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German Pages 321 Year 1990
MICHAEL LABE
Zufallsfund und Restitutionsprinzip im Strafverfahren
Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von den Mitgliedern des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg Heft 79
Zufallsfund und Restitutionsprinzip im Strafverfahren
Von Dr. Michael Labe
Duncker & Humblot . Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Labe, Michael:
Zufallsfund und Restitutionsprinzip im Strafverfahren / von Michael Labe. - Berlin: Duncker u. Humblot,1990 (Hamburger Rechtsstudien; H. 79) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06896-3 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0072-9590 ISBN 3-428-06896-3
Für Christiane
Vorwort Die Arbeit hat im Sommersemester 1988 dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation vorgelegen. Literatur und Rechtsprechung sind gleichwohl bis einschließlich März 1989 berücksichtigt und eingearbeitet worden. Die Erstellung der Arbeit hat sich - im Jahre 1982 begonnen - über etliche Zeit hingezogen. Es ist vor allem meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Gerhard Fezer, zu verdanken, daß ein Abschluß erreicht werden konnte. Stetige Bereitschaft für das wissenschaftliche Gespräch, persönliche Anteilnahme am Fortgang der Arbeit und häufiger ermunternder Zuspruch haben geholfen, Phasen der Niedergeschlagenheit oder gar Resignation letztlich immer zu überwinden. Dem Fachbereich Rechtswissenschaft danke ich für die Aufnahme der Abhandlung in die Reihe der "Hamburger Rechtsstudien" . Hamburg, im November 1989
Michael Labe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
25
Kapitell
Defizite in der Diskussion um ZufaUsfunde I. Partielle Problem behandlung bei verschiedenen Zwangsmaßnahmen
30 35
11. Der Begriff des Zufallsfundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
111. Argumentationsstrukturen im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
1. Zur Lehre von den Verwertungsverboten im Strafverfahren
42
2. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Beweiserlangung von Zufallsfunden am Beispiel der Telefonüberwachung nach § 100a .................
43
a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
44
b) Rechtsprechungsnahe Auffassungen im Schrifttum
44
............
c) Problematisierende Ansätze im Schrifttum 3. Ergebnis der Analyse IV. Die Funktion des § 108 V. Fazit und Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 51 52 55
10
Inhaltsverzeichnis Kapitel 2
Der ZufaUsfund beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen I. Die Aufdeckung von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen 1. Zum Begriff der Zwangsmaßnahme
59 59 69
........................
69
2. Die Tatbezogenheit als Eingriffsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
a) Analyse der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen . . . . . . . . . . . .
72
(1) Elemente "Tat", "Verfahren" und "Untersuchung" .........
72
(2) Personenbezogene Voraussetzungselemente ... . . . . . . . . . ..
75
(3) Weitere Voraussetzungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
b) Das Element der Tatbezogenheit in Rechtsprechung und Literatur ..
77
c) Exkurs: Möglichkeiten der Durchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
3. Der Begriff der Tat im Sinne der Tatbezogenheit
83
111. Die Streu breite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
88
1. Zwangsmaßnahmen mit geringer Streubreite
89
2. Zwangsmaßnahmen mit mittlerer Streubreite
91
3. Zwangsmaßnahmen mit großer Streubreite
96
IV. Erste Folgerungen
104
1. Bildung des Begriffes "Zufallsfund" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Die Beweisgewinnung von Zufallsfunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106
Inhaltsverzeichnis
11
Kapitel 3
Das Restitutionsprinzip hinsichtlich der Wirkungen von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen
110
1. Abschnitt Analyse der Restitution bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen
I. Restitution auf Grund ausdrücklicher Regelungen im Gesetz
1. Restitution durch Vernichtung
a) Überwachung des Fernmeldeverkehrs (§ lOOb Abs. 5 Satz 1)
112 112 112 ..... 112
b) Identitätsfeststellung (§ 163c Abs. 4)
114
c) Netzfahndung (§ 163d Abs. 4 Satz 2)
118
2. Restitution durch Aushändigung, Freigabe, Herausgabe oder Rückgabe 119 a) Postbeschlagnahme (§ 101 Abs. 2 und 3)
119
b) Beschlagnahme und Sicherstellung (§ 111k)
120
(1) § 111 a.F. in den Beratungen des Reichstages
120
(2) Die Auslegung des § 111 a. F. in Rechtsprechung und Literatur .. 129 (3) Der neue § 111k (4) Erste Auswertung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 138
c) Führerscheinbeschlagnahme und vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111 a Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Beschlagnahme für Verfall, Einziehung und Gewinnabschöpfung (§ 111c Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Sicherheitsleistung bei der Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls (§ 123 Abs. 1 und Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Restitution durch Freilassung von Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Haftbefehl (§ 120 Abs. 3 Satz 2 u. a.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
12
Inhaltsverzeichnis b) Einstweilige Unterbringung (§ 126a Abs. 3)
147
c) Vorläufige Festnahme (§ 128 Abs. 1 Satz 1)
148
d) Festhalten zur Identitätsfeststellung (§ 163c Abs. 1 Satz 1) ....... 149 e) Festnahme und Festhalten von Störern (§ 164) . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Restitution durch Aufhebung und Rücknahme einer Maßnahme
151
a) Beschlagnahme von Druckwerken (§ I11n Abs. 2 und 3) ........ 151 b) Vorläufiges Berufsverbot (§ 132a Abs. 2)
152
c) Vermögensbeschlagnahme (§ 293 Abs. 1)
154
d) Kontaktsperre (§ 36 Satz 1 EGGVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 159
5. Zwischenfazit
11. Restitution nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur ........ 160
1. Restitution durch Vernichtung
160
a) Identifizierungsmaßnahmen (§ 81 b Alt. 1)
160
b) Identitätsfeststellung (§ 163 c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) KontrollsteIlen (§ 111) d) Observation
162
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
e) Rasterfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Restitution durch Rückgabe
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
a) Beschlagnahme (§ 98 Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 165 b) Sperrerklärung (§ 96) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 c) Durchsicht von Papieren (§ 110) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Beschlagnahme zur Sicherstellung und Arrest wegen Wertersatz, Geldstrafe oder Kosten (§ 111 e Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 e) Beschlagnahme zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung (§ 132 Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 f) Beschlagnahme von Führerscheinen bei Strafvollstreckung (§ 463 b Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Inhaltsverzeichnis 3. Restitution durch Freilassung von Personen a) Erzwingungshaft (§ 70 Abs. 2)
13 172
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
b) Unterbringung des Beschuldigten zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 81) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) Beugehaft zur Erzwingung der Herausgabepflicht (§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) Vorläufige Festnahme zur Identitätsfeststellung (§§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163bAbs.l) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 e) Vorführung (§ 134)
174
f) Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung wegen Wahrheitsgefährdung, bei Vernehmung von Kindern und jugendlichen Zeugen und bei Gefährdung der Gesundheit des Angeklagten (§ 247 Sätze 1, 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 g) Entfernung aus dem Sitzungszimmer und Ordnungshaft bei Nichtbefolgung richterlicher Anordnungen (§ 177 Satz 1 Alt. 1 und 2 GVG) . .. 176 4. Restitution nach Aufhebung und Ausschöpfung
176
a) Kostenauferlegung, Ordnungsgeld mit ersatzweiser Ordnungshaft sowie zwangsweise Vorführung des ausgebliebenen Zeugen (§ 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1) . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Kostenauferlegung, Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft (§ 70 Abs. 1 Satz 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Kostenauferlegung und Ordnungsgeld bei Ausbleiben eines Sachverständigen oder Weigerung der Erstattung des Gutachtens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 d) Durchsuchung des Verdächtigen sowie der ihm gehörenden Sachen und bei anderen Personen (§§ 102 Alt. 1- 3,103) . . . . . . . . . . . .. 177 e) Steckbriefe (§ 131 Abs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 f) Überwachung bei Taten nach § 129a StGB (§§ 148, 148a)
179
g) Vorführung in der Hauptverhandlung (§ 230 Abs. 2 Alt. 1)
179
h) Haftbefehl gegen den ausgebliebenen Angeklagten (§ 230 Abs. 2 Alt.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 i) Sicherungshaftbefehl bei Gefahr des Strafaussetzungswiderrufes (§ 453c Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
14
Inhaltsverzeichnis k) Vorführungsbefehl und Haftbefehl zur Einleitung des Vollzuges (§ 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2), Vorführungsbefehl und Haftbefehl bei Entweichen (§ 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 2) und Steckbrief (§ 457 Abs.2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I) Ordnungsgeld und Kostenauferlegung bei unentschuldigtem Ausbleiben oder andersartigem Entzug von Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses (§ 40 GVG) zu den Sitzungen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5. Zwischenfazit
182
111. Zwangsmaßnahmen ohne Hinweise IV. Ergebnis der Analyse
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
2. Abschnitt Der Sonderfall des § 81 b Alt. 2
188
3. Abschnitt Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspmch I. Begriff und Entstehung
197
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
11. Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Voraussetzungen
198
2. Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruches
201
III. Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Begründungsansätze in Rechtsprechung und Schrifttum
. . . . . . . . . . . 202
2. Gemeinsamkeiten der Begründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
Inhaltsverzeichnis
15
3. Der Vorbehalt des Gesetzes als Anknüpfungspunkt für den Folgenbeseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
4. Abschnitt Das strafprozessuale Restitutionsprinzip als Ausfonnung der Folgenbeseitigung im Skafverl'abren
I. Strukturvergleich
209
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
1. Strafverfahrensrecht als Teil des öffentlichen Rechts
209
2. Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen als Grundrechtseingriffe ....... 210 3. Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen und Vorbehalt des Gesetzes
213
4. Die Rechtswidrigkeit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen . . . . . . . .. 215 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 11. Auswirkungen des Restitutionsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Restitution als Wiederherstellung des status quo ante . . . . . . . . . . . . . 217
2. Strafprozessuales Restitutionsprinzip und Zufallsfunde . . . . . . . . . . . . 219
Kapitel 4
Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
222
I. Das konkurrierende Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
11. Die strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . 224
16
Inhaltsverzeichnis
IH. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
232
1. Sinn und Funktion des § 108 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
a) § 108 als Teil der Reichsstrafprozeßordnung von 1877 .......... 233 b) Der Rechtszustand in den deutschen Kleinstaaten vor dem Jahre 1877 238 (1) Verfahrensordnungen ohne Zufallsfundregelung ........... 239 aa) Baden
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
bb) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Braunschweig dd) Hamburg
240
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
ee) Lübeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 241 ff) Mecklenburg=Schwerin und Mecklenburg=Strelitz ....... 241
gg) Sachsen
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
hh) Sachsen=Weimar=Eisenach und Schwarzburg=Sondershausen 242 ii) Schaumburg=Lippe und Lippe=Detmold
............. 243
kk) Schleswig=Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Verfahrensordnungen mit Zufallsfundregelung ............ 243 aa) Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Oldenburg
244
cc) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 dd) Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 ee) WürUemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 ff) Bremen
(3) Fazit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
c) § 108 als Relikt des Inquisitionsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252 2. Die gesetzlichen Begrenzungen des Legalitätsprinzips
259
17
Inhaltsverzeichnis
a) Die Vorschriften der §§ 153 bis 154e . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Der Katalog der Privatklagedelikte (§ 374 Abs. 1)
............ 262
c) Die Antragsdelikte mit eingeschränktem Antragserfordernis ...... 262 d) Ergebnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
3. Restitutionsprinzip und Schwerstkriminalität
263
4. Zwangsmaßnahmenbezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5. Restitutionsprinzip und Vergehen
268
6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV. Auswirkungen der Restitutionspflicht und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 269
2 Labe
Zusammenfassung der Ergebnisse
274
Anhang: Katalog strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
279
Literaturverzeichnis
287
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
a.E.
am Ende
a.F. AFG
alter Fassung Arbeitsförderungsgesetz
Alt.
Alternative(n)
Anm.
Anmerkung( en)
AO
Abgabenordnung
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
ArchPF
Archiv für Post- und Fernmeldewesen (Jahr und Seite)
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BA
Beschlußausfertigung
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAnz
Bundesanzeiger
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayObLGSt
Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichtes in Strafsachen (Jahr und Seite)
BayVBI.
Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr und Seite)
BB BGB
Betriebs-Berater (Jahr und Seite) Bürgerliches Gesetzbuch
BGBI.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen (Band und Seite)
BR-Drs.
Bundesratsdrucksache
BT-Drs.
Bundestagsdrucksache
BT-Prot.
Bundestagsprotokolle
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite)
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band und Seite)
bzgl.
bezüglich
2*
20 CCC
Abkürzungsverzeichnis Constitutio Criminalis Carolina
ComBericht
Commissions =Bericht
DAR
Deutsches Autorecht (Jahr und Seite)
ders.
derselbe
dies.
dieselbe
diff.
differenzierend
diss. iur.
juristische Dissertation
DJT
Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite)
DÖV DStrZ
Deutsche Richterzeitung (Jahr und Seite) Deutsche Strafrechts-Zeitung (Jahr und Seite)
DuR
Demokratie und Recht
DVB!.
Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite)
ebd.
ebenda
DRiZ
ED-Unterlagen erkennungsdienstliche Unterlagen EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EGGVG
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz
EGStGB
Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch
Ein!.
Einleitung
EuGRZ
Europäische Grundrechte (Jahr und Seite)
f.
folgende
ff.
fortfolgende
Fn.
Fußnote(n)
FS
Festschrift
GA
Goltdammers's Archiv für Strafrecht (bis 1933 Band und Seite, ab 1953 Jahr und Seite)
GedS
Gedächtnisschrift
GG GjS
Grundgesetz Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
grds.
grundsätzlich
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HansOLG
Hanseatisches Oberlandesgericht
Hess. VGH
Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Abkürzungsverzeichnis h.M.
herrschende(r) Meinung
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr und Nummer)
insb.
insbesondere
LV.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter (Jahr und Seite)
JGG
Jugendgerichtsgesetz
JMBl.
Justizministerialblatt
JR
Juristische Rundschau (Jahr und Seite)
JuS
Juristische Schulung (Jahr und Seite)
JW
Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite)
JZ
Juristenzeitung (Jahr und Seite)
Kap. KG
Kapitel Kammergericht
KJ
Kritische Justiz (Jahr und Seite)
krit.
kritisch
LG
Landgericht
LZ
Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr und Spalte)
m.
mit
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite)
m. w. Nachw.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite)
Nr.
Nummer(n)
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahr und Seite)
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr und Seite)
OGHSt
Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Strafsachen (Jahr und Seite)
OLG OVG
Oberlandesgericht
OVGE
Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (Band und Seite)
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Oberverwaltungsgericht
21
22
Abkürzungsverzeichnis
Polizei
Die Polizei (Jahr und Seite)
PostG
Gesetz über das Postwesen
Prot.
Protokoll( e)
PrOVGE
Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (Band und Seite)
PVG
Polizeiverwaltungsgesetz
RAusschuß
Rechtsausschuß
Rdnr.
Randnummer( n)
RG
Reichsgericht
RGBI.
Reichsgesetzblatt
RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band und Seite)
RGZ
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite)
RiStBV
Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
S.
Seite(n)
s.
siehe
SchlHA
Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr und Seite)
SJZ
Süddeutsche Juristenzeitung (Jahr und Seite)
S.o.
siehe oben
sog.
sogenannt( er)
StBp
Die steuerliche Betriebsprüfung (J ahr und Seite)
StenProt
Stenographische Protokolle
StGB
Strafgesetzbuch
StHG
Staatshaftungsgesetz
StPO
Strafprozeßordnung
str.
streitig(en)
StVO
Straßenverkehrsordnung
StVollzG
Strafvollzugsgesetz
s.u.
siehe unten
u.
und
unstr.
unstreitig( en)
Verf.
