Zur Philosophie der Kunst. Philosophische und kunstphilosophische Aufsätze [First ed.]


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Zur Philosophie der Kunst. Philosophische und kunstphilosophische Aufsätze [First ed.]

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GEORG SIMMEL •ZUR PlilLOSOPHIE DER KUNST

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ZUR PHILOSOPHIE DER KUNST PHILOSOPHISCHE KUNSTPHILOSOPHISCHE AUFSATZE

UND

VON

• GEORG

SIMMEL

-

DRITTES BIS VIERTES TAUS END

GUSTAV

POTSDAM KIEPENHEUER

VERLAG

Herausgegeben von Gertrucl Slmmel Alle Rechte, bcaonclen du du Ohcnctiung, vorbehalten. Copyright J922 by Guatav Klcpcnhcuet Verlag A.-G„ Potsdam.

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FRAU GERTRUD KUPFFER GEWIDMET

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BÖCKLINS LANDSCHAFTEN ,.Um de bin Ort, noch wen'cu eine Zdt;"

Der Reu der Sommermittagatunde liegt darin, daß das Schlafen und Unbewegtaein um um herum auch uns selbst einwiegt und ruhtJ es ist die Natur in uns, die das Schicksal alles Natürlichen zu dieser Stunde miterlebt, mituruht. Und nun zugleich doch die Empfindung des dgeaen Lebendigseins, des schlagenden, fühlenden, auf und ab schwingenden Herum 4ber all dieser Ruhe der Natur. Der große Pan schläft, und so schlafen auch wir, mit und in ihm, - und doch sind wir ein Genießendes, ein Subjekt gegen4ber all diesem Objektiven. Das ist die Stimmung-, die wir aus Bac:klia.sLandschaften schöpfen. Indem sie die Seele in innigste Verwandtschaft mit diesem natürlichen Sela., mit Pflaa..ien und Tieren, mit Erde und IJcht einweben, entfessela. sie sie doch ihm gegenüber zum Gef4hl der Pers6nlichkeit mit all ihrer Seele und ihrer Freiheit, von der jene blo.Bangeschaute Welt nichts wdß, zu dem lebendigen, pochenden Ich, das in seiner Einheit alles das einsduürft, was die Natur im bio.BenNebeneinander ausbreitet, und so seinen geh.ebnenGegensatz an der Natur finde\ mit der es noch soeben zu verschmdua. schien. Nicht socbenJ zugleich ist Bddes, und in dieser Spannung, in dieser 01.iillierung, in diesem Ineinander von Bindung und Befreiung- geg-enüber der Natur im Raume erzeugt sich der Gef4hlston seiner Landschaften. Es ist, als hätte sich mit ihnen ein Stück jener ursprünglichen Einheit der Dinge in die Erscheinung- hinein.gerettet, aus der sich der bewußte Geist und die unbewußte Natur erst, nach entgegengesetzten Seiten hin, entwickelt haben, und ..ls bemahte sich

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B6c:kßm Landachaftcn

cl!e Seele, zwischen &ddai Polen hin- und herbewegt, aie wieder ~ der verlorenen Emheit zusammco.ium&pfm. Sp&,.ou verlangt von dem Philoaophen, daß er cl!e Dinge sul, spede actemitatia betrachte, das hdßta rdll nach ihrer inneren Notwendigkeit und Bedeutsamkeit, loa„ &"ehundenvon der ZufäWgkeit ihta Hier und Jetzt. W am man eine Leistung clea GeWues mit clcmdben Worten deuten darf, wie die cleaVentasicla, so wirken B6cklia1 Bilder, als oh wir ihren Inhalt, m cl!e Sphäre solcher Zeitlosigkeit verscut, amchautenJ als ob der rdlle ideelle Gehalt der Dinre, rel6st von Jederhistorischen Aurenl,Iicklichkdt, jeder Be-Ziehungauf ein Vorher und Nachher, vor UDS stiilclc. Alles ist wie m den Auren&Jicken cles Sommermittags, wo cl!e Natur den Atem aahllt, wo d~ Zeitverlauf rer&mt. Es ist nicht cl!e Ewigkeit im Sume einer unermeßlichen Dauer, also nicht Ewigkeit im religi6sen Sinne, m deren Sphäre wh UDS hier f6hlca; sondern einfach das Aufh6ren der zeitlichen Beuchunren, wie wir ein Naturgesetz ewig nennen, nicht weil es schon so lange besteht, sondern weil seine Geltung mit der Frage des Früher oder Später 4herhaupt nichts zu tun hatJ eine Ua.her4hrtheit durch V ergaogenheit und Zukunft ist die Zeitlosigkeit, mcl!euns Backlia.trägt, - cl!esel&e, mit der wir den Eindruck s&cl!talienischerLaoclac:haftca manchmal deuten k6a.n.en und die dort wohl aus der Geringfügigkeit der Temperatur und V qetationauntenchiede des Jahres entsteht. Mit der clcutschenLandschaft schwebt, als Reiz, Verlangen, Eria.n.eruag, ihr. Gegenhild mit, clcr Sommer mit dem Win.tcr, der Herbst mit dem Frühling, sie wird als ein Moment einer Reihe ua.a&isiderlicher V eriilcleruagenempfunden-B6ckffasBäume machen nicht den Eindruck von solchen, cl!e zu an.derer Jahresuit weniger oder mehr Lau& hal,en, die ergtW1en oder a&&littern;der Moment, m dem er ue darstellt, mar es ihr erstes Knospen, ihre Mittagsh6he oder ihr herbst-

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B6ckllm Landac:haftcn

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liches V ergehen scla, ist ihre Ewigkeit. Die Ruinen, die er malt, etimicm me ao das, was de vor ihrem Zusamme.nbruch und ihrer V crwittctull&' waren. Sint ut aunt aut a.on aio.t. 1a. der Ua.witklichkdt sdn.cr F abdwesen kommt diese OberzdtUchkdt adn.cr Amchauungco, dieser Gerca.sau zu Allem, was maa. im wdtcstea. Sina.e historisch nca.a.en k&mtc, a.ur zum schnellsten Ausdruck. W ca.a.•ca damoch irgend cia.e uitattire Bestimmung fGr ihn. geben soll, so ist cas Jurend. Dca.a. unter allen Lcbca.saltcm nähert sich die Jugend in ihrem Empfinden am meisten der Zdtlos1gkdt, wdl sie die Bcdeutua.g der Zeit a.och mcht kamt, wdl sie mit dieser als mit da.er Macht ua.d einer Grenze a.och nicht rechnet. Darum ist die Jurend so eminent unhistorisch, sie mißt die Dinfe am Unendlichen, gel6st voa. den einschtinkenden Bedia.runren .idtlicher WirklichkdtJ sie allein kca.a.t jeae schwellenden, übcrgrdfenden Tage, in denen maa. alle V ergaa.rcnhdt noch zu erhoffen, alles Zukunftsglückes sich schoa. zu ctina.em glaubt• Das ist die Stimmua.r B6cklinischer Landschaft. +

Maa. k&mte neben der Un:dtlichkdt sorar von da.et Unrlumlichkeit seiner Landschaft sprechen. Sonst erscheint in Landschaften der Raum als die zusarnml'!t;lhaltendc Form des Gao:co, als das Schema, das allen la.halt in sich zwinrt und a.ach sich bestimmtJ der entschieden regliedute Raum, die Raumg-estalt ritde bleiben, auch wca.a.der raa.ustoffliche, farbige Iohalt vcnchwla.dc, und rroße Landsehafter habm gerade diesm logischen Zwang des Raumes, diese Sdbstla.dirkdt seiner· Gestaltung zu betontem Ausdruck gebracht und von ihm. als festrehaltenem Ia.teresscn:mtturn aus das Gaou der Landschaft aufgebaut. Diese Gewalt du tlumlichcn Form 6bcr •dm Inhalt des Landschaftsbildesist bei B6cklin v6llig verschwunden. 1a. dem Ernpfindungskornpla, den seine

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BacJdfu Landichaftca.

Laa.dschaftm ausl6sm. spidt dasräum1icheSchema kdne dynamische Rolle. Kant sagt dornal, der Raum wirc nichts, als die M6g-Uchk.dtdes Nebmdnandersciu der Dinge. So erscheint er bd B&klin im Gegensati zu dm „ldassischco" Laodschaftmi die bloß iu.BerUcheArt, wie die Dinge a.ebm dnaoder stehen, das aa. sich nichtige Medium uod die bloße ,.M6glichk.dt", imlerhalb dcrea. sie ihre inneren wesentlichen Be.dehuogea. tu aa.schauUchem Ausdruck: briogen k6a.a.eo. Wie unsere Gefühle, Liebe und Ha.B, Freude uod Schmen, ~ar imlerhalb des Raumes sich abspielen, als seeUsche, intensive Vorgäa.ge aber nichts vom Raume wissen, auf den sie erst so.iusaren a.achtrirlich bezogen werden, so stehen BackUnsLandschaften m ihrem Stirnmuogseffekt, ihrem wirkenden W am, fea.sdts der drd Dimeosioa.m des Raumes, wie sie feosdts der dnm Dimeosioa. der Zeit steheo. Diese Eo.triickthdt aus allea. bio.BeoRdatioa.ca., allem Bedia.gteo.,aller Bindung und Ber,ea.zuog durch da. Außerhalb, trägt das Gdühl voo Freiheit, das wir sda.co Bildem gegcoüber rca.icsseo, das Auftauchen, Aufathm.eo, Abschüttda. alles Druckes, mit dem die Bcdingthcitco uod Rück.sichten, die Nah- uod Femwitkuogco des Lebens uos niederhalten. Gewiß ist diese 16sendc, er16seodcWirkung nicht ihm allda., aondem feder h6herca. Kuost überhaupt eigeo. Allda. ich rlaube nicht, da.Bman sie einem aodcrco Landsehafter regeoüber m dieser Stärke uod Reinheit empfindet. Wer ein Kunstwerk aus Menschen bildet, eotfemt sich, mehr oder weniger bewußt, von der Umnittdbarkeit, dem Wechsel, der Zufäl1ig-keitdes da..idoeo gegebenen Momentes; auch dem sorcoana.tco RcaUstco gegenüber empfindco wir, daß er uos von der remcinen Realität des Mea.schco entfemt, - mao wüßte sonst a.icht, welches Interesse diese Noch-da.mal-Wirk.Uchkdt auf der Lda.waa.d hätte, da wir doch aa. der da.ca. schon reichlich genug haben. Der Prozess .der Erhebuor,

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B6ekßna Laadachaftm

der Katharsis, der Abstraktion, wirkt beim Menschenbildnis mit großer Sicherhdt und Deutlichkdt, wdl wir hier dasjenire gut kennen, über das es sich eben erhebt, von dem es um erlöst. Wir wissen zu genau die Äußutichkdt, V erräa.flichkeit, Unentwickdthdt der menschlichen Wirklichkeit, um nicht ihre Idealisierung - wemi ich der Kürze .halber das fragwürdige Wort brauchen darf - als Befreiunr und srlösenden Aufschwung zu empfinden. Dieses Bedürfnis, das zur künstlerischen Dustdtunr des Menschtichen treibt, ist der untermensch-: liehen Natur gegenüber im allgemeinen nicht vorhanden. Sie, voll der wir nicht eben so viel verlangen, wie vom Menschen, bleibt auch nicht so wdt da.hmtu zurück; wdl wir nicht ihre Sprache sprechen und sie nicht zu deuten wissen, wie den Menschen, erscheint sie uns auch nicht so der Idealisierung fähir, nicht so bedürftig der Er16suog durch die Kunst, wie jener. Die Landschaft enthält vielmehr schon in ihrer unmittelbuen Wirklichkeit ein der Kunst verwandtes .Element voll Sdbstrenugsamkdt und Unberührtheit, durch das sie uns imlerlich befreit, unsere Spannungen löst, um über die Befangenhdt im momentanen Schicksal hinaus erweitert, - wie denn das Naturwesen in viel h6herem Maße als der Mensch schon an und für sich ein Typus seiner Art ist. So verlangt es uns der Landschaft gegenüber wenirer nach künstlerischer Darstellunr, und wo diese geleistet wird, hebt und befrdt sie uns nicht in dem Maaße, wie es die Darstellung des Menschen vermöge der unreheuren Distanz tut, die zwischen ihrer H6he und der Wirklichkdt des Lebens liegt. Weil das Böcktin dennoch gdiogt wir treten mit ihm in eine freie, erl6sende Luft, eine reinlichste Zdte, fühlen uns mit sicherem Schwunge über die dumpfe Wirklichkdt der Dinge hochgetraren, - hat er mit der Landschaft jene psychologische Wirkung erreicht, die sonst nur dem Bildnis menschlichen Seins zu-

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Backllm Ludachaftea

kam. Freilich auch Poussin und Clau~ Lottain hahaa an da Landschaft den Abstraktions- und ldcaUsiaunra-. prou.8 vorgenommen, du gldchsam ihren lcfuaa-~t tdn zum Ausdruck bringt und von du Einiclnheit und Grdfbarkeit des Wirk&hen ach bewu.Btabwendet. Allem aie hahaa diesen Gewiml mit dem Verlust ferUcher Iotimiti.t ihrer Laadschaftm bezahlt. Sie hehaa um allc:rdings 4ber die Wirklichkdt hinaus, aber In den luftleeren Raum, während B&k1in um In die Tiefen unseres hmcnten Her.um erhebt. Die Erl&UDI"und Befrehmr von du Ea.re und Dumpfheit da Wirklichkdt hat erst m adnen Landschaften da'entlichen Gef4hlawert erworben. + Hätte das Prisma Sehkraft, ao w4rde ihm das weiße Licht versagt sein, das es vielmehr nur In adnen gesonderten Bestandteilen aufnefunen k6mite; die innere Ein.hdt,m der diese f4r dne andereAnachauungsweiae eziatiuea, k6nnte es nur ahnen, aber f4r die Erkenntnis wlte es mg auf die nachtrigliche Kombination du Elemente angewiesen, in die es, sdner Konstitution folgend, jene Einheit cnt zerlegt hat. Das ist das Loos umerea gdstigen Aures, und nicht dnmal dem menschlichen T u:n und dem eigenen Gem.4te, den Eindr4cken und Empfindungen gegenüber ist ihm dn Verständnis anders gewährt, a1a daB es sie a1agem.iachtaus mehreren Gefühlsdementen beerlffe, während wir doch von ihrer Einhdtlichkdt innaUchst durchdrungen sind. Wt widerspruchsvollen, drentlich dnander ausschlidlendcn Eigenschaften beschrdben wir, was wir doch a1a unmittelbar Eines, a1arerensdtiges Durchdrio.ren jener Elemente f4hlea, und wenn du tiefsinnige mittelalterliche Philosoph die h6chste röttliche Einheit als die coincidcntia oppositorum ansprach, a1adas, worin alle Gerensltu du Dinge sich treffen und einen, so wird man auch die Einheit da Mcnschenwerkea und adner Wirkung oft nicht anders ausdrücken k6mim, als

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B6ckliu Landachaften

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da8 masi sich widersprechende Elemente in. ihr begegnen täSt. Ic:h wüte die in sich v61lig-einhdttic:hc Stimmung der meisten Backlinischen Landschaften nicht anders zu bezeichnen, denn als 1ebcmfrcudige Mdancholie, wie man umgekehrt die Stimmunr Chopins als mdanc:holisc:he Lebensfreude charakterisieren k6nntc. Uns modernen Mcmchea, deren Leben, Empfinden, Wertschätzen, Wollen in. unü:bfig„ Gegensätze auseinander gegangen ist, die &cständig zwischen dnem Ja oder Ncia, dncm Ja und Ndn stehen und ihr Innenleben ebenso wie die W dt auier sich in sc:hatf differenzierte Kategorien fassens uns erscheint es als dn Wesentliches jeder großen Kumt, cla.ß sie Gegensitze vereine, unberührt von der Notwendigkeit dncs Entweder-Oder. So seheo wir hl der Praxis der Gegenwart in der Rqe1 jeden Menschen darauf aa, ob er klug oder dumm ist. Der Intellekt ist cin.e Kategorie, auf die hin wir jeden priifcn. ob sie ihn dn- oderausschficSt, und auch h:t. dem Eindruc:k, den die kiinstlcrische Darstellung eines modernen Menschen auf uns macht, wirkt die Erscheinung seht.er Intellektuafität &cstimmend mit. Dagegen stehen etwa die Gestalten der griec:hischcnPlastik jenseits dieses Gegensatzes;. wir machen uns aicht klar, ob sie klug „der dumm sind, wir fmdm sie hicrh:t.dem Ja und dem Nein rldc:hmäSig, ich machte sagen rtcichgiiltig gegenüber. So mt.dchen sich Tide weibliche Aktfiguren der Antike der Kategorie Midchm oder Frau, - sie sind unberührt durc:h diesen Gegcmat~ h:t. den das moderne Empfinden jede weibliche Gestalt zuv6rdcrst stdft. So stehen die weiblichen Figuren Michdangdos gewissermaßen jenseits von Minnlic:h und W eiblic:h, sie stellen cin.ebloße Mensc:hlic:hkcit dar, die h:t. die Dfflcrmzierung der Gesc:hlechter noch nicht dngetauc:ht ist odc.r sich iibcr sie hinausgerungeo hat. Bac:kfinsKunst zeigt dn neues jenseits I von Wahr und Unwahr. Die Frage, mit der wir sonst an

