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German Pages 56 Year 1856
ZUR GESCHICHTE
DER
SCHLACHT
BEI
KULM.
AUFKLÄRUNG VERSCHIEDENER BIS JETZT UNRICHTIG DARGESTELLTER THATSACHEN ÜBER DIE TAGE VOM
25. -30. August 1813,
VOM
FREIHERRN VON HELLDORFF , KÖNIGLICH PREUSSISCHEN OBERST UND KOMMANDANT DER FESTUNG WITTENBERG.
BERLIN. VERLAG VON GUSTAV HEMPEL. 1856.
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Es giebt Begebenheiten , deren Details der Oeffentlichkeit vorzuenthalten höhere Interessen gebieten ; findet sich dabei auch irgend eine achtungswerthe Persönlichkeit verletzt , so stellt dann die Politik untergeordnete Skrupel in den Hintergrund. Ein solches Verfahren hat das Ereigniss bei Kulm im Jahre 1813 erfahren, indem die Discretion eines nahen Verwandten dem Kaiser Alexander dazu die Hand bot. Während der Lebensdauer jenes Monarchen fand deshalb keine fernere Anregung dieses Gegenstandes statt, umsomehr da die Empfindlichkeit betheiligter Veteranen durch keine äussere Veranlassung zu Erörterungen herausgefordert wurde. General Danilefsky war sonach der Erste, welcher in seinen Denkwürdigkeiten von 1813 — vielleicht den Erfolg selbst nicht ahnend - einen zündenden Funken in diesen zeither fast der Vergessenheit übergebenen Brandstoff warf, wenn schon er in der Hauptsache von unrichtigen Annahmen ausging. Als nun im September 1835 auch noch die Grundsteinlegung eines russischen Denkmals bei Priesten unweit Töplitz erfolgte und dadurch dem Grafen Ostermann das Verdienst zuerkannt wurde, aus dem glorreichen Kampfe des 29. August 1813 als Sieger hervorgegangen zu sein, so musste bei denjenigen, welche den eigentlichen Hergang kannten , sich das Erstaunen zur 1*
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4 tiefsten Indignation verwandeln, als sie den wichtigsten Theilnehmer an jener Begebenheit so gänzlich zurückgesetzt sahen. Freilich geschah dies Alles wohl nicht aus feindlichen Absichten gegen den eigentlichen Helden des Tages , wahrscheinlich aber aus gänzlicher Unkenntniss der Details im eigentlichen Sachverhältniss und in Berücksichtigung des russischen Nationalstolzes beim Anerkenntniss einer einmal zur historischen Celebrität gediehenen Begebenheit, die man für ausschliesslich russisch gelten lassen wollte.
Dieser Umstand rief nun zwar Entgegnungen von Augenzeugen hervor, von denen die im Berliner MilitairWochenblatt im Jahre 1837, noch weit entfernt die ganze Wahrheit einzugestehen , doch wenigstens den wirklichen militairischen Sachverlauf schilderte . Ueberhaupt sind seit jener Zeit eine Menge Abhandlungen und grössere Werke über die Begebenheiten des Befreiungskrieges der Oeffentlichkeit überliefert worden, in denen mehr oder weniger die Kulmer Angelegenheit zum Gegenstand der Erörterung gemacht wurde ; die beste dieser Schriften ist unstreitig das Aster'sche Werk, bei dessen Bearbeitung officielle Berichte aus der Kanzlei des Grafen von Wittgenstein vorgelegen haben.
Aber
auch diese gediegene Arbeit erhielt nicht von allen Seiten die gewünschte Anerkennung und erfuhr von dem Professor Fallmereyer im missverstandenen Interesse des Grafen Ostermann-Tolstoy eine Entgegnung, in welcher derselbe, sich selbst . vollständig täuschend, den Prinzen Eugen von Württemberg eines Dienstvergehens anschul-
5 digte und somit diesem hohen Militair eine der schönsten Soldatentugenden - den unbedingten Gehorsam absprach. Kurz, je nachdem Parteinahme für oder wider Russland im Publikum wuchs, färbten sich auch die Berichte über die Kulmer Angelegenheit , die , ganz abgesehen von anderen Rücksichten, ewig ein unvertilgbarer Glanzpunkt der russischen Waffen bleiben wird .
Es
würde in der Allgemeinheit daher fast gleichgültig erscheinen , ob die Führung des ganzen rechten FlügelCorps jenem Prinzen obgelegen , oder durch den historisch anerkannten Oberbefehlshaber , den Grafen Ostermann - Tolstoy erfolgt sei , wäre der bisher verborgene Hebel der Sache nicht zum Gegenstande der Zeitungspolemik und somit ohne genügende Aufklärung, bei denen stets der Anlass zu Räthseln und Missverständnisseu geworden, welche blos nach Hörensagen urtheilen.
Es
erscheint daher nothwendig, allem diesen Hin- und Herschwanken entschieden durch Aufdeckung der ganzen Sachlage ein Ende zu machen und kann sich hierzu wohl Niemand mehr gedrungen fühlen, als die Personen, welche damals das Glück hatten, in der nächsten Umgebung des Prinzen Eugen von Württemberg den ganzen Verlauf jener Verwickelungen im Auge zu behalten. Da nun seitdem 42 Jahre vergangen sind und Einer nach dem Andern den Schauplatz verlässt, so dass die Augenzeugen jener heldenmüthigen Epoche immer seltener werden, so halte ich, der ich während der Befreiungskriege im Kaiserlich Russischen Dienst das Glück und die Ehre hatte, Adjutant Seiner Hoheit des Prinzen Eugen von Württemberg zu sein , es für eine unabweisliche
6 Pflicht, durch die Veröffentlichung dessen, was ich über diese Combinationen kenne, den Schleier zu lüften, der bis jetzt die Einzelheiten jener berühmten Ereignisse in ein eigenthümliches Dunkel gehüllt und zu falschen Angaben in den bis jetzt bekannten historischen Werken Veranlassung gegeben hat, verwahre mich jedoch von vornherein gegen den Glauben : dass ich durch diese meine Erörterungen die Absicht habe, den am 29. August 1813 so wohl erworbenen Ruhm der russischen Garden zu schmälern. Es möge mir gestattet sein , ehe ich zu dem eigentlichen Thema übergehe, eine kurze Charakteristik des so thaten- und erfahrungsreichen Lebens des Prinzen Eugen von Württemberg vorauszuschicken, da sie hier und da der späteren Katastrophe als Erläuterung dienen wird. Prinz Eugen von Württemberg wurde am 8. Januar 1788 zu Oels in Schlesien geboren, wo sein Vater (Herzog Eugen von Württemberg) , der sich damals als General-Major, später als General der Cavallerie und Chef des 4. Husaren-Regiments, in Preussischen Diensten befand, dies Regiment befehligte.
Seine Schwester war die
Prinzessin Maria von Württemberg, die spätere Gemahlin des Kaisers Paul von Russland. Im Jahre 1797 ernannte Kaiser Paul den Prinzen zum Obersten und schon im Jahre 1798 zum General-Major und Chef eines Dragoner - Regiments . Er liess ihn im Januar 1801 durch einen Vertrauten (den General-Major von Diebitsch, den Vater des spätern Feid-Marschalls) nach Petersburg abholen und schenkte ihm grosses Wohlwollen. Er erlebte dort im Kreise der kaiserlichen Familie die Katastrophe, welche dem Kaiser Paul das Leben kostete.
7 Nach dem Tode des Kaisers schickte dessen Wittwe ihren Neffen und Pflegling aus wohlerwogenen Gründen nach Deutschland zurück, und diese Maassregel war von sehr günstigem Einfluss auf dessen ferneres Geschick, da sie ihm die Leitung eines geistreichen Erziehers, des nachherigen General - Lieutenants Freiherrn von Wollzogen , der damals als preussischer Officier in Breslau stand, zuwandte. In Begleitung dieses talentvollen und einsichtigen Führers begab sich der Prinz schon im November 1802 · auf die Universität Erlangen. Doch wir übergehen diese Jahre als nicht zu dem Kriegsleben des Prinzen gehörend, und finden ihn beim Beginn des Feldzuges von 1806 bei der russischen Armee, die gegen die Weichsel vorgeschickt war, wo er sich in der Suite des Feldmarschalls Grafen Kamensky seine ersten Sporen verdienen sollte. Graf Kamensky verfiel während des ersten Gefechts,
welchem der Prinz in seinem Gefolge beiwohnte, in eine Geisteskrankheit, und der Prinz war der Erste, welcher die sichere Nachricht davon dem General von Benningsen überbrachte , bei dem er von nun ab während des ganzen Feldzuges von 1806 und 1807 blieb. Von Benningsen und mehrere andere Generale, unter ihnen auch der General Baggowut , rühmte wiederholt die persönliche Tapferkeit und die Einsicht des jungen Prinzen, besonders auch während der Schlachten von Eylau, Heilsberg und Friedland . Im November 1807 wurde er Commandeur einer In-
fanterie -Brigade, mit welcher er bis zum Jahre 1810 in
8 Wilna stand , wo ihm der dortige Kriegs- Gouverneur, Fürst Kutusow , viel Wohlwollen erwies.
Hier erhielt
er Befehl sich zur Donau-Armee zu begeben. Am Schlusse des Jahres 1811 sehen wir ihn in St. Petersburg und 1812 an der Spitze der 4. Division, mit der er jenen denkwürdigen Feldzug eröffnete , und an seinem Corps-Commandeur, dem vorhin erwähnten General Baggowut, einen seltenen Freund fand. Von nun an hielten die innige Zuneigung seiner nähern Waffengefährten und das Vertrauen des Heeres mit dem Bestreben seiner Neider gleichen Schritt. Besonders war dies darauf gerichtet, seine oft glänzenden Leistungen in den öffentlichen Berichten dem Publikum zu verbergen. Schon bei Smolensk lenkte er die allgemeine Aufmerksamkeit auf seine Person. Doctorow's Streitkräfte sind im blutigen Kampfe erschöpft , Smolensk , seinem Berichte nach , nicht mehr zu halten, da bietet sich der Prinz Eugen von Württemberg selbst an : seinem Hülferufe zu folgen, und eine Stunde später hat im glorreichsten Kampfe dessen Division, vor Allem aber sein kühnes Beispiel, über das Schicksal des Tages entschieden, und Napoleon sieht seinen nächsten Plan vereitelt. Der junge 24jährige Divisions - Commandeur ward von allen Seiten als Held begrüsst.
Während der Schlacht von Borodino musste die 4. Division unterm Prinzen im Centrum ein geschlagenes Armee-Corps ersetzen. Dabei erscheint er selbst als tapferer Ritter im fürchterlichsten Kampfgewühl, dem 4 Pferde unter dem Leibe fallen , der unter 3200 Mann , mit denen er in's Treffen
9 geht, 2300 Mann Todte und Verwundete zählt, und bei dem es am Abend doch nur einer Bemerkung bedarf, um mit seinem kleinen Häuflein einem neuen, fast sicheren Verderben entgegen zu gehen.