Verfasser( s)
VerwArchiv
Verwaltungsarchiv
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
Abkürzungsverzeichnis vgl.
vergleiche
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
wistra
Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht (Jahr und Seite)
zahlr. ZfStrVO
zahlreiche( n) Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe (Jahr und Seite)
zit.
zitiert
ZoliG
Zollgesetz
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr und Seite)
ZStW zust.
zustimmend( er)
23
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Band und Seite)
Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche der Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (RGBI. S. 253) in der Fassung der Neubekanntmachung der Strafprozeßordnung vom 7. April 1987 (BGBI. I S. 1074) auf Grund des Art. 13 Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom 27. Januar 1987 (BGBI. I S. 475)
"was auf! keinen grund gericht und ausz zufall nur entbricht, ist plump ding; man acht es nicht"!
Einleitung Grundsätzlich kann jeder Mensch in einem freiheitlichen Rechtsstaat die Ausgestaltung seines Lebens bis in alle Einzelheiten hinein selbst bestimmen. Der Bürger hat - durch das Grundgesetz geschützte - Freiheiten, die es ihm ermöglichen, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Beispielsweise ist nach Art. 13 Abs. 1 GG die Wohnung unverletzlich. Das Betreten der Wohnräume kann daher allen unberechtigten Personen gegenüber verwehrt werden. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt das Eigentum des Menschen. Das hat zur Folge, daß der Einzelne eine Wegnahme seiner Gegenstände nicht gestatten muß. Schutz vor körperlicher Untersuchung oder gar Durchsuchung gewährt Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 GG. Auch kann jeder Bürger seinen Aufenthaltsort frei bestimmen. Ortsveränderungen von gewisser Dauer werden durch das Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 GG, die körperliche Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützt. Schließlich sei noch hervorgehoben, daß jeder Staatsbürger im freiheitlichen Staat selbst bestimmen kann, wem gegenüber er seine inneren Gedanken - in Wort oder Schrift - äußern will oder nicht. Denn nach Art. 10 Abs. 1 GG ist auch der Schutz des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gewährleistet. Indes ist das Menschenbild des Grundgesetzes nicht das eines isolierten souveränen Individuums. Das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft ist vielmehr im Sinne einer den Eigenwert der Person nicht antastenden Gemeinschaftsgebundenheit gelöst2 • Aus diesem Grunde kann der jedem Staatsbürger gewährte Freiheitsraum nicht ohne Grenzen sein. Dies gilt in besonderer Weise für den Bereich der Strafverfolgung. Zur Aufklärung und Ahndung von Straftaten ist es häufig notwendig, die beschriebenen Freiheitsrechte bei mutmaßlichen Tätern, aber auch bei Opfern und Zeugen in erheblicher Weise zu beschneiden. Um Beweismittel zu erlangen, die den Verdacht einer Straftat erhärten können, kann es etwa erforderlich sein, 1 Friedrich von Logau (1604 - 1655), Sämmtliche Sinngedichte, herausgegeben von Gustav Eitner, Tübingen 1872 (Nachdruck im Georg Olms Verlag, Hildesheim, New York 1974), desz ersten tausend, achtes hundert, 27 (= S. 167f.). 2 Vgl. BVerfGE 4, 7, 15f.
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Wohnräume, persönliche Habe, ja selbst den Körper eines Menschen zu durchsuchen. Auch müssen die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, aufgefundene Beweismittel für das weitere Verfahren zu sichern, das heißt durch Beschlagnahme dem jeweiligen Inhaber zu entziehen. Bei Vorliegen des Verdachts bezüglich bestimmter Straftaten kann es weiterhin notwendig sein, den Körper eines Menschen in seiner Gesamtheit, physisch wie psychisch zu untersuchen und zu begutachten. Für kriminalistisch schwer aufklärbare Straftaten ist es hilfreich, wenn die Strafverfolgungsorgane in die Lage versetzt werden, Gespräche oder schriftliche Nachrichten eines Beschuldigten mitzuhören. Um den staatlichen Strafanspruch verwirklichen zu können, muß schließlich die Möglichkeit bestehen, einem Menschen seine persönlichen Freiheit bis zum Abschluß der Ermittlungen beziehungsweise des Strafverfahrens zu nehmen. Derartige schwere, zu Zwecken der Strafverfolgung notwendige, Eingriffe in den Freiheitsraum des Einzelnen dürfen nicht der Willkür staatlicher Organe überlassen werden. Historische Erfahrungen - insbesondere die der jüngeren Vergangenheit - haben gezeigt, daß Eingriffe an präzise Normen, die den Einsatz der geschilderten Maßnahmen regeln, gebunden sein müssen. Nur wenn für den Bürger wie für die Strafverfolgungsorgane genau feststeht, wann und auf welche Weise in die Rechte des Einzelnen eingegriffen werden darf, ist es möglich, Willkürmaßnahmen weitgehend zu verhindern. Andernfalls liefe jeder Mitbürger fortwährend Gefahr, Opfer von grund- und ziellosen Durchsuchungen, körperlichen Untersuchungen, Beschlagnahmen, Überwachungen, Verhaftungen und zahlreichen anderen Maßnahmen zu werden. Diese historischen Erfahrungen haben im übrigen auch im Grundgesetz ihren Eingang gefunden. Denn die eingangs beschriebenen Grundrechte sind jeweils nur durch Gesetze einschränkbar3 . Bezüglich des Rechts der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen hat der Gesetzgeber diesen Gefahren Rechnung getragen. Entsprechend dem sich aus dem Rechtsstaatsgedanken ergebenden Prinzip des Gesetzesvorbehaltes ist die Anordnung und Durchführung von Eingriffen der oben geschilderten Art nämlich vom Vorliegen bestimmter, genau umschriebener Voraussetzungen abhängig. Der Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ist in Folge der das Rechtsstaatsprinzip konkretisierenden Begrenzungen der Eingriffsbefugnisse nur dann rechtmäßig, wenn die Anordnung und die Durchführung die in den jeweiligen Normen enthaltenen Voraussetzungen erfüllen. Diese Eingriffsvoraussetzungen haben indes keinen Einfluß auf die Ergebnisse strafprozessualer Zwangsmaßnahmen. Nicht stets wird die Ausbeute der Eingriffe den berechtigten Erwartungen der Strafverfolgungsbehörden ent3 Etwa Art. 2 Abs. 2 Satz 3, Art. 10 Abs. 2 Satz 1, Art. 11 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
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sprechen. Beispielsweise kann die Durchsuchung der Wohnung eines wegen eines Einbruchsdiebstahls Verdächtigen zwar nicht die erwartete Diebesbeute, jedoch ein nicht vermutetes Rauschgiftversteck zu Tage fördern. Für derartige nicht erstrebte Ergebnisse von Zwangsmaßnahmen hat sich in den letzten Jahren der Begriff "Zufallsfund" durchgesetzt. Wie das einleitende Zitat aus dem 17. Jahrhundert zeigt, ist den Früchten des Zufalls schon in früherer Zeit eine gewisse Skepsis entgegengebracht worden. Dieses jahrhundertealte Unbehagen ist im Bereich des Strafprozeßrechts auch heute noch in Äußerungen von Rechtsprechung und Schrifttum spürbar. Unter dem Blickwinkel der bisherigen Gedanken kann das kaum überraschen. Allen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, die dem Gesetzesvorbehalt entsprechend als einschneidende Eingriffe strengen Voraussetzungen unterliegen, ist nämlich ein bislang wenig beachtetes Merkmal gemein: Strafprozessuale Eingriffe dürfen nur bezüglich einer bereits bekannten Straftat eingesetzt werden. Ein Zufallsfund bezieht sich indes stets auf eine andere Straftat. Jede Gewinnung eines Zufallsfundes unterläuft damit - vom Ergebnis der Zwangsmaßnahme her betrachtet - die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Forderung nach dem Vorbehalt des Gesetzes. Ignorierte man die Besonderheit von Zufallsfunden gänzlich und verwertete die Ergebnisse stets ohne Einschränkungen, so liefe man Gefahr, daß die Strafverfolgungsorgane im Rahmen rechtmäßiger Zwangsmaßnahmen gleichwohl bewußt zufällige Ergebnisse provozieren oder gar von vorneherein erhoffen könnten. Einem willkürlichen Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wäre eine erste Bresche geschlagen. Daß diese Befürchtungen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, zeigen gelegentliche Untersuchungen und das Schlagwort von der "geplanten Suche nach dem Zufallsfund"4. Einen gewonnenen Zufallsfund andererseits in keinem Falle zu verwerten, ließe sich weder dogmatisch noch rechtspolitisch rechtfertigen. Das sich gleichfalls aus dem Prinzip des freiheitlichen Rechtsstaats ergebende Legalitätsprinzip verlangt die Verfolgung jeder bekanntgewordenen Straftat. Zudem wäre bei einem derartigen Vorgehen kaum mit einer großen Akzeptanz des Strafverfahrensrechts in der Bevölkerung zu rechnen. Daß beispielsweise der durch einen Zufallsfund aufgedeckte Mord möglicherweise unaufgeklärt und damit ungesühnt bliebe, ließe sich kaum einem Staatsbürger erklären. 4 Vgl. etwa Kalf, Polizei 1986, 413ff. (Titel: "Die planmäßige Suche nach Zufallsfunden"); am Rande vermerkt sei ein derartiges Erlebnis des Verfassers, der bei einer Durchsuchung der Kriminalpolizei hospitieren durfte: dem Durchsuchungsbefehl entsprechend sollte nach geraubten Teppichen geforscht werden; die Durchsuchung der recht kleinen Wohnung des Beschuldigten blieb, was in wenigen Minuten festgestellt war, erfolglos; gleichwohl suchten die Beamten weiter; auf die vorsichtige Frage des Verfassers, warum weiter gesucht werde, antwortete ein Kriminalbeamter augenzwinkernd, man suche nunmehr nach dem "planmäßigen Zufallsfund" , beispielsweise einer Waffe ... ; s. auch u. Kap. 2 IV 1 a. E.
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In den letzten Jahren haben Rechtsprechung und Literatur zwar eine umfangreiche Dogmatik der Behandlung von Zufallsfunden entwickelt. Wie in Kapitel 1 dargestellt werden wird, weist diese allerdings nicht unerhebliche Defizite auf. Insbesondere hat sich die Diskussion nur auf einige wenige strafprozessuale Zwangsmaßnahmen konzentriert. Auch wird durchgehend bei Zufallsfunden nur die Frage eines verfassungsrechtlich verankerten Beweisverwertungsverbots erörtert, ohne den Vorgang der Beweismittelgewinnung, vor allem aber den der nachfolgenden Aufbewahrung des Beweismittels abschließend untersucht zu haben. Beginnend mit Kapitel 2 beschreitet die Untersuchung daher neue Wege zur dogmatischen Erfassung der Zufallsfunde. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Frage, wann eigentlich die Kenntnisnahme von Straftaten zufällig und wann sie planvoll erfolgt. Es wird sodann nachgewiesen werden, daß der Einsatz aller, nicht nur einiger, strafprozessualer Zwangsmaßnahmen streng tatbezogen ist. Gleichwohl besteht bei allen Eingriffen die unvermeidbare Möglichkeit, daß es zum Auftreten von Zufallsfunden kommt. Auf Grund dieser Erkenntnis kann in einer ersten Beurteilung die Frage der Rechtmäßigkeit von Zufallsfunden bei der Beweisgewinnung beantwortet werden. Sodann wird der Blick in Kapitel 3 auf den der Beweisgewinnung zeitlich folgenden Abschnitt im "Leben" eines Beweismittels gelenkt. Beweismittel, die die Strafverfolgungsorgane erlangt haben, werden - bis zu ihrer weiteren Verwertung - aufbewahrt. Im zentralen Teil der Arbeit wird untersucht werden, welche Regelungen die Strafprozeßordnung für den Abschnitt der Beweismittelaufbewahrung bereithält. Hierbei wird insbesondere gezeigt werden, wie, ob und wann nach Auffassung von Gesetz, Rechtsprechung und Schrifttum eine Bereinigung der tatsächlichen Folgen von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen vollzogen werden soll. Es wird das allen Maßnahmen zugrundeliegende Restitutionsprinzips herausgearbeitet werden, welches die Strafverfolgungsorgane zu einer Folgenbereinigung bei rechtswidrig gewordenen Maßnahmen oder Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse verpflichtet. Dieses Prinzip der Restitution ergreift grundSätzlich auch jeden Zufallsfund und verpflichtete, stünde es im Strafverfahrensrecht isoliert, die Strafverfolgungsbehörden zur sofortigen Bereinigung, also der Beendigung des Aufbewahrungszustandes eines Zufallsfundes. Eine totale Anwendung des Restitutionsprinzips bei sämtlichen Zufallsfunden hätte damit insoweit die Ausschaltung des Legalitätsprinzips zur Folge. 5 Der in früherer Zeit für die Zwangsmaßnahme der Beschlagnahme gelegentlich verwendete Begriff der Restitution (beispielsweise Abgeordneter Dr. Hänel in der 20. Sitzung des Reichstages vom 29. November 1876 hinsichtlich der Beratung der neuen Strafprozeßordnung, dazu s. u. ausführlich Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1) sowie im Jahre 1931 Ledschbor, diss. iur. Köln 1931, 31) wird im folgenden vom Verfasser auf alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ausgeweitet.
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Da beide Prinzipien letztlich ihre Grundlage im Rechtsstaatsgedanken finden, ist es einerseits nicht möglich zu behaupten, daß aus dem Eingreifen des Restitutionsprinzips stets und ständig eine staatliche Pflicht zur Bereinigung dieser Auswirkungen folge. Andererseits kann aber auch nicht gesagt werden, daß das Legalitätsprinzip dem Restitutionsprinzip immer vorzugehen habe. Wie in Kapitel 4 gezeigt werden wird, hilft der Blick in die Strafprozeßordnung nicht weiter. Befriedigende Regelungen bezüglich dieses Problems sind nämlich nicht getroffen worden. Im Gesetz ist von Zufallsfunden nur in der ausschließlich auf die Maßnahme der Durchsuchung abgestimmten Spezialregelung des § 108, jüngst auch in der auf dieser Norm basierende Vorschrift des § 163d Abs. 4 Satz 5, die Rede. Zudem wird die Untersuchung zeigen, daß § 108 ein unbemerkterweise im modernen rechtsstaatlichen Strafverfahrensrecht befindliches fremdes Relikt des auf der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 gründenden mittelalterlichen Inquisitionsverfahrens darstellt. Mangels gesetzlicher Regelung wird ein Ausgleich zwischen Legalitätsprinzip und Restitutionsprinzip an der Frage ansetzen, wann ein Zufallsfund einen "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt", der nach § 152 Abs. 2 zur Strafverfolgung verpflichtet, darstellt. Die Beantwortung dieser Frage bildet die Grundlage und den Ausgangspunkt für die Suche nach geeigneten Kriterien eines Ausgleichs der Prinzipien. Auf Grund dieser Kriterien wird zu beurteilen sein, wann ein Zufallsfund dem Restitutionsprinzip - mit der Folge der Bereinigung - und wann dem Legalitätsprinzip - mit der Folge weiterer Verwertbarkeit im Strafverfahren - zu unterwerfen ist.
