforce its diplomatic role in Europe. However, this intervention resulted in next to 8,000 deaths5 and almost as many imprisonments in the African and European war theatres, and led to political, economic and social consequences that were felt throughout the following decades. As stated above, with the centenary of the First World War the number of commemorative activities has increased, mainly after 2016. The official remembrance programme, organised by the national Coordinating Committee of the Remembrance of the World War I Centenary,6 arranged by Lieutenant General Ma´rio Oliveira Cardoso and under the direction of the Ministry of National Defence, mainly contained events and publications dedicated to politico-military topics, expressing a lack of interest in gender perspectives, and especially in women. Thus, many of the initiatives we 2 Michelle Perrot, Pra´ticas da Memo´ria Feminina [Practices of Female Memory], in: Revista Brasileira de Histo´ria, 9, 18 (1989), 9–18, 9. 3 Due to the limited amount of space available, we cannot include the analysis of fictional texts or conferences, although this would be interesting as well. 4 Cf. Aniceto Afonso and Carlos de Matos Gomes, Portugal e a Grande Guerra. 1914–1918 [Portugal and the Great War], Vila do Conde 2013, 103–106, 522. 5 Cf. www.memorialvirtual.defesa.pt/EN/Paginas/PurposeMore.aspx; access: 16 April 2018. 6 Cf. www.portugalgrandeguerra.defesa.pt/Paginas/default.aspx; access: 2 October 2017.
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will describe in this article regarding the role of Portuguese women in the Great War have been developed in an academic context or by private institutions.
1.1
Books
As would be expected, several Portuguese publishers have taken advantage of the interest in the Great War and issued books on this subject. Some of them are of great academic quality, but few refer to the history of women. A good example is the seminal book “Portugal e a Grande Guerra. 1914–1918”,7 of about 600 pages, only three pages even mention women. More specifically, they concern female organisations or those in which Portuguese women played a prominent role (such as the Portuguese Red Cross) and that provided support for the soldiers and their families.8 A different perspective on the war years is presented by Jorge Pedro Sousa in his two-volume work “Portugal na Grande Guerra. Uma Cro´nica Visual”.9 The author examines how the armed conflict was covered by the weekly magazine “Ilustraça˜o Portuguesa” [Portuguese Illustration], one of the most important journals of that time and an essential source to understand Portugal during that era. According to Sousa, this periodical gave short shrift to issues regarding the situation of women, but still mentions, for example, the female nurses of the Portuguese Red Cross and the initiatives organised by the Portuguese Women’s Crusade (Cruzada das Mulheres Portuguesas), founded in March 1916 by a group of women to support the Portuguese war effort.10 It also examines how the fact that thousands of men left for the battlefields and more women were employed impacted the job market. The book “Prisioneiros Portugueses da Primeira Guerra Mundial. Frente Europeia – 1917/1918” by Maria Jose´ Oliveira,11 on the other hand, presents itself as groundbreaking study and even a revelation in the Portuguese historiographical context. Not only does it address an under-researched topic – prisoners of war –, it also includes new source material, namely letters written by women to their imprisoned relatives that never reached their addressees, as they were confiscated by the military censorship. Although the book fails to critically analyse these sources that are merely reproduced, 7 See note 4. 8 Cf. Luı´s Alves de Fraga, Organizaço˜es femininas portuguesas [Female Portuguese Organisations], in: Afonso/Matos Gomes, Portugal e a Grande Guerra, see note 4, 103–106, 504–506. 9 Jorge Pedro de Sousa, Portugal na Grande Guerra. Uma Cro´nica Visual [Portugal in the Great War. A Visual Chronicle], vol. I and II, Porto 2013. 10 The organisation was established immediately after Germany officially declared war on Portugal, by several women such as Elzira de Dantas Machado, wife of the president of the republic, and other relatives of the republican political elite. The Portuguese Women’s Crusade played an important role in supporting deployed soldiers and their families until the 1930s. 11 Cf. Maria Jose´ Oliveira, Prisioneiros Portugueses da Primeira Guerra Mundial. Frente Europeia – 1917/1918 [Portuguese Prisoners of War. European Front], Porto Salvo 2017.
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the letters allow us to collect valuable information about the women’s perspectives on the collective and individual life in Portugal at that time. The centenary was also an opportunity to reprint diaries and memoirs of soldiers and politicians. Among them, the August 2017 edition of “Vagabunda: Seguimento a`s memo´rias de uma actriz. 1908–1919”, first published by Mercedes Blasco in 1920, should be mentioned.12 The second part of the book is entirely dedicated to the narrative of the four years of war lived by Mercedes Blasco, her husband and their two children in the Belgian city of Lie`ge, occupied by the Germans at that time. It includes some pictures of the author with former Portuguese prisoners (whom she treated as a Belgian Red Cross nurse, taken after their release) and letters they sent to her describing the horrors they experienced in the detention camps. As we can see, the lack of books on women and the Great War in Portugal is evident. Those that somehow touch upon gender issues do so in a limited way, failing to examine known sources and to present new perspectives or interpretations on the issue. This is probably due to the absence of extensive academic studies on this subject.
1.2
Academic Theses and Scientific Articles
The centenary brought several subject areas related to the First World War to the attention of Masters and PhD students, but women’s studies proved to be an exception. The Portuguese National Register of Doctoral Dissertations in Progress,13 lists a thesis by Natividade Monteiro titled “Mobilizaça˜o das Mulheres Portuguesas durante a Grande Guerra” [Mobilisation of Portuguese Women During the Great War]. In the context of this thesis, Monteiro has published several scientific articles of high historiographic value, highlighting the role of Portuguese women during the conflict, which summarise fundamental ideas14 and provide biographical information on some relevant figures.15 Although not exclusively dedicated to the issue of women in the Great War, Joa˜o Albuquerque’s research on the role of civilian institutions for the support of Portuguese war prisoners also addresses this topic. He mentions some associations where Portu12 Cf. Mercedes Blasco, Vagabunda: Seguimento a`s memo´rias de uma actriz. 1908–1919 [Vagabond: Follow-Up to the Memories of an Actress], Lisboa 1920, re-edited by Fa´tima Mariano, Isabel Lousada and Joa˜o Miguel Palma Serra˜o Martins, Me´rtola 2017. 13 Cf. www.dgeec.mec.pt/np4/40/; access: 2 October 2017. 14 Cf. Natividade Monteiro, Mulheres portuguesas em tempo de guerra (1914–1916) [Portuguese Women in Wartime], in: IDN Naça˜o e Defesa, 145, (2016), 109–121, at: www.idn.gov.pt/pu blicacoes/nacaodefesa/resumo_abstract/NeDef145_Abstract_NatividadeMonteiro.pdf; access: 2 October 2017. 15 Cf. Marı´lia Viterbo de Freitas and Natividade Monteiro, (Auto)retrato de Ana Jose´ Guedes da Costa [(Self)portray of Ana Jose´ Guedes da Costa], in: Faces de Eva, 33 (2015), 171–177, at: www.scielo. mec.pt/pdf/eva/n33/n33a17.pdf; access: 2 October 2017.
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guese women played a prominent role. However, this short research project is excessively descriptive and fails to thoroughly analyse these institutions or the women who collaborated with them.16 In addition to the works of these two researchers, several other academic articles were published, namely about the women’s fight for the release of their imprisoned relatives17 and the relationship between feminism, pacifism and the Great War.18 A recent article in the context of a research project on health and the Great War is also worth mentioning. It addresses the establishment of a unit of war nurses mobilised by the army for the Portuguese Women’s Crusade, highlighting the journey of several women and the obstacles they had to overcome to serve in Portuguese hospitals in France.19 To sum up: there is an overall lack of scholars, especially senior academics, who address the subject of women in the First World War, which narrows scientific production. For example, there have been no special issues of Portuguese journals on social history or gender studies about the topic of women and the First World War.
1.3
Exhibitions
To celebrate the centenary of the establishment of the Portuguese Women’s Crusade (1916), the Portuguese National Library organised an exhibition20 followed by a colloquium and the publication of an exhibition catalogue. The colloquium was attended by four lecturers who outlined the role of the Crusade in the military context, among them gender historians Isabel Lousada and Natividade Monteiro.21 Their papers were 16 Joa˜o Nuno Saraiva Mota Albuquerque, Prisioneiros de guerra portugueses no quadro da Grande Guerra. O papel das instituiço˜es cı´vicas de apoio [Portuguese War Prisoners in the Great War. The Role of Civilian Support Institutions], Final Research Work, Instituto Universita´rio Militar, 2016, at: http://hdl.handle.net/10400.26/14612; access: 13 November 2017. 17 Cf. Fa´tima Mariano, “Devolvam os nossos maridos”. A luta das mulheres portuguesas pela libertaça˜o dos prisioneiros de guerra [“Give us back our Husbands”. Portuguese Women’s Fight for the Release of War Prisoners], in: Isabel Henriques Jesus et al. (eds.), Falar de mulheres. Dez anos depois [Speaking about Women. Ten Years Later], Vila Nova de Famalica˜o 2016, 339–348. 18 Cf. Fa´tima Mariano, Pacifismo e feminismo em Portugal nas ve´speras da 1.a Guerra Mundial [Pacifism and Feminism in Portugal on the Eve of the First World War], in: Maria Manuela Tavares Ribeiro et al. (eds.), Pela Paz! For Peace! Pour la Paix! (1849–1939), Bruxelas 2014, 277–288. 19 Cf. Helena da Silva, As enfermeiras de guerra da Cruzada das Mulheres Portuguesas (1916–1919) [War Nurses of the Portuguese Women’s Crusade], in: Revista CEPHIS, 7 (2017), 341–364. 20 No centena´rio da Cruzada das Mulheres Portuguesas [At the Centenary of the Portuguese Women’s Crusade], exhibited at the Portuguese National Library, Lisbon, from 28 January to 30 April 2016. 21 Isabel Lousada, Elas … Pela Pa´tria [They … for the Country]; Maria Alice Samara, O contexto da I Guerra Mundial e a Cruzada das Mulheres Portuguesas [The Context of the First World War and the Portuguese Women’s Crusade]; Maria Lu´cia Brito de Moura, As Guerras da Cruzada [Crusade’s War] and Natividade Monteiro, A Cruzada das Mulheres Portuguesas e a Assisteˆncia aos Feridos e Mutilados de Guerra [The Portuguese Women’s Crusade and the Assistance to the Injured and Maimed of the War], papers presented at the colloquium entitled “No centena´rio da Cruzada das
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published in the catalogue,22 as well as other studies about this feminist organisation, commemorating some historical aspects and displaying parts of the Portuguese National Library’s collection. “Tudo se desmorona” [Everything Is Collapsing] 23 is another exhibition about the impact of the Great War on Portuguese society and culture that addresses the situation of women. It includes aspects of Portuguese Red Cross nurses, war widows and the role women played in fundraising campaigns to help deployed soldiers and their families. Although this exhibition made several aspects of Portuguese women in the Great War known to the public, some objects and images could have been explored in greater detail and accompanied by more comprehensive explanatory texts. The exhibition “Os intelectuais portugueses e a Guerra 1914–1918” [Portuguese Intellectuals and the War 1914–1918], shown in the Portuguese National Library between January and April 2016, should also be mentioned in this context. It included some books, written by women, about the world conflict and Portugal’s involvement, a topic that is largely ignored by Portuguese historiography. After the exhibition, a catalogue24 was published. However, although it lists all the exhibited books, including those written by women, the chapter’s title “Os intelectuais portugueses e a Guerra” fails to mention women’s intellectual contribution.
1.4
Media
Unlike the situation outlined above, Portuguese media paid great attention to women’s issues, particularly between 2014 and 2016. The TV show “Postal da Grande Guerra” [Postcards of the Great War], aired on channel two of the public broadcaster (RTP2), devoted three episodes25 to this topic. The public radio station, Antena 1, also dedicated one of the fourteen parts26 of the programme “Cem Mil Portugueses na Primeira Guerra” [One Hundred Thousand Portuguese in the First War] to women’s con-
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Mulheres Portuguesas” [At the Centenary of the Portuguese Women’s Crusade], Portuguese National Library, Lisbon, 16 March 2016. Cf. Luı´s Sa´ and Manuela Reˆgo (eds.), Cruzada das mulheres portuguesas [Portuguese Women’s Crusade], Lisboa 2016. Tudo se desmorona [Everything Is Collapsing], exhibited at the Calouste Gulbenkian Foundation, Lisbon, from 30 June to 4 September 2017. Cf. Luı´s Augusto Costa Dias, Os intelectuais portugueses e a Guerra 1914–1918 [Portuguese Intellectuals and the War], Lisboa 2016. A show with 49 episodes, each accompanied by text and images, available online. Cf. www.rtp.pt/ noticias/portugal-na-1-grande-guerra/as-portuguesas-na-frente_es948192, www.rtp.pt/noticias/ portugal-na-1-grande-guerra/a-cruzada-das-mulheres_es953039, www.rtp.pt/noticias/portugalna-1-grande-guerra/cruzada-das-mulheres-ii_es957448; access: 2 October 2017. Cf. www.rtp.pt/play/p3175/e284150/cem-mil-portugueses-na-primeira-guerra; access: 2 October 2017.
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tribution to the war effort, including an interview with the historian Natividade Monteiro. Similarly, Portuguese periodicals have devoted several articles to women’s participation in the Great War. Some address different aspects of the Portuguese female effort during and after the conflict, delving into topics that have rarely been researched, such as marriage to maimed soldiers27 and to the events in several belligerent countries, including Portugal, in the post-war period.28 Other articles have been more specific, for example about the Portuguese Women’s Crusade29 or the Portuguese Red Cross nurses,30 recycling information and data already published in other studies. The topic of correspondence and love letters gave rise to another publication in the “Sa´bado”31 [Saturday] magazine, which was also addressed in the TV show “Postal da Grande Guerra”. These media narratives on Portuguese women somehow perpetuate the international view of women during wartime: the nurse that cares for the maimed soldier and the young woman in love with a soldier, who she hopes to marry.
2.
Reasons for This Scenario
There are several factors that have contributed to the rather marginal interest in female perspectives and a predominantly male-centred focus of Portuguese historiography on politico-diplomatic and military aspects, as reflected by the events and publications to commemorate the Great War. Contrary to the situation of various other belligerent countries, the Portuguese metropolitan territory was not invaded by enemy armies. Except for the confrontations between Portuguese and German forces in the north of Mozambique and the south of Angola (Portuguese colonies at the time) and the attack on the city of Ponta Delgada in the Azores archipelago by a German submarine on 4 July 1917, national autonomy was 27 Cf. Fa´tima Mariano, Como elas combaterem [How They Fought], in: Visa˜o Histo´ria, 25 (2014), 28–33. 28 Cf. Anne Cova, As mulheres foram activistas na guerra, depois voltaram ao lar [Women Were Activists During the War, Then They Went Back Home], in: Pu´blico (20 August 2014), at: www. publico.pt/2014/08/20/culturaipsilon/noticia/do-activismo-das-mulheres-na-retaguarda-ate-ao-re gresso-ao-lar-1666852; access: 3 October 2017. 29 Cf. Manuela Goucha Soares, Quando as nossas avo´s marcharam para a guerra [When Our Grandmothers Marched to War], in: Expresso (17 March 2016), at: http://expresso.sapo.pt/cultura/ 2016-03-17-Quando-as-nossas-avos-marcharam-para-a-guerra; access: 3 October 2017. 30 Cf. Rita Garcia, As damas da alta sociedade na Primeira Guerra [High-Society Ladies in the First War], in: Sa´bado [Saturday] (8 January 2015), at: www.sabado.pt/vida/pessoas/detalhe/as-damasda-alta-sociedade-na-i-guerra?ref=DET_relacionadas_vida; access: 3 October 2017. 31 Cf. Pedro Jorge Castro, Grande Guerra: As mais belas cartas de amor que na˜o chegaram ao destino [The Great War: The Most Beautiful Love Letters That Did Not Reach Their Destination], in: Sa´bado [Saturday], 618 (4 March 2016), at: www.sabado.pt/vida/detalhe/grande-guerra-as-maisbelas-cartas-de-amor-que-nao-chegaram-ao-destino; access: 4 October 2017.
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never at stake. For the majority of the civilian population in the mainland, the military conflict was happening many thousands of miles away and, as such, the only impact of the war was felt indirectly, for example through an increase in living costs. In Portugal, there were no deportations to prison camps, military occupations, lootings, murders or rapes, images that are associated with the impact of war on the civilian population elsewhere. These topics, although recurrent in the home front historiography, cannot be considered in the Portuguese case. Moreover, Portugal did not even come close to the massive number of deployed French soldiers in proportional terms. While only about 3.5 percent of the Portuguese male population went to the front, it was 20 percent in France.32 Therefore, the social consequences of the deployments were less profound in Portugal. Thus, topics such as war marriages, separation of couples, mothers who were left alone or brides that remained unmarried, would be barely addressed by Portuguese historiography, in comparison with France, where the entire society was mobilised, for example, by political appeals urging women to contribute to the war effort by actively working in agriculture, industry and services.33 Whereas the Great War severed the social and family order in France, allowing women to access new jobs and responsibilities, the situation was quite different on the Portuguese home front. Françoise The´baud has quoted the weekly publication “La Vie Fe´minine” on this matter, stating that “[t]he Great War had been necessary for humanity to take notice of its other half”.34 However, it seems that Portugal was still far from discovering its female half through the war, since the opening of traditionally male jobs to women was limited during the period of the conflict. This situation is exacerbated by the lack of source material and archives on female participation in the Great War, such as, for example, relevant documents written by Portuguese women on how they lived during the years of the war. It should be borne in mind that eight in ten Portuguese women were then illiterate, which reduces the probability of finding a significant number of testimonies.35 However, men wrote several books about their experience of the Great War, despite the high illiteracy rate among the male population (seven in ten Portuguese men could not read and write).36 32 Cf. Direcça˜o Geral de Estatı´stica, Censo da populaça˜o de Portugal: no 1.8 de Dezembro de 1911 (5.8 recenseamento geral da populaça˜o) [Census of the Population of Portugal as of 1 December 1911 (5th General Census of the Population)], Lisboa 1913, 4–5, at: http://censos.ine.pt/xportal/ xmain?xpid=INE& xpgid=censos_historia_pt_1911; access: 5 September 2017. 33 Cf. Laura Lee Downs, War work, in: Jay Winter (ed.), The Cambridge History of the First World War, vol. 3, Cambridge 2014, 72–95, 77–79; Margaret H. Darrow, French Women and the First World War: War Stories from the Home Front, Oxford/New York 2000. 34 “Il a fallu la Grande Guerre pour que l’humanite´ prıˆt conscience de sa moitie´”, Françoise The´baud, Les femmes au temps de la guerre de 14, 2nd edition, Paris 2013, 22. 35 Cf. Direcça˜o Geral de Estatı´stica, Censo, see note 32, 4–5. 36 To name but a few examples: Alexandre Malheiro, Da Flandres ao Hanover e Meckenburg (notas de um prisioneiro) [From Flanders to Hanover and Meckenburg (notes from a prisonner)], Porto 1919;
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It is possible to find some isolated newspaper articles or letters written by women, but these sources are difficult to analyse because they contain little information about their authors. The website of the project “Fly – Forgotten Letters Years 1900–1974”37, organised by the Centre of Linguistics of the University of Lisbon, has some correspondence written by women during the years of the war available. However, these testimonies are sparse and difficult to contextualise, analyse and compare with other sources. Up to today, no diaries or memoirs have surfaced written by the “lady nurses” of the Portuguese Red Cross or the Portuguese Expeditionary Corps, who worked in hospitals in France, where they witnessed the horrors of war, or in hospitals in Portugal, where they treated sick and mutilated soldiers. Whilst in other countries nurses’ diaries are still being found, sources produced by women are a rare occurrence in Portugal. In this context, it should be stressed again that Portugal, compared with other belligerent countries, only sent a very small number of nurses to the frontlines. Moreover, the Portuguese Army did not deploy female doctors, soldiers, spies or women with other auxiliary functions, such as cooks or drivers. There are also no records of religious women38, female journalists39 or photographers who volunteered to go to war. Thus, there is hardly any evidence that Portuguese women actively participated on the frontlines in any way.40 In contrast, male politicians and soldiers left diaries and memoirs describing their personal experiences (some of which have been reprinted and analysed).41 Even in the
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Augusto Casimiro, Nas trincheiras da Flandres [In Flanders’ Trenches], Porto 1919; David Magno, Livro da Guerra de Portugal na Flandres [Book of Portuguese War in Flanders], Porto 1921; Humberto d’Almeida, Memo´rias dum expediciona´rio a França. 1917–1918 [Memories of an Expedicionary to France], Porto 1919; or Carlos Olavo, Dia´rio de um prisioneiro de guerra na Alemanha [Diary of a Prisoner of War in Germany], Lisboa 1919. Cf. http://fly.clul.ul.pt/index.php; access: 4 September 2017. Military pastoral care in the Portuguese army was carried out exclusively by men in the rank equivalent to ensigns. Cf. Maria Lu´cia de Brito de Moura, Nas Trincheiras da Flandres. Com Deus ou sem Deus, eis a questa˜o [In the Trenches of Flanders. With or Without God, That Is the Question], Lisboa 2010. The study on Portuguese war correspondents only refers to male journalists in the chapter on the Great War. Cf. Jose´ Rodrigues dos Santos, Cro´nicas de Guerra. Da Crimeia a Dachau [Chronicles of War. From Crimea to Dachau], Lisboa 2001, 39–163. Although there were many women writing for general newspapers at that time, they devoted themselves mainly to the writing of chronicles. Female writers covering news, articles and interviews emerged not before the 1960s. Cf. Sara I. Magalha˜es, Teresa Alvarez, Mulheres e Media [Women and Media], Lisboa 2014. Cf. Margaret R. Higonnet, At the front, in: Winter, Cambridge History, see note 33, 121–152, 152. Since 2014, the Coordinating Committee of the Remembrance of the World War One Centenary, in collaboration with the Directorate of History and Military Culture has been re-editing books written by frontline soldiers: Jaime Cortesa˜o, Memo´rias da Grande Guerra. 1916–1919 [Memories of the Great War]; Andre´ Brun, A Malta das Trincheiras. Migalhas da Grande Guerra. 1917–1918 [The Guys from the Trenches. Bits of the Great War]; Augusto Casimiro, Nas Trincheiras da Flandres. 1917 [In the Trenches of Flanders] and Ame´rico Olavo, Na Grande Guerra. 1917–1918 [In the Great War]. The reissue of Ferreira do Amaral’s “A mentira da Flandres e o medo” [The
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last few years, when the remembrance of the war centenary has led several families to search private archives for traces of that past, the writings that have emerged to the public eye are those written by men. In fact, the historian Natividade Monteiro has been struggling with this issue in her PhD thesis on Portuguese women in the Great War. In an interview on the TV show “Cem Mil Portugueses na Primeira Guerra” of Antena 1 radio station, she deplores that “[t]he archives are lacking in documents on women. It is very difficult to find evidence of women’s participation in the war. The only thing we have are periodicals. […] They sometimes mention not only women’s organisations established to support soldiers, families and orphans, and nurses who went to the battlefront or stayed in the rear, in hospitals, etc., but also anonymous women’s committees organised locally to raise money and to gather and make warm clothing for the soldiers.”42
Furthermore, it is important to highlight that many female organisations that were established during the Great War ceased their operations, in general, after the war. Except for one or two organisations, such as the Portuguese Women’s Crusade,43 whose surviving documentation remains in the headquarters of the Combatants League in Lisbon, all other archives and documentation are lost. Without relevant source material, it is difficult to reconstruct the day-to-day lives of Portuguese women at the home front. State archives, particularly military institutions, hold countless documents written by men for men, minimising women’s roles and reinforcing the idea that war belongs exclusively to the male sphere. Due to the fact that the memories of the Great War were passed from generation to generation, memory politics is generally associated with men’s achievements. On several Collection Days,44 organised since 2014 by the Institute of Contemporary History of the Faculty of Social Sciences and Humanities of the New University of Lisbon, it was mainly the descendants of frontline soldiers who came to share their family memories. Thus, it is their narrated experiences that have survived within the family remembrance until today. When people were asked about what happened to women who stayed in Portugal, the answers show that these issues were never really discussed. The history of the family in the years of the war is narrated from a male perspective, which means that women are also barely present in oral sources. It is also noteworthy that the issue of women in the Great War was already explored (although not in depth) in 2010/2011, on the occasion of the centenary of the establishment of the Republic of Portugal. Many female associations and their main Flanders’ Lie and the Fear] and Menezes de Ferreira’s “Joa˜o-Ningue´m, Soldado da Grande Guerra” [ Joe Nobody, Soldier of the Great War] is forthcoming. 42 Cf. www.rtp.pt/play/p3175/e284150/cem-mil-portugueses-na-primeira-guerra; access: 4 September 2017. 43 This organisation was absorbed by the Combatants League in 1933, with whom it shared its headquarters. 44 Cf. www.portugal1914.org/portal/pt/memorias/dias-da-memoria; access: 8 September 2017.
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leaders were connected to the republican movement, which is why during the celebration of the 100 years anniversary of the Portuguese Republic a great deal was written and said about these women.45 This might explain why the interest in this topic is so scant, although there has been and still is only little investigation on Catholic and monarchist women.
3.
Possible Future Developments
We have identified a set of issues that deserve to be addressed or pursued further for a better understanding of the role of Portuguese women in the four years of the Great War and its aftermath. First, female associations and women who were connected to the Catholic and monarchist movement should be examined. Portuguese historiography has focused too much on republican women who are more visible in the public sphere and whose role is better documented. However, Catholic and monarchic women also played a very relevant role in supporting deployed soldiers and their families, which should be investigated in greater depth. Besides, there are barely any studies on the participation of Portuguese women in the labour market during the conflict. Even without a strong male absence, Portugal felt the impact of the war. For example, the country was one of the biggest producers of canned goods, for which demand grew rapidly during the military conflict, and this industry mainly employed women. In both this and other fields, Portuguese women were called into work. Only few studies have addressed this issue and the repercussions of this development on the post-war period. The “godmothers of war” is another interesting research field. Usually highlighted in the context of the Colonial War between 1961 and 1974 and still not sufficiently investigated, “godmothers of war” appeared for the first time in the conflict of 1914–1918. Historians have not yet explored this topic, despite the public interest, the existence of source material and the many related issues that it opens up. Who were the “godmothers of war”, and what relations did they establish with their “godsons” during and after the war? Another open question is that of the war widows. Their number is still unknown. Historical research on grief and mourning as well as on the challenges these women 45 Isabel Lousada, Pela Pa´tria: A Cruzada das Mulheres Portuguesas (1916–1938) [For the Motherland: The Portuguese Women’s Crusade]. Paper presented at “XIX Colo´quio de Histo´ria Militar: 100 Anos do Regime Republicano. Polı´ticas, rupturas e continuidades” [XIX Colloquium of Military History: 100 Years of the Republican Regime. Politics, Breaks and Continuities], 16–18 November 2010; Natividade Monteiro, “Pela Pa´tria e Pela Repu´blica”. As Mulheres Republicanas na I Guerra Mundial [“For the Motherland and for the Republic”. Republican Women in the First World War], in: Zı´lia Oso´rio de Castro, Joa˜o Esteves and Natividade Monteiro (ed.), Mulheres na I Repu´blica [Women in the First Republic], Lisboa 2011.
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faced in the post-war period are sparse. More studies like those by Karin Hausen,46 Erika Kuhlman47 or Peggy Bette,48 among others, are needed to understand how Portuguese widows dealt with their financial difficulties, taking into account that they no longer had their husbands’ salary, how they fought for the “blood pensions” and what support they had to raise their children. Did they remarry? Did they get a job or multiple jobs? Did they move from the countryside to the city? It would also be interesting to understand how the return of the soldiers affected womanhood and women’s marital relationships by analysing divorce, marriage and birth rates. The research projects that have been carried out in Portugal so far focus too much on the period between 1914 and 1918 and do not give enough attention to the medium and long-term effects that resulted from the years of war. What role did women (wives, mothers or daughters) play when the sick and maimed soldiers came back home? Furthermore, studies that focus on Portuguese women and the First World War predominantly present a general framework, missing local and regional realities and the individual stories of the women’s organisations that materially and morally supported the soldiers and their families. It is well known that these organisations based in the bigger cities of the country had branches in multiple locations and that several women mobilised themselves locally to contribute to the war effort. However, there is no information on who these women were, what activities they developed, what obstacles they faced, whether and how they were supported or what happened to them in the post-war period. Finally, the topic of gender perspectives can still be developed by approaching, for instance, the concepts of soldiers’ and veterans’ masculinities or the construction of masculinities, which were subjects completely left aside in the context of the remembrance activities.
4.
Conclusion
While gender issues were not entirely pushed aside from the set of initiatives promoted from 2014 onwards to commemorate the Great War centenary, they were not addressed as much or as in-depth as other subjects, namely those of a politico-military nature. Overall, Portuguese historiography has failed to develop new topics and interpretations 46 Cf. Karin Hausen, The German Nation’s Obligations to the Heroes’ Widows, in: Margaret R. Higonnet et al. (eds.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 126–140. 47 Cf. Erika Kuhlman, Of Little Comfort: War Widow, Fallen Soldiers, and the Remaking of the Nation after the Great War, New York 2012. 48 Cf. Peggy Bette, Veuves et veuvages de la premie`re guerre mondiale, Lyon (1914–1924), in: Vingtie`me Sie`cle. Revue d’Histoire, 98 (2008), 191–202.
Fátima Mariano/Helena da Silva, Remembering the Great War in Portugal
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regarding the above-mentioned issues, although new archives and sources have been made available to researchers. Thus, in the Portuguese case, the centenary of the Great War was not used as a catalyst for research on gender perspectives. The focus remained on the consequences of the conflict in the context of national history and male narratives, neglecting the female presence during and after the war. With few exceptions, Portuguese women and the First World War stayed in the background of the remembrance of the centenary and their roles remained complementary. As a consequence, the opportunity to redirect research towards gender perspectives was lost. In addition, the topic of Portuguese women in the Great War has been mainly addressed by researchers who regularly focus on gender studies in their work, and no new name has emerged. More importantly, the research centres and academic journals dedicated to this field practically ignored the centenary of the Great War, and, in so doing, missed an opportunity to stimulate new research. There was a lack of funding for projects specifically addressing First World War and gender, which could have attracted more postgraduates to explore new research topics. With the end of the commemoration period approaching, the issue might, once again, be forgotten. Meaningful dates like this have the effect of propelling studies on the historical event that is being remembered. The centenary of the Great War is no exception, even though, as we have seen, gender perspectives were widely ignored in Portugal. However, we hope that, in the post-centenary period, new works on the topic emerge, supported by new documental sources that have come to light during the last four years.
Judit Acsa´dy, Zsolt Me´sza´ros and Ma´te´ Zombory
Reflections on the Gender Aspects of World War One: Commemoration Projects and Historiography in Hungary
A large number of public events, conferences, exhibitions and publications shows that there has been significant attention placed to the commemoration of the 100th year anniversary of the First World War in Hungary since 2014.1 In this year, more events and exhibitions about the Great War took place than during the past 25 years altogether. However, it should be noted that the centrally launched, state-funded calls that aimed at creating, editing and organising commemoration projects in Hungary were mostly announced not earlier than in 2014.2 This resulted in a special challenge, as this timeframe did not allow for new basic research projects in the year of the centenary. The final results of those long term projects initiated after 2014 will obviously become evident much later.3 The selected projects were expected to draw the public attention to new, innovative perspectives of the Great War. The Hungarian government created the Centenary Commemorational Committee of World War One in late 2012.4 Its members are heads of ministries and high government officials, except for the historian Ma´ria Schmidt, the leading figure in the 1 The authors wish to thank historian Boldizsa´r Vo¨ro¨s for giving us basic information and guidance about centenary events and publications at the beginning of our data collection. He contributed to several projects and publications on World War One. Cf. Boldizsa´r Vo¨ro¨s, Terek, to¨megek, filmek: Rendezve´nyek magyar hı´rado´kban 1915-ben e´s 1919-ben [Spaces, People, Films: Events in Hungarian Film Reports, 1915 and 1919], in: Iva´n Berte´nyi Jr., La´szlo´ Boka and Eniko˝ Katona (eds.), Propaganda – politika, he´tko¨znapi e´s magas kultu´ra, mu˝ve´szet e´s me´dia a Nagy Ha´boru´ban [Propaganda – Politics, Culture, Arts and Media in the Great War], Budapest 2016, 303–312. We also thank Iva´n Berte´nyi Jr., Andra´s Gero˝ and Andra´s Kappanyos for their time and their valuable comments to our interview questions. 2 Cf. Zolta´n Oszka´r Szo˝ts, Volt egyszer egy e´vfordulo´ – va´logata´s az uto´bbi ke´t e´v elso˝ vila´gha´boru´s szakirodalma´bo´l [Once Upon a Time on a Centenary. Selection of WWI Literature of the Past Two Years], in: Mu´ltunk. Journal of Political History, 2 (2016), 120–146. 3 Cf. interview with Iva´n Berte´nyi Jr. (Director of the Institute of Hungarian History, Vienna) who was involved in several centenary events and publications. He pointed out that the time limits and the late publication of calls made it difficult to investigate new topics for those who have not previously been involved in WWI-related research. 4 A Korma´ny 1472/2012. (X. 29.) Korm. Hata´rozata az Elso˝ Vila´gha´boru´s Centena´riumi Emle´kbizottsa´g le´trehoza´sa´ro´l [Government decision 1472/2012. (X. 29.) about establishing the Centenary Committee].
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politics of history of the Orba´n cabinets.5 Another governmental resolution was adopted in mid-2013 about the centenary programme,6 which – demonstrating the cultural-political importance attributed to the Treaty of Trianon – extended the commemorational period concerning World War One to the time between 1914 and 1920. The resolution assigned the coordination of this programme to the Institute of the Twentieth Century, headed by Schmidt. The Scholarly and Advisory Board,7 which defined the framework of the commemoration events in order to schedule the “historical-professional definition of the centenary events’ orientation”, put emphasis on the novelties and innovations. It called for a new perspective and a new historical narrative in order to overcome “previous stereotypes” and a “politically motivated” and “old-fashioned approach” applying the winners-losers dichotomy.8 However, some criticism9 and the statistics of the first centenary year show the difficulties in meeting those high expectations of achieving historiographic innovations: nearly half of the selected 230 projects were about the renovation of existing World War One monuments. In addition to a hundred different cultural events, only six book publications and seven film scripts were supported by the budget of 500 million HUF spent for centenary activities during the first year.10 It seems that not only the official programme was burdened by high expectations for new approaches in historical representation.11 The remembrance of World War One in the Hungarian public and cultural spheres has been strongly attached to certain key motifs, connected mostly to the narratives of losses. The dramatic consequences of the war, the disastrous defeat and the Peace Treaty 5 Ma´ria Schmidt, chief advisor of Prime Minister Viktor Orba´n between 1998 and 2002, is trustee of the main laboratory of pro-government historical knowledge production, the Public Foundation for the Research of Central and Eastern European History and Society. Schmidt is the director of the two research institutions and the House of Terror Museum, affiliated to the public foundation. 6 A Korma´ny 1182/2013. (IV. 5.) Korm. Hata´rozat az elso˝ vila´gha´boru´ centena´riumi rendezve´nysorozata´ro´l [Government decision 1182/2013. (IV. 5.) about launching the commemoration events]. 7 Formed in June 2013. 8 Tudoma´nyos e´s tana´csado´ testu¨let programado´ nyilatkozata, 18 June 2013, cf. document of the scientific advisory board defining the aims and the programme, at: www.elsovilaghaboru.com/cen tenariumiemlekbizottsag/hu/dokumentumok/14-tudomanyos-es-tanacsado-testuelet-projektindi to-nyilatkozat/file, access: 6 April 2018. 9 Cf. Eszter Babarczy, Ma´rcius [March], in: E´let e´s Irodalom [Life and Literature], 59, 12 (2015), 7. Cf. Ma´ria Schmidt’s answer to this criticism at: www.elsovilaghaboru.com/centenariumiemlekbi zottsag/hu/dokumentumok/21-7/file, access: 6 April 2018. 10 Cf. the communication of the Ministry of Human Resource (Emberi Ero˝forra´sok Miniszte´riuma ko¨zleme´nye), www.elsovilaghaboru.com/centenariumiemlekbizottsag/hu/dokumentumok/24-9/ file, access: 6 April 2018, 5 paragraphs. 11 Several authors, main organisers and contributors of the centenary events have expressed the necessity of overcoming the previous narratives and to introduce new approaches and themes, as was argued for example by Andra´s Gero˝, historian and director of the Institute of Habsburg History, Budapest. About the dominant Trianon remembrance cf. e. g. the reflective essay by Ja´nos Ko˝ba´nyai, Az elbesze´lhetetlen elbesze´le´s. Az elso˝ vila´gha´boru´ a magyar irodalomban. [Story That Can Not be Told. WWI in Hungarian Literature], Budapest 2014, 7.
Acsády/Mészáros/Zombory, Commemoration and Historiography in Hungary
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of Trianon have dominated the memories of the Great War. However, there have been great efforts to include topics such as modernity and warfare, social and structural changes, attitudes and cultural impacts connected to World War One beyond the usual themes of previous historical narratives focusing on the history of diplomacy, politics and the events of warfare. Furthermore and connected to the grand narratives, a significant part of the commemoration events in Hungary deal mostly with the role of “key” figures such as kings, emperors and senior military officers of the belligerent countries.12 Leading Hungarian historians and major personalities who play a significant role in the organisation of the events to commemorate the 100th anniversary of World War One emphasised their willingness to reconsider previous ways of commemorating or writing about the history of the war and stressed the need of including new approaches.13 Yet, several circumstances made these intended changes and innovations rather difficult. Against this background, our paper aims to grasp the main features concerning the inclusion of gender topics in these performances and analyse in what ways such issues contribute to new understandings of gendered features of the war or reaffirm previous approaches. The paper will present some of those centenary projects (exhibitions, events and publications) that had a special focus on women or, defined more broadly, on gender aspects. We examine the motivations, values and processes of the establishment of selected commemoration projects based on personal interviews with the theme leaders concerned. Thus, the paper reflects on some characteristic and significant events and publications in order to outline our main analytical point of view, which is the analysis of gender representations.
1.
Gender and the First World War
In international research, gender is considered a relevant and valid category of war studies and commemorations – be it in general or related to World War One in particular. Many historians currently regard gender and war as “inevitably intertwined”.14 Gender relations and gendered notions of war, images and representations 12 One of the key centenary exhibitions in Budapest, entitled “1914–1918. A New World Was Born. Europe’s Fraternal War” at Castle Garden Bazaar in Budapest, represented World War One as a parallel narrative, addressing both traditional and the new topics (warfare, politics, diplomacy, yet also home front and social changes). 13 Cf. personal interviews with Andra´s Gero˝ and Andra´s Kappanyos, see note 1. 14 Ana Carden-Coyne quotes Alison Fell, Gendering the War Story, in: Journal of War and Culture Studies, 1, 1, (2007), 53–58, and Carden-Coyne refers also to John Horne, Masculinity in Politics and War in the Age of Nation-States and World Wars, 1850–1950, in: Stefan Dudink, Karen Hagemann and John Tosh (eds.), Masculinities in Politics and War: Gendering Modern History, Manchester 2014, 22–40. Cf. Ana Carden-Coyne, Masculinity and the Wounds of the First World
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constitute a major focus in a number of recently published studies on war (and peace) and volumes on World War One.15 At first glance, the examination of wars in regard to gender differences appears to support the traditional gender dichotomy in that, while men ‘make’ war, women are the ones who keep life going on at the home front.16 In this sense, military masculinism was not questioned, but taken for granted, and an analysis of gender was understood as the examination of women’s situation.17 Two basic optional frameworks of interpretation are relevant here, which serve as backgrounds for investigations of women and war. The first one is the frame of care-giving (that refers to women’s activities during wartime as fulfilling their seemingly essential and primary tasks as caregivers, food suppliers and as nursers and healers).18 The second interpretive frame exceeds beyond the limits of the first one and offers a more complex approach, focusing on women also as active participants in public life in wartime: either in politics, women’s organisations, in civil society in several ways or as those who contribute to the formulation of the systematic social institutions (employment, health, childcare, etc) that fulfil the emerging needs at times of war.19 Recent academic interests, however, go beyond the former dichotomies and a focus solely on women. They formulate new approaches and reflect on the “ways in which discourses of gender intersect with political debates about and cultural representations of war”.20 Among the new subjects, the questions of military masculinities, the relationship between military masculinity and national identity or the challenged gender roles as a side effect of the war are becoming more and more examined and elaborated in international literature. The social problems of returning wounded and disabled soldiers from the front and the losses in private lives are also frequently investigated research topics, as well as the characteristically gendered, anti-war feminist pacifist activism and women’s involvement in politics, public life and social service.
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War: A Centenary Reflection, in: Revue Française de Civilisation Britannique. French Journal of British Studies, 20, 1 (2015): Revisiting the Great War, ed. by John Mullen and Florence Binard, 1–8. Cf. Alison S. Fell and Ingrid Sharp (eds.), The Women’s Movement in Wartime. International ¨ beregger and Perspectives, 1914–19, Basingstoke/New York 2007; Christa Ha¨mmerle, Oswald U Birgitta Bader-Zaar (eds.), Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014. Cf. Andrea Peto˝, Az I. vila´gha´boru´ to¨rte´nete a ta´rsadalmi nemek szerint [Gendered History of World War One], in: Istva´n Majoros, Ga´bor Antal, Pe´ter Hevo˝ and Anita M. Madara´sz (eds.), Sorsok, frontok, eszme´k. Tanulma´nyok az elso˝ vila´gha´boru´ 100. e´vfordulo´ja´ra [Fates, Fronts, Ideas. Studies published for the 100th Anniversary of WWI], Budapest 2015, 567–576. Though, arguably, gender history is still often equated with the study of women (and implicitly femininity), cf. Carden-Coyne, Masculinity, see note 14, 1. Peto˝, Az I, see note 16, 568ff. Cf. Zolta´n Vo¨lgyesi, Harcte´rto˝l a ha´torsza´gig. Az elso˝ vila´gha´boru´ gazdasa´gi e´s ta´rsadalmi hata´sai Magyarorsza´gon a leve´lta´ri forra´sok tu¨kre´ben [From the Front to the Home Front. The Economic and Social Impacts of WWI in the Light of Archival Sources], Budapest 2016. Alison Fell, Gendering the War Story, see note 14, 54.
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Due to the restrictive publishing policies of state socialism before 1989, the majority of relevant research literature determining the changes in history writing and research was neither translated, nor could it be purchased in the original language in Hungary. Even these days, after the transition, such books are hardly available. Thus, these new tendencies could not make significant impact. Women studies in general and women’s history in particular have difficulties entering the mainstream of Hungarian academia. Yet, since the 1990s, several university departments have introduced courses connected in one way or another to women’s history, and devoted several publications, conferences, special issues and events to this topic.21 History in East Central Europe is framed by some common features: “The most important among them is how the memory of the end of the war and its outcome dominated and still dominates its memory in the region. […] irrespective of victory or defeat, being born out of the collapse of the empires or just profiting from it, state formation and its territorial aspects form the focus of politics of memory”22 – as it is stated in the World War One special issue of the journal “Mu´ltunk”, published by the Institute of Political History, a foundation and non-profit research institute that played a significant role in the centenary events in Hungary. It launched a four-year project23, funded by the Citizens for Europe – European Active Memory programme of the European Commission, in order to help develop, facilitate and strengthen the memory of the Great War. The project organised a series of events, both for the larger public and the scholarly community, and also aimed at involving international experts and audiences to discuss features of commemorations in the region.24 Beyond such initiatives and the exclusive groups of esteemed historians and experts there is still a lack of basic, general, wide-ranging studies about new tendencies of 21 Women’s history initiatives were often carried out by interdisciplinary studies. Cf. e. g. one of the first series of lectures, entitled “Woman in Society”, organised at ELTE, Budapest, in 1987 by Ma´ria Adamik, Judit Acsa´dy and Andrea To´th. Women’s and gender studies courses were often introduced at English Departments or connected to sociology, cultural studies, economics, literature, philosophy e. g. at the universities of Szeged, Debrecen, ELTE, Corvinus. Founded in the 1990’s, the CEU also established a gender programme in Budapest. Initiated by Erzse´bet Bara´t, a feminist linguist (University of Szeged, English Department), a gender studies conference has been organised in the south of Hungary, in Szeged, entitled “Language, Ideology and Media” every year from 2005 onwards. Bara´t is also the editor in chief of the only gender studies journal in Hungary, the “TNTeF Interdisciplinary eJournal of Gender Studies”, founded in 2010. 22 Ga´bor Egry and Ro´bert Taka´cs, Pieces from the Puzzle of the Memory of WWI in Central and Eastern Europe, in: Mu´ltunk. Journal of Political History, 2 (2016), special issue: Memory and Memorialization of WWI in East Central Europe: Past and Present, ed. by Ga´bor Egry, 154–172, 156, open access at: www.multunk.hu/wp-content/uploads/2017/01/multunk_special_wwi_ 2016.pdf, access: 6 April 2018. 23 “‘Frontlines and Hinterland’ project at the Institute of Political History, Budapest. The collective of the institute wish to engage with blind spots of social memory of the 100th anniversary of WWI and present a new picture of the social experience of war between 1914 and 1918.” Quote from the preface in: Memory and Memorialization, see note 22, 4. 24 The project also launched a website. For the English version cf. www.elsovh.hu/english.
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history writing, including the aspects of social history, micro-history and the history of events from the standpoint of different social groups and, consequently, gender aspects.
2.
Representation of Gender in the Centenary Events and Publications in Hungary
Regarding the events and projects launched in Hungary in the context of the centenary, gender aspects of war in the above outlined sense25 are rather rarely displayed and examined. A significant majority of the centenary commemoration events and publications devoted to the occasion26 approaches the Great War as a total war that impacts all segments of society. Thus, the commemorations often include interdisciplinary methods to describe the multiple effects of the war on economy, culture, social life, services, health care, demography27 or education, among many others. The volumes and exhibitions were often organised around one leading topic or attempted to include several of them. For example, this applies to a volume published by the National Sze´che´nyi Library on the role of propaganda in the media during World War One or the publication of the KKETTK Public Foundation28 and another edited volume, “The Aftermath of World War One”29 that all include interdisciplinary studies. The book “Fates, Fronts, Ideas” devotes a whole section to women’s issues. Besides, these volumes have relatively few references to gender relations or gendered features of the war. As an effect of a basic dichotomy in these descriptions of front (men) and home front (women), the representations remain mostly in an essentialist framework. Women are described as connected to the private sphere of life, to care and nursing; women’s public role during the war, or women’s organisations are not discussed.30 The same 25 Cf. also Carden-Coyne, Masculinity, see note 14, 1: “Masculinity has been named as an explicit subject of historical investigation in relation to wartime and militarism”. 26 Apart from the above-mentioned volumes and articles, the following journals published special issues in Hungary in the context of the commemoration of the 100th anniversary of WWI: Mu´ltunk, 2 (2016) (also a special issue in English, see note 22), AETAS, 1 (2017), Jel-Ke´p, 1 (2016). 27 Cf. for example Zsombor Bo´dy, Ne´pesede´s, e´letmo´d e´s a no˝k helyzete´nek va´ltoza´sai Magyarorsza´gon az I. vila´gha´boru´ uta´n [Demography, Women’s Lives after WWI], in: Be´la Tomka (ed.), Az elso˝ vila´gha´boru´ ko¨vetkezme´nyei Magyarorsza´gon [Aftermath of WWI in Hungary], Budapest 2015, 227–257. 28 The volume “Fates, Fronts, Ideas. Studies published for the 100th Anniversary of WWI” contains papers presented at a conference at ELTE University in May 2014. See note 16. 29 Cf. Tomka, Az elso˝, see note 27; open access at: www.nemzetfotere.hu/uploads/nemzetfotere/ kiadvanyok/az-elso-vilaghaboru-kovetkezme.pdf, access: 6 April 2018. 30 For a discussion of Hungarian feminist movements during World War One and international pacifisms cf. Judit Acsa´dy, In a Different Voice. Responses of Hungarian Feminism to the First World War, in: Fell/Sharp, Women’s Movement, see note 15, 105–123; Judit Acsa´dy, “Besze´ljen a szı´vu¨nk!” Ha´boru´ellenes hangok a hazai e´s a nemzetko¨zi no˝mozgalomban az I. vila´gha´boru´ ideje´n [“Let our Heart Speak.” Pacifist Voices in Hungarian Feminist Movement during WWI], in:
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holds true for the exhibitions.31 Gender in the above-mentioned cases is not framed as a social construction, and the social positions of men and women are not critically reflected. The fact that women’s issues dominate gender-related topics discussed in centenary events and publications can be traced back to the influence of those initiatives that have practiced “women’s history” in the past two decades in Hungary. At the same time, gender aspects in (social) history are generally underrepresented and rather marginal still. Masculinity studies are relatively weak and involve only a few researchers.32 Some few events, however, included men’s studies in an innovative way, for example the exhibition organised by the National Museum and Institute of Theatre History, entitled “Soldier-actors, and PoW Prima Donnas. Front and Prison Camp Theatres in World War One”.33 It is important to stress that no books or volumes on the war in Hungary from the perspective of feminist studies have been published in connection with the 100th anniversary of World War One. The literary historian Judit Ka´da´r has launched an initiative to collect and publish such papers. However, although the contributing authors submitted their draft chapters for this book project, the publication did not go ahead due to insufficient funding. As far as institutional initiatives are concerned, neither the recently founded Research Center of Women’s History at University ELTE34 in Budapest, nor the Women’s History Committee of the Hungarian Academy of Sciences35 launched any programme or publication dedicated to the centenary of World War One.