B6ck1lo1 Landachaftea

jede Dantdlung von Ohjeküvem herantretau deckt sie: sich mit cfcr Wirklichkeit ocfc:r nicht? verstummt ihm gegmübc:r. Nicht emc: bewußte: Abkc:ht TOD der wahthdt wirkt in ihm, keine: Flucht vor der gememm Witklichkdt der Dinge:; der Rc:u solchen V erhaltc:m, der Opposition gegen das Reale, ad nicht geleugnet, und Schiller hat mit aemer V erhc:ttlichung dcasc:o, was sich nie:und nimm.er hat bc:gc:beo,diesem acheum Idealismus, der nur von der Wirklichkeit wegsehen, der wissend nicht wissen will, sein Denkmal gesetzt. Allein diese: V c:meinunr des Wirklichen ist immerhin ein positives V erh11tnis zu ihm, ebenso wie:es der Realismus hat, nur mit umgekehrtem Vorzeichc:o.Backlin gegenüber aber ist dic:Altc:mativc::realistisch oder nicht realistisch? überhaupt falsch gc:stdlt. Auf die: Prarc:, ob sie:nur in einem Geiste:leben oder em Gc:gmbild in der Wirklichkeit haben, antworten seine:Werke: ao wenig, wie: wenn man den Ton fragen wollte, ob er schwarz oder weiß ist. Unzählige: von den F arbeo, Formen, W aeo, die:Bac:klin uns zeigt, hat a sicher niemals gc:gc:bca.und keine: innere: Wiedergeburt anschaulicher Erfahtungm trägt ihre: Bedeutung fia unser Empfinden. +

Es rc:h6tt zu dc:rinnc:rc:nGeschlossenheit, dem v6lligc:n V erzieht auf c:in Hinausweiac:!l des Gc:Hihla über sich hinweg, daS seine: Landachaftc:o, mehr als alle: anderen, von denen ich wc:iS, Einsamkeiten sind. Auch hier nicht das bc:wuSte, als Absicht hervortretende: Abweisen des DrauSmlic:gendeo, das doch immu eine:Rücksicht darauf, wenn auch eine: vc:mc:inmde, ist. DaS diese:Wiesen und Sdiluchten, diese: Wildc:r und Gestade: von anderm Mmschc:n hc:1c:btwären, als er etwa selbst hindosc:tzt, kommt gar nicht in Frage:; jede liegt m emu Dimension für sich, in die: man also übc:rhaupt aus andc:ren Dimensionen nicht gdangm kann, wie:.weit man auch in diesm wandere:. Ihre: Einsamkeit ist nicht, wie: bei anderc:n

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B6cklina Landacha:ften

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Landschaften, dn zufälliges So-sdn, das .zufilJir auch einmal anders sdn könnte, sondern dne innere, weaentUche, un16sbar mit ihnen verknüpfte Eirmschaft. Sie sind wie jene Mmschm, deren unwandell,ares, ihrer Natur eingeprägtes Schicksal es ist, ,,einsam" zu sdn, Die Einaamkeit verliert hier ihren bloß negativen, ausschließenden Charakter; sie ist dne aus sich sdbst erkennbare T6nung dieser Landschaftm, auf die wir nur, weil uns dn unmittelbar verständlicher Ausdruck dafiir fehlt, mit dem V erneinungsworte Einsamkeit hinweisen k6nnen. In dieser Sdbstgenugsamkeit seiner Kunst liegt vielleicht der Grund, weshalb wir die W underlichkdten und zeichnerischen Unvollkommenheiten seiner Figuren weniger peinlich empfindtn, als wir a irgend dnem anderen gegenaber täten. Sie sind eben ,,sich selbst ein Gesetz". Sdne W dt hält alles, was außerhalb ihres Rahmens liegt, in solcher Distanz, daß man sie und dieses A.ttdere gleichsam nicht in einen Blick einfassen kann und so die Kontrolle des Einen am Attdern weniger selbstverständlich als sonst vollzieht. In dieser - wenigstens fiir das uomittdbare Gefühl - v6lligen Aufhebung aller Bezugnahme auf alles Drau.Benbdhrt sich die B6cklinische Kunst mit der Musik. Auch sie hat zwar sicher, wie jene, die W urzdn ihrer Kraft in greifbaren Wirklichkeiten und dm unmittelbaren Empfindungen, die sich an diese knüpfen; aber wie jene • hat auch sie die Bezugnahme darauf v61Ug gd6st und schwebt nun in dner Gefühlsh6he, die durch kdne begreifbare V ermtttlung mehr mit den W ahrndu:nungs- und Empfindungstatsachen verbunden ist, derm feinste Sublimirung sie schließlich doch nur datstdlt. Niemand kann die Wege mehr nachzeichnen, auf dmm unser Gefiihlsvermögen von der primitlven Sinnlichkeit und Niedrig.kdt seiner Ettegungsgr6nde zu dem Genuß der h6chstentwickelten Musik aufgestiegen ist, der scheinbar jeden V abindungsfaden mit der sinnlichen Wirklichkeit da Lebens

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B6cldlu L&lldadaaftm



abgeac:hmttai hat. Als dn so ungeheures Gc.hdmnia lkht dieses al,gd6ate F&--aich-sein der Musik da, daß man es begreift, wie Schopenhauer sie v61Jir aus der Reihe da Erklärbaren, fa der Kiimte 4berhaupt herauanehmai und sie zum umnittdbarai Spiegel und Ausdruck da metaphysischen W esem der W dt machen komatc. Vidldcht hat niemals eine andere Kunst vor B6cklin so nahe an dkses ritsdhafte W csai der Musik herangerdcht, das sie, wie Schopcohaucr sqt, als dn so r~ vertrautes und doch ewig fremdesParadies an UDS vorGber%1chaa 118t. Niemals vielleicht außu in der Musik hat die Stimmung so sehr ihre Materie verzehrt. Wo sonst ein Gefühl TOD anschaulichen Gebilden getragen wird, da sind diese doch noch Etwas für sich, sie haben noch eine greifl:,are &isteu und Sinn Jenseits der Stimmung, die uns aus ihnai entregeokommt. Nur für die Musilr: ist diese Selbständigkeit des Stoffes venchwundaiJ hier drückt er nichts mehr aus, was noch TOD ihm trainl,ar wire, neben dem er eine Exi.stem, wenn auch nur als Erdair'8t, führte. Diese Zweiheit hat die Musik 4bcnnmden, sie ist nicht mehr ein Ausdriickendes und .dn Ausgedriicktcs, sondern. sie ist ganz und pr nur Ausdruck, nur Sinn, nur Stimmung. Uodsowcnigmmsiedcsbalb,indrmSinoandaer Kimste, nach ihrer Wahrheit fragen kann, so wenig kann an B6ddins Landschaften diese Frage gestellt werden. Dmo diese Quellm und Felsen, diese Haine und Wiesen, ja diese Tiere und Hall,üere und Menschen hal,en kein Sein, keine Wirklichkeit weiter, außer als T riger einer Stimmung, sie am.cfv61Jir in diese eingegangen, wie der Brmostoff in die Flamme, und nel,a,. ihr hal,ea sie nichts, was an einer Wirklichkeit außer ihr meßbar wäre. So leben sie, wie in UDS das Bild eines geliebten, lange dahiogegangcnai Maischen, das längst jeden Schatten einer Wirklkbkdt abgestreift hat und restlos in dem Gd4b1 aufgeht, mit dem es uns uf6llt.

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ROM EINE ASTHETISCHE ANALYSE

Der tiefste Reiz der Sch6nhdt liegt vielleicht dann, da.B sie immer die Form von E1emaitm ist, die an sich gl,ichgültig und sch6nhdtdremd sind und erst durch ihr Bdcinander ästhetischen Wert erwer&m; er fehlt dem dn-iclnen Wort, wie dem einulnai F arbenfragment, dem Bausteht wie dem Ton, und nur wie eh1 Geschenk, das sie von sich alleht aus nicht verdimcn, kommt über diese Einulhdtm das formmde Zusammensein, das ihre Schönheit ausmacht. Da.B wir die Schönheit als eine geheimnisvolle Gunst empfinden, als etwas, das die Wirklichkeit eigmtlich nicht beanspruchen, sondern nur als eine Gnade demlitig hinnchmm kann - das mag sich auf jene ästhetische Indiff ercnz der Elemente und Atome der Welt grlindcn, von denm ehtes nur in der Beziehung zum andern, das andre aber nur in sehter Beziehung zu jenem die Schönheit trägt, so da.B sie zwar auf ihnen, a'ber doch auf kehtem von ihnm haftet. Dieses Wunder nun sind wir gewohnt, entweder an der Natur sich begeben zu sehen, deren mechanische Zufälligkeit ihre Elemente ebenso zur Schlinhdt, wie .zur Häßlichkeit formt: oder an der Kunst, die ebendieselbm von vornher-ein um des Schönheitszweckes willm zusammenführt. Ganz seltm begegnet ein drittes: da.B Menschen•erke, zu irgend welchen Zwecken des Lebens ge.schaffcn, sich clarül,u hinaus zw Form der Schönheit zusammmfhtdcn, so zufällig, in ihrem Zusammm ao wenig von einem Willen zur Schönheit gelutet, wie Naturgebilde, die überhaupt von keinem Zweck wissen. Fast allein alte Städte, die ohne vorbedachtm Plan erwachsm sind, bieten der

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Rom

lsthetischea. Form solchen lahalt; hier stellen Gehild~ die menachtichen Zwecken entstammen und nur als V erk6tperung von Geist uod Willen enchdom, durch ihr Zusammentreffen einen Wert dar, der gau jenadts dieser Absichten Uegt und als dn opus superc,ogationis iu ihnen himukommt. Derselbe glückUche Zufall, der die Linien da Berg-e, die Farbe der Meere, die Venwda'ungea. der Bäume nach unserm äath.eüachea.Becliirfniuen gestaltet. bewährt sich hier an einem Material, das schon in sich dem Zufall entriickt ist, schon in sich Zweck und Geist trägt, wenngleich nicht den der Schönheit; so etwa, wie die menac:hlichenHandlungen, rani von der Einielheit und Enge ihrer Ziele geleitet und erfüllt, sich dennoch zur Verwirklichung des g6ttUchen W dtplanes zusarnrn,:nfmden,von dem sie nichts wissen. In dem t6mischen Stadtbilde scheint solches glücklich. zufällige Zusarnrnenwachsen mensc:hlicherZweckgehilde zu neuer, ungewollter Schönheit seinen h6chsten Reiz zu gewinnen. Hier haben unzählige Generationen nebeneinander und übereinander geschaffen uod gebaut, Jede v611ia'unbekümmert, Ja oft v61Ur verständnislos gegen das was sie vorfand, ausschUeSUchdem Bedürfnis des Tages und dem Geschmack oder du Laune der Zeit hingegeben; der reinste Zufall hat entschieden, welche Gesamtform sich aus dem Früheren und dem Späteren, dem V mallenden und dem Erhaltenen, dem Zusammenpassenden und dem Dissonierenden ergeben soll. Und da das Ga.nie dennoch von so unbegreiflicher Einheitlichkdt geworden ist, als hätte ein bewußter Wille seine Elemente um der Schönheit willen zuaammmgeführt, so · erwlchat nun die Macht sdnes Reizes wohl aus diesem weiten und doch vers6mitu. Abstand twischen der ZufälUgkdt der Teile und dem lsthetischen Sinne des Gamen; darin Uegt die beglückende Gewlhr, da.Balle Smo.tosigkeit und Disharmonie der Weltelemente ihren Zusammenschluß zu der Form

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Rom.

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1ch6ner Gandicit iücht hJndert. Das gau UnverglcichUche da Eindruckes von Rom ist, daS die Ahstinde der Zdtm, der Stile, da Pers6o.Uchkcitm, der Lel,aisinhaltc, die hier ihre Spuren hinterlassen haben, so wdt gespannt sind, wie nirgemds In der W dt, und daß diese dennoch In eine Einheit, Abgestimm.thdt und Zusammengeh6rigkcit verwachsen, wie nirgends In der W dt. V ersucht man, die lsthetische Wirkung Roms psychologisch .iu urgliedan, so mwdet man von allen Richtungen hu auf diesem Zentrum, auf das zunlchst sein äußerliches Bild hin.idgts daS aus dm gr6Sten Gegensäuen, In die sich überhaupt die Geschichte der h6herm Kultur gespalten hat, hier dne v611ige,orgaiüsche Einheit da Eindrucks geworden ist.• Wie es das W am des Erkennens ist, aus dm fragmentarischen und isolierten Empfindungm der Sinne ein verstindlich .iusammmhängendes W dtbild .iu formen; wie es der Sittlichkeit obliegt, die .iusammenhangslosm oder antaronistischen Interessen In eine Einheit zu versöhnen; so ist es eines da let.iten Motive isthetischer Befriedigung, In der auscinanderstrehmden Fülle da Eindrücke, Ideen, Anregungen Einhdt .iu entdecken oder .iu schaffen. W cnn es überhaupt da, ja vidldcht der tidstg-elegme Zug des MenschUchen ist, aus da ursprünrlichm Vielheit der Dinge und Vorstellungen ein dnheitlicha Zusammmreh6rm In der Seele .iu gewinnen, so ist vidldcht alle Kunst nur eine besondere Art und Farm. In der uns dies gdm.rt, nur einer der Wege von iuSerer - oder auch innerer - Vielheit zu • Ich darf die Tdlc von Rom, die von ununtcrl,ro~aia Modcmitlt und ebco■o unuotabrocheon Abacheußc:bkdt amd, gau auBa Betracht luaco, dCDDale llerco ,um Gl&ck daß ale das Frcmdco bd dolga Vonlcht vahlltol■ml.Sig wenig taDrfcrco. Ich hatte Rom. ,utcut vor mehr ata ,wautr Jahrai rc■chm und fand a letit In_ du Hauptsache wmlga valodert. ala die allrcmcloc Mclouog l■t.

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Rom

imieru Einheit, und die Bedeutunr Jecfa Kunstwerkes w4chac in dem Maße, in dem die Vielheit scmer Be~en, seines Materials, scma Problemktdsa Tieffacher UAd die Einheit, in die a sie zu baru:im. wdS, enger, blftiger, einheitlicher ist. All der Spamiung zwüchm der Vielheit und der Einheit der Dinge, die das Kunstwerk zur Amchauung und Empfindung bringt, w4tde sich so seine ästhetische W erth6he messen. In solchem Sinne wirkt Rom wie ein KW1Stwerkh6chater Ordnung. Das hebt an mit seinem Stra8enhi1d, wie es durch die HügeUgkeit des Terrains bestimmt wird. Fast allenthalben stehen die Gebäude in dem Gegeo.aeitigkeitsverhlltnh von Oben und Unten. Dadurch weisen sie mit ganz anderer Bedeutsamkeit aufeinander hin, als wenn sie in einer Fläche, bloß nebeneinander, U.geo., Vielleicht ist dies du grundlegende Reiz du bergigen Landschafts jedes Oben hat seine M6glichkeit als solches nur durch das Unten, Jedes Unten nur durch das Oben; dadurch treten die Teile des Ganzen in eine unvergleichlich enge Beziehung, seine Einheit, die hier wie überall ja nur in du W echadwirkung der Teile besteht, wird unmittelbar anschaulich. Wo die Elemente der Landschaft in einem Niveau liegen, sind sie gegeneinander gleichgültiger, jedes hat gleichsam seine Lage für sich, während sie ihm dort durch das andere bestimmt wird. So gelingt es der Form, in du Rom sich aufbaut, die Zufälligkeit, Gegensätzlichkeit, Ptinzipienlosigkeit innerhalb seiner Baugeschichte in eine anschaulich enge Einheit überzuführen; durch das Oben und Unten werden den wirren Linien des Stadthildes bestimmte Directiven geliehen, als deren zusammengeh6rige T rägu nun alle Einzelheiten erscheinen. In gleicher Richtung wirkt die Dynamik des romischen Stadtlebens: seiner ungeheuren Lebendig-keit kann kein Element, wie antik, fremdartig, nutzlos es sei, sich entziehen. Auch das Widerstrebendste wird in diesen S~ hineingezogen. Das Einbauen· alter

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Rom

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ui1d iltester Reste in spätere Baulichkdteo iat symbolisch odu in erstarrtet Form da.uell,c, was die Dynamik des t6mlschcn Lebcm in flidender darhicteti der Aufl,au dnct eigenen Lebeosdnheit aus unermdUch differenten Etemmten, die durch die Weite ihter Spa.nnUDg' die Kraft jener Einheit iu einer sout mrgmds ureichten Amchaulic.hk:eit bringen. Deshalb whkt auch in Rom alles das, wofür man leider nur den Ausdruck Sehenswürdigkeit hat, nicht wie anderswoi als isolierte, jenseits da Ö'bdgcn liegende, besonders herv0tgehobene Interessenpunkte, die sich allenfalls auch irgendwo anders befinden k&mtcn; sondern es sind Glieder des Ganten, von denen jedes mit jedetDt durch die übergreifende Einheit Rom verbunden, in organischem Zusarnrncnba.ng steht. Deshalb wirkt auch der typische Vergnügungsreisende in Rom stilwidriger und unerträglicher als sonsta weil seine Aufmerksamkeit nur den dnulnen ,,Sehenswfirdigkeitcn" als solchen gilt, so daß ibm die Summe derselben gleichbedeutend mit Rom ist, was ebensoviel besagt, wie wenn er einen 0tganischen K6tper der anatomischen Summe seiner Glieder g1eichseute und an dem Lebensproiesse selbst vorbeiginge, far den jedes Glied nur ein Organ seiner alles ergreifmden, alles durchstr&:nmden, alles beherrschenden Einheit ist. Er empfindet nicht die Scbanhdt zweiter Potenz. die sieb aus und übet den Schanheitm in der Einiahl aufbaut. Die V erschmeltung da Differcntesten zur Einheit, die das räumliche Amchauungsbild Roms charakterisiert, gewinnt eine nicht weniger wirkliche Wirksamkeit in der Form der Zeit. In ganz eigenartiger, schwer zu beschreibmder Weise empfindet man hier das AuJereinander du Zeitea. zu einem Mit- und Ineinander zusarnrn"'11wachsen. Man hört das so aussprechen, daß einem in Rom die V crgangenheit zur Gegenwart würde, oder auch umgekehru daß einem die Gegenwart so traumhaft, über-subjektiv, beruhigt wird, als wäre es eine Vergangenheit. Damit dr&ckt

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Rom

man nur von verschiedenen Seiten her aus, was an alch keine versc:hiedenen Seiten hat, die Zdtloairkdt, die Einheit da Eindruckes, die das mJtschwebende, nur von dem tdlc:ktiacndm Verstande getragme Pnihet oda Spiter nicht auseinanderrdSen kann. Gewiß schwdrt die:V ontdlunr des gachichtlichen V erlaufa der Dmrc: niemals in Rom. Ahc:r das W undc:rl,uc: ist, da..Bauch hic:r, im Zdtlichc:n, cUe Elemente: nur deshalb so weit ausdnandc:rgc:tric:baa scheinen, um cUeEinheit, zu der sie: dc:nnoch zusamrncarehm, um so kräftiger, ein.dringlichc:r,umfassender zu uigc:n. Wie: hic:r die Reste: der alten Zc:it in ihrer Zc:rst6rung und durch sie: c:in.eneue: Form gewonnen habc:a, so wirkt die: libc:rall anldingc:nde Vorstellung ihrc:s u:itUchm AuSerc:inander nur als eine rlc:ichsam ästhetische Niiancc: ihres Gegenwartsbilda; die Kontinuität der Zdtm, die fortwihrc:nd das Bc:wußtsein.in Rom anschaulich afiillt, verhindert die Isolierung da uitlich Getrennten regc:neinandc:r; dadurch gc:winnc:odie: Dinge ein gemeinsames Niveau, auf dem sie skh rein nach ihren sac:hlichen Inhaltc:o gegc:nübcrtrc:ten. Gerade durch die: ungeheure: Ausdehnung der Zeiträume, die man liherschaut, wird für das c:inzelne Ding der Gesichtspunkt der Zeit ganz irrelevant, es erscheint nicht mehr in sc:ine ic:itlichc:o V c:rhiltnisse rc:bannt, so da..Bes nur mit c:inemHineinvc:rsc:tic:o in. diese genießbar wlirde, sondc:rn a gc:winnt, in das Ge~amthild von Rom hin.dngeiorc:n, eine:v6llia' unmittelbare: Lebmdigkdt; alla Historische wirkt zwar in diac:r mit, aber nicht so, da..Bes den Gegenstand zu c:inc:rabgaondcrtc:n Antiquitit, dm Zusammmhinren der Gegenwart entrückt, macht, sondc:rnindem er in die Einheit von Rom da.tritt, wukt er ganz nach seiner sachlichen inhaltlichen Bcdc:utunr - als ob alle:Zufillia'keit dc:r Geschichte vaac:bwundm und die: reinm, gc:16stenInhalte: der Dinge platonisch gaprochens ihre: Ideal - hervor- und nebeneinander träten.