Kapitell
Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde Durch das "Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz)" vom 13. August 1968' wurden die §§ 100a, 100b in die Strafprozeßordnung eingefügt. Die Strafverfolgungsorgane erhielten damit eine neue Zwangsmaßnahme, die es ermöglicht, den Fernmeldeverkehr eines Beschuldigten oder eines Nichtverdächtigen, insbesondere eines sog. Nachrichtenmittlers mit anderen Personen zu überwachen und auf Tonträger aufzunehmen. Schon im Gesetzgebungsverfahren war erkannt worden, daß die Überwachung nach § 100a in empfindlicher Weise in das Grundrecht des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG der Beteiligten eingreift2 . Aus diesem Grunde wurde die Anordnung und Durchführung einer Telefonüberwachung vom Verdacht bezüglich einer im Katalog des § 100a Satz 1 Nr. 1 bis 4 festgelegten besonders schwerwiegenden Straftaten3 abhängig gemacht. Die Durchführung einer angeordneten Telefonüberwachung hat zur Folge, daß die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von sämtlichen Gesprächen, die mit Hilfe des betreffenden Telefonapparates geführt werden, erhalten. Der Gegenstand derartiger Gespräche kann strafrechtlich völlig belanglos sein. Er kann andererseits die Erwartungen erfüllen und Beweismittel erbringen, derentwegen die Maßnahme nach § 100a von Gericht oder Staatsanwaltschaft angeordnet worden ist. Als dritte Möglichkeit können strafrechtlich relevante Informationen bekanntwerden, die gerade nicht Ziel der Maßnahme waren. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn der wegen einer Katalogtat überwachte Beschuldigte im Telefongespräch einem anderen von einer jüngst begangenen Straftat berichtet. Bei dieser bislang unbekannten Tat kann es sich um eine im Katalog des § 100a aufgeführte Tat handeln. Es kann aber auch eine sonstige Straftat sein. Denkbar ist ebenfalls, daß der Gesprächspartner des Beschuldigten seinerseits von geplanten oder begangenen Straftaten berichtet. Gleichfalls könnte es sein, daß der Beschuldigte oder sein Gesprächspartner über Straftaten sprechen, die nicht von ihnen, sondern von ganz anderen, bislang BGBI. 1,949. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Entwurf der Bundesregierung vom 13. Juni 1967 (BT-Drs. V/1880, 6ff.); BT-Drs. V/2930 mit Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf. 3 Krit. hierzu Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 165ff. m. w. Nachw. 1
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vielleicht unbekannten, Tätern begangen worden sind. Die Überwachung eines Telefonanschlusses kann darüberhinaus dazu führen, daß die Strafverfolgungsorgane auch von, möglicherweise strafrechtlich relevanten, Gesprächen, an denen der Beschuldigte nicht beteiligt war, Kenntnis erlangen. So verschieden die zahlreich vorstellbaren Ergebnisse auch erscheinen mögen, sie haben alle eines gemeinsam: Soweit sie die legitimen Erwartungen von Gericht oder Staatsanwaltschaft enttäuschen, entsprechen sie durchgehend nicht der Anordnung der Telefonüberwachung nach § lOOa. Ein derartiger Fall lag einer Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts4 zugrunde, die den Anlaß zur Diskussion um die Problematik der Zufallsfunde bei der Durchführung von Überwachungsmaßnahmen nach § lOOa bildete. Die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs des Beschuldigten war nach § lOOa Satz 1 Nr. 2 wegen Verdachts der Falschmünzerei und der Verbreitung von Falschgeld rechtmäßig angeordnet worden. Im Verlauf der Durchführung der Maßnahme wurden unter anderem auch Gespräche aufgezeichnet, die den Verdacht einer Urkundenfälschung begründeten. Da das Vergehen des § 267 StGB im Straftatenkatalog des § lOOa nicht enthalten ist, hätten Gericht oder Staatsanwaltschaft den Telefon anschluß des Beschuldigten wegen des Verdachts gerade dieser Straftat nie anordnen können. Fraglich war nun, inwieweit derartige Tatsachen in einem Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen Urkundenfälschung Verwendung finden durften. Das Hanseatische Oberlandesgericht entschied, daß bei rechtmäßiger Anordnung einer Maßnahme nach § lOOa alle Tatsachen, die auf eine andere Straftat hindeuten, verwertbar seien, gleich, ob es sich um eine Tat aus dem Katalog des § lOOa Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 4 handele oder nichts. Diesem später in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig abgelehnten 6 , Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts folgten alsbald eine Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, die verschiedenste Aspekte hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit zufällig erlangter Erkenntnisse bei Überwachungsmaßnahme nach § lOOa betrafen7 . Die sich im Gefolge 4 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157f. (Beschluß vom 11. Oktober 1972 - 2 Ws 386/72). 5 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157, 158. 6 Vgl. dazu zunächst nur die Anmerkungen zum Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts von Schroeder, JR 1973, 252f.; Weber, NJW 1973, 1057 und Welp, JZ 1973,289f. 7 BGHSt 26, 298ff.; 27, 355ff.; 28, 122ff.; 29, 23ff.; 29, 244ff.; 30, 317ff.; BGH, NJW 1979, 1370f.; zum Regelungskomplex des § 100a und der Frage von Verwertungsverboten vgl. auch die Entscheidungen BGHSt 31, 296ff. ("Raumgesprächsaufzeichnung"); BGHSt 31, 304 fff. ("Rauschgift-V-Mann") und BGHSt 32, lOff. ("Katalogtat"); BGHSt 32, 68ff. ("Fernwirkung") mit Anm. Schlüchter, JR 1984, 517ff.; BGHSt 33, 217ff. ("polizeilich veranlaßtes Telefongespräch"); BGHSt 33, 347ff. ("unzulässige Verteidigerüberwachung") mit Anm. Rieß, JR 1987, 77f.; BGHSt 34, 39ff. ("Stimmprobe") mit Anmerkungen von Bottke, Jura 1987, 356ff. und Meyer, JR 1980, 215ff.;
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der Rechtsprechung ausbreitende Fülle literarischer Stellungnahmen ist heute kaum mehr übersehbar. So wird insbesondere8 darüber gestritten, welcher Art die Erkenntnisse, die gemeinhin als "Zufallsfunde"9 bezeichnet werden, bei § lOOa sein müssen, wenn ihre unmittelbare Verwertung erlaubt sein soll. Neben differenzierenden Auffassungen lO wird zum Teil die Verwertbarkeit BGHSt 34, 397 ff. (,,2. Tagebuchentscheidung") m. Anm. Geppert, JR 1988, 471; BGHSt 35, 32ff. ("Zählervergleichseinrichtung"); OLG Hamm, NStZ 1988, 515 (zur Zulässigkeit des Mithörens eines Ermittlungsbeamten über einen zweiten Telefonhörer bei Gestattung durch einen Teilnehmer), ablehnend Amelung, NStZ 1988, 515ff.; Krehl, Strafverteidiger 1988, 376f.; BGH, NStZ 1988, 562f. ("Überwachung eines Telefongesprächs mit dem Verteidiger"); EGMR, NJW 1989, 654ff. (zur Verwertbarkeit eines rechtswidrig aufgezeichneten Telefongesprächs als Beweismittel im Strafverfahren); BVerfG, NJW 1988,1075 (sog. ,,3. Abhörentscheidung"); dazu Schlink, NJW 1989, llff.; in diese Reihe gehören auch die unveröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes: Urteil vom 5. März 1974 - 1 StR 365173; Urteil vom 2. Dezember 1975 - 1 StR 681175; Beschluß vom 28. Februar 1979 - 4 StR 718178. 8 Soweit ersichtlich ist im Falle des § 100a lediglich unbestritten - soweit Verwertbarkeit bei sog. Katalogtaten befürwortet wird -, daß sich der Zufallsfund auf irgendeine in § l00a angeführte Deliktsart (Katalogtat) beziehen muß; noch unentschieden BGHSt 26, 298, 302; ausdrücklich hingegen BGHSt 32, 10, 14; Laufhütte, in: KK, § 100a Rdnr. 19; Meyer, in: LR, § 100a Rdnr. 14; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 580; Pelehen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 40; Rieß, JR 1979, 167, 168, der (zutreffend) mutmaßte, daß der BGH heute auf Grund der fortentwickelten Rechtsprechung in Einklang mit der überwiegenden Ansicht entscheiden würde; mit Begründung Sehlüehter Rdnr. 352.1 (unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH): da Zweck der Zwangsmaßnahme sei, "im Bereich erheblicher Kriminalität zu ermitteln", werde der Zweck bei einer Verwertung eines Zufallsfundes, der sich auf eine andere Katalogtat beziehe, nicht verfehlt (zur Unausgewogenheit des Kataloges bei § 100a und damit zur Fragwürdigkeit gerade dieser Argumentation vgl. nur Maiwald, JuS 1978,379, 38lf.; Sehumaeher, diss. iur. Hamburg 1976, 165ff., 311; Welp, 62ff.); Gössel 11, 99,109; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978; hinzuweisen ist noch auf die Ansicht Füllkrugs, Kriminalistik 1984, 178, 180, der das Abhören ohne Anordnung nach § l00a - soweit nicht der Telefonanschluß eines Beschuldigten, sondern eines Tatopfers abgehört wurde - für die Polizei auf die §§ 32, 34 StGB stützen will; zum Abhören ohne Anordnung (nach §§ l00aff. bzw. G 10) vgl. schon ablehnend Evers, ZRP 1970, 147, 149. 9 Zum Begriff s. u. Kap. 111. 10 Überwiegend wird angenommen, daß sich die Zufallsfunde auf eine im Katalog des § l00a angeführte Straftat beziehen müssen: ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes seit BGHSt 26, 298, 302f.; 27, 355, 356; 28,122,125; 29, 23, 24; 32,10, 14; vgl. weiter Alsberg / Nüse / Meyer 525; Blei, JA 1976, 675, 676; Dünnebier, NStZ 1982,255,256; ders., Demokratie und Recht 1980, 383, 391; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 10 Rdnr. 49; Golla, JuS 1984, 128, 129; Gössel 11, 99, 109; Herdegen, in: KK (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 76; Kaiser, NJW 1974, 349, 350; Kleinknecht / Meyer, § 100a Rdnr. 18ff.; Knauth, NJW 1979, 1510, 1511; Kohlmann, JA 1978,675,676; Kramer, Grundbegriffe, Rdnr. 225; Laufhütte, in: KK, § l00a Rdnr. 19; Lehmann, Überwachung, 211; ders., ArchPF 1979,113,117; Meyer, in: LR, § l00a Rdnr. 14; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100a Rdnr. 39; Möseh, Kriminalistik 1975, 337,338; dies., bei Horst Brinker, Kriminalistik 1975, 152, 153; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 580; ders., Jura 1984, 147, 155f.; Pelehen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 40; Peters, § 49 I 1 (S. 428); Rieß, JR 1979, 167, 168; ders., JR 1983, 125ff.; Roxin § 34 C IV 4; Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 450; ders., in: SK StPO, § l00a Rdnr. 29; Rüping Rdnr. 259; Sehlüehter Rdnr. 352.1; Sehroeder, JR 1973, 253; Sehumaeher, diss. iur. Hamburg 1976, 311; Sonnen, JA 1982, 268; Günter Vogel, NJW 1979, 2524 für strenge Beschränkung auf Katalogtaten (auch
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von Zufallsfunden generell für zulässig ll oder - vor allem in letzter Zeit - für unzulässig erachtet!2. Darüberhinaus wird die Frage, inwieweit personelle Grenzen die Verwertbarkeit bei § lOOa beeinträchtigen könnten, diskutiert!3. Bislang nur wenig erforscht ist die Reichweite eines möglicherweise anzuerkennenden Verbots unmittelbarer Verwertung!4, insbesondere die Frage, bei § 129 StGB): Weber, NJW 1973,1056,1057, jedoch mit anderer Begründung: Hinweis auf § 7 Abs. 3 G 10); im Ergebnis gleich, jedoch in der Begründung auf die Notwendigkeit einer "hypothetischen Zulässigkeitsprüfung" abstellend Welp, Überwachung, 225; ders., JZ 1973, 289, 290; ders., Jura 1981, 472, 476; auch Maiwald, JuS 1978,379,382; ähnlich Geerds, Jura 1987, 210, 211f. 11 HansOLG, NJW 1973,157,158; Wolfgang B. Schünemann, NJW 1978, 406, 407, soweit die Anordnung rechtmäßig war; wohl auch Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15, der die vom Vorliegen einer Katalogtat unabhängige Verwertung befürwortet. 12 Kühne, 1. Aufl., Rdnr. 264 hatte nach dem Satz: "Richtiger Ansicht nach muß die Verwertbarkeit von Zufallsfunden insgesamt ausgeschlossen sein." noch eingeschränkt mit den Worten: "Jedenfalls ist aber die Verwertung der Informationen verboten, die sich auf Straftaten außerhalb des Katalogs von § 100a beziehen. "; den diese strikte Auffassung sogleich wieder einschränkenden Satz hat Kühne in der 2. Aufl. Rdnr. 261 dem im übrigen unveränderten Text entnommen; für durchgehende Unverwertbarkeit auch Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 309ff. (auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Argumentation) . 13 Für eine uneingeschränkte Verwertbarkeit gegenüber Personen, gegen die die Maßnahme nach § 100a nicht angeordnet war (also Personen, die weder Beschuldigte noch Nachrichtenmittler sind), soweit es sich um Zufallsfunde bezüglich einer Katalogtat handelt Alsberg / Nüse / Meyer, 526; Herdegen, in: KK (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 76; Kleinknecht / Meyer, § l00a Rdnr. 18ff.; Lau!hütte, in: KK, § 100a Rdnr. 23; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 224f.; ders., ArchPF 1979, 113, 120f.; Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 41; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 580; Schlüchter Rdnr. 352.1; dies., NStZ 1984, 373, 375; unter Hinweis auf die Eingriffsstrukturen des § 100a Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 451; ähnlich Maiwald, JuS 1978, 379, 383f.; unentschieden der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung: vgl. BGHSt 26, 298, 302; 28, 122, 129; 29, 23, 24f.; 29, 244, 247; 32,10, 14f.; BGH, NJW 1979, 1370, 1371; auch BayObLG, Strafverteidiger 1982, 411; ebenfalls Gössel 11,99, 109; a.A. insbesondere Welp, Überwachung, 225; ders., JZ 1973, 289, 290; ders., Jura 1981,472, 482ff., der eine Verwertung nur hinsichtlich einer Katalogtat eines am Gespräch mit dem Beschuldigten bzw. Nachrichtenmittler Beteiligten zulassen will; dieser Ansicht folgt auch Meyer, in: LR, § 100a Rdnr. 14 (mit Hinweis auf Welp); ähnlich Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100a Rdnr. 40; Knauth, NJW 1977,1510,1512; ders., NJW 1978,741,742, hält Zufallsfunde für verwertbar, soweit (in ex-post-Betrachtung) der Dritte als Nachrichtenmittler im Sinne des § 100a anzusehen war; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 31Of., hält Erkenntnisse, deren Beweisbedeutung sich auf eine andere Katalogtat als der laut Anordnung bezeichneten dritten, völlig unbeteiligten Person bezieht, für nicht verwertbar (Erkenntnisse bezüglich der Anlaßtat sollen hingegen verwertbar sein); ähnlich ohne weitere Begründungen gegen Verwertbarkeit außerhalb des in § 100a genannten Personenkreises Bottke, JA 1980, 748 (Unverwertbarkeit "soweit nur unbeteiligte Dritte" miteinander gesprochen haben); Geppert, Jura-Kartei, StPO, § l00a/2; Paulus, Jura 1984, 147, 156; Rüping Rdnr. 259; Vogel, NJW 1979, 2524. 14 Fraglich ist, ob es sich lediglich um ein Verbot, Zufallsfunde als Beweismittel (Augenscheinsobjekte, Urkundenbeweis, vgl. dazu nur Kleinknecht / Meyer § 100a Rdnr. 20 m. w. Nachw.) in der Hauptverhandlung zu verwerten (s. auch Roxin § 34 C IV 4) handelt oder darüberhinaus auch um ein Verbot der Verwendung als Beweismittel für prozessuale Entscheidungen schlechthin (etwa das Erwirken einer einen 3 Labe