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TNTeF, 5, 2 (2015), 1–20, open access at: http://tntefjournal.hu/vol5/iss2/acsady.pdf, access: 6 April 2018. The volumes, Eszter Kaba (ed.), Ha´boru´s mindennapok – mindennapok ha´boru´ja [War of Everday Life and the Everyday Life of War], Budapest 2017 and Vo¨lgyesi, Harcte´rto˝l, see note 19, also contain some references to the Feminist Association (1904 Budapest) and original sources, yet they do not refer to previous studies in this field. The list of institutions that organised centenary exhibitons including those outside the capital is rather long. One of the founders of men’s studies in Hungary is Miklo´s Hadas (Corvinus University). Although he is an expert on the twentieth century history of masculinities, he was not involved in the centenary programme or any of its publications. Cf. Miklo´s Hadas, A modern fe´rfi szu¨lete´se [The Birth of the Modern Man], Budapest 2003. Szı´ne´szkatona´k, fogolyprimadonna´k. Front- e´s hadifogolyszı´nha´zak az elso˝ vila´gha´boru´ban [Soldieractors, PoW Prima Donnas. Front and Prison Camp Theatres in WWI]. The event was supported by the Centenary Committee. The soldiers performing female characters were discussed in the context of cross-dressing. For more information on the centre cf. https://womenshistory.wixsite.com/research-center, access: 6 April 2018. The committee (Magyar Tudoma´nyos Akade´mia No˝to¨rte´neti Munkabizottsa´ga) was founded in 2015 and consists of several historians specialised in various fields. Its president is Anna Fa´bri, retired professor of ELTE, Department of Cultural History, an esteemed expert on discourses and public debate on emancipation and women’s issues.
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3.
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Closer Examination of Case Studies
In the following part, we will provide illustrative case studies of selected significant World War One centenary commemoration events and projects in Hungary.
3.1
“Europe’s Fraternal War” – the Central Event
Statues of two massive, super-sized soldiers in Austro-Hungarian World War One uniforms welcome the visitors at the entrance of the exhibition “1914–1918. A New World Was Born” at the feet of the Buda Castle facing the river Danube. The exhibition which took place in the Castle Garden Bazaar of Budapest was organised by the Institute of the Twentieth Century and financed by the Centenary Commemorational Committee.36 Governmental representatives gave high prestige to the opening ceremony of the exhibition, which served as one of the key events of the centenary commemorations. Deputy Minister of Human Capacities, Bence Re´tva´ri, referred to it as the most important exhibition of the year 2015. State secretary La´szlo´ L. Simon and senior curator Ma´ria Schmidt, director of the Institute of the Twentieth Century, emphasised that the exhibition aims to present details of the war that have not been much discussed and displayed previously. The exhibition shows the war from various angles, using a variety of means that adress different senses of the visitors37. Both front and rear area are displayed according to the ‘total war’ concept. Women appear in the exhibition halls in photographs, short video films and other documents as serving their country in many ways during the war (e. g. through working in industry and agriculture, maintaining families, taking care of children, nursing, healing and providing sexual services in front brothels).38 Data about changes in women’s social involvement (concerning education, employment, suffrage rights in Europe and Hungary) are also displayed, however, they are hidden behind touch screens providing information only if the visitor chooses to interactively select and click on certain items. Near the very entrance, enlarged contemporary postcards are displayed as decoration like a huge wallpaper depicting emotional scenes such as the soldiers’ farewell from their beloved ones, women writing letters to the front or smiling attractively in fancy, sexy military costumes – often without reference to the origin or the context and without any reflective notes. Several quotations from contemporary media are also displayed, printed in large letters, in other rooms. Two of them represent the central concepts of the way women 36 The committee is headed by Zolta´n Balog, Minister of Human Capacities, who also sent his speech to the opening ceremony. Cf. http://www.elsovilaghaboru.com/centenariumiemlekbizottsag/hu/ dokumentumok/27-12/file, access: 13 July 2018. 37 For example, by leading the visitor into a dark room emulating a dugout, with noises of warfare. 38 A video shows a short scene of a suffrage march without referring to the exact place and date.
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are shown in the exhibition: “The war turns every member of the nation into a soldier, even women”39 and “Working women are just as much heroic soldiers of the war as the fighting men on the front”.40
3.2
Women as Heroes
A similar topos is elaborated in the main concept of another significant exhibition of archival photographs and documents41 under the title “(Wo)men are Heroes, too. The Lives of Hungarian Women in World War One”42, organised by the Balassi Institute at Budapest. The exhibition also counted as one of the central World War One centenary commemoration events.43 It was financed by the World War One Commemoration Committee, however, it was realised “independently from the professional point of view”,44 as Iva´n Berte´nyi Jr., one of the curators, points out. The photo collection of the exhibition later travelled on to several other cities, both in Hungary and abroad45, and was presented for example at the UngArt Gallery of the Collegium Hungaricum in Vienna under the title “Frauen als Heldinnen”. Here, a series of events and lectures on women’s history was also organised as side-events. For example, Austrian historian Christa Ha¨mmerle (University of Vienna) was involved, giving a speech at the opening which took a critical perspective on the title of the exhibition by adding a question mark. Also, the curators of this exhibition based their main concept on the notion of ‘total war’. The original sources shown in this collection are remarkable. The exhibits on display include contemporary journal articles, police files, private letters and diaries. The central issue of the exhibition, women’s heroism (sacrifice and devotion in the line of duty), is connected to the concepts of care, endurance and workload under the extreme circumstances of war. Women are portrayed almost exclusively in the context of their families or in relation to the men, fighting at the front. There are hardly any references 39 In Hungarian translation: “A ha´boru´ a nemzet minden tagja´t katona´va´ avatta, az asszonyokat is.” 40 In Hungarian translation: “A dolgozo´ asszony e´ppen olyan ho˝s katona a ha´boru´ban, mint maguk a fronton ku¨zdo˝ fe´rfiak.” 41 The photographs are from the collections of the following institutions and museums: Metropolitan Ervin Szabo´ Library (Fo˝va´rosi Szabo´ Ervin Ko¨nyvta´r), Military History Museum (Hadto¨rte´neti Mu´zeum), Andre´ Kerte´sz Memorial Museum, Szigetbecse (Szigetbecsei Andre´ Kerte´sz Mu´zeum), the Fortepan Collections and Ka´roly Kincses private collection. The National Sze´che´nyi Library was also a contributing partner of the project. 42 “(N)o˝k is ho˝so¨k. Magyar no˝i sorsok az elso˝ vila´gha´boru´ban” [(Wo)men are Heroes, too. The Lives of Hungarian Women in World War One], photo exhibition. Curators: Iva´n Berte´nyi Jr., Zita Bodna´r, Ka´roly Kincses. 43 State secretary Bence Re´tva´ri opened the exhibition. 44 Quotation from the authors’ interview with Iva´n Berte´nyi Jr. 45 The exhibitions were hosted at the Hungarian Institutes in Bucharest, Vienna, Sofia, Prague, Taˆrgu Secuiesc (Ke´zdiva´sa´rhely) and Zagreb.
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to emancipation and any attempts to deconstruct traditional concepts. The documents are organised around ten themes, depicting details of women’s experiences during the war. Their narratives range from the farewell to the men going to war to the bitter mourning of the dead. Other central topics include expectations, “we miss you”, acceptance, endurance, need, labour and education, morals, old and new types of men. Yet, these experiences are told from the male rather than the female perspective. Women are portrayed through the eyes of the contemporary soldiers, casting a male gaze from the front to the home front. By this means, women can be seen in their roles as mothers, wives, carers, healers and prostitutes. This underlying perspective is also apparent (albeit most probably unintentionally) on the cover of the exhibition catalogue46 that depicts a soldier in full size facing the camera with a small postcard-size photo of a woman in his hands.
3.3
War and Sexuality
Questions of intimate relationships, sexuality and personal interactions between the troops and the civilian population are undoubtedly part of the discussions on the Great War. The Institute of Habsburg History47 organised a roundtable talk on “War and Sexuality”48 in the context of the centenary events presenting genuine research papers based on archival documents. The participants had diverse approaches to sexuality and prostitution. The historians Tibor Balla and Ga´bor Kiss, whose work is based on research in military archives, interpreted the establishment of auxiliary military brothels as “inevitable parts of warfare”. They presented the regulations of the Monarchy’s army on brothels and measures to prevent venereal diseases among soldiers. In embarrassing detail, Tibor Balla49 described the rules, instructions and hygienic precautions given to soldiers by the leadership of the Austro-Hungarian army for their brothel visits. These texts were presented without any analytical or evaluating comments. Thus, the explicitness of the dominant male discourse was not reflected at all. Balla also quoted the 46 Cf. https://www.scribd.com/document/320642371/Balassi-Intezet-N%C5%91k-is-h%C5%91 sok-Kiallitas-katalogus, acces: 6 April 2018. 47 The Public Foundation for Habsburg Studies (www.habsburg.org.hu) was founded on 25 May 2003 by the Government of the Republic of Hungary. The Minister of Education and Culture is the official representative of the founder. The main aims are to engage in academic activity and research in the field of the Habsburg Empire and its legacy. Its director is the historian Andra´s Gero˝, who is an internationally acknowledged expert in the field. 48 A ha´boru´ e´s a szexualita´s [War and Sexuality. Roundtable Discussion], Institute of Habsburg History, Budapest, 15 January 2015. Participants: Tibor Balla, Judit Forrai, Ga´bor Kiss, Miha´ly Sze´cse´nyi, moderator: Beatrix Nagy. Cf. www.elsovilaghaboru.com/centenariumiemlekbizottsag/ hu/esemenyek/xx-szazad-intezet-esemenyeies-a-habsburg-torteneti-intezet-esemenyei/haboru-esszexualitas, access: 6 April 2018. 49 Tibor Balla, Military History Museum.
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rules about how many “visitors” women at the front brothels were expected to have per day and how long such a “visit” was allowed to last, according to the military rank of the “guest”. The contributors showed slides of a contemporary cartoon, which could be seen as mildly pornographic, making fun of a nurse. However, neither this cartoon nor postcards euphemistically depicting jovial scenes of soldiers “approaching” local female civilians were analysed or reflected upon.50 The roundtable, however, also allowed for a different discourse. Judit Forrai, for example, outlined the organisational structure of the military health service and how diseases (including venereal diseases) and epidemics were treated.51 She defined prostitution as violence against women and called attention to the issue of rape. Although little is hitherto known about this topic due to the lack of archival documents, it is fair to assume that rapes did in fact happen in World War One. Her reflections on sexuality and prostitution were rooted in a critical feminist approach. Miha´ly Sze´cse´nyi’s presentation was also characterised by reflexivity and awareness.52 From the perspective of gender history, it is remarkable that Sze´cse´nyi regarded soldiers’ neurotic illnesses (after having suffered different traumas of war) and therapeutic cures as important research topics. He also presented data about the consequences of war on the mental health of women who acted as prostitutes in military brothels.
3.4
Remembrance of a Summer Night
From the perspective of innovative gender representations in war studies, an interdisciplinary two-part conference entitled “Remembrance of a Summer Night”53 and “On this Great Debauch”54 and the forthcoming publication of the papers presented at these conferences are noteworthy. Both events were organised by the Research Centre for the Humanities, Institute for Literary Studies of the Hungarian Academy of Sciences. The interdisciplinary approach of these commemoration events was in line with the basic research concept of the Institute for Literary Studies focusing on aspects and 50 Cf. e. g. photographs of soldiers hugging women in traditional folk costumes in the countryside outside a village as part of the slide presentations. 51 Cf. Judit Forrai, A szexua´lis va´gyak, ige´nyek e´s a nemi betegse´gek kezele´se´nek militariza´la´sa a fronton e´s a ha´torsza´gban [Sexual Desires and Venereal Diseases on the Front and the Home Front], https:// www.youtube.com/watch?v=-oVIeWBuNiY, access: 13 July 2018. 52 Miha´ly Sze´cse´nyi, Ege´szse´gu¨gy, eugenika e´s a prostitu´cio´ [Health Care, Eugenetics and Prostitution], see note 48. 53 “Emle´keze´s egy nya´r-e´jszaka´ra”: Interdisciplinary conference about 1914 (MTA BTK Irodalomtudoma´nyi Inte´zet), 15–17 September 2014. Programme: www.litera.hu/hirek/emlekezes-egynyar-ejszakara-interdiszciplinaris-konferencia-1914-tol, access: 6 April 2018. 54 “E nagy tivornya´n”: Interdisciplinary conference on the cultural history of World War One, 8–10 June 2016. Programme: https://iti.btk.mta.hu/images/tivornya-program-3hasab-keppel.pdf, abstracts: https://iti.btk.mta.hu/images/tivornya_absztraktfuzet-javitott.pdf, access: 6 April 2018.
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methods of micro-cultural and social history in literary studies. The starting point of the organisers was to interpret World War One in the context of the processes of modernisation.55 Thus, gender aspects were integral parts of their examinations and the presentations at the conference. The roles of women and men were discussed from hitherto less common perspectives and with a focus on women’s activities in public, political or cultural life, rather than as survivors at the home front and carers of the vulnerable. For example, the works of the Hungarian writer and poet Margit Kaffka (1880–1918) on the war were analysed through the lens of narratology and in reference to her explicit pacifism. Kaffka was one of the founders of Hungarian modern prose and in her works she subverted the previous hegemonic social values based on patriarchal hierarchies.56 Feminist literary criticism was applied in the study of the scholar Gyo¨rgyi Fo¨ldes, who discussed marginalised and forgotten women authors in their relations to avant-garde movements and the First World War.57 Studies of war and masculinities were also presented at the two conferences58, for instance on the male and the disabled body.59 55 Cf. interview with Andra´s Kappanyos (Head of Modern Hungarian Literature Department of the Research Centre for the Humanities, HAS) by Zsolt Me´sza´ros. The Centre applied for state funds for World War One commemoration events, but their proposal was refused without explanation. Thus, the events were financed by the Hungarian Academy of Sciences. 56 Beatrix Visy, A frontvonal mo¨go¨tt. No˝i ne´zo˝pont, formakerese´s, poe´tikai elmozdula´sok Kaffka Margit ha´boru´t tematiza´lo´ pro´zai mu˝veiben [Behind the Front Lines. Women’s Point of View. New Forms in Margit Kaffka’s Novels], in: Andra´s Kappanyos (ed.), Emle´keze´s egy nya´r-e´jszaka´ra: Interdiszciplina´ris tanulma´nyok 1914 mikroto¨rte´nelme´ro˝l [Remembrance of a Summer Night. Interdisciplinary Studies about the Micro History of 1914], Budapest 2015, 117–125. Cf. also Orsolya Ra´kai, “Nem vagyok igazi apostol jellem” [“I am not an Apostolic Character”], in: ibid., 127–141. ´ jva´ri Erzsi e´s Re´ti Ire´n az aktivista folyo´iratokban [Avant57 Gyo¨rgyi Fo¨ldes, Avantga´rd, no˝k, ha´boru´. U ´ jva´ri and Ire´n Re´ti in Activists’ Journals], in: Kappanyos, Emle´keze´s, see garde, Women, War. Erzsi U note 56, 195–208. In another paper Fo¨ldes discusses Valentine de Saint-Point’s (1875–1953) and Mina Loy’s (1882–1966) futurist manifestos. Cf. Gyo¨rgyi Fo¨ldes, No˝k, ha´boru´, avantga´rd [Women, War, Avant-garde], in: Andra´s Kappanyos (ed.), E nagy tivornya´n: Tanulma´nyok 1916 mikroto¨rte´nelme´ro˝l [On this Great Debauch. Studies of Micro History of 1916], Budapest 2017, 405–415. 58 Similarly, the topics of wounded and disabled soldiers and the medical care for them were explored at other events as well, cf. e. g. the exhibition “1914–1918. A New World Was Born. Europe’s Fraternal War”, see note 12. 59 Cf. the papers: Tı´mea Jablonczay, A “ke´sedelmeskedo˝” ha´boru´. Maszkulin sztereotı´pia´k e´s Habsburg-Ko¨ze´p-Euro´pa hala´ltusa´ja Joseph Roth Radetzky-indulo´ja´ban [Delayed War. Masculine Stereotypes and the Agony of Habsburg Monarchy in Joseph Roth’s Radetzky Marsh], in: Kappanyos, Emle´keze´s, see note 56, 353–365; Eszter Bala´zs, “Belevetju¨k a saja´t testu¨nket a to¨rte´nelembe”. A saja´t e´s a ma´sik test reprezenta´cio´i magyar ´ıro´kna´l az elso˝ vila´gha´boru´ban, ku¨lo¨no¨s tekintettel az egodokumentumokra [“We Cast our Bodies into History”. Representations of the Male Body in Hungarian Writers’ Ego-Documents of WWI], in: Kappanyos, E nagy, see note 57, 303–325; Lilla Erdei, Vila´gha´boru´s testreprezenta´cio´k [War and Body Representations], in: ibid., 327–337; Bala´zs Kellner, Androgu¨n o¨kolo´gia – hadiprimadonna´k a Nagy Ha´boru´ban [Angrogyn Ecology], manuscript, and Ju´lia Vallasek, “Ho˝st ne csak legendaszeru˝ ve´rtezetben …”. Hadirokkantak megjelenı´te´se
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In her analysis on experiences and representations of the male body in the war, Eszter Bala´zs also applied new aspects in analysing ego-documents of Hungarian writers (such as letters or diaries).60 Similarly to the above-mentioned authors, she contributed to including innovative gender approaches to war studies. These recent research examples apply new concepts of cultural history and literary theory to the examination of dominant narratives and reveal controversies, conflicts and ruptures in perceptions of the war.
4.
Conclusion
Beyond the usual functions of reaffirming previous knowledge and representations that contributed to the creation of common elements of national identity, the recent commemorations of the 100th anniversary of the Great War in Hungary seem to include new features, which might broaden or alter previous images. A large number of the centenary projects – public exhibitions, conferences, round table discussions, film clubs and publications – aimed at disseminating and popularising knowledge on the social, economic and political impact of World War One. Many of them discussed matters of the home front and cultural representations of the war. Gender aspects addressed in centenary publications and events were connected to these issues and aimed to create innovative approaches. However, most of the centenary projects discussed gender in a rather limited way, focusing on details of certain changes in social roles seen as dichotomous and on the question of whether and how these changes affected women at the home front. Sexuality and sexual practices in the military/armed forces, nursing, diseases and health issues were explored within the frameworks of the allegedly essential ‘caring’ roles of women. The main funding of the commemoration events in Hungary came from the Centenary Commemorational Committee of World War One and was predominantly centralised. The main hosts of the events formed an overlapping network of statefunded Hungarian institutions, foundations, research centres and exhibition halls. According to our observations, there is, in many cases, an ambiguity between the intended aims on the one hand and the realised contents and focuses of the actual centenary projects on the other. The realised projects were presented mostly in the framework of traditional historical approaches, yet sometimes challenged previously accepted discourses. Most centenary events and publications portrayed women as ‘auxiliary subjects’, often without any theoretical framework or reference to previous feminist studies. The discussion of ‘gender’ in many projects remained mostly limited az elso˝ vila´gha´boru´s magyar sajto´ban [Body Borders. Representations of the Wounded and Disabled in the Media during WWI], in: ibid., 349–375. 60 Cf. Bala´zs, Belevetju¨k, see note 59.
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to the explorations of details of gender roles and gendered practices in society and the discussion of how certain roles have changed for women. Yet, it must be noted that adding women as a ‘special topic’ is already an innovation in Hungarian war studies or social history. Our review included reflections on both academic and public events. While academic publications might reach a limited audience, their role is still significant among the dominant group of intellectuals. Centenary public events and major exhibitions reach a wider public and together with academic studies they contribute both to maintaining and changing significant aspects of former discussions. They thus might have the potential to challenge the positions of the dominant public discourse on the Great War.
Stefania Bartoloni
Geschlechterspezifische Erinnerungsdiskurse zum Krieg 1915–1918. Das Fallbeispiel Italien
Anla¨sslich des hundertja¨hrigen Gedenkens an den Ersten Weltkrieg fanden in Italien zahlreiche o¨ffentliche Veranstaltungen statt. Eine Reihe von Aktivita¨ten, die von verschiedensten Initiativen ins Rollen gebracht wurden, richtete ihr Augenmerk auf unterschiedliche Akteur/innen, die auf vielfa¨ltige Weise von diesem Krieg betroffen waren. Dabei wurde zumindest partiell auch den Rollen von Frauen große Aufmerksamkeit zuteil. Sie avancierten zum Gegenstand von Forschungsprojekten, Konferenzen, Artikeln, Monografien, Ausstellungen, Theaterauffu¨hrungen sowie Radio- und Fernsehsendungen. Diese Initiativen, die versuchten, frauen- und geschlechtergeschichtliche Themen in die Aufarbeitung des Krieges einzubinden, weisen zugleich Ambivalenzen auf oder zeichneten sich im Vergleich zu vorangegangenen Gedenkinitiativen durch eine andere Herangehensweise aus. Obwohl die Erfahrungen, die Frauen in Italien zwischen 1915 und 1918 gemacht haben, heute sta¨rker als zuvor in historischen Narrativen, im kollektiven Bewusstsein, in wissenschaftlichen Publikationen und in den Medien verankert sind, bleibt noch viel zu tun. Im Folgenden soll diskutiert werden, ob und auf welche Weise sich das Gedenken an den Ersten Weltkrieg als ertragreich fu¨r die Frauen- und Geschlechtergeschichte erwiesen hat. Daru¨ber hinaus sollen in aller Ku¨rze die vorliegenden Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung dazu umrissen und dabei auf jene Besonderheiten eingegangen werden, die nach Ansicht der Verfasserin die Spezifika des Fallbeispiels Italien ausmachen. Bei der Betrachtung jener Forschungsergebnisse, die das Hundertjahrgedenken an den ,Großen Krieg‘ hervorgebracht hat, gilt es zu beru¨cksichtigen, dass sich in Italien in den letzten Jahren die o¨ffentliche Erinnerung an drei zentrale historische Ereignisse verdichtete. Innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums setzten sich Wissenschaftler/ innen, Lehrer/innen und Vertreter/innen diverser Institutionen und Medien in Analysen und Debatten mit der Geschichte Italiens seit den 1860er-Jahren auseinander und thematisierten die Auswirkungen bestimmter historischer Ereignisse im Rahmen aktueller Erinnerungspolitiken. Im Jahr 2011 wurde das hundertfu¨nfzigste Jubila¨um der staatlichen Einigung Italiens (Risorgimento) gefeiert. In den Jahren 2013 bis 2015 wurde der siebzigste Jahrestag seit dem Untergang des faschistischen Regimes und dem Ende des Zweiten Weltkrieges begangen. Seit 2014 gibt es schließlich das o¨ffentliche
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Gedenken an den Ersten Weltkrieg, der fu¨r Italien am 15. Mai 1915 seinen Ausgang genommen hat. Wissenschaftler/innen haben darauf hingewiesen, dass im kulturellen Geda¨chtnis in einer imagina¨ren Rangordnung dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg der erste Platz und den Feierlichkeiten zur Einigung Italiens die zweite Stelle zukommen wu¨rde, dicht gefolgt von den Erinnerungsinitiativen zum Widerstand gegen den Nazi-Faschismus.1 Seit 2014 wurden zahlreiche staatliche Zeremonien an Erinnerungsorten wie Friedho¨fen, Denkma¨lern und Museen abgehalten, was wohl auch u¨ber das Jahr 2018 hinaus der Fall sein wird. Zudem gab es mehrere Kulturprojekte, die eine Reflexion u¨ber die Ereignisse befo¨rdern und einschla¨giges Wissen durch Tagungen, Publikationen, Filme, Theaterauffu¨hrungen und Ausstellungen verbreiten sollten. Um solche Initiativen unterstu¨tzen, koordinieren und finanzieren zu ko¨nnen, gru¨ndete die italienische Regierung die Struttura di missione per gli anniversari di interesse nazionale, welche eine laufend aktualisierte Website betreibt (www.centenario1914-1918.it/it). Das Ministerium fu¨r die Erhaltung des Kulturerbes, das Verteidigungsministerium und die Lokalregierungen jener Regionen, die vom Krieg besonders betroffen gewesen waren (wie etwa das Trentino), legten ebenfalls ein gewisses Maß an Eigeninitiative an den Tag. Zusammengenommen fu¨hrte das zur Entstehung einer ausdifferenzierten, mitunter aber auch sehr heterogenen Geda¨chtnislandschaft, in deren Rahmen sowohl Kritik an bestimmten Formen des Erinnerns gea¨ußert als auch deren positive Aspekte betont wurden. Insgesamt wurden im Kontext dieser kollektiven Bemu¨hungen auch solche historischen Akteur/innen in den Vordergrund geru¨ckt, die bislang in der Forschung kaum sichtbar geworden waren.
1.
Erinnerungspolitiken an den ,Großen Krieg‘ im 20. Jahrhundert
In den letzten Jahrzehnten nahmen verschiedene Analysen die Mitwirkung von Frauen an diversen kriegerischen Konflikten, in die das Land verstrickt war, in den Blick. Zwischen 1848 und 1870 hatten Frauen dazu beigetragen, den Prozess der staatlichen Einigung Italiens abzuschließen, und mit der Entstehung des Ko¨nigreiches etablierte sich eine Tradition der weiblichen Partizipation am politischen und milita¨rischen Geschehen des Landes. Auch im Ersten Weltkrieg waren Frauen in unterschiedlichsten Formen in das politische Geschehen involviert. Da es sich dabei um einen hochtechnisierten Massenkrieg handelte, war nicht nur die Anzahl der beteiligten Frauen ho¨her als in vorhergehenden kriegerischen Konflikten; auch die Dauer ihrer Anstrengungen 1 Vgl. Maria Luciana Granzotto, Intervista a Mario Isnenghi sul Centenario della Prima guerra mondialem, unter: www.novecento.org/uso-pubblico-della-storia/intervista-a-mario-isnenghi-sul-cente nario-della-prima-guerra-mondiale-1389/, Zugriff: 23. 11. 2017.
Stefania Bartoloni, Geschlechterspezifische Erinnerungsdiskurse in Italien
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an der ,Heimatfront‘ und den Schaupla¨tzen der tatsa¨chlichen Kampfhandlungen verla¨ngerte sich deutlich. Ungeachtet dessen scheint, wie gezeigt werden soll, ein italienisches Spezifikum im Kontext unterschiedlicher Gedenkveranstaltungen zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg zuna¨chst die fast ga¨nzliche Abwesenheit weiblicher Subjekte zu sein. Dieser Befund verweist vor allem auf zwei Aspekte: zum einem auf die allgemeine Entwicklung der Frauen- und Geschlechtergeschichte in Italien und zum anderen auf jene rhetorischen Figuren, die im kulturellen Diskurs ,verfu¨gbar‘ waren und die Aushandlung der Teilhabe von Frauen in den sich vera¨ndernden politischen Systemen des 20. Jahrhunderts strukturierten. Die Partizipation von Frauen insbesondere im Kontext des Zweiten Weltkrieges stand in gewisser Weise bereits in den 1950er-Jahren im Fokus o¨ffentlicher Aufmerksamkeit. Allerdings handelte es sich hierbei eher um ein von der damaligen Linken angeregtes Thema politischer Debatten und weniger um einen Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Forschungen; das Interesse an der historischen Situation von Frauen entwickelte sich in Italien generell erst seit den 1970er-Jahren durch das Engagement feministischer Historikerinnen. Untersuchungen, die sich mit dem Leben von Frauen im Krieg befassten, fokussierten also zuna¨chst auf den Zweiten Weltkrieg und evozierten ein Bild von Frauen, die Seite an Seite mit Ma¨nnern gegen das faschistische Regime und fu¨r die Freiheit geka¨mpft hatten, was gleichzeitig ihre Anstrengungen in Hinblick auf eine Integration in staatlich-nationale Angelegenheiten zu legitimieren schien. Im Dezember 1945 waren diese Bemu¨hungen der italienischen Frauen dann endlich tatsa¨chlich mit dem Wahlrecht ,belohnt‘ worden, sie konnten zudem zwischen Monarchie und Republik als Staatsform wa¨hlen. Mit dem Verfassungsreferendum von Juni 1946 erlangten sie nun vollsta¨ndige staatsbu¨rgerliche Rechte und genießen seither denselben rechtlichen Status wie Ma¨nner und Frauen in den meisten anderen europa¨ischen La¨ndern. Fru¨he frauengeschichtliche Studien zum Zweiten Weltkrieg konzentrierten sich auf ¨ berlebenskampf oder Beschreibungen ,realer Frauen‘, beleuchteten ihren ta¨glichen U schilderten ihren unerschu¨tterlichen Glauben an eine bessere Zukunft. Indem sie Vera¨nderungsprozesse in historischer Perspektive betonten, ermo¨glichten diese Untersuchungen Einblicke in die Formierung neuer weiblicher Identita¨ten und die Etablierung geschlechtergerechterer sozialer Beziehungen in der Nachkriegsgesellschaft. Das war auch insofern wichtig, als eine solche Perspektive nahelegte, dass die historischen Erfahrungen von Frauen im Krieg und ihre damaligen Handlungsra¨ume dazu beigetragen haben, ihren Status in der Nachkriegsgesellschaft zu festigen. Daher stellten diese Forschungen auch aus Sicht einer aktuellen Geschlechtergeschichte wichtige Erkenntnisse bereit. Sie machen zudem sichtbar, dass sich Gesellschaften im Rahmen jeden o¨ffentlichen Gedenkens vor dem Hintergrund spezifisch historischer Kontexte jeweils immer wieder neu zur Vergangenheit positionieren. Anders als solche Erinnerungspolitiken, die Frauen im Zweiten Weltkrieg betrafen, ignorierten die Gedenkveranstaltungen zum Ersten Weltkrieg im Jahr 1965 und zum
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Risorgimento im Jahr 1961 Akteurinnen fast vollsta¨ndig.2 Letztere etablierten Muster, die bis heute das kollektive Geda¨chtnis pra¨gen und von einer starken Geschlechterdichotomie gepra¨gt sind: Politik und o¨ffentliche Institutionen, Milita¨r, Diplomatie und Kultur werden darin einerseits als ma¨nnliche Ra¨ume wahrgenommen.3 Andererseits wird die „patriotische Mutter“ zum Symbol fu¨r die erwu¨nschte aufopfernde und reproduktive Rolle, die Frauen im Prozess der Nationsbildung zukommen sollte. Daru¨ber hinaus blieb in den 1960er-Jahren eine breite Debatte zur Geschichte von Frauen im Ersten Weltkrieg in einem o¨ffentlichen Kontext, in dem ma¨nnliche Kriegserfahrungen privilegiert wurden, ebenso aus wie innerhalb der einschla¨gigen, meist von Ma¨nnern angeleiteten oder koordinierten geschichtswissenschaftlichen Forschung.4 Das alles mag zumindest indirekt auch noch darin wurzeln, dass der Krieg von 1915 bis 1918 fu¨r das faschistische Regime den zentralen Gru¨ndungsmythos dargestellt hatte. Dieser basierte auf dem Bild des heroischen und siegreichen Soldaten, manifestierte sich in Erinnerungstexten und Propagandaplakaten und stellte auf diese Weise lediglich eine sehr begrenzte Bandbreite gesellschaftlich akzeptierter Ma¨nnlichkeitsentwu¨rfe zur Verfu¨gung. Solche Konzepte stu¨tzten einen Entwurf von ma¨nnlicher Identita¨t, der sich in der Konfrontation mit dem Grauen der Schu¨tzengra¨ben beweisen musste. Repra¨sentationen von Frauen fehlten in solchen Entwu¨rfen weitgehend oder wurden unterdru¨ckt. Erfahrungen von Frauen waren kaum von Interesse, vor allem dann nicht, wenn sie dominanten Narrativen u¨ber den Krieg widersprachen. So beschrieben beispielsweise die Erinnerungstexte von Rotkreuzschwestern, die das Leiden und die A¨ngste der Soldaten unmittelbar miterlebt hatten, den Krieg auf eine Weise, die sich signifikant von jenem patriotischen und nationalistischen Stil unterschied, der vom Faschismus propagiert wurde. Ungeachtet dessen gab es jedoch auch Akteurinnen, die selbst einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung des skizzierten faschistischen Gru¨ndungsmythos ausu¨bten. So etwa Margherita Sarfatti, eine zentrale Figur der faschistischen Bewegung, die durch ihre Schriften wesentlich an der Heroisierung ma¨nnlicher Kriegserfahrungen beteiligt war, was wiederum mit der Stilisierung von „Heldenmu¨ttern“ einherging, die ihre So¨hne dem Vaterland geopfert hatten. Generell erfuhren wissenschaftliche Arbeiten, die von dominanten Geschichtsnar2 Vgl. Simonetta Soldani, I centocinquant’anni di un paese in affanno, in: Passato e presente, 83 (2011), 5–15; Bruno Bongiovanni, Commemorazioni, feste nazionali, memoria. Tra mass media e storiografia, in: Passato e presente, 84 (2011), 6–14; Alberto Melloni, 150 cosa? Riflessioni sulla storia delle celebrazioni dell’unita` italiana, unter: www.storicamente.org/07_dossier/italia/alberto_melloni_150. htm, Zugriff: 23. 11. 2017; Alessandra Gissi, Il corpo della nazione in festa. Alcune considerazioni su genere e comunicazioni in occasione dei 150 anni dell’Unita` d’Italia, in: Genesis, 2 (2010), 221–228. 3 Vgl. Maria Teresa Mori, Alessandra Pescarolo, Anna Scattigno u. Simonetta Soldani, Le italiane sulla scena pubblica: una chiave di lettura, in: dies. (Hg.), Di generazione in generazione: Le italiane dall’Unita` a oggi, Roma 2014, 9–34. 4 Vgl. Ernesto Ragionieri, Fine del „Risorgimento“? Alcune considerazioni sul centenario dell’Unita` d’Italia, in: Studi storici, 1 (1964), 3–40.
Stefania Bartoloni, Geschlechterspezifische Erinnerungsdiskurse in Italien
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rativen abwichen, in Italien lange Zeit kaum Beachtung. Obwohl Historikerinnen etwa schon in den 1960er-Jahren belegen konnten, dass Frauen im Ersten Weltkrieg nicht einfach die vormaligen Arbeitspla¨tze von Ma¨nnern eingenommen hatten, sondern ermutigt wurden, sich in den neuen Sektoren der Kriegsindustrie zu beta¨tigen,5 hielten sich solcherart vorgefasste Meinungen nachhaltig. In der spannungsgeladenen Atmospha¨re der Nachkriegszeit stu¨tzte das Bild von Arbeiterinnen, die Heimkehrern die ihnen zustehenden Positionen streitig machten, Kampagnen hinsichtlich einer notwendigen Ru¨ckkehr der Frauen in die ha¨usliche Spha¨re und trug zur Wiedereinsetzung polarisiert definierter Geschlechterbeziehungen bei. Erwerbsarbeit von Frauen, die im Rahmen kriegswirtschaftlicher Notwendigkeiten gefo¨rdert worden war, wurde nun scharf verurteilt. In seiner Wirkungsgeschichte erwies sich der skizzierte Interpretationsansatz, wonach Frauen eingeru¨ckte Ma¨nner am Arbeitsmarkt ersetzt ha¨tten, somit ¨ ber alle gesellschaftlich-politischen Umbru¨che hinals außerordentlich erfolgreich. U weg findet er noch heute breite Zustimmung unter Journalist/innen, in Magazinen, im Radio und Fernsehen, ja sogar bei einigen fu¨hrenden Wissenschaftler/innen.6
2.
Erinnerungspolitiken ab 2015
In den letzten drei Jahrzehnten hat die feministische Geschichtswissenschaft versucht, taugliche Ansa¨tze zu entwickeln, um die Geschichte italienischer Frauen ada¨quat zu erinnern. Neben verschiedenen anderen Strategien fungierten dabei o¨ffentliche Gedenkveranstaltungen und Jubila¨en als Ausgangspunkt, um ein mo¨glichst korrektes und tiefgreifendes Versta¨ndnis von historischen Fakten, Ereignissen und Menschen ins kollektive Bewusstsein zu ru¨cken. Zudem trugen der ho¨here Anteil an Wissenschaftlerinnen in der akademischen Welt sowie eine entsprechende Sensibilisierung der o¨ffentlichen Meinung dazu bei, frauen- und geschlechtergeschichtlichen Themen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. So initiierte das Hundertjahrgedenken an den ,Großen Krieg‘ auch eine neue, davon beeinflusste Lesart von nationalhistorisch relevanten Ereignissen. Die Erfahrungen aus vorangegangenen Gedenkjahren halfen auch der Struttura di missione, ihre Ziele besser zu formulieren. Im Jahr 2015 nahm etwa die Italienische Gesellschaft fu¨r Frauengeschichte an einem o¨ffentlichen Wettbewerb teil, 5 Vgl. Luciana Capezzuoli, Grazia Cappabianca, Storia dell’emancipazione femminile, Roma 1964, 108. 6 Ein Werk, das eine solche Sichtweise generierte und in den 1970ern erfolgreich war, ist: Camilla Ravera, Breve storia del movimento femminile in Italia, Roma 1978, z. B. S. 83. In der Folge konnte Barbara Curli, Italiane al lavoro 1914–1920, Venezia 1998, 21, nachweisen, dass Ma¨nner nur in einer sehr beschra¨nkten Anzahl von Berufen durch Frauen ersetzt wurden. Dennoch ist die Meinung, dass Frauen einen bedeutenden Anteil an der Verdra¨ngung ma¨nnlicher Arbeiter hatten, noch immer weit verbreitet und wurde erst ju¨ngst wieder in einer Sendung von Rai Storia, dem Geschichtskanal der o¨ffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Italiens (RAI), gea¨ußert.
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der von der staatlichen Fo¨rderstelle ausgeschrieben worden war. Unter den u¨ber 800 eingereichten und den mehr als fu¨nfzig in die letzte Runde gekommenen Projekten konnte die Gesellschaft fu¨r Frauengeschichte den ersten Preis erreichen. Im September 2015 wurde daraufhin in Rom eine internationale Konferenz organisiert, die inhaltlich an eine Tagung anschloss, welche vier Jahre zuvor in Florenz stattgefunden hatte. Die Ergebnisse beider Veranstaltungen wurden von den Initiator/innen in einem Tagungsband publiziert.7 Hinter diesen unbestreitbar ermutigenden Ergebnissen ero¨ffnet sich jedoch eine komplexe und widerspru¨chliche Realita¨t. Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen wirken an lexikalischen Werken und Sammelba¨nden mit und nehmen regelma¨ßig an Aktivita¨ten teil, die von ihren ma¨nnlichen Kollegen organisiert werden. Bei Tagungen werden ihre Beitra¨ge aber ha¨ufig ans Ende gereiht, und die Themen, die sie einbringen, rufen beim ma¨nnlichen Publikum mitunter wenig Resonanz hervor.8 In Vergleich zu fru¨her ist zwar allgemein ein gro¨ßeres Interesse an Frauen- und Geschlechtergeschichte feststellbar und die Arbeiten von Historikerinnen werden auch gelesen und zitiert,9 dennoch bleibt zuweilen eine Scheidelinie zwischen den entsprechenden Forschungsbereichen bestehen. Deshalb verbleiben aktuelle Rekonstruktionen historischer Ereignisse und Prozesse oft einseitig beleuchtet und ein vermeintlich ,allgemeines‘ Bild der Geschichte tatsa¨chlich unvollsta¨ndig. Obwohl ¨ bersetzungen italienischer Forschungsarauf internationaler Ebene nur wenige U beiten zur Frauen- und Geschlechtergeschichte verfu¨gbar sind, konnten im Umfeld der wissenschaftlichen Aktivita¨ten seit 2014 die Kontakte zu internationalen Kolleg/ innen ausgebaut und der Austausch im Rahmen unterschiedlichster Initiativen, Fachzeitschriften und u¨ber transnationale Netzwerke intensiviert werden.10 Dies 7 Vgl. Mori u. a., Di generazione in generazione, wie Anm. 3, und Stefania Bartoloni (Hg.), La Grande Guerra delle italiane: Mobilitazioni, diritti, trasformazioni, Roma 2016. Im Februar 2015 organisierte die Societa` delle storiche eine Tagung zur Lokalgeschichte Venetiens, vgl. Nadia Maria Filippini (Hg.), Donne dentro la guerra. Il primo conflitto mondiale in area veneta, Roma 2017, und die Zeitschrift der Societa` delle storiche widmete eine Ausgabe dem Ersten Weltkrieg, vgl. Genesis, 15, 1 (2016): Donne „comuni“ nell’Europa della Grande Guerra, hg. von Roberto Bianchi u. Monica Pacini. 8 Vgl. z. B. die Konferenz „La Grande Guerra in provincia. Comunita` locali e fronte interno: fonti e studi su societa` e conflitto“, Siena, 7.–8. Mai 2015, organisiert von der Zeitschrift „Progressus“. 9 Vgl. Anna Bravo (Hg.), Donne e uomini nelle guerre mondiali, Roma/Bari 1991; Laura Guidi (Hg.), Vivere la Guerra. Percorsi biografici e ruoli di genere tra Risorgimento e Primo conflitto mondiale, Napoli 2007; Augusta Molinari, Donne e ruoli femminili nell’Italia della Grande Guerra, Milano 2008; Daniele Menozzi, Giovanna Procacci, Simonetta Soldani (Hg.), Un paese in Guerra. La mobilitazione civile in Italia (1914–1918), Milano 2010. 10 Im November 2014 organisierte die Zeitschrift „DEP. Deportate, esuli, profughe“ ein internationales Treffen in Venedig, siehe www.unive.it/dep; vgl. auch Bruna Banchi u. Geraldine Ludbrook (Hg.), Living War, Thinking Peace (1914–1924): Womens’ Experiences, Feminist Thought and International Relations, Newcastle 2016. Beitra¨ge ma¨nnlicher und weiblicher Wissenschaftler/ innen erschienen in letzter Zeit in: Ingrid Sharp u. Matthew Stibbe (Hg.), Aftermaths of War. Women’s Movements and Female Activists, 1918–1923, Leiden/Boston 2011; Christa Ha¨mmerle,
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wird beispielsweise auch an der Beteiligung italienischer Wissenschaftler/innen an der digitalen Plattform „1914–1918-online: International Encyclopedia of the First World War“ (www.1914-1918-online.net) sichtbar. Die Italienische Gesellschaft fu¨r Frauengeschichte verfolgt grundsa¨tzlich das Ziel, wissenschaftliche Forschung mit Disseminationsstrategien und einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag zu kombinieren, indem etwa im konkreten Fall eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen fu¨r Lehrer/innen an Grund- und weiterfu¨hrenden Schulen organisiert wurde. Diese waren generell an ein gro¨ßeres Publikum adressiert und wurden von weiblichen wie ma¨nnlichen Zuho¨rer/innen besucht und gescha¨tzt.11 Das Internet stellt ein weiteres, sehr nu¨tzliches Vermittlungs- und Kommunikationsinstrument dar. Auf digitalen Plattformen, die sich sowohl an Fachleute als auch an eine ¨ ffentlichkeit richten, werden Dokumente, Schriften, Filme und Materialien breitere O zueinander in Beziehung gesetzt. Im Rahmen eines Netzwerks von Archiven und Bibliotheken wurden fu¨r den italienischen Kontext relevante Quellen und Hilfsmittel digital erschlossen: Bilder und Postkarten, Manifeste, Broschu¨ren, Zeitschriften, bibliografische Informationen, biografische Unterlagen zu Kriegsgefallenen, Tagebu¨cher, Frontbriefe, Erinnerungsschriften, propagandistische Texte etc. Mehr als siebzig o¨ffentliche und private Institutionen speisten zudem Ressourcen in das Internetportal www.14-18.it ein, das individuelle Berichte und autobiografische Zeugnisse von Ma¨nnern wie Frauen entha¨lt und laufend aktualisiert wird. Das Portal stellt derzeit eine der besten einschla¨gigen Plattformen auf diesem Gebiet dar.12 Auch einige kleinere Internetplattformen haben frauengeschichtlichen Aspekten Teile ihrer Websites gewidmet. Sie gewa¨hren zwar Zugang zu außergewo¨hnlichen Bildern, vermitteln aber oftmals keine geschichtswissenschaftliche Perspektive auf unterschiedliche Aspekte weiblicher Erfahrungen und Rollen. Inhaltlich bieten sie meist wenig Neues, stattdessen verwenden sie ha¨ufig la¨ngst u¨berholte Ansa¨tze und neigen zu Unscha¨rfe. Bemerkbar ist diese Tendenz auch in den Medien, die veraltete Interpretationen oft unkritisch wiedergeben und das Publikum damit systematisch mit stark vereinfachenden Versionen komplexer Sachverhalte bedienen. Quotenorientierte Dokumentationen und Programme meiden nicht nur genderbasierte Interpretationen, sondern scheuen sich auch nicht, einem Publikumsbedu¨rfnis nach fesselnder Berichterstattung und, falls no¨tig, sogar schockierenden Darstellungen Rechnung zu tragen. Ein typisches Beispiel fu¨r eine solche voreingenommene und verzerrende ¨ beregger u. Birgitta Bader-Zaar (Hg.), Gender and the First World War, Basingstoke/New Oswald U York 2014. 11 Seit 2016 organisiert die Italienische Gesellschaft fu¨r Frauengeschichte Fortbildungsveranstaltungen mit dem Titel „Frauen in der Geschichte. Geschichtsunterricht aus der Genderperspektive“. Diese Kurse werden vom Bildungsministerium zertifiziert. 12 Antonio Prampolini, Il centenario della prima guerra mondiale nel web, unter: www.novecento.org/ uso-pubblico-della-storia/il-centenario-della-prima-guerra-mondiale-nel-web-618/, Zugriff: 2. 10. 2017.
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Sichtweise ist die dominante Interpretation des Krieges als „Schrittmacher der Frauenemanzipation“.13 Von wenigen Ausnahmen abgesehen,14 leidet die Geschichtswissenschaft nach wie vor unter einer Geschlechtertrennung. Wissenschaftlerinnen erforschen weiterhin auch die Geschichte von Frauen, wa¨hrend Forscher sich in erster Linie weiterhin mit Ma¨nnern bescha¨ftigen. Dadurch wird sowohl in der Forschung als auch in der allgemeinen Wahrnehmung die Haltung befo¨rdert, ma¨nnliche und weibliche Lebenswelten trotz ihrer augenfa¨lligen Interdependenz als getrennte Spha¨ren zu betrachten. Dies manifestiert sich etwa in der oben bereits genannten unkritischen Wiederaufnahme der These, wonach der Krieg eine zentrale Rolle in weiblichen Emanzipationsprozessen gespielt habe. Diese Ansicht, die sogar von einigen Vertreter/innen des Faches befu¨rwortet und weitergegeben wird, hat ihren Ursprung in den 1960ern, als Historiker/ innen erstmals versuchten, die Partizipation von Frauen am Krieg nachzuvollziehen.15 Aus heutiger Perspektive und angesichts aktueller Forschungsergebnisse muss diese These nicht nur als u¨berholt, sondern auch als irrefu¨hrend betrachtet werden.
3.
Zum Forschungsstand
Kommen wir damit zu einer knappen Darlegung der wissenschaftlichen Forschungen selbst.16 Eine weitere Kategorie, die in der italienischen Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkrieges verwendet wurde, um den Einfluss des Krieges auf Biografien und Geschlechterbeziehungen zu erkla¨ren, ist das Konzept des „weiblichen Protagonismus“ („female protagonism“). Es entstand Ende der 1970er-Jahre im Zuge der Bescha¨ftigung mit dem o¨ffentlichen Engagement von katholischen Akteurinnen und wurde dazu genu¨tzt, um die Pra¨senz von Frauen in o¨ffentlichen Ra¨umen wa¨hrend des Ersten Weltkrieges zu beschreiben. Zu Beginn diente das Konzept Historiker/innen 13 Ein anschauliches Beispiel dafu¨r war die Konferenz „Trincee tinte di rosa“ (rosa gefa¨rbte Schu¨tzengra¨ben) am 16. April 2015 in Pisa, organisiert von Francesco Maria Bovenzi fu¨r den Klub der Soroptimistinnen: Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde angefu¨hrt, dass der Erste Weltkrieg eine unaufhaltsame Emanzipationsbewegung und eine bisher noch nie dagewesene soziale und kulturelle Revolution ausgelo¨st habe. ¨ beregger 14 Als Beispiel: Bartoloni, La Grande Guerra, wie Anm. 7, oder Nicola Labanca u. Oswald U ¨ sterreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg (1914–1918), Wien/ (Hg.), Krieg in den Alpen. O Ko¨ln/Weimar 2015. Diese Arbeiten sind Ausdruck einer konstruktiven Zusammenarbeit von ma¨nnlichen und weiblichen Wissenschaftler/innen und beispielhaft dafu¨r, wie produktiv das Fehlen einer thematischen Geschlechtertrennung im Forschungsprozess sein kann. 15 Vgl. Barbara Curli, Dalla Grande Guerra alla Grande crisi: i lavori delle donne, in: Stefano Musso (Hg.), Il Novecento 1896–1945. Il lavoro nell’eta` industriale, Roma 2015, 201–251. 16 Zu den grundsa¨tzlichen Themen und Trends vgl. Simonetta Soldani, Donne italiane e Grande Guerra al vaglio della storia, in: Bartoloni, La Grande Guerra, wie Anm. 7, 21–53; Bruna Bianchi, Living in War: Women in Italian Historiography (1980–2016), in: DEP. Deportate, esuli, profughe, 31 (2016), 5–35.