In allen hierauf folgenden
entscheidenden Krisen legt auch Prinz Eugen von Württemberg seine Hand gewichtiglich in's Spiel. So gab er namentlich am 18. October 1812 im Treffen von Taratino den entscheidenden Ausschlag , und zwar im Widerspruche mit den fehlerhaften Maassregeln des dabei den Oberbefehl führenden Generals. Nach diesem Treffen ernannte ihn der Kaiser Alexander , an Stelle seines gebliebenen Freundes Baggowut, zum commandirenden General des 2. Armee- Corps . Vorher, und ehe die Ernennung aus St. Petersburg eintraf, befehligte er aber noch die Avantgarde vom Corps des Generals Miloradowitsch während der Verfolgung des Feindes , und ob zwar oft gelähmt in seinen Anordnungen und Maassregeln, sind die entscheidende Schlacht bei Wiesma und die wenigen wahrhaft erspriesslichen Resultate der Treffen bei Krasnoy doch Haupterfolge seiner thätigsten Anstrengungen , welche sein würdiger Waffengefährte Paskewitsch mit gleichem Eifer und Erfolge unterstützte. Mehrere Details nach Moskau, die von der Thätigkeit des Prinzen zeugen und zu seinem Ruhme gereichen, übergehend, erwähne ich nur noch, dass Kutusow, welcher dem Prinzen schon in Wilna und im Türkischen Feldzuge väterliches Wohlwollen bewiesen hatte, als er ihn nach Moskau zum ersten Male wieder umarmte, begeistert von seinen Thaten ausrief:
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Ich bin alt !
aber der da wird sich über meiner
Asche als Meteor erheben !" Sicher ist es
dass der Prinz gegen den Schluss des
Feldzuges von 1812 eine Stufe in der Meinung des ganzen Heeres erreicht hatte , die sich weit über seine kühnsten Wünsche erhob. Der Kürze wegen nur noch das Treffen bei Kalisch , wo sich der Prinz ebenfalls mit seiner Infanterie auszeichnete , erwähnend , kommen wir auf dem Schlachtfelde von Lützen an : Man schiebt den Verlust dieser Schlacht hauptsächlich den Verabsäumungen des Generals Winzingerode im entscheidenden Momente zu . Der Widerstand des Corps vom Prinzen bei Eisdorf am Abend sicherten der geschlagenen Armee Flanke und Rücken.*)
*) Der verstorbene General-Lieutenant von Valentini, während der Schlacht von Lützen Chef des Generalstabes bei York, drückt sich über erwähnte Waffenthat wie folgt aus :
"" Es war Abends um 5 Uhr als der Prinz Eugen von Württemberg unseren , eben nach dem furchtbarsten Kampfe von feindlicher Uebermacht aus den Dörfern Gross- und KleinGörschen, Rahna und Kaja verdrängten Truppen an der Spitze von 9000 frischen Kämpfern zu Hülfe rückte. Im Augenblicke waren die verlassenen Dörfer wieder erobert, Preussen und Russen riefen sich ihr Vivat zu , und im Sturmschritt vorrückend, glaubt Alles die Schlacht gewonnen." Welcher General kommandirt hier ? rief jetzt plötzlich ein blutjunger russischer Officier, der im schnellen Jagen die Schlachtlinien durchfliegt , und die nächsten Preussen deuten auf den alten York, ohne ihn zu nennen. Herr General ! " sagte ihm der Prinz, höflich seine Mütze schwenkend, doch mit entschiedenem Tone : - ,,jetzt haben Sie
11 Zwischen der Schlacht von Lützen und Bautzen waren mehrere höchst blutige , zum Theil sogar vortheilhafte Nachtrabsgefechte, als bei Etzdorf, Nossen, Weissig und Gödau, das Werk des Prinzen und der ihm untergebenen Truppen. In der Schlacht bei Bautzen wurden auf dem linken Flügel , wo er sich befand , sogar Vortheile erkämpft ; aber von dem allergewichtigsten Einflusse waren dessen Handlungen am 22. Mai im Gefechte bei Reichenbach, wo er aus eigener Wahl und nach richtiger Beurtheilung der Umstände (unaufgefordert) dem Feinde entgegentrat, und an diesem Tage den Nachtrab unter den schwierigsten Verhältnissen befehligte.
Freiherr v. Odeleben , der
an diesem Tage selbst Napoleon begleitete , schildert in seinem Werke mit Enthusiasmus den Ruhm des russischen Nachtrabs - Commandanten, dem er dadurch ein um so unparteiischeres Ehrendenkmal setzt , als er ihn nicht einmal den Namen nach kannte. Noch bei mehreren Gefechten bis zum Waffenstillstande leitete der Prinz entweder selbst die Arrieregarde oder war wenigstens wesentlich dabei betheiligt ; und
Ihre Dörfer wieder und stehen mir für ihre Behauptung ! Ich ziehe rechts dem Feinde entgegen ." Fast in demselben Augenblicke kam ich zum General York, der mich verschickt hatte , zurück , und indem er auf den forteilenden jungen Officier deutete , fragte er mich : "" Wer ist der russische Windbeutel ? " Auf meine Erklärung besann er sich und brummte dann in den Bart: "" Ein Teufelskerl, Ihr Prinz." Und etwas später bestand der Prinz mit 6 schwachen Bataillonen einen Kampf mit 2 anstürmenden feindlichen Divisionen, und hielt unter Leichenhügeln aus bis zur Nacht.
12 schon allein die Masse der in diesem Feldzuge bestandenen Treffen und die rastloseste Thätigkeit, womit er wirkte , gaben reichen Stoff zu der diesem jugendlichen Feldherrn gewidmeten Huldigung. Nach dem Waffenstillstande nimmt besonders die grosse Begebenheit zwischen dem 25. bis 30. August unsere Erinnerung in Anspruch und ich darf betheuern : dass hier der Prinz durch sein Benehmen , aus dem der Sieg bei Kulm resultirte und das die alliirte Armee vom Verderben rettete , eine Selbstverleugnung gezeigt hat, wie sie nur dann möglich, wenn die reinste Begeisterung alle Handlungen bestimmt. Doch zur Sache : Als der Waffenstillstand im August 1813 seinem Ende nahte , sollte , wie bekannt, die Haupt-Armee der Verbündeten sich zwischen Leutmeritz und Dux auf dem linken Ufer der Elbe vereinigen. *) Am 21. August näherten sich alle Truppen ihren bereits auf mehreren Punkten an der sächsischen Grenze stehen-
*) Die Organisation dieser Haupt-Armee bot Mangelhaftigkeiten dar, welche auf den Gang der hier bezüglichen Begebenheiten wesentlich einwirkten und daher nicht unberührt bleiben können, wenn sie auch in den Verhältnissen die triftigste Erklärung finden. Durch frühere Verluste waren die bisherigen russischen Armee - Corps und Divisionen sehr geschwächt worden und standen somit in keinem Verhältniss zu den preussischen und österreichischen. Theils um diesem Uebelstande abzuhelfen, theils aus persönlichen Rücksichten, wurden mehrere Corps unter einen höheren Anführer gestellt , und auch dieser dann wieder einer noch höheren Instanz , ja endlich selbst diese einer höchsten Behörde untergeordnet. Es entstanden daraus Kränkungen, Verwickelungen und Widersprüche.
13 den Vorposten und zwar verfügte sich der Graf Wittgenstein mit der Armee-Abtheilung, welche er befehligte, als äusserster rechter Flügel- Commandant nach Nollendorf. Die Armee - Abtheilung des Grafen Wittgenstein bestand aus dem 1. und 2. Infanterie- Corps und dem Cavallerie-Corps des Grafen Peter Pahlen. Der Chef des 1. Infanterie- Corps war der General - Lieutenant Fürst Gortschakoff und des 2ten der General-Lieutenant Prinz Eugen von Württemberg. Das 2. Corps selbst bestand etatsmässig aus 12 Regimentern Infanterie zu 2 Bataillonen und 6 Batterien zu 12 Geschützen.
Es war jedoch durch frühere Verluste
und Abdetaschirungen beim Anfang des Herbstfeldzuges 1813 auf 12,500 Combattanten herabgesunken.
Hiervon
befanden sich die Jäger - Regimenter Nr. 20 , 21 und 34 bei der Avantgarde des Grafen von Wittgenstein. Dem Grafen v. Wittgenstein zur Unterstützung rückte der General Barclay de Tolly mit den Reserven des Grossfürsten Constantin nach Brix und Lipitz bei Laun. Die Disposition des Fürsten Schwarzenberg für den 22. August zum Uebergang über das Erzgebirge enthielt im Wesentlichen für den Grafen Wittgenstein folgende Bestimmungen : „ Die erste Colonne ( Graf Wittgenstein) rückt auf der Hauptstrasse über Peterswalde gegen Güsshübel vor, sucht sich im besonders günstigen Falle der Stadt Pirna zu bemächtigen, deckt sich zugleich aber gegen etwaige feindliche Unternehmungen vom Königstein her und unterhält zur Linken ihre Verbindung mit der 2. Colonne. Das Corps des Grafen Wittgenstein ist als selbstständig
14 zu betrachten und greift in die Bewegungen der HauptArmee zur Linken nur als abgesendeter Theil ein." Wir übergehen die von diesem Corps gegen das 14. französische Corps unterm Marschall St. Cyr bestandenen Gefechte , in deren Folge sich der Marschall näher an Dresden zurückzog und gelangen zu den Begebenheiten des 25. August. Am 25. August wurde durch die Disposition des Fürsten Schwarzenberg dem Grafen v. Wittgenstein aufgegeben , ein Armee- Corps zur Beobachtung der Elbübergänge am Königstein zurückzulassen und mit dem Rest auf der Hauptstrasse über Mügeln nach Dresden zu marschiren. Diesen ersteren Auftrag erhielt nun der Prinz Eugen von Württemberg, unter dem 15 Bataillone, 26 Geschütze seines Corps und 5 Bataillone der 14. Division unter dem General - Major v. Helfreich standen , wozu später noch das Kosacken-Regiment des General-Major Ilowagisky des 12. , und unter dem General - Major Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg * ) das Kürassier-Regiment der Kaiserin und Abtheilungen des Lubno'schen Husaren- und tartarischen Ulanen-Regiments stiessen. Nach der vom Prinzen gegebenen Disposition besetzte ein Infanterie-Regiment die Stadt Pirna. Eine InfanterieBrigade nebst 4 Escadrons und 4 Kanonen unterm Obersten Baron v. Wolff- Lüdinghausen stellte sich auf dem Pirnaer Plateau zwischen Kritschwitz und Gross- Struppen, Front gegen das Königsteiner Gehölz , auf. General-
*) Dem jetzigen Könige der Belgier.
15 Major v. Helfreich stand auf der entgegengesetzten Seite der Festung bei Nikolsdorf.
Der Rest des Corps blieb
unter persönlicher Anführung des Prinzen in Reserve bei Zehista stehen ; da der Auftrag „ den Königstein zu blockiren" bei der Schwäche der Mittel und in Berücksichtigung der Lokalitäten im engeren Sinne nicht ausführbar war. Am 26. August um 7 Uhr des Morgens liess der Oberst V. Wolff melden, dass der Feind , wohl 50,000 Mann stark (später hat es sich erwiesen , dass es nur 37,000 Mann waren) , am Fusse des Königsteins über die Elbe gehe. In der Ueberzeugung, dass hierdurch der rechte Flügel der Haupt - Armee und mit diesem die böhmische Hauptstrasse bedroht werde , sendete der Prinz gleichzeitig die bezüglichen Meldungen an den Grafen v. Wittgenstein und an den General der Infanterie Barclay de Tolly. Er bat dringend um Unterstützung , zeigte aber zugleich auch seinen Entschluss an : dass , um die Entfaltung des Feindes zu verhindern, er ihn dicht vor seinem Debouchee erwarten wolle , und bemerkte dabei : dass dies mit seinen geringen Mitteln zwar ein gewagter, aber nichtsdestoweniger durch die Pflicht gebotener Entschluss sei. Durch den Grossfürsten Constantin allein, an welchen er auch gemeldet und um Unterstützung gebeten hatte, erhielt er das Kürassier-Regiment der Kaiserin unter Prinz Leopold von Sachsen-Coburg zugeschickt. Mit 7 bis 8000 Mann, welche noch disponibel waren,
bestieg nun der Prinz das Pirnaer Plateau und stellte seine Truppen zwischen Gross - Struppen und Kritschwitz auf.
Der Chef der 3. Division , General - Major Fürst Schakowskoy , kommandirte den linken und der der
16 4. Division, General-Major Pischnitzky, den rechten Flügel.
Die Cavallerie befehligte der General-Major Prinz
Leopold von Sachsen - Coburg.
Sechszehn Geschütze
deckten, hinter einem kleinen Grunde, unsere Mitte. Um 4 Uhr des Nachmittags begann das TirailleurFeuer am Königsteiner Gehölz .
Der Prinz war eben
noch in einem einzeln stehenden, zum Dorfe Kritschwitz gehörenden Hause beschäftigt, Dispositionen zu schreiben, als der General - Adjutant General-Lieutenant Graf Ostermann v. Tolstoy eintrat und ihm ein kleines Billet des Grafen Wittgenstein, folgenden Inhalts , überreichte :
29 Angesichts dieses wollen Sie nicht mehr an mich, sondern an den Grafen Ostermann, dem das Commando des rechten Flügels übertragen worden ist, referiren. " Nachdem der Prinz dies Billet gelesen, redete er den Grafen folgendermaassen an : „ Herr Graf! Der Graf Wittgenstein hat mir mein Corps nicht gegeben und kann mir dasselbe auch ohne Befehl des Kaisers nicht nehmen. Sie sind älterer General - Lieutenant als ich.