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Kap. I: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
inwieweit Überwachungsergebnisse dem Beschuldigten oder Zeugen in der Hauptverhandlung vorgehalten werden dürfen 15 . Erst recht streitig ist schließlich, ob trotz eines Verbots unmittelbarer Verwertung der Zufallsfund zum Anlaß genommen werden darf, ein (neues) Ermittlungsverfahren einzuleiten 16 • Insbesondere Rieß17 hat sich bemüht, die umfangreiche Diskussion durch Herausarbeiten von Strukturen zum Abschluß zu bringen. Hierbei hat er die bestimmten Verdacht voraussetzenden richterlichen Anordnung einer Zwangsmaßnahme, so Rieß, JR 1979, 167, 169); problematisch ist auch, ob eine Umgehung eines Verwertungsverbotes darin zu sehen wäre, wenn durch Beweiserhebung mittels Zeugenbeweises über den Inhalt der Aufzeichnungen des Telefongesprächs letztlich doch der Zufallsfund zum Gegenstand der Hauptverhandlung wird, vg!. auch dazu Rieß, JR 1979, 167, 169. 15 Zur Frage, inwieweit Überwachungsergebnisse dem Zeugen oder Beschuldigten vorgehalten werden dürfen vg!. dagegen verneinend BGHSt 27,355, 357f.; Lau[hütte, in: KK, § l00a Rdnr. 25; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 48 m. w. Nachw.; begründungslos bejahend Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 16; für die Verwertbarkeit einer auf Grund "rechtmäßigen" Vorhalts erstatteten Aussage BGHSt 30, 317, 319; a.A. Odenthai, NStZ 1982, 390. 16 Eine mittelbare Verwertung von Zufallsfunden (jeder Art) in der Weise, daß (neue) Ermittlungen angestellt und dabei Beweismittel gewonnen werden dürfen wird bejaht durch BGHSt 27, 355, 358; Alsberg / Nüse / Meyer 525; Kleinknecht / Meyer § 100a Rdnr. 19; Kramer, Grundbegriffe, Rdnr. 225; Lau[hütte, in: KK, § 100a Rdnr. 25; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 249ff.; ders., ArchPF 1979,113,126; Meyer, in: LR, § 100a Rdnr. 13; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 44; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 582; Rieß, IR 1979, 167, 169; Roxin § 34 C IV 4; Schlüchter Rdnr. 352.3; dies. jetzt diff., JR 1984, 517, 518f.; Welp, JZ 1973, 289, 290; zweifelnd Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100a Rdnr. 49; grds. gegen jede Art von Fernwirkung Petry, Beweisverbote, 127; grds. für die Möglichkeit, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten Dencker, Beweisverbote, 76; auch Grünwald, JZ 1966,489,499 Fn. 97, mit dem Argument, das Gesetz kenne keinen Begründungszwang für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens; einschränkend Kaiser, NJW 1974, 349, 350, der Zufallsfunde nur zur Aufklärung von Straftaten, die in § 112a aufgeführt sind und nicht die "Intimsphäre" betreffen, als Ausgangspunkt weiterer Ermittlungen zulassen will; ähnlich Maiwald, JuS 1978, 379, 385, der mittelbare Verwertung zur Aufklärung von Delikten der "Hochkriminalität" befürwortet; so auch Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 314, der Verdachtsmomente, die sich auf geringfügige Straftaten beziehen, ausschließt; Verhältnismäßigkeitserwägungen einbeziehend Schäfer, in: LR (24. Aufl.), Ein!. Kap. 14 Rdnr. 49; kritisch Fezer, JuS 1979, 186, 191, der bezweifelt, ob den Interessen der Strafverfolgung so große Bedeutung eingeräumt werden soll, daß letztlich die Überwachung des Fernmeldeverkehrs doch zur Aburteilung einer Nichtkatalogtat führt; jede mittelbare Verwertung in diesen Fällen ablehnend Knauth, NIW 1978, 741, 743, unter Hinweis auf die sonst vorliegende Umgehung des verfassungsrechtlichen Verwertungsverbots; einschränkend ebenfalls Herdegen, in: KK (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 77, der Zufallsfunde immerhin nicht als Beweisgrundlage für prozessuale Entscheidungen im Ermittlungsverfahren anerkennen will (dies aber auch nicht grds. ablehnt); zur Frage mittelbarer Verwertung gegenüber Dritten vg!. Knauth, NJW 1978, 741, 742; Pelchen, in: KK (1. Aufl.), vor§ 48 Rdnr. 46 hält das Verbot mittelbarer Verwertung aus Art. 1 § 7 Abs. 3 G 10 auch im Rahmen des § 100a für anwendbar, a. A. ders. ebd. in der 2. Aufl.; diff. Walter, NStZ 1984, 276, 277f.; zur Fernwirkung des § 136a vg!. BGHSt 34, 362, 364 mit Anm. Seebode, JR 1988, 427, 430f.
I. Partielle Problembehandlung bei verschiedenen Zwangsmaßnahmen
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Ansicht vertreten, Rechtsprechung und Schrifttum hätten die grundlegenden Fragen der Zufallsfundproblematik gelöst und könnten sich nunmehr der Aufgabe zuwenden, "unklar gebliebene Randbereiche zu präzisieren"18. Angesichts der fortdauernden Diskussion 19 ist allerdings zu fragen, ob diese, auch schon von Knauth 20 geäußerte, Auffassung nicht etwas voreilig war. Nachfolgend werden die wesentlichen Defizite in der Diskussion um die Problematik der Zufallsfunde im Strafverfahren aufgezeigt, die belegen sollen, daß nach wie vor die Notwendigkeit einer dogmatischen Grundlegung besteht. I. Partielle Problembehandlung bei verschiedenen Zwangsmaßnahmen
Der konzentrierte Blick auf die im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen nach § lOOa auftretenden Zufallsfunde scheint eine Diskussion, die nicht ausschließlich an einer der vielen strafprozessualen Zwangsmaßnahme anknüpft, bislang verhindert zu haben. So hat beispielsweise Welp21 behauptet, daß Zufallsfunde nur bei Eingriffen nach § lOOa und nach den §§ 102f. zu finden seien. Nur diese beiden Zwangsmaßnahmen wiesen die gemeinsame strukturelle Besonderheit auf, daß die jeweils vermuteten Beweismittel unter dem Schutz einer Sphäre verborgen seien, die eine Begrenzung des Eingriffes auf den Untersuchungszweck bei der Anordnung erschwere oder unmöglich mache. Da beide Eingriffe ex ante in ihrer Streubreite unbeherrschbar seien, bestünde die Möglichkeit, nicht erwartete Erkenntnisse zu erlangen. Daß das Auftreten von Zufallsfunden indes nicht auf die beiden von Welp angeführten Zwangsmaßnahmen beschränkt sein kann, wird allein schon daran deutlich, daß neben der Diskussion um Zufallsfunde bei § lOOa22 , auch Stellungnahmen aus dem Schrifttum zur jeweiligen Rechtsprechung bei anderen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zu finden sind. Zu nennen sind hier die Maß nahRieß, JR 1979, 167ff.; ders., JR 1983, 125ff. Rieß, IR 1983, 125 bei Fn. 4. 19 Vgl. etwa Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 309ff., der Zufallsfunde bei § 100a generell einem verfassungsrechtlich begründeten Verwertungsverbot unterstellt. 20 Knauth, NJW 1977, 1510, 1511 (zu § 100a): "Der Streit geht daher heute nicht mehr um die Frage, ob die Verwertbarkeit von Zufallserkenntnissen zulässig ist oder nicht, sondern nur noch darum, innerhalb welcher Grenzen die Verwertbarkeit bejaht werden soll. Es herrscht nur noch Streit über den Umfang der Verwertbarkeit.". 21 Welp, Jura 1981, 472. 22 Zur Rechtsprechung bei § 100a siehe soeben oben; einen umfassenden Überblick über den Diskussionsstand bis zum Jahre 1981 bietet Welp, Jura 1981, 472, 473 Fn. 1; darüber hinaus sind zu nennen Dünnebier, NStZ 1982, 255f.; Fezer, JuS 1979, 186ff.; Gössel 11, 99,109; Herdegen, in: KK (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 76; Joecks, JA 1983, 59ff.; Kühne Rdnr. 26lf.; Laufhütte, in: KK, § 100a Rdnr. 18ff.; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 126ff., 208ff.; Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15f.; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 578ff.; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 39ff.; Peters § 49 I 1, S. 428; Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302ff.; Rieß, IR 1979, 167ff.; ders., JR 1983, 125ff.; Rüping Rdnr. 259; Schlüchter Rdnr. 352ff.; Schutz / Berke-Müller § 100a Rdnr. 7. 17
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
men der Briefkontrolle in der Untersuchungshaft nach § 119 Abs. 323 , die Postbeschlagnahme nach den §§ 99, 10024, die Durchsuchung bei Kontrollstellen nach § 111 25 , die Durchsuchung zur Identitätsfeststellung nach § 163b26 , schließlich die Sicherstellung nach § 115b27 • Aber auch bei bislang weniger erforschten Eingriffen, etwa bei der der Strafprozeßordnung bis vor kurzem unbekannten Rasterfahndung wird die Möglichkeit des Auftretens von Zufallsfunden zumindest erkannt. Das ergibt sich bezüglich der neu eingefügten Netzfahndung28 aus der Zufallsfundregelung in § 163d Abs. 4 Satz 5. Ähn23 BVerfG, NJW 1974, 26ff.; NJW 1981, 1943ff.; BGHSt 28, 349, 350; OLG Schleswig, SchlHAnz 1960, 29; KG, JR 1968, 31; NJW 1975, 354, 355ff.; OLG Celle, NJW 1974, 805f.; OLG Hamm, NJW 1985, 641; Birmanns, NJW 1967, 1358f.; Bockwoldt, ZfStrVO 1982, 153, 156ff.; Driewer, diss. iur. Bochum 1969, 233f.; Dünnebier, in: LR, § 119 Rdnr. 115; Franz, NJW 1965, 855f. schildert Zufallsfundsituationen ohne sie als solche zu benennen; Kleinknecht / Meyer § 119 Rdnr. 26; Krohn, diss. iur. Hamburg 1971, 217ff., 226f.; Laufhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 3; Müller, in: KMR, § 119 Rdnr. 21; Peters, JR 1974, 120ff.; Schlüchter Rdnr. 23lf.; ausführlich Veit, Rechtsstellung, 155ff., 191ff.; Wais, NJW 1967, 2047f.; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 119 Rdnr. 75ff.; Wimmer, GA 1983, 145, 151; aus früherer Zeit schon Eb. SchmidtIl § 116 (a.F.) Rdnr. 14; zu § 119 Abs. 3 vgl. auch Engelbrechten, DRiZ 1959, 238, 240 mit Entgegnung Baumann, DRiZ 1959, 379f.; sowie Kreuzer, GA 1968, 236ff.; ders., NJW 1973, 126lf.; Rotthaus, NJW 1973, 2269ff. 24 Laufhütte, in: KK, § 100a Rdnr. 10; Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 19; Reitberger, Kriminalistik 1965, 14, 16; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 23; Welp, Überwachung, 95, 221 ff.; Benfer Rdnr. 342 und Kühne Rdnr. 254 äußern sich hingegen zum Problem der Zufallsfunde nicht, obwohl beide die Zufallsfundträchtigkeit der Maßnahmen umschreiben (Benfer: " ... daß es wesensmäßig zu allen strafprozessualen Zugriffsmöglichkeiten gehört, irrelevante Stücke zu beschlagnahmen, wenn vor ihrer Durchführung eine Selektion nicht stattfinden konnte. "; sowie Kühne: "Die Beschlagnahme geschlossener Sendungen ist meistens ein reines Glücksspiel und birgt mehr Gefährdung für die Individualrechte des davon Betroffenen als Ermittlungschancen für Gericht und Staatsanwaltschaft. "). 25 Benfer Rdnr. 706; Kurth, NJW 1979, 1377, 1383; Kleinknecht / Meyer § 111 Rdnr. 16 a.E. (in 36. Aufl. 29); Laufhütte, in: KK, § 111 Rdnr. 27; Meyer, in: LRErgBd, § 111 Rdnr. 17; Müller, in: KMR, § 111 Rdnr. 10; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111 Rdnr. 29f.; Schutz / Berke-Müller § 111 Rdnr. 7. 26 Kurth, NJW 1979,1377,1379; Kleinknecht / Meyer § 163b Rdnr. 22; Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 21; Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 45; Schutz / Berke-Müller § 163b Anm. K. 27 Kleinknecht / Meyer § 108 Rdnr. 3 und in 36. Aufl.: § 111b Rdnr. 11; Laufhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 6; Müller, in: KMR, § 108 Rdnr. 5; Schutz / Berke-Müller § 111b Rdnr. 5; Wieczorek M 7, S. 88. 28 Einführung durch das "Paßgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 19. April 1986 (BGBl. I 537); vgl. dazu Baumann, Strafverteidiger 1986, 494ff.; Kühl, NJW 1987, 737ff.; Rogall, NStZ 1986, 385ff.; umfangreiche Nachweise der Materialien bei Lohse, JuS 1986, 824f.; zur Rasterfahndung vgl. Laufhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 7; Riegel, ZRP 1980, 300, 305; ausführlich Simon / Taeger, JZ 1982, 140ff. m. w. Nachw.; zu den vielfältigen Möglichkeiten der Observation mit Hilfe rechnergesteuerter Video-Fahndung und der Auswertung durch rasternde elektronische Datenverarbeitung vgl. Cobler, in: DER SPIEGEL 1984, Nr. 38, 70ff.; zum Unterschied zwischen Rasterfahndung und der Netzfahndung nach § 163d vgl. Schoreit, DRiZ 1987, 82, 83; ders., DRiZ 1987, 464, 466; zur Rasterfahndung vgl. auch Wolter, GA 1988, 49ff., 129ff.