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Rom

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Diese nur aonähemd in Worte zu fauencle Empfindung ist vielleicht die letite Grundlage Jena tiefen Satzes von F'euet1>ac:haRom wiese jedem seinen Plati an. Du Einz,:lne, der sich seiner innerhalb dieses Gesamtbildes bewu.Bt wird, verliert die Position. die ihm sein enger, abgac:blossenu, historisch-sodalc:r Kreis zugebilligt hat, und sieht dch pl6ulich eingeordnet und mitlebencl in einem System ungeheuer maooigfaltig-er Werte, an dem er. sich gleichsam aac:hlichzu messen hat. Es ist, als fiele in Rom alles von um . ab, was zeitliche Bedinguna-en an um f&r und gegen den dg'entlichen Kern unsc:rea W esena 1etan haben. Wir selbst empfinden um ebCQSO auf unsere rein innerliche Kraft und Bedeutsamkeit reduziert, wie die Inhalte Roms es sind. Seiner vc:reinhdtlic:hendenKraft, die über alle Abgründe der Zeit hinweg alle Dinge in ein Gesamthild bringt, k6nnen wir selbst uns Dicht entziehen, wir stehen sc:hließlic:h,wie losgebunden von all~ Jetit und Hier, in derselben Distanz vor.~ wie alle r&wschen Dinge. Wir würden uns schlmeo, hier eine Ausnahmestellung zu beanspruchen. Was uns sonst so oft den Plau verbirgt, der uns nach der Kraft, Weile und Stimmung unserer Seele zukommt: die Zufälligkeiten du Zeit, die Exagg-uationen ebenso wie die Bedringnisse unsuu historischen Stellung, die uns isolieren und die Brücke zu unserer inneren Heimat versperren, - dies fillt in Rom fort, denn hiu, wo alle uitlich-resc:hichtlichen Bedingungen in ihrer ganzen Größe und zugleich in ihrer ranun sc:hließlic:hen Nichtigkeit erscheinen, gelten uns die Dinge - und wir mit ihnen - nur nach dem Maße ihres drensten, zeitlosen sachlichen Wertes. So weist uns Rom wirklich unseren Platz ao, wihrend der, den wir sonst innerlich einnehmen, so oft gar nicht unser, sondern der unserer Klasse, unserer einseitigen Sc:hicbale, unserer Vorurteile, unserer egoistischen IDusionen ist. Daß dies alles fillt, geht schließlich auf jenen einen, das ganu Bild von Rom

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z-.

bdlcrtachcadca zunickt cUe ungckeure Einbdt da llamügfaltla'ea, die durch die w.tte Spamtuaa' ihrer Elemente nicht Uttiuea ~ soodcm ccrade an dieser die UnTergldchl:icbkc:itihrer Kraft entfaltet. Wie der Hltume Reiz alter Stoffe darin beruht, daß aber alle Gq-cositu da Fathm die gcmdnsam.cn Sc:&icbalc,Sm,na,schdD -cl Schatten, Fcuc.htc uod Ttodtcohdt so Tida Jahre eine somt uncttdchbare Einheit und Vcn6mltbdt gemacht habau so m6c:hte man sa.geu, daß das Fcmste uod Fremdeste f6r dnaodcr, was uc:h Zeit, Unprcme-, Seele weltweit von dnanda ist, durch das gemeiuame Erlebnis, iD Rom zu sdD und adn Schic:bal .iu tdlm. cmSich-Anpauea, W cchaelwitkea, Sich-Zusamrnqiffgen crfamai hat, in so wunderbaren Vuhältnisacn, daß die eigene Bcde~ samkdt du Dinge ebenso dn Maximum witcf, wie die Bedeutsamkeit der Einheit, in die sie als GBcder zusammenwachsen. Eben diese Einheit bewirkt eine psychologfsche Erschcinuor innerhalb da t6rnischcn Gcoidleos, die sich sonst nur gereoabct den gro.Sten Individuen einstellt. Der Besitz, den Goethe f6r uns darstellt, gewinnt seinen nicht auamdbaren Umfang dadurch, daß hinter jeder sdner Äußerungen fiir uns du ganu Goethe steht. Wir genießen kdne blo.S nach ihrem unmittdbaren Inhalt, beschränken ihre Bedeutung nicht auf , den Sinn, den sie als anonymer Satz haben wiirde; wir bereichern sie Tidrneht um alles das, was die Assoziation, daß sie eben Ton Goethe ist, an sie hcranbrinrt, mit ihr aokliogen WSt. Der rationalistische Spießbwrer hllt sich aber die bereistute Ehrfurcht auf, mit der wir jeder Zeile TOil Goethe cotgegeokommena „Hätte ein Nammlosu renau dasselbe geschrieben, niemand wiitde es irreodwo beachten!" Gau richtig. Aber daon wäre ea, bei identischem Wortlaute, doch nicht eben diesdbe Zeile. Dam die Bedeutunr jeder Äußerung llert doch - man kann diese Selbstvcrständ-

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lic:hkdt akht cindrln&'lichgenug machen - nm iA dem, • was de UDS .zu denken rdd und zwingt. Und bd einem Worte Goethes denken wir notwendigenrdse m.dit und anderes, ala bd dem rldchm, wam Petu und Paul es aussprechen; denn wir wissen, wc:lche ganz mdcre Seele hier ihren Reichtum in du äuBerUch gldche Gewand geldddet hat, und daß wir der Äußeruog gerade nur gerecht werden, wam wir ihr das ÄuBuste und H6chste rutachreibm, das sich nur irgend in uns m!t ihr assoziieren will - so wdt dies auch über dm Sinn hinausgehe, den sie ab verda.zc:lter Wortlaut beanspruchen dürfte. So haben Dinge, die an irgend dnem mdcren Orte ganz gldchgültig wärm, als Bestandtdle von Rom eine Bedeutung, wdt über ihre unmittelbare, ihnen ,,asi und für sich" eigene hinaus. V ermßge der EioheitUchkdt, in die Rom alle seine lohalte hineinwachsen läSt, wird das Ganze mit Jedem seiner Elemente solidarisch, hinter dem ein.ulnen steht das ganze Rom und verldht ihm für UDS einen Reichtum. von Assoziationen, der wdt mehr umfaßt, als seine isolierte oder in r{dchgültigeren und loseren V erbindungm stehende Anschauung vermöchte. Da dte Dinge eben das sind, was sie um bedeuten, so sind sie in Rom wirklich mehr, als sie anderswo und ohn~ die wechselsdtige Bereicherung durch das UmfaStaein von dem einen Rom wlren. Vielleicht ist die tiefste Bedeutsamkeit der lsthetischen F~uog mit einem Satze Kants ausgesprochen, der freilich ganz ao.due als isthetische Inhalte im Auge hata ,,Untu allen Vorstellungen ist die Verbindung die einzige, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kaoo, wdl sie ein Aktus seiner Selbsttätigkdt ist." Die Einheit, zu der die Elemente Roms sich verl,indco, liegt nicht in ihnen, aondem in dem anschauenden Geiste. Denn offenbar nur in einer bestimmten Kultur, unter bestimmten V orhcdmrunren von

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StimmUIII' und Bildung kommt 1k .iuataAdc. Du apdcb.t aber 10 wcoia' gqcn ihre Bcdcutusir, cla8 pradc die Sdbsttäüa"kdt, die sie erfordert, daa wertvollste Gac:hc.ok Roms 1st. Nur die lebhafteste, wam auch unbewußte, Aktion des Geistes vermag die so uncndlic:h differenten Elemm.tc in die Einheit " baonai, die in dieacr selbst allcrdina's als M6glic:hkcit,aber doch noc:h nicht als WhkUc:hkdt Uegt. Wenn man sich in Rom Dicht ercWdct, sondem gerade auf der H6he der Pera6olic:hkdt aa.relaaat f4hlt, ao ist du sicher ein Reflex der ungeheuer geatdgatm. Sd&sttätifkdt dea inneren Menschen. Nirpnds in du W dt hat der ~tife Zufall die Objekte unserem Geiste so adäquat geordnet, daß sie ihn .iu der Kraftentfaltung aufrufen, 4ber ao gewaltige Abstände ihrer unmittdbaten Gegebenheit hinweg sie .iu einer so v6lligen Einheit " sammeln. Daa ist auch du Grund, weshalb Rom sic:h der Erinnenmg g-ani unaus16schlic:heinprägt. Wo Eindriicke w:id Genüsse um nur hinnehmen, wie sie sich Metcn und gleichsam ohne daß wir out circner Kraftbewährung in die Formung ihres inneren. Bildes eingreifen, da ist alle Erim:i.etWlg' sc:hwach und leicht verlöschlich. Denn maeder Eindruck noch so gewaltig und erschütternd e-ewcsen sein, so ist er du innersten Seele doc:h dn Fremdes, das auf die Dauer nicht in ihr leben kann - wie wäten sooat Jene fürchterlichen Entfremdungen Liebm.du denkbar, wenn nicht das blosse Gef4hl, das blosse Hinnehmen eines Glückes, sdbst in h6chstcn Aufripfdunrai, das Bewußtsein ao SJ)Uf'los verließe! Nur wo die Sede von innen heraus aktiv geworden ist, und den Einschlag ihres eil'cnsten Tuns in die Eindrücke von außen her verwebt hat, sind diese wirkUch ihr Eircntum reworden. Das untmnen.sc:hlicheund niedrig menschliche Bewußtsein haftet an der Isotiertheit seiner Vorstdlunrm, das Kemudchen des h6hum und du Beweis seiner Freiheit w:id Herrschaft ist es, da.Bca Zusammenhina-e .iwischen dem Einulnen stiftet und damit

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Rom

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~gleich - da Einheit und Vielheit ehwlder bedingen erst dessen gaue Mannigfaltigkeit und Reichtum erfährt. Nirgends Wlt die Fülle der Dinge dies spe.iifisch menschUche Tun sich so souverln erweisen, wie in Rom, nirgends muß die S«l~ so vieles aufnehmend, ~gleich selbst soviel wirken, um das Bild zu formen. Das ist der letzte Grund für das ganz unvergleichliche V uh11tais, das die Weite der r6mischen Eindrücke zu ihrer Tiefe und ihrer Dauer besitzt - als oh alle Dimensionen seelischer Inhalte hier zugleich ihr Maximum gewännen. +

Es ist das Los psychologischer Analysen, niemals abschließend zu sein. Die Menschenseele ist ein so vielfältiges und verschlungenes Gebilde, daß sie sehr mannigfaltige Wege besitzt, um zu demselben Inhalt und Zustand zu gelangen. Das ehen ist ihr Reichtum, daß sie die gleichen Elemente zu einer Fülle innerer Entgegengeseutheitm, aber auch die verschiedensten Elemente zu einer Gleichheit innerer Erfolge entfalten kann. Aber wenn deshalb die Bedeutung des ästhetischen Eindruckes von Rom noch auf mancherlei andere Weisen erklärt werden ~ so trifft zu dieser M6glichkdt die Struktur des Objektes sehr merkwürdig mit der der Subjekte zusammen. Denn wie es die Gr6ße ganz großer Menschen ist, nicht eindeutig zu sein, sondern für jeden besonders verständlich zu sein und jeden in der Richtung seines eigenen Wesens üher sich zu erheben - so würde auch Rom seine ganu Gr6ße nicht haben, wenn sein Genuß nur eine Deutung erlaubte, wenn es nicht du Natur selbst gliche, die zu jedem in seiner Sprache redet und jedem gestattet, sie nach seinem Herzen zu genießen und zu verstehen. Ja, gerade diese Vielheit der Wirkungen Roms und ihrer Deutungen entspricht seihst dem Lebensprinzip, aus dem mir seine lsthetische Eindgkeit zu sprießen schien; daß es noch auf so viele andere Weisen empfunden und seine

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Rom

Empfmdcmr noch auf so vlde andere W dsm redcutct werda:akamt, während ca doch immer das eiae Rom, da eiae Bra:mpunkt so cliveqrenter Strahlen ists das at die letite Aufgipfelun.g seiner ästhetischen Gra.B~ die alle Gegensätze .zu äußerster W dte spana.t, um sie mit am so beherrschenderer Kraft in sdne Einheit .zu ven6hncn.

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STEFAN GEORGE EINE KUNSTPHILOSOPHISCHB STUDIE

Die Selbständigkeit des Genießenden gegenüber den Künstlern seiner Zeit geht selten weiter als bis zur Unbefriedigung an der einzelnen Leistung, an der einzelnen künstlerischen Persönlichkeit, vielleicht auch an dem Können der ganzen Generation; nicht aber darauf, daß der Umfang ihrer Probleme überhaupt verkümmert oder verfälscht ist; diesen vielmehr pflegt man an jeder gegenwärtigen Kunst einfach hinzunehmen. Unterläge man hier nicht der Suggestion durch die Kunst, die da ist, so wäre uns schon längst die Tyrannei unerträglich geworden, die in der Lyrik. das erotische Motiv ausübt. Ist das Wesen der See1e1 Einheit des Mannigfaltigen - während altes K6rperhafte in ein unaufhebbares Außereinander gebannt ist - so ist keine Kunstform so, wie die lyrische durch ihre überschaubare Enge geeignet, diese Kraft und Geheimnis der Seele wirksam und fühlbar zu machen. Aber die Gesamtheit ihrer Inhalte, an deren jedem die Seele durch diese Form ihr tiefstes Sein offenbaren könnte, ist zugunsten jenes einen schlechthin vernachlässigt worden. Hierfür ist großenteils der Einfluß Goethes verantwortlich, wenn auch nur so, wie Michelangelo für die Entstehung des Barock. Das unermeßliche Künstlertum Goethes ließ freilich auch die jedem Triebe unmittelbar entquellende Äußerung als Kunstwerk zutage treten; er konnte ,,singen wie der Vogel singt'', und ganz von selbst hatte es die Distanz gegen alles Vereinzelte und Subjektive, deren Mangel sonst die Klippe der erotischen -Kunst bildet. Von der Erregung durch das Liebesgefühl aus gesehen wirkt freilich auch die schlechteste V ersmacherei noch als Distan-

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Stefan Gcorcc

uerung: daher die Erl6sthdt und Bcftdung, die da Dilettant in ihr findet. Aber vom Standpunkt der Kumt aus ist fast die gan.ie Lyrik des J9. Jahrhunderts - mit du leuchtenden Ausnahrnr. H6lderllm - von dem Atan naturalistischen Trieblebens durchdruDfen. Mag man auch diese Reue nicht rigoristisch zurückweisen, so verrit es doch eine seelische Armut du Zeit, daß sie sich einer Kunstform, die du ganzen W dte des Innenlebens Raum gäbe, nur unter dem Zusatz von Attraktionen zu bedienen pfleat, die von außerhalb der Kumt stammen. Vielleicht ist die Linie, die das künstlerische W csen Stefan Georges umschreibt, am deutlichsten von diesem Punkt aus zu ziehen. Der organische, oder richtiger: überorganische Prozeß aller Kunst, in dem sie die Inhalte des Lebens über das Leben selbst hinauswachsen li.St, diitfte einmal an der Hahe besonders sichtbar sein, in die der Dichter sich und uns über die Unmittelbarkeit jener Impulse selbst da stellt, wo sie seinen Gegenstanci bilden; und dernoä.chst an du Leidenschaft und Zartheit, mit der er das Bild der Lebenswerte jenseits der Uebe ausstattet. Denn damit erst wird du Künstler seine wirklich eigene Kraft und V ertidung offenbaren, während alle erotischen Äußerungen etwas Zufälliges habena man weiß sozusagen nicht, wie viel von du Leistung man der Einheit und Tide des eigentlichen Ich und wieviel jener Erregung zuschrdben soll, die man als etwas Peripheres, halb und halb du äußeren Welt zugeh6rir, empfindet. Zu diesen h&hsten Stufen entwickelt die Lyrik Georges die Elemente etwa bis zum Jahr S895 in einer gewissen SondcruDf. Seine Kunst wird von vornherein durch das Bestreben bezeichnet, ausschließlich als Kunst zu wirken. Während sonst die Endabsicht des Lyrikers in dem Gefühls- oder Vorstellungsinhalt zu liegen pflegt, zu dessen Darstellung und Errcgung ihm die künstlerische Form als Mittel dient iat hier die grundsä.tdlche Wendung vollzogena cfaSum-

