1866: Bismarcks Krieg gegen die Habsburger 3806232873, 9783806232875

Der Deutsch-Deutsche Krieg 1866 war die Entscheidung im Kampf um die Vorherrschaft zwischen Preußen und Österreich. Höhe

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German Pages 312 Year 2016

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Table of contents :
Front Cover
Vorsatz
Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung
I. Der Weg in den Krieg
Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund von 1815
Bismarck und das Trauma von Olmütz 1850
Italien und das Risorgimento 1815–1866
Reformen ohne Ziel – Österreichs Armee von 1848–1866
Zwischen Pickelhaube und Zündnadelgewehr – Preußens Armee als Säule der politischen Reaktion und Speerspitze des modernen Krieges
Exkurs: Vom Vorbild zur Verdammung – Der Preußische Generalstab von Massenbach bis Moltke
II. Entscheidung in nur sechs Wochen – Custoza, Königgrätz, Langensalza und Lissa
Anlauf zum großen Krieg – Kalkulationen und Planungen
Exkurs: Auszug mit Hindernissen – Die Preußische Garde verlässt Berlin
Preußens Feldzug gegen Hannover und Kurhessen – Grundzüge eines neuen Kriegsbildes
Auf den Spuren Radetzkys – Österreichs Sieg in der zweiten Schlacht von Custoza
Nutzloser Achtungserfolg der Hannoveraner – Die Schlacht bei Langensalza
Vorwärts nach alter Sitte – Nachod, Trautenau, Skalitz und Gitschin
Exkurs: Ein Stiefkind der preußischen Armee – Die elektrische Telegrafie
Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken
Vormarsch auf Wien
Die Operationen der preußischen Mainarmee in Süddeutschland
Exkurs: „Ich will keinen preußischen Pardon" – Die Schlacht bei Kissingen am 10. Juli 1866
Exkurs: Österreicher alleingelassen – Die Schlacht bei Aschaffenburg am 14. Juli 1866
Italienischer Epilog – Österreich behauptet das Trentino und die Isonzo-Linie
Exkurs: Lissa 1866 – Antike Seekriegsführung an der Schwelle zur Moderne: Panzerschiffe im Rammeinsatz
III. Die Neugestaltung Mitteleuropas
Die „Revolution von oben" – Ein Monarchist stürzt Monarchien
Exkurs: „Weder die Ehre Englands noch seine Interessensind betroffen." Apeasement und Kalkül – Großbritanniens Neutralität im Krieg von 1866
1866 – Triumph der Ungarn und Trauma der Deutsch-Österreicher
Nationalstaat oder Föderation? – War Bismarcks militärische Reichsgründung alternativlos?
Anhang
Anmerkungen
Abbildungsnachweis
Bibliografie
Register
Nachsatz
Über den Autor
Über den Inhalt
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1866: Bismarcks Krieg gegen die Habsburger
 3806232873, 9783806232875

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Die Schlacht bei Königgrätz 1866. Die preußischen Armeen siegen über das österreichische Hauptheer. In der Bildmitte König Wilhelm, Helmuth von Moltke und Otto von Bismarck. Gemälde von Christian Sell

Klaus-Jürgen Bremm

1866 Bismarcks Krieg gegen die Habsburger

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / www.dnb..de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG © 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Umschlaggestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. Umschlagbild: Die Schlacht bei Königgrätz: „Die Brigade Gordon veteidigt den Swiep-Wald bei Cischkowes“. Aquarell von Carl Röchling. Foto: akg-images Redaktion: Kristine Althöhn, Mainz Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-3287-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-3288-2 eBook (epub): 978-3-8062-3289-9

Inhalt Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Der Weg in den Krieg Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund von 1815 . . . Bismarck und das Trauma von Olmütz 1850 . . . . . . . . Italien und das Risorgimento 1815–1866 . . . . . . . . . . Reformen ohne Ziel – Österreichs Armee von 1848–1866 Zwischen Pickelhaube und Zündnadelgewehr – Preußens Armee als Säule der politischen Reaktion und Speerspitze des modernen Krieges . . . . . . . . . . . . .

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Exkurs: Vom Vorbild zur Verdammung – Der Preußische Generalstab von Massenbach bis Moltke . . . . . . . . . . . 96

II. Entscheidung in nur sechs Wochen – Custoza, Königgrätz, Langensalza und Lissa Anlauf zum großen Krieg – Kalkulationen und Planungen . . 103 Exkurs: Auszug mit Hindernissen – Die Preußische Garde verlässt Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Preußens Feldzug gegen Hannover und Kurhessen – Grundzüge eines neuen Kriegsbildes . . . . . . . . . . . . . . 122 Auf den Spuren Radetzkys – Österreichs Sieg in der zweiten Schlacht von Custoza . . . . . . . . . . . . . . . 132 Nutzloser Achtungserfolg der Hannoveraner – Die Schlacht bei Langensalza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

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Inhalt

Vorwärts nach alter Sitte – Nachod, Trautenau, Skalitz und Gitschin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Exkurs: Ein Stiefkind der preußischen Armee – Die elektrische Telegrafie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken 186 Vormarsch auf Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Die Operationen der preußischen Mainarmee in Süddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Exkurs: „Ich will keinen preußischen Pardon“ – Die Schlacht bei Kissingen am 10. Juli 1866 . . . . . . . . . . 220 Exkurs: Österreicher alleingelassen – Die Schlacht bei Aschaffenburg am 14. Juli 1866 . . . . . . . 224

Italienischer Epilog – Österreich behauptet das Trentino und die Isonzo-Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Exkurs: Lissa 1866 – Antike Seekriegsführung an der Schwelle zur Moderne: Panzerschiffe im Rammeinsatz . . . . . . . . . 233

III. Die Neugestaltung Mitteleuropas Die „Revolution von oben“ – Ein Monarchist stürzt Monarchien . . . . . . . . . . . . . . . 243 Exkurs: „Weder die Ehre Englands noch seine Interessen sind betroffen.“ Apeasement und Kalkül – Großbritanniens Neutralität im Krieg von 1866 . . . . . . . . 257

1866 – Triumph der Ungarn und Trauma der Deutsch-Österreicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Nationalstaat oder Föderation? – War Bismarcks militärische Reichsgründung alternativlos? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Anhang Anmerkungen . . . . Abbildungsnachweis Bibliografie . . . . . . Register . . . . . . .

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Einleitung „Graf Bismarck hat neben sich einen zögernden Souverän mit einem unsicheren Gewissen, das unter verschiedenen gemischten und gearteten Einflüssen handelt; er hat ferner eine feindliche Nation vor sich und hinter sich eine Sache, die, bis zu einem gewissen Grade in ihrem Ziel volkstümlich, doch in der Form und der Methode dem öffentlichen Gefühl widerstrebt.“ Francis Napier of Merchistone, Britischer Botschafter in Berlin, am 14. Oktober 18651 Einleitung

Am 3. Juli 1866 stürmte das I. Bataillon des 7. Westfälischen Infanterie-Regimentes Nr. 56 gegen 14.30 Uhr die Ortschaft Problus, den südlichen Eckpunkt der österreichisch-sächsischen Stellung bei Königgrätz. Gut 1500 Meter offenes Gelände hatten die Angreifer unter heftigem Gewehr- und flankierenden Kartätschenfeuer bis zum Ortsrand zu überwinden. Die preußischen Verluste waren beträchtlich: 18 Offiziere sowie 317 Unteroffiziere und Mannschaften des in Köln stationierten Regimentes waren am Abend entweder tot oder verwundet.2 Zu den ganz übel Zugerichteten zählte auch ein gewisser Johann Konrad Adenauer aus der Domstadt, ein stattlicher Mann in den Dreißigern, der in 15 Dienstjahren zum Feldwebel aufgestiegen war. Schon im folgenden Jahr musste Adenauer, der zuvor noch ehrenhalber zum niedrigsten Offizierdienstgrad (Sekonde-Lieutenant) befördert worden war, wegen seiner Blessuren als „Ganzinvalide“ mit einer monatlichen Pension von zehn Talern aus der Armee ausscheiden. Johann Konrad Adenauers tapferes Verhalten in der Schlacht von Königgrätz fand immerhin Würdigung in der Regi-

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mentsgeschichte, die Behauptung aber, dass der Vater des späteren ersten Kanzlers der deutschen Westrepublik im Kampf eine österreichische Fahne erbeutet haben soll, erwies sich als aus der Luft gegriffen.3 Hätte sich aber der Feldwebel Johann Konrad Adenauer im Jahre 1866 je träumen lassen, dass einer seiner Söhne einmal in einer unvorhersehbar fernen Zukunft zum Nachlassverwalter jenes Reiches werden würde, an dessen Entstehung er bei Königgrätz als Soldat mitgewirkt hatte? 83 Jahre und eine ganze Epoche später war der auf dem böhmischen Schlachtfeld gegründete preußisch-deutsche Machtstaat schon wieder Geschichte und der jüngste Sohn des Veteranen von Königgrätz freute sich als Regierungschef des soeben konstituierten westdeutschen Teilstaates geradezu diebisch, dass er anlässlich der Vorstellung seines ersten Kabinetts vor der Alliierten Hohen Kommission am 21. September 1949 auf dem Bonner Petersberg den roten Teppich hatte betreten können, ohne von den argwöhnischen Kommissaren zurechtgewiesen worden zu sein.4 Adenauers Gefallen an kleinen Unbotmäßigkeiten gegenüber den Vertretern der Alliierten erinnerte in gewisser Weise auch an Bismarcks lustvoll provokantes Verhalten gegenüber den Vertretern Österreichs während seiner Zeit als preußischer Gesandter am Frankfurter Bundestag. Deutschland oder das, was nach dem Ende der Hitlerdiktatur davon übrig geblieben war, schien nun endgültig auf ein verträgliches Maß zurechtgestutzt. Westorientierung und die Beschränkung nationaler Souveränität durch Einbindung in europäische oder transatlantische Institutionen waren der neue Königsweg des vorerst noch fragilen Adenauerstaates. Das 1866 von Bismarck durch „Blut und Eisen“ begründete Reich, Europa in einer Stunde der Unaufmerksamkeit abgetrotzt, erschien einer nachwachsenden Generation deutscher Historiker bald schon nicht mehr als historische Ausnahmeleistung. Plötzlich war das Werk des „Eisernen Kanzlers“ zu einer nationalen Verirrung mutiert, zum fatalen Beginn eines deutschen Sonderweges, der eine gedeihliche demokratische Entwicklung verhinderte und angeblich auch verantwortlich war für die kriegerischen Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu den prominentesten Vertreter dieser Richtung zählte wohl der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler, der in seiner Geschichte

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des Deutschen Kaiserreichs von einem strukturellen Grundproblem des Bismarckstaates sprach. Vorindustrielle Machteliten hätten demnach die Bildung einer freiheitlichen Sozial- und Staatsverfassung verhindert und eine aggressiv auftrumpfende Außenpolitik begünstigt.5 „Von Bismarck zu Hitler“ lautete wiederum in den 1970er-Jahren der Titel einer gedankenreichen Studie des renommierten Publizisten Sebastian Haffner, in der von einer Geburtshypothek des Bismarckreiches gesprochen wird. Für seine Nachbarn war es zu mächtig, für sich allein aber zu schwach, um einer gegnerischen Koalition erfolgreich trotzen zu können, und daher stets zum Prävenire geneigt. Das autoritäre Kaiserreich schien Historikern wie Heinrich August Winkler geradezu als der Gegenentwurf zur politischen Kultur des „Westens“ mit ihren Bürgerrechten, ihrer Gewaltenteilung und ihrer Toleranz. Hatte also Bismarck 1866 die Büchse der Pandora geöffnet, um sämtliche Übel des Nationalismus in die Weltgeschichte zu entlassen? Historiker wie der Bismarckbiograf Lothar Gall oder Thomas Nipperdey haben dagegen immer darauf verwiesen, dass die Idee des Nationalstaates zu den wirkungsmächtigsten Kräften des 19. Jahrhunderts gezählt hatte. Eine in den 1850er-Jahren stark aufblühende Wirtschaft in Westdeutschland und Baden, in Berlin und Sachsen forderte geradezu die Vereinheitlichung von Maßen, Münzen und Tarifen in einem gemeinsamen Staat. Ökonomisch passte man schon längst nicht mehr zu Österreich, was der einflussreiche Staatssekretär im Handelsministerium, Rudolf von Delbrück, dem preußischen Ministerpräsidenten im August 1864 unmissverständlich klarmachen musste, als dieser in der Zollfrage Zugeständnisse an Wien ernsthaft in Erwägung zog.6 Der Krieg von 1866 beschleunigte schließlich nur die unausweichliche Trennung vom Kaiserstaat. Gab es aber 1866 überhaupt noch realistische Alternativen zu einer kleindeutschen Lösung unter preußischer Führung? Etwa eine Fortentwicklung des Deutschen Bundes mit seinen föderalen Strukturen unter Beibehaltung des preußisch-österreichischen Dualismus? War nicht gerade dieser Bund, dieser schale Aufguss des 1806 aufgelösten alten Reiches, längst zu einem Gebilde erstarrt, das immer noch die Kräfteverhältnisse von 1815 zu zementieren versuchte

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und das ein halbes Jahrhundert lang vielen Patrioten nur als Symbol engstirniger Kleinstaaterei und politischer Unterdrückung gegolten hatte? Nirgendwo löste die föderale Perspektive besonderen Enthusiasmus aus, ja eine deutsche Föderation wäre im Kontext der Nationalismen des 19. Jahrhunderts erst wirklich ein deutscher Sonderweg gewesen, da selbst Italien unter erheblich ungünstigeren Vorzeichen seine nationale Einheit anstrebte und die Gründung der Società nazionale im Jahre 1857 sogar Vorbild für den Deutschen Nationalverein wurde. Bismarck hat 1866 und dann endgültig 1870 / 71 den deutschen Nationalstaat mit Waffengewalt errichtet, doch das Deutsche Reich von 1871 führte danach 43 Jahre keinen Krieg mehr. Selbst für das vergleichsweise friedliche 19. Jahrhundert war dies eine beachtliche Zeitspanne. Gewiss fügte sich das Reich von 1871 mit einem „Biegen“ in die europäische Staatenwelt, aber es war kein Brechen, wie Klaus Hildebrand betonte.7 Und überdies: Hätten die Deutschen auf ihren Nationalstaat verzichten sollen, nur weil dieser den Neid und den Revisionismus einiger Mächte hervorrief? Einzig linke Historiker mögen dies als eine echte Option betrachten. Sie verkennen in ihrer grundsätzlichen Ablehnung alles Nationalen aber auch gern, dass der Nationalstaat bis heute die einzige politische Organisationsform geblieben ist, die es wenigstens im atlantischen Raum geschafft hat, halbwegs stabile und ausgewogene Sozialordnungen hervorzubringen und mit demokratischen Mitteln zu bewahren. Ob dies auch der Europäischen Union mit ihrer von Krisen geschüttelten Währung gelingen wird, steht noch in den Sternen. Der Krieg von 1866 hat fraglos die mitteleuropäische Staatenwelt revolutioniert und das Wiener System von 1815 begraben. Es erweist sich aber bis heute als überaus schwierig, den kampferfüllten sieben Wochen des Jahres 1866 überhaupt einen zutreffenden Namen zu geben. War es der Krieg Preußens gegen Österreich, von dem auch noch die meisten Nachschlagewerke im Kaiserreich sprachen?8 Politisch wäre das zutreffend, da der Krieg von 1866 in der Hauptsache den preußisch-österreichischen Dualismus, vom Potsdamer Autokraten Friedrich II. einst mit der Besetzung Schlesiens eröffnet, endgültig zugunsten des Hohenzollernstaates entschieden hat. Ein „Preußisch-Österreichischer Krieg“ würde aber der Mitwir-

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kung der deutschen Staaten und vor allem Italiens nicht gerecht, selbst wenn die militärische Bilanz dieser Verbündeten 1866 nicht gerade beeindruckend ausfiel. Auch die häufig verwendete Rede vom „Deutschen Krieg“ schließt das italienische Risorgimento vollkommen aus und müsste auch einräumen, dass die militärische Entscheidung in Böhmen, einem überwiegend von Nichtdeutschen bewohnten Gebiet, gefallen ist. Eine derartige Etikettierung würde zudem übersehen, dass auch in den österreichischen Regimentern Italiener, Kroaten oder Rumänen kämpften. Bei Nachod fochten am 27. Juni 1866 sogar auf beiden Seiten Polen unter fremder Fahne gegeneinander. Auch war der siebenwöchige Waffengang von 1866 nicht wirklich ein Einigungskrieg, denn immerhin schieden nach dem Sieg Preußens fast zehn Mio. Deutsch-Österreicher keineswegs begeistert aus dem jahrhundertealten Verbund der deutschen Nation aus. Der kleindeutsche Nationalstaat kam nur um den Preis einer schmerzlichen Trennung zustande, wie es Thomas Nipperdey einmal treffend formuliert hat.9 Inzwischen findet sich in aktuellen Darstellungen auch die Bezeichnung „Deutscher Bruderkrieg“.10 Tatsächlich sprachen im Vorfeld des Krieges viele Gebildete wie etwa der Bonner Rechtsprofessor Clemens Theodor Perthes, der in engem Briefkontakt zum preußischen Kriegsminister Albrecht von Roon gestanden hat, von einem Krieg, der die Feindschaft mitten in die Familien hineintragen würde.11 Doch derartige Bedenken schienen eher ein Oberschichtenphänomen gewesen zu sein und wohl auch nur auf Preußen beschränkt. Die Frankfurter etwa sahen auch schon vor ihrer Besetzung in den Preußen nicht etwa die deutschen Brüder, sondern schlicht harte und unerbittliche Gegner. Für die Soldaten aller Armeen wiederum blieb der feindliche Soldat einfach nur der Widersacher, der einem unter Umständen ans Leder wollte. Gewiss eine extreme Ausnahme war der bayerische Jäger, der in einem Kissinger Hotelzimmer hoffnungslos von Angreifern umstellt, jeden „preußischen Pardon“ ablehnte und sich lieber totstechen lassen wollte, was dann auch geschah.12 Doch auch die Soldaten der Division „Goeben“ freuten sich bei Aschaffenburg, dass sie nun Gelegenheit hatten, nach den Bayern und Hessen auch noch die Österreicher zu prügeln.13 Der Nationalismus war 1866 fraglos noch ein Anliegen

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der gebildeten Schichten. Gerade Soldaten aus ländlichen Räumen, die es gewohnt waren, sich mit den jungen Leuten der Nachbarorte bei jeder Gelegenheit zu raufen, auch unter Inkaufnahme böser Verletzungen, konnten mit der Idee eines einigen deutschen Volkes wenig anfangen. Entscheidend für sie war stets die Primärgruppe, das Dorf, die Handwerksgemeinschaft und schließlich im Krieg die eigene Korporalschaft.14 Die 5700 Patronen, die preußische Füsiliere am 26. Juni im Gefecht bei Podol innerhalb kürzester Frist verbrauchten, waren längst nicht alle in die Luft geschossen worden.15 Der Krieg von 1866 war somit allenfalls im Rückblick ein Bruderkrieg. Vor allem aber schien er Bismarcks Krieg gewesen zu sein. Damit ist allerdings keine vordergründige Kriegsschuldzuweisung verknüpft, wie sie damals viele Zeitgenossen in einer Art von gerechtem Zorn vornahmen. Mit einer „solchen Schamlosigkeit und Frivolität“ sei „vielleicht noch nie ein Krieg angezettelt worden wie der, den Bismarck gegen Österreich zu erheben sucht“, schrieb etwa der Rechtsprofessor Rudolf von Jherings am 1. Mai 1866 aus Wien16 und stand mit seiner Ansicht bei Weitem nicht allein. Seit seiner Zeit als Preußischer Gesandter am Frankfurter Bundestag hatte Bismarck die militärische Konfrontation gegen Österreich herbeigeredet, hatte es in seiner Korrespondenz gegenüber beinahe jedem in vielen Varianten immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass Preußen und Österreich in Deutschland einander die Luft zum Atmen wegnähmen und „einer […] weichen oder vom anderen gewichen werden“ müsse.17 Nicht noch einmal dürfe Preußen eine Demütigung wie die von Olmütz hinnehmen, als im November 1850 Österreich seinen norddeutschen Rivalen mit militärischem Druck und der Hilfe Russlands dazu gezwungen hatte, seine kleindeutsche Unionspolitik aufzugeben und der Wiedererrichtung des Frankfurter Bundestages zuzustimmen. Bismarcks Weg in den Krieg von 1866 verlief allerdings nie gradlinig. Er war Staatsmann genug, ernsthaft auch friedliche Optionen mit Habsburg auszuloten, sofern nur Preußens Status als Großmacht und seine dominierende Rolle in Norddeutschland gesichert war. Die Ausdehnung preußischer Macht war das primäre Ziel des Urpreußen Bismarck und Habsburg musste – so oder so – dazu gebracht werden, Preußens neue Rolle zu akzeptieren. Nur wenige sahen die Rivalität zwischen

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Preußen und Österreich mit dieser kristallklaren Nüchternheit. Sein kritischer Realismus versetzte ihn in die Lage, Machtverhältnisse unabhängig von ideologischen Bindungen zu analysieren, zu durchschauen und ständig im Fluss zu halten. Der Gegner von gestern konnte der Alliierte von morgen sein, selbst mit Österreich schloss er 1864 ein Bündnis gegen Dänemark und brüskierte damit die gesamte deutsche Nationalbewegung. Bismarck war gewiss nicht der Magier, der alle diese Kräfte wirklich kontrollierte, aber er verstand sie zu nutzen, kombinierte sie oder spielte sie gegeneinander aus und dies mit einer titanenhaften Kraft, die keinen Augenblick ihren Kurs aus dem Auge verlor. Doch auch wenn Bismarck spätestens seit der Kronratssitzung vom 29. Februar 1866 den Krieg gegen Habsburg energisch vorantrieb und alle erdenklichen Kräfte mobilisierte, war es ihm am Ende doch nicht gelungen, den ihn umgebenden Ring aus Isolierung und Feindseligkeit zu durchbrechen.18 Es brauchte Mut, ja vielleicht sogar Verzweiflung, unter diesen Bedingungen seinen Hut in den Ring zu werfen. Bismarck tat es, indem er am 7. Juni Holstein besetzen ließ und damit die Lunte zum Waffengang mit Österreich und seinen Verbündeten zündete. Ein „neues Olmütz“ durfte es nicht geben. Der Krieg von 1866 war in diesem tieferen Sinn tatsächlich sein Krieg.

I. Der Weg in den Krieg

Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund von 1815 „Damit aber die Bundesversammlung nicht eine störende Potenz, sondern ein wirksames und wohltätiges Werkzeug der vereinten Tätigkeit und Weisheit der deutschen Fürsten sei und bleibe, muss vor allem bei der Wahl ihrer Mitglieder nach gleichförmigen, festen, auf den Zweck allein berechneten Grundsätzen verfahren werden.“ Clemens Wenzel Fürst von Metternich, Österreichischer Staatskanzler, im Januar 1823

Der Bund als Trutzburg der politischen Reaktion I. Der Weg in den Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund vonKrieg 1815

Unter den Schlägen dreier Niederlagen gegen das revolutionäre Frankreich war das mittelalterliche Reich, das sogenannte Heilige Römische Reich Deutscher Nation, beginnend mit dem 1. Koalitionskrieg von 1792 rasch zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Der Austritt der deutschen Rheinbundstaaten und zuletzt der Druck Napoleons hatten den Habsburger Franz II. zu der bitteren Entscheidung gedrängt, die fast tausendjährige Kaiserwürde, die bis auf Otto I., ja wenn man will bis auf Karl den Großen zurückreichte, am 6. August 1806 niederzulegen.

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I. Der Weg in den Krieg

Die letzte Seite der Abdankungsurkunde von Kaiser Franz II., dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, vom 6. August 1806

Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund von 1815

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Als sich 1814 Europa glücklich wieder von der französischen Hegemonie befreit hatte, verzichtete der habsburgische Souverän, der schon 1804 als Franz I. den österreichischen Kaisertitel angenommen hatte, auf eine Erneuerung seiner früheren Würde. Für viele deutsche Patrioten wie Joseph Görres oder Ernst Moritz Arndt, zwei engagierte Publizisten im Kampf gegen Napoleon, war es eine herbe Enttäuschung. Anstelle des alten Reiches hatte der Wiener Beschluss eine nur lockere Vereinigung der Fürsten ohne jeden Transfer von Souveränität gesetzt. Der neue „Deutsche Bund“, das wenig geliebte Kind des Wiener Kongresses, setzte sich nach Artikel 1 der Bundesakte vom 8. Juni 1815 aus zunächst 34 souveränen und gleichberechtigten Potentaten und vier freien Städten zusammen. Mit den Königen Großbritanniens (für Hannover), der Niederlande (für Luxemburg) und Dänemarks (für Holstein und Lauenburg) gehörten auch drei nichtdeutsche Herrscher zum Kreis der Bundesfürsten. 1817 kam mit Hessen-Homburg noch ein 39. Mitglied hinzu. Der Bund sollte nach dem Willen seiner politischen Geburtshelfer eine ständige Föderation sein, ein Austritt einzelner Mitglieder war nicht vorgesehen. Da sich der territoriale Umfang des Bundes an den Grenzen des alten Reiches (ohne Belgien) orientierte, traten gemäß der Bundesakte die beiden deutschen Vormächte Preußen und Österreich nicht mit ihrem gesamten Staatsgebiet der neuen Föderation bei. Preußens polnische Gebiete sowie Ostpreußen hatten auch vor 1806 nicht zum alten Reich gehört und blieben daher wie auch auf Habsburger Seite Galizien, Ungarn, Dalmatien und das Lombardo-Venezische Königreich außerhalb des Bundes. Gleichwohl umfasste die neue Föderation immer noch nichtdeutsche Gebiete wie Luxemburg, Limburg (ab 1839), Böhmen, Mähren, das Trentino sowie Istrien mit Görz und Triest. 1815 lebten innerhalb der Grenzen des Bundes 30,1 Mio. Menschen, bis 1865 wuchs ihre Zahl auf 47,7 Mio.1 Zwar wurde mit Frankfurt wieder die Stadt der früheren Kaiserkrönungen als Sitz des neuen Bundestages bestimmt, aber sonst erinnerte nur wenig an die alte Reichsherrlichkeit. Das zentrale Organ des Deutschen Bundes bildete die Bundesversammlung, ein Bundesoberhaupt gab es jedoch nicht. Die Funktion der Prärogative nahm in eingeschränkter Form der Vertreter Österreichs als Ver-

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I. Der Weg in den Krieg

sammlungsvorsitzender in Anspruch. Damit besaß Habsburg gegenüber Preußen eine leichte Vorrangstellung, die im Grundsatz von Berlin auch akzeptiert wurde. Außer dem Plenum gehörte zur Bundesversammlung auch der 17-stimmige „Engere Rat“, zu dem die Vertreter der elf größeren Staaten mit je einer Stimme gehörten. Die kleineren Staaten mussten sich einvernehmlich eine Stimme teilen, so wie es auch schon im alten Reich der Fall gewesen war. Bei Beschlüssen innerhalb dieses engeren Gremiums reichte die einfache Mehrheit, im Falle einer Stimmengleichheit entschied der Vertreter Österreichs als ständiger Ratsvorsitzender. Nach Artikel 2 der Bundesakte sollte der Bund die äußere und innere Sicherheit der deutschen Staaten garantieren, was durchaus auch Interventionen zum Schutz bedrohter Regime einschloss. So etwa schritt die Bundesversammlung ein, als der junge und sich offenbar überschätzende Herzog von Braunschweig, Karl II., die landständische Vormundschaft aufheben wollte. Zuletzt im März 1829 mit dem Frankfurter Beschluss zur Bundesexekution konfrontiert, machte der Potentat einen Rückzieher.2 Welche genauen Kompetenzen aber überhaupt diese Versammlung aus Gesandten ihrer Fürsten und Magistrate haben sollte, versuchte zunächst eine Kommission zu klären. Aber erst 1820 wurde vieles in der Wiener Schlussakte nachträglich geregelt. Der Artikel 50 der Schlussakte berechtigte den Bund seither sogar, Gesandtschaften an fremden Höfen zu unterhalten. Wohl auf sanften Druck Österreichs und Preußens beschloss der Engere Rat jedoch, diese bedeutsame Konzession nur in Ausnahmefällen in Anspruch zu nehmen. Die Frankfurter Delegierten traten erstmals am 5. November 1816 im Palais Thurn und Taxis an der Eschenheimer Gasse zusammen und begannen sogleich, durchaus mit Elan und Eifer, eine Fülle von Eingaben, Anträgen und Beschwerden abzuarbeiten. Die ihnen vorgelegten Fälle stammten aus allen deutschen Staaten, von Regierungen und Privatleuten und bezogen sich auf Fragen der Länderverfassungen, auf das Presserecht sowie auf die Ordnung an den Universitäten.3 Für größeres Aufsehen sorgte in dieser Anfangsphase des Bundes die Klage eines gewissen Wilhelm Hoffmann aus dem kurhessischen Marburg, der sich angesichts einer drohenden

Eine vertane Chance – Der Deutsche Bund von 1815

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Enteignung durch die Kasseler Behörden zunächst mit Erfolg an die Frankfurter Bundesversammlung gewandt hatte. Als sich jedoch Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel persönlich in Wien über die gegen ihn gerichtete Entscheidung aus Frankfurt beschwerte, sah sich Staatskanzler Metternich veranlasst, seinen Gesandten am Bundestag, Graf Johann von Buol-Schauenstein, energisch zurechtzuweisen. Wie er es überhaupt wagen könne, die Souveränität eines deutschen Fürsten infrage zu stellen, herrschte er seinen Gesandten an und drohte ihm sogar mit seiner Ablösung. Auch wenn dem schockierten Diplomaten diese Desavouierung vorerst erspart blieb, verstärkte der peinliche Zwischenfall doch die Neigung vieler Delegierten, sich zukünftig vor jeder anstehenden Beschlussfassung genaue Instruktionen an ihren heimatlichen Höfen einzuholen.4 Clemens Wenzel Fürst von Metternich, damals der einflussreichste Diplomat Europas, war fraglos der erste Architekt des Bundes und die treibende Kraft hinter dessen Maßnahmen. Der 1773 in Koblenz geborene Sohn eines reichsunmittelbaren Grafen und kurtrierischen Staatsministers leitete seit 1809 die Politik Österreichs. In seiner fast 40-jährigen Amtszeit war er, anfangs noch von Großbritannien unterstützt, bemüht, das in Wien sorgfältig austarierte Mächtegleichgewicht in Europa gegen Russlands Balkanambitionen und Preußens latente Unzufriedenheit zu verteidigen. Innenpolitisch bekämpfte er als leitender Minister des habsburgischen Vielvölkerstaates Liberalismus und nationale Bewegungen, in Deutschland die neuen Burschenschaften, in Italien wiederum die ins Kraut schießenden Geheimgesellschaften. Die Frankfurter Bundesversammlung sollte daher in seinen Augen vor allem ein Instrument der Überwachung und Unterdrückung aller als revolutionär empfundener Bestrebungen sein. Ruhe und Konsolidierung erschienen Metternich als das Gebot der Stunde nach immerhin einem Vierteljahrhundert voller Krieg und Verwüstung. Der Mannheimer Mordanschlag auf August von Kotzebue, einen mittelmäßigen Dramendichter und erklärten Gegner der Burschenschaften, am 23. März 1819 kam dem österreichischen Staatskanzler nicht ungelegen. Eine Überraschung war die sinnlose und isolierte Tat des geistig verwirrten Studenten Karl Ludwig Sand jedenfalls nicht. Studentische Umtriebe in ganz Deutschland und

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I. Der Weg in den Krieg

insbesondere das berüchtigte Wartburgfest von 1817 mit seinen Bücherverbrennungen hatten den etablierten Kreisen bereits den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Ohne Mühe konnte Metternich nun, nur wenige Monate nach der Mannheimer Mordtat, im böhmischen Tepliz auch den zögerlichen Friedrich Wilhelm III. von Preußen für seinen reaktionären Kurs gewinnen und zusammen mit acht weiteren deutschen Potentaten wenig später in Karlsbad ein rigoroses Maßnahmenpaket gegen drohende revolutionäre Umtriebe in Deutschland beschließen. Die sogenannten Karlsbader Beschlüsse zielten auf die Überwachung von Hochschullehrern, verboten die Burschenschaften, schränkten die Pressefreiheit in allen Bundesstaaten ein und sahen die Gründung einer besonderen „Centralbehörde“ in Mainz zur Untersuchung revolutionärer Umtriebe vor. Zugleich wurde der Bundesversammlung ein Gesetz (Exekutionsordnung) vorgelegt, das zur Durchsetzung der Bundesakte auch militärische Maßnahmen gegen einzelne Bundesmitglieder ermöglichte, sofern ein vorangegangenes Schlichtungsprozedere ohne Erfolg blieb.5 Die Präsentation der ohne weitere Beratung zu beschließenden vier Gesetze in der Frankfurter Bundesversammlung im Rahmen eines Präsidialvortrages durch Graf von Buol-Schauenstein am 16. September 1819 hat der Verfassungshistoriker Ernst Rudolf Huber einmal treffend einen Bundes-Staatsstreich genannt.6 Plötzlich war es dem Bund auch möglich, in die geheiligte Souveränität der Einzelstaaten einzugreifen. Dem öffentlichen Image der Frankfurter Versammlung haben die antiliberalen Dekrete dauerhaft geschadet. Vielen Patrioten erschien der Deutsche Bund seither geradezu als Trutzburg der Reaktion in Deutschland. Metternich aber schien zu triumphieren. Er hatte das vormals so reformfreudige Preußen an die Kandare gelegt und dominierte nun zusammen mit Berlin die übrigen Mitgliedsstaaten. Zudem betrieb er erfolgreich die Abberufung von liberalen Gegnern wie etwa Karl Ludwig von Wangenheim, den Vertreter Württembergs in der Frankfurter Bundesversammlung und Protagonisten eines dritten Deutschlands ohne Österreich und Preußen.7 Metternichs rigorose Politik der Ruhigstellung in Deutschland blieb allerdings nur vordergründig ein Erfolg. Da selbst vorsichtige

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Reformansätze nur noch außerhalb der Bundesversammlung möglich schienen, versuchten die Bundesstaaten Wirtschaft- und Zollfragen seither in bilateralen Verhandlungen zu klären.8 Als Preußen sich überraschend 1833 mit seinen Plänen zu einem deutschen Zollverein durchsetzen konnte, saß Österreich nicht mit im Boot. Für das System Metternich war der Erfolg Berlins ein Desaster und der Staatskanzler sprach sogar von einem neuen „Staat im Staate“, der sich zu etablieren drohte. Die Präponderanz Preußens sei gestärkt und die höchst gefährliche Lehre von der Einheit Deutschlands befördert.9 Offiziell verharrte Preußen auch jetzt noch im Fahrwasser Österreichs, doch sein solider Staatshaushalt, seine effektive Bürokratie, seine homogene Bevölkerung und vor allem der Besitz der Rheinlande und Westfalens mit ihrer dynamischen Ökonomie verschoben allmählich die Gewichte innerhalb des Bundes zugunsten des Hohenzollernstaates. Zugleich geriet Metternichs System auch auf der europäischen Bühne überraschend schnell in die Defensive. Mit Preußens Staatskanzler Carl August von Hardenberg und Großbritanniens Außenminister Robert Stewart Lord Castlereagh waren 1822 / 23 gleich zwei bedeutende Mitschöpfer der Wiener Staatenordnung verstorben. Zugleich verschaffte der Aufstand der Griechen gegen ihre osmanischen Herren dem nationalen Gedanken in Europa neuen Schwung. Zu Metternichs Verdruss war Castlereaghs Nachfolger, der Tory George Canning, nicht mehr bereit, liberale und patriotische Bewegungen auf dem Kontinent durch militärische Interventionen zu unterdrücken. Nur mit Mühe konnte die europäische Krise von 1830 von den etablierten Mächten bewältigt werden. Während Russland die aufständischen Polen in langen Kämpfen in die Knie zwang, versuchte Österreich die Mazzinisten in Italien zu unterdrücken. Beide in der „Heiligen Allianz“ verbundenen Höfe mussten jedoch akzeptieren, dass sich die Belgier noch im selben Jahr von den Niederlanden lossagten und ein eigenes Königreich gründeten. In Deutschland wiederum war am 6. September 1830 der umstrittene Herzog von Braunschweig, Karl II., verjagt und sein Schloss in Brand gesteckt worden, während in Hessen-Kassel die bürgerliche Opposition den Landesherrn, Kurfürst Wilhelm II., im Januar 1831 zur Abdankung

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zwang und seinem Nachfolger eine liberale Verfassung abnötigte. Für weitere Aufregung in Wien sorgte im Mai 1832 das sogenannte Hambacher Fest in der Ruine des gleichnamigen Schlosses bei Neustadt in der Pfalz. Es war die größte Massenversammlung in Deutschland vor der Revolution von 1848 / 49. Vielleicht 30 000 deutsche und polnische Patrioten – neben der schwarz-rot-goldenen Flagge wurde auch der weiße Polenadler auf rotem Grund gezeigt – forderten das Recht zur freien Meinungsäußerung und die Beseitigung der Fürstenherrschaft.10 Anders als der gegen Frankreich gerichtete Nationalismus der Burschenschaftler vertraten die Hambacher einen eher liberal-republikanischen Nationalismus, der von einer friedlichen Gemeinschaft der Völker träumte, ohne allerdings zu bedenken, dass dies auch neue Grenzziehungen zulasten Deutschlands zur Folge haben würde. Metternichs Antwort auf die neuerlichen Unruhen in Deutschland waren weitere drastische Eingriffe in die Souveränität der Einzelstaaten. Genau einen Monat nach Hambach verabschiedete die Frankfurter Bundesversammlung am 28. Juni und am 5. Juli 1832 in insgesamt 16 Artikeln Verbote von Volksfesten und Versammlungen, schränkte das Petitionsrecht ebenso ein wie die Redefreiheit und das Budgetrecht in den bereits repräsentativen Parlamenten der süddeutschen Staaten. In Frankfurt wiederum marschierten nach dem gescheiterten „Wachensturm“ vom 3. April 1833 österreichische Truppen aus der benachbarten Bundesfestung Mainz ein. Der dagegen protestierende Senat der Stadt musste schließlich nachgeben, als ihm die Bundesversammlung mit der Bundesexekution drohte. Britische und französische Einwände gegen diesen autoritären Ruck ließ Metternich vom Bundestag als „Einmischung in deutsche Angelegenheiten“ brüsk zurückweisen.11 Dass der Staatskanzler Österreichs und oberste Protagonist einer europäischen Interventionspolitik nun seinerseits die inneren Verhältnisse in Deutschland durch eine „NichtInterventions-Doktrin“ (18. September 1834)12 abschirmen ließ, entbehrt gewiss nicht der Ironie.

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Auf dem Papier ein Koloss – Das Militärwesen des Bundes Als Teil der Wiener Gleichgewichtsordnung hatte der Bund auch das Recht, militärische Rüstungen zu betreiben, und durfte seine Mitgliedsstaaten zur Stellung von Truppenkontingenten verpflichten. Artikel 11 der Bundesakte regelte die Beistandsverpflichtung aller Bundesmitglieder im Verteidigungsfall. Auch wenn jedes Bundesmitglied grundsätzlich das Recht hatte, mit fremden Mächten Bündnisse einzugehen, durfte sich keine Allianz gegen ein anderes Bundesmitglied richten. Preußens antiösterreichischer Pakt mit Italien vom April 1866 war daher ein klarer Bruch des Bundesrechtes. Die Verhandlungen über Gliederung und Umfang des Bundesheeres hatten schon 1817 begonnen und setzten sich ab April 1818 in einem besonderen zwölfköpfigen Gremium fort, aus dem später die Bundesmilitärkommission hervorgehen sollte. Schwierigkeiten bereiteten vor allem die kleineren Staaten, die sich wie etwa das Fürstentum Lippe-Schaumburg mit ihren Truppenfragmenten (187 Mann Infanterie, 34 Kavalleristen und 17 Artilleristen)13 auf keinen Fall der preußischen Militärhierarchie unterwerfen wollten. Im August 1820 kam schließlich eine Einigung zustande, die auf die Bedenken der deutschen Kleinsouveräne einging. Die neue Bundeskriegsverfassung bestimmte nunmehr, dass Preußen und Österreich je drei volle Armeekorps zum Bundesheer stellten, Bayern ein weiteres Korps, während die Streitkräfte der übrigen Staaten in drei gemischten Bundeskorps organisiert sein sollten.14 Das Zusammenwirken und die Einsatzbereitschaft der auf dem Papier mit ihren 300 000 Soldaten recht beeindruckenden Streitmacht waren jedoch erheblich infrage gestellt. Denn ein Oberbefehlshaber und damit Gesamtverantwortlicher für die Bundestruppen sollte erst kurzfristig im Kriegs- oder Krisenfall bestimmt werden. Die ständige Bundesmilitärkommission, die auch die Verantwortung für die Bundesfestungen (zunächst Mainz, Luxemburg und Landau, später dann auch Ulm und Rastatt) trug, war für dieses Manko nur ein unzureichender Ersatz. Preußens halbherzige Versuche, die Krisen von 1830 und 1840 zu einer festeren Anbindung der kleineren deutschen Kontingente unter seinem Oberbefehl zu nutzen, scheiterten jedes Mal am Widerstand Wiens.15

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In seiner fast 50-jährigen Geschichte ist das Bundesheer jedoch nie in seiner Gesamtheit mobilisiert und eingesetzt worden. 1831 kam eine geplante Bundesexekution zum Schutze Luxemburgs nicht mehr zur Ausführung, 1848 jedoch und dann wieder 1863 wurde das X. Bundeskorps gegen Dänemark eingesetzt. Im März 1848, wenige Wochen vor ihrer Selbstauflösung, beschloss die Bundesversammlung, das VIII. Bundeskorps zugunsten des badischen Großherzogs gegen den sogenannten Heckerzug einzusetzen. Preußens erneuten Versuch, im Italienischen Krieg von 1859 das Oberkommando über alle nichtösterreichischen Bundestruppen zu erlangen, durchkreuzten die Österreicher diesmal durch den überraschenden Waffenstillstand von Villa Franca. Sieben Jahre später aber dürfte Preußen froh gewesen sein, dass seine Bemühungen, die Mehrheit der Bundestruppen unter seine militärischen Fittiche zu nehmen, keinen Erfolg gehabt hatten. Die Kämpfe seiner Mainarmee gegen das VII. und VIII. Bundeskorps im Krieg von 1866 wären sonst vielleicht nicht so glatt verlaufen. So aber zeigte dieser einzige ernsthafte Waffengang autonomer Bundestruppen, dass selbst nach einem halben Jahrhundert die Bundesmitglieder nicht in der Lage waren, sich zu einer kraftvollen Politik und Kriegführung gegen Preußen, den nachweislichen Störer des Bundesfriedens, zusammenzuraufen.

Das Ende des Bundes Zwei Monate nach dem Zusammentritt der ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche löste sich die Bundesversammlung am 12. Juli 1848 auf und übertrug ihre Rechte an den Reichsverweser Erzherzog Johann. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Metternich, der Mitbegründer und Lenker des Deutschen Bundes, bereits im Londoner Exil. Drei Jahrzehnte hatte der Bund unter seiner harten Hand verschiedene Zwecke erfüllt: Er hatte die revolutionären Bewegungen eingedämmt, den europäischen Frieden um den Preis der Freiheit bewahrt und den deutschen Klein- und Mittelfürsten geholfen, ihre Souveränitätsillusion zu bewahren. Das war nicht wenig in einer Epoche grundstürzender Veränderungen

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Fürst von Metternich auf einem Gemälde von Thomas Lawrence

in Wirtschaft, Technik und Politik. Vor allem aber hatte der Bund geholfen, Preußen, die unfertige Großmacht, sogar mit dessen eigener Billigung in der zweiten Reihe zu halten. Als im Frühjahr 1851 auf der Dresdner Konferenz die Erneuerung des Bundes beschlossen wurde, war dies bereits eine Totgeburt. Noch von seinem erfolglosen Alleingang in der Unionsfrage gezeichnet hatte Preußen nur unter Zwang in Olmütz der Wiedererrichtung des Deutschen Bundes zugestimmt. Österreich, der scheinbare Sieger im Nervenkrieg mit dem Hohenzollernstaat, musste jedoch schnell erkennen, dass die alte Geschäftsgrundlage einer gemeinsamen Lenkung der Bundesverhältnisse nicht mehr gegeben war. Auch wenn beide Mächte innenpolitisch wieder auf eine konservativ-reaktionäre Agenda zurückschwenkten, so war doch die außenpolitische Schnittmenge zwischen Wien und Berlin deutlich

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geschrumpft. Noch ehe Bismarck im September 1862 das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, hatte Preußen bereits im Bewusstsein seiner wachsenden ökonomischen und militärischen Potenz einen eigenen Kurs eingeschlagen. Besonders seit dem Krimkrieg (1853–1856) und dem Krieg in Italien (1859) betrachtete Berlin den Bund als eine politische Zwangsjacke, die keinem anderen Zweck diente, als Habsburgs fragwürdigen Großmachtansprüchen zu sekundieren. War Preußen 1815 noch ein überforderter Staat gewesen, so hatte sich schon in der Revolution von 1848 / 49 erwiesen, dass ihm durch seine Westverschiebung nunmehr Habsburgs alte führende Rolle in Deutschland zugefallen war. Bismarcks Politik einer klaren und nach Möglichkeit einvernehmlichen Trennung der Einflusssphären war daher im Kontext der ökonomischen Realitäten die schlüssigere Option. Dass Österreich sich nach seinem politischen Selbstverständnis nicht darauf einlassen wollte und konnte, war das Verhängnis, das schließlich 1866 zum Krieg der beiden deutschen Vormächte führte.

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Bismarck und das Trauma von Olmütz 1850 „Aber wer, wie Euer Majestät alleruntertänigster Diener, seit 16 Jahren mit der österreichischen Politik intim zu tun gehabt hat, kann nicht zweifeln, dass in Wien die Feindschaft gegen Preußen zum obersten, man möchte sagen, alleinigen Staatszwecke geworden ist.“ Otto von Bismarck am 22. April 1866 an König Wilhelm I.16

Preußens Gang nach Canossa Bismarck und das Trauma von Olmütz 1850

Die Österreicher seien in vollem Rückzug auf Olmütz, schrieb Preußens Kriegsminister Albrecht von Roon am 5. Juli 1866, zwei Tage nach dem Sieg von Königgrätz, aus dem Quartier im böhmischen Horwitz an seine Frau. „Und dieser Gang nach Olmütz“, so fügte er mit grimmiger Genugtuung hinzu, „ist wohl demütigender als der unsrige vor 16 Jahren.“17 Als nur drei Tage später die Spitze der preußischen Mainarmee siegesgewiss das hessische Bronzell passierte, wusste jeder preußische Soldat, dass sich hier das Grab des berühmten Schimmels befand, der 1850 im Verlauf eines Scharmützels mit den Bayern getötet worden war.18 Theodor Fontane beschreibt die Szene: „Woran sich einst so viel bitterer Spott für uns geknüpft hatte, jetzt war es ein Gegenstand der Heiterkeit. Lachend zogen die Regimenter daran vorbei.“19 Anderthalb Dekaden nach dem spektakulären Scheitern von Preußens Unionspolitik und seinem bedingungslosen Einlenken gegen Österreich in der mährischen Hauptstadt war der „Gang nach  Olmütz“ längst zu einer stehenden Redewendung geworden, vergleichbar mit dem legendären Gang Kaiser Heinrichs IV. nach Canossa. Die Angst vor einem „neuen Olmütz“ ließ sich dann auch im Frühjahr 1866 trefflich für einen strammen Kriegskurs instrumentalisieren, wenn etwa der preußische Gouverneur in Schleswig, General Edwin von Manteuffel, am 22. April 1866 in einem Imme-

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diatbericht an König Wilhelm I. von Österreichs „bösem Willen“ sprach und warnte, seinen Forderungen nachzugeben.20 Selbst der britische Botschafter in Berlin, Lord Augustus Loftus, benutzte in diesen kritischen Tagen die Olmütz-Metapher, als er nach London berichtete, dass Wilhelm zwar froh wäre, einem Krieg gegen Österreich zu entgehen, einen Waffengang aber wohl akzeptieren würde, wenn er dadurch ein „zweites Olmütz“ vermeiden könne.21 Knapp 16 Jahre zuvor, im Herbst 1850, hatte die nach den Revolutionswirren erneuerte Habsburgermonarchie mit der Rückendeckung des russischen Zaren den Hohenzollernstaat zur Aufgabe seiner revolutionären Unionspolitik gezwungen und sogar offen mit Krieg gedroht. Dabei war zu diesem Zeitpunkt der überhastete Versuch Preußens einer Lösung der deutschen Frage unter Ausschluss Österreichs schon längst gescheitert. Deutsche Mittelstaaten wie Hannover, Sachsen, Bayern und selbst Baden hatten König Friedrich Wilhelm IV. unter dem Druck Wiens die Gefolgschaft verweigert und waren wieder aus der Union ausgetreten. Doch der Habsburgerstaat wollte noch mehr. Aus österreichischer Sicht hatte Preußen offen mit der Revolution geliebäugelt und sich damit außerhalb der konservativen Solidarität der alten „Heiligen Allianz“ gestellt. Denn das in Erfurt zusammengetretene Unionsparlament war kein Fürstenbund mehr gewesen, sondern eine aus direkten Wahlen hervorgegangene Abgeordnetenkammer. Preußen, so sah es Staatskanzler Felix Fürst zu Schwarzenberg, musste wieder an die Kandare genommen und die 1815 etablierte Hierarchie zwischen beiden deutschen Führungsmächten demonstrativ wiederhergestellt werden. Schwarzenberg schien nun selbst vor einem großen militärischen Konflikt nicht mehr zurückzuschrecken, und tatsächlich schien die Lage zu eskalieren. Als im Oktober 1850 Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von HessenKassel im Frankfurter Rumpfbundestag eine Bundesexekution gegen seine wieder einmal rebellierenden Behörden erwirkte, waren preußische Truppen präventiv zum Schutz ihrer wichtigen Militärstraßen zum Rhein ins Nachbarland einmarschiert. Bayerische Kontingente hatten daraufhin ebenfalls die kurhessische Grenze überschritten, während die österreichische Armee in Böhmen mehr als 100 000 Mann versammelte und Wien unverhohlen drohte, da-

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mit auf Berlin zu marschieren, sollte Preußen nicht der Wiederherstellung des Deutschen Bundes in seiner alten Form zustimmen. Auch der Hohenzollernstaat hatte damals seine Armee mobilisiert und nur wenig hatte gefehlt und der Krieg von 1866 wäre bereits im Herbst 1850 ausgefochten worden. Doch Friedrich Wilhelm IV. war angesichts der offenkundigen Isolierung Preußens in Deutschland und auf Druck Russlands vor dieser letzten Konsequenz zurückgeschreckt. Der Protagonist seiner ambitionierten Deutschlandpolitik, Joseph Maria von Radowitz, musste am 2. November 1850 von seinem Amt als preußischer Außenminister zurücktreten. Seinem Nachfolger Otto von Manteuffel, als trockene Bürokratennatur das genaue Gegenteil des von großen Projekten träumenden Radowitz, blieb es überlassen, im mährischen Olmütz vier Wochen später die sprichwörtlich gewordene Unterwerfungserklärung zu unterzeichnen. Preußen rückte von sämtlichen seiner Positionen in der deutschen Frage ab und akzeptierte sogar, zuerst mit der Demobilisierung seiner Streitkräfte zu beginnen. Das konservative Lager, wo man die antirevolutionäre Solidarität mit Österreich beharrlich pflegte, begrüßte zwar das endgültige Scheitern des verhassten Unionsprojektes, empfand aber wie die einflussreichen Brüder Leopold und Ludwig von Gerlach die sogenannte Punktation von Olmütz als schmerzhafte Demütigung, nicht anders als die liberalen Kräfte in Preußen. Am 11. Dezember 1850 notierte etwa Karl August Varnhagen von Ense in seinem Tagebuch: „Die Niederlage Preußens wird täglich deutlicher. Unser lappiges, hinterlistiges und dabei feiges Wesen tritt hell an den Tag.“22 Manche fragten sich, ob Preußen überhaupt noch eine Großmacht sei. Und in Magdeburg klagte ein Oberst Helmuth von Moltke, damals Chef des Stabes des dort stationierten IV. Preußischen Armeekorps: „Ein schimpflicher Friede hat noch nie Bestand gehabt. Was für eine Streitmacht haben wir zusammen gehabt! Was für eine Truppe! 30 Millionen verausgabt für eine Demonstration und um alle und jede Bedingung anzunehmen. Aber die schlechteste Regierung kann dies Volk nicht zugrunde richten, Preußen wird doch an die Spitze von Deutschland kommen.“23

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Bismarcks Einstieg in die große Politik Einzig ein verlorener Krieg hätte nach damaligem Verständnis eine europäische Großmacht dazu zwingen können, eine derart einseitige Vereinbarung zu unterzeichnen. Wohl kaum jemand empfand die „Schmach von Olmütz“ tiefer als Otto von Bismarck. Erst drei Jahre zuvor hatte der pommersche Gutsherr erfolgreich für den erstmals einberufenen preußischen Landtag kandidiert. Als Sohn einer ehrgeizigen Mutter aus akademischem Hause und eines eher antriebslosen märkischen Junkers mit langem Stammbaum und niedrigem Reserveoffizierdienstgrad hatte der junge Bismarck als Student in Göttingen und später als Assessor in Aachen jahrelang ein zielloses und von amourösen Eskapaden geprägtes Leben geführt, ehe er, hoffnungslos verschuldet, auf eines seiner ererbten Güter in Ostpommern zurückgekehrt war. Wirtschaftlich zwar nun erfolgreich, konnte ihn das geruhsame Landleben, das auch der Selbstfindung und der Familiengründung gedient hatte, auf Dauer nicht befriedigen. Seine alten Hoffnungen auf eine Karriere als Politiker und Diplomat, ohne zugleich die ihm verhasste Fron einer bürokratischen Laufbahn auf sich nehmen zu müssen, waren noch nicht begraben. Die Einberufung des ersten allgemeinen preußischen Landtages im April 1847 sollte ihm tatsächlich einen anderen Weg in die hohe Politik ebnen. Während der Revolution von 1848 war Bismarck zunächst als antirevolutionärer Scharfmacher aufgefallen, der sogar seine Schönhausener Bauern bewaffnen wollte, um die Monarchie in Berlin zu retten. Gegner sahen in ihm allerdings nur eine „verkrachte Existenz“, der seine Göttinger Studententage mit Trinkgelagen und Raufereien verbracht hatte und dessen Laufbahn im preußischen Justizdienst schließlich an seinem unsteten Wesen gescheitert war.24 Die Konservativen schätzten ihn immerhin als Mann fürs Grobe, und Bismarcks rhetorischem Talent mussten auch die Gegner unwillig ihren Tribut zollen. Seine Rede zur Olmützer Punktation im preußischen Landtag am 3. Dezember 1850 war dann auch ein meisterlicher Hieb gegen die Liberalen und ihren waghalsigen Kriegskurs. Von der konservativen Fraktion um die Gebrüder Gerlach wurde sie sogleich in 20 000 Exemplaren gedruckt und verbreitet.25

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Nur kurz nachdem der designierte Ministerpräsident Otto von Manteuffel dem Landtag einen Bericht von den Verhandlungen in Olmütz gegeben hatte, ohne allerdings den Abgeordneten über den tatsächlichen Umfang des preußischen Zurückweichens reinen Wein einzuschenken, war Bismarck ans Rednerpult getreten. Es war eine der wichtigsten Reden in seiner gesamten politischen Laufbahn und weit mehr als nur eine simple Verteidigung des Manteuffelschen Verhandlungsergebnisses. Eindringlich wies er die Forderungen einiger seiner Vorredner nach einem Krieg gegen Österreich zurück. Nur wenige Wochen zuvor hatte Bismarck einen Waffengang allerdings selbst noch befürwortet. Jetzt warnte er davor, mit dem populären Wind in die Kriegstrompeten zu stoßen, und belehrte die Kammer, dass die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates der staatliche Egoismus sei und nicht die Romantik.26 Nur darin unterscheide er sich von den kleineren Staaten. Keinesfalls dürfe daher die preußische Armee, auch wenn sie tatsächlich dazu gerüstet wäre, für das Scheitern der falsch angelegten Radowitzschen Politik in die Bresche springen. Preußens Demütigung müsse vorerst hingenommen werden, denn für die deutschen Ambitionen der Liberalen könne es unmöglich zu den Waffen greifen. Hier zeigte sich überdeutlich, dass Bismarck sich durch und durch als Preuße fühlte. Die nationalstaatliche Einigung lehnte er nicht grundsätzlich ab, aber sie war vorerst für den später so sehr als Reichsgründer verehrten Politiker nicht mehr als ein Mittel, um die Macht Preußens zu stärken. Zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere empfand er sie als eine Herzensangelegenheit, eher als notwendiges Übel, um bei Bedarf die Liberalen auf seine Seite zu ziehen. Trotz aller in seiner Rede demonstrierten Besonnenheit blieb die Kapitulation von Olmütz für den ambitionierten märkischen Junker ein politisches Schlüsselerlebnis. Selbst nachdem Schwarzenberg in den anschließenden Dresdner Verhandlungen mit seinem grandiosen Plan gescheitert war, den gesamten Habsburgerstaat in den erneuerten Deutschen Bund einzubringen, stand Österreich ganz oben auf Bismarcks Liste der passionierten Feinde Preußens. Zahllose Invektiven gegen das „selbstherrliche Wien“ und seine verschiedenen politischen Vertreter aus der folgenden Dekade belegen

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eine seit Olmütz konstante antiösterreichische Besessenheit. Mehr noch als Habsburg aber hasste der Schönhausener seither die deutschen Mittelstaaten, die Preußen und der Union von der Fahne gegangen waren, obwohl einige Souveräne es doch nur den preußischen Bajonetten zu verdanken hatten, dass sie noch auf ihren Thronen saßen. Doch Hannover, Sachsen und Kurhessen fürchteten Preußen mehr als Österreich und richteten sich daher wie Magnetspäne mit physikalischer Gesetzmäßigkeit stets nach Wien aus, was Österreich dreist auszunutzen versuchte, den Hohenzollernstaat immer wieder in die zweite Reihe zu stellen. Bismarcks Rache an Österreichs deutschen Vasallen sollte 1866 brutal ausfallen. Anders als seine konservativen Förderer aus dem Umfeld der berüchtigten Kreuzzeitung war Bismarck keineswegs mehr bereit, die Preußen seit 1815 zugedachte Rolle als gefügiger Juniorpartner im antirevolutionären Kampf zu akzeptieren. Auch eine paritätische Regieführung beider Mächte im Deutschen Bund schien ihm nicht zu genügen. In seiner Radikalität ging er zeitweilig noch weiter und plädierte zum Jahresende 1853 in einem Brief an Leopold von Gerlach sogar freimütig für Österreichs Ausscheiden aus Deutschland: „Unsere Politik hat keinen anderen Exerzierplatz als Deutschland, schon unserer geographischen Verwachsenheit wegen, und gerade diesen glaubt Österreich auch für sich zu gebrauchen; für beide ist kein Platz nach den Ansprüchen, die Österreich macht; […]. Wir atmen einer dem anderen die Luft vor dem Munde fort, einer muss weichen oder vom anderen gewichen werden, bis dahin müssen wir Gegner sein.“27 Seine wiederholt betonte Konfliktbereitschaft bedeutete allerdings nicht, dass Bismarcks politische Agenda notwendig auf einen Krieg gegen Österreich hinauslaufen musste. Sein späterer Antipode in Frankfurt, Johann Graf Rechberg, Sohn eines bayerischen Ministers und österreichischer Karrierediplomat mit Stationen in Stockholm, Rio de Janeiro und Konstantinopel, lag nicht ganz falsch, wenn er vermutete, dass der preußische Gesandte wohl trotz seines glühenden Hasses gegen Österreich bei veränderten Verhältnissen einer Politik, die auf einem guten Einvernehmen mit Wien beruhte, seine Dienste nicht versagen würde.28 Dies galt jedoch ausschließlich auf der europäischen Handlungsebene, wo Österreich,

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anders als im Deutschen Bund, Preußens Großmachtstatus nicht anfechten konnte. Das gemeinsame Vorgehen von Bismarck und Rechberg in der Schleswig-Holsteinkrise von 1863 / 64 war hierfür das prominenteste Beispiel, zeigte aber auch, dass sich der österreichisch-preußische Dualismus zwar zeitweise in den Hintergrund schieben ließ, aber nur, um dann umso heftiger wieder hervorzutreten. Tatsächlich glaubte Bismarck, dass die Frage von Krieg und Frieden zwischen den beiden deutschen Vormächten weder in seiner Macht noch in der eines anderen Politikers lag, wie er in einem Brief an Ministerpräsident von Manteuffel am 26. April 1856 betonte: „Ich will nur meine Überzeugung aussprechen, dass wir in nicht zu langer Zeit für unsere Existenz gegen Österreich werden fechten müssen“, schrieb er wenige Wochen nach dem Pariser Frieden, der nach drei verlustreichen Jahren den Krimkrieg beendet hatte, „und dass es nicht in unserer Macht liegt, dem vorzubeugen, weil der Gang der Dinge in Deutschland keinen anderen Ausweg hat.“ Bismarcks sogenannte Olmützrede am 3. Dezember 1850 hatte nicht nur vor einem großen Krieg gewarnt, der Preußens wirklichen Interessen nicht diente. Sie war auch ein erstes offenes Bekenntnis zu einer Politik jenseits moralischer Prinzipien und ideologischer Fiktionen, die nach der Reichsgründung von 1871 weithin als Realpolitik verherrlicht werden sollte. Nicht zuletzt war sie aber die sorgfältig formulierte Bewerbung des einfachen preußischen Landtagsabgeordneten an die Adresse der maßgeblichen konservativen Kamarilla um König Friedrich Wilhelm IV., ihm ein neues und möglichst auch lukratives Amt zu verschaffen.

Bismarck als Gesandter Preußens am Frankfurter Bundestag Dass der diplomatische Novize im folgenden Frühjahr sogar auf Empfehlung des neuen Ministerpräsidenten von Manteuffel mit der Vertretung Preußens am wiederbelebten Frankfurter Bundestag betraut wurde, dürfte dem 36-jährigen Vollblutpolitiker, der gern und regelmäßig den „Souveränitätsschwindel“ der deutschen Fürsten brandmarkte, wie ein Treppenwitz vorgekommen sein. Die Frank-

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furter Gesandtschaft war auch in finanzieller Hinsicht eine der attraktivsten Positionen der preußischen Diplomatie und sie wird Bismarck, dessen Aufnahme in den diplomatischen Dienst Außenminister Friedrich Ancillon noch 15 Jahre zuvor entschieden abgelehnt hatte, im Rückblick nicht wenig Genugtuung verschafft haben.29 Sosehr sich Bismarck in seinem neuen Amt sofort wohlfühlte, sowenig schätzte er den Deutschen Bund, dessen Mitglieder er gern als „Bundesphilister“ verhöhnte. In einem Brief an seine Schwester spottete er, dass Heinrich Heines berühmtes Diktum „Oh Bund, Du Hund. Du bist nicht gesund“ zum Nationallied der Deutschen erhoben werden sollte.30 Vorderhand war die Bundesversammlung seit 1815 ein Instrument der deutschen Fürsten zur Niederhaltung der Revolution, in Bismarcks Augen benutzte Österreich ihn aber vor allem, um Preußen möglichst kleinzuhalten. Als Preuße empfand er es daher als seine oberste Pflicht, das Funktionieren dieses Gremiums nach Möglichkeit zu behindern und damit der Wiener Präsidialmacht, wo es nur ging, Steine in den Weg zu werfen. Im Rückblick behauptete er im März 1859 anlässlich seiner Berufung nach St. Petersburg, seine achtjährige Amtstätigkeit sei ein ununterbrochener Kampf gegen Übergriffe aller Art gewesen, gegen die unablässigen Versuche, den Bund auszubeuten als ein Instrument zur Erhöhung Österreichs, zur Verminderung Preußens.31 Eine launige Spielerei war es da noch, wenn er gleich zu Beginn seiner Frankfurter Amtszeit sich im Plenum die gleichen Freiheiten wie sein erster Wiener Antipode, Friedrich Franz Graf von Thun und Hohenstein, herausnahm und sich etwa seines Rockes entledigte, sobald jener es vormachte, oder auch demonstrativ im Engeren Rat der Bundesversammlung eine Zigarre rauchte, wenn es der Österreicher tat. Soeben erst durch das Eingreifen russischer Truppen in Ungarn dem politischen Abgrund entronnen, hatte Wien seit der Niederschlagung der Revolution ein geradezu ungesundes Selbstbewusstsein entwickelt, das seine Kräfte bald hoffnungslos überfordern sollte. Mehr als noch im Vormärz ließ Österreich den preußischen Rivalen nun deutlich spüren, dass man es seit Olmütz nur noch als  zweitklassige Macht betrachtete. Auch Karl Ferdinand Graf Buol-Schauenstein, der Nachfolger des bereits im April 1852 über-

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raschend verstorbenen Fürsten Schwarzenberg, machte hier keine Ausnahme. Der Karrierediplomat und Zögling Schwarzenbergs erwies sich in seiner siebenjährigen Amtszeit im Zentrum der österreichischen Politik als eine wahre Verhängnisgestalt. So glaubte er tatsächlich, Österreichs Dominanz in Italien, auf dem Balkan und in Deutschland gleichzeitig aufrechterhalten und dabei das industriell erstarkende Preußen als eine Art Vasall behandeln zu können. Sein ambitionierter Kurs war allerdings kaum durch die Wirtschaftskraft der Donaumonarchie gedeckt. Schon die gescheiterten Verhandlungen zur Aufnahme Österreichs in den Deutschen Zollverein hatten gezeigt, dass Preußen gegenüber Wien ganz und gar nicht wehrlos war. Trotz aller antipreußischen Vorbehalte in den deutschen Mittelstaaten wirkte die ökonomische Dynamik schlussendlich auf ein Zusammengehen mit der norddeutschen Großmacht hin. Preußen konnte sich in seiner Haltung gegen Österreich sogar bestätigt fühlen, als 1854 auch Hannover und Oldenburg der Zollunion beitraten, deren Außengrenzen damit bereits die spätere kleindeutsche Lösung der nationalen Frage vorwegnahmen. Österreich wiederum hatte es nie in voller Konsequenz realisiert, dass schon die Wiener Beschlüsse von 1814 / 15 Preußen zur zukünftigen Führungsmacht in Deutschland gemacht hatten, als man ihm das Königreich Sachsen vorenthalten und es stattdessen allein als „Wachhund“ gegen Frankreich am Rhein platziert hatte. Habsburg wurde inzwischen nördlich des Mains immer weniger als deutscher Staat wahrgenommen. Wenn Bismarck im Frühjahr 1860 in einem Brief an Moritz von Blanckenburg, einem engen Freund aus seiner Zeit als pommerscher Gutsherr, von einem slawisch-romanischen Mischlingsstaat sprach, war dies längst keine Einzelmeinung mehr. Auch der junge Generalstabsoffizier Alfred Graf von Schlieffen bezweifelte wie viele seiner Kameraden, dass ein katholischer Kaiser an der Spitze von Tschechen und Kroaten über Deutschland gebieten sollte.32 Dahinter steckte jetzt auch ein wachsendes Unbehagen an Österreichs wiederholten Versuchen, die deutschen Staaten einschließlich Preußen für seine reichsfremden Ambitionen auf dem Balkan und in Italien zu instrumentalisieren.

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Wiens Bruch mit Russland – Preußens große Chance Nur drei Jahre nach dem Olmützer Triumph beging Wien seinen ersten entscheidenden Fehler. Als im November 1853 der türkische Sultan Russland den Krieg erklärte und wenige Monate später Frankreich, die Schutzherrin des päpstlichen Stuhls, und die Regierung ihrer allerchristlichsten britischen Majestät an die Seite der moslemischen Macht traten, glaubte Buol den Zeitpunkt gekommen, Österreichs alte Vormachtposition von 1815 im Konzert der europäischen Staaten wieder einnehmen zu können. Beeinflusst von Metternich, dem berüchtigten Staatskanzler des Vormärz und entschiedenen Gegner Russlands seit den Tagen des Wiener Kongresses, wagte Buol einen antirussischen Kurs, ließ österreichische Truppen die Moldau und die Walachai besetzen und schloss sogar ein Bündnis mit Frankreich und Großbritannien. Schließlich nötigte Wien den neuen Zaren, Alexander II., im Frühjahr 1856 mit einem scharfen Ultimatum an den Pariser Verhandlungstisch. Es war die Urkatastrophe der österreichischen Politik, die fortan mit Russland einen unversöhnlichen Feind im Rücken hatte. Ohne Not hatte Buol die zuletzt noch in Ungarn bewährte „Heilige Allianz“ mit dem Zarenreich beerdigt, dafür aber von den beiden Westmächten nicht den geringsten politischen Gegenwert erhalten. Österreich fürchte mit Recht für sein Italien, spottete selbst Leopold von Gerlach in einem Brief an Bismarck noch während des Krieges in Frankfurt, und verfeinde sich ausgerechnet mit Preußen und Russland, den einzigen Mächten, die es ihm gönnen.33 Vier Jahre später konnte Bismarck, inzwischen zum preußischen Gesandten in St. Petersburg ernannt, seiner Frau mit unverhohlener Freude berichten, dass hier der Hass auf Österreich ohne jedes Maß sei und seine kühnsten Hoffnungen überträfe. Die ganze russische Politik scheine keinem anderen Gedanken Raum zu geben, als dem, wie man Österreich ans Leben kommt.34 Statt die erstrebte Schlüsselposition im Konzert der europäischen Mächte wiedererlangt zu haben, war der Habsburgerstaat seit dem Ende des Krimkriegs beinahe völlig isoliert. Preußen dagegen hatte sich als einzige Großmacht des Wiener Systems im orientalischen Konflikt neutral verhalten, mehr allerdings aus Unsicherheit denn

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aus echter Überzeugung. Versuche der England gewogenen Wochenblattpartei, einer gemäßigten Abspaltung der Konservativen, die preußische Politik in das Fahrwasser der beiden Westmächte zu lenken, hatte ein in Frankfurt schier verzweifelnder Bismarck mit einem Bombardement warnender Briefe nach Berlin zu torpedieren versucht: Kein Zusammengehen mit Österreich und den Westmächten! Schließlich riet er, einen schon geplanten preußischen Aufmarsch wenigstens auf Schlesien zu beschränken, sodass er sich wahlweise als Drohung gegen Russland wie auch gegen Österreich deuten ließe. Tatsächlich rettete das Zögern der süddeutschen Staaten, die ein Bündnis mit dem Neffen des kriegerischen Korsen aus verständlichen Gründen ablehnten, Preußen vor einem engeren Schulterschluss mit Frankreich und Großbritannien und damit vor einem militärischen Konflikt mit Russland. Zugleich gelang es Bismarck im Frankfurter Bundestag, einem Schutz- und Trutzbündnis Österreichs mit den deutschen Staaten die antirussische Spitze zu nehmen, was in Petersburg dankbar registriert wurde. Der Preußische Gesandte legte damit, so sein Biograf Ernst Engelberg, sein erstes diplomatisches Meisterstück ab.35 Der Hass der Pariser und auch der Wiener Diplomatie, die einmal mehr davon träumte, Preußen mithilfe der Westmächte auf „eine unschädliche Größe zu reduzieren“, kümmerten Bismarck wenig. In Berlin hielt ihm Ministerpräsident von Manteuffel den Rücken frei und ließ sogar Buol abblitzen, der angefragt hatte, ob der Preußische Gesandte nicht aus Frankfurt abberufen werden könne, da dessen Handlungen und Äußerungen das „Gepräge der Feindseligkeit gegen Österreich“ besäßen.36 Der Leiter der österreichischen Politik hatte nun allerdings ganz andere Probleme. Während Wien mit leeren Händen dastand, war Preußen trotz seiner schwankenden Neutralität der tatsächliche Gewinner des Krimkrieges. Zornig, enttäuscht und gebrochen wandte sich das besiegte Russland in den kommenden Dekaden Zentralasien und dem Fernen Osten zu, derweil die peinlichen Schwächen ihrer Armee vor der Festung Sewastopol die Lust britischer Politiker an zukünftigen Interventionen auf dem Kontinent erheblich gedämpft hatten. Der Sepoyaufstand in Indien und danach der amerikanische Bürgerkrieg absorbierten ohnehin einen erheblichen Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit im Inselreich.

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Erstmals seit drei Jahrhunderten hatte damit der Druck der europäischen Flügelmächte auf die Mitte des Kontinents nachgelassen. Mit Begeisterung realisierte Bismarck Preußens erweiterten politischen Spielraum. Selbst eine Allianz mit Paris, wo sich die Vertreter der Großmächte inzwischen die Klinke in die Hand gaben, erschien ihm nun nicht mehr abwegig. Hauptsache, Österreich ließe sich damit unter Druck setzen. Dass er diese Option überhaupt erwog, beschleunigte allerdings den Bruch mit seinen konservativen Förderern in Berlin, für deren ideologisch erstarrtes Weltbild Napoleon III. als Verkörperung der Revolution stets eine Persona ingrata blieb. Um sich für das Außenministerium zu empfehlen, forderte Bismarck nach dem Krimkrieg von Berlin eine zielstrebigere Außenpolitik und beklagte die „passive Planlosigkeit“ Preußens, das froh sei, wenn es in Ruhe gelassen werde. Man könne dies in der Mitte Europas nicht durchhalten, mahnte er am 30. Mai 1857 in einem Brief an Leopold von Gerlach, den Generaladjutanten des Königs, und erinnerte an das preußische Desaster von 1806: „Wir werden Amboss, wenn wir nichts tun, um Hammer zu werden.“ Doch die konservative Kamarilla um König Friedrich Wilhelm IV. hatte den Zenit ihrer Macht längst überschritten. Preußens stürmisch wachsende Ökonomie stärkte mit jedem Tag das liberale Lager, während der Monarch immer häufiger an geistiger Verwirrung litt. Kaum zwei Jahre später endete, nicht ganz unerwartet, Bismarcks Zeit in Frankfurt, die er im Rückblick die glücklichste seines Lebens genannt hatte. Der Wechsel der politischen Verhältnisse in Berlin hatte auch für den nun völlig zwischen den Fronten stehenden Gesandten gravierende Folgen. Bereits im Oktober 1857 war Friedrich Wilhelm IV. durch mehrere Schlaganfälle regierungsunfähig geworden und hatte seinem jüngeren Bruder Wilhelm die Stellvertretung und schließlich ein Jahr später die Regentschaft übertragen. Ministerpräsident Manteuffel und sein gesamtes Kabinett mussten gehen. Obwohl durch und durch Soldat und bei den Berlinern seit 1848 zu Unrecht als „Kartätschenprinz“ in Verruf geraten,37 kündete Prinz Wilhelm einen Politikwechsel an, der in ganz Deutschland vielfach als Beginn einer liberalen Ära verstanden wurde. Unter dem Einfluss der anglophilen Wochenblattpartei sprach der neue Mann an der Spitze Preußens in seiner Rede vor dem Kabinett, in dem sogenann-

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ten Novemberprogramm, sogar von moralischen Eroberungen in Deutschland, wobei er als Beispiel Einigungselemente wie den Zollverband hervorhob. Obwohl darin Anklänge an das alte Radowitzsche Programm unüberhörbar waren, konnte Bismarck der neuen Linie durchaus etwas abgewinnen. Es war immerhin eine Strategie nach Jahren der Ziellosigkeit und des sich ängstlichen Versteckens. Doch eine Chance auf das erhoffte Außenministerium hatte Bismarck nicht. Seine ausführlichen Denkschriften an die Adresse des Prinzregenten hatten kaum Resonanz gefunden. Er konnte von Glück reden, dass ihn Wilhelm zum neuen preußischen Gesandten in St.  Petersburg ernannte. Bismarck empfand das als „Kaltstellung“, obwohl es ihn angesichts seines ramponierten Rufes als prinzipienloser Karrierist viel härter hätte treffen können. Entscheidend für den Fortgang seiner Laufbahn war wohl das Kalkül der neuen Regierung um Außenminister Alexander Graf von Schleinitz, dass ein konservativer Gesandter am Zarenhof, der zugleich als russophil galt, für Berlin in den kommenden Verwicklungen auf europäischer Ebene von erheblichem Nutzen sein konnte. Denn noch während sich Bismarck im März 1859 über Berlin auf den beschwerlichen Weg in die russische Hauptstadt machte, eskalierte in Norditalien der Konflikt Österreichs mit Piemont-Sardinien. Es war ein Krieg mit Ansage und kein europäischer Diplomat zweifelte daran, dass Napoleon III. an den entscheidenden Fäden zog. Am 19. April 1859 forderte Wien das mit Frankreich verbündete norditalienische Königreich ultimativ auf, seine Rüstungen einzustellen und die Freischaren zu entwaffnen. Zehn Tage später, nachdem Turins Antwort ablehnend ausgefallen war, überschritt die österreichische Armee die Grenze. Wieder sah Bismarck sich in der Pflicht, die neue Regierung in Berlin von einem Eingreifen in den Italienischen Krieg zugunsten Österreichs abzuhalten, wie es die öffentliche Meinung in Deutschland vehement forderte. Er schreckte nicht einmal davor zurück, seinen neuen Chef mit russischen Interventionsdrohungen zugunsten Frankreichs in die Irre zu führen. Bismarck agierte hierbei in vollem Einvernehmen mit Russlands Außenminister Alexander M. Gortschakow, der damals über sein Verhältnis zum preußischen Gesandten erklärte, man sei wie die Hand und der Handschuh.38 Der um 17 Jahre jüngere Preuße über-

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nahm in diesem Zusammenspiel willig die Rolle des Famulus, solange es nur gegen Österreich ging. Tatsächlich hatte Außenminister von Schleinitz nie beabsichtigt, sich als österreichischer Vasall in den Italienischen Krieg hineinziehen zu lassen. Erzherzog Albrecht, der mit genau dieser Forderung nach Berlin gekommen war, musste mit einer klaren Absage den Rückweg antreten. Zum Verdruss Österreichs wollte sich Preußen lediglich auf eine bewaffnete Neutralität gegenüber beiden Konfliktparteien einlassen und bestand darauf, nur mit dem Oberbefehl über alle Bundestruppen am Rhein aufzumarschieren. Das war eine kluge Strategie, da sie Preußens Selbstständigkeit als europäische Großmacht wahrte und sich alle Optionen offenhielt. Aus der Ferne sah Bismarck das anders. Weitab vom Schuss in Petersburg zur Untätigkeit verurteilt ließ er in diesen Tagen nichts unversucht, um seine meist unaufgeforderten Ansichten im politischen Berlin zu verbreiten und sich als ministerielle Alternative im Spiel zu halten. Opfer dieser Taktik war auch der General Gustav von Alvensleben, als enger Vertrauter des Prinzregenten und späterer Generaladjutant eine der ersten Adressen, um Bismarcks politischen Kalkulationen an allerhöchster Stelle Gehör zu verschaffen. Weder seine Neutralität noch eine vasallenhafte Teilnahme am Krieg würde Preußen im Falle eines österreichischen Sieges irgendeinen verwertbaren Gewinn bringen, so der Petersburger Gesandte an den General, den er im selben Schreiben auch um die Ernennung zum Reservemajor bat. Preußens Position im Bund würde durch Wiens auftrumpfendes Gebaren nur noch weiter geschwächt werden. Dabei halte die gegenwärtige Konstellation, so glaubte Bismarck, wieder einmal das große Los für Preußen im Topf. „Falls wir den Krieg Österreichs mit Frankreich sich scharf einfressen lassen, und dann mit unsern ganzen Armeen nach Süden aufbrechen, die Grenzpfähle im Tornister mitnehmen und sie entweder am Bodensee oder da, wo das protestantische Bekenntnis aufhört, vorzuwiegen, wieder einschlagen. Alle diese Leute schlagen sich ja 24 Stunden, nachdem wir sie in Besitz genommen haben, für uns besser wie je für ihre eigene Obrigkeit.“39 Sähe das alles aber zu abenteuerlich aus, so brachte Bismarck wieder seinen alten Lieblingsgedanken ins Spiel, „so sollten wir doch

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wenigstens diesen günstigen Moment benutzen, um ein Bundesverhältnis los zu werden oder zu ändern, welches uns von Haus aus keine würdige Stellung und keine unseren Pflichten und unserer Macht entsprechenden Rechte gewährt.“ In seiner Ablehnung des vorsichtigen Schleinitzschen Kurses war vonseiten Bismarcks wohl auch viel Neid im Spiel, denn der um acht Jahre ältere Außenminister war 1836, anders als der damals zurückgewiesene Bismarck, in den diplomatischen Dienst aufgenommen worden und genoss inzwischen das volle Vertrauen des Hofes und vor allem der Gattin des Prinzregenten, die wiederum Bismarck seit den stürmischen Revolutionstagen in Berlin zutiefst verabscheute. Der Hass des späteren Reichskanzlers auf Schleinitz, den damals von vielen geschätzten Konkurrenten und weltgewandten Literaturkenner, war so pathologisch, dass er noch im Jahre 1881 seinem ältesten Sohn Herbert unter Selbstmorddrohungen untersagte, Elisabeth zu Carolath-Beuthen, die attraktive Stiefschwester der Gattin des Grafen, zu heiraten. (Schleinitz hatte 1865 im Alter von 58 Jahren die erst 23-jährige Marie von Buch geehelicht.) Österreichs überraschender Waffenstillstand mit Frankreich am 8. Juli 1859 entzog allen bismarckschen Spekulationen den Boden. Gleichwohl konnte der Petersburger Gesandte mit dem Ausgang des Krieges zufriedener sein als die Berliner Administration. Die Österreicher suchten einen Sündenbock und es fiel ihnen nicht schwer, die preußische Politik an den Pranger zu stellen. Wie groß auch immer der Zorn der Öffentlichkeit auf das gescholtene Preußen sein mochte, auf realpolitischer Ebene hatte der Italienische Krieg ihm zwei gewichtige Vorteile verschafft. Denn nun gab es mit dem neuen italienischen Nationalstaat einen potenziellen Alliierten gegen Österreich. Innenpolitisch wiederum erweiterte sich das Feld der Optionen durch die Gründung des Deutschen Nationalvereins, mit dessen führenden Vertretern Bismarck umgehend Gespräche führte.40 Doch noch war seine Zeit als Leiter der preußischen Politik nicht gekommen. Während die Regierung der „Neuen Ära“ in Berlin immer tiefer in den Konflikt um die große Heeresreform geriet, verharrte der Schönhausener, geschüttelt von Krankheit, Resignation und Wut, drei endlose Jahre in der Warteschleife zum Ministerpräsidenten.

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Als er schließlich am 22. September 1862 nach einem bangen Hin und Her an das Ziel seiner Wünsche gelangte, geschah dies auf dem Höhepunkt eines innenpolitischen Konfliktes, der längst zur Staatskrise eskaliert war. Vordergründig ging es um die Finanzierung der großen Heeresreform und um die vom König kompromisslos geforderte dreijährige Dienstzeit, tatsächlich aber schon um die Frage, ob die höchste Macht in Preußen noch dem Monarchen oder schon nach britischem Muster dem Parlament zufiel. Seit den Wahlen vom Mai 1862 dominierten die Liberalen und die Fortschrittspartei den Landtag und pochten auf die Unantastbarkeit ihres Budgetrechtes. Bismarck hoffte, die Konfrontation entschärfen zu können, indem er nicht etwa Kompromisse anbot, sondern äußere Erfolge suchte. Sein Rezept lautete: im Inneren strikt konservativ, außenpolitisch dagegen die Agenda der Liberalen verfolgen. Hauptangriffspunkt seiner Politik war der Deutsche Bund, die verhasste Union der Fürsten, mit deren Hilfe Österreich den preußischen Konkurrenten immer noch kleinzuhalten hoffte.