I. Partielle Problembehandlung bei verschiedenen Zwangsmaßnahmen
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liches kann für das in der Strafprozeßrechtsdogmatik meist vernachlässigte Steuerstrafverfahren festgestellt werden 29 • Ob damit nun aber alle zufallsfundträchtigen Zwangsmaßnahmen benannt sind, bleibt schon deshalb fraglich, weil sich die wissenschaftliche Aufbereitung im Rahmen der insoweit bekannten Eingriffe zumeist nur auf eine der vielen Zwangsmaßnahmen erstreckt. Selbst das von der Konzeption her auf das gesamte Strafverfahren bezogene Schrifttum - Lehrbücher wie Kommentare - weist Lücken auf. Soweit das Auftreten von Zufallsfunden bei der Durchführung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen überhaupt als Problem erachtet wird 30 , beschränkt sich das übergreifende Schrifttum vorwiegend auf die Betrachtung einer31 oder aber nur weniger Maßnahmen 32 • Doch selbst wenn alle der oben bezeichneten Zwangsmaßnahmen in die Darstellung einbezogen werden 33 , so bleibt die Erörterung - von einigen wenigen knappen Bemerkungen abgesehen 34 - stets eingriffsbezogen. Strukturelle Vergleiche 29 Vgl. z.B. LG Köln, Strafverteidiger 1983,56; Kleinknecht / Meyer § 108 Rdnr. 4; ausführlich Seimer, Bankgeheimnis, 70f., 116, 146ff.; Schick, JZ 1982, 125ff.; Streck, Strafverteidiger 1984, 348, 349f.; vgl. auch Blumers / Göggerle, Handbuch Rdnr. 520 m. w. Nachw.; sowie Bandemer, wistra 1988, 136, 139; Kniffka, wistra 1987, 309ff.; Meine, wistra 1985,186,187. 30 Z.B. nicht bei Baumann, Grundbegriffe; desgleichen nicht bei Stock, Strafprozeßrecht; mit der Darstellung des § 108 im Rahmen der Durchsuchungs- und Beschlagnahmevorschriften begnügen sich Eb. Schmidt II, § 108 Rdnr. 1ff.; Henkel, Strafverfahrensrecht, 294 (oben); Müller, Einführung, 89; Schäfer, Praxis, § 35 III 6, S. 237. 31 Ausschließlich § 100a: Gössel II, 99f., 109; Kühne Rdnr. 261f.; Peters § 49 I 1, S. 428; Roxin § 34 C IV 4; Rüping Rdnr. 259; ausschließlich § 111: Benfer Rdnr. 706; Wieczorek M 7, S. 88. 32 Schlüchter behandelt § 100a (Rdnr. 352.lff.) und § 119 Abs. 3 (Rdnr. 232). 33 Alle angeführten Zwangsmaßnahmen werden dargestellt im Karlsruher Kommentar, vgl. zu § 100a Laufhütte, § 100a Rdnr. 18ff., sowie Pelchen, vor § 48 Rdnr. 39ff. und Herdegen (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 76; zu § 111b Laufhütte, § 108 Rdnr. 6; zu § 119 Abs. 3 Laufhütte, § 108 Rdnr. 3; zu § 163b Rainer Müller, § 163b Rdnr. 21; zu § 99 Laufhütte, § 100 Rdnr. 10; ähnlich Löwe / Rosenberg, jedoch ohne § 111b, vgl. im einzelnen zu § 100a Meyer, § 100a Rdnr. 13f.; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100a Rdnr. 37ff.; zu § 111 Meyer, § 111 (ErgBd) Rdnr. 17; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111 Rdnr. 30; zu § 119 Abs. 3 Dünnebier, § 119 Rdnr. 115; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 119 Rdnr. 66ff.; zu § 163b Rieß, § 163b (ErgBd) Rdnr. 45 und Rdnr. 40f. in LR (24. Aufl.); zu § 99 Meyer, § 100 Rdnr. 19; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 23; Kleinknecht / Meyer lassen § 99 außer Betracht, vgl. im einzelnen § 100a Rdnr. 18ff., § 111 Rdnr. 13, § 119 Rdnr. 26, § 163b Rdnr. 22; in 36. Aufl.: § 111b Rdnr. 11 (dazu auch § 108 Rdnr. 3); im KMR hingegen fehlen sowohl § 99 als auch § 163b, im übrigen vgl. Müller, § 100a Rdnr. 15f. und umfassend (ebenfalls zu § 100a) Paulus, § 244 Rdnr. 578 - 582; weiterhin Müller, § 111 Rdnr. 10; ders., § 108 Rdnr. 5 (zu § 111b); ders., § 119 Rdnr. 21; Schutz / Berke-Müller vernachlässigen § 99 und § 119 Abs. 3, vgl. im übrigen § 100a Rdnr. 7, § 111 Rdnr. 7, § 111b Rdnr. 5, § 163b Anm. K. 34 Vgl. z. B. Kleinknecht / Meyer § 163b Rdnr. 22, der eine analoge Anwendung des § 108 mit einem kurzen (nur auf einer Behauptung beruhenden) Vergleich zwischen § 111 und § 163b begründet: "Dieses Durchsuchen (d.h. das Durchsuchen an einer KontrollsteIle; Anm. des Verf.) ist auch ein solches nach § 163b.".
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
verschiedener Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf den Anfall von Zufallsfunden fehlen. Auf Grund dieses Umstandes sind bislang auch Versuche, die Zufallsfundproblematik einer alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen erfassenden Lösung zuzuführen, unterblieben. 11. Der Begriff des Zufallsfundes
Die Durchsicht einschlägiger Gerichtsentscheidungen und des entsprechenden Schrifttums läßt vermuten, daß schon hinsichtlich des Ausdruckes "Zufallsfund" nicht unerhebliche Unsicherheiten bestehen l . Dies mag zum einen daran liegen, daß die Strafprozeßordnung diesen Begriff nicht kennt. Zum anderen könnte auch hier die soeben dargestellte problematisierenden Konzentrierung nur auf wenige Eingriffe ihren Niederschlag gefunden haben. Definitionsversuche sind überwiegend nur hinsichtlich einer einzelnen Zwangsmaßnahme - meist der Telefonüberwachung nach § lOOa - entwickelt worden. So versteht das Hanseatische Oberlandesgericht in jener eingangs genannten Entscheidung unter Zufallsfunden "zufällig bekannt gewordene Tatsaehen", die sich "auf andere als die in § lOOa StPO aufgeführten Straftaten beziehen"2. Der Bundesgerichtshof hat Zufallsfunde in der seinerseits ersten Entscheidung als "die bei einer (zulässig) durchgeführten Überwachung des Beschuldigten in einem Strafverfahren zufällig gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse, die weder mit der Katalogtat, derentwegen die Überwachung angeordnet worden war, noch mit einer anderen Katalogtat im ZusammenI Ein deutliches Indiz für die besagte Unsicherheit ist zum einen die Vorschaltung des Wortes "sogenannt", die schon in der Entscheidung BGHSt 26, 298, 301 zu beobachten ist, ähnlich BVerfGE 20, 162, 174 ("Spiegel-Beschlagnahme"), aber auch häufig im Schrifttum gewählt wird: vgl. dazu Alsberg / Nüse / Meyer 524 nach Fn. 706; Dünnebier, NStZ 1982, 255, 256; Ehlers, BB 1978, 1513, 1514; Eser, Strafprozeßrecht, 61; Gössel, JR 1982, 111, 114; Joecks, JA 1983, 59, 61; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 266; Maiwald, JuS 1978, 379, 381; Mösch, Kriminalistik 1975, 377, 378; Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 21; Rieß, JR 1979, 167; Rüping, Beweisverbote, 57; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 296, 300; Welp, Jura 1981, 472; darüberhinaus wird das Wort "Zufallsfund" bzw. "Zufallserkenntnis" häufig in Anführungszeichen gesetzt, gelegentlich auch nur bei erstmaliger Verwendung: vgl. insgesamt dazu wiederum BGHSt 26, 298, 301; LG Bonn, NJW 1981, 292, 293; Dünnebier, NStZ 1982, 255, 256; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 10 Rdnr. 49 (sog. "Zufallsfunde"); Eser, Strafprozeßrecht, 61, 66; Fezer, JuS 1979, 186, 189; Geerds, NStZ 1983, 518, 519 Fn. 5; Geppert, Jura-Kartei StPO, § 100a/2; Golla, JuS 1984, 128, 129; Gössel, JR 1982, 111, 114; Hassemer, JuS 1973, 320, 321; Kohlmann, JA 1978, 594, 596 (sog. "Zufallsfund"); Mösch, Kriminalistik 1975,337,338; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 578ff.; ders., Jura 1984, 147, 155f. (sog. "Zufallsfunde"); Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 39; Peters, JR 1974, 120, 121; Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 305; Rieß, JR 1979, 167; ders., JR 1983, 125; Schäfer, Praxis, § 35 III 6, S. 237; Seimer, Bankgeheimnis, 106; Weber, NJW 1973, 1056. 2 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157, 158.
1I. Der Begriff des Zufallsfundes
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hang stehen" bezeichnet3 . In einer späteren Entscheidung definiert dieses Gericht Zufallsfunde ausdrücklich als "bei einer zulässig angeordneten Überwachung gewonnene zufällige Erkenntnisse"4. Weitere Definitonen sind von der Rechtsprechung bislang nicht mehr entwickelt worden 5 . Im Schrifttum wird der Begriff "Zufallsfund" zum Teil, trotz inhaltlicher Schilderung einer Zufallsfundsituation, überhaupt nicht verwendet6 , oder aber ohne nähere Erläuterung nur kurz angeführt? Gelegentlich wird auch allein auf den Wortlaut des § 108 verwiesen8 • Versucht man alle weitergehenden Bemühungen im Rahmen der Zwangsmaßnahme nach § lOOa gruppenweise zu ordnen, so lassen sich Definitionen finden, die zumeist ausschließlich auf die Abweichung des Ergebnisses von den Vorstellungen der Strafverfolgungsorgane bei Anordnung der Maßnahme abstellen. Überwiegend wird hierbei die gegenständliche Abweichung hervorgehoben 9 . Neben BegriffskläBGHSt 26, 298, 301. BGHSt 28, 122, 127 in der Form einer richterlichen Klammerdefinition. 5 Schon in BGHSt 27, 355ff. ist der Begriff nicht mehr erläutert worden; seit BGHSt 28, 122ff. schweigt die Rechtsprechung durchgehend, vgl. dazu BGH, NJW 1979, 1370f.; BGHSt 29, 23ff.; 29, 244ff.; 30, 317ff.; 31, 296ff.; 32, lOff.; im übrigen vgl. auch BayObLG, Strafverteidiger 1982, 411f.; allerdings BVerfGE 20, 162, 174: "Beweismittel, die mit dem Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nicht im Zusammenhang stehen, sondern zur Einleitung anderer Strafverfahren dienen". 6 So scheint der Begriff insbesondere im früheren Schrifttum nicht bekannt zu sein, vgl. etwa Eb. Schmidt H, § 108 Rdnr. 1 ff. oder auch § 166 Rdnr. 14, der Zufallsfundsituationen schildert, ohne den Begriff zu erwähnen; ähnlich Henkel, 291 (zu § 100a) und 294 (zu § 108), der noch nicht einmal die Problematik der Zufallsfunde darstellt; siehe auch Kaiser, NJW 1974, 349f.; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.) § 100a Rdnr. 11, jetzt hingegen § 100a Rdnr. 18: "Zufallserkenntnisse" , "Zufallsfunde"; Duo, GA 1970, 289f. 7 Eser, Strafprozeßrecht, 61f. (lediglich Beispiele zu § 100a); Fezer. JuS 1979, 186, 188ff. (Darstellung verschiedener Zufallsfundsituationen); Laujhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 5; § 100 Rdnr. 10; § 111 Rdnr. 16 a.E.; Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15; Odenthai, NStZ 1982, 390f.; Roxin § 34 C IV 4 bzgl. § 100a, § 35 A IV 2 bzgl. § 108 Satz 3; Schlüchter Rdnr. 231f. bzgl. § 119 Abs. 3, Rdnr. 330 bzgl. § 108, Rdnr. 352.1ff. bzgl. § 100a; Schroeder, JR 1973, 253f.; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 296ff. (ausführliche Fallbeispiele); Sonnen, JA 1982, 268; Weber, NJW 1973, 1056f., der drei verschiedene Begriffe (sämtlich ohne nähere Erläuterung) verwendet: unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 G 10 die "Zufallserkenntnisse" , die "Zufallskenntnisse" nach § 100a und die "Zufallsfunde" nach § 108, wobei Weber andeutet, daß möglicherweise Zufallskenntnisse aus einer Telefonüberwachung nicht Zufallsfunde nach § 108 seien. 8 Z. B. Peters § 49 I 1, S. 428: "Von Zufallsfunden bei der Durchsuchung handelt § 108"; ähnlich Schäfer, Praxis, § 35 III 6, S. 237, der den Gesetzestext des § 108 zitiert. 9 Alsberg / Nüse / Meyer 524 bei Fn. 707: "insbesondere Beweise, die zwar in einem Strafverfahren gegen diejenigen Personen, gegen die die Anordnung sich richtet, als Beweismittel dienen können, die aber nicht für die Katalogtat, derentwegen die Überwachung angeordnet worden ist, sondern lediglich für eine andere Straftat Bedeutung hat."; Benfer Rdnr. 230f.: "Gegenstände, die anläßlich einer angeordneten Durchsuchung gefunden werden und mit dem Verfahren, in dem die Durchsuchung stattfindet in keinem Zusammenhang stehen"; Dünnebier, NStZ 1982, 255, 256: alles "was dar3
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