Der Graf
schickt Sie hierher, wo ich kaum den dritten Theil meines completten Corps zusammen habe, was sollen Sie hier ? " Der Graf Ostermann bemerkte hierauf in seiner Antwort, dass ihm die gegenwärtigen Verhältnisse fremd. wären, er vom Grafen Wittgenstein mit an die mündlichen Erörterungen des Prinzen gewiesen worden sei , er hier mehr Truppen erwartet habe und keineswegs gekommen sei, um des Prinzen Corps zu übernehmen. Die weitern Erörterungen über diesen Gegenstand erfolgten bereits unter dem feindlichen Feuer und nahmen die Aufmerksamkeit nun auf doppelte Weise in Anspruch.
17 Der Graf begab sich seines Anspruchs auf das Commando und wollte , an des Prinzen Seite reitend , nur Zeuge der weiteren Vorgänge bleiben. Der Moment , in welchem dieses beklagenswerthe Missverständniss auf den Prinzen einstürmte , war ein sehr kritischer. In der Entscheidungsstunde nämlich, wo wir von dem Anfall eines viermal stärkern Feindes bedroht waren, und wo von des Prinzen Dispositionen das Schicksal des Heeres abhing , sah er sich durch die Gegenwart eines ältern Generals und vorgeblichen neuen .Befehlshabers bedrängt, von dem die ganze Armee wusste, dass seine stets bekannten Sonderbarkeiten seit 1812 in Geisteskrankheit übergegangen waren , und dass er, wenn auch von dieser einigermaassen wieder hergestellt, doch jedenfalls zu der Leitung eines Commandos völlig unfähig war. Es zeigte sich auch gleich thatsächlich vor unseren Augen , dass der Graf, weit entfernt befehlen zu können, vielmehr selbst der Beaufsichtigung bedurfte . Es würde zu weit führen, die Details seines Benehmens hier anzuführen und ein Gespräch wörtlich wiederzugeben , das am allerwenigsten in einen Schlachtenbericht passen dürfte. Dem jetzigen General-Lieutenant von Wachten, seinem damaligen ersten Adjutanten, flüsterte der Prinz zu: 99 Wäre das Billet des Grafen v. Wittgenstein nicht, ich würde ihn sofort als krank nach dem Hauptquartier befördern , so aber , und da er mir durchaus nicht von der Seite weicht, sehe ich mich gezwungen , ihn mitreiten zu lassen".
Doch als er etwas gar zu unruhig und
sonderbar wurde, erhielten 2 Adjutanten (Petuchoff und 2
18 Stepanoff) den Befehl, ihn speciell zu beaufsichtigen, denn seinen eigenen und einzigen Adjutanten, welchen er mitgebracht hatte , einen jungen Officier der Moskau'schen Miliz, hatte er so lange geplagt, eine von uns Allen als unausführbar erkannte Weisung zu vollziehen, dass derselbe gleich darauf ein Opfer seiner Bereitwilligkeit ward. Während der unaufhörlichen Hin- und Herreden mit dem Grafen, die auch auf dem Ritt zu der Schützenkette nicht ihr Ende nahmen, begann der Feind den Angriff. Das sich hier entspinnende Gefecht wurde äusserst hartnäckig. Zuerst trieben starke feindliche Infanterie - Colonnen unsere Vorposten aus dem Walde auf die Ebene und zwangen auch die Avantgarde zum Rückzuge , bis ihre Spitzen in das Feuer unserer im Centrum vortheilhaft aufgefahrenen 16 Geschütze des Obersten Baikoff kamen, wodurch veranlasst sie sich dann seitwärts wandten, längs des Waldes gegen unsern rechten Flügel vorgingen und das Dorf Kritschwitz lebhaft angriffen. Es lag dieses vor unserer Front unmittelbar am steilen Thalrande der Gottleube und wurde durch das Murom'sche Regiment unter dem Oberst-Lieutenant v. Vietlinghoff tapfer vertheidigt. Nach und nach , als jener brave Officier gefallen war, wurden immer mehr Truppen dort engagirt : im Ganzen 7 Bataillone, deren fürchterlichem Kampfe nur die äusserst vortheilhafte Unterstützung der Batterie von Baikoff einen günstigen Erfolg gewährte. -Links bei Struppen, wo Fürst Schachowskoy und Oberst v. Wolff nach und nach 1 Jäger - Regiment , 2 Infanterie - Regimenter und 4 Kanonen vereinigten, wurden die Angriffe des Feindes
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gleichfalls abgewiesen.
Zuletzt versuchte der Feind im
Centrum gegen die grosse Batterie vorzurücken und brachte trotz des wirksamsten Feuers Schützen und Reiterei zum Vorschein. Als letzte Reserve rückte zur Dekkung der Artillerie der Prinz Leopold von Sachsen- Coburg mit den Kürassieren vor und war der Kampf hier so heftig, dass die Kürasse von der Menge an ihnen abprallender Kugeln klirrten und das Regiment einige hundert Pferde verlor. Es kam somit hier vom ganzen Corps, ohne Ausnahme, alles in's Feuer und der Posten wurde mit dem verhältnissmässig grossen Verlust von etwa 1800 Todten und Verwundeten bis zur Nacht behauptet. Trotz der Zuversicht, welche uns das Behaupten des Schlachtfeldes gewährte ,
traten dennoch wesentliche
Rücksichten ein , welche die Preisgabe dieses Terrains, während der Nacht dringend geboten. Der Prinz hatte im Verlauf dieses Gefechts gar keine Unterstützung erhalten, obgleich in unserer Nähe und zwar unmittelbar am Fusse der Kritschwitzer Höhe, oder auf der grossen Strasse von der rothen Schenke nach Zehista hin , die Reserven der Armee in Masse gegen Dresden hinzogen. Man behauptet: Oberst von Alvensleben seit mit der preussischen Garde-Brigade schon aus eigenem Antriebe bereit gewesen zu uns zu eilen , als auch ihn der gemessenste Befehl gegen Dresden abrief. Auch die 1. Division der russischen Garden marschirte um diese Zeit von Teplitz nach Pirna und biwakirte in der Nacht vom 26. zum 27. bei Ottendorf. Während der Feind durch den heldenmüthigen Entschluss des Prinzen und die so oft erprobte Tapferkeit 2*
20 seiner Truppen hier für den Augenblick aufgehalten wurde, hatte er den General- Major v. Helfreich bei Nikolsdorf ebenfalls angegriffen.
Derselbe konnte seinen
Posten nicht behaupten, und theilte hierauf seine Kräfte. Mit 4 Bataillonen , 4 Kanonen und 2 Escadrons begab er sich selbst nach Gross- Cotta, und den General-Major Ilowaysky XII. sandte er mit seinen Kosacken , 2 Kanonen und 1 Bataillon nach Gieshübel. Ob zwar somit unser rechter Flügel vor Umgehungen im Thal der Gottleube noch einigermaassen gedeckt blieb, so konnten die schwachen Mittel des Generals v. Helfreich dort dennoch keinen Widerstand leisten und unser Bleiben auf dem Pirnaer Plateau wäre unter solchen Umständen als eine wahre Widersinnigkeit zu betrachten gewesen. Um es zu verlassen , musste die Nacht benutzt werden und der Prinz ertheilte um so williger die Befehle hierzu, als durch das Gefecht des vorigen Tages der Zweck des Zeitgewinns erreicht worden und man im Hauptquartier im Stande gewesen war, die dorthin gemachten Meldungen zu beherzigen.
Dem Referenten scheint es, dass der Prinz die grosse böhmische Armee unter dem Fürsten Schwarzenberg durch das unter so schwierigen Umständen aufgenommene Treffen vor Königstein für den Augenblick aus den dringendsten Verlegenheiten befreite, denn wenn es dem General Vandamme gelungen wäre , sich schon am 26. Abends mit seiner ganzen Macht in ihrer Flanke und in ihrem Rücken auszubreiten , so hätten jedenfalls am 27. und 28. August die Ereignisse eine viel nachtheiligere Gestalt annehmen müssen.
21 Am Abend nach dem Treffen fragte der Graf Ostermann den Prinzen , wo er sein Nachtquartier nehmen würde und bat um die Erlaubniss , mit ihm zusammen bleiben zu dürfen.
Gleich darauf entfernte er sich mit
seinen beiden Begleitern. Der Prinz äusserte gegen uns , wie es ihm sehr unangenehm sei, dass der Graf zur bevorstehenden Nacht mit in seinem Hauptquartier bleiben wolle, „denn“, sagte er, „ich kenne ihn schon von früher, er lässt mir während der ganzen Nacht keinen Augenblick Ruhe." Wir ritten schon im Finstern nach Zehista zurück, um daselbst zu übernachten.
Etwa eine Stunde nach
unserm Eintreffen kam auch Graf Ostermann in dem von uns in Besitz genommenen Bauernhause in einem höchst Er
aufgeregten , reizbaren und confusen Zustande an.
sprach von 15,000 Mann in Königstein , die er führen und die sich da bis zum letzten Blutstropfen halten sollten. Er erklärte dem Prinzen : 99 mit seinem Corps nichts zu schaffen zu haben ", begann Dispositionen nach einer alten Hohmann'schen Karte zu entwerfen , behauptete : „seine Führer hätten ihn dem Feinde ausliefern wollen", liess in der Nacht Niemand schlafen, verlangte von jeder Schildwacht Notizen über die Franzosen und zerschlug dem Haushofmeister des Prinzen hintereinander drei
Pfeifenköpfe. Von dem Zusammenhange, wie es möglich geworden, dass der geisteskranke Graf Ostermann seine jetzige Bestimmung erhalten habe , wusste der Prinz bis hierher weiter nichts, als dass einer seiner Adjutanten, Lieutenant Molostwow, welchen er am 26. des Morgens zum Grafen
22 v. Wittgenstein geschickt hatte, ihm berichtete : er habe diesen in grosser Aufregung mit dem Grafen Ostermann verhandeln sehen und demselben endlich zurufen hören : 99 Nun ! so gehen Sie meinetwegen zum Prinzen Eugen! - Er wird Ihnen Alles sagen, was Sie wissen wollen! "
Dagegen sagte der Graf Wittgenstein dem
Prinzen einige Tage später (was ich hier der Aufklärung halber vorausschicken muss) : „Glauben Sie denn wirklich , dass ich Ihnen aus eigenem Antriebe den .... auf den Hals geschickt haben würde. Der Befehl kam von Barclay." Dieses Zusammentreffen von Widersprüchen gab einigermaassen Aufschluss über die bisherige völlige Preisgabe des Corps.
Der Prinz machte sich jetzt die unmittelbare Deckung des rechten Flügels der Armee zu seiner nächsten Aufgabe und bezog daher die Stellung von Gross - Zedlitz, links von Zehista , Front gegen Pirna. Um aber über das bestandene Gefecht und die getroffenen Maassregeln , sowie überhaupt über die Lage der Dinge genaue Kunde zu geben und zu erhalten, gleichzeitig aber dringend um Unterstützung zu bitten, sandte er seinen Chef des Generalstabes, den Oberst v. Hoffmann, in's grosse Hauptquartier. Unterdessen fanden wir am 27. August bei Tagesanbruch die erste russische Garde- Division dergestalt zwischen Zehista und Pirna aufgestellt, dass sie das erste Treffen unseres Corps bildete.
Bei dieser Division von
12 Bataillonen befanden sich 36 Kanonen, das HusarenRegiment der Garde und die Tartarischen Ulanen (zu-
23 sammen 8 Escadrons). General v. Helfreich stand noch vor Kotta. General Ilowaysky XII. bei Gieshübel. Der Feind aber nahm das Pirnaer Plateau ein und präsentirte uns , nachdem er einen schwachen Nachtrab, den der Prinz am Vorwerk Himmelreich zurückliess , verdrängt hatte , die Front des sächsischen Lagers von Anno 1756 zwischen Pirna und Kritschwitz. General - Lieutenant
Yermoloff,
Commandeur des
5. Corps , zu dem die 1. Garde - Division gehörte , hatte diese letztere selbst hierher geführt und sich beim Grafen Ostermann gemeldet.