Überraschender Kurswechsel – Bismarck geht mit Österreich Er sehe in dem Bundesverhältnis ein „Gebrechen Preußens“, hatte er schon am 12. Mai 1859, während des Italienischen Krieges, an Außenminister von Schleinitz geschrieben, das früher oder später ferro et igni geheilt werden müsse. Ähnlich lautete seine vielfach skandalisierte Formulierung vor der Budgetkommission des preußischen Landtages am 29. September 1862: Die großen Fragen der Zeit würden nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse entschieden, sondern durch Eisen und Blut.41 Dem österreichischen Gesandten in Berlin, Aloys Graf Károlyi, drohte er im Dezember 1862: „Sie werden mit uns als europäischer Großmacht zu tun bekommen.“ Die Beziehungen beider Mächte würden entweder besser oder schlechter werden, als sie es gegenwärtig seien, so Bismarck, er sei aber bereit zu einem gemeinschaftlichen Versuche, sie besser zu machen. Und ganz unverblümt regte er eine deutliche Trennung der Einflusszonen an. Für Preußens freie Hand in Norddeutschland bot

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der Ministerpräsident dem sichtlich erstaunten Botschafter an, „Österreichs Vitalinteressen“ in Italien wie auf dem Balkan zu den Seinigen zu machen und „dem Kaiserstaat darin unbedingt beizustehen“. Misslinge allerdings der Versuch durch Österreichs Weigerung, weil es sich in den Bahnen der Schwarzenbergschen Politik fortbewege, so möge niemand darauf rechnen, dass sich Preußen durch „bundesfreundliche Reden werde fesseln lassen.“42 Es war daher nur folgerichtig, dass Bismarck den von Österreich im August 1863 forcierten Versuch einer Reform des Bundes mit allen Mittel zu durchkreuzen versuchte. Nur mit seiner ersten Rücktrittsdrohung, dem sogenannten Kabinettsrevolver, konnte er König Wilhelm davon abhalten, der wiederholten und zuletzt vom sächsischen Monarchen persönlich überbrachten Einladung zum Frankfurter Fürstentag zu folgen. In seiner offiziellen Antwort erklärte der preußische Ministerpräsident, dass eine bloße Reform der Bundesbehörden keinen echten Fortschritt bringen werde, sondern nur eine wahre, aus der direkten Beteiligung der ganzen Nation hervorgehende National-Vertretung. Auch wenn Bismarck nur zu gut wusste, dass sein Gegenvorschlag für Österreich und seine deutschen Verbündeten unannehmbar war, meinte er es gleichwohl damit ernst. Im April 1866 sollte er seinen Vorschlag erneuern und nach dem Sieg durch die Schaffung des Norddeutschen Bundes dann auch vollkommen realisieren. Nur wenige Monate nach dem gescheiterten Frankfurter Fürstentag ergab sich für Bismarck endlich die lange erhoffte Gelegenheit, mit einem außenpolitischen Erfolg die liberale Opposition in Preußen zu spalten. Wie viele Streitpunkte der 48er-Revolution war auch die Schleswig-Holstein-Frage nur zurückgestellt, nie aber wirklich gelöst worden. Der dänische Monarch herrschte seither weiterhin in Personalunion über die beiden überwiegend deutschsprachigen Herzogtümer, von denen aber nur Holstein zum Deutschen Bund gehörte. Schleswig dagegen befand sich im staatsrechtlichen Niemandsland. Der Versuch der Großmächte, diesen Status quo im Londoner Protokoll von 1852 festzuschreiben, hatte weder die dänischen noch die deutschen Nationalisten zufriedengestellt. Als am 18. November 1863 der neue dänische König Christian IX. aus dem Hause Glücksburg unter dem Druck der Kopenhagener Öffentlich-

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keit eine Verfassung unterzeichnete, die das Herzogtum Schleswig staatsrechtlich in das Königreich Dänemark einfügte, war dies nach allgemeinem Verständnis ein klarer Verstoß gegen die Londoner Großmächtevereinbarung.43 Zudem galt immer noch die altertümliche Bestimmung, dass Schleswig und Holstein niemals geteilt werden dürfen. Obwohl für das Herzogtum Schleswig gar nicht zuständig, beschloss die Frankfurter Bundesversammlung, von der nationalen Erregung mitgerissen, eine Bundesexekution gegen Christian IX., der als Herzog von Holstein auch deutscher Bundesfürst war. Wie schon 1848 / 49 hofften große Teile der deutschen Öffentlichkeit, dass die beiden überwiegend deutschsprachigen Herzogtümer jetzt endlich an ein deutsches Fürstenhaus fallen würden. In erster Linie infrage kam hierfür die Familie Augustenburg-Sonderburg, eine Nebenlinie der alten Herzöge von Schleswig-Holstein. Deren Familienoberhaupt, Herzog Christian August, hatte zwar in den Londoner Verhandlungen 1852 auf seine Rechte in den Elbherzogtümern verzichtet, was aber nicht für seinen Sohn gelten sollte, der nun zum Liebling und Favoriten der deutsch-nationalen Bewegung avancierte. Bismarck sah das Vorgehen der Bundesversammlung höchst kritisch. Hätte es tatsächlich Erfolg, so wäre das Resultat eine politische Aufwertung des Deutschen Bundes, die er unter allen Umständen vermeiden wollte. Zudem wäre mit der Herrschaft der Augustenburger nur ein neues deutsches Fürstentum geschaffen worden, an dessen proösterreichischem Kurs er keinen Augenblick zweifelte. Bismarcks Ausweg aus der vertrackten Lage war eine politische Volte, die ganz Deutschland bestürzte und Europa in Erstaunen versetzte. Entgegen den Erwartungen der Nationalliberalen, mit denen er so oft kokettiert hatte, forderte Bismarck nun plötzlich die strikte Einhaltung des Londoner Protokolls. Preußen, die unfertige und unruhige Großmacht, die 1849 noch aufseiten der Nationalisten in SchleswigHolstein gekämpft hatte, trat für den Erhalt des ungeliebten Status quo ein. Damit hatte niemand gerechnet, am allerwenigsten Wien, das Bismarck nun sogar für einen gemeinsamen Kurs in der Schleswig-Holstein-Frage gewinnen konnte. Auch wenn sein alter Bekannter aus Frankfurter Tagen, Graf von Rechberg, nunmehriger Leiter der österreichischen Politik, ebenso wenig wie Bismarck an die Mög-

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lichkeit einer Wiederherstellung des Londoner Protokolls glaubte, blieb dem Vielvölkerstaat fast gar keine andere Wahl, als die antinationale Karte zu spielen und gemeinsam mit Preußen eine streng legalistische Position zu beziehen. Anfang Dezember einigten sich Berlin und Wien zunächst formlos auf einen gemeinsamen Vorgehensmodus gegen Dänemark. Im Bündnis ließen sich auch die argwöhnischen europäischen Großmächte besser aus dem Konflikt heraushalten. Bismarck freute sich wie ein Schneekönig. Es sei noch nie da gewesen, so schrieb er am 24. Dezember 1863 mit unverhohlenem Triumphgefühl an den preußischen Botschafter in Paris, Robert Graf von der Goltz, seinen Widersacher und schärfsten Konkurrenten um das Amt des Außenministers, dass nunmehr die Wiener Politik en gros und en detail von Berlin aus geleitet wurde.44 Nur drei Wochen später, am 16. Januar 1864, erfolgte unter Androhung einer Pfandbesetzung von Schleswig das gemeinsame Ultimatum beider Mächte an Dänemark. Österreich verpflichtete sich ausdrücklich, alle weiteren Schritte mit Preußen abzustimmen, sodass anderslautende Beschlüsse der Frankfurter Bundesversammlung ohne Belang waren. Viel war erreicht, betrachtete man Preußens Ausgangsposition nach Olmütz, aber nun erhöhte Bismarck den Einsatz, indem er erstmals im preußischen Kronrat am 3. Februar 1864 offenlegte, dass nicht etwa die Beibehaltung des Status quo, sondern die Annektierung der sogenannten Elbherzogtümer durch den Hohenzollernstaat das tatsächliche Ziel sei. Hier drohte nun die Leine zu reißen, durch die das österreichische Boot an Preußen gebunden war. Doch der preußische Ministerpräsident verstand es mit seltener Virtuosität, sogar mitten im Rennen die Pferde zu wechseln und sich jetzt wieder die Sehnsüchte aller nationalen Strömungen im Lande zunutze zu machen, auch wenn er sie soeben noch vor den Kopf gestoßen hatte. Kaum hatte die preußische Armee mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864 ihren ersten bedeutenden militärischen Erfolg erzielt, ließ er durch den ihm eng befreundeten Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boitzenburg eine Petition zugunsten der Annektierung lancieren, die binnen weniger Wochen mehr als 70 000 Unterzeichner fand.45 Damit war die Katze aus dem Sack, aber einen Bruch mit Österreich bedeutete dieser Richtungswechsel noch nicht. Beide Mächte agierten auch während der Lon-

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doner Friedensgespräche im Mai und Juni 1864 gemeinsam, akzeptierten im Gegensatz zu den Dänen den britischen Vorschlag einer neuen Grenzziehung auf der Grundlage eines unabhängigen Schiedsspruches und setzen nach Ablauf des Waffenstillstandes auch gemeinsam den Krieg gegen das nun völlig isolierte Dänemark fort. Das nordische Königreich hatte trotz seiner überlegenen Flotte militärisch keine Chance. Am 29. Juni besetzten zwei preußische Divisionen in einer amphibischen Operation die Insel Alsen, wobei die dänische Armee noch einmal 3500 Mann verlor. Nur zehn Tage später bat die Regierung in Kopenhagen um Waffenstillstand und trat im Frieden von Wien am 1. August 1864 alle seine Rechte über Schleswig und Holstein an Preußen und Österreich ab.46 Bismarck triumphierte. Ein Kurs aus dem Lehrbuch der politischen Strategie hatte das, was anfangs nur ein sehr kühner Traum gewesen war, Wirklichkeit werden lassen. Wie aber sollte die Beute geteilt werden, die nun mit Österreichs Hilfe vor die preußische Haustür geschleppt worden war? Der preußische Ministerpräsident war zunächst entschlossen, an der Frage nach der Zukunft der Elbherzogtümer das plötzlich so gute Verhältnis zu Österreich nicht zerbrechen zu lassen. An der Seite Wiens war Preußen sehr weit gelangt, weshalb also sollte das neue informelle Bündnis jetzt wieder aufgegeben werden? In der Hofburg sah man das offenbar ähnlich. Nur drei Wochen nach dem Wiener Friedensschluss entwickelten Rechberg und Bismarck in viertägigen Verhandlungen in Schönbrunn eine preußisch-österreichische Konvention, in der beide Mächte auf der Basis einer Aufteilung der Interessensphären entlang des Mains eine konservativ-antirevolutionäre Allianz anstrebten. Preußen sollte Schleswig-Holstein annektieren dürfen, während es im Gegenzug versprach, Österreich bei einem möglichen Rollback in Italien zu unterstützen. Dass es Bismarck mit diesem Versuch durchaus ernst war, bewiesen seine hartnäckigen Bemühungen, dem Habsburgerstaat sogar in der strittigen Frage der Zollunion entgegenzukommen. Doch gegen die starke Wirtschaftslobby der Zollvereinsmitglieder, vertreten durch den Staatssekretär im Preußischen Handelsministerium, Rudolf von Delbrück, kam selbst Bismarck nicht an. Erst 1862 hatte Preußen ein Freihandelsabkommen mit Frankreich geschlos-

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sen, was durch Österreichs Forderung nach Schutzzöllen für seine noch im Aufbau befindlichen Industrien ernsthaft infrage gestellt worden wäre. Wenn auch widerstrebend, musste der Ministerpräsident einsehen, dass es hier selbst für einen noch so vage formulierten Kompromiss keinerlei Spielraum gab.47 Die rasante Industrialisierung in Mittel- und Westeuropa hatte längst Tatsachen geschaffen, die auch der Machtmensch Bismarck nicht ignorieren konnte.

Der Streit um die dänische Beute eskaliert zum Krieg Österreich machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Rechbergs Politik der Kooperation mit Preußen war gescheitert. Sie hatte für Wien zu keinem zählbaren Ergebnis geführt. Nach seiner Entlassung im Oktober 1864 zeichnete sich rasch ab, dass der Habsburgerstaat wieder auf seinen alten Kurs zurückschwenken würde, um sich notfalls an der Seite der deutschen Mittelstaaten gegen Preußen zu stellen. Zwar kamen im August 1865 Bismarck und sein neuer österreichischer Amtskollege, Alexander Graf MensdorffPouilly, in Bad Gastein im Salzburger Land zusammen, um sich über die gemeinsame Verwaltung der Elbherzogtümer abzustimmen. Doch der neuen Vereinbarung, gemäß der Schleswig unter preußische Verwaltung kommen sollte, während Österreich Holstein erhielt, gaben beide Mächte insgeheim keine große Zukunft. Eine Zeit lang hoffte Bismarck noch, dass sich der notorisch überschuldete Habsburgerstaat keine dauerhafte Präsenz in Norddeutschland würde leisten können und daher vielleicht zu einer Abtretung seiner Rechte gegen eine angemessene Entschädigung bereit sei. Doch davon wollte man in Wien nichts wissen. Franz Joseph sah darin sogar einen unwürdigen Schacher, der das Ansehen des Kaiserstaates in ganz Deutschland schädigen musste. Über kurz oder lang, so fürchtete Bismarck jetzt, würde sich Österreich daher wieder der Position der übrigen deutschen Staaten anschließen, die nach wie vor eine Regierungsübernahme durch die Augustenburger favorisierten. Als daher die österreichischen Behörden am 23. Januar 1866 nicht gegen eine proaugustenburgische Massenversammlung

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in Altona vorgingen, wertete Bismarck dies als einen klaren Verstoß gegen das Gasteiner Abkommen und ließ durch den preußischen Geschäftsträger in Wien eine in scharfem Ton formulierte Protestnote übergeben. Der österreichische Ministerrat unter Vorsitz Kaiser Franz Josephs nahm den Fehdehandschuh am 21. Februar auf und erklärte, dass man sich nicht ohne Schwertstreich aus wohlerworbenen Positionen verdrängen lassen würde.48 Genau dies musste man dann aber doch, als der Kaiserstaat am 12. Juni 1866 in einem Geheimvertrag Venetien, seinen letzten italienischen Besitz, an Napoleon III. als Preis für Frankreichs Neutralität abtrat. Obwohl sich auch Preußen mit französischen Kompensationsforderungen in wechselndem Umfang konfrontiert sah, fasste der preußische Kronrat erstmals am 28. Februar ernsthaft einen Krieg gegen Österreich ins Auge. Bismarck beendete einen längeren Vortrag über den preußisch-österreichischen Dualismus seit dem 18. Jahrhundert mit der Feststellung, dass Preußen die einzige lebensfähige politische Schöpfung auf den Ruinen des alten deutschen Reiches sei. Mit Ausnahme des Kronprinzen stimmten sämtliche Teilnehmer mit dem Kurs des Ministerpräsidenten überein und man entschloss sich noch in derselben Sitzung, mit Italien in Allianzverhandlungen einzutreten. Generalstabschef Helmuth von Moltke sollte dazu nach Florenz reisen. Bismarcks nunmehrige Forcierung des antiösterreichischen Kurses bedeutete jedoch nicht, dass seinen vorangegangenen Bemühungen um einen friedlichen Ausgleich mit dem Habsburgerstaat von Beginn an die ernste Absicht gefehlt hätte. Die Österreichpolitik des späteren Reichskanzlers knüpfte ja nach 1871 genau an die Schönbrunner Leitlinien vom August 1864 an. Das Olmütz-Erlebnis von 1850 hatte den Politiker Bismarck zwar geprägt und seinen Weg in die hohe Diplomatie lange bestimmt. Als Staatsmann besaß er aber auch die Größe, sein Ressentiment im richtigen Moment zurückzustellen und bis zuletzt einen Ausgleich mit Österreich zu versuchen, sofern nur Preußens Dominanz in Norddeutschland garantiert war. Wiens nun unverhohlen gezeigte Sympathien mit den Augustenburgern konnte Bismarck jedoch niemals akzeptieren. Als der Kaiserstaat am 1. Juni 1866 die Entscheidung über die Zukunft der Elbherzogtümer in die Hände des Frankfurter Bundestages legte, war dies

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Porträt Otto von Bismarcks von 1864

der entscheidende Schritt zum Krieg. Ein Sieg der verhassten Augustenburger Fraktion, die selbst in Preußen starken Zuspruch besaß, wäre aber Bismarck, wie er es schon früher in einem Brief an Kriegsminister Albrecht von Roon formuliert hatte, als ein noch „schlimmeres Olmütz“ erschienen.49 Schließlich hatte er keinen Krieg gegen Dänemark geführt und dabei sogar ein Eingreifen der Großmächte riskiert, nur um einem neuen deutschen Duodezfürstentum zur Existenz zu verhelfen. Die politische Arbeit von vier Jahren wäre zerstört, sämtliche bisherigen Erfolge zunichte gemacht. Ein Zurückweichen vor Österreich und seinen Verbündeten im Deutschen Bund kam für Bismarck daher nicht mehr infrage. Die ursprünglichen Revanchegelüste des einfachen Landtagsabgeordneten gegenüber dem scheinbar allmächtigen Kaiserstaat

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waren längst erloschen, aber die Furcht des Ministerpräsidenten vor einem neuerlichen preußischen Rückzug, für den sich „Olmütz“ als Synonym eingeprägt hatte, war immer noch wach und dieses Mal würden Preußens Regimenter nicht auf Österreichs Druck tatenlos in ihre Kasernen zurückkehren.

Italien und das Risorgimento 1815–1866 „Das italienische Volk ist zu 20 Prozent dumm, schurkisch und kühn, zu 80 Prozent dumm, ehrenhaft und zaghaft, und so ein Volk hat die Regierung, die es verdient. Selbst wenn die Österreicher aus freien Stücken abzögen, wären wir noch längst keine Nation. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, Italiener zu schaffen, wenn wir ein Italien wollen.“ Massimo D’Azeglio, Ministerpräsident Piemont-Sardiniens im März 184950 Italien und das Risorgimento 1815–1866

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schien Italien ein Land, das seine Geschichte schon hinter sich hatte und dessen pittoreske Trümmerlandschaften inzwischen Künstler, Literaten und sonstige Bildungsreisende aus ganz Europa in Scharen anzogen. Das große Zeitalter der Lagunenstadt Venedig war da bereits ebenso verblassende Vergangenheit wie der Glanz der Staufer oder der Ruhm der Päpste. Längst vergangen war auch die Epoche der Renaissance und Italiens ganz Europa beeinflussende Dominanz in Wissenschaft und Kultur. Seit mehr als einem Jahrhundert befand sich das Land bereits im Niedergang. Der Publizist und Dichter Giuseppe Ferrari nannte es Italiens jahrhundertelangen Schlaf. Zersplittert in eine Reihe mehr oder weniger nennenswerter Herrschaften und Königreiche war Italien zum Spielball auswärtiger Mächte geworden und vom geistigen Zentrum Europas allmählich an seine Peripherie gerückt. Doch die Französische Revolution, deren Heere bald auch in

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Norditalien auftauchten, stellte innerhalb nur eines Jahrzehnts die gesamte überkommende Ordnung des Landes auf den Kopf. Die Franzosen prahlten, dass man Italien die Freiheit gebracht habe, und ließen sich ihren dubiosen Dienst mit Steuern und Kontributionen in beispielloser Höhe vergüten. Die Kunstschätze des Landes wurden nach Paris gebracht, seine Soldaten in Spanien und Russland zu Tausenden geopfert und der Katholizismus Stück für Stück demontiert. Als Napoleon 1809 Papst Pius VII. nach Savona verschleppen ließ, erschien seine ungeheure Tat vielen Italienern nur als der unrühmliche Höhepunkt dieser epochalen Plünderei. Als dauerhaftes Vermächtnis der Französischen Revolution blieb immerhin die Idee einer geeinten und freien Nation. So hatte etwa in Mailand Melchiorre Gioia bereits 1796, noch vor dem Einmarsch Napoleons, eine freie Regierung gefordert, unter der die gesamte italienische Nation geeint werden solle. Sein Text fand damals so viel Anklang, dass er sogar von den Mailänder Behörden prämiert wurde.51 Im selben Jahr war auch erstmals anlässlich der Gründung der Cispadanischen Republik, die für kurze Zeit die Städte Reggio, Modena, Ferrara und Bologna vereinigte, die republikanische rotweiß-grüne Flagge gezeigt worden. Die Parole vom Risorgimento, von der Wiedergeburt Italiens, kam jedoch erst ein halbes Jahrhundert später in Gebrauch, als im Dezember 1847 Cesare Balbo, der spätere Ministerpräsident Piemont-Sardiniens, in Turin eine Zeitung gleichen Namens herausgab. Zu seinen prominentesten Autoren zählte auch sein politischer Nachfolger, Camillo Benso di Cavour.52 Mit seinen beabsichtigten Anklängen an die Renaissance war das Risorgimento sogleich auch Projektionsfläche für vielerlei Vorstellungen vom Wiederaufleben der einstigen kulturellen Großmachtstellung und dem Wahn einer besonderen Mission Italiens in der Geschichte der Menschheit. Dass die Vielfalt der italienischen Staatenwelt, seit jeher nur verbunden durch ihre gemeinsame Sprache und literarische Tradition, einmal in einem einzigen Staat aufgehen sollte, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts allerdings noch ein völlig neuer Gedanke. Nur wenige Gebildete sprach er an. Zu ihnen zählte gewiss der Dichter und Dramatiker Allessandro Manzoni, der 1821, wenige Wochen vor der Zerschlagung der piemontesischen Geheimgesellschaften durch

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die habsburgischen Behörden, in pathetischer Übertreibung erklärte, dass das italienische Volk eins sei und „vereint in Waffen, Sprache, Religion, Erinnerung an die Vergangenheit, Blut und Gefühl.“53 Die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress hatte jedoch Italien mehr denn je von den Zielen der neuen Nationalisten entfernt. Ein weiteres und ein letztes Mal wurden 1815 die Geschicke Italiens von fremden Staatsmännern bestimmt.54 Politisch präsentierte sich das postnapoleonische Italien, wie schon im Ancien Régime, als ein Sammelsurium unterschiedlichster Staaten, von denen das restituierte Königreich „Beider Sizilien“ noch die größte Ausdehnung besaß. Der Kirchenstaat, der sich über den Mittelteil der Halbinsel bis hinauf nach Bologna zog, war ein kaum reformierbarer Anachronismus – über seine primitiven Verhältnisse rümpfte selbst Metternich die Nase –, während das um Genua vergrößerte Königreich Piemont-Sardinien mit der Hauptstadt Turin noch am ehesten den Anschluss an die jüngsten europäischen Entwicklungen zu halten schien. Seine Herrscher schwankten allerdings zwischen dem vorrevolutionären aufgeklärten Absolutismus und vorsichtigen Zugeständnissen an ein mit wachsendem Selbstbewusstsein auftretendes Bürgertum. Den Löwenanteil Italiens aber hatte sich 1815 Habsburg gesichert. Venetien und die Lombardei, zwei der am meisten entwickelten Gebiete der Halbinsel, waren als Lombardo-Venezianisches Königreich direkt der Monarchie einverleibt worden, während die mittelitalienischen Fürstentümer Parma, Modena und Toskana von Potentaten aus Habsburger Nebenlinien regiert wurden. Mit Genua und Venedig waren dagegen zwei uralte Staaten völlig von der Landkarte Italiens verschwunden, ein Vorgang, der kaum mit dem von vormärzlichen Staatsmännern gern beschworenen Legalitätsprinzip zu vereinbaren war.

Aufstieg und Untergang der Geheimgesellschaften Wie in Deutschland hatte auch in Italien Metternichs neue antirevolutionäre Ordnung, welche die europäische Staatenwelt des Ancien Régime in leicht arrondierter Form wiederaufleben ließ, wenig Be-

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geisterung ausgelöst. Die Fremdherrschaft der Franzosen war, so stellte sich rasch heraus, nur durch die Knute der Österreicher abgelöst worden. Pressezensur, Bespitzelung und hohe Steuern vergifteten das politische Klima. Dass die österreichische Verwaltung in der Lombardei und in Venetien an Effektivität und Weitsicht tatsächlich sämtliche italienischen Regime bei Weitem übertraf, war sogar einem Mann wie Camillo Benso di Cavour bewusst. Aber Habsburg blieb die auswärtige Macht, die man unbedingt loswerden wollte. Die Unzufriedenen organisierten sich in den Jahren nach 1815 in sogenannten Geheimgesellschaften, die zwar untereinander vernetzt und in ganz Italien aktiv waren, sich aber nie auf ein gemeinsames Programm einigen konnten. Es gab unter ihnen radikale Jakobiner wie etwa Filippo Buonarroti, der im französischen Exil gelebt und enge Kontakte zu Maximilien Robespierre unterhalten hatte, aber auch Befürworter nur moderater Reformen. Obwohl sich in den konspirativen Vereinigungen Teile des neuen Bürgertums und sogar liberale Adlige und Militärs zusammenfanden, gab man sich bewusst volksnah. So nannte sich die wohl am meisten verbreitete Geheimgesellschaft schlicht Carbonera, was übersetzt „Köhlervereinigung“ bedeutet. Als 1820 in Spanien eine Revolte von Offizieren das ganze Land erschütterte und die Aufrührer die Wiedereinführung der freiheitlichen Verfassung von 1812 verlangten, sprang der revolutionäre Funke auch auf das Königreich „Beider Sizilien“ über. Ein zutiefst erschrockener König Ferdinand I. beeilte sich unter dem Druck von Öffentlichkeit und Militär, ebenfalls eine neue liberale Verfassung zu verabschieden. Die Lage beruhigte sich damit jedoch keineswegs, da die radikalen Vertreter der Carbonera ihre viel weiter reichenden Forderungen nicht erfüllt sahen und ein Aufstand der Barone auf Sizilien wiederum die dortige Bevölkerung auf die Barrikaden rief. Alles schien auf einen Bürgerkrieg hinauszulaufen. Die österreichische Hegemonialmacht konnte dem unmöglich länger zusehen und schickte Truppen, nachdem ihr die konservativen Regierungen Europas auf dem Laibacher Kongress im Februar 1821 das Mandat dazu erteilt hatten. Als schließlich auch in Piemont-Sardinien die Bewegung der Geheimgesellschaften eine Verfassungsänderung erzwang und im März 1821 verschiedene Garnisonen gegen König Vittorio

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Emanuele I. rebellierten, schritt Wien erneut zur Tat. Österreichische Truppen marschierten in das Nachbarkönigreich ein, dessen Monarch inzwischen, von der Lage überfordert, zugunsten seines Bruders abgedankt hatte. Nun begann Wien rigoros die Geheimgesellschaften zu verfolgen und ihre Führer einzukerkern. 19 Todesurteile, darunter auch das gegen den Dichter Silvio Pellico, wurden allerdings später zu lebenslanger Haft in der Festung Spielberg bei Brünn abgemildert. Erst neun Jahre darauf begnadigte Wien die Staatsgefangenen, sah sich aber schon bald in der Hoffnung getäuscht, durch seinen Akt der Milde die oppositionellen Kreise für sich gewinnen zu können. Im Gegenteil! Mit seiner unpathetischen Schilderung der brutalen Haftbedingungen (Le mie prigioni) erzielte Silvio Pellico europaweit Beachtung.55 Es war ein weiterer Schlag gegen das internationale Ansehen Österreichs, das bald nur noch als der „Gendarm Italiens“ verschrien war. Viele Anhänger der Carbonera hatten sich 1821 der Gefangennahme durch Flucht ins Ausland entziehen können. Endgültig war das Rückgrat der Geheimgesellschaften damit aber noch nicht gebrochen. Während der nächsten revolutionären Welle, die Europa und Italien im Juli 1830 erfasste, spielten sie in Modena, Bologna und Parma noch einmal eine zentrale Rolle. Man berief sogar eine Nationalversammlung ein, zu der auch Vertreter der päpstlichen Gebiete erschienen, und erklärte die weltliche Herrschaft des Papstes für beendet. Der anschließende Zug eines patriotischen Heeres auf Rom veranlasste jedoch Papst Gregor XVI., die Österreicher zu Hilfe zu rufen. Gegen reguläre Truppen hatten die schlecht bewaffneten Aufständischen keine Chance. In der Schlacht bei Rimini wurden sie 1831 vollständig besiegt.56 Zu den Carboneras hatte ursprünglich auch der junge Giuseppe Mazzini gehört. Nach dem endgültigen Scheitern der Geheimgesellschaften und einer dreimonatigen Kerkerhaft in Savona beschritt der aus Genua stammende Advokat einen radikal anderen Weg. Die bisherigen Versuche der Carbonera, im Bündnis mit dem Herrschenden für Verbesserungen zu sorgen, verurteilte Mazzini als zwecklos und gründete 1831 in Marseille seine eigene Organisation, die Bewegung „Junges Italien“. Nach Mazzinis Überzeugung könne eine grundlegende Veränderung der politischen Verhältnisse

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einzig durch das Volk selbst zustande kommen. Eine Umwälzung müsse jedoch zugleich auch auf europäischer Ebene angestrebt werden und Italien käme hierbei sogar eine moralische Vorrangstellung zu. Dass seine wiederholte Forderung nach der Brennergrenze und anderer Gebiete des Deutschen Bundes (Triest) zur Konfrontation mit der deutschen Nationalbewegung führen musste, sah Mazzini offenbar nicht.57 Republikanismus, Unitarismus sowie die Notwendigkeit von erzieherischen Maßnahmen im Volk waren die Eckpunkte seines Programms, das viele Züge einer Heilslehre aufwies. Durch permanente Aufstände sollte das revolutionäre Bewusstsein der Bevölkerung entfacht und wachgehalten werden. Obwohl er in Italien starken Zulauf hatte und Mazzini später auch eine europäische Bewegung ins Leben rief, scheiterten in den folgenden zehn Jahren sämtliche von ihm inszenierten Aufstandsversuche. Nach einer fehlgeschlagenen Rebellion in Genua 1834 konnte ein junger Seemann namens Giuseppe Garibaldi nur mit knapper Not der Erschießung entkommen und sich nach Südamerika absetzen. Zu Mazzinis Anhängern zählten auch die beiden Brüder Attilio und Emilio Bandiera, Söhne eines österreichischen Admirals und selbst Offiziere der venezianisch-habsburgischen Marine. 1834 landete das Brüderpaar in Kalabrien, um dort eine bereits erstickt Revolte zu unterstützen. Beide wurden zu ihrem Erstaunen von der Bevölkerung verraten, samt ihrer sieben Kampfgenossen gefangen genommen und nach kurzem Prozess hingerichtet.58 Mazzini hatte zwar von dem stümperhaft vorbereiteten Unternehmen abgeraten, grundsätzlich aber befürwortete er den Opfertod junger Idealisten. Ideen reiften rascher, wenn sie mit dem Blut von Märtyrern genährt werden, befand der Salonrevolutionär, der zum Zeichen seiner nationalen Trauer stets in Schwarz gekleidet war.59 Er selbst lebte da schon im sicheren Londoner Exil, nachdem ihn Frankreich und später auch die Schweiz des Landes verwiesen hatten. In einem durch und durch katholisch geprägten Land hatte Mazzinis sozialistische und kirchenfeindliche Agitation bei den breiten Massen nie wirklich Fuß fassen können. Geschickter agierte dagegen sein Landsmann Vincenzo Gioberti aus Turin. Vier Jahre älter als Mazzini, hatte er das dortige Priesterseminar besucht, war kurze Zeit auch Mitglied der Carbonera gewe-

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sen, ehe er – wie viele andere – Italien verlassen musste. Im belgischen Exil entwickelte er dann ein eigenes Konzept des Risorgimento. Gioberti betonte in seinen Schriften besonders die Rolle der freien italienischen Kommunen des Mittelalters, die mit Unterstützung der Päpste erfolgreich eine antideutsche Politik betrieben hätten. Obwohl Papst Gregor ein Reaktionär war und ja erst wenige Jahre zuvor österreichische Truppen gegen die Armee der Carboneras zu Hilfe gerufen hatte, glaubte Gioberti sogar, dass sich das Papsttum – analog zur mittelalterlichen Politik der Kirche – an die Spitze einer nationalen antiösterreichischen Bewegung stellen könnte, um schließlich geistig-kulturelles Oberhaupt eines auf föderativer Basis vereinigten Italiens zu werden. Die Souveränität der übrigen Fürsten sollte davon jedoch nicht berührt werden.60 Mit seiner sogenannten Neo-Guelfischen Position fand Gioberti viel Zustimmung, und selbst ein Kleriker wie Giovanni Maria Mastai-Ferretti, der 1846 als Pius IX. sein Pontifikat antrat, zeigte sich anfangs fasziniert von Giobertis Lehren.61

Auf dem Weg zur Revolution Zu Beginn der 1840er-Jahre war längst klar geworden, dass ein Wandel der politischen Verhältnisse Italiens nur mithilfe einer starken Schutzmacht gelingen konnte. In dieser entscheidenden Rolle sahen nun viele Patrioten wie etwa Cesare Balbo oder Massimo D’Azeglio das Königreich PiemontSardinien. Dessen Herrscher Carlo Alberto hatte zwar schon als Kronprinz mit der Carbonera sympathisiert, war aber auch 1833 nicht davor zurückgeschreckt, die gegen ein Dutzend Anhänger Mazzinis verhängten Todesurteile unbarmherzig vollstrecken zu lassen.62 Doch inzwischen war die Zeit des aufgeklärten Absolutismus abgelaufen. Mit der beginnenden Industrialisierung in Norditalien wuchs unweigerlich der politische Einfluss bürgerlich-liberaler Kreise. In Piemont wie auch in der angrenzenden Lombardei hatte sich besonders die Landwirtschaft seit 1815 revolutioniert. Gutsbesitzer produzierten in vergrößerten Betrieben rationeller und legten auch in wachsender Zahl Maulbeerplantagen für die lukra-

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tive Zucht von Seidenraupen an. Mit Baumwollimporten aus Ägypten und Amerika entstand zugleich eine aufstrebende Textilindustrie, deren inneritalienische Absatzchancen allerdings noch durch die zahllosen Zollgrenzen empfindlich beeinträchtigt wurden. Der Gedanke einer vereinten Nation fand allein schon deshalb wachsende Zustimmung in der neuen Schicht der Fabrikanten und Agrarunternehmer Norditaliens. Von radikalen Lösungen, wie sie Mazzini propagiert hatte, hielt man in diesen Kreisen wenig, dagegen fanden Giobertis Vorstellungen von einer engeren italienischen Föderation durchaus Anklang. Eine Zollunion nach deutschem Vorbild erschien vielen Kapitalisten sogar als der erste geeignete Schritt auf dem Weg zu einem föderativen Nationalstaat. Es zeigte sich jetzt deutlich, dass der italienische Einigungsprozess ein Elitenprojekt war und erst dann wirklich Fahrt aufnahm, als er versprach, konkrete ökonomische Probleme zu lösen. Tatsächlich nahmen Piemont, das Fürstentum Toskana und der Kirchenstaat noch im Verlauf des Jahres 1847 Verhandlungen über eine Zollunion auf. Die Verträge wurden schließlich im November unterzeichnet und Publizisten wie Massimo D’Azeglio glaubten bereits an die Möglichkeit einer politischen Liga, die einmal große Teile Italiens umfassen würde. Inzwischen hatte sich die politische Agitation gegen die österreichische Herrschaft in der Lombardei und Venetien verstärkt, und als Wien im Gegenzug die Stadt Ferrara besetzte, erntete Papst Pius mit seinem deutlichen Protest viel Beifall im Lande.

Fast am Ziel – Italien in der Revolution von 1848 / 49 Die neuerliche Revolution in Paris war der letzte Tropfen, der im Februar 1848 das brodelnde Fass zum Überlaufen brachte. Der europäische Völkerfrühling schien endlich gekommen. Auch in Italien brachen vielerorts Tumulte aus und die Souveräne versuchten verzweifelt und oft zu spät, durch einige liberale Reformen die Ruhe wiederherzustellen. Nacheinander gewährten Neapel, Florenz und Turin Verfassungen, die sich mit ihrem Zweikammersystem an der französischen Charta von 1830 orientierten. Selbst Papst Pius IX. erwog einige Verbesserungen in der Verwaltung des Kirchenstaa-

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tes. Im März 1848 ernannte er ein neues Kabinett, dem immerhin sechs Nichtklerikale angehörten. Die Neuen galten sogar als Liberale. Zur selben Zeit sprang der revolutionäre Funke auch auf das Lombardo-Venezianische Königreich über. Am 17. März, nur zwei Tage nach Metternichs Sturz, fiel die Stadt Venedig in die Hände von Aufständischen. Unterstützt von vielen italienischstämmigen Soldaten und Arbeitern des Marinearsenals riefen nur sechs Tage später der Advokat Daniele Manin, den man zuvor aus dem Gefängnis befreit hatte, und Niccolò Tommaseo eine provisorische Regierung aus, die sich aber durchaus nicht als Teil eines zukünftigen Italiens verstand, sondern als Nachfolgerin der alten venezianischen Repubblica di San Marco.63 Noch am selben Tag musste sich Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky von Radek mit seinen Truppen aus Mailand zurückziehen, nachdem es den Aufständischen unter Bürgermeister Gabrio Casati gelungen war, in langen Straßenkämpfen, die als die „Fünf Tage von Mailand“ in die Geschichte eingingen, sämtliche wichtigen Positionen der Stadt zu besetzen. Habsburgs Herrschaft über Italien stand unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Nun sah auch König Carlo Alberto den Zeitpunkt gekommen, trotz der mangelnden Kriegstüchtigkeit seiner Armee in den Konflikt einzugreifen. Seine Kriegserklärung an Österreich vom 24. März 1848 wurde von den lombardischen Patrioten allerdings mit zwiespältigen Gefühlen aufgenommen. Die Mailänder konnten darin nur den dreisten Versuch sehen, von ihren Erfolgen zu profitieren. Auch der aus dem Exil herbeigeeilte Mazzini wies die unverhohlenen Ansprüche Piemonts auf die reiche Nachbarprovinz strikt zurück und unterstellte Carlo Alberto sogar dynastische Expansionsgelüste. Eine derart beträchtliche Vergrößerung des sardischen Königreiches könne, so Mazzini, die Einheit Italiens gefährden. Aus dem gleichen Grund fiel die Unterstützung der piemontesischen Armee durch die übrigen Staaten Italiens nur sehr dürftig aus. Gleichwohl gelang es den Streitkräften Carlo Albertos, bis zum Mincio und sogar noch ins österreichische Festungsviereck vorzustoßen. Dort aber traf ihn der habsburgische Gegenschlag mit voller Wucht. Radetzky hatte inzwischen Verstärkungen erhalten und überrannte die piemontesische Armee in mehreren Schlachten. Am 6. August 1848 konnte

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der 82-jährige Feldherr wieder in Mailand einziehen. Drei Tage später musste Carlo Alberto um einen Waffenstillstand nachsuchen. Noch hielt aber Venedig aus. Radikale Patrioten wie Mazzini und der aus Südamerika zurückgekehrte Garibaldi waren jedoch nicht in die belagerte Lagunenstadt gegangen, sondern nach Rom. Dort hatte Pius IX. mit seinen Reformen zunächst überzogene Hoffnungen geweckt, dass sich der Kirchenstaat ganz im Sinne der Ideen Giobertis in den Dienst der nationalen Bewegung stellen würde. Doch schon die Neutralitätserklärung des Papstes vom 29. April 1848 hatte im ganzen Land für Ernüchterung und sogar Empörung gesorgt. Nach der Ermordung des gemäßigten Regierungschefs Pelligrino Rossi am 15. September 1848 eskalierte die angespannte Lage in der Ewigen Stadt. Von Aufständischen bedroht, mussten Papst und Kardinäle das Land verlassen. Pius selbst fand Unterschlupf in der Hafenstadt Gaeta, die zum Königreich „Beider Sizilien“ gehörte. In Rom konstituierte sich derweil eine republikanische Regierung unter dem Triumvirat von Mazzini, Aurelio Saffi und Carl Armellini. Garibaldi übernahm das Militärwesen, während Mazzini hoffte, dass Rom zum Kristallisationspunkt für alle noch aktiven revolutionären Bewegungen im Lande werden würde. Unter großen Beifallsstürmen wurde im Januar 1849 Giuseppe Verdis Oper „Die Schlacht von Legnano“ in Rom uraufgeführt. Der Komponist dirigierte sein patriotisches Werk zwar selbst, reiste aber, nachdem er sich ausgiebig als revolutionärer Held hatte feiern lassen, noch vor Ausbruch der Kämpfe wieder nach Paris ab.64 Noch bis März musste die wieder erstarkte Schutzmacht Österreich dem Treiben der Revolutionäre in Rom untätig zusehen. Die endgültige Niederlage Piemont-Sardiniens in der Schlacht von Novara am 23. März 1849 und die unmittelbar darauf folgende Abdankung Carlo Albertos verschafften ihr endlich freie Hand, den revolutionären Brandherd auszutreten. An der Eroberung Roms beteiligte sich jetzt aber auch ein starkes französisches Korps, das der neue Präsident der Zweiten Republik, Louis Napoleon, nach Italien geschickt hatte. Mit Blick auf seine starke katholische Wählerschaft glaubte er sich als Schutzherr des Papstes inszenieren zu müssen. Nach zehntägigem schweren Beschuss gelang seinen Truppen am 3. Juli 1849 am Gianicolo der Einbruch in die Stadt. Die noch am

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selben Tag von der republikanischen Regierung verabschiedete Verfassung, die fortschrittlichste der gesamten Revolution, konnte nicht mehr in Kraft treten. Mazzini und Garibaldi glückte die Flucht nach Norden. Auf Umwegen erreichten sie Piemont, von wo aus sie erneut ins Ausland gingen. Der junge Dichter Goffredo Mameli, ein Gefolgsmann Garibaldis und Verfasser des Textes der späteren Nationalhymne (Brüder Italiens), verstarb dagegen in einem römischen Lazarett. Mit der Kapitulation Venedigs nach zehnmonatiger Belagerung am 28. August 1849 endete vorerst die italienische Revolution. Die Reaktion schien auf ganzer Linie gesiegt zu haben. Doch eine Rückkehr zu den vormärzlichen Zuständen war gleichwohl nicht mehr möglich. Zu stark war die revolutionäre Bewegung gewesen, zu tief war sie bereits im öffentlichen Bewusstsein verankert, als dass Österreich noch darauf rechnen konnte, ein zweites Mal Herr der Lage zu werden.

Die italienische Frage kommt auf die Agenda der Großmächte Der nächste Akt der italienischen Staatsbildung vollzog sich jedoch nicht mehr auf der Straße, sondern auf der diplomatischen Bühne Europas. Der Mann, dem es gelang, die italienische Frage auf die Agenda der Großmächte zu setzen, hieß Camillo Benso di Cavour. 1852 hatte der ehemalige Offizier, Gutsbesitzer und schließlich Chefredakteur der Zeitung Il Risorgimento im Alter von 42 Jahren das Amt des piemontesischen Ministerpräsidenten von seinem Vorgänger Massimo D’Azeglio übernommen. An politischem Scharfsinn, Durchsetzungsvermögen und Skrupellosigkeit stand er kaum hinter Bismarck zurück. Er galt aber auch als aufbrausend, unbeherrscht und als notorischer Lügner. Die Chancen der ökonomischen und technischen Modernisierung verkannte er jedoch nicht. Piemont-Sardinien musste ein starker Staat werden, alles Weitere würde sich finden. Ausdrücklich verwarf Cavour den revolutionären Weg der Mazzinisten, deren letzter Aufstand im Februar 1853 von den österreichischen Behörden in Mailand nur allzu leicht vereitelt werden konnte. Zugleich trat er aber für eine großzügige Entschädigung aller Lombarden ein, die vor den Österreichern nach

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Piemont geflohen und deren Güter daraufhin eingezogen worden waren. Als 1853 der orientalische Krieg zwischen Russland und der Türkei ausbrach und im Herbst 1854 britische und französische Truppen auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim landeten, sah der massige Ministerpräsident mit dem dünnen Kinnbart die Chance gekommen, das norditalienische Königreich auf internationaler Bühne zu positionieren. Begünstigt von Habsburgs ergebnisloser Schaukelpolitik zwischen Russland und den Westmächten, setzte er es gegen erhebliche Widerstände im eigenen Kabinett durch, dass PiemontSardinien ein kleines Korps von 15 000 Mann auf den entlegenen Kampfplatz entsandte. Den Kriegsverlauf mochte die sardische Streitmacht unter General Alfonso La Mamora zwar kaum zu beeinflussen, aber es verschaffte Cavour immerhin einen Platz am Tisch der Pariser Friedenskonferenz, auf der im Frühjahr 1856 die europäischen Verhältnisse neu geordnet wurden. Der norditalienische Kunststaat war damit bündnisfähig geworden und Frankreich, der favorisierte Kandidat für eine antihabsburgische Allianz, zeigte sich, anders als Großbritannien, den Avancen Piemonts keineswegs abgeneigt. Zwar hatte sich Napoleon III. durch seine Rolle bei der Niederwerfung der römischen Republik keine Freunde unter Italiens Patrioten gemacht, aber Cavour sah darüber hinweg, ging es ihm doch vorerst einmal nur um den Erwerb des Lombardo-Venezischen Königreiches mit französischer Hilfe. An eine italienische Einigung in einem Zuge, wie sie dann 1859 / 60 tatsächlich zustande kam, glaubte er damals noch nicht, sie war ihm als gebürtigem Savoyer mit einer schweizerischen Mutter auch keine Herzensangelegenheit. Cavour hatte sich Zeit seines Lebens nach Mittel- und Westeuropa orientiert. England und Frankreich hatte er bereist, sie waren seine Vorbilder, das Italien südlich von Rom war ihm dagegen völlig unbekannt.65 Im lothringischen Plombières-les-Bains einigten sich im Juli 1858 die beiden Politiker auf ein gemeinsames Vorgehen in Norditalien. Napoleon III. würde Piemont militärisch unterstützen, wenn es von Österreich angegriffen würde. Habsburg sollte ganz aus Italien vertrieben werden, während Piemont-Sardinien mit Lombardo-Venezien sowie mit Parma und Modena ein neues norditalienisches Kö-

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nigreich mit etwa elf Mio. Einwohnern bilden würde. Aus der Toskana und dem Gebiet des Kirchenstaates sollte ein zweiter Staat entstehen, der Papst auf Rom beschränkt bleiben, während das Königreich „Beider Sizilien“ unangetastet blieb. Alle drei italienischen Staaten könnten sich dann später zu einer Föderation zusammenschließen, deren Ehrenvorsitzender – gewissenmaßen als Entschädigung – der Papst sein würde.66 Die Abtretung von Nizza und Savoyen an Frankreich erschien Cavour als Preis nicht zu hoch für Turins gewaltigen Machtzuwachs, sollte der Plan aufgehen. Dass der freiwillige Verzicht auf alte italienische Gebiete den Zielen des Risorgimento zuwiderlief, störte ihn nicht im Geringsten. Überhaupt nahmen nur wenige Patrioten wie etwa der aus Nizza stammende Giuseppe Garibaldi an dem ungewöhnlichen Kuhhandel Anstoß. Obwohl das geheime Abkommen in diplomatischen Kreisen bald durchgesickert war, tappte die Wiener Politik tatsächlich in die ihr von Cavour gestellte Falle. Am 23. April 1859 forderte Habsburg ultimativ die Abrüstung der piemontesischen Armee und die Auflösung der Freikorps. In den Augen Europas war es zum Aggressor geworden. Drei Tage später unternahmen österreichische Truppen sogar einen zaghaften Vorstoß über den Grenzfluss Tessin. Damit war der Bündnisfall eingetreten. Als bis Mitte Mai rund 150 000 Franzosen über die Alpen und zur See in Norditalien eintrafen, hatte Österreich seine Chance verpasst, die piemontesischen Truppen isoliert zu schlagen. Seine unentschlossene Kriegführung war auch die Ursache der Niederlage von Magenta am 4. Juni 1859  – eine Schlacht, die am Abend noch keineswegs verloren war – und der fluchtartigen Räumung von Mailand. In der Schlacht von Solferino siegten knapp drei Wochen später die Verbündeten, dieses Mal deutlich. Erneut aber hatten die Franzosen die Hauptlast des Kampfes tragen müssen, während die piemontesische Armee bei San Martino vollkommen versagte. Napoleon III. hatte inzwischen genug von seinem lächerlichen Verbündeten und beeilte sich, mit Kaiser Franz Joseph am 8. Juli 1859 den Waffenstillstand von Villafranca zu schließen. Cavour tobte, wollte den Krieg sogar alleine weiterführen und trat schließlich als Ministerpräsident zurück. Dabei war er selbst, da in Personalunion auch Kriegsminister, der

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Hauptverantwortliche für die schreienden Defizite der piemontesischen Armee. Doch während die beiden Kaiser in Verhandlungen standen und dabei vereinbarten, dass Parma, Modena und das Großherzogtum Toskana an ihre inzwischen geflohenen habsburgischen Herrscherhäuser zurückfallen sollten, hatten Cavours Vertraute von der Società nazionale dort schon Tatsachen geschaffen. Die 1857 gegründete Nationalgesellschaft mit dem einflussreichen Sizilianer Giuseppe La Farina als Sekretär stand in enger Beziehung zu Cavour und trat nachdrücklich für den Anschluss ganz Italiens an Piemont-Sardinien ein. Sie war auch das Vorbild für den zwei Jahre später gegründeten deutschen Nationalverein.

Kein geeintes Italien, sondern nur ein erweitertes Piemont Sardische Truppen hatten schon im Juni die drei Herzogtümer besetzt, offiziell von den dortigen liberalen Übergangsregierungen zu Hilfe gerufen. Auch der im Aufstand befindliche nördliche Teil des Kirchenstaates, die Emilia Romagna, wurde besetzt, nur das Kerngebiet konnte die Schweizer Garde des Papstes militärisch behaupten. Noch vor dem Waffenstillstand von Villafranca hatte Cavour seinen Vertrauten La Farina beauftragt, „spontane Demonstrationen“ für die italienische Sache in den neu besetzten Gebieten zu organisieren und überall Plebiszite vorzubereiten, die den Anschluss an Piemont-Sardinien gutheißen sollten. Die scheindemokratische Absegnung war das Standardverfahren, das Turin schon 1848 in der Lombardei angewandt hatte und das nun auch alle zukünftigen Annexionen begleiten sollte. Als Cavour am 21. Januar 1860 wieder das Amt des Ministerpräsidenten in Turin übernahm, war die Anschlusslösung in Mittelitalien bereits so populär, dass auch der französische Kaiser nachgeben musste. Immerhin wurde ihm seine Entscheidung mit der Abtretung von Nizza und Savoyen versüßt. Die Volksabstimmungen in den drei Herzogtümern und im nördlichen Teil des Kirchenstaates erschienen am 11. / 12. März 1860 als eine glänzende Bestätigung der cavourschen Politik und machten den Züricher Friedensvertrag vom November 1859 zur Makulatur. Die föderative Lösung der italienischen Frage, wie sie eine Dekade

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später Bismarck in Deutschland realisieren konnte, war damit vom Tisch. Doch ohne die alten Fürstenhäuser und ihre Regierungen musste Piemont-Sardinien sein riesiges neues Herrschaftsgebiet erst einmal verwaltungsmäßig konsolidieren, ehe an weitere Einigungsschritte gedacht werden konnte. Cavour sah die Problematik und versuchte zu bremsen, aber die Entwicklung drohte nun auch über ihn hinwegzugehen.

Garibaldis Zug der Tausend Noch hatten die Mazzinisten ihren alten Plan von der Besetzung Roms und der Absetzung des Papstes nicht aufgeben. Giuseppe Garibaldis legendäre Fahrt nach Sizilien Anfang Mai 1860 versprach nun den alten Traum wiederzubeleben. Die Insel galt als Schlüssel, mit dem sich der Weg nach Rom von Süden her öffnen ließ. Rebellen in Palermo hatten im April um Garibaldis Unterstützung gebeten und nach einigem Zögern hatte er zugestimmt. Seine kämpferischen Jahre in Südamerika hatten ihn tief geprägt. Garibaldi war der Typ des Guerrillero, einfach, gradlinig und gerissen, durch Vorbild und Charisma der ideale Anführer improvisiert zusammengestellter Truppen.67 Eine formale militärische Ausbildung besaß er nicht. Viele seiner etwa 1000 Rothemden, mit denen der Revolutionsheld am 11. Mai 1860 in Marsala an der Westküste der Insel landete, waren Angehörige der regulären piemontesischen Armee. Sein Stabschef war Wilhelm Rüstow, ein ehemaliger Premierleutnant der Preußischen Armee, der seit 1849 im Schweizer Exil gelebt hatte. Der junge König Francesco II. und seine überalterten Generale nahmen das Unternehmen zunächst nicht ernst, konnten aber auch nicht wissen, dass Garibaldi mit Wissen und Billigung König Vittorio Emanueles II. agierte und ständig weitere Unterstützung aus dem Norden erhielt. Auch Cavour wusste Bescheid, ließ aber Garibaldi vorerst gewähren. Scheiterte sein Zug, war er einen gefährlichen Konkurrenten los, hatte er jedoch Erfolg, ließen sich immer noch Mittel und Wege finden, um davon zu profitieren. Nach einem ersten Sieg über ein mutlos geführtes neapolitanisches Kontingent am 16. Mai bei Calatafimi fiel die Stadt Palermo

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schon zwölf Tage später in die Hand der Rothemden. Obwohl sich die Landbevölkerung abwartend, später sogar feindlich gegenüber den Eindringlingen verhielt, hatten Garibaldis Männer die Insel zwei Monate später in ihre Hand gebracht. Er handelte im Auftrag Vittorio Emanueles II. und trat als Dittatore auf, Cavours Emissär La Farina schickte er allerdings sofort nach Turin zurück. Mitte August 1860 wagte Garibaldi den Sprung aufs Festland, besiegte mit unerwarteter Leichtigkeit die ihm entgegengesandten Truppen des Königs. Francescos Soldaten wussten nicht mehr, wofür sie kämpften, und desertierten in Scharen. Ein ganzes neapolitanisches Bataillon kapitulierte sogar vor sechs Rothemden, die sich verlaufen hatten. Richard Strauss sollte später in seiner Oper „Der Rosenkavalier“ spotten: „Ich bin kein Napolitanischer General. Wo ich steh’, steh’ ich.“68 Am 7. September traf Garibaldi mit einem kleinen Kommando in der Hauptstadt Neapel ein, anfangs von der Bevölkerung stürmisch begrüßt. Derweil hatten sich Francesco II. und der Rest seiner Armee nach Norden hinter den Volturno zurückgezogen. Nun war es für Cavour höchste Zeit einzuschreiten. Die piemontesische Armee rückte am 11. September in den Kirchenstaat ein, angeblich zum Schutz des Papstes vor Garibaldis Rothemden, in Wahrheit aber trieb er mit dem Kirchenoberhaupt ebenso wie mit Napoleon III. ein Doppelspiel. Piemont besetzte einfach den gesamten östlichen Teil des Patrimonium Petri – angeblich, um Aufständen der Mazzinisten zuvorzukommen – und ließ durch ein Plebiszit ihre Annexion vorbereiten. Frankreichs düpierter Kaiser durfte sich noch glücklich schätzen, vor den kritischen Augen der Katholiken in seinem Land den Kirchenstaat wenigstens im Prinzip gerettet zu haben. Eine französische Garnison in Rom sollte zukünftig die Integrität des päpstlichen Restterritoriums gewährleisten. Nicht weniger rabiat wurde mit dem alten Königreich „Beider Sizilien“ verfahren, dessen Gebiete Garibaldi nach seinem Sieg am Volturno in der legendär gewordenen Begegnung am Teano am 26. Oktober 1860 feierlich Vittorio Emanuele II. übergab. Zutiefst deprimiert zog sich Italiens Volksheld und das einzige echte militärische Talent seiner Revolution auf die Insel Caprera vor Sardinien zurück, um dort

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Giuseppe Garibaldi bei der Schlacht am Volturno, 1. Oktober 1860

gleich seinem Vorbild, dem Altrömer Cincinnatus, auf den erneuten Ruf seines Vaterlandes zu warten. Cavours Kalkül war glänzend aufgegangen. Die bereits von den Kommissaren des Königs vorbereiteten Plebiszite in Sizilien und auf dem süditalienischen Festland brachten im November 1860 keine Überraschung. Die Wähler konnten die Frage, ob man Teil eines einigen und unteilbaren Italiens sein wollte, nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Was bei einer Ablehnung geschehen sollte, war nicht bekannt, auch schienen viele Neapolitaner gar nicht zu wissen, was mit Italien überhaupt gemeint war.69 Tatsächlich war die italienische Einigung nur ein geschickt arrangierter Eroberungszug gewesen und das neue Italien nichts anderes als ein nunmehr hoffnungslos überdehntes Piemont-Sardinien. Mazzini nannte es ein Trugbild, eine Parodie Italiens. Das Land war vergewaltigt, nicht geeinigt worden. Für die ehemaligen Untertanen von Francesco II. war die Grün-

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dung Italiens auch alles andere als eine Befreiung, denn sie brachte ihnen überhaupt erst eine neue Fremdherrschaft. Tausende von sogenannten Briganten zogen in die Berge und Wälder und kämpften noch jahrelang gegen die piemontesischen Besatzungstruppen. Es war ein blutiger Guerillakrieg, der so gar nicht zu dem offiziellen Einigungsjubel passte. Der neue Turiner Staat nutzte allein dem Großbürgertum und der rasch wachsenden Klasse von Fabrikanten. Für die sogenannten kleinen Leute brachte die zwangsweise Vereinigung dagegen nur höhere Steuerlasten und die Einführung der verhassten Wehrpflicht. Sie konnten nur die Faust in der Tasche machen oder in die Berge gehen. An den ersten allgemeinen Wahlen im Januar 1861 durften zudem wegen des hohen Zensus nur ganze zwei Prozent der Bevölkerung teilnehmen. Am 18. Februar traten die in allen Landesteilen gewählten Vertreter erstmals im Turiner Parlament zusammen. Nur fünf Tage früher hatte südlich von Rom die Hafenstadt Gaeta nach einer Belagerung von fast vier Monaten kapituliert. Mit seiner Gattin, einer bayerischen Prinzessin, ging König Francesco II. ins römische Exil, später dann nach Bayern und Tirol. Sein Königreich, von den Normannen gegründet, hatte nach über 700 Jahren zu bestehen aufgehört. Nur fünf Jahre später sollte es dem Königreich Hannover und zwei weiteren deutschen Staaten ebenso ergehen.

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Reformen ohne Ziel – Österreichs Armee von 1848–1866 „In einer Welt ständiger Umwälzungen und größter Rüstungen hat man in Österreich damit begonnen, der Armee binnen zwei Jahren vom Staatsschutz 45 Mio., mithin den dritten Teil ihrer früheren Dotationen zu entziehen [und] sie auf die Hälfte ihres früheren Kriegsstandes zu setzen.“ Generalfeldmarschall Heinrich Freiherr von Heß, österreichischer Generalstabschef, am 26. Januar 1864 zu den Sparplänen des Finanzministeriums70 Reformen ohne Ziel – Österreichs Armee von 1848–1866

Am 18. Januar 1858 wurden die Bürger Wiens Zeugen eines beeindruckenden Leichenzuges. Eine Kolonne von 20 000 Soldaten begleitete am Vormittag den zwei Wochen zuvor in Mailand verstorbenen Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky von Radek auf seinem letzten Weg vom neu errichteten Arsenal in die Wiener Innenstadt. Bei kaltem klarem Wetter bewegte sich der scheinbar endlose Zug langsam durch das Kärtnertor der damals noch existierenden Stadtbefestigung zum Stephansdom. An ihrer Spitze schritt mit gezogenem Degen der 28-jährige Kaiser Franz Joseph. Nicht wenige Beobachter dürften beim Anblick des in einem prächtigen Leichenwagen aufgebahrten Sarges gespürt haben, dass mit dem Tod der fast 92-jährigen Feldherrnlegende nunmehr unwiderruflich eine Epoche zu Ende gegangen war, in welcher der habsburgische Kaiserstaat noch einmal seine Position als zentrale Ordnungsmacht Europas eindrucksvoll gefestigt hatte. In zwei Feldzügen war es Radetzky zehn Jahre zuvor gelungen, die Truppen Piemont-Sardiniens mehrfach zu schlagen und schließlich sogar bei Novara am 23. März 1849 gänzlich zu vernichten. Über die außergewöhnliche Kühnheit und die Präzision seiner Operationen hatte damals ganz Europa gestaunt.71 Zeugen sprachen von einer gewissen Nonchalance, ja sogar von einer geistreichen Schelmenhaftigkeit, mit welcher der agile Greis seine Truppen kommandiert hatte. Selbst im Rollstuhl, so glaubten seine Offiziere, hätte er sie noch zum Sieg geführt.72

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Nun war die dritte große Feldherrngestalt Österreichs neben dem Prinzen Eugen und Erzherzog Karl nach 72 Dienstjahren unter fünf Kaisern aus der Geschichte abgetreten und mit Sorge stellte man sich in der Wiener Hofburg die Frage, wer Radetzky an der Spitze der Armee ersetzen sollte. „In Deinem Lager ist Österreich, wir anderen sind nur Trümmer“, lautete eine Zeile des Gedichts, das ein begeisterter Franz Grillparzer 1848 dem siegreichen Feldmarschall gewidmet hatte. Es brachte die weitverbreitete Ansicht zum Ausdruck, dass allein die Armee das Lombardo-Venezianische Königreich für die Monarchie bewahrt und damit auch den Gesamtstaat gerettet habe. Die Armee war das wirkliche Vaterland der Patrioten im brüchigen Vielvölkerstaat und ihre Offiziere neigten naturgemäß zu einem starken Selbstbewusstsein. Die Überzeugung, jeder Bedrohung gewachsen zu sein, konnte allerdings auch eine ungesunde Ausprägung annehmen, wenn etwa nur ein Jahr nach Radetzkys Tod, im Vorfeld des Krieges von 1859, der einflussreiche Generaladjutant des Kaisers, Karl Ludwig Graf von Grünne, dem Feldzeugmeister Franz Gyulai, seinem Freund und zugleich Radetzkys Nachfolger im italienischen Oberkommando, die Ermahnung schickte: Was der alte Esel mit 80 Jahren gekonnt hat, wirst Du auch noch zustande bringen.73 Die Zeit der großen Kämpfe schien da jedoch schon der Vergangenheit anzugehören. In der zurückliegenden Dekade war die Armee unter Politikern wie Felix Fürst zu Schwarzenberg oder seinem Nachfolger, Außenminister Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein, zu einem politischen Drohmittel mutiert. Schon der grenznahe Aufmarsch des Heeres genügte offenbar, die Interessen der Monarchie durchzusetzen. Nur zu gern prahlten österreichische Diplomaten an Europas Höfen mit der gewaltigen Stärke der kaiserlichen Armee. Selbst wenn die dabei ins Spiel gebrachte Zahl von 850 000 Mann eher ein theoretischer Wert blieb, der sich aus acht aktiven und zwei Jahrgängen der Reserve zu je 83 000 Soldaten addierte,74 reichte sie immerhin aus, um im November 1850 den preußischen Rivalen an den Olmützer Verhandlungstisch zu bringen. Nur drei Jahre später war auch das Zarenreich eingeknickt, als Habsburg gleich zwei seiner Armeen in Galizien auf Kriegsfuß brachte, um seine Interessen an der lebenswichtigen Donaumündung zu wahren. Vordergründig

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waren Preußens Einlenken in der mährischen Hauptstadt und Russlands Rückzug aus den beiden sogenannten Donaufürstentümern (Moldau und Walachei) politische Erfolge, die ohne einen scharfen Schuss erzielt worden waren. Doch als Außenminister Buol im April 1859 erneut dieselbe Karte gegen das nunmehr mit Frankreich verbündete Piemont-Sardinien ausspielen wollte, musste er feststellen, dass der Riss im Verhältnis zu Russland, dem alten Verbündeten, nicht mehr gekittet werden konnte. Vor allem aber Preußen, der vermeintliche Juniorpartner im Deutschen Bund, war keineswegs gewillt, ohne weitreichende Konzessionen Wiens Teil einer österreichischen Drohkulisse am Rhein zu werden. Die Einsicht, völlig isoliert gegen Frankreich und Piemont-Sardinien zu stehen und diesen Konflikt nunmehr auch mit Waffengewalt austragen zu müssen, traf Buol wie ein Schlag ins Gesicht. Noch im April 1859 hatte er nicht an einen Krieg in Italien glauben wollen. Rasch zeigte sich in dieser kritischen Stunde auch, dass an der Spitze der einst glorreichen Italienarmee inzwischen ein Befehlshaber stand, der offenbar nicht einmal einen Bruchteil der militärischen Qualitäten des „alten Esels“ Radetzky aufwies. Fraglos hätte es bessere Nachfolger für Radetzky gegeben als den unsicheren und pedantischen Graf Gyulai, den 60-jährigen Spross einer ungarischen Magnatenfamilie, der in der Armee nicht einmal den besten Ruf genoss. Der ehemalige Kriegsminister galt sogar als aufgeblasen, entschlusslos und wenig einsichtig, Friedrich Engels nannte ihn einen hochadligen Schwachkopf.75 Niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, wie es der große Radetzky 1848 fertiggebracht hatte, eine Weisung aus Wien, die ihn zu Waffenstillstandsverhandlungen mit Piemont-Sardinien aufforderte, einfach zu ignorieren und stattdessen eine Gegenoffensive zu beginnen. Gyulai fehlte dieser Mut und der klare Blick auf die Realitäten. Er schien sich lieber in unwichtige Details zu flüchten. Für Heiterkeit und Befremden in der Armee hatte besonders Gyulais Befehl gesorgt, dass bei Paraden alle seine Soldaten einen schwarzen Schnurrbart tragen sollten. Wo er fehlte, war er mit schwarzer Schuhcreme aufzumalen, die allerdings bei Hitze den Soldaten über Lippen und Kinn rann und ein eher groteskes Bild erzeugte.

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Dagegen waren jene Offiziere, die unter Radetzky mit Auszeichnung gekämpft hatten, bei der Besetzung des Italienkommandos übergangen worden. An erster Stelle stand hier der Feldmarschall Heinrich Freiherr von Heß, Radetzkys ehemaliger Generalquartiermeister und fraglos der geistige Urheber der spektakulären österreichischen Siege zwischen Mincio und Ticino. Doch Heß, der bereits als Oberleutnant in der Schlacht von Wagram (1809) gefochten hatte und inzwischen im 70. Lebensjahr stand, war kein charismatischer Truppenführer wie sein ehemaliger Chef. Nach dem Urteil Johann Christoph AllmeyerBecks verkörperte der meist schweigsame Heß wie Helmuth von Moltke auf preußischer Seite das Ideal eines wissenschaftlich gebildeten, mit der Technik der Armeeführung bis ins Kleinste vertrauten Generalstäblers. Immerhin rückte Heß nach dem ersten Italienkrieg zum Generalquartiermeister im neuen Armeeoberkommando auf, musste sich dort aber in vieler Hinsicht der Generaladjutantur unter Grünne beugen. Im Herbst 1853 übernahm er dann den Befehl über die österreichische Observationsarmee in Galizien, die Russlands Balkanambitionen bremsen sollte. Ebenso wie Heß fand sich auch das zweite bedeutende militärische Talent der Monarchie, Erzherzog Albrecht, in die östliche Reichshälfte versetzt, wo er in Ungarn als neuer Reichsstatthalter die seit dem Krieg von 1849 zerrütteten Verhältnisse stabilisieren sollte. Es war eine überaus prekäre Aufgabe, für die der älteste Sohn des Erzherzogs Karl, der sich unter Radetzky im März 1849 als Befehlshaber einer Division bei Novara bewährt hatte, weder Neigung noch Talent mitbrachte.76 Lediglich der 1848 / 49 vielfach ausgezeichnete Generalmajor August von Benedek, der Held von Mortara, das er am 21. März 1849 mit einem einzigen Bataillon erstürmt hatte, war in der Lombardei verblieben und diente dem alten Radetzky noch sieben Jahre lang als neuer Generalstabschef, ehe er 1857 das IV. Armeekorps in Lemberg übernahm. Die Monarchie war mit Ausnahme der alten Militärgrenze gegenüber der Türkei seit 1849 in zwölf sogenannte Generalkommandos eingeteilt, in denen jeweils ein Armeekorps zu vier Infanterieregimentern und einer Kavalleriedivision stationiert war. Außer in Lem-

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berg gab es noch Generalkommandos in Prag, Brünn, Wien, Pest, Innsbruck, Graz, Krakau sowie in Mailand und Verona. Die erforderlichen Führungsstäbe mussten allerdings erst mühsam aufgebaut werden, da das österreichische Heer bis dahin keine dauernden Kommandobehörden oberhalb der Divisionsebene vorgesehen hatte. Die Regimenter dienten jedoch nicht nur der Landesverteidigung oder dem Aufbau einer außenpolitischen Drohkulisse. Sie waren, da in weiten Teilen des Vielvölkerstaates selbst nach Abschluss der Kämpfe von 1848 / 49 noch lange der Ausnahmezustand herrschte, immer auch ein Instrument der politischen Kontrolle. Grundsätzlich stammten daher die Rekruten aus anderen Landesteilen, um im Ernstfall ethnische Loyalitätskonflikte zu vermeiden, und die Regimenter selbst waren es gewohnt, nach einigen Jahren ihre Standorte zu wechseln. Die Nachteile einer dadurch stark verzögerten Mobilisierung im Krisen- oder Kriegsfall nahm das Armeeoberkommando in Wien in Kauf. Der Faktor Zeit gewann jedoch in einer Epoche, die wie das nachrevolutionäre Jahrzehnt eine explodierende Fülle technologischer Neuerungen hervorbrachte, stetig an Bedeutung. Eisenbahnen, Telegrafen und vor allem verbesserte Schusswaffen setzten seither die Armeen aller europäischen Großmächte unter erheblichen Anpassungsdruck. Zuletzt hatte der Krimkrieg gezeigt, dass moderne Heere nur noch auf der Grundlage einer effektiven Stabsarbeit erfolgreich gelenkt werden konnten. Militärische Führung verwandelte sich mehr und mehr in einen komplexen Vorgang und damit veränderte sich auch das Anforderungsprofil für Offiziere in dramatischer Weise. Technisches Verständnis, vorausschauendes Planen und kalkulierte Eigeninitiative traten neben die klassischen militärischen Tugenden wie Tapferkeit und Loyalität. Als Teil einer umfassenden Reform des Armeebildungswesens war daher am 1. November 1852 in Wien auch eine neue Kriegsschule eröffnet worden, in der die von der Armee dringend benötigten Offiziere für den Generalquartiermeisterstab und die höheren Truppenstäbe ausgebildet werden sollten. Als zentrale Fortbildungsstätte für besonders befähigte Leutnants und Hauptmänner ergänzte sie die bereits bestehenden Militärakademien und Divisionsschulen. Eine Eignungsprüfung, in der die Kandidaten ihre Kenntnisse in Mathematik, Tri-

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gonometrie, Geografie, Festungslehre und Kriegsgeschichte belegen mussten, war nunmehr das Entree zur Mitgliedschaft in einer zukünftigen militärischen Elite.77 Auch hinsichtlich Bewaffnung und Ausrüstung der Armee waren bedeutsame Änderungen eingetreten. So hatte das Armeeoberkommando in Wien keine Kosten gescheut und seine Infanterieregimenter seit 1854 sukzessive mit einem völlig neu konstruierten Gewehr ausgerüstet. Anders als die bisher gebräuchlichen Musketen wies das neue Lorenzgewehr im Rohrinnern vier spiralförmige Züge auf, die dem Geschoss eine Drehung um die eigene Längsachse verliehen und es damit in seiner Flugbahn stabilisierten. Das Prinzip war zwar schon seit der Renaissance bekannt, jedoch für Militärwaffen wegen des hohen Ladeaufwandes nicht geeignet gewesen. Dem Büchsenmacher und Unterleutnant Josef Lorenz aus Wien war es jedoch gelungen, eine leicht unterkalibrige Spitzpatrone zu entwickeln, deren Boden mit Rillen versehen war. Beim Zündvorgang wurde das Geschoss in seiner Länge so weit gestaucht, dass es das Rohrinnere ganz ausfüllte und somit die angestrebte Führung durch die eingefrästen Züge erhielt. Zugleich sorgte die nunmehr bessere Verdichtung der Pulvergase für größere Reichweiten und eine höhere Treffgenauigkeit. Selbst ein nur mittelmäßig ausgebildeter Schütze konnte mit dem Lorenzgewehr Einzelziele schon auf 300 Meter mit Aussicht auf Erfolg bekämpfen. Für Scharfschützen und Unteroffiziere gab es anstelle des üblichen Standvisiers sogar einen verstellbaren Aufsatz für Distanzen zwischen 400 und 900 Metern.78 Auch wenn das Gewehr immer noch ein Vorderlader war, übertraf es an Reichweite und Treffsicherheit deutlich das Preußische Zündnadelgewehr, dem britischen EnfieldMinié-Gewehr war es mindestens ebenbürtig, wies aber mit nur 13,9 mm ein geringeres Kaliber auf, was eine willkommene Gewichtsersparnis bei der Munition zur Folge hatte. In der Feuergeschwindigkeit aber waren beide Modelle dem neuen Hinterlader der preußischen Armee klar unterlegen. Die gegenüber den bisherigen Musketen weitaus aufwendigere Schießausbildung scheint allerdings nicht in allen Regimentern konsequent durchgeführt worden zu sein. Der Krieg von 1859 offenbarte, dass die Schützen das Entfernungsschätzen im Gelände nicht

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beherrschten, ja oft nicht einmal in der Lage waren, die Waffe richtig zu laden. So fanden sich auf dem Schlachtfeld von Solferino tatsächlich Lorenzgewehre, die in ihrem Lauf noch das Schmierfett aus der Fabrik aufwiesen.79 Der preußische Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen erinnerte sich, noch bei Königgrätz österreichische Gewehre gefunden zu haben, in denen die Patronen verkehrt herum steckten.80 Insgesamt fehlte es der Habsburgerarmee am Ende der Ära Radetzky durchaus nicht an Reformeifer, doch viele Neuerungen hatten auch einfach nur den Zweck, durch Neuorganisation und Zusammenlegungen Einsparungen zu erreichen. Wie wenig hinter all den Bemühungen ein wirklich leitender Gedanke steckte, zeigte sich vor allem in der Organisation des neuen Armeeoberkommandos, das unterhalb des Kaisers die Funktionen der Generaladjutantur, des Generalquartiermeisterstabes und des Kriegsministeriums bündeln sollte. Eine klare Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen kam aber nie zustande, schließlich wurde Feldzeugmeister Heß als Chef des Generalquartiermeisterstabes sogar bei der Auswahl der Kandidaten für die Kriegsschule von Generaladjutant Grünne übergangen. Das Kriegsministerium wiederum löste man 1856 sogar ganz auf, da der Kaiser über diese Behörde eine parlamentarische Einflussnahme auf seine Armee befürchtete. So waren also viele Reformprojekte angepackt, aber nur wenig zu einem befriedigenden Abschluss gebracht worden, als kaum drei Jahre nach dem Pariser Frieden von 1856 Habsburgs Armee erneut auf den alten Schlachtfeldern von 1848 / 49 den Truppen des Königreiches Piemont-Sardinien gegenüberstand. Anders als noch zehn Jahre zuvor kämpfte der Gegner jedoch nicht mehr allein, sondern hatte jetzt Frankreich, die neue Hegemonialmacht Europas, an seiner Seite. Trotz aller Unfertigkeit und vieler Führungsschwächen musste der Krieg von 1859 für die Monarchie nicht verloren gehen. Auch der Gegner machte Fehler und Napoleon III. erreichte als Heerführer längst nicht die militärischen Qualitäten seines Onkels. Selbst noch nach der verlorenen Schlacht von Solferino am 24. Juni hätte der Krieg mit Erfolg fortgesetzt werden können, standen doch jetzt 300 000 Österreicher gegen nur 230 000 Franco-Sarden. Doch der Kaiser hatte inzwischen den Glauben an eine Besserung der Lage

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aufgegeben und zum Entsetzen seiner Generale schon am 8. Juli 1859 in einen Waffenstillstand eingewilligt. Zum ersten und auch letzten Mal hatte Franz Joseph nach der Ablösung Gyulais persönlich den Oberbefehl über die Armee übernommen und fürchtete nun wohl, sich in dieser ihn klar überfordernden Rolle noch weiter zu demontieren. Selbst der viel gepriesene Heß, der dem Kaiser zuletzt als Generalquartiermeister zur Seite stand, hatte das Desaster von Solferino nicht mehr verhindern können. Zwar noch zum Feldmarschall befördert, wurde er im folgenden Jahr ebenso wie mehr als 100 andere Generale in den Ruhestand verabschiedet.81 Man brauchte jetzt dringend Sündenböcke. Ein noch bittereres Schicksal traf allerdings den Generaldirektor für ökonomische Angelegenheiten, Feldmarschall-Leutnant August Friedrich Freiherr von Eynatten, der unter dem Vorwurf der Korruption in Haft genommen wurde und sich kurz darauf das Leben nahm. Dass der Kaiser an einer schonungslosen Aufarbeitung der Niederlage nicht interessiert war, zeigte sich auch darin, dass der Generalquartiermeisterstab die offizielle Geschichte des Krieges von 1859 erst 13 Jahre später veröffentlichte. Eine von Generalmajor Wilhelm Freiherr von Ramming anonym veröffentlichte Studie über das Desaster von Solferino fand denn auch allerhöchste Missbilligung. Ihre unerwartete Niederlage hatte die Armee des Kaiserstaates von ihrem hohen Sockel der Unantastbarkeit gestoßen. Trotz erheblicher Militärausgaben, die in der zurückliegenden Dekade gewöhnlich zwischen 40 und 50 Prozent der Staatseinnahmen ausmachten, hatten die Streitkräfte auf den italienischen Schlachtfeldern beinahe kläglich versagt. Für den zukünftigen Sparkurs bei den Militärausgaben war damit eine entscheidende Bresche geschlagen. Sämtliche Hoffnungen einer zutiefst geschockten Öffentlichkeit und auch des Hofes richteten sich nach der Niederlage in Norditalien auf Feldzeugmeister von Benedek. Im zurückliegenden Feldzug hatte der Sohn eines Arztes aus dem ungarischen Ödenburg seinen Ruf als schneidiger Feldsoldat einmal mehr unter Beweis gestellt, ja mehr noch: Als einzigem Truppenführer war es ihm gelungen, mit seinem Armeekorps bei San Martino am 24. Juni den ganzen Tag seine Stellungen auf dem rechten Flügel der Armee gegen die Pie-

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montesen zu verteidigen und damit Österreichs Waffenehre halbwegs zu bewahren. Euphorisiert sprach die heimische Presse von einem „neuen Radetzky“ und die Stadt Wien ernannte Benedek wie zuvor schon den greisen Feldmarschall zu ihrem Ehrenbürger. Nur vereinzelt waren in der allgemeinen Zustimmung auch nüchternere Kommentare zu vernehmen, die etwa kritisierten, dass Benedek nicht wenigstens mit Teilen seines Armeekorps dem bedrängten österreichischen Zentrum bei Solferino zu Hilfe gekommen sei.82 Zeitgenossen wie der spätere Feldzeugmeister Anton Mollinary von Monte Pastelli übersahen auch nicht, dass Benedek nur wenig auf taktische Übungen hielt und sich schon zufrieden zeigte, wenn nur bei einer Parade die Abteilungen gut geschlossen und gut gerichtet vorbeimarschierten.83 Nun folgte der 56-jährige General, der schon um seinen Abschied gebeten hatte, seinem Lehrmeister Heß in der Führung des Generalquartiermeisterstabes und übernahm außerdem in Personalunion das Oberkommando in Italien. Schlimmer noch als die unerwartete Niederlage und der Verlust einer notorisch unruhigen Provinz waren jedoch die falschen taktischen Schlüsse, die vor allem der Kaiser aus dem unglücklichen Verlauf des Feldzuges zog. Besonders imponiert hatte Franz Joseph der Angriffsgeist der französischen Bataillone, die bei Solferino das österreichische Infanteriefeuer einfach unterlaufen hatten, um dann auf kurze Distanz im Bajonettangriff zum Erfolg zu kommen. Der schockartige Angriff der dicht geschlossenen Bataillonskolonne galt dem Kaiser seither als Schlüssel zum Erfolg. Waren bislang die sechs Kompanien eines österreichischen Bataillons in zwei deutlich getrennten Kolonnen formiert gewesen, so forderte das neue Infanteriereglement jetzt nach französischem Vorbild eine Verringerung der Kolonnenabstände von 50 auf nur mehr drei Schritt. Das Reglement schrieb sogar vor, selbst in der Verteidigung möglichst die eigene Stellung aufzugeben und von Waldrändern oder von Hügelkämmen hinab den Gegner mit dem Bajonett zu attackieren.84 Niemand mochte dieser vom Kaiser selbst gebilligten Änderung widersprechen, zumal schließlich auch die österreichischen Erfolge während des Feldzugs gegen Dänemark im Frühjahr 1864 die Zweckmäßigkeit seiner Ansichten zu bestätigen schienen. Gleich in den beiden Gefechten von Schleswig und Översee überrannte Anfang Feb-

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ruar eine österreichische Infanteriebrigade die verschanzten Dänen im Frontalangriff. Dass eine geschickte Umgehung der dänischen Stellung bei Översee den Feind möglicherweise daran gehindert hätte, sich auf die Insel Alsen zurückzuziehen, störte offenbar nicht. Die Armeeführung zeigte sich vielmehr äußerst befriedigt, dass es tatsächlich zum Bajonettkampf gekommen war. Die hohen Verluste nahm sie in Kauf. Noch in einem dritten Gefecht beim jütländischen Veile schien sich am 8. März die aus dem Feldzug von 1859 abgeleitete „Stoßtaktik“ vollends bewährt zu haben.85 Die schönen Erfolge trübten den Blick, klagte etwa Feldzeugmeister Mollinary im Rückblick: „Das Drauflosgehen unserer tapferen ,schwarz-gelben Brigade‘ wurde zur nationalen Kriegstaktik empor gelobt und bejubelt.“86 Dabei hätte schon der Verlauf eines anderen kleinen Gefechts die Österreicher nachdenklich stimmen müssen. Am 3. Juli 1864 dezimierte eine einzelne preußische Kompanie vor dem Lim-Fjord bei Lundby einen doppelt so starken und in Kolonne angreifenden Gegner innerhalb von 20 Minuten. Trotz eines Verlustes von fast 90 Mann kamen die Dänen nicht einmal in die Nähe der Verteidiger. Die Wunderwaffe, die diesen Erfolg ermöglicht hatte, war das Zündnadelgewehr.87 Tatsächlich hatte das habsburgische Armeeoberkommando die Einführung des neuartigen Hinterladers seit den 1850er-Jahren mehrfach erwogen, zuletzt noch 1865, als sogar eine österreichische Kommission die Spandauer Gewehrfabrik besuchte. Letztlich aber fanden sich durchaus triftige Gründe, alles beim Alten zu belassen. So sorgte man sich etwa um den hohen Munitionsverbrauch, beanstandete die mechanische Anfälligkeit der preußischen Waffe und glaubte zuletzt auch, dass die Ruhe und Besonnenheit, die ein hinhaltendes Feuergefecht aus einer gedeckten Stellung erforderte, nicht der Mentalität des österreichischen Soldaten entspräche.88 Kurz, hinsichtlich der Infanterietaktik steckte das Armeeoberkommando in einer konzeptionellen Sackgasse. In anderen Bereichen dokumentierte jedoch der Verlauf des Feldzuges in Schleswig-Holstein und Jütland echte Fortschritte in der Führungsleistung. Der Eisenbahntransport des rund 20 000 Mann starken österreichischen Detachements hatte sich in bemerkenswerter Routine vollzogen. Auch die Weiterfahrt über preußisches Gebiet ab dem schlesischen Oderberg verlief reibungslos, was der Effi-

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zienz der beteiligten Stäbe ein gutes Zeugnis ausstellte. Auch hatte sich die nach 1859 eingeführte Brigadestruktur auf dem nördlichen Kriegsschauplatz bewährt. Jedes der zehn österreichischen Armeekorps besaß seither unter Wegfall der alten Divisionskommandos vier Infanteriebrigaden zu je zwei Regimentern und einem Jägerbataillon. Zwar hatte sich damit die Zahl der Regimenter von 62 auf 80 erhöht, gleichzeitig aber war die Zahl der Bataillone je Regiment von vier auf nur noch drei reduziert worden. Die Kriegsstärke eines Regimentes belief sich seither auf 4000 Mann.89 Die Artillerie wiederum war seit 1863 mit der neuen Feldkanone M 1863 ausgestattet, ein Vorderlader mit gezogenem Lauf, der in Reichweite und Durchschlagskraft der dänischen und später auch der preußischen Artillerie deutlich überlegen war. Es gab eine achtpfündige Version sowie eine vierpfündige Ausfertigung für die berittene Artillerie. Die Zahl der Artillerieregimenter wurde von fünf auf zwölf erhöht  – bei gleichzeitiger Verminderung der Zahl der Batterien pro Regiment –, sodass nunmehr jedem Armeekorps ein Feldartillerieregiment mit insgesamt zwölf Batterien zugewiesen werden konnte. Die feste Zuteilung einzelner Batterien zu den Brigaden bewährte sich allerdings nicht. In Böhmen sollte sich zwei Jahre später zeigen, dass die Brigadeartillerie der massierten preußischen Divisionsartillerie kaum gewachsen war.90 Insgesamt war die Entwicklung der habsburgischen Streitkräfte in den 17 Jahren zwischen Novara und Königgrätz keineswegs von Stillstand geprägt. Auch das immer wieder gern zitierte Diktum des langjährigen Finanzministers Karl Ludwig Freiherr von Bruck, dass Gott Österreichs Heer erhalten möge, denn er könne es nicht mehr, war nicht mehr als ein rhetorisches Stilmittel. Für die Anschaffung neuer Waffen wie des Lorenzgewehres von 1854 oder der Feldkanone M 1863 waren ebenso Finanzmittel vorhanden wie für die 1852 eingeführten neuen Uniformen. In der Nutzung der Eisenbahn als zentralem militärischem Beförderungsmittel stand die österreichische Armee hinter keiner anderen europäischen Großmacht zurück. Auch die Qualität der Offiziere war entgegen vieler späterer Unkenrufe durchaus zufriedenstellend. Seit 1852 existierte eine allgemeine Kriegsschule für angehende Generalstabsoffiziere, zugleich war das Offizierkorps auch für bürgerliche Kandidaten problemlos

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zugänglich, obwohl ihre Karriere gewöhnlich weniger rasch verlief als die der Hochadligen. Die fatale Vorliebe vieler Offiziere für den geschlossenen Infanterieangriff sollte zwar auf dem böhmischen Kriegsschauplatz 1866 unerträglich hohe Verluste kosten, doch eine Massierung der eigenen Kräfte vor dem Einbruch in die gegnerische Stellung blieb auch in Zeiten schnell feuernder Waffen unverzichtbar. Keine gegnerische Gefechtslinie würde sich durch Angriff nur einiger Dutzend Einzelschützen auflösen. Daher bewahrten sich auch die preußischen Sieger von 1866 eine Vorliebe für die alte Stoßtaktik in dichten Infanteriekolonnen, wie nur vier Jahre später das blutige Desaster der Garde bei St. Privat bewies.81

Zwischen Pickelhaube und Zündnadelgewehr – Preußens Armee als Säule der politischen Reaktion und Speerspitze des modernen Krieges „Unsere Leute sind zum Küssen, jeder so todesmutig, ruhig, folgsam, gesittet, mit leerem Magen, nassen Kleidern, nassem Lager, wenig Schlaf, abfallenden Stiefelsohlen, freundlich gegen alle, kein Plündern und Sengen, bezahlen was sie können und essen verschimmeltes Brot. Es muss doch ein tiefer Fond von Gottesfürchtigkeit im gemeinen Manne bei uns sitzen.“ Brief Otto von Bismarcks an seine Frau vom 9. Juli 186692

Ein Staat, zwei Armeen – Bürgersoldaten gegen Napoleon Zwischen Pickelhaube und Zündnadelgewehr

Die neue preußische Armee, die 1815 bei Waterloo den endgültigen Sieg über Napoleon erfocht und danach fast ein halbes Jahrhundert lang nicht mehr die Waffen in einem Großmachtkonflikt erheben musste, verdankte ihre Geburt vor allem dem Ungehorsam eines

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Generals. Am 30. Dezember 1812 setzte Johann David von York, der spätere Graf York von Wartenberg, das gewagte Fanal zu Preußens Erhebung gegen den verhassten Korsen. Aus eigenem Entschluss handelte er an der Grenze zu Litauen einen Waffenstillstand mit den vorrückenden Russen aus. Der unbotmäßige General, der zu dieser Zeit immerhin die Hälfte der preußischen Armee befehligte, besaß nur einen zweifelhaften Adelstitel und war schon 30 Jahre zuvor unter König Friedrich II. zu einer einjährigen Festungshaft verurteilt worden. Damals allerdings zu Unrecht, denn er hatte mit guten Gründen einen Vorgesetzten des Plünderns beschuldigt. Mit seiner Unterschrift unter die sogenannte Konvention von Tauroggen beendete York, der erst nach dem Tod des Potsdamer Autokraten wieder Aufnahme in die preußische Armee gefunden hatte, nicht nur den allgemein verpönten Einsatz seines 20 000 Mann starken Armeekorps an der Seite Napoleons. Seine befehlswidrige Tat, die ihn statt auf den Denkmalssockel auch vor ein Erschießungskommando hätte bringen können, nötigte zudem den stets zögerlichen Monarchen, Friedrich Wilhelm III., zu einem neuen politischen Kurs. Noch waren große Teile Preußens und alle seine Festungen von den Franzosen besetzt. Doch der Anblick der jämmerlichen Reste der Grand Armée, die bald darauf durch die Dörfer und Städte Pommerns oder Brandenburgs nach Westen wankten, fegte rasch alle Bedenken der Regierung fort. Keine drei Monate nach Tauroggen trat Preußen an der Seite Russlands in den Krieg gegen das Französische Kaiserreich ein. Vor allem aber gab York mit seiner Eigenmächtigkeit das Signal für den Aufbau einer völlig neuen preußischen Streitmacht, die in den kommenden 150 Jahren weltweit Maßstäbe setzen sollte. Die Armee des großen Friedrich war im Katastrophenjahr 1806 praktisch untergegangen und die Pariser Konvention hatte dem halbierten Hohenzollernstaat nur ein Miniaturheer von 42 000 Mann zugebilligt. Nun mussten rasch die jahrelang in der Militärreorganisationskommission unter dem Vorsitz General Gerhard von Scharnhorsts diskutierten Pläne zur Bewaffnung der Bürger in die Tat umgesetzt werden. Das erste Resultat war die ostpreußische Landwehr, die Yorks Armeekorps nach wenigen Wochen um immerhin 30 000 Freiwillige verstärkte. Alle männlichen Bewohner der inzwischen

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befreiten Provinz zwischen dem 18. und 45. Lebensjahr waren mit Ausnahme von Lehrern und Geistlichen durch den Beschluss der Landständeversammlung vom 9. Februar 1813 wehrpflichtig geworden. Wo nicht freiwillige Meldungen die Ränge füllten, sollte das Losverfahren greifen. Die Kosten der zweimal wöchentlich stattfindenden Übungen trug die Provinz, für ihre Bekleidung hatten die neuen Landwehrmänner selbst zu sorgen. Konservative Militärs wie Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz, der Kommandeur des preußischen Gardekorps und Schwager des Königs, standen der Idee der Volksbewaffnung mit Argwohn gegenüber, haftete ihr doch allzu stark der Geruch des Jakobinertums an. Am meisten aber nahmen sie Anstoß an der Kernidee der Heeresreformer um Scharnhorst, Gneisenau und Boyen: Zukünftig sollte die Landwehr nicht mehr Teil des professionellen Linienheeres sein, sondern ihm als unabhängige Bürgerarmee zur Seite treten. Durch eine besondere Streitmacht, in der nicht mehr die berüchtigte Knute herrschte, sollte Preußens Bevölkerung der Wehrdienst schmackhaft gemacht werden. Der Wehrdienst, so glaubten die Reformer, würde so zum Ehrendienst werden, eine damals noch absurde Vorstellung, da abgesehen von den meist adligen Offizieren bisher nur Randexistenzen, Söldner oder sonst wie Entbehrliche in der Armee des Ancien Régime gedient hatten. Jeder Bewohner des Staates sei zugleich auch ein geborener Verteidiger desselben, lautete jetzt die Maxime des späteren Feldmarschalls August Graf Neidhardt von Gneisenau. Großzügige Ausnahmen von der Wehrpflicht wie noch im preußischen Kantonreglement von 1792 sollte es jetzt nicht mehr geben. Auch über Sanktionen hatte man nachgedacht. Wer sich etwa unter den Studenten vom Kriegsdienst in der Linie oder Landwehr gedrückt hatte, sollte später keinerlei Aussicht mehr haben, in den begehrten Staatsdienst zu gelangen. So kämpften 1813 bei Lützen, Bautzen, Großbeeren und Leipzig neben den vorerst noch wenigen alten Linienformationen auch schon die neuen Landwehrregimenter, die gemäß der königlichen Verordnung im Frühjahr von den Provinzständen gemeinschaftlich aufgestellt worden waren. Die Märzverordnung enthielt nun auch endlich ein klares Bekenntnis des Königs zur Landwehr: Ich und alle Prinzen meines Hauses stehen an ihrer Spitze.93 Scharnhorst

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und seine Verbündeten hatten sich zunächst auf ganzer Linie durchgesetzt. Noch während des Feldzugs von 1815 bestand Blüchers Armee zur Hälfte aus Landwehrsoldaten und in General Friedrich Wilhelm von Bülows IV. Armeekorps, das am 18. Juni 1815 Napoleons rechte Flanke bei Plancenoit attackierte, stellte die Landwehr sogar zwei Drittel aller Regimenter. Sie trug auch die Hälfte aller preußischen Verluste in diesem kurzen, aber blutigen Epilog der napoleonischen Ära.94 Zwar meist von professionellen Offizieren geführt, mussten die Bürgersoldaten oft genug mangelnde militärische Erfahrung und fehlendes Können durch ihren Enthusiasmus wettmachen. Tatsächlich konnten sie sich gegen ihre französischen Gegner allein deshalb behaupten, weil auch Napoleon nach den schockierenden Aderlässen in Russland gezwungen war, unerfahrene und notdürftig ausgebildete Rekruten ins Feuer zu schicken. Dem späteren Ansehen der Landwehr in den bürgerlichen Kreisen Preußens tat dies keinen Abbruch.