rungsversuchen mit Hilfe eines personellen Kriteriums 10 werden in den Definitionen auch beide Aspekte verknüpft ll . Bislang vereinzelt steht die Unterscheidung zwischen echten und unechten Zufallsfunden 12 • Gelegentlich wird über (d. h. über den in § 100a eröffneten Weg, nur bei genau bestimmten Straftaten, den Fernmeldeverkehr überwachen zu dürfen, Anm. d. Verf) hinaus gehört und gelesen wird"; ders., in: Demokratie und Recht 1980, 383, 391: "etwas abgehört worden ist, das außerhalb der Anordnung gelegen hat. "; Golla, JuS 1984, 128, 129: die "durch eine Telefonüberwachung ... zutage geförderte(n) ... Erkenntnisse, ... die sich auf andere Straftaten beziehen als die, derentwegen die Überwachung angeordnet worden ist"; Gössel 11, 99: "durch die Überwachung zufällig erlangte Erkenntnisse außerhalb des Überwachungsauftrages"; Knauth, NJW 1977, 1510: "typische Zufallserkenntnisse" seien "Erkenntnisse, die nicht durch zielbewußtes Ermitteln der Strafverfolgungsbehörden angefallen sind und nicht im Zusammenhang mit dem Verfahren stehen, für welches die Telefonüberwachung angeordnet worden ist" (bzgl. § 1OOa); Kohlmann, JA 1978, 594, 596: "strafrechtlich interessante ,Abfallprodukte"'; Kühne Rdnr. 261: "Anhaltspunkte und Beweise für andere Straftaten, die nicht Gegenstand der Überwachungsanordnung waren"; Meyer, in: LR, § 103 Rdnr. 8: "Auffindung anderer als in der Durchsuchungsanordnung bezeichneter Gegenstände, die für die Straftat derentwegen die Durchsuchung stattfindet, als Beweismittel in Betracht kommen oder die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen"; § 108 Rdnr. 1: "Beweisstücke, die zwar mit der Tat, derentwegen die Durchsuchung angeordnet worden ist, in keinem Zusammenhang stehen, aber auf die Begehung einer anderen Straftat hindeuten"; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 103 Rdnr. 9; so auch § 108 Rdnr. 2 zu § 108 Satz 3 in LRErgBd; zu § 99 ders., in: LR, § 100 Rdnr. 19: "Sendungen, die zwar in keiner Beziehung zu der Straftat stehen, derentwegen die Postbeschlagnahme angeordnet worden ist, die aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten"; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 23; auch Mösch, Kriminalistik 1975, 337, 338; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 39: "Erkenntnisse zur Erforschung und Verfolgung einer anderen als einer Katalogtat"; Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 308: "die Zufälligkeit des Fundes" beziehe "sich in erster Linie auf die Tat ... auf eine andere nämlich als diejenige, die Anlaß der Überwachung war"; Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 450: "Beweismittel für eine andere als die Durchsuchung veranlassende Straftat" (bzgl. § 108, aber auch für § 100a vgl. S. 451); Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 294: "Es handelt sich hierbei um Fälle, in denen im Rahmen der Überwachung Tatsachen bekannt werden, deren Beweiswert sich auf eine andere als auf die lt. Anordnung zur Aufklärung stehende Straftat bezieht. ". 10 Schünemann, NJW 1978, 406, 407: "Kenntnisnahme von Gesprächsinhalten, die über die Person des überwachten Inhabers eines Fernsprechanschlusses hinausweisen"; personelles Kriterium wohl auch bei Gössel 11, 109 (Kontrollfrage 5): "Was versteht man unter Zufallserkenntnissen bei der Te1efonüberwachung; Ermittlung von Tatsachen bei der Durchführung der Überwachung, die zwar strafbare Handlungen beweisen, aber nicht diejenigen derjenigen Personen, derentwegen die Überwachung angeordnet wurde". 11 Meyer, in: LR, § 100a Rdnr. 13: "Anhaltspunkte dafür, daß der Beschuldigte oder Dritte andere Straftaten begangen hat als diejenigen, zu deren Aufklärung die Anordnung nach § 100a erlassen worden ist"; Maiwald, JuS 1978, 379, 381: "Erkenntnisse, die bei an sich zulässiger Telefonüberwachung zutage getreten sind, jedoch andere Delikte als die im Katalog des § 100a genannten (keine Katalogtaten) oder Delikte anderer Personen als der in § 100a genannten Personen betreffen"; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 578: "Erkenntnisse, die eine andere Tat als die der Überwachungsanordnung zugrundeliegende "Katalogtat" oder eine andere Person als den überwachten Verdächtigen betreffen" . 12 Rieß, JR 1979, 167: "Erkenntnisse, die bei zulässiger Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100a StPO angefallen sind, jedoch keinen Beweis für die Straftat
11. Der Begriff des Zufallsfundes
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darüber hinaus betont, daß es sich um Erkenntnisse aus einem nach Anordnung und Durchführung zulässigen Eingriff handeln muß13. Diesen auf einzelne Zwangsmaßnahmen bezogenen Definitionen stehen einige abstraktere Umschreibungen des Zufallsfundes gegenüber 14 . Hier wird das Kriterium der personellen Abweichung durchgehend fallen gelassen. Hervorgehoben wird vielmehr neben dem Hinweis auf die Zufälligkeit der Beweiserlangung ausschließlich die von der Eingriffsanordnung abweichende Beweisbedeutung des gefundenen Beweismittels. Dabei bleibt jedoch überwiegend offen, wie im einzelnen die Begriffe "andere Straftat", "andere strafrechtliche Untersuchung" oder auch "Zusammenhang mit dem Verfahren"15 verstanden werden. Insgesamt ist festzuhalten, daß eine befriedigende Umschreibung des Phänomens "Zufallsfund" noch fehlt. Entweder leiden die Definitionen darunter, erbringen, die den Rechtsgrund für die Anordnung nach § 100a StPO abgegeben hat"; betreffen die aus der Überwachung gewonnenen Erkenntnisse eine andere Straftat im Sinne eines anderen historischen Geschehens, so handelt es sich nach Rieß um einen echten Zufallsfund; soweit jedoch die Erkenntnisse dieselbe prozessuale Tat im Sinne desselben historischen Geschehens betreffen, so wird dies als unechter Zufallsfund bezeichnet. 13 Etwa Gössel, JR 1982, 111ff.: "Problematik der sog. ,Zufallsfunde' bei der zulässigen Telefonüberwachung"; ähnlich Rieß, JR 1979, 167; Maiwald, JuS 1978, 379ff. hing.egen scheint die Möglichkeit des Fi!,ldens von Zufallsfunden auch bei unzulässiger Uberwachung zu sehen, da er in der Uberschrift zu seinem Aufsatz vom "Zufallsfund bei zulässiger Überwachung ... " spricht. 14 Ehlers, BB 1978, 1513, 1515: "Gegenstand, der von vornherein auf die Verübung einer anderen Straftat hindeutet; Joecks, JA 1983, 59, 61: "Erkenntnisse, die zu gewinnen nicht Ziel der Maßnahme war"; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 102 Rdnr. 12 unter der Überschrift "Zufallsfunde": "überraschend aufgefundenes Beweismittel, welches für eine andere strafrechtliche Untersuchung von Bedeutung ist", knapper 38. Aufl. Rdnr. 17; ähnlich § 163b Rdnr. 22; Laufhütte, in: KK, § 100a Rdnr. 19: "zufällig aufgedeckte Straftat"; Müller, Einführung, 89: "Beweismittel zu einer anderen, vielleicht bisher unbekannten strafbaren Handlung" (bzgl. § 108); Riegel, ZRP 1980, 300, 304: "Erkenntnisse, die zwar nicht im Zusammenhang mit dem Anlaß der konkreten Maßnahme stehen, aber auf andere Gefahren oder andere Straftaten und/oder Ordnungswidrigkeiten hindeuten"; Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 45: "zufälliges Finden von Beweismitteln" (bzgl. § 163b); s. ders., in: LR (24. Aufl.), § 163b Rdnr. 39; Rüping Rdnr. 259: "Publikwerden von Delikten ... die mit dem Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nichts zu tun haben" (bzgl. § 100a) bzw. Rdnr. 267'bzgl. § 108: "Gegenstände, die nicht auf die Tat des Ermittlungsverfahrens, sondern auf eine andere Straftat deuten"; Welp, Überwachung, 219; ders., JZ 1973, 289; ders., Jura 1981, 472f. (Erweiterung der Definitionen aus JZ 1973, 289f.): "Beweismittel, die bei einer Untersuchungshandlung zu Tage gefördert werden, deren Beweiswert sich nicht auf die gegenwärtig verfolgte, sondern auf eine andere Tat bezieht bzw. Beweismittel, deren Beweisbedeutung auf ein anderes als dasjenige Verfahren bezogen ist, für dessen Zwecke die Überwachung oder die Durchsuchung angeordnet worden ist.". 15 Vgl. etwa Riegel, ZRP 1980, 300, 304; ebenso Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 102 Rdnr. 12; auf die Notwendigkeit der Klärung des Begriffes "Zusammenhangstat" hat bereits Rieß, JR 1979, 167, 170 hingewiesen; vgl. auch Gössel, JR 1982, 111, 114 a. E., der die Notwendigkeit der Klärung des Tatbegriffes im Strafverfahren (gleichsam als obiter dictum seiner Anmerkung zu BVerfGE 56,22) auch im Hinblick auf die Problematik der Zufallsfunde hervorhebt.
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
daß sie zu konkret auf eine Zwangsmaßnahme bezogen sind oder es fehlt an der Klärung der in den Definitionen verwendeten Einzelmerkmale. 111. Argumentationsstrukturen im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden
Das Fehlen einer Darstellung, die sich mit der Problematik der Zufallsfunde bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen schlechthin befaßt, mag als eher formalistischer Mangel anzusehen sein. Ein Gleiches könnte auch hinsichtlich der soeben behandelten Frage der Definition von Zufallsfunden eingewendet werden. Nachfolgend soll deshalb versucht werden, aufzuzeigen, daß über die genannten Defizite hinaus in diesem Zusammenhang grundlegende dogmatische Fragen entweder nicht gestellt oder aber nicht beantwortet werden. 1. Zur Lehre von den Verwertungsverboten im Strafverfahren
Für Praxis und Lehre besteht die entscheidende Frage darin, inwieweit auftretende Zufallsfunde im Strafverfahren verwertet werden dürfen. Deshalb soll der Blick der Lehre von den Verwertungsverboten zugewandt werden. Seit der grundlegenden Untersuchung Denckers sind - trotz der andauernden heftigen Diskussion um die Dogmatik der Beweisverwertungsverbote1 - zwei strukturell verschiedene Formen von Verwertungsverboten grundSätzlich anerkannt. Zum einen gibt es solche, die durch einen Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot ausgelöst werden. Ein ausdrückliches Verwertungsverbot dieser Art enthält beispielsweise die Vorschrift des § 136a Abs. 3 Satz 2. Zum anderen soll es nach allgemeiner Ansicht Verwertungsverbote geben, die nicht durch Verletzung von Verfahrensbestimmungen bei Beweiserlangung entstehen, sondern vielmehr unmittelbar aus der Verfassung, speziell den Grundrechten, abzuleiten sind2 . Folgt man dieser Zweiteilung, so kann 1 Vgl. nur Alsberg / Nüse / Meyer 476f. ("bis heute nicht eindeutig geklärte Frage"); zu rechtshistorischen Fragen vgl. Strate, JZ 1989, 176ff. 2 Zum Meinungsstand vgl. die Übersicht bei Alsberg / Nüse / Meyer 477 bei Fn. 370, sowie 513 bei Fn. 614; terminologisch wird von "unselbständigen" (also abhängigen) und "selbständigen" (unabhängigen) Verwertungsverboten gesprochen, etwa Dencker, Verwertungsverbote, 13ff., 100ff. ("vom vorhergehenden Beweisverbotsverstoß unabhängige Verwertungsverbote"); gängig ist aber auch die Bezeichnung "verfassungsrechtliches Verwertungsverbot" , etwa Petry, Beweisverbote, 142; oder auch "grundrechtliches Beweisverwertungsverbot" , beispielsweise Alsberg / Nüse / Meyer 512; der Bundesgerichtshof folgt dieser Zweiteilung der Verwertungsverbote schon bereits seit der (unveröffentlichten) Entscheidung des 1. Strafsenats vom 2. Dezember 1975 -1 StR 681/75: "Aus der rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels durch einen Dritten folgt nicht automatisch die Unverwertbarkeit im Strafverfahren. Die Frage der Verwertbarkeit ist selbständig zu prüfen. Die Strafprozeßordnung enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob und unter welchen Umständen eine heimliche Tonbandaufnahme ohne Zustimmung des Angeklagten im Strafverfahren verwertet werden
III. Argumentationsstrukturen zur Verwertbarkeitsfrage
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die Frage, inwieweit ein Beweismittel im Einklang mit der Verfahrensordnung erlangt worden ist, für die Entstehung eines Verwertungsverbotes eine Rolle spielen3 . Ansatzpunkt jeglicher Entscheidung für oder gegen ein Verwertungsverbot muß daher zunächst immer die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung sein. Das erscheint um so dringlicher, als das Ausweichen auf grundrechtliche Beweisverwertungsverbote, insbesondere wegen der Gefahr des Abgleitens der Diskussion auf die Ebene allgemeiner und wenig strukturierter verfassungsrechtlicher Abwägungen auf der Basis des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes4 statt der Anwendung konkreter Verfahrensvorschriften nur in seltenen Ausnahmefällen gestattet sein sollte5 . Erst recht muß aber auf diese Fragestellung eingegangen werden, soweit die Konstruktion eines verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes schlechthin als unzulässig angesehen wird 6 : Die Vertreter dieser Ansicht können zwingend nur auf die Beurteilung der Beweiserhebung abstellen. Im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden müßte dementsprechend in der Diskussion zunächst immer die Frage geklärt werden, ob die Gewinnung gerade des zu beurteilenden konkreten Beweismittels verfahrensrechtlich einwandfrei war. Erst wer diese Frage bejaht - und damit ein Verwertungsverbot wegen rechtswidriger Beweiserhebung verneint -, darf in die Überlegung eintreten, ob gegebenenfalls ein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot das zufällige Beweismittel vom (weiteren) Verfahren ausschließt. 2. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Beweiserlangung von ZufaUsfunden am Beispiel der Telefonüberwachung nach § 100a
Da sich insbesondere bei der Fernmeldeüberwachung nach § lOOa im Hinblick auf die Problematik der Zufallsfunde ein breites Meinungsbild entwikkelt hat, soll der aufgeworfenen Frage am Beispiel gerade dieses Eingriffes nachgegangen werden.
darf. Ein Beweisverwertungsverbot, wie es sich beispielsweise aus § 136a Abs. 3 StPO ergibt, besteht insoweit nach dem Gesetz nicht. Die StPO enthält jedoch keine abschließende Regelung. Die Beweisverwertungsverbote können unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleitet werden."; Rieß, JR 1979, 167 f., verweist demgegenüber auf die erst drei Jahre später im Jahre 1978 ergangene Entscheidung BGHSt 28, 122, 124. 3 Ähnlich Dencker, Verwertungsverbote, 10; das heben auch Gössel, JZ 1984, 361 und Schlüchter, NStZ 1984, 373, 374 hervor. 4 Den geringen Wert des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der strafprozessualen Diskussion hat in neuerer Zeit Degener, Verhältnismäßigkeit, überzeugend nachgewiesen. 5 So ausdrücklich Alsberg I Nüse I Meyer 513 m. w. Nachw. 6 Etwa Wolfgang Hahn, diss. iur. München 1964, 144ff.; Sax, JZ 1965,1, 3ff.