Er war jüngerer General als
der Prinz , 40 Jahr alt und ein Mann voller Verstand und Thatkraft.
Indem er, angeblich, streng den Befehl
des Generals Barclay vollzog , setzte der Prinz voraus, dass er hoffte, im Namen des Grafen das Commando zu führen. Der Prinz, welcher Ehrgeiz dem Soldaten niemals für eine Untugend anrechnete , fand das Bestreben des Generals Yermoloff ganz natürlich und erwartete geduldig den Bescheid aus dem Hauptquartier, um das Weitere zu bestimmen, umsomehr als an diesem Tage nichts bei uns vorfiel , was bedeutende Entschlüsse motiviren konnte.
Wir erfuhren, dass Dresden gestern vergeblich
gestürmt worden sei , und dass die französische Hauptmacht unter Napoleon dort vereinigt wäre. Mit Anbruch des Tages verfügte sich der Prinz auf den Kohlberg und dort trafen etwa um 9 Uhr Morgens vier kaiserliche Flügel - Adjutanten bei demselben ein (Kutusow, Branizky, Wollzogen und Fürst Galizin). Sie waren beauftragt, nähere Erkundigungen über die Lage des Prinzen einzuziehen, über welche der Kaiser bei ihrem
24 Abgange noch keine genaue Kunde gehabt hatte, jedoch durch beunruhigende Gerüchte in grosse Besorgniss versetzt war; sie meldeten gleichzeitig, dass die 1. Division der Garde unter des General- Lieutenants Yermoloff eigener Leitung Befehl erhalten habe , zu ihm zu stossen. Der Prinz ersuchte dieselben und namentlich den Fürsten Galizin, Sr. Majestät von seinem schwierigen Verhältniss Mittheilung zu machen. Etwas später kam der Oberst v. Hoffmann zurück und berichtete : dass er einen grossen Theil der Nacht umhergeritten sei, ehe er den General Barclay habe finden können, sprach von den Schwierigkeiten, die er gehabt habe, sich im Hauptquartier Gehör zu verschaffen, und dass er hierauf von Barclay zum Fürsten Schwarzenberg gesendet worden sei, welchen die ertheilten Notizen sehr beunruhigt hätten. Endlich habe man ihn dort zu einer Conferenz mit dem General Radetzky und dem Fürsten Peter Wolchonsky zugezogen, in welcher man das Festhalten der böhmischen Hauptstrasse besonders anempfohlen und dem General Barclay des Prinzen schleunige Unterstützung vorgezeichnet habe. - Zů Letzterem zurückgekehrt, sei ihm derselbe schon mit der Nachricht entgegengekommen, dass die 1. Division der Garde Befehl erhalten hätte, sich vor Gross - Sedlitz aufzustellen, wo der Prinz dieselbe auch bereits fand. - Was aber schliesslich den Grafen Ostermann betraf, so erklärte der Oberst v. Hoffmann, dass es ihm unmöglich gewesen sei , dessen Zustand mit der Schonung anzugeben , die der Prinz ihm anempfohlen hätte, und dass er sich hierüber zu schweigen umsomehr entschliessen zu müssen
25 geglaubt habe , da aus einigen Aeusserungen des Generals Barclay hervorgegangen zu sein schien : als wenn die Wahl des Grafen Ostermann zum Oberbefehlshaber des rechten Flügels der Armee vom Kaiser selbst erfolgt wäre. Auch sei es, selbst bei Beseitigung jeder persönlichen Rücksicht, schwer, ganz positiv zu beweisen, dass Graf Ostermann völlig geisteskrank sei, denn so bestimmt sich auch seine Unfähigkeit zum Commandiren herausstelle , so habe er doch lichte Augenblicke , die Zweifel an Geisteszerrüttung zuliessen. Gegen Mittag kam Oberst v. Wollzogen nochmals auf Kaiserlichen Befehl zum Prinzen und berichtete , dass Se. Majestät ihn beauftragt, ihm die Garden zur Unterstützung zuzuführen , im Fall er deren bedürfe. Auch sollte Wollzogen bei ihm bleiben, um ihn in seiner gefährlichen Lage mit Rath zu unterstützen. Hieraus ergiebt sich nun, dass, wenn der Kaiser den Grafen Ostermann zum Oberbefehlshaber selbst ernannt hätte, sich der an Wollzogen gegebene Befehl nicht erklären liess. Wollzogen aber war nicht wenig erstaunt, die 1. Garde-Division hier schon vorzufinden. Es ist sonach mehr als wahrscheinlich , dass sich schon seit dem 25. die Anordnungen von Barclay und Wittgenstein kreuzten , und dass , der Disposition des Fürsten Schwarzenberg zufolge , Jeder von ihnen insbesondere über das Commando des rechten Flügels verfügte. Während Graf Wittgenstein dazu ganz einfach den Chef des zur Beobachtung des Königsteins zurückgelassenen Armee-Corps bestimmte,
ernannte Barclay dazu
den Grafen Ostermann , dessen Nähe , wie man damals
26 sagte , ihn in seinem Hauptquartier , dem er sich angeschlossen hatte , belästigte . — Andere behaupteten : der Kaiser habe , ohne die Gegenwart des Prinzen dort zu ahnen, Barclay den Auftrag gegeben, dem Grafen Ostermann ein Commando zu ertheilen. Wie dem auch sei, das Factum steht fest : die alliirte Armee ernannte einen Geisteskranken zum Befehlshaber ihres rechten Flügels , welcher bald darauf das Pivot ihrer Bewegungen, ihr einziger Rettungsanker wurde. Der Prinz liess nun den Oberst v. Wollzogen abermals zum Kaiser zurückkehren und um neue Instructionen bitten. Der General-Adjutant Graf Ostermann hatte mittlerweile schon vom Morgen an über die nun hier vereinigten Truppen dreier verschiedener Armee-Corps , wenigstens dem Namen nach , den Oberbefehl übernommen, obgleich es keinem einzigen Officier im Hauptquartier entgehen konnte , dass der Prinz Eugen von Württemberg die Seele des Ganzen war und blieb. Bei uns war am Morgen das als Besatzung in Pirna gelassene Infanterie-Regiment mit einigem Verlust daraus vertrieben worden. Darauf hatte der Feind den Kohlberg besetzt , wo es den ganzen Tag über ein leichtes Plänkeln gab. Sonst blieb heute hier alles ruhig, während eine furchtbare Kanonade von Dresden her uns die dortige Schlacht verkündete .
Ein sehr heftiger Regen
hüllte noch vor Beginn der Nacht die ganze Gegend in einen Schleier. Was den Prinzen betraf, so befand sich derselbe in dieser Nacht dem Grafen Ostermann gegenüber in der
27 peinlichsten Verlegenheit.
War er vorher ziemlich ge-
lassen und ruhig gewesen, so gerieth er in eine Art von Wuth , wenn man ihn über seine Absichten befragte. Ueberhaupt wechselte sein Zustand und ging von der täuschendsten Ruhe im gleichgültigsten Gespräch oft zu der heftigsten Aufregung und von da wieder zu einem wahrhaft kindischen Benehmen über, das sich in seinem ängstlichen Fragen nach dem Feinde kundgab, womit er in der Nacht umherirrend sogar den Haushofmeister des Prinzen belästigte , indem er ihn bis auf den Heuboden verfolgte.
Aerzte waren nicht gegenwärtig , und hätte
man solche auch zeitig genug herbei zu schaffen vermocht, so würde es doch auch diesen wohl unmöglich gewesen sein, zu bestimmen, ob des Grafen Zustand ein andauernder oder vorübergehender sein werde. Nur die Unmöglichkeit zu kommandiren stellte sich bei ihm evident heraus , so wie andererseits für den Prinzen die Unzulässigkeit seine Entfernung zu bewirken , zumal als General Yermoloff ihn an sich gezogen und begonnen hatte in seinem Namen Befehle zu dictiren. Am 28. des Morgens ganz früh erhielt Graf Ostermann vom General Barclay den Befehl zum Rückzuge, mit dem Bemerken : „dass , wenn die Richtung auf der grossen Strasse über Peterswalde nicht mehr frei wäre, er sich nach Maxen wenden solle." Bald darauf kam auch Oberst v. Wollzogen abermals im directen Auftrage des Kaisers beim Prinzen an und benachrichtigte ihn von der nachtheiligen Wendung der Ereignisse bei Dresden , von der Rückzugs - Disposition des Fürsten Schwarzenberg und von den Abänderungen,
28 welche General Barclay in Betreff der ihm untergebenen Truppen für nöthig erachtet habe. Sowohl Graf Ostermann als General-Lieutenant Yermoloff waren entschlossen , mit dem ganzen Corps den Rückzug über Maxen anzutreten. Sie waren der Ansicht, dass die Garden nicht mehr ungefährdet über Peterswalde durchzuführen wären. Der Prinz sprach sich entschieden gegen die Ansichten dieser beiden Generale aus. Er machte geltend, dass wenn sich das Corps über Maxen zurückziehe , General Vandamme mit dem ersten feindlichen Corps auf dem nähern und bessern Wege über Peterswalde, Nollendorf, das Kulmer Thal und auf diese Weise die Rückseite der Defileen gewinnen würde, dass die verbündete Armee, welche auf ihrem Rückzuge diese durchziehen musste , hierdurch abgeschnitten , ihrem sichern Verderben nicht entgehen könnte. Die Erörterungen hierüber wurden äusserst lebhaft. -
Der Prinz erklärte schliesslich : dass hier auch bei
Gewissheit der Selbstaufopferung, um die Haupt-Armee aus einer verzweiflungsvollen Lage zu retten , Nichts übrig bleibe , als den Rückzug auf der grossen Strasse anzutreten und erbot sich mit seinem Corps allein die Richtung einzuschlagen, von welcher er die Rettung der Armee abhängig erachtete. Nach langen Debatten entschieden sich Graf Ostermann und General Yermoloff endlich dieser Ansicht zu folgen, jedoch unter dem Vorbehalt, dass der Prinz allein die Verantwortlichkeit dieses den Befehlen des Generals Barclay widersprechenden Entschlusses übernehme, und dass Se. Majestät der Kaiser von den Verhältnissen sofort in Kenntniss gesetzt
29 werde. Der Prinz theilte nun auf der Anhöhe bei Zehista seinem versammelten Stabe die Disposition zu dem bevorstehenden Rückzuge aus und begab sich hierauf sogleich selbst nach Gross-Kotta. Dem zweiten Corps wurde das Gewagteste zu Theil. Es vereinigte sich bei Kotta mit dem General v. Helfreich und deckte durch einen Scheinangriff auf Kritschwitz vom Thal der Gottleube aus den Marsch der Garden. Gleichzeitig wurde General-Major v. Knorring beauftragt, mit einem Jäger- und einem Infanterie- Regiment, unterstützt von den Tartarischen Ulanen , eine ähnliche Demonstration am Kohlberge zu unternehmen. Während dieser Angriffe und unter deren Schutz sollte der General Yermoloff mit den Garden, der übrigen Reiterei und der Artillerie den Marsch auf der grossen Teplitzer Strasse ausführen, indem das 2. Corps als Nachtrab folgte. Bei diesen Anordnungen blieben allerdings Einsprüche nicht aus und als das 2. Corps sich dennoch nach Kotta in Bewegung setzte, glaubte Graf Ostermann, der Prinz wolle auf- und davongehen und die Garden im Stiche lassen, was auch immer seine fixe Idee blieb. General Yermoloff, zwar weit entfernt diese Befürchtung zu theilen, zog nur darum Barclay's Befehl in Erwägung, weil ihm daraus ein Mittel erwuchs, sich von des Prinzen ihm lästigen Oberbefehl zu trennen, den, wie er wohl sah, dieser ihm nicht überliess, indem er ihm ganz kurz erklärte : dass er jede Unfolgsamkeit bei dem Kaiser werde zu rügen wissen. Yermoloff enthielt sich von nun an nicht nur jeder ferneren Einrede , sondern leitete sogar selbst die Demonstration am Kohlberge.