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Stefao Gcorce

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gekehrt aller Inhalt das bloße Mittel ist, um rein ästhetische Werte zu bilden. Diese Wendung hat &dUch viele :v bloßem Formalismus gefiihrta die künstlerische Vollendung in der wohfk1ingenden Korrektheit von Reim und Rhythmus zu suchen. Jedes wirkliche Kunstwerk kann um belehren, da.S die Schddung von Form und Inhalt nur der verstandesmäßigen Analyse dient, während ca selbst jenseits dieses Gegensatzes steht. Der ästhetische Genuß - weder mit dem, dem „Vorwurf" des Werkes korrapondierendeo. Gefühle, noch mit der Fre,de an der bloß äußerlichen Harmonie der Form zusammenfallen~ kniipft sich an die Einheit, der gegenüber diese Einzelmomente nur elementare Mittel sind. Je strenger die innere Logik des Kunstwerks ist, dato mehr offenbart sich diese innere Einheit in der Tatsache, daß fedeleiseste Änderung der SOl'enannten Form sogleich eine Änderung des Ganzen, also auch des sogenannten Inhaltes ist, und umgekehrt. • Man kann ramicht denselben Gedanken oder dasselbe Gefühl auf zwei verschiedene Arten ausdriickm. Nur die oberflächliche Abstraktion, die statt da wirklic:&,m,individuellen, genau UDllrfenzteD. Inhalts den Allgemeinbegriff desselben setit - wie ca fast durchgehends Brauch ist - kann denselben Inhalt mannigfaltigen Ausdruckmuancierungen zusprechen. Liebe kann man &dlich sehr verschieden ausdnickeni die Liebe aber, die die Trilogie der Ldd~aft dante11t, ist eben genau nur 1 o ausdriick.bar und warde mit fedemgeänderten Wort irrend eine ihrer Nuancen ändern. Diese mit nichts vergleichbare Einheit da Kunstwerks erhebt sich also ebenso über die Zweiheit von Form und Inhalt, wie die spuifisch lsthetische Ettegun&' über die primären Gdühle, die sich an jene bloßen Elemente des Kunstwerks kniipfen m6gm. Die ersten Gedichte Georges, von denen man erfuhr, verrieten schon diese ausschließlich ästhetische Absichts weder wollten sie außer diacr noch etwas ,,geben" - Gefühle

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32 oder Gedanken aai UDd f4r sich - noch durch das leichte Spiel formalistischer Vollendung erir6"en; und du,ch diae bddcn Jenseits untenchledai sie uch aogldc.h von dfr typiachen Lyrik. Nur gerade du erotische Thema bcrdtct ihm iA dksea ft4herm Gedichten - VGD so großer Zadhdt und Rdnheit sie auch sind - hier und da noda einen R&kfall in die alte Art. Die prindpielle Wendung •• erst in dem „Jahr du Seele" 0897) restlos vonritklicht. Der Inhalt ist hier fast ausschlidlkh ein V erhältnia ~ischen Mann undWe.th. Aha die Distani iu ihm ist gefunden., dJeihm keinen anderen Rdi, keine anders mitldingende Enegung gestattet, ala dem Gegenstand eines Kunstwerks ala solchem iukommt. Der Rohstoff des Gefühles· ist ao laage umgacbmoben, bis er in .eh der ästhetischen Formuog keine Grenu mehr durch sein Fürsichaein set.it. Alle IC.unat hat reren-Gber dan lebendigen Dasdn ihres Gqcnataades einen Zug von Resignation, sie versagt sich claaAuskosten seiner Realitit,. um -frdlich seinem Inhalt, dem Qualitatiffn an ihm, mehr zu enfloc:ken, als es dgmtlich selbst heaiut. Iodem jena V ewcbt -.nd dkse F4tte sich gqeaeinaadcr abheben, eines zur Bedblguag clcs anderen wud, erieugen sie den Reiz des ästhetischen Verhaltens iu den Dingen. Hier hat nun die lteaignation die Gdiiblsgrcmdlage selbst erg-riffau alle Beweguagren und V ertidngen der Liebe, die c1ka Buch erfiillen, stehen lm Zeichen Ser Resignation, sie werden gleich aa ihrer Quelle von dkser gefir&t. Und zwar ist es nicht die Resignation im Sinne eines b1o.8en Nicht-Habens und Nicht,;.Wollem, sondern jener ist'hetbch wertvollen gleiclu als Gegeosfüdt und Bedingung dessen, daß man doch -den letzten, tiefsten, feinsten Sinn und Inhalt des Menschen, der Beziehung .zu ihm, umerer eigenen Empfindung ausschöpfe. So ist das erotische Motiv, dem sonst das künstlerische nur wie zufällig oder ä.u.8er1ichkopuliert ist, hier seinem gan.ieo eigenen Sein

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Stdaa Gcorrc

nach in die Formrestaltuag dieses eing-qang-en; und das, was uns als der heimliche Gegner de.s lsthdischen Zustande.s erschiens du selhstlndige Rd.z de.s Materiala,ist die.sem sdbst nun vereinheitlicht und dienstbar ranacht. D!e Form der Re.signation, in der allein hier das unmittdbare Gefühl .zum Kunstwerden .zugelassenwird, stiftet von innen heraus, als eine inhaltliche Bestimmtheit eben de.s Gefühles sdbst die Datan.i, die die Kunstform ihm sonst erst nachtrirlich und wie von außen .zufügt. Was hier das riumliche Symbol du Dlstan.i ausdrückt, kann durch dne .zeitliche Be.ziehung-dn ventirktes Lic:ht erhalten. Der Inhalt dessen, was wir unsere Gegenwart nenna1t mtspricht eigentlich nie ihrem strengen Begriff. Obgleich sie nach diesem nur die W assersc::heide .zwischen V erg-angenhdt und Zukunft ist, suchen wir in der Unhdmtic:hkeit ihres W egschwinclms einen Halt, indem wu ·ihr Bild aus einem Stückchen V erg-angenheit und einem Stiickchen Zukunft bauen. Die.ser logischen Zweideutigkeit der Gegenwart steht aber ein durchaus dndeutige.sGefühl ihrer gegenüber. Gewisse Vorstellungsinhalte werden von einem Gefühle begleitet, das wir nur 10 ausdriicken k6nneni die.ser Inhalt sei eben regenwirtig. Das ist noch nicht classdbe, wie claS er wirklich ist; vidmeht, der T 011 de.sGegenwärtiren, die eigentümliche innere Macht, die ca ausübt, kann mancha begleiten, an dcaen Wirklichkeit wu garnicht denken; und manches kann ,,wirklich" sdn, dem doc~ du Gdiihlswert der Gqenwirügk.dt fehlt. Diese Gegenwärügkeit da Erlebens nun hat %U dem lytischen Gedicht mannigfaltige V erhältniue. An den Jugendgedichten Goethes empfindet man sie außerordentlich stark. Der Gdiihls.zustand, den sie claratellen, at rqenwärtig, seine Gegenwart ist unmittelbar in diese Form rebannt, er ist in seiner ursprünglichen Wärme &l sie regossen. Bei dem älteren Goethe ist die Gqenwärtirkdt de.s dichterischen Erlebens verschwundenJ das

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Std&D George

ioo.ere Schicksal scheint ahgeachlouen :u ada, wam die Kunst sich seiner bemächtigt. Aber nicht, als ad ca ein fertiger Stoff, :u dem diese hhuutritei sondern auch hd ihm ist der Charakter der Kunstform von TC>tahercin auch der ihtca im Gefühle erlebten Stoffes. Der Moment seinca Fahlem sdbst hat aber llic:ht mehr den Gegenwatbtoti, llic:ht mehr das vollständige Aufgehen in seinem Jetzt. Der Grund dieser Änderung ist, cla.Bsein Erleben im Alter mit der ganzen V errangenhdt belastet war, jeder Augenblick, den er empfand, war nicht mehr bloß dieser, sondern er schloß tausenderlei Früheres, gldchca und entgegengeseutes, in sich. Darum werden selbst Gedichte, die aus einem so unmittelharen Geflihls.iustand hervorbrechen, wie die T rilofie der Leidenschaft, durchaus senten:i6s, der Inhalt da Augenblicks verbreitert sich .zu einem ühcrmomentanen, allgemein Galttgen, gewioo.t Be.iiehungen :u dem gasiun Umfang des Lebens. In dem Jenseits der Gegenwart hält sich auch Georgei nur cla.Bes nicht wie bei Goethe der erdrückende Reichtum der V ergangenhdt ist, der die Gerenwart von ihrem dgeilen Plaue weg .zu sich lockt und überdec:kti sondern hier ist ca eine von ioo.en her kommende Beschaffenheit des Kumtwerk.s. Als wäre die Empfindung, das Geflihl, das Bild von vornherein nur in ihrem reinen Inhalt, ohne jede Bedehung auf einen Zeitmoment erlebt. Die eigentümliche Qualität des Empfundenwerdens, die wir als die Gegenwärtigkeit seines Inhaltes beuichnen, hat immer etwas Zufälliges. Grade jeut ist er von Schicksalsinächten verwirklicht, die doch außerhalb seiner selbst liegen, es ist, als verdankte er seine Lebhaftigkeit nicht seinem eigenen Inhalt, •.sondem dem glücklichen oder unglücklichen Zusammentreffen ioo.ererund äußerer Ereignisreihen. So fahlen wir oft auch tiefer und eindrucksvoller Lyrik gegenüber, cla.Bdie Betonungen und Werte, mit denen sie wirkt, ihren ~lnen Inhalten als momentane Erregungen, aus Zu-

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Stcfu Georce

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spitiungm und KompUkationm der Gefiihtsschicksale heraus, zuwachsm, Diesca Cachet du Gcgcnwärtigkeit trifft das, was dgmtlich gemeint und gefiihlt ist, wie der Strahl eines zufällig aufflammenden Lichtes; die Helligkeit und Wärme, die es bedeutet, kommt den dgmtlich künstlerischm Bildem und Ideen mehr wie ein Glück von auSea, denn als eine cigmc, innere Notwendigkeit zu. Bei George dagegen - wenn auch nicht bd ihm allein - scheint der • Aggregatzustand da Gefiihls, die ganze l!xistenzempfindung um die dnzclnm Elemente, Worte, Gedanken da Gedichtes herum aus diesen selbst hervorzubrechen, statt ihnen durch die Gunst und Erhebung des Augenblicks anzufücgcn. Ein Unterschied, der freilich rein qualitativinnerlich ist, ein Unterschied der Impressionen, für die die V crschicdcnhcit der Ursprünge nur ein symbolischer Ausdruck sein kann. So mögen wir für den Eindruck• den die W clt auf uns macht, kein anderes Wort haben, als daß sie aus dem Geist und Willen da.es Gottes hervorgegangen ist - aber damit können wir nicht ihre historische Genesis begründen, sondern nur das qualitative W csm der gewordenen, wirklichen, durch eine symbolische V erlegung des Seins in das Werden geschildert haben. Was ich mit diesem, aller bio.Ben Gcgenwä.rtigkeit entrückten Wesen du Georgeschcil Lyrik meine, ordnet sich da.cm ganz allgemeinen V erhalten unserer Seele ein, das auf dem Gebiet der Erkenntnis vielleicht am deutlichsten ist. Sobald wit uns durch Begriffe verständigen wollen, setzen wir voraus, da.8 jeder von ihnen einm festumschricbenen, feststehenden Inhalt habe, dm wir freilich nicht in jedem Augenblick dabd wirklich vorstellen, den vielmehr dieses wirkliche Vorstellen nur in grö.Beremoder geringerem Abstand umspielt. Wie eine Wirklichkeit einem Ideal, so steht das Vorstellen in jedem gegebenen Moment jenem Sachgehalt des Begriffes gegenüber, und obgleich auch er nur vorgestellt wird, so ist doch das, was wir

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Stcfao. Georce

mit ihm mdnen, über die Zufälligkdt des augenblicklichen Bewußtseins erhaben, und von ihr ebcmo una&hänria',wie Inhalt und Gii!Ugkeit desStaatsgesetzes davon, daß die ihm Untergebenen es bald vollsthdigu bald maaa-dhafter erfüllen. Eine solche Zweiheit muß, wie zwischen den logischen, so auch nischen den Gdiiblsbcdcutungen du seeUschen Gebilde bestehen. Wh empfinden - auch ohne es uns abstrakt klar .zu machen - daß Worten wie Dingen, Sät.zc.nwie Schicksalen, dn gewisses Gefühl, dne innere Resonanz, eine Antwort der gesamten Scde aatspricht; dies ist so.zusagen ihr Sacbrchalt an Sul,jdd.ivitlt, das haben sie .zu fordern, das sind sie, wenn sie m der Sprache der Innerlichkeit richt:lg ausgesprochen werden. Aber jenseits dieser beharrenden Bedeutung für das Fiihlen überhaupt, die dem Innenleben jener Gebilde korrespondiert, bewegt sich das Chaos aller .zufälligen, persanlichwuklichen Gefühle, nur mehr oder weniger denen verwandt, die den Dingen nach dem Gesetz ihrer Buiehun.gen .zu uns .zukommen. Alle Kunst nun scheint in höherem oder niederem Maße grade jene inneren Erregungaa .zum Anklingen :u bringen, die ihren Worten und Farben, Gedanken und Gestalten, Bewegungen und Ideen wie durch eine sachliche Notwendigkeit dgaa sin.enwit es nur mit diesen und keinen aacluen Gefiihlavorgängen. • Diese inneren objektiven V a1curs aller Elemente da lyrischen Gedichtes .zur Alleinherrschaft .zu bringen; uns fihlen .iu machen, welche Notwendigkeit psychischer Reaktion jedes Wort, Jeden Gedankeo., Jedes Gleichnis wie ein Astralleib umgibt - das ist George nun am vollendetsten in seiner 1et.iten V a6ffentlichmlf (Du Teppich des Lebens und die Lieder von Traum und Tod. Mit einem Vorspiel.) gelungen.. Das „V orspid", das mir a1s der Gipfel 1~et bisherigen Leistungen erscheint*, schildert in 24 Gedichten. wie das h6here Lebai, die immer weiter grdfende Zugehörigkeit .zu den idealen Mächten uns von der verwottenen Wirklichkeit er16st. Unter dem Bilde des ,,Engels", du ihn durch das Dasein fahrt, erscheint ihm dJe gaa..i aJlgemem.eForm unsuet hachsten Wcrtpoten.ien, die der Dichter als seine Muse, der Forscher a1s die W ahrhdt, der handelnde Mc.ns~ als das praktische Ideal be.ieichnen • Ich lehne auadtiic:klichab, mit allcckm dnc Kritik der Gcorreac:hca Dichtunr zu rebca. Mich rcht bler aur u, wu aa c:Ucau c:UeE:umplifldctunr rcwuau kumtpblloaopblac:her Gedaüca tat -

rau dahfarutdlt laaacad, ob du Werk damit, quutltattv qualitativ, vol11t1oc:Urbudc:hnet wftd oder alcht.

und

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Stefan Gcor1c

mag; dies ist für jeden die letzte lnswu, deren Einheit uns ebenso den Überschwang alla Glückes, wie d!e UnerbittUchkdt schmerzlichster Pflichtm bedeutet; d!e uns von der darunter gelegmen W dt ebenso trennt, wie sie doch deren grade :fiiruns bestimmte Werte kenntlich macht und in sich sublimiert; die uns von den Forderungen wie von den Genüssen des flacheren Lebens scheidet"tum den Preis, allein vor ihr und uns selbst verantwortlich .zu sein. Der Engel ist der Smn, den das Leben in sich und .zugldch die Norm, die a über sich hat. Nach Goethe weiß ich keine Dichtung, in der ein so v6Wg Allgemeines, durch keine Einzelbestimmung Festzulegendes, wie der Engel, so künstlerisch anschaulich, in der das Ungreifbare doch so fühlbar gemacht wäre. Der ungeheure Ernst seines Problems würde nun mit dem s:iruillchenReize seiner Form nicht .zusammengehen, wenn nicht jedes Wort und jedes sonstige Element mit jener, ihm allein .zukommende~ als notwendig empfundenen Bedeutung wirkte, wenn das Kunstwerk. nicht aus diesen inneren, jede Bereicherung oder Abzug von außen.her ablehnenden Bedeutungen zusammenwüchse. Die Verse ziehen eine unvergleichliche Schwere und Bedeutsamkeit aus der Strenge, mit der jedes Wort nur den genauen Smn seiner Innerlichkeit ansprechen läßt und dadurch alles das Spielerische und Flatternde ausschließt, das der Zufälligkeit _seines bloß subjektiven Wieder- und W eiterklingens anhaftet. Durch. 'welche Eigentümlichkeit der Zusammenordnung, der innupsychischen Akustik, der Verflechtung zwischen logischem Inhalt und Versbau ihm dies gelingt, kann keine Analyse feststellen. Es ist aber, als ob die Worte und Gedanken, Reime und Rhythmen hier erst .zu ihrem eigenen Rechte kämen, als gehörten die inneren Bewegungen in uns zu ihrem eigenen Wesen, als dessen sachliche Konsequenz. Dadurch kann sich jene Synthese erzeugen, daß ein ganz Allgemeines und Abstraktes doch völlig sinnlich und ästhetisch wirksam