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
a) Rechtsprechung Die Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden, die im Verlauf der Durchführung einer Maßnahme nach § 100a auftreten, ergibt, daß der Bundesgerichtshof stets nur bemüht ist, die Reichweite eines aus Art. 10 GG zu konstituierenden verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes zu bestimmen7 . Da dieses Gericht der soeben dargestellten Zweiteilung der Verwertungsverbote folgt, ist aus diesem Vorgehen zu schließen, daß in den entschiedenen Fällen (stillschweigend) die prozeßordnungsgemäße Erlangung der Zufallsfunde bejaht worden ist8 . Der Begriff der Beweiserhebung findet hierbei keine Verwendung. Aus den knappen Begründungen ergibt sich, daß die Beweisgewinnung eines Zufallsfundes immer dann rechtmäßig sein soll, wenn die Anordnung und die Durchführung der Überwachungsmaßnahmen nach § lOOa jeweils den formellen und materiellen Voraussetzungen entsprachen9 • b) Rechtsprechungsnahe Auffassungen im Schrifttum Zum Teil stellt das Schrifttum die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung beim Anfall von Zufallsfunden überhaupt nicht, sondern problematisiert ausschließlich die Verwertungsgrenzen dieser Erkenntnisse lO • 7 BGHSt 26, 298, 301; 27, 355, 356; 28,122,124; 30, 317, 318f.; BGH, NJW 1979, 1370,1371; BGHSt 32,10, 14ff., im übrigen s.o. Kap. 1 vor I. 8 Hierfür spricht insbesondere auch die Tatsache, daß der Bundesgerichtshof in gegenteilig gelagerten Fällen, in denen es ausdrücklich nicht um verfassungsrechtliche Beweisverwertungsverbote geht, die Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung ausführlich begründet; vgl. etwa zur Unverwertbarkeit abgehörter Telefongespräche zwischen einem V-Mann und einem Tatverdächtigen BGHSt 31, 304, 306ff.; ausdrücklich BGHSt 32, 68, 70. 9 Vgl. vor allem schon BGH, Urteil vom 5. März 1974 - 1 StR 365/73: "Er (der Ermittlungsrichter, Anm. d. Verf.) prüfte, wie die Begründung seiner Anordnungen beweist, die in § 100a StPO umschriebenen Voraussetzungen. Seine Annahme, es liege auf Grund bestimmter Tatsachen der Verdacht einer Straftat nach § 129 StGB vor, ist nicht zu beanstanden ... Die Tonträger ... waren verwertbare Beweismittel. Der Senat hat nicht die Frage zu beantworten, wie die Rechtslage wäre, wenn Anklage und Eröffnungsbeschluß hinreichenden Tatverdacht für ein Vergehen nach § 129 StGB nicht bejaht hätten. Er wurde bejaht und seine Begründung war durchaus vertretbar. "; ebenfalls BGH, NJW 1979,1370,1371: "Daß ... die Voraussetzungen für (die) Anordnungen ... zu Unrecht angenommen (wurden), behauptet der Angekl. nicht. Das Revisionsgericht hat infolgedessen keinen Anlaß, sich mit der Frage der Zulässigkeit dieser Anordnungen zu befassen, die eindeutig wegen einer Katalogtat ergangen sind."; BGHSt 27, 355, 356: "Zwar sind die Tonbänder in rechtlich einwandfreier Weise aufgenommen worden ... "; BGHSt 28,122,124: "Auszugehen ist von der Zulässigkeit der beiden Abhörmaßnahmen. ". 10 Alsberg / Nüse / Meyer 524 ordnen die Problematik des Zufallsfundes ohne jegliche Begründung den verfassungsrechtlichen Verwertungsverboten zu; Dünnebier, in: Demokratie und Recht 1980, 383, 391; Kaiser, NJW 1974, 349f.; Kleinknecht / Meyer
IlI. Argumentationsstrukturen zur Verwertbarkeitsfrage
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Vielfach wird ohne weitere Begründung auf die verfassungsrechtlichen Verwertungsverbote verwiesen. Entweder wird hierbei - ausdrücklich oder stillschweigend - die These vertreten, die rechtmäßige Anordnung und Durchführung einer Überwachungsmaßnahme nach § lOOa führe stets zur Rechtmäßigkeit aller aus diesem Eingriff entspringenden Beweismittel oder aber ein differenzierender Ansatz nicht konsequent fortgeführt. So weisen etwa Meyer ll , Müller 12 und Schäfer13 ausdrücklich darauf hin, daß es sich bei einer nach Anordnung und Durchführung rechtmäßigen Telefonüberwachung stets um rechtmäßige Beweiserhebung handele. Auch Zufallsfunde seien damit rechtmäßig erlangte Kenntnisse von Tatsachen oder Beweismitteln. Fraglich sei nur, ob ein Beweisverbot aus dem Grundgesetz bestehe 14 • Dieser Ansicht hat sich auch Joecks 15 mit dem Hinweis angeschlossen, es ginge bei Zufallsfunden gerade nicht um die Frage, ob ein unzulässig gewonnenes Beweismittel der Verwertung zugeführt werden dürfe. Schon früher hatte Schroeder16 bemerkt, daß bei § lOOa hinsichtlich der dort genannten Delikte eine Beweiserhebungserlaubnis bestehe, mit der Folge, daß Zufallsfunde den Beweisverwertungsverboten zuzuordnen seien, denen gerade kein Beweiserhebungsverbot zugrundeliege 17 . Hingegen scheint sich Herdegen 18 auf den ersten Blick mit der Frage der Beweiserhebung näher auseinandergesetzt zu haben. Er führt aus, daß die Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger, die Beweismittel hervorbringe, die nicht im Zusammenhang mit Katalogtaten stünden, Beispiele unzulässiger Beweiserhebung seien. Da eine Begründung jedoch fehlt, ist nicht nachprüfbar, ob es § 100a Rdnr. 18ft.; § 111 Rdnr. 29; § I11b Rdnr. 11; § 119 Rdnr. 26; § 163b Rdnr. 22;
Kühne Rdnr. 26lf. ohne dogmatische Einordnung für ein umfassendes Verwertungsverbot bei Zufallsfunden nach § 100a; Mösch, Kriminalistik 1975, 337ff.; Odenthai, NStZ 1982, 390f.; Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 578ft. (bzg!. § 100a); Rüping Rdnr. 259; Weber, NJW 1973, 1056f. 11 Meyer, in: LR (24. Aufl.), § 100a Rdnr. 13f. 12 Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15. \3 Schäfer, in: LR (24. Aufl.), Ein!. Kap. 14 Rdnr. 24,36. 14 A. A. hierbei Müller, in: KMR, § 100a Rdnr. 15, der für uneingeschränkte Verwertbarkeit eintritt; in der Argumentation ähnlich, wenn auch mit anderem Ergebnis (nämlich eingeschränkte Verwertbarkeit), Peters § 49 11, S. 428, der zwischen unzulässiger Anordnung (mit der Folge eines Verwertungsverbotes) und zulässiger Anordnung unterscheidet, im letzteren Fall indessen sofort auf die Frage der Verwertbarkeit eingeht; gegen Müller wendet sich unter Hinweis auf die Grundrechtsbeeinträchtigung Pelehen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 39f. (ebenfalls ohne Problematisierung der Beweiserhebungsfrage ). 15 !oecks, JA 1983, 59, 61; im übrigen ein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot bejahend. 16 Schroeder, JR 1973, 253. 17 Schroeder ebd.; ähnlich Roxin § 34 C IV 4, wobei dort der Begriff der "Beweiserhebung" überhaupt nicht genannt wird; Roxin geht allerdings von einer zulässigen Überwachung aus. 18 Herdegen, in: KK (1. Aufl.), § 244 Rdnr. 76.
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
sich bei dieser Bemerkung nur um eine terminologische Verschiebung der Begriffe hande1t1 9 oder um eine nicht näher ausgeführte dogmatische Behauptung. Ähnlich muß Laufhüttes20 Bemerkung, die rechtlich einwandfreie Anordnung und Durchführung einer Maßnahme nach § lOOa führe nicht ohne weiteres dazu, daß die so gewonnenen Erkenntnisse zum Nachweis einer anderen Straftat verwendet werden dürften, bewertet werden. Der anschließende Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes im 28. Bande läßt nämlich vermuten, daß auch hier eine Einordnung in den Bereich verfassungsrechtlicher Verwertungsverbote angestrebt wird. Kaum mit dem Problembereich der Beweiserhebung befaßt sich Knauth 21 , der in einer Anmerkung lediglich darauf hinweist, daß bei der Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden bei § lOOa zu unterscheiden sei, ob die Erkenntnisse auf einer zulässigen oder unzulässigen Überwachung beruhten. Abgesehen davon, daß ein Ergebnis dieser Differenzierung nicht mitgeteilt wird, ist Knauth zu Folge die Beweiserhebung rechtmäßig, wenn die in den §§ lOOa, lOOb umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Wolfgang B. Schünemann 22 hat zwar betont, daß beim Auftreten von Zufallsfunden durch Maßnahmen nach § lOOa zwischen Beweiserhebung und Beweisverwertung - zwei "in funktioneller Verbindung stehenden Problemkreisen" - zu unterscheiden sei. Die Frage jedoch, wann die Beweiserhebung als rechtmäßig anzusehen ist, behandelt Schünemann ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit der Überwachungsanordnung im Rahmen des § lOOa. Dencker23 hingegen ordnet die Problematik der Zufallsfunde den unabhängigen, verfassungsrechtlichen Verwertungsverboten zu. Als Begründung führt er ohne Erläuterung an, es fehle bei Zufallsfunden an einem vorhergehenden staatlichen Unrechtsakt. Auch nach Dencker sind die Ergebnisse der Telefonüberwachung nur dann rechtswidrig erlangt, soweit die Anordnung der Maßnahme rechtswidrig war24 . Rudolphi25 bemerkt, daß der "Schluß von der Zulässigkeit der Beweiserhebung auf die Zulässigkeit der Beweisverwertung nicht zwingend" sei, weil "ein Eingriff in fremde Rechtssphären, der von unserer Strafprozeßordnung zur Erlangung bestimmter Beweismittel zugelassen worden ist, stets und 19 Dafür könnte etwa sprechen, daß Herdegen das Abspielen eines Tonbandes in der Hauptverhandlung als Beweiserhebung bezeichnet (wobei diese Einordnung und Klassifizierung ebenfalls begründungslos erfolgt). 20 Lau[hütte, in: KK, § 100a Rdnr. 18. 21 Knauth, NJW 1977,1510 (insb. in Fn. 5). 22 Walfgang B. Schünemann, NJW 1978, 406, 407. 23 Dencker, Verwertungsverbote, 133, dargestellt am Fall des Hanseatischen Oberlandesgerichts, NJW 1973, 157f.; diese Einordnung wird insbesondere auch daran deutlich, daß der Abschnitt über das Telefongeheimnis einen Unterpunkt der Verwertungsverbote aus Grundrechten bildet, vgl. dazu S. 101 und 132. 24 Das ist zumindest aus den bei Dencker gebildeten unterschiedlichen Fallkonstruktionen erkennbar. 25 Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 446f.
III. Argumentationsstrukturen zur Verwertbarkeitsfrage
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notwendig" gerade nicht "nur solche Beweismittel zutagefördert, wegen deren Erlangung er zugelassen worden ist". Von der Zulässigkeit der Telefonüberwachung nach § 100a wird allerdings ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung von Zufallsfunden geschlossen 26 . Diesem Ansatz vergleichbar sind Ausführungen von Gösse[27, der zunächst von der These ausgeht, daß die Zulässigkeit der Telefonüberwachung "naturgemäß" zur Folge habe, daß die im Rahmen der Überwachungs anordnung gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren gegen den Überwachten unbeschränkte Verwertbarkeit erfahren könnten. Jedoch soll die Verwertung dann beschnitten werden, wenn es sich um zufällig erlangte Kenntnisse außerhalb des Überwachungsauftrages handele. Gössel begründet dies mit dem Grundrechtsschutz aus Art. 10 GG28. Schließlich ist noch Schlüchter29 anzuführen, die sich für ein Beweisverwertungsverbot bei Zufallsfunden im Falle des § 100a ausspricht, soweit die Fernmeldeüberwachung durchgeführt worden ist, "ohne daß die Voraussetzungen des § 100a StPO erfüllt sind". Was dies aber bedeuten soll, bleibt unklar. Dem Hinweis , daß es sich bei dem Beweisverwertungsverbot um ein selbständiges Verbot handeln solle, ist zu entnehmen, daß auch Schlüchter von der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung ausgehPo. Damit könnte die Bemerkung, daß das Verwertungsverbot sich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 100a gründe, bedeuten, daß Schlüchter lediglich damit sagen will, daß das Ergebnis der Zwangsmaßnahme nicht den Voraussetzungen des § 100a entspreche3!. Der Satz scheint damit das - nicht nur hier zu beobachtende - Unbehagen, die Beweiserhebung von Zufallsfunden als insgesamt rechtmäßig anzusehen, widerzuspiegeln. c) Problematisierende Ansätze im Schrifttum
Insbesondere Welp hat die in einer Anmerkung zu dem einleitend angeführten Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts vorbereiteten Gedanken 32 zum Problem der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung bei Zufallsfun26 Ebd.: "An der Zulässigkeit solcher Aufnahmen ist gewiß nicht zu zweifeln ... "; hiernach erfolgt die üblicherweise problematisierte Frage nach der Grundrechtsverträglichkeit des Verwertungseingriffes im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes . 27 Gössel II, 99. 28 Ebd.; das entspricht der allgemein verwendeten Argumentation auf der Ebene verfassungsrechtlicher Verwertungsverbote. 29 Schlüchter Rdnr. 354. 30 Andernfalls läge (nach allgemeiner Terminologie) ein unselbständiges (von einem Verfahrensverstoß abhängiges) Verwertungsverbot vor. 31 Dafür spricht auch der Satz bei Schlüchter Rdnr. 354: "Das Ergebnis der Fernmeldeüberwachung selbst ist nämlich nur zum Nachweis der Katalogtat verwertbar.". 32 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157f. mit Anm. Welp, JZ 1973, 289f.
Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
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den später zusammenhängend dargestellt33 . Die Zulässigkeit strafprozessualer Untersuchungshandlungen soll Welp zu Folge allein nach dem zur Zeit ihrer Anordnung und Durchführung bestehenden Tatverdacht, nicht jedoch nach ihrem erst ex post erkennbaren Ergebnis, beurteilt werden. Ein Eingriff sei zulässig und rechtmäßig, wenn der Verdacht der Begehung einer Katalogtat zum Zeitpunkt der Anordnung, einer Verlängerung der Anordnung und auch während der Dauer der Überwachung in dem durch § lOOa Satz 1 geforderten Qualifizierungsgrad gegeben sei. Eine nachträgliche Annulierung dieser Bewertung sei nicht möglich 34 . Hieraus zieht Welp nun den Schluß, daß man "der Problematik der Zufallsfunde durch die Konstruktion eines auf den Zeitpunkt der Überwachung datierenden Beweiserhebungsverbots und eines daraus abzuleitenden Verwertungsverbots" nicht "Herr ... werden" könne 35 • Entscheidend sei vielmehr, ob und unter welchen Voraussetzungen ein selbständiges, von der Verletzung eines Beweiserhebungsverbots unabhängiges, Verwertungsverbot die Beweisführung ausschließe 36 • Demgegenüber betont Maiwald37 besonders, daß hinsichtlich eines Zufallsfundes keine Überwachungsanordnung nach § lOOa ergangen sei. Trotz dieses Umstandes sei die Überwachung "legal" und schaffe "ein in jeder Hinsicht "unbedenkliches" Beweismittel". Nach Maiwald soll der durchgeführte Eingriff auf seine Zulässigkeit "an sich" überprüft werden, was bedeuten soll, daß lediglich von dem Umstand abzusehen sei, daß der Eingriff nicht im Rahmen des Verfahrens erfolgte, dessen Ermittlungszwecken seine Vornahme dienlich war. Auch Lehmann38 fragt sich, ob das Auftreten von Zufallsfunden Auswirkungen auf die Zulässigkeit einer rechtlich begründeten Überwachungs anordnung haben könnte. Er verneint dies mit der Begründung, der Gesetzgeber habe die Zulässigkeit einer Überwachungsanordnung nicht davon abhängig machen wollen, ob diese gerade nur die gesuchten Beweismittel zu Tage fördere. Andernfalls würden auch die praktischen Möglichkeiten einer erfolgversprechenden Fernmeldeüberwachung unterlaufen 39 • Die eigentliche Problematik Welp, Jura 1981, 472ff. Welp, Jura 1981, 472, 473f. 35 So ausdrücklich ebd. 36 Welp, Jura 1981, 472, 474, im Anschluß an Dencker, Verwertungsverbote, 101ff. und dessen Unterscheidung zwischen selbständigen (verfassungsrechtlichen) und unselbständigen (von einem Verfahrensverstoß abhängigen) Verwertungsverboten; in Anlehnung an Welp auch Golla, JuS 1984,128,129 und Paulus, Jura 1984,147, 155f.; ähnlich auch Joecks, JA 1983, 59, 61, der ausdrücklich betont, daß es nicht um die Frage gehe, ob ein unzulässig gewonnenes Beweismittel verwertet werden dürfe; ähnlich Rogall, NStZ 1988, 385, 391f., der auf einen "abstrakten hypothetischen Ersatzeingriff" abstellt. 37 Maiwald, JuS 1978, 379, 382. 38 Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 126ff.; ders., ArchPF 1979,1,11. 39 Ebd., wobei Beispiele gebildet werden, die aufzeigen sollen, daß eine Bejahung der obigen These zu merkwürdigen Ergebnissen führen könnte (etwa Abbruch der Ver33