Vom Provisorium zur festen Einrichtung Auch nach dem glücklichen Sieg über den Korsen behielt Preußen seine neue dualistische Heeresverfassung bei. Die Gründe lagen auf der Hand. Die Landwehr bildete eine numerisch starke Reservearmee, mit deren Hilfe sich die Streitkräfte im Kriegs- oder Krisenfall rasch verdoppeln ließen. Für jede Großmacht sei nunmehr ein Krieg mit Preußen ein höchst gewagtes Spiel, befand etwa der Chef des Generalstabes der Armee, Friedrich Karl von Müffling, im Jahre 1821, da jeder Krieg nun unweigerlich zu einem Nationalkrieg werden müsse.95 Im Frieden belastete die Landwehr den Staatsetat kaum und als Brücke zwischen Armee und Gesellschaft verhalf sie überdies dem Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht in Preußen allmählich zu größerer Akzeptanz. Ihre Offiziere bis zum Rang eines Kompaniechefs wurden in den zuständigen Landkreisen gewählt und vom Kriegsministerium nur bestätigt. Erst Bataillons- und Regimentskommandeure erhielten ihre Ernennung vom König und entstammten gewöhnlich dem aktiven Offizierkorps.

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Das preußische Wehrpflichtgesetz, von Kriegsminister Hermann von Boyen am 3. September 1814 verabschiedet, hatte bestimmt, dass alle männlichen Bewohner, die das 20. Lebensjahr erreicht hatten, zukünftig wehrpflichtig sein sollten. Nach ihrem dreijährigen aktiven Dienst in einem Linienregiment wechselten die Soldaten zunächst für zwei Jahre zur Reserve und danach zu einer Landwehrformation ihrer Heimatregion. Das Gesetz unterschied dabei noch zwischen der Landwehr erster und zweiter Ordnung. Zum ersten Aufgebot sollten alle Dienstpflichtigen ab dem 26. Lebensjahr gehören, zum zweiten alle, die älter als 33 Jahre waren. Somit würde Preußen nach Ablauf nur einer Generation insgesamt 19 Jahrgänge an Wehrpflichtigen im Kriegsfall aufbieten können, wobei das zweite Aufgebot der Landwehr allerdings eher als Verstärkung für Festungsbesatzungen oder Sicherungsaufgaben gedacht war. Im Unterschied zur Erhebung von 1813 hatten nach Boyens Gesetz nun sämtliche zukünftigen Landwehrangehörigen ihren dreijährigen aktiven Dienst in der Linie geleistet, ehe sie der Reserve und schließlich der Landwehr zugeordnet wurden. Sie besaßen also in jedem Fall ein solides militärisches Fundament, das natürlich mit fortschreitendem Alter brüchig zu werden drohte.

Einjährige und Offiziere Mit der Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht bei vergleichsweise kurzer aktiver Dienstzeit in Friedenszeiten bildete Preußen damals unter den konkurrierenden Großmächten die Ausnahme. Selbst Frankreich, das 1793 in höchster Not die Levée en masse durchgesetzt hatte und damit zum Vorbild der preußischen Reformer geworden war, war schon unter Napoleon wieder zur alten Konskription mit langer Dienstzeit zurückgekehrt. Unter den Bourbonen war sie 1824 sogar noch einmal um zwei auf acht Jahre verlängert worden.96 Das französische System beruhte auch nach dem Sturz des Korsen auf einem Losverfahren und ermöglichte es wohlhabenden Dienstpflichtigen, einen Ersatzkandidaten zu bezahlen. Soldaten mit höherer Bildung blieben in den Konskriptionsarmeen daher die Ausnahme.

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Auch das preußische Wehrgesetz von 1814 bot vermögenden Kandidaten eine Alternative zum dreijährigen Dienst. War ein Wehrpflichtiger in der Lage, für seine Ausrüstung selbst aufzukommen, hatte er die Option zu einer auf ein Jahr verkürzten Dienstzeit. Die Regelung stand voll und ganz in der Tradition der Freiwilligen Jäger von 1813 und fand in bürgerlichen Kreisen großen Zuspruch. Auch der Barmener Industriellensohn Friedrich Engels hatte 1842 seinen Dienst als Einjähriger bei der Garde-Artillerie-Brigade in Berlin absolviert, wo man dem späteren „Militärexperten“ zum Abschluss seiner Dienstzeit bescheinigte, dass er sich recht gut geführt habe.97 In diesen Kreisen besaß man gewöhnlich auch das Geld, um sich bei den Unteroffizieren von den übelsten Kasernenhofschikanen freizukaufen.98 Die Möglichkeit des einjährigen Dienstes sollte sich so sehr bewähren, dass sie sogar bis zum Ersten Weltkrieg Bestand hatte. Nach dem Ende ihrer Dienstzeit in der Linie konnten die sogenannten Einjährigen zur Landwehr wechseln und dort bis zum Zugführer oder Kompaniechef aufsteigen. Auch die Struktur des aktiven Offizierkorps in den Linienregimentern hatte sich seit der Reformzeit verändert. Es war längst keine Fluchtburg des preußischen Adels mehr. Die Fähnrich- und Leutnantsprüfung stand seit 1815 auch bürgerlichen Kandidaten offen. Die Anforderungen entsprachen etwa dem Sekundarniveau, ab 1861 sogar der Primarreife. Viele adlige Bewerber mussten mangels finanzieller Mittel oft den Weg über die neu eingerichteten Kadettenanstalten gehen. Bereits 1817 zählte die Armee 3367 bürgerliche Offiziere, was einen Anteil von immerhin 45 Prozent ausmachte, der auch in den folgenden Jahren konstant blieb.99 Allerdings hatte Scharnhorst neben der Bildungsqualifikation den einzelnen Regimentern auch die Möglichkeit eingeräumt, autonom über die Aufnahme eines Kandidaten in das Regimentsoffizierkorps zu entscheiden. So kam es, dass bis zum Ende des Kaiserreiches bei einem gleichbleibend hohen Anteil von Bürgerlichen in der Armee sich doch einzelne besonders vornehme Regimenter als fast rein adlige Offizierkorps behaupten konnten. Bürgerliche Offiziere dienten vor allem in den neuen technischen Truppengattungen, auch in der Artillerie, die allerdings vor den Einigungskriegen nicht besonders angesehen war. In der Hochkonjunktur der späten 1850er-Jahre

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war es eine kaum lösbare Aufgabe, überhaupt noch genügend qualifizierten Offiziernachwuchs für das erweiterte Heer zu gewinnen. So klagte im Jahre 1860 der Neffe des Königs und Armeeführer im böhmischen Feldzug, Prinz Friedrich Karl, dass außer den vielen Bürgerlichen jetzt auch die dümmsten Söhne des Adels, die sonst nichts zu lernen vermochten, zur Armee herangezogen werden müssten.100 Benachteiligt blieben bürgerliche Offiziere nach wie vor bei Beförderungen. So betrug ihr Anteil an den Obersten und Generalen der Armee im Jahre 1860 nur ganze 14 Prozent, wobei allerdings im Dienst geadelte Offiziere schon der Gegenseite zugerechnet waren.

Lange Grenzen, leere Kassen Innerhalb der neuen Staatsgrenzen von 1815 war die preußische Armee in neun Armeekorps gegliedert. Jede der nunmehr acht Provinzen Preußens verfügte über ein eigenes Generalkommando, hinzu kam noch das Potsdamer Gardekorps. Außer einer Kavallerie- und Artilleriebrigade gehörten zu jedem Korps zwei Divisionen mit je vier aktiven Infanterieregimentern. Allen preußischen Armeekorps aber unterstanden außerdem drei Landwehrregimenter zu je vier Bataillonen aus erstem und zweitem Aufgebot. Für sie war ein besonderer Landwehrinspekteur verantwortlich, der direkt dem Generalkommando unterstand. Eine erste Reform der Landwehr ordnete allerdings schon 1819, im Jahr der reaktionären Karlsbader Beschlüsse, die Landwehrformationen direkt den Divisionskommandos zu und reduzierte außerdem die Zahl der Landwehrregimenter auf 32. Zu Recht sahen Kriegsminister von Boyen und Generalstabschef Karl von Grolmann darin einen Angriff auf die von ihnen hochgehaltene Selbstständigkeit der Landwehr und demissionierten beide aus Protest. Seit 1815 zog die Armee jedes Jahr 40 000 neue Rekruten ein. Bei dreijähriger Dienstpflicht betrug somit die Stärke ihres aktiven Teils ohne Berücksichtigung von Offizieren, Unteroffizieren und sonstigen Längerdienenden (Kapitulanten) 120 000 Mann, was etwas mehr als ein Prozent der preußischen Bevölkerung ausmachte und

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dem damals in allen Staaten angewandten Schlüssel für die numerische Stärke des Friedensheeres entsprach. Ungeachtet eines Anstiegs der Bevölkerung Preußens von elf auf 17 Mio. Menschen verharrte die Friedenspräsenz der Armee noch bis in die 1850er-Jahre konstant bei 130 000 Mann. Die 1806 untergegangene Armee hatte dagegen noch die doppelte Stärke aufgewiesen. Zwar ließ sich das preußische Heer im Krisen- oder Kriegsfall durch seine Reserveund Landwehrregimenter auf die dreifache Zahl steigern, doch deren Mobilisierung nahm viel Zeit in Anspruch und schloss einen raschen Aufmarsch etwa gegen Frankreich am Rhein aus. Gerade Preußens neue Rolle als einsamer „Wachhund im Westen“ bereitete seinen Strategen erhebliches Kopfzerbrechen, konnte doch die französische Armee erheblich schneller vor Koblenz und Mainz stehen als die preußische Hauptmacht, deren Anmarsch aus dem Zentrum der Monarchie Wochen benötigte. Auch die kostspielige Fertigstellung von Chausseen nach Westen änderte nur wenig an dieser Misere. Erst der Ausbau der Eisenbahnen, darunter die schon 1847 fertiggestellte Köln-Mindener Linie sowie die Vollendung der Eisenbahn über Kassel auf Frankfurt und Mainz im Jahre 1852 schufen hier Abhilfe. Trotz seiner überall exponierten Grenzen sah sich der Hohenzollernstaat gezwungen, mit dieser bescheidenen Streitmacht auszukommen, denn schon in seiner beschränkten Größe verschlang das Heer in den ersten Jahren nach 1815 mehr als 40 Prozent des Staatsetats.101 Das preußische Staatsschuldengesetz von 1820 verbot zudem die Aufnahme neuer Kredite. Nur ein allgemeiner Landtag, den Friedrich Wilhelm III. tunlichst nicht einberufen wollte, hätte neue Staatsschulden genehmigen können. Erst in den 1840er-Jahren verringerte sich bei deutlich steigenden Staatseinnahmen vor allem durch indirekte Steuern der relative Anteil des Militärbudgets. 1850 war er bereits auf 30 Prozent gesunken.102 Angesichts der engen Grenzen seines Staatsetats gestaltete sich Preußens Außenpolitik im Vormärz (1815–1848) dann auch äußerst defensiv und verlief weitgehend im Fahrwasser Österreichs und Russlands. Nur in den Krisenjahren 1830 / 31, als in Frankreich das verhasste Bourbonenregime gestürzt wurde, Belgien seine Unabhängigkeit erstritt und zugleich ein antirussischer Aufstand in

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Polen losbrach, musste der Hohenzollernstaat seine militärische Präsenz an Rhein und Weichsel verstärken. Die Einberufung der Reserven von immerhin sechs Armeekorps war ein finanzieller Kraftakt, der den Staatshaushalt mit rund 30 Mio. Talern belastete und sich vorerst kaum wiederholen ließ.

Die Landwehr flößt dem Auslande keinen Respekt ein Mit größer werdendem Abstand zu den Befreiungskriegen entwickelte sich vor allem in bürgerlichen Kreisen der Ruf der Landwehr zu einem neuen Mythos. Professionelle Militärs aber konnten nicht übersehen, dass ihre militärische Schlagkraft mit dem allmählichen Ausscheiden erfahrener Offiziere gefährdet war. Ein Gutachten des neuen preußischen Kriegsministers Eduard von Bonin aus dem Jahre 1852 bezeichnete den Zustand der Landwehr als „besorgniserregend“. Die Ausnahmesituation des Jahres 1813 mit ihrem Patriotismus und ihrer Aufopferungsbereitschaft ließe sich nicht beliebig wiederholen, so der General. Inzwischen müsse man damit rechnen, dass die Landwehr in schwierigen Verhältnissen, etwa bei Entbehrungen, bei Nachtmärschen oder auf Rückzügen, zusammenbrechen würde. Wenn man Soldaten wolle, müsse man sie auch soldatisch streng behandeln.103 Nicht nur reaktionäre Kreise, denen die Eigenständigkeit der Landwehr immer ein Dorn im Auge gewesen war, zweifelten nach den Erfahrungen der Jahre 1848–50 an dieser Einrichtung. Politisch schien sie sich jedoch in den zurückliegenden Krisenjahren – abgesehen von einigen wenigen lokalen Meutereien in den westlichen Provinzen – bewährt zu haben. Selbst der hoch konservative Ernst Ludwig von Gerlach musste im März 1849 der Landwehr wegen ihrer „Bewährung und Treue im inneren Einsatz“ Respekt und Anerkennung zollen.104 Dass dagegen ausgerechnet der preußische Adel nicht immer königstreu agierte, hatte sich schon 1812 noch vor Yorks spektakulärem Alleingang gezeigt, als im selben Frühjahr viele enttäuschte Offiziere nach der erzwungenen Allianz Preußens mit Napoleon ihrem Monarchen von der Fahne gegangen waren. Diese Distanz

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des höheren Offizierkorps zum realen Herrscher zugunsten eines verklärenden Idealbildes der Monarchie war auch während der Revolution von 1848 zu beobachten gewesen, als selbst Prinz Wilhelm in den dramatischen Märztagen seinem allzu nachgiebig erscheinenden Bruder wutentbrannt den Degen vor die Füße geworfen und ihn als „Memme“ beschimpft hatte. Nur 14 Jahre später, während des großen Verfassungskonfliktes, drohte der alte Generalfeldmarschall Friedrich Graf von Wrangel dem inzwischen zum König gekrönten Prinzen sogar mit dem Abfall der gesamten Armee, sollte er etwa der „Fahne untreu werden“ und abdanken.105 Im November 1918 war es schließlich noch einmal das höhere Offizierkorps, mit Paul von Hindenburg und Wilhelm Groener als Wortführern, das dem letzten Kaiser angesichts der Revolution offen den Gehorsam verweigerte und ihn ins holländische Exil trieb.

Auf dem Weg zur großen Heeresreform Auch wenn sich die Landwehr an den verschiedenen Brennpunkten der Revolution von 1848 / 49 halbwegs brauchbar geschlagen hatte, drängten Militärs und selbst zivile Behörden auf eine grundlegende Reform des gesamten Heeres und auf eine stärkere Integration der Landwehr. Viele Faktoren spielten eine Rolle. Vor allem hatte sich die Sicherheitslage des Landes deutlich verschlechtert. In der sogenannten Olmützkrise waren im Herbst 1850 Österreich und Russland, die alten Partner der „Heiligen Allianz“, gemeinsam gegen Preußen vorgegangen. Zur selben Zeit hatte in Frankreich Louis Napoleon ein neues Kaisertum etabliert, das offen eine Revision der Wiener Ordnung von 1815 anstrebte. Ein erneuertes Heer würde auch, so hatte es 1858 Prinzregent Wilhelm in seinem Novemberprogramm verkündet, Preußens deutschlandpolitische Ambitionen unterstreichen. Ein zweiter Punkt war die stark vernachlässigte Wehrgerechtigkeit. Bei einer seit 1815 um mehr als 50 Prozent gewachsenen Bevölkerung konnten längst nicht mehr alle Wehrpflichtigen in Preußen eingezogen werden, da ja die Zahl der aktiven Verbände konstant geblieben war. In den Kommunen erregte es zunehmend

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böses Blut, wenn Familienväter monatelang als Reservisten zur Armee oder zur Landwehr einrücken mussten, während zahlreiche ledige junge Männer völlig unbehelligt blieben.106 Eine Denkschrift aus dem Kriegsministerium beklagte auch die durch diese Praxis verursachten hohen Steuerausfälle. Um aber mehr Wehrpflichtige einziehen zu können, musste entweder die Zahl der aktiven Regimenter erhöht werden, was bisher an den beschränkten Haushaltsmitteln gescheitert war, oder  – wie schon einmal in den 1830erJahren – die aktive Dienstzeit auf zwei Jahre reduziert werden. Auch eine Verringerung der Kriegsstärke der Bataillone auf nur noch 800 Mann war im Gespräch. Doch beides war mit dem Prinzregenten nicht zu machen. Als langjähriger Soldat, der schon im Alter von zehn Jahren zum Fähnrich ernannt worden war und sich seither in Militärkreisen immer am wohlsten gefühlt hatte, markierten dreijährige Dienstzeit und das Bataillon zu 1000 Mann Kriegsstärke die Eckpunkte seines militärischen Weltbildes. Für seine Unnachgiebigkeit musste der spätere König allerdings einen hohen Preis bezahlen. Als zwei Jahre später tatsächlich die militärische Maximallösung mit 53 neuen aktiven Regimentern, davon zehn Kavallerieregimenter, bei dreijähriger Dienstzeit realisiert wurde, war dies ohne die Zustimmung des von den Liberalen dominierten Landtages geschehen. Streng genommen war Preußens neue Armee damit illegal. Um seine Wünsche durchzusetzen, die nicht einmal sein Kriegsminister Eduard von Bonin in vollem Umfang teilte, hatte Wilhelm die Verfassung gebrochen und die so hoffnungsvoll verkündete neue Ära beerdigt. Am politischen Horizont stand zudem mit Otto von Bismarck bereits eine radikale Option für das Amt des Ministerpräsidenten bereit, die Wilhelm unter anderen Umständen niemals in Betracht gezogen hätte. Neun Reserveregimenter sowie 36 Landwehrregimenter der Infanterie waren nach der großen Mobilisierung gegen Frankreich im Juli 1859 nicht mehr entlassen, sondern als neue Linienregimenter mit allerdings verkleinerten Bataillonen unter der Fahne behalten worden. Die Zahl der Einberufenen je Jahrgang konnte nunmehr um mehr als 50 Prozent auf 63 000 gesteigert werden, das sogenannte Friedensheer wuchs damit von 130 000 auf 210 000 Mann. Zwei zusätzliche Reservejahrgänge stellten sicher,

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dass sich im Kriegs- oder Krisenfall die Infanteriebataillone leicht auf die vom König geforderten 1000 Mann verdoppeln ließen. Jede zukünftige Mobilisierung würde somit den drei aktiven Jahrgängen vier Reservejahrgänge zur Seite stellen und Preußen ab 1866 / 67 ein Kriegsheer von knapp 450 000 bestens ausgebildeten Soldaten verschaffen. Hinzu kamen die Kader des zweiten Aufgebots der Landwehr, die alle wehrfähigen Männer vom 27. bis zum 32. Lebensjahr aufnehmen sollten. Auch ihr unmittelbarer Einsatz im Gefecht galt nicht als ausgeschlossen. So forderte immerhin Generalstabschef Helmuth von Moltke in der Kronratssitzung vom 29. Mai 1865, auch diese Formationen neben den aktiven preußischen Regimentern gegen Habsburg einzusetzen.107

Die Modernisierung der Bewaffnung und Änderung der Taktik Neben dieser für alle sichtbaren Erweiterung seiner militärischen Macht hatte der Hohenzollernstaat ganz im Stillen auch die Feuerkraft seiner Infanterie revolutioniert. Denn inzwischen waren sämtliche Linienregimenter der Infanterie mit einer Waffe ausgestattet, deren Vorgeschichte damals schon fast 40 Jahre zurückreichte. In den 1820er-Jahren hatte der Fabrikant Johann Nikolaus Dreyse aus Sömmerda in der preußischen Provinz Sachsen mit Zündhütchen experimentiert, die bei Jagdwaffen das unzuverlässige Steinschlossprinzip ersetzen sollten. Eher durch Zufall fand Dreyse dabei heraus, dass sich die Zündhütchen auch durch den Stoß einer Nadel zünden ließen. Er entwickelte daraufhin eine Patrone, die Geschoss, Treibladung und Zündhütchen vereinigte und durch einen Nadelstoß gezündet werden konnte. Die Vorteile auch für Militärgewehre lagen auf der Hand. Allerdings kam es bei den anfangs noch verwendeten glattläufigen Vorderladern zu gefährlichen vorzeitigen Entladungen, sodass Dreyse sich zuletzt entschloss, einen Hinterlader mit Zylinderverschluss zu konstruieren. Inzwischen war auch das preußische Kriegsministerium auf Dreyses Arbeit aufmerksam geworden und hatte ihn mit vorerst bescheidenen Subventionen unterstützt. Das schließlich 1839 von Dreyse präsentierte Hinterladergewehr bewährte sich dann aber in einer ersten Truppenerprobung

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so sehr, dass König Friedrich Wilhelm IV. im Dezember 1840 eine erste Bestellung von 60 000 Zündnadelgewehren veranlasste. Diese Menge stand allerdings nicht sogleich zur Verfügung, da Dreyses kleine Fabrik jährlich kaum 10 000 Exemplare fertigstellen konnte. 1847 waren aber immerhin schon 45 000 Exemplare geliefert. Unter der Tarnbezeichnung „Percussionsgewehr M / 1841“ wurden die ersten Chargen unter großer Geheimhaltung zunächst eingelagert, um im Notfall geschlossen an die Truppe ausgegeben werden zu können.108 Während der Revolutionswirren 1848 / 49 erhielten zunächst sämtliche Füsilierbataillone die neue Waffe, die sich an den verschiedenen Brennpunkten der Revolution, so etwa beim Dresdner Maiaufstand 1849, vollauf bewährte, ohne allerdings im Ausland größere Beachtung zu finden. Obwohl mit dem sogenannten Minié-Gewehr seit 1853 eine billigere und zudem präzisere Waffe als Option zur Hand war, entschloss sich Prinzregent Wilhelm 1858, das Dreysesche Zündnadelgewehr für die gesamte Armee einzuführen. Nur einzelne Landwehrverbände kämpften 1866 noch mit dem Minié-Gewehr, das als ergänzende Übergangslösung eingeführt worden war. Zur notwendigen Verfünffachung seines Bestandes an Hinterladergewehren erweiterte das Kriegsministerium unter Einschaltung der staatlichen Manufakturen in Spandau und Danzig die Fertigungskapazitäten beträchtlich, sodass zu Beginn der 1860er-Jahre, zugleich mit der großen Heeresreform, die Ausrüstung sämtlicher Infanterieregimenter mit der revolutionären Waffe abgeschlossen war. Doch die Modernisierung der Bewaffnung war nur die eine Seite der Medaille. Noch während des Krimkrieges war unter Militärs der europäischen Großmächte eine Debatte entbrannt, welchen Einfluss die neue Generation weit reichender Gewehre auf die Infanterietaktik nehmen würde. Die preußische Armee war zudem mit der Frage konfrontiert, wie sich bei der hohen Schussfrequenz des Zündnadelgewehrs die Feuerdisziplin in der Schützenlinie aufrechterhalten ließ. Da mit dem Zündnadelgewehr jeder Soldat in der Lage war, seinen Vorrat von 60 Patronen innerhalb nur einer Viertelstunde zu verschießen, schienen Lenkung und Disziplin der Truppe ernsthaft infrage gestellt. Ohne Munition würden die meisten Soldaten unweigerlich ihre Stellungen verlassen, um die Patronentaschen der

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Schematische Zeichnung gängiger Gewehre um 1870. Oben das Zündnadelgewehr nach von Dreyse, mittig das Chassepotgewehr, unten das Werdergewehr. Aus der illustrierten Kriegschronik 1870–71, Deutsch-Französischer Feldzug

Toten und Verwundeten zu leeren oder sich gar in Sicherheit zu bringen. Als Lösung dachte man daran, kleinere Schützengruppen zu bilden, die von Unteroffizieren besser kontrolliert werden konnten, mochte aber auch auf die alte Bataillonskolonne noch nicht verzichten. Auch dafür gab es gute Gründe. Während die Vorzüge des Dreyseschen Hinterladers in der Verteidigung klar auf der Hand lagen, schien das neue Gewehr im An-

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griff keine besonderen Vorteile zu bieten. Eine auf den Feind zumarschierende Kolonne konnte sich keinen Schießhalt leisten, dies galt von jeher als Anfängerfehler, weil es dem Angreifer den Schwung und das Schockelement nahm. Ein Schützengefecht allein konnte nie zu einer taktischen Entscheidung führen. Wie seit den Tagen Napoleons hatten also die vorweg ausschwärmenden Tirailleurs oder Jäger der Masse der Infanterie den Weg zu bahnen und den Gegner an der Einbruchsstelle möglichst zu schwächen, wobei die hohe Schussfrequenz des Zündnadelgewehrs, wie es sich auf den böhmischen Schlachtfeldern zeigen sollte, einen beachtlichen Vorteil brachte. Die ungebrochene Vorliebe der französischen und auch der österreichischen Infanterie für den geschlossenen Bajonettangriff half den preußischen Militärs etwas aus ihrer Verlegenheit. Es lag auf der Hand, den Feind zunächst angreifen zu lassen und seinen Angriff mithilfe der hohen Schussfrequenz des Zündnadelgewehrs abzuwehren. Erst dann konnte der Gegenangriff mit Bajonett erfolgen.109 Die erweiterten Schussdistanzen der Infanteriegewehre erzwangen auch technische Änderungen bei der Artillerie, die bis in die 1850er-Jahre ein bemerkenswertes Eigenleben in der preußischen Armee geführt hatte. Die Artillerie galt hinsichtlich Personal, Ausrüstung und Bespannung von jeher als nicht sehr leistungsfähig, ihre oft überalterten Offiziere als eigensinnig, ja sogar als ungehorsam.110 Solange die Infanterie noch mit altertümlichen Musketen gekämpft hatte, waren die Geschütze und ihre Bedienungen auf Entfernungen über 300 Meter vergleichsweise sicher gewesen. Mit dem neuen Expansionsgewehr aber konnte ein Schütze bei guter Sicht jeder Geschützbedienung auf bis zu 1000 Meter gefährlich werden. Nur die schweren Zwölfpfünder mit ihrer Schussweite von rund 1500 Metern blieben von der neuen Gefahr unberührt. Bei den leichteren Geschützen versuchte man zunächst, zur Selbstverteidigung verbesserte Sprenggeschosse, sogenannte Schrapnells, einzusetzen. Anders als die nur auf kurze Reichweite wirkende Kartätschenmunition zerplatzten sie erst im Ziel, sofern ihr Zünder funktionierte. Schon vor dem erfolgreichen Einsatz der französischen Lahitte-Geschütze im Italienischen Krieg von 1859 hatte sich in der preußischen Artillerieinspektion die Einsicht verbreitet, dass

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zumindest die sechspfündige Feldkanone C42 durch ein Modell mit gezogenem Rohr ersetzt werden musste. Im März 1859 befahl der Prinzregent zunächst eine Reorganisation der Artillerie. Da vorerst kein gezogenes Geschütz zur Verfügung stand, wurden die erst in den 1840er-Jahren eingeführten Sechspfünder durch die Zwölfpfünder und Haubitzen ersetzt. Danach verfügte jedes Artillerieregiment über sechs Batterien mit je sechs Zwölfpfünder-Glattrohrgeschützen und eine Haubitzbatterie.111 Ein überzeugend verlaufenes Probeschießen mit gezogenen Hinterladern der Firma Krupp aus Essen noch im Mai desselben Jahres veranlasste Prinzregent Wilhelm zu einer Bestellung von 300 neuen Geschützen, die unter der Bezeichnung C61 (später C64) einen Teil der Zwölfpfünder in den Artillerieregimentern ersetzen sollten. Nach ihrer Auslieferung verfügte jede Artillerieabteilung über drei verschiedene Geschützmodelle und zog mit dieser Ausstattung auch in den Krieg gegen Österreich. Noch 1866 waren von etwa 870 preußischen Geschützen der Korpsartillerie etwa 35 Prozent Glattrohrversionen.112

Die lange unterschätzte Armee Die umfassende Heeresreform von 1859 / 60 unter Generalleutnant Albrecht von Roon ist lange fester Bestandteil des großen Mythos der Einigungskriege gewesen. Demnach hatte die preußische Heeresleitung erst in der großen Staatskrise durch ihre Festigkeit gegenüber dem Parlament den Grundstein für die Siege von 1864 bis 1871 gelegt. Tatsächlich aber war die Entwicklung der preußischen Armee zu einem Instrument der modernen Kriegführung ein langer Weg gewesen. Überlegungen für generalstabsmäßige Mobilisierungen oder eine effektive Nutzung der Eisenbahnen, vor allem aber die Einführung des Zündnadelgewehrs reichten bis in die 1830er-Jahre zurück. Einzig der Wechsel zu den neuen gezogenen Hinterladergeschützen aus Gussstahl erfolgte praktisch zeitgleich mit der Roonschen Heeresreform und konnte erst vor dem Krieg gegen Frankreich zum vollen Abschluss gebracht werden. Die Landwehr jedoch, in bürgerlichen Kreisen immer noch Symbol und Mythos der Erhebungszeit von 1813, hatte die Heeresreform

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zu einem bloßen Anhängsel des aktiven Heeres geschrumpft. Zu dieser Zeit hatte sie ihren Zweck im Innern jedoch erfüllt und der Wehrpflicht in Preußen zu allgemeiner Akzeptanz verholfen. Nach außen erfüllte sie sogar noch einen anderen Zweck. Wenn der neue Kriegsminister Albrecht von Roon in seiner berühmt gewordenen Denkschrift von 1858 einleitend bemerkte, dass die Landwehr dem Ausland nicht imponiere und dort als bloße Provinzialmiliz angesehen würde,113 so blieb von diesem abschätzigen Urteil auch noch genug an der gesamten preußischen Armee haften. Selbst die unter großem politischem Streit durchgepaukten militärischen Reformen konnten an der negativen Einschätzung der ausländischen Beobachter vorerst wenig ändern. Preußen besitze nur eine Armee aus „Automaten“, schrieb etwa ein französischer Offizier 1864 im Moniteur, „welche Wunder der Regelmäßigkeit wirken, doch alles entbehren, was ein Korps solider Truppen ausmacht.“114 Das Auftreten des kombinierten preußischen Korps im Krieg gegen Dänemark schien das kritische Urteil der Fachwelt zunächst zu bestätigen. Während sich die Österreicher betont angriffslustig zeigten und einige spektakuläre Anfangserfolge erzielten, agierten ihre preußischen Verbündeten geradezu ängstlich. So brach die preußische Avantgarde am 2. Februar 1864 auf Befehl des Prinzen Friedrich Karl sogar ihren Angriff auf den dänischen Schleibrückenkopf bei Missunde ab. Zuvor hatte sie 190 Mann verloren.115 Verantwortlich für das preußische Anfangsdesaster war in erster Linie die fehlende Kriegspraxis einer Armee, die seit einem halben Jahrhundert keinen ernsthaften Kampf mehr zu bestehen hatte. Bezeichnend war eine Episode aus der Anfangsphase des Feldzuges, die der spätere General der Artillerie, Karl August Prinz Kraft von Hohenlohe-Ingelfingen, in seinen Memoiren erwähnte. Ein Regimentskommandeur beschwerte sich auf dem Rückweg von Frederica darüber, dass ihn das viele Rekognoszieren und die zahllosen kleineren Gefechte ganz von seiner militärischen Tätigkeit abhielten. Auf die Frage, was er denn sonst noch zu tun habe, erklärte der Oberst dem überraschten Prinz, dass er noch gar nicht zu den üblichen Frühjahrskompanie-Besichtigungen gekommen sei.116 Zweieinhalb Monate nach Eröffnung des Feldzuges aber gelang den Preußen mit der Erstürmung der Düppeler Schanzen endlich

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der so sehnlich erhoffte militärische Erfolg, der dem Hohenzollernstaat bei den anstehenden Londoner Verhandlungen zusätzliches Gewicht verschaffte. Der Sieg über Dänemark war nach den Rückschlägen von 1848 / 49 für das Selbstbewusstsein der Armee von großer Bedeutung. Aus der Sicht des Auslandes blieb der Hohenzollernstaat jedoch weiterhin die unterschätzte Großmacht, deren Bürgersoldaten man nur wenig Angriffsgeist und Durchhaltevermögen zutraute.117 Erst der Krieg von 1866 warf dieses Bild in nur wenigen Wochen über den Haufen.

= Exkurs: Vom Vorbild zur Verdammung – Der Preußische Generalstab von Massenbach bis Moltke Er könne zwar der Idee des Oberst von Massenbach (Linksabmarsch der Armee auf Hof und Bayreuth) nicht zustimmen, erklärte Oberst Gerhard von Scharnhorst am 5. Oktober 1806 im großen Erfurter Kriegsrat. Aber darauf komme es gar nicht mehr an, fügte er fast schon resignierend hinzu. Das Beste sei wohl, dass man überhaupt etwas tue, und in Ermangelung eines Besseren mag dies also geschehen.118 Ohne Verbündete hatte sich Preußen im Herbst 1806 auf das Wagnis eines Krieges gegen Napoleon eingelassen, besaß aber bisher nur grobe und einander widersprechende Vorstellungen, wie man der Armee des Korsen erfolgreich begegnen konnte. Noch war die preußische Armee weit davon entfernt, auf die Arbeit eines Generalstabes zurückgreifen zu können, und Helmuth von Moltkes selbstsichere Behauptung im Vorfeld des Feldzuges von 1864, seine Behörde habe die Eventualität eines Krieges gegen Dänemark seit Jahren unausgesetzt im Auge gehabt und vorbereitet, war im thüringischen Hauptquartier noch ferne Zukunftsmusik.119 Dabei hatte Christian Reichsfreiherr von und zu Massenbach als stellvertretender Quartiermeister der preußischen Armee erst vier Jahre zuvor in einem ausführlichen Memorandum weitreichende Vorschläge zur Reform der seit 1787 bestehenden Institution gemacht. Offiziere

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des Generalquartiermeisterstabes sollten zukünftig auch Eventualpläne erarbeiten. Nur wenige Generale hatten damals an seinen Forderungen nach einer moderaten Aufstockung des Personals, das sodann in einer dreigliedrigen Organisation zusammengefasst sein sollte, Anstoß genommen. Jeder Abteilung, so Massenbach in seiner Denkschrift von 1802, sollte ein besonderes „Kriegstheater“, sei es Russland, Frankreich oder Österreich, zugewiesen werden. Durch Verfassen von Reiseberichten, systematisches Sammeln sonstiger Nachrichten und eigene Erkundungen sollte das Wissen über Geografie und Gegner auf den möglichen Kriegsschauplätzen entscheidend verbessert werden. Zumindest die Eröffnungszüge in einem eventuellen Krieg konnten so zukünftig im Voraus bestimmt werden. Massenbach sah auch schon den Generalquartiermeisterstab als Pflanzschule eines besonderen Korps von Offizieren, die sich einer anspruchsvollen Aufnahmeprüfung zu unterziehen hatten und später den Truppenführern im Felde als Berater zur Seite gestellt werden sollten. Die spätere Unterteilung von Großem Generalstab sowie Truppengeneralstab innerhalb eines Rotationssystems schien hier schon vorgedacht. Auch wenn König Friedrich Wilhelm III. die Vorschläge des aus württembergischem Adel stammenden Offiziers zur Reorganisation des Generalquartiermeisterstabes wenige Monate später annahm, war bis zum Krieg von 1806 nur weniges umgesetzt. Der Quartiermeisterstab als permanente Organisation wurde im Zuge der Mobilisierung praktisch aufgelöst und seine Angehörigen bei Mobilisierung ohne Ausnahme den einzelnen Hauptquartieren zugeteilt. Dort aber kamen sie über die Rolle deplatzierter Theoretiker, deren Rat kaum jemand hören wollte, nicht hinaus.120 Massenbach selbst fiel in Ungnade, da ihm als Stabschef des Fürsten Friedrich zu Hohenlohe-Ingelfingen die Kapitulation von Prenzlau angelastet wurde. Nach der preußischen Niederlage griff Scharnhorst Massenbachs Ideen wieder auf und etablierte den neuen Quartiermeisterstab als 2. Division im Allgemeinen Kriegsdepartement des Kriegsministeriums, das im März 1809 eingerichtet worden war. Als Kaderschmiede für die zukünftigen Offiziere des Quartiermeisterstabes gründete er außerdem drei besondere Kriegsschulen für Offiziere im Leutnants- oder Hauptmannsrang, an deren Spitze seit 1816 die Allgemeine Kriegsschule in Berlin stand. Nur etwa jeder fünfte Bewerber bestand die anspruchs-

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volle Aufnahmeprüfung und allein die Besten eines Jahrganges wurden später zunächst probeweise in den Generalstabsdienst aufgenommen. Es schien daher nur folgerichtig, dass die Einrichtung, die 1859 zur Kriegsakademie umfirmierte, nach den Einigungskriegen schließlich auch ganz in den Verantwortungsbereich des Generalstabes wechselte. Die alten Vorbehalte der Truppenkommandeure gegen sogenannte Schreibtischoffiziere und eine Verwissenschaftlichung der Kriegführung prägten noch lange den militärischen Diskurs nicht nur in der preußischen Armee. Was der Generalstab tat, schien selbst hohen Offizieren nicht ganz klar, und noch während der Schlacht von Königgrätz soll sich ein preußischer Divisionskommandeur bei dem Überbringer eines Befehls des Generalstabschefs erkundigt haben, wer denn überhaupt General Moltke sei.121 Tatsächlich standen an der Spitze des preußischen Generalquartiermeisterstabes in den ersten Dekaden nach dem Sieg von 1815 durchweg Männer, die trotz ihres Generalranges eher Außenseiter im militärischen Betrieb des Hohenzollernstaates geblieben waren. Dies traf vor allem auf Otto Rühle von Lilienstein, Johann von Krauseneck oder Karl Friedrich von Reyher zu. Der Letztgenannte hatte seine Laufbahn 1802 sogar als einfacher Soldat begonnen und war wie der aus Franken stammende Ingenieurgeograf Krauseneck erst nachträglich nobilitiert worden. Bereits General Karl von Grolmann, eines der prominentesten Mitglieder der alten Militärreorganisationskommission, hatte seit 1815 als Nachfolger Scharnhorsts und Gneisenaus in seiner fünfjährigen Amtszeit wesentliche Grundlagen für die moderne Organisation der Behörde gelegte. Seit 1817 firmierte der alte Quartiermeisterstab auch offiziell unter der Bezeichnung Generalstab. Der alte Spanienkämpfer Grolmann etablierte neben den drei für die Hauptkriegstheater zuständigen Abteilungen noch je eine Abteilung für topografische Aufgaben und für kriegsgeschichtliche Studien. Gerade diese Einrichtung wurde in der Militärgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts so dominierend, dass sie nicht nur das Geschichtsbild von vielen Offiziergenerationen prägte, sondern schließlich auch das der Öffentlichkeit. Grolmann setzte auch noch durch, dass den wichtigsten preußischen Gesandtschaften Generalstabsoffiziere zugewiesen wurden, die als Vorläufer der Militärattachés militärische Nachrichten über die jeweilige Macht zu beschaffen hatten.122

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Nach Grolmanns Rücktritt 1819 übernahm zunächst General Rühle von Lilienstern, der Herausgeber des Militärwochenblattes, stellvertretend die Generalstabsabteilung im Kriegsministerium. Chef des neu geschaffenen „Generalstabes der Armee“ aber wurde 1821 Generalleutnant Friedrich Karl von Müffling, der während des Feldzuges von 1815 als preußischer Verbindungsoffizier in Wellingtons Hauptquartier in einer Schlüsselposition tätig gewesen war. Der erst 46 Jahre alte Müffling hatte sich zuvor schon als Militärschriftsteller einen Namen gemacht und trieb in seiner neuen Position vor allem die exakte Kartografierung des preußischen Staatsgebietes voran. Müffling gilt auch als der Erfinder des sogenannten Kriegsspiels für Offiziere, eines Wettbewerbes zweier Kriegsparteien mit komplexen Regeln im Rahmen einer operativen Lage.123 Dass noch in seiner Amtszeit die Stellen für Generalstabsoffiziere bei den Divisionskommandos wieder gestrichen wurden, war eher Sparzwängen geschuldet. Die Einrichtung als solche hatte sich aber bewährt und wurde auch auf der Ebene der Armeekorps beibehalten. Von entscheidender Bedeutung für den preußischen Generalstab von Scharnhorst bis Moltke und darüber hinaus war die Einheitlichkeit der operativen und strategischen Anschauungen seiner Angehörigen. Neben der Kriegsschule sorgten auch regelmäßige, oft wochenlange Generalstabsreisen in sämtliche Grenzregionen Preußens für eine Verfestigung gemeinsamer Beurteilungskriterien. Zum Handwerkszeug jedes Generalstabsoffiziers gehörten seither standardisierte Verfahren zur Erfassung und Beurteilung von Lagen, kombiniert mit einem konsequent durchgehaltenen Denken aus der Perspektive der übergeordneten Kommandoebene. Das provozierte in der Armee zwar manchen Vorwurf der Besserwisserei, ermöglichte aber letztlich eine Führungspraxis, die auf das Befehlen konkreter Einzelschritte verzichten konnte. Der Truppenführer sollte sich im Idealfall darauf beschränken, nur das taktische oder operative Ziel vorzugeben, die Mittel und Methoden zu seiner Erreichung aber dem Beauftragten überlassen. Funktionierte das System erst einmal, konnten Kommandeure und Einheitsführer auf schnell wechselnde Lagen, wie sie in jedem Krieg der Normalfall waren, erheblich angemessener und zeitnaher reagieren. Das in der preußischen Armee oft bemühte Wunschbild vom Stabsoffizier, der wissen müsse, wann er seinem König nicht zu gehorchen habe,124 war durch

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I. Der Weg in den Krieg

die jahrzehntelange Schulungsarbeit des Generalstabes der Realität ein beachtliches Stück näher gerückt. Der entscheidende Schritt von einer bloßen Planungs- und Beratungsinstanz zur zentralen militärischen Kommandobehörde, die den Oberbefehlshabern der Armeen und den Kommandierenden Generalen im Felde Weisungen erteilen durfte, gelang dem Generalstab allerdings erst mit der wachsenden Technisierung der Kriegführung. Der elektronischen Telegrafie stand allerdings selbst Moltke eher abwartend gegenüber, und bis zum Krieg von 1866 waren keine ernsthaften Anstrengungen unternommen worden, aus dem neuen Kommunikationsmittel ein Instrument der operativen Führung zu machen. Dagegen war das Verhältnis zu den Eisenbahnen von Anfang an ganz anders. Schon in den 1830er-Jahren hatten einzelne Offiziere Ideen zur militärischen Nutzung der Eisenbahnen publiziert und Generalstabschef von Krauseneck war ihnen 1836 mit einem grundlegenden Gutachten gefolgt, das allerdings noch zu einem vorsichtig optimistischen Resümee gelangte. Gleichwohl hatte Krauseneck das Kriegsministerium dazu gedrängt, sich bei sämtlichen zukünftigen Eisenbahnprojekten in Preußen ein Mitspracherecht zu sichern.125 Dank der stürmischen Entwicklung des neuen Transportmittels war der Generalstab unter Karl Friedrich von Reyher schon in den 1850er-Jahren in der Lage, die Beförderung ganzer Armeekorps mit über 30 000 Mann in einer genau festgelegten Reihenfolge von Zügen zu planen und mit den zivilen Eisenbahngesellschaften abzustimmen. Waren Mobilisierung und militärischer Aufmarsch noch in den sogenannten Befreiungskriegen getrennte Vorgänge gewesen und vor allem die Mobilisierung in der Verantwortung der Kommandierenden Generale verblieben, so verschmolzen jetzt beide Prozesse unter dem Druck der Beschleunigung. Im beginnenden Industriezeitalter konnte es sich keine Heeresleitung mehr leisten, zunächst die Truppe auf „Kriegsfuß“ zu bringen, um dann zu überlegen, wie und wo das Heer aufmarschieren sollte. In den Einigungskriegen war die Feldzugseröffnung bereits eine Frage von Tagen, nicht mehr von Wochen. Das Wissen und das Können, um komplexe Aufmärsche von Armeen mit bis zu 300 000 Mann zu steuern und zu kontrollieren, besaß jedoch noch nur der Generalstab. Gerade die neuen Technologien hatten ihn in eine Schlüsselposition gebracht. Als Moltke den an einer Blutvergiftung verstorbenen Reyer im Oktober

Zwischen Pickelhaube und Zündnadelgewehr

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1857 als Generalstabschef beerbte, konnte er auf eine rund 40-jährige Geschichte seiner Behörde zurückblicken, die ihn selbst in drei Dekaden geprägt hatte. Der preußische Generalstab als höchste militärische Führungsinstanz in den Kriegen von 1866 und 1870 / 71 war somit nicht erst unter Moltke wie ein deus ex machina in den wenigen Jahren seit 1857 entstanden. Er war das Ergebnis eines langen und zähen Prozesses, der aber keineswegs linear verlaufen war. Noch im Krisenjahr 1830 hatte Generalleutnant Karl von Grolmann, inzwischen zum Divisionskommandeur ernannt, in Berlin darüber Klage führen müssen, dass für einen Krieg nichts organisiert sei und es nicht einmal einen Mobilmachungsplan gäbe.126 Moltke gebührt jedoch das historische Verdienst, all die genannten Ansätze und Entwicklungen forciert und zu einem vorläufigen Abschluss gebracht zu haben. König Wilhelm unterstrich diese für alle sichtbaren Fortschritte mit seiner Entscheidung vom 2. Juni 1866, als er den Wahlpreußen aus Mecklenburg dazu autorisierte, den preußischen Armeen während des Feldzuges in seinem Namen Weisungen zu erteilen. Doch ohne Moltkes Fortune auf den Schlachtfeldern Böhmens und Frankreichs wäre das alles wohl Makulatur geblieben.

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen – Custoza, Königgrätz, Langensalza und Lissa

Anlauf zum großen Krieg – Kalkulationen und Planungen „Preußen hat seit fünfzig Jahren keinen Krieg mehr geführt. Seine Armee ist im Großen und Ganzen eine Friedensarmee, mit all der Pedanterie und Schikane, die jeder Friedensarmee anhaften. Zweifellos ist in letzter Zeit, besonders seit 1859, viel getan worden, um sich davon zu befreien. Doch die Gewohnheiten von vierzig Jahren schafft man nicht so leicht ab.“ Friedrich Engels im Manchester Guardian am 20. Juni 18661 Entscheidung in nurund sechs Wochen Anlauf zum großenII. Krieg – Kalkulationen Planungen

Angesichts des aufziehenden Krieges gegen Österreich war die Stimmung der Berliner im Frühsommer 1866 alles andere als zuversichtlich. Zahlreiche Gerüchte machten die Runde. So befürchtete etwa der liberale Historiker und Publizist Constantin Rößler, die Österreicher könnten an der Spitze des X. Bundeskorps eine Diversion gegen Berlin unternehmen, wie sie es schon während der Olmützkrise 1850 geplant hatten.2 Für besondere Aufregung hatte auch am 7. Mai das Attentat des Tübinger Studenten Ferdinand Cohen-Blind auf Bismarck gesorgt und nur wenige wollten in dem

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

gescheiterten Anschlag und der beherzten Gegenwehr des preußischen Ministerpräsidenten ein günstiges Omen sehen.3 Bismarck selbst schien in Preußen so isoliert wie der gesamte Hohenzollernstaat in Deutschland. Besorgt fragte sich der preußische Botschafter in London, Albrecht Graf von Bernstorff: „Wie sollen wir einen solchen Vernichtungskampf bestehen ohne Frieden im eigenen Lande, gegen den Willen der ungeheuren Mehrheit des eigenen Volkes mit der widerwilligen und größtenteils widerspenstigen Landwehr und Reserve?“4 Ältere Bürger fühlten sich sogar an das Katastrophenjahr 1806 erinnert und aus dem fernen Manchester prophezeite der selbst ernannte Militärexperte Friedrich Engels in einem am 20. Juni 1866 veröffentlichten Artikel des Guardian der Hohenzollernarmee ein zweites Jena. Die vergleichsweise kurze Dienstzeit von nur drei Jahren ließ französische wie österreichische Offiziere an der Durchschlagskraft der preußischen Regimenter zweifeln und es klang wie das Pfeifen im dunklen Wald, wenn Kriegsminister Albrecht von Roon in diesen Tagen an seinen langjährigen Freund, den Bonner Rechtsprofessor Clemens Theodor Perthes schrieb, alles liege in Gottes Hand. Preußen könne durchaus dem Gegner unterliegen, auch wenn es 550 000 Mann wohl ausgerüsteter und vom besten Geist beseelter Truppen auf den Beinen habe.5 Selbst im Königshaus herrschte eine angespannte Stimmung. Mürrisch beschied Wilhelm I. nach Eröffnung der Feindseligkeiten seinem langjährigen Pressemann und Vorleser Louis Schneider, der ihn um eine militärische Funktion und um einen Platz im königlichen Zug zur böhmischen Grenze gebeten hatte, er könne doch wohl auch bequem zu Pferde von Potsdam nach Groß-Beeren gelangen.6 Dort hatte während der Befreiungskriege General Friedrich Wilhelm von Bülow die Franzosen unter General Jean Louis Reynier geschlagen und etwa dort, kaum zwei Dutzend Kilometer südlich seiner Hauptstadt, erwartete nunmehr der Monarch den ersten Zusammenstoß mit der gefürchteten Streitmacht des Habsburgerstaates. An einen preußischen Sieg wie 53 Jahre zuvor glaubte der schwarzseherische Wilhelm offenbar nicht.7 Denn kurz darauf, so erinnerte sich Schneider, ein ehemaliger Schauspieler, der den Hohenzollern seit der Revolution von 1848 / 49 eng verbunden war,

Anlauf zum großen Krieg – Kalkulationen und Planungen

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habe er Wilhelm sogar beim Verpacken der Familienpapiere beobachtet. Falls der König tatsächlich den baldigen Verlust seiner Hauptstadt befürchtete und Schneider mit seiner Schilderung nicht nur einen dramatischen Kontrapunkt zur späteren Siegeseuphorie setzen wollte, zeigte sein allerhöchster Dienstherr doch erstaunlich wenig Vertrauen in die Schlagkraft der Armee. Dabei hatte der erste Soldat seit Friedrich II. an der Spitze Preußens sich sogleich, nachdem er im Januar 1861 seinem verstorbenen älteren Bruder auf den Thron gefolgt war, mit seinem Parlament überworfen, um sich ein königstreues Heer auf der Grundlage der dreijährigen Dienstpflicht zu sichern. Seither herrschte in Preußen der politische Ausnahmezustand. Wenn auch um neue 53 Regimenter verstärkt, hatte dieses Heer seit Waterloo, also seit nunmehr einem halben Jahrhundert, nicht mehr gegen eine Großmacht gekämpft. Die Feldzüge in Baden (1849) und in Dänemark (1864) waren nur gegen drittklassige Gegner gewonnen worden. Gerade im letzten Krieg konnten die preußischen Streitkräfte trotz des revolutionären Zündnadelgewehres mit seiner hohen Schussfolge gegen die Dänen nicht wirklich überzeugen. Im indirekten Vergleich hatten die verbündeten habsburgischen Regimenter besser abschneiden können und deutlich mehr Angriffsgeist bewiesen, sodass noch während des Feldzuges Erzherzog Albrecht, der Onkel des Kaisers, den österreichischen Befehlshaber in Schleswig-Holstein, Generalmajor Ludwig von Gablenz, voller Ironie anwies, den Preußen aus politischen Gründen doch auch endlich einen kleinen Erfolg zu gönnen.8 „Bloß keinen Krieg gegen Österreich!“, hatte schon im März 1866, als Nachrichten über die ersten Mobilisierungsmaßnahmen des Habsburgerstaates in Berlin eintrafen, Wilhelms Generaladjutant, Herrmann von Boyen, gewarnt. Zu General August von Goeben, der die 13. Division im westfälischen Minden befehligte, befand er wenig loyal: „Der König in seinem 70. Jahre an der Spitze, Moltke ihm zur Seite, der Abgelebte. Wohin soll das nur führen?“9 Der Kriegsplan des so hart geschmähten Chefs des Generalstabes war tatsächlich auf Kante genäht. Russland und Frankreich durften keinesfalls sofort in den Konflikt intervenieren, so hatte es der 66-jährige Helmuth von Moltke in seiner Winterdenkschrift wenige Monate zuvor ausgeführt, während Österreich unbedingt durch Ita-

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lien militärisch gebunden werden musste. Eine Allianz Preußens mit dem neuen Königreich im Süden würde den Gegner rund 90 000 Mann kosten, kalkulierte der gebürtige Mecklenburger und Wahlpreuße, der 1822 aus der dänischen Armee in die Dienste der Hohenzollern getreten war.10 Obwohl Moltke sich rasch für die von Gerhard von Scharnhorst gegründete Allgemeine Kriegsschule in Berlin qualifiziert hatte und 1833 sogar in den Generalstab aufgenommen worden war, hatte er noch jahrelang seinen dürftigen Sold als Premierleutnant durch schriftstellerische Tätigkeiten aufbessern müssen. Mit seinen Briefen über Zustände und Begebenheiten in der Türkei, aus der er 1839 nach beinahe vierjährigem Aufenthalt zurückgekehrt war, konnte er dann tatsächlich einen beachtlichen Erfolg erzielen, der ihm auch finanziell Luft verschaffte. Bald darauf legte der nunmehr zum Major beförderte Offizier seine gesamten Ersparnisse in Aktien der Berlin-Hamburgischen Eisenbahn an und trat im Juli 1841 sogar dem Vorstand der Gesellschaft bei.11 Moltkes kenntnisreiche Aufsätze über die strategischen Möglichkeiten der Eisenbahnen verschafften ihm den Ruf eines Experten für das neue Transportmittel, doch noch 1866 galt er in der Armee als Schreibtischgeneral, der nie an der Spitze einer Kompanie oder eines Bataillons gestanden hatte. Als Moltke 1857 zunächst kommissarisch das Amt des Chefs des Generalstabs der Armee in der Berliner Behrenstraße übernahm, besaß es noch längst nicht das hohe Prestige späterer Jahre. An der Spitze einer Behörde von 63 Offizieren sah sich der neue Hausherr vorerst auf die Rolle eines militärischen Beraters seines Monarchen beschränkt und stand in dieser Funktion auch noch in Konkurrenz zu Kriegsminister Albrecht von Roon, der sich dank seines bedingungslosen Eintretens für die umstrittene Heeresreform höchstes Ansehen bei Hof erwerben konnte. Immerhin hatte Moltke im Feldzug von 1864 gegen die Dänen, seine einstigen Dienstherren, mit seinen Ratschlägen entscheidend zum Erfolg beitragen können, sodass er auch im Mai 1865 nach fast fünfjähriger Abstinenz wieder zum preußischen Kronrat hinzugezogen worden war. Verblüfft hatte der Generalstabschef bei dieser Gelegenheit feststellen müssen, dass im höchsten Entscheidungsgremium der Monarchie bereits ganz offen über die Annexion von SchleswigHolstein debattiert wurde, selbst um den Preis eines militärischen

Anlauf zum großen Krieg – Kalkulationen und Planungen

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Porträt des Generalfeldmarschalls Graf Helmuth von Moltke (undatiert), Chef des preußischen Generalstabs

Konfliktes mit Österreich, dessen voll mobilisierte Truppenmacht Moltke auf immerhin 560 000 Mann schätzte. Da aber selbst das vergrößerte preußische Feldheer im Kriegsfall nur auf höchstens 450 000 Mann gebracht werden konnte, empfahl Moltke in derselben Sitzung, die Linientruppen mit dem 2. Landwehraufgebot zu verstärken, sofern es nicht als Festungsbesatzung benötigt wurde.12 Trotz aller Reformanstrengungen würde Preußen aber der habsburgischen Nordarmee an Zahl allenfalls dann gewachsen sein, wenn außer seinen sieben zentralen und östlichen Korps auch das (VIII.) Rheinische sowie das (VII.) Westfälische Armeekorps für die erwartete Entscheidung in Böhmen herangezogen werden konnten. Noch hoffte man in Berlin auf die Neutralität der übrigen deutschen Staaten, auch wenn die Höfe in Hannover, Kassel und Dresden längst offen mit Österreich sympathisierten und in Süddeutschland sogar ein regelrechter Hass auf Preußen dominierte.13 Sollten sich aber, so Moltke in seiner Winterdenkschrift, Hanno-

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ver, Sachsen und Bayern tatsächlich auf Habsburgs Seite schlagen, müssten sie eben in einem raschen Feldzug zuerst niedergeworfen werden. Vor allem die Sächsische Armee musste ausgeschaltet werden, ehe sie sich mit den Österreichern in Böhmen vereinigen konnte. Dem preußischen Generalstab war es keineswegs entgangen, dass Sachsens Streitmacht bereits zweimal zuvor in nur 14 Tagen auf 24 000 Mann mobilisiert worden war und damit eine deutlich höhere Kriegsbereitschaft aufwies als die übrigen deutschen Mittelstaaten. Entgegen seiner Gewohnheit skizzierte Moltke in seiner Winterdenkschrift sogar einige taktische Details. So sollte ein Ultimatum das kleine Nachbarkönigreich, auf das Preußen bereits seit dem Siebenjährigen Krieg ein begehrliches Auge geworfen hatte, noch vor der Mobilisierung zwingen, den Durchmarsch preußischer Truppen nach Böhmen zu akzeptieren. Im Weigerungsfall, so empfahl Moltke, musste Sachsen bei Nacht und Nebel mithilfe rasch herangeführter Avantgarden besetzt und seine Armee in der Masse neutralisiert werden. Kaum ein halbes Jahrhundert später würde sein gleichnamiger Nachfolger und Neffe etwa genauso mit dem neutralen Belgien verfahren. Erstmals bezog Moltke die verfügbaren Eisenbahnen voll in seine militärischen Planungen ein. Im Handstreich sollten preußische Truppen noch in der Nacht zum ersten Mobilisierungstag die Grenzbahnhöfe von Riesa und Röderau besetzen. Gleichzeitig würde eine starke Kolonne aller Waffen in Berlin ihren Transport nach Schleswig-Holstein vortäuschen, um aber noch in derselben Nacht zum Anhalter Bahnhof überführt zu werden, von wo sie per Bahn bis zum Morgen ebenfalls nach Röderau gebracht werden sollte. Schon am dritten Mobilisierungstag könnten diese Kräfte, unterstützt von zwei anderen, mit der Bahn mobil gemachten Detachements aus Halle und Görlitz, in Dresden sein.14 Gelang es auf diese Weise tatsächlich, innerhalb von nur drei Tagen Sachsens Hauptstadt zu besetzen, war eine Mobilisierung seiner Armee ausgeschlossen. Allenfalls Fragmente der aktiven Truppe könnten dann noch über die böhmische Grenze zu den Österreichern entkommen. Moltke war klar, dass Preußen einen Verteidigungskrieg ebenso wenig führen konnte wie gut ein Jahrhundert zuvor König Fried-

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rich II. Abwarten war nie eine Option für den Hohenzollernstaat in der Mitte Europas gewesen. Zu exponiert waren seit jeher seine äußeren Provinzen. So etwa ragte Schlesien, das der große Friedrich in drei verlustreichen Kriegen den Österreichern entrissen hatte, zwischen dem russischen Kongresspolen und dem habsburgischen Böhmen weit nach Südosten. Zu den beiden Provinzen am Rhein, die Preußen erst 1814 / 15 erworben hatte, bestand nicht einmal eine Landverbindung. Immerhin konnte die Armee dank eines seit der 48er-Revolution erstaunlich schnell gewachsenen Eisenbahnnetzes eher an der Grenze aufmarschieren als ihr habsburgischer Gegner. Vier preußischen Eisenbahnlinien nach Sachsen und Schlesien stand auf der Gegenseite nur eine Hauptstrecke von Wien über Olmütz nach Prag gegenüber. Seit den 1850er-Jahren war die Eisenbahn in den Planungen des Generalstabes zum Haupttransportmittel des Heeres aufgestiegen, nachdem sie während der Revolution ihre Tauglichkeit zum militärischen Einsatz mehrfach unter Beweis gestellt hatte.15 Bereits Moltkes Vorgänger, General Karl Friedrich v. Reyher, hatte in präzisen Marschtabellen den Transport ganzer Divisionen aus dem Zentrum der Monarchie in die äußeren Provinzen vorausberechnen lassen.16 Eine eingleisige Linie erlaubte den Abgang von täglich zwölf Militärzügen zu je 60 Waggons, auf den allerdings noch seltenen Strecken mit doppeltem Gleis waren sogar 20 Züge möglich. In knapp 100 Zügen konnte somit ein ganzes Armeekorps von 35 000 Mann mit sämtlichen Pferden, Bespannungen und Geschützen in nur fünf Tagen am Rhein, an der Eider oder an der Pregel in Ostpreußen stehen. Als der Krieg in Norditalien 1859 die preußische Regierung zu dem Entschluss brachte, am Rhein gegen Frankreich aufzumarschieren, waren auf Moltkes Veranlassung für sämtliche militärisch bedeutsamen Eisenbahnlinien spezielle Kommissionen eingerichtet worden, die, paritätisch besetzt mit Generalstabsoffizieren und Vertretern der zuständigen Eisenbahngesellschaften, im Kriegsfall für den militärischen Transportverkehr allein verantwortlich waren. Es war ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer neuen maschinellen Kriegsform, wenn die meist jungen Generalstabsoffiziere an der Spitze der Kommissionen nunmehr Weisungsbefugnisse selbst gegenüber höheren Truppenkommandeuren besaßen und etwa darauf bestehen konn-

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ten, dass Einheiten und Verbände auf die Minute pünktlich zum Verladen erschienen oder dass Laderampen und Waggons nach der Ankunft in den Zielbahnhöfen zügig geräumt wurden.17 Den großen Krieg vor Augen, hoffte Moltke jetzt, die Ernte seiner jahrelangen konzeptionellen Arbeit einfahren zu können. Würde Preußen zumindest zeitgleich mit Österreich die Mobilisierung befehlen, wäre es dank seiner Eisenbahnen fast drei Wochen früher als der Gegner operationsbereit, betonte der Generalstabschef noch einmal in einem Brief vom 5. April 1866 an Kriegsminister Albrecht von Roon. Gerade militärische Anfangserfolge gegen die zunächst noch nicht voll bereite Habsburgerarmee dürften, so Moltkes Kalkül, ihren Eindruck auf die übrigen Großmächte und vor allem auf die deutschen Staaten nicht verfehlen. Vielleicht könne dadurch sogar ein Krieg an mehreren Fronten verhindert werden.18 Doch zum wachsenden Verdruss des Generalstabschefs wollte König Wilhelm ein derart rasches Losschlagen nicht akzeptieren. Obwohl sein Leben lang militärisch geprägt, mochte Wilhelm, der auch unter dem Druck seiner Familie stand, keinen „Bruderkampf“ gegen den Kaiser in Wien führen.19 Wenigstens aber wollte er diesen in ganz Deutschland höchst unpopulären Krieg nicht selbst beginnen. Auch als Österreich am 27. April 1866 mit der Mobilisierung seiner ganzen Armee begonnen hatte, unterblieb zunächst die preußische Gegenreaktion. Noch am selben Tag beschwor ein zunehmend frustrierter Generalstabschef die Teilnehmer des Kronrats, darunter auch Bismarck, Roon und die beiden als Armeeoberbefehlshaber vorgesehenen Hohenzollernprinzen, dass Preußen den Vorwurf der Aggression jetzt nicht mehr scheuen dürfe. „Jedes Zuwarten verschlimmert unsere Lage ganz entschieden.“ Deutlich wie wohl nie zuvor trat hier der Konflikt zwischen einer rein militärtechnischen Betrachtung und den Ansprüchen der Politik ans Licht. Moltke bedauerte zwar zutiefst den Krieg gegen Österreich, war aber inzwischen von seiner Unausweichlichkeit vollkommen überzeugt und durchdachte seither das Problem nur noch in den Begriffen von Raum, Zeit und militärischen Kräften. Mobilisierung, Eisenbahntransporte und die Eröffnungsoperationen einer modernen Armee griffen wie das Räderwerk einer Maschine ineinander und der Generalstabschef war jetzt ihr oberster Maschinist.

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Öffentlichkeit und neutrale Mächte sollten, war der Starthebel zum Krieg erst einmal umgelegt, zusammen mit dem Gegner möglichst überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ministerpräsident Bismarck war zwar weit davon entfernt, die moralischen Skrupel seines Monarchen zu teilen, wollte sich aber gleichwohl so lange wie möglich sämtliche politischen Optionen offenhalten. Noch Ende April 1866 hatte er sogar dem Plan des französischen Kaisers zugestimmt, auf einer Konferenz der europäischen Großmächte in Paris sämtliche Streitpunkte zwischen Preußen, Österreich und Italien zu klären. Wiens berechtigte Sorge, dass auch Italiens Ansprüche auf Venetien auf die Pariser Tagesordnung gelangen könnten, hatte jedoch diese diplomatische Option schon im Ansatz scheitern lassen.20 Um den Druck auf Wilhelm zu erhöhen, schrieb Moltke, nachdem er mehrere Tage über die nächsten Schritte im Unklaren gelassen worden war, am 2. Mai an General Edwin von Manteuffel, dass die preußische Mobilmachung jetzt höchstens noch um Stunden verschoben werden dürfe, wenn man nicht die Sicherheit des gesamten Staates gefährden wollte. Zwar war der Adressat inzwischen Befehlshaber in Schleswig, doch als ehemaliger Chef des Militärkabinetts genoss Manteuffel immer noch das Vertrauen des Monarchen und konnte in Moltkes Sinne Einfluss nehmen. Tatsächlich verfügte König Wilhelm schon tags darauf die Mobilisierung von immerhin fünf seiner Armeekorps, der Rest der Armee folgte innerhalb der nächsten beiden Wochen. Zufrieden stellte das den Generalstabschef immer noch nicht. Das langsame Herantasten an den Krieg erschwerte seine Berechnungen. Moltke hatte sich eine Mobilisierung aus einem Guss erhofft und sah nun das Zeitfenster, in dem die preußische Armee der österreichischen noch überlegen sein würde, bereits bedenklich geschrumpft. Auch der von ihm geplante Handstreich auf Sachsen war unter diesen Umständen längst Makulatur. Deutlich entspannter für den Generalstabschef verliefen allerdings die mit dem 17. Mai 1866 einsetzenden Eisenbahntransporte zur Grenze. Besucher trafen Moltke in diesen Tagen gelegentlich sogar auf dem Sofa seines Dienstzimmers in der Berliner Behrenstraße an, vertieft in einen Roman. Auf ihre erstaunten Blicke pflegte der Chef

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sie mit der Bemerkung zu beruhigen, alles sei ja schon lange durchgearbeitet und könne jetzt einfach nach Plan ablaufen. Tatsächlich war der Transport von zunächst sieben Armeekorps auf verschiedenen Bahnen sorgfältig berechnet und vorbereitet worden, doch einen großen Praxistest hatte es nie gegeben. Im Höchstfall waren in den Kriegen von 1849 und 1864 einzelne Divisionen in die Pfalz oder nach Holstein befördert worden. Der Transport dreier Armeekorps an den Rhein war 1859 im letzten Augenblick wegen des überraschenden Waffenstillstandes in Italien abgeblasen worden.21 Jetzt aber marschierten tatsächlich mehr als 200 000 Mann mit Hunderten von Geschützen und Zehntausenden von Kavallerie- und Zugpferden in einer nicht abreißenden Folge von Zügen in ihre Versammlungsräume in der Lausitz und in Schlesien. In der ersten von insgesamt drei Phasen wurde, beginnend mit dem 17. Mai, das III. Armeekorps aus seinen Standorten in Brandenburg, Wittenberg und Angermünde in den Raum Guben befördert, parallel mit dem IV. Armeekorps aus Magdeburg, dessen Verbände in Torgau und Herzberg ausgeladen wurden. Aus Posen marschierte zeitgleich das V. Armeekorps in etwa 90 Zügen nach Königszelt in Schlesien, um das dort bereits in Friedenszeiten beheimatete VI. Armeekorps mit Generalkommando in Breslau zu verstärken. Beide Armeekorps wurden einer neuen Armee unter Führung des erst 33-jährigen Kronprinzen Friedrich Wilhelm unterstellt. Dass der König ausgerechnet seinen einzigen Sohn mit einem so hohen Kommando betraute, war trotz aller militärischer Qualitäten des Kronprinzen keinesfalls selbstverständlich. Immerhin hatte der als liberal geltende Thronfolger nur drei Jahre zuvor in einer Rede im Danziger Rathaus Bismarcks Zensurmaßnahmen kritisiert und sich damit auch öffentlich gegen seinen Vater gestellt.22 Vergessen hat ihm das der König lange nicht. Ebenso wenig schien es eine Empfehlung, wenn Friedrich Wilhelm, nicht anders seine englische Gattin, ein entschiedener Gegner des bevorstehenden Krieges war und zu Bismarcks Entsetzen sogar versucht hatte, seine Schwiegermutter, Queen Victoria, zu einer Intervention zu bewegen.23 Vorsichtshalber hatte Moltke daher dafür gesorgt, dass seinem ehemaligen Zögling mit General Albrecht Leonhard von Blumenthal eine gestandene Persönlichkeit als Chef des Stabes

Kronprinz Friedrich Wilhelm mit Offizieren vom Stabe der II. (schlesischen) Armee in Neiße im Juni 1866

zur Seite gestellt wurde. Hatte doch die sogenannte Kronprinzenarmee den überaus schwierigen Auftrag, in verschiedenen Kolonnen von Schlesien aus über die Gebirgspässe nach Böhmen vorzudringen, um nach Möglichkeit die österreichische Hauptarmee in ihrer Flanke zu fassen. Der frontale Stoß auf den Gegner sollte dagegen aus der Lausitz über das Riesengebirge gegen die Iser geführt werden. Hierzu hatte Moltke die Kräfte dreier Armeekorps vorgesehen und sie der neuen Ersten Armee unterstellt. An deren Spitze hatte König Wilhelm seinen 38-jährigen Neffen, den Prinz Friedrich Karl, gesetzt. Das schien keine schlechte Wahl. Der neue Oberbefehlshaber hatte nicht nur den obligatorischen militärischen Werdegang für Hohenzollernprinzen absolviert, er galt auch in der ganzen Armee als passionierter Soldat. Schon im zarten Alter von zehn Jahren zum Leutnant befördert, hatte der Prinz ein ausdauerndes und tiefes Interesse an militärischen Fragen entwickelt, das über die gewöhnliche Vorliebe für schicke Uniformen und gut dressierte Soldaten weit hinausging. Eine Zeit lang war auch Albrecht von Roon, damals noch

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Major, als Prinzenerzieher für Friedrich Karls militärische Ausbildung verantwortlich gewesen. Bereits als junger Mann überraschte der Prinz seine Vorgesetzten mit etlichen Denkschriften voller Verbesserungsvorschläge für die Armee.24 Friedrich Karl hatte auch als erster Hohenzollernprinz zwei Jahre an der Universität Bonn studiert, ehe er im Revolutionsjahr 1848 wieder unter die preußischen Fahnen getreten war. Seine sogenannte Feuertaufe erlebte er in Schleswig-Holstein, im Pfälzischen Krieg von 1849 wurde er bei einem Kavallerieangriff in der Nähe von Wiesenthal verwundet, was aber seine weitere Karriere nicht beeinträchtigte. Denn in den Jahren darauf stieg Friedrich Karl rasch zum Regiments- und schließlich zum Divisionskommandeur auf. Im Dänischen Krieg leitete der Prinz, nachdem er den überforderten Feldmarschall Friedrich von Wrangel abgelöst hatte, am 16. April 1864 die Erstürmung der Schanzen von Düppel und später die Landung auf der Insel Alsen. Friedrich Karl galt seither in der Armee als ein bedächtiger Truppenführer, der seine Operationen lange und sorgfältig vorzubereiten pflegte, nach dem Geschmack einiger Zeitgenossen allerdings zu lange. Bei Ausbruch des Krieges gegen Österreich war der Prinz Kommandierender General des III. (Brandenburgischen) Armeekorps, mit dessen gesamtem Stab er nun an die Spitze der Ersten Armee trat. Da die Stäbe der beiden anderen Korps nicht ins Feld gerückt waren, unterstanden die insgesamt sechs Divisionen direkt dem Oberbefehlshaber der Armee. Auf diese Weise hoffte Moltke, die Befehlswege verkürzen zu können. Mit dem Transport des II. Armeekorps aus Stettin an die sächsische Grenze begann am 23. Mai die zweite Phase des preußischen Aufmarsches. Bis zum 1. Juni wurde es in nur zehn Tagen vollständig mit seinen 25 Infanteriebataillonen, 21 Kavallerieeskadronen und 16 Batterien samt Munitionskolonnen und Train nach Jüterbog und Herzberg befördert. Damit hatte Prinz Friedrich Karls Armee eine Stärke von 93 000 Mann erreicht. Zeitgleich rollte das (I.) Ostpreußische Armeekorps in 94 Zügen aus Königsberg nach Görlitz, wo es je nach Lage die Erste Armee oder die Kronprinzenarmee verstärken konnte. Die durchschnittliche Fahrzeit für die 500 Kilometer lange Strecke betrug nur 40 Stunden, im Vergleich zu einer Marschdauer von mindestens 14 Tagen noch in vormodernen Zei-

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ten.25 Für die einfachen Soldaten war die Reise mit der Eisenbahn beinahe schon eine Sightseeing-Tour mit geregelter Verpflegung auf den Zwischenbahnhöfen. Die Eindrücke des rheinischen Landwehrmannes Wilhelm Peter Molitor, der Ende Mai 1866 mit seinem Regiment von Herbesthal bei Aachen nach Halle befördert wurde, dürften kein Einzelfall gewesen sein: „Als ich nun wieder die Augen aufmachte und hörte, wie der Zug stillstand, da fragte ich: ,Wie heißt es hier?‘ Jedoch ehe die Antwort der Kameraden erfolgte, rief man draußen: Dortmund. Das ist eine recht schöne Stadt. Die Türen des Wagens wurden halb geöffnet. Da begrüßten uns die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Nun weiß ich aber nicht Worte genug, diesen Anblick zu schildern. Gleichfalls auf fremder Erde schienen wir zu fliegen und das erhabene Grün der Wiesen sowie die reizenden Dörfer und Städtchen, welche sich unseren Augen Panorama ähnlich vorstellten. Da sah man flüchtig einen schönen Berg; da dieses, da jenes, wobei die Sonne gleichfalls ihr Licht strahlen ließ, wie als wollte sie uns die Welt in abwechselnder Gestalt zeigen. So führte der Zug uns immer weiter und weiter nach Oberhausen. Dann bis nach Hamm.“26 Die beiden westlichen Armeekorps (abzüglich der 13. Division des Generals von Goeben) waren seit dem 28. Mai in einer dritten Transportphase zur sächsischen Grenze befördert worden, wo sie als sogenannte Elbarmee unter dem Befehl des Generals Herwarth von Bittenfeld stehen sollten. Moltke hoffte mit diesen zusätzlichen Kräften, für deren Einsatz in Böhmen er bei seinem Monarchen lange Überzeugungsarbeit hatte leisten müssen, nicht nur numerisch mit den Österreichern gleichzuziehen. Er wollte mit ihnen auch einen zweiten südlichen Zangenarm bilden, um nach Möglichkeit die habsburgische Hauptarmee vollständig zu umfassen. Je mehr nun der preußische Aufmarsch Gestalt annahm, desto stärker geriet Moltke seitens der Generalität unter Druck. Stein des Anstoßes war die weit auseinandergezogene Aufstellung der drei preußischen Armeen zwischen Torgau an der Elbe und dem schlesischen Neiße. Es half wenig, wenn der Generalstabschef seine Kritiker darauf verwies, dass die tatsächliche Vereinigung aller Armeen erst durch konzentrische Märsche auf dem Territorium des Gegners stattfinden würde. Obwohl viele Generale Napoleons Feldzüge studiert

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hatten, besonders den von 1805 mit der Einkreisung der Österreicher in Ulm, verkannten sie auch 60 Jahre später noch immer, dass moderne Heere von mehr als 100 000 Mann nur auf verschiedenen Marschstraßen noch innerhalb eines Tages ins Gefecht gebracht werden konnten. Erreichte doch jedes moderne Armeekorps inzwischen eine Marschlänge von fast 40 Kilometern, was etwa einer Tagesdistanz entsprach. War die gegnerische Streitmacht bereits vollzählig versammelt, was im Falle der Österreicher mit jedem Tag des Zögerns wahrscheinlicher wurde, konnte sie aus einer zentralen Position auf kürzeren Wegen die sich ihr nähernden Kolonnen mit ihrer geballten Masse einzeln angreifen und zerschlagen. Zeitgenössische Militärtheoretiker und Strategen nannten dies den Vorteil der Inneren Linie. Seitdem der Schweizer Militärschriftsteller Antoine Henri Jomini, General in französischen und später in russischen Diensten, die Besetzung einer zentralen Position als Napoleons wichtigstes Erfolgsgeheimnis in Militärkreisen popularisiert hatte, galt diese Strategie allgemein als Garant des Sieges.27 In Moltkes weit auseinandergezogenem Aufmarsch konnten die meisten seiner Standesgenossen daher nur das Werk eines militärischen Stümpers erkennen, den König Wilhelm zu ihrem Entsetzen am 2. Juni auch noch autorisiert hatte, den drei Armeen in seinem Namen Weisungen zu erteilen.28 Tatsächlich barg Moltkes Strategie der operativen Umfassung große Risiken, denn sie basierte vor allem auf zwei zentralen Voraussetzungen, die während des Feldzuges in Böhmen zunächst nicht erfüllt waren. So mussten die drei nach Böhmen eindringenden preußischen Armeen untereinander in ständiger Kommunikation stehen und der Gegner wiederum musste auch tatsächlich zwischen Iser und oberer Elbe aufmarschieren. Weil der Generalstab das militärische Nachrichtenwesen bisher weitgehend vernachlässigt hatte, tappte Moltke jedoch lange Zeit im Dunkeln, wo sich die Masse der österreichischen Nordarmee überhaupt befand.29 Ebenso wenig besaßen die beiden preußischen Hauptarmeen in der Lausitz und in Schlesien verlässliche Nachrichten voneinander, um ihr Vorgehen zu koordinieren. Ein geordnetes militärisches Meldewesen kam während des Vormarsches tagelang nicht zustande, denn mit Abrücken von den Ausladebahnhöfen und ihren Telegrafenstationen endete vorerst der moderne Krieg. Zwar

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gab es schon mobile Telegrafenstationen, doch sie waren alles andere als feldtauglich und das in der Telegrafieabteilung vorhandene Kabelmaterial reichte nur für 45 Kilometer. Wie zu Napoleons Zeiten marschierten die preußischen Armeen in Böhmen also wieder zu Fuß und versuchten durch sogenannte Aides-de-Champs miteinander in Verbindung zu bleiben. Selbst wenn also der Marsch in die Flanke des Gegners nicht zu einem Luftschlag führte, bestand immer noch die akute Gefahr, dass die drei preußischen Armeen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf dem Schlachtfeld eintrafen, sodass sie auch jetzt noch einzeln von den Österreichern geschlagen werden konnten. Die Kritik an Moltkes Dispositionen verstummte erst, als Anfang Juni 1866 Meldungen von der Kronprinzenarmee ergaben, dass sich die österreichische Nordarmee entgegen den Erwartungen viel weiter zurück bei der mährischen Festung Olmütz versammelt hatte. Lediglich das im Raum um Prag beheimatete I. Österreichische Armeekorps war noch bis zur Iser vorgeschoben, wohl um die zurückweichenden Sachsen aufzunehmen. Moltke nahm die neue Lage zum Anlass, das bisher bei Görlitz versammelte I. (Ostpreußische) Armeekorps ins schlesische Hirschberg zu verschieben und gleichzeitig auch das Gardekorps aus Berlin der Kronprinzenarmee zu unterstellen. Mit vier Armeekorps und 113 000 Mann war sie damit die stärkste preußische Armee und wohl auch in der Lage, einen Angriff der Österreicher auf Schlesien abzuwehren. Diese Linksverschiebung der preußischen Armee, die bis zum 10. Juni abgeschlossen war, verkürzte zwar die allgemeine Aufmarschlinie um rund 100 Kilometer. Nach wie vor aber blieben die isolierten Heeresteile der Gefahr ausgesetzt, von der gegnerischen Nordarmee einzeln geschlagen zu werden. An der Spitze dieser Nordarmee stand seit dem 12. Mai 1866 August von Benedek. Seit der Schlacht von Solferino galt der Feldzeugmeister in der Öffentlichkeit als Held und wurde als die neue militärische Hoffnung des Habsburgerstaates bei Hof und in der Armee geschätzt. Von den Verhältnissen auf dem böhmischen Kriegsschauplatz wusste er allerdings nur wenig und zeigte auch kaum Neigung, mit seinen nunmehr 62 Jahren, wie er gern erklärte, sich

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noch in neue Verhältnisse einzuarbeiten. Stattdessen gefiel Benedek sich als neuer Befehlshaber darin, die Truppe aus seinem Olmützer Hauptquartier mit einer wahren Flut von kuriosen Ermahnungen und Belehrungen zu behelligen, in denen er sich stets als truppennaher Kommandeur inszenierte. So befahl er etwa am 15. Mai seinen Korpsbefehlshabern, den Brigadiers und den Kommandanten der Kavalleriedivisionen, ihre unterstellten Generale und Stabsoffiziere möglichst gut kennenzulernen, besonders auch durch die Lektüre ihrer Beurteilungen. Militärische Selbstverständlichkeiten und Allerweltsweisheiten wechselten sich in Benedeks Armeebefehlen ab. Bei den Stäben etwa sollten sich keine Müßiggänger oder Volontärs aufhalten und Offiziere durften ihre Einteilung bei der Truppe nicht verlassen, jedoch auch nicht in blinder Tapferkeit auf und davon stürmen.30 Für detaillierte Stabsarbeit schien der Feldzeugmeister dagegen kaum Verständnis aufzubringen. Auch sein Nachfolger im Amt des Stabschefs der Armee, General Alfred von Henikstein, konnte daran wenig ändern, da es Benedek ablehnte, überhaupt mit einem Chef des Generalstabes zusammenzuarbeiten. Eher wolle er auf eine Festung geschickt werden, bemerkte er einmal zu General Franz von Crenneville.31 Gideon Krismanic sollte daher als Chef der Operationsabteilung die Lücke füllen, die Benedek mit der Zurückweisung Heniksteins geschaffen hatte. Der 49-jährige General, ein gebürtiger Kroate, hatte sich jahrelang mit den Feldzügen des Siebenjährigen Krieges befasst und war, beeinflusst von den kriegstheoretischen Lehren des Erzherzogs Karl, ein engagierter Befürworter der strategischen Defensive, die auf eine statische Besetzung wichtiger Punkte hinauslief. Mittels einer starken Stellung bei Olmütz könne, so lautete Krismanics Hauptargument, dem sich auch Benedek mangels eigener Vorstellungen anschloss, wie schon zu Zeiten Maria Theresias eine preußische Offensive auf Wien, ob nun direkt über die Elbe oder aus Schlesien, am wirksamsten verhindert werden.32 Die operative Alternative einer vorgeschobenen Offensivposition in Böhmen schien für ihn ohnehin nicht mehr infrage zu kommen, nachdem bereits drei der insgesamt zehn Armeekorps der Monarchie auf dem italienischen Kriegsschauplatz gebunden waren. Allein diese Kräfte hätten den Schutz der rechten Flanke gegen Schlesien übernehmen können.