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Stdaa. Gcoqe

ist: wfr empfinden das Subjektive, das io uns vorgeht, als ein objektiv Notwendiges, dem Werke adbat Zukommendes. W eoo in den Eogelgedichten der spielende Reiz klaoglichu Harmonie (der darum so wenig spiderisch 1st, wie das Kindliche kiodlsch ut) eine Tide des Lebensinhaltes trägt, die an sich über aller Form steht - so ut dies m6g1ich, weil alle Erregungen und Schwingungen subjektiver, momentaner, mittöoender Gd6hle den ganzen Wert, gleichsam den Aggregatzustand des sachlich Bt>gründeten besitzen, die Signatur einer Gesetzmäßigkeit tragen, die über dem Subjekte thront; und dies wiederum lst ersichtlich nur ein anderer Ausdruck dafür, cla.Bhier von jedem Elemente des Kunstwerb nur derjenige Sinn zum seeluchen Aoktiogen zugelassen 1st, der seinem eigensten, innersten Sein, seiner zeitlosen, Gber das ephemere Empfunden- oder Nicht-Empfunden-Werden erhabenen Bedeutung zukommt. Dies muß mit einer weiteren Eitenart der Georgeschcn Lyrik, insbesondere seines letzten Werkes zusammenhängen. Jenes vollkommene Attuteotum, das keinem blo.S pera6o1ichen Tone Raum gibt, und io dem der Wille zum objektiven Kunstwerk alleinherrschmd geworden lst• verbindet sich hier doch mit einem Zuge, den ich nur als Intimität bezeichnen kann. Man fühlt eine Seele ihr geheimstes Leben offenbaren, wie dem vertrautesten Freunde. Dies entspricht genau du hachsten Aufgabe bildender Kunsti indem diese dm Formgesetzen und Idealen der reinen Anschaulichkeit genGgt, indem sie die sichtbare menschliche Erscheinung nach den Normen, Ausgleichungm, Reizen gestaltet, die wirklich nur der Selbstgeougsamkeit der räumlichen und farbigen Erscheinung zukommen, gibt sie eben damit auch eine Vorstellung des Seetuchen hinter der Erscheinung, des Charakters und der Geutigk:eit, des ewig Unaoschaulichen; und zwar unter der eigentlich metaphysuchen Voraussetzung, daß der Vollendungsgrad der

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Stdaa Geor1c

Dantdlung in der einen Reihe, remessm an ihren dgenm immanenten Bedinrunren, eben den rleichen in der anderen, nicht wmiger in sich geschlossenen, mit sich bringe. Den beiden, gegeneinander ganz sdbständigen, sehr oft divergierenden Gesetzgebungen renügt diejmige künstlerische Erscheinung in ganz gleichem Grade, die für eine von ihnen die höchste ista die Vollendung nach dem Maßstab der anderen fällt ihr wie durch eine mystische Harmonie in dm Schoß. Wenn nun diese Gedichte, den Normen objektiv isthetischer Vollendung vorbehaltlos gehorsam, doch .zugleich den Reiz und die Tiefe ganz persönlicher Intimität zeigen, die einer ganz anderen Ordnung als jener mehr formalen, bloß künstlerischen angehören - so kann man auf diesem Gebiet doch vielleicht dm T reffpunlct der beiden, sonst von einander so unabhängigen Reihen etwas genauer bezeichnen. Ich halte es fiir das erste Erfordernis aller wirklich ästhetischen Betrachtunr, daß dieselbe dem Kunstwerk als einem ganz auf sich ruhenden, v61ligsdbständigen Kosmos reite, in absoluter Loslösung von seinem Schöpfer und allen Gefühlen, Deutungen, Hinweisungen, die ihm etwa durch die Beziehung .zu diesem .zugeh6ren könnten. Die Absicht und Stimmung, aus der das Werk geschaffen ist, haben .zu dem Geschaffenen gar keine Beziehung mehr, außer insoweit sie .zu objektiven Qualitäten dessdbcn gc:worden sind; nicht weil der Künstler sie empfand, sondem weil sie dem W uke wahrnehmbar einwohnen, sind sie jetzt wesentlich. Das genetische, lustorisch-psychologuche V eratändnis des Werkes greift über die Grenzen desselben hinaus, in denen die rein ästhetische, nur dem Kunstwerk als solchem rdtaade Betrachtung sich hält. Während aber so die Proji.zierung du Leistung auf den realen Individuellen Schöpfer aus der ästhetischen Betrachtung jener schlechthin verbannt sein muß, ist mir noch die Frage, ob diese Betrachtung nicht doch den Begriff einer dasWerktragenden

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Stda.o George

Pus6nUchkcit, wenn auch von attdeter Art, direkt in sich sch1id\t. Zu der Auffassung eines Kunstwerkes und seiner Wirkung auf uns gch6rt allerdings, wie mir scheint, als Bedingung, daß wir es als Äußerung eines, und ~ar dnes bestimmt qualifi.dcrtaa Geistes auffassen; dadurch bekommt ca dm Zuaammmhaog seiner Teile, der es für uns ust zur Einheit macht, damit ust fühlen wir uns berechtigt, uns durch das Werk zu gewwen inneren Reaktionen amegm zu lassen,die einer bloßmKomhination äußerer Naturwirkungm nicht gelingm. Aber diese Pcrs6nlichkdt, die für uns, ebenso wuksam wie unbewußt. das Werk trlgt, ist nicht die des wirklichen Auton, von dem matt etwas außer sdncm vorliegenden Werke weiß; sondern ~ine ideelle, die ebm nichts ist, als die V orstdlung einer Seele, die gerade dies W uk vollbracht hat. Wie wir dne Vielheit äußerer Eindnickc, die sich in unserem Bewußtsein treffen, zu der Einheit eines Gegenstandes :usammmschlid\en, zu dnu Substanz, von der sie ausstrahlen und deren Einheit das Gegenbild der Form unserer Seele ish so wird uns die Maonigfaltigkcit der Tane und Farbm, der Worte und Gedanken eina Kunstwerks in W cchse1wirkung gcsdzt, durchdrungen, zusammengehalten durch die Seele, von der wir sie ausstrahlen fühlen und die als der Träger du Einheit erscheint, zu der sie in unserer eigenen Seele werden. Daß wir das Kunstwerk sub Spezie animae empfindco, ist dne der zum Grunde liegmdm Kategorien, durch die es 6berhaupt ust wird, wa.1 es für uns ist - wie entsprechend die Natur es wird, indem wir sie unter der Kategorie von Ursache und Wirkq aoschaum. So wenig aber die Ursäc.hUchkcit etwas f6r sich und hinter dm Erscheinungen stehendes ist, sondern nur das irnrnanet.1te, sie zusammeoha1tmcle Gesetz, so wenig.steht die schöpferische Pcrs6nlichkeit, auf die das Kunstwerk projiziert wird, jenseits seiner, sondern at eine innere Bedingung unserer Auffassung, sie ist eine Funktion da gegebenen Kunstwerkes selbst und ausschlid\-

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4:2

Stefan George

lieh von ihm aus zustande rekommeo. Ea wird hier also nicht, wic bd der Interpretation durch die hiatotiache Pcn6nUchkdt des Sch6pfen, auf eine R calitl t zurGcqerangen, die für das rein ästhetische Gebiet immer etwas &andcs, dn illegitimer Eindtingling iat; aondcm die Penonalität wohnt hier seihst in du Sphäre des Ideellen, sie ist die Form, in der die einzelnen ästhetischen Gcgeheahdten vastindlich zusammenhängen. Wenn etwa dn W uk Michelangelos den Eincltudc des T rarischen macht, so wirkt zu diesem vielleicht die Etinnetunr an die Pen6nlichkdt Michelangelos mfü an diese ins Unendliche aufstrehcndc und von allem Schwergewicht innerer und iuBe.ru Wirklichkeit niedergezorene S~le, erfüllt von der Sehnsucht nach V ers6hnung mit sich und ihrem Gott und doch in angstvollem Dualismus verharrend, das eigene Sein und Tun nur nach dem Ideal. absoluter Vollendung bewertend und dabei durchdrungen von dem BcwuBtsdn, nur dn Aslfang, dn Bruchstiic:k, ein ha1brdormter Rohstoff zu sein. Alles dies mag Ausdruc:k und Symbol in sdnen Skulpturen finden, von denen fast kdne rani feftia' rewordcn ist, in denen die .Spannung zwischen dem leidcnsc:haftlichsten Affekt und der physischen M6glichkcit sdnca Ausdtuc:ka dn 'Maximum geworden ist, deren jede als Moment des Kampfes einer inneren, gleichsam latenten Vollendunr mit einer ihr von auBen aufgedruogenen Unvollendctheit und Unvollendbarkcit erschdnt. Wenn aber das Gerebene uns erst durch jenes Pers6nliche solchen Sinn erhilt, so ist das Bereich des Ästhetischen damit verlassen, das V erstindnis dc:sKunstwerks ist nicht mehr von ihm selbst ausgegangen; c:s ist ihm transzendent geworden. Hiervon also miissen wir sorgfiltic die T atsac:he trennen (so seht im unmittelbaren Eindruc:k beides durc:hcinander gehen mag), da.8 uns das W crk an und fiit sich, ohne irgend dn Wissen um seinen Sc:höpfer, tragisch ersc:heint, wie c:s bei den Skulpturen Michelangelos sicher der Fall ist. Mörllch ahu ist dies

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Stdaa George

allerdings auch nur auf Grund einer Sedmhaftigkeit, die flh uns aus den sinnlich gegebenen Formen als ihr Quell und Träger herauswächst. Dazu l>edad es nur jenes ganz allgemeinen und instinktiven Wissens um die Äußerungen und Darstellungen der Innerlichkeit, ohne das es weder zu einem gesellschaftlichen Dasein noch zu einer Kunst käme und das sich v6llig von dem historischen Kennen einer bestimmten Eioulpers6olichkeit untencheidet. Es ist nicht der reale, individuelle, sondern der ganz allremeine Mensch, wenn auch in derjenigen Modiffkatioo, die durch den sachlichen Inhalt des Kunstwerkes angezeigt ist ungefähr wie wir jeden beliebigen Satz der Sprache verstehen, indem wir die psychische Bewegung in uns anklingen lassen, die ihn normaler- und logischerweise hervorbringt, ohne auf die besondere und vielleicht ranz andersartige seelische Konstellation zuriiwugehen, die ihn in einem ci:au:elnenFall wirklich entspringen Ud. Deshalb ist es aber doch kein fehlerhafter Zirkel, wenn wir so aus dem Werk eine schaffende Seele erschließen, und aus dieser Seele heraus wiederum. das Werk deuten. Denn tatsächlich wächst dem gegebenen Werk aus unserem Vorrat instinktiver Psychologie etwas neues zu, das ihm erst Sinn und Leben gibtJ nur cla.ß dies nichts Zufälliges, Historisches, aus einer anderen Ordnung Stammendes ist, sondern dn Notwendiges, die Kristallisation des inneren Gesetzes der gegebenen Erscheinung. Sollte es ein Zirkel sein, so ist er nicht vermeidlicher, als wenn wir aus einer Reihenfolge sinnlicher Eindrücke ihre ursächliche Verbindung ers~hlie.ßen, um dann durch eben diese Kausalität jene Eindrü~e und ihr Aufeinanderfolgen zu verstehen. Und hiermit wird nun endlich klar, wieso Georges Gedichte, die sich, so ganz jenseits der Subjektivität, unter die reine Gesetzgebung der Kunst stellen, dennoch so ganz intim, so ganz als Offenbarung letzter Seelentiefe und allerpers6nliwten Lebens erscheinen können. Jme über-

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Stefan Gcoqe

mclividuellePen6nUchkeit, die, aus dem Kunstwerk l'ldchsam auskristalliderend, in ihm selbst als sein Brcmipunkt und T räl'er empfunden wird, bindet beides zusammen. Die ideelle Seele, deren V erh1ltnis zu dem Kunstwerk wir nur sehr unvollkommen mit dem r1umlichen Gleichnis des l'leichuitJgen Darin- und Dahinterstehen& ausdrücken, hat eben hier die Qualität des Intimen; das innere Gesetz des Werkes, das sich uns ala zusammenhaltende, das pnze durchdrinl'ende Sedenhaftil'keit dantellt, ist hieri Erschließen des innersten Lebens, F ortsetzUlll' der fundamentalsten Regunren m die ästhetische EncheinUlll'• Weil es aber keine konkrete, singul1re Pers6nlichkeit ist, auf die die Qualitäten des Werkes uns l'efiihlsmäSige Aaweisung geben, sondern nur die ihnen sach1ic:h,innerlich iureh6rige, die Ausstrahlung wie die BedingWll' ihrer selbst - so unterscheidet sich diese Intimität aufs schlrfste von derjenigen, die als Indiskretion über sich selbst und undemliche Enthüllung wirkt. Dies ist z. B. bd den sehr tief empfundenen und in ihrer Art sehr ach6nen Gedichten Paul Heyae's über den Tod seines Kindes (in den „Versen aus Italien'') iu spüren. Hier klingt, l'a.DZnaturalistisch, noch der reale Schmerz mit, man fiihlt die ganz einzelne Pers6nUchkeit, die dies Leid betroffen hat, und zwar in der Wirklichkeit, in einer Ordnung der Dinge ganz außerhalb des Kunstwerks betroffen hat. Deshalb entsteht hier ein ästhetisch peinliches, unorganisches Gemenge zweier ganz heterogener Reihen, der Realität mit ihren cinidnen, zufälligen, konkreten Individuen, und der Kunst, in der nur die sachlichen, also uitlosen und von ihren historischen Trägem gd6sten Bedeutungen der Dinge gelten. Indem George sich rein innerhalb dieser h11t, kann er dennoch ganz pers6nliche BewerUlll'en zum Ausdruck bringen, weil er sie nur an Jenem Pers6nUchkeitsbilde fahlen Wt, das die Worte und Gedanken des Gedichts als ihr Apriori, ihre innere Einheit umfaßt - gleichsam

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Stdao George

4:5

die eigcntUche Bedeutung du individuellen Wirklichkeit, aber aus dieser Wirklichkeit selbst huausgerettct und in die Semaart der bloßen ldeellität gekleidet. Aber indem die Kunst hier das Gefäß für die leutcn Pen6Dlichbitswertc wird, darf nun der Genießende auch so objdttiven Kunstwerken Empfindungen subjektivster Art, gleichsam vukli.rt, iuwende1:u so sehr die Pen6nlichkdt, die diese Gedichte um fiihlbar machen, nur der ideale Brt.nDpunkt des Kunstwerkes selbst und nicht die reale Individualität ist, gewlhrt sie doch du Dankbarkeit für das Empfanrene, aus du Form der Bewunderunr in die der Liebe iiberiugehen.

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DER BILDRAHMEN EIN ASTHETISCHER VERSUCH

Der Charakter der Dhia'e hingt in leimt Instam davon ab, ob sie Ganze oder Teile sind. Ob ein Daada, sich selbst geniigend, in sich geschlossen, nur durch das Gesetz seines eigenen Wesens bestimmt wird, oder ob es als GUed im Zusarnrn'-Ohange eines Ganzen steht, aus dem ihm erst Kraft und Sinn kommt - das unterscheidet die Seele von allem Materiellen, den Freien von dem bloßen Sozialwesen, die sittliche Persanlichk.eit von dem, den sinn-:liche Begier in d!e Abhängigkeit von allem Gegebenen verfUcht. Und es scheidet das Kunstwerk von jedem Stück Natur. Denn als natürliches Dasein ist jedes Ding ein bloßer Durchgane-spunkt ununterbrochen fließender Energien und Stoffe, verständlich nur a.us Vorangehendem, bedeutsam nur als Element des gesamten Naturprozesses. Das Wesen des Kunstwerkes aber ist, ein Ganzes für sich zu sein, keiner Beziehung zu einem Draußen bedürftig, jeden seiner Fäden wieder in seinen Mittdpunkt zutückspir.n.end. Indem das Kunstwerk ist, was sonst nur die Welt als ganze oder die Seele sein kan.ns eine Einheit aus Einzelheiten - schließt es sich, als eine Welt für sich, gegen alles ihm Äußere ab. So bedeuten seine Grenzen etwas ganz anderes, als was man an einem natürlichen Dinre Grenzen nennts bei diesem sind sie nur du Ort fortwährender Exosmose und Endosmose mit allem Jenseitigen, dort aber jener unbedingte Abschluß, der d!e Gleichgültigkeit und Abwehr nach außen und den vereinheitlichenden Zusammenschluß nach innen in einem Akte ausübt. Was der Rahmen dem Kunstwerk leistet, ist, daß er diese Doppelfunktion seiner Grenze symboUsiert

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Der Blldtahmas

4:7

und verstärkt. Er schließt alle Umgebung und also auch den Betrachter vom Kunstwerk aus und hilft dadurch, es in die Distanz zu stellen, in der allein es ästhetisch genießbar wird. Distanz dnes Wesens gegen UDS bedeutet in allem Seelischena Einheit dieses Wesens in sich. Denn nur ln dem Maße, in dem ein Wesen ln sich geschlossen ist, besitzt es den Bezirk, in den niemand eindringen kann, das Für-sich-Sein, mit dem es sich gegen jeden anderen reserviert. Distanz und Einheit, Antithese gegen uns und Synthese in sich, sind W echselbegr.iffe;die beiden ersten Eigenschaften des Kunstwerks: die innere Einheit und daß es in einer Sphäre sei, die von allem unmittelbaren Leben abgerückt ist - sind eine und dieselbe, nur von zwei verschiedenen Seiten gesehen. Und erst wenn und weil das Kunstwerk diese Selbstgenugsamkeit besitzt, hat es UDS so viel zu geben, jenes Für-sich-Sein ist der Anlaufrückschritt, mit dem es um so tiefer und voller in uns eingeht. Daa Gefühl des unverdienten Geschenkes, mit dem es UDS beglückt, stammt aus dem Stolze dieser ln sich befriedigten Geschlossenheit, mit der es nun dennoch unser dgen wird. Die Eigenschaften des Bildrahmens enthüllen sich a1s Hilfen und V ersinnlichungen solcher inneren Einheit des Bildes. Anhebend von scheinbar so Zufälligem wie die Fugen zwischen seinen Seiten. An ihnen gleitet der Blick nach innen; indem das Auge sie auf ihren ideellen Schnittpunkt zu verlängert, wird die Beziehung des Bildes auf sein Zentrum von allen Seiten her betont. Diese zusammenführende Wirkung der Rahmenfugen ve~tärkt man ersichtlich, indem man die äußeren Rahmenseiten den inneren gegenüber etwas erhöht, so daß die vier Seiten konvergierende Ebenen bilden. Aus dem gldchen Motiv aber erscheint mir eine jetzt häufige Form völlig verwerflich, die Erhöhung der inneren Rahmenseiten, so daß der