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(mich eingeschlossen) dazu, dieses Pha¨nomen als Novum hervorzuheben. Die Auseinandersetzung mit den Kriegsbefu¨rworterinnen beziehungsweise den liberalen Frauen, die zwar keinen Krieg wu¨nschten, aber dennoch die entsprechende Ent¨ bergang scheidung der Regierung hinnahmen, versprach außerdem, dass so auch der U zum Faschismus besser verstanden werden ko¨nnte. Aus diesem Grund fokussierten einschla¨gige Forschungen auf weibliche Aktivita¨ten an der ,Heimatfront‘ – auf jene Frauen also, die sich bislang nicht fu¨r o¨ffentliche Belange interessiert hatten, oder Feministinnen, die sich aus Solidarita¨t mit den Soldaten und ihren Familien engagierten. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch eine Interpretation dieser Aktivita¨ten durch die enge Linse von ,weiblicher Mobilisierung‘ das Risiko in sich birgt, den Krieg als Emanzipationsfaktor anzusehen. Wenn wir dies tun, kann dem Schmerz, den Qualen, Unsicherheiten und A¨ngsten, die der Krieg mit sich brachte, kaum ada¨quat Rechnung getragen werden. Dennoch geschieht gerade das ha¨ufig in den Medien, die nach wie vor ein mehr oder weniger verkla¨rtes, affirmatives Bild weiblicher Kriegsbeteiligung zeichnen. Ausgehend von den tiefgreifenden Konfliktlinien zwischen der milita¨rischen und der politischen Fu¨hrung, die zu scharfen Kompetenzstreitigkeiten und letztlich einem offenen Machtkampf fu¨hrten, konzentrierten sich einige Studien zudem auf die Frage, wie Frauenorganisationen, militante Parteiga¨ngerinnen, Schriftstellerinnen, weibliche Intellektuelle, Arbeiterinnen oder Mu¨tter auf solche Auseinandersetzungen reagiert haben. Aktivistinnen in Rom und Mailand folgten bereits seit September 1914 dem Beispiel anderer kriegsfu¨hrender Nationen und versuchten, im Rahmen organisatorischer Zusammenschlu¨sse ihre Kra¨fte zu bu¨ndeln. Untersuchungen zur spa¨ter gegru¨ndeten Alleanza femminile italiana konnten etwa Ziele, Strukturen und Prozesse dieser Selbstmobilisierung sichtbar machen. Sie belegen, dass sich einschla¨gige Frauenvereinigungen vor dem Hintergrund der sozialen No¨te, die der Krieg bewirkte, unmittelbar nach dem Kriegsausbruch bildeten.17 Andere Frauen betrachteten ihr Engagement an der ,Heimatfront‘ als patriotische Pflicht und knu¨pften im Rahmen dieser Vorstellung an den kulturellen Diskurs zum Risorgimento an. Dieses Argument machte es offenbar einfacher, aus der ha¨uslichen Spha¨re herauszutreten. Einige wenige Stunden dem kriegsfu¨hrenden Vaterland zu opfern, schien – aus Sicht vieler Frauen – das Gleichgewicht in der Familie nicht zu sto¨ren und erlaubte es zugleich, zuvor nur im ¨ ffentlichkeit zu verlagern. privaten, ha¨uslichen Raum verrichtete Ta¨tigkeiten in die O Der Krieg bot ihnen die Mo¨glichkeit, Effizienz zu demonstrieren und Loyalita¨t gegenu¨ber dem Staat zu beweisen. Als Gegenleistung fu¨r ihre Unterstu¨tzung erhofften sich Kriegsbefu¨rworterinnen Anerkennung beziehungsweise die Verbesserung ihrer
17 Vgl. Beatrice Pisa, La mobilitazione civile e politica delle italiane nella Grande Guerra, in: Giornale di storia contemporanea, 2 (2001), 79–103; Augusta Molinari, Una patria per le donne: La mobilitazione femminile nella Grande Guerra, Bologna 2014.
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rechtlichen und sozialen Stellung und das Wahlrecht.18 Sozialistinnen hielten dahin¨ berzeugung – weiter an ihrer gegen – wenn auch mit einem geringeren Grad an U kriegskritischen Haltung fest und nahmen an entsprechenden politischen Aktivita¨ten der sozialistischen Stadtra¨te in Mailand oder Bologna teil.19 Geschlechtersensible Forschungen haben auch andere Formen des weiblichen Protests gegen die furchtbaren Auswirkungen des Krieges in den Blick genommen. Untersucht wurden beispielsweise Zwangsevakuierungen und Deportationen zehntausender Zivilist/innen, die gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen.20 Die Zuru¨ckgebliebenen waren konfrontiert mit Schikanen durch Soldaten, Vergewaltigungen und der Konfiszierung ihrer Ha¨user, Besitztu¨mer und des Viehs. Diese Studien betonten den strategischen Charakter des Einsatzes von Gewalt gegen die Zivilbevo¨l¨ brigen von allen kriegsfu¨hrenden La¨ndern angewendet wurde. An kerung, wie sie im U allen Kriegsschaupla¨tzen wurden internationale Abkommen gebrochen, und die Anwendung des Kriegsrechts beschra¨nkte bestehende staatsbu¨rgerliche Rechte. Auch in Italien wurde die Internierung jener Ma¨nner und Frauen, die als Angeho¨rige einer feindlichen Nation identifiziert wurden, angeordnet.21 Die neueste Geschichtsforschung konnte bei der Untersuchung verschiedenster Formen von Menschenrechtsverletzungen einschließlich der sexuellen Gewalt gegen Frauen, u¨ber die lange Zeit geschwiegen worden war, große Fortschritte machen.22 Hingegen wurden pazifistische Bewegungen und Demokratisierungsprozesse im Rahmen feministischer geschichtswissenschaftlicher Studien zum Ersten Weltkrieg bislang kaum bis gar nicht behandelt. Vor dem Hintergrund des Hundertjahrgedenkens wurde eine solche Haltung jedoch erfolgreich revidiert, indem sich der Fokus auf zentrale Aktivistinnen des pazifistischen Feminismus, wie Paolina Schiff, Rosa Genoni oder Anita Dobelli Zampetti, richtete. Frauenhistorikerinnen erarbeiteten die Biografien dieser Akteurinnen, untersuchten Argumentationsstrategien oder die spezifischen Organisationsstrukturen, innerhalb
18 Vgl. Emma Schiavon, Interventiste nella Grande Guerra. Assistenza, propaganda, lotta per i diritti a Milano e in Italia, Firenze 2015. 19 Vgl. Maria Casalini, I socialisti e le donne: Dalla ,mobilitazione pacifista‘ alla smobilitazione postbellica, in: Italia contemporanea, 222 (2001), 5–41. 20 Vgl. Paolo Malni, Fuggiaschi. Il campo profughi di Wagna 1915–1918, San Canzian d’Isonzo/ Goricia 1998; Chiara Aglialoro, Gianpaolo Cuscuna` u. Paolo Malni (Hg.), Altrove/Elsewhere. 1915–1918 Memorie dal campo di Wagna e altre storie di profughi / 1915–1918 Memories from the Wagna refugee camp and other refugee accounts, Ronchi dei Legionari 2017. 21 Vgl. Daniela Luigia Caglioti, Tra la Sardegna e Katzenau: Donne e uomini al confino e nei campi di concentramento, in: Bartoloni, La Grande Guerra, wie Anm. 7, 249–270; Daniela L. Caglioti, Why and How Italy Invented an Enemy Aliens Problem in the First World War, in: War in History, 21, 2 (2014), 142–169; Bruna Bianchi, Nella terra di nessuno. Uomini e donne di nazionalita` nemica nella Grande guerra, Roma 2017. 22 Vgl. die Beitra¨ge im Sammelband von Bruna Bianchi (Hg.), La violenza contro la popolazione civile nella Grande guerra: Deportati, profughi, internati, Milano 2006, sowie Daniele Ceschin, Gli esuli di Caporetto: I profughi in Italia durante la Grande guerra, Roma/Bari 2006.
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derer sie ta¨tig waren, beleuchteten ihre internationalen Netzwerke und skizzierten die konkreten politischen Einschra¨nkungen, denen sie unterworfen waren.23 Die ju¨ngere Forschung nahm zudem, wie oben angedeutet, die Verbindung zwischen Prozessen der Selbstmobilisierung fu¨r staatliche Maßnahmen und der Entstehung der faschistischen Frauenbewegung wa¨hrend des Krieges in den Blick. Dabei wurde beispielsweise die Rolle von Carla Lavelli Celesia, einem bedeutenden Mitglied des liberalen Consiglio nazionale delle donne italiane (Cndi), untersucht. Sie unterstu¨tzte die Politik der italienischen Regierung und wurde zur Fu¨hrungsfigur der Fascio nazionale femminile. Dieses Beispiel repra¨sentiert paradigmatisch die Schwerpunktverlagerung des liberalen Feminismus in Richtung Nationalismus – eine Wendung, die zu vollziehen sich die demokratische Unione femminile trotz Carla Celesias wohlmeinender Aufforderung weigerte.24 Feministische Historikerinnen betonten, dass es unter Demokrat/innen und Sozialreformerinnen differenzierte Positionierungen und Debatten gab; sie konnten letztlich aufzeigen, dass der italienische Feminismus (wie in allen kriegsbeteiligten La¨ndern der Fall) aus dem Krieg deutlich vera¨ndert hervorging. Frauenorganisationen, die jahrelang von kriegsbedingten Notwendigkeiten oder Zwa¨ngen in Anspruch genommen worden waren, hatten nach dem Krieg Schwierigkeiten, politische Visionen zu entwickeln oder neue Projekte in Angriff zu nehmen. Schließlich liegen Analysen zu den Schul- und Presseaktivita¨ten vonseiten ziviler Unterstu¨tzungskomitees vor, ebenso wie Studien, die sich mit dem Einfluss von kulturellen Vorstellungen zu Rotkreuzschwestern befassen. Letztere verko¨rperten sowohl Modernita¨t als auch ein traditionelles Modell von Weiblichkeit, das Aufopferungsbereitschaft und Na¨chstenliebe symbolisierte.25
4.
Desiderata und Perspektiven
Die Frage nach den Folgen der vielen kriegsunterstu¨tzenden Aktivita¨ten von Frauen bedarf jedoch noch weiterer Forschungen: Hatte das Auswirkungen auf die Politik, konnten dadurch Entscheidungen im Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktbereich beeinflusst werden? Wie nahmen Frauen sich selbst wahr, nachdem die Waffen einmal niedergelegt waren und Verarbeitungen und Reflexionen zum Krieg auf kollektiver 23 Vgl. Maria Grazia Suriano, Percorrere la nonviolenza: L’esperienza politica della Women’s International League for Peace and Freedom (1915–1939), Roma 2012; Stefania Bartoloni, Donne di fronte alla guerra: Pace, diritti e democrazia (1878–1918), Roma/Bari 2017. Zur Haager Friedenskonferenz vgl. Elda Guerra, Il dilemma della pace: Femministe e pacifiste sulla scena internazionale 1914–1939, Roma 2014; Ingrid Sharp, Una difficile ,sorellanza‘: L’internazionalismo come sfida e impegno, 1914–1924, in: Bartoloni, La Grande Guerra, wie Anm. 7, 57–73; Maria Susanna Garroni, Lo sfilacciarsi della rete: pacifiste femministe tra Europa e Stati Uniti, in: ebd., 75–97. 24 Vgl. Graziella Gaballo, Il nostro dovere. L’Unione Femminile tra impegno sociale, guerra e fascismo (1899–1939), Novi Ligure 2015, 223–255. 25 Vgl. Stefania Bartoloni, Italiane alla Guerra. L’assistenza ai feriti (1915–1918), Venezia 2003.
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Ebene einsetzten? Die Biografien jener Akteurinnen, die an der Mobilisierung fu¨r den Krieg beteiligt waren, geben Auskunft u¨ber perso¨nliche Entscheidungen und gewa¨hren Einblicke in individuelle Nationalisierungsprozesse. Doch welche Rolle spielten die Frauenbewegung und der Feminismus in den folgenden Jahren, die zu Mussolinis Machtergreifung fu¨hrten? Es scheint etwa lohnenswert, sich in Erinnerung zu rufen, dass Hausbesuche bei Bedu¨rftigen zu jenen ga¨ngigen Wohlfahrtspraktiken von Frauen za¨hlten, die sich wa¨hrend der Kriegsjahre etabliert hatten. Spa¨ter reklamierte das faschistische Regime dieses Modell als eigene Erfindung fu¨r sich, sodass Frauen nunmehr als „Bannertra¨gerinnen des Faschismus“ ihre Runden durch die Ha¨user drehten. Aber wie reagierten Va¨ter, Ehema¨nner und Bru¨der auf Frauen, die sich fu¨r patriotische Anliegen engagierten und außerhalb der ihnen zugeschriebenen ha¨uslichen Spha¨re agierten? Und wie empfingen Ehefrauen oder Verlobte ihre Ma¨nner, die ko¨rperlich und psychisch traumatisiert aus dem Krieg heimkehrten? Besitzt die a¨ltere These, wonach der Wunsch nach Stabilita¨t viele Frauen dazu veranlasste, in den ha¨uslichen Bereich und die Mutterrolle zuru¨ckzukehren, weiterhin Gu¨ltigkeit? 26 Kann die Re-Etablierung eines auf Erga¨nzung ausgerichteten Geschlechterkonzepts tatsa¨chlich die Massenentlassungen von Industriearbeiterinnen in der Nachkriegszeit oder den Umstand erkla¨ren, dass Arbeiterinnen nach ihrer Schicht beim Verlassen der Fabriken von Kriegsveteranen beschimpft wurden? Das sind nur einige der vielen Forschungsfragen, die weiterfu¨hrend untersucht werden mu¨ssen. Bisherige Bemu¨hungen werden hoffentlich dazu beitragen, ein umfassendes historisches Narrativ zu entwerfen, in dessen Rahmen unterschiedliche Interessen und Schwerpunkte miteinander in Dialog treten ko¨nnen und unser Versta¨ndnis vom Krieg erweitern. Ein solches Wissen verlangt jedoch tiefgreifender nach Einsichten und Debatten, muss sich setzen ko¨nnen und im Kontext ku¨nftiger Erin¨ berpru¨fung unterzogen werden. Nicht zuletzt darin liegt nerungsanla¨sse erneut einer U schließlich die wichtigste Funktion gegenwa¨rtigen Gedenkens. Aus dem Englischen von Heidrun Zettelbauer und Ingrid Schlegl
26 Vgl. Margaret R. Higonnet u. Patrice L.-R. Higonnet, The Double Helix, in: Margaret R. Higonnet, Jane Jenson, Sonya Michel u. Margaret Collins Weitz (Hg.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 31–49.
Ambivalente Männlichkeit. Geschlechterbilder und -praktiken in der kaiserlichen Marine am Beispiel von Martin Niemöller
Die zentrale Bedeutung des Milita¨rs fu¨r die Konstruktion von Geschlechterbildern und die Ausformung von Geschlechterrollen und -praktiken im 19. und 20. Jahrhundert ist Allgemeingut der historischen Forschung geworden. Das Milita¨r war eine wichtige „Schule der Ma¨nnlichkeit“.1 Durch die diskursive Verknu¨pfung von Milita¨rdienst und Staatsbu¨rgerlichkeit und durch die Praxis milita¨rischer Vergemeinschaftung im Zwangsverband des kasernierten Milita¨rdienstes war das Milita¨r eine zentrale Scharnierstelle zur Pra¨gung von Mustern maskulinen Verhaltens in der Gesellschaft. Der Zusammenhang von Milita¨rdienst und Ma¨nnlichkeit ist bislang vor allem am Beispiel ¨ bertragung milita¨rischer der Allgemeinen Wehrpflicht analysiert worden. Neben der U Leitbilder von Ma¨nnlichkeit in das zivile Leben kamen dabei auch die Praktiken der Kameradschaft unter Soldaten im Krieg in den Blick.2 In der Forschung zum deutschen Kaiserreich mangelt es dagegen noch an Arbeiten, welche die Ma¨nnlichkeitsbilder von Offizieren und Offiziersanwa¨rtern analysieren, die den milita¨rischen Dienst profes-
1 Ute Frevert, Das Milita¨r als „Schule der Ma¨nnlichkeit“. Erwartungen, Angebote, Erfahrungen im 19. Jahrhundert, in: dies. (Hg.), Milita¨r und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997, 145–173. – Die Gerda Henkel Stiftung hat meine Forschungen zu Martin Niemo¨ller im Rahmen ihres MAN4HUMAN-Programms ebenso großzu¨gig wie unbu¨rokratisch gefo¨rdert. Dafu¨r gilt ihr mein herzlicher Dank. Dank geht ebenso an meinen Gastgeber im Rahmen meines Forschungsaufenthaltes, Thomas Mergel, sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Lehrstuhls an der Humboldt-Universita¨t zu Berlin. Fu¨r seine Kommentare zu einer ersten Fassung danke ich Christoph Nu¨bel. 2 Grundlegend Ute Frevert, Die kasernierte Nation. Milita¨rdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, Mu¨nchen 2001; dies., Das jakobinische Modell. Allgemeine Wehrpflicht und Nationsbildung in Preußen-Deutschland, in: Ute Frevert (Hg.), Milita¨r und Gesellschaft, wie Anm. 1, 17–47; Thomas Ku¨hne, Kameradschaft. Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert, Go¨ttingen 2006. Fu¨r die Habsburgermonarchie vgl. Christa Ha¨mmerle, Zur Relevanz des Connell’schen Konzepts hegemonialer Ma¨nnlichkeit fu¨r „Milita¨r und Ma¨nnlichkeit/en in der Habsburgermonarchie (1868–1914/18)“, in: Martin Dinges (Hg.), Ma¨nner – Macht – Ko¨rper. Hegemoniale Ma¨nnlichkeiten vom Mittelalter bis heute, Frankfurt a. M./New York 2005, 103–121. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive vgl. Monika Szczepaniak, Milita¨rische Ma¨nnlichkeiten in ¨ sterreich im Umfeld des Großen Krieges. Konstruktionen und DekonstruktioDeutschland und O nen, Wu¨rzburg 2011.
EXTRA
Benjamin Ziemann
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sionell betrieben.3 Dies gilt auch fu¨r die kaiserliche Marine mit ihren gegenu¨ber dem Heer abweichenden Rekrutierungsmustern, Dienstpraktiken und Formen der Vergemeinschaftung.4 Zur Analyse milita¨rischer Ma¨nnlichkeiten im Seeoffizierkorps der kaiserlichen Marine wird hier ein biografischer Zugang gewa¨hlt, der sich auf das Vorliegen einer dichten Quellenu¨berlieferung stu¨tzen kann. Im Folgenden geht es um den Zusammenhang von milita¨rischer Dienstpraxis, biografischen Lebensentwu¨rfen und Ma¨nnlichkeitsbildern am Beispiel von Martin Niemo¨ller (1892–1984). Niemo¨ller ist vor allem als eine der Leitfiguren der Bekennenden Kirche bekannt, die seit 1933/34 mit den Deutschen Christen und dem NS-Staat u¨ber die Hegemonie in der evangelischen Kirche stritt. Im Juli 1937 wurde Niemo¨ller verhaftet und nach einem Prozess vor dem Berliner Sondergericht im Ma¨rz 1938 in das KZ Sachsenhausen bei Berlin verbracht. Als „perso¨nlicher Gefangener des Fu¨hrers“ kam er, 1941 in das KZ Dachau u¨berstellt, erst im Mai 1945 wieder in Freiheit. Die vorliegenden Biografien haben Niemo¨llers Ausbildung als Seeoffizier nur ganz am Rande thematisiert.5 Das ist nicht nur insofern ein grobes Versa¨umnis, da Niemo¨ller bis an sein Lebensende durch den im Dienst in der kaiserlichen Marine erworbenen Habitus gepra¨gt war, wie etwa seine aktive Teilnahme an den Treffen der Crew 1910 bis kurz vor seinem Tod verdeutlicht. Daru¨ber hinaus vermitteln Niemo¨llers Reflexionen u¨ber seinen Dienst als Offiziersanwa¨rter und spa¨ter als Offizier wichtige Einsichten in die Ambivalenz milita¨rischer Ma¨nnlichkeitsbilder im Kaiserreich vor 1914.
3 Vgl. Marcus Funck, Bereit zum Krieg? Entwurf und Praxis milita¨rischer Ma¨nnlichkeit im preußischdeutschen Offizierskorps vor dem Ersten Weltkrieg, in: Karen Hagemann u. Stefanie Schu¨lerSpringorum (Hg.), Heimat-Front. Milita¨r, Krieg und Geschlechterverha¨ltnisse im Zeitalter der Weltkriege, Frankfurt a. M./New York 2002, 69–90. 4 Auch die empirisch dichte Studie von Nicolas Wolz, Das lange Warten. Kriegserfahrungen deutscher und britischer Seeoffiziere 1914 bis 1918, Paderborn 2008, geht auf geschlechtergeschichtliche Fragen nicht ein. Standardwerke zum Seeoffizierkorps im Kaiserreich sind Holger H. Herwig, Das Elitekorps des Kaisers. Marineoffiziere im Wilhelminischen Deutschland, Hamburg 1977; Thomas Scheerer, Die Marineoffiziere der Kaiserlichen Marine. Sozialisation und Konflikte, unvero¨ffentlichte Dissertation, Universita¨t Hamburg 1993. 5 Dies gilt fu¨r James Bentley, Martin Niemo¨ller. Eine Biographie, Mu¨nchen 1985, 17–31, der letztlich nur Niemo¨llers Dienst bei der U-Boot-Flotte ab 1916 behandelt. Michael Heymel, Martin Niemo¨ller. Vom Marineoffizier zum Friedenska¨mpfer, Darmstadt 2017, 20–22, gibt alle Befo¨rderungsschritte falsch an. Zum Kirchenkampf vgl. die wichtige Regionalstudie von Manfred Gailus, Protestantismus und Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Durchdringung des protestantischen Sozialmilieus in Berlin, Ko¨ln 2001; zur Biografie Niemo¨llers auf der Basis einer ¨ berlieferung: Benjamin Ziemann, Martin Niemo¨ller. Ein deutscher Protestant im breiten U 20. Jahrhundert, im Erscheinen (2019).
Benjamin Ziemann, Ambivalente Männlichkeit am Beispiel von Martin Niemöller
1.
93
Offiziersanwärter in der kaiserlichen Marine: Die Crew 1910
Am 1. April 1910 trat Martin Niemo¨ller mit 206 anderen Seekadetten in der Marinekaserne in Kiel-Wik seinen Dienst an.6 Es hatte sich in der kaiserlichen Marine eingebu¨rgert, die Offiziersanwa¨rter eines Einstellungsjahrgangs mit dem Begriff der „Crew“ zu bezeichnen; Niemo¨ller war also Mitglied der Crew 1910. Wa¨hrend des aktiven Dienstes hatte diese Zugeho¨rigkeit eine praktische Bedeutung, denn die Befo¨rderung innerhalb der Offiziersdienstgrade erfolgte nach dem Prinzip des Dienstalters oder der Anciennita¨t. Nur innerhalb eines Eintrittsjahrgangs wurde jedes Jahr eine Rangliste nach den vorliegenden Qualifikationsberichten festgelegt. Das Seeoffizierkorps war bu¨rgerlicher als das Offizierkorps im Heer. Von den Seekadetten der Crew 1907 hatten fast 46 Prozent – wie Martin Niemo¨ller, dessen Vater Pfarrer war – einen bildungsbu¨rgerlichen Vater mit einem Universita¨tsabschluss, und rund 17 Prozent kamen aus Familien des Wirtschaftsbu¨rgertums.7 Vor der Qualifikation und Ernennung zum Offizier stand die dreieinhalb Jahre dauernde Ausbildungszeit der Offiziersanwa¨rter.8 In dieser Zeit mussten sie sich an die Prinzipien milita¨rischer Disziplin gewo¨hnen und sowohl theoretische als auch praktische Ausbildungsteile absolvieren. Aber auch die standesgema¨ße Charakterbildung der Offiziersanwa¨rter war Teil des Curriculums, wozu Unterricht im Reiten, Fechten und Tanz diente.9 Nach vierwo¨chiger Grundausbildung begann Niemo¨llers Dienst auf der SMS Hertha, einem der Schulschiffe der kaiserlichen Marine, dem er mit 51 anderen Seekadetten zugeteilt wurde. Bereits zu Beginn der Grundausbildung hatte Niemo¨ller notiert, dass „Freund und Kamerad ein Unterschied ist“.10 Mit Karl Gerstberger und Carl Pagenstecher waren zwei gute Freunde aus Elberfeld – wo Niemo¨ller seit 1900 gelebt und zur Schule gegangen war – mit ihm in der Crew 1910. Zusammen mit Hermann Bremer, einem engen Schulfreund von Niemo¨ller auf dem Gymnasium in Elberfeld, hatten sie wa¨hrend der Schulzeit ein „Flottenkra¨nzchen“ gegru¨ndet. Diese gesellige Runde diente der ernsthaften Fachsimpelei u¨ber Schiffe und Ausru¨stung der Kriegsflotten aller wichtigen Nationen. Sie war so auch eine Vorbereitung auf den
6 Vgl. Gerd Sandhofer, Dokumente zum milita¨rischen Werdegang des Großadmirals Do¨nitz, in: Milita¨rgeschichtliche Mitteilungen, 1 (1967), 59–81, 66. Namentliche Liste in: Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine fu¨r das Jahr 1910, Berlin 1910, 164–168. 7 Vgl. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 39. 8 Vgl. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 60, 80–124. Zur Offiziersausbildung in der Marine vgl. Scheerer, Marineoffiziere, wie Anm. 4, 83–123; Karl H. Peter, Seeoffizieranwa¨rter. Ihre Ausbildung von 1848 bis heute, Mu¨rwik 1969, unter: www.pkgodzik.de/fileadmin/user_upload/Geschichte_ und_Politik/Karl_Peter__Seeoffizieranwaerter.pdf, Zugriff: 22. 4. 2018. 9 Vgl. Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 1. 4. 1910: Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (ZEKHN), Bestand 62 (Nachlass Martin Niemo¨ller), 6065; vgl. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 55f.; Karl Do¨nitz, Mein wechselvolles Leben, Go¨ttingen 1968, 26. 10 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 1. 4. 1910: ZEKHN, 62/6065.
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Beruf, den die Mitglieder dieses Zirkels dann ergriffen.11 Auf der SMS Hertha diente Gerstberger aber in einer anderen Wachha¨lfte als Niemo¨ller, und so gab es wa¨hrend des Dienstes nur wenig Gelegenheit zum perso¨nlichen Umgang mit ihm. Bereits im September 1910 beklagte sich Niemo¨ller u¨ber die Einsamkeit, die er immer wieder verspu¨rte, obwohl es im Kreis der Kameraden durchaus Gelegenheit zum Gespra¨ch gab. Aber die Kameraden waren eben nicht seine perso¨nlichen Freunde, so wie Bremer, dessen Abwesenheit ihm zusetzte.12 Niemo¨ller tat in der Backbordwache Dienst. Er hatte dort keine engen perso¨nlichen Freunde, konnte diesen Mangel allerdings teilweise kompensieren: „Aber die Kameradschaft ist sehr gut. Wir machen gerne mal etwas Radau und einen dummen Streich, trinken auch mal etwas u¨ber den Durst usw. Das ist in den Augen derer von Steuerbord natu¨rlich ein großes Verbrechen, und so kommt es zu keinem vernu¨nftigen Verkehr.“13 Die Vorliebe Niemo¨llers und seiner an Backbord der SMS Hertha dienenden Kameraden fu¨r Streiche und ein gelegentliches Saufgelage hieß nun allerdings nicht, dass der Pfarrerssohn seine Ausbildung schleifen ließ. Ganz im Gegenteil. Im April 1911 erfolgte die Befo¨rderung zum Fa¨hnrich zur See. Niemo¨ller bestand die dafu¨r no¨tige Abschlusspru¨fung mit der Note Sehr gut. Gema¨ß den Ergebnissen der Pru¨fung wurden die Offiziersanwa¨rter dann in die Rangliste eingeteilt und ihr Dienstalter wurde festgesetzt. Von den Fa¨hnrichen der Crew 1910 rangierte Niemo¨ller in der Rangliste des Jahres 1911 an fu¨nfter Stelle, deutlich vor Karl Do¨nitz (39.), der seit Anfang 1943 als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine amtierte und 1945 Hitlers Nachfolger als Reichspra¨sident wurde.14 Nach der bestandenen Fa¨hnrichspru¨fung kamen die angehenden Offiziere zu einer theoretischen Ausbildungsphase nach Flensburg-Mu¨rwik. Dort hatte Kaiser Wilhelm II. am 21. November 1910 die neue Marineschule ero¨ffnet.15 Im Ru¨ckblick war das Jahr an der Marineschule fu¨r Niemo¨ller ein vergeudetes Jahr. Anfang 1912 berichtete er Hermann Bremer, dass seine Zeit dort an Erlebnissen „nicht eben reich“ gewesen sei und er „das wenig befriedigende Gefu¨hl“ habe, „nicht viel weiter gekommen zu sein.“ Seine ganze Hoffnung richtete sich zu diesem Zeitpunkt auf die Zeit nach Ostern, als eine Reihe von Waffenlehrga¨ngen zu absolvieren war. Dann, so Niemo¨llers Erwartung, gebe es endlich wieder „vernu¨nftige Arbeit und man bekommt wieder ein
11 Vgl. „Das Flottenkra¨nzchen“ (Niemo¨ller und drei seiner Freunde, darunter Karl Gerstberger) an Hermann Bremer 23. 7. 1908: ZEKHN, 62/6065; Magdalene Niemo¨ller, Mein Bruder Martin. Jugenderinnerungen, o. D. [ca. 1970], 4: ZEKHN, 35/1533. 12 Vgl. Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 1.4. (Zitat), 1.8. und 18. 9. 1910: ZEKHN, 62/6065. 13 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 19. 11. 1910: ZEKHN, 62/6065. 14 Vgl. Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 30. 3. 1911: ZEKHN, 62/6065; Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine fu¨r das Jahr 1911, Berlin 1911, 165; Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine fu¨r das Jahr 1914, Berlin 1914, 171. 15 Vgl. Scheerer, Marineoffiziere, wie Anm. 4, 108–115; Peter, Seeoffizieranwa¨rter, wie Anm. 8, 86–92, 161.
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Recht darauf, sich als Seemann zu fu¨hlen“.16 Es war aber nicht so, dass ihm alle Aspekte des Alltags an der Marineschule gegen den Strich gingen. Vor allem der Unterricht in den fu¨r gesellschaftlichen Umgang no¨tigen Fertigkeiten und manche Freizeitaktivita¨t sagten ihm zu. „Der Tanzunterricht, das Kegeln, Segeln und Musizieren macht mir Spaß“, so ließ er im Oktober 1911 verlauten. Auch eine alle 14 Tage stattfindende „Debattierstunde“, in der die angehenden Offiziere sich in der Kunst der freien Rede u¨ben sollten, gefiel ihm.17 Aber die Unterrichtsstunden im Tanzen und Reiten waren letztlich nicht mehr als „nette Abwechslungen, wenn es zu tru¨bsinnig wird“.18 Der sonstige Unterricht brachte fu¨r Niemo¨ller bald keine Anreize mehr, zumal seit Anfang 1912, als in den meisten Fa¨chern nur noch die Wiederholung des bereits Erlernten auf dem Programm stand ¨ de und es deshalb „nicht u¨berma¨ßig viel zu tun“ gab.19 So machten sich in Mu¨rwik O und Langeweile breit, die nach Vollendung des Jahres an der Marineschule bald auch in ¨ berdruss am Offiziersberuf insgesamt umschlagen sollten. Fu¨r die Zeit in Mu¨rwik U liegen nur wenige Selbstzeugnisse vor, welche die genauen Ursachen fu¨r Niemo¨llers Unwohlsein erkennen lassen. Aus dem Gefa¨ngnis in Berlin-Moabit schrieb er im August 1937 an einen befreundeten Pfarrer, dass er zuna¨chst große Sorgen vor der Untersuchungshaft gehabt habe, und zwar „in Erinnerung an die ,Budenangst‘ meiner Fa¨hnrichs- und Leutnantsjahre vor dem Kriege“.20 Diese „Budenangst“ war wohl kaum auf die ra¨umliche Situation zuru¨ckzufu¨hren, denn an der Marineschule teilten sich jeweils vier Fa¨hnriche ein relativ gera¨umiges Wohn- und Schlafzimmer. Bei den im Fru¨hjahr und Sommer 1912 stattfindenden Waffenlehrga¨ngen in anderen Marinekasernen waren dagegen bis zu sieben Fa¨hnriche auf einer gemeinsamen Stube untergebracht. Niemo¨ller hatte also wohl eher Angst davor, auf der Bude zu ,versauern‘.21
2.
Verrohung oder Vereinsamung? Männlichkeitsrituale und ihre Probleme
Aber was war die Alternative? Sie ha¨tte im geselligen Umgang mit den Crewkameraden liegen ko¨nnen. Diese Mo¨glichkeit war jedoch mit Problemen behaftet, die sich aus dem Charakter des Milita¨rdienstes als einer geschlossenen Form der Vergemeinschaftung 16 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 23. 1. 1912: ZEKHN, 62/6065. 17 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 24.10. und 15. 11. 1911 („Debattierstunde“): ZEKHN, 62/ 6065; vgl. Peter, Seeoffizieranwa¨rter, wie Anm. 8, 90. 18 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 17. 11. 1911: ZEKHN, 62/6065. 19 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 3. 2. 1912: ZEKHN, 62/6065. 20 Martin Niemo¨ller an Pfarrer Koenigs 2. 8. 1937 (Abschrift): Landeskirchliches Archiv der evangelischen Kirche von Westfalen, 5.1, 438, Fasz. 2, Bl. 78. 21 Vgl. Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 30. 6. 1912: ZEKHN, 62/6065; vgl. Scheerer, Marineoffiziere, wie Anm. 4, 102.
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ergaben. Niemo¨ller erteilte dazu, die eigene Erfahrung als Seekadett resu¨mierend, seinem Freund Hermann Bremer genaue Instruktionen fu¨r das Verhalten in der Marine, in die Bremer als Mitglied der Crew 1911 eingetreten war. Zuna¨chst einmal mu¨sse man immer „ein fro¨hliches Gesicht“ machen, auch wenn einem der Dienst „gegen den Strich“ gehe. Aber nicht nur im Dienst, auch in der Freizeit du¨rfe man es andere „nie merken lassen, wenn man mal mu¨de und abgespannt ist“. Sodann belehrte Niemo¨ller seinen Freund daru¨ber, wie die Mehrheit der Crewmitglieder Konformita¨t erzwang. Vor allem in der eigenen Wachha¨lfte solle Bremer immer die Seite derer ergreifen, die ein aus der Gruppe als abweichend herausfallendes Individuum „durch ein nicht mißzuverstehendes Mittel erziehen wollen“. Dazu mu¨sse man diesem Einzelnen „deutlich“ sagen, worin er dem Gruppenzwang widerspreche, „oder, wenn das nicht hilft, ….!“. Ko¨rperliche Gewalt, das deutete die Auslassung an, war also das ultimative Mittel, mit dem die Mehrheit der Crewmitglieder die Anpassung an ihre Normen durchsetzte.22 Verrohung oder Vereinsamung: Das war zugespitzt die Alternative, vor die sich Niemo¨ller im kasernierten Dienst bei der kaiserlichen Marine gestellt sah. Verrohung ist dabei als ein analytischer Begriff fu¨r die Beschreibung aggressiver Ma¨nnlichkeit zu verstehen, wa¨hrend Niemo¨ller selbst seine Einsamkeit mit diesem Begriff zum Ausdruck brachte. Die Alternative stellte sich fu¨r Niemo¨ller so dar: Nahm er an den Ritualen teil, mit denen die Mehrheit der Crew die Anpassung der Einzelnen zur Not ¨ brigen auch auch gewaltsam durchsetzte, so verrohte er. Dasselbe befu¨rchtete er im U von dem Umgang mit jenen Kameraden, die „gern Zoten reißen“ und so zur moralischen Verwahrlosung der Offiziersanwa¨rter beitrugen.23 Die Alternative bestand darin, wa¨hrend des Dienstes eine gute Miene zum bo¨sen Spiel zu machen – wie er dies Hermann Bremer geraten hatte – und die freie Zeit entweder ganz alleine oder in Gesellschaft jener wenigen „Kumpane“ zu verbringen, mit denen er sich gut verstand. Mit diesen konnte er etwa am Wochenende Ausflu¨ge mit dem Fahrrad machen oder segeln gehen. Daru¨ber hinaus bemu¨hte sich Niemo¨ller sichtlich, in der freien Zeit eine geistige Bescha¨ftigung zu finden, da man sonst im Einerlei des Dienstes „versumpft“. Also vertiefte er sich wa¨hrend des Artillerielehrgangs auf der Schiffsartillerieschule in Sonderburg, den er im Juli und August 1912 absolvierte, in die Libretti von Opern Richard Wagners, der zu dieser Zeit sein Lieblingskomponist war. Dabei standen der „Ring der Nibelungen“ und die „Meistersinger“ auf dem Programm. Daneben las Niemo¨ller Romane von Hendrik Ibsen und „philosophisch angehauchte Essays, um dem inneren Menschen etwas Gedankenta¨tigkeit zu geben“.24 Der Offiziersanwa¨rter Niemo¨ller bemu¨hte sich also sichtlich darum, in der Einto¨nigkeit des Dienstes Gele-
22 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 30. 3. 1911: ZEKHN, 62/6065. 23 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 2. 4. 1911: ZEKHN, 62/6065. 24 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 10.8. und 23. 8. 1912 (Zitate): ZEKHN, 62/6065.
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genheit zu geistiger Reflexion und Verinnerlichung zu finden, und suchte dabei seine Zuflucht in Elementen bildungsbu¨rgerlicher Kultur. Die Frage Verrohung oder Vereinsamung war fu¨r Niemo¨ller ein Gegenstand biografischer Selbstreflexion. Dafu¨r benutzte er neben Briefen an seinen engen Freund Hermann Bremer auch Tagebucheintragungen, die er seit dem Juni 1912 in unregelma¨ßiger Folge niederschrieb. Die erste dafu¨r benutzte Kladde signalisierte bereits auf dem Umschlag, worum es ihm dabei ging: „Von mir fu¨r mich!“ Die chronologisch letzte, vom 20. Mai 1913 bis in den Juli 1915 reichende Kladde war dann als „Logbuch“ betitelt.25 Das war eine Anspielung auf die bereits seit 1857 in der Marine geu¨bte Praxis, nach der alle Offiziersanwa¨rter ein Tagebuch fu¨hren mussten. Dieses sollte, so eine Verordnung vom 9. November 1859, „den Offizieren und Cadetten Gelegenheit […] geben, sich eine geordnete Sammlung von Notizen, die fu¨r sie selbst, ihr ganzes Leben lang, interessant und wichtig bleiben, anzulegen“.26 Anders als das offizielle Logbuch wurden Niemo¨llers perso¨nliche Notizen aber nicht von den Vorgesetzten inspiziert. Es ist bemerkenswert, dass die Marineleitung damit bei jungen Ma¨nnern eine Form der autobiografischen Selbstvergewisserung inspirierte, die – von Schriftstellern abgesehen – sonst zeitgeno¨ssisch vor allem von Ma¨dchen und jungen Frauen geu¨bt wurde.27 Verrohung oder Vereinsamung: Vor diese Alternative gestellt, entschied sich Niemo¨ller im Prinzip fu¨r das Letztere. So suchte er Zuflucht in einer an der Hochkultur gebildeten Innerlichkeit und beschra¨nkte seinen sozialen Umgang außerhalb des Dienstes auf einen engen Zirkel von Kameraden, mit denen er sich sehr gut verstand. Im Juni 1914, inzwischen war er bereits Leutnant zur See, bezifferte er diese auf fu¨nf.28 Doch gab es sehr wohl eine weitere Mo¨glichkeit, mit der sich diese Alternative unterlaufen ließ: die Beziehung zu einer Frau. Als siebzehnja¨hriger Gymnasiast hatte Niemo¨ller eine Liebschaft mit einem Ma¨dchen aus einer Elberfelder Bu¨rgerfamilie gehabt. Ru¨ckblickend sprach er dieser Beziehung einen wichtigen Einfluss auf seine perso¨nliche Eintwicklung zu. Im Sommer 1912 reflektierte er daru¨ber, dass er seitdem „egoistischer“ geworden und nicht mehr durch „Ru¨cksichten auf andere“ gebunden sei, wenn es Probleme zu u¨berwinden galt.29 Aber Niemo¨ller war auch klar, dass nur eine feste Beziehung und die Gru¨ndung einer Familie ihm jene emotionale Stabilita¨t und Geborgenheit geben wu¨rden, nach der er sich sehnte. Die damit verbundene Ambivalenz vertraute er im Juli 1912 seinem Tagebuch an: „Ich komme mehr und mehr zu dem Schluß, daß man als Seeoffizier, wie wunderbar der Beruf auch ist – und er ist 25 Beide Kladden in: ZEKHN, 62/6063. 26 Vgl. Peter, Seeoffizieranwa¨rter, wie Anm. 8, 50f. 27 Vgl. Christa Ha¨mmerle, Ein Ort fu¨r Geheimnisse? Jugendtagebu¨cher im 19. und 20. Jahrhundert, in: Peter Eigner, Christa Ha¨mmerle u. Gu¨nter Mu¨ller (Hg.), Briefe – Tagebu¨cher – Autobiographien. Studien und Quellen fu¨r den Unterricht, Wien 2006, 28–45. 28 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 11. 6. 1914: ZEKHN, 62/6063. 29 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 23.–25. 7. 1912: ZEKHN, 62/6063.
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sicherlich scho¨ner als jeder andere – doch viel entbehren muß: die Familie und das Familienleben. Und doch bin ich in meinem Innersten darauf angewiesen und werde es immer sein.“30
3.
Die Beziehung zu Käthe Dilthey und das Problem des Ehekonsenses
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der zwanzigja¨hrige Niemo¨ller bereits seit einigen Monaten in einer emotional tiefgehenden Beziehung mit Ka¨the Dilthey. Im Mai 1913 blickte er auf das mit ihr verbrachte vergangene Jahr als das „scho¨nste“ zuru¨ck, „seit ich mit Bewußtsein lebe“.31 Katharina Dilthey – von allen Freunden stets Ka¨the genannt – war eine alte Bekannte der Familie Niemo¨ller. Ihr Vater Julius hatte zusammen mit Martin Niemo¨llers Vater Heinrich das Gymnasium Schulpforta besucht. Heinrich Niemo¨ller und Julius Dilthey hatten 1898 auch zusammen eine Reise zur Ero¨ffnung der Erlo¨serkirche in Jerusalem unternommen. Nach Berufsjahren als Lehrer und Diakon amtierte Julius Dilthey von 1889 bis zu seinem fru¨hen Tod 1906 als Hofprediger in Weimar, dem Sitz des ernestinischen Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach.32 So war Ka¨the u¨ber die Jahre hinweg im Haus der Familie Niemo¨ller in Lippstadt vor allem in den langen Schulferien ein immer wieder „gern gesehener Gast“ gewesen. Fu¨r Martin Niemo¨ller war die drei Jahre a¨ltere Ka¨the also seit seiner Jugend eine gute Freundin.33 Ka¨thes Mutter Auguste war nach dem fru¨hen Tod ihres Mannes zuna¨chst in Weimar verblieben, bevor sie nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin zog, wo Niemo¨ller und Ka¨the Dilthey dann ab 1931 wieder regelma¨ßigen Umgang haben sollten. Von 1912 bis 1914 pflegten Martin Niemo¨ller und Ka¨the Dilthey also das, was man heute eine Fernbeziehung nennt. Neben sporadischen Treffen in Elberfeld oder Weimar hielten beide diese Beziehung vor allem u¨ber den regelma¨ßigen Austausch von Briefen aufrecht.34 Das war fu¨r Niemo¨ller gewiss eine emotionale Bereicherung und große Hoffnung. Aber die Beziehung zu Ka¨the Dilthey warf zugleich die Frage nach der Richtung auf, in welche sie sich entwickeln ko¨nnte. An diesem Punkt kamen die Dienstvorschriften der kaiserlichen Marine ins Spiel. Denn in den Bemu¨hungen um die standesgema¨ße Absonderung des Seeoffizierkorps nahm die Regelung ihrer Verheiratung eine prominente Rolle ein. Es war eine „sta¨ndige Sorge“ der Marineleitung, 30 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 8. 7. 1912: ZEKHN, 62/6063. 31 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 25. 5. 1913: ZEKHN, 62/6065. 32 Vgl. Heinrich Niemo¨ller, Aus 56 Amtsjahren, Bielefeld 1946, 19, 25. Freundliche Auskunft des Landeskirchenarchivs Eisenach vom 2. 2. 2017. 33 Vgl. Wilhelm Niemo¨ller, Vater Niemo¨ller. Ein Lebensbild, Bielefeld 1946, 48. 34 Vgl. den Hinweis im Brief von Martin Niemo¨ller an seine Schwester Magdalene 18. 7. 1912: ZEKHN, 62/6065.
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dass eine zu fru¨he Verheiratung der Seeoffiziere zu deren Verschuldung und damit „zum Verlust gesellschaftlichen Ansehens nicht nur des einzelnen Offiziers, sondern des Offizierkorps als Ganzes fu¨hren ko¨nnte“.35 Um dem vorzubeugen, setzte die Heirat eines Seeoffiziers einen Ehekonsens voraus, an dessen Regelung und Erteilung der Kaiser perso¨nlich beteiligt war. Dafu¨r hatte der heiratswillige Offizier nicht nur detaillierte Informationen u¨ber die familia¨ren und pekunia¨ren Verha¨ltnisse der Braut beizubringen, es war auch ein Vermo¨gensnachweis erforderlich. Ein Leutnant musste ein regelma¨ßiges ja¨hrliches Einkommen von mindestens 3.000 Mark nachweisen. Die Marineleitung hoffte, damit Heiratsgesuche junger Offiziere soweit als mo¨glich einzuda¨mmen und eine standesgema¨ße Verheiratung sicherzustellen. In der Praxis hieß das, dass eine Verheiratung vor der Befo¨rderung zum Kapita¨nleutnant – in der Regel im Alter von etwas u¨ber 30 Jahren – kaum mo¨glich war. Ein mo¨glicher Ausweg, den Niemo¨ller offenbar nicht beschreiten wollte, lag darin, um die Hand einer Tochter aus wohlhabender Familie anzuhalten.36 Martin Niemo¨ller waren diese Zusammenha¨nge und Zwa¨nge nur zu gut bekannt. Und je la¨nger er u¨ber sie nachdachte, desto mehr trugen sie dazu bei, ihm erst die Beziehung zu Ka¨the Dilthey und dann den Beruf des Seeoffiziers generell madig zu machen. Im Januar 1913 vertraute er seinem Tagebuch an: „Wenn ich heiraten ko¨nnte, also mit ca. 32 Jahren wa¨re sie [Ka¨the] fast 35 Jahre alt und dann ist der Duft des Lebens bei uns beiden geschwunden, also habe ich keine Aussicht, ein glu¨cklicher Familienvater zu werden; mein Leben wird, wenn ich mich nicht ganz in meinen Beruf versenke, immer einto¨niger und inhaltsloser werden.“37 Das war zum einen eine nu¨chterne Anerkennung der mit dem Ehekonsens verbundenen Realita¨ten. Zum anderen war es eine du¨stere Einscha¨tzung der Gefahren, die dem unverheirateten Seeoffizier aus einer lange wa¨hrenden Vereinsamung drohten. Doch wo Niemo¨ller die aus der Vereinsamung resultierenden Probleme reflektierte, standen ihm auch die Gefahren der Verrohung als der anderen Option fu¨r die Lebensfu¨hrung des Seeoffiziers nur zu deutlich vor Augen. Direkt im Anschluss an die eben zitierte Tagebuchnotiz bekra¨ftigte er seine Absicht, die Freundschaft mit Ka¨the aufrechtzuerhalten, und bedachte dann die Alternative: „An die Weiber will ich, solange es eben auszuhalten ist, nicht geraten, wie leider die meisten meiner Kameraden. Dafu¨r bin ich mir selbst zu schade. Und das Beste, was es dagegen gibt, ist doch noch die Freundschaft mit einem wertvollen Ma¨dchen, da sieht man erst so recht, was fu¨r ein Schund und Abfall der menschlichen Gesellschaft auf Gottes scho¨ner Erde herumla¨uft […]. Manchmal ist es geradezu erschreckend, mit welcher Freude und Sucht, dies Heilige [die Familie] zu entwu¨rdigen, Zoten gemeinster Art und widerlichster Witzlosigkeit gemacht und mit Freudengebru¨ll aufgenommen werden. Es tut mir leid, bei solcher Gelegenheit von Freude 35 Vgl. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 67. 36 Vgl. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 67–69. 37 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 28. 1. 1913: ZEKHN, 62/6063.