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Porträt von Ludwig August von Benedek, Feldzeugmeister und Oberbefehlshaber der österreichischen Nordarmee. Aufnahme aus dem Jahr 1865

Obwohl Krismanics Disposition berücksichtigte, dass gerade Preußen angesichts der unsicheren Haltung der übrigen Großmächte eine schnelle Kriegsentscheidung anstreben musste und eine Konzentration bei Olmütz genau dies zu verhindern versprach, waren Kaiser Franz Joseph und sein langjähriger militärischer Berater, Oberstleutnant Friedrich von Beck-Rzikowsky, damit alles andere als zufrieden. Sie fürchteten vor allem den politischen Vertrauensverlust, den die scheinbare Untätigkeit der Nordarmee bei Österreichs Verbündeten in Deutschland auslösen musste. Wiederholt reiste daher Beck-Rzikowsky in das Hauptquartier der Nordarmee nach Olmütz, zuletzt am 16. Juni 1866, um für die von ihm favorisierte Offensivposition in Böhmen zu werben.33 Allein durch einen Vormarsch nach Böhmen wäre es möglich, so sein Argument, Berlin zu bedro-

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hen und überhaupt erst ein gemeinsames Operieren mit den Verbündeten in Deutschland, vor allem mit Bayern, sicherzustellen. In heftigen Debatten stellte sich Benedek anfangs noch auf die Seite seines Operationschefs, doch er wusste nur zu genau, dass Beck-Rzikowsky nicht für sich allein sprach, auch wenn der Vertraute des Monarchen jedes Mal das Gegenteil betonte. Im Grunde schien sich Benedek auch der Schwäche seiner Position bewusst, hatten doch weder er noch Krismanic irgendwelche konkreten Schritte geplant, die über die bloße Besetzung der Olmützer Stellung hinausgingen. Nur einen Tag später, als die Preußen schon über Hannover und Hessen-Kassel hergefallen waren, gab der Feldzeugmeister schließlich dem Druck aus Wien nach und erteilte seinem Armeekorps den Befehl zum Vormarsch an die Iser. Dass die Zeitungen in Wien und in den übrigen Metropolen Europas sich über die Untätigkeit der Nordarmee in Böhmen zu wundern begannen, dürfte Benedek, der sich bisher auf der Woge allgemeiner Zustimmung nicht unwohl gefühlt hatte, nicht unbeeindruckt gelassen zu haben. Dabei brauchte er noch nicht einmal über seinen Schatten zu springen, denn ohne eigene strategische Überzeugungen war ihm im Grunde jede Option recht, die den wachsenden Wiener Druck von seinen Schultern nahm. Doch ohne konkreten Operationsplan und ohne den festen Willen, die preußischen Armeen nach Möglichkeit einzeln zu attackieren, war der Marsch von Benedeks Nordarmee ein Vorrücken genau hinein in Moltkes Falle.34

= Exkurs: Auszug mit Hindernissen – Die Preußische Garde verlässt Berlin „Die Vergatterung war geschlagen: wir standen unter Kriegsartikeln. Die in ganz neuen Uniformen glänzende Kolonne setzte sich in Bewegung, während besonders der weibliche Teil der Begleitenden noch nicht überall den Tränen zu gebieten vermochte. Von der Hasenheide bis zum Frankfurter Tor war bereits eine heiße Strecke; die beträchtliche Last des marschmäßig beschwerten Tornisters

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erhöhte nicht wenig der gerollte Mantel: Die Brust ist gedrückt, das Atmen erschwert. Am Tor hielt um 6 Uhr Seine Majestät Revue über uns ab. Berlin lag hinter uns, die sandige Mark, eine ungewisse Zukunft tat sich vor uns auf. Allmählich waren die uns Begleitenden umgekehrt, die Gespräche wurden sparsamer. Immer unbehaglicher fühlte man sich – wir hatten 23 Grad im Schatten – auf der schattenlosen Chaussee, deren aufgewirbelten heißen Staub wir in beengtem Atem fast ununterbrochen zu uns nehmen mussten. ,Welche Wonne, jetzt eine Kugel‘, hörte ich jemanden sagen. Nach mehrstündigem Marsche, der schon manchen in den Chausseegraben geworfen, wurde, beinahe mitten im Sonnenbrand, ein Halt von wenigen Minuten gemacht, welcher nicht sehr dazu beitragen konnte, der Erschöpfung wieder Herr zu werden. Doch wurde in Mützen weitermarschiert, die Helme an den Mantel gehängt: eine bedeutende Erleichterung. Mir und vielen anderen konnte dieselbe indes nicht mehr helfen: das Blut drang so stark zum Herzen hinauf, dass ich einen Blutsturz nahe glaubte, auf der Brust fühlte ich so heftige Schmerzen, wie ich dieselben niemals gekannt hatte. Mehr und mehr füllten sich rechts und links die Chausseegräben: man sah die Lazarettgehilfen herbeieilen, den Ohnmächtigen den Kragen zu öffnen, die Brust vom Tornister zu befreien, die Stirn mit Salmiakgeist zu reiben. In seiner 16-jährigen Dienstzeit, sagte ein Offizier, habe er eine so allgemeine Ermattung nicht erlebt. Auch ich unterlag der Beschwerde und hunderte gleich mir. Viele Gespanne wurden teils aus Berlin, teils aus den Dörfern requiriert. In Kurzem hatte ich mich indes so weit erholt, den Wagen wieder zu verlassen, den Fußkranken den Platz einzuräumen: doch ließ ich den Tornister auf dem Wagen zurück, da mir nur die furchtbare Spannung auf der Brust, nicht das Marschieren, schmerzhaft war. Und so erreichte ich das Bataillon denn kurz vor dem Einmarsch in Rüdersdorf, unserem Ziele am 4. Juni.“ Ernst Friedrich Theodor Vatke35

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Preußens Feldzug gegen Hannover und Kurhessen – Grundzüge eines neuen Kriegsbildes Preußens Feldzug gegen Hannover und Kurhessen

Am Abend des 15. Juni 1866 war der britische Botschafter in Berlin, Lord Augustus Loftus, bei Bismarck zu Gast. Nichts schien in der Wilhelmstraße auf die sich dramatisch zuspitzende politische Lage in Deutschland hinzudeuten. Der Ministerpräsident nahm sich sogar erstaunlich viel Zeit für seinen britischen Besucher. Nach einem Spaziergang saßen beide noch lange im Garten des Außenministeriums, als es plötzlich Mitternacht schlug und der Hausherr mit Blick auf seine Taschenuhr seinen Gast mit folgender Ankündigung überraschte: „In diesem Augenblick marschieren unsere Truppen in Hannover, Sachsen und Hessen-Kassel ein. Der Kampf wird schwer sein, Preußen könnte unterliegen, aber es wird auf jeden Fall tapfer und ehrenhaft gekämpft haben.“ Genau in dieser Minute war Bismarcks am Vortag gestelltes Ultimatum an die deutschen Mittelstaaten abgelaufen. Erwartungsgemäß hatten Hannover, Dresden, Kassel und die süddeutschen Höfe die preußischen Bündnisangebote einhellig abgelehnt. Nun mussten nach der Logik der Zeit die Waffen entscheiden. Laut Loftus, der seine Memoiren allerdings erst 28 Jahre später veröffentlichte, soll Bismarck noch in der Geste eines verantwortungslosen Spielers hinzugesetzt haben: „Falls wir besiegt werden, werde ich nicht mehr hierher zurückkommen. Ich werde beim letzten Angriff fallen.“36 Sofern dieses Schmierentheater authentisch überliefert wurde, diente es vielleicht nur der Verunsicherung des britischen Gastes und seiner Regierung in London, die getrost glauben mochte, dass er, der leitende Minister Preußens, mit dem letzten Einsatz spielte und eine Intervention Großbritanniens zugunsten Österreichs daher wohl kaum erforderlich sei. Tatsächlich war der Krieg gegen Habsburg und seine deutschen Verbündeten seit Wochen im preußischen Kronrat bis ins Letzte erörtert worden, um nun nach einer genau festgelegten Regie von Bismarck entfesselt zu werden. Am 9. Juni 1866 waren preußische Truppen in Holstein einmarschiert, nachdem nur eine Woche zuvor

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der österreichische Gesandte in Frankfurt, Aloys Freiherr von Kübeck, das Schicksal der beiden Elbherzogtümer in die Hände der Bundesversammlung gelegt hatte. Bismarck sah darin ein willkommenes Geschenk des neuen habsburgischen Außenministers Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly, in dessen Schloss im mährischen Nikolsburg nur sechs Wochen später die Karte Deutschlands neu gezeichnet werden sollte. Ließ sich doch die Wiener Initiative allzu leicht als Bruch des Abkommens von Bad Gastein deuten. Bismarcks Freude über das Ungeschick seines Gegenspielers wurde nur dadurch getrübt, dass Gouverneur Edwin von Manteuffel die österreichische Brigade unter Generalleutnant Ludwig Freiherr von Gablenz nicht etwa arretiert, sondern sogar noch mit klingendem Spiel aus Kiel hatte abziehen lassen. Der Groll des Ministerpräsidenten hielt jedoch nicht lange an. Gleich am nächsten Tag, dem 10. Juni, hatte er als nächsten Schachzug den deutschen Staaten den Entwurf einer Reform der Bundesverfassung vorgelegt, die den Habsburgerstaat kurzerhand aus Deutschland ausschloss und sogar ein allgemeines Wahlrecht vorsah. Das war die Revolution von oben, die dem von Bismarck gehassten Souveränitätsschwindel der mittleren und kleinen Staaten in Deutschland ein Ende bereitet hätte und gegen die sich die Herrscher Hannovers und Kurhessens verständlicherweise auch dann noch wehrten, als sie schon in die preußischen Bajonette blickten. Wie kaum anders zu erwarten, beschloss die Frankfurter Versammlung nunmehr auf Antrag Wiens am 14. Juni als Antwort auf die Besetzung Holsteins die volle Mobilisierung aller nichtpreußischen Bundestruppen. Nur die beiden Mecklenburg, einige deutsche Kleinstaaten wie Coburg-Gotha, die Hansestädte sowie die Niederlande (für Luxemburg) stimmten dagegen. Das Großherzogtum Baden enthielt sich der Stimme. Weisungsgemäß erklärte daraufhin Berlins Gesandter in Frankfurt, Karl Friedrich von Savigny, den Bundesvertrag als gebrochen und verließ die Stadt noch am selben Tag.37 Die am 16. Juni einsetzenden Operationen der preußischen Armee gegen die deutschen Mittelstaaten waren in Moltkes Planungen allerdings nicht mehr als ein kurzes Vorspiel. Wenigstens der Feldzug gegen das Königreich Hannover musste abgeschlossen sein, ehe die große Entscheidung gegen die Österreicher in Böhmen fiel. Auf

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dem Papier war das militärische Potenzial der Gegner auf dem deutschen Nebenkriegsschauplatz durchaus beeindruckend. Mehr als 100 000 Soldaten konnten Habsburgs deutsche Verbündete ins Feld stellen, allein Bayern vermochte 57 000 Mann unter Waffen zu bringen, das Königreich Hannover sowie Kurhessen zusammen 25 000 Mann. Hinzu kamen noch einmal 40 000 Mann des VIII. Bundeskorps, in dem die Aufgebote Hessen-Darmstadts, Württembergs, Nassaus und Badens zusammengefasst waren. Doch ihre Mobilisierung brauchte Zeit und eine einheitliche Befehlsstruktur für die deutschen Bundestruppen war nicht in Sicht. Griffen die Preußen nur energisch zu, so Moltkes Kalkül, konnten zumindest die Armeen Hannovers und Kurhessens entwaffnet werden, bevor sie sich mit den Streitkräften der süddeutschen Staaten vereinigten. Nachdem der Generalstabschef Ende Mai auch die Masse der beiden westlichen Armeekorps an die Elbe hatte transportieren lassen, verblieb für die vermeintlich leichte Aufgabe gegen die gegnerischen Bundestruppen nur ein Minimum an Kräften. So rückte von Harburg aus das Korps des Generals von Manteuffel mit zwei Brigadekolonnen über Celle und Lüneburg auf Hannover vor. Seine 14 000 Mann waren mehrheitlich Truppen, die bisher als Besatzungskräfte unter seinem Kommando in Schleswig gestanden hatten. Wie so oft in seiner politischen Karriere hatte Bismarck auch Lord Loftus um Mitternacht in seinem Garten nicht die volle Wahrheit gesagt. Tatsächlich hatten preußische Truppen nicht erst am 16. Juni ihren Vormarsch begonnen. Manteuffels Soldaten waren schon in der Nacht zum 15. über die Elbe gegangen und hatten das damals noch hannoverische Harburg besetzt.38 Von Minden, der östlichsten Stadt der preußischen Provinz Westfalen, rückte am 16. Juni die 13. Division des Generals August von Goeben über Bückeburg nach Hannover vor. Seine 14 000 Mann, gleichfalls in zwei Brigaden gegliedert, sollten die Welfenarmee im Rücken fassen und zusammen mit Manteuffels von Norden vorstoßenden Truppen zur Kapitulation zwingen. Eine dritte preußische Kolonne unter dem Befehl des Generals Gustav Friedrich von Beyer, bestehend aus der 32. Infanteriebrigade und einigen Festungstruppen aus Mainz, Rastatt und Luxemburg, zusammen etwa 10 000 Mann, stieß seit dem Morgen des 16. Juni von Wetzlar aus auf Kas-

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sel vor. Ihr Auftrag lautete, die Kurhessische Armee abzuschneiden, ehe sie auf Frankfurt ausweichen konnte. Den Oberbefehl über sämtliche preußischen Truppen führte der fast 70-jährige General der Infanterie Friedrich Karl Eduard Vogel von Falckenstein, ein Veteran der Befreiungskriege, mit einer soliden militärischen Karriere, die ihn bis an die Spitze des (VII.) Westfälischen Armeekorps geführt hatte. In Berlin war der General allerdings nicht unumstritten. Eigenartigerweise hatte es seinem Renommee geschadet, dass er im letzten Krieg die Dänen allzu hart angefasst hatte. Bei seiner Truppe war er jedoch sehr beliebt, weil er für das Wohl des Einzelnen sorgte.39 In seinem Armeebefehl vom 16. Juni ließ Falckenstein verlautbaren, dass dem preußischen König nichts anderes übrig geblieben sei, als den „übermütigen Regierungen jener Kleinstaaten den Krieg zu erklären“, die sich „auf Ansuchen Österreichs entschlossen hatten, eine Exekutionsarmee gegen Preußen ins Feld zu stellen.“ Seine Soldaten ermahnte der General, „den ruhigen Landeseinwohnern gegenüber, denen diese Vorgänge gar nicht lieb“ seien, auch „unsererseits zu zeigen, wie sehr wir es beklagen, zu einem brudermörderischen Krieg herausgefordert zu sein.“40 Auf sämtlichen Vormarschstrecken hatten die Gegner Preußens in aller Eile das Betriebsmaterial der Eisenbahnen abgezogen, meist allerdings nur noch oberflächliche Zerstörungsmaßnahmen vornehmen können, sodass die Spitzen der preußischen Truppen die Strecken wenigstens für Erkundungsvorstöße nutzen konnten. Nachdem dann doch zwei preußische Lokomotiven mit einer Dampffähre über die untere Elbe gebracht worden waren, konnte sogar eine von Manteuffels Brigaden ab Lüneburg auf der Bahn nach Hannover transportiert werden.41 Voraustruppen der 32. Brigade wiederum stießen von Marburg aus mit der Bahn nach Melsungen an der Fulda vor, wo sie zahlreiches Betriebsmaterial erbeuteten. Ihr plötzliches Erscheinen auf dem benachbarten Bahnhof in Guntershausen überraschte die dort noch befindlichen Kurhessischen Truppen, die sich ohne großen Widerstand ergaben. Die Masse der Hessen, etwa 4000 Mann mit 16 Geschützen, war allerdings schon mit der Bahn nach Hünfeld entkommen und marschierte anschließend weiter nach Hanau. Ihr Oberbefehlshaber, Kurfürst Friedrich Wilhelm, hatte sich dagegen

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entschlossen, in Kassel zu bleiben, wo er in Gefangenschaft geriet, als Beyers Truppen dort am 19. Juni eintrafen. Da der Landesherr das ihm nochmals vorgelegte preußische Ultimatum vom 15. Juni weiterhin entschieden ablehnte, wurde er fünf Tage später als Gefangener nach Stettin gebracht. Nach dem Krieg konnte er zwar auf das ihm belassene Schloss in Hanau zurückkehren, doch sein Kurfürstentum wurde mit Proklamation vom 8. Oktober 1866 neue preußische Provinz.42 In Hannover hatte König Georg V. am Mittag des 15. Juni, sogleich nach Zurückweisung des preußischen Ultimatums, seine Streitkräfte mobilisiert. Die Welfenarmee profitierte davon, dass Teile ihrer insgesamt vier Infanteriebrigaden schon vor der Zuspitzung der politischen Lage im Begriff waren, sich zu Manöverzwecken im nördlichen Teil des Königreiches zu versammeln.43 Nun wurden die Bataillone mittels Telegrafen rasch auf Hannover umdirigiert. Noch am Nachmittag des 15. Juni marschierten von dort die ersten Truppen mit der Eisenbahn nach Süden ab. Als Sammelraum für seine Armee hatte der seit 1851 regierende Monarch, der im Alter von 14 Jahren durch einen Unfall erblindet war, Göttingen bestimmt. Es war ausgerechnet jene Universitätsstadt, in der knapp 30 Jahre zuvor sieben Professoren seinem Vater, Ernst August, wegen Aufhebung der Landesverfassung offenen Widerstand geleistet und damit ihre Ablösung provoziert hatten. Drei Professoren mussten sogar das Land verlassen. Das Schicksal der Göttinger Sieben hatte damals ganz Deutschland aufgewühlt und der Welfenmonarchie einen bleibenden Ruf als Hort der politischen Reaktion eingebracht. Nun bildete die zweitgrößte Stadt seines Königreiches auch für Georg V. die letzte Etappe vor dem Exil. Wie sein Vater konnte er als dauerndes und höchst zweifelhaftes Vermächtnis nur die Einziehung einer freiheitlichen Verfassung, in seinem Fall die von 1848, verbuchen. Von Göttingen sollte seine nur mit der notdürftigsten Ausrüstung versehene Armee nach dem Eintreffen noch etlicher Nachzügler durch das Werratal Anschluss an die bayerische Armee gewinnen. Entgegen dem Rat Rudolf von Bennigsens, dem Führer der größten Fraktion im hannoverischen Landtag und 1859 einer der Mitbegründer des Deutschen Nationalvereins, hatte Georg V. voll auf die Karte Österreichs gesetzt. Der Welfe konnte sich offenbar

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nicht vorstellen, dass der preußische König, der immerhin sein Vetter war, ganz Hannover einfach annektieren würde und dass er selbst nie wieder in seine Hauptstadt zurückkehren sollte. Während der blinde Monarch, begleitet vom Kronprinzen und seinen führenden Ministern und Militärs, darunter Oberbefehlshaber Alexander von Arentschildt, sich vorläufig in Göttingen eingerichtet hatte, verließ noch am Abend des 17. Juni, unmittelbar vor dem Eintreffen von Goebens Voraustruppen, der letzte mit Kriegsmaterial beladene Zug der Welfenarmee den Bahnhof der Hauptstadt in Richtung Süden. Trotz der bis zuletzt abgehenden Transporte fielen den ankommenden Preußen noch 60 Geschütze, 12 000 Gewehre und 200 Zentner Pulver in die Hände.44 Divisionskommandeur August von Goeben, selbst ein gebürtiger Niedersachse, war in diesen dramatischen Stunden, da erstmals seit den Tagen Napoleons wieder Deutsche gegen Deutsche kämpften, bei seinen Verwandten in Hannover durchaus nicht willkommen. Sein jüngerer Bruder, Wilhelm von Goeben, war immerhin Offizier der hannoverischen Armee und kämpfte zehn Tage später als Bataillonskommandeur bei Langensalza gegen die Preußen.45 Nur zwei Tage nach Beginn des Feldzuges hatte Vogel von Falckenstein die Masse seiner beiden Divisionen im Raum Hannover versammelt, doch eine rasche Verfolgung des Gegners schien nicht mehr möglich, da die Eisenbahn nach Göttingen erwartungsgemäß durch Sprengung dreier Leinebrücken unpassierbar geworden war. Per Telegraf war Moltke in Berlin über den Stand der Operationen gut im Bilde. Nach seinem Geschmack agierte Falckenstein allerdings viel zu bedächtig. Als sich am 20. Juni die Meldungen von Agenten, Korrespondenten und örtlichen Behörden verdichteten, dass die hannoverische Armee inzwischen aus Göttingen aufgebrochen war, um über Mühlhausen, Eisenach und Heiligenstadt den Thüringer Wald zu erreichen, regte er bei dem Oberbefehlshaber an, sogleich eine von Manteuffels Brigaden in einer weit nach Osten ausholenden Bewegung per Eisenbahn über Magdeburg, Halle und Erfurt in den Raum von Eisenach zu transportieren.46 Es wäre der erste operative Einsatz der Eisenbahn gewesen, um direkt in den Rücken des Gegners zu fahren. Doch Falckenstein misstraute den Ratschlägen des Berliner Schreibtischgenerals, der zudem noch im

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Dienstalter unter ihm stand. Keinesfalls wollte er sein Armeekorps, das er nun glücklich zusammenhatte, sogleich wieder zersplittern. Mit Verdruss musste Moltke zur Kenntnis nehmen, dass der eigensinnige General schon eine der Brigaden Manteuffels mit der Bahn nach Seesen transportieren ließ, wo sie, nur einige Dutzend Kilometer südlich von Hannover, mit Goebens Division vereinigt werden konnte. Gewonnen war damit jedoch so gut wie nichts. Obwohl sonst ein warmer Befürworter des preußischen Auftragssystems, das den Kommandeuren nur das militärische Ziel vorgab, die dazu notwendigen Mittel und Schritte aber ihrer Wahl überließ, sah sich der preußische Generalstabschef jetzt genötigt, direkt in den Gang der Operationen einzugreifen. Mit Eisenbahnen und Telegrafen besaß Moltke inzwischen auch die Mittel dazu. Wie in kaum einer anderen Phase dieses Krieges zeigten sich gerade im Feldzug gegen Hannover die Anfänge eines völlig neuen Kriegsbildes. Erstmals besaß der Generalstabschef in Berlin dank der zahlreichen telegrafischen Lagemeldungen aus dem Kriegsgebiet ein sich rasch aufbauendes eigenes Lagebild, das den Kenntnisstand des Befehlshabers vor Ort nicht nur ergänzte, sondern in diesem konkreten Fall sogar realistischer ausfiel. Auch wenn viele Meldungen von Korrespondenten oder Agenten der Gerüchteküche entstammten oder vielfach nur als blanker Unsinn bezeichnet werden konnten,47 war hier erstmals die klassische Struktur des Nachrichtenwesens, die bisher den Truppenführern im Kriegsgebiet ein Informationsmonopol gesichert hatte, auf den Kopf gestellt. Jetzt erst konnte man von echten Hauptquartieren sprechen. In diesen letzten Junitagen des Jahres 1866 war somit Dank der elektrischen Telegrafie schon der erste Schritt zum Informationsmanagement des modernen „Centric Network Warfare“ getan. Es entbehrt nicht der Ironie, dass gerade der Starrsinn eines überalterten preußischen Befehlshabers eine operative Aushilfe erzwang, die 1866 das Tor zur modernen Kriegführung aufstieß. Nachdem Falckenstein auf Moltkes Vorschlag einer raschen Umgehung des Feindes mit der Eisenbahn nicht reagiert hatte, schritt der verärgerte Generalstabschef zur Selbsthilfe. Noch am 20. Juni abends befahl er per Telegraf den Eisenbahntransport einer Abteilung Infanterie, knapp 400 Mann, von Erfurt nach Gotha. Zwei

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weitere Bataillone folgten auf demselben Wege, aber diese Kräfte reichten bei Weitem nicht aus, um den dort vermuteten Durchbruch der Welfenarmee zu stoppen. Auch in den nächsten beiden Tagen, als sich die Meldungen verdichteten, dass die Hannoveraner Göttingen schon verlassen hätten, weigerte sich Falckenstein weiterhin, auf die Vorschläge aus Berlin einzugehen. Er scheute sich sogar nicht, falsche Meldungen abzugeben. So behauptete er etwa am 21. Juni, dass sich die Brigade des Generalmajors Eduard Moritz von Fließ bereits in der Konzentration auf Nordheim befände. Tatsächlich aber hatte dessen Verband einen Ruhetag in Celle eingelegt und hätte ohne Weiteres sofort mit einem von Moltke bereits per Telegraf organisierten Eisenbahntransport nach Gotha transportiert werden können. Als die hannoverische Armee am 22. Juni schließlich bei Heiligenstadt preußisches Territorium erreichte, war nicht nur Moltkes Geduld zu Ende. Von allen Seiten erhoben sich nun in der Generalität Stimmen gegen den scheinbar uneinsichtigen General. Alle Höflichkeit ablegend befahl Moltke jetzt Falckenstein „unverzüglich“ den sofortigen Abtransport einer Brigade nach Gotha, stieß aber nach wie vor auf taube Ohren. Als ob er den Befehl nie erhalten hätte, meldete Falckenstein nach Berlin, dass er am kommenden Tag über Kassel nach Frankfurt marschieren werde, wo sich einem Telegramm Bismarcks zufolge, die „Reichsarmee“ noch in der Aufstellung befand.48 Gemeint war damit das VIII. Bundeskorps mit den Kontingenten der südwestdeutschen Staaten unter dem Befehl des Herzogs Alexander von Hessen. So blieb Moltke nichts anderes übrig, als zu versuchen, die hannoverische Armee mit einer List aufzuhalten.49 Noch am selben Tag schickte er den Oberst Hermann von Fabeck mit einer Aufforderung zur Kapitulation in das Feldlager des Gegners, der inzwischen Langensalza besetzt hatte. Man sei umstellt und ein Entkommen nach Süden nicht mehr möglich, lautete die dreiste Botschaft des preußischen Parlamentärs. Dass Falckenstein sich immer noch weigerte, endlich das Naheliegende zu tun, konnten die Hannoveraner nicht wissen. König Georg V. wies das preußische Angebot zwar zunächst zurück, entschloss sich dann aber doch, den Kontakt mit den Preußen nicht abreißen zu lassen, und schickte einen eigenen Offizier mit einem Gegenvorschlag nach Gotha. Darin sicherte der Wel-

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fenmonarch den Preußen im Austausch für einen freien Abzug nach Süden zu, für wenigstens acht Wochen neutral zu bleiben. Nicht zuletzt hofften die Hannoveraner aber auch, durch ihren Emissär ein Bild von den in Gotha tatsächlich vorhandenen Truppen des Gegners zu gewinnen.50 Währenddessen traf Generalleutnant von Arentschildt alle Vorbereitungen für einen Durchbruch seiner vier Brigaden bei Eisenach, das Kavalleriepatrouillen am Abend desselben Tages noch vom Feinde unbesetzt vorgefunden hatten.51 Als jedoch am nächsten Morgen der Offizier aus Gotha nach Langensalza zurückkehrte und fälschlicherweise von bedeutenden preußischen Truppenansammlungen in der Stadt berichtete, entschied der König, den eingeleiteten Durchbruch bei Eisenach vorerst abzublasen. Auch wenn inzwischen König Wilhelm höchstselbst noch zwei Bataillone seiner Garde aus Berlin nach Eisenach in Marsch gesetzt hatte, die in der Nacht zum 24. Juni ohne Artillerie dort eingetroffen waren, hätte ein energischer Durchbruchsversuch der Hannoveraner am nächsten Tag immer noch Erfolg haben können. Doch der Welfe glaubte tatsächlich, dass die Preußen auf sein Angebot einer begrenzten Neutralität eingingen – nur eine offizielle Bestätigung aus Berlin schien noch auszustehen –, und befahl erst einmal für den 25. Juni einen Ruhetag.52 Dass sein Versprechen einer achtwöchigen Neutralität für die Preußen keinerlei Wert hatte und man in Berlin nur versuchte, ihn hinzuhalten, erkannte er offenbar nicht. So bitter nötig die hannoverischen Truppen nach zehn Tagen Marsch auch ihren Ruhetag hatten, für die Armeeführung war es verschenkte Zeit, die kaum mehr eingeholt werden konnte. Denn inzwischen zog sich der preußische Ring um die Welfenarmee stetig enger zusammen. Am Abend des 25. Juni hatte Goebens Division über Kassel endlich Eisenach erreicht. Bei Gotha stand inzwischen die Brigade von Generalmajor von Fließ mit 8000 Mann, die Falckenstein doch noch mit der Eisenbahn über Magdeburg und Halle in Marsch gesetzt hatte. Zuletzt hatte sogar König Wilhelm persönlich seinen widerspenstigen General dazu auffordern müssen. Etwa in gleicher Stärke hatte eine weitere preußische Brigade den Werraabschnitt zwischen Kreuzburg und Treffurt besetzt. Das Schicksal der Hannoveraner wäre somit bereits jetzt besiegelt gewesen, wenn Falckenstein nicht noch einen weiteren Fehler

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begangen hätte. Anstatt sofort mit sämtlichen verfügbaren Kräften den umstellten Gegner zu attackieren und zur raschen Kapitulation zu zwingen, befahl er Goebens Division, vorerst in Eisenach zu bleiben. Meldungen hatten ergeben, dass starke bayerische Kräfte sich bereits bis auf 60 Kilometer an Eisenach herangeschoben hätten, was nicht ganz stimmte. Tatsächlich war die Masse der bayerischen Armee am 26. Juni noch nicht über Mellrichstadt hinausgekommen, nur die Kavallerie stand bei Wasungen. Im bayerischen Hauptquartier in Bamberg hatten Generalfeldmarschall Prinz Karl und sein Chef des Stabes, Generalleutnant Ludwig von der Tann, tags zuvor noch eine Konzentration ihrer vier Infanteriedivisionen nördlich von Schweinfurt angeordnet, wo man leicht einen Schulterschluss mit dem VIII. Bundeskorps herstellen konnte. Gerüchte von einem Waffenstillstand und Verhandlungen Hannovers mit Preußen hielten sie zunächst davon ab, weiter nach Norden vorzustoßen. Schließlich wollte man nicht am Ende allein auf Falckensteins gesamte Armee treffen.53 Noch am Vormittag des 25. Juni traf dann aber eine Meldung des hannoverischen Gesandten am Münchener Hof im Bamberger Hauptquartier ein, dass König Georg V. mit seiner Armee bei Gotha oder Eisenach durchbrechen wolle und auf ein hilfreiches Entgegenkommen der Bayern rechne. Darauf hatte sich von der Tann entschlossen, seine Kavallerie nun doch auf Meiningen und weiter auf Wasungen vorzuschieben, das nur noch 40 Kilometer, also einen strammen Tagesmarsch, von Eisenach entfernt lag. Innerlich lehnte der General den Krieg gegen Preußen, den er als Bruderkrieg empfand, ab. Auch glaubte er nicht mehr so recht an einen österreichischen Sieg, nachdem er erst am 16. Juni aus Wien zurückgekehrt war. Auch das Zögern und die Mutlosigkeit der Hannoveraner beunruhigten ihn. Gleichwohl sah er es als seine Pflicht an, das Nötigste zu tun, um die Hannoveraner aufzunehmen. Als nun am 25. Juni nachmittags ein hannoverischer Kurier, ein gewisser Archivrat Onno Klopp, in Bamberg erschien und sich herausstellte, dass die Meldung des hannoverischen Gesandten aus München auf Informationen beruhte, die schon 24 Stunden alt waren, sah die bayerische Armeeführung keine Veranlassung, ihre bisherigen Dispositionen zu beschleunigen. Bestätigte sich das Durchbrechen der Hannoveraner, würden die nach

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Norden vorgeschobenen Kavalleriespitzen dies bald herausfinden und es bliebe immer noch Zeit genug, Infanterieverbände heranzuziehen. Sollten dagegen König Georg V. und seine Generale mit dem Durchbruch bei Gotha oder Eisenach weiter zögern und sich am Ende von den Preußen neutralisieren lassen, käme die bayerische Armee noch aus der Falle heraus. Auf preußischer Seite aber rechnete von Falckenstein in Unkenntnis der bayerischen Kalkulationen mit einem Entsatzangriff von Süden her, gegen den er Goebens Division bei Eisenach in Position beließ. Somit stand zunächst nur die Brigade „Fließ“ auf der Straße zwischen Gotha und Langensalza den Hannoveranern gegenüber. So trugen die Bayern trotz ihrer berechtigten Zurückhaltung dazu bei, dass der Welfenarmee bei Langensalza noch ein letzter, aber nutzloser Achtungserfolg gegen Preußen gelang.

Auf den Spuren Radetzkys – Österreichs Sieg in der zweiten Schlacht von Custoza „Man kann nicht leugnen, dass die Italiener [bei Custoza] sich mit großer Bravour und Ausdauer schlugen; aber in jedem Moment des Kampfes fällt der Mangel an Zusammenhang, an tüchtiger Leitung auf und das Hervortreten einer schnellen Ermattung namentlich bei der Führung, der Mangel an Zähigkeit.“ Wilhelm Rüstow 186654 Auf den Spuren Radetzkys

Das italienische Festungsviereck zwischen Mincio und Adda war eines der wichtigsten militärischen Verteidigungswerke des Habsburgerstaates. In den 1820er-Jahren begonnen und seither laufend verstärkt, bestand es zunächst aus den Bastionen Peschiera am Südufer des Gardasees und Mantua vor der Mündung des Mincio in den Po. In zweiter Linie lagen an der Adda Legnano und schließlich

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Verona. Mit ihren sechs Brücken kontrollierte die Stadt, in der sich seit 1860 auch das österreichische Oberkommando befand, die wichtigsten Übergänge über den etwa 80 Meter breiten Fluss, der, mit starker Strömung aus den Tiroler Alpen kommend, sich durch das von der Malaria verseuchte Marschland Venetiens in die Adria wälzte. Nur an wenigen Stellen außerhalb des Festungsvierecks war die Adda wirklich passierbar. Habsburgs Ingenieure hätten somit kaum einen günstigeren Ort für ihr sogenanntes Quadrilateral aussuchen können. Den meisten Bewohnern des Lombardo-Venezischen Königreichs aber galt das vierfache Festungswerk schon lange als Symbol der verhassten österreichischen Zwingherrschaft. Dass die vier Bollwerke der Monarchie nicht nur als strategischer Rückhalt in der Defensive dienten, sondern auch als Basis und Sprungbrett für eigene Offensiven, hatte Graf Radetzky im Frühsommer 1848 eindrucksvoll demonstriert. Nach der Aufgabe von Mailand war er mit seiner Armee zunächst in den Schutz der vier Festungen ausgewichen, um von dort aus seine vernichtenden Gegenschläge zu führen. Genau hier war auch elf Jahre später der Vormarsch der französisch-piemontesischen Armee zum Stillstand gekommen. Mit den Feldzügen des alten Radetzky bestens vertraut, hatte Napoleon III. damals das Risiko gescheut, über den Mincio mitten in die Höhle des Löwen zu marschieren. Seit im Anschluss an den Krieg von 1859 das Königreich Italien entstanden war, ragte das österreichische Festungsviereck als bedrohlicher Pfahl in die Nordwestgrenze des neuen Nationalstaates. Wie die Beseitigung des restlichen Kirchenstaates war die Einnahme der mächtigen Barriere, die das noch habsburgische Venetien schützte, eines der vorrangigen Ziele aller rasch wechselnden italienischen Regierungen. Erwartungsgemäß spielte das Festungswerk auch im dritten Italienischen Krieg von 1866 eine zentrale Rolle in der österreichischen Verteidigungsstrategie. Wien hoffte, gestützt auf seine vier Bastionen, die Italiener mit einer nur kleinen Streitmacht zwischen Mincio und Adda aufhalten zu können, bis die Entscheidung in Böhmen zugunsten der Nordarmee gefallen war. Das Kommando über die österreichische Streitmacht in Italien, die am 18. Mai 1866 offiziell die Bezeichnung „Südarmee“ erhielt, hatte

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Kaiser Franz Joseph seinem Onkel, Erzherzog Albrecht, übertragen. Der Sohn des renommierten Siegers von Aspern war erst im April 1863 ohne ersichtlichen Anlass zum Feldmarschall befördert worden. Mit diesem höchsten militärischen Dienstgrad in der Monarchie wäre der 49-jährige Erzherzog eigentlich der erste Kandidat für das Kommando über die Nordarmee gewesen. Doch gegen die Preußen wollte Albrecht nicht führen, schien sich sogar davor gedrückt zu haben. Seine Ernennung zum Oberbefehlshaber in Italien habe er schließlich, so Prinz Alexander von Hessen, mit „kindischer Freude“ aufgenommen.55 Noch am 5. Mai reiste der Erzherzog nach Verona ab, wo ihn sein neuer Chef des Stabes, Generalmajor Franz John, in Empfang nahm. Der 51-jährige Offizier galt als einer der besten Soldaten der Monarchie, hatte noch als Hauptmann unter Radetzky gekämpft und 1849 den begehrten Maria-Theresia-Orden erhalten. Mit den italienischen Verhältnissen war er bestens vertraut. Die habsburgische Südarmee bestand im Mai 1866 im Kern aus drei Armeekorps zu je drei Brigaden und insgesamt vier Kavallerieregimentern. Mit ihnen musste Albrecht nicht nur die Minciolinie zwischen Peschiera und Mantua halten, sondern auch eine lange Südflanke entlang des Po. Unter Hinzuziehung von einem Dutzend Festungsbataillonen gelang es den Österreichern, eine Streitmacht von immerhin 71 500 Mann Infanterie, 3500 Kavalleristen und 168 Geschützen aufzubieten und hinter der Adda bei Verona zu versammeln. John und Albrecht hatten dafür gesorgt, dass, anders als 1859, nur Offiziere mit militärischen Verdiensten zum Führungspersonal der Armee gehörten, Hofgünstlinge oder sonst wie entbehrliches Personal waren rasch ausgemustert und nach Wien zurückgeschickt worden. Sämtliche Korps- und Brigadekommandos sowie die Spitzen der beiden Kavalleriebrigaden hatte der Hocharistokrat Albrecht sogar mit bürgerlichen Generalen besetzt.56 Auf der Gegenseite war die italienische Armee im Kern die alte Streitmacht des Königreiches Piemont-Sardinien. Auf dem Papier hatte sie sich seit der Staatsgründung im März 1861 auf 20 Divisionen zu 12 000 Soldaten vervierfacht, doch besaß sie weder inneren Zusammenhalt noch in ausreichender Zahl ein geschultes Offizierkorps. Nach der Beobachtung Theodor von Bernhardis, Moltkes Militärbeauftragtem in Italien, waren sogar sämtliche Verbände der

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piemontesischen Armee aufgelöst und einschließlich ihrer Offiziere als Kader auf neu aufgestellte Regimenter verteilt worden. Die landsmannschaftliche Vermischung in den Regimentern sollte das Nationalgefühl der Soldaten stärken.57 Da etwa ein Drittel der Armee im Frühjahr 1866 noch auf dem Gebiet des ehemaligen Königreiches „Beider Sizilien“ gegen Briganten und Mafiosi eingesetzt gewesen war und zudem die Armeeführung generell auf Rekruten aus dem Mezzogiorno verzichtet hatte, erreichte die tatsächliche Stärke der meisten italienischen Divisionen nur etwa 8500 Mann. Preußens südlicher Alliierter konnte somit gerade einmal 165 000 Soldaten gegen Habsburg aufbieten.58 Auch sonst hatte Berlin wenig Anlass mit den militärischen Anstrengungen der Italiener zufrieden zu sein. Als preußische Truppen am 16. Juni über Elbe, Weser und Lahn gegen Hannover und Kurhessen losschlugen, war auf italienischer Seite noch erschreckend wenig geschehen, um in irgendeiner Form gegen die Österreicher offensiv zu werden. Moltke zeigte sich höchst ungeduldig und sein Militärbeauftragter in Florenz, Legationsrat von Bernhardi, wunderte sich, dass noch Mitte Juni viele Offiziere im italienischen Feldlager von Bologna ihren Dienst im leichten Sommeranzug versahen. Wie in einer Armee, die derartige Praktiken duldete, Disziplin durchgesetzt werden sollte, war dem Preußen schleierhaft.59 Trotz aller offenkundigen Mängel war Italiens Streitmacht den Österreichern wenigstens numerisch deutlich überlegen und Erzherzog Albrecht musste damit rechnen, dass der Gegner seine Armee teilen würde, um ihn gleichzeitig über Mincio und Adda anzugreifen. Wo aber der Hauptstoß geführt werden sollte, hatte das italienische Oberkommando immer noch nicht entschieden. In der obersten Führungsebene der Armee herrschten starke Rivalitäten. Eine klare Kompetenzverteilung gab es nicht. Nominell hatte zwar König Vittorio Emanuele II. den Oberbefehl über die Armee übernommen, doch dem 46-jährigen Monarchen, durchaus ein Herrscher von klarem Verstand und liberalen Neigungen, fehlten für diese Aufgabe Erfahrung und vor allem die strategische Schulung. Auch wenn er schon im Krieg von 1859 die piemontesischen Truppen persönlich kommandiert hatte, erforderte doch die Führung dreier Armeekorps mit mehr als 100 000 Mann weit höhere

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Qualitäten. Der Mann, der ihm hierbei hätte sekundieren können, war General Alfonso La Marmora, ein Absolvent der Turiner Kriegsschule, der schon als junger Offizier beste Kontakte zum Herrscherhaus besaß. Der Veteran aus dem ersten Krieg gegen Habsburg hatte zwar 1855 auch das sardische Kontingent vor Sewastopol geführt, besondere militärische Erfolge waren ihm jedoch nicht geglückt. Theodor von Bernhardi, der den Italiener in mehreren Besprechungen kennengelernt hatte, charakterisierte ihn als einen beschränkten und überforderten Mann, der für Ratschläge jeder Art völlig unzugänglich war.60 Obwohl seit 1864 Ministerpräsident Italiens, hatte La Marmora Anfang Juni 1866 selbst den scheinbar so ehrenvollen Posten des Generalstabschefs der Armee angetreten, womit das Befehlschaos vollkommen war. Als Kabinettschef war er etwa befugt, Kriegsminister Ignatio Pettinengo Befehle zu erteilen, unterstand ihm aber gleichzeitig als Generalstabschef. Im italienischen Kriegsrat setzte sich La Marmora vehement dafür ein, mit der Hauptmacht aus elf Divisionen den Minico an drei Stellen zu überqueren und die Österreicher direkt in ihrem Festungsviereck anzugreifen. Um die Kräfte des Gegners zu zersplittern, sollte eine nur halb so starke Gruppierung unter General Enrico Cialdini über Po und Adda die österreichische Position bei Verona im Rücken bedrohen. Cialdini hatte 1860 / 61 die Beschießung von Gaeta geleitet, wo sich König Francesco II. mit dem Rest seiner Armee verschanzt hatte. Für seine zweifelhafte Waffentat, der auch viele Zivilisten zum Opfer gefallen waren, hatte König Vittorio Emanuele II. seinen General zum „Herzog von Gaeta“ ernannt. Cialdini, dem 1866 selbst das Amt des Generalstabschefs angeboten worden war, machte keinen Hehl daraus, dass er La Marmoras Plan rundweg ablehnte. Seiner Ansicht nach, die von Moltke und seinem Bevollmächtigten Bernhardi wärmsten unterstützt wurde, konnte ein massiver Stoß über den Mincio nur zu einer Wiederholung der Niederlage von 1848 führen. Cialdini machte sich dagegen dafür stark, mit der gesamten italienischen Streitmacht über Adda und Po auf Padua und Vicenza vorzustoßen. Damit wäre die österreichische Hauptarmee gezwungen, nach Osten auszuweichen, wo man sie im offenen Feld mit überlegenen Kräften schlagen konnte. In erstaunlicher Überschätzung des südlichen Alliierten hoffte Moltke sogar, dass dann

Pastrengo

Gardasee

Adige

Pescantina )

sch

(Et

V e n e t i e n

Schlacht von Custoza 24. Juni 1866 Österreicher Italiener

Verona

S. Giustina di Patazzol

S. Massimo

Peschiera Res. Div. Rupprecht

Sona

Castelnovo VII. Armee Korps

S. Lucia

N

IX. Armee Korps

Sommacampagna

Oliosi Div. Pianella

Div. Cerale

Kav. Brig. Puls Div. Govone

Monzambano Div. Sirtosi

Mi

nci

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KGR. I TA L I E N

S

V. Armee Korps

Valeggio

Cadi David

Div. Brignone

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Die Schlacht bei Custozza am 24. Juni 1866

Sandra

Custoza Div. Div. Brixio Cúgia Tion e

Div. Humbert

Villafranca

Povegliano

Castel d’Azzano

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Buttapietra

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auch eine italienische Offensive bis vor die Tore Wiens möglich sei.61 Sehr zum Verdruss des preußischen Generalstabschefs lehnte jedoch La Marmora den Plan seines Rivalen im Kriegsrat ab. Dafür gab es sogar sachliche Gründe, denn das Risiko einer doppelten Flussüberquerung mit nur ungenügendem Brückenmaterial war tatsächlich zu hoch.62 Cialdinis Streitmacht blieb somit auf fünf Divisionen und eine undankbare Nebenrolle beschränkt. Auf österreichischer Seite waren Albrecht und John zwar nicht über die Details der gegnerischen Absichten unterrichtet, doch hofften sie von Beginn an auf das, was La Marmora nun tatsächlich plante: einen energischen Stoß über den Mincio bis vor die Tore Veronas. In voller Übereinstimmung mit seinem Stabschef hatte sich der Erzherzog für diesen Fall entschlossen, seine begrenzten Kräfte nicht zu teilen, sondern mit jedem verfügbaren Gewehr und Geschütz über den stärksten Gegner herzufallen und ihn zu schlagen. An der Adda verblieben daher nur ein einziges Jägerbataillon sowie ein Husarenregiment.63 Beide kalkulierten, dass Cialdinis Armee mindestens fünf Tage benötigen würde, ehe sie das doppelte Flusshindernis aus Po und Adda überwunden haben würde. Bis dahin aber hofften Albrecht und John, schon am Mincio gesiegt zu haben, um sodann mit der ganzen Armee gemäß der Strategie der Inneren Linie über Cialdinis Armee herzufallen, die dann zwei Flussläufe in ihrem Rücken haben würde. Nach langem Drängen aus Berlin hatten sich die Italiener endlich am 20. Juni zur Aufkündigung des Waffenstillstandes von 1859 durchringen können. Ein formaler Friedensvertrag zwischen beiden Mächten existierte nicht. Erst zwei Tage zuvor war La Marmora aus der Hauptstadt Florenz in das Feldlager bei Piacenza abgereist, um seine Aufgaben als Generalstabschef zu übernehmen. Am 23. Juni sollte der Angriff endlich beginnen, teilte er Berlin mit. Zusätzlich zu den drei festen Brücken über den Mincio bei Mozambano, Valeggio und Goito ließ La Marmora noch zwei Pionierbrücken anlegen. Dass die Österreicher die festen Übergänge nicht gesprengt hatten, schien ihn nicht zu irritieren. Er vermutete die Hauptmasse des Gegners noch immer hinter der Adda und fand sich in seiner Ansicht bestätigt, als sich herausstellte, dass sogar das Höhengelände in seiner linken Flanke zwischen Custoza und Som-

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macampagna vollkommen unbesetzt war. Es kam ihm auch nicht in den Sinn, einen Teil seiner immerhin 50 Kavallerieschwadronen zur Gefechtsaufklärung einzusetzen. Obwohl von den Österreichern nicht gestört, gelang es den Italienern bis zum Abend nicht mehr als 60 000 Mann mit 122 Geschützen über den Fluss zu bringen. Schuld daran trugen nicht nur die Unzulänglichkeiten in der Marschplanung, sondern auch La Marmoras Entscheidung, zwei Divisionen seines II. Armeekorps zur Abriegelung der Festung Mantua einzusetzen. Die zwei verbleibenden Divisionen dieses Korps hielt er sogar als Reserve hinter dem Mincio zurück. Da im Norden noch eine weitere Division zur Überwachung von Peschiera eingesetzt war, konnte er schon nicht mehr auf eine numerische Überlegenheit gegenüber den Österreichern rechnen. Auf der Gegenseite waren Albrecht und John über die Bewegungen der Italiener durch ihre Informanten genau unterrichtet und mit dem Verlauf des ersten Tages hochzufrieden. Der Gegner verhielt sich wie erwartet. In einem Kriegsrat am Nachmittag in Verona wurden die letzten Dispositionen für den kommenden Tag festgelegt. Während die Spitze der italienischen Armee zwischen Villafranca und Custoza von der Kavallerie beschäftigt werden sollte, hatte sich die Masse der Armee, insgesamt drei Armeekorps sowie die Reservedivision „Rupprecht“, entlang der Nordflanke des Gegners über Sona und St. Giorgio mit Front nach Süden zu formieren, um durch einen massiven Stoß auf die Mincioübergänge bei Mozambana und Vallegio den Italienern den Rückzug abzuschneiden. Nach einem ähnlichen Plan hatte schon Graf Radetzky am 25. Juli 1848 die Piemontesen in der ersten Schlacht von Custoza geschlagen. Noch am 23. abends sollte sich das V. Armeekorps unter Feldmarschall-Leutnant Gabriel Rodic bei Castelnovo mit der Reservedivision vereinigen, um am nächsten Morgen zunächst die Ortschaft Oliosi mit dem Monte Cricol zu stürmen. Dreh- und Angelpunkt dieser risikoreichen Operation aber war das Höhengelände zwischen Castelnovo und Sommacampagna. Es musste zu Beginn des Gegenschlages in eigener Hand sein, durfte aber auch nicht zu früh besetzt werden, um damit die Italiener zu warnen. Dem IX. Österreichischen Korps unter Feldmarschall-Leutnant Ernst Hartung

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war die Aufgabe zugedacht, über Sommercampagna direkt gegen die beiden Hügel (Belverdere und Mont Croce) unmittelbar nördlich von Custoza vorzugehen und dort die Spitze der Italiener frontal zu binden. Das VII. Armeekorps des Feldmarschall-Leutnants Joseph Maroicic, das von St. Bonifacio, etwa 25 Kilometer östlich von Verona, einen mehrstündigen Anmarsch bei mörderischer Hitze gehabt hatte, gedachten Albrecht und John als Reserve einzusetzen.64 Die Eröffnung der Schlacht fiel der österreichischen Kavallerie zu, die sich in zwei Brigaden gegliedert um kurz nach 7 Uhr auf die beiden völlig überraschten Divisionen des III. Italienischen Armeekorps bei Villafranca warf. Die Italiener waren gerade damit beschäftigt, ihr Frühstück abzukochen, als sie das Feuer der österreichischen Geschütze zu den Gewehrpyramiden trieb. Dass Oberst Ludwig Puls, der Führer der 1. Kavalleriebrigade dabei deutlich über seinen Auftrag hinausging und es tatsächlich fertigbrachte, seine 3000 Reiter in das Feuer von 18 000 Infanteristen zu führen, konnte Albrecht nicht vorhersehen. Ebenso wenig aber konnte er ahnen, dass gerade dieser unbedachte Angriff, allen voran die TraniUlanen unter Oberst Maximilian von Rodakowsky, auf die Italiener nachhaltigen Eindruck machte. Obwohl der Angriff der österreichischen Reiterei von den rasch formierten Infanteriekarrees mühelos abgewehrt werden konnte, wobei immerhin 200 Reiter verloren gingen, war der Kommandierende General Enrico Della Rocca zutiefst beunruhigt von der Wucht der Attacke. Musste er nicht damit rechnen, dass ihr noch heftigere österreichische Angriffe folgten? Dass Puls’ Reiter völlig isoliert agierten, konnten sich weder er noch La Marmora selbst, der den Angriff vom Mont Croce aus mit angesehen hatte, vorstellen. So verharrte Della Rocca, zumal ihm auch La Marmora noch einmal ausdrücklich den Befehl dazu erteilt hatte, mit seinem Korps bis zum Abend untätig in der erreichten Position bei Villafranca.65 Dass der ambitionierte Plan der österreichischen Heeresleitung an diesem Tage nicht ganz aufging, lag aber weder an den Italienern noch an Feldmarschall-Leutnant Hartung, der mit seinem Korps vielleicht zu früh und zu heftig den Gegner bei Custoza attackierte. Den wohl entscheidenden Fehler hatten Albrecht und John selbst begangen, als sie den rechten Flügel vor Oliosi nicht stark ge-

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Der Angriff der 6. Eskadron des Ulanenregiments Franz’ II. in der Schlacht bei Custoza am 24. Juni 1866. Heliogravure des k.u.k. Militärgeographischen Institutes nach einem Gemälde von Julius von Blaas

nug machten. Generalmajor Friedrich Rupprechts Reservedivision aus zwei Brigaden erwies sich jedenfalls als zu schwach, ihre weit gesteckten Ziele zu erreichen. Schon bei ihrem Angriff auf Oliosi musste sie von einer Brigade des benachbarten V. Armeekorps unterstützt werden. Zwar gelang es, den Mont Crical wie auch das südlich davon gelegene Oliosi zu nehmen. Gegen 9.30 Uhr war die Ortschaft nach heftigem Straßenkampf in österreichischer Hand, die hier verteidigende Division praktisch zerschlagen und ihr Kommandeur, Generalmajor Enrico Cerale, an der Hüfte verwundet. Doch für einen weiteren Vorstoß auf die Brücke von Mozambano fehlte Rupprechts Brigaden jetzt die Kraft, zumal Generalmajor Giuseppe Pianell, den La Marmora mit seiner Division zur Überwachung von Peschiera detachiert hatte, aus eigenem Entschluss mit einer Brigade dem bedrängten Cerale zu Hilfe kam. So kühn Albrecht und John die Schlacht auch unter Zusammenziehung aller ihrer Kräfte geplant hatten, auf dem entscheidenden rechten Flügel hätte statt einer schwachen Reservedivision aus einigen Festungsbataillonen mindestens ein vollständiges Armeekorps angreifen müssen.

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Gegen Mittag zeichnete sich ab, dass der ursprüngliche Plan der Österreicher nicht mehr zu realisieren war, zumal auch Hartungs Brigaden vor Custoza unter starken Verlusten zurückgeworfen worden waren. Unterstützt von den Divisionen „Govone“ und „Cugia“ hatte General Filippo Brignone seine Stellungen auf dem Belvedere und dem Mont Croce behaupten können. Albrecht und John entschieden sich für die kleinere Lösung. Jetzt konnte es nur noch darum gehen, das Zentrum der Italiener bei Custoza zu vernichten. Dazu sollte Feldmarschall-Leutnant Rodic mit seinem V. Korps zur Deckung der rechten österreichischen Flanke den Mont Vento sowie das östlich davon gelegene St.  Lucia nehmen, um von dort gegen den linken Flügel der Italiener bei Custoza vorzugehen. Gleichzeitig wurde Hartung befohlen, sekundiert von Maroicics VII. Korps, seinen Frontalangriff auf die beiden Höhen nördlich von Custoza zu  erneuern. Der modifizierte Schlachtplan zeigte bald Erfolg. Kurz nach 14 Uhr meldete Rodic die Einnahme des Mont Vento, dessen Verteidiger völlig ungeordnet über die Brücke von Valeggio auf das westliche Mincioufer strömten. Daraufhin räumte auch die benachbarte Division „Sirtori“ ihre Positionen um St. Lucia, das die Österreicher kampflos besetzen konnten. Gegen 15 Uhr hatte sich somit die Lage der Italiener auf dem östlichen Mincioufer dramatisch verschlechtert. Während La Marmora versuchte, persönlich zwei seiner bisher in Reserve gehaltenen Divisionen über den Mincio zu schicken, eine Aufgabe, die auch ein Ordonanzoffizier hätte erledigen können, verharrte Della Rocca mit seinem Korps immer noch untätig bei Villafranca. Den drängenden Bitten seiner beiden Divisionskommandeure, des Kronprinzen Umberto und des Generals Nino Bixio, einem ehemaligen Anhänger Mazzinis, das Zentrum bei Custoza wenigstens mit einer Brigade unterstützen zu dürfen, widersetzte er sich beharrlich. Selbst General Giuseppe Govone, der persönlich aus Custoza herbeigeritten war, um Verstärkung anzufordern, musste mit leeren Händen zurückkehren. In ihrer rechten Flanke umfasst und frontal von zwei österreichischen Armeekorps attackiert, war die Lage seiner drei Divisionen auf dem Belvedere und dem Mont Croce bald unhaltbar geworden. Allein auf sich gestellt, räumte Govone zunächst die beiden Bergkuppen, die 40 österreichische Geschütze unter massives Feuer genommen

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hatten, und gab nach zweistündigem Kampf schließlich auch Custoza auf, dessen Straßen mit Toten und Verwundeten übersät waren. Gegen 18 Uhr war die Ortschaft vollständig in österreichischer Hand. Die Reste der drei italienischen Divisionen konnten, so gut wie unbehelligt von den erschöpften Siegern, die nur fünf Kilometer entfernten Brücken bei Valeggio erreichen. Die Einnahme von Custoza beendete die Schlacht, mit deren Ergebnis auch die österreichische Heeresleitung, gemessen an ihren ursprünglichen Zielen und La Marmoras Unfähigkeit, nicht zufrieden sein konnte. Zu einer energischen Verfolgung des Gegners waren zumindest die beiden zentralen Armeekorps nach einem ganzen Kampftag in brütender Hitze nicht mehr in der Lage. Auch die österreichische Kavallerie war nach den Aderlässen des Morgens zu schwach, um dem abziehenden Gegner noch ernsthaft zu schaden. So konnten dann auch Della Roccas Divisionen trotzig mit klingendem Spiel aus Villafranca abziehen. Dagegen schien Rodics V. Korps durchaus noch in der Lage, das Chaos der zurückweichenden italienischen Divisionen an den Übergängen bei Mozambano und Valeggio zu einer vollständigen Katastrophe zu steigern. Offiziere des Korps berichteten übereinstimmend, dass die Truppe dazu bereit gewesen sei. Ein bis zwei Stunden Ruhe hätten gereicht. Mit energischem Widerstand rechnete niemand mehr und die Bewohner der beiden Grenzorte, die am Vortag noch begeistert die italienische Flagge aus den Fenstern und von den Balkonen gehängt hatten, waren angesichts der ineinander verkeilten Trossfahrzeuge und einer Unzahl waffenloser Versprengter längst verstört in ihre Wohnungen zurückgekehrt. Doch weder Albrecht noch Rodic gaben den Befehl zur Verfolgung, der aus Custoza einen entscheidenden Sieg gemacht hätte. Zur Hebung der Moral und des Selbstbewusstseins in der Südarmee war der begrenzte Erfolg vom 24. Juni, dem siebten Jahrestag der Niederlage von Solferino, ungemein wichtig. Das österreichische Überlegenheitsgefühl über den alten Rivalen war auf den ersten Blick noch einmal eindrucksvoll bestätigt worden und voller Stolz kabelte Albrecht dem Feldmarschall Heß, seinem alten soldatischen Lehrmeister, noch am selben Abend die Nachricht von seinem Sieg. Sämtliche drei Korpsbefehlshaber erhielten vom Kaiser den begehr-

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ten Maria-Theresia-Orden verliehen und John wurde noch am nächsten Tag zum Feldmarschall-Leutnant befördert. Zur Champagnerstimmung gab es jedoch wenig Anlass. Die österreichische Verlustbilanz fiel mehr als ernüchternd aus. Immerhin 5100 Mann waren tot oder verwundet, 2700 Soldaten mussten als Vermisste ebenfalls abgeschrieben werden, sodass ein Zehntel der gesamten Südarmee verloren war. Die italienische Seite verzeichnete dagegen mit 723 Toten und 2750 Verwundeten deutlich geringere Verluste. Hinzu kamen noch 450 Vermisste, die wohl auch der Zahl der Toten hinzugefügt werden müssen. Nur die hohe Zahl von 3600 Gefangenen sorgte dafür, dass die Verluste der Mincio-Armee etwa in gleicher Höhe wie die des Siegers lagen. Viele Verletzte beider Seiten waren noch am selben Tag in der brutalen Sommerhitze an Dehydrierung verstorben. Wie so oft in den Schlachten des 19. Jahrhunderts war die medizinische Versorgung völlig unzureichend. So musste Oberst Otto Welsersheimb vom VII. Armeekorps am nächsten Morgen, mehr als zwölf Stunden nach dem Ende der Kämpfe, an seinen Befehlshaber melden, dass über 300 Verwundete seiner Brigade auf dem Belvedere noch keinerlei medizinische Versorgung erhalten hätten.66 Mit dem Tag von Custoza trat auf dem italienischen Kriegsschauplatz unversehens eine längere Kampfpause ein. Die Italiener glaubten genug getan zu haben, um ihre ungeduldigen preußischen Alliierten zu beschwichtigen. Wussten sie doch genau, dass ihnen Venetien auch ohne weitere Kämpfe sicher war, wenn die Preußen in Böhmen siegten. Albrecht und John wiederum zögerten nach ihrem unvollständigen Sieg, in die Offensive zu gehen und mit nur noch 60 000 Mann den Mincio zu überschreiten. Der Erzherzog wagte es nicht einmal, General Cialdinis Armee anzugreifen, der seine Übergangsversuche nach Bekanntwerden der italienischen Niederlage eingestellt hatte und nun versuchte, wieder Anschluss an die Hauptarmee jenseits des Mincio zu finden. Auf den ersten Blick erscheint Albrechts auf einmal so passive Haltung unverständlich. La Marmora, den bald darauf Cialdini als Generalstabschef ablöste, erhielt alle erdenkliche Zeit, seine Korps zu sammeln und neu zu formieren. Antiitalienische Bewegungen in Süditalien und im Kirchenstaat blieben somit ohne den erhofften Auftrieb. Das alles

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wussten Albrecht und John. Doch vorerst war Venetien unter einem hohen Preis behauptet worden, ihr Basisziel erreicht. Die Zerschlagung der gegnerischen Armee und vielleicht sogar des gesamten italienischen Staates, gewiss ein Fernziel der Wiener Politik, war nur mit Verstärkungen aus dem Norden zu realisieren, nach dem von Albrecht und John erhofften Sieg der Nordarmee in Böhmen.

Nutzloser Achtungserfolg der Hannoveraner – Die Schlacht bei Langensalza „Den meisten Eindruck machte auf uns das große Lazarett in der Dorfkirche zu Merxleben, das ,Schmerzenshaus von Merxleben‘ … Wer noch kein Lazarett gesehen oder vielleicht einen Roman, worin derlei schaurige Geschichten vorkommen, gelesen hat, könnte sich wohl denken, darin möchte ein geräuschvolles Leben, Stöhnen und Seufzen von Verwundeten, Röcheln und Schmerzensschreie von Sterbenden herrschen. Dort war es nicht so, geisterhafte Stille lag über dem Raume, rings alles stumm und ruhig, nirgends ein Ton, nirgends ein Laut. Nur die Ärzte gingen geräuschlos zwischen den Kranken hin und her und die barmherzigen Schwestern taten still und leise ihr edles, hilfreiches Werk.“ Erinnerungen des Jenaer Studenten Kurt Greß an Langensalza67 Nutzloser Achtungserfolg der Hannoveraner

Für die Bewohner von Langensalza in der sanften Niederung der Unstrut machte sich der Krieg von 1866 erstmals am 21. Juni bemerkbar, als die preußischen Behörden aus dem benachbarten Mühlhausen in größter Eile mit der königlichen Kasse im Gepäck die kleine Stadt auf ihrem Weg in die Festung Erfurt passierten. Die Beklommenheit unter den Bürgern steigerte sich noch, als kurz darauf auch die örtliche Post- und Telegrafenstation ihren Dienst einstellte.

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Seit 1802 und dann endgültig seit 1815 waren die etwa 9000 Bewohner des schmucken Städtchens mit seiner beeindruckenden mittelalterlichen Stadtmauer Teil der preußischen Provinz Sachsen. Man schien nicht unzufrieden mit den neuen Herren und ihrer zuweilen harten, aber stets korrekten Verwaltung gewesen zu sein, denn eine Schwadron preußischer Dragoner, die tags darauf in der Stadt erschien, um gegen die Hannoveraner aufzuklären, wurde mit lautem Hurra und vielen Getränken begrüßt. Dem Krieg war man im nördlichen Thüringen lange entwöhnt, der Bauernkrieg und die Schlacht von Frankenhausen nur noch eine blasse Erinnerung, ganz zu schweigen von den Kämpfen Heinrichs I. gegen die Ungarn oder dem großen Sachsenkrieg Heinrichs IV. im Jahre 1075. Als militärisches Durchmarschgebiet hatte Thüringen allerdings immer wieder die Lasten des Krieges ertragen müssen, zuletzt noch im Jahre 1806, als Napoleons Truppen auf ihrem Weg nach Jena und Auerstedt die Region passierten und dabei sämtliches Vieh und Getreide beschlagnahmten. Man kann es als eigentümliche Wendung des Kriegsverlaufes sehen, wenn das nordwestliche Thüringen durch den Zug der hannoveranischen Armee nach Süden das einzige Territorium des Hohenzollernstaates blieb, das 1866 überhaupt von einem Feind berührt wurde. Der erste Kontakt der Bewohner von Langensalza mit den unfreiwilligen Invasoren aus dem nördlichen Nachbarkönigreich ergab sich schon am 23. Juni, als ein Hauptmann der hannoverschen Armee nördlich der Stadt die Telegrafenleitungen zu kappen versuchte. Man setzte zwar den einsamen Offizier zunächst fest, sah sich kurz darauf aber schon mit einer nachfolgenden Kavallerieeinheit der Welfenarmee konfrontiert, die sich nur um den Preis einer großzügigen Beköstigung wieder besänftigen ließ. Noch am selben Tag erreichte das hannoversche Hauptquartier mit König Georg und dem Kronprinzen die Stadt und quartierte sich im Schützenhaus ein. Auch die Hausbesitzer in der Stadt entgingen nicht der feindlichen Einquartierung, und was von den Hannoveranern nicht unter einem festen Dach Platz fand, biwakierte vor der Stadt. Wer von den Bewohnern jedoch darauf gesetzt hatte, dass er von weitergehenden Kriegslasten verschont bliebe, wurde schnell enttäuscht. Anstatt zügig über Eisenach weiter nach Süden zu den Bayern zu stoßen, ließen sich die Welfen auf Ver-

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handlungen mit den Preußen ein, die aus preußischer Sicht keinem anderen Zweck dienten, als den Gegner vom Verlassen einer Falle abzuhalten, die noch gar nicht geschlossen war. Gerüchte von einer baldigen Neutralisierung der hannoverischen Armee und dem Abtransport in ihr Heimatland wechselten mit Nachrichten von einem unmittelbar bevorstehenden Ausbruch über die Bahnlinie von Eisenach nach Gotha. Kaum einer der Bürger Langensalzas rechnete am 27. Juni damit, dass ausgerechnet ihrer Stadt ein blutiger Kampf zweier Armeen unmittelbar bevorstehen würde. Viele Bürger trugen an diesem Mittwoch, der ein heißer Tag zu werden versprach, ihre beste Garderobe, um in einer der Kirchen der Stadt den vom König in der gesamten Monarchie angeordneten Bettag für das preußische Heer zu begehen. Am frühen Vormittag aber trieb rasch anschwellendes Artilleriefeuer aus Richtung Henningsleben die Leute wieder in ihre Häuser zurück. Die Preußen machten jetzt Ernst. Generalmajor Eduard Moritz von Fließ konnte als Bürgerlicher in der preußischen Armee auf eine eher zäh verlaufene Karriere zurückblicken. Im Alter von immerhin 62 Jahren hatte der Sohn eines Premierleutnants mit seiner Kavalleriebrigade am Dänischen Krieg teilgenommen und sich dabei mehrfach ausgezeichnet. Jedenfalls erhob ihn der König noch vor dem Ende der Feindseligkeiten in den Adelsstand und beförderte ihn kurz darauf zum Generalmajor. Nach dem Krieg von 1864 war Fließ als Kommandeur einer kombinierten Kavalleriebrigade in Schleswig verblieben und mit diesem Verband auch seit dem 16. Juni 1866 unter General von Manteuffel nach Hannover vorgerückt. Schließlich war Fließ mit der Führung des Detachements beauftragt worden, das auf Moltkes wiederholtes Drängen endlich am 26. Juni mit der Eisenbahn von Hannover über Magdeburg und Halle nach Gotha gebracht worden war. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit König Georg V. am 26. Juni kamen bald Gerüchte auf, die Hannoveraner wollten nunmehr zurück nach Norden in ihr Königreich. So sinnlos dieser Marsch auch erschien, er würde die Preußen weitere wertvolle Zeit kosten und die besaß man nicht. General Fließ erhielt also den Auftrag, mit seinem Verband dem Gegner „an der Klinge zu bleiben“ und seinen Abzug zu verhindern.68

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Auch wenn den Hannoveranern jetzt nur noch wenige Optionen blieben, an einen Rückmarsch dachten sie jedenfalls nicht. Stattdessen hatten sie nördlich von Langensalza mit drei Brigaden eine Defensivstellung entlang der Unstrut bezogen, wobei eine vierte Brigade unter Generalmajor Ernst von Knesebeck dicht hinter der Front in Reserve stand. Das Zentrum ihrer Position bildete die Ortschaft Merxleben mit dem beherrschenden Kirchberg oberhalb der Unstrut, die hier ein Stück fast parallel zu Salza floss. Die Ortschaften Thamsbrück im Westen und Nägelstadt im Osten markierten jeweils die Flügel der hannoverischen Aufstellung. Der etwa zehn bis zwölf Meter breite Fluss bildete bei rund einem Meter Tiefe für die Infanterie kein unüberwindbares Hindernis, Artillerie und Kavallerie waren allerdings auf die beiden Brücken angewiesen, die unterhalb des Kirchberges kurz hintereinander über Unstrut und Salza führten. Auch wenn Fließ’ Brigade, deren Kern sich aus den Infanterieregimentern Nr. 11 und Nr. 25 zusammensetzte, durch einige Ersatzund Landwehrbataillone auf rund 8000 Mann verstärkt worden war, bestand für die Preußen nicht die geringste Aussicht, den um das Doppelte überlegenen Gegner aus seiner starken Position zu vertreiben. Aber die bevorstehende Schlacht würde die Hannoveraner mindestens einen Tag bei Langensalza festhalten und das war auch der tatsächliche Zweck dieser isolierten Aktion. Da die Stadt selbst nicht ernsthaft verteidigt wurde und die als Vorposten eingeteilten Herzog-von-Cambridge-Dragoner sich rasch über die beiden Brücken nach Merxleben zurückzogen, konnte die preußische Avantgarde schon nach kurzem Schusswechsel gegen 10 Uhr in Langensalza einrücken. Bis Mittag war auch der Rest der Brigade heran und hatte sich beiderseits der Stadt in Position gebracht, teilweise sogar schon die Unstrut überschritten. Den Großteil seiner Artillerie, etwa 20 Geschütze, hatte Fließ knapp östlich von Langensalza auf dem sogenannten Judenhügel platziert. Von dieser bedeutendsten Erhebung diesseits der Unstrut ließ er sogleich den gegenüberliegenden Kirchberg unter Feuer nehmen, wo die Hannoveraner inzwischen selbst 15 ihrer Geschütze postiert hatten.69 Auch wenn einzelne Jägerzüge des Infanterieregimentes Nr. 25 sich schon in den ersten Häusern von Merxleben eingenistet hatten und sich dort vorerst

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auch gegen Teile der Brigade „Vaux“ halten konnten, hatte Generalleutnant von Arentschildt rasch gemerkt, dass ihm der so forsch angreifende Gegner numerisch deutlich unterlegen war. Er entschloss sich daher gegen 13 Uhr zum Gegenangriff.70 Dazu ließ er weitere Batterien seiner Artillerie vorziehen und befahl seinen beiden Flügeln, die von den Brigaden „Bülow“ und „Bothmer“ gebildet wurden, sofort die Unstrut zu überschreiten und die Preußen von beiden Flanken her zu attackieren. Generalmajor Ludwig von Bothmers Brigade, die mit ihren zwei Regimentern und einem Jägerbataillon westlich von Merxleben den Fluss überwinden sollte, agierte hierbei allerdings nicht besonders glücklich. Zeit, um das Brückenmaterial heranzuholen, war ihr nicht geblieben. So waren die Schützen gezwungen, watend oder gar schwimmend auf das vom Feind besetzte südliche Ufer zu gelangen, wo sie zunächst einen kleinen Brückenkopf bilden konnten. Doch der preußische Widerstand war zu stark, viele Gewehre hatten durch das Flusswasser ihre Funktionsfähigkeit verloren, und so mussten sich Bothmers Bataillone unter Verlust von 200 Mann bald wieder zurückziehen. Ein zweiter Versuch scheiterte ebenfalls. Mehr Erfolg hatte jedoch die zweite Flügelbrigade unter Oberst von Bülow-Stolle, die sich gegen 14 Uhr zwischen Unstrut und Salza festsetzen konnte und die Preußen auf das sogenannte Badewäldchen unterhalb des Judenhügels zurückwarf. Arentschildt schickte zwei Bataillone seiner Reserve zur Verstärkung nach und setzte auch noch das Dragoner-Regiment „Herzog von Cambridge“ zur überholenden Verfolgung des Gegners ein. Seine übrigen Reserven formierte er dagegen hinter dem Zentrum, wo sie die Brigade „Vaux“ bei ihrem Angriff über die Steinbrücke unterstützen sollten. Gelang es, von hier auf den Nordrand von Langensalza vorzustoßen, war der rechte preußische Flügel eingeschlossen. Noch unterhielten allerdings die Preußen auf dem Judenhügel ein heftiges Artilleriefeuer auf die Unstrutbrücke und die angrenzenden Uferabschnitte. Doch unter dem wachsenden Druck der Hannoveraner, die nun mehr und mehr ihre doppelte Übermacht in die Waagschale warfen und sich trotz heftigsten Abwehrfeuers im Zentrum ihren Weg über die Unstrut erkämpften, zeigten sich aufseiten der Verteidiger bald deutliche Auflösungserscheinungen. Nacheinander fielen am Nordrand

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von Langensalza wichtige Positionen wie Kallenbergs Mühle, wo sich etwa 100 Verteidiger ergaben, und die Gräsersche Fabrik, ein ummauertes Areal direkt an der Salza, das ein Bataillon der 1. Hannoverischen Brigade im Sturm nahm. Zwei Offiziere und 50 Mann vom Regiment Coburg-Gotha gerieten hier in Gefangenschaft.71 Kurz nach 15 Uhr fiel auch der Judenhügel in die Hände der Angreifer. Was von der Brigade „Fließ“ noch übrig war, befand sich jetzt im vollen Rückzug auf Hennigsleben. Die Endphase der Schlacht prägten zwei Brennpunkte. Während die Hannoveraner mit einem Bataillon bereits durch Langensalza auf die Gothaer Chaussee vorstießen und dabei noch Häuserkämpfe mit preußischen Nachzüglern zu bestehen hatten, versuchten auf preußischer Seite isolierte Teile der Infanterieregimenter Nr. 11 und 25, die etwa in Bataillonsstärke bis dahin das Badewäldchen und das Bad besetzt gehalten hatten, über die Felder östlich der Stadt die rettende Straße nach Gotha zu erreichen. Offenbar hatte sie der Rückzugsbefehl nicht erreicht, und so wagten nun Reste der isolierten Kompanien auf eigene Faust den Durchbruch. Schließlich bildeten sich aus den vielen kleinen Gruppen und Grüppchen zwei Kolonnen unterschiedlicher Größe. Bald aber von der hannoverischen Kavallerie entdeckt, waren sie gezwungen, sich zu zwei Karrees zu formieren und ihren Rückzug in dieser Formation fortzusetzen. Den hart bedrängten Preußen half jetzt allerdings das Zündnadelgewehr, den Gegner auf Distanz zu halten. Zwar gelang es der Kavallerie des Garde du Corps, in das kleinere Karree einzubrechen, doch die Infanterie hielt stand und konnte das Viereck noch einmal schließen. Eine Kapitulation des größeren Karrees, in dem sich noch 700 Soldaten gesammelt hatten, kam nicht zustande, obwohl schon Verhandlungen aufgenommen worden waren.72 Schließlich ließen die bereits arg dezimierten Schwadronen von der Verfolgung der Überlebenden ab und beschränkten sich darauf, in der Umgebung noch zahlreiche Versprengte gefangen zu nehmen, die sich in den Kornfeldern verborgen hatten. Die letzten Schüsse der Schlacht von Langensalza verhallten gegen 17 Uhr. Insgesamt 900 Gefangene fielen an diesem Tag in die Hände der Sieger. 2000 Gewehre und zwei Geschütze wurden erbeutet. Die geschlagenen Preußen ließen außerdem 800 Gefallene und Verwundete auf dem

Nutzloser Achtungserfolg der Hannoveraner

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Schlachtfeld zurück. Der Erfolg der Hannoveraner war mit 400 Toten und über 1000 Verwundeten teuer erkauft. Einen Nutzen hatte der kostspielige Sieg für sie allerdings nicht. Zwar war durch die Niederlage und Flucht der Preußen noch einmal die Lücke im Süden geöffnet, aber für einen ernsthaften Versuch, noch in letzter Minute Anschluss an die bayerischen Vorposten um Meiningen zu gewinnen, fehlte der Welfenarmee jetzt die Kraft. Angeblich waren den Soldaten, die bei großer Hitze gekämpft hatten, zwei oder drei anschließende Marschtage nicht mehr zuzumuten. Vor allem aber musste General von Arentschildt damit rechnen, während eines Durchbruchversuches noch auf weitere preußische Detachements zu stoßen. Über den Verbleib von Falckensteins übrigen Divisionen besaß er keine verlässlichen Nachrichten. So kapitulierten die Hannoveraner schon zwei Tage später, nachdem sich der Ring von etwa 40 000 Preußen noch dichter um sie herum geschlossen hatte und Aussicht auf bayerische Hilfe nicht mehr bestand. In einer schriftlichen Erklärung vom 28. Juni rieten Arentschildt und sämtliche Brigadekommandeure „nach pflichtgemäßer Überzeugung“ ihrem Monarchen, von weiterem Kampf und Widerstand abzusehen und ein „unnützes und erfolgloses Blutvergießen“ zu vermeiden. Zu dieser Einsicht hätte der General allerdings auch schon vor der Schlacht von Langensalza kommen können. Doch nach den Maßstäben der Zeit waren 400 Tote und 1000 Verletzte kein zu hoher Preis für ein letztes Aufbäumen der Welfenarmee, die gemäß den preußischen Kapitulationsbedingungen bis zum 5. Juli vollkommen aufgelöst wurde. Außer dem fluchtartigen Rückzug von Trautenau genau am selben Tag blieb Langensalza die einzige Niederlage der Preußen im Krieg von 1866.

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Vorwärts nach alter Sitte – Nachod, Trautenau, Skalitz und Gitschin „Mit Rücksicht auf Entfernungen, Straßenverbindung und Eisenbahnen ist die Richtung auf Gitschin behufs eventueller Vereinigung beider Armeen bezeichnet worden. Es ist damit natürlich nicht gemeint, dass dieser Punkt unter allen Umständen erreicht werden muss, vielmehr hängt dies vom Gang der Ereignisse ab … Die Armeekommandos haben von dem Augenblick an, wo sie dem Feind gegenüber getreten sind, die ihnen anvertrauten Heeresabteilungen nach eigenem Ermessen und nach Erfordernis der Sachlage zu verwenden, dabei auch stets die Verhältnisse der Nebenarmee zu berücksichtigen.“ Helmuth von Moltke am 22. Juni 1866 an das Oberkommando der Kronprinzenarmee73

Mit Hurra über die Grenze Vorwärts nach alter Sitte

Das beschauliche Stolpe wenige Kilometer östlich von Dresden stand am 21. Juni 1866 ganz im Zeichen der bevorstehenden Invasion Böhmens. Sämtliche Häuser des Städtchens in der Sächsischen Schweiz waren am Abend mit einquartierten Soldaten der preußischen Elbarmee überfüllt. Überall im Umland flackerten die Biwakfeuer in der einbrechenden Dunkelheit und unterhalb des sich auf einem Felsen über der Ortschaft erhebenden Schlosses biwakierte eine Schwadron Ulanen. Vor der Tür des Wirtshauses am Marktplatz saßen Offiziere und Intendanturbeamte, alle bereits ganz feldmäßig. Nur fünf Tage zuvor waren die Preußen in Sachsen einmarschiert und hatten das gesamte Königreich kampflos besetzt. Am 18. Juni waren ihre Kolonnen mit klingendem Spiel über die Elbbrücke nach Dresden eingerückt und hatten über die in der Elbmetropole bald aufkommenden Gerüchte, die Invasoren seien hier oder dort geschlagen worden, nur milde gelächelt.74 Tatsächlich war

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die Sächsische Armee, ohne nur einen einzigen Schuss zur Verteidigung des Landes abgegeben zu haben, über die böhmische Grenze nach Teplitz und Lobositz abgerückt, von wo aus sie mit der Prager Eisenbahn Anschluss an die österreichische Nordarmee gewinnen wollte.75 Immerhin ein Minimalerfolg im Vergleich zur Eröffnung des Siebenjährigen Krieges, als König Friedrich II. im September 1756 die gesamte sächsische Streitmacht im Feldlager zu Pirna gefangen setzen konnte. Es werde jetzt nicht mehr gefackelt, verkündete der Oberbefehlshaber der Elbarmee, General Karl Eberhard Herwarth von Bittenfeld, den Offizieren seines Stabes. Die Kriegserklärung an Österreich sei endlich erfolgt. Mit nur drei Infanteriedivisionen, vier Regimentern Kavallerie sowie 120 Geschützen76 war Herwarths Elbarmee die schwächste der drei preußischen Armeegruppen, die sich nun erstmals seit König Friedrichs „Kartoffelkrieg“ von 1778 zur Invasion Böhmens bereit machten. Im Frieden war Herwarth Kommandierender General des VIII. (Rheinischen) Armeekorps in Koblenz gewesen. Die dazugehörenden Divisionen mit den Nummern 15. und 16. blieben ihm auch jetzt unterstellt. Hinzu kam vom VII. Armeekorps noch die 14. Division des Grafen Hugo Eberhard von Münster-Meinhövel. Jede der preußischen Divisionen verfügte über vier Infanterieregimenter und ein Jägerbataillon. Als Jugendlicher hatte Herwarth noch in den Befreiungskriegen gekämpft und während der Straßenkämpfe in Berlin im März 1848 das 1. Garde-Regiment geführt. 1864 war ihm nach dem geglückten Übergang auf die Insel Alsen der begehrte Pour le mérite verliehen worden. Inzwischen stand der General im 55. Dienstjahr, doch trotz seiner 70 Lebensjahre war der General noch eine stattliche Erscheinung, klar in seiner Diktion, streng und manchmal sogar derb, wie sich einer seiner Stabsoffiziere später erinnerte. Bei Reichenberg werde es wahrscheinlich zur Schlacht kommen, bemerkte Herwarth zu dem ebenfalls anwesenden Kriegskorrespondenten Hans Wachenhusen. „Schreiben Sie fleißig, aber bloß keine Tatarenmeldungen!“ Der aus Trier stammende Publizist und Abenteurer hatte schon von der Krim und aus Norditalien Kriegsberichte verfasst und war 1860 mit Garibaldi nach Sizilien gezogen. Den Sturm auf die Düppeler Schanzen hatte er am 18. April 1864

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sogar aus einem Fesselballon beobachtet. In der preußischen Armee besaß er beste Kontakte und konnte sich offenbar nach Belieben im Befehlsbereich der Elbarmee bewegen. Am nächsten Morgen begleitete Wachenhusen die Soldaten des 33. Infanterieregimentes hinter Neustadt über die Grenze. Ein Major verlas dem 1. Bataillon des Regimentes nach Passieren der schwarzgelben Grenzpfähle eine offizielle Erklärung, der zufolge allein Österreich und Kaiser Franz Joseph die Verantwortung für den gegenwärtigen Krieg trugen. Die Soldaten antworteten, so Wachenhusen, mit einem „enthusiastischen Hurra“. Sodann bewegte sich die Kolonne „kampflustig“ die waldigen Höhen nach Schluckenau hinauf. Anderswo löste der Schritt ins Feindesland jedoch eher Beklemmung aus. Auch bei der zweiten Kolonne der Armee, zu der das 28. (Rheinische) Infanterieregiment gehörte, war der Einmarsch in Böhmen unter Marschmusik und einer kernigen Ansprache erfolgt. In diesem Regiment diente auch der Füsilier Peter Wilhelm Molitor aus Siegburg. Von Jubel erwähnte er jedoch nichts, eher schienen er und seine Kameraden beim Überqueren der Grenze äußerst gefasst. Erst nach mehrstündigem Marsch hellte der Anblick einer Marienstatue am Rand der deutsch-böhmischen Ortschaft Hainsbach die Stimmung der Rheinländer auf. Jetzt erschall ein allseitiges Hurra, denn seitdem das Regiment drei Wochen zuvor in Halle aus den Eisenbahnwaggons gestiegen war, hatte man, so Molitor, keine katholische Kirche mehr gesehen. Molitor und viele seiner Kameraden nutzten die willkommene Gelegenheit zur Beichte, ehe es tatsächlich ernst wurde. Am nächsten Morgen hielt der örtliche Pfarrer sogar eine Messe unter reger Beteiligung der rheinischen Soldaten.77 Noch befanden sich die Preußen in einem überwiegend von Deutschen bevölkerten Teil Böhmens. Viele Städte Nordböhmens wie Reichenberg oder Trautenau waren deutsch geprägt, die Dörfer in ihrem Umfeld dagegen von Tschechen bevölkert. Während die Invasoren in Hainsbach noch einigermaßen willkommen waren, floh hingegen die Bevölkerung aus anderen Ortschaften. Offenbar hatte sich der schlechte Ruf der Preußen aus dem Siebenjährigen Krieg im Lande erhalten. Die Bewohner von Langengrund sah Wachenhusen am 24. Juni schon von Weitem die Flucht ergreifen. Auf hochbepackten Leiterwagen versuchten die Dörfler ihre Habe in die

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Hauptanmarsch der Elbarmee

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Hauptanmarsch Friedrich Karls

KGR. PREUSSEN Rumburg

Zittau

Friedland

S c h l e s i e n N

Anmarsch des Anmarsch Korps Bonin des Garde Korps Liebau

Reichenberg

Podol

Turnau

27.6.