Ostermann dagegen ,
30 der von dem ganzen Unternehmen kein Wort begriff, verlangte von dem anwesenden Kaiserlichen Flügel- Adjutanten nur die Vertretung bei Sr. Majestät : „dass nicht er, sondern der Prinz, den Garden die gefährliche Aufgabe stelle, und also auch nur auf ihm die ganze schwere Verantwortung lasten könne." Oberst v. Wollzogen gab ihm lächelnd dieses beruhigende Versprechen , indem er zu dem Kaiser zurückeilte, während mit dem Bericht von diesem Entschlusse des Prinzen gleichzeitig ein Adjutant zum General Barclay geschickt wurde. *) Auf unserer Seite hatte der Feind Kotta schon besetzt. General v. Helfreich musste ihn sogleich daraus vertreiben und Oberst v. Wolff drang mit einer aus allen Regimentern gebildeten Schützen - Abtheilung bis gegen Kritschwitz auf dem Pirnaer steilen Höhenzuge vor. Gleichzeitig unterstützte General Yermoloff den Angriff des Generals v. Knorring mit 2 Bataillons Garde, während die Artillerie durch Zehista defilirte. Bis dahin ging Alles gut , denn Vandamme gab durch das Zusammenziehen seiner Massen Besorgnisse zu erkennen.
*) Vergleichen wir einmal mit diesen Thatsachen nun die Apologie , welche Plotho II. Thl. 64 dem Benehmen des Grafen Ostermann widmet: ,,Nicht achtend der Gefahren , denen er sich mit seinen Truppen aussetzte, voll Vertrauen auf die auserlesene Schaar, die er anführte , war seine Wahl entschieden ; er ging , wie ihm früher befohlen war, über Gieshübel und Peterswalde." Der Commandeur der 1. Garde-Division , General-Major Baron v. Rosen , eröffnete fechtend den Weg an der Spitze eines Bataillons von Preobaschensk.
31 Nun aber schlägt sich Ostermann in's Mittel.
Un-
glücklicher Weise haben ihm die Garde-Regimenter einige Ordonnanz- Officiere zugesellt. Diese Unglücklichen werden neue Werkzeuge seiner Unruhe und übertragen deren Spuren nach allen Enden. Sogar seine Kosacken-Escorte fliegt vereinzelt umher , und alle diese flüchtigen Boten streuen den Samen der Unordnung aus, wo ihnen Unglück oder Zufall Gehör verschaffen. Den Prinzen selbst streift ein Kosacken - Officier mit folgenden Worten an : „Graf Wertemberg befiehlt dem Prinzen Norrik zu melden, dass er halten möge : er solle Alles in der Arrieregarde lassen ; aber selbst vorgehen." Unter solchen Bewandnissen hält die Garde an verschiedenen Stellen an, statt zu marschiren, ja einige Abtheilungen fangen an sich friedlich niederzulassen und schicken sich zum Abkochen an , während die Truppen des 2. Corps den anstrengendsten Kampf bestehen. Auch der Feind entdeckt endlich durch die geringe Entschiedenheit unserer Maassregeln die wahre Absicht „ getäuscht zu werden“ und man sieht wie seine Colonnen sich gegen Gieshübel wenden, um uns den Weg zu vertreten. Endlich gelingt es dem Prinzen, eine der Ostermann'schen Ordonnanzen habhaft zu werden und sie zu seinem Vortheil zu verwenden . Es war ein junger intelligenter Garde-Oficier, welcher dem Prinzen verspricht, bei den Generalen Yermoloff und v. Rosen zum Besten zu wirken ;
und wirklich : gleich darauf befand sich die Garde-
Colonne wieder im Zuge und bald nachher erhielten wir bei Kotta die Nachricht, dass die Spitze derselben den
32 Feind bei Gieshübel schon vorgefunden hätte und sich dort auf Tod und Leben schlage.
Augenblicklich jagte der Prinz jener Stelle zu und befahl den Generalen Fürst Schakowskoy und v. Helfreich auf das Schnellste zu folgen. General Püschnitzky, der bei Kritschwitz noch den Nachtrab befehligte, erhielt von da aus durch den Oberst v. Hoffmann die Richtung über Geppersdorf und Schönwalde. Sein Detachement bestand aus 4 Bataillonen und den Schützen des Obersten v. Wolff. An ihn sollte sich auf demselben Wege auch der General v. Knorring mit seinem Detachement anschliessen und beide sich dann vereint nach Nollendorf begeben und der Haupt - Colonne einen Echelon sichern. Als der Prinz bei Gieshübel ankam , war dort die Gefahr vorüber und die Garde nebst Reiterei und Artillerie schon gegen Peterswalde glücklich durch.
Nur
ein Bataillon Preobaschensk, das sich an der Spitze der Colonne befand, hatte Widerstand gefunden und, wie uns versichert wurde, unter persönlicher Gegenwart des General-Major Baron v. Rosen sich mit dem Bajonett Luft gemacht. Yermoloff, welchen wir persönlich vorfanden , hatte das Garde-Jäger-Regiment bei Gieshübel und ein Bataillon Semenow bei Hellendorf zu unserm Soutien zurückgelassen.
Von ersterem tiraillirte zunächst eine
Abtheilung im Walde.
Auch General v. Helfreich kam
auf diese Weise noch ohne Verlust nach Peterswalde ; als aber die Colonne des Fürsten Schakowskoy bei Gieshübel vorüberzog, wurde sie von einer starken feindli-
33 chen Masse angegriffen , die auf dem Seitenwege von Langen-Hennersdorf heranrückte.
Der Prinz liess sogleich das schon vorausgegangene Czernigoffsche Infanterie - Regiment umkehren und warf sich selbst an der Spitze desselben dem Feinde entgegen. Dieser hielt an und zog sich in einen dicken Knäuel zusammen, der uns mit heftigem Feuer empfing. " Das Regiment Czernigoff lösete sich hierauf ganz in Schützen auf und umschwärmte die feindliche Masse , bis unsere ganze Colonne, seitwärts ausbiegend , die Strasse wieder gewonnen hatte.
Darauf zog sich auch das Czernigoff-
sche Regiment zurück und wurde durch die Garde-Jäger unter General v. Bistrom hinter Gieshübel aufgenommen , und diese dann wieder am Ausgange des Waldes bei Hellendorf durch 4 Bataillone von unserem Corps vertreten.
An diese schlossen sich auch die Tartarischen
Ulanen des Generals v. Knorring an, welche, statt über Geppersdorf abzuziehen , sich von der Infanterie des. Nachtrabs getrennt und auf der Hauptstrasse durchgeschlagen hatten. So wurde, trotz aller Hindernisse und Gefahren , Peterswalde noch vor Tagesschluss erreicht , die wichtige Richtung , Angesichts und im Bereich eines mächtigen, überlegenen Feindes gewonnen und dadurch eine der schwierigsten Aufgaben gelöst ,
welche die Kriegsge-
schichte aufzuweisen hat. Dieses Resultat war aber namentlich für das 2. Corps durch grosse Opfer getrübt und betrug der Verlust an diesem Tage ungefähr 1000 Mann. 3
34 Von der Artillerie war eine beschädigte Kanone im Hohlwege stecken geblieben ; sie wurde jedoch in den ersten Tagen des Septembers wiedergefunden und herausgeholt. Als es dunkel wurde , suchte der Prinz den Grafen
Ostermann und den General Yermoloff auf, die sich hinter dem Dorfe bei der Garde-Division befanden. Letzterer kam dem Prinzen mit einer von dem Erstern unterzeichneten Disposition entgegen, in der es hiess : dass die Garde um 5 Uhr Morgens nach Nollendorf aufbrechen und der Prinz mit dem Rest der Truppen den Nachtrab führen solle. Da der Prinz gegen diese Anordnung nichts einzuwenden hatte, so begab er sich nach Peterswalde zurück und traf seine eigenen Maassregeln zum folgenden Tage. Peterswalde ist ein sehr grosses, ausgedehntes Dorf, das sich in der Richtung der damaligen Strasse fast eine halbe Meile weit hinzog. Viele Nebenwege kreuzten sich in demselben und es war zu befürchten, dass der Feind auf diesen während der Nacht den Posten des Fürsten Schachowskoy und den des Generals v. Knorring vor dem Dorfe umgehen könnte. Ersterer erhielt deshalb vom Prinzen den Befehl , sich Punkt 11 Uhr des Nachts in Bewegung zu setzen und sich hinter dem Dorfe in einem Wäldchen aufzustellen , welches General von Helfreich schon besetzt hielt , und zu dessen beiden Seiten die Cavallerie biwakirte , während der General v. Knorring bis zum Tagesanbruch vor dem Dorfe bleiben und nach allen Seiten hin durch seine Ulanen patrouilliren lassen sollte.
35 Der Prinz biwakirte bei Peterswalde zwischen seinen beiden Abtheilungen und glaubte nach diesen Anordnungen den Morgen des 29. ruhig erwarten zu können .
Um 3 Uhr des Morgens war Fürst Schachowskoy aber noch nicht vorübergezogen und da man fürchtete , er könnte in der Dunkelheit den Weg verfehlt haben und querfeldein gezogen sein, so wurden nach allen Richtungen Ordonnanzen abgesendet und Oberst v. Wachten vorgeschickt, um den Abmarsch zu beschleunigen, im Fall das Detachement sich verspätet haben sollte. Der Prinz selbst begab sich zum General v. Helfreich und beeilte den Aufbruch der Garden , der auch wirklich schon um halb 5 Uhr, als es kaum Tag geworden war, erfolgte. Als der Tag anbrach, hüllte der dickste Nebel Alles rings umher in Schleier, Fürst Schachowskoy war nicht aufzufinden und schon fielen dicht vor uns Schüsse und Kugeln sausten um uns her. Auch feindliche Cavallerie verkündete bereits ihre Gegenwart , als endlich Fürst Schachowskoy an der Spitze eines Infanterie - Regiments anlangte und dem Prinzen berichtete : „Ihm habe gestern „Abend ein Officier des Semenow'schen Regiments im „Namen des Grafen Ostermann den Befehl überbracht, „sich zu halten, es koste was es wolle, und grosse Feuer „anzuzünden, um den Feind zu schrecken. Er habe sich „deshalb nicht eher in Marsch gesetzt, als auf das Aviso „des Oberst v. Wachten heute früh.“
Jetzt folgte vor-
erwähntem Regimente ein Haufen Flüchtlinge von dem Rest der Infanterie und eine Menge einzelner versprengter Tartarischer Ulanen. Das Ganze gewährte ein Bild der grässlichsten Verwirrung und Zerrüttung. Adjutanten 3*
36 mit Fahnen unter dem Arme , Stabs - Officiere , die nach ihren Bataillonen riefen , Lanzenträger, die sich gewaltsam Bahn brachen , Infanteristen , die nach allen Richtungen hin in die Luft feuerten, wimmelten durcheinander, und während der Nebel auf 10 Schritte weit keine Umsicht gestattete , umtönte das wildeste Geschrei die Brigade Helfreich, deren Contenance noch überdies von. allen Seiten her ein Kugelregen erschütterte . Merkwürdigerweise hatte Fürst Schachowskoy selbst vorher nicht die geringste Ahnung jenes Unfalls , welcher den Schweif seiner Colonne betroffen . Der tapfere Veteran hatte hier gegen die Befehle des Prinzen gehandelt, und wenn ihn gleich ein späterer höherer Befehl legitimirte, so würde er sich doch gewiss selbst für schuldig erachtet haben, wenn er seit dem 26. persönlich mit dem Grafen zusammengetroffen wäre und seinen Zustand genau gekannt hätte. Der Verlauf der Sache war folgender : Der Feind hatte, wie schon erwähnt, während der Nacht von zwei Seiten seine Reiter-Colonnen dem Dorfe genähert und dem Rückzuge des russischen Nachtrabs zuvorzukommen getrachtet. Mit Tagesanbruch warf er die zwischen Hellendorf und Peterswalde aufgestellten Ulanen des Generals von Knorring in das Dorf zurück , und diese brachten auf ihrer Flucht die sectionsweise im Dorfe defilirende Infanterie in Unordnung. Die feindliche Cavallerie stürmte theils hinterdrein , theils brachen einzelne Abtheilungen derselben auf den Kreuzwegen in der Mitte des Dorfes hervor.