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sprechen zu mu¨ssen. […] Und dabei Optimist bleiben, ist wahrlich keine Kleinigkeit, solange man es mit dem no¨tigen Ernst sein will. Ich tro¨ste mich noch oft damit, daß dies wahrscheinlich und hoffentlich nur in unserem Beruf und in einigen bestimmten, degenerierten Klassen der Gesellschaft mo¨glich ist und daß im u¨brigen ein gesunder Kern in unserem deutschen Volksleben steckt, sonst Wehe u¨ber solch ein Volk! Dann wa¨re ein Krieg mit den furchtbarsten Verlusten und extremsten Folgen, der das Volk beim letzten Stu¨ckchen seiner nationalen Ehre zum Bewusstsein bringt, die letzte Mo¨glichkeit, ein besseres Wiederaufleben hervorzurufen.“38
Interessant an diesem Zitat ist weniger die Entschiedenheit, mit der Niemo¨ller die unter den Seeoffizieren und Fa¨hnrichen u¨blichen Zoten und flu¨chtigen Affa¨ren mit Frauen in Wilhelmshaven und Kiel als amoralisch verwarf. Das war vom Sohn eines evangelischen Pfarrers durchaus erwartbar. Aufschlussreich ist vielmehr, wie er diese Beobachtungen in ein kulturpessimistisches und nationalistisches Narrativ vom Verfall der sittlichen Substanz des deutschen Volkes einbaute. Zur Ironie dieses Narrativs geho¨rt, dass Niemo¨ller damit die ideologische Vorstellung vom Seeoffizierkorps als einer Elite der Nation dekonstruierte. Denn der unter den Seeoffizieren sichtbare moralische Verfall wu¨rde nur noch in einigen „degenerierten Klassen der Gesellschaft“ erreicht. Niemo¨ller mag hier an jene Teile der gewerblichen Arbeiterschaft gedacht haben, die nicht vom disziplinierenden Einfluss der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung und ihrer Bildungsanstrengungen erreicht wurden. Die in die moralische Krise des deutschen Volkes eingeschriebene Verfallsgeschichte fu¨hrte Niemo¨ller zu einer radikalen Lo¨sung: dem Postulat der Notwendigkeit eines Krieges. Nur die Anstrengung und die Opfer eines Krieges, so sein Argument, wu¨rden ¨ berlegungen reihte sich die sittliche Substanz des Volkes verbessern. Mit diesen U Niemo¨ller in die wachsende Zahl jener Stimmen im radikalnationalistischen Lager ein, die in den Jahren unmittelbar vor 1914 die „Vorstellung von der Notwendigkeit des Krieges“ verbreiteten und einen Krieg der europa¨ischen Großma¨chte damit als unvermeidlich hinstellten.39 Auffallend ist nicht zuletzt die Entschiedenheit, mit welcher Niemo¨ller seine eigene Beziehung zu Ka¨the Dilthey im Lichte u¨bergreifender Erwa¨gungen u¨ber die innere Kraft und Substanz des deutschen Volkes reflektierte. Fu¨r einen Nationalisten seines Schlages waren perso¨nliche Dinge und das Wohlergehen der Nation eng miteinander verknu¨pft, so wurde die eigene Lebensfu¨hrung im Rahmen des Kollektivs reflektiert. Niemo¨llers Ablehnung von kurzlebigen Affa¨ren, wie sie unter angehenden Seeof¨ berlegenheit. fizieren durchaus u¨blich waren, verschaffte ihm ein Gefu¨hl moralischer U 38 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 28. 1. 1913: ZEKHN, 62/6063. 39 Martin Greschat, Krieg und Kriegsbereitschaft im deutschen Protestantismus, in: Jost Du¨lffer u. Karl Holl (Hg.), Bereit zum Krieg. Kriegsmentalita¨t im Wilhelminischen Deutschland, Go¨ttingen 1986, 33–55, 46; vgl. Wolfgang J. Mommsen, Der autorita¨re Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur des deutschen Kaiserreiches, Frankfurt a. M. 1990, 380–406, bes. 384f. zum Motiv der moralischen Erneuerung durch einen Krieg.
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Aber damit hatte er noch immer keine Antwort auf die Frage, ob und in welcher Form er die Beziehung mit Ka¨the Dilthey fortsetzen konnte. Im Mai 1913, also einige Monate nach dem eben zitierten Tagebucheintrag, war Niemo¨ller fu¨r einige Tage in Elberfeld und traf dort Ka¨the. Diese beichtete ihm, dass ihr zwei offenbar a¨ltere Ma¨nner – darunter der Nachfolger ihres Vaters als Hofprediger – Heiratsantra¨ge gemacht ha¨tten, die sie beide abgelehnt habe. Niemo¨ller war aufgewu¨hlt. Seine widerspru¨chlichen Gefu¨hle vertraute er dem Tagebuch an, nicht zuletzt wohl deshalb, weil es ihm auch im Kreis der engeren Kameraden an Vertrauten fehlte, mit denen er sich ha¨tte aussprechen ko¨nnen: „Aber ich fragte nicht: weshalb? Seltsam! Ich habe Ka¨the nur lange in die Augen gesehen, und sie mir, und sie hat mich wieder und wieder geku¨ßt und ich …? Ja, ich tat es nicht. Es war nicht der Mut, der mir fehlte. Ich ha¨tte sicher ein Menschenkind damit soviel glu¨cklicher gemacht und wie gerne ha¨tte ichs getan! Aber die Pflicht! Ich darf Ka¨the nicht ta¨uschen, ich kanns auch nicht. Noch als Kapitlt. I. Kl. muß ich 20.000 M als Kaution haben und woher?? Es geht eben nicht in diesem Beruf und soll ich noch umsatteln? Bei einem andern Beruf wu¨rde ich nichts leisten! Und soll sie nun deshalb eine alte Jungfer werden? Nein!“40
Niemo¨ller hatte also den Augenblick verpasst, in dem er mit einem Heiratsantrag an Ka¨the Dilthey die Weichen fu¨r seine perso¨nliche Zukunft stellen konnte. Nur eine Woche spa¨ter zog er daraus die Konsequenzen. Er tat den fu¨r ihn „entscheidenden Schritt“ und schrieb Ka¨the einen „letzten Brief“. Sie ko¨nne nicht la¨nger warten, da war er gewiss, und er selbst ging „unter der Last dieser Verantwortung zugrunde“.41 Doch so einfach war es nicht. Denn die Antwort Ka¨thes fiel anders aus als erwartet. Sie versicherte Niemo¨ller ihre Liebe, und so kamen sie beide nicht voneinander los. Nach einem Jahr sah sich Niemo¨ller allerdings wieder in derselben Situation. Im Mai 1914 schrieb er einen neuerlichen ,letzten‘ Brief. Danach war er fu¨r mehrere Wochen zutiefst niedergeschlagen. Noch im Juli 1914 u¨berlegte Niemo¨ller, ob er nicht seine Haltung revidieren sollte. Zu diesem Zeitpunkt war die Beziehung zu Ka¨the Dilthey jedoch bereits beendet. Wann immer er in den folgenden Monaten u¨ber die Familie in Elberfeld oder direkt brieflich von ihr ho¨rte, tat es ihm in der Seele weh, wie er seinem Tagebuch anvertraute. Aber er hatte sich gegen eine Fortfu¨hrung der Beziehung ent¨ berlegung scho¨n, dass er schieden. Nun redete er sich seine Entscheidung mit der U Ka¨the durch das lange Warten auf die Hochzeit nur unglu¨cklich gemacht ha¨tte.42
40 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 14. 5. 1913: ZEKHN, 62/6063. 41 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 20. 5. 1913: ZEKHN, 62/6063. 42 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintra¨ge vom 20.5. und 29. 5. 1913, 10.5., 11.6., 2.7. und 17. 9. 1914, 12.7. und 19. 7. 1915: ZEKHN, 62/6063; vgl. Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 25.5. und 20. 12. 1913: ebd., 62/6065.
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Freundschaft und Kameradschaft im militärischen Männerbund
Mit der Trennung von Ka¨the Dilthey war Niemo¨ller zugleich wieder auf jene innere Vereinsamung zuru¨ckgeworfen, die er ganz bewusst der durch den Offiziersberuf drohenden Verrohung vorzog. Umso wichtiger war deshalb die Freundschaft mit Hermann Bremer, der der Crew 1911 angeho¨rte und den er wa¨hrend der Ausbildung in Kiel oder Mu¨rwik treffen konnte. In der gesamten Marinezeit Niemo¨llers war sein Schulfreund Hermann – den er Armin nannte – ein wichtiger emotionaler Bezugs- und Haltepunkt, und das, obwohl die la¨ngere ra¨umliche Trennung der beiden im ersten Jahr aus seiner Sicht zu einer gewissen Entfremdung gefu¨hrt hatte.43 Im November 1912 vertraute Niemo¨ller seinem Tagebuch an, welche enorme Bedeutung der perso¨nliche Umgang mit Bremer fu¨r ihn hatte und wie sehr ihm dieser auch ein Gegengewicht zur in der Marine drohenden Verrohung war: „Wenn ich Armin doch nicht immer nur auf wenige Stunden sa¨he! Er giebt mir so das Gefu¨hl der Ruhe, wenn ich mit ihm zusammen bin; ich glaube, das ist hauptsa¨chlich die Erinnerung an die alte, scho¨ne Zeit daheim, dies Gefu¨hl der Geborgenheit, daß man lauter liebe Leute um sich hatte, die man kannte und denen man ganz vertraute. Das Leben, die Wirklichkeit ist ganz etwas anderes als dieser glu¨ckliche Traumzustand der Schu¨lerjahre. Bis jetzt ist es fu¨r mich nur zersto¨rend und rauh.“44
In diesen Formulierungen wird die zarte und empfindsame Seite des gerade einmal 20ja¨hrigen Niemo¨ller deutlich, die nicht recht zur rauen Seite der Ma¨nnerwelt in der Marine passte. Doch die tiefsitzende Angst Niemo¨llers vor einer sittlichen Verrohung fu¨hrte keineswegs dazu, dass er sich allen unter den Offiziersanwa¨rtern u¨blichen ma¨nnerbu¨ndischen Ritualen verweigerte. Das war letztlich nicht mo¨glich und ha¨tte zudem seinem brieflichen Rat an Hermann Bremer widersprochen, mit dem von der Mehrheit ausgeu¨bten Druck konform zu gehen. Eines dieser Rituale bestand im gemeinsamen Trinken. Nun hatte Kaiser Wilhelm II. den Seeoffiziersanwa¨rtern bei der Einweihung der Marineschule in Mu¨rwik am 21. November 1910 eine klare Anweisung mitgegeben: „Der na¨chste Krieg und die na¨chste Seeschlacht fordern gesunde Nerven von Ihnen. Durch Nerven wird er entschieden. Diese werden durch Alkohol untergraben […]. Da heißt es: Klare Nerven und ku¨hlen Kopf, und diejenige Nation, die das geringste Quantum von Alkohol zu sich nimmt, die gewinnt, und das sollen Sie sein, meine Herren!“45 In der Offiziersmesse der Marineschule in Mu¨rwik hing diese Passage in Glas gerahmt an der Wand. Direkt darunter begingen Fa¨hnriche und Seeoffiziere regelma¨ßig feucht-fro¨hliche Feiern.46 43 44 45 46
Martin Niemo¨ller an seine Schwester Magdalene 18. 7. 1912: ZEKHN, 62/6065. Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 26. 11. 1912: ZEKHN, 62/6063. Zit. nach: Peters, Seeoffizieranwa¨rter, wie Anm. 8, 89. Herwig, Elitekorps, wie Anm. 4, 74.
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Je nach ihrer Einstellung zum Alkohol konnten die angehenden Seeoffiziere unterschiedliche Lebensentwu¨rfe entwickeln. Das wird am Beispiel von Heinz Kraschutzki deutlich, einem Crewkameraden Niemo¨llers. Nach dem Ende des ersten Ausbildungsjahres fasste er beim Eintritt in die Marineschule Mu¨rwik im April 1911 den Entschluss, fortan auf Alkohol und Nikotin ga¨nzlich zu verzichten. Damit schloss sich Kraschutzki ganz bewusst aus der Ma¨nnerkameradschaft der Offiziersanwa¨rter aus, die in regelma¨ßigen Trinkgelagen begossen wurde. Denn im gemeinsamen Trinken fand die milita¨rische Ma¨nnlichkeit der Marineoffiziere ihren wichtigsten Ausdruck. Mehr noch, Kraschutzki trat dem Verein abstinenter Offiziere der deutschen Marine bei, der das Ideal des Alkoholverzichts offen propagierte. Im Kriegsjahr 1915 traf er dann mit dem Korvettenkapita¨n Karl Hinckeldeyn zusammen, der als Vorsitzender des Vereins fungierte. Unter dessen Einfluss lernte Kraschutzki nicht nur weitere Ideen der Lebensreformbewegung kennen, er entwickelte sich auch zum Kriegsgegner und schließlich zum Pazifisten. Bereits mit der Alkoholabstinenz hatte er jene Au¨ bergang zum ßenseiterrolle im Seeoffizierkorps eingenommen, die er dann mit dem U 47 Pazifismus besiegelte. Doch dies war nicht der Weg, den Martin Niemo¨ller vor 1914 ging. Er nahm an den Alkoholexzessen und dem Glu¨cksspiel seiner Crewkameraden teil, tat es allerdings mit einem schlechten Gewissen. An einem Sonntag im August 1912 machte er einen Ausflug in das Umland der Marineschule Mu¨rwik. Diese Umgebung weckte zivilisa¨ berdruss an seiner gegenwa¨rtigen Lebensweise. tionskritische Gedanken und einen U „Ich habe heute wieder so viel Glu¨ck gesehen: trauliche Ha¨user, gepflegte Ga¨rten, wogende Felder, glu¨ckliche Eltern […]. Und unsereiner! Alkohol und alle mo¨glichen Genu¨sse, um die ¨ berkultur in Literatur, in der Kunst, im gesellschaftlichen Leben, keine Sinne zu beta¨uben, U Aussicht, mal einen Moment ganz glu¨cklich zu sein. Ich mo¨chte fast, ich ha¨tte in meines Ururgroßvaters Haut gesteckt!“48
Niemo¨ller war vo¨llig klar, dass die Ru¨ckkehr zur Lebensweise seines Ururgroßvaters Johann Heinrich Niemo¨ller (1788–1836), der als kleinba¨uerlicher Ko¨tter und Schankwirt seinen Lebensunterhalt verdient hatte, nicht mo¨glich war.49 Bei aller Unzufriedenheit u¨ber den Dienst in der kaiserlichen Marine, die sich bei ihm seit dem Jahr in der Marineschule aufbaute – aus Frustration u¨ber die mangelnde Gelegenheit zur Eheschließung, aus Vereinsamung und Angst vor moralischer Verlotterung –, stand ihm die Alternativlosigkeit des einmal eingeschlagenen Lebensweges deutlich vor Augen. In seinen Tagebucheintra¨gen kam er mehrfach auf diese Einsicht zu sprechen, 47 Vgl. Helmut Donat, Kapita¨nleutnant a.D. Heinz Kraschutzki (1891–1982). Ein Offizier im Kampf fu¨r ein „anderes“ Deutschland, in: Wolfram Wette unter Mitwirkung von Helmut Donat (Hg.), Pazifistische Offiziere in Deutschland 1871–1933, Bremen 1999, 338–362, 343–347. 48 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 4. 8. 1912: ZEKHN, 62/6063. 49 Vgl. Wolfgang Caesar, Vom armen Heuerling bis zum Superintendenten – die Vorfahren des Theologen Martin Niemo¨ller, in: Genealogie, 64 (2015), 612–631, 615.
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so etwa im September 1912, also noch wa¨hrend des Jahres an der Marineschule in Mu¨rwik: „Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, daß man nicht zur Kaiserlichen Marine gehen soll ohne sich daru¨ber klar geworden zu sein, daß man damit seine ganze perso¨nliche Freiheit aufgibt und jeden Augenblick beiseite gestoßen werden kann. Aber nun sind 6 Semester vorbei und fu¨r einen Menschen, der wie ich weder andere Interessen noch aber Geld hat, heißt es: Aushalten da, wo man einmal steht!“50
Das hier deutlich werdende Pflichtbewusstsein Niemo¨llers erkla¨rt auch, warum er trotz der sta¨ndigen Klagen u¨ber seine dienstliche Umgebung und private Probleme die Ausbildungsschritte hin zum Seeoffizier stets auf den vorderen Pla¨tzen der Rangliste der Crew 1910 absolvierte. Am Ende des Schuljahres stand im Ma¨rz 1912 die SeeoffizierHauptpru¨fung auf dem Programm, ein schriftliches Examen in mehreren Fa¨chern. Von den Fa¨hnrichen der Crew 1910 hatte Niemo¨ller mit 117 Punkten das beste Ergebnis und erhielt das Gesamturteil „vorzu¨glich“. So rangierte er bei der Festlegung des Dienstalters fu¨r die Rangliste des Jahres 1913 auf dem ersten Platz, vor Otto Ciliax (1891–1964), dem spa¨teren Admiral der Kriegsmarine des „Dritten Reiches“, der als einziger weiterer Fa¨hnrich der Crew 1910 mit seinen 109 Punkten ebenfalls als „vorzu¨glich“ beurteilt wurde.51 Im Herbst 1912 kam Niemo¨ller mit acht anderen Fa¨hnrichen auf die in Wilhelmshaven stationierte SMS Thu¨ringen. Das 1911 in Dienst gestellte Schiff mit u¨ber 1.000 Mann Besatzung geho¨rte zu den Schlachtschiffen der Helgoland-Klasse. Nach den bestandenen Spezialkursen war Niemo¨ller nun ein Sa¨belfa¨hnrich, der einen Offizierssa¨bel tragen durfte. An Bord wurden die Fa¨hnriche jeweils einem Wachoffizier zur weiteren Ausbildung zugeteilt. Niemo¨ller qualifizierte sich als Torpedooffizier und hatte so bereits im Dezember 1912 die Aussicht, nach der im Herbst 1913 anstehenden Offizierswahl als zweiter Torpedooffizier auf der SMS Thu¨ringen zu dienen.52 Mit dem Dienst auf der SMS Thu¨ringen geriet seine Ausbildung zum Marineoffizier in ruhigeres Fahrwasser. Da er nur mit wenigen Crewkameraden auf dem Schiff Dienst tat, war der Gruppendruck weitaus geringer als zuvor in der Marineschule und bei den Speziallehrga¨ngen im Fru¨hjahr und Sommer 1912. Niemo¨ller notierte die „Erholung“, die sich daraus fu¨r die Gespra¨che unter den Fa¨hnrichen in der Offiziersmesse ergab. Da es
50 Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 1. 9. 1912: ZEKHN, 62/6063. Eine Abku¨rzung im Original wurde aufgelo¨st. Vgl. den Tagebucheintrag vom 28. 1. 1913: ebd. 51 Inspektion des Bildungswesens der Marine, Vorschlagsliste, 24. 10. 1912: Bundesarchiv Freiburg i.Br. (im Folgenden: BArch), RM 2/525, Bl. 12; vgl. Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine fu¨r das Jahr 1913, Berlin 1913, 168; Scheerer, Marineoffiziere, wie Anm. 4, 92. 52 Vgl. Scheerer, Marineoffiziere, wie Anm. 4, 119–123; Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 11. 12. 1912: ZEKHN, 62/6065; Martin Niemo¨ller, Tagebucheintrag vom 3. 9. 1912: ZEKHN, 62/ 6063.
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nur eine kleine Gruppe war, „kann man denn auch mal Themata anschneiden, die u¨ber Amu¨sement, Fachsimpelei und Rangliste hinausgehen“.53 War schon die Zahl der Kameraden gering – im Juni 1913 bezifferte Niemo¨ller sie auf fu¨nf –, so hatte er an Bord der SMS Thu¨ringen eigentlich nur einen einzigen Freund: Hans Jochen Emsmann. Wie Niemo¨ller 1892 geboren, war er mit diesem als Seekadett der Crew 1910 in die Marine eingetreten und hatte ebenfalls auf der SMS Hertha gedient. Beide wurden dann zur SMS Thu¨ringen versetzt, und es scheint, als ob Niemo¨ller erst dort eine enge Freundschaft mit Emsmann begann, der in seinen Briefen und Notizen aus der Zeit vor dem Herbst 1912 keine Erwa¨hnung findet.54 Nun lehnte er sich eng an seinen neuen Freund an. Das schloss gelegentliche Reibereien nicht aus, die Niemo¨ller dann in seinem Logbuch notierte. Welche zentrale Rolle Emsmann fu¨r sein seelisches Gleichgewicht bekam, wurde im Sommer 1915 deutlich. Zuna¨chst trank Emsmann im Juni bei einer Feier auf seiner Bude mit einem Fa¨hnrich namens Alfred Eckoldt von der Crew 1912 „Bruderschaft“. Niemo¨ller empfand dies als zutiefst kra¨nkende Zuru¨cksetzung.55 Anfang Juli ging Emsmann dann auf einen zehnta¨gigen Urlaub, ohne ihm dies vorher mitzuteilen. Mithilfe seines Logbuchs versuchte Niemo¨ller, sich u¨ber seine Emotionen Klarheit zu verschaffen. Aber das Ergebnis war ebenso ambivalent wie zutiefst beunruhigend: „Es ist ein Elend um dies Leben. Weshalb gibt es keine Klarheit? Fu¨r mich gelten immer nur die Gefu¨hle des Herzens in allem. Und das darf nicht sein: Ich habe zu viel weibliche Anlagen mitbekommen. Hol sie der Teufel! Muß eigentlich alles so schal sein wie in meinem Dasein? Und weshalb? Genug, mit Gewißheit weiß ich nur das eine: daß mir der Freund fehlt und unersetzlich ist, Hans Jochen!“56
Mit dem Eintrag am folgenden Tag ging Niemo¨ller den Ursachen seiner Empfindsamkeit noch tiefer auf den Grund: „Es kommt mir immer mehr zum Bewußtsein, daß ich tatsa¨chlich an Heimweh kranke. Es ist genau so wie in fru¨heren Zeiten: dies Gefu¨hl der ga¨nzlichen Haltlosigkeit gegenu¨ber der rauhen Wirklichkeit dieses Daseins. Ich mo¨chte mich wie ein Kind in die Arme der Mutter verkriechen und mich ausweinen um alles das, was ich zerbrochen habe. Jetzt keine Spielzeuge mehr, sondern die Gu¨ter meines Daseins. […] Aber das Weichwerden hilft noch weniger: ich bin auf einer Bahn und nun wird weiter gegangen ohne Um- und Ausblicke. Dein Scho¨pfer in der Ho¨he, der weiß zu allen Dingen Rat.“57
53 Martin Niemo¨ller an Hermann Bremer 15. 1. 1913: ZEKHN, 62/6065. 54 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragung vom 11. 6. 1913: ZEKHN, 62/6063. Vgl. Rangliste 1913, wie Anm. 51, 171; Auszu¨ge aus den Qualifikationsberichten der Leutnants zur See zum 1. 12. 1915: BArch, RM 2, 840, Bl. 13. 55 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragung vom 18. 6. 1915: ZEKHN, 62/6063. 56 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragungen vom 1.7. und 3. 7. 1915 (Zitat): ZEKHN, 62/6063. 57 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragung vom 4. 7. 1915: ZEKHN, 62/6063.
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Niemo¨ller versuchte, sich mit abendlichem Klavierspiel u¨ber die Abwesenheit seines Freundes hinwegzutro¨sten, aber das half nur bedingt. Erst als Emsmann aus dem Urlaub nach Wilhelmshaven zuru¨ckkehrte, ging es ihm wieder besser. Dennoch fu¨hlte er sich im „Abseits!“, insbesondere als er Andeutungen von Emsmann entnehmen musste, dass dieser im Urlaub seiner Verlobung na¨hergekommen war.58 Nach den immer noch schmerzenden Erfahrungen der aufgelo¨sten Beziehung zu Ka¨the Dilthey tat diese Nachricht besonders weh. Einige Tage nach Emsmanns Ru¨ckkehr war Niemo¨ller auf dem absoluten Tiefpunkt seiner Laufbahn als Marineoffizier angelangt. Das hatte vor allem mit perso¨nlichen Problemen zu tun, in deren Zentrum eine tiefe Unsicherheit u¨ber seine ma¨nnliche Identita¨t stand. Hinzu kam die alle Offiziere der Hochseeflotte betreffende Schwierigkeit, dass die Schiffe aufgrund der strategischen ¨ berlegenheit der Royal Navy seit Kriegsbeginn unta¨tig in den Ha¨fen vor Anker lagen U und sie sich deshalb nicht im Kampf bewa¨hren konnten. Dieses „lange Warten“ setzte alle Marineoffizieren zu.59 Zu diesem Zeitpunkt scheint Niemo¨ller ernster als jemals zuvor erwogen zu haben, den Dienst bei der kaiserlichen Marine zu quittieren. Aber noch immer gab es retardierende Momente, die ihn von diesem Schritt zuru¨ckhielten: „Und doch: die geheime Hoffnung, doch noch fu¨r etwas gut zu sein, dem Vaterland helfen zu ko¨nnen; und das Mitleid, ach Gott ja das verfluchte Mitleid mit den Eltern – das ha¨lt mich vor den letzten Konsequenzen zuru¨ck.“60 Ein Ausweg aus dieser Situation ergab sich erst, als Niemo¨ller am 30. November 1915 den Dienst bei der SMS Thu¨ringen verließ und zu der im Ausbau befindlichen UBoot-Flotte wechselte. Hier fand er jene Bewa¨hrung fu¨r die deutsche Nation, die ihm bei der Hochseeflotte versagt geblieben war. Hans Jochen Emsmann machte diesen Schritt ebenfalls. Nach der Ru¨ckkehr nach Kiel im spa¨ten November 1918 erfuhr Niemo¨ller, dass Emsmann als Kommandant von UB 116 am 28. Oktober 1918 bei Scapa Flow auf eine britische Minensperre bei den Shetland Inseln aufgelaufen war. Das Boot sank sofort. Sein Jugendfreund Hermann Bremer war einige Wochen zuvor ebenfalls mit seinem U-Boot versenkt worden. „Es ist“, so schrieb Niemo¨ller seinen Eltern, „arg einsam um mich geworden“.61 Wenige Monate spa¨ter quittierte er den Dienst als Marineoffizier.
58 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragungen vom 9.7., 10.7. und 12. 7. 1915 (Zitat): ZEKHN, 62/ 6063. 59 Vgl. Wolz, Das lange Warten, wie Anm. 4. 60 Logbuch Martin Niemo¨ller, Eintragung vom 19. 7. 1915: ZEKHN, 62/6063. 61 Martin Niemo¨ller an seine Eltern 3. 12. 1918: ZEKHN 62/6067; vgl. Eintrag zu Hans-Joachim Emsmann unter: www.ubootarchiv.de/ubootwiki/index.php/Hans-Joachim_Emsmann, Zugriff: 22. 4. 2018.
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Die Diskrepanz zwischen männlichem Rollenbild und individuellem Selbstbild
Fu¨r die Heeresoffiziere im wilhelminischen Kaiserreich hat Marcus Funck einen dramatischen Wandel der Ideale milita¨rischer Ma¨nnlichkeit beschrieben. Eine von den Adeligen im Korps vertretene Form der Ma¨nnlichkeit, in der gesellige Umgangsformen und Praktiken wie das Tanzen von gleicher Wertigkeit waren wie der Dienst an der Waffe, sei nach der Jahrhundertwende als „verweichlicht“ und „weibisch“ stigmatisiert und im Zuge der Verbu¨rgerlichung des Korps marginalisiert worden. Stattdessen dra¨ngten zwei andere Modelle nach vorne: das von den radikalnationalistischen Verba¨nden propagierte Rollenbild des „erhitzten Kriegertums“, in dem alles als unma¨nnlich Erscheinende unterdru¨ckt werden sollte, und ein vor allem den Generalstabsoffizieren zugeschriebenes Modell der „ku¨hlen Professionalita¨t“.62 Diese Typologie basiert vor allem auf den in Milita¨rzeitschriften und der Ratgeberliteratur ausgehandelten o¨ffentlichen Debatten um die diskursive Pra¨gung milita¨rischer Ma¨nnlichkeit. Wie am Beispiel von Martin Niemo¨ller zu sehen ist, verkompliziert sich dieses Bild ganz erheblich durch die systematische Heranziehung von Selbstzeugnissen, in denen private Selbstentwu¨rfe, A¨ngste und Erwartungen deutlich werden. Das liegt nur zu einem kleinen Teil an der gravierenden strukturellen Differenz, die sich aus dem sehr viel gro¨ßeren Anteil junger Ma¨nner (bildungs-)bu¨rgerlicher Herkunft im Seeoffizierskorps nach 1900 ergab. Niemo¨ller war die gravierende statusma¨ßige Differenz zwischen den Seekadetten adeliger und bu¨rgerlicher Herkunft in der Crew 1910 sehr wohl bewusst, und er beurteilte die sich daraus ergebende Tendenz zur Cliquenbildung negativ. Dies hinderte ihn jedoch weder am geselligen sozialen Umgang mit adeligen Crewmitgliedern noch daran, seine Ausbildung mit einer professionellen Umsicht und Ernsthaftigkeit zu verfolgen, die ihn bereits nach einem Jahr in die Spitzengruppe der Rangliste der Crew 1910 katapultierte. Die enormen Probleme, welche die Einu¨bung in die milita¨rische Ma¨nnlichkeit fu¨r Niemo¨ller mit sich brachte, waren vor allem in den Regularien des Ehekonsenses begru¨ndet. Dies ist ein Faktor, der in der bisherigen Literatur zum Offizierkorps vernachla¨ssigt worden ist.63 Alle Offiziere standen vor dem Problem, Eheschließung und Familiengru¨ndung zuna¨chst einmal aufschieben zu mu¨ssen. Aber anders als die Mehrheit seiner Crewmitglieder war der Pfarrerssohn Niemo¨ller nicht bereit, in der Zwischenzeit in den rauen Formen milita¨rischer Ma¨nnerkameradschaft und den darauf abgestimmten Mustern des Umgangs mit Frauen Zuflucht zu suchen. Stattdessen suchte und betonte er die intimen, femininen Seiten der milita¨rischen Kameradschaft im vertraulichen Umgang mit engen Freunden wie Hans Jochen Emsmann. Aber auch diese sozialen und kulturellen Praktiken der Ma¨nnlichkeit ließen ein Gefu¨hl der Leere 62 Funck, Bereit zum Krieg, wie Anm. 3, 85f. 63 Dies gilt auch fu¨r Funck, Bereit zum Krieg, wie Anm. 3.
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zuru¨ck, vor allem nachdem 1914 der Weltkrieg begonnen hatte. Denn eine Bewa¨hrung milita¨rischer Ma¨nnlichkeit im Einsatz und Gefecht blieb Niemo¨ller wie allen anderen Seeoffizieren versagt, solange er auf einem Schiff der Hochseeflotte Dienst tat.64 Erst der Wechsel zur U-Boot-Flotte Ende 1915 ermo¨glichte es ihm, jenes Heldennarrativ ¨ bergang „Vom U-Boot zur des Einsatzes fu¨r die deutsche Nation auch nach dem U ¨ ffentlichkeit Kanzel“ zu entwickeln, das er dann 1934 in Buchform einer breiteren O 65 pra¨sentierte. Insgesamt legen es diese Befunde nahe, noch sehr viel sta¨rker die Gebrochenheit und Ambivalenz milita¨rischer Ma¨nnlichkeit bei wilhelminischen Offizieren zu betonen, als dies bisher in der Forschung geschehen ist. Dabei ist auch fu¨r die Marineoffiziere die ¨ berforderung der Offiziere als ma¨nnliche Rollentra¨ger“ These zutreffend, dass eine „U zu beobachten ist.66 Selbst- und Fremdbilder, Rollenerwartungen und Rollenerfahrungen der Marineoffiziere klafften sehr viel weiter auseinander, als dies fu¨r zeitgeno¨ssische Beobachterinnen und Beobachter erkennbar war. Fu¨r die geschlechtergeschichtliche Forschung zum wilhelminischen Milita¨r heißt dies, dass sie noch viel sta¨rker als bisher auf eine systematische Auswertung von perso¨nlichen Selbstzeugnissen wie Tagebu¨cher und Briefe zuru¨ckgreifen muss. Forschungen zur Geschichte der Ma¨nnlichkeit, die vorwiegend auf der Grundlage von normativen Quellen gearbeitet ¨ ffentlichkeit hergerichteten Fassade verhafsind, bleiben dagegen einer nur fu¨r die O 67 tet. Die tiefgreifende Ambivalenz und Gebrochenheit milita¨rischer Ma¨nnlichkeit vor 1914 wird so verfehlt.
64 Diese geschlechtergeschichtliche Dimension des „langen Wartens“ hat Wolz, Das lange Warten, wie Anm. 4, leider nicht beru¨cksichtigt. 65 Martin Niemo¨ller, Vom U-Boot zur Kanzel, Berlin 1934. 66 Funck, Bereit zum Krieg, wie Anm. 3, 86. 67 Diese Kritik gilt etwa fu¨r George L. Mosse, Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Ma¨nnlichkeit, Frankfurt a. M. 1996.
Gedenken an den Kriegswiderstand 1914/18 in Großbritannien: Eine geschlechtergeschichtliche Bilanz
Die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ist in Großbritannien von enormer Bedeutung.1 2014 nahm daher die britische Regierung das Gedenken an dieses historische ,Schlu¨sselereignis‘ zum Anlass, die Bevo¨lkerung durch das Hervorheben sogenannter britischer Werte auf eine einheitliche Erinnerungspolitik einzuschwo¨ren.2 Folglich begann das Jahr mit dem plumpen Versuch des damaligen Bildungsministers Michael Gove, die historische Debatte zu steuern und einen falschen Konsens u¨ber die Deutung des Krieges vorzuta¨uschen. Er publizierte am 2. Januar 2014 einen Artikel in der nationalistisch gepra¨gten Tageszeitung „The Daily Mail“, der anku¨ndigte, den Heldenmut und den Opfergeist der britischen Soldaten ins Zentrum der Gedenkjahre zu stellen. Kritische Stimmen sollten zum Schweigen gebracht werden, den „television sitcoms and left-wing academics“ warf Grove vor, das eigene Land und ihre ,wahren Helden‘ schlechtzumachen.3 Auf diesen Angriff hin formulierten HistorikerInnen rasch eine Entgegnung: Die Geschichte sei nicht dazu da, die ,richtige Antwort‘ zu liefern, sondern sei immer eine Frage der Interpretation des vorhandenen Quellenmaterials.4 Die ganze Angelegenheit verdeutlicht die ideologische Natur der o¨ffentlichen Gedenkfeierlichkeiten und zeigt, wie diese manipuliert werden ko¨nnen, um bestimmte Kriegsdeutungen zu stu¨tzen. Das Hundertjahrgedenken wird von vielen HistorikerInnen und Interessengruppen als Chance angesehen, das Versta¨ndnis des Ersten Weltkrieges zu erweitern und auch in Hinblick auf zuku¨nftige Deutungen bisher eher periphere Aspekte ins Zentrum der 1 Vgl. Ingrid Sharp, How do Germany and Britain remember the First World War, and can the differences explain Brexit?, in: Beyond the Trenches, 28. 10. 2016, unter: http://beyondthetrenches. co.uk/how-do-germany-and-britain-remember-the-first-world-war-and-can-the-differences-explain -brexit/, Zugriff: 12. 3. 2018. 2 Vgl. www.gov.uk/government/news/government-announces-scheme-to-commemorate-ww1, Zugriff: 10. 3. 2018. 3 Bildungsminister Michael Gove, Why does the Left insist on belittling true British heroes?, in: Daily Mail, 2. 1. 2014, unter: www.dailymail.co.uk/news/article-2532923/Michael-Gove-blasts-Blackad der-myths-First-World-War-spread-television-sit-coms-left-wing-academics.html, Zugriff: 12. 3. 2018. 4 Vgl. z. B. Heather Jones, Goodbye to all that? Memory and meaning in the commemoration of the First World War, in: Juncture, 20, 4 (2014), 287–291, 287.
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Ingrid Sharp
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¨ ffentlichkeit kaum wahrDebatte zu ru¨cken. Drei bisher vernachla¨ssigte, von der O genommene Themen haben in den letzten Jahren innerhalb der Forschung an Wichtigkeit gewonnen: erstens der Krieg als globales Ereignis unter Mitwirkung von Truppen aus den Kolonien und dem Commonwealth; zweitens die geschlechtergeschichtliche Perspektive, die sich bisher – tendenziell etwas undifferenziert – auf die Kriegserfahrungen von bestimmten Frauengruppen (zum Beispiel Krankenschwestern) beschra¨nkt hat; und drittens der Widerstand gegen den Krieg. Wa¨hrend der Gedenkjahre konnten tatsa¨chlich neue Aspekte in die Geschichtsdarstellungen eingebracht werden, sogar in Hinblick auf einen noch immer bestehenden britischen Widerwillen, sich mit der Welt außerhalb der eigenen Grenzen zu befassen. Diese neuen thematischen Dimensionen haben jedoch wenig dazu beigetragen, geschlechterstereotype Vorstellungen u¨ber die Kriegserfahrung und ihre Bedeutung in Frage zu stellen. Vor diesem Hintergrund werde ich im vorliegenden Beitrag darlegen, inwieweit die Rolle der KriegsgegnerInnen in der Gedenkpraxis zwischen 2014 und 2018 beru¨cksichtigt wurde und in welchem Ausmaß dies ga¨ngige Geschlechternormen in Frage gestellt oder versta¨rkt hat. Im britischen Kontext ist es wichtig, die „Impact Agenda“ zu verstehen, unter der die universita¨re Forschung eine direkte Auswirkung auf Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft vorzuweisen hat. Deren Nachweis wird mit Fo¨rdermitteln fu¨r Hochschulen und beruflichem Erfolg fu¨r einzelne ForscherInnen belohnt. „Impact“ ist also eine starke Motivation fu¨r WissenschaftlerInnen, ihre Forschungsergebnisse und ihr Wissen in ¨ ffentlichkeit einzubringen, statt sich ausschließlich auf Fachtagungen eine breitere O und wissenschaftliche Vero¨ffentlichungen zu beschra¨nken.5 Dies zeigt sich auch in der Art der staatlich finanzierten Projekte wa¨hrend der Hundertjahrfeierlichkeiten, die sich auf fu¨nf sogenannte World War One Engagement Centres konzentrierten und durch den Arts and Humanities Research Council (AHRC) sowie den Heritage Lottery Fund (HLF) co-finanziert wurden.6 Deren Aufgabe ist die enge Zusammenarbeit zwischen WissenschaftlerInnen und VertreterInnen der lokalen oder sta¨dtischen Kommunen, um gemeinsame, meist publikumswirksame Aktivita¨ten durchzufu¨hren – rein wissenschaftliche Projekte wurden nicht finanziert. Die fu¨nf Zentren koordinieren die Aktivita¨ten mehrerer Universita¨ten unter verschiedenen Schwerpunkten: Zum Beispiel hat das Projekt „Voices of War and Peace“ den eher als ,weiblich‘ angesehenen Bereich „Geschlecht und Heimatfront“ als Forschungsschwerpunkt, wa¨hrend „Gateways to the First World War“ einem besonderen Interesse an der u¨berwiegend ma¨nnlichen Erfahrung der Kriegsdienstverweigerer und Milita¨rgerichte nachgeht. Die fu¨nf Engage5 Vgl. www.rcuk.ac.uk/innovation/impacts/, Zugriff: 12. 3. 2018. 6 Na¨mlich „Voices of War and Peace“, University of Birmingham; „Gateways to the First World War“, University of Kent; „Everyday Lives in War“, University of Hertfordshire; „Living Legacies 1914–18“, Queen’s University Belfast; „The Centre for Hidden Histories“, University of Nottingham. Vgl. www.ahrc.ac.uk/research/fundedthemesandprogrammes/worldwaroneanditslegacy/world waroneengagementcentres/, Zugriff: 12. 3. 2018.
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ment Centres haben bislang eine große Anzahl und Vielfalt von Gedenkveranstaltungen koordiniert und finanziert, wobei in einem beispiellosen Ausmaß zahlreiche WissenschaftlerInnen mit außeruniversita¨ren Partnern zusammengefu¨hrt wurden. Neben den Forschungszentren und den vom HLF gefo¨rderten Projekten – darunter mehr als 400 mit frauen- und geschlechtergeschichtlicher Relevanz7 – sind die wichtigsten Meinungsbildner und Wissensvermittler das o¨ffentlich-rechtliche Fernsehen BBC und das Imperial War Museum (IWM). Doch auch Aktivistengruppen tragen wesentlich zur weiteren Profilierung der Widerstandsgeschichte bei und u¨ben fortlaufende Kritik an kriegsverherrlichenden Tendenzen der o¨ffentlichen Gedenkpraxis. Wa¨hrend der Gedenkjahre 2014–18 hat die BBC den Kriegsjahren u¨ber 2.500 Stunden Sendezeit gewidmet, inklusive Spielfilme, Ho¨rspiele sowie Online-Material auf der BBC-Website.8 Obwohl einige wenige AkademikerInnen wie die Althistorikerin Mary Beard oder die Anthropologin Alice Roberts vor der Kamera Erfolg haben, hat die BBC eine Vorliebe fu¨r Prominente als ModeratorInnen, wa¨hrend WissenschaftlerInnen eher beratend im Hintergrund oder als InterviewpartnerInnen mitwirken. Popula¨rgeschichtliche Abhandlungen zu den britischen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg wie jene der TV-JournalistInnen Kate Adie oder Jeremy Paxman sind Bestseller geworden.9 Eine Ausnahme bildeten das Buch (2014) und die Fernsehserie (2015) „The World’s War“ des Historikers und Autors David Olusoga, dessen Darstellung der globalen Auswirkungen des Krieges auf eigener wissenschaftlicher Forschung basierte.10 2014 produzierte die BBC außerdem in Zusammenarbeit mit britischen Hochschulen vier Online-Kurse.11 Der Kurs „Changing Faces of Heroism“ untersuchte dabei kritisch den Begriff des Heldentums sowohl in Frankreich und Deutschland als auch in Großbritannien und pra¨sentierte ebenso Kriegsdienstverweigerer, KriegsgegnerInnen und Frauen als Heldenfiguren. Im Ho¨rspiel „Home Front“ (BBC Radio 4, 2014–2018) werden Kriegsdienstverweigerer eher positiv dargestellt, obwohl es innerhalb des Ho¨rspiels auch Beispiele von Feigheit oder Dru¨ckebergerei gibt und der Handlungsstrang des Widerstandes gegen den Krieg insgesamt weniger wichtig scheint als andere Themen wie etwa die Arbeitsbedingungen von Frauen in der Ru¨stungsindustrie.12
7 Fu¨r HLF-gefo¨rderte Projekte vgl. www.hlf.org.uk/our-projects, Zugriff: 12. 3. 2018. 8 „The BBC announces its four-year World War One Centenary season“, vgl. www.bbc.co.uk/mediac entre/latestnews/2013/world-war-one-centenary.html, Zugriff: 12. 5. 2018. 9 Vgl. Kate Adie, Fighting on the Home Front: The Legacy of Women in World War One, London 2014; Jeremy Paxman, Great Britain’s Great War, London 2013. 10 Vgl. David Olusoga, The World’s War. Forgotten Soldiers of Empire (Mini-TV-Serie 2014, BBC Two); ders., The World’s War, London 2015. 11 Vgl. „BBC teams up with British universities for online learning pilot“, unter: www.bbc.co.uk/me diacentre/mediapacks/mooc/university-of-leeds, Zugriff: 12. 3. 2018. 12 Vgl. BBC Radio 4, „Home Front“, unter: www.bbc.co.uk/programmes/b047qhc2, Zugriff: 12. 3. 2018.
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1.
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Das Imperial War Museum und die Friedensgeschichte
Im Jahr 1917 gegru¨ndet, um Geschichten aus dem ,Großen Krieg‘ zu erza¨hlen und die Erinnerungen daran zu bewahren, gedachte das IWM im Centenary auch seiner eigenen Geschichte mit einer Renovierung und einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm. Im Juli 2014 wurden die neu gestalteten Ra¨umlichkeiten zum Ersten Weltkrieg wieder ero¨ffnet, wa¨hrend sich die IWM-Außenstelle in Trafford (IWM North) im Fru¨hjahr 2014 mit der Ausstellung „From Street to Trench: A World War that Shaped A Region“ auf die regionalen Auswirkungen des Krieges konzentrierte. Trotz seines milita¨rischen Namens ist das IWM seit langem an moralischen Fragen zu Krieg und Frieden interessiert und setzte sich wa¨hrend der 1914/18-Gedenkjahre fu¨r eine Erweiterung des gesellschaftlichen Versta¨ndnisses der Geschichte des Krieges ein. Seit 2001 ha¨lt dort am Remembrance Day die Bewegung fu¨r die Abschaffung des Krieges (Movement for the Abolition of War, MAW) einen Vortrag, und seit 2007 findet am IWM ja¨hrlich eine internationale Friedenskonferenz statt. 2017 lief von Ma¨rz bis August die große Sonderausstellung „People Power: Fighting for Peace“13, die sich mit der Geschichte der Antikriegsbewegung von 1914 bis zum heutigen Tag bescha¨ftigte, wobei auch der Internationale Frauenkongresses in Den Haag (April 2015) sowie die Geschichte der Kriegsdienstverweigerer pra¨sentiert wurden. Das IWM stellt auch das „Pearce Register of British WWI Conscientious Objectors“ auf seiner Website bereit, um den neuesten Wissensstand u¨ber die Verteilung und Motivationen der 17.000 bislang identifizierten Kriegsdienstverweigerer zuga¨nglich zu machen.
2.
Aktivistengruppen und Friedensnetzwerke
Aktuelle Antikriegsaktivistengruppen wie die Campaign for Nuclear Disarmament (CND), Veterans for Peace, No Glory in War, die Peace Pledge Union (PPU), MAW und die religio¨se Gruppe der Qua¨ker lehnen die Verherrlichung des Krieges durch Milita¨rparaden und die in der britischen Kriegserinnerung allgegenwa¨rtigen Mohnblumen14 ab. Stattdessen bieten sie eine alternative Erza¨hlung u¨ber das Wesen des Krieges und die Geschichte jener Menschen, die dagegen waren.15 So pra¨sentieren die Qua¨ker beispielsweise im Publikationsprojekt „The White Feather Diaries“ Ge13 Vgl. Lyn Smith, People Power: Fighting for Peace from the First World War to the Present, London 2017. 14 Die rote Mohnblume (Poppy) ist ein weit verbreitetes Erinnerungszeichen in Großbritannien. Jedes Jahr werden Millionen von der British Legion verkauft und o¨ffentlich getragen. Das Symbol wird von Gegnern wie der PPU stark kritisiert und der Zwang, eine Poppy zu tragen, wird als Zeichen von Nationalismus und Kriegsverherrlichung interpretiert. Als Alternative wird eine weiße Variante angeboten. 15 Vgl. z. B. „No Glory in War 1914–1918“, unter: www.noglory.org/.
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schichten von Kriegsdienstverweigerern, und die PPU erstellte zum gleichen Thema Bildungsmaterialien fu¨r den Schulgebrauch.16 Ferner gibt es die Kampagne fu¨r die Rehabilitierung der sozialistischen Antikriegsaktivistin und Feministin Alice Wheeldon: Sie war im Ma¨rz 1917 wegen Verschwo¨rung zum Mord am liberalen Premierminister, David Lloyd George, und dem Vorsitzenden der Labour Party, Arthur Henderson, zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die Kampagne hat klare Beweise dafu¨r gesammelt, dass es sich um ein Fehlurteil handelt, das aufgehoben werden muss.17 Eine Auswirkung der „Impact Agenda“ ist, wie schon erwa¨hnt, die enge Zusammenarbeit zwischen WissenschaftlerInnen und verschiedenen anderen gesellschaftlichen Gruppierungen, einschließlich mancher Nachkommen von Anti-Kriegs-AktivistInnen.18 Gleich zu Beginn der Gedenkjahre wurde eine Arbeitsgruppe gegru¨ndet, die aus Friedens- und LokalhistorikerInnen und FriedensaktivistInnen wie dem ehemaligen CND-Vorsitzenden Bruce Kent und dem leitenden Friedensforscher Cyril Pearce besteht. Sie sollte Veranstaltungen planen, koordinieren und erfassen, die den Widerstand gegen den Krieg ins Zentrum stellen. 2016 wurde zum Jahr des Gewissens erkla¨rt, um an die Einfu¨hrung der Wehrpflicht in Großbritannien im Januar 1916 zu erinnern; mehrere Konferenzen, die ein wissenschaftliches Publikum sowie die breite ¨ ffentlichkeit erreichen wollten, fanden ebenfalls in diesem Jahr statt. Auf den TaO gungen „Resistance to War“ (Leeds) im Ma¨rz 2016 und „Two Centuries of Peacemaking“ (Newcastle) im Juni 2016 kamen verschiedene lokale Gruppen und AktivistInnen, wie zum Beispiel die Qua¨ker und CND, mit WissenschaftlerInnen auf o¨ffentlichen ,Friedensmessen‘ zusammen. Und im Jahr 2018 arbeitete das Peace Museum in Bradford mit der University of Leeds zusammen, um die Ausstellung „Ending War, Imagining Peace: Germany 1918“ mit Fokus auf die Rolle der Frauen in der Novemberrevolution in Deutschland zu erarbeiten.19 In Vorbereitung ist außerdem ein großes Friedensfest in Bristol im April 2019, mit dem die Befreiung der Kriegsdienstverweigerer aus britischen Gefa¨ngnissen im Jahr 1919 gefeiert werden soll.20
16 Vgl. www.ppu.org.uk/coproject/coprojectindex.html, Zugriff: 12. 3. 2018. 17 Vgl. Lois Bibbings, Righting the Injustices of the Past: The Case of Alice Wheeldon, unter: https://le galresearch.blogs.bris.ac.uk/2017/03/righting-the-injustices-of-the-past-the-case-of-alice-wheeldon/ und die Kampagnenwebsite www.alicewheeldon.org/, Zugriff: 12. 3. 2018. 18 Die Alice-Wheeldon-Kampagne wird von ihren Urenkelinnen Chloe und Deidre Mason geleitet; am 15. Mai 2014, dem internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer, lasen auf der ja¨hrlichen Gedenkfeier in Tavistock Square, London, 150 Nachkommen von u¨ber 70 Kriegsdienstverweigerern und KriegsgegnerInnen deren Namen vor und legten Blumen nieder. 19 Vgl. http://peacemuseum.org.uk/ending-war-imagining-peace-germany-1918/, Zugriff: 12. 3. 2018. 20 Festival „Commemoration, Conflict and Conscience“, 27.–28. April 2019, Bristol, vgl. https://engb.facebook.com/FWWCCC2019/, Zugriff: 12. 3. 2018.