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DerBlldn.hmaa

Rahmen nach außen abfällt. Da der Blick, wie die k6rperliche Bewerwr, leichter vom Hohen ium Tideren geht a1a umgekehrt, so wird er auf dieseW dse unvermddUc:h vom Bilde weg nach außen gefiihrt, und der Zusarnrn,;nhalt des Bildes einer icntrifugalen Zerstreuung ausgesetit. W enigc:r der aynthetuc:hen a1a der abachJie.Bendco Funktion dient ca, daß die Rahmensdte von iwei Ldatm eingefaßt ist. Dadurch vertiuft das ganze Ornament oder die Profilierunr des Rahmens wie ein Strom rwiachen twd Ufern. Und eben dies begünstigt jene iosdhafte Stellung, deren das Kunstwerkder Außenwelt gegenüber bedarf. Es ut deshalb von äu.ßentu Wichtigkeit, daß die Zeichnung des Rahmens dies kontinuierliche Flie.Bcn des Blickes, a1a ob er immer in sich zuriickstr6me, crm6glichc. Deshalb darf der Rahmen nirgends durch seine Konfiguration eine Lücke oder Brii~e bieten, an der sozusagen dieWelt hinein könnte oder an der ca in die Welt hinaus könnte - wie dies i. B. durch die Fortactiunr des Bildinhaltes in den Rahmen hinein geschieht, eine ium Glück seltene Veritrung, die das Für-sich-Sein des Kunstwerks und eben damit den Sinn des Rahmens völlig verneint. Die in sich achlieJende Str6muog des Rahmens bedeutet aber nicht etwa, daß das Rahmenornament in sich seiner Einfassung paralld verlaufen müßte. Im Gegenteil, gerade um dm Fluß des Rahmens, der das Bild zur Insel macht, deutlich hcrvor~uheben, müssen Linien des Ornamentes stark, bis iur Senkrechten, von dieser Parallelität abweichen. Alle zur Rahmmadte quer stehenden Linien bilden Stauunrcn jenes Stromes in ihm, dcaaen Kraft und Bcwefthdt, von uns 1.sthetuc:h nac:!irefühlt, sich an der Oberwmdung solcher Hemmungen ateifut und verdeutlicht. Die ganze Bildung des Rahmenornamentes findet ihr Regulativ an dem Eindruck des Flic.Bens und Sichschlie.Bma, durch die er die .Abtrconung des Bildes von allem Ringsumher bctoat; so oaS jede trennende Linie in dem Maße rercchtfcrtigt ist,

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Der Bildrahmen

m dem sie-.jenen Eindruck auf sdn Maximum heben•hilft. Aus dem gleichen Motiv wird die lä.ogst bewährte Praxis vustän.dUcht dem kldnerm Bilde den breiterc:.o, jedenfalls den energischer wirkenden Rahmm zu geben. Deon der Gefahr für dieses, in der zugleich erblickten Umgebung zu verschwimmen, ihr gegenüber nicht hinreichend sdb- . .ständig hervorzutreten, muß mit stärkeren Abschlu.Bm!ttdo begegnet werden als bei dem ganz großen Bilde, das· einen erheblichen Teil des Sehfeldes für sich allein ausfüllt; indem das letztere von seiner Umgebung keine Konkurrent für die sdbs~dire Bedeutsamkeit seines Eindrucks zu fürchten braucht"tkaon es sich mit einem minimalm Rahmenabschluß begnügen. Der Endzweck des Rahmens beweist die Unzulässigkeit der hie und da auftauchenden Stoffrahmen; ein Stück Stoff wird als Stück eines viel weiter rchenden Stoffes empfunden, es hat keinen inneren Grund, daß das Muster gerade an dieser Stelle abgeschnitten wird, es weist v:on .sich aus auf eine unbegrenzte Fortsetzung hin - der Stoffi'ahmen entbehrt deshalb des durch die Form gerechtfertigten Abschlusses und kann also nicht etwas anderes abschließen. Bei ungemusterten Stoffen, wo dieser Mangelan Geschlossmheit und Abschlußfähigkeit weniger hervortritt, genügt schon . ~ie Weichheit des Randes, des ganzen Stoffeindrucks über• haupt"t um den gleichen Mangel zu produzieren. Es fehlt ~em Stoff an der eigenen organischen Struktur, durch die das Holz eine •so wirksame und doch bescheidene Geschlossenheit in sich selbst erhält - die an dem imitierten Rahmen schmerzlich vermißt wird, während sie an dem geschnitzten Goldrahmen trotz des Überzuges fühlbar wird. Deon er verdeckt oicht die leisen Umegelmä.ßigkeiten der Handarbdt"t durch die deren organische Lebendigkeit aller Korrektheit der Maschine überlegen ist. Das richtig verstandene Prinzip erkläft"tweshalb man jetzt in .tinigerma.Ben geschmackvollen Milieus Photogra-

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50 phlea nach der Natur oicht mehr in Rahmea findet. Der Rahmen schickt sich nur f6r Gebilde von qeschlosseaer Einheit, wie aie dn Stück Natur niemals. hat. Jeder Ausschnitt der usumttdbarea Natur ist durch tausend räumliche, historische, begrlffliche, gemütliche Bcdehungea mit alledem verbunden, das in pSßerer o6cr geringerer. physischer oder auUscher Nähe es umgibt. Erst die Kunstform schneidet diese Fädea durch und mlipft aie gldchsam nach innea zusammm. An dem Stück Natur, das wir imtialctiv als bloßen Teil in dem Zusammenhange des rroßea Gaa.un fühlen, ist deshalb der Rahmea in demadJ;ea Male widerspruchsvoll und gewalttätig, in dem das innere Lcbempruuip des Kunstwerkes ihn verträgt und fordert. Ein anderes prinzipielles Mißverständnis, unter dem der Rahmea leidet, ist ein Abk6mmlinr moderner M6bdaündm. Der Grundsatz. daß das Möbel dn Kunstwerk sei, hat mit vielem Ungeschmack und 6der Banalitit aufgeräumt; aber sein Recht ist nicht so positiv und unbegrenzt, als das günstige Vorurtdl für ihn meinen läßt. Das Kumtwerk ist etwas f6r sich. das Möbel ist etwas für ·uns. Jeaes, als V ersimlUchunr einer suUschea Einheit, mar noch so individuell sein, in unserem Zimmer hä.ngead, stört es uosere Kreise nicht, da es einen Rahmen hat, das heißt da es wie eine Insel in der W dt ist, die wartet, bis man zu ihr kommt, und an du man auch vorüberfahren und vorüberaehea kann. Das Möbelstück aber berühren wir fortwährend, es mischt sich in unsu Leben und hat deshalb kein Recht auf Für-sich-Sein. Manches moderne M6bd erscheint, weil es der usumttdbare Ausdruck inclividudl~ Künstlutums ist, degradiert, wenn man darauf sitzt; es schreit f6rmlich nach einem Rahmen, und ohne diesen im Zimmer stehend unterdrückt es den Menschen. der doch mit seiner lndividualiti.t achlidUch die Hauptsache. und jenes nur der Hintergrund sein soll. Es ist eine Hypertrophle des modernen lnclividualitätssinnest wenn man allenthalben die

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• Dn BllcltahmcD

SJ

lndMduaUtät desM6bels predigen h6rt. Es ist dieselbeR.anrverkennunr • wum man dem Rahmen ein.eo lathetischm Selbstwert verleihen willa durch figürliche Ornamente, durch den eigenen Reiz der Farbe, durch Formung oder Symbolik, die ihn zum Ausdruck einer sdbstrenugsamen KumtIdee machen. Alles dies vuschiebt die dienende Stellung des Rahmens regmliber dem Bilde. Wie da Rahmm einer Seele nur ein K6rper sein kamt, nicht aber wieder eine Seele - so kann ein Kunstwerk, das etwas für sich ist, nicht als Rahmen das Für-sich-Sein eines anderen betonen und st1iuena die Resignation, deren es dazu bedarf, schlidt das Kunstsein aus. Wie das M6bd, soll er keine Individualität, sondern einen Stil ha&en. Stil ist Entlastung der Pers6iilichkdt, Abl&ung der individuellen Zuspitzung durch ein breiteres Allgemein.es; während deshalb ein Gegenstand des Kunstgewerbes CS sofort In den Vorderrrund des Bewußtseins nickt, in welchem Stil es ist, fragen wir einem Kunstwerk gegenüber viel weniger danach, ja bei den ~6.ßten Kunstwerken ist uns ihr Stil drentllch sehr gldchgültiga das Individuelle libaragt hier schlechthin das Allremeine, das. wir den Stil nennen und das der einzelne Gegenstand mit unzählig~ teilt; In diesem überindividuellen Charakter lieft das Gedämpfte und Beruhigende, das von allen streng stilisierten Gegenständen ausreb.t. Am Menschenwerk ist der Stil dn Mittleres zwischen der Einzigkeit der individuellen Seele und der absoluten Allgemeinheit der Natur. Deshalb umgibt sich der Mensch in seinem kulturellen Niveau, das ihA von der blo.ß natiirlichen W dt trennt, mit stilisierten Objekten, und deshalb ist für den Rahmen des Kunstwerks, das in seinem Verhältnis zur Umgebung das der Seele zur Welt wiederholt, der Stil. und nicht die Individualisierung, das rechte Lebensprinzip. Wenn also die ästhetische Position des Rahmens nicht wenirer durch eine gewisse Indifferenz als durch jene

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Dct Bllcluhmaa

Energien seiner Formen bestimmt wird, deren g{dc&milMaa Flic.Sen ihn als den bloßen Grenmiiter da Bildes chataktctiaiert - so scheinen gerade ganz alte Rahmen dem .zu widersprechen. Hier sind die Seiten oft a1a Pilaster oder a1a Säulen gd,ildet, die dn Gesims oder einen Giebel tragent dadurch ist jeder Tdl und das Ganze sehr viel differeo..iierter und bedeutsamer als bei dsiem modcmCD Rahmen, dessen vier Seiten ohne weiteres fm dnmdcr vikarlieren k6no.m. Durch diese schwere Arc&adctomk, durch das arbdtstdlige Einander-Bedürfen seiner Elemente wird frdlich der innere Schluß da Rahmens aufs h6chstc gesteigert; allein er erhilt dadurch ein eigenes organisches Leben und Gewichtigkeit, die mit scinu Funktion a1a bloßer Rahmen in herabset.imde Konkurreo..i treten. Dies mag gucchtfcrtJgt sein, solange die innere khat1erische Einheit des Bildes, die es in sich .zusammen- und von der W clt abschlidt, noc& nicht hinreichend stark empfunden -wurde. Wenn das Bild gottesdienstlichen ZweckendientCt -weo.n es in das rcligi6se Erlebnis hineinge.iogen wurdCt weo.n es durch Spruchbänder oder sonstige Interpretationen sich direkt an die Jntelligeo..i des Beschauers wendete .so bemächtia-ten damit außerartistische Sphären sich seiner und drohten seine formale künstlerische Einheit zu durchorcchen. Dem begegnet die Dynamik des architektonischen Rahmens, dessen aufeinander hinweisende Teile einen -undurchbrechli~h starken Zusammenhang - und dadurdt. ..Abschluß - bilden. Je mehr das Kunstwerk solche ihm jenseitigen Beziehungen ablehnt, desto mehr kann es der Rahmenkräfte entbehren, die durch ihre tigene organische ·Lebendigkeit doc& ihte dienende Funktion wieder desavouieren. Daß dem architektonischen Rahmen gegenüber der modune Rahmen mit dem viel incchaoischereo., schematischen Charakter seiner vier gleichen Seiten einen Fort.schritt darstellt, ordnet den Rahmen in ein weitgreifendes

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Der Bildrahmen

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Priiwp der Kulturentwicklung em. Diese füh,t nämlich kdneswegs hnmer das einzelne Element von mechanistisch. äußerlicher zu organisch beseelter, filr sich iinnvoller Form. Im Gegentdh wenn der Geist den Stoff des Dasdns hnmer umfänglicher und zu immer h6heren Gestaltungen organt. siert, werden undhlige Gebilde, die bis clahm ein in sida geschlossenes, eine dgene Idee repräsentierendes Leben führten, zu bloß mechanisch wirksamen, partikulären Elementen gr6ßerer Zusammenhinge degradiertJ nur diese sind jetzt die Träger der Idee geworden, jene aber bloße Mittel, deren Eigenexistenz sinnlos ist. So verhält sich der mittelalterliche Ritter zu dem Sotclaten der modernen Armee, der selbständige Handwerker iu dem Fabrikarbeiter, die abg-eschlossene Gemeinde zu der Stadt im modernen Staate, die hauswirtschaftliche Eigenproduktion zu da Arbeit innerhalb der geld- und weltwirtschaftlichen Organisation des Marktes. Aus den nebeneinander gelegenen, gegeneinander selbstli:adigen, selbstgenugsamen Wesen erwichst ein übergreifendes Gebilde, an das jene gleichsam ihre Seele, ihr FüMich-Sdn abgeben, um ast als dessen mechanisch funktionierende Glieder einen Sinn ihrer Existenz zurückzugewinnen. So zeigt die mechanisch-gleichförmige, an sich bedeutungsleere Gestaltung des Rahmens gegen.a. über seiner architektonischen oder sonst ,,organischen", daß das Verhältnis zwischen Bild un.d Umgebung nun erst als Ganzes aufgefaßt und adlquat ausgedrückt ist. Die achdnbar h6here Geistigkeit . des an sich bedeutsamen Rahmens beweist nur die geringere Geistigkeit in der Auffassung des Ganzen, dem er angeh6rt. Das Kunstwerk ist in der eigentlich widenpruchsvollen Lage, mit seiner Umgebung ein einheitliches Ganzes ergeben zu sollen, während e, selbst doch schon ein Ganzes istJ es wiederholt damit die allgemeine Schwierigkeit des Lebens, claß die Elemente von Gesamtheiten dennoch beanspruchen, autonome Ganze für sich selbst zu sein. Es ist enichtlich,

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Der Blldralunaa

welcher unc:ndUc:h fdnm Alrwlranr da Vor-cmclZudicktrctcu, der Enaatm und der HcmmUD&'CD der R •hmco hedatf, wcmi er im A.aacbauUchcn die Aaf,a&c l&cn soll, ~cn dem Kunstwerk uncl seinem Mmeu, trcmieocl acl vcrhmcuocl, zu vumitte&l - clic A~a&c, an deren Auloric im Gac:hichtlichco clas liiclivicluum cmcl die GacUscbah aJch a-ce-cucitif ""dbm.

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DAS ABENDMAHL LIONARDO DA VINCIS I An den Künstlern h6chsten Range.s vollzieht das Grdsentum manchmal dne Entwicklunr, die ihr Reinstes und Wesentlichstes scheinbar gerade durch den natarliche.i Verfall des Alters hervortreten lä.Sta indem die Kraft der Formgebung, der Reiz der sinnlichen Gestaltung, die unbefangene Hingabe an die gegebene W dt herabsinken, bleiben nur die ganz großen Linien, das Tiefste und Eigenste der Produktivität sozusaren übrig. So Goethe im zweiten Teil des Faust, so Beethoven in den letzten Quartetteo. Während an den Durchschoitts- und Zufallsmeoschen das Alter ainolos herumnaat, ihr W csentliches wie ihr Wertloses, wie es rerade kommt, vernichtend, ist es das Privileg einifer großen Menschen, daß die Natur, auch wo de zent6rt, es an ihnen wie nach h6herem Plane tut und die V crnichtuor zum Mittel macht, ihr Ewiges aus ihrer Oberfläche und dem, was nicht ihr reines Eigen ist, zu lösen. Anresichts der splrlichen Reste, die jahrhundertelange Zerat6rungen jeder Art an Uonardos Abendmahl im Rddttorium von S. Maria delle Grazie in Mailand ibdg gelassen haben, sc:beint sich jenes Schicksal großer Künstler auf das große Kunstwerk iibcrtragm zu haben. Dmn was von ihm geblieben ist, wirkt so schlechthin einzig mit so ungettiltcr Kraft aus den Tiden aller Kumt hervorbrechend, als wärm all die abgefallenen Farhenteilchen von einer Oberfläche wcneblättcrt, den wesentlichen Kern dahinter nicht berührend, ja, ihn immer dc:htbarcr machend1 und a1a würde noch in dem Augenblick, bevor einmal sein

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Du A&cadmabl Llonatdo da Vtsu:ta

lmtcr Schimmer verschwindet, in diesem die ganu Macht und bmere UnvergängUchkdt, wie hinter urbroc:hmcr äußerer Schale, aufleuchten.

u Die künatlerischm Aufgaben, die Licmardo·sich hier gestellt hat, sind durch dieses Bild zum Gemeinbeaitz aller folgenden Entwic:klung .abschlich vielgliedrigen w:>.dzugleich fragmentarischen Geflecht, das uns fiir die Praxis des Tages den. bestimmten Menschen bedeutet, das rein optische Simienbild heraus. Es volliieht die Abstraktion des rein Anschaultchen aus der verworrenen Wirklichkeit des Menschen - keine intdlektudle Abstraktion oatiirlich, sondern eine sinnliche, und selbstverständlich keine w6rtliche Reproduktion dieser Erscheinung- wie die Photographie. Jedenfalls aber, da der Maler nur Jenes rein aug-enmäßire, durch Form und Farbe wiederiugebende Phioomen iur Verfiig-uog hat, so kann auch die künstlerische Umbildunr, die er mit dem Naturgeg-ebenen vornimmt, sich ausschließlich an diesem sinnlich Gerebenen volliiehen Dies ist gar nicht so sdbstverstlodlich, wie es klingt. Immer wieder hart man, der Porträtist offenbare das, was hinter du sinnlichen &scheinuog liegt, er lege das seelische Wesen des Menschen dar, das Bild sei das Symbol für eine Idee oder einen Typus, und ähnliches. Wie das Porträt den damit bezeichneten Ansprüchen genügt, wird sich später ieigen. Unmittelbar Jedenfalls sind sie gani irrig. Nicht das Jenseits der Sichtbarkeit Gdeg-ene ist der malerische Geg-enstand, sondern er selbst, rein als Erscheinung, wird durch Formung und Beleuchtung, durch Betonen und Zurüc:kstcllm, durch Verschieben und W eg-lassm, durch Aufbau und Wahl des Aug-enpunktes cu h6chster Deutlichkeit gebracht, cur H&he seines Reues, cum Gefühl seiner Gesetimä.Bigkeit. Gani allein die sichtbare Oberfläche und das Verhältnis ihrer Teile cueinander trirt diesen Reic