Der undurchdringliche Nebel vermehrte noch
die Verwirrung und machte die Vermuthung der Ver-
37 sprengten , dass Alles verloren sei ", ganz verzeihlich. Unter diesen Umständen bleibt nur in einer Hinsicht das Resultat aussergewöhnlich , dass sich der ganze Verlust nur auf etwa 400 Todte, Verwundete und Vermisste beschränkte. Theils kam hier der natürliche Instinkt des russischen Soldaten , sich auf's Aeusserste zu wehren, dann das für Infanterie gegen Cavallerie günstigere Terrain im Dorfe zu statten , und andererseits erleichterte der Nebel den Abzug der Regimenter Tobolsk und Czernigoff, welche zwar nicht ohne Verlust , doch aber geschlossen auf Umwegen Nollendorf erreichten.
Ganz
versprengt war das Bataillon Minsk , welches sich erst am Abend im Kulmer Thale zusammenfand. Von Stabs- Officieren blieb blos der Oberst v. Treffurth in des Feindes Gewalt , auch büsste man keine Trophäe ein. Werfen wir jetzt einen Blick auf die Lage des Prinzen in dem eben geschilderten Moment. Ihm lag es ob , den noch kaum vollendeten Abzug der Garden mit dem Detachement Helfreich und zwei schwachen Bataillonen gegen den gewaltsam andringenden Feind zu decken , während uns zugleich eine Menge eigener Flüchtlinge umgab und den Wirrwar vermehrte. Eine verzweifelte Situation , in der jeder Augenblick Versäumniss mit Verderben drohte, als mit einem Male Trompetenschall unsere trüben Gedanken verdrängte. Es war der tapfere Prinz Leopold von Sachsen- Coburg, der mit seinen Kürassieren dem Feinde entgegenstürzte. Die übrige Cavallerie schloss sich an und auf diese Weise wurde Zeit gewonnen , die Ordnung bei der nächsten In-
38 fanterie wiederherzustellen. Bald entstand zwar ein heftiges Gefecht mit der feindlichen Infanterie, aber es gelang doch, wenn schon in stetem Handgemenge mit derselben , den Posten von Nollendorf zu erreichen , wo General Yermoloff die Garde-Brigade des Generals Krapowitzky zu unserer Aufnahme zurückgelassen hatte und wo wir die durch Um- und Nebenwege hierher gelangten 4 Infanterie-Regimenter wieder vorfanden.
Nur der
General Pischnitzky fehlte noch, er hatte mit seiner Abtheilung in der Nacht den Weg verfehlt und war von Schönewalde, statt nach Nollendorf einzubiegen , auf der Strasse über Graupen nach Teplitz fortgezogen, so traf er am späten Abend dieses Tages erst wieder bei dem Corps ein.
Zu seinem und wohl auch zu des Prinzen
Unglück war ihm unterwegs der General Barclay begegnet, hatte ihn mit Vorwürfen überhäuft und schon gereizt auf das ganze 2. Corps sein Anathema geschleudert. Wenden wir unseren Blick zu den Begebenheiten des 29. August zurück, so finden wir den Feind vor unserer Stellung bei Nollendorf haltend an. Die Jäger der Garde , in den Büschen und Schluchten vertheilt, setzten ihm jedoch einen so lebhaften Widerstand entgegen, dass wir so viel Zeit gewannen , um unsere Truppen auf der Höhe aufstellen zu können. Als dies bewerkstelligt war, sandte der Prinz die Brigaden der Generale Krapowitzky und Helfreich dem General Yermoloff in's Kulmer Thal nach und hielt sich dann noch etwa anderthalb Stunden unter lebhaftem Gefechte und unter dem Feuer starker feindlicher Batterien bei der Nollendorfer Kirche, bis er von dem vollendeten Abzuge t
39 der Garden Kunde bekam, worauf er dann, noch immer vom Nebel begünstigt, ebenfalls in's Kulmer Thal folgte. Den General Yermoloff fanden wir aber nicht bei Kulm, wie es der Prinz vermuthete, sondern beim Dorfe Priesten.
Hierher kam auch der Graf Ostermann und
theilte dem Prinzen eine eben durch den Königlich Preussischen Flügel-Adjutanten v. Natzmer erhaltene Aufforderung des Königs mit : „ sich nach Möglichkeit zu hal„ten , um der eben noch im Gebirge mit den grössten
99Hindernissen kämpfenden Haupt - Armee den Rückzug „durch die Schluchten zu sichern." Eigentlich rechnete der König auf die Behauptung des Postens von Nollendorf, da General v. Kleist noch bei Fürstenwalde zurück war, sich die Massen der voranziehenden Truppen des Generals Barclay in den Defileen des Erzgebirges bei Geiersberge und bei Granpen drängten und somit zu fürchten war , dass das preussische Corps dort nicht würde durchkommen können . Durch eine besondere Fügung des Geschicks wirkte auf diese Weise der Vorfall bei Peterswalde günstig auf die allgemeinen Angelegenheiten , denn ohne die daraus hervorgegangenen augenblicklichen Verlegenheiten hätten. wir wahrscheinlich länger bei Nollendorf Stand gehalten und dort den Befehl des Königs bekommen, den auf das Pünktlichste zu erfüllen ohne jede Rücksicht sich der Prinz zur Pflicht gemacht haben würde. Der Posten bei Nollendorf, den der Feind leicht umfassen konnte, enthielt aber sehr viele locale Nachtheile und liess im Fall des Rückzuges grosse Gefahren voraussetzen, da die auf jener Höhe Stand haltenden Truppen auf die einzige,
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durch enge Defileen des Erzgebirges führende Hauptstrasse beschränkt waren , so dass jeder Widerstand im Fall des Rückzuges von einer fast unfehlbaren Niederlage bedroht ward . Weit'vortheilhafter erschien die Stellung bei Priesten und jedenfalls günstiger als die bei Kulm , indem sie uns den Têten der vom Geiersberge heranziehenden Truppen der Haupt-Armee näherte und uns baldige Unterstützung zusicherte. Schon gegen 11 Uhr Morgens drang eine starke feindliche Colonne vom Nollendorfer Berge her gegen unsere unterm General v. Knorring im Dorfe Kulm aufgestellte Arrieregarde vor , diese zog sich an die Hauptstellung heran, während Vandamme von Kulm aus nicht vorschritt, sondern seinen Angriff zu seiner Rechten, nach dem Gebirge hin, gegen das Dorf Straden zu richten schien und somit augenscheinlich unseren linken Flügel bedrohte. Das Schlachtfeld bot eine von mehreren Dörfern,
Hecken und Wiesen bedeckte Ebene dar , welche sich gegen Kulm zu allmählig erhob . Zur Linken verlor sie sich auf leichten Anhöhen und im dichten Gebüsch am Fusse der hohen Berge.
Priesten befand sich vor dem
Centrum unserer Stellung, gerade gegenüber von Kulm. Eine breite Wiese, gegen den Feind zu durch einen Bach begrenzt , dehnte sich rechts bis an das Städtchen Karwitz aus. Die Chaussee von Kulm nach Teplitz streifte rechts an Priesten vorbei , und obgleich sie das jenseitige Terrain dominirte , so deckte sie doch das Dorf selbst und dessen Gärten und Büsche, sowie die dahinter stehenden Truppen vor dem feindlichen Kanonenfeuer. Drang der Feind durch das Dorf, das von unsern
41 Schützen besetzt war, vor, so gerieth er in den Bereich unserer zahlreich aufgestellten Geschütze.
Zur Rechten,
auf der Wiese, war unsere Reiterei und reitende Artillerie ganz geeignet placirt , um dem Uebergange des Feindes über den Bach Hindernisse entgegenzustellen .
Unsere
ganze Aufmerksamkeit musste somit augenscheinlich nach dem linken Flügel, als dem wahren Angriffspunkte, den der Feind erwählen könnte, gerichtet sein. General v. Bistrom wurde zuerst auf die kleine waldige Höhe vor dem Dorfe Straden mit dem Garde-Jäger-Regimente und zwei Bataillonen unseres Corps entsandt. Hinter ihm stellte sich das eben vom Geiersberge eingetroffene Garde-Ulanen-Regiment in Divisions-Colonnen mit Distancen auf. Unmittelbar hinter Priesten stand das Regiment Reval und das 4. Jäger - Regiment von unserem 2. Corps und hatten das Dorf mit ihren Schützen besetzt. Die Cavallerie, zu welcher 2 Escadrons des österreichischen Dragoner-Regiments Erzherzog Johann gehörten, war rechts auf der Ebene bis gegen Karwitz hin aufgestellt . Die reitende Batterie der Garde unter dem Oberst-Lieutenant v. Bistrom war rechts von Priesten auf beiden Seiten der Chaussee entfaltet.
Einige hundert Schritte hinter
Priesten standen die Regimenter Tobolsk und Czernigoff und das Bataillon Minsk unter dem Fürsten Schachowskoy, dann die Regimenter Tenginsk und Esthland und das Bataillon der Grossfürstin Catharina unter dem General v..Helfreich ; zur äussersten Linken die Garde- Regimenter Preobraschensk, Semenow und Ismailow unter dem General v. Rosen, sämmtlich in Colonne nach der Mitte mit Distancen. Rechts von diesem zweiten oder vielmehr
42 Haupttreffen der Infanterie befanden sich die beiden Batterien von Baikow und Czeremissinow und links die ganze Fuss -Artillerie der ersten Garde-Division . Hinter der Infanterie waren die Husaren der Garde , bald darauf auch die Garde - Dragoner aufgestellt , zu welchen später auch noch die 3. Kürassier-Division stiess . Die Truppen des 2. Corps und des Detachements von Helfreich, durch die Kämpfe der vorhergegangenen Tage sehr geschwächt, zählten zusammen vor dem Treffen noch 5500 Combattanten , die 12 Garde- Bataillone etwa 6700 Mann und die ursprüngliche unter dem Befehl des Prinzen Leopold stehende Reiterei konnte ungefähr 2500 Pferde stark sein. Wenn man zu diesen 14,700 Mann noch die Artillerie und die im Laufe des Gefechts hinzugetretene Reiterei rechnet, so kommen schliesslich etwa 20,000 Mann zusammen , wovon jedoch zu Anfang eine weit geringere Zahl es mit 37,000 Mann aufnahm , die ihnen General Vandamme entgegenführte. Graf Ostermann hielt sich während des ganzen Treffens bei der 1. Garde - Division auf, wo ihm General Yermoloff nicht von der Seite wich. Der Prinz befand sich Anfangs bei der Batterie des . Oberst-Lieutenants v. Bistrom, gegen die der Feind von Kulm aus auf der Chaussee den ersten Angriff richtete ; später war er links vom Dorfe Priesten mit der Leitung des Vordertreffens beschäftigt, und hier, an jenem blutigen Tage, muss man ihn selbst gesehen haben, um sich einen richtigen Begriff von der ausgezeichneten Thätigkeit und noch nie übertroffenen Bravour dieses tapfern Fürsten machen zu können .
Während der Feind mit grösster
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Kühnheit und zahlreicher Uebermacht angriff, sah man den Prinzen bald mitten zwischen unseren Tirailleurlinien , um sie zur ferneren Ausdauer zu ermuntern, bald führte er frische Bataillone den feindlichen Colonnen entgegen. Zu den meisten Commandeuren ritt er selbst und machte sie auf die Wichtigkeit aufmerksam , sich noch in der jetzigen Stellung zu halten. Es war 1 Uhr des Mittags, als Oberst Lieutenant von Bistrom das Feuer eröffnete und eine sehr starke Batterie auf den Kulmer Höhen es ohne allen Erfolg erwiederte.
Während dessen zogen sich die französischen
Truppen um Kulm her in dichten Massen zusammen und schienen für's Erste den von dieser Seite begonnenen Angriff aufzugeben , indem sie das Gefecht bei Straden gegen den General v. Bistrom mit äusserster Heftigkeit begannen. General Yermoloff sendete diesem sofort das Regiment Semenoff zu Hülfe , und vermöge dieser Unterstützung warf Bistrom den Feind , welcher zuerst Vortheile errungen hatte , wieder zurück.