28.6.

Münchengrätz

Hohenbruck

Muskyberg

Elb

29.6.

e

Gitschin Konecchlum

Königinhof Miletin A Dubenetz

Horitz

Ise

r

u Molda

Smidar

KGR. BÖHMEN Cidlina

Trautenau

Alt Rognitz Burkersdorf 28.6. Eipel D. Prausnitz Kosteletz

Ob. Prausnitz

27.6.

29.6. 28.6.

Salney

60 km

Nachod 27.6.

Josefstadt

Problus

Nechanitz

Königgrätz

Bistritz

Ad

ler

Pardubitz

Kuttenberg 40

Politz

Horenowes Swiepwald Lipa Prim

Sadowa

Elbe

20

Braunau

Anmarsch Steinmetz

Gradlitz Skalitz

Prag

0

Mettau

26.6.

Hühnerwasser

Iser

Schömberg

a Aup

Sichrow

Elbe

S

A

Gefechte mit Österreichern Anmarschlinien der Preußen Österreichische Stellung bei Dubenetz

Die böhmischen Kriegsschauplätze

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Wälder zu retten. Im Dorf waren nur einige alte Frauen zurückgeblieben, deren lautes Wehklagen keiner der preußischen Ankömmlinge verstand.78 Vier Tage lang mühten sich Herwarths Kolonnen durch das Lausitzer Bergland. Täler, Engpässe und imposante bewaldete Höhen wechselten einander ab. Den etwa 1000 Meter hohen Lausche passierte die Truppe im dichten Nebel. Vom Feind war nichts zu bemerken, allenfalls stieß man auf Quartiere, die nur wenige Stunden zuvor noch von österreichischen Husaren besetzt gewesen waren. Auch die Sachsen, geführt von ihrem 38-jährigen Kronprinzen Albert, einem erfahrenen Soldaten, der schon 1848 in SchleswigHolstein gekämpft hatte, befanden sich weiter im Rückzug auf die Iser. Dort hoffte man, sich mit den Brigaden des 1. Österreichischen Armeekorps unter Generalleutnant Eduard Clam-Gallas vereinigen zu können. Über den schwerreichen Grafen, der sogar einmal auf eigene Kosten ein ganzes Kavallerieregiment neu eingekleidet hatte, waren sonst wenig schmeichelhafte Gerüchte im Umlauf. Sein pessimistischer Bericht über die Schlacht von Magenta soll Gyulai zum vorzeitigen Abbruch des Kampfes bewogen haben.79 Der 61-jährige Offizier galt inzwischen als hoffnungslos zerstreut und man mokierte sich auch gern über seine unkriegerische Vorliebe, zweimal zu frühstücken. Wachenhusen, der ihn während des Italienischen Krieges kennengelernt hatte, giftete, dass er ihm nicht einmal das Kommando über eine Feldwache anvertraut hätte.80 Gewöhnlich brachen die Preußen bereits um 3 Uhr morgens auf und bezogen am frühen Nachmittag ihr Biwak. Drückende Hitze wechselte mit plötzlichen Regengüssen ab und in der Nacht machte die Kälte den Soldaten zu schaffen. Oft nur mit ihrem Soldatenmantel bedeckt, mussten sie im Freien auf dem feuchten Boden liegen. Stroh war bald Mangelware, ebenso wie Brot und Trinkwasser. Kopfschüttelnd hatte Wachenhusen noch zu Marschbeginn beobachtet, wie unerfahrene Soldaten ihre Brotrationen für mehrere Tage einfach in den Graben geworfen hatten, um sich Marscherleichterung zu verschaffen.81 Solcher Leichtsinn rächte sich in dem eher ärmlichen Umfeld nur zu bald. Schon am Ende des zweiten Marschtages meldete Generalmajor Theodor Alexander von Schöler, der Führer der Avantgarde, an Herwarths Stab, dass es den Ort-

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schaften und Höfen entlang der Marschstraßen völlig unmöglich sei, Verpflegung für seine 6000 Soldaten zu liefern.82 Erwartungsgemäß konnten die Proviantkolonnen auf den verstopften und oft schon ruinierten Wegen kaum mit der Truppe Schritt halten, zumal die meist zivilen Kutscher Bedenken hatten, dem Feind allzu nahezukommen. Auch die Eisenbahn von Dresden nach Prag lag zu weit im Westen, um sie als Nachschublinie nutzen zu können, und war überdies auf halbem Wege durch die Festung Theresienstadt blockiert. Gleichfalls unter Versorgungsproblemen litt die Erste Preußische Armee des Kronprinzen Friedrich Karl. Bei strömendem Regen war sie am 22. Juni über Zittau und Hirschfeld aufgebrochen und hatte gegen 7 Uhr in fünf Kolonnen die böhmische Grenze überschritten. Nach dem Bericht des Korrespondenten der London Times, Henry M. Hozier, erschall auch hier jedes Mal großer Jubel, als die einzelnen Bataillone unter den Augen ihres Oberbefehlshabers die schwarzgelben Grenzpfähle passierten.83 Das endlose Warten schien endlich vorbei, doch von den Österreichern gab es zunächst kaum eine Spur. Am ersten Tag hielt Hozier die Gefangennahme zweier Radetzky-Husaren noch für erwähnenswert. Auch gegenüber der Ersten Armee hatte es der Gegner versäumt, Täler und sonstige Engstellen, in der damaligen Militärsprache Defileen genannt, durch gefällte Bäume oder herabgesprengtes Geröll zu sperren. Am 24. Juni waren die Pässe glücklich überwunden und vor den Preußen lag, in sanften Wellen zur Iser abfallend, das Böhmische Becken mit seiner reichen Kulturlandschaft, in der sich Felder und Obstgärten mit den eher schmucklosen, meist aus Blockhäusern bestehenden Ortschaften abwechselten.84 Noch am selben Tag gegen 10 Uhr erreichte Friedrich Karls Vorhut die Stadt Reichenberg, malerisch mit ihren engen gewundenen Gassen, doch zugleich auch schon das Zentrum einer aufblühenden böhmischen Textilindustrie. Ein Schloss, das wie vieles in Nordostböhmen dem Grafen Clam-Gallas gehörte, überragte die Stadt. Auf dem Marktplatz nahm der Prinz und Oberbefehlshaber die Parade seiner Truppen ab. Am Morgen noch war österreichische Kavallerie in der Stadt gewesen. Bewohner erklärten, dass es sich um die Nachhut der Leichten Kavalleriedivision des Generalmajors Leopold Freiherr von Edelsheim-Gyulai handelte, die mit ihren 4800 Reitern

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dem I. Österreichischen Armeekorps unterstellt war. Der 40-jährige Reiterführer stammte aus Karlsruhe und war in der Habsburgerarmee rasch avanciert, obwohl er die dort vorherrschende Paradementalität strikt ablehnte und sich stets um eine feldnahe Ausbildung seiner Leute bemüht hatte. Seine Division sollte während des böhmischen Feldzuges eine der wenigen Lichtblicke auf österreichischer Seite sein. Da der Feind nunmehr völlig verschwunden schien, stellte sich bei den Preußen schon bald wieder die gewohnte Manöverstimmung ein. Die Marschmusik spielte und nach anfänglicher Zurückhaltung versammelte sich auch die Bevölkerung in den Straßen. Tabakhändler und Schankwirte machten ein glänzendes Geschäft. Derweil stellten preußische Feldeisenbahntruppen die an mehreren Stellen unterbrochene Bahnlinie nach Görlitz und Löbau wieder her. Der Armeestab nahm für die kommende Nacht Quartier im Reichenberger Schloss und beanspruchte damit einmal mehr die unfreiwillige Gastfreundschaft des gegnerischen Befehlshabers.85 Alles deutete jetzt darauf hin, dass Clam-Gallas mit seinem I. Armeekorps erst an der Iser nachhaltigen Widerstand leisten würde. Zusammen mit den Sachsen, die inzwischen bei Münchengrätz seinen linken Flügel bildeten, verfügte er über 60 000 Mann. Mit 140 000 Mann konnte Friedrich Karl, dem bei Grenzübertritt auch die Elbarmee unterstellt worden war, mehr als die doppelte Übermacht aufbieten. Der stets vorsichtige Prinz mochte aber nicht ausschließen, dass inzwischen auch Teile der österreichischen Hauptarmee zur Iser vorgerückt waren. Seine Kavallerie, die dies hätte herausfinden können, hatte er jedoch immer noch am Ende der Marschkolonne platziert. Er betrachtete sie als Schlachtenkavallerie und gedachte sie für diesen Zweck zu schonen.

Die ersten Gefechte – Podol, Hünerwasser und Münchengrätz Dass Friedrich Karl nun allerdings auch noch am 25. Juni einen Rasttag für seine Armee befahl, hätte in Berlin, wäre es dort bekannt geworden, blankes Entsetzen ausgelöst. Doch von der hannoverischen Affäre noch stark beansprucht, hatte Moltke wenig Zeit, sich über die

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Trödelei der Ersten Armee zu beunruhigen. Der Generalstabschef hatte den Prinzen immerhin schon am 23. Juni ermahnt, so schnell wie möglich dem festgelegten Vereinigungspunkt bei Gitschin zuzustreben: Nur ein kräftiges Vorgehen der Ersten Armee könne die Zweite degagieren! Moltke ahnte jedoch nicht, dass sein Telegramm an Friedrich Karl vom 23. Juni erst drei Tage später in Reichenberg ankommen würde. Die zügige Weiterleitung elektronischer Nachrichten besaß im Krieg von 1866 noch lange nicht oberste Priorität. Zwar wussten Friedrich Karl und sein Stabschef, General Konstantin von Voigts-Rhetz, dass mit dem Marsch der Kronprinzenarmee durch die schlesischen Grenzpässe in isolierten Kolonnen die wohl kritischste Phase des gesamten Feldzuges begonnen hatte. Schließlich hatte Voigts-Rhetz zu den schärfsten Kritikern der Moltkeschen Strategie des getrennten Anmarsches gehört. Doch ein allzu zügiges Vorstoßen der Ersten Armee über die Iser hinweg hätte sie selbst in Gefahr bringen können, zu früh an die Hauptmacht der Österreicher zu geraten. Immerhin schien Moltkes verspätet eingetroffene Depesche nun etwas Bewegung in die Sache zu bringen. Der Prinz entschloss sich immerhin, seiner 8. Division unter Generalleutnant Heinrich von Horn den Marschbefehl auf Turnau zu erteilen.86 Als die Vorhut der Preußen nach einem mehrstündigen Marsch am Abend des 26. Juni den Eisenbahnknotenpunkt an der Iser erreichte, waren die Österreicher erstaunlicherweise schon abgezogen. Der Gegner hatte aber zuvor noch den gesamten Bahnhof buchstäblich abgetragen und die Brücke in Brand gesetzt. Viel Arbeit für die Pioniere und die neue Feldeisenbahntruppe. Es zeigte sich nun, dass General Clam-Gallas zunächst gar nicht beabsichtigt hatte, die Iserlinie zu verteidigen. Ganz in Übereinstimmung mit Krismanics Plänen wollte er mit seinem I. Armeekorps so rasch wie möglich auf die österreichische Hauptarmee bei Josephstadt an der oberen Elbe ausweichen. Der Graf ahnte nicht, dass sich Benedek inzwischen auf Druck des Hofes und der Öffentlichkeit doch zu einer Offensive nach Norden entschlossen hatte und daher den Preußen möglichst schon an der Iser entgegentreten wollte. Benedeks Telegramm, das am 26. Juni um 15 Uhr in Münchengrätz eingetroffen war, unterstellte zunächst Clam-Gallas dem sächsischen Kronprinzen und befahl zugleich die

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Verteidigung der Iserlinie „um jeden Preis“. Damit waren sämtliche bisherigen Dispositionen des Grafen über den Haufen geworfen. Er hatte Turnau zu früh geräumt. Nur über das benachbarte Podol, wo sich noch österreichische Vorposten verschanzt hielten, konnte es zurückerobert werden.87 Dorthin aber marschierten noch am selben Abend Teile von Horns Division. Bei Podol, einem typischen böhmischen Straßendorf, kreuzte die Eisenbahn von Turnau nach Jungbunzlau die Iser. Da nun auch Clam-Gallas sechs Bataillone der Brigade „Poschacher“ in die Ortschaft geschickt hatte, um von dort wieder auf Turnau vorzustoßen, entwickelte sich in der schon einbrechenden Dunkelheit der erste blutige Schlagabtausch des böhmischen Krieges. General Ferdinand Poschachers Ungarn und Slowaken hatten sich zwei Jahre zuvor in Schleswig-Holstein den markigen Titel „Eiserne Brigade“ erworben, doch jetzt bekamen sie erstmals die niederschmetternde Feuergeschwindigkeit des preußischen Zündnadelgewehrs zu spüren. Auf eine österreichische Gewehrsalve konnten die Preußen gleich mit dreimaligem Gegenfeuer antworten. Ihre Kaltblütigkeit in ihrem ersten Einsatz ließ vergessen, dass viele der Schützen erst wenige Wochen zuvor noch als Zivilisten hinter einer Werkbank oder einer Ladentheke gestanden hatten. Von der Brutalität des Krieges hatten bis dahin nicht einmal ihre Zugführer und Kompaniechefs eine realistische Vorstellung. Doch ihr weit überlegenes Gewehr stärkte das Selbstvertrauen und den Angriffsgeist. Haus für Haus drängten preußische Jäger und Füsiliere ihre Gegner durch das lang gestreckte Dorf gegen die Eisenbahnbrücke zurück. Nur das Blitzen der Gewehrschüsse oder die Schreie der Verwundeten verrieten in der völligen Finsternis den ungefähren Verlauf der österreichischen Stellungen. Oft gerieten die Kontrahenten auf kürzeste Entfernung aneinander. Noch einmal eskalierte der Kampf um die hölzerne Eisenbahnbrücke, ehe sich die überlebenden Österreicher über die Iser zurückzogen. Versuche, den Übergang in Brand zu setzen, scheiterten. Gegen 4 Uhr morgens verhallten die letzten Schüsse und der demoralisierte Gegner zog sich auf das nur acht Kilometer entfernte Münchengrätz zurück. 500 Österreicher fielen als Gefangene in preußische Hände, an Toten und Verwundeten waren ihre Verluste fünfmal so hoch wie die der Preußen, die im-

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merhin 130 Mann eingebüßt hatten: die erschreckende Eröffnungsbilanz des Zündnadelgewehrs.88 Am Morgen desselben Tages (26. Juni) war nur etwa 20 Kilometer weiter westlich Herwarths Elbarmee mit dem 33. Infanterieregiment als Avantgarde über den Pass von Gabel auf die Ortschaft Niemes vorgestoßen. Die Meldung, dass Kavallerie jenseits der Stadt endlich auf den Feind getroffen sei und es Verluste gegeben habe, elektrisierte alle. Längst waren in der Truppe beunruhigende Gerüchte im Umlauf und mancher Grenadier begann, sich den Kopf zu zerbrechen, was der so lange unsichtbare Gegner eigentlich gegen die Preußen im Schilde führe. Eine Kompanie des 33. Regiments ging durch den Wald beiderseits der Chaussee von Niemes nach Münchengrätz gegen das auf halbem Wege liegende Hünerwasser vor. In gelockerter Formation durchstreiften die Schützen ein Kornfeld vor der Ortschaft und fingen dabei drei Italiener vom Regiment „Haugwitz“ ein, die um Schonung baten und unter allgemeinem Gelächter der Truppe den Offizieren die Hand zu küssen versuchten.89 Mit Unterstützung zweier Geschütze stürmten die Preußen schließlich die Ortschaft selbst und drangen auch in den dahinterliegenden Wald ein. Der Widerstand verebbte schnell. Die Österreicher ließen einige Tote und ein paar Dutzend Verletzte zurück. Den Rest des Vormittags verbrachten die Sieger damit, etwa 80 unverletzte Gefangene aus den Häusern und dem benachbarten Wald einzubringen. Fast alle waren Italiener aus der österreichischen Provinz Venetien, die sich den Preußen nun als angebliche Verbündete andienen wollten, was Wachenhusen nur mit kühler Verachtung quittierte. Eigenartigerweise schien ihr kleiner Erfolg den Preußen fürs Erste zu genügen. Anstatt nun zügig weiter auf die Iser vorzustoßen, um bei Münchengrätz einen Brückenkopf zu gewinnen, richtete sich die preußische Avantgarde am Nachmittag zunächst in Hünerwasser ein, freute sich über die so lange entbehrten festen Unterkünfte und besetzte den Waldrand südlich der Ortschaft lediglich mit einigen Vorposten. Das Gros der Elbarmee legte derweil bei Niemes einen Ruhetag ein und veranstaltete für seine Rheinländer und Westfalen wieder einen Feldgottesdienst.90 Mit dem energischen Gegenangriff, den die Österreicher gegen

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19 Uhr einleiteten, hatte niemand mehr gerechnet. Graf Leopold Gondrecourt, Stabschef des I. Österreichischen Armeekorps, den preußischen Offizieren noch bestens als Führer einer Brigade während des Schleswig-Holstein-Feldzugs bekannt, führte insgesamt 1500 Mann gegen Hünerwasser. Auslöser seiner Aktion war, wie auch für das Gefecht bei Podol, Benedeks Telegramm, das um 15 Uhr wie eine Bombe beim I. Armeekorps eingeschlagen hatte: Halten der Iser um jeden Preis! Doch dieses Mal hatte der forsche Graf nicht wie 1864 bei Översee Dänen gegen sich, sondern etwa 1000 Preußen mit ihren Zündnadelgewehren. Zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Salven auf etwa 300 Meter rissen fürchterliche Lücken in die Kolonnen der Österreicher und ließen den Bajonettangriff der slowakischen und ungarische Bataillone rasch zusammenbrechen. Gondrecourts Reservekompanien weigerten sich daraufhin, den Angriff zu erneuern. Eine preußische Gegenattacke war nicht mehr erforderlich, der Gegner zog sich demoralisiert auf Münchengrätz zurück. Fast 300 Tote und Verwundete blieben zurück. Das Zerstörungswerk von Stunden hatte das Zündnadelgewehr in Minuten erledigt. So weit das Auge reichte, bedeckten Tote, Verwundete sowie weggeworfene Tornister und Gewehre den Waldboden beiderseits der Chaussee. Im Vergleich zu den noch kommenden Schlachten waren Podol und Hünerwasser nicht mehr als Scharmützel gewesen, doch sie hielten in ihrer demoralisierenden Eindeutigkeit Clam-Gallas und Kronprinz Albrecht davon ab, die Iserlinie tatsächlich um jeden Preis zu verteidigen. Beide wollten jetzt ihre Korps so rasch wie möglich auf Gitschin zurückführen, das auf halbem Wege zwischen Josephstadt und Münchengrätz lag.

Die Österreicher rücken auf Josephstadt vor Inzwischen hatten die übrigen sechs Armeekorps der Nordarmee ihren Marsch von Olmütz nach Josephstadt fast abgeschlossen und am 26. Juni meldete ein nach wie vor unentschlossener Benedek nach Wien, dass die Armee zwar nun ihr Marschziel erreicht habe, doch zunächst einmal ein Stillstand der Operation von einigen

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Tagen unumgänglich sei, ehe er die Offensive ergreifen wolle. Die Umstände des hinter ihnen liegenden Weges schienen ihm recht zu geben. Dauerregen, Hunger und stundenlange Staus der Kolonnen auf den drei einzigen festen Straßen zur Elbe strapazierten das Durchhaltevermögen von Truppe und Offizieren. Schon am ersten Tag war die Disziplin in einigen Einheiten erodiert: Soldaten warfen ihre Rucksäcke, Gewehre und schließlich sogar ihre Verpflegungspakete in den Straßengraben oder sprangen einfach auf einen der zahllosen Wagen des folgenden Trains. Auch Truppen, die sich nicht von ihrer Ausrüstung getrennt hatten, hinterließen bald den Eindruck einer Räuberbande.91 Noch am Morgen des 26. Juni hatten Benedek und Krismanic ihren Entschluss bekräftigt, die Armee Friedrich Karls, solange sie isoliert an der Iser stand, mit allen verfügbaren Kräften anzugreifen und nach einem Sieg auf preußisches Territorium vorzustoßen. Noch glaubte die Führung der Nordarmee, die Preußen an der Iser ständen ihnen am nächsten und müssten daher gemäß der Strategie der Inneren Linie zuerst angegriffen werden. Doch gegen Abend zeichnete sich plötzlich ein neues Bild ab. Am 25. Juni war auch die Kronprinzenarmee gemäß Moltkes Weisungen aus ihren Versammlungsräumen in Schlesien abmarschiert. Mit ihrem Erscheinen in ihrer rechten Flanke hatte die Führung der Nordarmee zwar rechnen müssen, war aber bisher überzeugt, gleichwohl noch genug Zeit zu haben, Friedrich Karl zu schlagen. Nun meldete jedoch die ausgezeichnet funktionierende österreichische Kavallerieaufklärung, dass die in drei Kolonnen aufgeteilten Preußen über die Pässe von Trautenau, Eypel und Nachod nach Böhmen vorrückten. Am ehesten musste wohl mit dem I. Preußischen Armeekorps bei Trautenau und dem V. Preußischen Armeekorps bei Nachod gerechnet werden, während das mittlere Gardekorps unter dem Prinzen August von Württemberg über Braunau und Politz den längsten Anmarschweg hatte und erst am 28. Juni bei Eypel erscheinen konnte. Benedek und Krismanic blieb nun keine andere Wahl. Wenigstens zwei ihrer Korps und damit immerhin ein Drittel ihrer gesamten Streitmacht waren zum Schutz ihrer rechten Flanke erforderlich. Nachod lag kaum ein Dutzend Kilometer von Josephstadt, dem neuen Zentrum der Nordarmee, entfernt. Noch am Abend des 26. Juni er-

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hielten die Feldmarschall-Leutnants Wilhelm von Ramming und Ludwig von Gablenz den Auftrag, mit ihren Armeekorps die Ausgänge der beiden zunächst gefährdeten Pässe zu sperren und die Preußen dort zurückzuschlagen. Sobald er kurz nach Mitternacht die telegrafische Order aus Josephstadt erhalten hatte, brach Ramming mit seinen vier Brigaden, unterstützt von einer Kavalleriedivision, mit insgesamt 27 000 Mann und 72 Geschützen in Richtung Nachod auf, wo er am Morgen eintraf. Nur kurzfristig hatte das Kommando der Nordarmee erwogen, seinen Schwerpunkt zu ändern und sich nunmehr mit allen sechs Armeekorps gegen die Spitzen der Kronprinzenarmee zu wenden. Hier schien sich der erhoffte Sieg über einen Teil des Gegners förmlich anzubieten, ohne den aufwendigen Marsch zur Iser fortsetzen zu müssen. Doch Krismanic sträubte sich, die einmal gefassten Planungen wieder umzuwerfen, fürchtete die daraus entstehende Verwirrung, obwohl doch Friedrich Karl durch seine Passivität geradezu dazu einlud, ihn zunächst links liegen zu lassen. Auch am 27. Juni hatte der Befehlshaber der Ersten Preußischen Armee noch keinerlei Anstalten getroffen, gemäß seinem primären Auftrag auf Gitschin vorzustoßen. Stattdessen hoffte der Prinz jetzt, die vorerst noch bei Münchengrätz konzentrierten Sachsen und Österreicher in ihrer Flanke fassen zu können. Irrigerweise glaubte er sogar, dass sich inzwischen auch das II. Österreichische Korps an der Iser befände, sodass sich nunmehr sogar die Gelegenheit zu einer großen Kesselschlacht ergäbe. Von den Bewegungen der Kronprinzenarmee besaß Friedrich Karl zu diesem Zeitpunkt nur eine grobe Vorstellung und auch General Leonhard von Blumenthal, Stabschef der Kronprinzenarmee, notierte lapidar am Abend des 26. Juni: Von Prinz Friedrich Karl keine Nachricht.92 Dieser prekäre Zustand sollte noch drei weitere Tage bis zur Schlacht von Gitschin andauern, ohne dass von irgendeiner der beiden Armeen erkennbare Anstrengungen unternommen wurden, über Berlin eine telegrafische Verbindung herzustellen. Weder Preußen noch Österreicher schafften es 1866, einen geregelten Telegrafiedienst zu organisieren. Der Krieg in Böhmen wurde immer noch nach den alten militärischen Mustern geführt.93

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Durchbruch der Kronprinzenarmee nach Böhmen Moltkes Gesamtkonzept eines gleichförmigen Drucks seiner beiden Armeen auf den Feind drohte unter diesen Umständen vollends zu Makulatur zu werden. Sosehr er sich auch mühte, den Kommandeuren seine Idee einer Vereinigung erst in der Schlacht nahezubringen, so stieß er doch fast überall auf taube Ohren. Jede Armee schien nur noch ihren eigenen Krieg führen zu wollen. Ausgerechnet einer seiner energischsten Widersacher, der Kommandierende General des V. Preußischen Armeekorps, Karl Friedrich von Steinmetz, half jetzt dem zunehmend ratlosen Generalstabschef im fernen Berlin aus der Klemme. Der Veteran der Befreiungskriege galt in der Armee seit Langem als schwieriger Charakter, der keinem Konflikt aus dem Wege ging und dabei auch gegenüber Vorgesetzten kein Blatt vor den Mund nahm. Der Tod seiner einzigen Tochter zwölf Jahre zuvor hatte alles noch verschlimmert. Seither von Wahnvorstellungen, Schwermut und plötzlichen Wutausbrüchen geplagt, schien Steinmetz auch in seinem Urteil zunehmend getrübt. Doch nun war das alles plötzlich vergessen. Der Feldzug in Böhmen sollte die Krönung seiner soldatischen Laufbahn bringen. Am 27. Juni schickte Steinmetz bei Tagesanbruch seine Vorhut, zwei Bataillone Infanterie, vier Jägerkompanien, unterstützt von 500 Dragonern und sechs Geschützen durch den Engpass von Nachrod. Ihnen folgte der Rest der Avantgarde in etwa gleicher Stärke. Die Preußen hatten Glück, denn sie fanden die beherrschenden Höhen jenseits des Passes zwischen den Ortschaften Wysokow und Wenzelsberg noch unbesetzt. Obwohl Rammings VI. Korps die ganze Nacht marschiert war, traf seine vorderste Brigade erst gegen 9 Uhr unterhalb von Wenzelsberg ein. Nach einer ergebnislosen Kanonade formierten sich die Österreicher mit zwei Regimentern Infanterie und dem 25. Jägerbataillon zum Angriff auf die Höhen. Es war der Auftakt zu einem Massaker, das Ramming am Ende ein Fünftel seines Armeekorps kosten sollte. Während der frontale Angriff der Infanterie im Feuer der Zündnadelgewehre rasch zusammenbrach, gelang es immerhin den österreichischen Jägern, sich in Wenzelsberg festzusetzen. Erst das Erscheinen der preußi-

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schen Avantgarde bereinigte hier die Lage. Doch auch die Österreicher erhielten nun laufend Verstärkung und trieben schließlich mit der doppelten Übermacht ihrer vier Brigaden die Preußen gegen den rückwärtigen Teil des Höhenzuges. Wysokow und Wenzelsberg waren fast vollständig genommen. Ramming schien kurz vor einem Sieg zu stehen, doch es fehlten ihm nun die Reserven, um dem Gegner den Todesstoß zu versetzen. In seiner Not schickte er ein halbes Kürassier-Regiment nach vorne. Steinmetz, der inzwischen das Gefecht auf preußischer Seite persönlich leitete, warf den Österreichern seine Dragoner entgegen. Das verschaffte ihm Zeit, bis etwa gegen Mittag endlich seine zweite Division heran war. Mit Unterstützung von nunmehr 42 Geschützen, denen nur 24 österreichische gegenüberstanden, trieben die Preußen die Angreifer endgültig den Hang hinab. Längst war der Zusammenhalt in Rammings Brigaden verloren gegangen. Manche Regimenter waren im Laufe des Vormittags viermal gegen den Gegner gestürmt, nachdem sie die ganze Nacht zuvor marschiert waren, ohne Verpflegung erhalten zu haben. Fast 2300 Mann des VI. Armeekorps waren tot oder verwundet, doppelt so viele wie auf preußischer Seite. Hinzu kamen jedoch noch 3500 Gefangene oder Vermisste, eine ungewöhnlich hohe Zahl, die unterstreicht, wie sehr die Kampfmoral aufseiten der Österreicher gegen Ende des Gefechts zusammengebrochen war. Mit Mühe gelang es Ramming, aus den Resten seines Armeekorps beiderseits von Skalitz eine neue Verteidigungslinie im Schutze eines Bahndammes aufzubauen. Steinmetz hatte den Durchbruch nach Böhmen geschafft. Doch zur Euphorie bestand noch kein Anlass. Denn es sollte der einzige preußische Erfolg an diesem Tag bleiben. Während das Gardekorps aufgrund seines längeren Anmarsches am 27. Juni in der Mitte noch ohne Feindberührung geblieben war, hatte etwa 30 Kilometer weiter nördlich das I. Preußische Armeekorps mit seiner Avantgarde aus zwei Infanterieregimentern und einem Jägerbataillon über Parschitz die Ortschaft Trautenau an der Aupa erreicht. Der Befehlshaber des in Königsberg stationierten Korps war der 63-jährige General der Infanterie Adolf von Bonin, ein eher durchschnittlicher Truppenführer ohne Kriegserfahrung. Ihm gegenüber stand das X. Österreichische Armeekorps unter Feldmarschall-Leutnant Lud-

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wig von Gablenz. Der gebürtige Sachse stand seit 1833 in habsburgischen Diensten und genoss seit seinen Erfolgen in Schleswig-Holstein in der gesamten Armee hohes Ansehen. Mit seiner Spitzenbrigade hatte er bereits die drei beherrschenden Kuppen (Galgenberg, Johannesberg und Hopfenberg) südlich von Trautenau besetzt, als Bonins Vorhut gegen 10 Uhr die Ortschaft passierte. Die Preußen brauchten einige Zeit, bis sie begriffen, dass nicht etwa die Einwohner des Städtchens auf sie schossen, sondern die Österreicher auf den benachbarten Höhen.94 Wollte das gesamte I. Korps auf seinem Weg nach Gitschin die Hauptstraße durch Trautenau passieren, musste zuvor der Gegner von den Höhenkuppen vertrieben werden. Bonin ließ sofort drei seiner Regimenter den Gegner frontal und flankierend angreifen. Dabei profitierten die Preußen davon, dass Gablenz seiner Brigade, obwohl nur unwesentlich schwächer und in hervorragenden Positionen, nach kurzem Kampf den Rückzug befahl. Die Angreifer verfolgten den Gegner noch gut 1000 Meter bis auf eine Höhenlinie zwischen den Ortschaften Hohenbruck und Alt-Rognitz und machten dort, erschöpft von ihrem stundenlangen Anmarsch in drückender Hitze, gegen Mittag zunächst Front nach Süden. Wohl von dem leichten Erfolg seiner Vorhut verführt, verzichtete Bonin auf eine weitere Aufklärung in Feindrichtung. So entging ihm völlig, dass er bisher nur einen Teil der Österreicher geschlagen hatte. Darauf fixiert, mit seinem Korps noch bis zum Abend die Straße nach Gitschin zu erreichen, zog er jetzt sogar Truppen aus den eben eroberten Positionen wieder nach Trautenau zurück. Einzig die Reservebrigade des Korps nahm auf dem Kapellenberg Aufstellung.95 In den Straßen des Städtchens stauten sich inzwischen die Kolonnen der nachrückenden Truppen, die Soldaten suchten nach Wasser oder wenigstens nach Schatten und kaum ein Offizier schien noch in der Lage, halbwegs Ordnung in das Chaos zu bringen. Auf diese Entwicklung hatte Gablenz nur gewartet. Inzwischen waren zwei seiner Brigaden herangekommen und der General zögerte nicht, sie sofort gegen die Preußen zwischen Hohenbruck und Alt-Rognitz anzusetzen. 40 Geschütze seiner Korpsreserve unterstützten den gegen 15 Uhr eröffneten Angriff. Rücksichtslos trieben die Regimentskommandeure ihre Kolonnen aus Italienern, Ruthenen und Polen gegen

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die Höhenlinie an, von der herab ihnen ein nie erlebtes Schnellfeuer entgegenschlug. Nach mehreren Versuchen schafften es die Angreifer um den Preis von mehreren Hundert Toten, genau jene Stellungen wieder zu erobern, die Gablenz noch am Vormittag ohne Not geräumt hatte. Noch 70 Jahre später erinnerten sich ältere Bewohner der Umgebung voller Entsetzen an die Berge von Toten und Verwundeten, auf die man am Abend der Schlacht überall gestoßen war.96 Gegen 17 Uhr hatte Gablenz nun auch seine vierte Brigade zur Hand und setzte damit zum entscheidenden Sturm auf die Höhengruppierung unmittelbar südlich von Trautenau an. General von Bonin zeigte sich von der rasanten Entwicklung überfordert und schaffte es nicht, seiner Reservebrigade rechtzeitig Verstärkungen zu schicken. Schließlich hielten auf dem Kapellenberg nur noch zwei preußische Bataillone dem Ansturm der Österreicher stand und deckten damit den Rückzug des gesamten I. Armeekorps. Gegen 19 Uhr räumten die Preußen Trautenau und in den frühen Abendstunden nahm Bonins Rückzug sogar den Charakter einer Flucht an. Erst mit dem Erreichen ihrer alten Biwakplätze vom Vortag endete die preußische Absetzbewegung.97 Es war fraglos ein österreichischer Erfolg, doch um welchen Preis? Gablenz’ X. Armeekorps hatte an diesem Tag 4800 Mann verloren und war damit eigentlich nicht mehr kampffähig. Die Preußen dagegen, obwohl sie das Kampffeld hatten räumen müssen, verloren nur 1338 Soldaten. Damit hatte sich nach Podol, Hünerwasser und Nachod einmal mehr die für Österreich so niederschmetternde Verlustquote bestätigt. Für Bonins Truppen war jedoch der Rückschlag bei Trautenau in gleicher Art bitter, galten doch die Ostpreußen bisher als heimliche Elite des gesamten Heeres. Wären sie allerdings erfolgreich gewesen und wie geplant noch am selben Tag auf Gitschin vorgerückt, so hätte es weitaus übler für das I. Armeekorps ausgehen können. Denn die Erste Preußische Armee verharrte auch am nächsten Tag noch immer an der Iser. Lediglich eine seiner sechs Divisionen hatte Prinz Friedrich Karl am 28. abends auf den von Moltke befohlenen Vereinigungspunkt angesetzt. In der Hoffnung, einen Umfassungssieg über Österreicher und Sachsen zu erringen, hatte er dem Rest seiner Truppen einen Linksschwenk auf Münchengrätz befohlen. Es sollte sich als zeitraubender Luftschlag erweisen.

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In der etwa 4000 Einwohner zählenden Stadt an der Iser mit dem auf einer markanten Höhe errichteten Schloss des Herzogs Albrecht von Wallenstein, in dessen Kapelle man damals noch die Überreste des kaiserlichen Generalissimus vermutete, hatten derweil Kronprinz Albert und Clam-Gallas bis zum Abend auf das erlösende Telegramm von Benedek warten müssen, das ihnen den Rückzug auf Gitschin erlaubte. Erst in der Nacht zum 28. Juni ergingen die entsprechenden Befehle an sämtliche Brigaden. Die Sachsen zogen darauf längs der Iser auf Jungbunzlau ab, Clam-Gallas rückte in direkter Linie unter Zurücklassung von drei seiner fünf Brigaden auf Sobatka ab. Die Nachhut sollte den preußischen Vormarsch nur verlangsamen und sich so bald wie möglich wieder vom Feind lösen. Die Brigade „Leiningen“ besetzte mit ihren Ungarn und Italienern die Stadt Münchengrätz sowie die Ortschaft Kloster, die den westlichen Zugang zur Stadt bildete. Die beiden übrigen Brigaden nahmen auf dem südlichen Ufer der Iser beiderseits des Musky-Berges Aufstellung, eine die Straße nach Podol beherrschende Position. Auf preußischer Seite schien man immer noch alle Zeit der Welt zu haben. Während nur wenige Dutzend Kilometer weiter östlich die Schlachten von Nachod und Trautenau geschlagen wurden, hatten Friedrich Karl und Herwarth einen ganzen Tag mit der Einbringung von Verpflegung und Pferdefutter vergeudet. Erst am frühen Morgen des 28. Juni setzten sie ihre Spitzen aus zwei Richtungen auf Münchengrätz in Bewegung. Etwa gegen 6 Uhr geriet die Avantgarde der Elbarmee unter Generalmajor von Schöler nach zweistündigem Marsch beim Passieren der Ortschaft Weisslein, kaum vier Kilometer vor Münchengrätz entfernt, in das Feuer einer bei der Ortschaft Kloster aufmarschierten österreichischen Batterie.98 Routiniert teilte Schöler seine sieben Bataillone in drei Kolonnen auf und versuchte, unter frontaler Bindung den Gegner an beiden Flügeln zu umgehen. Zwei Geschützbatterien unterstützten seinen Angriff. Obwohl die gegenüber eingesetzte österreichische Brigade, bestehend aus den Regimenter „Haugwitz“ und „Gyulai“, in günstigen Stellungen stand, leistete sie nicht lange Widerstand. Die Masse ging nach kaum einer Stunde befehlsgemäß über die Iser zurück und zerstörte die Brücke. Kurz vor Mittag rückte die preußische Avantgarde über eine soeben fertiggestellte Pontonbrücke in Mün-

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chengrätz ein. Ein Teil der Infanterie hatte die Iser allerdings schon zuvor durchwatet.99 Erneut gerieten einige Dutzend Italiener und Ungarn in preußische Gefangenschaft und Kriegskorrespondent Wachenhusen wunderte sich über ihre tadellosen Monturen: „Die österreichische Armee hatte, soweit ich bis jetzt davon gesehen, gute Toilette zum Krieg gemacht.“ Anders als manche preußischen Soldaten empfand er für die Italiener nicht viel Sympathie: „Sie meinten, es gehe ihnen bei uns als Gefangene besser als auf ihrer eigenen Seite.“ Daher machten die meisten „lustige Gesichter“, die gefangenen Ungarn dagegen verharrten in „kalter Resignation“.100 Das rasche Zurückweichen der Brigade „Leiningen“ erklärte sich auch aus dem von Osten näherrückenden Gefechtslärm. Hier kündigte sich schon die 7. Preußische Division an und deren Vormarsch auf die österreichischen Positionen südlich der Iser gefährdete die Rückzugslinien nach Sobatka und Gitschin. Der Führer der preußischen Avantgarde, Generalleutnant Eduard von Fransecky, hatte seine Division gleichfalls in drei Kolonnen gegliedert und persönlich die Führung der dritten Abteilung übernommen. Mit ihr wollte er die österreichischen Geschützstellungen auf dem beherrschenden Musky-Berg flankierend angreifen. Der Gegner hatte sich mit zwei seiner Brigaden, unterstützt von acht Geschützen, in einer etwa rechtwinkligen Stellung mit Front nach Westen und nach Norden um das Plateau mit dem Musky-Berg und der sich hart südlich daran anlehnenden gleichnamigen Ortschaft postiert. Hätte der Gegner hier tatsächlich noch eine nachhaltige Verteidigung führen wollen, so wäre es den Preußen wohl kaum so rasch gelungen, ihn aus derart günstigen Positionen zu vertreiben. Doch als sich gegen 13 Uhr Franseckys Kolonnen südlich des Plateaus vereinigten, befanden sich die Österreicher bereits in vollem Rückzug. Nur bei der Burgruine südlich der Ortschaft Musky kam es noch zu heftigeren Kämpfen. Mehr als der Gegner hielt jedoch die den ganzen Tag anhaltende Hitze die Preußen von einer energischen Verfolgung ab. Die Bilanz der Sieger: 1200 gefangene Gegner. Die eigenen Verluste beliefen sich auf 150 Tote und Verwundete. Der tatsächliche Siegespreis fand sich dann aber in den Gewölben einer Münchengrätzer Brauerei. Nachdem die preußischen Füsiliere und Grenadiere den ganzen Tag von quälendem Durst geplagt worden waren und sich

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viele schon ihre Feldgeschirre in brackigen Pfützen hatten füllen müssen, schien allen der Fund dieses kühlen Felsenkellers voller Bierfässer der „schönste Fang der Elbarmee während des 66-er Feldzuges“.101 Für den Stab der Ersten Armee, der sich am Abend im ehemaligen Schloss des kaiserlichen Generalissimus Albrecht von Wallenstein bei Kartoffeln und Champagner einquartiert hatte, war die militärische Bilanz des Tages eher ernüchternd. Friedrich Karl hatte fast 100 000 Mann seiner Armee um Münchengrätz konzentriert, um einen Gegner zu schlagen, der schon gar nicht mehr vorhanden war. Zwei ganze Tage hatte der Prinz inzwischen an der Iser verbracht, während die Armeekorps der Kronprinzenarmee entlang der Aupa schwere Gefechte zu bestehen hatten. Kaum einer der Offiziere um den Stabschef, General Konstantin von Voigts-Rhetz, dürfte an diesem Abend geahnt haben, wie knapp Preußen an diesem 28. Juni einer schweren Niederlage entronnen war und wie wenig die Erste Armee unternommen hatte, um ein größeres Desaster in den schlesisch-böhmischen Gebirgspässen zu verhindern. Für die Österreicher hatte der Tag, der bereits die Vorentscheidung des gesamten Feldzuges bringen sollte, recht verheißungsvoll begonnen. Aus Italien war am Morgen die Nachricht eingetroffen, dass Erzherzog Albrecht am 24. Juni 1866 die numerisch überlegene Armee des Generals Alfonso La Marmora bei Custoza schwer geschlagen hatte. Die Siegesbotschaft aus dem Süden hob die Stimmung in der Nordarmee beträchtlich. Gleich am Vormittag war Benedek mit seinem gesamten Stab von Josephstadt nach Skalitz geritten, wo ihn die Truppen freudig begrüßt hatten. Inzwischen war als Verstärkung das VIII. Österreichische Armeekorps des Erzherzogs Leopold an der Aupa eingetroffen und Soldaten wie Offiziere hofften, dass „Vater Benedek“ gekommen sei, um die bevorstehende Niederlage der Preußen persönlich anzusehen. General Steinmetz’ V. Armeekorps stand kaum sechs Kilometer entfernt bei Wysokow, wo es immer noch den am Vortag erkämpften Austritt aus dem Gebirge behauptete. Doch Benedek schien gar nicht daran interessiert, die immer noch isolierten Preußen bei Skalitz mit doppelter Übermacht anzufallen. Unter dem starken Einfluss von Krismanic glaubte er tatsächlich, Steinmetz

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und die übrigen Armeekorps der Kronprinzenarmee wollten nur rasch Anschluss an Friedrich Karl im Raum Gitschin gewinnen. Umso wichtiger schien es für die Nordarmee, diesem Gegner zur Iser entgegenzumarschieren und ihn zu schlagen, ehe es zu einer Vereinigung aller preußischen Armeen kommen konnte. Dass Moltke jedoch seine beiden Armeen so lange wie möglich getrennt halten wollte, konnten sich weder Benedek noch sein Stabschef vorstellen. Als der Feldzeugmeister vor seiner Rückkehr nach Josephstadt dem entsetzten Ramming befahl, mit seinem VI. Armeekorps sofort zur Iser aufzubrechen, war eine der größten Chancen des Feldzuges vertan. Statt mit der doppelten Übermacht endlich einen deutlichen Sieg gegen die Preußen verbuchen zu können, musste die Nordarmee an diesem Tag erneut zwei herbe Schlappen einstecken. Die Verantwortung für die erste dieser Niederlagen trug allerdings Erzherzog Leopold allein, der noch am Vormittag mit seinem VIII. Armeekorps befehlswidrig und ohne Abstimmung mit den Nachbarkorps nördlich von Skalitz die Aupa überschritt, um den von Wysokow anrückenden Preußen entgegenzutreten. Der alte Steinmetz hatte die Gefahr rasch erkannt und seine Avantgarde im Dubnowald, einige Hundert Meter östlich von Skalitz, Stellung beziehen lassen. In einer Reihe von unkoordinierten Angriffen auf das Waldstück machten nun auch die Regimenter des VIII. Armeekorps die erschütternde Erfahrung mit dem preußischen Hinterlader. Erneut hatten es Steinmetz’ Regimenter verstanden, ihre strategische Offensive mit den Vorteilen der taktischen Defensive zu kombinieren. Um 14 Uhr konnten seine Spitzen die Ortschaft Skalitz besetzen, die auch der Namensgeber für das rund zweistündige Gefecht sein sollte, in dem zwei österreichische Brigaden praktisch zerschlagen wurden. Zwar mussten die Preußen ihren neuerlichen Erfolg mit herben Verlusten bezahlen  – immerhin 1365 Offiziere und Mannschaften waren tot oder verwundet –, doch der Aderlass auf gegnerischer Seite war mit nochmals 5500 Mann Verlust kaum noch erträglich. Schlimmer noch erwischte es die Österreicher am selben Tag bei Burkersdorf, das schon im Zweiten Schlesischen Krieg (1745) ein Kampfplatz gewesen war. Dort hatte Feldmarschall-Leutnant von

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Gablenz mit seinem X. Armeekorps versucht, das über den Pass von Eypel heranziehende Preußische Gardekorps aufzuhalten. Von Benedek und Krismanic waren ihm Verstärkungen zugesagt worden, und so hatte Gablenz seine Truppen aufgeteilt, hatte versucht mit drei seiner Brigaden den Gegner zwischen Deutsch-Praussnitz und Burkersdorf frontal zu binden. Gleichzeitig sollte seine vierte Brigade, die von dem Oberst Georg Grivicic geführt wurde, die Preußen von Norden über Alt-Rognitz in ihrer rechten Flanke packen, sobald sie die Gebirgsengpässe westlich von Eypel verlassen hatten. Doch die preußische Avantgarde hatte mit vier Bataillonen bereits gegen 9 Uhr die Ortschaft Staudenz auf halben Wege zwischen Eypel und Burkersdorf erreicht. Entgegen der Zusagen des Oberkommandos war sie nicht von Teilen des IV. Österreichischen Korps besetzt worden. Krismanic hatte sich kurzfristig anders entschieden, es jedoch unterlassen, Gablenz zu benachrichtigen.102 Die Preußen konnten ihr Glück kaum fassen. Der Entschluss war schnell gefasst. Verstärkt durch den Rest der Avantgarde griffen sie, gedeckt durch einige Waldstücke, die Österreicher in Burkersdorf im Sturm an. Noch erschüttert von den Verlusten des Vortages und der blutigen Lektion, die das Zündnadelgewehr seinen Brigaden erteilt hatte, verharrte Gablenz jetzt ganz in der Verteidigung und hatte dazu seine gesamte Artilleriereserve beiderseits der Ortschaft postiert. Es entwickelte sich nunmehr eine Schlacht mit umgekehrten Vorzeichen. Die Preußen verließen sich ganz auf ihre Bajonette, ihre Gegner dagegen auf die Feuerkraft ihrer Geschütze und weit reichenden Gewehre. Wenig darin geübt, war die österreichische Infanterie ihrem preußischem Gegner auch in der Abwehr nicht gewachsen. Vielfach schoss sie zu hoch, sodass die Angreifer, wenn auch mit erheblichen Opfern, sich zunächst im nördlichen Teil der Ortschaft festsetzen konnten. Um weitere Verluste zu vermeiden, gab Gablenz schließlich seinen drei Brigaden den Befehl, sich nach Westen abzusetzen. Doch der Melder, der Oberst Grivicic den Befehl zum Rückzug überbringen sollte, erreichte nie sein Ziel. Dessen Brigade hatte zwar am Vormittag zwischen Alt-Rognitz und Rudersdorf die preußische Vorhut noch zurückgeschlagen, doch weitab von der Masse des X. Österreichischen Korps und somit ohne jede Unterstützung war sie schließlich dem Angriff der gesamten 2. Gardedivision nicht

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gewachsen gewesen. Vom Gegner eingekreist, ergaben sich über 2000 Mann den Preußen. Mehr als 1000 Mann waren tot oder verwundet, darunter auch der Brigadekommandeur. Nur 2000 Mann konnten dem Desaster entkommen.103 Damit hatte Grivicics Brigade zu bestehen aufgehört. Insgesamt kostete diese zweite Schlacht des 28. Juni Gablenz’ Armeekorps noch einmal 3800 Mann, von denen die Mehrzahl in Gefangenschaft geraten war. Die Preußen bezahlten ihren Erfolg mit rund 700 Toten. Es war ein herber Verlust gerade für eine Armee von Wehrpflichtigen, deren Angehörige nicht mehr wie noch zu Zeiten des Ancien Régime entbehrliche Randexistenzen waren, sondern die inzwischen aus allen Schichten der Zivilgesellschaft stammten, darunter nicht selten sogar Familienväter und Ernährer. Die preußische Feldpost spielte daher eine wichtige Rolle für die Moral der Truppe. Täglich beförderte sie mehr als 30 000 Briefe in die Heimat. Keine Armee der Welt korrespondiere so viel wie die unsrige, stellte Hans Wachenhusen schon zu Beginn des Feldzuges fest: „Unter jedem Strauch, in jeder Laubhütte lag ein Briefsteller; hier schrieb einer auf seinem Tornister, dort lag einer auf dem Bauch im Sand und korrespondierte auf einem umgekehrten Kochgeschirr. Andere hatten die möglichsten und unmöglichsten Stellungen eingenommen. Alles schrieb, denn jeder wollte den Seinigen mitteilen, dass er nach Österreich eingerückt sei.“104 Mit den Schlachten von Nachod, Skalitz und Burkersdorf hatte die Kronprinzenarmee endgültig den Durchbruch nach Böhmen geschafft. Am Morgen noch hatte das Damoklesschwert der Niederlage über ihr und der gesamten preußischen Armee gehangen. Kaum zwölf Stunden später hatte Preußen den Feldzug gegen die österreichische Nordarmee strategisch bereits gewonnen. Beide preußischen Armeen waren nun so nah aneinandergerückt, dass sie sich jederzeit gegenseitig unterstützen konnten. Moltkes umstrittener Plan war gerettet. Allein Krismanics Starrsinn und Benedeks Fatalismus hatten dafür gesorgt, dass er überhaupt funktionierte. Mit den ersten Nachrichten von den beiden neuerlichen Niederlagen, die am späten Abend in Josephstadt eintrafen, sank die Stimmung in der Nordarmee beträchtlich. Über 20 000 Mann waren

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verloren, zwei ganze Brigaden praktisch vernichtet und Gablenz’ X. Korps auf beinahe die Hälfte seines Bestandes reduziert. Doch nicht nur die Höhe der Verluste verursachte Entsetzen. Am bedenklichsten erschien den Offizieren noch, dass die preußische Umklammerung nun schon deutlich Gestalt angenommen hatte.105

Desaster des I. Österreichischen Korps bei Gitschin Als im Laufe der Nacht genauere Meldungen eintrafen, entschloss sich Krismanic, seinen ursprünglichen Defensivplan, den er ja nur unter dem Druck von Hof und Öffentlichkeit aufgegeben hatte, wiederaufzugreifen. Der Marsch zur Iser war unter den verschlechterten Umständen nicht mehr möglich, stattdessen sollte die gesamte Armee dem Gegner nunmehr in einer Stellung von Josephstadt über Dubenitz bis Miletin eine reine Verteidigungsschlacht liefern. Es war genau jene Position auf der die obere Elbe beherrschenden Hochebene, deren Einnahme Krismanic schon im Frühjahr 1866 dem Kaiser in einer Denkschrift empfohlen hatte. Im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1778, so wusste Krismanic, war hier immerhin die Armee Friedrichs II. gescheitert. Nach Norden und Osten bot sie mit ihren dominierenden Höhen zwar bedeutende Vorteile, in ihrer linken Flanke aber war sie einem Angriff der Ersten Preußischen Armee aus Richtung Gitschin beinahe schutzlos ausgesetzt.106 Auch mit Abstand von 150 Jahren fällt es schwer, in der Wahl dieser Position eine Logik zu erkennen. Hatte Krismanic bis dahin Friedrich Karl als den Hauptgegner betrachtet, so glaubte er nun auf einmal den Prinzen völlig ignorieren zu können. Die geänderten Marschbefehle für die Armeekorps der Nordarmee gingen am 29. Juni frühmorgens heraus. Doch einmal mehr stand Krismanics Handeln unter keinem guten Stern. Obwohl eine telegrafische Verbindung zu Clam-Gallas und Kronprinz Albert in Gitschin existierte, verließ sich der Stabschef lieber auf einen Kurier, um das Sächsische Armeekorps und das 1. Österreichische Armeekorps über den neuen Entschluss zu orientieren. Der Preis für das verspätete Eintreffen des Meldereiters war eine neuerliche Niederlage der Nordarmee, die alle bisherigen noch übertraf.

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Österreicher und Sachsen hatten sich am Vortag nicht ohne Verluste aus der preußischen Umklammerung bei Münchengrätz lösen können und erwarteten seit dem Nachmittag in günstigen Stellungen nördlich von Gitschin das Eintreffen der österreichischen Hauptarmee. Gitschin war eine böhmische Kleinstadt in einer der fruchtbarsten Regionen des Landes, die auch als „Böhmisches Paradies“ bezeichnet wurde.107 Seine damals 6000 Einwohner waren überwiegend Tschechen. Bekannt wurde die Stadt im Dreißigjährigen Krieg, als sie der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein zur Residenz seines neuen Herzogtums Friedland machte und sie mit großzügigen Bauten schmückte, darunter das Stadtpalais im florentinischen Stil und das Jesuitenkolleg.108 Als Kreuzungspunkt von fünf Landstraßen war Gitschin auch von großer militärischer Bedeutung. Clam-Gallas hatte drei seiner fünf Brigaden auf dem bewaldeten Priwisyn-Plateau im Norden der Stadt postiert, das seiner Infanterie und rund 50 Geschützen, der Hälfte seiner Korpsartillerie, hervorragende Wirkungsmöglichkeiten auf die von Turnau heranführende Straße bot. Eine vierte Brigade deckte bei Unter-Lochow, westlich von Gitschin, die linke Flanke des Korps gegen jeden Feind, der sich auf der Straße von Münchengrätz näherte. Der rechte österreichische Flügel östlich der Straße von Turnau wurde durch die feuchte Niederung der Cidlina geteilt. Hier sollte eine Brigade des sächsischen Korps Stellung beziehen, während die äußerste rechte Flanke von einer fünften österreichischen Brigade gehalten wurde. Die Kavalleriedivision des Generalmajors von Edelsheim-Gyulai bildete die Reserve dieses Flügels. Von einer beträchtlichen Geschützbarriere verstärkt, hätte diese Position auch gegen einen überlegenen Gegner längere Zeit behauptet werden können. Doch dieser überlegene Feind erschien nicht. Der stets übervorsichtige Friedrich Karl unternahm nur das Nötigste, konnte jetzt auch nicht mehr tun, da seine Armee weiterhin unter notorischen Versorgungsproblemen litt. Das dringend benötigte Material stapelte sich derweil auf dem Reichenberger Bahnhof, der Bahnhof von Turnau war nach wie vor eine Trümmerwüste. Für den Weitertransport abseits der Schiene fehlten aber Personal und Fuhrwerke.

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Auch im Krieg von 1866 blieb die Logistik ein Stiefkind der preußischen Heeresführung.109 Immerhin hatte Friedrich Karl bereits am 28. abends seine 5. Division unter Generalleutnant Ludwig Karl von Tümpling auf Gitschin in Marsch gesetzt, als ihn am Morgen ein alarmierendes Telegramm aus Berlin erreichte. Nachdem Moltke ihn zuvor vergeblich zur Eile ermahnt hatte, forderte nunmehr König Wilhelm selbst seinen Neffen in harschem Befehlston auf, endlich durch einen energischen Vormarsch auf Gitschin die bedrohte Kronprinzenarmee zu entlasten.110 Eine zweite preußische Division unter Generalleutnant August Leopold von Werder war daher am Morgen aus Münchengrätz aufgebrochen und hatte nach einem Marsch von sieben Stunden in brütender Hitze am frühen Nachmittag das Vorfeld von Unter-Lochow erreicht. Es schien die beiden preußischen Kommandeure nicht weiter zu beunruhigen, dass sie der eigenen Armee weit voraus mit zwei getrennten Divisionen der doppelten Übermacht der Sachsen und Österreicher gegenüberstanden, die zudem auch noch, von fast 100 Geschützen unterstützt, hervorragende Stellungen eingenommen hatten. Ohne weitere Verstärkungen abzuwarten, gaben sie nach kurzer Erkundung ihren Truppen den Angriffsbefehl. Was nach aller Logik der Kriegführung zu einem preußischen Desaster hätte führen müssen, endete nach sechsstündigem Kampf völlig überraschend mit einer weiteren Niederlage der verbündeten Streitmacht. Wieder einmal ging auf österreichisch-sächsischer Seite schief, was nur schiefgehen konnte. Fehlentscheidungen, Nachlässigkeiten oder einfach nur Pech vereinigten sich zu einer verhängnisvollen Melange. Die Sachsen hatten nach einem zeitraubenden Anmarsch über Jung-Bunzlau ihre Stellungen auf dem rechten Flügel noch nicht bezogen, als genau hier der Angriff der 5. Preußischen Division einsetzte und sogleich einen tiefen Einbruch zwischen den Ortschaften Diletz und Eisenstadtl erzielte. Auch die als Ersatz eingeschobene Kavalleriedivision „Edelsheim“ konnte die Lücke nicht schließen. Ihre Attacken scheiterten sämtlich an der Feuerkraft des Zündnadelgewehres. Die Preußen brauchten nicht einmal mehr Karrees zu bilden. Auf dem linken Flügel wiederum hatte die österreichische Brigade „Ringelsheim“ anfangs den Vormarsch der 3. Preußischen Division

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gestoppt. Das Jägerbataillon der Brigade empfing die von Münchengrätz ankommenden Kolonnen aus einem überhöhten Gehölz mit einem verheerenden Feuer. Jeder Schütze wurde von zwei Mann unterstützt, die ihm die geladenen Waffen nach vorne reichten.111 Erst nach Zugang eines falschen Befehls mussten die Verteidiger ihre günstige Stellung oberhalb von Unter-Lochow räumen, wobei 600 Mann verloren gingen. In dieser für die Österreicher und Sachsen überaus kritischen Situation traf etwa gegen 20 Uhr aus Josephstadt völlig verspätet der Befehl ein, dass Gitschin unter Vermeidung eines Gefechts zu räumen sei. Dass Krismanics neue Dispositionen vom frühen Morgen mehr als zwölf Stunden gebraucht hatten, um ihre Adressaten in Gitschin zu erreichen, war nicht nur der Nachlässigkeit eines Majors geschuldet.112 Der Wechsel des österreichischen Hauptquartiers von Josephstadt nach Dubenetz hatte die telegrafische Verbindung nach Gitschin am 29. Juni unterbrochen, ohne dass dies bei der Nordarmee Besorgnisse ausgelöst hätte. So kam es, dass ein noch am Mittag von Albert an Krismanic abgegangenes Kabel mit der Bitte um Instruktionen ohne Antwort geblieben war. Der sächsische Kronprinz und Clam-Gallas entschieden nach kurzer Beratung in Gitschin, dem Befehl aus Josephstadt sofort Folge zu leisten. Ein vertretbarer Entschluss, denn beide Befehlshaber mussten damit rechnen, schon in kurzer Zeit mit der gesamten Ersten Armee Friedrich Karls im Gefecht zu stehen, was ein Entkommen endgültig ausgeschlossen hätte. Dass der ihnen gegenüberstehende Feind die Tollkühnheit besaß, sie mit nur zwei isolierten Divisionen anzugreifen, konnten sie nicht einmal ahnen. Auf zwei Marschstraßen sollte der Abmarsch durch Gitschin erfolgen, gedeckt durch die sächsische Leibbrigade, die bislang als Reserve gedient hatte. Wie kaum anders zu erwarten, löste der überraschende Rückzugsbefehl bei den im Kampf stehenden Brigaden sofort Verwirrung aus. Zu vielen Verbänden kam die neue Ordre auch überhaupt nicht durch und die einbrechende Nacht erhöhte das sich anbahnende Chaos. Die Preußen fassten überall scharf nach, lautete doch Friedrich Karls einziger Auftrag an seine Kommandeure, die Stadt noch am 29. zu nehmen. Pommersche Füsiliere vom 12. Infanterieregiment drangen gegen 23 Uhr von Westen her als Erste in die Stadt ein und veranlassten Clam-Gallas

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und seinen Stab zur überstürzten Flucht, wurden dann aber von der sächsischen Leibbrigade wieder zurückgeworfen. Während die Sachsen, von denen überhaupt nur zwei Brigaden zum Einsatz gekommen waren, den Kampfplatz noch in leidlicher Ordnung mit einem Verlust von 600 Mann verlassen konnten, brach der Zusammenhalt bei den Österreichern völlig zusammen. Ganze Bataillone wurden abgeschnitten und gerieten in preußische Gefangenschaft, und was von Clam-Gallas’ Verbänden aus Gitschin entkommen konnte, war am Morgen weit über das Hinterland verstreut und kaum noch einsatzfähig. Die Österreicher konnten sich noch glücklich schätzen, dass Friedrich Karl außerstande schien, seine bisher nicht zum Kampf gekommenen Divisionen zur Verfolgung des geschlagenen Gegners einzusetzen. Doch auch so war der Ausgang des Gefechts für die Nordarmee eine Katastrophe. Das I. Österreichische Armeekorps hatte bei Gitschin 4900 Mann verloren, dreimal so viel wie die angreifenden Preußen.113 Am bedrückendsten aber war die Erkenntnis, dass man gegen die mit unterlegenen Kräften attackierenden Preußen erneut einen Sieg verschenkt hatte, der nach den Schlappen der Vortage für die angeschlagene Moral der Nordarmee bitter nötig gewesen wäre. Noch bevor die triumphalen Nachrichten aus Gitschin in Berlin eintrafen, war die Stimmung in der Hauptstadt bereits vollkommen umgeschlagen. Nachod, Skalitz und Burkersdorf sowie die Kapitulation der Hannoveraner brachten die Berliner in Massen auf die Straße. König Wilhelm vernahm die Kunde von den Erfolgen seines Sohnes allerdings nicht ohne einen Anflug von Neid und meinte zu seinem Haus- und Hofjournalisten Louis Schneider: „Mir waren in jungen Jahren ein solches Kommando und solche Siege nicht beschieden.“ Zugleich warnte er, dass man noch längst nicht über den Berg sei.114 Doch die Berliner sahen das anders. Die großen Straßen waren an diesem Tag beflaggt und in der Wilhelmstraße forderte eine euphorisierte Menge immer wieder, dass sich Bismarck am Fenster zeige.115 Es war dasselbe Publikum, das ihn nur Tage zuvor noch verdammt hatte. Nun konnte es ihn nicht genug bejubeln, nachdem das Zündnadelgewehr seiner Politik auf den böhmischen Schlachtfeldern so vehementen Nachdruck verliehen hatte. Nicht einmal eine Woche später, genau am Tag von Königgrätz, feierte die

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Konservative Partei in den Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus einen erdrutschartigen Sieg und gewann 100 Sitze hinzu. Die liberale Fortschrittspartei dagegen verlor durch einen Verlust in etwa gleicher Höhe ihre bisherige Mehrheit. Der so plötzliche öffentliche Beifall war dem preußischen Ministerpräsidenten doch eher unheimlich, wie er noch am selben Tag der jungen russischen Gräfin Katharina Orlowka schrieb, einer Bekanntschaft aus unbeschwerten Biarritzer Urlaubstagen, für die Bismarck seither mehr als nur onkelhafte Gefühle hegte.116 Wenige Stunden später saß der nun so populäre Ministerpräsident schon in einem der sechs Züge, die den König samt Militärkabinett, Generalstab sowie Adjutanten aller Art, zusammen fast ein ganzes Bataillon, nach Böhmen brachte. Auch unterwegs ebbte der Jubel an den Bahnhöfen nicht ab und Züge voller österreichischer Gefangener auf dem Gegengleis ließen bald auch alle Skeptiker verstummen, die den Siegesmeldungen bisher noch nicht recht getraut hatten.117 Am Nachmittag traf der Monarch mitsamt Gefolge in Reichenberg ein, wo die Masse der Mitreisenden zunächst verblieb. Das Klima war angespannt und Gerüchte von Anschlägen der Einheimischen machten die Runde. So habe angeblich ein Schnapsbrenner aus Münchengrätz 26 Soldaten in seinen Spirituskeller gelockt, die Männer betrunken gemacht und dann alles angezündet, schrieb Bismarck seiner Frau. Auch sorgte er sich um die Sicherheit der politischen Führung, als ihm Meldungen zu Ohren kamen, dass österreichische Kavallerie noch in der Nähe sei. Moltke meinte dazu nur kühl, im Krieg sei eben alles gefährlich.118 Seine Antwort ließ klar durchblicken, dass er die Anwesenheit des Ministerpräsidenten im Felde als höchst überflüssig erachtete. Kurz darauf machte sich der „Große Schweiger“ mit seinem Stab bereits auf den Weg nach Gitschin, wo er am Abend des nächsten Tages eintraf. Bereits unterwegs hatte er einen grundlegenden Befehl verfasst, mit dem er die Bewegungen der beiden Armeen unter seine Kontrolle zu bringen hoffte. Demnach hatte sich die Kronprinzenarmee unbedingt auf dem linken Ufer der oberen Elbe zu halten, sollte sich aber mit ihrem rechten Flügel bereit machen, die Erste Armee zu unterstützen, die ihrerseits zügig auf Königgrätz vorzustoßen hatte. Stärkere gegnerische Kräfte in der rechten Flanke

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des preußischen Vormarsches sollten die Elbarmee angreifen und von der österreichischen Hauptarmee abdrängen.119 Doch wo war Benedek geblieben? Hatte die Nordarmee etwa schon die Elbe hinter sich gelassen? Kein Preuße schien es zu wissen. Nach der Schlacht von Gitschin hatte Friedrich Karl leichtfertig die Verbindung zum Feind abreißen lassen. Die preußische Falle war zwar nun zum Zuschnappen bereit, aber weder Moltke noch die beiden Prinzen wussten, ob die Österreicher überhaupt noch darin steckten.

= Exkurs: Ein Stiefkind der preußischen Armee – Die elektrische Telegrafie Gegen Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges erreichte die Unionsarmee unter General William T. Sherman die Stadt Colombia in North Carolina. Als einer seiner Divisionskommandeure, General Hugh Boyle Ewing, ein Bündel von offenbar dringenden Meldungen nicht sofort mit dem Telegrafen weiterleiten konnte, da die erforderliche Apparatur noch fehlte, drohte er, außer sich vor Zorn, dem zuständigen Telegrafen-Superintendanten mit der Erschießung. Der gescholtene Untergebene blieb jedoch gelassen, nahm die beiden Enden des durchgeschnittenen Leitungsdrahtes und kabelte durch entsprechende Berührungen die Nachrichten des Generals auch ohne Apparatur. Zu Ewings maßlosem Erstaunen konnte er sogar die eingehenden Antworten empfangen und dekodieren, indem er einfach die beiden Enden ober- und unterhalb seiner Zunge ansetzte und die eingehenden Impulse gewissermaßen schmeckte.120 Der ungewöhnliche Vorfall zeigte zweierlei. Wie hervorragend es erstens die Amerikaner verstanden, zu improvisieren, und wie sehr zweitens in der Unionsarmee die elektrische Telegrafie nach vier Jahren Krieg sogar auf Divisionsebene zu einer Selbstverständlichkeit geworden war, auf die kein Truppenführer mehr verzichten wollte. Als nur ein Jahr später die preußischen Armeen in Böhmen einrückten, lag man in Europa technisch keineswegs hinter den Amerikanern

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Ein Telegraf aus dem Jahr 1844 (Museum für Kommunikation, Berlin)

zurück. Der Morsecode, der nur noch eine Leitung zur Übermittlung elektrischer Signale benötigte, hatte sich seit den 1840er-Jahren auch auf dem alten Kontinent durchgesetzt. Die Guttapercha-Isolierung, eine Idee des preußisches Artillerieleutnants Werner Siemens, ermöglichte die unterirdische Verlegung der Leitungen, was einen gewissen Schutz vor Zerstörungen und Diebstahl bedeutete. 1854 existierte in den deutschen Staaten bereits ein sich rasch verdichtendes Netz von Telegrafenlinien, meist entlang der großen Eisenbahnlinien. Die Bedeutung schneller Nachrichtenübermittlungen im Zeitalter der ersten großen Börsenkrise von 1857 stellte niemand in Europa mehr ernsthaft infrage. Mehr als 200 000 Telegramme hatten private Nutzer 1856 über die Telegrafenämter Preußens verschickt und das Großstadtpublikum war es inzwischen auch schon gewohnt, mit mehr oder weniger realistischen Nachrichten von den Kriegsschauplätzen auf der Krim oder in Norditalien versorgt zu werden. Die mittlerweile einwandfrei funktionierende Technik warf schließlich in der preußischen Armee die Frage auf, ob sich die elektrische

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Telegrafie nicht auch als Führungsmittel im Feld einsetzen ließ. Immerhin hatte es schon in den 1820er-Jahren Versuche mit optischen Telegrafiesystemen gegeben und 1830 war in Potsdam sogar eine mobile Telegrafenabteilung als Teil des Gardepionierbataillons entstanden. Nach nur drei Jahren war die Einheit jedoch wieder aufgelöst worden.121 Erst 20 Jahre später hat das preußische Kriegsministerium die Versuche wieder aufgenommen und begonnen, mobile Telegrafeneinheiten in Manövern zu erproben. Überzeugende Lösungen für die zahlreichen technischen und logistischen Probleme fanden sich jedoch zunächst nicht. Die transportablen Sendeapparate waren mit einem Gewicht von 850 Kilogramm noch zu schwer, die Isolierung der Kabel wurde durch das häufige Auf- und Abrollen rasch brüchig und der große Bedarf an Stangen für die Hochverlegung war kaum zu transportieren.122 Für den Dänischen Krieg wurde dann immerhin eine Feldtelegrafenabteilung aufgestellt, die aber hauptsächlich damit beschäftigt war, unterbrochene Leitungen zu reparieren oder ihr zusammengewürfeltes Personal zu schulen. Im stationären Betrieb wie bei der Belagerung von Düppel im April 1864 erwies sich der Telegraf allerdings schnell als unverzichtbares Mittel der Befehls- und Nachrichtenübermittlung. Für die Probleme im Bewegungskrieg zeichnete sich dagegen noch keine überzeugende Lösung ab. Gleichwohl entschloss sich das preußische Kriegsministerium mit Beginn der Mobilisierung 1866 für das Hauptquartier und jede seiner drei Armeen je eine Telegrafenabteilung mit 115 Mann aufzustellen. Höchste Priorität besaß das Projekt allerdings nicht. Das Führungspersonal der neuen Abteilungen stammte aus der Pioniertruppe, die Mannschaften waren Reservisten und mit der Ausrüstung kaum vertraut. Gut ausgebildete Telegrafenbeamte waren rar und konnten im militärischen Eisenbahnbetrieb nicht entbehrt werden.123 Erschwerend für den Aufbau einer funktionierenden Feldtelegrafie war auch, dass andere Truppenteile in einer Mischung aus Borniertheit und Phlegma oft die vom Feind zurückgelassenen und noch nutzbaren Leitungen einfach zerstörten und die Telegrafenstangen als willkommenes Brennmaterial benutzten.124 All dies erklärt jedoch nicht, weshalb wichtige telegrafische Nachrichten oft nur verspätet oder gar nicht beim Empfänger eintrafen. So war etwa eine Weisung von Moltke, mit der er am 23. Juni der Ersten Armee den beschleunigten Vormarsch zur Iser befohlen hatte, ganze

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drei Tage lang verschollen geblieben.125 Offenbar hatte man im Berliner Hauptquartier nicht zurückgefragt, als die Quittierung ausgeblieben war. Die telegrafische Bestätigung jeder eingegangenen Depesche war allerdings schon ständige Pflicht und wurde in vielen Telegrammen von Moltke sogar noch einmal gesondert befohlen. Dennoch variierten die Übermittlungszeiten für Telegramme zwischen der Ersten Armee und Berlin von nur mehreren Stunden bis zu ganzen Tagen. Von der Einnahme Dresdens erfuhr Moltke nur auf Umwegen. Bei der Kronprinzenarmee sah es immerhin etwas besser aus. Zwar hatte die Armeeführung entschieden, ihre mobile Telegrafenstation im schlesischen Libau zurückzulassen und die Endverbindung zum Armeeoberkommando durch berittene Melder sicherzustellen, aber die Nachrichten von den Schlachten bei Nachod, Trautenau und Skalitz machten schon am nächsten Morgen in Berlin die Runde.126 Gleichwohl bewegten sich zwischen dem 23. und 29. Juni 1866 die drei böhmischen Armeen tagelang durch feindliches Gebiet, ohne die geringsten Informationen über ihre Nachbarn zu besitzen.127 Niemand schien daran Anstoß zu nehmen. Wo aber lagen die Ursachen für das im krassen Gegensatz zu den Amerikanern geringe Interesse der militärischen Zunft an der neuen Technologie? War etwa das Urteil des Schweizer Militärschriftstellers und ehemaligen preußischen Offiziers Wilhelm Rüstow, typisch für die Haltung vieler Militärs, wenn der alles andere als konservative Autor noch 1865 bemerkte, dass der Telegraf aus Soldaten Postangestellte machen würde und dass er einen gut instruierten Stabsoffizier jederzeit einem geistlosen Kabel den Vorzug geben würde?128 Als Chef des Generalstabes der Armee versuchte Moltke dieses Problem immerhin aufzugreifen, indem er seinen knapp gehaltenen telegrafischen Meldungen jeweils ausführliche Weisungen in schriftlicher Form folgen ließ. Zu Irritationen führte das Verfahren allerdings, wenn – wie es 1866 häufiger geschah – nur die schriftliche Version beim Empfänger eintraf, das zugehörige Telegramm aber verloren gegangen war oder verspätet eintraf.129 Moltke war an den Berührungsängsten seiner Armeeführer mit der neuen Technik nicht ganz unschuldig, wenn er etwa im Rückblick auf den Krieg von 1859 den österreichischen Oberbefehlshaber in Italien als höchst unglücklichen Menschen bedauert hatte, weil er mit einer Telegrafenleitung im Rücken jede Stunde dem Hauptquartier zur Re-

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chenschaft verpflichtet war.130 Da ahnte er wohl noch nicht, dass er selbst 1866 als weisungsbefugter Chef des Stabes der Armee gezwungen sein würde, mehrfach telegrafisch in die Befehlsgebung des Führers der Mainarmee, General Eduard Vogel von Falckenstein, einzugreifen. Moltke handelte in diesem Fall aber bereits auf der Grundlage eines eigenen konkurrierenden Lagebildes, das er in Berlin durch zahlreiche telegrafische Meldungen direkt aus dem Kriegsgebiet gewonnen hatte und das sich in vieler Hinsicht sogar als zutreffender erwies als Falckensteins Nachrichtenlage. Gewiss wurde im Krieg von 1866 von der elektrischen Telegrafie auf den höheren Führungsebenen reichlich Gebrauch gemacht, aber ein geordnetes Meldewesen ist zunächst nicht zustande gekommen. Stand ein Telegrafenanschluss zufällig zur Verfügung, wurde er auch genutzt, wo er aber fehlte, unterblieben jedoch meist alle Anstrengungen, das Defizit zu beheben. Wohl typisch für diese Indifferenz war eine Nachricht Falckensteins an Moltke vom 12. Juli 1866. Befehlsgemäß hatte er seine Armee von der fränkischen Saale in Richtung Frankfurt dirigiert, wo er am 17. Juli einzutreffen gedachte, und fügte dann hinzu: „Telegramme können mich bis dahin füglich nicht erreichen.“131 Dass ein Telegrafist – wie im amerikanischen Bespiel – bei Ausfall der Technik von seinem Befehlshaber mit dem Tode bedroht wurde, ist für die preußische Armee im Krieg von 1866 jedenfalls nicht überliefert.

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Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken „Als es anfing dunkel zu werden, bot sich uns ein schauriger Anblick, denn alle Dörfer und Häuser starrten in Flammen. Vor uns gegenüber lag ein kleiner Berg, Ackerland mit einer angrenzenden Wiese. Auf diesem Berg haben die 17er und 57er schwerharte Kämpfe gehabt. Das Feld lag wie besät von Leichen und Verwundeten. So gingen denn durch das rote Licht der Flammen die Lebenden wie Geister unter den Toten. Wir legten uns zum Schlafen nieder.“ Aus dem Tagebuch des Peter Wilhelm Molitor aus Siegburg132

Gedrückte Stimmung in der Nordarmee – Gegen die Preußen scheint kein Kraut gewachsen Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken

Im Verlauf des 30. Juni retteten sich die gelichteten Reihen des I. Österreichischen Armeekorps in den Schutz der Elbfestung Königgrätz und ihr trauriger Anblick hatte auch dem letzten Soldaten in Benedeks Nordarmee das Ausmaß der neuerlichen Niederlage verdeutlicht. Tiefe Ratlosigkeit machte sich im Hauptquartier breit. Kaum jemand glaubte jetzt noch an einen Erfolg der österreichischen Waffen oder wenigstens an einen glimpflichen Ausgang des Feldzugs. Auch mit doppelter Übermacht in hervorragenden Stellungen hatten Sachsen und Österreicher die Preußen bei Gitschin nicht stoppen können. Selbst im Angriff mit bloßem Bajonett schien der Gegner nicht aufzuhalten. Dabei hatte die österreichische Infanterie überall tapfer und geschickt gekämpft. Eine überlegene Artillerie hatte sie dabei unterstützt. Und wieder hatte es nicht zum Sieg gereicht. In nur drei Tagen waren jetzt 31 000 Mann, darunter 1000 Offiziere, verloren gegangen, was dem Bestand eines ganzen Armeekorps entsprach.133

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Aber der Nordarmee drohten jetzt noch größere Rückschläge. Seitdem die beiden preußischen Armeen nur noch einen knappen Tagesmarsch voneinander entfernt standen, war die Stellung von Dubenetz nicht länger haltbar. Benedek entschloss sich noch am Nachmittag, die erst am Vortag in mühsamen Märschen bezogene Position wieder aufzugeben und in der folgenden Nacht mit der gesamten Armee zunächst auf Königgrätz zurückzugehen. In einem am 30. Juni abends abgegangenen Telegramm an den Kaiser begründet er seinen für Wien höchst überraschenden Schritt mit dem „Débácle“ der beiden bei Gitschin eingesetzten Armeekorps. Dass er seine beiden Kommandeure für die neuerliche Niederlage verantwortlich machte, warf allerdings kein gutes Licht auf den Feldzeugmeister. Schockiert von der plötzlichen Wende auf dem böhmischen Kriegsschauplatz schickte Franz Joseph sofort seinen bewährten Vertrauten, Oberstleutnant Friedrich von Beck-Rzikowsky, den späteren Generalstabschef, ins Hauptquartier der Nordarmee. Beck sollte sich möglichst ein eigenes Bild von der Lage machen. Nach einer längeren Unterredung mit Benedek und Krismanic am 1. Juli vormittags in der Prager Vorstadt von Königgrätz musste er akzeptieren, dass augenblicklich nur wenig Anlass zu Optimismus bestand. Fast alle Armeekorps der Nordarmee hatten schwere Niederlagen erlitten. Ein bloßes Rückzugsgefecht gegen Steinmetz bei Schweinschädel hatte noch am 29. Juni das IV. Korps fast 1500 Mann gekostet. Gegen die Preußen schien kein Kraut gewachsen und das nicht allein nur wegen der Feuerkraft des Zündnadelgewehrs. Jederzeit konnten nun Friedrich Karl und der Kronprinz der Nordarmee eine Schlacht mit zwei Fronten aufzwingen. Vielleicht hatte sich Beck auch allzu sehr vom Pessimismus Benedeks und seines Stabschefs beeindrucken lassen, hatte keine Einwendungen erhoben, denn kaum war die Beratung beendet, fühlte sich der Feldzeugmeister berechtigt, ein weiteres Telegramm nach Wien zu schicken, in dem er nun mit dramatisierendem Pathos den Kaiser aufforderte, „um jeden Preis Frieden zu schließen“. Sonst sei eine Katastrophe für die Armee nicht mehr zu vermeiden. Benedeks Zusatz, dass Beck gleich nach Wien zurückgehe, sollte offenbar suggerieren, dass auch der kaiserliche Emissär dem niederschmetternden

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Befund zugestimmt habe. Trotz seiner Panik fand Benedek offenbar immer noch die Zeit für ein geschicktes Kalkül. Tatsächlich aber wusste Beck nichts von dem ultimativen Kabel und reiste ahnungslos aus Königgrätz ab.134 Nur zwei Stunden später war die Antwort des Kaisers da. Dass sie ablehnend ausfiel, konnte nicht wirklich überraschen. „Einen Frieden zu schließen unmöglich. Ich befehle – wenn unausweichlich  – den Rückzug anzutreten.“ Franz Joseph konnte und wollte sich nicht von einem glücklosen General vorschreiben lassen, wann er Frieden zu machen habe. Die abschließende Frage, ob denn wenigstens eine Schlacht stattgefunden habe, zeigte auch, wie sehr er den Meldungen seines Feldzeugsmeisters inzwischen misstraute. Vorläufig jedoch durfte Benedek sein Kommando behalten, nur Krismanic und der eigentlich überflüssige Henikstein mussten als Sündenböcke am nächsten Tag ihre Posten räumen, blieben aber beide noch bei der Nordarmee, um den Nachfolger, General Alois Baumgarten, einzuarbeiten.

Die Österreicher werden zur Schlacht gezwungen Von der verklausulierten Aufforderung seines Monarchen, vor dem Frieden noch eine Schlacht zu schlagen, schien sich der Feldzeugmeister nicht beeindrucken zu lassen. In einer Besprechung mit seinen Korpskommandanten am 2. Juli nachmittags war jedenfalls von einem Kräftemessen mit den Preußen am nächsten Tag noch keine Rede. Erst im Rückblick hat Benedek die Zusammenkunft als Kriegsrat bezeichnet, tatsächlich drehte es sich aber nach dem Zeugnis mehrerer teilnehmender Generale ausschließlich um Fragen der Wasserversorgung und Lagerdisziplin.135 Der Feldzeugmeister schien sogar zu glauben, dass die Nordarmee auch in den nächsten Tagen nicht ernsthaft von den Preußen behelligt würde. Als ihn General von Edelsheim-Gyulai, der Kommandant der 1. Leichten Kavalleriedivision, noch am selben Nachmittag warnte, dass feindliche Patrouillen bereits sehr nahe seien und daher mit einem baldigen Angriff der Preußen über die Bistritz gerechnet werden müsse, verspottete ihn Benedek als einen Propheten. „So ein junger Mensch hat eben immer eigene Ideen.“136 Sofern seine Selbstsicherheit echt

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war, hatte sie allerdings nicht mehr lange Bestand. Im Laufe des späten Abends summierten sich plötzlich die bedrohlichen Meldungen über den Feind. Gefangene, die österreichische Dragoner kaum zehn Kilometer entfernt bei Milowitz eingebracht hatten, bestätigten, dass Friedrichs Karls Armee sich tatsächlich der Bistritz näherte. Auch von den Sachsen auf der linken Flanke kam in der Nacht die Meldung, dass die Preußen bereits gegen den Flussübergang bei Nechanitz vorfühlten. Kronprinz Albert warnte sogar vor einer Umfassung durch Herwarths Elbarmee. Nun erst schien man in Königgrätz den Ernst der Lage zu begreifen. Wieder einmal viel zu spät. Nachdem die Nordarmee auch den gesamten 2. Juli in ihren exponierten Biwaks vertan hatte, konnte sie sich jetzt nicht mehr den Preußen kampflos entziehen.137 Hastig entwarf Krismanic, obwohl schon gar nicht mehr zuständig, eine Schlachtaufstellung für den nächsten Tag, die erst in den frühen Morgenstunden an die Armeekorps abging. Wie genau jedoch die kommende Schlacht ablaufen sollte und welche Idee des Gefechts das Oberkommando verfolgte, darüber schwieg sich Krismanics Entwurf völlig aus. So lautete etwa der Befehl an das II. Armeekorps im Norden nur lakonisch, dass es auf dem äußersten rechten Flügel neben dem IV. aufzumarschieren habe. Kein Wort fiel über das Zusammenwirken des VIII. Armeekorps mit den Sachsen auf dem linken Flügel.138 Auf den ersten Blick waren die österreichischen Positionen im Zentrum zwischen Langenhof, Lipa und Cistowes recht beeindruckend. Sie beherrschten vollkommen die große Straße von Gitschin nach Königgrätz und waren gegen einen direkten preußischen Angriff durchaus längere Zeit zu halten. Probleme bereiteten Benedek dagegen die beiden Flügel seiner Stellung. Im Süden waren die Sachsen in ihren Positionen um Tresowitz und Popowitz jederzeit einer preußischen Überflügelung über Nechanitz ausgesetzt. Kronprinz Albert beantragte daher sogleich am nächsten Morgen die Rücknahme seiner Front auf die Höhen von Problus-Prim, was den Preußen allerdings eine ungestörte Entfaltung ihrer Kräfte auf dem rechten Bistritzufer gestattete. Noch übler aber sah es im nördlichen Teil aus. Dort knickte die österreichische Schlachtordnung zwischen Cistowes und Maslowed im rechten Winkel nach Osten ab. In Erwartung eines

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Flankenstoßes der Kronprinzenarmee zwischen Benatek und Horenowes hatte Krismanic zwei noch intakte Armeekorps, das IV. unter Tassilo Graf Festetics de Tolna sowie das II. unter Karl Graf von Thun und Hohenstein, zusammen etwa 55 000 Mann mit 176 Geschützen, zwischen Chlum und Nedelist platziert. Zu verteidigen waren diese nur am Kartentisch festgelegten Positionen jedoch nicht. Bei Tageslicht stellte sich heraus, dass sie in einer Senke lagen und von einem Feind, der die gegenüberliegenden Höhen von Maslowed und Sendrasitz besetzt hatte, mühelos beherrscht werden konnten.139 Es wäre zu viel gesagt, Krismanics nächtliche Dispositionen für die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts als Plan zu bezeichnen. Den Korpskommandanten wurden zwar Positionen angewiesen, aber über die Absicht der Armeeführung blieben sie vollkommen im Unklaren. Plante der Feldzeugmeister etwa eine nachhaltige Verteidigung entlang der Bistritz, oder wollte er nur Zeit gewinnen, den Gegner auf Distanz halten, um mit der Masse der Armee doch noch über die Elbe zu entkommen? Möglicherweise wusste es Benedek nicht einmal selbst. Der österreichische Entwurf war jedenfalls aus der Not geboren und enthielt fast alle wesentlichen Fehler, die ein Oberkommando überhaupt begehen konnte. Obwohl sich die U-förmige Aufstellung der Armee zur beidseitigen Umfassung geradezu anbot, war der Flankenschutz nur nachlässig betrieben, die Reserven genau hinter dem Zentrum postiert, und mit der Elbe im Rücken musste jeder Rückzug unter Feinddruck sofort in eine Katastrophe ausarten. Aus der gesamten Kriegsgeschichte ist keine vergleichbar unglückliche Schlachtordnung bekannt.