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Vergeschlechtlichtes Gedenken an den Kriegswiderstand
Bei genauerer Betrachtung wird rasch deutlich, dass diese Erinnerungsprojekte an den Widerstand gegen den Krieg in Bezug auf das ihnen eingeschriebene Geschlecht a¨hnlich funktionieren wie andere Gedenkveranstaltungen. Zwar werden darin viele Frauen durchaus beru¨cksichtigt; die Art und Weise, wie dies geschieht, versta¨rkt jedoch eher Geschlechterstereotype, als dass sie diese untergra¨bt. Dargestellt werden einerseits als Schmerz lindernde, einfu¨hlsame Figuren vor allem Frauen als Krankenschwestern und Freiwillige im karitativen Kriegsdienst sowie trauernde Witwen und Mu¨tter in ebenso vertrauten Rollen. Andererseits wird auf den zeitgeno¨ssischen Gleichstellungsdiskurs rekurriert, indem es um starke Frauen geht, die in Ma¨nnerdoma¨nen eindringen oder gar die ,gla¨serne Decke‘ durchbrechen oder sich in schwierigen und gefa¨hrlichen Aufgaben in der Landwirtschaft und der Munitionsindustrie bewa¨hren. ¨ ffentlichkeit als Auch dieses Bild passt gut ins Schema, wird von den Medien und der O Anlass zum feierlichen Gedenken angesehen und impliziert, dass die Gleichstellung von Frauen einfach durch die Beseitigung von Barrieren zu erreichen sei – mit minimalen Anpassungen, um den ha¨uslichen Pflichten der Frauen gerecht zu werden.21 Hier weicht die wissenschaftliche Interpretation der Situation von Frauen im Krieg deutlich von der popula¨ren Geschichtserza¨hlung ab, die Grenzen des Einflusses von HistorikerInnen auf den o¨ffentlichen Diskurs werden dadurch sichtbar. Vor allem aber wird beim Gedenken an den Widerstand gegen den Krieg der Schwerpunkt zu stark auf die ma¨nnlichen Kriegsdienstverweigerer gelegt, wodurch der Friedensaktivismus der Frauen unsichtbar bleibt. Der Haager Frauenfriedenskongress von 1915 – damals von großer Bedeutung und heute noch sehr wichtig als Grundlage ¨ ffentlichkeit vieler Einsichten u¨ber Geschlecht und Frieden – wurde in der breiteren O weitgehend ignoriert. Auf dem Kongress wurde die Internationale Frauenliga fu¨r Frieden und Freiheit (IFFF) gegru¨ndet, eine der wirksamsten zeitgeno¨ssischen Stimmen fu¨r den Frieden.22 Zum hundertja¨hrigen Jubila¨um des Kongresses erschien ein einziger Artikel im „Guardian“,23 neben einem weiteren u¨ber Kriegsdienstverweigerer, in dem auch Frauen vorkamen.24 Außerdem gab es einen Film zum Haager Frauenfriedenskongress vom IFFF, „These Dangerous Women“, der vom HLF finanziert wurde und u¨ber das Internet zuga¨nglich ist.25 Eine weitere wichtige Gruppe von Frauen 21 Vgl. z. B. Journalistin und BBC-Moderatorin Kate Adie, What did World War One really do for women?, unter: www.bbc.co.uk/guides/z9bf9j6, BBC iWonder, Zugriff: 13. 2. 2018. 22 Zur IFFF bzw. WILPF (Women’s International League for Peace and Freedom) vgl. www.wilpf.de. 23 Liz Ford, Centenary stand: female activists head for The Hague to set a new peace agenda, in: The Guardian, 27. 2. 2015, unter: www.theguardian.com/global-development/2015/apr/27/female-ac tivists-hague-new-peace-agenda-1915-congress-of-women, Zugriff: 19. 9. 2016. 24 Priyamvada Gopal, First World War bravery was not confined to the Soldiers, in: The Guardian, 27. 2. 2014, unter: www.theguardian.com/commentisfree/2014/feb/27/first-world-war-braveryfight-for-peace, Zugriff: 6. 9. 2016. 25 Vgl. https://e-voice.org.uk/wilfpcentenary/ und http://noglory.org/index.php/multimedia/video/
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gegen den Krieg war der 1917 in Glasgow gegru¨ndete Women’s Peace Crusade, die sich schnell auf Industriezentren in Nordengland ausbreitete. Da es sich um eine der wenigen Gruppierungen handelt, in denen Frauenstimmen der Arbeiterklasse dominierten, ist es bedauerlich, dass sie im o¨ffentlich-medialen Gedenken vollsta¨ndig unbeachtet blieb. Seit Januar 2018 liegt der Fokus der o¨ffentlichen Aufmerksamkeit auf dem hundertja¨hrigen Jubila¨um zur Einfu¨hrung des Wahlrechts fu¨r Frauen ab dreißig Jahren.26 Dadurch wird die Kriegsunterstu¨tzung der britischen Frauen noch mehr betont, da sowohl die National Union of Women’s Suffrage Societies (NUWSS) als auch die militante Women’s Political and Social Union (WSPU) den Krieg offiziell befu¨rworteten. Fu¨hrende Suffragetten wie Emmeline und Christabel Pankhurst engagierten sich voll und ganz fu¨r die Kriegsanstrengungen ihres Vaterlandes und erhielten sogar staatliche Gelder fu¨r Aktivita¨ten wie Rekrutierungsoffensiven oder einen Straßenumzug in London zur Unterstu¨tzung der Kriegsziele der Regierung.27 Sabine Grimshaw stellte in ihrer Doktorarbeit28 fest, dass die Presseberichterstattung u¨ber den Kriegswiderstand in den Erinnerungsjahren 2014/18 ga¨ngigen Geschlechterstereotypen folgt und dass der ma¨nnliche Kriegsdienstverweigerer als Sprecher und Symbol fu¨r den gesamten Kriegswiderstand steht. Das ging auf Kosten der Ausgrenzung und Marginalisierung von Antikriegsgruppierungen von Frauen. Daru¨ber hinaus verwendet das Gedenken an die Kriegsdienstverweigerer bekannte Ma¨nnlichkeitsmuster, die das Primat der milita¨rischen Ma¨nnlichkeit kaum in Frage stellen. Die Schlu¨sselkonzepte von Heldentum, Opfergeist und Mut, die milita¨rische Ma¨nnlichkeit definieren, werden auf die Kriegsdienstverweigerer u¨bertragen, die oft als noch heroischer als die Wehrpflichtigen oder Kriegsfreiwilligen pra¨sentiert werden, da diese sich durch ihren Kriegsdienst dem sozialen oder staatlichen Druck beugten. Auch versta¨rkt die Konzentration auf Kriegsdienstverweigerer auf Kosten anderer Formen des Widerstands gegen den Krieg die nach innen gerichtete Tendenz des britischen Gedenkens. Denn nur in Großbritannien gab es bis zum Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg 1917 die Mo¨glichkeit einer Freistellung vom Wehrdienst aus Gewissensgru¨nden.
444-these-dangerous-women-the-women-who-tried-to-stop-world-war-1, Zugriff: 12. 3. 2018. Die Dokumentation ist auch auf YouTube verfu¨gbar. 26 Das Frauenwahlrecht fu¨r ju¨ngere erwachsene Frauen ab 21 Jahren wurde in Großbritannien erst 1928 realisiert. 27 Vgl. http://spartacus-educational.com/Wpeacecrusade.htm, Zugriff: 13. 3. 2018. 28 Sabine Grimshaw, Representation and Resistance: The Representation of Male and Female War Resisters of the First World War, unvero¨ffentlichte Dissertation, University of Leeds 2017.
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Fazit
Wa¨hrend der Gedenkjahre in Großbritannien bestand und besteht durchaus die Bereitschaft, das Versta¨ndnis des Krieges jenseits des Schlachtfeldes zu erweitern und auch die Erfahrungen von Frauen miteinzubeziehen. Dies gilt vor allem fu¨r jene Frauen, die wa¨hrend des Krieges als Krankenschwestern oder Munitionsarbeiterinnen arbeiteten oder wo die Mo¨glichkeit gesehen wird, ,weibliches‘ Heldentum anzuerkennen und Mut hervorzuheben. Aber es gibt Grenzen: Nur bestimmte Geschichten, die den allgemeinen geschlechtsspezifischen Erwartungen entsprechen, werden integriert, und es ist immer noch sehr leicht, eher komplexe Dimensionen der Frauen- und Geschlechtergeschichte wegzulassen oder zu marginalisieren, wie etwa die aktive Opposition von Frauen gegen den Krieg. Es fand auch ein Gedenken an ma¨nnliche Kriegsgegner statt, die Geschichte ihres Widerstandes wurde in die Gedenkpraxis aufgenommen. Mittlerweile sind Kriegsdienstverweigerer vielfach o¨ffentlich anerkannt, ebenso wie man in Verbindung damit ihre vielschichtigen Motivationen fu¨r die Kampfverweigerung respektiert – wa¨hrend die Geschichte der Kriegsgegnerinnen bis heute kaum beru¨cksichtigt wird. Geschlechternormen werden also in diesem Kontext nicht in Frage gestellt, das Einbeziehen von Kriegsdienstverweigerern in die Erinnerung untergra¨bt nicht die Werte der milita¨rischen Ma¨nnlichkeit, sondern nimmt sie fu¨r diese Gruppe ebenfalls in Anspruch: Diese Ma¨nner haben durch heldenhaften Widerstand gegen den Krieg ihren ,ma¨nnlichen‘ Mut demonstriert und waren bereit, Gesundheit, Freiheit und Zukunftsaussichten fu¨r ein ho¨heres Ziel zu opfern. Durch das Weglassen und die Ausgrenzung von Frauen, die als Kriegsgegnerinnen eine radikale Minderheit darstellten und sich aktiv auf ho¨chst politische Weise fu¨r den Frieden einsetzten, wird das undifferenzierte Bild der ,weiblichen‘ Unterstu¨tzung der nationalen Kriegsanstrengungen weiter versta¨rkt.
“When is change not change?” Gender Relations and the First World War
Margaret Randolph Higonnet is one of the feminist academics who have fundamentally shaped the field of women’s and gender history of World War One since the 1980s. She has published on a wide range of topics in this field, including women’s fiction, poetry and autobiographical accounts of war nurses and female soldiers, connecting these to experiences of trauma, colonial representations of the war, children’s books, etc.1 Trained in Comparative Literature, Higonnet combines critical methods of textual analysis and literary theories with historical approaches in interdisciplinary work. Higonnet’s distinguished career spans several decades beginning with studies in Tu¨bingen, the University College in London and Yale. She received a number of international scholarships and has held many professional offices, including a full professorship at the University of Connecticut from 1981 to 2016, where she continues as Professor Emerita.2 Currently, she is president of the International Federation of Modern Languages and Literatures (FILLM). Essential for historiographical debates on women’s and gender history of the First World War has been Higonnet’s seminal co-edited volume “Behind the Lines: Gender and the Two World Wars”, published in 1987. This volume with contributions by leading international feminist historians such as Joan W. Scott, Michelle Perrot and Karin Hausen discusses in depth the need to reconceptualise the effects of these two 1 Some more recent examples include: Maternal Cosmopoetics: Ka¨the Kollwitz and European Women Poets of the First World War, in: Santanu Das and Kate McLaughlin (eds.), The First World War: Literature, Culture, Modernity, Oxford 2018, 197–222; Colonial Representation of the Great War and Code Switching, in: Douglas Higbee and Debra Lee Cohen (eds.), Teaching the Literature of World War I, New York 2017, 65–73; Les femmes au front, in: Anette Becker (ed.), La Premie`re Guerre Mondiale, vol. 3, Paris 2014, 143–174; Picturing War Trauma, in: Andrea Immel and Elizabeth Goodenough (eds.), Under Fire: Childhood in the Shadow of War, Detroit 2008, 115–128; Authenticity and Art in Trauma Narratives of World War I, in: Modernism/Modernity, 9 (2002), 91–107; Ellen La Motte and Mary Borden, a Nursing Couple, in: Annegret Heitmann, Sigrid Nieberle, Barbara Schaff and Sabine Schu¨lting (eds.), Bi-Textualita¨t: Inszenierungen eines Paares, Bielefeld 2001, 92–103; Nurses at the Front: Writing the Wounds of the Great War. Ed., Boston 2001; Lines of Fire: Women Writers of World War I. Ed., New York 1999. 2 Cf. https://english.uconn.edu/margaret-higonnet/, access: 10 June 2018.
IM GESPRÄCH
Christa Ha¨mmerle im Gespra¨ch mit Margaret R. Higonnet
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totalised wars on the relations between women and men: Did war really trigger fundamental changes in these relations or the gender order, and help to emancipate women, as often claimed? Margaret and Patrice L.-R. Higonnet’s introduction uses the image of the “double helix” with its “structure of two intertwined strands” to deconstruct such an assumption, suggesting a more differentiated view. The two argue that “the changes in women’s activities during wartime did not improve their status” as “the female strand on the helix is opposed to the male strand, and position on the female strand is subordinate to position on the male strand”.3 In recent decades, the concept of the “double helix” has become extremely influential in the field of women’s and gender history of World War One and its aftermath, and is still much cited. Therefore, the following interview with Margaret R. Higonnet, conducted via e-mail, focuses on this topic. Christa Ha¨mmerle: “When is change not change?” reads the first sentence of your introductory chapter in “Behind the Lines. Gender and the Two World Wars” (1987). Drawing on the case studies of the volume, this initial sentence questioned the traditional assumption that these wars radically changed women’s social and economic positions. How persistent is this view? In which historiographical contexts do you think such a pattern still plays an important role? Margaret R. Higonnet: The problem of the relationship between wars and social change is complicated: today historians recognise that the world wars’ impacts on gender varied across national wartime experiences and cultures. Historiographically, one context is the distinction between short-term and long-term change. The rise of diverse women’s movements before 1914 fostered women’s embrace of new roles during World War One, as well as their ability to sustain political consciousness following the war. The war became a platform on which those social changes would be performed; simultaneously, new wartime activities such as participation in an ambulance corps, replacing a conscripted mayor or serving in local Russian parliaments, for example, generated new identities, and the deaths of men gave some women new responsibilities over the long term. Historians’ early assumption that the two world wars improved women’s social and economic positions over the long run, however, was implicitly optimistic, rather like the Pollyanna-ish observation that the “Great War” led to improvements in plastic surgery (setting aside the mutilations that occasioned such medical innovations). Today’s views are more nuanced, and the historiography of gender in both wars has become more egalitarian, changing the stories told in schoolbooks to include civilian as well as military experiences. Instead of the scandalous “emancipation” of mannish 3 Margaret R. Higonnet and Patrice L.-R. Higonnet, The Double Helix, in: Margaret R. Higonnet, Jane Jenson, Sonya Michel and Margaret Collins Weitz (eds.), Behind the Lines. Gender and the Two World Wars, New Haven/London 1987, 31–49, 34.
Im Gespräch
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young women, the focus has shifted to the daily life of people often considered marginal to war or politics. During World War One, governments advocated women’s short-term employment as substitutes for men mobilised to fight. After the war, however, demobilisation drove hundreds of thousands of women out of their jobs, redirecting many to domestic labour, agriculture and service professions. In the long term, wars are destructive not only to soldiers in the military but to civilian life, where unanticipated economic costs impede post-war socio-economic redevelopment. The First World War thus unleashed vast movements of refugees on the Eastern Front, many of whom simply disappeared; it destroyed cities and villages, leaving unexploded munitions in the fields and ‘red zones’ in northeastern France that cannot be cultivated even in the twenty-first century. Encyclopedic studies of violence during two total wars of the twentieth century have amplified our knowledge of casualties and civilian deaths. Susan Grayzel’s textbook, after presenting analyses of women’s images, war work, sexuality and “gender disruption”, concludes, “it is difficult to evaluate the extent to which the political, social and cultural conditions of the immediate postwar years […] were due to the war. There may be no simple explanation for any of them.”4 The evidence for or against progress for women from 1919 onwards is contradictory and varies across classes and ethnicity as well as across nations. The most striking long-term advance for women in this period was access to the vote, and this too was achieved through sustained political demands starting before 1914. In addition to states such as Finland (1906) or New Zealand (1910) that granted women suffrage before or during the war, a dozen more countries from 1917 onwards introduced it as well. But this did not happen in all post-war countries. Generally, women have not achieved equal status even today, and paternalist laws specifically governing women’s bodies, maternity, sexuality, dress, and access to health care continue to hamper their civic equality a century later. The concept of the “double helix” helped explain why war-related shifts, e. g. in the field of industrial work at the home front, were largely temporary or resulted in a backlash after the war. The construction of the front/home front dichotomy was strongly advocated by state authorities and (male as well as female) agents of war propaganda. In turn, new selfperceptions may have arisen for some women post-suffrage. How do you judge the utility of the concept today, after more than thirty years of women’s and gender history of the Great War? The recent translation into Hungarian of our essay “The Double Helix” suggests that the questions raised persist, although more complex paradigms have also been proposed in the past thirty years. The volume “Behind the Lines” addressed the paradox that the 4 Suzan R. Grayzel, Women and the First World War, Oxford 2002, 117.
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two world wars brought dramatic, but temporary, state-supported changes in social roles for both men and women. The simple metaphor of a “double helix” aimed to make visible persistent social and gender hierarchies, not to support them. At the individual level, of course, new self-perceptions of both men and women became manifest after 1918 in many memoirs and other modes of self-expression. These new identities for women often stood in tension with the social conditions to which women returned after volunteering for wartime service (and even serving in the military in a few countries). Although the sexual division of labour changed temporarily in both wars, the threevolume “Cambridge History of the First World War” echoes our aphorism that “the more things change, the more they remain the same”. Editors John Horne and Jay Winter point out that World War One exacerbated the dichotomy between masculinity and femininity, while it also realigned these concepts: wartime exigencies assigned some feminine roles to men (e. g. as male nurses, orderlies or cooks) and masculine roles to women.5 Metaphorically militarized, the home front nonetheless remained highly gendered and ultimately left women on the sidelines. Lower status and pay were common for women replacing men in civilian and military positions. A second, related puzzle faced by the contributors to the volume “Behind the Lines” was the disparity in post-war experiences for men and women from nation to nation. Demobilisation of men with injuries complicated post-war images of militarised masculinity as well as the ostensible restoration of ‘normal’ labour and social relations. While some women won the vote, others, including those young English and French women who had worked in munitions, did not. Were those differences framed by local experiences of defeat or victory, revolution, economic crises and specific cultural values? Post-war reconstruction of civil society returned most women to earlier disadvantages in the workplace. On the positive side, the International Labour Organization established by the Treaty of Versailles under Albert Thomas proposed protection for women workers before and after childbirth and prohibited unhealthy work by women and children. Thomas believed that it “was the war” that would force governments to ‘abolish’ poverty, injustice and privations.6 Rather than war, changing views of human rights and individualism may have been responsible for such efforts. Through studies of veterans’ associations, we know more about the post-war consciousness of male veterans than about that of women. Accounts of individual women’s experiences of active participation as recorded in diaries and memoirs need to be compared with the group consciousness shared among ‘veteran’ ambulance drivers and nurses as well as with other associations that failed to build group consciousness through commemorative events. Because of the archives created at the Imperial War Museum in London, the British have done unusual work gathering evidence about women’s vet5 Cf. John Horne and Jay Winter, Introduction to Part II, in: Jay Winter and John Horne (eds.), The Cambridge History of the First World War, vol. 3, Cambridge 2014, 71. 6 Cited by Bruno Cabanes, 1919: Aftermath, in: Cambridge History, see note 5, vol. 1, 172–197, 189.
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erans groups, their wartime work for auxiliaries, their post-war memoirs and return to war-work during the Second World War. British oral histories have also contributed to our understanding of women’s changing self-consciousness. For France, Mary Louise Roberts takes a broad perspective on renewed social conservatism (and critique of the ‘flapper’ figure) that identified social ‘decay’ with issues such as the fall of the franc; she interprets the critique of gender changes as a way to mask political and economic changes.7 But many questions remain open: did the ‘double burden’ carried by women who were mothers foster a slippage from public activity back into a more highly gendered private sphere? Did the discursive distinction between public economic production, encoded by politicians and unions as a masculine terrain, and private reproduction, a feminine terrain, reinforce a sense of wartime crisis and foster post-war antifeminism? What did you mean by your call to both analyse the “double helix” and to break out of it? You stated that we “need to move beyond binary models of analysis” and to hear “the polyphony of historical experience”.8 How would you respond to critics who see the model of the “double helix” as focused exclusively on the social and ideological or discursive structures of the hegemonic gender order? Did the model underestimate experiences or agencies on the one hand, and ambivalences or ambiguities as well as war-related ‘gender troubles’ on the other? What models might fit current women’s and gender history of World War One? To recognise a social pattern may enable us to break out of it. One of the most significant changes over the last century has been the “troubling” of the concept of gender, as Judith Butler put it, both through new scientific understanding of genetics and through queer theory. Other factors such as the widespread access to contraception have also altered perceptions of biological determinants, as has the shift to remotely controlled means of warfare. Such developments demand interdisciplinary as well as multi-cultural approaches to gender today. To reinterpret men’s and women’s wartime experiences one hundred years ago depends on recognising the intersectionality and malleability of their identities. Individuals speak in more than a single voice both in the moment and over time. Agency always lurked beneath a semblance of civilian passivity, a fact overlooked in the discursive binaries of earlier historians. Among many reasons for such invisibility were probably censorship or self-censorship and the delay in autobiographical publications about the war, especially in the case of women’s stories. Historiographic changes inspired by the Annales school, by the linguistic turn and by feminists have brought to the foreground a significant new body of texts for us to study, including forgotten diaries, fiction from ‘minor’ literatures and 7 Cf. Mary Louise Roberts, Civilization without Sexes: Reconstructing Gender in Postwar France, 1917–1927, Chicago 1964, 8. 8 Higonnet/Higonnet, Double Helix, see note 3, 45.
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unpublished manuscripts such as a memoir by Margaret Hall accompanied by her stunning photographs of the war zone.9 Agents of change since the 1980s include historians like Françoise The´baud and literary critics like Claire Tylee.10 Your own work on mostly unpublished or self-published war accounts of Austro-Hungarian nurses has foregrounded Marianne Jarka who wrote her autobiography at the age of 72, explaining that in her post-war poverty, she traded her medals for milk since her war experience “no longer counted”.11 Such individual records or autobiographical narratives help deconstruct the rigid gendered dichotomy between private and public spheres and can help us see the shifting perceptions of war experience over the decades. The binary of male/female continues to be widely mobilised in political discourse, especially for militarist aggression, even as that binary is increasingly contested in issues like the military acceptance of transgender soldiers. Looking back today, despite significant economic and political shifts, we find some problems continue to plague women: disparity in wages, limited access to certain professions, the glass ceiling and the harassment to which the “MeToo” movement responds are continuing features of civil society. The functioning of gender in military recruitment and advancement has become more manifestly complex. In most national armies that now employ women in combat roles, however, they do not in practice serve in front lines, in part because war itself has been digitised and robotised. Since 1989, the history of masculinities has developed as well. Relevant studies of the First World War show that men’s roles and experiences in general, and that of soldiers in particular, were also quite diverse, for example in the sense that some groups of men were ‘feminised’ or marginalised as well – although the concept of militarised masculinity was hegemonic. How do such dimensions fit into the model of the “double helix”? One way to apply the metaphor to relationships among men would be to recognise the subordination of minority men as analogous to the subordination of women. In today’s more diverse landscape, the relationship of men to power structures in the military continues to be complicated by race and sexuality. Like the women who hoped to gain full citizenship and the vote by volunteering, so too Senegalese fighters and African Americans hoped to gain full citizenship rights and equality with white men in France 9 Letters and Photographs from the Battle Country, 1918–1919. The World War I Memoir of Margaret Hall, ed. by Margaret R. Higonnet with Susan Solomon, Massachusetts Historical Society 2014. 10 Cf. Françoise The´baud, Les femmes au temps de la guerre de 14, 2nd edition, Paris 2013; Claire Tylee, The Great War and Women’s Consciousness: Images of Militarism and Womanhood in Women’s Writings, 1914–64, Basingstoke 1990. 11 Christa Ha¨mmerle, “Mentally Broken, Physically a Wreck …”: Violence in War Accounts of Nurses ¨ beregger and Birgitta Bader-Zaar in Austro-Hungarian Service, in: Christa Ha¨mmerle, Oswald U (eds.), Gender and the First World War, Basingstoke/New York 2014, 89–107, 89.
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or the USA. During World War One, while racial stereotypes persisted, military honours could be won. In the post-war demobilisation, however, inequality in pension rights ruled. Moreover, false accusations of rape were lodged against African troops in the Rhineland. Similarly, African American soldiers were among the last to be sent home, after serving on burial crews; then on their return to the USA they faced lynch mobs. Mulk Raj Anand in his novel “Across the Black Waters” (1939) observed the official limits on heterosexual encounters across racial lines imposed by the British military. Rich scholarship has developed around homosexuality as well. A brilliant exploration of soldiers’ shifting norms of masculinity, conventional gender roles and sexuality was offered a few years ago by Santanu Das.12 Tellingly, his investigation of tactile contacts in the trenches across a continuum of relationships identifies a “double bind” in which the intensity of bonds was in tension with the brevity of physical bonding. The peculiar conditions of wartime enabled such developments and reconfigurations of masculinity in quasi-maternal roles, while also setting limits to their postwar continuation. At the individual level, the facial mutilation of soldiers and their loss of limbs deprived many of their former professions and social status; likewise, the impact of shell shock also often meant a post-war continuation of changes in the experience of gender. Another example of gender blurring is explored by Das in the case of sepoys’ laments recorded by German anthropologists on wax discs at the Wu¨nsdorf P.O.W. camp.13 Some of these stemmed from women’s oral laments, in what Claudia Siebrecht calls “the moral economy of grief”.14 The soldier stripped of his combatant status as a prisoner of war was feminised by his captivity and traditional models of lament. So were conscientious objectors, some of whom undertook nursing (an ambiguously gendered role), while others were imprisoned. That demotion in status was not redeemed by national victory and a return to ‘gender normalcy’ after the war. One last question concerning the “double helix”: you made very clear that the concept should only be applied to total wars, i. e. the two world wars of the twentieth century. Why not use it to analyse other historical wars, such as the Napoleonic wars or armed conflicts today in which female soldiers fight as well? Which criteria do you believe should be present in an armed conflict for historians to analyse it fruitfully using the “double helix” model?
12 Cf. Santanu Das, Touch and Intimacy in First World War Literature, Cambridge 2005. 13 Cf. Santanu Das, Reframing life/war ‘writing’: objects, letters and songs of Indian soldiers, 1914–1918, in: Textual Practice, 29, 7 (2015), 1265–1287. 14 Cf. Claudia Siebrecht, The Female Mourner: Gender and the Moral Economy of Grief During the ¨ beregger/Bader-Zaar, Gender and the First World War, see note First World War, in: Ha¨mmerle/U 11, 144–162.
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Recent historians have begun to trace these topics back to antiquity, and their findings have been anchored in historical contexts.15 Some evidence indicates that more dramatic shifts in gender assignments may take place in civil wars, revolutions and conflicts on mobile fronts. By contrast, well-disciplined military forces on stable fronts resist the emergence of female leaders even when women are soldiers. Work by Djamila Amrane traces similar patterns of temporary change in the Algerian war.16 Amrane and others who have worked on revolutionary movements in Africa have found that the mobilisation of women in rebellion against colonial rulers was largely followed by the subsequent disappearance of many of those combatants from political view. Where firm military control and other institutional structures shape nursing, auxiliary services and other combat-related activities, women take on new roles within limits, whereas in regions where military and governmental structures are more permeable, blurred lines of authority allow women greater autonomy. Modern revolutions obscure the formal outlines of ‘war’ itself. You use the term “trauma” in your works, and elaborate “traces” of traumatisation in (female) war experiences on the level of language as well as representation. Can you expand on this and look back at how research on war traumas has developed until now? You have also addressed the topics of war nurses and women who were stationed in frontline areas during World War One. What prompted you to do research on these many thousands of women? Trauma, of course, means injury, although it took on the more specific meaning of mental trauma over the twentieth century, especially following the work of the psychologist Robert J. Lifton with veterans of the American war in Vietnam, when it became known as post-traumatic stress disorder (PTSD). In Paris following the FrancoPrussian war, Jean-Martin Charcot (with whom Freud worked) already argued that “hysteria”, thought to be a female disease, could be a neurological symptom among men following sudden accidents or war injuries. During World War One, several terms were applied to PTSD, such as “war neurosis”, “soldier’s heart”, or “shell shock”. Considered malingerers, many patients were treated with electric shock or other punishments. The key triggers of war trauma, according to John MacCurdy, were extreme fatigue and stress, a soldier’s sense of impotence when confined in a trench, the sight or direct touch of “the mangled remains of his comrades” and sudden horror.17 W. H. R. Rivers was an early medical expert to implement a form of “talking cure”. Although it was recognised that soldiers might experience trauma without having been under attack by explosives, 15 Cf. Philippe Nivet and Marion Trevisi (eds.), Les femmes et la guerre de l’Antiquite´ a` nos jours, Paris 2010; Kate McLaughlin, Authoring War: The Literary Representation of War from the Iliad to Iraq, Cambridge 2011; Jean-Clement Martin, La Re´volte brise´e: Femmes dans la Re´volution française et l’Empire, Paris 2008. 16 Cf. Djamila Amrane, Les combattantes de la guerre d’Alge´rie, in: Perse´e, 26 (1992), 58–62. 17 Cf. Dr. John T. MacCurdy, War Neuroses, Cambridge 1918, 9–12.
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the phenomenon was explored by historians in the case of men rather than among women who served close to the frontlines or on hospital ships. Even feminists such as Elaine Showalter have linked trauma to a “crisis of masculinity” during the war.18 In his post-war review of statistics for long-term repercussions of “war neurosis”, the American doctor Norman Fenton found elevated rates among the medical corps. He speculated this might be due to medical staff witnessing “terrible sights of mutilation and disease both at the front and in hospitals behind the lines”.19 Fenton’s findings opened the possibility that not only men in the medical corps, but also women nursing close to the front might undergo traumatising experiences, and this is what drew me to the topic. For a literary critic like myself, ruptures in texts about trauma offer an interesting connection to Modernism, in which gaps or silences testify to what Walter Benjamin calls a loss of “communicable experience”.20 This approach led me to new ways of reading nursing texts. Let us finally turn to the centenary or to what has changed in our understanding of the First World War in recent years. You ended your article of 1987 with the hope that “words and actions which in a previous historiography had seemed marginal now move to the center of the stage”.21 Do you believe that women’s and gender history approaches have moved from their marginal position to centre stage within World War One research? In addition to the troubling of binary gender stereotypes, one of the most important changes in historiography bearing on the “double helix” thesis has been the extensive shift in perception of the chronology of World War One, with a shift of attention from strictly military matters to civil society, and from the politically defined event to the longue dure´e. At the centenary, many conferences have focused on the period from 1917 to 1923 when new configurations of states and identities impelled political struggles over economic reconstruction and social organisation. Works like Leila Fawaz’s study “A Land of Aching Hearts” develop our understanding of neglected fronts and regional conflicts as parts of larger and longer patterns of disruption, and draw on oral culture as well as official documents to expand our understanding to include illiterate women and men and place them under our spotlight.22 Comparative work complicates conclusions about gender, as in the experiences of Chinese women at the formation of the People’s Republic of China, when traditional domestic structures were overthrown. The cen18 Elaine Showalter, The Female Malady. Women, Madness and English Culture, 1830–1980, New York 1985, 170. 19 Norman Fenton, Shell Shock and its Aftermath, Saint Louis 1926, 46. 20 Walter Benjamin, The Storyteller, in: ibid., Illuminations. Essays and Reflections, ed. by Hannah Arendt, transl. by Harry Zohn, New York 1969, 83. 21 Higonnet/Higonnet, Double Helix, see note 3, 47. 22 Cf. Leila Tarazi Fawaz, A Land of Aching Hearts. The Middle East in the Great War, Cambridge 2014.
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tenary has also focused on a collective memory that stretches across gender and generations. The war culture addressed to children has become a fertile field of exploration, with interdisciplinary connections to pedagogy, propaganda and the study of creative word-image collaborations. Here too, the construction of gender is of central interest, and the time frame naturally is the longue dure´e. As the scale of analysis changes, with closer attention both to intimate relations and to the transmission of trauma across generations, we discover new ways to understand the complex history of gender amidst socially generated practices of violence.
Das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus (E2H) – Queeres Kulturhaus in Berlin
Seit den 1970er-Jahren ist in Berlin und anderswo eine breite und vielfa¨ltige Landschaft von Archiven und Sammlungseinrichtungen entstanden, die Materialien zur Geschichte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und intersexuellen Menschen (LSBTI*) aufbewahren. Oft sind diese Institutionen klein, weitgehend von ¨ berehrenamtlichem Engagement getragen und sta¨ndig besorgt um ihr finanzielles U leben. Angesichts immer scha¨rfer werdender Konkurrenzen um Fo¨rdergelder und Sichtbarkeit sowie angesichts der Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, liegt die Frage nahe, inwiefern eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen LSBTI*-Archiven diesen mehr politische Schlagkraft, mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit und mehr kulturelle Entfaltungsmo¨glichkeiten in der Forschung und in der Bildungsarbeit verschaffen kann. Um dieses kooperative Potenzial voll auszuscho¨pfen, versammelt das ElberskirchenHirschfeld-Haus (E2H), das derzeit im Entstehen begriffen ist und Anfang der 2020erJahre seine Pforten o¨ffnen soll, eine Reihe von Berliner LSBTI*-Archiven und -Sammlungseinrichtungen unter einem gemeinsamen Dach. Anfang 2018 wurde ein Tra¨gerverein gegru¨ndet, der Freund*innenkreis des Elberskirchen-Hirschfeld-Hauses – Queeres Kulturhaus, der in Kooperation mit der Kulturbeho¨rde der Hauptstadt Berlin mit einer Projektstudie die konkrete Verwirklichung des Hauses vorbereitet. Dort, wo die Bezirke Kreuzberg und Mitte aufeinandertreffen, nahe dem Checkpoint Charlie, in der Rudi-Dutschke-Straße, soll in dem derzeit noch von der Tageszeitung „taz“ genutzten Geba¨ude das Queere Kulturhaus entstehen. Zu dem am E2H beteiligten Initiativen und Einrichtungen geho¨ren das Lesbenarchiv Spinnboden, die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft, das feministische Archiv FFBIZ und die Forschungsstelle Kulturgeschichte der Sexualita¨t an der HumboldtUniversita¨t zu Berlin. Mit AB Queer und KomBi – Kommunikation und Bildung sind * Benno Gammerl ist Mitglied im Vorstand der Initiative Queer Nations e.V. und engagiert sich in dieser Funktion – zusammen mit Jan Feddersen, Sabine Balke, Christiane Ha¨rdel und vielen anderen – seit Jahren fu¨r die Schaffung des E2H. Er formuliert seine Anmerkungen zum Queeren Kulturhaus mithin nicht aus einer Außen-, sondern vielmehr aus einer Innenperspektive.
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auch zwei wichtige und innovative LSBTI*-Bildungsprojekte Teil des Bu¨ndnisses. Die Initiative Queer Nations, die die Idee fu¨r die Schaffung des E2H Anfang der 2010erJahre formulierte1 und die mit ihren Vortra¨gen und Diskussionen zu Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt ein breites Publikum anspricht, wird ebenfalls im Haus pra¨sent sein. Gleiches gilt fu¨r die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die bedeutendste Fo¨rdereinrichtung fu¨r queere Forschung und Erinnerungsarbeit in Deutschland. Diese Na¨he zu potenziellen Geldgebern wird den im Haus vertretenen Initiativen das Einwerben von finanziellen Mitteln fu¨r ihre Projekte erleichtern. Angesichts der Meinungsvielfalt, welche die Berliner LSBTI*-Szenen pra¨gt, u¨berrascht es wenig, dass sich andere, fu¨r queere Forschung, Bildung und Kultur ebenfalls relevante Institutionen nicht direkt am E2H beteiligen, sondern das Projekt bisher eher kritisch bis wohlwollend begleiten. Jedoch ist noch unklar, ob und in welcher Form diese LSBTI*-Einrichtungen und das Queere Kulturhaus miteinander kooperieren werden – was zeigt, dass die Planung eines gemeinsamen Forums auch Reibungen und Distanzierungen mit sich bringt. Nicht zuletzt deswegen diskutieren die verschiedenen Berliner LSBTI*-Archive und -Organisationen nach wie vor lebhaft u¨ber die Chancen und Herausforderungen des gemeinsamen Hauses. Einige Dinge sind also noch im Fluss und werden das vermutlich auch nach der Ero¨ffnung des E2H bleiben. Denn es geht ja letztlich darum, ein inklusives Dach zu schaffen, unter dem immer wieder neue Einrichtungen einen Platz und solidarische Unterstu¨tzung finden ko¨nnen. Diese zukunftsfrohe Formulierung soll nicht u¨ber die ganz konkreten Probleme und Konkurrenzen hinwegta¨uschen, mit denen das Projekt konfrontiert war und ist. Zu den zentralen Herausforderungen geho¨rt dabei gerade die Sorge kleinerer oder ju¨ngerer Archive und Initiativen, von den gro¨ßeren und etablierteren Organisationen im Rahmen der Zusammenarbeit sozusagen ,verschluckt‘ zu werden. Deswegen ist fu¨r das Projekt die Feststellung entscheidend, dass das E2H ,lediglich‘ ein gemeinsames Dach bieten soll, unter dem die beteiligten Einrichtungen weiterhin eigensta¨ndig agieren. Kooperation, nicht Fusion ist die Devise. Zuna¨chst ist diese Betonung der Selbststa¨ndigkeit der einzelnen Archive und Initiativen zentral, weil viele von ihnen aus guten Gru¨nden nicht auf ihre Autonomie verzichten wollen. Einige der am E2H beteiligten Projekte stehen in der Tradition schwuler, lesbisch-feministischer und anderer Emanzipationsbewegungen und haben ihren Anspruch auf Selbstbestimmung u¨ber die Jahre hart erka¨mpft und verteidigt. Gerade vor dem Hintergrund dieser historischen Erfahrung ist es wichtig, die gemeinsame Zusammenarbeit nicht als Gefahr fu¨r die eigene Selbststa¨ndigkeit zu sehen. Vielmehr handelt es sich um eine Strategie, welche die Beteiligten in die Lage versetzt, weiterhin gegen die Inkorporation in ein patriarchales und heteronormatives Ord-
1 Vgl. Benno Gammerl u. Birgit Kiupel, Wir bauen ein Haus!, in: CSD-Magazin (2013), 34. Vgl. auch http://queernations.blogspot.com/2013/06/wir-bauen-ein-haus.html, Zugriff: 4. 6. 2018.
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nungsgefu¨ge anzuka¨mpfen und ihre autonome Praxis im 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln. Es gibt aber auch noch ein anderes Argument fu¨r das Festhalten an der Autonomie der einzelnen Archive und Einrichtungen. Gerade als Queerem Kulturhaus kann dem E2H gar nicht an einem ,Zusammenschluss‘ im Sinne einer Vereinheitlichung gelegen sein. Denn die Unterschiedlichkeit der beteiligten Projekte ist eine unabdingbare Voraussetzung fu¨r die Lebendigkeit des Hauses und fu¨r u¨berraschende Synergien. Das gilt auch fu¨r die je spezifischen Sammlungslogiken von Archiven, die sich eher auf schwule, lesbische oder Transgender-Themen konzentrieren. Nur wenn sie ihre bisherigen Schwerpunkte beibehalten und ausbauen, kann unter dem Dach des E2H eine Vielfalt von Sammlungen weiter wachsen, deren Zusammenschau den Besucher_innen und Nutzer_innen wirklich breite Perspektiven auf die LSBTI*-Geschichte ero¨ffnet. Gleiches gilt fu¨r die teils weit zuru¨ckreichenden Konflikte und Zwistigkeiten zwischen Vertreter_innen verschiedener Flu¨gel der Emanzipations- und Bu¨rgerrechtsbewegungen, zwischen Lesben und Schwulen sowie zwischen diesen und den Proponent_innen queerer Ansa¨tze. Letztere betonen die Heterogenita¨t eines breiten Feldes von Dis-Identifikationen, dessen Dynamik mit den Identita¨tsmarkern ,schwul‘ und ,lesbisch‘, so das Argument, nicht angemessen beschrieben werden ko¨nne. Solche Reibungen sollen im E2H nicht u¨bertu¨ncht, sondern vielmehr selbst zum Gegenstand der Debatte werden. Generationsspezifische Erfahrungswelten werden dabei ebenso ernst genommen wie mo¨gliche Differenzen zwischen den Positionen einheimischer und migrantischer LSBTI*-Personen oder die kulturellen Pha¨nomene der Metro-, Panund Asexualita¨t, welche an den Ra¨ndern oder in den Zwischenra¨umen der HomoHetero-Differenz diese kategoriale Unterscheidung infrage stellen. Im Vorfeld der Etablierung des Queeren Kulturhauses kamen diese Unterschiede insbesondere dann zum Tragen, wenn u¨ber die Benennung des Hauses nach Johanna Elberskirchen (1864–1943) und Magnus Hirschfeld (1868–1935) gestritten wurde. Solche Diskussionen spiegeln selbstversta¨ndlich immer auch Ka¨mpfe um die Deutungshoheit.2 Der Sexualwissenschaftler Hirschfeld gru¨ndete 1919 das Institut fu¨r Sexualwissenschaft in Berlin, an dessen Erbe das E2H ganz bewusst anknu¨pft. Zusammen mit ihm und vielen anderen engagierte sich die lesbische und frauenbewegte Aktivistin Elberskirchen in den 1920er-Jahren im Wissenschaftlich-humanita¨ren Komitee fu¨r sexual- und geschlechterdemokratische Reformen und gegen die Verfolgung sexueller Minderheiten. Wa¨hrend diese beiden Namen also sehr wichtige emanzipatorische Traditionslinien aufgreifen, repra¨sentieren sie gleichzeitig jedoch mitnichten das gesamte Spektrum derjenigen Erfahrungen und Positionen, die im Queeren Kulturhaus zur Sprache kommen sollen. ¨ ber Benen2 Vgl. Babette Reicherdt, Die Namensgebung des Elberskirchen-Hirschfeld-Hauses. U nungspraxen und die Suche nach historischen Vorbildern in der LSBTI-Geschichte, in: Jahrbuch Sexualita¨ten, 2 (2017), 159–166.
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So ließe sich fragen, ob nicht auch Bisexuelle, Transpersonen und intersexuelle Menschen, deren Leben und deren Aktivismen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit die Aufmerksamkeit der Forschung und der o¨ffentlichen Debatte auf sich ziehen, prominent erwa¨hnt werden sollten. Inwiefern spiegeln sich weniger explizit politische, subkulturelle Dimensionen der LSBTI*-Geschichte im Namen des Hauses wider? Wie steht es um intersektionale und post-koloniale Perspektiven auf klassistische und rassistische Hierarchisierungen, um gleichgeschlechtlich begehrende Arbeiter_innen oder queere people of colour? In diesem Zusammenhang wurden als weitere Namensgeber_innen fu¨r das Queere Kulturhaus auch Audre Lorde (1934–1992) vorgeschlagen, deren Bedeutung fu¨r die Politisierung afro-deutscher Frauen und Lesben in den 1980er-Jahren kaum u¨berscha¨tzt werden kann, sowie Lili Elbe (1882–1931), die nicht erst seit dem Film „The Danish Girl“ als Vorreiterin der Trans*-Bewegung gilt. Diese und andere nach wie vor andauernden Diskussionen zeugen letztlich vom Potenzial des Projekts. Denn wirklich inklusiv kann das gemeinsame Forum ohnehin nur dann sein, wenn die Frage nach mo¨glichen Ausschlu¨ssen immer wieder neu gestellt wird. Und unter dem gemeinsamen Dach werden die verschiedenen LSBTI*-Sammlungs- und Bildungseinrichtungen diese notwendigen Debatten auf eine sehr viel gewinnbringendere Art und Weise fu¨hren ko¨nnen. Neben solchen positiven politischen und gesellschaftlichen Effekten wird die Kooperation an einem Ort fu¨r die Archive und Initiativen auch ganz pragmatische Vorteile mit sich bringen. Ein gemeinsam genutzter Lesesaal spart Ressourcen und erleichtert die Zuga¨nglichkeit der einzelnen Sammlungen. Im Queeren Kulturhaus ko¨nnen kokuratierte Ausstellungen gezeigt werden und ko-organisierte Vortra¨ge und Performances stattfinden. Deswegen wird es im E2H einen Kino- und Veranstaltungssaal geben, außerdem auch Seminarra¨ume, wo Workshops und Lehrveranstaltungen stattfinden ko¨nnen. Auf diese Weise soll Menschen, die zur LSBTI*-Geschichte forschen und arbeiten, ebenso wie einem ganz allgemein interessierten Publikum die Auseinandersetzung mit Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt erleichtert werden. Der offene, sozusagen niedrigschwellig gestaltete Eingangsbereich des Queeren Kulturhauses mit Mo¨glichkeiten zum Verweilen, einem Lokal, einer Buchhandlung und anderweitigen Informationsangeboten wird weit u¨ber die LSBTI*-Szenen hinaus Interessierte und Passant_innen ansprechen und queeren Themen an einem prominenten Ort in Berlins Mitte zu deutlich mehr Sichtbarkeit verhelfen.3 Das E2H zeitigt jedoch schon jetzt nicht nur Effekte auf lokaler Ebene in Berlin. Im Zuge der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Archiven stellte sich auch die Frage, ob und wie deren Kataloge miteinander verknu¨pft werden ko¨nnten und sollten. Wie mu¨sste ein Erschließungssystem gestaltet sein, das es zuku¨nftigen Nutzer_innen ermo¨glicht, mit einer Anfrage die Besta¨nde aller beteiligten Sammlungen zu durchsu3 Maria Borowski u. a., Ein queerer Leuchtturm fu¨r Berlin. Pla¨ne fu¨r ein Elberskirchen-HirschfeldHaus (E2H), in: Jahrbuch Sexualita¨ten, 1 (2016), 15–26.
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chen? Da es offensichtlich sinnvoll ist, diese Frage nicht nur unter den am E2H beteiligten Initiativen, sondern zusammen mit allen LSBTI*-Archiven im deutschsprachigen Raum zu ero¨rtern, trafen sich im November 2017 Vertreter_innen vom Forum Homosexualita¨t Mu¨nchen, von QWIEN, vom Centrum Schwule Geschichte Ko¨ln, von IHLIA in Amsterdam und vom Schwulenarchiv Schweiz mit ihren Berliner Kolleg_innen sowie mit Expert_innen vom Digitalen Deutschen Frauenarchiv. Im Rahmen eines Workshop diskutierten sie daru¨ber, ob und wie sich eine gemeinsame Online-Plattform realisieren ließe.4 Wie sehr die Sichtbarkeit und Zuga¨nglichkeit der einzelnen Besta¨nde von einer solchen Plattform profitieren kann, zeigt der von i.d.a., dem Dachverband der deutschsprachigen, feministisch gesonnenen Lesben-/Frauenarchive, -bibliotheken und Dokumentationsstellen, initiierte META-Katalog, mit dessen Hilfe es gelang, die unterschiedlichen Erschließungs- und Katalogsysteme zahlreicher Einrichtungen zu einer gemeinsamen Netzwerkdatenbank zusammenzufu¨gen.5 Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrungen pla¨dierten die meisten Teilnehmer_innen des Workshops der deutschsprachigen LSBTI*-Archive dafu¨r, eine mo¨glichst flexible und dennoch konsistente Variante der Erschließung zu entwickeln, die es auch kleineren und weitgehend ehrenamtlich getragenen Einrichtungen erlaubt, an der gemeinsamen Plattform zu partizipieren, ohne dass diese Mitwirkung ihre meist ohnehin schon a¨ußerst knappen Ressourcen u¨berstrapaziert. Auch hier gilt: Gemeinsam ließe sich unter Umsta¨nden mehr erreichen, nicht zuletzt, was die Einwerbung von zusa¨tzlichen Mitteln anbelangt. ¨ berforderung gerade kleinerer Gleichzeitig verweist die Sorge um eine mo¨gliche U Initiativen auch auf ein grundlegenderes Problem: Ko¨nnte aus der Zusammenarbeit ein Druck zur Professionalisierung resultieren, der die einzelnen Archive an die Grenzen ihrer Ressourcen bringt? Und inwiefern ko¨nnte infolgedessen der spezifische Charakter der meist aus sozialen Bewegungen heraus entstandenen Sammlungen verloren gehen? Es geho¨rt ja gerade zu den Sta¨rken der meisten LSBTI*-Archive, dass sie eben nicht wie staatliche Einrichtungen funktionieren und deswegen eine andere, weniger distanzierte Form des Zugangs zu den historischen Materialien ermo¨glichen.6 Anstatt eine strikte Trennung zwischen Forschung und Gesellschaftspolitik nahezulegen, so wie die Struktur ,klassischer‘ Archive es tut, fordern queere Sammlungen nicht zuletzt aufgrund ihrer Na¨he zu Emanzipationsbewegungen dazu auf, u¨ber die Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlichem und aktivistischem Engagement nachzudenken. Das ha¨ngt eng damit zusammen, dass die gesammelten Fotos, Buttons, Videos, Gema¨lde, Flyer, Zeitschriften, T-Shirts, Lebensgeschichten, Bu¨cher, Protokolle und Transpa4 Vgl. http://queernations.de/queere-search-workshopbericht-nov-2017/. 5 Vgl. http://meta-katalog.eu/, Zugriff: 26. 4. 2018. Noch 2018 plant i.d.a., das Angebot um die Online-Plattform des Digitalen Deutschen Frauenarchivs zu erweitern, vgl. https://digitales-deut sches-frauenarchiv.de/, Zugriff: 26. 1. 2018. 6 Vgl. Katrin Ko¨ppert, Queere Archive des Ephemeren. Raum, Gefu¨hl: Unbestimmtheit, in: sub/ urban. zeitschrift fu¨r kritische stadtforschung, 3, 2 (2015), 67–90.