Der Prinz liess
den General v. Helfreich in die Intervalle zwischen dem linken Flügel und dem Dorfe Priesten einrücken und später auch noch 2 Infanterie - Regimenter seines Corps in dieser Richtung vorrücken, während Fürst Schachowskoy bei dem Dorfe zurückblieb. Der Feind nährte seinerseits das Gefecht durch die Division Mutom- Duvernet und drängte in erneuertem fürchterlichen Kampfe die Truppen unter Bistrom und Helfreich zurück. Yermoloff liess abermals 2 Bataillone Preobraschensk vorgehen , um das hart bedrängte Regiment Semenoff,
44 welches bereits 900 Mann verloren hatte , zu degagiren. Jetzt eilten auch die vorerwähnten 2 Infanterie- Regimenter des 2. Corps dem General v. Helfreich zu Hülfe , wodurch das Gefecht rings um eine kleine Capelle her einen wahrhaft schauerlichen Anstrich gewann. Von allen Seiten gedrängt, zog sich nach und nach die Schaar der. Vertheidiger in eine einzige grosse Masse zusammen, die nach Umständen vor- und zurückwogte und Truppen von der Garde und Linie umfasste. Man konnte dieses ganze wüthende Handgemenge nur eine wahrhafte Metzelei nennen, in welcher die Truppen beider Theile mit Löwenmuth fochten, in der aber einzelne Waffenthaten im all- ` gemeinen Schlachtgewühl verschwanden. Während sich nun zur Linken das Gefecht eine Weile im Gleichgewicht hielt , versuchte der Feind auch im Centrum vorzudringen und griff .Priesten mit grosser Uebermacht an, verdrängte die Schützen aus dem Dorfe, prallte aber , als er diesseits desselben zum Vorschein kam , vor dem Feuer der Batterien zurück, worauf Fürst Schachowskoy mit dem 4. Jäger-Regiment und den Regimentern Reval und Minsk ihn wieder aus dem Dorfe trieb. Unmittelbar nach diesem Vortheil liess der Prinz die beiden Batterien Baikoff und Czeremissinoff links von Priesten dergestalt vorrücken und durch den Oberst von Wachten aufstellen , dass sie , selbst durch das Terrain gegen das feindliche Kanonenfeuer von Kulm her geschützt , mit ungemeiner Wirkung die französischen Colonnen bestrichen , welche am Saume des Waldes die fechtenden russischen Truppen zu umfassen strebten. Auf diese Weise wurde hier (in derselben Art , wie es
45 früher bei Reichenbach am 22. Mai glückte ) der Feind in Schach gehalten, au Umgehung gehindert und auf die Thatkraft seiner Colonnenspitzen verwiesen, welche, trotz aller Tapferkeit und Anstrengungen , nicht hinreichen konnten , um den ihnen entgegenstehenden Damm zu durchbrechen. Der Feind verdoppelte aber, trotz seiner ungeheuren Verluste , seine Streitkräfte , trieb die 8 im Kampfe begriffenen Garde-Bataillone und die 9 schwachen Bataillone unter General v. Helfreich vor sich her und war, des Kartätschenfeuers nicht achtend, eben im Begriff sich unserer beiden Batterien zu bemächtigen , als der Prinz unter diesen dringenden Umständen und in dieser äussersten Gefahr mir befahl, den Grafen Ostermann aufzusuchen und diesen zu bitten , dass er den zunächst stehenden General Krapowitzky mit dem Garde- Regimente Ismailow zu Hülfe schicken möge.
Sagen Sie dem Gra-
fen ", rief mir der Prinz noch nach , „dass Alles davon abhinge uns hier noch zu halten ! " Ich fand den Grafen in Gesellschaft des GeneralLieutenants Yermoloff und hatte kaum angefangen zu sprechen, als Letzterer, mir in's Wort fallend, äusserte : „Der Prinz ist allzu verschwenderisch mit dem Blute „der Kaiserlichen Garden ! " -Als ich hierauf den mir gewordenen Auftrag nochmals an den Grafen Ostermann richtete, wendete derselbe sich zum General Yermoloff mit dem Befehl, zwei Bataillone zu schicken.
Der General erwiederte aber : 99 Euer Excellenz ! Es ist meine Pflicht , Ihnen sagen zu müssen,
„dass ich es nicht beim Kaiser verantworten kann , wenn
46 „ich zugebe, dass hier die ganze Garde geopfert wird ; „des Prinzen von Württemberg Schuld ist es, dass heate „die Kaiserliche Garde vernichtet wird. Er scheint aber „der Meinung zu sein, heute noch nicht genug aufgeop„fert zu haben. Er weiss noch einige Bataillone und will „auch diese. Sind aber diese weg, dann hat der Kaiser „keine 1. Garde-Division mehr." Ich wollte nun die mir zuletzt nachgerufenen Worte anbringen und fing an : „Der Prinz “ — — „Der Prinz", unterbrach mich General Yermoloff,
ist ein Deutscher
und macht sich den Teufel daraus, ob wir Russen Garden übrig behalten oder nicht ; meine Pflicht ist es aber, dem Kaiser wenigstens Etwas von seiner Garde zu erhalten." Da ich bei so bewandten Umständen nichts ausrichten konnte , so sprengte ich zurück und meldete dem Prinzen diesen Vorfall Wort für Wort.
Ich fand den
Oberst v. Hoffmann bei demselben und mit diesem und mir ritt er in schnellster Carriere zum Grafen Ostermann. Während sich hier ein sehr heftiger Wortwechsel zwischen dem General Yermoloff und dem Oberst v. Hoffmann entspann, bekamen wir zuletzt die geforderte Unterstützung. Der tapfere General Krapowitzky genügte augenblicklich der ihm vom Prinzen gewordenen Aufforderung und Aufbruch, Angriff und Sieg folgten rasch aufeinander. Gleich darauf sah man das Schlachtfeld mit feindlichen Leichen bedeckt, die nächsten feindlichen Colonnen flüchtend, unsere ganze Linie im erneuerten Vorrücken und die Batterien wieder in vollster Thätigkeit. Es war eine
47 wahrhafte Heldenthat, die aber auch dem tapfern Regimente Ismailow grosse Opfer kostete.
General Krapo-
witzky und Oberst Martii wurden schwer verwundet. Auch kam um dieselbe Zeit General Yermoloff an den Prinzen herangeritten und meldete ihm : dass dem Grafen Ostermann durch eine jenseits Straden vom Feinde errichtete Batterie der linke Arm abgeschossen worden sei. Obgleich auf seinen rechten Flügel zurückgewiesen, setzte der Feind nochmals starke Colonnen gegen unser Centrum in Bewegung.
Auf der Chaussee , wohin der
Prinz 2 Regimenter von der 3. Kürassier - Division vorrücken liess , wies ihn die reitende Garde - Batterie zurück. Aus dem Dorfe Priesten , wo er wiederholt die Schützen des 2. Corps vertrieb und , wie früher , durch das Feuer der Artillerie zurückgewiesen wurde, warf ihn der Fürst Schachowskoy zum zweiten Male heraus. Ueberall zurückgewiesen , schritt der Feind schliesslich noch zu einem letzten Versuch. Eine starke Colonne von der Division Philippon mit dem 7. leichten Infanterie-Regimente an der Spitze (demselben , welches uns gestern bei Gieshübel angegriffen hatte) drang von Straden her, zwischen der Capelle und dem Dorfe Priesten , in gerader Richtung gegen die Batterie des Oberst Baikoff vor, indem auch andere Abtheilungen Priesten selbst von Neuem angriffen.
Die Batterie, obgleich durch feindliche
Schützen mit Kugeln überschüttet , bedeckte doch die feindliche Masse mit Kartätschen. Oberst Czeremissinoff wurde hier tödtlich verwundet. - Der Feind drang mit grosser Fassung immer weiter vor. Unsererseits war von der Infanterie nur noch ein Bataillon Preobraschensk dis-
48 ponibel , alles Uebrige im heftigsten Gefecht begriffen. Auch dieses letzte Häuflein musste jetzt zum Schutz der Batterie voreilen und that es mit dem rühmlichsten Eifer. Der Moment blieb im höchsten Grade kritisch . - Der Prinz sandte daher an den General Schewitsch den Befehl : mit den 3 zunächst stehenden leichten CavallerieRegimentern der Garde dem Feinde zu Leibe zu gehen und begab sich selbst zu den beiden schon erwähnten Kürassier - Regimentern der 3. Division , um mit diesen durch das mittlerweile nochmals von dem Fürsten Schachowskoy wieder eroberte Dorf Priesten die feindliche Colonne in der Flanke zu fassen . In diesem Augenblicke kam Barclay's Ober-Quartiermeister, der General-Major Baron v. Diebitsch, mit der Meldung zum Prinzen, dass die preussischen Garden und eine Grenadier - Division. vom Gebirge her zu seiner Unterstützung beordert wären und General Barclay unmittelbar eintreffen werde. Diebitsch versprach nun des Prinzen eben erwähnte Anordnungen selbst zu betreiben.
Ehe er ( der Prinz)
noch mit den Kürassieren aus dem Dorfe kam , war schon das Garde-Dragoner-Regiment vorgerückt. Die vorderste Division desselben führte Diebitsch selbst in den Feind und 2 seiner Adjutanten fielen neben ihm. Von der anderen Seite warf sich das Ulanen -Regiment der Garde unter seinem Commandeur, dem Oberst Prinzen Carl von Hessen-Philippsthal (welcher schwer verwundet wurde) , dem Feinde entgegen und vermochte ihn so endlich mit dem Rest seiner Massen zum Rückzuge , so dass diese schöne Ritterthat das heutige Treffen eigentlich beschloss . Die Kürassiere setzten dem. Feinde noch jenseits des
49 Dorfes nach, und Vandamme liess vom ferneren Angriff nunmehr ab , indem er alle seine Streitkräfte zwischen Straden und Kulm concentrirte. Zu unserer Rechten, auf der Korwitzer Ebene , hatte ebenfalls unsere zahlreiche Reiterei, welche am Ende des Treffens der Fürst Dmitrii Galizin anführte, dem Feinde imponirt, doch ist mir von dem Detail des dortigen Gefechtes keine genaue Notiz zugekommen. Um 6 Uhr Abends war auf unserer Seite das Treffen beendet. Der Verlust des vereinigten russischen Corps betrug von der 1. Garde-Division , die bei ihrem grossen Heldenmuth auch die bedeutendsten Opfer gebracht hatte
2800 Mann,
vom 2. Corps und dem Detachement
2400
des Generals v. Helfreich von der Reiterei des Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg und den Garden
800
Summa 6000 Mann. Wenn man einerseits dem Heroismus der Garden an diesem denkwürdigen Tage gewiss die höchste Bewunderung schuldet, so darf man doch auch nicht übersehen, wie die schon seit dem 22. August unaufhörlich kämpfenden und durch manchen Unfall hart mitgenommenen Linientruppen hier noch ebenfalls Beweise einer unerschütterlichen Ausdauer an den Tag legten. *) *) Plotho sagt II, S. 72 wörtlich bei dem Treffen von Priesten : ,,Dieser hartnäckigé und ungleiche Kampf der auserlesenen Kriegs,,schaar erinnert an die Vertheidigung von Thermopilae , an der ,,Schweizer geringe Zahl , wenn sie mit ebensoviel Heldenmuth ,,ihre Gebirgspässe vertheidigten und es wird der Kampf in der „ Geschichte fortleben, gleich jenem, zum Vorbild künftiger Zeiten.“
50 Die am folgenden Tage gelieferte Schlacht , welche eigentlich nicht mehr in den Bericht der das Corps des Prinzen Eugen von Württemberg speciell betreffenden Ereignisse gehört, bedarf nur, des Zusammenhanges wegen, einer kurzen Erörterung. Unser Widerstand am 29. August hatte den Rückzug der zur Linken durch's Erzgebirge marschirenden Colonnen der Haupt-Armee glücklich gedeckt und den ursprünglich bis Buden bestimmten Rückzug auf die Stellung im Kulmer Thale beschränkt, die wir jetzt einnahmen. Ueber alle hier nun vereinigten Truppen, mit denen am folgenden Morgen der Angriff gegen das Corps des Generals Vandamme beabsichtigt wurde, übernahm General Barclay de Tolly den Oberbefehl. Zu dem gegenwärtig gefassten Entschlusse für den nächsten Tag trat noch ein besonders einflussreicher Umstand. Wir wissen schon, dass General v. Kleist auf seinem Marsche über Graupen durch die voranziehenden Truppen sich behindert glaubte und er fasste (wie man behauptet auf Vorstellung des Chefs seines Generalstabes, des Oberst v. Grolmann) den kühnen Entschluss , von Fürstenwalde aus nach Nollendorf zu marschiren und von da aus dem General Vandamme in den Rücken zu fallen. Diese durch den Oberst v. Schöler am Abend des 29. erhaltene und durch den Lieutenant v. Voss am 30. früh bestätigte Kunde gab unseren Angelegenheiten eine ganz ausnehmend glückliche Wendung. Der Feind, rechts von einer Cavallerie-Brigade unter General v. Knorring und den beiden österreichischen Divisionen von Colloredo und von Bianchi , links vom General Rajeffsky mit der
51 1. russischen Grenadier-Division, der Brigade Püschnitzky und der Brigade Hessen - Homburg lebhaft angegriffen, war schon hart bedrängt, als der erste Schuss der Truppen des Generals v. Kleist von Nollendorf her auch dem noch zur Disposition im Centrum stehenden 2. russischen Corps unter dem Prinzen Eugen von Württemberg das Zeichen zum Vorrücken gab. Schnell war hier die Kulmer Höhe erstiegen und eine Batterie von 21 Kanonen von der Infanterie erobert. Ausser den Generalen Vandamme , Haxo , Guyot und Heimrod , welche gefangen, und den Generalen Prinz Reuss , Montesquio- Fezenzac, welche getödtet wurden, verlor der Feind 15,000 Todte und Gefangene , 3 Fahnen , 2 Adler , 81 Kanonen und alles Gepäck. Die Generale Vandamme und Haxo wurden vom 4. Jäger - Regiment, zu unserm Corps gehörig, gefangen eingebracht. Am Schlusse unserer Schilderung der Thätigkeit des Prinzen Eugen von Württemberg während des 26. bis 30. August angelangt, wird es den Leser mehr wie befremden, in den öffentlichen Berichten der kriegerischen Begebenheiten jener glorreichen Zeit weder über das heldenmüthige Benehmen des 2. russischen Corps, welches in diesen denkwürdigen Tagen von 12,500 Mann 7500 einbüsste und in unausgesetzten Gefechten seine gewichtige Theilnahme bewährte , noch über die Wirksamkeit seines jugendlichen Führers ein Wort der Erwähnung zu finden, während der 1. Garde- Division alles Lob gezollt und das Feldherrntalent des Grafen Ostermann -Tolstoy gepriesen wird.