Die Preußen ergreifen ihre Chance Jenseits der Bistritz hatten die Preußen am 2. Juli auf einer Linie von Miletin über Horsitz bis Smidar im Süden einen Ruhetag eingelegt und nur Kavalleriepatrouillen vorgeschickt. Auch am nächsten Tag sollte sich mit Moltkes Billigung die Truppe von ihren bisherigen Strapazen erholen und ihre Versorgung verbessern. Mit einem baldigen Zusammenstoß mit den Österreichern rechneten weder der Generalstabschef noch die beiden Armeeführer. Schon gar nicht

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glaubte man an ein Treffen noch diesseits der Elbe. Gegen Abend jedoch zeichnete sich plötzlich ein anderes Bild ab. Auf den Höhen oberhalb der Bistritz angekommen, waren die von Friedrich Karl ausgesandten Kavallerietrupps überrascht, als sie auf dem Plateau jenseits des Flusses zahlreiche Biwakfeuer der Österreicher entdeckten. Im Stab der Ersten Armee in Kamenetz schätzte man den Gegner vor sich auf mindestens drei Armeekorps und begann sofort fieberhaft Angriffsbefehle für den nächsten Morgen auszuarbeiten. General Voigts-Rhetz machte sich persönlich spät abends mit den fertigen Kopien auf den Weg ins königliche Quartier nach Gitschin. Die Kronprinzenarmee sollte demnach den Angriff der Ersten Armee mit wenigstens einem Armeekorps unterstützen. Voigts-Rhetz hoffte, dafür die Zustimmung des Monarchen zu erhalten, ohne dass sich Moltke noch einmischte, zu dem der General seit ihrer gemeinsamen Zeit in Magdeburg ein gespanntes Verhältnis hatte.140 Wilhelm verwies den Ankömmling aber sogleich an den Generalstabschef, der in einem Haus auf der anderen Seite des Marktplatzes einquartiert war und sich wie der Monarch bereits zur Nachtruhe begeben hatte. Mit einem „Gott sei Dank“ sprang Moltke aus dem Bett, billigte die ihm vorgelegten Dispositionen, bestand aber darauf, dass sämtliche Korps der Kronprinzenarmee Friedrich Karl unterstützen sollten. Moltke war sofort überzeugt, die gesamte Nordarmee vor sich zu haben. An die Kronprinzenarmee in Königinhof ging ein Kurier mit dem Befehl, die Österreicher direkt von Norden anzugreifen, so wie die Preußen ein halbes Jahrhundert zuvor bei Waterloo direkt in Napoleons rechte Flanke marschiert waren. Während die Erste Armee den Feind nur frontal an der Bistritz festhalten sollte, musste die Entscheidung auf den beiden preußischen Flügeln fallen. Im Norden durch die Kronprinzenarmee, im Süden durch Herwarths Elbarmee, welche die Bistritz zwischen Nechanitz und Popowitz zu überschreiten hatte, um über Nieder-Prim und Problus zur Königgrätzer Straße durchzustoßen. Moltkes Änderungen für die bevorstehende Schlacht dürften bei Friedrich Karl und seinem Stabschef Voigts-Rhetz ziemliche Ernüchterung ausgelöst haben. Obwohl ihre Erste Armee für Stunden die volle Last des Angriffs tragen musste, würde die entscheidende Rolle des Tages der Armee des Kronprin-

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zen zufallen. Doch Moltke hatte die Unterstützung des Monarchen. Nun konnte also doch noch das große Kräftemessen genau nach seinen Vorstellungen ausgetragen werden. Benedek und Krismanic sei Dank. In seinem Königgrätzer Quartier setzte der Feldzeugmeister derweil ganz darauf, dass er genügend Zeit hatte, mit Friedrich Karl vor seinem Zentrum fertigzuwerden, ehe sich das Erscheinen der Kronprinzenarmee überhaupt auswirken konnte. An der Nordflanke aber blieben Thun und Festetics weitgehend sich selbst überlassen. Es hätte allerdings schon genauerer Instruktionen an ihre Armeekorps bedurft, um die beiden Befehlshaber an diesem wichtigen Abschnitt unter fester Kontrolle zu halten. Dabei lag es durchaus im Sinne ihres Auftrages, als die beiden Generale in gemeinsamer Absprache ihre Stellungen um etwa einen Kilometer vorverlegten. Ihre Eigenmächtigkeit ließ sich mit den ungünstigen Geländeverhältnissen begründen, schwächte aber die wichtige Position um Chlum im Zentrum der österreichischen Stellung, was im Verlauf der Schlacht schlimmste Konsequenzen haben sollte. Einmal mehr erwies sich aufseiten der Österreicher der Verzicht auf Armeeoberkommandos als mittlere Führungsebene als massiver Nachteil. Die straffe Führung von immerhin acht Armeekorps (einschließlich der Sachsen) hätte auch einen kompetenteren Stab mit einem fähigeren Heerführer als Benedek überfordert. Während sich der Feldzeugmeister voll und ganz auf den Mittelteil seiner Schlachtordnung konzentrierte, wo er beiderseits von Lipa zwei Armeekorps mit 134 Geschützen auf beherrschenden Höhen postiert hatte, schien er seine beiden Flanken nur als Nebenschauplätze aufzufassen. So hatte er etwa den Antrag des sächsischen Kronprinzen, seine Brigaden von der Bistritz auf Stellungen bei Problus-Prim zurückzuverlegen, ohne jede Rückfrage gebilligt. Seiner Verpflichtung, die Sache genauer zu prüfen, entzog er sich mit der lapidaren Begründung, er habe vollstes Vertrauen in das militärische Urteil des Kronprinzen.141 Dabei konnte Alberts Argument, er würde so den Feind besser kontrollieren, wenn er sich später aus Nechanitz entfaltete, nicht wirklich überzeugen. Wichtiger wäre es gewesen, die Preußen schon bei Überquerung der Bistritz direkt unter Beschuss zu nehmen und sie gar nicht erst zur Ent-

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faltung kommen zu lassen, was eben nur aus Stellungen bei Hradek möglich war. Völlig unklar war auch, ob das benachbarte VIII. Österreichische Armeekorps dem sächsischen Kronprinzen in der Verteidigung des linken Flügels unterstellt sein sollte.142

Die Erste Armee soll den Feind frontal binden Noch während die Korps der Nordarmee im ersten Tageslicht beschäftigt waren, die ihnen zugewiesenen Stellungen zu beziehen, näherte sich Prinz Friedrich Karls Armee in breiter Front der Höhe von Dub. Zwei Stunden Marsch lagen bereits hinter den Preußen. Mit an der Spitze befand sich der Korrespondent der London Times, Henry Hozier, der seinen Lesern ein lebendiges Bild der Annäherung an den Feind vermittelte: „Das Korn lag schwer vom Regen niedergedrückt und wirr am Boden, die Tirailleurs drangen hurtig darüber hinweg, aber die Bataillone, welche in geschlossenen Kolonnen nachfolgten, hatten es schwer, sich über das niedergetretene nasse Korn hindurch zu arbeiten, und die Artilleriepferde hatten tüchtig anzuziehen, um die im weichen Boden einsinkenden Kanonen fort zu schaffen. Um sechs Uhr war die ganze Armee nahe an Dub, es wurde aber nicht gestattet, die Spitze des Abhanges zu ersteigen, denn der Höhenzug, an welchem Dub liegt, hatte die Bewegungen des Heeres verborgen und die Österreicher konnten von den Truppen, die hinter dem Kamme standen, nichts sehen.“143 Der Morgen war trübe und nebelig, der Regen hatte sich im Laufe der letzten Stunden noch verstärkt und ein kalter Wind blies den Preußen unangenehm ins Gesicht. Hinter der Höhe von Dub senkte sich das Gelände sanft zur Bistritz hinunter. Der Nebenarm der Elbe bildete mit seinen feuchten Niederungen ein ernsthaftes Hindernis, sodass die Angreifer auf die wenigen Brücken angewiesen waren, die bei Sadowa, Dohalitz und Makrowous auf das andere Ufer führten. Unmittelbar hinter der Ortschaft Unter-Dohalitz dehnte sich bis zur Königgrätzer Landstraße der Holawald aus, ein Kastengehölz von etwa einem Kilometer Breite und gleicher Länge. Hier hatten österreichische Pioniere noch tags zuvor viele der Bäume in einer Höhe von etwa drei Metern abgehauen und das Astwerk zwischen die Baum-

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stümpfe geflochten, sodass es kaum möglich war, von der Vorderseite in den Wald einzudringen. Von Sadowa zog sich etwa drei Kilometer offenes Gelände bis nach Cistowes, dem nördlichsten Punkt der österreichischen Stellungen. Dahinter befand sich ein weiteres, noch größeres Waldstück, der Swiepwald, der zu einem der Brennpunkte in der kommenden Schlacht werden sollte. Hozier zufolge, der als Brite sonderbarerweise kaum eine Gelegenheit ausließ, die Preußen zu loben, begann Friedrich Karl etwa um 7 Uhr, seine Kavallerie und die reitende Artillerie über den Hang zu schicken: „Im langsamen Trabe ging es hinunter zur Bistritz; obgleich sie auf dem schlüpfrigen fetten Boden oft glitten, hielten sie doch vorzüglich die Linie; die Fähnlein der Ulanen vom Regen durchnässt schlugen an die Lanzen. Am Fuße der Höhe angelangt, ertönten die Trompeten, und indem sie ihre Bewegungen machten, um die Brücke zu gewinnen, schwenkten die Schwadronen längs des Flusses herum, als wollten sie das Feuer des Feindes förmlich herausfordern. Dann eröffneten die österreichischen Kanonen ihr Feuer aus einer Batterie, die im Felde in der Nähe des Dorfes stand, dort wo die Hauptstraße über die Bistritz führt, und die Schlacht von Sadowa begann.“144 Eine halbe Stunde war über diese Aktion verstrichen. Als wenige Minuten später der König mit Moltke und Bismarck, der zur Belustigung der Offiziere die Uniform eines Majors der Landwehrkavallerie mit langem grauem Mantel und Kürassierhelm trug, auf der Höhe von Dub erschien, hatte sich die Kanonade bereits intensiviert und verursachte auch sofort in der Ulaneneskorte des Monarchen erste Verluste.145 Die größte Schlacht des 19. Jahrhunderts mit 208 000 Mann146 auf österreichischer und zuletzt 221 000 Mann auf preußischer Seite setzte mit voller Wucht um kurz nach 8 Uhr ein. Insgesamt konnten die Österreicher 700 Geschütze aufbieten, ihr Gegner sollte erst nach dem Eintreffen der Kronprinzenarmee etwa über die gleiche Zahl verfügen. Davon wies allerdings die preußische Artillerie, anders als die gegnerische, nur ein Drittel gezogene Läufe auf, die ein weiteres und präziseres Feuer erlaubten.147 Als Benedek gegen 9 Uhr auf seinem Befehlsstand bei Lipa eintraf, tobte die Artillerieschlacht immer noch. Die Stimmung in der Nordarmee war wieder zuversichtlich.

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Die Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 mit König Wilhelm, Bismarck und Moltke zu Pferd in der Bildmitte. Gemälde von Georg Bleibtreu, 1869

Überall hatte sich lautes und begeistertes Rufen erhoben, als der Feldzeugmeister mit seinem Stab an den Regimentern vorbeigeritten war. Eine Fröhlichkeit hatte plötzlich die Regimenter erfasst, als ob ein buntes Fest und nicht eine blutige Schlacht bevorstand.148 Kurz zuvor hatte Friedrich Karl seine Divisionen über die Bistritz geschickt und Benedek sah mit Befriedigung, wie die 72 Geschütze des III. Österreichischen Korps die Preußen mit einem Hagel von Geschossen eindeckten. In der Mitte ging General Horns 8. Division gegen Dohalitz und den Holawald vor, rechts davon Franseckys 7. Division auf Sadowa, während Werders 3. Division weiter südlich den Bistritz-Übergang bei Makrowous in die Hand zu bekommen versuchte. Planmäßig zogen sich die Österreicher hinter den Fluss zurück und verschanzten sich auf den nach Lipa und Langenhof aufsteigenden Hängen. Hier versteifte sich der Widerstand und der preußische Vormarsch kam hinter der Bistritz im Feuer der gegnerischen Batterien für Stunden zum Erliegen. Für die 8. Division wurde der Holawald zur Todesfalle, während sich weiter nördlich die 7. Division gegen eine zuletzt dreifache österreichische Übermacht im Swiepwald zu behaupten versuchte. Die Verluste der Preußen schnellten überall in die Höhe und bald wankten immer mehr Verwundete oder Versprengte aus der Kampf-

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zone. König Wilhelm zeigte sich empört und wies seine Adjutanten an, die Leute zur Umkehr aufzufordern. Voller Anspannung richteten derweil Friedrich Karl und sein Stab ihre Blicke nach Süden, wo gemäß Moltkes Weisung die Elbarmee in rascher Bewegung die Bistritz überwinden sollte, um durch Zurückwerfen des linken Flügels der Österreicher das preußische Zentrum zu entlasten. Zum Verdruss des Prinzen versuchte Herwarth jedoch, seine drei Divisionen nacheinander über die von den Sachsen nur halb zerstörte Brücke von Nechanitz zu führen. Auf die Idee, zusätzliche Pontonbrücken anzulegen, kam er offenbar nicht. So war gegen 10 Uhr erst die Avantgarde unter Generalmajor von Schöler mit sieben Bataillonen über die Bistritz gekommen.149 Eine energische Aktion gegen die Höhe von Problus-Prim konnte daher kaum vor Mittag zustande kommen, was Friedrich Karl später zu dem erbosten Kommentar veranlasste, dass der General zwar ein folgsamer und bequemer Untergebener sei, aber leider nicht zu jenen Kommandeuren gehöre, die einmal auf eigene Faust etwas unternehmen würden.150 Tatsächlich war es eher seine Vorsicht, die Herwarth zurückhielt. Er fürchtete, mit seinen drei Divisionen hinter der Bistritz abgeschnitten zu werden, falls die Erste Armee im Zentrum zurückgeschlagen würde. Dort waren die Preußen nach beinahe vierstündigem Kampf kaum über ihre Ausgangsstellungen hinausgekommen und Moltke, der an diesem größten Tag seiner Soldatenlaufbahn mit einem roten Taschentuch gegen eine Erkältung ankämpfte, musste mehr als einmal seinen verzweifelnden Monarchen und auch Bismarck beruhigen. Zu keinem Zeitpunkt aber war die Erste Armee wirklich in Gefahr, von den Österreichern durchbrochen zu werden. Friedrich Karl verfügte immerhin noch über zwei Divisionen als Reserve und selbst nach erheblichen Verlusten, wie sie etwa Franseckys 7. Division im Swiepwald hinnehmen musste, waren die preußischen Regimenter in der Front noch stark genug, jeden Angriff des Gegners mit dem Zündnadelgewehr abzuweisen. Kein Österreicher hätte die Bistritz erreicht. Im Krieg von 1866 war der Angriff für die Nordarmee keine Option mehr. So schien es auch Benedek gesehen zu haben. Jedenfalls widerstand er dem Drängen einiger seiner Kommandanten, die schon seit 11 Uhr forderten, die starken Reserven hinter dem Zentrum zum Gegenangriff einzusetzen und die sichtlich angeschlagenen Preußen

Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken

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Kronprinzen-Armee

Die Schlacht bei Königgrätz 3. Juli 1866 (am Morgen)

1. Garde Div.

7. Div.

12. Div.

11. Div.

ˇ Zizelowas Zelkowitz

Erste Armee

Wrchownitz

6. Div. 5. Div.

ˇ Racitz

8. Div.

Holawald VV VVVVVVVV V

Dohalitz

V

VV

Alt Nechanitz

V VV

VV V

ˇ Predmeritz VI

Res. Kav.

Rosnitz I

Plotist VIII

ˇ Ober Prim ˇ Neu Prim

1. Leichte Kav. Wald von Stezirek ˇ

Hradek

KGR. BÖHMEN

Swety

e

Nechanitz Jehlitz

Lochenitz 2. Leichte Kav.

Brizer Wald ˇ

VVV

ˇ Nieder Prim Kuncitz ˇ

ˇ Rosberitz

V

Sachsen Problus

Lubno

15. Div.

Chlum IV Nedelischt

ˇ Stresetitz Wschestar

VVV

VV

Trotina

II

Lipa

Langenhof

ˇ Tresowitz Popowitz

16. Div.

ˇ Sendrozitz

Maslowed

V

Mokrowous Bist ritz

14. Div.

Rodow

Cistowes

UnterDohalitz

Kav. Korps

Anhöhe bei Horenowes ˇ

VV

VV

Swiepwald

Sadowa

3. Div.

Elb-Armee

VVV VVV

V

Dub

4. Div.

na

S

Horenowes ˇ

ti Tro

Benotek

Elb

N

Königgrätz

Techlowitz

Truppenbewegungen in der Schlacht von Königgrätz am Morgen

über die Bistritz zurückzuwerfen. Besonders Feldmarschall-Leutnant Anton von Mollinary, der inzwischen das IV. Österreichische Armeekorps von dem schwer verwundeten Graf Festetics übernommen hatte, bestand gegenüber Benedek auf einer Fortsetzung des Kampfes gegen die Preußen im Swiepwald. Nachdem allmählich das gesamte IV. Armeekorps und sogar große Teile des Nachbarkorps gegen Franseckys einsame Division anrannten, schienen die Preußen gegen Mittag tatsächlich vor dem Zusammenbruch zu stehen. Der Divisionskommandeur, ein von Moltke hochgeschätzter Offizier, hatte lange die kriegsgeschichtliche Abteilung des Generalstabes geleitet

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

und meinte nun zu einem Melder, der das baldige Eintreffen der Kronprinzenarmee ankündigte: „Man hat’s ja in der Schule gelernt. Die Nacht oder Blücher. Wir sind hier keine Wellingtons, aber uns ist’s geradeso ums Herz.“151 Mollinary war überzeugt, dass ein jetzt eingeleiteter gleichzeitiger Angriff gegen die linke Flanke und das Zentrum der Preußen an der Bistritz die Schlacht entscheiden musste. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, war er sogar persönlich gegen 12 Uhr im Hauptquartier erschienen.152 Doch Benedek wollte davon nichts wissen und wiederholte seinen ausdrücklichen Befehl an beide Korpskommandanten, sofort die alten Ausgangstellungen zwischen Chlum und Nedelist wieder einzunehmen. Was auch immer sonst der Feldzeugmeister beabsichtigte, um sich und seine Nordarmee halbwegs glimpflich aus der Affäre zu ziehen, das Zeitfenster für ihn begann sich nun allmählich zu schließen. Eine telegrafische Meldung aus der Festung Josephstadt, die Benedek wohl gegen 11.45 Uhr erhalten hatte, ließ keinen Zweifel daran, dass die Kronprinzenarmee schon in den nächsten Stunden in den Kampf eingreifen würde.

Lange erwartet – Die Kronprinzenarmee greift ein Deren Armeekorps waren recht spät um 7 Uhr aus ihren Biwakräumen um Königinhof aufgebrochen, das I. sogar erst um 9 Uhr. Der Meldereiter aus Gitschin war zwar schon um 4 Uhr eingetroffen, doch der Armeestab brauchte eine Stunde, um die Marschbefehle auszufertigen, und man meinte, danach auch der Truppe noch zwei Stunden zur Herstellung der Marschbereitschaft geben zu müssen. An der Spitze der Kronprinzenarmee marschierten die preußische Garde und links daneben das VI. (Schlesische) Armeekorps. Der Kronprinz und sein Stabschef Blumenthal hatten sich eine halbe Stunde später auf den Weg gemacht und ihre Truppen bald eingeholt. Es regnete und war sehr kalt. Blumenthal hielt dies sogar für „nervenstärkend. Ich fühlte meine Müdigkeit gar nicht, obgleich ich den Tag vorher vierzehn Meilen [etwa 100 Kilometer] gefahren war und die Nacht nur ein kleines Stündchen von halb sechs bis halb

Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken

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sieben geschlafen hatte. Die dicke Luft verhinderte, dass wir den Geschützdonner hörten, aber gegen 9 Uhr sahen wir überall auf den Höhen bei Sadowa bis Horenowes den Pulverdampf; wir hatten alle das Gefühl, dass es zur Schlacht kommen würde, und eilten trotz des schlüpfrigen Bodens schnell vorwärts. Auf den Höhen von Choteborek, wo wir mit den Spitzen der Garde um etwa 11 Uhr eintrafen, konnte man weithin sehen und an dem Pulverdampf das Ausmaß des Schlachtfeldes abmessen. Es war offenbar die ganze Armee des Prinzen Friedrich Karl in hartem Kampf mit der ganzen österreichischen Armee.“ Sofort wurden Befehle zur Beschleunigung des Marsches gegeben. Ein weithin sichtbarer einzelner großer Baum, etwa 1000 Meter südöstlich von Horenowes wurde als Richtpunkt (Point de vue) bestimmt, die Garde rechts und das VI. Armeekorps links davon dirigiert. Das noch zurückhängende I. Armeekorps sollte die Lücke zwischen beiden ausfüllen, während Steinmetz’ V. Armeekorps die Reserve bildete.153 Nur widerstrebend hatten Mollinary und Thun ihre dezimierten Brigaden aus dem Swiepwald in ihre alten Stellungen zurückgeführt. Noch während dieses schwierigen Manövers waren gegen 13 Uhr die Spitzen der 1. Preußischen Gardedivision auf den Höhen von Horenowes erschienen und bald nahmen 78 preußische Geschütze den Kampf mit den österreichischen Batterien auf, die zwischen Chlum und Nedelist aufgefahren waren. Das rasche Vordringen der Preußen setzte Benedek das Messer an die Kehle. Entweder griff er nun endlich Friedrich Karl an der Bistritz an oder er befahl den Rückzug über die Elbe, der jetzt noch geordnet ablaufen konnte. Doch der Feldzeugmeister schien sich zu keiner Option entschließen zu können. Noch ehe seine Armee vollends in die Falle ging, befand er sich selbst bereits in einer gedanklichen Falle. Er wankte und zögerte, fragte sogar einmal den jungen Erzherzog Wilhelm, den Befehlshaber der Artillerie, nach seiner Meinung und verharrte anschließend weiter in quälender Untätigkeit.154 Als Benedek kurz nach 13 Uhr doch endlich bereit schien, den von allen ersehnten Gegenangriff zu befehlen, brachte ihn der zweifelhafte Rat eines seiner Stabsoffiziere, er möge noch warten, bis sich der Nebel und der Pulverdampf verzogen hätten, wieder davon ab.155 Wie unüberbrückbar war doch der Abstand zu seinem großen Lehrmeister Ra-

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

detzky, der das Operieren auf der Inneren Line wie kaum ein zweiter Feldherr beherrscht hatte und der Nebel und Pulverdampf als Vorteile für den Angreifer sogar begrüßt hätte. Weitere wertvolle Zeit verstrich, während der Lärm der preußischen Geschütze über Horenowes ungemütlich anschwoll. Benedek schien nun erst einmal abwarten zu wollen, ob seine rechte Flanke der Kronprinzenarmee gewachsen war, ehe er seine beiden Reservekorps gegen Friedrich Karl einsetzte.

Die Preußen werfen die Sachsen zurück Um diese Zeit begann sich auch bei den Sachsen die Lage zuzuspitzen. Nachdem Kronprinz Albert den Bistritzübergang bei Nechanitz viel zu schnell geräumt hatte, musste er in den folgenden Stunden erleben, dass sich die Preußen stetig in seiner linken Flanke verstärkten und damit seine neue Position auf dem Plateau von Problus bedrohten. Ein gegen Mittag mit zwei Brigaden geführter Gegenangriff zwischen Ober- und Niederpriem auf die preußischen Stellungen zwischen Jehlitz und Hradek scheiterte jedoch nach geringen Anfangserfolgen. Inzwischen war die 30. Preußische Brigade in dem Oberprimer Wald eingedrungen und hatte dort zwei österreichische Brigaden des VIII. Armeekorps zersprengt. Hier kam auch Wilhelm Molitor, der Küster aus Siegburg, mit dem 28. Regiment in sein erstes Gefecht: „Wir rückten also vor, jedoch krachte es von allen Seiten in den Wald, welcher so dicht war, dass man nicht weiter als 10 bis 15 Schritte sehen konnte. Nun ging es von Baum zu Baum, ja wir standen zuletzt Mann gegen Mann gegeneinander. Es dauerte nicht lange, da lief alles wirr durcheinander. Kommandos konnten wir keine mehr hören. So kam es, dass ich mich mit noch vier anderen endlich allein fand. Wir blieben auch im Vorgehen zusammen. Noch mancher vom Feinde traf keine günstige Stellung gegen uns. Endlich sahen wir wieder Verbindung mit den 40ern. Jedoch es sollte nicht lange anhalten, denn wir mussten über eine Anhöhe, welche mit kleinen Fichten besetzt war und von dem im nächsten Hochwalde liegenden Feinde recht passend beschossen werden

Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken

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konnte. Da gingen nun rechts und links die Kugeln wie Regen an uns vorbei. Nun gelangten wir glücklich in einen großen Wald, wo wir die 40er nicht mehr sahen. Da hatte der zur Verstärkung geholte 3. Schützenzug schon recht gefochten, denn wir fanden an einem Baum liegend einen Kameraden der 3. Kompanie, welcher mit zwei Soldaten des Feindes gestritten hatte. Alle drei lagen nicht weit voneinander und jeder war dem Tode nahe. Einer rief den andern um Wasser an. Da ging einer von uns zu ihm und sagte ,Wenn du irgend etwas hast, so sage mir deine Adresse; wenn ich glücklich durchkomme, werde ich es berichten oder hast du sonst noch irgend was?‘ Da sagte er ,Lasst mich ruhig liegen und macht, dass ihr durchkommt. Ich kann ruhig sterben.‘ Als Küster bin ich bei manchem Sterbenskranken gewesen, jedoch so ruhig und gottergeben, weiß ich mich kaum an einen zu erinnern. Dann rückten wir noch eine Strecke vor und machten vier Gefangene. Nun ging es weiter und zu guter Letzt sah ich mich ganz allein. Nun sah ich, wie der Wald heller wurde. Ehe ich aber am Ende ankam, fand ich noch viele gegeneinander kämpfend. Ich lief nun verwirrt weiter und fand zu meiner Freude den Gottfried Brück aus Berg. Dieser gab mir ein Stücken Brot [Zwieback], welches er von toten feindlichen Soldaten aus der Tasche genommen hatte. Dieses habe ich später mit Jakob und Gerhart geteilt. Jedoch jetzt aß ich meinen Teil, obwohl die Granaten rechts und links einschlugen und sehr hart Verwundete machten. Dann kann ich dir auch sagen, der Hunger hat keine Grenzen und fürchtet sogar den Tod nicht.“156 Die demoralisierten Reste der beiden österreichischen Brigaden flohen aus dem Wald quer zur Angriffsrichtung der sächsischen Angriffskolonnen und zwangen ihre Verbündeten, sich im Schutze von Niederprim neu zu formieren. Da sich nun das ausgedehnte Waldgelände im Süden fest in der Hand der Preußen befand, war an eine Erneuerung der Offensive nicht mehr zu denken. Die Sachsen verschanzten sich daher in Problus, das sie gut befestigt hatten, während die Österreicher auf den Brizer Wald zurückgingen.157 Inzwischen hatte Herwarth auch seine 14. Division über die Brücke von Nechanitz gebracht und sie entlang der Bistritz nach Norden geführt, wo sie sich gegen 14 Uhr zwischen Lubno und Popowitz zum frontalen Angriff auf Problus entfaltete. Mit wehenden Fahnen

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

und unter Regimentsmusik rückten die beiden Brigaden nebeneinander, Offiziere vorweg, wie in den Tagen Friedrichs II., gegen die auf der Höhe liegende Ortschaft vor. Eine offene Strecke von gut anderthalb Kilometern war unter frontalem und flankierendem Geschützfeuer zu überwinden. Trotz beträchtlicher Verluste gelang es dem an der Spitze angreifenden Füsilierbataillon, in die Ortschaft einzudringen. Kronprinz Albert hatte, in seiner linken Flanke bereits umgangen, keine nachhaltige Verteidigung der beiden Ortschaften beabsichtigt und nur drei Bataillone als Nachhut zurückgelassen. Um 15 Uhr waren Problus und Niederprim nach heftigem Häuserkampf in preußischer Hand, 200 Verteidiger zu Gefangenen gemacht, während die Masse des sächsischen Korps im geordneten Rückzug Rosnitz erreichte.158 Herwarth hätte nun die Schlacht allein entscheiden können. Seine gesamte Kavallerie und die 16. Division hatte er noch in Reserve, doch hielt er diese Kräfte nicht für stark genug, um damit in den Rücken der gesamten Nordarmee zu stoßen. So fiel der Ruhm, die Schlacht entschieden zu haben, an die 1. Gardedivision im Norden. Zwar hatte ihr Kommandeur, Generalleutnant Wilhelm Hiller von Gaertringen, strikten Befehl, das Aufschließen der 2. Division des Gardekorps abzuwarten, doch der Sohn des Waterloo-Veteranen August Hiller von Gaertringen, der am 18. Juni 1815 bei Plancenoit die 16. Preußische Brigade geführt hatte, witterte die Chance, durch die noch ungeordneten Brigaden des IV. Korps in den Rücken des Gegners zu stoßen. Hiller ließ einen Teil seiner Division bei Maslowed zurück, um der Befehlslage wenigstens formal zu entsprechen, mit seiner 1. Brigade begann er jedoch gegen 14.30 Uhr den Angriff auf Chlum, das etwas oberhalb von Lipa lag. Zwar befand sich die Ortschaft auf einer hohen Kuppe, doch das Gelände bis nach Maslowed hin war von Bodenwellen durchzogen und das hoch stehende Korn bot Hillers Garde beste Annäherungsmöglichkeiten. Gespenstern gleich tauchten die Preußen vor den konsternierten Verteidigern auf, deren ganze Aufmerksamkeit sich auch jetzt nach vorne auf die Bistritz richtete. Generalmajor Karl von Appiano, in dessen Verantwortungsbereich Chlum lag, hatte nur zwei Bataillone seiner Brigade in der Ortschaft eingesetzt, der Rest stand 700 Meter weiter südlich, wo er gegen die preußische Artillerie aus Richtung

Königgrätz – Die Preußen im Nacken und die Elbe im Rücken

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Die Schlacht bei Königgrätz 3. Juli 1866 (am Nachmittag) ˇ Zizelowas

V

Zelkowitz Wrchownitz

N

I

Kronprinzen-Armee ˇ Racitz

Benotek Swiepwald

Mokrowous Bist

Elb-Armee

ˇ Sendrozitz

1. Garde Div.

* III * X

*

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IV

II

1. Res. Kav. Wschestar ˇ Stresetitz Swety Popowitz 3. Res. VI * Kav. Rosnitz 14. Div. I * Problus ˇ Nieder Prim Brizer Wald ˇ Briza ˇ

ˇ Predmeritz

Wald von Stezirek ˇ

Hradek

VIII Österr. Armee Korps

Königgrätz

1. Leichte Kav.

KGR. BÖHMEN * = Österr. Armee Korps

Plotist

2. Res. Kav.

e

Jehlitz 15. Div. ˇ Ober Prim ˇ Neu Prim

*

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Nechanitz

en

Kuncitz ˇ

2. L. Kav. Lochenitz

Nedelischt

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16. Div.

Trotina

11. Div.

VVV

ˇ Tresowitz

Rodow 12. Div.

2. Garde Div.

Lipa Chlum Langenhof

ritz

Sucha

Cistowes

8. u. 4. Div. VV

3. Div.

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Prinz Friedrich-Karl Dohalitz

VV

Unter-Dohalitz

VV

Erste Armee

Maslowed

Holowald

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Sadowa

Anhöhe bei Horenowes ˇ

Gd. I

VVVVV

7. Div.

na

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ˇ Horenowes

Techlowitz

Truppenbewegungen in der Schlacht von Königgrätz am Nachmittag

Maslowed besser geschützt war. Die Österreicher in Chlum gerieten in Panik, streckten die Waffen oder flohen, und in wenigen Minuten war Benedeks zentrale Position überrannt. Hiller gab sich jedoch mit seinem spektakulären Erfolg nicht zufrieden. Sofort stießen die Preußen weiter auf Rosberitz vor und standen damit bereits an der Straße nach Königgrätz, der zentralen Rückzugslinie der Nordarmee. Der Feldzeugmeister mochte es zunächst nicht glauben, als ihm ein Adjutant gegen 15 Uhr die Hiobsbotschaft überbrachte, dann aber entschloss er sich, selbst die Lage vor Ort zu klären. Vor Chlum geriet die Gruppe unter heftiges Feuer, einige Reiter fielen und der Rest machte kehrt.

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Was nutzte es, wenn Benedek, als sei nun plötzlich alle Last des Oberbefehls vom ihm abgefallen, scheinbar wieder zur alten Tatkraft fand, überall nach Reserven suchte und sogar persönlich das 52. Regiment gegen die Preußen in Rosberitz zum Sturm führte? Nachdem inzwischen auch der linke Flügel der Nordarmee aus seinen starken Stellungen in Problus und Oberprim gedrängt worden war, was Benedek eine halbe Stunde zuvor erfahren hatte, war das ganze operative Können des Oberbefehlshabers gefordert, um die Nordarmee und vor allem seine beiden vordersten Armeekorps zwischen Lipa und Langenhof aus der preußischen Falle zu führen. Stattdessen vergeudete der Feldzeugmeister seine Zeit, verausgabte seine Reserven in mörderischen Gegenangriffen auf Rosberitz und Chlum, als ob es noch einen Sinn ergäbe, die Ausgangslage vom Mittag wiederherzustellen. Immerhin: Rosberitz fiel noch einmal in österreichische Hand, doch Chlum wurde schließlich durch das Eintreffen der Spitzen des I. Preußischen Armeekorps gerettet. Als wäre seine Rolle Teil eines Dramas gewesen, fiel Generalleutnant Hiller von Gaertringen, die Seele des preußischen Widerstandes, genau in dem Moment, da mit dem Eintreffen der Verstärkung der preußische Sieg endgültig gesichert war. Ein Granatsplitter hatte seine Brust durchbohrt. Demoralisiert räumten die Österreicher das Feld. Fast die Hälfte der Soldaten ihres I. Armeekorps war tot, verwundet oder in preußischer Gefangenschaft. Jetzt erst, gegen 16.30 Uhr, gab Benedek den Befehl zum Rückzug hinter die Elbe. Inzwischen wusste er auch, dass Graf Thun mit seinem II. Armeekorps bereits um 15 Uhr über die Elbe geflohen war, sodass die vorbereiteten Übergänge nördlich von Königgrätz bereits vom VI. Preußischen Armeekorps blockiert wurden. Die Preußen machten aus ihren riesigen Erfolgen erstaunlich wenig. Ein vom Kronprinzen schon befohlener Angriff von Steinmetz’ V. Armeekorps, das an diesem Tag noch gar nicht gekämpft hatte, über die Trotina in den Rücken der Österreicher, wurde bald wieder annulliert.159 Von Süden her hätte die 16. Division die Zange schließen können, aber Herwarth war kein Hiller. So kam es nur zu einer frontalen Verfolgung durch Friedrich Karls Reiterei, die allerdings von der überlegenen österreichischen Kavallerie und zuletzt von Benedeks Armeegeschützreserve gebremst werden konnte. Ob-

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Aktuelle Fotografie des Schlachtfeldes bei Königgrätz vom Standort Helmuth von Moltkes

Aktuelle Fotografie des Schlachtfeldes bei Königgrätz vom Standort Ludwig von Benedeks

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wohl sich die Ordnung in der Nordarmee rasch auflöste, die preußische Artillerie von Chlum, Lipa und bald auch von Problus her in die dicht gedrängten Massen südlich der Königgrätzer Straße feuerte, gelang es den meisten österreichischen Brigaden, sich irgendwie zur Elbe zu retten. Gegen 21 Uhr fiel der letzte Schuss der Schlacht. Zu dramatischen Szenen kam es noch einmal vor Königgrätz, dessen Kommandant aus Furcht vor einem preußischen Handstreich das Festungsglacis hatte fluten lassen, sodass sich Tausende von Flüchtenden auf den wenigen Dämmen drängten. Viele versuchten sogar, schwimmend in den Schutz der Festung zu gelangen, und fanden zu ihrem Entsetzen die Tore verschlossen.160 Die Sachsen dagegen marschierten beinahe unbehelligt flussabwärts bei Pardubitz auf vier Brücken über den Strom. Sie hatten an diesem Tage 60 Offiziere und fast 1500 Mannschaften und Unteroffiziere verloren,161 die österreichischen Verluste summierten sich dagegen auf 41 500 Mann, die Hälfte davon Gefangene, was insgesamt einem Viertel der am 3. Juli eingesetzten Kräfte entsprach. Hinzu kam noch der Verlust von 187 Geschützen. Nach dem Abflauen der Reiterschlacht schienen die Preußen erschöpft und betäubt auf der Stätte ihres historischen Sieges innezuhalten. Angesichts der Härte der Kämpfe im Swiepwald und um Chlum sowie dem langen Ausharren der Ersten Armee im österreichischen Geschützfeuer war der preußische Gesamtverlust von 9172 Mann, davon 1935 Gefallene, erstaunlich gering. Die Davongekommenen suchten vor der gespenstischen Kulisse brennender Ortschaften einfach nur nach Verpflegung oder Schlafplätzen, während König Wilhelm mit seinem Sohn bei Problus zusammentraf, um ihm im Beisein beider Gefolgschaften den begehrten Pour le mérite zu verleihen.162 Um 18.30 Uhr gab Moltke den letzten Befehl des Tages aus: Allgemeine Ruhe am 4. Juli, Vorposten gegen Josephstadt und Königgrätz. Seine Hoffnung auf eine vollständige Kesselschlacht sollte sich erst vier Jahre später bei Sedan erfüllen.

Vormarsch auf Wien

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Vormarsch auf Wien „In Wien hört man es die Leute jetzt offen sagen: Wenn wir nur preußisch würden, damit wir von dieser dummen Regierung wegkommen. Oder: Welch ein Glück, dass wir nicht bei Königgrätz siegten; sonst hätten wir den Absolutismus und die Pfaffenherrschaft.“ Generalmajor Karl Moering, Tagebucheintrag vom 26. Juli 1866163 Vormarsch auf Wien

Am Tag nach dem Desaster der Nordarmee sandte Benedek den Feldmarschall-Leutnant Ludwig von Gablenz in das preußische Hauptquartier nach Horwitz, um einen Waffenstillstand zu erbitten. Ganz offensichtlich spekulierte der geschlagene Feldzeugmeister darauf, dass sein Parlamentär dank seiner alten Waffenbrüderschaft mit den Preußen im Dänischen Krieg größere Aussichten hatte, überhaupt etwas Zählbares zu erreichen. Gablenz kannte viele der preußischen Befehlshaber immerhin persönlich.164 War bis dahin für die Sieger das Ausmaß ihres Erfolges vor Königgrätz trotz der stetig wachsenden Zahl von Gefangenen und erbeuteten Geschützen nur in Umrissen erkennbar gewesen, so brachte das überraschende Erscheinen des österreichischen Generals und sein Ansinnen schließlich volle Klarheit. Gablenz selbst, noch in lädierter Uniform und mit verbundenem Kopf, schilderte zunächst nur den Zustand der Nordarmee in den düstersten Farben und klagte, dass kein Soldat wieder heranzukriegen sei, der einmal im Feuer der Zündnadelgewehre gestanden habe.165 Erst als Prinz Friedrich Karl ihn direkt fragte, ob die österreichische Armee etwa einen Waffenstillstand benötige, erwiderte der General mit unerwarteter Theatralik: „Mein Kaiser hat keine Armee mehr, sie ist so gut wie vernichtet.“166 Milde konnte er die überraschten Preußen mit seiner gespielten Hysterie nicht stimmen. Friedrich Karl haderte noch mit seinem Schicksal vom Vortag, als ihm nach seiner Überzeugung der Kronprinz mit der Zweiten Armee fast allen Siegesruhm gestohlen hatte, und hoffte daher auf eine weitere Schlacht gegen die Österreicher.

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

Bismarck und der immer noch kränkliche Moltke monierten dagegen, dass Gablenz ohne jede politische Vollmacht gekommen sei. Einem allgemeinen Waffenstillstand, der schließlich zu Friedensverhandlungen führen würde, waren beide angesichts einer drohenden französischen Intervention durchaus zugeneigt. Eine bloße Waffenruhe dagegen, die es Benedek ermöglichte, sich unbehelligt auf Olmütz oder Wien zurückzuziehen, ergab aus preußischer Sicht keinen Sinn.167 So wurde Gablenz mit dem bloßen Scheinangebot zurückgeschickt, dass der König allenfalls gegen die Herausgabe der Festungen Theresienstadt, Josephstadt und Königgrätz zu einer dreitägigen Waffenruhe bereit sei.168 Tatsächlich konnten die Preußen vor dem 7. Juli ohnehin nicht an eine ernsthafte Verfolgung des Gegners denken,169 zu groß waren die logistischen Probleme ihrer drei nun erstmals vereinigten Armeen. So gelang es Benedek, sich mit der Masse seiner Truppen, immerhin noch fast 180 000 Mann, aber mit Ausnahme der Sachsen vorläufig ohne Kampfwert, doch noch innerhalb einer Woche in den Schutz der mährischen Großfestung zu retten. Nur das X. Armeekorps und einige Kavalleriedivisionen ordnete er zum Schutz der Hauptstadt ab. Sie gelangten unbehelligt mit der Eisenbahn über Lundenburg nach Wien. Auch die Preußen teilten ihre Kräfte, nachdem ihre Kavallerie am 10. Juli Generalstabsdokumente erbeutet hatte, welche genaue Aufstellungen über Kräfteverteilung und Marschwege der Österreicher enthielten.170 Nun befahl Moltke der Kronprinzenarmee, Benedek in Ölmütz zu blockieren und die Eisenbahnlinie nach Wien zu unterbrechen, während Friedrich Karl dankbar dafür war, mit seiner Armee über Brünn direkt auf Wien vorrücken zu dürfen. Die Aussicht auf einen triumphalen Einzug in die Hauptstadt des Feindes ließ ihn seine Enttäuschung über Königgrätz vergessen. Den Schutz der südlichen Flanke übernahm die Elbarmee, sodass nunmehr alle drei preußischen Armeen wie zu Beginn des Feldzuges wieder selbstständig vorgingen. Eine Division wurde zur Besetzung Prags abgestellt, eine weitere blieb zur Observierung der beiden Festungen Königgrätz und Josephstadt zurück. Schon einen Tag vor der Schlacht von Königgrätz hatte Kaiser Franz Joseph, das Unheil ahnend, die Vermittlung Napoleons III.

Vormarsch auf Wien

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erbeten und als Preis dafür die schon im Geheimvertrag vom 12. Juni zur Disposition gestellte Provinz Venetien an Frankreich abgetreten. Obwohl sich die Italiener der französischen Aufforderung zu einem Waffenstillstand mit Hinweis auf ihre Bündnisverpflichtungen gegen Preußen widersetzten, begannen die Österreicher, zwei Armeekorps, etwa zwei Drittel ihrer siegreichen Südarmee, nach Norden abzutransportieren. Schon am 11. Juli trafen die Verstärkungen unter dem Befehl von Erzherzog Albrecht in der Hauptstadt ein. Auf die Wiener wirkten sie mit ihren weißen, von den Mützen bis zu den Schultern reichenden Tüchern wie eine Armee aus einem fernen Kolonialkrieg.171 Noch einmal kam Hoffnung in der Hauptstadt auf, dass die Niederlage vielleicht doch noch abgewendet werden könnte. Seit Tagen arbeiteten rund 18 000 Mann an der Befestigung der Nordseite von Wien. Bei Floridsdorf an der Einmündung der Eisenbahn aus Stockerau in die alte Kaiser-Ferdinands-Nordbahn wuchs bald eine beeindruckende Bastion in die Höhe, doch die Vertreter des Wiener Gemeinderates ließen, sehr zum Verdruss des Kaisers, zu deutlich ihren Wunsch durchblicken, eine preußische Belagerung möge ihnen erspart bleiben.172 Unbeeindruckt davon hatte Erzherzog Albrecht als neuer Oberbefehlshaber Benedek in Olmütz die strenge Ordre erteilt, mit seinen Korps unverzüglich die Donau zu erreichen. Der direkte Marsch nach Wien wurde aber durch das I. (Ostpreußische) Armeekorps am 15. Juli in den Schlachten bei Tobitschau und Roketnitz beiderseits der March vereitelt. Benedek musste mit ansehen, wie nur wenige Dutzend Meter vor ihm ein preußisches Kürassier-Regiment 18 seiner Geschütze wegnahm, die von der Infanterie im Stich gelassen worden waren.173 Die siegreiche preußische Kavallerie, die bisher nur wenig Erfolge zu verzeichnen hatte, wagte sich nun sogar über die March und schlug die Avantgarde des dort marschierenden I. Armeekorps bei Roketnitz mühelos in die Flucht. Die österreichische Infanterie schien keine Widerstandskraft mehr zu besitzen. Erst ein Husarenregiment konnte die kritische Lage bereinigen. Der Verlauf beider Gefechte demoralisierte Benedek vollkommen. Noch einmal hatte seine Nordarmee mehr als 1600 Mann verloren, davon allein 58 Offiziere. Da am selben Tag auch die Kaiser-Ferdinands-

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Nordbahn bei Göding unterbrochen worden war, entschloss er sich nun, den Umweg über die Kleinen Karpaten nach Ungarn zu nehmen, um von dort aus über Pressburg nach Wien zu gelangen.174 Bis dahin hatten nur das III. Armeekorps und Teile der Sachsen die Strecke passiert. Erst eine Woche später hatte der glücklose Feldzeugmeister auf diesem beschwerlichen Umweg die Donau erreicht, wo er am 22. Juli die ihm noch verbliebenen 75 000 Mann mit Albrechts Italienarmee vereinigte. Zusammen konnten die Österreicher jetzt gerade einmal 200 000 Mann aufbieten, nennenswerte Reserven waren nicht mehr vorhanden und die Ungarn blieben neutral. Erzherzog Albrecht sah bald ein, dass sich mit diesen Kräften die Donaulinie allenfalls noch einige Wochen halten ließ. Ein grundlegender Umschwung der Lage war aber nicht mehr zu erwarten, denn die Armee des Gegners wurde mit jedem Tag stärker. So meldete Kriegsminister Albrecht von Roon seinem Monarchen am 19. Juli, dass Preußen selbst für einen Zweifrontenkrieg gerüstet sei, sollte Frankreich sich zum militärischen Eingreifen entschließen. Man habe nunmehr fast 700 000 Mann unter Waffen.175 Von 81 Ersatzbataillonen zu 800 Mann waren bereits 46 mobil gemacht worden, um entweder direkt zur kämpfenden Truppe zu gehen oder Linieneinheiten als Besatzungstruppe abzulösen.176 Inzwischen hatten sich die Preußen auch auf Sichtweite der Hauptstadt genähert. Bereits am 12. Juli waren die Spitzen der Ersten Armee kampflos in Brünn eingerückt, wo man offenbar nicht unfreundlich empfangen wurde, wie der Chef des Stabes, Generalleutnant Voigts-Rhetz, seiner Frau am nächsten Tag in einem Brief mitteilte: „Die Bevölkerung ist zuvorkommend und freundlich gegen uns und hat nur geringe Sympathien für Österreich.“177 Auch Hans Wachenhusen berichtete, dass man der Elbarmee in Mähren überall mit „größter Freundlichkeit“ begegnete und schon von Deutsch-Brod ab ganze Karawanen von Flüchtlingen, die der österreichischen Gräuelpropaganda aufgesessen waren, wieder in ihre verlassenen Dörfer zurückkehrten.178 Zu einer Strategie der verbrannten Erde hatte sich die österreichische Heeresleitung nicht entschließen können. Noch führte man den Krieg nach traditioneller Art, nur der Initiative einzelner Offiziere wie etwa dem Hauptmann Alfred von Vivenot war es zu verdanken, dass es im besetzten Böhmen wenigstens zu einigen

Vormarsch auf Wien

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Anschlägen auf preußische Telegrafenlinien und Proviantkolonnen kam.179 Derweil hatte Herwarths Elbarmee die niederösterreichische Grenze bei Znaim an der Thaya erreicht.180 Am 15. Juli besetzte sie den wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Lundenburg, womit die Verbindung von Olmütz nach Wien endgültig unterbrochen war. Der Truppe machte jetzt allerdings weniger der Feind zu schaffen, der sich höchstens noch mit seiner Kavallerie zeigte, sondern das Wüten der Cholera, der Geißel des 19. Jahrhunderts. Sie war offenbar zum ersten Mal schon am 9. Juli bei der Kronprinzenarmee aufgetreten, hatte sich dann aber rasch auch auf die anderen Heeresteile übertragen.181 Bis zum Abzug der Preußen aus Mähren und Österreich sollten der Seuche insgesamt 6427 Offiziere und Mannschaften zum Opfer fallen, das waren mehr als die 4450 preußischen Gefallenen auf sämtlichen Schlachtfeldern des Krieges.182 Als am 20. Juli die Avantgarde der Elbarmee schließlich die Höhen von Wolkersdorf erreichte, konnten die Soldaten bereits das Häusermeer Wiens mit dem Stephansdom und den zahllosen anderen Kirchtürmen deutlich erkennen. „Ein wildes Hurrah begrüßte dieses Tableau“, so Kriegskorrespondent Wachenhusen. „Da lag die lustige, leichtsinnige Kaiserstadt so klar, so plastisch, als trennten uns nur wenige Minuten von ihr.“183 Noch ahnten die Soldaten nicht, dass ihnen kein neuer Waffengang mehr zugemutet würde. Doch im mährischen Nikolsburg, wo sich das preußische Oberkommando am 18. Juli im Schloss des österreichischen Außenministers Graf von Mendsdorff-Pouilly einquartiert hatte, waren noch am selben Tage ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand aufgenommen worden. Da Ministerpräsident Bismarck sich schließlich mit seinem gemäßigten Kurs gegen Habsburg durchsetzen konnte, der Wiens Territorium – mit Ausnahme Venetiens – unangetastet ließ, einigte man sich am 22. Juli auf eine zunächst fünftägige Waffenruhe. Es war ein Sonntag. Die Friedensnachricht, so Hans Wachenhusen, fand daher wohl empfängliche Gemüter, „aber niemandem wollte es passen, dass diese Waffenruhe gerade angesichts Wien uns getroffen hatte.“184 Zu gern wäre man als Sieger in die Stadt eingezogen. Ein bei Blumenau unweit von Pressburg noch am selben Tag begonnenes Gefecht

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zur Linksumgehung von Wien wurde daraufhin gegen Mittag abgebrochen.185 Der Präliminarfrieden wurde bereits am 26. Juli unterzeichnet. Der Siebenwochenfeldzug war beendet, Österreich schied aus Deutschland aus und von seinen norddeutschen Verbündeten blieb nur Sachsen verschont. Preußen war zu einer tatsächlichen Großmacht aufgestiegen.

Die Operationen der preußischen Mainarmee in Süddeutschland „Mit sehr geringer Hoff nung und nur höchst ungern übernahm ich dies Kommando. Die Mängel der deutschen Bundeskriegsverfassung waren mir bekannt. Seit 26 Jahren war das VIII. Korps, das in seiner gegenwärtigen Verfassung sechs Kriegsherren und fast ebenso viele Reglements, Signale, Artilleriesysteme und politische Ziele hatte, nicht mehr vereinigt worden; die Generale kannten sich kaum gegenseitig und keiner von ihnen, mit Ausnahme der österreichischen, hatte einen ernsthaften Feldzug mitgemacht.“ Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt, Befehlshaber des VIII. Bundeskorps186 Die Operationen der preußischen Mainarmee in Süddeutschland

Für General der Infanterie Eduard Vogel von Falckenstein schien der Einzug seiner Truppen in die Freie Stadt Frankfurt am 16. Juli 1866 der Höhepunkt seiner militärischen Karriere zu sein. An der Spitze der 13. Infanteriedivision ritt der Heerführer abends unter klingendem Spiel durch das Allerheiligentor über die Zeil zur Hauptwache, argwöhnisch und schweigend betrachtet von den zahlreich versammelten Bürgern der Stadt. Der Empfang der aus Holstein zurückkehrenden österreichischen Brigade „Kalik“ nur einen Monat zuvor war deutlich herzlicher ausgefallen. Frankfurt war bisher nicht durch eine besondere Preußenfreundlichkeit auf-

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gefallen und wurde, da es noch vor zwei Tagen der Sitz des verpönten Bundestages gewesen war, von den einziehenden Soldaten mit eindeutigen Gesängen reichlich verspottet. Schlimmer dürfte den Frankfurter Geldadel allerdings Falckensteins Forderung nach einer Kontribution in Höhe von 6 Mio. Gulden getroffen haben, die innerhalb von nur 24 Stunden aufzubringen war. Die Preußen verlangten außerdem 400 neue Pferde und für jeden Soldaten der Armee ein neues Paar Stiefel.187 Man war viel marschiert in den zurückliegenden Wochen. Mit seiner Mainarmee hatte General von Falckenstein seit der Kapitulation der Welfenarmee eine beachtliche militärische Bilanz erzielt. Zunächst war es dem Veteran der Befreiungskriege gelungen, die Vereinigung der Bayern mit dem VIII. Bundeskorps, der sogenannten Reichsarmee, im Fuldatal zu verhindern. Anschließend hatte er mit seiner 40 000 Mann starken Streitmacht so schnell die Rhön überquert, dass die bayerische Armee hinter die fränkische Saale zurückgedrängt und zwei ihrer insgesamt vier Divisionen bei Hammelburg und Bad Kissingen am 10. Juli schwer geschlagen worden waren. Nur Bismarcks Weisung aus dem königlichen Hauptquartier im mährischen Zittau, sich noch vor Abschluss eines Waffenstillstandes unbedingt in den Besitz des Rhein-Main-Gebietes zu setzen, hatte die bayerische Armee vor der völligen Zerschlagung bewahrt. Entlang des Mains nach Westen vorstoßend hatten die Preußen sodann der Reichsarmee und österreichischen Truppen aus der Bundesfestung Mainz bei Aschaffenburg eine schwere Niederlage zugefügt. Die anschließende Besetzung Frankfurts durfte Vogel von Falckenstein mit Recht als vorläufigen Abschluss eines glänzenden Feldzuges gegen die Süddeutschen betrachten. Dass seine Befehlsführung im Krieg gegen Hannover in Berlin auf viel Kritik gestoßen war und man ihm vor allem die peinliche Niederlage bei Langensalza anlastete, konnte ihm nicht entgangen sein, doch hatte er gehofft, die Scharte mit seinen jüngsten Erfolgen wieder ausgemerzt zu haben. Umso härter traf ihn da die Entscheidung König Wilhelms I., ihn nur einen Tag nach dem triumphalen Einzug in Frankfurt von seinem Kommando über die Mainarmee zu entbinden. Dass mit der Ablösung zugleich die Ernennung zum Militärbe-

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fehlshaber in Böhmen verbunden war, half ihm nicht wirklich über die Demütigung hinweg, zumal der Monarch mit Generalleutnant Edwin von Manteuffel einen seiner schärfsten Widersacher zum Nachfolger bestimmt hatte. Auch wenn der neue Mann an der Spitze der Mainarmee sich in vieler Hinsicht von Falckenstein unterschied, so war er doch gewiss nicht leichter zu kontrollieren. Graf Waldersee, der spätere Chef des Generalstabs, nannte ihn sogar eitel, ehrgeizig und intrigant, in gewisser Weise das genaue Gegenteil zu Moltke. Zur Truppe fand der ehemalige Flügeladjutant des Königs nur schwer Zugang. An Falckensteins plötzlicher Ablösung war Manteuffel aber offenbar schuldlos.188 Mit der Einnahme Frankfurts genau zwei Wochen nach dem Sieg bei Königgrätz schien nun auch der Krieg in Deutschland in seinen letzten Zügen zu liegen. Doch es war für Manteuffels Streitmacht keine militärische Option, sich auf die Besetzung der Mainmetropole zu beschränken und das Ende der Verhandlungen in Nikolsburg abzuwarten. Das bei Frohnhofen und Aschaffenburg so gründlich geschlagene VIII. Bundeskorps konnte sich nach seinem Rückzug über den Main immer noch mit den Bayern vereinigen. Von denen war bekannt, dass sie inzwischen auf Würzburg vorgerückt waren. Mit zusammen mehr als 80 000 Mann war eine Offensive der vereinigten Bundestruppen auf Frankfurt mehr als wahrscheinlich. Die Preußen mochten auch keineswegs ausschließen, dass sich Napoleon III. zu einer bewaffneten Intervention in Süddeutschland entschließen könnte, falls Bismarck seinen wiederholten Kompensationsforderungen nicht nachkam. Also war Eile geboten. Nach Zulauf von weiteren Verstärkungen, darunter eine Oldenburgisch-Hanseatische Brigade unter dem Kommando von Generalmajor Peter von Weltzien hatte sich die Stärke der Mainarmee bis zum 20. Juli auf 50 000 Mann erhöht. Manteuffel befahl gleich für den folgenden Tag die Verfolgung des VIII. Bundeskorps. Schon am 19. hatte die Division „Goeben“ Darmstadt und Dieburg besetzt und täuschte nun einen weiteren Vormarsch entlang der Bergstraße an. Der Rest der Division aber marschierte nach Osten durch den Odenwald auf Amorbach zu, wo sie auch an dem sogenannten ÖsterreichDenkmal vorbeikamen, das an den gemeinsamen Sieg der deutschen Staaten in der Schlacht von Leipzig erinnerte.189

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Die Generalmajore Beyer und Fließ, Letzterer hatte Manteuffels alte Division übernommen, rückten am 21. südlich des Mains auf Aschaffenburg und Miltenberg vor. Dort angekommen, wollte Manteuffel je nach Lagebild entscheiden, gegen welchen Gegner er sich zuerst wenden würde. Mit Freude nahm er die aus Leipzig eintreffende Meldung des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg auf, der mit seinem neu aufgestellten II. Reservekorps über Hof in den Rücken der Bayern vorstoßen wollte. Derweil zog sich Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt mit seinen vier Divisionen durch den Odenwald auf die Tauber zurück, um Anschluss an die Bayern zu gewinnen. Dass Manteuffel ihm bereits dicht auf den Fersen war, wusste der Prinz noch nicht. Der 43-jährige Alexander hatte als drittältester Sohn des Großherzogs Ludwig II. von Hessen und bei Rhein die damals für Hochadlige übliche steile militärische Karriere hinter sich. Schon mit zehn Jahren war er 1833 in die hessen-darmstädtische Armee eingetreten, um sieben Jahre später auf Vermittlung seiner Schwester in russische Dienste zu wechseln. Militärisch sollte er zeitlebens ohne Fortüne bleiben. 1845 nahm er an der unglücklichen Kaukasusexpedition des Fürsten Michail S. Woronzew teil, kam nur knapp mit dem Leben davon und kehrte Russland wegen einer unstandesgemäßen Liebschaft 1851 den Rücken. Zwei Jahre später war er im Range eines Generalmajors in die österreichische Armee eingetreten, in deren Reihen er als Brigadekommandeur am Krieg von 1859 teilnahm und sich besonders in der Schlacht von Solferino auszeichnete. Persönlich zwar tapfer, fehlte es ihm aber, wie der Mainfeldzug von 1866 bewies, an Entschlusskraft, Durchsetzungsvermögen und letztlich auch an operativem Geschick. Die Lage der Verbündeten verschlechterte sich jetzt mit jedem Tag. Zwar glückte die Vereinigung mit den Bayern und Prinz Alexander beriet sich bereits am 20. mit Feldmarschall Prinz Karl in Bischofsheim. Man wollte so rasch wie möglich die Offensive ergreifen und wieder auf Aschaffenburg vorstoßen, das als Ausgangsbasis für die Wiedereinnahme Frankfurts dienen sollte. Dabei zeigte sich aber, dass es ein schwerer Fehler des hessischen Prinzen gewesen war, die günstigen Positionen südlich von Frankfurt überhaupt aufzugeben. Verständlicherweise fand vor allem Großherzog Friedrich von Baden, der immerhin eine Division des VIII. Korps stellte, keinen

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Gefallen an der kampflosen Räumung des Rheintales. Sein leitender Minister, Ludwig Freiherr von Edelsheim, hatte daher am selben Tag auf einer Konferenz der Verbündeten in München unmissverständlich klargemacht, dass sein Landesherr lieber sofort einen separaten Frieden mit den Preußen schließen würde, ehe er am Ende noch das Schicksal Hannovers und Kurhessen erlitt.190 Für eine direkte Umkehr aller Divisionen war es nun aber zu spät. Die Preußen saßen Prinz Alexander bereits im Nacken. In nur vier Tagen hatten sie fast 120 Kilometer bei drückender Hitze zurückgelegt. Bei Hundheim, nördlich von Külsheim, stellte Generalmajor von Fließ’ Division am 23. Juli die Nachhut des VIII. Bundeskorps. Nachdem aus Nikolsburg die Nachricht eingetroffen war, dass die tags zuvor geschlossene fünftägige Waffenruhe zwischen Preußen und Österreich nicht für die Mainarmee gelten sollte, griff die preußische Avantgarde unter Oberst Hermann von Fabeck die von zwei Regimentern der badischen Division verteidigte Ortschaft an. Seine zwei Bataillone erwiesen sich aber als zu schwach, Hundheim dauerhaft zu halten. Auch die Badische Division zog sich, obwohl siegreich, am Abend mit einem Verlust von 124 Mann zurück.191 Am folgenden Tag stießen die Preußen gegen Mittag an der Tauber erneut auf den Feind. Obwohl der Fluss an etlichen Stellen durchwatet werden konnte und auch das Höhengelände links der Tauber die Positionen auf dem Ostufer überragte, hatten sich die Verbündeten entschlossen, die Tauberlinie nachhaltig zu verteidigen. Die württembergische Division besetzte Bischofsheim, das badische Kontingent unter Kronprinz Wilhelm das nördlich davon gelegene Werbach. Zwei seiner Divisionen hielt Prinz Alexander in Reserve. Beinahe charakteristisch für die halbherzige und kraftlose Kriegführung der Süddeutschen war, dass die Bayern entgegen der Absprache Wertheim unbesetzt ließen.192 Wenn die Preußen durch diese Lücke in den Rücken des VIII. Korps vorrückten, war nicht nur die Verbindung zu den Bayern wieder verloren, sondern auch Prinz Alexanders gesamte Streitmacht in höchster Gefahr, eingeschlossen zu werden. Manteuffel hat diese Chance jedoch nicht genutzt. Generalmajor von Fließ beschränkte sich auf die kampflose Besetzung von Wertheim, während die beiden anderen preußischen Divisionen sich bei Werbach

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und Bischofsheim auf eine frontale Konfrontation mit den Badenern und Württembergern einließen. Dabei profitierten sie davon, dass Prinz Wilhelm von Baden sich so kurz vor dem absehbaren Kriegsende nicht mehr auf einen ernsthaften Kampf mit dem in jeder Beziehung überlegenen Gegner einlassen wollte. Nachdem die oldenburgisch-hanseatische Brigade die Tauber an mehreren Stellen durchwatet hatte, griff sie Werbach von zwei Seiten an und zwang die Badener gegen 16 Uhr zum Rückzug. Die heftigsten Kämpfe fanden jedoch an diesem Nachmittag in Bischofsheim statt. Der hier angreifenden Brigade „Wrangel“ gelang es rasch, in die auf dem linken Ufer der Tauber liegende Ortschaft einzudringen und auch die steinerne Brücke zu nehmen. Die Württemberger zogen sich zunächst über das völlig offene Gelände, das von der preußischen Artillerie beherrscht wurde, in die Bergdefileen auf der gegenüberliegende Seite zurück. Unsinnigerweise aber glaubten sie, den Preußen ausgerechnet hier eine Niederlage zufügen zu können. Prinz Alexander vertraute hierbei auf die Wirkung seiner überlegenen Artillerie. Unterstützt von dem Feuer aus 36 gezogenen Geschützen attackierten die Württemberger nun mehrmals in dichten Kolonnen den gegnerischen Brückenkopf, überquerten dabei erneut das gefährliche offene Gelände zur Flussniederung, das vielen schon beim Rückzug zum Verhängnis geworden war, nur um wie schon die Hessen bei Frohnhofen einmal mehr an der überwältigenden Feuerkraft des Zündnadelgewehrs zu scheitern. Am Abend hatten die Württemberger 670 Mann verloren, der Rest war bis zur Erschöpfung abgekämpft und hatte das Vertrauen in seine Führung und Bewaffnung völlig verloren. Vorerst war die Division nicht mehr einsatzfähig. Zu allem Übel musste Prinz Alexander jetzt auch befürchten, dass mit dem verfrühten Abzug der Badener aus Werbach sein Korps auseinanderzubrechen drohte. Besonders bitter war es für ihn, dass Prinz Wilhelm ihn nicht einmal über seine Eigenmächtigkeit in Kenntnis gesetzt hatte. Die Preußen drangen nun auf drei Straßen auf Würzburg vor, im Norden die Division „Fließ“, in der Mitte „Beyer“ und im Süden „Goeben“. Ihre beiden Gegner versuchten am 25. Juli noch einmal auf halbem Wege Front zu machen, die Bayern bei Uettingen und Helmstadt, das VIII. Korps mit der hessischen und österreichisch-

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nassauischen Division bei Gerchheim. Obwohl nun schon seit drei Tagen auf dem Hauptkriegsschauplatz vor Wien Waffenruhe herrschte, wurde in Deutschland auf beiden Seiten weiter verbissen gekämpft, als ginge es gegen die Franzosen. Das VIII. Armeekorps verlor bei Gerchheim noch einmal 250 Mann, während die Division „Beyer“ ihren Erfolg bei Helmstadt mit 350 Toten und Verwundeten bezahlen musste. Noch höher waren die preußischen Verluste bei Uettingen, wo allein das 36. Infanterieregiment bei der Erstürmung des Osnert 432 Mann verlor. Insgesamt belief sich der Aderlass der Division „Fließ“ auf rund 900 Tote und Verwundete, die Ausfälle der Bayern waren ebenso hoch. Das entspricht der Verlustquote bei Königgrätz, wenn man berücksichtigt, dass in Böhmen die zehnfache Zahl im Kampf gestanden hatte. Die Bayern, die am Morgen noch geglaubt hatten, in die Offensive gehen zu können, konnten am Ende froh sein, mit ihren vier Divisionen und dem gesamten Tross halbwegs unbehelligt über den Main zu gelangen. Die Schuld für das Scheitern gaben sie – nicht ganz zu Unrecht – der 2. Badischen Division, die sich wieder einmal zu früh zurückgezogen hatte und sich schon vor den Bayern auf dem rechten Mainufer befand. Einen Tag nach der verlustreichen Schlacht von Uettingen standen die Preußen am 27. Juli vor Würzburg, dem Ziel ihrer Offensive, das sie noch unbedingt in ihre Hand bekommen wollten. Unverständlich bleibt aber, weshalb Manteuffel den Main nicht sogleich überquerte, um die Stadt einzukreisen, sondern sich stattdessen auf ein Bombardement der Festung Marienberg einließ. Der mehrstündige Beschuss der auf einer markanten Kuppe gegenüber Würzburg thronenden Festung, die einst den Würzburger Fürstbischöfen als Residenz gedient hatte, war nur eine Verschwendung von Munition. Das dürfte Manteuffel dann auch bald gedämmert sein, denn am frühen Nachmittag brachen die Preußen nach drei Stunden ihre Beschießung ab. Immerhin hatte man die kulturhistorisch wertvolle Anlage an einigen Stellen in Brand geschossen. Kurz nach Einstellung des Feuers erschien ein Parlamentär aus dem bayerischen Hauptquartier mit einem Schreiben des Prinzen Karl. Darin schlug der Oberbefehlshaber der Bundestruppen vor, Würzburg im Namen des Völkerrechts als offene Stadt zu behandeln. Wenig später erreichte den Prinzen

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dann ein Telegramm aus Nikolsburg, in dem der bayerische Ministerpräsident Ludwig Freiherr von der Pforten mitteilte, dass Preußen mit Österreich einen Waffenstillstand abgeschlossen habe und General von Manteuffel ermächtigt sei, ebenfalls Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit seinen Gegnern zu beginnen. Auch dies brachte man dem preußischen Oberbefehlshaber sofort zur Kenntnis. Obwohl ihm die Nachricht durch eine feindliche Regierung übermittelt worden war, ging Manteuffel schließlich auf das Angebot ein, forderte aber die Übergabe der Stadt Würzburg und gab Bedenkzeit bis um 7 Uhr des folgenden Tages.193 Nach Rücksprache mit München gab das bayerische Oberkommando in dieser Frage nach, nur der Marienberg sollte unbesetzt bleiben. Die Preußen akzeptierten und am nächsten Tag wurde ein dreiwöchiger Waffenstillstand geschlossen, der ab dem 2. August gelten sollte. Manteuffels widersinniges Bombardement vom 27. Juli war allerdings noch nicht die letzte Kampfhandlung im Krieg von 1866. Den wirklich allerletzten militärischen Epilog setzten die Aktionen des II. Reservekorps. Am 31. Juli nahm die Avantgarde, von Bayreuth kommend, nördlich von Nürnberg eine ganze bayerische Kompanie gefangen – eine zweite hatte derweil die Flucht ergriffen – und ritt am Nachmittag in die Stadt an der Noris ein.194 Damit war der sogenannte Mainfeldzug endgültig beendet. Obwohl er für den Gesamtkriegsverlauf nur von sekundärer Bedeutung geblieben war, da das befürchtete Eingreifen Frankreichs nicht stattfand, war er für die beteiligten Truppen auf beiden Seiten kein Spaziergang gewesen. So hatte die bayerische Armee seit dem 1. Juli 2450 Tote und Verwundete zu beklagen gehabt, während die Verluste des verbündeten VIII. Bundeskorps im selben Zeitraum sich auf fast 1750 Mann beliefen, hinzu kamen hier aber noch einmal 2427 Vermisste, von denen nach Ansicht Prinz Alexanders die meisten als tot angesehen werden mussten. Auch die Verluste des Siegers waren nicht unerheblich. Die Abgänge der Mainarmee beliefen sich im selben Zeitraum auf immerhin 2900 Mann. Die Preußen konnten somit durchaus froh sein, dass ihr jahrelanges wiederholtes Drängen auf eine Verbesserung des Bundesmilitärwesens an den meisten Höfen auf taube Ohren gestoßen war. Militärisch gesehen war das föderale System des Deutschen

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Bundes 1866 vollkommen gescheitert. Das aus sechs Kontingenten zusammengewürfelte VIII. Bundeskorps war den Preußen in fast allen Belangen unterlegen gewesen. Nur die Artillerie hatte sich als gleichwertig erwiesen. Gerade das massiv kritisierte Verhalten des badischen Kontingents zeigte, dass die einzelnen Befehlshaber oft eher Landesinteressen folgten, anstatt sich der gemeinsamen Sache unterzuordnen. Die beschämende militärische Bilanz der beiden süddeutschen Korps trug schließlich auch viel zu einem Gesinnungswechsel bei. Die deutsche Kleinstaaterei war zu Tode diskreditiert und manchem erschien nun sogar der Anschluss an Preußen in einem völlig anderen Licht. So etwa schrieb aus München der Chemiker Justus Liebig, der dort seit 1852 lehrte, am 1. November 1866 an seinen Göttinger Kollegen Friedrich Wohler: „Hier in Bayern regt sich nichts von Fortschritt und Verbesserung und es mag wohl sein, dass es ein Glück für Hannover, Kurhessen und Nassau ist, einem großen und mächtigen Staat anzugehören.“195

= Exkurs: „Ich will keinen preußischen Pardon“ – Die Schlacht bei Kissingen am 10. Juli 1866

„Als wir hinter dem Hügel [Altenberg] vorrückten und uns gegenüber den nackten Berg sahen, dachte jeder von uns, dass er nicht viel weiter kommen werde. Wie wir so dicht gedrängt standen, hätten zwölf Kartätschen Tausende von uns zusammengeworfen. Aber es schien, als ob man uns gutwillig nach Kissingen kommen lassen wollte. Oder hat es der bayerische General nicht besser verstanden, dann sollte er das Kriegsführen nicht treiben.“ Ein preußischer Soldat des 55. Regiments, der bei Kissingen verwundet wurde196

Nach der Einnahme von Fulda stand die Führung der preußischen Mainarmee vor der Frage, ob sie sich gegen das VIII. Bundeskorps im Maingebiet oder gegen die Bayern wenden sollte. Erst nachdem ein Tele-

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gramm Moltkes am 8. Juli die Verfolgung der bayerischen Armee gefordert hatte, gab General Vogel von Falckenstein den Befehl zum Vormarsch auf Schweinfurt. Dazu marschierte die Mainarmee in zwei Kolonnen über die Rhön zur fränkischen Saale, die man zwischen Hammelburg und Kissingen überwinden wollte. Rechts rückte die Division „Beyer“ auf Hammelburg vor, links die Division „Goeben“ gegen Kissingen, das sich seit seiner Eingliederung in den bayerischen Staat 1814 unter Leitung des königlichen Architekten Friedrich von Gärtner zu einem mondänen Kurort mit Kurarkade, Theater und zahlreichen Hotels entwickelt hatte. Noch im Vorjahr hatte Kaiserin Elisabeth von Österreich das etwa 2000 Einwohner zählende Städtchen besucht. Zu den regelmäßigen Gästen zählte auch Kaiser Alexander II. von Russland. Eine Eisenbahnverbindung nach Schweinfurt kam jedoch erst 1871 zustande. Am 11. Juli wollte Falckenstein vor Schweinfurt stehen, wo er die Masse der bayerischen Armee vermutete. Von der Absicht des Gegners, die Saale mit starken Kräften zu verteidigen, wurden die Preußen überrascht. Die bayerische Armeeführung unter Prinz Karl und seinem Chef des Stabes, Generalleutnant Ludwig Freiherr von der Tann, verfügte über insgesamt vier Infanteriedivisionen und ein Kavalleriekorps zu zwei Brigaden. Die Saale sollte a tout prix gehalten werden, da es darauf ankam, vor dem bald erwarteten Waffenstillstand den Preußen möglichst wenig bayerisches Staatsgebiet zu überlassen. Während Generalmajor Beyer bei Hammelburg am Vormittag des 10. Juli nur auf geringen Widerstand stieß, hatten sich Teile der 3. Bayerischen Infanteriedivision unter Generalleutnant Oskar von Zoller im etwa 20 Kilometer nördlich gelegenen Kissingen auf eine nachhaltige Verteidigung der Flusslinie vorbereitet. Die steinerne Chausseebrücke über die Saale, die hier etwa 15 Meter breit und durch den vorangegangenen starken Regen auf eine Tiefe von etwa drei Metern angeschwollen war, hatten die Verteidiger verbarrikadiert und durch zwei Zwölfpfünder-Geschütze gesichert. Weitere Brücken im Bereich der Stadt waren entweder niedergebrannt worden oder man hatte, wie im Fall der eisernen Parkstege, wenigstens die hölzernen Bohlen entfernt. Ein flussabwärts gelegener vierter Übergang an der Lindelsmühle war von den Verteidigern offenbar übersehen worden. Das sollte sich rächen. Das gemauerte Ostufer von Kissingen hielten nur viereinhalb Kompanien der 5. Brigade des Generals von Ribaupierre. Etwa 1000 Mann

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hatten sich dort in den angrenzenden Häusern der Altstadt verschanzt. Weitere zweieinhalb Kompanien standen im Bereich des befestigten Kissinger Kirchhofs, der auf einer Anhöhe den Ostausgang der Stadt beherrschte, in Reserve. Eine Batterie mit acht gezogenen Geschützen und zwei Glattrohr-Zwölfpfündern hatte etwa 450 Meter nordöstlich der Stadt auf dem Abhang des Sinn-Berges Stellung bezogen. Drei Bataillone der 3. Infanteriedivision standen bei der Ortschaft Winkels, etwa 500 Meter östlich der Stadt, als Reserve. Zollers gesamte Division war auf einer Linie zwischen Waldaschach im Norden und Hammelburg im Süden verteilt und den Preußen bei Kissingen deutlich unterlegen. Kräfte der 2. Bayerischen Infanteriedivision befanden sich daher über Münnerstadt und Nüdlingen im Anmarsch, sollten aber für die unmittelbare Verteidigung der Stadt zu spät kommen. Gegen 8 Uhr erreichte die auf der Brückenauer Straße anrückende Avantgarde der Division „Goeben“ den Altenberg oberhalb der Saale. Zwei preußische Batterien gingen auf der Anhöhe in Stellung und eröffneten über die Stadt hinweg das Feuer gegen die bayerischen Geschütze am gegenüberliegenden Sinn-Berg. Zur gleichen Zeit verschanzte sich die Infanterie in den Hotels und Pensionen der diesseitigen Kissinger Quaistraße und lieferte sich mit den Bayern auf dem anderen Saaleufer einen lebhaften Schusswechsel. Das Erscheinen des Hauptteils der Division „Goeben“ mit der Brigade „Wrangel“ beendete das spektakuläre, aber unergiebige Vorspiel. Die Preußen suchten nun die Entscheidung. Unter Anwendung der klassischen taktischen Regel, den Feind frontal zu binden und zugleich nach Umgehungsmöglichkeiten zu suchen, entdeckten die Preußen kaum 1000 Schritt abseits der Hauptbrücke den nur halb zerstörten Übergang an der Lindelsmühle. Da die Bayern die Stelle nicht einmal durch Feuer überwachten, balancierte gleich eine Kompanie des 1. Bataillons vom Westfälischen Infanterieregiment Nr. 15 auf den stehen gebliebenen Streckbalken zum anderen Ufer. Die übrigen Kompanien schafften aus der nahen Mühle Tische, Türen und sonstige geeignete Bretter heran, um die Lücken in der Brücke auszufüllen. Mit einem preußischen Bataillon in der südlichen Flanke war Kissingen kaum noch zu halten. Die zwei übrigen Bataillone des 15. Regimentes folgten nun rasch. Damit waren die Preußen in der Stadt sogar schon in der Überzahl. Nach heftigem Kampf im Kurgarten gegen dort verschanzte bayerische Jäger setzte sich das Gefecht in den angrenzen-

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den Hotels fort. Stock für Stock mussten Bayerischer Hof, Hotel Fries und schließlich der Russische Hof eingenommen werden. Gerade im Häuserkampf auf kurze Distanz zeigte das Zündnadelgewehr einmal mehr eindrucksvoll seine Überlegenheit, dieses Mal gegenüber dem bayerischen Podewils-Gewehr, das ähnlich wie das Lorenz- und das Minié-Gewehr ein Hinterlader mit gezogenem Lauf und Expansionsgeschoss war. Ein bayerischer Jäger, der sich in einem Zimmer des Hotels Sanner verbarrikadiert hatte, kämpfte auch weiter, als die Angreifer schon durch eine Seitentür in den Raum eindrangen. Obwohl er schon ein Dutzend Preußen verletzt hatte, riefen ihm die Westfalen zu, er solle „Pardon“ nehmen. Doch der Unglückliche stürzte sich mit den Worten „Ich will keinen preußischen Pardon“ erneut mit dem Bajonett auf den nächststehenden Feind, ehe er von mehreren Bajonettstichen durchbohrt tot zusammenbrach.197 Gegen 13 Uhr war Kissingen nach fünfstündigem Kampf fast ganz in preußischer Hand. Die Sieger strömten nun über die steinerne Bogenbrücke durch die Hauptstraße dem kastellartigen Kirchhof zu, wo sich inzwischen etwa 300 Bayern vom 15. Bayerischen Infanterieregiment unter Führung von Hauptmann Thoma verschanzt hatten. Die Bayern hatten die etwa zweieinhalb Meter hohe Mauer mit Schießscharten versehen oder aber aus Bauholz provisorische Gerüste angefertigt, um von der Umwallung schießen zu können. Gegen 13.30 Uhr griffen vier preußische Kompanien diese letzte Bastion des Gegners an. Die Bayern wehrten sich etwa anderthalb Stunden lang, dann hatten sich die weiter verstärkten Angreifer von allen Seiten an den Kirchhof herangearbeitet und wagten nun den Sturmangriff. Der entscheidende Einbruch gelang durch ein mit Grabsteinen verrammeltes Seitenportal. Ein Teil der Bayern konnte über die Mauer aufs offene Feld fliehen, die anderen wurden niedergemacht oder gefangen genommen. Bei dem Versuch, an einem im rechten Winkel zur Chaussee verlaufenden Graben noch einmal Front zu machen, geriet Hauptmann Thoma schwer verwundet in Gefangenschaft, der Rest seiner Leute wurde zersprengt. Die Einnahme von Kissingen beendete allerdings noch nicht die Kämpfe. Noch bis zum Abend mussten sich die Preußen, die rasch bis zur Nachbarortschaft Winkels vorgedrungen waren, in nicht minder harten Gefechten zahlreicher Gegenangriffe erwehren. Doch wie schon am Vormittag gelang es Generalleutnant von Zoller nicht, seine Kräfte zu massieren. Die

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Verstärkungen der 2. Division trafen verzettelt ein und konnten von den Preußen – wenn auch nicht ohne Krisen – bis zum Abend abgewehrt werden. Auf beiden Seiten waren die Verluste erheblich. Die Bayern verloren an diesem 10. Juli 691 Mann und 565 Gefangene. Unter den Toten war auch Generalleutnant Oskar von Zoller. Die Preußen hatten 143 Tote und 696 Verwundete zu beklagen, darunter 36 Offiziere. Das Doppelgefecht von Kissingen und Winkels war damit der einzige Schlagabtausch des gesamten Krieges von 1866, in dem die Preußen höhere Verluste (an Toten und Verwundeten) als der Gegner hatten.198 Das spricht für den Kampfgeist der bayerischen Truppen, dem allerdings auf der Führungsebene der Armee nichts Vergleichbares zur Seite stand.