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rente fu¨r die meisten Mitarbeiter_innen der LSBTI*-Archive deutlich mehr sind als ,bloße Objekte‘. Dieses spezifische Potenzial eines nicht nur ,professionellen‘ Zugangs zu den Materialien gilt es zu bewahren, auch und gerade wenn es durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit anderen Initiativen zu Vera¨nderungen kommt. Einen weiteren Wandel, mit dem sich queere Sammlungen gegenwa¨rtig auseinandersetzen mu¨ssen, bringt die Digitalisierung mit sich. Dieser Prozess stellt die einzelnen Einrichtungen vor enorme Herausforderungen: In welchem Format sollten biografische Interviews am besten gespeichert werden? Ko¨nnen bestimmte Dokumente online zur Verfu¨gung gestellt werden? Wie lassen sich die Mo¨glichkeiten des Internets nutzen, um ein breiteres Publikum fu¨r die Arbeit der LSBTI*-Archive zu interessieren? Mit Blick auf solche Fragen kommt es darauf an, die Chancen der Digitalisierung sorgfa¨ltig zu unterscheiden von den Risiken, die sie mit sich bringt.7 In beiderlei Hinsicht werden sich breitere Bu¨ndnisse und Kooperationen, wie sie das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus initiiert, als hilfreich erweisen. Gemeinsam und im Austausch untereinander ko¨nnen queere Sammlungen bessere Lo¨sungen fu¨r Copyright-Probleme finden und den Gefahren der Online-Piraterie – wenn Privatunternehmen die Rechte an zuvor von anderen ins Netz gestellten Digitalisaten fu¨r sich beanspruchen – schlagkra¨ftiger begegnen. Gleichzeitig ebnet eine intensivierte Zusammenarbeit LSBTI*-Archiven den Weg zu einem Online-Auftritt, der ihnen mehr Sichtbarkeit verschafft und ihre Besta¨nde zuga¨nglicher macht, ohne dass sie sich ga¨nzlich dem Verfu¨gbarkeitsdiktat des Internets unterwerfen mu¨ssten, dem zufolge nur das Relevanz besitzt, was innerhalb von Sekunden auf dem Bildschirm erscheint. Es geht mithin darum, gemeinsam die Mo¨glichkeiten der Digitalisierung intelligent zu nutzen, um so nicht nur off-, sondern auch online Debatten u¨ber Fragen der sexuellen und der geschlechtlichen Vielfalt anzustoßen. Letztlich steckt hinter diesem Anliegen eine Hoffnung, welche derjenigen a¨hnelt, die bereits die Arbeit des Wissenschaftlich-humanita¨ren Komitees vor einem Jahrhundert beflu¨gelt hat. Per scientiam ad iustitiam – durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit – hieß damals die Devise. Ganz so naiv-aufkla¨rerisch vertraut man heute nicht mehr auf die friedensstiftende und heilsbringende Kraft des Wissens. Aber dennoch lohnt es sich, auch und gerade in Berlin, an die sexual- und geschlechterdemokratischen, emanzipations- und bu¨rgerrechtsbewegten Traditionen anzuknu¨pfen, welche die Stadt bereits in den 1920er-Jahren pra¨gten, bevor die Nationalsozialisten 1933 das Institut fu¨r Sexualwissenschaft zersto¨rten und damit begannen, Menschen auch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identita¨t ru¨cksichtslos zu verfolgen. Angesichts der Tatsache, dass homo- und transphobe Demagog_innen auch heutzutage ihre hasserfu¨llten Botschaften verbreiten, ist es umso wichtiger, sich forschend mit der LSBTI*-Geschichte auseinanderzusetzen und dadurch gesellschaftliche Dis7 Vgl. Sabine Balke Estremadoyro u. Petra Gehring, Feministische Forschung, frauenbewegte Archive und Digitalita¨t. Ein archivpolitisches Streiflicht, in: Jahrbuch Sexualita¨ten, 3 (2018), in Druck.
Aus den Archiven
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kussionen anzustoßen, welche gegen die Stigmatisierung nicht-normativer Lebensweisen angehen und die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sta¨rken. Das wird sich nur erreichen lassen, wenn es in den kommenden Jahren gelingt, mo¨glichst breite Allianzen zu bilden. Das Queere Kulturhaus in Berlin macht einen Anfang. Verschiedene LSBTI*-Initiativen und -Einrichtungen arbeiten hier zusammen, um ¨ ffentlichkeit fu¨r ihre Arbeit zu interessieren und fu¨r ihre gemeinsam eine breite O Anliegen zu begeistern. Bleibt zu hoffen, dass es auch an anderen Orten gelingt, vergleichbare Projekte zu initiieren und erfolgreich zu gestalten.
„Home Sweet Home“? 40 Jahre Frauenhausbewegung in Österreich
Vor den 1970er-Jahren galt Gewalt gegen Frauen als gesellschaftliches Tabuthema – und allzu oft ist es das bis heute noch. Besonders Gewalt in der Familie wurde allgemein als ,Privatsache‘ abgetan, mit der die betroffenen Frauen und deren Kinder selbst zurechtkommen mussten. Mit Beginn der sogenannten Zweiten Welle der internationalen Frauenbewegung Ende der 1960er-Jahre wurde das Problem von Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft o¨ffentlich thematisiert und ein gesellschaftlicher Modernisierungs- und Umdenkprozess eingeleitet. 1971 gru¨ndete Erin Pizzey in London ein Frauenzentrum, das sich zum ersten Frauenhaus weltweit entwickelte, weil immer mehr Frauen dort Zuflucht vor gewaltta¨tigen Partnern suchten. 1974 entstand in Großbritannien das Netzwerk Women’s Aid. Im selben Jahr o¨ffneten die Frauenha¨user in Edinburgh, Amsterdam, St. Paul (USA, Minnesota) und Sidney ihre Pforten, Berlin und Ko¨ln folgten 1976, Wien 1978 und Zu¨rich 1979. Laut WAVE (Women Against Violence Europe) gibt es derzeit rund 1.915 Frauenha¨user in 46 europa¨ischen La¨ndern.1 ¨ sterreich erstellte im Herbst 1977 eine Gruppe engagierter junger SozialarIn O beiterinnen in Wien ein erstes Konzept zur Errichtung eines Frauenhauses. Mit Unterstu¨tzung der spa¨teren Frauenministerin Johanna Dohnal, damals Wiener Gemeindera¨tin, wurde im Ja¨nner 1978 der Verein Soziale Hilfen fu¨r gefa¨hrdete Frauen und Kinder ins Leben gerufen. Schließlich ero¨ffnete am 1. November 1978 mit finanzieller ¨ sterreichs – und war in ku¨rUnterstu¨tzung des Gemeinderats das erste Frauenhaus O zester Zeit u¨berfu¨llt. Daraufhin folgte im Februar 1980 das zweite Wiener Frauenhaus, ¨ sterreich insweitere, auch in den Bundesla¨ndern, kamen hinzu.2 Heute gibt es in O
1 WAVE Country Report 2017, unter: http://fileserver.wave-network.org/researchreports/WAVE_ CR_2017.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018. 2 1996 und 2002 ero¨ffneten das dritte und vierte Wiener Frauenhaus. In den Bundesla¨ndern wurden die ersten Frauenha¨user im Dezember 1981 in Graz und Innsbruck gegru¨ndet. Es folgten: 1982 Frauenhaus Linz, 1984 Frauenha¨user in Klagenfurt und St. Po¨lten, 1986 in Wels, 1989 in Salzburg, 1990 in Dornbirn, 1991 die Frauenha¨user in Amstetten, Mistelbach und Hallein, 1992 in Steyr, 1993 in Neunkirchen, 1994 in Wiener Neustadt und Vo¨cklabruck, 1997 in Villach, 1998 in Pinzgau,
AKTUELLES & KOMMENTARE
Maria Ro¨sslhumer
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gesamt dreißig Frauenhauseinrichtungen mit 766 Pla¨tzen. Ja¨hrlich mu¨ssen u¨ber 3.000 Frauen und Kinder in Frauenha¨user ziehen.3 Seit 1992 wurden o¨sterreichweit insgesamt 71.114 Frauen und Kinder in den o¨sterreichischen Frauenha¨usern betreut und unterstu¨tzt.4
1.
2018 – 40 Jahre Frauenhausbewegung
Frauenha¨user leisten einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag und sind heute nicht mehr wegzudenkende Schutz- und Hilfseinrichtungen fu¨r Frauen und deren Kinder. Diesen „Erfolg“ feiern und pra¨sentieren die Frauenha¨user heuer – einerseits durch die Ausstellung „Am Anfang war ich sehr verliebt“ im Volkskundemuseum Wien vom 26. April bis 30. September 20185 und andererseits durch den Dokumentarfilm „Home Sweet Home – 40 Jahre Frauenhausbewegung“ der Filmemacherin Susanne Riegler. Aber auch die Medienkampagne „40 Jahre – 40 Statements“ tra¨gt dazu bei, die Bedeutung, Wichtigkeit und die Arbeit der Frauenha¨user o¨ffentlich pra¨sent und sichtbarer zu machen.6 „Fu¨r Frauen ist der vorgeblich sichere Hort der Familie ein sehr gefa¨hrlicher Platz: das Ausmaß an ta¨tlicher Gewalt im privaten Zusammenleben ist ein unvorstellbar großes“, sagte Johanna Dohnal 1993.7 Die Frauenha¨user haben in den letzten vierzig Jahren enorm viel geleistet, aber das Ausmaß der Gewalt an Ma¨dchen und Frauen ist dennoch gravierend hoch. Laut einer Studie der Agentur der Europa¨ischen Union fu¨r Grundrechte (FRA) zu geschlechterbasierter Gewalt gegen Frauen aus dem Jahr 2014 ¨ sterreich jede fu¨nfte Frau ab ihrem 15. Lebensjahr zumindest einmal ko¨rperist in O licher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Ein Drittel der Frauen musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Bela¨stigung8 erfahren und jede siebte Frau ist von Stalking betroffen. Durchschnittlich werden monatlich zwei Frauen von ihrem
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1999 in Ried/Innviertel, 2001 in Vo¨cklamarkt/Lavanttal, 2003 in Kapfenberg, 2004 in Eisenstadt, 2007 in Spittal an der Drau sowie 2008 und 2011 die Frauenhausnotwohnungen in Kufstein. 2017 suchten 3.341 Frauen und Kinder in einem der Frauenha¨user Schutz und Sicherheit, vgl. Statistik der Frauenha¨user 2017: www.aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/AOEF-Statistik_ 2017_barrierefrei.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018. ¨ sterreichische Frauenha¨user (AO ¨ F) erstellt und vero¨ffentlicht seit 1992 Der Verein Autonome O ja¨hrlich die Gesamtstatistik der Frauenha¨user. Vgl. www.volkskundemuseum.at/frauenhaeuser, Zugriff: 30. 5. 2018. Vgl. www.aoef.at/index.php/presseaussendungen/376-pa-8-1-2018-kampagne-40-jahre-40-state ments, Zugriff: 30. 5. 2018. Johanna Dohnal, UN-Menschenrechtskonferenz, Wien 18. 6. 1993, unter: http://johanna-dohnal. at/zitate?page=1, Zugriff: 30. 5. 2018. Die Studie der FRA (European Union Agency for Fundamental Rights) aus dem Jahr 2015 hat sexuelle Bela¨stigung (v. a. am Arbeitsplatz) separat abgefragt. Vgl. http://fra.europa.eu/en/publicati ons-and-resources/data-and-maps/survey-data-explorer-violence-against-women-survey, Zugriff: 30. 5. 2018.
Aktuelles & Kommentare
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eigenen Partner/Ehemann oder Expartner ermordet. Die Polizei ist ta¨glich etwa 22 Mal im Einsatz, um ha¨usliche Gewalt zu stoppen. So wurden laut Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie 2016 insgesamt 8.637 Betretungsverbote von der Polizei verha¨ngt; diese Einsa¨tze haben in den letzten Jahren zugenommen (2015: 8.261, 2014: 8.466, 2013: 8.307, 2012: 8.063).9
2.
Verein AÖF – Zusammenschluss der autonomen Frauenhäuser
¨ F engagieren sich geDie o¨sterreichische Frauenhausbewegung und der Verein AO meinsam fu¨r die Verbesserung der Opferrechte. Am 15. 1. 1988 – zehn Jahre nach der Gru¨ndung des ersten Frauenhauses in Wien – wurde der Verein Aktionsgemeinschaft ¨ F) als Zusammenschluss der Mitder autonomen o¨sterreichischen Frauenha¨user (AO ¨ sterreich gegru¨ndet. Gemeinsam mit arbeiterinnen der autonomen Frauenha¨user in O ¨ F heuer sein dreißigja¨hriges Jubila¨um feiern. den Frauenha¨usern kann der Verein AO Ziel war und ist es, ein starkes Netzwerk fu¨r und mit den Frauenha¨usern aufzubauen und Strategien gegen Gewalt an Frauen und Kindern zu entwickeln. Auf diese Weise ist es gelungen, die Problematik der ha¨uslichen Gewalt kontinuierlich o¨ffentlich und sichtbar zu machen. Auch an der stetigen Verbesserung der Gesetze haben die Mitarbeiterinnen des Vereins wesentlich mitgewirkt, wie etwa an der Implementierung der Gewaltschutzgesetze, welche 1997 in Kraft getreten sind und seither laufend reformiert ¨ F steht heute auf drei Sa¨ulen: der Informationsstelle gegen wurden. Der Verein AO Gewalt, der Frauenhelpline und der Vernetzung und Koordination von 15 autonomen ¨ sterreich.10 Frauenha¨usern in O ¨ F sind umfangDie Aufgaben der Informationsstelle gegen Gewalt im Verein AO reich und vielseitig. Sie finden im laufenden Austausch mit KooperationspartnerInnen auf nationaler und internationaler Ebene statt und umfassen Service-, Netzwerk- und Beratungsarbeit sowie umfangreiche Informations-, Bewusstseinsbildungs-, Sensibilisierungs- und folglich Pra¨ventionsarbeit. Der Verein ist seit 1992 auch Mitglied der Plattform gegen die Gewalt in der Familie11 und seit der Gru¨ndung 1994 beim euro-
9 Vgl. Ta¨tigkeitsbericht Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie 2016, unter: www. interventionsstelle-wien.at/taetigkeitsbericht-2016-download, Zugriff: 30. 5. 2018. ¨ F vernetzt. Seit 2013 10 Von 1988 bis 2013 waren 26 von 30 Frauenhauseinrichtungen im Verein AO gibt es zwei Netzwerke der Frauenha¨user, wovon 15 Frauenha¨user (vier in Niedero¨sterreich, fu¨nf in Obero¨sterreich, eines im Burgenland, drei in Salzburg, eines in Tirol und eines in Vorarlberg) im ¨ F vernetzt sind und elf Frauenha¨user dem Verein ZO ¨ F (Zusammenschluss der o¨sterVerein AO reichischen Frauenha¨user) angeho¨ren (vier in Wien, zwei in der Steiermark, vier in Ka¨rnten und das ¨ F noch zum ZO ¨F Frauenhaus in St. Po¨lten). Vier Frauenhauseinrichtungen geho¨ren weder zum AO (Mo¨dling, Frauennotwohnung Osttirol, Kufstein und Innsbruck). 11 Vgl. www.gewaltinfo.at/plattform/frauen/, Zugriff: 30. 5. 2018.
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pa¨ischen Netzwerk WAVE. Vernetzen und das Bilden von Allianzen zeichnet den ¨ F ganz besonders aus: So haben die Mitarbeiterinnen bei der Erstellung der Verein AO ¨ sterreich aktiv mitgewirkt, diese mitverfasst und CEDAW12-Schattenberichte fu¨r O koordiniert. Dies gilt auch fu¨r den im Jahr 2016 erarbeiteten GREVIO-Schattenbe¨ bereinkommen des Euroricht13 und fu¨r die Umsetzung der Istanbulkonvention (U parats zur Verhu¨tung und Beka¨mpfung von Gewalt gegen Frauen und ha¨uslicher ¨ sterreich 2013 ratifiziert hat.14 Aus dieser gemeinsamen Arbeit haben Gewalt), die O sich dreißig Organisationen aus dem Gewalt- und Opferschutz zur Allianz „GewaltFREI LEBEN“15 zusammengeschlossen, um gemeinsam die Empfehlungen vom Europarat-ExpertInnengremium GREVIO16 (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) sowie die Gleichstellungspolitik und ¨ sterreich ,im Auge‘ zu behalten und voranzutreiben. Der Gewaltpra¨ventionsarbeit in O Verein hat sich auch einen Namen durch die Produktion von zahlreichen Filmen gemacht; zu nennen wa¨re hierbei etwa der Film „Auswege“ (2003) von Barbara Albert und Nina Kusturica oder die Filmreihe „Schrittweise. Wege aus der Gewalt“, die vor allem als Schulungsfilme bei Seminaren und Workshops eingesetzt werden.17 ¨ ffentlichkeitsarbeit geho¨rt ebenfalls zu den zentralen Kampagnen-, Presse- und O ¨ Schwerpunkten des Vereins AOF. Die internationale Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, die ja¨hrlich weltweit in der Zeit vom 25. November bis 10. Dezember ¨ F seit 1992 in O ¨ sterreich koordiniert. Auch die globale stattfindet, wird vom Verein AO Kampagne „One Billion Rising“ wurde vom Verein erstmals 2012 gemeinsam mit vielen Organisationen in Wien durchgefu¨hrt und o¨sterreichweit vernetzt. Von 2014 bis 2017 konnte der Verein die umfangreiche Kampagne „GewaltFREI LEBEN“ mit finanzieller Unterstu¨tzung durch die EU-Kommission, das Frauen- sowie das Sozialministerium mit mehr als 180 KooperationspartnerInnen und Unterstu¨tzerInnen durchfu¨hren. Neben dem Erstellen und Verfassen von Publikationen und Informationsmateria¨ F ja¨hrlich Fachtagungen und Fortbildungen abgehalten lien werden vom Verein AO sowie zahlreiche Veranstaltungen und (EU-)Projekte fu¨r verschiedene Zielgruppen 12 Der UN-Ausschuss fu¨r die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW, Committee on the Elimination of Discrimination against Women) ist das Gremium unabha¨ngiger ExpertInnen, das ¨ bereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau die Umsetzung des U weltweit u¨berwacht. Der CEDAW-Ausschuss besteht aus 23 ExpertInnen fu¨r Frauenrechte welt¨ sterreich hat die UN CEDAW Convention 1982 ratifiziert. weit. O 13 Vgl. www.aoef.at/images/03_gesetze/3-5_istanbulkonvention/GREVIO-Schattenbericht_2016_ de.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018. 14 Vgl. www.aoef.at/images/04_news/Istanbul%20Konvention.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018. 15 Vgl. www.gewaltfreileben.at/de/. 16 Vgl. www.aoef.at/images/03_gesetze/3-5_istanbulkonvention/Official_GREVIO-Report_Austria _Web.pdf. Deutsche Zusammenfassung des GREVIO-Berichts unter: www.aoef.at/images/03_ge setze/3-5_istanbulkonvention/Zusammenfassung%20GREVIO-Evaluierungsbericht%20%28 Deutsch%29.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018. 17 Zu sehen unter: www.youtube.com/results?search_query=frauenhelpline, Zugriff: 30. 5. 2018.
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organisiert. Derzeit ist der Verein Partner von drei verschiedenen EU-Projekten, um Kinder und Jugendliche gegen Gewalt zu sta¨rken („yMind“) 18, gewaltbetroffene a¨ltere Frauen zu unterstu¨tzen („WHOSEFVA“) 19 und schwangeren Frauen und Mu¨ttern bei Verdacht auf Gewalt Hilfe anzubieten („RESPONSE“).20 Außerdem bieten die Mitarbeiterinnen als Gewaltexpertinnen zahlreiche Workshops, maßgeschneiderte Seminare, Schulungen und Trainings fu¨r verschiedenste Berufsgruppen, Organisationen und Betriebe an.
3.
Internationale Zusammenarbeit durch WAVE21
¨ F hat sehr fru¨h begonnen, sich mit Frauenaktivistinnen und FrauenDie Verein AO organisationen weltweit und europaweit zusammenzuschließen. So nahmen einige ¨ F an der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking teil. Mitarbeiterinnen des Vereins AO Das europa¨ische Netzwerk WAVE (Women Against Violence Europe) wurde 1994, ein Jahr nach der UN-Menschenrechtskonferenz in Wien, ins Leben gerufen. Es za¨hlt mittlerweile zum wichtigsten feministischen Netzwerk in 46 La¨ndern Europas und umfasst unza¨hlige Frauenorganisationen, die sich gegen alle Formen der Gewalt einsetzen, wie etwa Frauenha¨user, Frauenberatungsstellen, Interventionsstellen, Frauenhelplines, Frauenberatungsstellen und Hilfsorganisationen fu¨r Migrantinnen und Flu¨chtlingsfrauen. Das zentrale Ziel von WAVE ist die Gleichstellung der Geschlechter und das Beseitigen und Verhindern von Gewalt an Frauen und Kindern. Bis Mai 2014 war WAVE eine zentrale Sa¨ule der o¨sterreichischen Frauenhausbewegung und des ¨ F, danach wurde WAVE ein eigener Rechtstra¨ger und somit ein formelles Vereins AO Netzwerk mit Sitz in Wien.
4.
Frauenhelpline gegen Gewalt22
Auch die Frauenhelpline ist Teil der o¨sterreichischen Frauenhausbewegung und feiert heuer ihr zwanzigja¨hriges Jubila¨um. Im Dezember 1998 wurde auf Initiative der damaligen Frauenministerin Barbara Prammer eine nationale Beratungseinrichtung – vorerst in einem Callcenter in Salzburg – eingerichtet, um gewaltbetroffene Frauen und Ma¨dchen rund um die Uhr, kostenlos und anonym zu beraten und an das bestehende ¨ sterreich weiterNetz von Fraueneinrichtungen und sozialen Institutionen in ganz O zuvermitteln. Dieses Angebot wurde von Beginn an sehr gut angenommen, aber „auch 18 19 20 21 22
Vgl. www.youth-mind.eu/. Vgl. www.whosefva-gbv.eu/de-de/. Vgl. http://gbv-response.eu/. Vgl. www.wave-network.org. Vgl. www.frauenhelpline.at, die Nummer ist 0800/222 555.
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wenn wir nur einer Frau pro Tag helfen ko¨nnen, lohnt sich diese Helpline“, so Barbara Prammer damals im Gespra¨ch. Tatsa¨chlich unterstu¨tzt die Frauenhelpline ta¨glich zahlreiche Ma¨dchen und Frauen, allein 2017 gab es 6.603 Anrufe. Seit Beginn haben die Beraterinnen insgesamt 193.699 Anrufe entgegengenommen, davon waren etwa siebzig Prozent von Frauen und Ma¨dchen.23 ¨ sterreich die langja¨hrige Europaratsempfehlung einer nationalen Damit hat O Frauenhelpline gegen Gewalt bereits vor zwei Jahrzehnen umgesetzt und erfu¨llt. Die Angebote der Frauenhelpline sind umfangreich, sie bietet Hilfe suchenden Frauen, aber auch Personen aus dem Umfeld der Betroffenen kostenlose und umfassende Beratung, rechtliche Informationen sowie Entlastung und Sta¨rkung an – auch in Akutsituationen. Die Frauenhelpline versteht sich als direkter Draht zu den Frauenha¨usern, Frauenberatungsstellen und Gewaltschutzeinrichtungen. Schon die Erfahrungen der damaligen Callcenter-Mitarbeiterinnen hatten gezeigt, dass eine reine Weitervermittlung der AnruferInnen an entsprechende Institutionen nicht ausreicht. Gerade im Rahmen einer solchen Einrichtung ist eine professionelle Erst- und Krisenberatung unumga¨nglich. Am 1. Juni 1999 wurde daher die Frauenhelpline gegen Gewalt im Verein ¨ F in Wien in Betrieb genommen und wird seither von professionellen MitarbeiAO terinnen rund um die Uhr betreut. Seit 2005 bietet die Frauenhelpline zu bestimmten Zeiten auch Beratung in verschiedenen Sprachen an. Die Erfahrungen, Ru¨ckmeldungen und vor allem die Frequentierung nach zwanzig Jahren des Bestehens zeigen deutlich, dass die Frauenhelpline zur zentralen Opferschutzeinrichtung geworden ist. Sie macht Betroffenen bewusst, dass Gewalterfahrungen kein Einzelschicksal darstellen, und besta¨rkt die Initiative und den Mut der Frauen zur Auseinandersetzung mit ihrer (Gewalt-)Situation.
5.
Frauenhäuser haben die Gewaltschutzgesetze maßgeblich mitentwickelt
Das o¨sterreichische Gewaltschutzgesetz von 1997 war und ist ein großer Erfolg im Opferschutz und ein Meilenstein in der Gewaltpra¨vention – in vielerlei Hinsicht: Es sta¨rkt Gewaltbetroffene und deren Rechte und nimmt Gewaltausu¨bende in die Ver¨ sterreich gilt hier als internationales Vorbild und nimmt seither eine antwortung. O klare Haltung gegen Gewalt im privaten Bereich ein. Was fru¨her als „privates Problem“ abgetan wurde, wird auf diese Weise o¨ffentlich aufgezeigt. Das Gewaltschutzgesetz ist das Resultat einer langen, unermu¨dlichen und engen Zusammenarbeit der Frauenhausmitarbeiterinnen mit den Gewaltschutzzentren, den Interventionsstellen, der Polizei, Politik und Justiz. Mitte der 1980er-Jahre begannen die Frauenha¨user, mit der 23 Ta¨tigkeitsberichte und Statistiken unter www.frauenhelpline.at/de/taetigkeitsberichte, Zugriff: 30. 5. 2018.
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Polizei zu kooperieren und gemeinsame Schulungen und Fortbildungen abzuhalten. Ab den 1990ern wurde das Thema Gewalt in der Privatspha¨re in der Ausbildung der Exekutive fix verankert. Die Polizei als Partner hat schnell erkannt, dass Gewalt in der Familie ein komplexes Thema ist, das nur in Zusammenarbeit mit kompetenten Opferschutzeinrichtungen und staatlichen Stellen gelo¨st werden kann. Umso bedauerlicher ist es, dass nach dieser langja¨hrigen und guten Kooperation die Finanzierung der Schulungen in der Polizeigrundausbildung zu Gewalt in der Privatspha¨re 2017 gestrichen wurde. Die konkrete Ausarbeitung des Gewaltschutzgesetzes begann 1994, als Fachfrauen aus der Frauenhausbewegung im Auftrag des Bundeskanzleramts und der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal umfangreiche Informationsmaterialien mit dem Titel „Gegen Gewalt an Frauen und Kindern handeln“ erstellten. Johanna Dohnal initiierte daraufhin die Gru¨ndung einer interministeriellen Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Mit dabei waren sowohl Frauenhausmitarbeiterinnen als auch VertreterInnen der Polizei. Schließlich trat das Gewaltschutzgesetz am 1. Mai 1997 in Kraft. ¨ sterreich ein Tabu, es galt als individuelles Problem der Lange Zeit war Gewalt in O Frau als Betroffene. Die Implementierung dieses Gesetzes bedeutet einen wichtigen Meilenstein im Opferschutz: Die Wegweisung und das Betretungsverbot ist ein wichtiges Signal fu¨r gewaltbetroffene Frauen. Seitdem muss nicht mehr das Opfer von familia¨rer Gewalt die Wohnung und das eigene Heim verlassen, sondern die gewaltausu¨bende Person wird zur Verantwortung gezogen und hat mit Sanktionen zu rechnen – nach der damaligen Devise „Wer schla¨gt, der geht“. Gewalt an Frauen und Kindern innerhalb der Familie wurde damit erstmals als ein gesellschaftspolitisches Problem anerkannt, dessen Bewa¨ltigung Aufgabe des Staates ist.
6.
Lücken und Defizite
¨ sterreich gilt zwar international als Vorbild im Gewalt- und Opferschutz. Dies hebt O auch der ku¨rzlich vero¨ffentlichte GREVIO-Bericht24 des Europarats hervor und begru¨ßt eine Reihe positiver Maßnahmen, darunter auch das langja¨hrige politische Engagement zur Beka¨mpfung von Gewalt an Frauen. GREVIO betont insbesondere die ¨ sterreich in den letzten zwanzig Jahren bei der Einrichtungsweisende Rolle, die O fu¨hrung und Weiterentwicklung der Wegweisungen und Betretungsverbote fu¨r Ta¨ter ha¨uslicher Gewalt eingenommen hat. Weitere Gesetzesa¨nderungen, insbesondere im Strafrecht, haben zu einem umfassenden Katalog von Straftatbesta¨nden gefu¨hrt und weitreichende juristische und psychosoziale Prozessbegleitung fu¨r Opfer von Gewalt24 Der GREVIO-Bericht wurde am 27. 9. 2017 vero¨ffentlicht, vgl. www.aoef.at/images/03_gesetze/35_istanbulkonvention/Official_GREVIO-Report_Austria_Web.pdf, Zugriff: 30. 5. 2018.
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und Sexualstraftaten mo¨glich gemacht. Berichterstattungspflichten fu¨r Personal im Gesundheitswesen wurden eingefu¨hrt, um Opfern das Anzeigen von Gewalterfahrungen zu erleichtern und sie besser zu unterstu¨tzen. Aber es gibt auch noch viele Lu¨cken und Defizite im Gewaltschutz und somit noch ¨ sterreich 2013 rativiel zu tun, um die Empfehlungen der Istanbulkonvention, die O fiziert hat, umzusetzen. Schwere Gewalt gegen und Morde an Frauen nehmen zu. Auch wenn es vorher oftmals Hinweise auf Morddrohungen und Gefahrenmeldungen an Polizei und Justiz gegeben hat, konnte das vielfach nicht verhindert werden. Viele gefa¨hrliche und polizeibekannte Gewaltta¨ter werden von der Justiz auf freiem Fuß angezeigt oder freigesprochen und ko¨nnen somit Morde und Mordversuche planen und umsetzen. Mit der gesetzlichen Mo¨glichkeit einer „Prozessbegleitung“25 bringen immer mehr Frauen den Mut auf, gegen ihre Misshandler Anzeige zu erstatten. Dennoch kommen viele Ta¨ter ohne Verurteilung oder mit einem Freispruch davon. Und Opfer von (sexueller) Gewalt werden von der Justiz nicht immer ernst genug genommen. Viele Frauen erleben auch im Strafverfahren victim blaming (Opferbeschuldigung) und somit Ta¨terschutz statt Opferschutz. Sogar manche RichterInnen oder Staatsanwa¨ltInnen geben Frauen die Schuld fu¨r ihr Verhalten („Ha¨tte sie sich mehr gewehrt, ha¨tte sie sich nicht so ,sexy‘ angezogen, wa¨re sie nicht in der Nacht alleine unterwegs gewesen etc., dann wa¨re das nicht passiert.“). Es kommt auch wiederholt vor, dass Frauen mit Verleumdungsstrafen rechnen mu¨ssen, wenn der Ta¨ter sie der Unwahrheit bezichtigt. All das schreckt die Opfer vor einer Anzeige ab. Ein weiteres Problemfeld stellt dar, dass Frauenha¨user zwar prinzipiell fu¨r alle Frauen – welchen Alters, welcher Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung etc. auch ¨ sterreich nicht alle immer – offen sein sollten. Dennoch ko¨nnen und du¨rfen sie in O gewaltbetroffenen Frauen und Kinder aufnehmen, was vor allem Frauen mit preka¨rem Aufenthaltsstatus, Asylwerberinnen und Frauen mit Behinderungen trifft. Laut der Istanbulkonvention hat jede von Gewalt betroffene Frau das Recht auf einen geschu¨tzten und sicheren Platz. Trotzdem mu¨ssen nach wie vor Frauen abgewiesen ¨ F-Frauenha¨usern 309 Frauen aus Platzmangel nicht werden – 2017 konnten in den AO ¨ sterreich 766 Pla¨tze fu¨r aufgenommen werden. Derzeit bieten die Frauenha¨user in O Frauen und Kinder. Der Ausschuss fu¨r die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) im Europa¨ischen Parlament und auch die Istanbulkonvention empfehlen den Mitgliedsla¨ndern, einen Platz pro 10.000 EinwohnerInnen einzu¨ sterreich 860 Frauenhauspla¨tze, womit knapp 100 Pla¨tze sowie richten. Das wa¨ren in O ausreichende personelle und finanzielle Mittel fehlen. 25 Seit 1. 6. 2006 haben Opfer ein Recht auf kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren, seit 1. 6. 2009 auch Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung im Zivilrechtsverfahren (nach einem Strafverfahren) (§ 66 Strafprozessordnung und § 73B Zivilprozessordnung).
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Gewalt kommt teuer: Daraus resultierende Kosten betragen laut einer EU-Studie ¨ sterreich.26 Wenn nur ein aus dem Jahr 2011 ja¨hrlich 3,7 Milliarden Euro fu¨r O Bruchteil dieser Summe in Gleichstellungspolitik und Gewaltpra¨ventionsarbeit investiert und das Budget des Frauenministeriums aufgestockt werden wu¨rde, ko¨nnten Opfer von Gewalt besser geschu¨tzt und unterstu¨tzt werden – und letztlich ko¨nnte Geld eingespart werden. Gewaltpra¨vention beinhaltet unter anderem auch Bewusstseins¨ ffentlichkeitsarbeit, Kampagnen, verpflichtende Fortbildungsangebote, aber und O ¨ sterreich hat durch die Ratifizierung der auch opferschutzorientierte Ta¨terarbeit. O Istanbulkonvention einen neuen Handlungsauftrag im Bereich Gewaltschutz, der vom zusta¨ndigen Frauenministerium koordiniert und von der Regierung umgesetzt werden muss.
26 „The economic cost of violence against women in the EU has been estimated at EUR 228 billion annually“, vgl. Monika Nogaj, European Added Value Assessment EAVA3/2013: Combating violence against women, Bru¨ssel 2013, 5 u. 24, unter: www.europarl.europa.eu/meetdocs/2009_ 2014/documents/femm/dv/eav_violence-against-women-/eav_violence-against-women-en.pdf. Diese Kostenkalkulation wurde auch in die Parlamentsresolution vom 25. 2. 2014 integriert: European Parliament resolution of 25 February 2014 with recommendations to the Commission on combating Violence Against Women (2013/2004(INL)), unter: www.europarl.europa.eu/sides/get Doc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2014-0126+0+DOC+XML+V0//EN, Zugriff: 30. 5. 2018.
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Neue Studien zu kanadischen Kriegskrankenschwestern Linda J. Quiney, This Small Army of Women. Canadian Volunteer Nurses and the First World War, Vancouver/Toronto: UBC Press 2018, 288 S., ca. EUR 32,– (paperback), ISBN 978-0-7748-3072-3. Cynthia Toman, Sister of the Great War. The Nurses of the Canadian Army Medical Corps (= Studies in Canadian Military History), Vancouver/Toronto: UBC Press 2016, 336 S., ca. EUR 30,– (paperback), ISBN 978-0-7748-3214-4. Die Geschichte der Kriegskrankenpflege geho¨rt zu den Kernthemen der Forschungen zum Ersten Weltkrieg. Sie beru¨hrt zahlreiche historische Entwicklungslinien, wie etwa die Sozial- und Medizingeschichte des Milita¨rischen, die Formierung der ,Heimatfront‘ und die Frage nach einem geschlechterspezifischen Patriotismus und Nationalismus. Im britischen Kulturraum war zudem die Tradition der Kriegskrankenpflege seit der Arbeit Florence Nightingales im Krimkrieg von einer fast mythologischen Aura umgeben. Der große Vorteil der beiden hier besprochenen Monografien ist, dass ganz grundlegend zwei unterschiedliche Formen der Kriegskrankenpflege dargestellt werden. Zum einen die bezahlten und ausgebildeten Krankenschwestern, die im Falle Kanadas als den Soldaten gleichgestellte Armeeangeho¨rige ta¨tig waren, zum anderen die „kriegsfreiwilligen“ jungen Frauen des VAD (Voluntary Aid Detachement), die sich aus Patriotismus, Na¨chstenliebe und Abenteuerlust als Hilfsschwestern meldeten, von den diplomierten Pflegerinnen aber separiert wurden. Die Bu¨cher bescha¨ftigen sich jeweils mit einer dieser beiden Gruppen und ko¨nnen, das wa¨re die Empfehlung, sehr gut miteinander kommunizierend gelesen werden. Beide behandeln Kanada und ko¨nnen damit exemplarisch ein Dominium des Britischen Empires pra¨sentieren. Zugleich formte die politisch und geografisch besondere Lage jedoch auch spezifische Auspra¨gungen des Schwestern- oder Hilfspflegerinnenberufs. Linda J. Quiney beschreibt in „This Small Army of Women. Canadian Volunteer Nurses and the First World War“ die Geschichte der kanadischen VADs, jener Hilfspflegerinnen, die u¨ber keine professionelle Schwesternausbildung verfu¨gten. Erst nach ihrer Meldung erhielten sie ein Erste-Hilfe-Training, welches sie befa¨higte, ausgebildeten Pflegerinnen zur Hand zu gehen und im Notfall auch eine Erstversorgung vornehmen zu ko¨nnen. Innerhalb des britischen Kulturraumes erlangte die Repra¨sentation der freiwilligen Kriegskrankenpflege erheblichen Einfluss, wie der Erfolg der Memoiren Vera Brittains oder anderer nurse writers zeigt, etwa May Sinclairs autobiografische Darstellung der Krankenwagenfahrerinnnen in Belgien.1 Quiney be-
1 Vgl. Vera Brittain, Testament of Youth. An Autobiographical Study of the Years 1900–1925, London
REZENSIONEN
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ru¨cksichtigt die Forschungsergebnisse zu den britischen VADs in besonderem Maße und zieht immer wieder vergleichende Schlu¨sse. Sie untersucht, aus welchen Schichten diese Frauen kamen, welche Motive zur Kriegsteilnahme vorherrschten und welche Beziehungen zwischen der ausgebildeten Schwesternschaft und den Hilfspflegerinnen bestanden. Die Autorin kann dabei auf weitgefa¨chertes Quellenmaterial zuru¨ckgreifen: auf Briefe, Tagebu¨cher und Memoiren sowie Archivmaterial vor allem zur Mutterorganisation der St. John Ambulance (vergleichbar mit der deutschen Johanniter-UnfallHilfe) und des Roten Kreuzes. Entstanden ist so eine gut lesbare und anregende Studie, die auch fu¨r ein breiteres Publikum geeignet ist und dennoch aktuelle Forschungsfragen nicht außer Acht la¨sst. Etwa 2.000 VAD-Helferinnen meldeten sich nach 1914 zum Einsatz. Die meisten blieben in Kanada und Neufundland, einige Hundert allerdings durften auf eigenen Wunsch an die europa¨ischen Kriegsschaupla¨tze und konnten dort in alliierten Milita¨rhospita¨lern arbeiten. Den Helferinnen, die im Land blieben, wurde die Ta¨tigkeit in Milita¨rhospita¨lern zumeist untersagt, da die Berufsverba¨nde der ausgebildeten Krankenschwestern sich dagegen zur Wehr setzten. Die VADs kamen deshalb vor allem in Erholungsheimen fu¨r rekonvaleszente Soldaten und Offiziere zum Einsatz. Seit 1900 hatten die Krankenschwestern in Kanada fu¨r eine geregelte Ausbildung geka¨mpft, insofern sahen sie die Konkurrenz durch die ehrenamtlich ta¨tigen VAD-Helferinnen mit sehr zwiespa¨ltigen Gefu¨hlen. So bedeuteten die ehrenamtlichen Helferinnen aufgrund ihrer Herkunft aus zumeist ho¨heren gesellschaftlichen Schichten auch eine Bedrohung des eigenen Status. Dieser Konflikt formte die Arbeit und die o¨ffentliche Wahrnehmung der VAD-Helferinnen in erheblichem Maße, das wird in Quineys Darstellung ganz deutlich. Im Gegensatz zum Bild der VADs in Großbritannien, das vor allem ,To¨chter aus gutem Hause‘ repra¨sentiert, kommt Quiney fu¨r Kanada zu einem facettenreicheren Eindruck; nicht wenige der VADs gaben gut bezahlte Positionen als Lehrerinnen auf, um sich fu¨r die unbezahlte Arbeit als Hilfsschwester zu melden. Viele kamen aus der gehobenen Mittelschicht, wenige aus ganz reichen Familien. Im Falle Kanadas und Neufundlands kam aufgrund der geografischen Lage noch eine gute Portion Abenteuer- und Reiselust hinzu, denn zahlreiche junge Frauen wu¨nschten, in Europa ein¨ bersee gehen durften, gesetzt zu werden. Die VAD-Schwestern, die tatsa¨chlich nach U wurden aber – unter anderem aufgrund der Gegenwehr der verschiedenen Vereinigungen diplomierter Schwestern – nicht an der Front, sondern ho¨chstens an zentralen Knotenpunkten im Hinterland eingesetzt. Daru¨ber hinaus hinterfragt Quiney die Einscha¨tzung Vera Brittains, dass die Arbeit an verletzten Ma¨nner(ko¨rper)n die rigide Sexualerziehung der britischen Oberschicht unterlief.2 Sie kommt hingegen zu dem 1933; May Sinclair (Pseudonym fu¨r Mary Amelia St. Clair), A Journal of Impressions in Belgium, New York 1915. 2 Vgl. Brittain, Testament of Youth, wie Anm. 1, 168f.