52 Es ist die Vermuthung somit gewiss gerechtfertigt, dass nur eigenthümliche Umstände ein so hohes Verdienst, wie das der Rettung einer ganzen Armee vom sichern Verderben ist, ganz in den Hintergrund drängen konnten und erscheint es mir demnach nothwendig, hier noch zu erörtern , ob absichtliche Zurücksetzung , Missverständnisse oder Indignität hierzu die hauptsächlichen Triebfedern gewesen sein mögen. Der Prinz Eugen von Württemberg stand im August des Jahres 1813 bereits in einem solchen militairischen Rufe , dass eine blosse Kränkung seiner Person gewiss hierdurch nicht beabsichtigt werden konnte, als der Graf Ostermann - Tolstoy einen Auftrag erhielt , der sich mit demjenigen kreuzte , den das Armee-Corps des Prinzen bereits laut Anordnung des Oberbefehlshabers Fürsten Schwarzenberg bekommen hatte.
Andererseits war der
Diensteifer, die Uneigennützigkeit und die scrupulöseste Pflichterfüllung des Prinzen in der ganzen Armee zu allgemein bekannt, als dass irgend Jemand, welcher mit den Verhältnissen im russischen Heere vertraut war, je auf den Gedanken hätte kommen können , dass dieser Prinz die Autorität eines ältern Generals und kaiserlichen General - Adjutanten nicht sofort hätte anerkennen sollen , wenn derselbe, auch bei gänzlichem Mangel an schriftlicher Autorisation zum Commando , hierzu nur eine Instruction oder den festen Willen kundgegeben hätte. Im Gegentheil begab sich der Graf freiwillig jeder Ansprüche auf die Führung des rechten Flügel - Corps , als er die 15,000 Mann, über welche ihm das Commando, nach seiner Aussage, übertragen worden sein sollte, dort
53 nicht vorfand und er von Niemand über ihr Vorhandensein Auskunft erhalten konnte .* ) Der Kaiser wusste jedenfalls Anfangs nicht , wie es überhaupt auf dem rechten Flügel stand, denn es ist aus den vorhergegangenen Entwickelungen hinreichend ersichtlich , wie sehr ihn jene Anordnung bezüglich des Commando's dort später besorgt machte und wie er bemüht war , das dem Prinzen zugefügte Unrecht wieder gut zu machen, indem er wiederholentlich sich über die schwierige Lage, in welcher der Prinz schwebte, zu informiren und durch directe Befehle ihm Verstärkungen oder Weisungen zukommen zu lassen bestrebt war. Auch bestätigte er dies noch dadurch , dass er , als der Prinz nach dem Erscheinen des Armee-Berichts vom 31. August tief verletzt sich mit der festen Absicht in's Hauptquartier begeben hatte, um seine Entlassung beim Kaiser nachzusuchen , dem Prinzen, als er ihn ansichtig wurde, entgegeneilte und ihm die Hand schüttelnd sagte : „Ich weiss Alles was wir Ihnen verdanken, die Selbst„verleugnung ist die höchste Tugend ! " Aber auch in den Augen des Heeres wollte der Kaiser den Prinzen gerechtfertigt sehen und deshalb überschickte er ihm noch auf dem Schlachtfelde den Wladimir - Orden I. Klasse , indem das später ausgefertigte Rescript wörtlich das Anerkenntniss enthielt : *) Wahrscheinlich war die Ernennung des Grafen Ostermann als Commandeur des rechten Flügel -Corps am 25. im Hauptquartier beschlossen worden, als man , in Folge der Disposition des Fürsten Schwarzenberg dort eine grössere Truppenmasse zusammenzuziehen beabsichtigte . Später war , durch die Verhältnisse hervorgerufen, diese Idee nicht ausgeführt worden,
54 Für ausgezeichnete Thaten und umsichtige Anordnungen bei Vernichtung eines feindlichen Armee - Corps ! " Dies zusammengenommen dürfte wohl hinreichend
beweisen , dass der Kaiser, wenn er den Grafen Ostermann - Tolstoy wirklich zum Commandeur des rechten Flügels bestimmt hatte, nicht den Willen gehabt hat, den Prinzen persönlich zurückzusetzen . Dagegen ist es einleuchtend, dass der Kaiser, nachdem dieses Missverständniss einmal geschehen war , auch nicht anders handeln konnte, selbst als er über den Zustand des Grafen später aufgeklärt wurde ; denn in welche schiefe Lage würde er den Verbündeten gegenüber gerathen sein , wenn es im Hauptquartier bekannt geworden wäre , dass ein so wichtiger Posten einem Manne anvertraut ward , welcher seit Ende 1812 für zuweilen gemüthsleidend in der Armee bekannt, stets einer persönlichen Beaufsichtigung bedurfte. Jedenfalls ist es eine unglückliche Versäumniss des Prinzen , dass er nicht gleich am 29. einen detaillirten Schlachtenbericht eingereicht hat. Er unterliess dies damals einerseits wahrscheinlich , um das Sachverhältniss zu cachiren , weil er der festen Meinung war, dass die Gerechtigkeit des Kaisers ihm das errungene Verdienst nicht schmälern werde und da er glaubte, dass man überhaupt von allen Verhältnissen im Hauptquartier genau unterrichtet sein müsste, andererseits war der Prinz in der Nacht vom 29. - 30. nach 36stündiger, unaufhörlicher Anstrengung physisch so abgespannt, dass er zur Abfassung eines umständlichen Berichts nicht fähig war, umsomehr, als ihm dazu damals die nöthigen Daten fehlten , da die Regimenter seines Corps noch nicht alle wieder vereinigt waren.
55 Am 30. war der Prinz aber bereits wieder im Gefecht und rückte dem Feinde bei Tellnitz nach , sich abermals neue Lorbeeren erringend . Schon am 31. früh erschien nun aber der öffentliche, den Prinzen auf die allerempfindlichste Weise verletzende Armee-Bericht des Grafen Barclay, in welchem der erspriesslichen Leistungen des 2. Corps nicht gedacht wurde. und alles Lob und Verdienst dem General Yermoloff mit der 1: Garde- Division zufiel , wahrscheinlich weil dieser, noch am 29. Abends in die Reserve und unter das directe Commando des Grafen Miloradowitsch zurücktretend , sich beeilt hatte einen officiellen Bericht über das Verhalten seiner Division zu überreichen.
Auf Befehl des Grafen
Wittgenstein reichte der Prinz Eugen von Württemberg zwar im September 1813 einen Rapport über die Daten der bestandenen Gefechte und die Verluste des Corps ein, in welchem er sich jedoch aller Persönlichkeiten enthielt. *) *) Ich habe mir übrigens schon mehrfach die Frage vorgelegt, an wen der Prinz damals eigentlich berichten sollte , ohne dass ich mir darüber eine genügende Antwort hätte geben können : denn seine nächste Instanz wäre der Graf Wittgenstein gewesen, dieser stand aber noch jenseits des Erzgebirges in Zinnwalde. An den Grafen Ostermann den Rapport einzuschicken , wäre wahre Ironie gewesen, überdies war er verwundet und sein Aufenthalt dem Prinzen unbekannt. Von dem General Barclay wäre bei der Stimmung, welche man bei diesem General gegen den Prinzen voraussetzen konnte, zu erwarten gewesen, dass er den Bericht auf den dienstlichen Instanzenweg verwiesen hätte, überdies wäre es am 30. schon zu spät gewesen. Ein directer Brief an den Kaiser hätte wahrscheinlich der ganzen Sache eine andere Wendung gegeben, aber er wäre mit einer Anklage auf Tod und Leben gegen den eben erst siegreichen General Barclay, mit einer Beschimpfung des verwundeten Gra-
56 Die unterlassenen Reclamationen wegen des Uebergehens im Armee-Bericht und die späteren Verletzungen durch irrige Darstellungen des Ereignisses rührten aber ganz allein davon her, dass der Priuz, die Wünsche des Kaisers und höhere Interessen berücksichtigend , in voller Resignation über das Geschehene schwieg und bescheiden jedem öffentlichen Anerkenntniss entsagte.
Hiernach ist allerdings das grösste Ereigniss des Feldzuges von 1813 bis jetzt stets verstümmelt von den Geschichtschreibern geschildert worden ; es sollte mir zur innigsten Freude gereichen, wenn diese meine Darstellung zur Berichtigung jener Irrthümer beitragen und besonders dadurch der Beweis geliefert sein sollte , dass am 29. August 1813 die russischen Linien-Truppen eben so tapfer wie die Garden gefochten, und dass die Mit- und Nachwelt nicht dem Grafen Ostermann - Tolstoy, sondern dem Prinzen Eugen von Württemberg Dank für diese , auf ganz Europas Wohl so einflussreiche Waffenthat schuldet. fen Ostermann gleichlautend und bei der vorherrschenden Spannung zwischen Schwarzenberg und Barclay das Mittel gewesen , einen Brandstoff in das bisherige gute Einverständniss im alliirten Hauptquartier zu werfen. Endlich blieb es bis zum Erscheinen des Armee-Berichts unmöglich vorauszusetzen , dass die evidente Gegenwart und die entschiedenen Leistungen eines ganzen Corps mit Stillschweigen übergangen werden könnten . Hätte dem Prinzen diese Möglichkeit aber auch wirklich schon am 30. August vorgeschwebt , so verschwand an jenem Tage die Wahrnehmung seiner persönlichen Rechte vor dem hohen Pflichtgefühl , welches sein edles Herz stets erfüllt hat. Druck von G. Bernstein in Berlin, Mauerstr. 53.