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Du Problem da Portrlts

und diese Gesetzmäßigkeit. Dm natiirlichen Zusammenhingen, die diese Oberiläehe mit allem Nicht-Sichtbaren dieses K6rpers und dieser Seele, dem g-esamtenLeben und dem Kosmos in realer Uo.lösliehkeit verknüpfen, entreißt du Maler allein dieses von außen Sichtbare. Rein naeh den malerischen Forderungen der Klarheit, der Charakteristik, der optischen Harmonie ist es notwendig, daß dieser Mund so und so gebildet wird, wmn diese Nase dasteht, daS diese Augen gerade nur .zwischen dieser Stim und diesen Wangen stehen können. Die Struktur und Dynamik des guuen Körpers unter der Haut, des ganun Weltverhältnissea des Menschen ist freilich in die Oberflächenbesehaffenheit eingegangen - wie es Goethe sag-ts „Es ist nichts in der Haut, was nieht im Knochen ist." Ist diese aber erst einmal .zustande gekommen, hat der Künstler erst einmal so.zusagen den ganzen Menschen auf die Ebene der Sichtbarkeit projiziert, so hat er ausschließlich die Gesetzlichkeit und ästhetische Bedeutung eben dieses Sichtbaren zum Ausdruck zu bringens sein Werk ist die Vollendung des Sehens in sieh selbst, die Herausarbeitunr des Sinnes der bloßen Erscheinung als solcher, ihrer Reue, ihrer mnerm Notwendigkeit. Man empfindet indes ohne weiteres, daß die Forderungen an das Porträt hiermit nicht vollständig ausgedrückt sind. Uonardos Sau: die Malerei habe zwei Dinge dar.zustellen, dm Menschen und die Seele - enthält in vielleicht etwas pt:imitiverForm einen Anspruch; den keine artistische Theorle einfach weg-dekretieren kann. Es kann nicht ein durchgäng-igesMiSverständnis sein, wmn man jeder.zeitvon dem Menschenbildnis verlangt hat, es müsse uns ein Seelisches zugängig machen, das über das unmittelbar Sinnliche, das räumlich Optische hinausreiche, und wemi man dies V erlangen auch in größerem oder geringerem Maße. erfüJlt findet. Unmittelbar erscheint dies durch den Eindruck gerechtfertigt, den der lebendige Mensch von du

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Du Problem da Portrlta

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Geg-enwart des anderen tebendig-en Menschen erhält. Es ist nämlich die nahelieg-endeMeinung-g-änzlichabzuweisen; daß wir auch hier den anderen nur mit dem Aug-e sehen, daß er unserer W ahm.ehmunr zunächst nur dn Stück farbig-e Materie ist, das sich bewegt und Laute von sich g-ibt, kurz eine Marionette ist, in die wir erst durc:h die Erfahrung an uns selbst, durch Assoziation und Konstruktion ein seelisches Leben, seelische Wesensart und Inhalte hineinlegen. Ich bin überzeugt, daß der Körper und die Seele a.icht zwei „Teile" des Menschen sind, die ihn erst zusarnrnitnsetun und von denen der eine unmittelbar sinnlich gegeben ist, der andere erst erschlossen werden muß. Vielmehr, der Mensch ist eine lebendige Einheit, die erst durch eine nachträgliche Abstraktion in jenes beides zertrennt wird, und als diese Einheit nehmen wir ihn auch wahr. Nicht das Aug-e in seiner anatomischen Einzelbedeutung als ein isoliertes Instrument, sondern unser einheitliches Sein, der ganze Mensch, wird des anderen g-anzen Menschen gewahr, und die einzelnen Sinne sind nur die Kanäle, durch die die Gesamtwahm.ehmungsk:raft unseres Wesens fließt. Wie der W ahm.ehmende selbst eine Totalexistenz ist, die in jeder ihrer besonderen Funktionen doch ganz lebt, so ist für ihn auch der W ahtgenommene von vornherein der beseelte Leib als eine Einheit, die a.icht erst durch eine nachträgliche komplizierte Synthese zustande kommt. Freilich bewirken die Zufälligkeiten, Zersplitterungen, Unvollk:ommenheiten unseres empirischen Lebens, daß diese Einheit a.icht in ihrer g-anun Rundheit, als restlos geschlossene wirksam wird, sie wird einseitig, frag-mentarisch, durch die Schwankung-en unserer Kräfte und Interessen abgebogen und zersetzt. Allein sie besteht als Grundmotiv, als zuerst und zuletzt Entscheidendes über all den T eilwahmehmungen und Differenziertheiten, den Trennungen und Wiederzusammensetzungen, in denen der Mensch sich dem Menschen bietet. Schließlich lebt alle

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Du Problem da Portrlta

Kunst auf dieser Basis• daß anthropologisc:h K6tpcr und Seele eine Einheit sei, wie metaphysisch Realität und Idee eine Einheit sind. Alle Bemühungen der Denker, den Zusammenhang von Körper und Seele herzustellen, als W ec:hselwirkun,, Parallelismus oder wodurch immer, wollen nur nachträglich die auseioandergeschnitteneo. St6cke dessen wieder zusammenflicken, was uns tägliches unmittelbares Erlebnis ista die Lebenseinheit des Menschen, die wir durch alle V erselbständipngen des Körpers und der S"le hindurchfühlen. Ist aber diese Zuspaltung des Menschen einmal geschehen, so wird Jede der beiden Seiten zum Ausgangspunkt für sein Verständnis; jetzt mu.Ber gedeutet werden, statt in unmittelbarer intuitiver Auffassung ergriffen zu werden. Die Praxis des Lebens und die Kunst versuchen dies auf Wegen, die in eigentümlicher Weise gleichlaufend und entgegenlaufend sind. Das praktische Interesse knüpft sich, mit einigen auf der Hand liegenden Ausnahmen, an das seelische Verhalten du Menschen; wir werden im Fassen und Ausführen unserer Plän~ in Glück und Leiden, in Schicksal und Arbeit eben schließlich dadurch bestimmt, wie andere Mm.sehen, das heißt, andere Seelen zu uns stehen, ob sie klüger oder t6richter sind als wir, ob sie uns lieben oder hassen, ob sie unsere Bestrebungen fördem oder hemmen. Nichts anderes ist gemeint, wenn ein so praktisch realistischer Mensch wie Napoleon sagt, der Krieg wäre eine Sache der Psychologie. Im letzten Grunde ist es nä.chst der eigenen Seele die S"le der anderen Menschen, was unser Schicksal entscheidet. Darum ist innerhalb des praktischen Handelns der Körper des Individuums, sein Aussehen, seine Bewegungen, seine Äußerungen für die anderen Individuen nur eine Art Buchstabenschrift, die ihren uns ang-ehendenSinn in seinen Gesinnungen und Stimmun,en, seinen Absichten und seelischen Energien hat. Auf die reine K&rperlic:bkeit des Menschen konzen-

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Du Problem de, Pottrlts

J'.OJ'.

triere.o.w uns aus ästhetischen oder sensuellen Gt&sldm, aber in· der dfentUch lebenbestimmenden Pram dien wir über sie hin zu seinen s"1ischcn Beschaffenheiten und Beweftheitm, für die uns seine K6rperlic:hkeitnur die Briicke, das Symbol, der Interpret ist. Diese Richtung- des·Verhältnisses von Leib und Seele dreht sich, wie wir sehen werden, für die Kunst um, und zwar auf Grund davon, daß sie schon in· ihrer Voraussetzung- ein besonders schwieriges Problem zdg-t. Jene Lebenseinheit, jenseits der Scheidung der beiden Parteien stehend, gilt doch nur für den realen gegenwärtig-eo MenschenJ er freilich, wie er ins Zimmer tritt, ist jene T otalexisteni, die der Besc:kauer auch als solche im Eindruck physisch-psychischer Ung-esc:hiedenheitaufnimmt. Allein das Bild enthält diese Einheit jedenfalls nicht. Der Beschauer steht nicht einem vollen Leben, sondern einem Nebeneinander von F arbenflec:keng-egenübu, der bloßen Form und Farbe einer Oberfläche. Und nun erhebt sich eben die Frage: wie kann diese Encheinung auf der Leinwand, diese Abstraktion, dennoch die Vorstellung eines Innenlebens, einer Sedenhaftigkeit und ihres bestimmten Charakters hervorrufen? Eine bloße Assoziation, aus der Gewohnheit heraus, immer einen menschlichen Körper mit einer Seele verbunden zu sehen, wäre eine v6llig unzulängliche Erk:lä.rung. Selbst wenn wir auf solche Eigenerfahrung hin die Beseeltheit überhaupt erkennen würden, so doch niemals, welche besondere Beseeltheit. Denn dabei wäre vorausgesetzt, daß ein g-enau gleicher K6rper in seiner Verbindung mit einer g-anzbestimmten Seele bekannt wäze - was ebenso unannehmbar und phantastisch wäre, wie wenn man die jetit geforderte Erfahrung aus einidnen Stücken von ungefähr ähnlichen Erfahrungen zusammenleimen wollteJ denn hiermit wäre das Entscheidendes die Einheit der organischen Erscheinung, die das bloße Nebeneinander der Stücke übergrdft und sich

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.Daa Ptoldem du Portrlta

gar nic:htm«baniv.h-acss ihnen zusaimnc.nset.u:nWh, raadc nic:hterklätt. Wir m&aenalsodne:nandere:n Wer dnsc:hlagen, um dieBesedtheit dc:sPorträts zu vustehe0tcksse:nrdnäu8er1ic:hoptJsc:he:n. Chataktu ic:h ja rerade vorangcatcllt hatte. Aus dieser letzteren T atsac:he folgt zw.äc:hst, claSdas sedisc:he Element in der bi1de:ndenKunst eine ranz andere Art von Bedeutung hat als in der Poesie. F4r diese ist das sulisc:he Leben der Stoff ihrer kiinst1erischen Umgeataltung, sie organisiert w.d atilisiert dieses Leben, bis es 4ber alle Wirklic:hkeit hinweg als gesc:h1ossene, rdn kiio.stlerisc:he Vision dasteht. Innerhalb der bildenden Kunst aber ist das Sedisc:he kdn eigener Gegenstand der Bearbeitung, sondern c:s kann nur dem k6rpulic:hen Phänomen folgens nur als Seele dieses bestimmten ansc:haulic:henK6rpers ist es dem Porträt von Wert, niemals aber f4r sic:hallein, wie der Poesie. Dieser Leistungswert sdner besteht nun darin - und das ist das Entsc:hddende claS das, was wir die Einheit dnea Gesic:htsnennens die g1eichm1.BigeBelebtheit du Z4ge, ihr gef4h1tesZusammenwirke0t die Bedingtheit eines jeden durc:h jeden anderen claS dieses dadurch offenbart oder davon getragen wird, claS sie in ihrer Gemeinsamkeit dne Seele ausdr4cken. Wenn mit Mitteln der reinen Ansc:haulic:hkdt, 4bu die du Maler alldn vetf4gt, dne gewisse Organisiertheit und gegenseitige Bestimmung der Formdemente erreic:ht ist, ein rein an.schaulic:hesAufeinander-Hinweisen der Züge, eine Gesetzmäßigkeit in ihren Verhältnissen, so entsteht die Vorstellung der Beseelung dieser Körperlichkeit. Und, in der anderen Ric:htung gesehe:ns sobald irgendwie nur die V orstdlung der Beseeltheit von dem Oberflächenbilde ausgeht, bedingt sie in ihm dne außerordentlich verstärkte Einheit, eine Art zusammenhaltenden Lebens, als wäre die unzerlegbare Wund fetzt fühlbar, die all die Formen der Obuflic:he emporgetrieben hat. Hier liegt in der Tat eine Art Wec:hsdwirkwg vors die körperlic:heErsc:heinung

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Daa Ptoblcm cla Portrlta

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W\t verm6ge ihrer kümtlerischen V erdnhdtlichthdt im Beschauer die V orstdlw,.g diler Sule anklingen und diese wirkt .iuriick und gibt du Erschdilung gesteigerte Einheit Halt, gegenseitige Rechtfertigung der Züge. Diese W echadwirkung ist die künstlerische Ponn, in die sich die unmittelbare Einhdt der ReaUtät von K6rper und Seele au.einanderlegt und in der sie sich von neuem beweist. Einheit in genauem Sinne ist Seele, denn alles K6rpu1iche alt solches liegt in unüberwindlichem AuSerdnandcr. Der Organismus freilich iat schon dile Einheit, aber ga.n.zeng w.d streng wird sie ent im beseelten Organismus. Erst in der Seele geht eine V uwebw,.g, eine Dutchclringunr, dne Innigkeit des Indtwidu der Dinge vor sich. .iu der die Au.Benwelt überhaupt kdile Analogie beait.it und die die Sule eben nur dadurch, daß sie selbst Einheit ist, hervorbringen kann. Wo die Einheit der Züge auadilander.iufallen droht, wie bd weitem AufrdSen der Augen, Aufsperrendes Mundes, schlaffem.Herabhbgendcr Wangenmuskeln haben wir deshalb den entschiedenen Eindruck VOil herabgeset.item seelischem Leben. ja von „Entgeisterthdt". Darum ist im Kunstwerk, das die Leb.enadnhdt in dilem bloßen Oberflächenbild darstdlt, jene Einheit der Züge wir nennen sie hier Notwmdigkdt, Harmonie, Geact.dichkelt - nichts anderes als ihr Getragemdil von diler Sule. In der Wirklichkeit haben wir die naive, undifferauiute, unmittelbar gelebte Einheit; das Kunstwerk. die Elemente auadilanderlegend w.d einem von ihnen die Pührw,.g übatragend, gewinnt damit dile .iwar viel gdähtdetere: aber auch viel tider notwendige, bewu.Bter w.d energischer wirkende Einheit. Die Seele ist das .iusammenhaltende, ordnende Geaet.i der Züg4 die allein die malerische Realität sind - wie das Natutgeset.i weder die Sache selbst ist, noch irgendwo außerhalb der Sache ist, sondern die Ordnw,.g und die verständliche Einheit und das fCfCAadtige V erhältnia der Sachen ausmacht. \

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Du Problem da Portrlts

. Daß das 6berhaupt m6glich ist, daß dne durch P arbflecke repräsentierte Obetfllche dn.e Seele in sich iu tragen scheint, daß diese empfundene Seele jene Oberfläche wieder iu einem aitmvollen, in sich einheitlichen Gebilde macht, das geht natürlich auf jenes Gtcmdgcfmil cles noch nicht in Parteien auseinandergegangenen Lebens iut6ck. Die Richtung abu, in der die bildende Kunst diese Einheit wiederherstellt, indem sie aich ihrer f6t ihre Zwecke bedient, ist dieses sie benutit soiusagen die Beseeltheit des Menschen, um fiir aein anschaulich k6ostletisches Bild, das sie entwirft, jene Einheit, Zusammengcfaßtheit, Gesetdkhkeit iu verstlrktem, gesichertatem Eindruck iu brinren. Die Prub des Lebens war umgekehrt gerichtet gewesen, .Art und Bewegtheit des K6rpers ist ihr ein Mittel, iur Seele iu dringen und sie iu deuten. Dies aber auch als die Absicht der Portrltkuost aniusehen, ist dn völliger Irrtum - gleichviel ob daa theoretische Bewußtsein mancher K6nstler ihn teilt. Es muß absolut festgehalten werden, daß dem Maler in erster und letiter Linie nur P arbflecken iur Verfügung stehen, daß sein Endiweck nur die .k6nstlerisch vollkommene Gestaltung der optischen Erscheinung; der Oberfläche des Menschen sein kann. Diese kann für ihn unm6glich zum bloßen Mittel werden, um iu etwas zu gelangen, was nicht sichtbar ist. Malerei ist nicht Psychologie, und wenn ihr Zweck wlre, uns die Seele eines Menschen iu offenbaren, 10 wäre das Portrlt eines Menschen ersichtlich gänzlich überflüssig, falls uns aeine Seele etwa durch andere Mittel, durch unmittelbare Beobachtung, durch Zeugnisse und Bekenntnisse bekannt würde. Kunst ist, wie Schopenhauu sagt, ,,überall am Ziele", sie ist kein Durchgangspunkt für anderes als sie selbst. Nur das, was außerhalb des spezifischen Sitmes des einzelnen Kunstwerks liegt, kann ihm ium Mittel werden, wie hiu die Seele. Will man überhaupt von dem Begriff von Zweck und Mittel innerhalb der Kunst Ge- '