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¨ berwachung der Hilfsschwestern massiv war; manchmal fu¨hrten Ergebnis, dass die U schon kleinste private Kontakte zur Verlegung der entsprechenden Patienten. Offenbar wurden sie sorgfa¨ltiger sozial kontrolliert als die beruflichen Krankenpflegerinnen, da sie ha¨ufiger aus der britischsta¨mmigen oberen Mittelschicht kamen und die Pflegeleitung sich fu¨r die Sicherheit der Frauen durchaus verantwortlich fu¨hlte. In ihren Selbstzeugnissen beschrieben sich die VADs eher als mu¨tterliche Pflegerinnen ihrer Patienten, wohl auch um abwertenden sexualisierten Zuschreibungen keinen Raum zu geben, welche in satirischen Postkarten und Soldatenwitzen immer wieder aufgegriffen wurden. Cynthia Thoman beschreibt in „Sister of the Great War. The Nurses of the Canadian Army Medical Corps“ gleichsam die andere Seite der Geschichte, na¨mlich die der ausgebildeten kanadischen Krankenschwestern, deren Zahl die der freiwilligen Helferinnen weit u¨berstieg. Sie wertet ein Sample von 2.845 ausgebildeten Frauen aus, die sich fu¨r die Kriegskrankenpflege meldeten, den milita¨rischen Rang und die Besoldung eines Soldaten erhielten und damit den ma¨nnlichen Kameraden vollkommen gleichgestellt waren – eine Besonderheit des kanadischen Beispiels. Obwohl es viele Bewerbungen von nicht diplomierten Schwestern gab, versuchte die „Matron-inChief“ (milita¨rische Pflegeleitung) streng darauf zu achten, dass nur ausgebildete nurses in den soldatischen Rang kamen. Einige wenige konnten trotz fehlendem Diplom dennoch diese Hu¨rde nehmen (S. 41f.). Thoman untersucht vor allem jene Krankenschwestern, die in Europa ihren Dienst versahen. Sie fragt danach, ob sich die Schwestern selbst als Soldaten verstanden, inwiefern ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen den soldatischen glichen und wie ihre medizinische und pflegerische Arbeit gestaltet war. Daru¨ber hinaus analysiert sie das soziale Leben der Schwestern, ihre Beziehungen zu Vorgesetzten und zu Patienten sowie die Freizeitgestaltung. Dabei betrachtet sie nicht nur Belastungen, sondern auch die Handlungsmacht und potenziellen Freira¨ume der Frauen. In ihrer Studie sind zahlreiche u¨berraschende Fakten auszumachen, wie etwa die touristische Reiseta¨tigkeit der Schwestern, aber auch Berichte u¨ber harte Hungertage beim Einrichten von Lazarettzelten auf der griechischen Mittelmeerinsel Limnos, als das Pflegepersonal tagelang kein Essen und Trinken hatte. Beschwerden u¨ber diese bedrohlichen Zusta¨nde wurden von den Oberschwestern nur mit dem Verweis auf die Lage der Soldaten an der Front kommentiert. Diese bildete fu¨r die Schwestern tatsa¨chlich ihren sta¨ndigen Referenzpunkt, schließlich waren sie sich immer bewusst, dass sie in Sold und Rang ihren ma¨nnlichen Kameraden gleichgestellt waren. Aus diesem Grund waren sie bereit, sich den sehr harten und gefa¨hrlichen Bedingungen auszusetzen und die Gefa¨hrdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit in Kauf zu nehmen. Nicht nur das Verha¨ltnis zu den ungelernten Hilfspflegerinnen, sondern auch das zu den britischen Kolleginnen bestimmte die Arbeit der kanadischen nurses: Sie wurden ha¨ufig als „colonials“ abgewertet und ihnen wurden geringere Bildung und schlechtere Umgangsformen nachgesagt. Insgesamt konnten die Arbeitsbedingungen sehr unterschiedlich sein, plo¨tzliche
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¨ berlastung nach verlustreichen Schlachten wechselte sich ab mit bohrender heftige U Langeweile, wenn nur wenige Verletzte zu pflegen waren. Aufgrund der zeitweise extrem harten Arbeitsbedingungen und der traumatisierenden Erfahrungen mit schwer verletzten und sterbenden Menschen, welche nach großen Schlachten oftmals nicht angemessen versorgt werden konnten, alterten die Schwestern ha¨ufig deutlich schneller – ein Pha¨nomen, das diese selbst in unterschiedlichen Selbstzeugnissen mit großem Bedauern zur Kenntnis nahmen. Lange wurde in der Forschung u¨ber das emanzipatorische Potenzial des Krieges fu¨r Frauen diskutiert, eine solche Wirkung wurde in den letzten Jahren eher verneint. Dennoch bleibt die Frage, inwiefern die Kriegskrankenpflege tatsa¨chlich erweiterte Handlungsmo¨glichkeiten fu¨r Frauen bot, schließlich wurden hier einerseits tradierte Rollenvorstellungen aufrechterhalten, andererseits konnten Frauen aus dem engen privaten Bereich heraustreten und zweifelsohne neue grenzu¨berschreitende Erfahrungen machen. Doch auch hier zeigt sich das Janusgesicht dieser Freira¨ume im Krieg. Der Preis war sehr hoch: Viele erholten sich von den Strapazen nicht mehr und blieben nach dem Krieg ko¨rperlich oder seelisch chronisch krank. Angesichts dieser widerspru¨chlichen Anforderungen und Folgen fragt Thoman danach, ob es auch Frauen gab, die von dieser Ta¨tigkeit fu¨r ihre zuku¨nftige Lebensgestaltung nach dem Krieg in Kanada profitieren konnten. In Einzelfa¨llen schien das mo¨glich. Nach der Ru¨ckkehr ins zivile Leben stellte etwa der stark wachsende PublicHealth-Sektor einen Bereich dar, um die 1918/19 zahlreich in den zivilen Sektor ¨ bersee zu bescha¨ftigen. Von einer durchgehend zuru¨ckkehrenden Schwestern aus U befreienden Wirkung der Kriegskrankenpflege auf diese Frauen kann aber insgesamt betrachtet keine Rede sein. Beide Monografien lesen sich spannend, wobei Thomans Darstellung weniger analytisch als die Quineys ist, sie bietet eher einen erza¨hlenden Stil. Als inhaltliche Kritik wa¨re allenfalls anzumerken, dass beide Untersuchungen kaum mit der allgemeinen Geschichte Kanadas im Ersten Weltkrieg gekoppelt werden. Das betrifft vor allem die sogenannte Wehrpflichtkrise von 1917, als die allgemeine Wehrpflicht gegen Widersta¨nde auch in den Dominions eingefu¨hrt wurde. Dies fu¨hrte bekanntlich zu einem Nationalisierungsschub Kanadas und zu einer Distanzierung vom britischen Mutterland. Hier wa¨re es interessant gewesen zu erfahren, ob sich diese Entwicklung auch innerhalb der Schwesternschaft bemerkbar gemacht hatte. Trotz dieser kleinen Einschra¨nkungen sind hier zwei spannende und gut gelungene Darstellungen entstanden, welche die Arbeits- und Lebensverha¨ltnisse von Kriegskrankenschwestern reflektiert und anschaulich erza¨hlen. Silke Fehlemann, Du¨sseldorf/Dresden
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Geschlecht und Literatur im Ersten Weltkrieg Angela K. Smith, British women of the Eastern Front. War, writing and experience in Serbia and Russia, 1914–20, Manchester: Manchester University Press 2016, 224 S., 2 graphische Darstellungen, ca. EUR 72,–, ISBN 978-0-7190-9618-1. Aibe-Marlene Gerdes u. Michael Fischer (Hg.), Der Krieg und die Frauen. Geschlecht und popula¨re Literatur im Ersten Weltkrieg (= Popula¨re Kultur und Musik 16), Mu¨nster/New York: Waxmann Verlag 2016, 316 S., 35 Abb., EUR 34,90, ISBN 9783-8309-3356-4. Fu¨r die vergangenen Jahre und insbesondere seit 2014 ist insgesamt ein versta¨rktes Forschungsinteresse am ,Großen Krieg‘ festzustellen. Nach wie vor mangelt es jedoch an Studien, die insbesondere die Ostfront als auch Geschlecht fokussieren. Frauen- und geschlechtergeschichtliche Perspektiven beziehungsweise das ,weibliche Gesicht des Krieges‘ bleiben in historischen und literaturwissenschaftliche Arbeiten zum Ersten Weltkrieg vernachla¨ssigt. Die Monographie von Angela K. Smith und der von AibeMarlene Gerdes und Michael Fischer herausgegebene Sammelband greifen damit ein wesentliches Desiderat der gegenwa¨rtigen Forschung zum Ersten Weltkrieg auf. Der Sammelband „Der Krieg und die Frauen“, der neben der Einleitung von Gerdes 15 Artikel zu Deutschland, Polen und Finnland entha¨lt und damit verschiedene ehemalige Kriegsregionen in den Blick nimmt, betont die handlungsorientierte, performative Bestimmung von Popula¨rliteratur. Der erste und zugleich umfangreichste Teil untersucht ausgewa¨hlte Werke popula¨rer Schriftstellerinnen. Nicolas Detering zeigt hier anhand der Werke von Thea von Harbou, Ina Seidel und Agnes Sapper, dass von einem „Spektrum an Verknu¨pfungsmo¨glichkeiten von Bellizismus, Gendernormierung und literarischen Teilhabeentwu¨rfen“ (S. 51) ausgegangen werden kann. So leiteten diese dem Argument des Krieges als Erneuerer und Erzieher folgend „didaktische Partizipationsentwu¨rfe“ (S. 52) ab, um die ,Kriegstu¨chtigkeit‘ und den Dienst der Frauen fu¨rs Vaterland zu unterstreichen, der ebenso wichtig sei wie jener der Ma¨nner. Die Frontkrankenschwester und andere Frauenschicksale als literarische Figur untersuchen die anregenden Beitra¨ge von Sabine Schu und Mascha Marlene Vollhardt. Schu analysiert anhand von drei Ma¨dchenkriegsromanen deren Protagonistinnen und darin evozierte Bilder, die zwischen der Darstellung als Heilige (Krankenschwester), Hure („Etappenma¨del“) und „Schwertjungfrau“ (Kombattante) changieren. Fu¨r die literarische Gestaltung der aktiven Frontteilhabe von Frauen konstatiert Schu eine „,psychische Entlastungsfunktion‘, die zwar das Kriegserlebnis zumindest ersatzweise imaginiere“ (S. 111), jedoch indirekt zur Herstellung der traditionellen Geschlechterordnung beitrage. Der Fronteinsatz der Krankenschwester werde hingegen durch das Bild der Heiligen legitimiert und die traditionelle Geschlechterdichotomie damit sanktioniert; als „Integrationsfigur“ (S. 111) habe sie aber die strenge Dichotomie von
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,Front‘ und ,Heimatfront‘ durchbrochen. Mascha Vollhardt stellt daru¨ber hinaus die These auf, dass „die narrative Hervorbringung einer weiblichen Geschlechtsidentita¨t im Text an die Figur der Krankenschwester gekoppelt ist“ (S. 115). Diese werde im autobiografischen Roman von Suse von Hoerner-Heintze durch tradierte und kriegsbedingte Narrative gleichermaßen repra¨sentiert. Im zweiten Teil des Bandes zu „(Selbst-)Repra¨sentation von Frauen“ stehen die religio¨se Kriegslyrik unter anderem von Eleonore Kalkowska und Marie Feesche, die Erfahrungswelt der Jugendbewegung, die o¨sterreichische Kriegsberichterstatterin Alice Schalek sowie das Gendering der Kriegswahrnehmung in der polnischen Literatur und die Literarisierung des Krieges in Finnland im Mittelpunkt. Eine bislang besonders stark marginalisierte Perspektive auf schriftstellerisch dilettantische Texte der jugendbewegten Kriegsliteratur bietet Antje Harms. Anhand der Zeitschriften des deutschen Ma¨dchen-Wanderbundes und der Fahrenden Gesellen zeigt sie, dass „Verhaltensvorgaben und Aktionsfelder“ (S. 151) eine geschlechteru¨bergreifende Relevanz besaßen. Daru¨ber hinaus waren Kriegserfahrung und -deutung in der bu¨rgerlichen Jugendbewegung nicht nur geschlechtlich markiert. Eine interessante vergleichende und differenzierte Perspektive bieten die Aufsa¨tze zu Polen und Finnland. Hierbei wird gezeigt, dass die Gedichte der Lyrikerinnen Liinamaa-Pa¨rssinen und Lyyli Eronen als „neue weibliche Lyrik“ (S. 222) einzuordnen sind. In ihren von der Arbeiterlyrik politisch-ideologisch gepra¨gten Werken fordern sie vor allem Verbesserungen fu¨r das Leben von Frauen und halten „ein Bewusstsein u¨ber den drohenden Kriegsausbruch “ (S. 223) fest. Monika Szczepaniak unterstreicht in ihrem Text die vorherrschende besondere Variante eines „Kriegsgenderings“ in der polnischen Kriegsliteratur, und zwar die „Vorstellung von Krieg selbst als einer attraktiven Frau“ (S. 194). Gedichte und Lieder repra¨sentierten dabei differente Etappen der Ma¨nnlichkeitsnarration. So wu¨rde „durch das Medium des weiblichen Ko¨rpers […] die milita¨rische Welt mit der zivilen verknu¨pft und eine ikonische Identita¨t der staatsbildenden Nation konstruiert“ (S. 205). Der dritte Teil des Sammelbandes, „Kriegskultur und ihr literarischer Widerhall“, untersucht den zeitspezifischen Humor und die Intermedialita¨t der popula¨ren Literatur. Einerseits werden Formen und Strategien des Sprechens in der Kriegslyrik von Frauen, Geschlechterinszenierungen auf Liedkarten und die humoristische Darstellung von Frauen im Feld analysiert, und andererseits Bilder und das Beispiel des Mo¨rsers „Dicke Bertha“ in Liedern sowie die Rezeption von weiblichen Nagelungsaktionen. Andreas Schumanns Aufsatz macht deutlich, dass Autorinnen in ihren Gedichten ebenso aggressiv ins Humoristische gewendete Feindesbilder kreierten wie ihre Kollegen, sich aber eher als die „Garanten des Normalen und Allta¨glichen“ (S. 238) pra¨sentierten. Fu¨r das satirische Sprechen habe die Geschlechterfrage hingegen eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Artikel zu Liedkarten und Soldatenliedern verweisen auf Emotionen und gemeinschaftsstiftende Gefu¨hle im Krieg. Die Figur der Annemarie – in den sogenannten Annemarie-Liedern (einem spezifischen Typus von Sol-
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datenlied) aufgrund des popula¨ren Vornamens besungen – wird darin ausschließlich als sexualisierte Kunst- und „Kontra¨rfigur zur Frau an der Heimatfront“ (S. 272) pra¨sentiert, um das soldatische Selbstbild zu festigen. Gerdes konstatiert „die Degradierung der ,Frau im Feld‘ generell in den Zeugnissen soldatischer Kultur“ (S. 273). Eine solche Sexualisierung greift auch der Beitrag von Frauke Schmitz-Gropengießer zur „Dicken Bertha“ auf. Die Autorin zeigt, wie der Mo¨rser in der deutschen Kriegspropaganda in Soldatenliedern und auf Bildpostkarten als „Projektionsfla¨che fu¨r die Phantasien der Soldaten“ (S. 276) fungierte, die ein durchaus als „ambivalent“ (S. 294) zu bewertendes Frauenbild hatten, das von Beschu¨tzerin u¨ber Partnerin bis hin zur sexuell konnotierten Geliebten reichte. Insgesamt besticht der Sammelband durch die Analyse der bislang vernachla¨ssigten Popula¨rkultur, die zweifelsohne Anteil an der Kriegspropaganda hatte. Er regt zu weiteren Forschungen zur von Frauen verfassten Kriegslyrik an, die auch Fragen „nach mentalita¨tsoder ideologiegeschichtlichen Zusammenha¨ngen“ (S. 238) stellen und die transnationale Perspektive weiterentwickeln ko¨nnten. Fu¨r das ansonsten erhellende Buch ha¨tte man sich sowohl theoretische Reflexionen u¨ber emotionshistorische Zuga¨nge und einen Verweis auf Angela K. Smiths schon 2000 herausgegebenen Band „Women’s Writing of the First World War“ als auch ein Autor_innen-Verzeichnis gewu¨nscht. In ihrer neuen Monografie fokussiert Angela K. Smith die Ostfront des Ersten Weltkrieges. Ziel ihrer in sieben Kapitel unterteilten Studie ist es, „the experience and contributions of British women performing various kinds of active service across the Eastern Front in Serbia, Russia and Romania“ zu untersuchen. Sie richtet dabei „particular attention to the ways in which they chose to represent that experience through a range of written records“ (S. 2). Geleitet von ihrer Forschungsfrage, wie die Erfahrungen von Frauen durch Nationalita¨t, Gesellschaft und Kultur gepra¨gt wurden, nimmt Smith insbesondere die Geschlechterrollenkonzepte der Edwardianischen und Viktorianischen Epoche in den Blick. Im Gegensatz zum britischen Milita¨r, das zu Beginn des Ersten Weltkrieges keinen Dienst von Frauen im Milita¨r akzeptierte, war die Expertise von weiblichem britischen medizinischen Personal vor allem in Serbien und Russland von Anfang an willkommen. Bereits seit dem Ersten Balkankrieg 1912 sammelten Frauen in unabha¨ngigen „women’s hospital units“ in Serbien Erfahrungen. Sie wurden direkt koordiniert von der britischen Frauenstimmrechtsbewegung, die den nationalen Unabha¨ngigkeitskampf gegen das Osmanische Reich unterstu¨tzte. Damit stellte der Erste Weltkrieg fu¨r diese Frauen, die zumeist der mittleren und ho¨heren Schicht entstammten und von Patriotismus und Pflichtgefu¨hl geleitet wurden, „eine Kontinuita¨t eines nationalen Kampfes“ (S. 5) dar. Smith folgt unter anderem den Spuren der Scottish Women’s Hospitals (SWH) for Foreign Service, eine der erfolgreichsten und pra¨sentesten Frauenorganisationen an der Ostfront. Zudem stehen Frauen wie Elsie Inglis und Flora Sandes, die einzige britische Kombattante in der serbischen Armee, oder Mary Britnieva, eine Augenzeugin der Oktoberrevolution in Russland, im Zentrum des Buches.
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Im ersten Kapitel analysiert die Verfasserin als alternative literarische Strategien jene Narrative der Frauen, die die „otherness“ der Erfahrungen widerspiegeln, sie zeigt, „how their writing develops a response to the experience of the war and their understanding of the histories behind it“ (S. 25). Im anschließenden Kapitel kontextualisiert Smith Aufzeichnungen von britischen Krankenschwestern, die von 1914 bis 1915 in Serbien wa¨hrend einer Typhusepidemie im Einsatz waren. Daran anschließend nimmt sie Frauen in den Blick, die fu¨r das russische Rote Kreuz arbeiteten. Deren Narrative beinhalten auch marginalisierte Perspektiven, wie die der in den Quellen „stimmlos“ gebliebenen russischen Soldaten aus ba¨uerlichen Schichten, mehrheitlich Analphabeten, die keine Selbstzeugnisse und Egodokumente hinterließen. Das dritte Kapitel mit dem bezeichnenden Titel „Role call? The female body and gender Identity on the Eastern Front“ – fu¨r die Rezensentin der interessanteste Teil – analysiert die aktive Kriegsteilnahme von Frauen. Hier zeigt Smith das Nebeneinander von konventionellen Erwartungen von Weiblichkeit jener Zeit und den neuen physischen und emotionalen Erfahrungen von Frauen an der ,Front‘ auf. Die Fluidita¨t der Geschlechterrollen wird dabei insbesondere am Beispiel der britischen Soldatin Flora Sandes deutlich. Kapitel vier und fu¨nf beleuchten die Arbeit des weiblichen Medizinpersonals in Serbien wa¨hrend der Besatzung durch die feindliche Armee und auf der Flucht mit der geschlagenen serbischen Armee. Hier argumentiert Smith, dass „Britishness“ fu¨r die Frauen im Rahmen der Gefangenschaft „a significant impact on their behaviour patterns“ (S. 27) hatte, wa¨hrend sie bei der Flucht „femininity“ (S. 27) nutzten, um Hilfe zu leisten und zu u¨berleben. Das anschließende, ku¨rzere Kapitel thematisiert die Erfahrungen britischer Frauen wa¨hrend der Russischen Revolution, die unterschiedliche Perspektiven auf die Ereignisse werfen und Begegnungen mit gewo¨hnlichen Menschen, aber auch das Chaos, die Gefahren und politischen Auswirkungen auf ihr Leben widerspiegeln. Im letzten Kapitel skizziert Smith die verschiedenen Schicksale und Erfahrungen der Frauen bei Kriegsende und fu¨hrt vor Augen, dass viele von ihnen insbesondere in Serbien ihre humanita¨re Arbeit fortsetzten. Smith legt ein anregend geschriebenes Buch vor, das erstmals die Arbeit britischer Frauen an der Ostfront fokussiert. Zweifelsohne ist es eine Pionierstudie, die aber auch offene Fragen hinterla¨sst, so zum Beispiel in Bezug auf die Begegnungen mit gegnerischen Kriegsteilnehmerinnen oder die Wahrnehmung der britischen Frauen in der lokalen Erinnerungskultur Serbiens oder Russlands nach dem Ersten Weltkrieg. Beide hier besprochenen Werke zeigen, dass der Zusammenhang von Geschlecht und Kriegskultur als Teil einer „Geschichte von unten“ erkenntnisreich ist und weitere (vergleichende) Forschungen in diesem Feld vielversprechend sind. Angelique Leszczawski-Schwerk, Dresden
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Judith Szapor, Hungarian Women’s Activism in the Wake of the First World War. From Rights to Revanche, London/New York: Bloomsbury Academic 2018, 224 S., ca. EUR 95,–, ISBN 978-1-3500-2049-8. Judith Szapor fu¨llt mit ihrer Studie u¨ber die Handlungsspielra¨ume und den Aktivismus ungarischer Frauen vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg Forschungslu¨cken zu Geschlechterdiskursen und Nationalismus in Ungarn sowie zu/r rechten Frauenbewegung/en in der Zwischenkriegszeit. Als zeitlichen Rahmen zieht sie zwei Ereignisse heran, zwischen denen sie einen geschlechterpolitischen und gesellschaftlichen Paradigmenwechsel in Ungarn verortet: den 7. Kongress der International Woman Suffrage Alliance (IWSA) im Mai 1913 und den Einmarsch von Admiral Miklo´s Horthy und seiner Armee in Budapest am 16. November 1919, der von der Nationalen Assoziation Ungarischer Frauen (MANSZ) bejubelt wurde. Mit Ende des Ersten Weltkrieges fanden in Ungarn zwei Revolutionen sowie eine Gegenrevolution statt, die jeweils unterschiedliche Emanzipationsmodelle fu¨r Frauen hervorbrachten (S. 21). Vor diesem Hintergrund begibt sich Szapor anhand von teilweise zuvor noch nicht erforschtem Archivmaterial und anhand von Zeitungsberichten auf die Suche nach Aktivita¨ten und Netzwerken der Protagonistinnen dreier Stro¨mungen der ungarischen Frauenbewegung/en (liberal-feministisch, sozialistisch und konservativ-nationalistisch). Alle drei Richtungen hatten enge Verbindungen zu gro¨ßeren sozialen und politischen Bewegungen, innerhalb derer Szapor sie auch verortet: Wa¨hrend sozialistische und katholische Frauenorganisationen Teile ma¨nnlich gefu¨hrter Institutionen waren, vernetzten sich liberale Feministinnen vor allem mit der internationalen liberalen Frauen(rechts)bewegung (S. 23). Wie Szapor aber deutlich zeigt, standen die Protagonistinnen aller drei Stro¨mungen in regem Austausch miteinander: Sie bildeten Allianzen, grenzten sich voneinander ab oder schufen unu¨berwindbare Gra¨ben. Szapor zeichnet in ihrer Monografie zuna¨chst die Aktivita¨ten der liberalen Frauenbewegung – vor allem in Bezug auf den Kampf um das Frauenwahlrecht – nach. Sie beschreibt die Erweiterung von politischen Handlungsspielra¨umen in der demokratischen Republik (ab November 1918) und der Ra¨terepublik (ab Ma¨rz 1919) und fokussiert schließlich auf die nationalistische Frauenbewegung der Zwischenkriegszeit, die alle anderen Frauenbewegungen in den Hintergrund dra¨ngte (S. 89). Szapor schreibt den Akteurinnen der Gegenrevolution eine wichtige Rolle in der Formierung einer stark vergeschlechtlichten, antisemitischen und reaktiona¨ren Ideologie zu, die in der Zwischenkriegszeit hegemonial wurde. Die liberale Frauenbewegung diente dabei als Feindbild: Sie wurde als ju¨disch, links, intellektuell, pazifistisch und internationalistisch angefeindet (S. 4). Der Aufbau des Buches folgt mehreren sich durchkreuzenden Erza¨hlstra¨ngen. Nach ¨ berblick u¨ber Frauenbewegungen und Geschlechterverha¨ltnisse in Ungarn einem U (Kap. 1) geht Szapor auf verschiedene liberale Frauenorganisationen und ihre Mitglieder ein, die sich selbst als feministisch identifizierten und sich fu¨r die Rechte von
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Frauen und das Frauenwahlrecht einsetzten (Kap. 2). Eine davon war die Assoziation der Feministinnen Ungarns (FE), deren Anspruch es war, die Interessen von Frauen aus verschiedenen sozialen Kontexten zu repra¨sentieren. Im Zeitraum vom Sommer 1917 bis in den Sommer 1918 bildete sich etwa eine Koalition aus bu¨rgerlichen und adeligen Frauen, die sich auch fu¨r die Rechte der Arbeiterinnen aussprach und gemeinsam das Wahlrecht fu¨r alle Frauen forderte (S. 46). In einem weiteren Schritt stellt Szapor die Frage, inwiefern ungarische Frauen tatsa¨chlich eine Revolution hatten (Kap. 3). Die aus der ersten Revolution Ende Oktober 1918 hervorgegangene Republik fu¨hrte ein Wahlrecht ein, das zwar Frauen gegenu¨ber Ma¨nnern diskriminierte, aber – so argumentiert Szapor – die politischen Handlungsspielra¨ume von Frauen dennoch erweiterte. Einige Monate spa¨ter wurden die gewachsenen Organisationsstrukturen allerdings durch die Gru¨ndung der Ra¨terepublik erschu¨ttert und mussten von den Protagonistinnen neu evaluiert werden (S. 82). In Kapitel sechs reflektiert die Autorin diese Entwicklungen noch einmal im Kontext der Potenziale und Grenzen der Staatsbu¨r¨ ber die Schilderung von Konflikten und einer zunehmenden gerschaft fu¨r Frauen. U Polarisierung auch innerhalb der liberalen Frauenbewegung gelangt Szapor zu einer Analyse der Prozesse und Narrative, die zur Dominanz rechter Frauenbewegungen in der Zwischenkriegszeit fu¨hrten (Kap. 4). Sie argumentiert, dass die Gru¨ndung der Nationalen Assoziation Ungarischer Frauen (MANSZ) im Ja¨nner 1919 die Gegenrevolution bereits vorweggenommen habe. Da diese Frauenorganisation nicht als Bedrohung eingestuft wurde, sei ihre Aktivita¨t auch wa¨hrend der Ra¨terepublik fast ohne Einschra¨nkung mo¨glich gewesen. Die MANSZ forderte unter anderem die Verteidigung der territorialen Integrita¨t Ungarns, die Restauration der politischen und sozialen Systeme der Vorkriegszeit und die Etablierung der christlichen Familie als Herzstu¨ck der Gesellschaft (S. 92). Die Protagonistinnen der MANSZ machten laut Szapor die Ideologie und Gewalt der Gegenrevolution fu¨r breite Teile der Bevo¨lkerung salonfa¨hig (S. 89). Das Selbstversta¨ndnis der MANSZ stellt Szapor auch anhand von Selbstzeugnissen ¨ ber eine und Publikationen ihrer einflussreichsten Akteurinnen dar (Kap. 4 und 5). U stark antisemitische und vergeschlechtlichte Rhetorik wurde in diesen Texten eine ungarische Identita¨t konstruiert, die sich gegen Bedrohungen von außen abgrenzen und wehren mu¨sse. Diese Argumente dienten der Rechtfertigung der Verfolgung von Juden und Ju¨dinnen, Linken und Liberalen im Rahmen der Gegenrevolution (S. 102f.). Antisemitismus ist u¨berdies ein zentrales Thema fu¨r den gesamten Untersuchungszeitraum des Buches – unter anderem weil die liberale Frauenbewegung zum gro¨ßten Teil aus ju¨dischen Frauen bestand. Von christlich-sozialer Seite erho¨hte sich etwa bereits wa¨hrend des Ersten Weltkrieges die Dichte antisemitischer Propaganda. Dies begru¨ndet Szapor einerseits mit den sinkenden Lebensstandards der Bevo¨lkerung und andererseits mit der steigenden Zahl ju¨discher Studentinnen an den Universita¨ten. Beides stellte eine Bedrohung fu¨r die christliche Mittelschicht dar (S. 33). An mehreren Stellen zeigt Szapor die Verschra¨nkungen von antisemitischer und antifeministischer
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Rhetorik. Die Bilder der beiden Revolutionen, welche die MANSZ zeichnete, waren von misogynen und antisemitischen Narrativen gepra¨gt. Vor allem die Ra¨terepublik mit ihren vielen ju¨dischen Ministern, aber auch die liberale Frauenbewegung wurden als Feindbilder konstruiert, denen nur durch die christliche Familie entgegengewirkt werden ko¨nnte (S. 93). Aufgrund der Verfolgung und Vertreibung eines Großteils der Akteur_innen, die diesen Feindbildern entsprachen, behielten wa¨hrend der gesamten ¨ berhand. In ihrer Conclusio erweitert Zwischenkriegszeit rechte Ideologien die U Szapor diese Perspektive auf die Zeit nach 1989 bis in die Gegenwart Ungarns. Eine Qualita¨t des Buches ist sicher der kritische Umgang mit hegemonialen Periodisierungen, die Szapor durch ihren geschlechterhistorischen Zugang hinterfragt. Die einzelnen Kapitel greifen zeitlich immer wieder vor und zuru¨ck, wodurch Kontinuita¨ten und Verschra¨nkungen sichtbar werden. Die Chronologie erschließt sich dadurch allerdings erst im Laufe der Lektu¨re. Die Netzwerke der Akteurinnen stellt Szapor dar, indem sie zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen und strukturellen Ebenen hinund herspringt. Sie agiert dabei mit den Begriffen ,perso¨nlich‘ und ,politisch‘ sowie ¨ ber Begrifflichkeiten und Me,privat‘ und ,o¨ffentlich‘, definiert diese aber nicht. U thoden erfa¨hrt die Leserin im Allgemeinen wenig. Das Buch schafft einen wichtigen Ausgangspunkt fu¨r die Entwicklung neuer Forschungsfragen zur Geschlechtergeschichte Ungarns und – bezogen auf den Ersten ¨ sterreich-Ungarns. Szapor fordert wiederholt zur Erweiterung ihrer Weltkrieg – O Untersuchungen auf. Interessant wa¨re etwa eine Einbettung des ungarischen Kontextes in die Geschichte der Frauenbewegung/en und Geschlechterverha¨ltnisse in anderen Nachfolgestaaten der Monarchie, wo die Entwicklungen teilweise sehr unterschiedlich ausfielen.1 Judith Szapors Buch kann dabei als Beispiel fu¨r die Frage nach der Konstruktion von Staatsbu¨rgerschaft und nationaler Identita¨t im Zusammenhang mit Geschlecht dienen. Theresa Adamski, Wien
Digital Humanities Project „GWonline, the Bibliography, Filmography and Webography on Gender, War and the Western World since 1600“, unter: http://gwc.unc. edu/. Die Website GWonline wirbt damit, dass sie Sekunda¨rliteratur, Autobiografien von Frauen, Filme sowie Websites zum breiten Forschungsfeld Krieg und Geschlecht seit 1600 „sammelt und organisiert“. Diese Formulierung ist etwas irrefu¨hrend. Denn auf GWonline werden keine wissenschaftlichen Texte, autobiografischen Quellen oder 1 Vgl. fu¨r das tschechoslowakische Beispiel: Melissa Feinberg, Elusive equality. Gender, citizenship, and the limits of democracy in Czechoslovakia. 1918–1950, Pittsburgh, PA 2006.
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Filme gesammelt, sondern lediglich bibliografische Referenzen. GWonline ist also mit einem Bibliothekskatalog beziehungsweise einer Online-Datenbank zu vergleichen. Bei der Besprechung einer Website (oder Datenbank) kommen andere Kriterien zur Anwendung als bei einer Rezension wissenschaftlicher Texte. Dieses Medium ist in erster Linie nach Benutzerfreundlichkeit beziehungsweise inhaltlichem Angebot zu beurteilen, das sich hinsichtlich des Umfanges und der Qualita¨t von a¨hnlichen Produkten positiv abheben sollte. Mehr noch als eine wissenschaftliche Publikation muss eine Website durch Erscheinungsbild und einfache Bedienung zum Verbleiben animieren. Sie muss also logisch aufgebaut, einfach zu mano¨vrieren und weitgehend selbsterkla¨rend sein. Die Inhalte sollten sich problemlos abrufen und speichern, drucken oder exportieren lassen. Es sind vor allem diese Kriterien, welche im Folgenden der Beurteilung von GWonline zugrunde gelegt werden. Die Website GWonline ist zugleich Nebenprodukt und Erga¨nzung des von Karen Hagemann, Stefan Dudink und Sonya Rose herausgegebenen „Oxford Handbook of Gender and War since 1600“, dessen Erscheinen fu¨r Ende 2018 angeku¨ndigt ist.1 Alle im Zuge des Publikationsprojekts gesammelten Informationen zu themenrelevanter Literatur und Quellen wurden in dieser Datenbank zusammengefasst und nach Medientypus geordnet in vier Bereiche aufgeteilt: in wissenschaftliche Sekunda¨rliteratur, publizierte autobiografische Texte von Frauen (und Ma¨nnern), ausgewa¨hlte Spiel-, Fernseh- und Dokumentarfilme sowie themenrelevante Websites und Online-Datenbanken zu Krieg, Milita¨r und Geschlecht. Was den Inhalt betrifft – das sei gleich vorweggenommen –, u¨berzeugt die Website vor allem in Hinblick auf die Bandbreite der versammelten Quellentypen. Um sich ¨ berblick zu verschaffen, was zu einem bestimmten Thema im Bereich einen raschen U Krieg und Geschlecht produziert und vero¨ffentlicht wurde, ist diese Website ideal. Sie erspart die getrennte Suche in Bibliothekskatalogen und Filmdatenbanken und bietet eine Fu¨lle an zusa¨tzlichen Informationen. So erzeugt eine kombinierte Schlagwortsuche zu „Military & Men/masculinities“ und „Second World War“ 17 Seiten mit Treffern, davon allein sieben Seiten mit Filmtiteln. Die Literatureintra¨ge enthalten daru¨ber hinaus ausfu¨hrliche bibliografische Informationen und in der Regel ein Ab¨ bersetzungen der stract – ein sehr nu¨tzliches Feature. Allerdings sind die englischen U Abstracts anderssprachiger Publikationen oft sehr schlecht und teilweise sogar unversta¨ndlich. Positiv hervorzuheben ist auch der Umfang der unter der Rubrik „Women’s Autobiographies“ versammelten Texte, die ungeachtet des Titels auch Angaben zu gedruckten Selbstzeugnissen von Ma¨nnern entha¨lt. Hingegen weisen die in der Datenbank gesammelten Websites große und teilweise nicht nachvollziehbare Lu¨cken auf. Es dominieren US-amerikanische Seiten, zudem bleiben die Kriterien, nach welchen die Websites ausgewa¨hlt wurden, unklar. So ergibt die Suche nach Websites zur „Post-Cold 1 Informationen zum Oxford Handbook unter http://hagemann.web.unc.edu/oxford-handbook/.
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War Period“ knapp u¨ber 50 Treffer, aber die Auswahl beschra¨nkt sich nahezu ausschließlich auf Websites von (meist nordamerikanischen) Bibliotheken und Archiven sowie von (Nicht-)Regierungsorganisationen beziehungsweise internationalen Organisationen wie der UNO oder NATO. Wieso die italienische Zeitung „La Repubblica“ auf der Trefferliste auftaucht, nicht aber andere einflussreiche Zeitungen, ist nicht nachvollziehbar. Unversta¨ndlich ist auch, dass etwa fu¨r die Periode nach Beendigung des Kalten Krieges die gerade in Hinblick auf Genderfragen sehr ergiebigen und hervorragend aufbereiteten Websites der internationalen Strafgerichtsho¨fe fu¨r das ehemalige Jugoslawien oder fu¨r Rwanda fehlen. Insgesamt betrachtet bietet GWonline mit ungefa¨hr 7.000 Titeln eine umfangreiche und breit gefa¨cherte Datensammlung, die mit Gewinn durchforstet werden kann. Vom Erscheinungsbild ist die Website eher textlastig gestaltet, aber durch das u¨bersichtliche, vertikale Informationsmenu¨ einfach zu mano¨vrieren. Neben der Mo¨glichkeit, die gesamte Datenbank nach AutorInnenname, Titel, Erscheinungsjahr oder Quellentypus zu sortieren und durchzubla¨ttern, kann jeder der vier Bereiche auch separat nach Titelworten, Erscheinungsjahr, groben Zeitperioden, wichtigen Kriegen, geografischen Regionen und Staaten sowie (vordefinierten) Schlagworten beziehungsweise Schlagwortkombinationen, etwa „War & Sexuality“ oder „Militarism“, durchsucht werden. Außerdem bietet GWonline eine Volltextsuche in der gesamten Datenbank. Allerdings hakt es bei der Nutzbarmachung der Daten. Bei einer Website, welche wie GWonline vorrangig die Funktion eines Katalogs hat, ist es entscheidend, dass sich die gewu¨nschten Informationen einfach abrufen, speichern und exportieren lassen. Gerade in diesem Bereich zeigen sich gro¨bere Unzula¨nglichkeiten. Die Seite „Browse all Collections“ etwa bewirbt als besondere Eigenschaften den Export von Trefferlisten in eine RTF-Datei sowie das „open URL feature“ (dazu unten mehr). Die hier aufgelisteten, alphabetisch angeordneten Eintra¨ge ko¨nnen nach AutorInnenname, Titel, Erscheinungsjahr oder Quellentypus geordnet werden. Ein Klick auf einen Titel o¨ffnet eine Seite mit ausfu¨hrlicheren bibliografischen Angaben und einem kurzen Abstract beziehungsweise verlinkt bei Filmen ha¨ufig zur Website der Produktionsfirma. Jedoch ko¨nnen die Trefferlisten (entgegen den Versprechungen auf der Startseite) nicht exportiert, gespeichert oder ausgedruckt werden – weder auf der Seite „Browse all Collections“ noch auf den anderen Seiten. Zwar lassen sich einzelne Eintra¨ge als RTFDatei o¨ffnen oder speichern, nicht aber mehrere Treffer gleichzeitig. Daru¨ber hinaus fehlt die Mo¨glichkeit, die einzelnen Titel direkt in ga¨ngige Literaturverwaltungsprogramme wie EndNote oder BibTeX zu exportieren. Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile fast jeder Bibliothekskatalog sowohl das Speichern und Exportieren von Trefferlisten als auch die Verknu¨pfung mit Literaturverwaltungsprogrammen anbietet, stellt sich die Frage, wieso diese Funktionen bei GWonline fehlen. Lediglich die Literaturlisten der einzelnen Kapitel des oben erwa¨hnten Oxford-Handbuchs, die auf einer eigenen Seite versammelt sind, ko¨nnen als RTF-Files exportiert werden. Auch das beworbene „open URL feature“, mit dessen Hilfe u¨berpru¨ft werden soll,
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ob sich ein bestimmter Aufsatz in einer Bibliothek vor Ort befindet, entta¨uscht. Erstens gibt es diese Mo¨glichkeit nur auf der Seite „Browse all Collections“, und zweitens erzeugt der Button oft eine Fehlermeldung. Der Mehrwert des dritten Buttons „Google Scholar“, mit dem jeder Eintrag ausgestattet ist, bleibt fraglich, denn er verlinkt lediglich zu einer Google-Scholar-Suchseite. Mo¨glicherweise soll u¨ber diesen Umweg der Export der bibliografischen Angaben in ein Literaturverwaltungsprogramm ermo¨glicht werden, den GWonline selbst nicht bietet. Schwa¨chen weist auch die Suchfunktion auf. So muss etwa bei der Recherche auf der Seite „Women’s Autobiographies“ die Kategorie Autobiografie noch einmal extra angewa¨hlt werden, da ansonsten die gesamte Datenbank durchforstet wird. Kritisch anzumerken ist zudem, dass es keine Mo¨glichkeiten fu¨r eine differenzierte Suche mit Platzhaltern oder Ein- und Ausschließungskriterien gibt, wodurch der Rechercheaufwand deutlich erho¨ht wird. Alles in allem ist GWonline eine Website mit betra¨chtlichem Potenzial, das jedoch durch wesentliche, vor allem technische Ma¨ngel beschnitten wird (Stand der Rezension: Juni 2018). NutzerInnen werden deswegen wohl auch weiterhin die Kataloge oder Quellendatenbanken renommierter wissenschaftlicher Bibliotheken konsultieren, um Materialien fu¨r eine Forschungsarbeit oder den Unterricht zu sammeln. Mo¨glicherweise befindet sich die Datenbank noch im Aufbau. Es bleibt zu hoffen und zu wu¨nschen, dass dem Projektteam der Website die notwendigen Ressourcen zur Verfu¨gung stehen, um die bibliografische Datenbank laufend zu erweitern und insbesondere die Weiternutzung der Daten deutlich zu verbessern. Maria Fritsche, Trondheim
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Maria Ågren (Hg.), Making a Living, Making a Difference. Gender and Work in Early Modern European Society, New York: Oxford University Press 2017, 258 S., ca. EUR 31,– (paperback), ISBN 978-0-190-24062-2. Der von Maria Ågren betreute Band „Making a Living, Making a Difference“ versammelt in kompakter Form ebenso interessante wie solide Ergebnisse des an der Universita¨t Uppsala von ihr geleiteten Forschungsprojekts „Gender and Work in Early Modern Sweden“.1 In sieben, jeweils mehrha¨ndig verfassten Beitra¨gen, gerahmt von Einleitung und Schlusskapitel aus der Feder der Herausgeberin, gehen 15 Autor_innen der Frage nach, wie sich der allta¨gliche Broterwerb von Ma¨nnern und Frauen im Schweden der Fru¨hen Neuzeit – historiografisch eingebettet in den nordeuropa¨ischen Kontext – konkret gestaltete. Der Fokus liegt auf dem tagta¨glichen Werken, das heißt nicht nur auf anerkannten Berufen und Positionen, sondern sa¨mtlichen zum ¨ ber-)Leben beitragenden Ta¨tigkeiten, die hier fu¨r den Zeitraum von 1550 bis 1799 (U anhand einer umfangreichen Datenbank erschlossen werden. Als Grundlage dient eine Vielzahl von Quellen, die Arbeit meist nur indirekt thematisieren, das sind vornehmlich Gerichtsakten, Suppliken, Briefe, Rechnungsbu¨cher und Tagebu¨cher. Codierung und Analyse erfolgen nach einer „verb-oriented method“, die u¨ber 16.000 Verbalgruppen erfasst, mit denen bezahlte und unbezahlte Handgriffe aus der Haushalts- und Marktproduktion bezeichnet werden. Diese werden in 16 Arbeitsfelder unterteilt und mit Informationen zu Personen und Kontext in Beziehung gesetzt. Obwohl die Ergebnisse aufgrund der quellenbedingten Unterrepra¨sentation von Frauenarbeit sowie von Landwirtschaft, aber auch angesichts der spa¨rlicheren Angaben zum Familienstand von Ma¨nnern nicht in einem streng statistischen Sinne verallgemeinerbar sind, bietet der Band dennoch in dieser Breite bislang nicht verfu¨gbare Einsichten in die fru¨hneuzeitliche Organisation von Arbeit. Das Projekt geht intersektional vor und untersucht Geschlecht systematisch in Verbindung mit Arbeit, Alter, Familie, ability etc. Viele Beobachtungen schließen an die britische, niederla¨ndische, deutsche, italienische und teils franzo¨sische Forschung an. Die Autor_innen des Bandes setzen jedoch deutliche Akzente: Frauenerwerbsta¨tigkeit im 18. Jahrhundert habe einen „unprecedentedly high level“ erreicht, sodass von einem „two-supporter model“ (S. 2) auszugehen sei. Dieses sei zwar im Zuge der Industrialisierung zeitweise zuru¨ckgedra¨ngt worden, ko¨nne aber als eine der historischen Grundlagen der seit 1900 in den skandinavischen La¨ndern entwickelten Sozialpolitik, ja als „prerequisite for successful state formation“ (S. 216) betrachtet werden. Ob des relativ geringen Spezialisierungsgrades der fru¨hneuzeitlichen Arbeitswelt Schwedens wird als erstes Merkmal die Vielfalt der Ta¨tigkeiten hervorgehoben. Zudem waren Ma¨nner und Frauen (auf letztere beziehen sich ca. 25 Prozent der Eintra¨ge der Datenbank, S. 16) mit geringen Ausnahmen (Milita¨rdienst) in denselben Bereichen 1 Vgl. http://gaw.hist.uu.se/, Laufzeit: 2010–2014 (erste Phase).
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ta¨tig: in Produktion und Gewerbe, auch außerhalb des Hauses wie zum Beispiel bei der Waldarbeit und in der Landwirtschaft, wo in Kollektiven gearbeitet wurde. Die sozialen Hierarchien geraten in erster Linie auf der Mikroebene in den Blick, wobei sich aber die Arbeitsteilung insgesamt als „flexibel“ und keinesfalls strikt geschlechtsbezogen gestaltet habe (S. 33). Dies bedeutet naturgema¨ß nicht Gleichheit: Je großra¨umiger und institutioneller die Arbeitsorganisation, desto deutlicher fiel die Kategorie Geschlecht ins Gewicht. Auch die Anerkennung von vergleichbaren Arbeitsvorga¨ngen, die zudem differenziert sein konnten, war oft unterschieden: So „baten“ Hausfrauen ihre Untergebenen um etwas, Ma¨nner hingegen „ordneten an“ (S. 142, 209); im Transportwesen „trugen“ und „holten“ in erster Linie Frauen und Personen von niederem Status etwas, wohingegen Ma¨nner (von ho¨herem Status) mehrheitlich „fuhren“ und „verfrachteten“ (S. 129). Dennoch, so die Herausgeberin mit Nachdruck: Nimmt man die Bandbreite des Arbeit benennenden Vokabulars ernst, waren – verheiratete – Frauen nicht ga¨nzlich von Herrschaftsfunktionen („government“) ausgeschlossen (S. 210). Dieser differenzierte und doch notwendigerweise gemeinsame Beitrag zum Lebensunterhalt erinnert an das seit den 1980er-Jahren von Heide Wunder entwickelte und im Band zitierte „Ehe- und Arbeitspaar“,2 das sich von dem rechtlich und religio¨s begru¨ndeten Modell des patriarchalen Haushalts im Brunner’schen Sinne absetzt. Ein u¨ber Arbeitspraktiken erschlossener Haushalt erscheint auch in Schweden als „offenes Haus“ (S. 212, Joachim Eibach), als Schnittpunkt von Netzwerken, verwoben mit der Markto¨konomie. Als solches stellte es selten den ausschließlichen sozialen und o¨konomischen Raum der Zeitgenoss_innen dar, welche mehrheitlich Formen von Pluriaktivita¨t – Schwedisch „mångsyssleri“ – inklusive hoher Mobilita¨t lebten (Kap. 1 und 2). Angelpunkt blieb allerdings die Ehe, die im Laufe der Fru¨hen Neuzeit – nicht nur in protestantischen Gesellschaften – zu einem grundlegenden Modell der gesellschaftlichen Ordnung wurde. Denn der Ehestand, mit dem hier auch Witwen gemeint sind, ero¨ffnete Frauen (und vermutlich auch Ma¨nnern) trotz ihrer rechtlichen Abha¨ngigkeit Zugang zu umfangreicheren Ressourcen und damit einen gro¨ßeren o¨konomischen und sozialen Handlungsspielraum (Kap. 3 und 4). Umgekehrt waren junge beziehungsweise unverheiratete Menschen deutlich ha¨ufiger in untergeordneten und preka¨ren Abha¨ngigkeitssituationen zu finden („helfen“, „dienen“ usw.): Eine Ehe, die gewiss eine moralisch-religio¨se Verpflichtung war, stellte letztlich ein soziales und o¨konomisches Privileg dar, Arbeit hingegen eine unumga¨ngliche Notwendigkeit. Alter wiederum brachte physische, aber auch soziale Schwa¨che mit sich, insbesondere bei Besitzlosigkeit im Kontext von kaum vorhandener staatlicher oder kirchlicher Armenfu¨rsorge (Kap. 6). Wenn man die Rechtsordnung im Lichte der Praktiken liest, so resu¨miert Maria Ågren, ergibt sich demnach ein Bild der fru¨hneuzeitlichen Gesell2 Vgl. Heide Wunder, ,Er ist die Sonn’, sie ist der Mond‘. Frauen in der Fru¨hen Neuzeit, Frankfurt a. M. 1992.
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schaftsordnung (S. 211), in dem Familienstand und Alter die Arbeitsteilung sta¨rker strukturierten als Geschlecht. Arbeitspraktiken produzierten Hierarchien, sie wirkten aber auch inklusiv („sameness“), denn „work was a social performance“ (S. 153, Kap. 5). Das Verrichten von Arbeit galt als je standesgema¨ßer Beitrag zur Herstellung und Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Hierarchien, als Zeichen von Ehrbarkeit und Bestandteil eines guten Leumunds, konnte vor Gericht geltend gemacht werden und wurde im 18. Jahrhundert in aufkla¨rerischer Manier zum Merkmal des rechtschaffenen, weil dem Gemeinwesen nu¨tzlichen Staatsbu¨rgers erkla¨rt, auch fu¨r jene, die ko¨rperlich nur begrenzt dazu in der Lage waren (S. 152). Jenseits der o¨konomischen Notwendigkeit galt damit Arbeiten den Zeitgenoss_innen auch als Ideal (S. 155). Abschließend wird der historische Prozess der Staatsbildung anhand der Entwicklung von Verwaltung, Milita¨r und ko¨niglichen Betrieben (Eisenwerke) in den Blick genommen. Auch wenn sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wohl zuspitzte, wurde weiterhin davon ausgegangen, dass Frauen und teils Kinder zum Familieneinkommen der ko¨niglich Bediensteten beitrugen, ja an deren Ta¨tigkeiten mitwirkten: „The large increase in the number of people employed by the Crown […] did not in any way disturb the two-supporter model“ (S. 200); im Gegenteil, der moderne „fiscalmilitary state“ sei aus finanziellen Erwa¨gungen daran interessiert gewesen, dieses aufrechtzuerhalten. Die moderne Gesellschaftsorganisation beruhe demnach auf einer Praxis der sozialen Arbeitsteilung, deren Wurzeln bis in die Fru¨he Neuzeit zuru¨ckreichen (S. 20). Der Titel des Bandes suggeriert eine europa¨ische Entwicklung; es wa¨re dennoch in weiterer Folge nach den Besonderheiten – in Hinblick auf Konfession, (Gu¨ter-)Recht, Verrechtlichung der Arbeitsorganisation, kulturelle und o¨konomische Pra¨missen der Staatsbildung, Integration der Ma¨rkte, die hier relativ wenig beru¨cksichtigt wird – des Untersuchungsraumes Schweden zu fragen.3 Der hier vorgefu¨hrte, radikal praxisorientierte Ansatz bietet jedenfalls reichhaltige Anregungen, die sprachliche Vielfalt der Werkta¨tigkeit heuristisch zu nutzen, um klassische Narrative zu hinterfragen. Ulrike Krampl, Tours
3 Vgl. Anna Bellavitis, Il lavoro delle donne nella citta` dell’Europa moderna, Rom 2016, die den Schwerpunkt auf Su¨d- und Westeuropa legt. Zum sta¨dtischen Kontext vgl. Deborah Simonton u. Anne Montenach (Hg.), Female Agency in the Urban Economy. Gender in European Towns, 1640–1830, New York 2013.