= Exkurs: Österreicher alleingelassen – Die Schlacht bei Aschaffenburg am 14. Juli 1866

„Aus Deutschland treten wir jedenfalls ganz aus, ob es verlangt wird oder nicht. Dieses halte ich nach den Erfahrungen, die wir mit unseren lieben deutschen Bundesgenossen gemacht haben, für ein Glück für Österreich.“

Kaiser Franz Joseph am 23. Juli 1866 an seine Frau Elisabeth199

Am 12. Juli, zwei Tage nach der Schlacht bei Kissingen, fehlten dem VIII. Bundeskorps in Frankfurt-Bornheim immer noch verlässliche Nachrichten über die Lage an der fränkischen Saale. Das bayerische Hauptquartier in Schweinfurt schwieg sich aus. Einzig aus Lohr, etwa 60 Kilometer mainaufwärts, meldete der Telegraf der dortigen Eisenbahnstation, dass preußische Truppen in der Nähe der Stadt gesehen worden seien. Erste Gerüchte sprachen sogar von versprengten Truppen ohne Munition und Verpflegung. Gleichwohl entschloss sich Prinz Alexander von Hessen, der Befehlshaber des VIII. Bundeskorps, vorsichtshalber eine Brigade der hessischen Division mit der Bahn auf Aschaffenburg vorzuschieben, um den dortigen Mainübergang offen zu halten. Bisher hatte

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er dem Befehl des Prinzen Karl, sich mit den Bayern in Franken zu vereinigen, beharrlich nicht Folge geleistet. Nun schien er sich anders besonnen zu haben und erwog plötzlich einen Rechtsabmarsch über den Odenwald zur Tauber. Als sich am nächsten Morgen die Meldungen über den herannahenden Feind konkretisierten, schickte der Prinz auch den Rest der Hessen nach und versprach dem Divisionskommandeur, Generalleutnant Carl Freiherr Pergler von Perglas, sogar noch zwei weitere Brigaden der 4. Division als Verstärkung. Plötzlich war in den Meldungen von einem starken preußischen Korps die Rede, etwa 16 000 Mann, das am Morgen in zwei Kolonnen von Lohr in Richtung Aschaffenburg aufgebrochen sei. Damit war klar: Die Preußen setzten zum Stoß auf Frankfurt an. Prinz Alexander sah zunächst die Möglichkeit eines leichten Sieges über einen offenbar noch isolierten Feind und befahl nun auch der 1. Württembergischen Division, auf Aschaffenburg vorzurücken. Bei den aus Lohr gemeldeten Preußen handelte es sich um die 13. Infanteriedivision des Generalleutnants August von Goeben. Seine Avantgarde, die 26. Infanteriebrigade des Generalmajors Karl Freiherr von Wrangel, hatte bereits am 13. Juli morgens, der Chaussee und dem Eisenbahndamm folgend, das Dorf Hain durchschritten, als man am Ortsrand des benachbarten Laufach gegnerische Kavallerie und bald auch Infanterie bemerkte. Nach kurzem Feuergefecht wich der Feind, es handelte sich um Teile der 1. Hessischen Brigade, nach Westen auf Frohnhofen und Weiberhofe aus. Gegen 15 Uhr besetzten preußische Füsiliere auch die erstgenannte Ortschaft. Wrangels Männer rechneten für diesen Tag nicht mehr mit besonderen Aktivitäten des Gegners und hatten nach einem anstrengenden Marsch in zermürbender Hitze schon begonnen, ihr Biwak einzurichten und Vorposten einzuteilen. Mit umso größerer Überraschung mussten sie etwa gegen 18.30 Uhr feststellen, dass der Feind, unterstützt von vier Geschützen, in drei Kolonnen mit klingendem Spiel gegen Frohnhofen vorrückte. Rasch verstärkten sich die Preußen entlang des Ortsrandes und der angrenzenden Waldstücke und wiesen den frontal geführten Angriff der Hessen ab. Auch die zwei folgenden Versuche scheiterten innerhalb einer Stunde. Nur einmal gelang dem Gegner für kurze Zeit der Einbruch in die Ortschaft. Am Ende des Tages hatten die drei beteiligten hessischen Regimenter im Feuerhagel der Zündnagelgewehre fast 800 Mann ver-

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loren, das Zehnfache der preußischen Verluste, und strömten, ohne noch auf die Befehle ihrer Offiziere zu reagieren, in völliger Auflösung nach Aschaffenburg zurück. Frohnhofen wäre tatsächlich eine gute Position im Vorfeld des Mains gewesen, um der Division „Goeben“ den Austritt aus dem Spessart zu erschweren und dem VIII. Bundeskorps Zeit zu geben, sich bei Aschaffenburg zur Verteidigung einzurichten. Doch warum hatten es die Hessen dann am Nachmittag so voreilig aufgegeben? Am nächsten Morgen rückten die Preußen in gehobener Stimmung in zwei Brigadekolonnen weiter auf Aschaffenburg vor. Nach Kissingen hatten sie nun zum zweiten Mal in einem größeren Gefecht die frappierende Überlegenheit ihrer Waffe kennengelernt und waren voller Selbstvertrauen. Selbst kritische Lagen ließen sich mit dem Zündnadelgewehr meistern. Ihr neues Angriffsziel lag auf dem Ostufer eines Mainknies. Zwei Hauptzugänge führten in die Stadt, die noch ihr mittelalterliches Gepräge mit Stadtmauer und engen Gassen bewahrt hatte: das Hersteller Tor im Osten und ein Tor im Norden, das zum Aschaffenburger Bahnhof hinausging. Im östlichen Vorfeld der Stadt, unterhalb der Bahnlinie nach Lohr, lag ein größeres, parkähnliches Waldstück, die sogenannte Fasanerie. Hier hatte sich ein Regiment der österreichischen Infanteriebrigade „Hahn“ in aller Eile zur Verteidigung eingerichtet, Vorposten waren anfangs bis zur Ortschaft Goldbach, etwa drei Kilometer nordostwärts, vorgeschoben. Den linken Flügel der Österreicher bildeten vier Bataillone, die nördlich der Bahnlinie Stellungen im Bereich der Aumühle bezogen hatten. Unterstützt wurden sie von immerhin 22 Geschützen, darunter auch eine hessische Batterie. Der Befehlshaber der 4. Division, Generalmajor Erwin Graf von Neipperg, ist später kritisiert worden, sich unter diesen ungünstigen Bedingungen – mit einer einzigen Brücke im Rücken – überhaupt auf einen Schlagabtausch mit den Preußen eingelassen zu haben.200 Der vormalige Kommandant der Bundesfestung Mainz warf dagegen den Verbündeten vor, nichts oder nur wenig zu seiner Unterstützung unternommen zu haben. Dies war noch eine Untertreibung. Von der bei Aschaffenburg biwakierenden hessischen Division beteiligte sich nur ein einziges Bataillon auf dem linken Flügel an der Schlacht, das 4. Regiment der Hessen zog sich sogar eigenmächtig mainabwärts zurück und konnte erst hinter Seligenstadt gestoppt werden. Über den Verbleib des Restes der Division, die den

Die Operationen der preußischen Mainarmee in Süddeutschland 227

Die Verkündung der Annexion durch die Preußen am Römer in Frankfurt am Main, 8. Oktober 1866 (zeitgenössische Bleistiftzeichnung von Johann Heinrich Hasselhorst)

wichtigen Auftrag hatte, die Mainbrücke offen zu halten, war stundenlang nichts in Erfahrung zu bringen. Die ebenfalls noch herantransportierten Württemberger hielten sich ganz abseits.201 So stand Neipperg am 14. Juli mit seinen 7500 Soldaten praktisch allein der doppelten Übermacht der Division „Goeben“ gegenüber. Wenn aber bei Aschaffenburg keine Schlacht geschlagen werden sollte, weshalb hatte Prinz Alexander dann überhaupt drei Viertel seines Korps in aller Eile dorthin transportieren lassen? So kam es, wie es kommen musste. Die Österreicher verteidigten sich etwa eine Stunde lang wacker, führten im Fasanenwald sogar Gegenangriffe mit dem Bajonett, während im Norden die ersten preußischen Angriffsversuche im gut gezielten Feuer der österreichischen und von sechs hessischen Geschützen scheiterten. Dann aber setzten sich die Preußen auf beiden Flügeln beinahe gleichzeitig durch und warfen die Österreicher gegen die Stadt zurück. An beiden Toren versuchten sich die Verteidiger noch einmal vorzulegen, konnten

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sich aber nur kurze Zeit halten, weil nur wenig zur Verteidigung vorbereitet war. Sobald die Preußen in der Stadt waren, drangen sie mit zwei Kompanien des 53. Infanterieregimentes durch die verwinkelten Straßen rasch zur Brücke vor, die von den Hessen befehlswidrig unbesetzt gelassen worden war, und riegelten den Rest der zurückweichenden Österreicher ab. Für Neippergs Männer war es ein Desaster. Die Brigade „Hahn“ hatte fast 600 Tote und Verwundete zu verzeichnen. Etwa dreimal so hoch war die Zahl der Gefangenen. Die Verlustbilanz aufseiten der Sieger belief sich dagegen nur auf 180 Mann. Unentschlossenheit, Ungehorsam, Feigheit und Inkompetenz hatten zu dieser neuerlichen Niederlage der Verbündeten beigetragen. Unter diesen Umständen den Krieg noch fortzusetzen, war mehr als verantwortungslos. Nur zwei Tage später zogen die Preußen in Frankfurt ein.

=

Italienischer Epilog – Österreich behauptet das Trentino und die Isonzo-Linie „Sehr viel hat man mir angetan, Unendliches, Unsägliches! Italien hat man mir genommen, es schmachvoll verschenkt. Ich, der ich seit dem Jahre 1846 wusste, dass Österreich, dieses Österreich nämlich, das östliche Hesperidenland [Venetien] nicht werde behaupten können, ich weine nun wie ein Kind. Könnte der Kaiser nur eine dieser Tränen verstehen!“ Generalmajor Karl Moering, Beauftragter Kaiser Franz Josephs, über die Übergabe Venetiens an Italien202 Italienischer Epilog

Kurz nach dem preußisch-österreichischen Waffenstillstand vom 26. Juli 1866 erschien General Giuseppe Govone im preußischen Hauptquartier in Nikolsburg. Noch im April hatte Govone als Be-

Italienischer Epilog

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vollmächtigter des Königreiches Italien die Preußisch-Italienische Allianz mit Bismarck ausgehandelt. Bei Custoza schließlich hatte der Italiener als Divisionskommandeur die Verteidigung des Belvedere und das Mont Croce geleitet, aber ihre Erstürmung nicht verhindern können. Jetzt fiel die Begrüßung durch den preußischen Ministerpräsidenten erheblich kühler aus als damals in Berlin. Die Stimmung im Hauptquartier gegenüber dem südlichen Verbündeten war auf einem Tiefpunkt angelangt. Schon am 3. Juli hatte Bismarck in einem Brief an den preußischen Botschafter in Florenz sarkastisch gefragt, ob sich La Marmoras notorische Untätigkeit etwa durch den Einfluss einer Frau erklären lasse.203 Dass Govone mit neuen Forderungen gekommen war, die in keinem Verhältnis zu den bisherigen Kriegsanstrengungen Italiens standen, konnte auf preußischer Seite nur noch Kopfschütteln auslösen. Vor allem aber kritisierte der italienische Bevollmächtigte, dass Preußen bereits separate Vereinbarungen mit Wien getroffen habe. Der Italiener erkannte aber sofort, dass eine preußische Unterstützung für weitergehende Forderungen seiner Regierung, etwa auf das Trentino oder gar Südtirol, nicht zu haben war.204 Allerdings hatten die Italiener selbst an dieser Nebenfront nur bescheidene Erfolge erzielt. Geplant war, mit einer Armee von Freischärlern unter dem Kommando von Giuseppe Garibaldi von Westen her in das Trentino auf Trient vorzustoßen. Doch die große Zeit des legendären Eroberers von Sizilien schien bereits vorbei, seine etwa 6000 Freiwilligen waren so unerfahren und undiszipliniert, dass der fast 60-jährige Garibaldi von einem eigenen Mann durch einen Gewehrschuss am Oberschenkel verletzt wurde. Seither musste er sich auf einem Wagen in den Kampf bringen lassen. Gegen die geschickte Verteidigung von Generalmajor Franz Freiherr von Kuhn, dem späteren Kriegsminister Österreichs, mussten sich Garibaldis Männer immer wieder nach herben Schlappen zurückziehen. Allein in dem Gefecht bei Bececca verlor er am 21. Juli fast 1500 Mann.205 Erst der Angriff der Italiener von Osten über das inzwischen besetzte Venetien brachte Kuhn, der nur zwei schwache Brigaden zur Verfügung hatte, in ernsthafte Bedrängnis. Doch Trient konnte bis zum ersten Waffenstillstand vom 30. Juli gehalten werden.

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Bismarck lehnte angesichts der miserablen militärischen Bilanz des südlichen Alliierten eine direkte Unterstützung der italienischen Forderung höflich, aber bestimmt ab und verwies Govone in dieser Frage auf direkte Verhandlungen mit Wien.206 Moltke kritisierte erneut, dass die italienische Armee in den zwei auf Custoza folgenden Wochen praktisch nichts unternommen habe. Nur so war es der österreichischen Südarmee möglich gewesen, 60 000 Mann zur Donau zu rochieren. Ein einziges Armeekorps, so die Klage, habe ihnen gereicht, um 200 000 Italiener einen Monat lang zu beschäftigen. Anstatt nun mit seiner Armee im Rücken der Österreicher an der Donau zu stehen, hatte Cialdini in diesen Tagen gerade einmal die Stadt Udine erreicht.207 Auch die mit viel Aufwand modernisierte Marine hatte die verheerende militärische Bilanz der Italiener nicht aufpolieren können. Obwohl die Flotte mit immerhin zwölf Panzerkreuzern technisch und numerisch ihrem österreichischen Gegner deutlich überlegen war, hatte sich das italienische Marinekommando in Ancona nicht durchringen können, die Operationen der Landarmee durch eine Landung im Rücken des abziehenden Gegners zu unterstützen. Als schließlich nach der verlorenen Schlacht von Custoza der politische Druck auf Admiral Carlo Pellion di Persano immer stärker geworden war, hatte sich der Flottenbefehlshaber endlich zu einer Aktion gegen Lissa entschlossen. Unter dem Feuerschutz der Panzerschiffe sollte die südlichste Adriainsel der Österreicher von einem Landungskorps erstürmt werden. Selbst im Falle eines Erfolges hätte das Unternehmen weder die Österreicher entscheidend getroffen noch den ungeduldigen Preußen besonders imponiert. Es diente einzig der propagandistischen Kosmetik und war Futter für die heimischen Zeitungen, die endlich ihren Lesern wenigstens einen bescheidenen italienischen Sieg verkünden wollten. Dass es nun ausgerechnet die italienische Presse war, die dem österreichischen Konteradmiral Wilhelm von Tegetthoff den Beleg lieferte, dass Persanos Schlag gegen Lissa kein Ablenkungsmanöver war, bewies auch noch das katastrophale Versagen der italienischen Zensur. Aus der vorzeitig veröffentlichten Ordre de bataille konnte der erst 39-jährige Befehlshaber der österreichischen Flotte entnehmen, dass die Italiener ein Geschwader von 22 Großkampfschiffen vor Lissa zusammengezogen hatten.208 Doch

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seine Flotte wäre gleichwohl zu spät gekommen, wenn Persanos Kreuzer sich nicht als unfähig erwiesen hätten, die österreichischen Batterien gleich am ersten Tag auszuschalten. So verschob der italienische Flottenbefehlshaber die Landung auf den nächsten Tag, den 19. Juli, und dann noch einmal auf den 20. Die Verzögerung verschaffte Tegetthoff, der am Vortag vom Flottenstützpunkt Pola bei Triest ausgelaufen war, Zeit, um den Gegner zu stellen. Gegen 10 Uhr hatten sich am 20. Juli die beiden Flotten einander auf Kampfentfernung genähert. Persano verfügte über 34 Schiffe, darunter auch seine zwölf auf ausländischen Werften gebauten Panzerkreuzer. Die Österreicher waren zwar mit insgesamt 27 Schiffseinheiten numerisch nur leicht unterlegen, konnten aber nicht mehr als sieben Panzerschiffe aufbieten. Tegetthoff musste also versuchen, rasch die Abstände zu verringern und mit dem Gegner zum Nahkampf zu kommen. Das gelang. Vier Stunden später hatten die Italiener zwei Panzerkreuzer verloren, den einen durch Rammstoß, den zweiten durch eine Explosion der Munitionskammer. Auf österreichischer Seite war die Holzfregatte Kaiser stark beschädigt worden, rettete sich aber noch in den Hafen von Lissa. Da die italienische Flotte die Belagerung von Lissa aufgab und sich nach Ancona zurückzog, konnten die Österreicher den Sieg für sich beanspruchen. In Ancona reagierten die Behörden rigoros. Um die Verbreitung von Details der Schlacht zu verhindern, durften Offiziere und Mannschaften die Schiffe vorerst nicht verlassen. Personen, die nicht zur Flotte gehörten, wurde der Zutritt verwehrt und die Zeitungen sprachen zunächst sogar von einem italienischen Sieg.209 Doch spätestens mit der Anklageerhebung gegen Persano zerplatzte die Presseblase. Für die Österreicher war Tegetthoffs Sieg Balsam auf ihre verletzten Seelen. Kaiser Franz Joseph, der nicht mehr durch seine Hauptstadt fahren konnte, ohne Buhrufen und Schmähungen ausgesetzt zu sein,210 wusste ganz genau, was dieser Erfolg für die Stabilisierung seines Thrones bedeutete, und beförderte den siegreichen Seeoffizier noch mit seinem Antworttelegramm auf die Siegesmeldung zum Vizeadmiral. Italien war dagegen plötzlich isoliert und durch zwei Niederlagen in seinem Stolz gedemütigt. Napoleon III. war bereits auf Distanz gegangen, während General Govone unverrichteter Dinge wieder

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aus Nikolsburg abreisen musste. Bismarck war nicht bereit gewesen, Territorium des Deutschen Bundes, auch wenn dieser inzwischen aufgelöst war, den Italienern zu überlassen. Die Preußen hinderten daher auch die Österreicher nicht daran, nach der Unterzeichnung des Präliminarfriedens vom 26. Juli drei ihrer Korps mit der Eisenbahn nach Trient und Görz zu transportieren. Erzherzog Albrecht begab sich selbst mit seinem Stab nach Görz und trat betont kampfbereit auf.211 Cialdini, der noch bei Udine verharrte, musste seine Pläne fallen lassen, Garibaldi im Trentino mit regulären Truppen zu unterstützen. Schon am 30. Juli 1866 hatte er einen dreitägigen Waffenstillstand akzeptiert, der noch mehrmals verlängert wurde. Kaiser Franz Joseph machte Vittorio Emanuele II. unmissverständlich klar, dass Österreich für Trient und Görz kämpfen würde. Der italienische Monarch, der sich kurz zuvor noch an der Spitze von Cialdinis Armee überall im „befreiten“ Venetien ausgiebig von der Bevölkerung hatte feiern lassen, lenkte rasch ein. Doch konnte er sich wenigstens das strittige Udine mit dem Hinweis sichern, dass dort der Hass auf die habsburgische Herrschaft bereits den Rang eines Glaubensartikels habe.212 Die Österreicher haben ihm dies wohl geglaubt. Am 12. August wurde schließlich ein unbefristeter Waffenstillstand geschlossen, nachdem Kaiser Franz Joseph gegen den Willen seines Säbel rasselnden Onkels entschieden hatte, keine neuen Kampfhandlungen aufzunehmen.213 Militärisch wäre es wohl möglich gewesen, die inkompetenten Italiener noch einmal aus Venetien zu vertreiben, niemand hätte die Österreicher daran hindern wollen. Politisch aber hatte sich Franz Joseph zugunsten des Nationalitätenprinzips entschieden. Erzherzog Albrecht reiste am 15. August im Zorn ab und überließ die nun in Comorns beginnenden Verhandlungen über den exakten Verlauf der neuen Grenze dem vom Kaiser ernannten Chefunterhändler. In einer Mischung aus Härte und persönlicher Konzilianz gelang es Generalmajor Karl Moering, fast sämtliche österreichischen Entschädigungsforderungen – etwa für das noch gehaltene Festungswerk – durchzusetzen und auch die Herausgabe eines Teils der Kunstwerke durchzusetzen. Die Italiener erklärten sich sogar bereit, den auf Venetien entfallenen Teil der österreichischen Staatsschulden in Höhe von 35 Mio. Gulden zu übernehmen. Auch die meisten bedeutenden

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Höhen in den Dolomiten konnte Moering für Habsburg reklamieren. Genau ein halbes Jahrhundert später erwies sich das Verhandlungsgeschick des Generals als unschätzbarer Vorteil, als Habsburg und Italien ein letztes Mal gegeneinander die Waffen erhoben. Die Vereinbarung von Comorns, in denen Österreich Italien nun auch völkerrechtlich anerkannte, wurden schließlich am 3. November 1866 ratifiziert. Vier Tage später zog Vittorio Emanuele II. unter dem frenetischen Jubel der Bevölkerung in Venedig ein.

= Exkurs: Lissa 1866 – Antike Seekriegsführung an der Schwelle zur Moderne: Panzerschiffe im Rammeinsatz

„Die Italiener irren, wenn sie glauben, dass wir uns vor ihnen verkriechen werden. Kommen sie in unsere Gewässer, so werden wir sie bekämpfen, und sollte unser letztes Trabakel an ihren Panzern zerschellen, wir werden wenigstens verstehen, ehrenvoll unterzugehen.“

Konteradmiral Wilhelm von Tegetthoff an seinen Bruder, Juni 1866214

„Ich traf in Pola ein, um trotz des Kriegsgeschreies aller in- und ausländischen Blätter das Hafenadmiralat in einem gemütlichen Friedensschlummer wieder zu finden.“ So kommentierte Konteradmiral Wilhelm von Tegethoff den Zustand der österreichischen Flotte im März 1866.215 Mit nur 39 Jahren war der älteste Sohn eines österreichischen Infanterieoffiziers zum Kommandanten der k. u. k.-Adriaflotte ernannt worden. Tegetthoffs Vorfahren waren im 18. Jahrhundert aus Westfalen in die Monarchie eingewandert und hatten seither überwiegend im habsburgischen Armeedienst ihr Auskommen gefunden. Wilhelm von Tegetthoff war der Erste seiner Familie gewesen, der die Marinelaufbahn eingeschlagen hatte. Als Absolvent der Marineakademie in Venedig, auf der nur Italienisch gesprochen wurde, hatte er sich 1849 seine ersten Meriten im Kampf gegen die aufrührerische Lagunen-

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Panzerfregatte Ferdinand Max im Kriegshafen von Pola, 1867

stadt erworben. Als langjähriger Adjutant des neuen Flottenchefs, Erzherzog Ferdinand Max, war er in den 1850er-Jahren mit einer Reihe verantwortungsvoller Missionen beauftragt worden, so etwa mit der Erkundung einer österreichischen Marinebasis im Roten Meer im Vorfeld der Eröffnung des Suezkanals. Tegetthoffs direkter Stil und seine effektive Art zu führen ließen selbst die größten Neider verstummen. Rasch machte er Karriere in der Marine, die allerdings meist nur als Anhängsel der Armee gesehen wurde, und glänzte wie erwartet 1864 auch als Befehlshaber des kleinen österreichischen Flottendetachements im Dänischen Krieg. Nach seinem Amtsantritt in Pola konzentrierte sich der junge Konteradmiral darauf, die beiden noch unfertigen Panzerfregatten Erzherzog Ferdinand Max und Habsburg trotz der Einwände der Wiener Bürokratie zur Einsatzbereitschaft zu bringen. In Zeiten knapper Finanzen war gerade die Flotte als Stiefkind der Staatsführung besonderen Sparzwängen unterworfen, nur ließ sich dieser Kurs im Krieg kaum fortsetzen. Tegetthoff bestand auf Zuweisung zusätzlicher Mittel und erhielt sie auch. Seit 1848 hatten die Kriegsflotten der großen Seemächte revolutionäre Veränderung durchlebt. Der alte Raddampfer gehörte bereits während des Krimkrieges zum alten Eisen. Vor Sewastopel waren die meisten

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der alliierten Kriegsschiffe mit unter Wasser liegendem Schraubenantrieb ausgerüstet. Der Seekrieg im Schwarzen Meer hatte aber auch gezeigt, dass nur voll gepanzerte Kampfschiffe im Duell mit Landbatterien bestehen konnten, und so hatten die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens beschlossen, eine völlig neue Generation gepanzerter Linienschiffe zu bauen. Bis 1860 entstanden in Frankreich die Gloire und in Großbritannien die Warrior. Das berühmte Duell von Hampton Roads vor der Küste Virginias hatte 1862 zwar eindrucksvoll demonstriert, dass Panzerschiffe allen herkömmlichen Gegnern haushoch überlegen waren, der direkte Zweikampf zwischen der konföderierten Merrimac und der Monitor endete jedoch mit einem Patt, weil die Artillerie vorerst nicht genügend Durchschlagskraft besaß. Die Royal Navy dagegen hatte da schon begonnen, ihre Schiffe mit gezogenen Stahlgeschützen auszustatten, die nach dem Armstrong-Prinzip auch von hinten geladen werden konnten. Auch einige Panzerschiffe der Italiener gingen 1866 mit dieser überlegenen Bewaffnung ins Gefecht. Auf der Gegenseite mussten Tegetthoffs Artilleristen noch auf ältere Glattrohrgeschütze zurückgreifen. Das Marineministerium hatte zwar bei der Essener Stahlschmiede Krupp moderne Geschütze bestellt, die Verschärfung der politischen Krise zwischen Preußen und Österreich verhinderte jedoch ihre Auslieferung. In einem Artillerieduell gegen die modernen Panzerfregatten der italienischen Flotte, die mit dem gewaltigen Budget von 200 Mio. Franc seit 1860 auf ausländischen Werften entstanden waren, hatten somit die österreichischen Modelle nur geringe Chancen. Tegetthoff versuchte, das Manko durch eine verbesserte Artillerietaktik auszugleichen, die sich schon im Dänischen Krieg bewährt hatte. Danach sollte das Feuer aller Geschütze aus möglichst naher Distanz auf einen Punkt des gegnerischen Schiffes gelenkt werden. Eine weitere Option, die tatsächlich später eine entscheidende Rolle spielen sollte, war das Rammen des Gegners. In den wenigen Wochen, die ihm noch bis zum Beginn der Feindseligkeiten blieben, versuchte Tegetthoff, durch intensive Ausbildung seine Mannschaften gerade auf diese altertümliche Art der Gefechtsführung vorzubereiten. Hinderlich für den Admiral war letztlich die Unterstellung seiner Flotte unter das Oberkommando der Südarmee, das nur ängstlich darauf bedacht zu sein schien, keine unnötigen Risiken zur See einzugehen und schon gar nicht die Flotte aufs Spiel zu setzen.

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Zur Operationsbasis und zum Sammelpunkt der Flotte bestimmte Tegetthoff den nördlich von Pola gelegenen Kanal von Fasana, der durch das Inselfort Brioni gegen eine überraschende Annäherung des Feindes geschützt war. Auf der Gegenseite hatte allerdings Admiral Carlo Pellion Graf Persano durchaus nicht die Absicht, seine Flotte zu frühzeitig einzusetzen, und erst recht nicht, die Höhle des Löwen anzusteuern. Überhaupt waren seine Schiffe erst einen Tag nach der verlorenen Schlacht von Custoza am 25. Juni aus Tarent im Hafen von Ancona eingetroffen, konnten aber nach seiner Ansicht noch längst nicht als einsatzbereit betrachtet werden. Vor allem den Ausbildungsstand seiner Seeleute beurteilte der Admiral als miserabel. Wie viele Befehlshaber in Italiens Armee und Marine war Persano ein politischer Offizier, der zuletzt das Amt des Marineministers bekleidet hatte. Für seine gewiss nicht unbegründeten Bedenken hatten Politik und Presse jedoch kaum Verständnis. Bald bekam Persano ihren Druck zu spüren, sein kostspieliges Kriegsinstrument endlich gegen die scheinbar klar unterlegenen Österreicher einzusetzen. Doch der Graf blieb auch dann noch stur, als ihn Tegetthoff am 27. Juni mit einer Flottendemonstration nur zweieinhalb Seemeilen vor dem Hafen zu provozieren versuchte. Der Italiener hoffte immer noch auf den Zulauf seines neuen Flaggschiffes mit dem markigen Namen L’Affondatore (Versenker), das nicht nur voll gepanzert war, sondern auch zwei drehbare Geschütztürme nach Art der Monitore des Amerikanischen Bürgerkrieges aufwies. Die dafür vorgesehenen 22,8 cm Armstrong-Geschütze aus Großbritannien zählten zum Wirkungsvollsten, was die Schiffsartillerie damals zu bieten hatte. Anfang Juli war die Geduld der Regierung in Florenz erschöpft. Marineminister Agostino Depretis erschien persönlich in Ancona und ordnete das Auslaufen der Flotte für den 8. Juli an. Es war nicht auszuschließen, dass sich Österreich nach seiner Niederlage bei Königgrätz mit den Preußen rasch einigen könnte und Italien das schon zugesagte Venetien nicht als Siegespreis, sondern nur als milde Gabe aus der Hand des französischen Kaisers empfangen würde. Die Flotte sollte das einigende Symbol des neuen Staates sein, nicht zuletzt deshalb hatte man so viel Geld in sie gesteckt. Sie war den Österreichern numerisch wie technisch überlegen und Italien brauchte jetzt unbedingt einen Sieg. Das ernüchternde Resultat aller dieser durchaus zutreffenden Erwägungen

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war eine fünftägige Kreuzfahrt von Persano durch die Adria, bei der sich der Admiral bewusst von der österreichischen Küste fernhielt. Florenz tobte und der Ministerrat drohte dem Admiral jetzt unverhohlen mit seiner Abberufung. In seiner Not stimmte Persano schließlich einer neuen Operation zu, die sich gegen die dalmatinische Insel Lissa richten sollte. Entweder konnte man wenigstens das 90 Quadratkilometer große Eiland mit seinen Befestigungen einnehmen oder es gelang sogar, die österreichische Flotte zum Auslaufen zu veranlassen und zur Schlacht zu stellen. Am 16. Juli stach Persanos Streitmacht in einer Stärke von 19 Schiffen, darunter 11 Panzerfregatten, erneut in See. Das ursprünglich venezianische Lissa war während der Napoleonischen Zeit von den Briten besetzt und zu einer Flottenstation ausgebaut worden.216 1815 hatte Österreich die Insel übernommen und seine Verteidigungsanlagen erweitert. 1866 gab es zwölf Batterien mit insgesamt 88 Geschützen, die nun allerdings gegen gepanzerte Schiffe weitgehend wirkungslos waren. St. Giorgio in einer Bucht auf der Nordseite war der größte Hafen der Insel, Comisa an der Westseite und Manego waren erheblich kleiner. Am 18. Juli erschien die italienische Flotte vor der Insel. Persanos Plan sah vor, die österreichischen Batterien, vor allem die Geschütze in den drei Häfen, auszuschalten und anschließend in Comisa und Manego Truppen auszuschiffen. Dazu hatte er seine Armada in drei Gruppen eingeteilt. Während die Panzerschiffe in den Hafen von St. Giorgio eindringen sollten, um die dortigen Batterien niederzukämpfen, würden die Admirale Giovanni Vacca und Augusto Albini jeweils bei Comisa und Manego einen Landungsversuch unternehmen. Die Inkompetenz dieser beiden Befehlshaber, aber auch der überraschend starke Widerstand der österreichischen Besatzung unter dem Insel- und Festungskommandanten David Urs de Margina verhinderten allerdings einen raschen italienischen Erfolg. Nach sechsstündigem Bombardement stellten die Angreifer ihre Bemühungen zunächst ein und warteten auf Verstärkungen, die tatsächlich auch am nächsten Tag eintrafen. Aber auch am 19. blieb Persano ein zählbarer Erfolg versagt. Vier seiner Panzerschiffe gelangten zwar an diesem Tag in den Hafen von St. Giorgio und nahmen die österreichischen Batterien unter konzentriertes Feuer. Drei Schiffe zogen sich jedoch bald wieder ohne erkennbaren Grund zurück, sodass der vierte „Panzer“, nunmehr allein ins Kreuzfeuer genommen, zwangsläufig folgen

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musste. Da auch Admiral Albini, dem inzwischen immerhin 2600 Marinesoldaten zur Verfügung standen, jeden konsequenten Versuch einer Landung unterließ und sich auf diese oder jene Schwierigkeiten berief, neigte Persano am Abend dazu, das Unternehmen abzubrechen. Mehrere seiner Schiffe waren beschädigt worden und die Munitions- sowie Kohlevorräte mussten ergänzt werden. Als aber am nächsten Morgen weitere Verstärkungen eintrafen, entschloss sich der Admiral zu einem letzten Anlauf, die Insel einzunehmen. Dem österreichischen Flottenkommando in Pola war inzwischen längst bekannt, dass Persano mit seiner Flotte vor Lissa stand, unklar war nur, ob es sich um ein Ablenkungsmanöver handelte. Dann aber machte eine Meldung der italienischen Presse die italienische Ordre de bataille vorzeitig bekannt 217 und Tegetthoff war nun entschlossen, den Gegner mit seiner gesamten Flotte zu stellen. Gedeckt durch einen Befehl des Oberkommandos der Südarmee, der ihm Handeln nach eigenem Ermessen gestattete, segelte er in der Nacht zum 20. Juli 1866 mit seiner Streitmacht von 27 Schiffen nach Süden. Auch die Panzerschiffe dieser Zwischenepoche waren noch mit Segeln ausgestattet, um den Kohleverbrauch möglichst geringzuhalten. Nur im Gefecht oder in kritischen Lagen schaltete man auf Dampfbetrieb. Gegliedert in drei keilförmige Gruppen (7 Panzerschiffe, 7 Holzschiffe sowie 10 Kanonenboote und sonstige kleinere Schiffseinheiten) beabsichtigte Tegetthoff, in die italienische Kiellinie einzubrechen und den Gegner auf kürzeste Distanz im Einzelkampf niederzuringen. Auf der Gegenseite war Persano das Anlaufen der Österreicher am Morgen gemeldet worden. Als er gegen 10 Uhr seine Aufstellung in klassischer Kiellinie beendet hatte, einer Formation, die ihm erlaubte, seine artilleristische Überlegenheit am besten zur Geltung zu bringen, musste er feststellen, dass ihm zwei seiner Panzer fehlten, die einfach außer Schussweite geblieben waren. Deren Zurückhaltung mochte ähnliche Gründe gehabt haben wie Persanos plötzlicher Entschluss, im letzten Augenblick von seinem Flaggschiff Re d’Italia auf die scheinbar kampfkräftigere L’Affondatore umzusteigen. Der notwendige Halt verursachte aber eine Lücke in seiner Kiellinie und gab Tegetthoff die Chance, genau hier mit seiner gepanzerten Gruppe hineinzustoßen. Um 10.45 Uhr fiel der erste Schuss.218 55 Jahre zuvor hatte es schon einmal an beinahe derselben Stelle ein Seegefecht gegeben, damals zwischen französischen und britischen

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Schiffen. Die von Norden kommenden Franzosen hatten dabei wie nun auch Tegetthoff versucht, den numerisch unterlegenen Gegner einzukreisen und im Einzelgefecht niederzukämpfen. Kommodore William Hoste, der britische Befehlshaber, verstand es jedoch, seine vier Fregatten in enger Kiellinie zu halten und dadurch dem Gegner den Einbruch zu verwehren. Zwei gegnerische Schiffe konnten die Engländer nehmen, ein weiteres lief an der Küste von Lissa auf Grund. Hoste verlor dagegen kein einziges Schiff.219 Die Italiener hatten zwar gleich zu Beginn ihren wesentlichen Vorteil eingebüßt, aber gewonnen hatte Tegetthoff die Schlacht damit noch nicht. Auch auf kürzeste Distanz prallten die Geschosse seiner Glattrohrgeschütze an den gegnerischen Panzerungen ab, während das Feuer der Italiener eine wachsende Zahl von Schäden verursachte. Ergab sich also nicht bald Gelegenheit, das ein oder andere Schiff zu rammen, würde er sich über kurz oder lang mit seinen „Panzern“ zurückziehen müssen. Nach zwei Rammversuchen hatte sich bereits die Kaiser, ein hölzernes Linienschiff der österreichischen Flotte, schwer beschädigt und brennend in den Hafen von St. Giorgio retten müssen. Immerhin waren durch ihren beherzten Einsatz die L’Affondattore und die Re di Portogallo längere Zeit gebunden gewesen. Bis dahin hatte die Ferdinand Max in dem Wirrwarr kreuzender Schiffe, die wie in einer antiken Seeschlacht für kurze Zeit aus dem über der ganzen Szenerie liegenden Rauch aufgetaucht und wieder verschwunden waren, versucht, einen Rammerfolg zu erzielen. Doch wiederholt hatten Tegetthoffs „Panzer“ ihre Gegner nur im spitzen Winkel erwischt und mit ihrem Stoß kaum Schaden verursacht. Wie ein Geschenk erschien es da dem Schiffskommandanten Maximilian Freiherr von Sterneck, dass plötzlich aus dem allgemeinen Chaos die Umrisse eines Panzerschiffes auftauchten, das die Ferdinand Max noch nicht bemerkt zu haben schien. Es handelte sich um die Re d’Italia, das ursprüngliche Flaggschiff der italienischen Flotte, das 1863 auf einer New Yorker Werft vom Stapel gelaufen war und zwei gezogene 20,3 cm Vorderladergeschütze als Hauptbewaffnung aufwies. Sterneck ließ sofort auf volle Fahrt beschleunigen und traf den Gegner mit einer Geschwindigkeit von zehn bis elf Knoten genau mittschiffs. Sofort ließ er die Ferdinand Max wieder rückwärts laufen und kaum hatte sich das Schiff von seinem Opfer gelöst, konnte man sehen, wie das Wasser

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II. Entscheidung in nur sechs Wochen

Die Seeschlacht von Lissa 1866. Die österreichische Holzfregatte Kaiser im Kampf mit italienischen Panzerschiffen. Gemälde von Eduard Nezbeda

durch eine mehrere Meter breite Bresche in das Innere der Re d’Italia strömte. Innerhalb von nur drei Minuten war das Panzerschiff mit 391 Mann gesunken. Der Besatzung der Ferdinand Max blieb jedoch kaum Zeit zum Jubeln. Nur mit einer abrupten Kursänderung gelang es ihr, einem gegnerischen Rammstoß auszuweichen, und bei der anschließenden Salve hatte sie Glück, dass die Italiener in der Eile ihre Geschütze nur unvollständig geladen hatten, denn aus den Geschützpforten drang nur schwarzer Rauch. Nur wenig später hatten sich die beiden Flotten noch einmal neu geordnet und standen sich – allerdings mit verkehrter Front, die Italiener im Norden, die Österreicher mit Lissa im Rücken – für einen weiteren Waffengang lauernd gegenüber. Da traf die Italiener eine weitere Katastrophe. Auf dem Panzerschiff Palestro, das während der Schlacht in Brand geraten war, entzündeten sich auf dem Zwischendeck einige Granaten, die Explosion erreichte die Pulverkammer und ließ das gesamte Schiff vor den Augen der beiden versammelten Flotten explodieren. 229 Seeleute fanden dabei den Tod. Persano, der zunächst noch entschlossen gewesen war, den Kampf fortzusetzen, ließ nun zur Überraschung der Österreicher das Signal zur

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Rückkehr nach Ancona geben. Von seinen anfangs zwölf Panzerschiffen waren zwei gesunken, eines bereits kampfunfähig auf dem Rückmarsch nach Ancona, während zwei weitere Panzer mit Maschinenschäden kämpften. Die numerische Überlegenheit der Italiener war dahin und Persano hatte keine Veranlassung, nach dem bisherigen Kampfverlauf noch auf einen Erfolg seiner Flotte hoffen zu dürfen, zumal auch die L’Affondatore nicht seinen Erwartungen entsprochen hatte.

III. Die Neugestaltung Mitteleuropas

Die „Revolution von oben“ – Ein Monarchist stürzt Monarchien „Wenn wir nicht übertrieben in unseren Ansprüchen sind und nicht glauben, die Welt erobert zu haben, so werden wir auch einen Frieden erlangen, der der Mühe Wert ist. Aber wir sind ebenso schnell berauscht wie verzagt, und ich habe die undankbare Aufgabe, Wasser in den brausenden Wein zu gießen und geltend zu machen, dass wir nicht allein in Europa leben, sondern mit noch drei Mächten, die uns hassen und neiden.“ Brief Bismarcks an seine Frau vom 9. Juli 18661

Der Abend von Königgrätz III. Die Neugestaltung Mitteleuropas Die „Revolution von oben“

Seit seiner Ankunft in Reichenberg am 30. Juni hatte sich Bismarck im Gefolge des Monarchen aufgehalten, Lazarette besucht und Zigarren an die Verwundeten verteilt. Sein Versuch, als Reservemajor mit grauem Militärmantel und Pickelhaube einen möglichst martialischen Eindruck zu hinterlassen, löste bei den Militärs im preußischen Hauptquartier allerdings eher Belustigung aus. In Gitschin war der Mann, der das Schicksal Preußens und auch sein eigenes in die Hand der bewaffneten Macht gelegt hatte, zum ersten Mal in

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III. Die Neugestaltung Mitteleuropas

Bismarck reicht auf dem Schlachtfeld von Königgrätz einem schwer verwundeten Soldaten die „letzte Zigarre“. Zeitgenössischer Holzstich

seinem Leben über ein Schlachtfeld geritten und hatte noch am selben Tag in einem Brief seine Frau gebeten, ihm außer einer großen Menge Zigarren für die Verwundeten auch einen „Revolver von grobem Kaliber“ zur Selbstverteidigung zu schicken.2 Vor der Kavallerie der Österreicher hatte er einen gehörigen Respekt. Am Abend von Königgrätz folgte der Ministerpräsident dem königlichen Tross von einem Bataillon zum nächsten. Überall jubelndes Hurra. An Roons erleichterten Zuruf „Bismarck, diesmal hat uns der brave Musketier noch einmal herausgerissen!“ erinnerte er sich noch 20 Jahre später.3 Trotz des beispiellosen Erfolges fühlte sich Bismarck niedergeschlagen. Sein Entsetzen über das tausendfache Elend bei Freund und Feind war keineswegs gespielt und er fragte sich auch, wie er wohl fühlen würde, wenn sein ältester Sohn unter den Verwundeten oder Toten gewesen wäre.4

Die „Revolution von oben“

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Preußisches Lazarett in Berlin-Kreuzberg im Jahr 1866, aufgeschlagen im Diakonissenkrankenhaus Bethanien (erb. 1845 / 47)

Die grausige „Blutarbeit“ der Soldaten war getan und der Mann, der an diesem Nachmittag so plötzlich zur zentralen Figur der europäischen Politik aufgestiegen war, suchte im hoffnungslos von Soldaten überfüllten Horitz vergebens nach einem Bett. Mithilfe eines Wagenpolsters richtete er sich schließlich unter den Kolonnaden am Marktplatz eine halbwegs gegen den Regen geschützte Bettstelle ein und verfiel in einen unruhigen Halbschlaf. Erst Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg entdeckte ihn in dieser misslichen Lage und lud den preußischen Ministerpräsidenten für den Rest der Nacht in sein Quartier ein.5 Viel Schlaf dürfte Bismarck auch jetzt nicht gefunden haben. Die Geister, die der Sieg von Königgrätz geweckt hatte, begannen, ihn zu quälen. Während die Truppe die erbeuteten Geschütze zusammenfuhr, die Gefangenenzahlen stetig nach oben korrigierte und so der Gene-

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ralität allmählich eine Vorstellung vom Ausmaß des gestrigen Sieges verschaffte, betraten schon zwei jener drei europäischen Mächte, die Preußen „hassten und neideten“, die Bühne. Für Bismarck war es eine böse Überraschung, dass trotz des scheinbar so guten Einvernehmens zwischen Berlin und Petersburg  – 1863 hatte sich Preußen während des Polenaufstandes demonstrativ auf die Seite Russlands gestellt – ausgerechnet das Zarenreich zuerst gegen Preußen aktiv wurde. Schon die Bismarckschen Bundesreformvorschläge vom 9. April und vom 10. Juni hatten mit dem darin geforderten allgemeinen Wahlrecht für Unruhe an der Newa gesorgt. Jetzt aber zeigte sich Russlands leitender Minister Alexander Gortschakow geradezu bestürzt über den plötzlichen Machtzuwachs seines ehemaligen Schülers. Sofort nach Bekanntwerden der österreichischen Katastrophe versuchte er, Großbritannien und Frankreich für eine Erklärung zu gewinnen, dass die von Preußen beabsichtigte Sprengung des Deutschen Bundes von dessen alten Garantiemächten nicht hingenommen würde. Zu Bismarcks Glück verlief die Initiative seines einstigen Vertrauten und Lehrmeisters aus St. Petersburger Gesandtentagen im Sande. Großbritannien sah in der erwarteten Neuordnung Mitteleuropas durch Preußen sogar eher einen Stabilitätsgewinn und fühlte angesichts zahlloser anderer Krisen an der Peripherie seines weltweiten Imperiums keinen Drang, sich auf dem Kontinent zu engagieren. Auch wenn man Bismarcks Methoden in London nicht schätzte, so hatte man doch gewisse Sympathien für seine Bundesreformpläne.6 Napoleon III. wiederum hatte die preußische Hegemonie in Norddeutschland längst akzeptiert, sofern nur Frankreich Kompensationen erhielt und die Preußen den Main nicht überschritten.

Frankreichs Schatten reicht bis Böhmen Gleichwohl erwies sich Napoleon III. in den folgenden Wochen als Bismarcks gefährlichster Gegner. Schon am 2. Juli, noch vor dem Desaster von Königgrätz, hatte Kaiser Franz Joseph Paris um Vermittlung eines Waffenstillstandes gebeten. Bismarck konnte daher ein bewaffnetes Einschreiten der Franzosen zugunsten Wiens kei-

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neswegs ausschließen. In Paris forderten die Zeitungen sogar bereits die „Rache für Sadowa“. Dass Österreich den Krieg allein nicht mehr gewinnen konnte, war seit dem missglückten Auftritt des Generals von Gablenz im Horitzer Hauptquartier am Vormittag nach der Schlacht klar geworden. Doch zusammen mit Frankreich wäre der Habsburgerstaat durchaus fähig, die Lage noch einmal zu wenden. Tatsächlich hatte die Regierung in Paris, von der Nachricht aus Königgrätz kalt erwischt, in einer eilig einberufenen Nachtsitzung erwogen, sofort auf Berlin zu marschieren. Napoleon entschied sich jedoch nach langem Schwanken gegen das gemeinsame Votum von Außen- und Kriegsminister.7 Mit nur 80 000 Soldaten, die Frankreich kurzfristig mobilisieren konnte, erschien ihm das Unternehmen als nicht sehr aussichtsreich. Bismarck hatte mit derartigen Pariser Gedankenspielen durchaus gerechnet und daher schon am 5. Juli signalisiert, auf die französische Vermittlung eingehen zu wollen, allerdings mit der Einschränkung, dass auch Italien einem Waffenstillstand zustimmen müsste.8 Genau das war aber der Haken. Die Italiener hofften noch auf militärische Erfolge und waren daher zu Napoleons großem Verdruss an einem Waffenstillstand vorerst nicht interessiert. Der preußische Ministerpräsident hatte also Zeit gewonnen und setzte auf eine Doppelstrategie. Zunächst versuchte er über Botschafter Robert Graf von der Goltz in Paris auszuloten, wie weit Preußen bei der Neugestaltung Norddeutschlands überhaupt gehen konnte. Dabei erschien ihm die Einverleibung Sachsens, Hannovers und Kurhessens als die zweckmäßigste Lösung, sofern sie sich ohne Kompensationen, also ohne die Abtretung preußischen Gebietes an Frankreich erreichen ließe. Zugleich signalisierte er den Franzosen auf verschiedenen Kanälen, dass er an Süddeutschland in keiner Weise interessiert sei.9 Dem ungarischen Emigranten Arthur Graf von Seherr-Thoss etwa erklärte er am 8. Juli in Pardubitz, dass Preußen diese „Ultramontanen“ nicht brauchen könne und es auch nicht mehr schlucken wolle, als es verdauen könne.10 Seit Monaten hatten Napoleons Ansprüche Bismarck Kopfschmerzen bereitet. Schon im Vorfeld des Krieges hatte der französische Kaiser als Preis seiner Neutralität die alte Grenze des Ersten Pariser Friedens (1814) ins Spiel gebracht, ja schließlich sogar die Rhein-

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pfalz und Mainz als Ausgleich für Preußens erwarteten Machtzuwachs im Norden gefordert. Bismarck konnte es sich nicht leisten, dies alles von vorneherein abzulehnen, und hatte sich zähneknirschend darauf eingestellt, die bittere Pille zu schlucken. So war im Staatsministerium sogar schon der Verkauf der preußischen Bergwerksbeteiligungen im Saarbrücker Raum erwogen worden.11 Doch jetzt, nach den glänzenden Erfolgen der preußischen Armee, wäre dieser Handel, den sich Napoleon III. analog zu seinem Tauschgeschäft mit Piemont-Sardinien (Nizza und Savoyen gegen die Lombardei und Venetien) vorstellte, weder dem preußischen Monarchen noch der Öffentlichkeit in Deutschland zu vermitteln. Im Kreis seiner Mitarbeiter prophezeite ein in die Enge getriebener Bismarck düster „Louis Napoleon“ ein böses Erwachen.12 Notfalls musste auch ein Zweifrontenkrieg ins Auge gefasst werden und der Chef des Generalsstabs der Armee ließ bereits Pläne zu einem Rechtsabmarsch von 150 000 Mann zum Rhein erarbeiten.13 Im preußischen Hauptquartier herrschte in diesen Tagen grimmige Entschlossenheit. „Wir können untergehen in neuen Kämpfen mit neuen Feinden, wenn’s Gott will“, schrieb Kriegsminister von Roon am 11. Juli an seinen Bonner Freund Clemens Theodor Perthes, „aber aufgeben werden, dürfen und können wir uns nicht.“14 Doch auf einen Zweifrontenkrieg wollte es Bismarck vorerst nicht ankommen lassen. Mit Österreich, das immer noch auf die militärische Hilfe Frankreichs hoffte, musste unbedingt ein rascher Abschluss erzielt werden. Dass nun auch noch der französische Botschafter in Berlin, Vincent Graf von Benedetti, in der Nacht zum 12. Juli im preußischen Hauptquartier in Zittau eintraf und plötzlich vor Bismarcks Bett stand,15 machte deutlich, dass Paris den Druck erhöhen wollte. Gesundheitlich ging es dem Ministerpräsidenten in diesen Tagen nicht gut und Roon machte sich schon Sorgen um seinen alten Kameraden im Kampf gegen die Gegner der Heeresreform. Bismarck leide wieder unter rheumatischen Beschwerden, berichtete der Kriegsminister an seine Frau, er arbeite die Nächte durch und verschlafe die halben Tage.16

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Bismarck zieht die ungarische Karte Der Ausweg, den Bismarck nun erwog, war allerdings gewagt und hätte bei vorzeitigem Bekanntwerden seinen angeschlagenen Ruf in Europa vollends ruinieren können. Der Leiter der preußischen Politik entschloss sich jetzt, die ungarische Karte zu spielen und die größte Nation der Monarchie gegen das Kaiserhaus aufzuwiegeln. Das Projekt hatte Bismarck schon vor dem Krieg beschäftigt und es war darüber sogar zu Verhandlungen mit den Italienern gekommen, die ihrerseits einen Aufruhr in Dalmatien anzetteln wollten. Einen Veteranen von 1849, den General Stefan Türr, hatte der preußische Ministerpräsident im Juni 1866 sogar selbst in Berlin empfangen und Einzelheiten mit ihm besprochen.17 Unter Anknüpfung an die alten Traditionen von 1849 sollte nötigenfalls – getreu nach Bismarcks Motto: Wenn ich die Oberen nicht binden kann, setze ich eben die Unterwelt in Bewegung! – ein revolutionärer Flächenbrand im habsburgischen Kronland inszeniert werden. Am 14. Juli erging daher der Befehl, aus österreichischen Kriegsgefangenen ungarischer Nationalität eine „Legion“ zu bilden, die unter Führung des ungarischen Generals Georg Klapka von Oberschlesien aus nach Ungarn eindringen sollte. 2000 Mann ließen sich schließlich anwerben, die allerdings nur mit Minié-Gewehren ausgestattet wurden, dazu kam etwas Artillerie und Kavallerie. Obwohl Bismarck das Unternehmen mit allem Ernst betrieb, hatte er an eine Zerschlagung des Habsburgerstaates nie gedacht. Wie die meisten europäischen Politiker und Diplomaten hätte er auch gar nicht gewusst, was an die Stelle Wiens hätte treten können. Klapkas Legion sollte den Österreichern, so Bismarcks Kalkül, nur mit der Revolution hinter den eigenen Linien drohen, jedoch keine wirkliche entfachen. Nachdem über den preußischen Botschafter in Florenz, Karl Georg Graf von Usedom, auch die Italiener intensiv in die Vorbereitungen einbezogen worden waren, kam es zwei Jahre nach dem Krieg durch eine Parlamentsrede General La Marmoras zu einer für Bismarck höchst peinlichen Enthüllung der ganzen Angelegenheit.18 Nüchtern betrachtet hatte den preußischen Ministerpräsidenten in

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der ungarischen Affäre der politische Instinkt vollkommen verlassen, denn das Verhältnis von Risiko und Nutzen war gerade mit Blick auf die Haltung Russlands alles andere als ausgewogen. Klapkas Männer rückten tatsächlich noch Anfang August über die slowakische Grenze, ignorierten geflissentlich die eiligst hinterhergesandten preußischen Haltbefehle, nur um festzustellen, dass man in der Bevölkerung nirgendwo auf Widerhall stieß. Mit Mühe konnten sich der General und seine Leute, von österreichischen Truppen aus der Krakauer Garnison scharf verfolgt, wieder über die oberschlesische Grenze retten.19

Rache für Olmütz? Abseits dieser Verirrungen sprach es jedoch für Bismarcks staatsmännische Qualitäten, dass er trotz der überraschenden militärischen Erfolge an seinen ursprünglichen Zielsetzungen eisern festhielt: Der Deutsche Bund sollte aufgelöst, Preußen unter Annexion Schleswig-Holsteins und jetzt auch Hannovers und Kurhessens zur norddeutschen Vormacht aufsteigen, Österreich hingegen bis auf die bereits vollzogene Abtretung Venetiens und Holsteins von weiteren Gebietsverlusten verschont bleiben. Unter diesen Vorgaben vereinbarten Preußen und Österreicher am 22. Juli 1866 im Schloss von Nikolsburg, dem neuen preußischen Hauptquartier, eine zunächst fünftägige Waffenruhe. Bismarck zeigte sich sogar bereit, den ausdrücklichen Wunsch Kaiser Franz Josephs zu berücksichtigen und die Integrität Sachsens nicht anzutasten. Auf den Beitritt des Nachbarkönigreiches zum zukünftigen Norddeutschen Bund musste er aber bestehen. Wenn nur seine Armee im Kriegsfall dem preußischen Oberkommando unterstellt war, durfte sich Sachsen gerne weiter selbst verwalten. Alles schien somit auf einen schnellen Abschluss der Verhandlungen hinauszulaufen, nicht einmal die Militärs wollten den Krieg jetzt noch fortsetzen, auch wenn sich Bismarck später in seinen Memoiren als Einzelkämpfer gegen eine Front uneinsichtiger Generale stilisiert hat. Tatsächlich war jedoch nicht der Ministerpräsident in Nikolsburg isoliert, sondern König Wilhelm, der inzwischen Geschmack an der Idee gefunden hatte, nach

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so großen Erfolgen seiner Armee in Wien einzurücken. Doch die hohen Generale beurteilten die politische Lage ähnlich wie Bismarck. So notierte etwa General von Blumenthal, der Chef des Stabes der Kronprinzenarmee, am 24. Juli mit verhaltenem Optimismus in sein Tagebuch: „Wir werden für Preußen einen Länderzuwachs von über vier Mio. [Menschen] und die Bundesführung in Norddeutschland erhalten. Es ist wohl das klügste, damit zufrieden zu sein, da das Ausland nichts dagegen einwenden wird und Österreich ja aus dem Bunde scheidet.“20 Kriegsminister Albrecht von Roon hatte schon am 13. Juli gewarnt, zu unbescheiden zu sein, da sonst der „Brand“ weiter um sich greifen könne.21 Auch Moltke schrieb am 23. Juli, dem ersten Nikolsburger Verhandlungstag, an seine Frau, dass er nun sehr dafür sei, die erreichten Erfolge nicht wieder aufs Spiel zu setzen: „Und das hoffe ich, wenn man nicht Rache üben, sondern den eigenen Vorteil ins Auge fassen will.“22 Fraglos war seine letzte Bemerkung auf König Wilhelm gemünzt, der zu Bismarcks schierer Verzweiflung jetzt auf Gebietsabtretungen Österreichs „in einigem in die Augen springenden Umfang“ bestand.23 Der Streit zwischen Ministerpräsident und Monarch wogte tagelang hin und her und führte beide Kontrahenten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Bismarck fühlte die Großmächte Europas drohend in seinem Nacken, Gortschakow nervte ihn mit der Idee eines internationalen Kongresses, der keinem anderen Zweck dienen sollte, als Preußen um die Früchte seines Sieges zu bringen, und die französischen Kompensationsforderungen standen immer noch im Raum. König Wilhelm aber mochte sich nicht von kindischen Ehrvorstellungen verabschieden, die über reine Machtzwecke hinaus eine Bestrafung des besiegten Gegners verlangten. Auch eine längere Denkschrift, in der Bismarck am 24. Juli noch einmal eindringlich vor einem Meinungsumschwung der Großmächte warnte,24 konnte den Monarchen vorerst nicht von seinem Wunsch abhalten, als Sieger an der Spitze seiner Truppen in Wien einzureiten. Hilfe kam jedoch aus ganz unerwarteter Richtung. Ausgerechnet die Vermittlung des Kronprinzen, bisher einer der ärgsten Gegner Bismarcks, beendete den quälenden Streit im preußischen Lager zugunsten des Ministerpräsidenten. Wilhelm begriff nun wohl, dass die Armee nicht hinter ihm stand, und gab missmutig nach. Es würde keine Rache für

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Die Friedensverhandlungen im preußischen Hauptquartier in Nikolsburg (Mähren) mit der Unterzeichnung eines Vorfriedens am 26. 7. 1866 zwischen Österreich und Preußen. Mittig stehend als Verhandlungsführer der Preußen: Otto von Bismarck. Holzstich nach zeitgenössischer Zeichnung

„Olmütz“ geben. Bismarck selbst hat die Szene später in seinen Memoiren in dramatischen Wendungen wiedergegeben und sogar von Suizidgedanken am offenen Fenster gesprochen.25 Beide Kontrahenten behielten jedoch ihre eigene Sicht auf die Dinge. Während ein larmoyanter König Wilhelm es nicht unterlassen konnte, von einem sauren Apfel zu sprechen, in den er nun vor den Toren Wiens beißen müsse, spottete Bismarck im Rückblick, dass es seine beiden größten Schwierigkeiten gewesen seien, den König Wilhelm nach Böhmen hinein- und ihn dann wieder hinauszubekommen.26 Am 26. Juli 1866 kam endlich der Präliminarfriede zustande und ein Waffenstillstand mit Österreich ersetzte die bisherige Waffenruhe. Kaiser Franz Joseph akzeptierte die Auflösung des Deutschen Bundes und gab seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Beteiligung Österreichs.27 Damit schieden die Deutsch-Österreicher nach fast 800-jähriger Zugehörigkeit aus dem Verband der Nation aus. Es klang da schon ein wenig trotzig, wenn

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Österreichische Karikatur aus dem „Kikeriki“, 1870

Franz Joseph in einem Brief an die Kaiserin das Unvermeidliche als eine Art Bestrafung für die unzuverlässigen „lieben deutschen Bundesgenossen“ darstellte.28 Für die Gesamtmonarchie war der Rückzug ein Schritt in eine äußerst ungewisse Zukunft. Der Kommentator der Neuen Freien Presse aus Wien hatte es in der Ausgabe vom 13. Juli schon mit seltener Klarheit auf den Punkt gebracht: Auch wenn dieser Staat an seinem Gebiet unverkürzt aus den Friedenskonferenzen hervorgehen sollte, so wäre doch seine deutsche Stellung, der traditionelle Stolz und eine der ergiebigsten Quellen seiner Macht dahin.29 Rückblickend allerdings hatte Österreich seine Stellung in Deutschland, fraglos das erste Fundament seiner politischen Existenz und Stabilität, schon lange vor 1866 unterminiert. Es war Kaiser Franz I. gewesen, der 1814 / 15 endgültig auf die römisch-deutsche Kaiser-

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würde verzichtet hatte, und es war wiederum Metternich, der dem Hohenzollernstaat auf dem Wiener Kongress allein die ungeliebte Rolle des „Wachhundes am Rhein“ überlließ hatte. Preußens deutsche Mission, wie sie jetzt von immer mehr Zeitgenossen akzeptiert wurde, war somit schon in der Wiener Ordnung angelegt.

Preußische Hegemonie in Norddeutschland Die Nikolsburger Präliminarien hatten Bismarck auch freie Hand gegenüber Hannover, Kurhessen und Nassau gelassen. Hier machte der Ministerpräsident sogleich Nägel mit Köpfen und ließ die genannten Staaten als potenzielle Helfershelfer österreichischer Revancheabsichten gleich ganz von der Landkarte verschwinden. Bismarcks alter Hass auf die anmaßenden Souveränitätsattitüden dieser gänzlich unfähigen Duodezhäuser dürfte ebenfalls seine brutale Entscheidung beeinflusst haben. Die legalistischen Bedenken, die sein Monarch bei Weitem nicht mit jenem Eigensinn aufrechterhielt wie etwa seinen Wunsch nach triumphaler Bestrafung Österreichs, wischte der Ministerpräsident glatt vom Tisch. Gebietsabtretungen, wie sie König Wilhelm zunächst verlangte, würden am Ende nur zu einer Irredenta in den betroffenen Staaten führen. Im Übrigen war sich Bismarck sicher, dass keiner der neuen Untertanen seine alten Herren vermissen würde. Schon 1859 hatte er prophezeit, dass sich alle diese Leute kaum 24 Stunden, nachdem man sie in Besitz genommen habe, für Preußen besser schlagen würden als je für ihre frühere Obrigkeit.30 Dem darüber zutiefst empörten Zaren ließ er ausgerechnet durch seinen neuen Sonderbotschafter in St.  Petersburg, den erzkonservativen General Edwin von Manteuffel, kaum verhohlen drohen: Die beabsichtigten Annexionen in Norddeutschland brächten lediglich den Willen der Nation zum Ausdruck. Bismarck scheute sich nicht, das Schreckgespenst der Revolution an die Wand zu malen. Ein enttäuschender Frieden würde die Beziehung zwischen Volk und König gefährden und letztlich auch die monarchische Ordnung in ganz Deutschland. Preußen als neue norddeutsche Hegemonialmacht erschien da fraglos als das kleinere Übel. Zum Schluss wieder konziliant, stellte er für die nördlich des Mains annektierten

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Gebiete Hessen-Darmstadts dem Großherzog Entschädigungen in Aussicht.31 Letztlich aber machte Bismarck in dieser Frage einen Rückzieher. Es war sein einziger. Das eng mit dem Zaren verwandte hessische Herrscherhaus blieb von der preußischen Flurbereinigung verschont, mit seinem nördlichen Gebiet wurde es jedoch Teil des Norddeutschen Bundes. Kaum war die Tinte unter dem Vertrag von Nikolsburg getrocknet, erschien es Bismarck höchste Zeit, auch mit Frankreich eine klare Sprache zu sprechen. Als Außenminister Èdouard Drouyn de Lhuys am 4. August nunmehr in aller Offenheit, aber eben auch viel zu spät, über Botschafter Benedetti die französischen Kompensationsforderungen präsentierte, zögerte Bismarck keinen Augenblick, Frankreich mit Krieg zu drohen. Zu Botschafter Benedetti meinte er: „Ihr wollt den Krieg? Ihr sollt ihn haben, wir werden die ganze deutsche Nation gegen euch aufrufen.“ Auch wenn Benedetti Frankreichs Forderungen zunächst aufrechterhielt, wich Napoleon nur eine Woche später vollkommen zurück, erklärte das Ganze als ein Missverständnis und entließ demonstrativ seinen Außenminister.32 Der Schaden für Frankreich war jedoch viel größer, als der Kaiser vermutet hatte, denn von den Pariser Expansionswünschen am Rhein gründlich aufgeschreckt, schlossen nun sämtliche süddeutschen Staaten zugleich mit den Friedensverträgen geheime Schutzund Trutzbündnisse mit Preußen.

Revolution auch der inneren Verhältnisse – Bismarcks Indemnitätsvorlage Mit gleicher Schärfe richtete sich Bismarck auch gegen Russland, das seine Idee eines europäischen Kongresses zur Mäßigung Preußens immer noch nicht aufgegeben hatte. Seinen Sonderbotschafter ließ er in St. Petersburg unverblümt ausrichten, dass, sofern die Einwirkung des Auslandes auf unsere Verhältnisse schärfere Umrisse annehmen sollte, Preußen die volle nationale Kraft Deutschlands und der angrenzenden Länder, womit ausdrücklich Polen gemeint war, zum Zwecke des Widerstandes entfesseln werde. Eine „Pression des Auslandes“ werde uns zur Proklamation der deutschen Reichsverfassung

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von 1849 und zu wirklich revolutionären Maßnahmen treiben. Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als erleiden.33 Bismarcks Berufung auf die liberale Bewegung war kein Bluff. Schon seit Wochen hatte er mit diesem Gedanken gespielt und Innenminister Friedrich Albrecht Graf Eulenburg angewiesen, nach dem spektakulären Wahlsieg vom 3. Juli so schnell wie möglich ein Vorparlament zusammentreten zu lassen, um über die Reichsverfassung zu beraten.34 Sein Versuch am 5. August 1866, durch eine sogenannte Indemnitätsvorlage im neu gewählten preußischen Abgeordnetenhaus einen möglichst großen Teil der liberalen Abgeordneten auf seine Seite zu ziehen, wies genau in die neue Richtung. Tatsächlich ging sein Kalkül vollkommen auf. So, wie er zuvor außenpolitisch Mäßigung gegen Österreich geübt hatte, so verzichtete Bismarck jetzt im Inneren zum vollkommenen Erstaunen der gründlich geschlagenen Opposition auf jedes Triumphgehabe. Nach vier Jahren Gesetzlosigkeit sollte das Abgeordnetenhaus wieder in seine alten Rechte eingesetzt werden, denn die Bitte um Indemnität, also um nachträgliche Bestätigung der vier zurückliegenden Etats, beinhaltete ja auch die grundsätzliche Anerkennung eines parlamentarischen Budgetrechts. Nicht alle vermochten jedoch dem harten Hund zu glauben, der sie zuvor drangsaliert, verfolgt und teilweise sogar hatte einsperren lassen. Durch ihre Wahlniederlage vom 3. Juli schon erheblich geschwächt, spaltete sich die Fortschrittspartei und ein Teil ihrer Abgeordneten formierte sich nur zwei Monate später unter Führung des Hannoveraners Rudolf von Bennigsen zur Nationalliberalen Partei. In der Außenpolitik sollten ihre Vertreter, darunter Johannes von Miquel, Ludwig Bamberger und Eduard Lasker in den folgenden zwölf Jahren Bismarcks Kurs vorbehaltlos tragen, innenpolitisch kam es immerhin zu einer bedingten Unterstützung. Zusammen mit der Freikonservativen Partei unter Eduard Graf von Bethusy-Huc verschafften sie dem preußischen Ministerpräsident eine völlig neue Machtbasis im Staat. Es wäre sicherlich zu gewagt, bereits von einem Parlamentarismus nach britischem Modell zu reden, doch das alte monarchische Preußen war damit faktisch beerdigt. Bismarck hatte sich von Militär und Krone, die ihn bisher allein stützten, emanzipiert. Plötzlich war er nicht mehr der „kurbrandenburgische Vasall“, als der er sich vier Jahre zuvor in der berühmten Babelsberger Unter-

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redung dem König angedient hatte. Politik in Preußen vollzog sich seither auf der Basis parlamentarischer Mehrheiten, auch wenn der König formal noch das Recht behielt, den Ministerpräsidenten zu ernennen.35 Nicht nur die Landkarte Mitteleuropas war mit dem Frieden von Prag am 23. August neu gezeichnet worden, 1866 brachte durch Bismarcks Annäherung an einen Teil der Liberalen auch eine Revolution der inneren Struktur Preußens. Und das alles hatte sich mit atemberaubender Schnelligkeit vollzogen. Schon die Zeitgenossen sprachen, teils irritiert, teils auch bewundernd, von einer Revolution von oben. Zu letzterer Gruppe gehörte der aus Sachsen stammende Historiker Heinrich von Treitschke. Hatte er noch vier Jahre zuvor Bismarck als einen „flachen Junker“ beschimpft, so schrieb er jetzt im Dezember 1866 dem Berliner Verleger Georg Reimer: „Unsere Revolution wird von oben begonnen, wie vollendet, und wir mit unserem beschränkten Untertanenverstande tappen im Dunkeln.“36

= Exkurs: „Weder die Ehre Englands noch seine Interessen sind betroffen.“ Apeasement und Kalkül – Großbritanniens Neutralität im Krieg von 1866 „Es scheint in der hiesigen öffentlichen Meinung ein gewisses Unbehagen eingetreten zu sein, dass der heftige Schlag, der Österreich getroffen hat, auch einmal England treffen könne. Wie die Österreicher sind wir in unseren ersten Bemühungen langsam und unfertig und entfalten unsere Kräfte erst dann, wenn wir zum Kampf gereizt werden, so wie es vor 50 Jahren der Fall war und teilweise auch im Krimkrieg.“ Edward Henry Stanley, britischer Außenminister, Tagebucheintrag vom 18. August 186637

Im Sommer 1862 reiste Bismarck, damals preußischer Gesandter in Paris und Ministerpräsident in Wartestellung, zur Weltausstellung nach London. Natürlich ging es ihm dabei auch um Kontakte mit führenden

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Politikern des Weltreiches. Von der britischen Politik und vom Parlamentarismus hatte der preußische Junker allerdings keine hohe Meinung. Schon sechs Jahre zuvor hatte er an Leopold von Gerlach geschrieben, dass England ein „niedergehender Staat“ sei: „Der Staatsmann und der Aristokrat sind abgesetzt, die Pressbengel führen das Regiment.“38 Für das britische Kabinett schien Europa schon fast ein fremder Kontinent. Die Minister des Landes, so teilte Bismarck später amüsiert seiner Frau mit, wüssten über Preußen weniger als über Japan und die Mongolei.39 Vielleicht hatte es ihm gerade aus dieser Geringschätzung heraus gefallen, dem konservativen Oppositionsführer Benjamin Disraeli seinen angeblichen Masterplan zur Reichseinigung völlig unverblümt offenzulegen. So jedenfalls schilderte es Carl Friedrich Graf von VitzthumEckstädt, ein bekennender Bismarckhasser und damals sächsischer Geschäftsträger in London, in seinen etwa 20 Jahre später erschienenen Memoiren. Wie zuvor schon gegenüber Außenminister Lord John Russel und Premier Henry John Temple, besser bekannt als Lord Palmerston, habe Bismarck, so Vitzthum, seine Absicht bekräftigt, durch einen Krieg gegen Österreich den Deutschen Bund zu zersprengen und ganz Deutschland unter preußischer Führung zu einigen.40 Großbritannien hätte also, wenn man Vitzthum glauben will, an höchster Stelle schon zeitig vor den kommenden Umwälzungen in Deutschland gewarnt sein können, und zwar von Bismarck selbst. Doch auch wenn die Schilderung des sächsischen Diplomaten authentisch gewesen sein sollte und Bismarck tatsächlich Ähnliches geäußert hat, so hätte sein offenherziges Szenario bei den Vertretern des britischen Establishments nur wenig Besorgnis ausgelöst. Zwar schien das wirtschaftlich aufstrebende Preußen eine Bedrohung für die alte mitteleuropäische Ordnung zu sein, zu deren Garantiemächten seit 1815 immerhin auch Großbritannien gehörte. Doch aus britischer Sicht schien der Deutsche Bund kaum noch handlungsfähig, daher bot ein gestärktes Preußen als neue Ordnungsmacht im Zentrum Europas für London fraglos gewichtige Vorteile. Die Ursachen für die betonte Gelassenheit, mit der Großbritanniens Politiker die Entwicklung auf dem Kontinent seit 1863 beobachteten, sind vielfältig und bilden ein schwer entwirrbares Gemisch aus globalpolitischen Erwägungen und ideologischen Überzeugungen. Mit Blick auf Europa setzte Großbritannien, das mit seinen starken

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Interessen in Übersee auch schon gelegentlich als asiatische Macht gesehen wurde, seit den 1860er-Jahren vermehrt auf das Konzept einer „Pax Britannica“. Es galt, militärische Interventionen auf dem Kontinent möglichst zu vermeiden. Stattdessen hoffte man in London, die Verhältnisse in Europa langfristig durch das Beispiel einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und die unübersehbaren Erfolge einer leistungsfähigen Ökonomie friedlich beeinflussen zu können. Der schönfärberische Glaube an die Herankunft eines liberalen Millenniums, der tatsächlich aber nur die eigene Ohnmacht und Indifferenz kaschierte, war breiter Konsens unter Konservativen und Liberalen.41 Nach dem Krimkrieg hatte sich unter Politikern wie auch in sonstigen maßgebenden Kreisen des Inselreiches die Bereitschaft zu Interventionen auf dem Kontinent merklich abgekühlt. Als im Herbst 1863 der seit der Revolution von 1848 schwelende Konflikt um die umstrittenen Herzogtümer Schleswig und Holstein erneut entflammte, mussten Palmerston und sein Kabinett bald feststellen, dass ihnen nun auch geeignete Partner fehlten, um Dänemark wirksam gegen Preußen und Österreich unterstützen zu können. Tatsächlich war Großbritannien in der Phase nach dem Krimkrieg politisch isoliert. Frankreich, mit dem man vor Kurzem noch gemeinsam vor Sewastopol gekämpft hatte, löste mit seinen unverhohlenen Hegemoniebestrebungen in Europa in Westminster eher Misstrauen und Sorge aus. Österreich wiederum war nach britischem Geschmack zu reaktionär und unterdrückte zudem die Italiener, für die man im Inselreich große Sympathien hegte. Russland blieb auch nach dem Krimkrieg der große Rivale in Asien, wo seine Truppen bereits drohend vor der nördlichen Pforte zu Indien standen. Für seine Kooperation in Europa würde es unweigerlich eine Revision der Pariser Verträge von 1856 gefordert haben. Mit Preußen dagegen schien es kaum Interessenkonflikte zu geben. So betrachtete man in London die Möglichkeit einer Einigung des protestantischen Deutschlands unter preußischer Führung durchaus auch mit Wohlwollen. Ein mächtigeres Preußen-Deutschland, das idealerweise auch noch den Weg zum Parlamentarismus einschlagen würde und auf Norddeutschland beschränkt bliebe, erschien aus britischer Sicht als ein hochwillkommenes Gegengewicht zu Frankreich und Russland. Voraussetzung war allerdings, dass der kommende Krieg zwischen

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Preußen und Österreich sich nicht zu einem europäischen Großbrand ausweitete. Im Kontext dieser Kalküle hätte also zu Beginn der 1860erJahre kaum ein britischer Politiker an Bismarcks kühnen Entwürfen, hätte er sie tatsächlich so offen geäußert, Anstoß genommen. Weniger Zustimmung in der feinen viktorianischen Gesellschaft fanden jedoch seine rabiaten Methoden. Das Bild des preußischen Ministerpräsidenten wurde in Großbritannien vor allem durch die pointierten Berichte des britischen Botschafters in Berlin, Sir Francis Napier, 9th Baron Napier of Merchistone, geprägt, der ihn in seinen Depeschen nach London wiederholt als „gewaltsam, rücksichtslos und nicht wählerisch in seinen Mitteln“ bezeichnete.42 Königin Viktoria selbst sprach in höchster Entrüstung von den hassenswerten Preußen, ihre mit dem preußischen Kronprinzen verheiratete Tochter gar von einem gottlosen Schuft.43 Konnte man ihn überhaupt aufhalten? Bismarck sei zum Krieg entschlossen, schrieb Lord Augustus Loftus, der Nachfolger Napiers als britischer Geschäftsträger in Berlin, am 24. März 1866 an Außenminister George William Frederick Villiers, 4th Earl of Clarendon: Ihm bliebe nur noch die Alternative, seinen gewagten Plan zu riskieren oder sein Amt aufzugeben. Clarendon selbst klagte am 18. Juni 1866 gegenüber der Königin, dass nun so viele Familien wegen des Ehrgeizes eines einzigen Mannes zu leiden hätten, der unbedingt als der Vermehrer seines Landes in die Geschichte eingehen möchte. Nicht nur die britische Regierung glaubte, dass Bismarck und Preußen den größten Anteil am kommenden Krieg hatten, eine Mehrheit in England sah dies genauso.44 Bismarcks Vorschläge zu einer Reform des Deutschen Bundes auf der Grundlage eines liberalen Wahlrechts empfand man in London dann auch als politische Finte, um Europa einen halbwegs akzeptablen Kriegsgrund präsentieren zu können. Während die Saturday Review in ihrer Ausgabe vom 26. Mai von einem Streit um die dänische Kriegsbeute sprach, reimte der Punch in höhnischer Manier: „Prussia was a robber, Austria a thief. Prussia and Austria stole a danish fief.“45 Britische Vermittlungsbemühungen im Frühjahr 1866 waren gleichwohl nicht mehr als wohlmeinende Ratschläge, die ängstlich jede Art von Verpflichtung vermieden. Außenminister Clarendon beeilte sich daher auch, in einem Brief an Botschafter Augustus Loftus zu betonen, dass den König Wilhelm angebotenen „guten Diensten“ Großbritanniens

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keineswegs ein offizieller Charakter zukäme.46 Bismarck durchschaute das schwächliche Spiel der Briten sofort und forderte London sarkastisch auf, seine guten Dienste doch Österreich, dem wahrhaft Schuldigen anzutragen.47 In Wien aber empfand man die laienhaften britischen Vorschläge zur Bewahrung des Friedens ebenfalls als inakzeptabel. Hatte doch der britische Premier Lord Russel im April 1866 tatsächlich vorgeschlagen, dass Österreich Venetien freiwillig an Italien abtreten solle, und damit die Hoffnung verknüpft, dass Preußen, dann wohl ohne seine südlichen Alliierten, einlenken würde. Das britische Kabinett unterstützte seine Initiative, stieß damit in Wien aber auf wenig Gegenliebe, da die in Aussicht gestellten Kompensationen in Rumänien oder in Schlesien ohne aktive Unterstützung Großbritanniens kaum durchsetzbar waren. Genau die aber verweigerte London.48 Napoleons Initiative zu einem europäischen Kongress, auf dem sämtliche Streitfragen erörtert werden sollten, stand London wiederum distanziert gegenüber. Keinesfalls wollte es die damit intendierten territorialen Veränderungen, insbesondere den Anschluss Schleswig-Holsteins an Preußen, akzeptieren. Auch fürchtete London, dass ein von Frankreich initiierter Kongress Napoleons Hegemonieanspruch in Europa unterstreichen würde. Bismarck konnte sich bedenkenlos auf die Pariser Initiative einlassen, da er wusste, dass Wien den Kongress wegen der Venetien-Frage platzen lassen würde, und entzog somit London auch den allerletzten Interventionsgrund. Die erhoffte Bestätigung für die bisherige Zurückhaltung Großbritanniens sah der neue Premierminister Lord Derby, der nach fast einmonatiger Regierungskrise Mitte Juli 1866 Russel abgelöst hatte, in der deutlichen Mäßigung Bismarcks gegenüber Österreich. Ganz im Sinne Londons hatte der preußische Ministerpräsident nach dem unerwarteten Sieg bei Königgrätz alles getan, um die in London befürchtete Auswertung des Krieges zu vermeiden. Preußen überschritt als neue norddeutsche Hegemonialmacht nicht die Mainlinie und erfüllte somit voll und ganz die Londoner Erwartungen. Die öffentliche Meinung in Großbritannien, die vor Ausbruch der Feindseligkeiten noch stark antipreußisch eingestellt war, hatte sich nach den für ganz Europa überraschenden Erfolgen Preußens zugunsten des Siegers gedreht.49 Vor allem begrüßte das neue Kabinett in Westminster, dass Frankreich und Russland durch Preußens neue Rolle in Europa fürs Erste stark gebunden waren und Großbritannien somit Spielraum erhal-

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ten hatte, sich seinen außereuropäischen Interessen zuzuwenden. Etwas weitsichtiger erwies sich da schon das Urteil des britischen Gesandten in Paris, Lord Cowley, der am 30. Juli 1866 schrieb, dass er kein Vertrauen in die Freundschaft Preußens habe. Wenn es jemals eine maritime Macht werde, würde es England große Schwierigkeiten bereiten.50

1866 – Triumph der Ungarn und Trauma der Deutsch-Österreicher „Österreich kann nur bestehen, wenn es festen Fuß in Deutschland behält. Ist es aus Deutschland hinausgeworfen, so wird es sich selbst auflösen.“ Franz Freiherr von Kuhn, Österreichischer Kriegsminister51 „Wir sind so begabt, Orient und Okzident vermählen sich in uns, Süden und Norden; eine zauberhafte Vielfalt, eine wunderbare Kreuzung von Rassen und Nationen, ein märchenhaftes Mit- und Ineinander aller Kulturen, das sind wir und alt sind wir! Wir schreiben uns nämlich aufs Barock zurück, welch ein Emporkömmling ist dagegen das Berliner Reich!“ Robert Musil, Buridans Österreicher52 1866 – Triumph und Trauma

Österreichs Niederlage gegen Preußen hätte nicht demütigender ausfallen können. In kaum drei Wochen waren sämtliche Korps der Nordarmee in einem Dutzend Schlachten von den Gefechtsfeldern gefegt worden. Selbst im einzigen Aufeinandertreffen, das die Österreicher bei Trautenau für sich entscheiden konnten, waren die eigenen Verluste um ein Mehrfaches höher als die des Gegners. Anfangs lösten die Nachrichten von Benedeks Desaster bei Königgrätz nur vereinzelt Bestürzung aus. Die Menge in der Hauptstadt nahm die Hiobsbotschaft aus Böhmen am nächsten Tag sogar erstaunlich gelassen auf, obwohl die Zeitungen, selbst die amtliche

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Wiener Abendpost, nichts beschönigten und unverblümt von „tief betrübenden Nachrichten“ sprachen oder gar, wie die Neue Freie Presse, von einer „Katastrophe“.53 Scheinbar unberührt davon versammelten sich die Wiener am Abend in gewohnt fröhlicher Stimmung in den vielen Gartenlokalen der Stadt oder sie pilgerten nicht weniger zahlreich als sonst zum Strausskonzert in den Volksgarten. Einige Beobachter wie der Lyriker Anastasius Grün, mit wirklichem Namen Anton Alexander Graf von Auersperg, brachte die ungebrochene Vergnügungssucht der Wiener regelrecht aus der Fassung: „Ich fragte mich, als ob ich es nur geträumt hätte“, schrieb er am 6. Juli an seinen Freund Ludwig August Frankl. „Sind wir denn nicht wirklich blutig aufs Haupt geschlagen?“54 Grün war ein liberaler deutscher Patriot, der 1848 der Frankfurter Nationalversammlung angehört hatte. Müde vor Zorn und Schmerz betrat er an diesem Abend nach stundenlangem Herumirren am Prater ein Lokal, wo etwa 300 Gäste ausgelassen feierten und sich unter Beifall die „elendsten Gassenhauer“ wiederholen ließen. Der österreichische Historiker Heinrich Friedjung rügte im Rückblick die erstaunliche Gelassenheit der Wiener und sprach von einer für die Donaumetropole typischen Mischung aus Genuss und Gehorchen.55 Die Nachricht von Königgrätz schien allerdings auch eine neue Entschlossenheit auszulösen. Jedenfalls glaubte die liberale Neue Freie Presse am 6. Juli, dass sich hinter der äußerlichen Bohemie in weiten Bevölkerungskreisen der Wille Bahn breche, den Krieg nunmehr mit äußersten Mitteln fortzusetzen.56 Doch eine Mobilisierung der Massen, wie sie selbst der fast 70-jährige Wiener Erzbischof Joseph Othmar von Rauscher am 6. Juli im Österreichischen Volksfreund forderte, wollte Kaiser Franz Joseph auf jeden Fall vermeiden. Ein Volkskrieg nach Art der Franzosen hätte unweigerlich eine Liberalisierung des Regimes zur Folge gehabt. In den Straßen Wiens kam nun auch erstmals Kritik am Kaiserhaus auf. Wie nur hatte der Kaiser seine Armee ausgerechnet Benedek anvertrauen können? Der Habsburger Monarch hatte schon Glück, wenn ihm in diesen Tagen bei öffentlichen Auftritten nur eisiges Schweigen entgegenschlug. Die Forderungen nach Abdankung waren unüberhörbar und auch die Rufe: „Es lebe Kaiser Maxi-

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milian“ als Votum für seinen nach Mexiko gegangenen jüngeren Bruder zeigten, wie brüchig das Ansehen und die Autorität des 36-jährigen Autokraten nach seiner zweiten herben Niederlage in nur sieben Jahren geworden war.57 Manche der unzufriedenen Untertanen des Kaisers wünschten sich jetzt die offenkundig so tüchtigen Preußen herbei, man wolle ihnen sogar goldene Brücken bauen,58 und der Wiener Bürgermeister Andreas Zelinka drängte in einer Audienz in der Hofburg am 10. Juli ganz offen darauf, die Hauptstadt kampflos dem herannahenden Gegner zu überlassen.59 Die Stadtverwaltung hatte sogar bereits begonnen, Kandidaten für eine 20 000 Mann starke Polizeitruppe anzuwerben, die im Auftrag der zukünftigen Besatzer für Ruhe und Ordnung in der Stadt sorgen sollte. Die Bürgervertreter lehnten deswegen keineswegs eine Fortsetzung des Krieges ab, nur sollte er eben nicht vor Wien geführt werden. In den Wiener Zeitungen stieß dann auch die Nachricht vom Beginn der in Nikolsburg vereinbarten Waffenruhe auf ein geteiltes Echo. Die Neue Freie Presse begrüßte das Ende des Blutvergießens, da sie eine Fortsetzung des Krieges unter der alten Führung als vollkommen sinnlos ansah. Die Presse hatte dagegen schon am 13. Juli gewarnt, dass die Annahme der preußischen Friedensbedingungen auf eine wesentliche Einengung oder vielmehr Vernichtung der Großmachtstellung Österreichs hinauslaufen müsste. Die deutsche Nationalität innerhalb der Monarchie wäre dann, so der Verfasser weiter, nur noch „ein vom Leibe abgeschnittenes Glied, sie wäre rückhaltlos dem Nationalitätenhader ausgesetzt, der Österreich das Schicksal der Türkei zu bereiten droht.“60 Erzherzog Albrecht, der von den Kontakten zum Feind erst nachträglich erfuhr, soll sich vor Wut den Orden vom Goldenen Fließ vom Hals gerissen haben.61 Doch in der entscheidenden Kronratssitzung am 26. Juli ließ er unwidersprochen seinen bewährten Chef des Stabes, Feldzeugmeister Franz John, erklären, dass der Krieg gegen Preußen nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg fortgesetzt werden könne. So blieb alles beim Alten. Österreich verzichtete auf die Mobilisierung der Massen, schluckte die Niederlage und kam vordergründig sogar noch glimpflich davon. Anstelle der erhofften nationalen Kraftanstrengung werde es also, so prognostizierte die

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Ostdeutsche Post vom 17. Juli in verdrießlichem Ton, weiterhin nur den allergewöhnlichsten amtlichen Schlendrian geben. Das Bekanntwerden der Friedensbedingungen von Nikolsburg ließ zum Monatsende die öffentliche Stimmung in der deutschen Bevölkerung endgültig auf einen Tiefpunkt sinken. „Finis Austriae“, schrieb Anastasius Grün am 26. Juli an Ludwig August Frankl: „Nicht die Größe des Unglücks und der Schmach, die uns getroffen, sondern die tiefe Überzeugung von der Unverbesserlichkeit der Lenker unserer Staatsgeschicke ist es, die mir jene trostlose Stimmung aufnötigt.“62 Österreichs brutaler Ausschluss aus Deutschland, gegen den sich Kaiser Franz Joseph in Wahrheit noch bis zur letzten Minute gewehrt hatte, löste unter den Deutsch-Österreichern tiefe Bestürzung aus. Der 74-jährige Franz Grillparzer kommentierte das wohl einschneidendste Resultat des Krieges von 1866 mit einer Mischung aus Verzweiflung und Trotz: „Als Deutscher ward ich geboren, bin ich noch einer? Nur was ich Deutsches geschrieben, nimmt mir keiner.“63 Viele Deutsch-Österreicher spürten, dass sie plötzlich zu Fremden im eigenen Land geworden waren. Ohne den Rückhalt des Deutschen Bundes und ohne den jederzeit möglichen Schulterschluss mit den außerösterreichischen Deutschen mussten sie fortan als Minderheit unter Ungarn und Slawen leben. Besonders verbreitet war dieses Gefühl unter den Anhängern der deutschliberalen Partei. Der Schriftsteller Eduard von Bauernfeld formulierte es ganz unverblümt: „Für den Völkerstall, in dem wir uns befinden und den man österreichische Monarchie nennt, hatte ich nie rechtes Verständnis. Und nun gar, seit man uns aus Deutschland hinausgeworfen, bloß mit Magyaren und Tschechen ist es ein gar schmutziger Bund.“64 Die Auflösung der Monarchie und der Anschluss ihrer deutschen Bevölkerungsteile an das Bismarckreich blieben fortan das Fernziel der Liberalen. Ganz anders wiederum sah es die konservativ-klerikale Fraktion unter den Deutsch-Österreichern. Für sie war nach der Auflösung des Deutschen Bundes die Restitution der Monarchie als katholische Großmacht die eigentliche Aufgabe habsburgischer Politik. Ein national geprägtes Großdeutschland mit Preußen als Zentrum lehnten sie ab. Gerade der so rasch verlorene Krieg habe doch, so die Zeitung Das Vaterland am 25. August 1866, das entscheidende Ver-

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säumnis der Regierung offengelegt, ein „österreichisches Bewusstsein“ unter den Völkern der Monarchie zu fördern. In diesem Punkt sahen sie sich sogar mit den Tschechen einig, deren wichtigste Zeitung, die Politik, schon am 28. Juni das Hissen der schwarz-rotgoldenen Flagge auf dem Frankfurter Bundespalast als „nationalistische Abgötterei“ verurteilt hatte.65 Bei seinen böhmischen Untertanen fand dann auch ein geplagter Franz Joseph mehr Zuspruch als in Wien. Von einer Besichtigung der Schlachtfelder des jüngsten Krieges im November 1866 schrieb er voller Erleichterung seiner Mutter, der Erzherzogin Sophie, er habe überall eine Anhänglichkeit und eine österreichische Gesinnung gefunden, wie er sie in diesem Maße nicht erhofft hatte.66 Das Ideal der Deutsch-Konservativen war die Wiederherstellung vorrevolutionärer Verhältnisse auf der Basis der Solidarität der konservativen Mächte. Sie glaubten ernsthaft an eine besondere Mission ihrer Monarchie für Europa und hätten wohl auch jedes Wort des Tschechen Frantisec Palacký unterschrieben, der schon 1848 erklärt hatte, man müsste sich beeilen, den österreichischen Kaiserstaat, würde es ihn nicht geben, im Interesse Europas und der Humanität zu schaffen.67 Die blanke machiavellistische Politik Bismarcks lehnten sie nicht nur rundweg ab, sie verdammten sie mit ohnmächtigem Hass. Ein „geschichtliches Strafgericht für Preußen“ prophezeite der aus dem hessischen Darmstadt stammende Ludwig Freiherr von Biegeleben, ein glühender Anhänger Österreichs, Katholik und großdeutscher Patriot, der das Deutschlandreferat im Österreichischen Außenministerium leitete. Biegeleben hatte auch zu den Unterstützern jenes fragwürdigen Vertrages vom 12. Juni 1866 gehört, in dem Österreich noch vor dem ersten Schuss ganz Venetien an Frankreich abtrat und sogar die mögliche Abspaltung des ganzen Rheinlandes vom Deutschen Bund in Kauf nahm. Vergrämt zog sich der gescheiterte Politiker im Dezember 1870, wenige Tage vor der pompösen Gründung des kleindeutschen Reiches, aus dem österreichischen Staatsdienst zurück und verstarb nur zwei Jahre später auf seinem slowenischen Alterssitz. In einem posthum und zunächst anonym in London veröffentlichten Pamphlet hatte er nochmals Vergeltung für die „Vergewaltigung Deutschlands“ gefordert.68

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Durch Bismarcks „Revolution von oben“ könne auch Preußen einmal hinweggefegt werden, schrieb im Oktober 1866 Generalfeldmarschall Heinrich Freiherr von Heß an den alten Wrangel und verweigerte eine rasche Versöhnung mit Preußen, um die ihn der ehemalige Waffengefährte aus dem Dänischen Krieg wohl in höherem Auftrag gebeten hatte.69 Besonders Bismarcks Versuche, mit der Legion „Klapka“ Ungarn gegen das Kaiserhaus aufzuwiegeln, hatten in der österreichischen Generalität und bei Hof für helle Empörung gesorgt.70 Von Aussöhnung wollte auch die Armee vorläufig nichts wissen. Mehr beschäftigte die oberen militärischen Kreise der Gedanke einer kriegerischen Revision der Prager Friedensbedingungen vom 23. August 1866. Genau deshalb strebte Wien nun auch so rasch wie möglich einen Ausgleich mit den Ungarn an. Der neue Kriegsminister Franz Freiherr von Kuhn drängte zudem auf ein Bündnis mit Frankreich, das auf seine Weise Bismarck unterlegen war. Selbst eine Allianz mit Italien, das Österreich in Prag erstmals überhaupt diplomatisch anerkannt hatte, wurde in Wien nicht mehr ausgeschlossen. Als der Kaiser im Oktober 1866 Friedrich Graf von Beust zum österreichischen Außenminister ernannte, sahen viele in dieser Entscheidung ein weiteres Indiz für einen energischen Revanchekurs. Der ohnehin schon flammende Preußenhass des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten war durch seine von Bismarck erzwungene Entlassung (als Vorbedingung für Friedensverhandlungen mit Dresden) in keiner Weise gemildert worden. Beust, vom Kaiser im Frühjahr 1867 auch noch zum leitenden Minister in der Wiener Hofburg ernannt, war jedoch vorerst durch die Ausgleichsverhandlungen mit den Ungarn vollkommen gebunden. Die Auseinandersetzungen über die militärischen Details wie Kommandosprache, Uniformierung und Rekrutenkontingente zogen sich noch bis in den Herbst 1868 hin.71 Erst zu Beginn des Jahres 1869 kam es daher zu ernsthaften strategischen Sondierungen mit Frankreich, die allerdings bis zum Ausbruch des Krieges von 1870 keine greifbaren Ergebnisse erbrachten.72 Mit dem raschen Untergang des französischen Kaiserreiches mussten auch die Hoffnungen des Hochadels und der Militärs auf Revanche und Revision der Entscheidung von 1866 begraben werden.