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Du ProWan da Porlrlta

SOS

brauch mache0t - was immer etwas Bedenkliches hat so kami alles, was jcaseits du künstlerischen Vollendung da Erscheinung, rdn als gdormta und farbiger Erschdnung steht, nur als Mittd fiir eben diese Vollendung gdtm. Sonst stGnde das Portrit nicht über jeder T mden.zkunst, die die künstluischm Wate zu Zwecken benutzt, die außerhalb dieser künstlerischen Werte sdbst liegen. Wau,.. das dgentliche Problem des Portritss wdche Bedeutung denn da Ausdruck des Sulisc:hm für die Wiedergabe der rdn k6rperlichm Oberfliche habe, diese Antwort findet, so ist sie natiirlic:h eine nur prin:ipidlc, die in du tatsic:hlichm Porträtkunst in dnu Unzahl von Modifikationen und Abbiegw,.gm auftritt. Die künstluische Umbildung fordert, da.8 gegenüber da empirischen Erscheinung du Ein.druck der Einhdt der Gesichtszüge außerordentlich verstärkt und vertieft werde. Dain von dem realen Maischen haben wir ohne wdtues, aus dem vorhin angeführten Grunde, an seinenBewegw,.genundÄußerw,.gm das Wissen um seine einheitliche W esmhdt. Das Porträt abu muß dieses Wissen durch dm bio.Sm Anblick von stabilen Formen und P arbm, insbesondue du Gesichtsiüge erst erzeugen, muß jenes Gefühl des vollen Ganim durch diesen eigentlich abstrakten T ei1dndruck ersd.im. Man kannte nun daran dcnke0t statt des Ein.clruc:ksvon der Seele, die diese Aufgabe löste, andue Mittd zu gebrauchen. Es lide sich der Zusammmhalt, die Einheit, durch ~e formale Gestaltung errdc:hen, die sic:h•in genauerem Sinne an die bio.Se Obufläc:he hielte. Wir nau,.en doc:h dne Arabeske auf ihre genaue Symmetrie, auf dne gewisse Harmonie und Gldc:hmiSigkdt ihru Kurven und Winkd hin einheitlich, während andere mit wirren, zufälligen, voneinander unabhängigen Elementen. als uneinheitlich empfunden werden. Die artistische Aufgabe du V ueinheitlichung auch du mcasc:hlichm Erscheinung wäre vidldcht auf diese omamentale Weise und ohne die Einhdtsldstung •

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Du Problem da Portrlta

du Seele herbeizurufen 16sbar. Dies Experiment ist tataäc:hUch in gewissem Umfanr gemacht. Die Geschichte des Mcnschenbildmsses zeigt, daß die Erscheinung um so strenger stilisiert, um so formalaymmetrischer, bis zum Geometrischm hla, um so mcht im ornamentalen Sinne ausgeglichen und geac:hlouen ist, je weniger du Ausdruck der Seele resucht wiid oder gelingt. In einem großen Teil der primitiven wie der hieratisch ägyptischen Kunst wird die Erscheinung iil eine Form eingestellt, die an und fiir aic:h, auch jenseits der menachlichm Gestalt, einen in sich geschlouenen Sinn hat und dadurch die Einheit des in sie Hineingestaltetm von vomhuein ansc:hauUchgarantietta der Kreis, das Dreieck oder Viereck, die gmaue Symmetrie der Hälften um die Mittelachse herum. Die Einheit kommt hier Dicht aus dem Geeastand selbst, wäc:hat Dic:htorganisch in und aus ihm, sondern es besteht ein fiir sich allein schon sinnvolles rationales Schema, in das die Erscheinung eingestellt wird und das Jht seine dgme Einhdtlic:hkdt mitteilt. In der klassischen Kunst der Griechen und der Renaissance ist diese Gestaltungsart noch keineswegs gani venchwundai, sie ist nur seht viel biegsamer, lebmdiger, kompluiutet geworden und zum gro.Bm Teil sc:hon durch die andere Form oder Kraft der Einheit enetaa durch den Ausdtuc:k der Beseeltheit. Man kann gmau vetfolgai, daß das eine Ptis:wp gerade in dem ~e dominiert, in dem das andere zuruc:ktdtt. Zu vollkommener Hemchaft aber kommt die Sulenhaftigkeit als zusarnrnr.nhaltende Funktion der Erscheinung erst bd Rembrandt. Wir ventehen daraus vor allem den unmdlichen Reichtum an Elementen und Nliancai, mit dem Rembrandt die frühere Kunst übertrifft. Denn soweit es noch an der Seele als allein zus~enhaltendet Kraft fehlt, soweit noch ein geomettiaierendes Schema sie vertritt, müsam die Elemente reduziert, vereinfacht werden, um in diesem unterzukommen. Die Seele ist ein soviel

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Du Problem des Portrlta

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weiter· ausgreifenda, tiefer etfassenda, bewegter schwingendes Gestaltungsprinzip, daß sie ihre Macht 4bet ~ frei spielende, unendlich differenzierte, mtt du Berechnw.r gar Dichtfestzulegende Elemente 4ben kann. Den äußersten Pol dieser Reihe stellen gewisse Porträtbüsten von Roclhl dar, die mtt offenbarer Absichtlichkeit noch die letzte Schematiki die Symmetrie der beiden Gesichtshilften urstarm, deren Ung1eichhdt fast 4bertreibmd betonen; die Seele zeigt vielleicht erst hier das Unbegrenzte ihrer M6rUchkdten. Natiirlich kann auch jea.e frühere Kumt des Elementes der Seele f4r den Zusammenhalt du menschlichen Erscheinung Dicht ganz entbchtm, ebmaowmig wie Rembrandt dasjenige, was ich das omam.mtale Prinzip nannte, gänzlich ausschalteti das rein formale Aufeinander--Angewiesmsdn der Oberflächenteile, den Zusammenhalt durch ihr dekoratives Verhältnis. Ea kommt nur darauf an, welches der beiden diametral mtgegengesetztal Prinzipien dm entschddenden w.d gewollten Dienst fiir dieVereinheitlichung der mmschlichenErscheinungldstet.Das Verhältnis aller Kunst z;um Lebm wird man so budchaen können, daß gqen4ber der bw.ten, unruhqr flutenden, aus unzählirm heterogenen Elementen durchdnandergemischten Ganzheit des realen Lebens jede Kumt da Element, die W dt eines Sinna, eine McSglichkdt da Fühlens und Formens heraushebt und damit einen umfriedeten Bezirk schafft, der vielerlei Inhalte der W dt aufnimmt w.d nach seinen besonderen Gesetzen gcataltet. Aber immerhin ist jede etwas Einadtiga, auf einen TOD Abgestimmtes, während die Wirklichkeit all ihre Inhalte ineinander webt und sie f4r jedes Individuum in die große Einheit seines Lebens dnatellt. Innerhalb aber dieser Einheit zeigt das Leben Zerrdßungm, Premdheiten, w.versöhnliche Gegensätze sdner Elemea.te und Richtungen. von denen .die Selbstbeschränkung der Kumt nichts weiß. Die Kunst als pnu ist vid dnadtirer, die Summe ihrer

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sle

J08

Du Ptot,lan dca Portrlts

Leistungen. untereinander viel unbetühtsamer, fremdsprachiger als das Leben ist, dagegen. aber die dnuls,.e Kunst in sich unendlich dnhdtlic:her und in ihren Inhalten. inniger verwandt. In der erlebten W dt ist zugleich m.chrNlhe und mehr Feme der Elemente, als in der kiiost1uisch gcsta1tdm. In dieses Bild von der W dtstc11ung derKunst ordnet sich die Auslegung der Porträtkunst ein. Deren Bedeutung mußte erst, in renauu Beschränkung, auf dm Gesichtssinn eingestc11twerden, auf den der Malerallein angewicsm ist. Ent wmn dies gesichert ist, darf die Theorie fragen: wo aber bleibt die Sede, das unan-schaulich innere Mommt, das doch das Porträt in seiner Wirklichkeit un.iwdfdhaft dat&ietd? Nun erst konnte diesem die enge, kümtlerisch klare Buiehung .iu dem karperlichen Phänomen zugewiesen werden. Gewiß, in· der Lebenswirklichkeit ist prin.iipid1 Katperliches uod Seelisches unmittelbarer a1sEines empfunden, als Eines wirksam. Alleio dmnoch, in der dn.idnen Erfahrung bricht bddes oft auseinander, ist beides gegeneinander .iufäWg, oft fremd, gegensäutich; ohne feste Beziehung. In dem Begriffe der Kunst scheint sich beides weiter gegmeinander.iu spannen, um sich dadurch, daß die Beseeltheit a1s das verdnheit:Uchmde Momeot du Anschauunr selbst erkannt wird, um so witkunrsblftiger, sinnvoller, a1szusammenreharig zu erweisen. So hat .iwar die Lebenswirklichkeit eine innere Kraft, ein mächtiges lneinanderwachsen ihrer· Elemente, vor dem die Kunst als dürftig einseWg-eSpierdung erscheinen könnte. Aber das Lebeo muß dies mit dem Chaos, mit tausend Brüchen und unbqrdflic:hen Zufälligkeiten und F eindsdigkeiten seiner Elemmte beuhlm. In der Umschtänkth.eit des Kuostbe.iirkes dagegen sind die Elemente .iu einem festen durchsichtigen Sinne, einer4berzufäWgm Harmonie verbunden. Und dies ist das Erlösende, Bcg14c:kende,das die Kunst uns gibt. Denn da. schlie.Blich doch auch sie aus dem Leben kommt, aus.

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Du Problem des Portrlts

seinem Pulsschlag die Krifte ihrer Entwicklung ~ieht, so ist die HarmonJe, die die Dinge in ihrem Spiegel finden, so partiell sie sein mag, uns eine Ahnung und ein Pfand dafür, daß die Elemente des Lebens im allettidsten Grunde auch ihrer Wirklichkeit docli vidleiclit niclit so hoffnungslos gldcligültig und gegemätzlicli auseinanderliegen, wie das Leben selbst um so oft glauben machen will.

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ÜBER EINEBEZIEHUNGDERSELEKTIONSLEHRE ZUR ERKENNTNISTHEORIE Es ist längst die Vermutung ausgesprochen, daß das menschliche Erkauwi aus praktischen Notwendigkeiten der Lebmsuhaltung und Le&ensfiirsorge entsprungen sd. Die allgemeine Voraussetiung dabd ist die, daß eine objektive W ahrhdt besteht, deren Inhalt VOA den praktischen Interessen des Subjekts unbuinflußt ist; nur daß wir sie ergreifen, daß unser Vorstellen sie verwirkticht, geschieht auf Grund der Nützlichkeit, welche das V orstdlen des Wahren vor dem des ltttiimtichen voraus hat. Piese Vorstdlung ist den verschiedensten erkmntnistheordischen Schulen gemdmami dem Realismus, fiir den das Erkennen ein unmittdbares Aufnehmen und Abspiegeln einer absoluten Ru.tität ist, wie dem Idealismus, du die Erkenntnis durch apriorische Dc.nkformen bestimmen lä.St. Dmn auch für diesen ist du Inhalt des richtigen Erkennens durch das Verhältnis dieser Formen unterdnander bezw. zu einem trans~denten Faktor obfektiv präformiert; die Erkmntnis verhält sich zu diesen Elementen wie du Sc:hlußsatz zu den Prämissen, in denen er gewissermaßen latent Uegt. Die Wirkung des Nützlic:hkdtsprinzips ·oder irgendeines anderen, das uns zum Erkennen trdbt, hat cianoadi auf den Inhalt dieses Erkmnens gar keinen gestaltenden Einfluß, sondern bewirkt nur, da.8 dersdbe, der nur so und nicht anders sdn kann, psychisch realisiert wird - wie die Nützlichkeit wobt bewirken kann, daß wir eine Rtc:hnung ausführen, aber nicht, daß wir dn anderes Resultat aus ihr gewinnen als es in den objektiven Verhältnissen ihrer Faktoren begriindct liegt, m6gm wir es nun ziehen oder

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j S2 Ober dnc Bcilehung du Sclcktiomlchtc iut Erltauatalsthcorlc

nichti wobei diese Faktoren, wie gesagt, ebenso gut als äußerlich empirische, wie. als apriorisch-ideale gefaßt werden k6na.en. So kann scheinbar das Ziel der psychischen Selektion auf jeder erkemitnistheoretischen Grundlage ausgedrückt werden als Parallelitlt des Denkens mit der Objektivität, weil dies die einzige Sicherheit sei, daß nicht die auf das Denken gebaute Pram mit du harten Wltklic:hkeit du Dinge kollidiere und so eine sehr uo.Uebsame Korrektur erfahre. V oo den Gedanken stellt sich der Dichter vor, daß sie leicht bei eillander wohnen, wihrend sich die Dinge hart im Raume sto.BenJ indem wir doch aber selbst zugleich im Praktischen gewissermaßen Dinge im Raum sind, lehrten uns sehr bald die Rückwirkungen, die seitens der anderen Dinge unserem Handeln folgen, jene Leichtigkeit der Gedanken zu beschräaken, sobald diese die Grundlage des Handems werden. Wenn also auch wirktic:h innere Nützlichkeit und rein psychologische Gesetze die ausschließlichen Faktoren der Ausbildung des Denkens sind, so müssen sie doc:h im Resultat wenigstens dasselbe vorstellen und leisten, wie eine objektive Abspiegelung der Realität. Weil nur der wahre Gedanke die Grundlage des lebensf&rderlichen Handelns sein k6na.e, müsse die Wahrheit des Vorstellens ebenso gezüchtet werden, wie etwa die Muskelkraft. Dieser plausiblen Hypothese gegenüber m6chte ich nun fragen, ob man flir die in ihr enthaltene Zweiheiti einerseits die praktischen vitalen Bedürfnisse, andrerseits die ihnen regenliberstehende, objektiv erkennbare Welt - ob man fiir diese nicht ein einheitliches Prinzip finden k6na.teJ ob nicht diese beiden anscheinend gegenseitig unabhängigen Elemente, die äußere Realität und die subjektive Nützlichkeit, die erst auf der Grundlage des Erkennens jener in ein V uhältnis zu setzen seien, sich schon in einer tiefer gelegenen Wurzel begegneten. Wenn man sagts unsere Vorstellungen müssen wahr ·sein, damit das auf sie gebaute Handeln nützlich sei -

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• Ober chle Bedehunr der Selektlonalehte

%Ut' Erkenntnl1theode

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so haben wir also insofern fiir die Wahrheit unserer Vorstellungen keinen anderen Bewds, als eben die wirkliche P6rderung, die wir durch das auf sie gebaute Handeln erfahren haben. Ist es also wirklich nur die Niiulichkeit, die das richtige Denken ziichtet, so ist dessen Richtigkeit, d. h. Obereinstimmung mit einer ideellen oder materiellen Wirklichkeit, nur durch einen Schluß von der Wirkung auf die Ursache erkennbar. Ist das Erkennen freilich erst ein selbständiges Gebiet mit ausgebildeten Kriterien geworden, dann entscheidet es nach diesen letzteren unmittelbar und rein theoretisch iiber Wahrheit oder Falschheit der einzelnen VorstellungJ ob aber diese Kriterien selbst, d. h. das Ganze unseres Erkennens 4berhaupt wahr oder falsch ist, das ist, unserer Voraussetiung gemlß, nicht wieder theoretisch auszumachen, sondern nur nach der Niitzlichkeit oder Schädlichkeit des daraufhin erfolgenden Handelns. Man k&mte also vielleicht sagen• es gibt gar keine theoretisch giiltige „Wahrheit", auf Grund deren wir dann zweckdienlich handelnJ aondem wir nennen dieJenigen Vorstellungen wahr, die sich als Motive des zweckmäßigen, lebenf6rdemden Handelns erwiesen haben. Damit wäre der oben betonte Dualismus beseitigtJ die Wahrheit der V ontellungen beruhte nicht mehr auf ihrer Obereinstimmung mit irgendeiner Wirklichkeit, sondern sie wäre diefenige Qualität der Vorstellungen, welche dieselben zur Ursache des giinstigstm Handelns machteJ wobei es ganz unausgemacht bleibt, ob der Inhalt solcher Vorstellungen eine Ähnlichkeits- oder andere stetige Beziehung zu einer objektiven Ordnung der Dinge besitzt. Die Frage hierbei ist nur, ob der Wahrheitsbegriff es verträgt, die dem Vorstellen gegen4berstehende Objektivität abzustreifen, - mag man sich diese im Sinne des transzendentalen Realismus oder des Lotze'schen ideellen „Geltens" oder in du rein empirischen Bedeutung denken, die auch jeder Idealismus &estehm läßt. - Denn damit gibt er allerdings seine Selb-

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Obct dne BuiehWlg der Sdektlom!ebte nr Etlteantnlatbeorie

swidigkeit aufs die Wahrheit ist nicht mdir emc nach theorctischm Kriterien festzustellende Bachaffenheit der Vontellungen, welche erst als fertige .iut Grundlare des zweckmä.Bige.a.Handdns dienten; SODdemvon den un. dhJiren auftauchenden Vorstellungen werdm diejeo.igm durch natiirliche Auslese beieichnet w.d erhalten, welche durch illre weiteren Folgm sich als nüulich erwdsai, w.d das Worts wahr - .zeigt ruchts anderes an, als eben diese regdml.Sige, praktisch günstige Folge des Dmkms. W mn die rcw6hnliche Vontellung daran festhält, daß das Denken .iunächst eme selbstlndige Wahrheit haben müsse, damit mao.den Erfolg des Handdns vorausberechnen k6nne, so hängt sie dabei von dem allmthalben auftauchenden Vorurteil abs daß die Ursache eine morpholorische Gleichheit mit der Wirkung besitim müsse. Handelt man a.uf die V ontellung einer äu.Seren Realität hin, die durch dieses Handdn .iu .iwcc:kmä.Bigen,besümmt rcwollten Reaktionen auf uns veranlaßt werden soll, so scheint diese V orstcllung doch das adäquate Bild dieses äußeren resultierenden Geschehens und des W eres .zu ihm enthalten .zu müssai, da sonst nicht, als Folge ihrer, eben dieses, sondem irgmd em anderes äu.SeresGeschehen realisiert werden würde. Allein hier ist folgendes .zunächstfür die erste Stufe des Handdns zu erwägen. Die Vorstdlung der Bewegung, die ich beabsichtige, und die auch wirklich schließlich eintritt, erzeugt doch Dicht umnittelbar diese Realisierung ihrer, sondern einm rw anderen Nerven- bzw. Muskelvorgang, der und dessen Form überhaupt nicht ins BcwuStsein fällt und der erst seinerseits d'urch weitere Kausalprozesse jenes vorgestellte End.ziel realisiert. Kein Willensvorgang erzeugt also an w.d für sich eine Wirkung, die seinem Inhalt morphologisch gleich wäre, sondern eine v61ligabweichende; diese wird von einer weiteren mf'.Cbanis