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Kirsten Ru¨ther, Angelika Schaser u. Jacqueline van Gent, Gender and Conversion Narratives in the Nineteenth Century. German Mission at Home and Abroad, London: Routledge 2017, 200 S., ca. EUR 39,– (paperback), ISBN: 978-1-47244923-8. Das von Kirsten Ru¨ther, Angelika Schaser und Jacqueline van Gent verfasste Buch stellt ein inhaltlich wie methodisch interessantes Unterfangen dar. Drei regional disparate Forschungsfelder (Deutschland sowie deutsche Missionen in Australien und Su¨dafrika) werden durch ein vergleichendes „parallel reading“ von Quellentexten zu christlichen Konversionen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts neu befragt. Inspiriert durch Konferenzen der DFG-Forschungsgruppe „Selbstzeugnisse in transkultureller Perspektive“ intensivierten die Autorinnen ihre Diskussionen zu Konversionen und deren Rolle in Epochen des Umbruchs. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis dieser Kooperation und legt seinen zentralen Fokus auf die Bedeutung von Geschlecht in Konversionserza¨hlungen. In diesem Zusammenhang werden Konversionen als ein Pha¨nomen verstanden, das von religio¨sen, kulturellen, sozialen, geschlechtsspezifischen und politischo¨konomischen Vera¨nderungen beeinflusst ist. Damit folgen die Autorinnen einer breiten Begriffsdefinition, die Glaubensu¨bertritte nicht auf individuelle Handlungen reduziert. Entgegen der Anku¨ndigung im Titel des Buches, der das gesamte 19. Jahrhundert als Untersuchungszeitraum suggeriert, konzentriert sich die Analyse insbesondere auf das Zeitfenster von 1850 bis 1870. Dies geschieht aus guten Gru¨nden: Die 1848erRevolution wirkte in Europa in alle gesellschaftlichen Bereiche hinein und fu¨hrte in den Jahrzehnten bis zur Gru¨ndung des Deutschen Reichs 1871 zu einem konflikthaften Transformationsprozess, der auch die Religionen betraf. In Australien und Su¨dafrika versta¨rkten Mitte des 19. Jahrhunderts protestantische Missionare ihr Engagement und die Anzahl von Glaubensu¨bertritten unter der lokal ansa¨ssigen Bevo¨lkerung stieg. In der gewa¨hlten Zeitperiode entstanden die ersten schriftlichen Dokumente dieser Konversionen. Kernstu¨ck und inhaltlich umfassendster Teil des klar strukturierten Buches sind drei Kapitel, die jeweils der Vorstellung eines Fallbeispiels aus Europa, Australien und Su¨dafrika gewidmet sind. Ergebnisse der vergleichenden parallelen Lektu¨re werden im Schlusskapitel pra¨sentiert, das mit knapp zwanzig Seiten jedoch vergleichsweise kurz ausfa¨llt. Das erste Fallbeispiel befasst sich mit der innerchristlichen Konversion von Gustav Werner Volk (1804–1869), ab 1838 preußischer Regionalbeamter in der Stadt Erfurt, der zeitlebens auch als Autor zahlreicher Bu¨cher in Erscheinung trat. Im Zentrum der ¨ bertritt Betrachtung stehen mehrere Werke, in denen er sich vor und nach seinem U vom Protestantismus zum Katholizismus eindringlich mit religio¨sen Fragen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzte. 1855 konvertierte Volk gemeinsam mit seiner Ehefrau Caroline, ein Jahr spa¨ter folgte die einzige Tochter Marie dem
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Beispiel der Eltern. Aufgrund seiner Konversion wurde Volk 1858 vom Staatsdienst pensioniert. Seine Texte repra¨sentieren Muster christlicher Bekehrungsnarrative, wie sie in Europa seit der Reformation entstanden sind. Die Autorinnen interpretieren seine Suche nach der „wahren Religion“ als Ausdruck einer Ablehnung von zeitgeno¨ssischen Sa¨kularisierungstendenzen sowie der Diskriminierung von KatholikInnen unter der preußischen Herrschaft. In seinen Schriften pra¨sentiert sich Volk als Intellektueller und Wissenschaftler, der seinen individuellen Religionswechsel als autonome Entscheidung rational und theologisch verteidigt. Im Gegensatz dazu stellt er den Glaubensu¨bertritt seiner Frau als emotionalen Akt dar. Mit dieser geschlechtsspezifisch ¨ berzeugung einer ma¨nnlichunterschiedlichen Darstellung untermauerte Volk seine U intellektuellen Superiorita¨t innerhalb einer konservativen Geschlechterordnung. Im zweiten Kapitel werden die fru¨hesten Konversionen zum Christentum junger Ma¨nner und Frauen der Wotjubaluk-Aborigenes in Victoria-Australien beleuchtet. Mitte des 19. Jahrhunderts hatten dort deutsche protestantische Missionare der Herrnhuter Bru¨dergemeine (Moravian Church) die Stationen Ebenezer und Ramahyuck errichtet. In Missionszeitschriften wurde regelma¨ßig fu¨r ein internationales Publikum u¨ber die Aktivita¨ten der Mission berichtet, unter anderem fanden darin auch Briefe von konvertierten Aborigines Eingang. Anhand dieses Fallbeispiels wird von den Autorinnen vor allem die Bedeutung der Kategorie Geschlecht im Kontext von Glaubensu¨bertritten diskutiert. Bekehrungserza¨hlungen in den Missionszeitschriften konzentrierten sich fast ausschließlich auf junge Wotjubaluk-Ma¨nner, deren Erweckungserlebnisse sowie Integration in die Gemeinde in den Mittelpunkt geru¨ckt wurden. Sie betraten durch die Konversion ein spezifisches homosoziales Gefu¨ge, an deren Spitze der Missionar stand. Die Taufe und eine christliche Heirat konnten jungen Wotjubaluk-Ma¨nnern, veranschaulicht am Beispiel von einem der ersten Konvertiten Nathanel Pepper, einen gewissen sozialen Aufstieg innerhalb der Gemeinde ermo¨glichen. Diesen Ma¨nnern wurde das Recht zu predigen zugestanden, das Frauen verwehrt blieb. Die untersuchten Missionsperiodika geben kaum Auskunft u¨ber spirituelle Erfahrungen von konvertierten Frauen. Die wenigen Berichte konzentrieren sich auf deren Erziehung zu christlichen Ehefrauen und Mu¨ttern. Nichtsdestotrotz konnte beispielsweise die Alphabetisierung auch Frauen neue Handlungsspielra¨ume im kolonialen Gefu¨ge ero¨ffnen. Das letzte Fallbeispiel untersucht Bekehrungserza¨hlungen aus Su¨dafrika, die vom Direktor der Berliner Missionsgesellschaft Theodor Wangemann unter dem Titel „Lebensbilder aus Su¨dafrika“ 1871 herausgegeben wurden. Darin versammelte er Geschichten von zwischen 1860 und 1864 zum Protestantismus konvertierten Ma¨nnern und Frauen des Ko¨nigreichs Pedi im o¨stlichen Transvaal, die er durch Interviews oder mithilfe seines Assistenten aufzeichnen konnte. Das Buch sollte unter der deutschen Leserschaft die Erfolge der Berliner Mission verbreiten, die sich zu diesem Zeitpunkt in Su¨dafrika noch in der Etablierungsphase befand. Die Texte verweben dementsprechend Bekehrungserfahrungen der KonvertitInnen mit Vorstellungen und
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Wu¨nschen der Missionare u¨ber das in Entwicklung befindliche Missionsprojekt. Nicht zuletzt dienten die Narrationen u¨ber Missionierungen in Afrika als Spiegelbild und Mahnung fu¨r eine von sozialen und kulturellen Umbru¨chen herausgeforderte bu¨rgerliche Gesellschaft in Europa. Bei den Portra¨tierten handelt es sich um einflussreiche Personen innerhalb des Ko¨nigreichs Pedi beziehungsweise um Angeho¨rige der ko¨niglichen Familie, deren Konversion den Bedeutungsgewinn der Mission in der Region verdeutlichte. Im Gegensatz zu den Bekehrungstexten aus der Herrnhuter Mission in Australien nehmen in den „Lebensbildern“ die Erza¨hlungen u¨ber Konvertitinnen einen verha¨ltnisma¨ßig großen Raum ein. Im Kontext von Bekehrungen ganzer Familien spielten Geschlecht, Alter und soziale Position eine gewichtige Rolle, wie das dritte Kapitel anschaulich zeigt. In den Schlussreflexionen fu¨hren die Autorinnen die Fallbeispiele zusammen und analysieren Widerspru¨che und A¨hnlichkeiten. Nachdem auch jedes Kapitel mit einem Fazit abschließt, ergeben sich hierbei einige inhaltliche Redundanzen. Durch die parallele Lektu¨re der Quellentexte zeigt sich, dass die Konversionen in den vorgestellten Kontexten als Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklungen und politische Vera¨nderungen interpretiert werden ko¨nnen. In allen drei Fallbeispielen wird u¨berdies die zentrale Bedeutung der Kategorie Geschlecht im Konversionsprozess besta¨tigt. Geschlechterhierarchien und -differenzen strukturierten maßgeblich die Handlungsspielra¨ume und Positionen der konvertierten Personen. Ein wichtiges Element bildete auch das soziale Gefu¨ge der Familie, deren Formen jedoch je nach Kontext unterschiedlich waren. Eine Schwierigkeit bei der vergleichenden Analyse bereitet zudem die Diversita¨t der Konversionstexte, die vor allem hinsichtlich der Autorenschaft, der Textgenres, des Zielpublikums und im Sprachduktus differieren. An dieser Stelle wa¨re ein detaillierterer praktisch-methodischer Einblick in die „experimentelle Vorgangsweise“ (S. 17) des Parallel-Lesens der Quellentexte interessant gewesen. Schließlich pla¨dieren Ru¨ther, Schaser und van Gent im Schlussausblick fu¨r weiterfu¨hrende Studien auf Basis dieser Methode. Insgesamt bietet das Buch eine aufschlussreiche Zusammenfu¨hrung von zeitgleich stattfindenden Vera¨nderungsprozessen. Dadurch werden globale Verflechtungen des Pha¨nomens Konversion Mitte des 19. Jahrhunderts aus den dezentralen Perspektiven der jeweiligen Regionen und ihrer AkteurInnen sichtbar. Martina Gugglberger, Linz
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Johann Bacher, Waltraud Kannonier-Finster u. Meinrad Ziegler (Hg.), Marie Jahoda. Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1850–1930. Dissertation 1932 (= transblick 13), Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag 2017, 392 S., EUR 26,90, ISBN: 978-3-7065-5567-8. Marie Jahoda (1907–2001) za¨hlt heute zu den bekanntesten Wiener Sozialforscher/ innen der Zwischenkriegszeit. Dieser Status basiert insbesondere auf ihrer Mitarbeit an der 1933 vero¨ffentlichten Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“1, die seit dem spa¨teren 20. Jahrhundert stark rezipiert wird. Das vorliegende Buch bescha¨ftigt sich nun mit Jahodas 1932 abgeschlossener Dissertation, die damit auch erstmals vero¨ffentlicht wird. Ihre Edition macht mit 138 Text- und Grafikseiten (S. 27–165) jedoch nur ein Drittel der knapp 400-seitigen Publikation aus. Sie wird gerahmt von wissenschaftlichen Beitra¨gen, die allesamt von ausgewiesenen Expert/innen verfasst worden sind. Zusammengenommen ergibt das einen klug konzipierten und u¨berdies materiell scho¨n gestalteten Sammelband, der auch fu¨r die Frauen- und Geschlechtergeschichte von Interesse sein kann: Erstens wird die (urspru¨nglich sozialwissenschaftliche) Doktorinnenarbeit, die die Lebensla¨ufe zahlreicher Frauen und Ma¨nner im ausgehenden 19. Jahrhundert dokumentiert, als eine (nunmehr historische) Quelle zur Verfu¨gung gestellt. Zweitens wird als Kontext die Forschungslandschaft im ,Roten Wien‘ der 1920er- und 1930er-Jahre vorgestellt, zu deren Akteur/innen durch die gea¨nderten Zugangsmo¨glichkeiten auch viele junge Frauen geho¨rten. Damit verbunden ist drittens ein biografischer Zugang, der an die Wissenschaftlerin und Aktivistin Marie Jahoda erinnert. Helga Nowotny als Wissenschaftsforscherin und Georg Hubmann als Gescha¨ftsfu¨hrer des Jahoda-Bauer-Instituts in Linz verknu¨pfen diesen dritten Punkt in ihren Einleitungstexten (S. 7–22) mit der Frage nach der gegenwa¨rtigen gesellschaftlichen Rolle von Sozialwissenschaftler/innen. Dabei bezeichnet Hubmann Marie Jahoda als „ein Vorbild“ (S. 14), der Soziologe Christian Fleck verwendet an spa¨terer Stelle den Begriff „role model“ (S. 352). Eine solche Ikonisierung mag in einer wissenschaftlichen Publikation u¨berraschen, sie kann hier aber nicht zuletzt als Referenz auf Jahodas eigene Praktik verstanden werden, als Forscherin immer auch Stellung gegenu¨ber dem Untersuchungsgegenstand zu beziehen. Die Arbeits- und Lebenskontexte von Marie Jahoda werden von Meinrad Ziegler und Christian Fleck dann auch ausfu¨hrlich skizziert (S. 167–213, S. 267–261). Fleck kann seine (mitunter in salopper Sprache verfassten) Ausfu¨hrungen auf einer jahrzehntelangen Bescha¨ftigung mit dem Thema und auch auf perso¨nlich gefu¨hrten Interviews mit Marie Jahoda aufbauen. Ziegler geht schwerpunktma¨ßig auf die zeitge1 Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld u. Hans Zeisel, Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch u¨ber die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Mit einem Anhang zur Geschichte der Soziographie, Leipzig 1933.
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no¨ssischen Forschungsansa¨tze ein. Beide Texte vermitteln jedenfalls einen Eindruck von dem prosperierenden Umfeld, das Marie Jahoda vorfand, als sie 1926 mit 19 Jahren gleichzeitig das Studium der Philosophie und Psychologie an der Universita¨t Wien und eine Ausbildung zur Volksschullehrerin begann. Ihr wissenschaftliches Interesse gru¨ndete auf ihrem links-politischen Engagement, das sie seit ihrer Schulzeit verfolgte und das auch Einkommensmo¨glichkeiten bot. So arbeitete die Studentin unter anderem in kommunalen Beratungsstellen, als Hilfslehrerin in mehreren Schulen oder als Bibliothekarin im Karl-Marx-Hof. Marie Jahodas verschiedene Beta¨tigungsfelder waren zudem eng verschra¨nkt mit perso¨nlichen Beziehungen. 1927 hatte sie den Mathematiker Paul F. Larzarsfeld (1901–1976) geheiratet, den sie aus ihren politischen Zirkeln kannte. 1930 kam ihre Tochter zur Welt. Als Marie Jahoda an ihrer Dissertation ¨ sterreichischen Wirtschaftspsychologischen arbeitete, war sie auch Mitarbeiterin der O Forschungsstelle, die ihr Ehemann leitete (und die 1933 die Marienthal-Studie durchfu¨hrte), und ab 1932 außerdem im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum ta¨tig. Sie war 24 Jahre alt und Mutter eines Kleinkinds. Betreuerin der Doktorinnenarbeit war die Psychologin Charlotte Bu¨hler (1893– 1974). Sie hatte seit 1922 gemeinsam mit ihrem Ehemann Karl Bu¨hler (1879–1963) Wien binnen ku¨rzester Zeit als ein Zentrum der deutschsprachigen psychologischen Forschung etabliert.2 Um 1930 bescha¨ftigte sich Bu¨hler vor allem mit ihrem Konzept der „Psychologie des Lebenslaufs“. Marie Jahoda lieferte mit der Arbeit „Anamnesen im Versorgungshaus. Ein Beitrag zur Lebenspsychologie“ die erste von 19 Dissertationen ab, die bis 1937 zu diesem Forschungsschwerpunkt am Institut abgeschlossen wurden (S. 167). Diese Rahmenbedingungen sind in Bezug auf den Inhalt der Studie zu beru¨cksichtigen, auch wenn Jahoda darin andere Personengruppen in den Fokus nahm als Bu¨hler, die vor allem bu¨rgerliche Proband/innen beforschte.3 Marie Jahoda fu¨hrte ihrerseits Leitfadengespra¨che mit mehr als fu¨nfzig Personen durch, die 1931 in einem der vier Versorgungsha¨user Wiens untergebracht waren.4 Die Inhalte von 51 Interviews sind jeweils als ein- bis zweiseitige Protokolle zusammengefasst wiedergegeben. Sie dokumentieren die Lebensla¨ufe von 29 Frauen und 22 Ma¨nnern, die zwischen 1842 und 1865 geboren wurden und deren Gemeinsamkeit es war, dass sie im Alter auf Unterstu¨tzung angewiesen waren. Ihre individuellen Lebenswege waren hingegen durchaus unterschiedlich: Unter den Gespra¨chspartner/ 2 Vgl. u. a. Gerhard Benetka, Psychologie in Wien. Sozial- und Theoriegeschichte des Wiener Psychologischen Instituts 1922–1938, Wien 1995. 3 Eine weitere unterschiedliche Positionierung der Dissertantin und der Betreuerin la¨sst der – leider nicht na¨her ausgefu¨hrte – Hinweis von Christian Fleck erahnen, Marie Jahoda habe sich u¨ber 14 Monate hinweg einer Psychoanalyse unterzogen (S. 278). Die Wiener psychologische Forschung und die Psychoanalyse standen sich in der Zwischenkriegszeit ablehnend gegenu¨ber. 4 Die genaue Anzahl der Gespra¨che kann nicht rekonstruiert werden. Jahoda selbst gibt sie mit 52 an (S. 34). Gleichzeitig wird geschildert, dass acht Protokolle wegen „Unstimmigkeiten […] ausgeschieden werden“ mussten (S. 36). Abgedruckt sind jedenfalls 51 Protokolle.
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innen finden sich die Betreiberin einer Gaststa¨tte genauso wie mehrere ehemalige Dienstma¨dchen, ein Abenteurer oder ein Kutscher. Bei all ihren Individualita¨ten belegen die biografischen Sequenzen unter anderem eine große Mobilita¨t, hohe Kindersterblichkeit, fehlende Bildungsmo¨glichkeiten sowie mangelnde Sozialleistungen und daraus resultierende Bru¨chigkeiten von Lebensentwu¨rfen – aber auch verschiedene Handlungsspielra¨ume. 85 Jahre, nachdem die Protokolle zusammengestellt wurden, sind sie nun als historische Quellen leicht verfu¨gbar. Dies ist hervorzuheben, da aus der Zeit des 19. und des fru¨hen 20. Jahrhunderts nach wie vor nur (verha¨ltnisma¨ßig) wenige auto/biografische Spuren von Angeho¨rigen der sozial schlechter gestellten Schichten vorliegen.5 Eine historische Auswertung rundet den Band schließlich ab: Der Sozialhistoriker Josef Ehmer bescha¨ftigt sich darin mit den Arbeits- und Lebensverha¨ltnissen in Wien von 1870 bis 1930 (S. 215–251). Er zieht dazu auch die von Marie Jahoda verfassten lebensgeschichtlichen Protokolle heran und lotet deren Quellenwert aus. Die wissenschaftlichen Aufsa¨tze werden erweitert um die Zusammenstellungen von pra¨gnanten politik- und sozialhistorischen Ereignissen von Rainer Bartel (S. 253–265) sowie von Jahodas Lebenslauf und ihren Publikationen, kompiliert von Reinhard Mu¨ller (S. 363–385). Die Kombination von ausfu¨hrlichen und u¨bersichtlichen Darstellungen erweist sich dabei als sehr leser/innenfreundlich. Insgesamt gibt das Buch einen vielschichtigen Eindruck des intellektuellen Kontextes, in dem sich Marie Jahoda in der Zwischenkriegszeit bewegte und den sie als Akteurin mitbestimmte. Ab 1934 wurde ihre politische Arbeit illegalisiert und auch ihre Berufsta¨tigkeit erschwert. Sie wurde aus dem Schuldienst ausgeschlossen, die Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle wurde aufgelo¨st. Nach der Neugru¨ndung firmierte Jahoda als deren neue wissenschaftliche Leiterin. 1936 wurde sie, inzwischen ¨ sterreichs Alleinerzieherin, als Mitglied der verbotenen Revolutiona¨ren Sozialisten O ¨ sterreichs gezwungen. inhaftiert und 1937 nach mehrmonatiger Haft zum Verlassen O Sie konnte nach Großbritannien flu¨chten. Ab 1945 lebte Marie Jahoda fu¨r 13 Jahre in den USA, wo sie eine institutionell abgesicherte wissenschaftliche Karriere aufbaute. 1973 wurde sie als Professor of Social Psychology an der englischen University of Sussex emeritiert. Ihre jahrzehntelange erfolgreiche Forschungsarbeit fand nach der Flucht ¨ sterreich statt – wie auch jene von Paul F. Larzarsfeld, jedenfalls außerhalb von O Charlotte Bu¨hler und vieler anderer Wissenschaftler/innen. Li Gerhalter, Wien
5 Auto/biografische Schilderungen in Publikationen wie Adelheid Popp (Hg.), Gedenkbuch. 20 Jahre o¨sterreichische Arbeiterinnenbewegung, Wien 1912, sind von politischen Implikationen geleitet.
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Bernhard Gotto u. Elke Seefried (Hg.), Ma¨nner mit „Makel“. Ma¨nnlichkeiten und gesellschaftlicher Wandel in der fru¨hen Bundesrepublik (= Zeitgeschichte im Gespra¨ch 25), Berlin/Boston: De Gruyter 2017, 158 S., EUR 16,95, ISBN 978-3-11045210-5. Der kleinformatige Sammelband tritt mit dem großen Anspruch an, „aus einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive innovative Zuga¨nge zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte der Nachkriegszeit zu entwickeln“ (S. 7). Dieses Vorhaben wird mit ma¨nnergeschichtlichem Fokus verfolgt, wobei der Blick hin zu randsta¨ndigen Ma¨nnlichkeiten geht. Damit sind Ma¨nner mit vermeintlichem Makel gemeint beziehungsweise solche, die in ihrer gesellschaftlichen Praxis und ihrem doing masculinity abwichen von wesentlichen Elementen, wie sie zum – in der BRD damals weithin anerkannten – hegemonialen Ma¨nnlichkeitsversta¨ndnis der 1950er- und 1960er-Jahre geho¨rten: „Leistungskraft beziehungsweise Erwerbsta¨tigkeit, Heterosexualita¨t, Soziabilita¨t und patriarchale Autorita¨t in der Familie“ (S. 15, Einleitung). Dass sich die Beitra¨ge des Bandes dabei auf R. W. Connells schon bewa¨hrtes soziologisches Konzept1 mehrerer gleichzeitig existierender Ausformungen von Ma¨nnlichkeit stu¨tzen, die in Konkurrenz zueinander stehen und in unterschiedlichen hierarchischen Relationen (Hegemonie und Unterordnung, Komplizenschaft und Marginalisierung) aufeinander bezogen sind, u¨berrascht nicht. Bemerkenswert ist, wie konsequent sie es zumeist tun, dabei das Konzept weiter diskutieren und mit ihren empirischen Beispielen konkretisieren und differenzieren. Schon die instruktive Einleitung von Bernhard Gotto und Elke Seefried u¨berzeugt davon, einen sorgfa¨ltig durchdachten und differenziert angelegten Band vor sich zu haben, dessen Beitra¨ge sich auf Basis unterschiedlichster Quellen auf die analytischen Ebenen von Normen und Aushandlungsprozessen, Lebenswelten und Erfahrungen sowie Performanz und Praxis begeben. Gleich drei Aufsa¨tze thematisieren eingangs die in der Nachkriegsgesellschaft besonders pra¨sente Gruppe der Kriegsversehrten, die mehrere – zugeschriebene wie selbst empfundene – Makel trugen: Ihre verwundeten Ko¨rper ließen zum einen Krieg, Gewalt und Niederlage nicht vergessen und galten zum anderen in Bezug auf ihre verminderte Funktions- und Leistungsfa¨higkeit sowie – eng damit verbunden – ihre Ma¨nnlichkeit als defizita¨r. Die darauf bezogenen Beitra¨ge greifen unterschiedliche o¨ffentliche wie perso¨nliche Strategien der Kompensation des „Makels“ und der Integration der Kriegsversehrten in die Nachkriegsgesellschaft auf. Sabine Schleiermacher zeigt im Zusammenhang mit dem Gesetz u¨ber die Versorgung der Opfer des Krieges (1950), dass dieses nicht nur vom Gedanken der medizinischen und o¨konomischen Unterstu¨tzung der Betroffenen getragen war, sondern auch davon, diese in ihrer ins Wanken 1 R. W. Connell, Masculinities, Cambridge 1995 (dt.: Der gemachte Mann: Konstruktion und Krise von Ma¨nnlichkeiten, Opladen 1999).
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geratenen ma¨nnlichen Position als Versorger und in ihrer familia¨ren Autorita¨t zu sta¨rken. Die Prothetik hielt, wie Noyan Dinçkal ausfu¨hrt, technische Wiederherstellungsangebote bereit, um Kriegsbescha¨digte im Sinne einer „zivilen Remaskulinisierung“ (S. 41) wieder in die Lage zu versetzen, ihre berufliche Existenz eigensta¨ndig zu sichern und Leistungserwartungen zu erfu¨llen. Aufseiten jener, die mit dem Fehlen von Gliedmaßen zurechtkommen mussten, ortet die Autorin allerdings auch Verweigerungen gegenu¨ber einer solchen prothetischen Funktionalita¨t, was ihnen, etwa wenn sie ihre Prothese nicht trugen, den Vorwurf fehlenden ma¨nnlichen Willens eingebracht habe. Sebastian Schlund nimmt den o¨ffentlich finanzierten und organisierten Versehrtensport in den Blick, der – u¨ber die offiziellen Ziele hinaus – fu¨r die kriegsversehrten Ma¨nner ein „Mittel zur Selbstvergewisserung“ ko¨rperlicher und sportlicher Leistungskraft als „klassischen Elementen von Maskulinita¨t“ (S. 54) wurde. Daru¨ber hinaus nutzten sie, so Schlund, den Versehrtensport als Mo¨glichkeit, den „Makel zumindest in einem begrenzten Rahmen zu einer Tugend umzudeuten“ (S. 60), indem sie sich in Abgrenzung zu Zivilbehinderten als „Edelversehrte“ (S. 56) begriffen und die eigene Versehrtheit in „milita¨risch-heroischer Stilisierung“ (S. 58) als „Ehrenmal“ (S. 60) aufwerteten. Strategien einer Umdeutung der eigenen gesellschaftlichen Randlage beziehungsweise der Geschlechterposition einer marginalisierten Ma¨nnlichkeit finden sich auch in den na¨chsten beiden Beitra¨gen. Britta-Marie Schenk ist auf der Basis von Quellen aus einer Hamburger Obdachlosen-Schlafsta¨tte fu¨r die 1950er-Jahre dem Selbstversta¨ndnis und Handeln obdachloser Ma¨nner nachgegangen und darauf gestoßen, dass diese der gesellschaftlichen Außensicht, die sie als soziale Absteiger oder asoziale Mu¨ßigga¨nger kategorisierte, eigene Ma¨nnlichkeitsentwu¨rfe entgegenstellten. Zentral fu¨r ihr Selbstversta¨ndnis, das sie etwa gegenu¨ber der Heimleitung oder Fu¨rsorgerinnen ins Spiel brachten, waren ein „selbstbestimmtes Leben, das mo¨glichst wenig institutionell vorgegebenen Regeln unterlag“ (S. 69), und eine „von dem Mehrheitsideal abweichende Bewertung von Arbeit“ (S. 64). Aus der Mitte der Gesellschaft kamen die sogenannten „Gammler“ der 1960er-Jahre, die Nadine Recktenwald in ihrem Beitrag thematisiert. Sie haben, wie die Autorin darlegt, mit ihrem demonstrativen Nichtstun, ihrer Konsumverweigerung und ihren die Geschlechtergrenzen verwischenden langen Haaren gesellschaftlich stigmatisierte Verhaltensweisen kultiviert, um Nonkonformismus und Gesellschaftsprotest auszudru¨cken. Doch obwohl sie damit auch die hegemoniale Ma¨nnlichkeit herausforderten, spielten sie diese, so die Autorin, gegenu¨ber Frauen durchaus auch aus und profitierten „in Form einer komplizenhaften Ma¨nnlichkeit von der gesellschaftlich verankerten Hegemonialstellung des Mannes“ (S. 87). Die von strafrechtlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Diskriminierung bedrohten Lebenssituationen homosexueller Ma¨nner werden in zwei Aufsa¨tzen erschlossen. Michael Schwartz kann fu¨r beide Teile des Nachkriegs-Berlin zuna¨chst noch vielfa¨ltige subkulturelle Entfaltungsra¨ume orten, ab den spa¨ten 1950er-Jahren ha¨tte „ein wachsender gesellschaftlicher und politischer Drang zur ,Normalisierung‘“ (S. 95)
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die Situation jedoch verscha¨rft. Westberlin sei trotzdem zu einem „Ausnahmeort fu¨r Homosexuelle“ (S. 99) geworden, weil die Strafverfolgung erwachsener Homosexualita¨t dort weniger intensiv als in Westdeutschland erfolgte. Gravierende Folgen – na¨mlich einen vollsta¨ndigen Ru¨ckzug ins Private – ha¨tten der Mauerbau und die Zerschlagung ihrer Szenestrukturen fu¨r Homosexuelle in Ostberlin gehabt. Benno Gammerl skizziert eine „Gefu¨hlsgeschichte ma¨nnlicher Homosexualita¨ten“ (S. 113) und zeigt, wie umfassend juristische Vorgaben und gesellschaftliche Normen in die Selbstentwu¨rfe und emotionalen Praktiken ma¨nnerbegehrender Ma¨nner hineinwirkten. Um „dem Bild rechtschaffener Ma¨nnlichkeit zu entsprechen“ (S. 107), ha¨tten viele die Strategie des Doppellebens verfolgt. Mit Blick auf beide deutsche Nachkriegsstaaten untersucht Stefanie Coche´ entlang der Indikatoren Gewalt und Arbeit die psychiatrische Einweisungspraxis, um „Konstruktionen von (devianter) Ma¨nnlichkeit zu analysieren“ (S. 115). Wa¨hrend dabei Gewalt als Einweisungsursache sowohl in der BRD wie in der DDR als spezifisch ma¨nnlich eingeordnet wurde, war ein solcher Konnex bei fehlender Leistungs- und Arbeitsfa¨higkeit viel weniger ausgepra¨gt. So machten in den Patientenakten der BRD auch Frauen ihre psychiatrische Erkrankung an diesen Kriterien fest, in den DDRQuellen wiederum wurde ein Zusammenhang zwischen Arbeitsfa¨higkeit und Gesundheit u¨berhaupt kaum hergestellt. Das verweise darauf, „wie sehr Konstruktionen von Identita¨t von handfesten a¨ußeren politischen und o¨konomischen Bedingungen abha¨ngen ko¨nnen“ (S. 126). Friederike Bru¨ho¨fener analysiert Schriften der Bundeswehr der 1950er-Jahre, die im Zuge der Einfu¨hrung der allgemeinen Wehrpflicht fu¨r Ma¨nner den Umgang mit „schwierigen jungen Soldaten“ (so der Titel einer der Broschu¨ren der Zeit) diskutierten. Damit gewinnt die Autorin nicht nur Einblick in Fu¨hrungs- und Erziehungskonzepte der Bundeswehr hin zu einem neuen, demokratischen Soldatenideal. Sie sieht darin auch eine gesamtgesellschaftliche Sorge um das Verhalten junger Ma¨nner reflektiert, deren zeitgeno¨ssisch konstatierte Orientierungslosigkeit auf die „Absenz des Vaters“ als „Erziehungsfaktor“ und „Leistungsvorbild“ (S. 133) zuru¨ckgefu¨hrt worden sei. Von einem „Misstrauen“ gegen u¨berkommene Ideale va¨terlicher Autorita¨t (S. 143) geht hingegen Till van Rahden im letzten Beitrag aus und folgt Vordenkern einer sanften Va¨terlichkeit, die er in Publikationen aus dem Umfeld der katholischen und protestantischen Kirche findet. Mit dieser von ihm schon fu¨r die 1950er-Jahre georteten Sehnsucht nach neuen Leitbildern familialer Ma¨nnlichkeit und Vaterschaft sieht der Autor zudem jenen „zentralen Ort“ markiert, „an dem sich die junge Bundesrepublik daru¨ber versta¨ndigte, wie das Verha¨ltnis von Autorita¨t und Demokratie zu bestimmen sei“ (S. 156). Alles in allem war die Lektu¨re eindru¨cklich und aufschlussreich und hat nicht nur Interesse an einer umfassenderen Ausfu¨hrung der eher kurzen thematischen Skizzen geweckt. So, wie diese die Nachkriegsgeschichte von den Ra¨ndern marginalisierter Ma¨nnlichkeiten her aufrollen – und dabei im Sinne einer integrierten Geschlechter-
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geschichte weibliche Geschlechterpositionen mitdenken –, regen sie auch u¨berzeugend dazu an, „große Narrative zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte der fru¨hen Bundesrepublik“ zu „pru¨fen und [zu] nuancieren“ (S. 17). Dazu geho¨ren etwa das Deutungsmuster einer Remaskulinisierung oder jenes einer erst in den 1960er-Jahren einsetzenden Liberalisierung und Pluralisierung von kulturellen Werten und Lebensweisen. Ingrid Bauer, Salzburg/Wien
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Angelika Schaser, The First World War in Germany and Austria-Hungary from the Perspective of Women’s and Gender History The article reviews some of the latest research reports and books on the First World War in the German Empire and Austria-Hungary, asking which significance is assigned to women’s and gender history. The topics of recent scholarship mirror the trends that can be observed and that are mentioned in the latest research reports: the growing interest in transnational and global perspectives and the continuous writing of national histories at the same time. Other studies deal with regional and local impacts of the war and increasingly use autobiographical texts as sources.
Alison Fell, Female War Icons: Visual Representations of Women’s Contribution to the First World War in France and Britain in 1914–1918 and 2014–2018 This article compares and contrasts the representation of women’s roles in the First World War in France and Britain during two key moments in which the war’s cultural memory has been constructed: at the end of the war and during its centenary years. In order to do so, it first considers two visual sources dating from 1918: the film “La Femme française pendant la guerre” (The Frenchwoman in Wartime) made by the Section cine´magraphique de l’arme´e (Army cinema unit), and photographs of British women’s war work commissioned by the Photographic Section of the Ministry of Information. It then analyses the representation of women and the First World War in two museum exhibitions that were both launched in anticipation of the public interest that would be generated by the centenary of the conflict: the First World War galleries in the Imperial War Museum in London, which opened in 2014, and the permanent exhibition in the Muse´e de la Grande Guerre (Museum of the Great War) in Meaux, which first opened its doors in 2011.
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Fa´tima Mariano and Helena da Silva, From Memory to Reality: Remembering the Great War in Portugal and Gender Perspectives Studies on the First World War have been met with increasing popularity in Portugal, a phenomenon also occurring in other countries. During the last few years, several commemorative activities took place, ranging from exhibitions to conferences to publications. Despite such unprecedented enthusiasm, these events have been mainly male-focused, apart from a few exceptions. This article aims to identify how current studies within and beyond the academic community take into consideration gender perspectives when remembering the Great War in Portugal. It offers a short overview of commemorative events in Portugal that have included gender narratives and their limitations. What academic books and articles have been published? What exhibitions highlighted women’s participation in the First World War? Have the media been covering war and gender perspectives in particular? Despite a certain interest in the Great War’s centenary, the role of Portuguese women continues to be reduced to second rate. The article will give possible reasons for this scenario and discuss potential future developments.
Judit Acsa´dy, Zsolt Me´sza´ros and Ma´te´ Zombory, Reflections on Gender Aspects of World War One: Commemoration Projects and Historiography in Hungary The commemoration of the 100th year anniversary of the First World War in Hungary attracted significant attention. A large number of public events, conferences, exhibitions and publications were devoted to the centenary, several of them centrally launched and state-funded projects; universities and associations organised conferences and other events. The paper examines how these centenary projects represented gender and war. Most of them confined themselves to describing the gendered dichotomy of the front and the home front, details of men’s and women’s ‘roles’ and gendered practices in society. Some of them also focused on the discussion of how certain female roles have changed mostly on the home front. The centenary projects were presented predominantly in the framework of traditional historical approaches. Only some of them challenged previously accepted discourses.
Stefania Bartoloni, The Long Anniversary of Women at War 1915–1918. The Italian Case The paper deals with the centenary of the First World War in Italy, focusing on gendered memory politics before and after 2015. It is characteristic of the ‘Italian case’ that over the course of the twentieth century gender images of the Great War appear
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closely linked to rhetoric figures established in the context of events commemorating the unification of Italy in 1861. Besides, remembering the First World War played an important role in Italian Fascism. The Fascist regime declared the Great War as a crucial reference point of political ideology. Correspondingly, it propagated gender images of ‘soldier-like manliness’ and ‘caring national motherhood’. In contrast, and in order to distance themselves from Fascism, Italian politics and public opinion after 1945 rather ignored the role of women in the First World War. Accordingly, the range of ‘available’ gender representations of the war remained rather limited in the second half of twentieth century. It was not until the commemoration events around 2015 that women’s and gender history research set in motion again. Against the backdrop of a significant gender bias in current Italian historical sciences and persisting research desiderata concerning World War One, the conclusions of such historiographic developments nevertheless remain ambivalent.
Benjamin Ziemann, Ambivalent Masculinity. Gender Perceptions and Gendered Practices in the Imperial German Navy. The Example of Martin Niemo¨ller On 1 April 1910, Martin Niemo¨ller, the son of a Protestant pastor, joined the Imperial German navy together with 206 other sea cadets. After twelve months of training, he was promoted to ensign, and to the rank of lieutenant-at-sea in April 1913. Based on a dense record of letters and diary entries, this article analyses how Niemo¨ller engaged the practices of male camaraderie in the navy, and how his perception of his own masculinity evolved. A key factor in this context were the rules of marital consent, which required a navy officer to provide sufficient funds for a suitable livelihood before the navy command granted permission to marry. Faced with these constraints, Niemo¨ller decided to terminate his relationship with a woman and sought refuge in the more intimate aspects of male camaraderie in encounters with few select friends. As the First World War began in August 1914, military masculinity appeared to be an empty shell for Niemo¨ller as the German High Sea Fleet had to stay idle at the North Sea ports. Overall, the article argues that the discrepancy between normative role expectations and subjective experiences of masculinity among officers was much greater than suspected in historiography. Military masculinity in the Imperial German Navy remained highly ambivalent.
Anschriften der AutorInnen
Judit Acsa´dy, Centre for Social Sciences (CSS), Sociology Institute, Hungarian Academy of Sciences, To´th Ka´lma´n utca 4, 1097 Budapest, Magyarorsza´g – acsady.judit @tk.mta.hu Theresa Adamski, Institut fu¨r Geschichte, Universita¨t Wien, Universita¨tsring 1, 1010 ¨ sterreich – [email protected] Wien, O Ingrid Bauer, Fachbereich Geschichte, Universita¨t Salzburg, per Adresse: Seidengasse ¨ sterreich – [email protected] 13, 1070 Wien, O Stefania Bartoloni, Dipartimento di Scienze politiche, Universita´ degli Studi Roma Tre, Via Gabriello Chiabrera 199, 00145 Roma, Italia – stefania.bartoloni @uniroma3.it Christa Ha¨mmerle, Institut fu¨r Geschichte, Universita¨t Wien, Universita¨tsring 1, 1010 ¨ sterreich – [email protected] Wien, O Silke Fehlemann, Lehrstuhl fu¨r Neuere und Neueste Geschichte (in Vertretung), Technische Universita¨t Dresden, Zellescher Weg 17, 01069 Dresden, Deutschland – [email protected] Alison S. Fell, Leeds Humanities Research Institute, University of Leeds, 29–31 Clarendon Place, Leeds LS2 9JT, United Kingdom – [email protected] Maria Fritsche, Department for Historical Studies, NTNU Norwegian University of Science and Technology, 7491 Trondheim, Norge – [email protected] Benno Gammerl, Department of History, Goldsmiths, University of London, New Cross, London, SE14 6NW, United Kingdom – [email protected]
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Martina Gugglberger, Institut fu¨r Neuere Geschichte und Zeitgeschichte, Johannes ¨ sterreich – martina. Kepler Universita¨t Linz, Altenbergerstraße 69, 4040 Linz, O [email protected] Li Gerhalter, Sammlung Frauennachla¨sse am Institut fu¨r Geschichte, Universita¨t ¨ sterreich – [email protected] Wien, Universita¨tsring 1, 1010 Wien, O Margaret R. Higonnet, Department of English, University of Connecticut, 215 Glenbrook Road, Stors CT 06269-4025, Connecticut, USA – margaret.higonnet @uconn.edu Ulrike Krampl, De´partement d’histoire et d’arche´ologie, CeTHiS, Universite´ de Tours, 3, rue des Tanneurs, 37041 Tours cedex, France – [email protected] Angelique Leszczawski-Schwerk, Institut fu¨r Geschichte, Technische Universita¨t Dresden, 01062 Dresden, Deutschland – [email protected] Fa´tima Mariano, Instituto de Histo´ria Contemporaˆnea, NOVA FCSH, Avenida de Berna, 26 C; 1069-061 Lisboa, Portugal – [email protected] Zsolt Me´sza´ros, Peto˝fi Irodalmi Mu´zeum (Literary Museum), Ka´rolyi utca 16, 1053 Budapest, Magyarorsza´g – [email protected] ¨ sterreichische Frauenha¨user AO ¨ F, Bacherplatz Maria Ro¨sslhumer, Verein Autonome O ¨ 10/4, 1050 Wien, Osterreich – [email protected] ¨ berseering 35 #5, Angelika Schaser, Fachbereich Geschichte, Universita¨t Hamburg, U 22297 Hamburg, Deutschland – [email protected] Helena da Silva, Instituto de Histo´ria Contemporaˆnea, NOVA FCSH, Avenida de Berna, 26 C; 1069-061 Lisboa, Portugal – [email protected] Ingrid Sharp, School of Languages, Cultures and Societies, University of Leeds, Leeds LS2 9JT, United Kingdom – [email protected] Benjamin Ziemann, Department of History, University of Sheffield, 1 Upper Hanover Street, Sheffield S3 7RA, United Kingdom – [email protected] Ma´te´ Zombory, Centre for Social Sciences (CSS), Sociology Institute, Hungarian Academy of Sciences, To´th Ka´lma´n utca 4, 1097 Budapest, Magyarorsza´g – zombory. [email protected]
Weitere Hefte von „L’Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft“ 29. Jg., Heft 1 (2018)
28. Jg., Heft 2 (2017)
Wissen schaffen
Schwesterfiguren
hg. von Claudia Opitz-Belakhal und Sophie Ruppel
hg. von Almut Höfert, Michaela Hohkamp und Claudia Ulbrich
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Vorschau: 30. Jg., Heft 1 (2019)
30. Jg., Heft 2 (2019)
Fall – Porträt – Diagnose
Innenräume – Außenräume
hg. von Regina Schulte und Xenia von Tippelskirch
hg. von Maria Fritsche, Claudia OpitzBelakhal und Inken Schmidt-Voges
Erscheint im April 2019
Erscheint im Oktober 2019
L’Homme Schriften – Bd. 25 Therese Garstenauer
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Ältere Ausgaben von „L’Homme. Z. F. G.“ (1990 bis 2015) sind im Böhlau Verlag erschienen und über die Redaktion erhältlich: www.univie.ac.at/Geschichte/LHOMME/ und [email protected] Heft 26, 2 (2015) Maria Fritsche, Anelia Kassabova (Hg.) Visuelle Kulturen
Heft 20, 2 (2009) Ingrid Bauer, Hana Havelková (Hg.) Gender & 1968
Heft 26, 1 (2015) Ulrike Krampl, Xenia von Tippelskirch (Hg.) mit Sprachen
Heft 20, 1 (2009) Ulrike Krampl, Gabriela Signori (Hg.) Namen
Heft 25, 2 (2014) Gabriella Hauch, Monika Mommertz, Claudia Opitz-Belakhal (Hg.) Zeitenschwellen
Heft 19, 2 (2008) Christa Hämmerle, Claudia Opitz-Belakhal (Hg.) Krise(n) der Männlichkeit?
Heft 25, 1 (2014) Margareth Lanzinger, Annemarie Steidl (Hg.) Heiraten nach Übersee
Heft 19, 1 (2008) Ute Gerhard, Karin Hausen (Hg.) Sich Sorgen – Care
Heft 24, 2 (2013) Claudia Ulbrich, Gabriele Jancke, Mineke Bosch (Hg.) Auto/Biographie Heft 24, 1 (2013) Ingrid Bauer, Christa Hämmerle (Hg.) Romantische Liebe Heft 23, 2 (2012) Almut Höfert, Claudia Opitz-Belakhal, Claudia Ulbrich (Hg.) Geschlechtergeschichte global Heft 23, 1 (2012) Mineke Bosch, Hanna Hacker, Ulrike Krampl (Hg.) Spektakel Heft 22, 2 (2011) Sandra Maß, Kirsten Bönker, Hana Havelková (Hg.) Geld-Subjekte Heft 22, 1 (2011) Karin Gottschalk, Margareth Lanzinger (Hg.) Mitgift Heft 21, 2 (2010) Caroline Arni, Edith Saurer (Hg.) Blut, Milch und DNA. Zur Geschichte generativer Substanzen Heft 21, 1 (2010) Bożena Chołuj, Ute Gerhard, Regina Schulte (Hg.) Prostitution
Heft 18, 2 (2007) Caroline Arni, Susanna Burghartz (Hg.) Geschlechtergeschichte, gegenwärtig Heft 18, 1 (2007) Gunda Barth-Scalmani, Regina Schulte (Hg.) Dienstbotinnen Heft 17, 2 (2006) Margareth Lanzinger, Edith Saurer (Hg.) Mediterrane Märkte Heft 17, 1 (2006) Ingrid Bauer, Christa Hämmerle (Hg.) Alter(n) Heft 16, 2 (2005) Mineke Bosch, Hanna Hacker (Hg.) Whiteness Heft 16, 1 (2005) Ute Gerhard, Krassimira Daskalova (Hg.) Übergänge. Ost-West-Feminismen Heft 15, 2 (2004) Erna Appelt, Waltraud Heindl (Hg.) Auf der Flucht Heft 15, 1 (2004) Caroline Arni, Gunda Barth-Scalmani, Ingrid Bauer, Christa Hämmerle, Margareth Lanzinger, Edith Saurer (Hg.) Post/Kommunismen Heft 14, 2 (2003) Susanna Burghartz, Brigitte Schnegg (Hg.) Leben texten Heft 14, 1 (2003) Gunda Barth-Scalmani, Brigitte Mazohl-Wallnig, Edith Saurer (Hg.) Ehe-Geschichten
Heft 13, 2 (2002) Mineke Bosch, Francisca de Haan, Claudia Ulbrich (Hg.) Geschlechterdebatten Heft 13, 1 (2002) Karin Hausen, Regina Schulte (Hg.) Die Liebe der Geschwister Heft 12, 2 (2001) Waltraud Heindl, Claudia Ulbrich (Hg.) HeldInnen? Heft 12, 1 (2001) Susanna Burghartz, Christa Hämmerle (Hg.) Soldaten Heft 11, 2 (2000) Ute Gerhard, Edith Saurer (Hg.) Das Geschlecht der Europa Heft 11, 1 (2000) Christa Hämmerle, Karin Hausen, Edith Saurer (Hg.) Normale Arbeitstage Heft 10, 2 (1999) Hanna Hacker, Herta Nagl-Docekal, Gudrun Wolfgruber (Hg.) Glück Heft 10, 1 (1999) Erna Appelt (Hg.) Citizenship Heft 9, 2 (1998) Christa Hämmerle, Karin Hausen (Hg.) Heimarbeit Heft 9, 1 (1998) Susanna Burghartz, Edith Saurer (Hg.) Unzucht Heft 8, 2 (1997) Waltraud Heindl, Regina Schulte (Hg.) Höfische Welt Heft 8, 1 (1997) Hg. vom Herausgeberinnen-Gremium der L’Homme. Z. F. G. Vorstellungen Heft 7, 2 (1996) Andrea Griesebner, Claudia Ulbrich (Hg.) Gewalt
Heft 7, 1 (1996) Gunda Barth-Scalmani, Ingrid Bauer, Christa Hämmerle, Gabriella Hauch, Waltraud Heindl, Brigitte Mazohl-Wallnig, Brigitte Rath (Hg.) Tausendundeine Geschichten aus Österreich Heft 6, 2 (1995) Gudrun-Axeli Knapp, Edith Saurer (Hg.) Interdisziplinarität Heft 6, 1 (1995) Erna Appelt, Verena Pawlowsky (Hg.) Handel Heft 5, 2 (1994) Susan Zimmermann, Birgit BologneseLeuchtenmüller (Hg.) Fürsorge Heft 5, 1 (1994) Herta Nagl-Docekal (Hg.) Körper Heft 4, 2 (1993) Christa Hämmerle, Bärbel Kuhn (Hg.) Offenes Heft Heft 4, 1 (1993) Hanna Hacker (Hg.) Der Freundin? Heft 3, 2 (1992) Waltraud Heindl, Jana Starek (Hg.) Minderheiten Heft 3, 1 (1992) Hg. vom Herausgeberinnen-Gremium der L’Homme. Z. F. G. Krieg Heft 2, 2 (1991) Brigitte Mazohl-Wallnig, Herta NaglDocekal (Hg.) Intellektuelle Heft 2, 1 (1991) Erna Appelt, Edith Saurer (Hg.) Ernährung Heft 1, 1 (1990) Christa Hämmerle, Edith Saurer (Hg.) Religion
Diese Hefte sind in Kürze open acces auf www.lhomme-archiv.univie.ac.at verfügbar.
Maria Bühner / Maren Möhring (Hg.)
Europäische Geschlechtergeschichten
Europäische Geschichte in Quellen und Essays – Band 4
2018 336 Seiten mit 9 s/w-Fotos und 10 s/w-Abbildungen € 39,– 978-3-515-12138-5 kartoniert 978-3-515-12146-0 e-book
Geschlecht und Sexualität sind konstitutiv für die Geschichte der europäischen Moderne. Wie sehr die historische Gesellschaftsanalyse von einer konsequenten Einbeziehung der Kategorie „Geschlecht“ profitieren kann, demonstrieren die Autorinnen und Autoren dieses Bandes. Der Fokus liegt auf der Geschichte der europäischen Neuzeit, insbesondere des 20. Jahrhunderts. Anhand der Themenfelder Feminismus, Frauenarbeit, Männlichkeiten sowie Körper und Sexualitäten werden zum einen zentrale theoretische und methodische Weichenstellungen der Frauen- und Geschlechtergeschichte nachgezeichnet und zum anderen die große Bandbreite an Themen und Perspektiven verdeutlicht, welche die Geschlechtergeschichte bietet. Als Studien- und Lehrbuch konzipiert, führen alle Beiträge eine intensive quellenkritische Analyse des Untersuchungsmaterials durch, das von der „Erklärung der Rechte der Frau“ von Olympe de Gouge aus dem Jahre 1791 bis zum Rap-Song „Ahmet Gündüz“ von Fresh Familee aus dem Jahre 1990/91 reicht. Der Band ist ein Plädoyer für Methoden- und Perspektivenvielfalt, um die Entwicklung der europäischen Geschlechterordnung(en) der Neuzeit in ihrer Mannigfaltigkeit und auch Widersprüchlichkeit aufzuzeigen.
Hier bestellen: www.steiner-verlag.de
Wie prägten Frauen die geschichte der universität Bonn? Andrea Stieldorf / Ursula Mättig / Ines Neffgen (Hg.)
doch plötzlich jetzt emanzipiert will Wissenschaft sie treiben Frauen an der Universität Bonn (1818–2018) Bonner Schriften zur Universitätsund Wissenschaftsgeschichte, Band 9 2018. 270 Seiten, mit 19 Abbildungen, gebunden € 30,00 D | € 31,00 A ISBN 978-3-8471-0894-8 Bonn University Press eBook € 23,99 D ISBN 978-3-8470-0894-1
Unter dem Titel Doch plötzlich jetzt emanzipiert will Wissenschaft sie treiben, entnommen aus dem Lied der 1899 gegründeten Bonner Studentinnenverbindung Hilaritas, untersuchen die Autorinnen und Autoren die Geschichte von Frauen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Seit Gründung der Hochschule im Jahr 1818 waren Frauen zunächst im gesellschaftlichen Umfeld aktiv und erwarben nach der Einführung des Frauenstudiums – nicht ohne Widerstände – schließlich auch den Zugang zu Wissenschaft und Lehre. Eingebettet in die verschiedenen Epochen deutscher Geschichte, wird diese wechselvolle Entwicklung der letzten 200 Jahre im vorliegenden Band anhand biographischer und thematischer Beiträge schlaglichtartig beleuchtet.