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Ganz anders reagierten die Deutsch-Liberalen. Ihr Sprachrohr, die Neue Freie Presse, feierte den Sieg Preußen-Deutschlands über den französischen „Erbfeind“ unverhohlen als Wendemarke der Menschheitsgeschichte.73 Doch spontane öffentliche Demonstrationen zur Feier der deutschen Siege wurden von den hauptstädtischen Behörden sofort verboten. Nach Beobachtung des Schweizer Gesandten in Wien löste diese Entscheidung vielfach heftige Verbitterung aus.74 Der so ungemein erfolgreiche kleindeutsche Nationalstaat übte nun erst recht eine besondere Faszination auf die liberalen Deutsch-Österreicher aus. Den sich schon beim Dreikaisertreffen 1873 in Wien anbahnenden deutsch-österreichischen Schulterschluss begrüßte die Neue Freie Presse als längst fällige Versöhnung zwischen Habsburg und Hohenzollern. Der sechs Jahre später zustande gekommene Zweibund galt vielen Deutsch-Liberalen dann auch als neuer erweiterter Bund, auch wenn Preußen-Deutschland darin eindeutig die dominierende Rolle übernahm. Ihren blühenden Anschlusshoffnungen widersetzten sich jedoch Skeptiker, wie etwa der Arzt, Schriftsteller und Ehrenbürger Wiens Ludwig August Frankl, die auf die kaum überbrückbaren Gegensätze zwischen dem protestantischen Norden und der österreichischen Mentalität hinwiesen. „Es sind die Temperamente der Norddeutschen und des DeutschÖsterreichers einander zu entgegengesetzt, Katholizismus und Protestantismus einander so fremd-feindlich, selbst der Boden mit seinen Hervorbringungen so ganz anders, dass ich bei einem Plebiszit voraussetzen muss, dass die Deutsch-Österreicher sich nicht mit Deutschland vereinigen werden, wenn sie – was freilich kaum anzunehmen ist – durch eine frei denkende, weise Regierung geleitet würden.“75 Die Mehrheit des liberalen Lagers hatte schon den Ausgleich mit Ungarn von 1867 unterstützt, der die Monarchie für das letzte halbe Jahrhundert ihrer Existenz in zwei autonome Reichshälften entlang der Leitha teilte. Einzig Außenpolitik und Streitkräfte waren zentral in der Hand des Kaisers verblieben. So wie der neue Dualismus es den Ungarn nun erlaubte, sämtliche Ethnien in ihrer Reichshälfte fester in den ungarischen Staatsverband einzubinden, so hofften die Deutsch-Liberalen Gleiches in ihrem Gebiet, für das sich bald der

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Name Cisleithanien einbürgerte, zu verwirklichen. Ihre Germanisierungsbestrebungen in der westlichen Reichshälfte führten aber erwartungsgemäß zu dauerhaften Konflikten mit den immer selbstbewussteren Tschechen, die schon vor dem Krieg die deutsche Mehrheit im Landtag gekippt und eine „Slawisierung“ der böhmischen Universitäten eingeleitet hatten. Im Konflikt mit Preußen hatten sie sich als loyale Untertanen der Monarchie erwiesen. Fassungslos mussten nun aber die tschechischen Patrioten, an ihrer Spitze der Historiker Frantisec Palacký, mit ansehen, wie sie beim Ausgleich mit Ungarn vollkommen übergangen wurden. Vergeblich hatten sie wie auch die konservativ-klerikale Fraktion unter den Deutsch-Österreichern nach der Niederlage endlich eine stärkere Besinnung auf das gemeinsame österreichische Erbe der Monarchie gefordert. Schon bald darauf sollte sich der enttäuschte Palacký der neuen Bewegung des Panslawismus zuwenden. Aufseiten der Deutsch-Liberalen war in den Jahren nach 1866 tendenziell eine nationalistische Verengung des politischen Horizontes zu beobachten. Eine Wagenburgmentalität machte sich unter ihnen breit. Die nunmehr zementierte Trennung von den Reichsdeutschen führte, so der Publizist und langjährige Leiter der Wiener Reichspost Friedrich Funder, zu einer „ungesunden Betonung des deutschen Nationalgefühles“, während die österreichische Staatsgesinnung dagegen geschwächt wurde.76 Wurzellos geworden, begannen sich die Deutsch-Liberalen in einem endlosen Kulturkampf mit den Tschechen aufzureiben.77 Vorbild war das über Frankreich siegreiche Preußen-Deutschland. So, wie sich das Germanentum im Westen gegen die Romanen behauptet hatte, so müsse nunmehr auch im Osten der Kampf gegen das Slawentum aufgenommen werden. Die Idee einer besonderen deutschen Sendung als kulturelle Klammer der Monarchie fand bald breite Zustimmung, die liberalen Ideale von 1848 waren dagegen nur noch eine ferne Erinnerung. Im angespannten Klima des Nationalitäten- und Sprachenstreits in der Monarchie radikalisierten sich in den 1880er-Jahren Teile der Deutsch-Österreicher, lehnten jedes noch so geringfügige politische Zugeständnis der Krone an die slawischen Nationalitäten ab und drängten nunmehr offen auf eine Auflösung des Habsburgerstaa-

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tes.78 Ihre Forderung nach einem neuen Großdeutschland in Form eines Anschlusses an das Bismarckreich unterschied sich somit vollkommen von der alten Reichsidee der Konservativen. Im März 1883 hielt der Student und Burschenschaftler Hermann Bahr anlässlich eines Trauerkommerses für Richard Wagner ein flammendes Bekenntnis zum Deutschen Reich: „Unsere junge Kraft suchte. In Österreich fand sie nichts, aber sie fand Deutschland“, so Bahr, der anschließend in einem spektakulären Strafprozess, wo er seine Rede wiederholte, vom Besuch sämtlicher Universitäten der Monarchie ausgeschlossen wurde.79 Das Trauma von 1866 verheilte nicht. Es erfasste im Gegenteil gerade die junge Generation in Österreich. Zu den radikalsten Befürwortern eines Anschlusses DeutschÖsterreichs an das Deutsche Reich zählte fraglos Georg Ritter von Schönerer, ein Bismarck- und Wagnerverehrer, der mit seinem abstrusen Germanenkult, seinem scharfen Antikatholizismus und Antisemitismus auch einer der wichtigsten Ideengeber Adolf Hitlers war. Gerade Linz, wo der spätere Diktator bis 1905 die Realschule besuchte, war ein Schwerpunkt der Agitation Schönerers.80 Die Zerrissenheit und Identitätskrise der Deutsch-Österreicher reichte tief, sie berührte sogar das Kaiserhaus. Während der Kaiser die radikalen Deutsch-Nationalen gründlich hasste und ihnen Hochverrat vorwarf, notierte seine jüngste Tochter, die 21-jährige Erzherzogin Marie Valerie nach einem Besuch des Niederwalddenkmals wenige Monate nach dem Suizid ihres Bruders im Januar 1889 in ihr Tagebuch: „Tief empfand ich, wie fremd wir dem deutschen Vaterland geworden, die wir an den herrlich großen Taten der Jahre 1870 / 71 keinen Teil gehabt, fremd und ausgewiesen vor der siegreichen Germania stehen, deren Anblick doch auch in unseren Herzen stolzes freudiges Siegesbewusstsein erwecken sollte. […] und ich empfand so lebhaft wie vielleicht noch nie, dass gerade dieses Ausgestoßensein uns alles, alles Unglück gebracht hat. Wie lange müssen wir noch so fortbestehen und vom deutschen Vaterland als Ausland sprechen?“81 Auch die reichsdeutsche Seite stand ratlos vor dem Problem. So berichtete der deutsche Botschafter in Wien, Philipp Graf von Eulenburg, im August 1897 halb bemitleidend, halb verurteilend, dass man in Cisleithanien zwar die Deutschen brauche, dass aber ihr

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nicht endendes Geschrei der Regierung als Hochverrat erscheinen müsse und diese daher auch gegenüber Deutschland mehr und mehr feindlich gesonnen sei. Eulenburg sah sogar das Bündnis mit Österreich in Gefahr.82 Eine Entspannung der innenpolitischen Lage trat bis 1914 nicht mehr ein. Im Gegenteil verhärteten sich die Fronten zwischen den Volksgruppen noch bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges. Zu der lange geforderten gleichberechtigten Einbeziehung der Slawen ist es nicht mehr gekommen. Hierin waren sich Deutsche und Ungarn bis zuletzt einig. Mit der Auflösung des Habsburgerreiches Ende Oktober 1918 konstituierte sich sogleich im niederösterreichischen Landhaus in Wien, wo 1848 die Revolution begonnen hatte, eine provisorische deutsch-österreichische Nationalversammlung, die einstimmig für einen Anschluss des deutschen Restgebietes an das Deutsche Reich plädierte. Unter Missachtung des neuen Selbstbestimmungsrechtes der Völker untersagten jedoch die Siegermächte im Diktat von Saint-Germain vom 2. September 1919 die erhoffte Vereinigung, ja selbst der Name „Deutsch-Österreich“ wurde dem neuen Staat verboten. Dagegen erhob die Nationalversammlung vier Tage später entschiedenen Protest, musste sich aber doch dem Siegerwillen beugen.83 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und den ernüchternden Erfahrungen der Jahre 1938 bis 1945 verschwand der großdeutsche Gedanke endgültig von der politischen Agenda. Im Rückblick erschien der aus der Niederlage von 1866 hervorgegangene duale Kunststaat plötzlich in einem viel milderen Licht. Dazu beigetragen hat wohl auch Robert Musils liebevoll-ironisches Bild des untergegangenen „Kakaniens“ in seinem „Mann ohne Eigenschaften“. Erst jetzt war die Niederlage von 1866 endgültig Geschichte geworden.

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Nationalstaat oder Föderation? – War Bismarcks militärische Reichsgründung alternativlos? „Dass Bismarck 1866 und 1870 / 71 ein Bollwerk gegen den Geist der Zeit errichtet habe, ist eine Formel wohlmeinender Selbsttäuschung, welche die Realitäten der historischen Entwicklung in Deutschland nicht zur Kenntnis nehmen will und die Gestalt eines einzelnen benutzt, um sich, mit Vorliebe gestützt auf das idealisierte englische Beispiel, ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten vorzugaukeln.“ Lothar Gall84 „Es sind postnationale Träumereien zu meinen, der nationaldemokratische Wille der Deutschen hätte sich durch ein föderalistisches Mitteleuropa beruhigen und befriedigen lassen. […] Auch und wenn man nicht den Schlachtensieg und die geschaffenen Tatsachen heilig zu sprechen geneigt ist, die kleindeutsche Lösung hatte die Logik der geschichtlichen Wahrscheinlichkeit für sich.“ Thomas Nipperdey85 Nationalstaat oder Föderation?

„An den Feuern der Leyermark“ lautete der etwas eigenartige Titel eines 1979 erschienenen Schelmenromans, dessen ideenreiche Handlung im Kriegsjahr 1866 einsetzt und der in bizarren kontrafaktischen Wendungen beschreibt, wie Bismarck den Krieg gegen Österreich und seine Verbündeten doch noch verliert. Während die Preußen unter Verlust der Rheinlande hinter die Elbe zurückgedrängt werden, kommt es in Frankreich zu einem Volksaufstand gegen Napoleon III. und die Bayern (die Leyermärker) verlieren auf tragikomische Weise ihren kunstsinnigen Monarchen. Am Ende schließen sich die so plötzlich herrscherlosen Gebiete mit der Schweiz zu einer „Centraleuropäischen Eidgenossenschaft“ zusammen, eine Art antikapitalistische, basisdemokratische Version der Europäischen Union. Die Idee, dass 500 aus dem amerikanischen Westen importierte Revolverhelden fähig seien, die gesamte Preußische Armee in den

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zerklüfteten Schluchten des Elbsandsteingebirges zu zerschlagen und damit die Bismarcksche Reichsgründung aus Blut und Eisen zu verhindern, bezeugte nicht nur die wohl auf reichlicher Karl-MayLektüre basierende Fantasie des Autors Carl Amery.86 Mehr noch zeigte sich darin der typische antinationale Reflex der westdeutschen Linken. Amery zählte 1980 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen. Bis heute gilt in diesem politischen Spektrum die Errichtung des deutschen Nationalstaates als Verhängnis und als Irrweg zu den Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts. Doch gab es damals überhaupt realistische Alternativen zu der von Bismarck mit Waffengewalt erzwungenen Reichseinigung? Die Idee der freien Föderation, mit der Amery seine Geschichtsfantasie auf europäischer Bühne enden lässt, besaß im 19. Jahrhundert  – allerdings auf Deutschland beschränkt – durchaus eine starke Anhängerschaft. Eine nationale Autorität wie Goethe bezweifelte nicht, dass Deutschland einmal durch seine Chausseen und die zukünftigen Eisenbahnen eins werde, doch würde, so der Dichterfürst, ein zentraler Nationalstaat dem Wohl der großen Masse des Volkes nicht dienen. In einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann am 28. Oktober 1828 plädierte er zwar für ein gemeinsames Heerwesen, einheitliche Währung, einheitliche Maße und vor allem einheitliche Pässe, befürwortete aber doch ganz im föderativen Geist eine Pluralität „der politischen Zentren oder Residenzen“ als unverzichtbare Voraussetzung für eine „reiche Volkskultur“.87 Ein Beitrag über „Deutschland“ in Herders Konversations-Lexikon aus dem Jahre 1854 äußerte ebenfalls Zweifel am Nutzen eines einheitlichen deutschen Staates nach dem Muster Frankreichs, da er den Widerstand der europäischen Großmächte hervorrufen musste und letztlich an seinen konfessionellen Gegensätzen zugrunde gehen würde. Wohl aber konnte sich der Verfasser einen stärkeren Deutschen Bund vorstellen, der die nationalen Lebensbedürfnisse befriedige (Recht, Wirtschaft, Verteidigung) und dem „Spotte der Fremden über Deutschland“ ein Ende mache.88 Der Artikel reflektierte bereits die ernüchternden Erfahrungen, welche die deutsche Nationalbewegung in der Revolution von 1848 / 49 hatte machen müssen. Die nationale Einheit durch die Bürger selbst, also durch Revolution, war ohne eine starke deutsche

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Führungsmacht nicht zu erzielen. An einem machtvollen Staat aber mit einem frei gewählten Parlament in der Mitte Europas waren Großmächte wie Frankreich oder Russland nicht interessiert, zumal mit der Errichtung eines zentralistischen Deutschen Reiches eine Reihe kaum lösbarer territorialer Fragen verknüpft war. Vor allem die Rolle Österreichs mit seinen riesigen nichtdeutschen Gebieten war in Frankfurt vollkommen ungeklärt geblieben. Da lag der Gedanke durchaus nahe, Einigungsmöglichkeiten eher unterhalb der staatlichen Ebene auszuloten und eine immerhin engere Konföderation der deutschen Staaten ins Auge zu fassen. Die Erfahrungen mit dem Deutschen Bund hatten bis dahin jedoch gezeigt, dass selbst die bescheidensten Einigungsschritte von den deutschen Fürsten nicht zu erwarten waren. Untereinander zerstritten lavierten die Höfe der Mittelstaaten seit 1815 zwischen Wien und Berlin und pochten dabei ängstlich auf ihre Souveränitätsrechte. Hier wirkte immer noch die vergiftete Erbschaft Napoleons, der etliche deutsche Herrscher zu Königen oder Großherzögen erhoben und damit in ihrem Souveränitätswahn noch bestärkt hatte. In München, Stuttgart, Karlsruhe oder Dresden war man aber nie bereit gewesen, seine politische Geltungssucht auch durch entsprechende Verteidigungsanstrengungen zu untermauern oder sich wenigstens militärisch an eine der beiden deutschen Vormächte anzulehnen. Dem preußischen Versuch einer politischen Union auf dem Wege friedlicher Einigung verweigerten die süddeutschen Staaten 1850 – nach anfänglicher Zustimmung – die Gefolgschaft und stellten sich schließlich sogar mehrheitlich gegen den Hohenzollernstaat. Bismarck hat das nie vergessen. Auch die Möglichkeit, nach 1866 südlich der Mainlinie eine Föderation der süddeutschen Staaten zu bilden, war aufgrund alter Streitigkeiten ungenutzt geblieben. Ob ein föderalistischer Staat überhaupt funktionieren konnte, war zudem nicht sicher. Die Schweizer Eidgenossenschaft, seit 1815 ein Bund von 26 Kantonen, hatte sich nach dem kurzen Sonderbundkrieg von 1847 zu einem Bundesstaat mit einem handlungsfähigen Bundesrat organisieren müssen. Auch die Vereinigten Staaten waren im Winter 1860 / 61 zunächst in zwei Lager auseinandergebrochen. Der anschließende Bürgerkrieg konnte zwar nach vier Jahren die Ein-

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heit der Union wiederherstellen, doch das Spannungsverhältnis zwischen den Einzelstaaten und der Bundesregierung blieb bis in die Gegenwart bestehen. Das größte Problem einer föderativen Lösung der deutschen Frage lag jedoch in ihrer Genese. Wie sollte sie überhaupt zustande kommen? Gab es wirklich einen friedlichen Weg, wie es etwa der preußische Prinzregent in seinem Novemberprogramm von 1858 angedeutet hatte: ein allmähliches Zusammenwachsen durch Förderung von Einigungselementen? Wohl kaum jemand hat dazu so deutlich Stellung genommen wie Bismarck selbst, als er in der Budgetkommission des Preußischen Landtags 1862 freiweg erklärte, dass die großen Fragen der Zeit eben nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse gelöst werden könnten, sondern letztlich nur durch Blut und Eisen. Nicht einmal unter den Anhängern der Fortschrittspartei, die der Politik Bismarcks äußerst kritisch gegenüberstanden, hätte jemand bestreiten mögen, dass die Erringung der nationalen Einheit inzwischen oberste Priorität besaß und dass Preußen dabei die ausschlaggebende Rolle zufallen sollte. Auch hätte kein Liberaler in Abrede stellen wollen, dass der Hohenzollerstaat von 1862 gefestigter, dynamischer und entwicklungsfähiger war als das multiethnische autoritäre Österreich und daher auf Dauer unmöglich in seiner bisherigen zweitrangigen Rolle gegenüber Wien verharren konnte. Doch keiner der honorigen Herren in der Budgetrunde hätte genau zu sagen gewusst, wie denn jenseits von Reden und Majoritätsbeschlüssen die deutsche Frage unter preußischer Führung gegen den zu erwartenden Widerstand Österreichs zu lösen sei. Mitteleuropa hatte sich seit dem Wiener Kongress erheblich verändert. Ökonomie und Technik hatten seit Beginn der 1850er-Jahre begonnen, den Kontinent mit atemberaubender Schnelligkeit umzugestalten. Ehedem beschauliche Städte entwickelten sich zu Metropolen, die durch Eisenbahnen und Telegrafen immer besser vernetzt waren. In rasch expandierenden Industriekomplexen entstand der Stahl für Eisenbahnen, Bahnhofs- und Brückenkonstruktionen und nicht zuletzt auch für die Geschütze der neuen, stetig wachsenden Armeen. Zölle, Zensur und die traditionelle Vielfalt von Maßen, Münzen und Tarifen passten nicht mehr in das neue Zeitalter, in dem Personen, Waren und Nachrichten wie nie zuvor über die alten

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Grenzen strebten. Die Forderung nach nationaler Einheit und Überwindung der inneren Grenzen beschränkte sich daher nicht mehr nur auf Gelehrte, Publizisten oder Burschenschaftler. Die Einheit war zu Bismarcks Zeiten längst zu einem Anliegen der Wirtschaft geworden und sie versprach nun nicht allein mehr die Erfüllung romantischer Träume, sondern die Bewältigung konkreter Probleme und vor allem weiteres Wachstum. Preußen profitierte von diesem Wandel in überproportionaler Weise, während die Industrien Deutsch-Österreichs noch lange auf Schutzzölle angewiesen waren und darauf auch nicht verzichten wollten. Bismarcks Lösung der deutschen Frage durch Spaltung war somit von den ökonomischen Realitäten schon längst vorgezeichnet.89 Wie eine tektonische Spannung hatte sich innerhalb weniger Jahrzehnte ein Missverhältnis von politischer Ordnung und innerer Stärke in Mitteleuropa aufgebaut. Geradezu aberwitzig erschienen angesichts dieser potenziellen Bruchstelle die mittelalterlichen Vorstellungen des Habsburgischen Kaiserhauses von der Vormachtsposition Österreichs in Deutschland, von seinem überkommenen Ehrenvorrang und der preußischen Vasallenpflicht. Tatsächlich bezweckten Franz Josephs Bundesreformversuche von 1863 nichts anderes, als die dominierende Position seines Hauses im Bund zu zementieren, was nicht nur Liberale als hoffnungslosen Anachronismus empfinden mussten. Inzwischen plädierte außerhalb Österreichs bereits eine stetig stärker werdende Bewegung offen für eine Lösung der deutschen Frage ohne den Kaiserstaat und seinen Katholizismus. Der im August 1859 von Liberalen und gemäßigten Demokraten gegründete Deutsche Nationalverein mit Sitz in Coburg war rasch auf 25 000 Mitglieder angewachsen und forderte, anknüpfend an die Reichsverfassung von 1849, ein deutsches Zentralparlament. Ermutigt vom Novemberprogramm des preußischen Prinzregenten und beeindruckt von den Erfolgen Piemont-Sardiniens in Italien setzten führende Vertreter des Vereins, wie etwa Hermann Schultze-Delitzsch, ihre politischen Hoffnungen ganz auf ein sich liberalisierendes Preußen.90 Zur Politik Bismarcks ging man jedoch bald auf Distanz. Voller Entrüstung über dessen scheinbar prinzipienlosen Kurs in der Schleswig-HolsteinFrage übersahen die Protagonisten des Nationalvereins allerdings,

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dass die erhoffte Gründung eines weiteren Herzogtums in Norddeutschland die Lösung der nationalen Frage nur erschweren konnte. Nach Preußens militärischen Erfolgen gegen Österreich brach der Nationalverein auseinander und löste sich im Herbst 1867 auch formal auf. Führende seiner Mitglieder wie die prominenten Historiker Theodor Mommsen, Heinrich von Sybel und Heinrich von Treitschke bekannten sich nun freimütig zu Bismarcks Politik.91 Das aufgestaute Missverhältnis in zwei kurzen Kriegen mit vergleichsweise geringen Verlusten entschärft und Mitteleuropa eine neue und stabile Ordnung gegeben zu haben, war Bismarcks bedeutsamste Leistung. Weder die deutsche Nationalbewegung noch eine wie auch immer gestaltete Vereinigung souveräner Bundesfürsten hätte sie je zustande bringen können. Das hatte schon das ernüchternde Ende des Erfurter Parlaments von 1850 belegt und war während der Krise um Schleswig-Holstein 1864 noch einmal bekräftigt worden. Entgegen seiner martialischen Rhetorik in der ersten Sitzung der Budgetkommission war Bismarck anfangs bestrebt gewesen, Österreich auf freiwilliger Basis zu einem Teilrückzug aus Deutschland zu bewegen. Schon im Dezember 1862 hatte er mit dem österreichischen Gesandten in Berlin in aller Offenheit über eine Teilung der Machtsphären gesprochen und gab seine Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung auch nach dem gemeinsamen Erfolg über Dänemark nicht auf. Doch das Misstrauen auf österreichischer Seite gegenüber dem preußischen Ministerpräsidenten war zu groß. Vor allem fürchtete Wien, dass Preußen weitere Forderungen nachschieben würde. Fraglos wäre eine damals einvernehmlich zustande gekommene preußische Hegemonie in Norddeutschland nicht ohne starke föderative Elemente ausgekommen. Im Sommer 1866 war eine friedliche Lösung allerdings vom Tisch und Bismarck konnte ein Jahr später den Norddeutschen Bund ganz nach seinen Vorstellungen gestalten. Welchen Weg Deutschland ohne den Schönhausener genommen hätte, bleibt Spekulation. Dass es angesichts der konstanten Opposition Österreichs ein friedlicher Weg hätte sein können, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Bei all seinen Winkelzügen und überraschenden Kehrtwendun-

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Die Enthüllung der Siegessäule auf dem Königsplatz in Berlin. Ihre drei Segmente stehen für Preußens Siege im Deutsch-Dänischen Krieg 1864, im Deutschen Krieg von 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870 / 71. Aufnahme vom 2. 9. 1873

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III. Die Neugestaltung Mitteleuropas

gen war es dem preußischen Ministerpräsidenten seit dem OlmützErlebnis von 1850 allerdings nie wirklich um einen Nationalstaat gegangen, weder in zentraler noch in föderaler Form. Die deutsche Einigung war ihm kein Herzensanliegen. Für Bismarck zählte bis 1866 allein der erreichbare Machtzuwachs Preußens, ob nun mit oder ohne Zustimmung Österreichs. Sein Eingehen auf nationale Gefühle war daher auch nur ein Mittel, ein Spiel gewesen, um die Liberalen auf seine Seite zu ziehen oder wenigstens nicht gegen sich zu haben. Nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich hatte Bismarck allerdings keine Bedenken, sich als Reichsgründer feiern zu lassen, der angeblich einer langfristigen Agenda gefolgt war. Er festigte diesen Ruf auch mit seinen Memoiren, aber noch 1867 hatte er sich durch die Errichtung einer preußischen Hegemonie in Norddeutschland bereits vollkommen am Ziel seiner Politik geglaubt. Die süddeutschen Staaten mit ihrem „Ultramontanismus“ und ihrem ewigen Querulantentum waren ihm dagegen stets ein Ärgernis. Seine Abneigung und Distanz ist durch Dutzende von Äußerungen bezeugt.92 Dass er die Staaten südlich des Mains schließlich doch mit ins Boot nehmen und einen Krieg gegen Frankreich führen musste, war nie Teil seines Plans gewesen. Betrachtet man das schließlich zustande gekommene Bismarckreich genauer, verliert der Gegensatz von Zentralstaat und Föderation ohnehin viel von seiner Schärfe. Auch das Deutsche Reich von 1871 stand noch ganz in der föderalen Tradition Deutschlands, war es doch in harten Verhandlungen mit den Süddeutschen zustande gekommen. Das neue Reich war ein Fürstenbund, wenn auch mit einem höchst bedenklichen preußischen Übergewicht, aber die nach der Flurbereinigung von 1866 verbliebenen deutschen Staaten behielten 1871 mit Ausnahme der Außenpolitik fast alle ihre Ressorts. Sie durften weiterhin Steuern erheben und sich an den üppigen Gewinnen ihrer Staatseisenbahnen und Telegrafenämter erfreuen, ja den drei Königreichen Sachsen, Bayern und Württemberg konzedierte Bismarck sogar eigene Kriegsministerien. Allerdings waren die Grundzüge der militärischen Strategie und der Kriegsdoktrin Sache des Preußischen Generalstabs in Berlin. Das Bismarckreich selbst war zunächst nichts weiter als eine Dachorganisation, doch anders als der Deutsche Bund von 1815 er-

Nationalstaat oder Föderation?

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füllte sie sich erstaunlich rasch mit Leben. Hier zeigte sich nun die tatsächliche Stärke der deutschen Nationalbewegung. 1866 war man noch Preuße, Bayer oder Sachse – und danach erst Deutscher gewesen. Bei Bismarcks Tod hatte sich diese Rangfolge bereits eindeutig umgekehrt. Zeit seines Lebens war der Schönhausener als preußischer Patriot dem Nationalismus mit kritischer Distanz begegnet, hatte ihn 1864 hintergangen und 1866 für seine Zwecke einzuspannen versucht. Man könnte vielleicht sogar eine Art Rache der Geschichte darin sehen, dass der deutsche Nationalismus in dem von Bismarck nie wirklich gewollten Reich seinen idealen Entfaltungsraum fand und schließlich auch sein geliebtes Preußen in die zweite Reihe drängte.

Anmerkungen Einleitung Anmerkungen Einleitung

1 Zitiert nach Valentin, Bismarcks Reichsgründung, S. 271. 2 Karl Wehmann, Das Infanterie-Regiment Vogel von Falckenstein (7. Westfälisches) Nr. 56 in den ersten 50 Jahren seines Bestehens, Berlin 1910, S. 63. 3 Hans Peter Schwarz, Adenauer. Der Aufstieg 1876–1952, Bd. 1, Stuttgart 1986, S. 58 f. 4 Ebd., S. 678. 5 Wehler, Das Deutsche Kaiserreich, S. 18. 6 Gall, Bismarck, S. 321. 7 Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich. Außenpolitik von Bismarck bis Hitler, Stuttgart 1995, S. 21. 8 Vgl. etwa die Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie, Leipzig 1867, S. 88. 9 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 791: „Es ist ein Kernpunkt der Tragik der deutschen Geschichte, dass sich die Deutschen als Politische nur durch Teilung haben konstituieren können.“ 10 Vgl. etwa Müller, 1866, allerdings ohne Erläuterung seiner Begriffswahl. 11 Brief vom 2. 4. 1866, in: Roon, Denkwürdigkeiten, S. 410: „… ich schaudere bei dem Gedanken an den Ausbruch dieses Krieges, der den Zwiespalt nicht allein in jedes deutsche Land und jede deutsche Stadt, sondern auch in so manche Familie, ja in die Brust so manchen einzelnen Mannes hineintragen … kann.“ 12 Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 112. 13 Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 239. 14 Müller, Soldaten, S. 144 f. 15 Craig, Königgrätz, S. 67. 16 Brief an Julius Glaser, zitiert bei Gerd Fesser, Das Tagebuch Europas 1866, Königgrätz-Sadow, Berlin 1994, S. 112.

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Anmerkungen

17 Ausführliches Zitat siehe S. 32, Anmerk. 27. 18 Gall, Bismarck, S. 357.

I. Der Weg in den Krieg I. Der Weg in den Krieg

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Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, S. 128 f. Angelow, Der Deutsche Bund, S. 39. Bentfeldt, Der Deutsche Bund, S. 61 f. Ilse, Geschichte der Deutschen Bundesversammlung, Bd. 1, S. 163. Angelow, Der Deutsche Bund, S. 38. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, S. 735 f. Bentfeldt, Der Deutsche Bund, S. 120 f. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 359 f. Brief Metternichs an Kaiser Franz I. (Juni 1833), zitiert nach Schulze, Der Weg zum Nationalstaat, S. 96. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 370 f. Angelow, Der Deutsche Bund, S. 55. Text bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, S. 153 f. Siehe die Gesamtaufstellung bei Angelow, Von Wien nach Königgrätz, Anlage 5, S. 324. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 37 f. Angelow, Der Deutsche Bund, S. 59 u. 73. Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 693. Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 451. Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 4, S. 188: „Bei Bronzell südlich von Fulda war es am 8. November 1850 zum einzigen Schusswechsel der Krise gekommen, wobei es auf österreichisch-bayerischer Seite fünf Verwundete gab, während die Preußen ein Trompeterpferd, den berühmten ,Schimmel von Bronzell‘, verloren.“ Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 90. Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 693. Baumgart, Bismarck und der Deutsche Krieg, S. 98. Karl August Varnhagen von Ense, Tageblätter, hrsg. v. Konrad Veilchenfeldt, Frankfurt am Main. 1994, S. 539. Brief an seinen Bruder vom 25. 2. 1851, zitiert nach Kessel, Moltke, S. 201. Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 367. Steinberg, Bismarck, S. 154. Rede Bismarcks in der Preußischen Zweiten Kammer am 3. 12. 1850, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 1, S. 335.

I. Der Weg in den Krieg

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27 Brief v. 19. 12. 1853, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 1, S. 556. 28 Gall, Bismarck, S. 136. 29 Ebd., S. 38. 30 Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 391. 31 Gall, Bismarck, S. 152. 32 Brief an die Verlobte v. 1. 5. 1866, in: Schlieffen, Briefe, S. 189: „dass die Reformation, Friedrich der Große, die ganze preußische Geschichte, die deutsche Vergangenheit für nichts gewesen sein soll, bloß dazu, um von slawischer Barbarei verschlungen zu werden, das mag der glauben, der den Zufall die Welt regieren läßt, nicht wir.“ 33 Brief Leopold von Gerlach an Bismarck vom 5. 6. 1857, zit. nach Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 439. 34 Brief v. 4. 4. 1859, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 2, S. 264. 35 Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 428. 36 Steinberg, Bismarck, S. 179. 37 Schulze-Wegener, Wilhelm I., S. 189. 38 Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 463. 39 Brief vom 5. 5. 1859, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 2, S. 275. 40 Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 487 f. 41 Steinberg, Bismarck, S. 251 f. 42 Bismarck, Erinnerung und Gedanke, in: Werke in Auswahl, Bd. 8, Teil A, S. 262. 43 Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang, München 2007, S. 599. 44 Brief v. 24. 12. 1863, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 200. 45 Gall, Bismarck, S. 309. 46 Denis E. Showalter, German Wars of Unification, London 2004, S. 131 f. 47 Gall, Bismarck, S. 315 ff. 48 Ebd., S. 345. 49 Brief v. 21. 1. 1864, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 231. 50 Zitiert nach Gilmour, Suche nach Italien, S. 186. 51 Traniello / Sofri, Der lange Weg zur Nation, S. 50. 52 Lill, Geschichte Italiens, S. 128. 53 Gilmour, Suche nach Italien, S. 160 f. 54 Lill, Geschichte Italiens, S. 92. 55 Ebd., S. 103. 56 Ebd., S. 109.

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Anmerkungen Ebd., S. 112. Traniello / Sofri, Der lange Weg zur Nation, S. 82. Gilmour, Suche nach Italien, S. 166. Traniello / Sofri, Der lange Weg zur Nation, S. 91. Ebd., S. 94. Ebd., S. 67, Lill, Geschichte Italiens, S. 114. Gilmour, Suche nach Italien, S. 168. Ebd., S. 178. 1171 besiegte ein italienischer Städtebund das Heer des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa in der Schlacht bei Legnano. Gilmour, Suche nach Italien, S. 188. Lill, Geschichte Italiens, S. 168. Traniello / Sofri, Der lange Weg zur Nation, S. 141 f. Zitiert nach Gilmour, Suche nach Italien, S. 203 f. Gilmour, Suche nach Italien, S. 207. Zitiert nach Regele, Feldzeugmeister Benedek, S. 338 f. Allmayer-Beck / Lessing, Die K. (u.) K.-Armee, S. 19. Ebd., S. 26. Ebd., S. 54. Craig, Königgrätz, S. 16. Friedrich Engels, Der Italienische Krieg. Rückschau, in: Marx / Engels, Werke, Bd. 13, Berlin (Ost) 1981, S. 429. Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 93 f. Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich, S. 474. Walter Wagner, K. (u.) K. Armee, in: Wandruszka (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie Bd. 5, S. 315. Wawro, Austro-Prussian War, S. 11. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben, Bd. 2, S. 264. Allmeyer-Beck, Die bewaffnete Macht in Staat und Gesellschaft, in: Wandruszka (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie, Bd. 5, S. 47. Regele, Feldzeugmeister Benedek, S. 149 f. Mollinary, Sechsundvierzig Jahre, Bd. 2, S. 106. Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich, S. 256. Allmeyer-Beck / Lessing, Die K. (u.) K.-Armee, S. 68. Mollinary, Sechsundvierzig Jahre, Bd. 2, S. 100. Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung, S. 99 f. Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich, S. 256. Walter Wagner, K. (u.) K. Armee, in: Wandruszka (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie Bd. 5, S. 204 f. Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich, S. 256. Am 18. August 1870 verlor das Preußische Gardekorps bei der Ein-

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nahme der Ortschaft St. Privat westlich von Metz an einem Tag mehr als 8000 Mann, da die Bataillone bedenkenlos in das Abwehrfeuer der mit überlegenen Chassepot-Hinterladern ausgerüsteten französischen Infanterie stürmten. Siehe Michel Howard, The Franco-Prussian War. The German Invasion of France 1870–1871, New York 2001, S. 176. Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 757. Landwehrverordnung, Einleitung, in: Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, S. 49. Walter, Preußische Heeresreformen, S. 311. Brief an den Prinzen August von Preußen vom 5. 7. 1821, zitiert bei Walter, Preußische Heeresreformen, S. 325. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 32. Tristam Hunt, Friedrich Engels. Der Mann, der den Marxismus erfand, Berlin 2009, S. 90. Louis Schneider, Aus meinem Leben, Bd. 1, Berlin 1879, S. 125. Karl Demeter, Das Deutsche Offizierkorps in Gesellschaft und Staat 1650–1945, Frankfurt 1962, S. 12 f. Zitiert nach: ebd., S. 238. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815–1845 / 49, Bd. 2, München 2005, S. 376. Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 4, S. 192. Ebd. Ernst Ludwig von Gerlach, Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795–1877, hrsg. von Jakob von Gerlach, 2. Bd., Schwerin 1903, S. 40. Walter, Preußische Heeresreformen, S. 199 f. Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 4, S. 186. Aufzeichnungen Moltkes über die Ministerkonferenz am 29. Mai 1865, in: Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert. Der Weg zur Reichsgründung 1850–1870, hrsg. v. Hans Fenske, Darmstadt 1977, S. 301. Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 4, S. 199. Helmuth von Moltke, Bemerkungen über den Einfluss der verbesserten Feuerwaffen auf die Taktik, in: von Moltke, Militärische Werke, Abt. II, Bd. 2, S. 49–65. Showalter, Railroads and Rifles, S. 164: „Stabsoffiziere, die versuchten, unteren Offizierdienstgraden der Artillerie Befehle zu erteilen, erhielten als Reaktion oft nur einen formalen Protest und neigten aber dazu, dies eher zu kaschieren, als sich dem Zorn ihrer Generale auszusetzen.

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Anmerkungen Man neigte eben dazu, so wenig Kontakt wie nur möglich mit der Artillerie zu haben.“ Jany, Geschichte der Preußischen Armee, Bd. 4, S. 223. Ebd., S. 239. Bemerkungen und Entwürfe zur vaterländischen Heeresverfassung, in: Militärische Schriften weiland Kaiser Wilhelms des Großen Majestät, hrsg. vom Königlich Preußischen Kriegsministerium, Bd. 2, Berlin 1897, S. 344 f. Blicke auf die Armeen der Großmächte Europas im Jahre 1864, als Übersetzung erschienen in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift III, 1864, S. 197–204. Fiedler, Kriegswesen und Kriegführung, S. 189 f. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben, Band 3, S. 111 f. Showalter, Railroads and Rifles, S. 113. Friedrich Carl von Müffling, Aus meinem Leben, Berlin 1851, S. 18. Moltke, Militärische Werke, Abt. I, Bd. 1, S. 1. Walter Görlitz, Der deutsche Generalstab. Geschichte und Gestalt 1657– 1945, Frankfurt 1950, S. 44 f. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 36. Walter, Preußische Heeresreformen, S. 534. Ebd., S. 507. Karl Demeter, Das Deutsche Offizierkorps in Gesellschaft und Staat 1650–1945, Frankfurt 1962, S. 233–241. Bremm, Von der Chaussee zur Schiene, S. 62. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 93.

II. Entscheidung in nur sechs Wochen – Custoza, Königgrätz, Langensalza und Lissa II. Entscheidung in nur sechs Wochen

1 Marx / Engels, Werke, Bd. 16, S. 172. 2 Brief Rößlers an Max Dunker vom 25. Mai 1866, in: Max Dunker, Politischer Briefwechsel aus seinem Nachlass, hrsg. v. Johannes Schultze (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, Bd. 12), Berlin 1923, S. 412. Tatsächlich bestanden auf habsburgischer Seite seit 1865 Planungen, die in Holstein stationierte österreichische Brigade zusammen mit den Truppen des Königreiches Hannover (= X. Bundeskorps) auf Berlin marschieren zu lassen. Vgl. dazu Allmeyer-Beck, Der Feldzug der österreichischen Nordarmee nach Königgrätz, in: Groote / Gersdorff (Hrsg.), Entscheidung 1866, S. 114.

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Gall, Bismarck, S. 357 f. Zitiert nach Engelberg, Bismarck, Bd. 1, S. 589. Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 443. Schneider, Aus dem Leben Kaiser Wilhelms, Bd. 1, S. 208. Wilhelm blieb lebenslang geprägt von der Niederlage gegen Napoleon (1806) und der Flucht der Königlichen Familie nach Ostpreußen. Vgl. Schulze-Wegener, Wilhelm I., S. 32 ff. Craig, Königgrätz, S. 16. Kessel, Moltke, S. 444. Moltke, Militärische Werke, Militärische Korrespondenz, Dienstschriften 1866, S. 31 ff. Kessel, Moltke, S. 168. Kronratssitzung vom 29. Mai 1865, in: Hans Fenske (Hrsg.), Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert. Der Weg zur Reichsgründung, Darmstadt 1977, S. 301. Das Tagebuch der Baronin von Spitzenberg, hrsg. v. Rudolf Vierhaus, Göttingen 1976 (= Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 43), S. 68, Eintrag vom 28. Juni 1866: großer Jubel in Stuttgart über angebliche preußische Niederlagen in Böhmen. Moltke, Militärische Werke, Militärische Korrespondenz, Dienstschriften 1866, S. 37 ff. Lothar Gall / Ralf Roth, 1848 / 49. Die Eisenbahnen und die Revolution, Frankfurt 1999. Bremm, Von der Chaussee zur Schiene, S. 162 f. Ebd., S. 181. Vortrag beim Monarchen am 14. Mai 1866, in: Moltke, Militärische Werke, Militärische Korrespondenz, Dienstschriften 1866, S. 172. Siehe etwa den Brief des Kronprinzen Friedrich Wilhelm an seinen Vater vom 29. März 1866: „Nicht oft genug kann ich Dir sagen, dass es mir erscheint als ob ein Verhängnis Dich umgebe, welches durch Deine eigene Weisheit und Klarheit leicht verscheucht werden könnte.“ Zitiert nach Müller, Der 99-Tage-Kaiser, S. 73. Nonn, Bismarck, S. 161. Moltke in der Vorbereitung und Durchführung der Operationen, S. 13 f. Müller, Der 99-Tage-Kaiser, S. 36 f. Ebd., S. 72 f. Foerster, Friedrich Karl, Bd. 1, S. 20 ff. Bremm, Von der Chaussee zur Schiene, S. 195. Zitat aus dem Tagebuch von Peter Wilhelm Molitor aus dem Bruderkrieg 1866, in: http: / / www.geschriebene-geschichte.de / 1848–1869 /

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Anmerkungen 1866–1869-deutscher-krieg-tagebuch-peter-wilhelm-molitor.htm (Zugriff am 1. 11. 2015) Shy, Jomini, S. 159. Kessel, Moltke, S. 458. Die Formulierung der Kabinettsordre vom 2. Juni ließ allerdings offen, ob die Befehle von Moltke selbst oder vom Monarchen stammten. Es heißt dort lediglich, dass zukünftig die Befehle über die operativen Bewegungen den Kommandobehörden durch den Chef des Generalstabes „mitgeteilt“ würden. Siehe Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 25: „Das Nachrichtenwesen wurde erst kurz vor dem Krieg in die Hand des mir befreundeten Hauptmann von Brandt gelegt. Wir nahmen einen Ungarn in unsere Dienste, der als harmloser Zeitungskorrespondent in Benedeks Hauptquartier abreiste.“ Schmidt-Brentano, Die Armee in Österreich, S. 263 f. Allmeyer-Beck, Der Feldzug der österreichischen Nordarmee nach Königgrätz, in: Groote / Gersdorff, Entscheidung 1866, S. 126. Wawro, Austro-Prussian War, S. 59. Allmeyer-Beck, Der Feldzug der österreichischen Nordarmee nach Königgrätz, in: Groote / Gersdorff, Entscheidung 1866, S. 135. Ebd., S. 139. Vatke, Mein Sommer unter Waffen, S. 1 f. Zitiert nach Steinberg, Bismarck, S. 344. Gall, Bismarck, S. 363. Müller, 1866, S. 33. Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 30. Müller, 1866, S. 39 f. Bremm, Von der Chaussee zur Schiene, S. 201. Müller, 1866, S. 75 f. Offizieller Bericht über die Kriegsereignisse, S. 5. Müller, 1866, S. 42. Ebd., S. 41. Moltke in der Vorbereitung und Durchführung der Operationen, S. 62. Waldersee, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 24. Moltke in der Vorbereitung und Durchführung der Operationen, S. 62 f. Ebd., S. 63. Offizieller Bericht über die Kriegsereignisse, S. 29. Ebd., S. 30. Müller, 1866, S. 49. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Band 1, S. 296. Rüstow, Der Krieg von 1866 in Deutschland und Italien, S. 143.

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Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 168. Wawro, Austro-Prussian War, S. 67. Bernhardi, Aus dem Leben, Bd. 7, S. 75. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 381. Bernhardi, Aus dem Leben, Bd. 7, S. 59. Ebd., S. 42 f. Schreiben Moltkes an Theodor v. Bernhardi vom 15. 6. 1866, in: Moltke, Militärische Werke, Dienstschriften 1866, S. 225. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 382. Ebd., S. 395. Wawro, Austro-Prussian War, S. 96. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 1, S. 402. Wawro, Austro-Prussian War, S. 123. Gartenlaube, Separatdruck der Nr. 44 / 1868. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 11. Müller, 1866, S. 57 f. Relation der Schlacht von Langensalza, in: Offizieller Bericht über die Kriegsereignisse, Tl. 2, S. 19. Ebd., S. 34. Ebd., S. 43. Moltke, Militärische Werke, Dienstschriften 1866, S. 234 f. Wachenhusen, Tagebuch, S. 17. Anteil des Sächsischen Armeekorps, S. 29. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 120. Tagebuch von Peter Wilhelm Molitor aus dem Bruderkrieg 1866, in: http: / / www.geschriebene-geschichte.de / 1848–1869 / 1866–1869-deutscher-krieg-tagebuch-peter-wilhelm-molitor. htm (Zugriff am 1. 11. 2015) Wachenhusen, Tagebuch, S. 32. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 154. Wachenhusen, Tagebuch, S. 57. Ebd., S. 23. Craig, Königgrätz, S. 62. Hozier, Feldzug in Böhmen und Mähren, S. 7 f. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 98. Hozier, Feldzug in Böhmen und Mähren, S. 15 f. Craig, Königgrätz, S. 64. Wawro, Austro-Prussian War, S. 128. Hozier, Feldzug in Böhmen und Mähren, S. 29 f. Wachenhusen, Tagebuch, S. 45. Ebd., S. 58.

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Anmerkungen Wawro, Austro-Prussian War, S. 126 f. Blumenthal, Tagebücher, S. 30. Creveld, Command in War, S. 124 f. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 62. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 372. Wawro, Austro-Prussian War, S. 150. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 69. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 169. Ebd. Wachenhusen, Tagebuch, S. 61. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 182. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 111 f. Ebd., S. 116. Wachenhusen, Tagebuch, S. 28. Wawro, Austro-Prussian War, S. 179. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 130 f. Craig, Königgrätz, S. 87. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 169. Bremm, Von der Chaussee zur Schiene, S. 211 f. Moltke in der Planung und Durchführung der Operationen, S. 71. Hozier, Feldzug in Böhmen und Mähren, S. 45. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 167 f. Der beauftragte Kurier hatte mit seiner Botschaft zunächst auf halbem Wege auf Schloss Milicowes haltgemacht, wo der sächsische Kronprinz nach seiner Vermutung am Abend eintreffen sollte, hatte dann aber doch, von dem Geschützdonner in Gitschin beunruhigt, seinen Ritt fortgesetzt. Craig, Königgrätz, S. 92. Schneider, Aus dem Leben Kaiser Wilhelms, Bd. 1. S. 226 f. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 23 f. Brief vom 29. 6. 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 745. Schneider, Aus dem Leben Kaiser Wilhelms, Bd. 1. S. 232. Kessel, Moltke, S. 471. Moltke, Militärische Werke, Militärische Korrespondenz, Dienstschriften 1866, S. 239 f. Kaufmann, Kommunikationstechnik und Kriegführung, S. 110. Showalter, Soldiers into Postmasters?, S. 49. Kaufmann, Kommunikationstechnik und Kriegführung, S. 87. Showalter, Soldiers into Postmasters?, S. 50. Buchholtz, Über die Tätigkeit der Feldtelegraphen, S. 743.

II. Entscheidung in nur sechs Wochen 125 126 127 128

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Creveld, Command in War, S. 124. Schneider, Aus dem Leben Kaiser Wilhelms, Bd. 1, S. 226. Creveld, Command in War, S. 125. Wilhelm Rüstow, Die Lehre vom Gefecht. Aus den Elementen neu entwickelt für die Gegenwart und nächste Zukunft, Zürich 1865, S. 490 f. Creveld, Command in War, S. 124. Moltke, Militärische Werke, Abt. 3, Kriegsgeschichtliche Arbeiten, S. 11. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 223. Tagebuch von Peter Wilhelm Molitor aus dem Bruderkrieg 1866, in: http: / / www.geschriebene-geschichte.de / 1848–1869 / 1866–1869-deutscher-krieg-tagebuch-peter-wilhelm-molitor.htm (Zugriff am 1. 11. 2015) Wawro, Austro-Prussian War, S. 204. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 207. Wawro, Austro-Prussian War, S. 205. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 223. Benedeks Entschluss zur Schlacht war somit keine freie Entscheidung, wie es etwa Gordon Craig in seiner Darstellung behauptet (siehe S. 101 f.), sondern durch die Umstände erzwungen und in hohem Maße improvisiert. Dazu auch Regele, Feldzeugmeister Benedek, S. 428. Craig, Königgrätz, S. 105. Wawro, Austro-Prussian War, S. 208. Kessel, Moltke, S. 210. Craig, Königgrätz, S. 104 f. Wawro, Austro-Prussian War, S. 230 f. Hozier, Feldzug in Böhmen und Mähren, S. 65. Ebd., S. 68 f. Craig, Königgrätz, S. 110. Vgl. die Angaben bei Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 229 f. Regele, Feldzeugmeister Benedek, S. 429. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 242. Craig, Königgrätz, S. 112. Ebd. Craig, Königgrätz, S. 124. Wawro, Austro-Prussian War, S. 227 f. Blumenthal, Tagebücher, S. 34. Wawro, Austro-Prussian War, S. 236. Craig, Königgrätz, S. 137. Tagebuch von Peter Wilhelm Molitor aus dem Bruderkrieg 1866, in:

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Anmerkungen http: / / www.geschriebene-geschichte.de / 1848–1869 / 1866–1869-deutscher-krieg-tagebuch-peter-wilhelm-molitor.htm (Zugriff am 1. 11. 2015) Anteil des Sächsischen Armeekorps, S. 201 f. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 488 f. Kessel, Moltke, S. 481. Craig, Königgrätz, S. 175 f. Anteil des Sächsischen Armeekorps, S. 261. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 629. Zitiert nach Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 277. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 41 f. Ebd., S. 42. Craig, Königgrätz, S. 179. Kessel, Moltke, S. 482. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 344. WartenslebenCarow, Erinnerungen, S. 42, spricht allerdings nur von einer zweitägigen Waffenruhe. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 345. Kessel, Moltke, S. 483. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 45. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 375. Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 181. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 1, S. 699 f. Craig, Königgrätz, S. 182. Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 466. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 64. Müller, 1866, S. 163 f. Wachenhusen, Tagebuch, S. 195. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 377. Fiedler, Kriegswesen und Kriegsführung, S. 219. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 348. Müller, 1866, S. 161. Wachenhusen, Tagebuch, S. 215. Ebd., S. 213. Wartensleben-Carow, Erinnerungen, S. 61. Rechenschaftsbericht von 1867, zitiert bei Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 160. Müller, 1866, S. 117. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 261. Müller, 1866, S. 123. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 278. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 205 f.

II. Entscheidung in nur sechs Wochen 192 193 194 195 196

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Ebd., S. 209. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 380. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 281. Zitiert nach Buschmann, Niederlage als retrospektiver Sieg?, S. 127. Zeitgenössischer anonymer Bericht über die Geschehnisse vom 10. Juli, in: Kampf im Kurgarten. Bayern und Preußen im Gefecht am 10. Juli 1866 in Kissingen, Hausen, Winkels und Nüdlingen, Bad Kissingen 2009, S. 21. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 112. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 176. Brief des Kaisers Franz Joseph an seine Gattin vom 23. 7. 1866, zitiert nach Rumpler, österreichische Geschichte, S. 401. Fontane, Der deutsche Krieg, Bd. 2, S. 181. Lettow-Vorbeck, Geschichte des Krieges von 1866, Bd. 3, S. 244 f. Tagebucheintrag vom 26. 7. 1866, zitiert nach Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 278. Telegramm an Botschafter von Usedom v. 3. 7. 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil 1, Bd. 3, S. 748. Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 183 f. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 423. Instruktion vom 25. 7. 1866 an Botschafter von Usedom in Florenz, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 773. Wawro, Austro-Prussian War, S. 278 f. Ortner, Seekrieg in der Adria, S. 54. Bernardi, Aus dem Leben, Bd. 7. S. 218. General Karl Moering, Tagebucheintrag vom 27. 7. 1866, in: Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 278. Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 184. Wawro, Austro-Prussian War, S. 280. Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 184. Zitiert nach Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 451. Ortner, Seekrieg in der Adria, S. 45. Ebd., S. 51. Ebd., S. 54. Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 467. Oliver Warner, Große Seeschlachten, Frankfurt 1963, S. 190 f.

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Anmerkungen

III. Die Neugestaltung Mitteleuropas III. Die Neugestaltung Mitteleuropas

1 In: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 757. 2 Brief an seine Frau vom 2. Juli 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 747. 3 Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 448 f. 4 Craig, Königgrätz, S. 177. 5 Brief an seine Frau vom 11. 7. 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 761. 6 Hildebrand, No Intervention, S. 136 f. 7 Pflanze, Bismarck, Teil 1, S. 316. 8 Nonn, Bismarck, S. 170. 9 Instruktion an Botschafter Robert von der Goltz vom 9. 7. 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 754. 10 Gespräch mit Arthur Graf von Seherr-Thoss am 8. Juli 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 753. 11 Pflanze, Bismarck, Teil 1, S. 306 f. 12 Gall, Bismarck, S. 369. 13 Pflanze, Bismarck, Teil 1, S. 318. 14 Roon, Denkwürdigkeiten, Band 2, S. 461 15 Erinnerung und Gedanke, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil A, Bd. 8, S. 318. 16 Brief Roons an seine Frau vom 17. 7. 1866, in: Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 464 f. 17 Gall, Bismarck, S. 359. 18 Ebd., S. 360. „Bismarck bestritt sofort jede Beteiligung und versuchte das Ganze als eine eigenmächtige Initiative des Gesandten hinzustellen.“ 19 Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 507. 20 Blumenthal, Tagebücher, S. 47. 21 Brief Roons an seine Frau vom 13. 7. 1866, in: Roon, Denkwürdigkeiten, Bd. 2, S. 462. 22 Moltke, Militärische Werke, Bd. 6, S. 496. 23 Randbemerkung Wilhelms I. zu Bismarcks Denkschrift vom 24. 7. 1866, Gedanke und Erinnerung, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil A, Bd. 8, S. 323. 24 Immediatbericht: Gründe für den raschen Abschluss der Verhandlungen mit Österreich, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 770 f. 25 Erinnerung und Gedanke, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil A,

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Bd. 8, S. 322: „In mein Zimmer zurückgekehrt, war ich in der Stimmung, dass mir der Gedanke nahe trat, ob es nicht besser sei, aus dem offen stehenden, vier Stock hohen Fenster zu fallen.“ Gall, Bismarck, S. 368. Craig, Königgrätz, S. 183. Brief des Kaisers Franz Joseph an seine Gattin vom 23. 7. 1866: vgl. Zitat auf S. 224. Craig, Königgrätz, S. 184. Brief an Gustav von Alvensleben vom 5. 5. 1859, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil II, Bd. 2, S. 275. Instruktionen für Manteuffels Mission nach St. Petersburg, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 784 f. Robert Graf von der Goltz am 11. 8. 1866 an Bismarck, in: Hermann Onken (Hrsg.), Die Rheinpolitik Kaiser Napoleons III. von 1863 bis 1870, Bd. 2, Osnabrück 1967 (= Neudruck der Ausgabe von 1929), S. 51. Telegramm an Generalleutnant von Manteuffel in Sankt Petersburg vom 11. 8. 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 797. Zur russischen Position 1866 / 67 siehe auch Kolb, Russland, S. 183–219. Privatschreiben an Graf Eulenburg vom 16. Juli 1866, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil I, Bd. 3, S. 764f: „Die Proklamierung der Reichsverfassung kann als letztes Mittel in einem äußersten Fall gegen Frankreich uns nützlich werden, wenngleich sie materiell nur mit einer gründlichen Revision für uns brauchbar ist.“ Gall, Bismarck, S. 382: Bismarck „sah, dass in seiner Zeit von allen denkbaren Möglichkeiten eine parlamentarische Mehrheit die beste Grundlage für eine starke und aktionsfähige, auch gegenüber der Krone und ihrem jeweiligen Träger vergleichsweise unabhängige Existenz bot.“ Engelberg, Bismarck, S. 619. Zitiert nach Robert William Seton-Watson, Britain in Europe 1789– 1914. A Survey of Foreign Policy, Cambridge 1945, S. 48. Brief vom 1. 2. 1856 an Leopold von Gerlach, zitiert nach Hildebrand, No Intervention, S. 113. Brief vom 5. 7. 1862 an seine Frau, in: Bismarck, Werke in Auswahl, Teil II, Bd. 2, S. 440. Engelberg, Bismarck, S. 518 f. Der Autor bezweifelt allerdings die Authentizität der Aufzeichnungen des sächsischen Diplomaten, die – wie erwähnt – erst 20 Jahre später erschienen sind. Zum Konzept der „Pax Britannica“ siehe Hildebrand, No Intervention, S. 32 ff.

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Anmerkungen

42 Bericht vom 18. 11. 1864, zitiert bei Valentin, Bismarcks Reichsgründung, S. 248. 43 Brief vom 28. 3. 1866, zitiert in: Hildebrand, No Intervention, S. 75. 44 Hildebrand, No Intervention, S. 145. 45 E. W. Ellsworth, The Austro-Prussian War and the British Press, in: The Historian 20, 1957 / 58, S. 182. 46 Hildebrand, No Intervention, S. 145. 47 Baumgart, Bismarck und der Deutsche Krieg, S. 106. 48 Hildebrand, No Intervention, S. 148 f. 49 Ebd., S. 165. 50 Henry Richard Charles Wellesley, 1st Earl of Cowley am 30. 7. 1866 an John Arthur Bloomfield, zitiert nach: Hildebrand, No Intervention, S. 171. 51 Zitiert bei Schüssler, Königgrätz, S. 81. 52 Robert Musil, Werke, Bd. 9, Reinbek 1978, S. 1042. 53 Hauptartikel der Neuen Freien Presse vom 5. Juli 1866: „Wir haben eine große Schlacht verloren und werden die Folgen einer entscheidenden Niederlage zu tragen haben.“ 54 Briefwechsel mit Ludwig August Frankl, zitiert bei Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 359. 55 Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 359. 56 Zitiert nach Buschmann, Niederlage als retrospektiver Sieg?, S. 134. 57 Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 193. 58 Hamann, Habsburger und die deutsche Frage, S. 225. 59 Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 369. 60 Schüssler, Königgrätz 1866, S. 81. 61 General Karl Moering, Tagebucheintrag vom 29. 7. 1866, zitiert bei Wandruszka, Schicksalsjahr 1866, S. 281. 62 Brief vom 26. 7. 1866, zitiert bei Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 367. 63 Franz Grillparzer, Sämtliche Werke, 1. Bd., Stuttgart 1878, S. 164. 64 Bauernfeld an Moritz Hartmann am 7. 8. 1867, zitiert nach Rumpler, Österreichische Geschichte, S. 409. 65 Buschmann, Niederlage als retrospektiver Sieg?, S. 132. 66 Hamann, Habsburger und die deutsche Frage, S. 226. 67 Wandruszka, Großdeutsche und kleindeutsche Ideologie, S. 119. 68 Heinrich Lutz, Österreich-Ungarn und die Gründung des Deutschen Reiches, Frankfurt 1979, S. 32. 69 Zitiert nach Regele, Feldzeugmeister Benedek, S. 479. 70 Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 212.

III. Die Neugestaltung Mitteleuropas

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71 Scott W. Lackey, The Rebirth of the Habsburg Army. Friedrich Beck and the Rise of the General Staff, Westport 1995, S. 26 ff. 72 Allmayer-Beck, Der stumme Reiter, S. 218 f. 73 Neue Freie Presse vom 1. 1. 1871. 74 Hamann, Habsburger und die deutsche Frage, S. 228. 75 Antwort an Anastasius Grün, zitiert bei Friedjung, Kampf um die Vorherrschaft, Bd. 2, S. 367. 76 Schüssler, Königgrätz, S. 81. 77 Ebd., S. 82. 78 Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen, S. 481. 79 Ebd., S. 482. 80 Ian Kershaw, Hitler 1889–1945, München 2009, S. 59 f. 81 Hamann, Habsburger und die deutsche Frage, S. 230. 82 Bericht vom 21. 8. 1897, zitiert nach Hamann, Habsburger und die deutsche Frage, S. 228. 83 Günther Steinbach, Der Traum vom Reich, in: Martin Haidinger / Günther Steinbach, Unser Hitler. Die Österreicher und ihr Landsmann, Salzburg 2009, S. 103 ff. 84 Gall, Bismarck, S. 382. 85 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 792. 86 Carl Amery (Christian Anton Mayer), An den Feuern der Leyermark, München 1979. 87 Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, München 1984, S. 604. 88 Artikel „Deutschland“, in: Herders Conversations-Lexikon, Bd. 2, Freiburg 1854, S. 364. 89 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 714. 90 Schulze, Der Weg zum Nationalstaat, S. 106. 91 Ebd., S. 117. 92 Nonn, Bismarck, S. 175 f.

Abbildungsnachweis Alle Karten: Peter Palm, Berlin akg-images: S. 2 / 3, 49, 66, 119, 182, 244, 245, 252; bpk Berlin: S. 16, 195, 253, 278 / 79; interfoto: S. 92, 141, 234, 240; Lars Zacharias: S. 205; picture-alliance: S. 107, 113; WBG-Archiv: S. 25, 227

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Personenregister Kursiv gesetzte Ziffern verweisen auf Abbildungsunterschriften. Bei Otto von Bismarck sind lediglich die Verweise auf Abbildungen aufgenommen.

Adenauer, Johann Konrad 7 f. Adenauer, Konrad 8 Albert von Sachsen, Kronprinz 156, 169, 175, 178, 189, 192, 200, 202 Albini, Augusto 237 f. Albrecht, Erzherzog von ÖsterreichTeschen 40, 71, 105, 134 f., 138 ff., 162, 171, 209 f., 232, 264 Alexander II. von Russland 36, 221 Alexander von Hessen und bei Rhein, Prinz 129, 134, 212, 215 ff., 219, 224 f., 227 Allmeyer-Beck, Johann Christoph 71 Alvensleben, Gustav von 40 Amery, Carl (Christian Anton Mayer) 273 Ancillon, Friedrich 34 Appiano, Karl von 202 Arentschildt, Alexander Carl Friedrich von 127, 130, 149, 151 Armellini, Carl 59 Arnim-Boitzenburg, Adolf Heinrich Graf von 45 Arndt, Ernst Moritz 17 Auersperg, Anton Alexander Graf von (Pseudonym: Anastasius Grün) 263, 265

Personenregister

August von Württemberg, Prinz 163 Augustenburg-Sonderburg (norddeutsches Adelsgeschlecht) 44, 47 ff. Bahr, Hermann 270 Balbo, Cesare 51, 56 Bamberger, Ludwig 256 Bandiera, Attilio 55 Bandiera, Emilio 55 Bauernfeld, Eduard von 265 Baumgarten, Alois 188 Beck-Rzikowsky, Friedrich Graf von 119 f., 187 f. Benedek, Ludwig August Ritter von 71, 75 f., 117 f., 119, 120, 159, 162 f., 169, 171 ff., 181, 186 ff., 192, 194 ff., 203 f., 205, 207 ff., 262 f. Benedetti, Vincent Graf 248, 255 Bennigsen, Rudolf von 126, 256 Bernhardi, Theodor von 134 ff. Bernstorff, Albrecht Graf von 104 Bethusy-Huc, Eduard Georg Graf von 256 Beust, Friedrich Ferdinand Graf von 267

Personenregister Beyer, Gustav Friedrich von, preußischer General 124, 126, 215, 217 f., 221 Biegeleben, Ludwig Freiherr von, österreichischer Diplomat 266 Bismarck, Herbert von (ältester Sohn Bismarcks) 41 Bismarck, Otto von 2 f., 49, 195, 244, 252 Bixio, Nino, italienischer General 142 Blaas, Julius von 141 Blanckenburg, Moritz Karl Henning von 35 Bleibtreu, Georg 195 Blücher, Gebhard Leberecht von 82, 198 Blumenthal, Karl Konstantin Albrecht Leonhard Graf von 112, 164, 198, 251 Bonin, Adolf von, Kommandierender General des I. Preußischen Armeekorps 166 ff. Bonin, Eduard von, preußischer Kriegsminister 87, 89 Bothmer, Ludwig Friedrich Ernst von, hannoverischer Offizier und Brigadekommandeur 149 Boyen, Hermann von, preußischer Kriegsminister 81, 83, 85, 105 Brignone, Filippo 142 Bruck, Karl Ludwig Freiherr von 78 Brück, Gottfried 201 Buch, Marie von 41 Bülow Graf von Dennewitz, Friedrich Wilhelm Freiherr von 82, 104 Bülow-Stolle, Oberst von, hannoverischer Offizier und Brigadekommandeur 149 Buol-Schauenstein, Johann Rudolf Graf von 19 f.

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Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf von 34, 36 f., 69 f. Buonarroti, Filippo 53 Canning, George 21 Carlo Alberto Amadeo, König von Sardinien-Piemont und Herzog von Savoyen 56, 58 f. Carolath-Beuthen, Elisabeth Fürstin zu 41 Casati, Gabrio 58 Cavour, Camillo Benso Graf von 51, 53, 60 ff. Cerale, Enrico 141 Christian IX., König von Dänemark 43 f. Christian August von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg, Herzog 44 Cialdini, Enrico 136, 138, 144, 230, 232 Cincinnatus, Lucius Quinctius 66 Clam-Gallas, Eduard Graf von 156 ff., 162, 169, 175 f., 178 f. Cohen-Blind, Ferdinand 103 Cowley, Henry Richard Charles Wellesley 1st Earl of 262 Crenneville, Franz Maria Johann Graf Folliot von 118 D’Azeglio, Massimo 50, 56 f., 60 Delbrück, Rudolf von 9, 46 Depretis, Agostino 236 Derby, Edward Geoffrey Smith-Stanley, 14th Earl of 261 Derby, Edward Henry Stanley, 15th Earl of 257 Disraeli, Benjamin 258 Dreyse, Johann Nikolaus von 90 ff., 92 Drouyn de Lhuys, Édouard, französischer Außenminister 255

308

Personenregister

Eckermann, Johann Peter 273 Edelsheim, Ludwig Freiherr von 216 Edelsheim-Gyulai, Leopold Freiherr von 157, 176 f., 188 Elisabeth von Österreich(-Ungarn) 221, 224 Engelberg, Ernst 37 Engels, Friedrich 70, 84, 103 f. Ernst August I., König von Hannover und Herzog von Braunschweig-Lüneburg 126 Eugen, Prinz von Savoyen-Carignan 69 Eulenburg, Friedrich Albrecht Graf zu 256 Eulenburg und Hertefeld, Philipp Fürst zu 270 f. Ewing, Hugh Boyle 181 Eynatten, August Friedrich Freiherr von 75 Fabeck, Hermann von 129, 216 Ferdinand I. 53 Ferdinand Max, österreichischer Erzherzog 234, 234 Ferrari, Giuseppe 50 Festetics de Tolna, Tassilo Graf 190, 192, 197 Fließ, Eduard Moritz von, preußischer General 129 f., 132, 147 f., 150, 215 ff. Fontane, Theodor 27 Francesco II. (letzter König von Neapel und Sizilien) 64 ff., 136 Frankl, Ludwig August 263, 265, 268 Fransecky, Eduard von, preußischer General und Divisionskommandeur 170, 195 ff. Franz Joseph, Kaiser 47 f., 62, 68, 75 f., 119, 134, 154, 187 f., 208,

224, 228, 231 f., 246, 250, 252 f., 263, 265 f., 276 Franz I. 17, 253 Franz II. (siehe auch Franz I.), letzter Kaiser des Hl. Röm. Reiches, seit 1804 als Franz I. auch Kaiser von Österreich 15, 16, 141 Friedjung, Heinrich 263 Friedrich II. (genannt der Große) 10, 80, 105, 108 f., 153, 175, 202 Friedrich Franz II. von Mecklenburg, Großherzog 215, 245 Friedrich Karl, preußischer Prinz und Heerführer 85, 95, 113 f., 157 ff., 163 f., 168 f., 171 f., 175 ff., 181, 187, 189, 191 ff., 199 f., 204, 207 f. Friedrich von Baden, Großherzog 215 Friedrich Wilhelm (Preußischer Kronprinz und als Friedrich III. 1888 Deutscher Kaiser) 112, 113 Friedrich Wilhelm I. von HessenKassel 28, 125 Friedrich Wilhelm III. von Preußen 20, 80, 86, 97 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 28 f., 33, 38, 91 Funder, Friedrich 269 Gablenz, Ludwig Freiherr von 105, 123, 164, 166 ff., 172 ff., 207 f., 247 Gall, Lothar 9, 272 Garibaldi, Giuseppe 55, 59 f., 62, 64 f., 66, 153, 229, 232 Gärtner, Friedrich von 221 Georg V. (letzter König von Hannover) 126, 129, 131 f., 146 f. Gerlach, Ernst Ludwig von 29 f., 87 Gerlach, Leopold von 29 f., 32, 38, 258

Personenregister Gioberti, Vincenzo 55 ff. Gioia, Melchiorre 51 Gneisenau, August Graf Neidhardt von 81, 98 Goeben, August von, preußischer General und Divisionskommandeur 105, 115, 124, 127 f., 130 ff., 214, 217, 221 f., 225 ff. Goeben, Wilhelm von 127 Goethe, Johann Wolfgang von 273 Goltz, Robert Graf von der 45, 247 Gondrecourt, Graf Leopold 162 Görres, Joseph 17 Gortschakow, Alexander M., russischer Außenminister 39, 246, 251 Govone, Giuseppe, italienischer General und Diplomat 142, 228 ff. Gregor XVI., Papst 54, 56 Greß, Kurt 145 Grillparzer, Franz 69, 265 Grivicic, Georg 173 f. Groener, Wilhelm 88 Grolmann, Karl von 85, 98 f., 101 Grün, Anastasius (siehe Auersperg) Grünne, Karl Ludwig Graf von 69, 71, 74 Gyulai, Franz, Graf 69 f., 75, 156, 169 Haffner, Sebastian 9 Hardenberg, Carl August von 21 Hartung, Ernst 139 f., 142 Hasselhorst, Johann Heinrich 227 Haugwitz, Christian August, Graf von 169 Heine, Heinrich 34 Heinrich I. 146 Heinrich IV. 27, 146 Henikstein, Alfred von 118, 188 Herwarth von Bittenfeld, Karl Eber-

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hard, Befehlshaber der preußischen Elbarmee 115, 153, 156, 161, 169, 189, 191, 196, 201 f., 204, 211 Heß, Heinrich Freiherr von, Generalfeldmarschall 68, 71, 74 ff., 143, 267 Hildebrand, Klaus 10 Hiller von Gaertringen, August, preußischer General und Brigadekommandeur bei Waterloo 202 Hiller von Gaertringen, Wilhelm, preußischer General und Divisionskommandeur 202 ff. Hindenburg, Paul von 88 Hitler, Adolf 8, 270 Hoffmann, Wilhelm 18 Hohenlohe-Ingelfingen, Karl August Prinz Kraft zu / von 74, 95, 97 Horn, Heinrich von, preuß. General und Divisionskommandeur 159 f., 195 Hoste, William 239 Hozier, Henry M. 157, 193 f. Huber, Ernst Rudolf 20 Jhering, Rudolf von 12 Johann, Erzherzog 24 John, Franz, österreichischer General und Chef des Stabes der Südarmee 134, 138 ff., 144 f., 264 Jomini, Antoine Henri 116 Karl, Prinz, Generalfeldmarschall 131, 215, 218, 221, 225 Karl, Erzherzog 69, 71, 118 Karl der Große 15 Karl II., Herzog von Braunschweig 18, 21 Károlyi, Aloys Graf 42 Klapka, Georg 249 f., 267 Klopp, Onno 131

310

Personenregister

Knesebeck, Ernst von, hannoverischer Offizier und Brigadekommandeur 148 Kotzebue, August von 19 Krauseneck, Johann von 98, 100 Krismanic, Gideon 118 ff., 159, 163 f., 171, 173 ff., 178, 187 ff., 192 Kübeck, Aloys Freiherr von 123 Kuhn, Franz Freiherr von 229, 262, 267 La Farina, Guiseppe 63, 65 La Marmora, Alfonso 61, 136, 138 ff., 171, 229, 249 Lasker, Eduard 256 Leopold, Erzherzog 171 f. Liebig, Justus 220 Loftus, Augustus, Lord 28, 122, 124, 260 Lorenz, Josef 73 Louis Napoleon 37 ff., 48, 59, 61 f., 65, 74, 88, 133, 209, 214, 231, 246, 248, 272 Ludwig II. von Hessen und bei Rhein 215 Mameli, Goffredo 60 Manin, Daniele 58 Manteuffel, Edwin von, preußischer General und Befehlshaber der Mainarmee 27, 111, 123 ff., 127 f., 147, 214 ff., 218 f., 254 Manteuffel, Otto von, preußischer Ministerpräsident 29, 31, 33, 37 f. Manzoni, Allessandro 51 Maria Theresia 118, 134, 144 Marie Valerie, Erzherzogin 270 Maroicic, Joseph 140, 142 Massenbach, Christian Reichsfreiherr von und zu 96 f.

Mastai-Ferretti, Giovanni Maria (siehe Pius IX.) Maximilian, Kaiser 263 f. May, Karl 273 Mazzini, Giuseppe 54 ff., 66, 142 Mecklenburg-Strelitz, Karl von, Herzog 81 Mensdorff-Pouilly, Alexander Graf von 47, 123, 211 Metternich, Clemens Wenzel Fürst von 15, 19 ff., 24, 36, 52, 58, 254 Miquel, Johannes von 256 Moering, Karl 207, 228, 232 f. Molitor, Wilhelm Peter 115, 154, 186, 200 Mollinary von Monte Pastelli, Anton (Anton von Mollinary) 76 f., 197 ff. Moltke, Helmuth von 2 f., 29, 48, 71, 90, 96, 98 ff., 105 ff., 107, 108 ff., 120, 123 f., 127 ff., 134 ff., 147, 152, 158 f., 163, 165, 168, 172, 174, 177, 180,f., 183 ff., 190 ff., 194, 195, 196 f., 205, 206, 208, 214, 221, 230, 251 Mommsen, Theodor 277 Moritz, Eduard 129 Müffling, Friedrich Karl von, genannt Weiß 82, 99 Münster-Meinhövel, Graf Hugo Eberhard von, preuß. General und Divisionskommandeut 153 Musil, Robert 262, 271 Napier, 9th Baron of Merchistone, Francis 7, 260 Napoleon I. 15, 17, 51, 79 f., 82 f., 87, 93, 96, 115 ff., 127, 146, 191, 247, 255, 261, 274 Napoleon III. (siehe Louis Napoleon) Neipperg, Erwin Graf von, österreichischer General 226 ff.

Personenregister Nezbeda, Eduard 240 Nipperdey, Thomas 9, 11, 272 Orlowka, Katharina 180 Otto I. 15 Palacký, Frantisec 266, 269 Palmerston, Lord 258 f. Pellico, Silvio 54 Pellion Graf / de Persano, Admiral Carlo 230 f., 236 ff. Pergler von Perglas, Carl Freiherr von 225 Perthes, Clemens Theodor 11, 104, 248 Pettinengo, Ignatio 136 Pforten, Ludwig Freiherr von der 219 Pianell, Giuseppe 141 Pius VII., Papst 51 Pius IX., Papst 56 f., 59 Poschacher, Ferdinand, österreichsicher General 160 Puls, Ludwig 140 Radetzky von Radek, Josef Wenzel Graf 58, 68 ff., 74, 76, 132 ff., 139, 199 f. Radowitz, Joseph Maria von 29, 31, 39 Ramming, Wilhelm Freiherr von 75, 164 ff., 172 Rauscher, Othmar von, Wiener Erzbischof 263 Rechberg, Johann Graf 32 f., 44, 46 f. Reimer, Georg 257 Reyher, Karl Friedrich von 98, 100, 109 Reynier, Jean Louis 104 Ribaupierre, General von 221 Ringelsheim, Joseph 177

311

Robert Stewart Viscount Castlereagh, 2nd Marquess of Londonderry 21 Robespierre, Maximilien 53 Rocca, Enrico Della 140, 142 f. Rodakowsky, Maximilian von 140 Rodic, Gabriel 139, 142 f. Roon, Albrecht von 11, 27, 49, 94 f., 104, 106, 110, 113, , 244, 248, 251 Rossi, Pelligrino 59 Rößler, Constantin 103 Rühle von Lilienstein, Otto, preußischer General 98 f. Rupprecht, Friedrich 139, 141 Russel, John 258, 261 Rüstow, Wilhelm 64, 132, 184 Saffi, Aurelio 59 Sand, Karl Ludwig 19 Savigny, Karl Friedrich von 123 Scharnhorst, Gerhard von 80 f., 84, 96 ff., 106 Schleinitz, Alexander Graf von 39 ff. Schlieffen, Alfred Graf von 35 Schneider, Louis 104 f., 179 Schöler, Theodor Alexander von 156, 169, 196 Schönerer, Georg Ritter von 270 Schultze-Delitzsch, Hermann 276 Schwarzenberg, Felix Fürst zu 28, 31, 35, 43, 69 Seherr-Thoss, Arthur Graf von 247 Sell, Christian 2 f. Sherman, William T. 181 Siemens, Werner 182 Sophie, Erzherzogin (Mutter des Kaisers Franz Joseph) 266 Steinmetz, Karl Friedrich von, kommandierender General des V. AK 165 f., 171 f., 187, 199, 204

312

Personenregister

Sterneck, Maximilian Freiherr von 239 Strauss, Richard 65, 263 Sybel, Heinrich von 277

Vogel von Falckenstein, Friedrich Karl Eduard, Erster Befehlshaber der Mainarmee 125, 127 ff., 151, 185, 212 ff., 221

Tann, Ludwig, Freiherr von der 131, 221 Tegetthoff, Wilhelm von 230 f., 233 ff., 238 f. Temple, Henry John (siehe Palmerston) Thoma, Hauptmann 223 Thun und Hohenstein, Karl Graf von 190, 192, 199, 204 Thun und Hohenstein, Friedrich Franz Graf von 34 Tommaseo, Niccolò 58 Treitschke, Heinrich von 257, 277 Tümpling, Ludwig Karl von 177 Türr, Stefan 249

Wachenhusen, Hans 153 f., 156, 161, 170, 174, 210 f. Wagner, Richard 270 Waldersee, Alfred Graf 214 Wallenstein, Herzog Albrecht von 169, 171, 176 Wangenheim, Karl Ludwig von 20 Wehler, Hans-Ulrich 8 Wellesley, Henry Richard Charles 1st Earl of Cowley (siehe Cowley) Wellington, Arthur Wellesley, 1st Duke of 99, 198 Welsersheimb, Otto 144 Weltzien, Peter von 214 Werder, August Leopold von 177, 195 Wilhelm von Baden (Prinzregent) 88 f., 91, 94, 216 f. Wilhelm I. (preußischer König) 2 f., 27 f., 38 f., 43, 101, 104 f., 110 f., 113, 116, 130, 177, 179, 191, 195, 196, 206, 213, 250 ff., 254, 260 Wilhelm II. von Hessen-Kassel, Kurfürst 19, 21 Winkler, Heinrich August 9 Wohler, Friedrich 220 Woronzew, Michail S., Fürst von 215 Wrangel, Friedrich, Graf von 88, 114, 217, 222, 225, 267

Umberto, Kronprinz 142 Urs de Margina, David 237 Usedom, Karl Georg Graf von (preußischer Botschafter in Florenz) 249 Vacca, Giovanni 237 Varnhagen von Ense, August 29 Vatke, Ernst Friedrich Theodor 121 Verdi, Giuseppe 59 Victoria, Queen 112, 260 Villiers, George William Frederick, 4th Earl of Clarendon 260 Vittorio Emanuele I. 53 f. Vittorio Emanuele II. 64 f., 135 f., 232 f. Vitzthum-Eckstädt, Carl Friedrich Graf von 258 Vivenot, Alfred von 210 Voigts-Rhetz, Konstantin von 159, 171, 191, 210

York, Johann David von (später: Graf York von Wartenberg) 80, 87 Zelinka, Andreas 264 Zoller, Oskar von, bayerischer General 221 ff.

Über den Autor Klaus-Jürgen Bremm hat über ›Militär und Eisenbahnen in Preußen‹ promoviert, war Militärhistoriker an der Universität Osnabrück und ist ausgewiesener Spezialist für die Kriegs- und Technikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Zuletzt erschien von ihm ›Das Zeitalter der Industrialisierung‹ (2014) und die vielgerühmte Darstellung ›Die Schlacht. Waterloo 1815‹ (2015).

Über den Inhalt Am 3. Juli 1866 schlug Preußen in der Schlacht von Königgrätz das Heer der Österreicher und der verbündeten Sachsen vernichtend. Es war der kühl kalkulierte Triumph Bismarcks, der entscheidende Schritt auf dem Weg zum Deutschen Reich. Es war aber auch der Abgesang auf den Traum der deutschen Einheit. Anlässlich des 150. Jahrestages schildert Klaus-Jürgen Bremm Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen dieses Krieges.