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III. Argumentationsstrukturen zur Verwertbarkeitsfrage
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der Zufallsfunde liege daher im Bereich der Beweisverwertung40 • Bemühungen, die Problematik der Zufallsfunde bereits auf der Ebene der Beweiserhebung dogmatisch zu erfassen, finden sich auch bei Schumacher41 , der im Hinblick auf § 100a drei Gruppen von rechtswidrig erlangten Erkenntnissen unterscheidet. Rechtswidrigkeit liege vor, wenn die Anordnung der Maßnahme rechtswidrig war bzw. zwar die Anordnung rechtmäßig war, die Durchführung der Maßnahme jedoch rechtswidrig erfolgte. Darüberhinaus lägen rechtswidrig erlangte Erkenntnisse auch dann vor, wenn die Durchführung der Maßnahme zwar dem Inhalt der rechtmäßigen Anordnung entsprach, die erlangten Ergebnisse jedoch nicht in Beziehung zum Gegenstand bzw. zur Person der Maßnahme standen 42 • Zufallsfunde seien in diese letzte Gruppe einzuordnen 43 • Gleichwohl betont Schumacher ausdrücklich, daß es in den geschilderten Fällen ausschließlich um Fragen der Beweisverwertung ginge44 • Anknüpfend an allgemeine Untersuchungen zu den Beweisverwertungsverboten wird ein auf Art. 10 GG gestütztes Verwertungsverbot konstruiert, welches bei einer unter Grundrechtsverletzung erfolgten Beweisgewinnung eingreifen soll. Art. 10 GG sei beeinträchtigt, wenn es sich um Eingriffe handele, die durch die Voraussetzungen 45 der §§ lOOa, 100b nicht gedeckt seien. Eine derartige Grundrechtsbeeinträchtigung liege auch beim Auftreten von Zufallsfunden vor46 . Inkonsequent erscheint an diesen Überlegungen zunächst, warum der Weg zu einer Konstruktion eines verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes beschritten wird, obwohl Schumacher durchgehend folgung eines Mordes wegen zufälligen Anfalls von Beweismitteln für einen bislang unbekannten Diebstahl). 40 Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 128; ders., ArchPF 1979, 1, 11 (wortgleich): " ... die Problematik der Zufallsfunde (ist) weniger im Bereich der Beweiserhebung als vielmehr im Bereich der Beweisverwertung anzusiedeln ... "; "an der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung" bestehe "kein Zweifel", so Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 209 bzw. ArchPF 1979,113,117. 41 Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 272ff. 42 Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 273f. (mit Beispielen). 43 Beachte soweit insbesondere Schumacher, diss. iur Hamburg 1976, 302: "Bei den hier geschilderten Fällen handelt es sich aber um eine Art der Beweisgewinnung, die den gesetzlichen Bestimmungen dadurch widerspricht, daß sie nicht auf den in der Anordnung gegenständlich und personell fixierten Rahmen der Untersuchung beschränkt geblieben ist. "; entsprechend lehnt Schumacher (S. 304) auch den Satz des HansOLG, NJW 1973, 157f. ab, der besagt, daß die Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses im (damaligen) ursprünglichen Verfahren gesetzmäßig erfolgt sei. 44 Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 274ff. 45 Zu den Voraussetzungen der Telefonüberwachung zählt Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 292f., 306 den Verdacht nach § lOOa Satz 2, das Übermaßverbot, die Subsidiarität nach § l00a Satz 2, die Anordnungskompetenz nach § lOOb Abs. 1 Satz 1 und die von ihm als solche bezeichnete "Tatverhaftetheit". 46 Das wird deutlich bei Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 306: "Werden also, abgesehen von der Tatverhaftetheit, sämtliche Voraussetzungen für die Anordnung einer Überwachung erfüllt ... " . 4 Labe
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
abweichend von allen übrigen Auffassungen - von der Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung von Zufallsfunden auszugehen scheint. Nach allgemeiner Ansicht könnte in diesem Fall gerade auf ein grundrechtliches Verwertungsverbot verzichtet werden 47 • Sollte jedoch mit diesen Ausführungen eine Kombination aus rechtswidriger Beweisgewinnung und verfassungsrechtlichem Verwertungsverbot vertreten werden, so fehlt es für diese neuartige Konstruktion an jeglicher Begründung. Dies muß um so mehr Geltung haben, als Schumacher, sich an Welp anlehnend, zur Feststellung der Verwertbarkeit einen hypothetischen Wiederholungseingriff fordert 48 • Abgesehen davon wird die Rechtswidrigkeit der Beweisgewinnung von Zufallsfunden mehr behauptet als begründet. Schumacher zu Folge mangelt es bei Zufallsfunden an der in § lOOa enthaltenen Voraussetzung der "Tatverhaftetheit". Offen bleibt indes, wie dieses Merkmal vor dem Auftreten eines Zufallsfundes überhaupt als Eingriffskriterium Einfluß erhalten kann. Ein Zufallsfund ist ja gerade zum Zeitpunkt der Anordnung noch unbekannt. Die Frage, ob das Ergebnis einer Überwachungsmaßnahme nach § lOOa im Sinne Schumachers "tatverhaftet" ist, kann also vor Durchführung der Maßnahme weder bejaht noch verneint werden. Mit Hilfe des Merkmals der "Tatverhaftetheit" kann demnach allenfalls rückwirkend die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt werden. Das aber sagt Schumacher gerade nicht. Das Ausweichen auf die Frage nach einem verfassungsrechtlichen Verwertungverbot scheint vielmehr zu beweisen, daß Schumacher letztlich doch von der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung ausgehend ausschließlich die Frage eines von einem Verfahrensverstoß unabhängigen Verwertungsverbotes problematisiert wissen will. Damit aber unterscheidet er sich im Ergebnis von den bisher dargelegten Auffassungen nicht. Auch die von Prittwitz 49 geäußerten Gedanken führen hinsichtlich der Frage der Beweiserhebung von Zufallsfunden nicht weiter. Prittwitz betont zunächst, daß für jeden Eingriff in grundrechtlieh geschützte Positionen eine gesetzliche Grundlage notwendig sei. Entsprechend müsse auch die Verwertung von Zufallsfunden, die einen Eingriff darstelle, gesetzlich geregelt werden. Die Frage der Beweiserhebung von Zufallsfunden bleibt hingegen unerörtert. Daß die Zulässigkeit einer Telefonüberwachung nicht zwangsläufig zur Verwertbarkeit aller durch sie erlangten Erkenntnisse führen muß, erkennen auch Blei50 , Bottke51 , Golla52 , Kohlmann 53 , Paulus54 und Sonnen 55 , wobei diese Autoren allerdings nur auf die Frage der Beweisverwertung eingehen. Dazu s.o. Kap. 1111 1. Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 306; wobei anzumerken bleibt, daß Welp, JZ 1973, 289f. (und auch in Jura 1981, 472ff., hier noch nicht von Schumacher zitiert) im Gegensatz zu Schumacher gerade von der Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung ausgeht. 49 Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 309. 50 Blei, JA 1976, 675f. 51 Battke, JA 1980, 748. 47
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III. Argumentationsstrukturen zur Verwertbarkeitsfrage
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3. Ergebnis der Analyse
Die Diskussion um die Problematik der Zufallsfunde konzentriert sich zumindest im Falle der Telefonüberwachung nach § 100a - auf die Frage der Verwertbarkeit des gefundenen Beweismittels. Gestritten wird insbesondere um die Grenzen eines aus dem Grundrecht nach Art. 10 GG konstruierten verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes. Das Zurückgreifen auf ein derartiges Verwertungsverbot ist die konsequente Folge der in Rechtsprechung und Schrifttum durchgehend vertretenen Ansicht, von der Rechtmäßigkeit der Anordnung und Durchführung der Überwachungsmaßnahme sei auf die rechtmäßige Beweisgewinnung von Zufallsfunden zu schließen. Auch unter der Prämisse, daß Zufallsfunde bei der Telefonüberwachung das unvermeidliche Ergebnis einer in jeder Hinsicht rechtmäßigen Abhörmaßnahme sind, ist jedoch zu überlegen, ob nicht bereits vor dem Verwertungsakt des Beweismittels gelagerte Phasen im "Leben" eines solchen Beweismittels der prozessualen Prüfung unterzogen werden müssen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß in Rechtsprechung und Schrifttum im Hinblick auf die Beweisgewinnung von Zufallsfunden häufig unpräzise Ausdrücke Verwendung finden, die eine gewisse Unsicherheit widerspiegeln. So hat beispielsweise der Bundesgerichtshof eine Überwachungsmaßnahme, die alle Voraussetzungen des § 100a umfaßte, im Verlaufe deren Durchführung es jedoch zu einem Zufallsfund kam, nicht als zulässig überwachtes, sondern als ein "an sich zulässig" überwachtes Ferngespräch bezeichnet56 • Ähnliche Formeln findet man auch vielfach im Schrifttum5? Im Ablauf vor der Verwertung eines gewonnenen Beweismittels liegt die - kürzere oder längere Zeit währende - Aufbewahrung des Beweismittels. Ob diese Phase der Aufbewahrung eines Zufallsfundes verfahrensrechtlich einwandfrei Golla, JuS 1984, 128, 129. Kohlmann, JA 1978, 594, 595f. 54 Paulus, Jura 1984, 147, 155. 55 Sonnen, JA 1982, 268. 56 BGHSt 26, 298, 303. 57 Etwa Geppert, Jura-Kartei, StPO, § 100a/2 a.E.: "an sich zulässige Te\efonüberwachung"; ähnlich Gössel 11, 109, Kontrollfrage 6: "wenn auch die Telefonüberwachung selbst zulässig war", so stelle doch "die Ermittlung von Zufallserkenntnissen einen Verstoß gegen den Geist des § 100a StPO" dar; Knauth, NJW 1977, 1510, 1511, der den Bundesgerichtshof zitiert: "das bei einem an sich zulässig überwachten Ferngespräch anfallende Material"; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 126 und ArchPF 1979, 1, 11: "Zulässigkeit einer ansonsten rechtlich begründeten Fernmeldeüberwachungsanordnung"; Maiwald, JuS 1978, 379, 381: "an sich zulässige(r) Te\ephonüberwachung"; Welp, Überwachung, 219 unterscheidet "unzulässige" Eingriffe, die "als solche nicht den Bedingungen entsprechen, von denen das Gesetz die Zulässigkeit der Überwachungsmaßnahmen abhängig macht" und "zulässige als solche nicht zu beanstandende Eingriffe", die Beweismittel zu Tage fördern, deren Beweiswert auf ein anderes Strafverfahren bezogen ist. 52 53
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
ist, wurde bislang noch nicht untersucht58 • Möglicherweise hat damit die Konzentration der Diskussion auf die Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden dazu geführt, daß der Blick voreilig auf verfassungsrechtliche Verwertungsverbote gelenkt wurde, wenngleich die Möglichkeit eines strukturierteren, von einem Verfahrensverstoß abhängigen Verwertungsverbotes ungeklärt blieb. IV. Die Funktion des § 108 Eine gesetzliche Regelung zur Behandlung von Zufallsfunden fand sich lange Zeit ausschließlich in § 108 der Strafprozeßordnung. Die Einführung der Netzfahndung gemäß § 163d 1 hat diesen Zustand verändert. Das Verhältnis der in § 163d Abs. 4 Satz 5 getroffene Regelung zu § 108 ist allerdings noch ungeklärt2 . Wortlaut und systematische Stellung des § 108 im achten Abschnitt der Strafprozeßordnung - Beschlagnahme, Überwachung des Fernmeldeverkehrs und Durchsuchung - lassen erkennen, daß diese Vorschrift dem Regelungskomplex der Beschlagnahme und Durchsuchung zuzuordnen ist 3 • Da nun Zufallsfunde nicht ausschließlich bei Durchsuchungen, sondern auch bei der Durchführung anderer Zwangsmaßnahmen auftreten4, bemühen sich Rechtsprechung und Schrifttum, die Vorschrift des § 108 auch für diese Fälle fruchtbar zu machen. Hierbei wird vor allem versucht, nicht nur die möglicherweise in § 108 enthaltenen verfahrensrechtlichen Grundgedanken als Argumentationshilfen heranzuziehen, sondern insbesondere diese Vorschrift auf dem Wege der Analogie nutzbar zu machen 5 . Auch hier sind Defizite feststellbar. Im Hinblick auf die Frage, ob eine Norm analogiefähig ist, bedarf es nämlich nach einhelliger Ansicht stets zunächst der Rückbesinnung auf die Zwecke und Grundgedanken der Vorschrift 6 • Ausgangspunkt teleologischer Ausle58 Fezer, JuS 1979, 186, 190 weist lediglich auf diesen Ansatz hin, ohne den Gedanken weiter zu entwickeln; auch Fezer II 16/96. 1 Paßgesetz vom 19. April 1986 (BGBI. 1537), in Kraft seit 1. April 1987; zur geplanten Einführung weiterer Zufallsfundregelungen vgl. den Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Justiz zu den §§ 98a, b StPO n. F. (Rasterfahndung), zit. bei Wolter, GA 1988, 129. 2 Vgl. hierzu Baumann, Strafverteidiger 1986, 494, 499. 3 Ob § 108 allerdings mehr der Durchsuchung oder mehr der Beschlagnahme zuzuordnen ist, scheint bislang ungeklärt zu sein, vgl. etwa Geerds, in: Dünnebier-FS, 171, 173 Fn. 6: " ... Vorschrift des § 108 StPO, die doch mehr zur Beschlagnahme gehört.". 4 Siehe schon oben Kap. 11. 5 Z. B. wird bei der Frage der Briefkontrolle in der Untersuchungshaft nach § 119 Abs. 3 bei Zufallsfunden § 108 nahezu durchgehend analog angewandt; vgl. dazu nur BVerfG, NJW 1981, 1943, 1951; OLG eelle, NJW 1974, 805, 806; KG, JR 1968, 31; NJW 1975, 354, 356f.; Bockwoldt, ZfStrVO 1982, 153, 157; Driewer, diss. iur. Bochum 1969, 232ff.; Kleinknecht / Janischowsky Rdnr. 381ff.; Peters, JR 1974, 120, 121; Wais, NJW 1967, 2047, 2048; Wimmer, GA 1983, 145, 151.
IV. Die Funktion des § 108
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gung muß hierbei die Erforschung der Zwecksetzungen des historischen Gesetzgebers sein? Der geschichtliche Ansatz fehlt jedoch hinsichtlich der Frage der Analogiefähigkeit von § 108 in der Diskussion um die ZufaIlsfunde durchgehend. Dieses Defizit läßt sich nicht allein im Hinblick auf § lOOa8 , sondern auch bei anderen zufallsfundträchtigen Zwangsmaßnahmen nachweisen9 • Doch nicht nur der fehlende historische Unterbau ist zu bemängeln. Im Falle der Telefonüberwachung nach § 100a wird sowohl für als auch gegen eine analoge Anwendung des § 108 gleichermaßen auf die Struktur der Eingriffe der §§ 102, 103 und § 100a verwiesen, die - je nach Auffassung - als strukturell gleichartig oder gerade verschieden charakterisiert werden lO • Soweit über 6 Vgl. zu diesem Verfahren insgesamt Canaris, Lücken, 24f., 144ff.; Eser, Vorverständnis, 174ff.; Larenz, Methodenlehre, 366f.; Müller, Methodik, 164f.; Pawlowski, Methodenlehre, Rdnr. 616ff. u. 741ff.; Zippelius, Einführung, 67ff. 7 Ausdrücklich Larenz, Methodenlehre, 321. 8 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157, 158; ständige Rechtsprechung seit BGHSt 26, 298, 303; Dencker, Verwertungsverbote, 133; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 10 Rdnr. 49; Joecks, JA 1982, 59, 61; Gössel 11,99; Fezer, JuS 1979, 186, 190; Kaiser, NJW 1974,349; Knauth, NJW 1977,1510,1511; Kohlmann, JA 1978, 594, 596; Kühne Rdnr. 261; Laufhütte, in: KK, § 100a Rdnr. 18; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 211; ders., ArchPF 1979,113,117; Maiwald, JuS 1978, 379, 382; Peters § 49 11, S. 428; Prittwitz, Strafverteidiger 1984, 302, 309ff.; Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 450; Schroeder, JR 1973,253; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 307; W. B. Schünemann, NJW 1978, 406f.; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 40; Rogall, GA 1988, 385, 391; Roxin § 34 C IV 4; Welp, Überwachung, 224f.; ders., JZ 1973, 289; ders., Jura 1981, 472, 475; ders., DÖV 1970, 267, 268; Weber, NJW 1973,1056. 9 Etwa zu § 119 Abs. 3: BVerfG, NJW 1981,1943, 1944, 1947, 1951, wobei Hirsch im Sondervotum (S. 1947) auf RGSt 47, 197 verweist, wo sich allerdings auch keine historische Betrachtung befindet; OLG Celle, NJW 1974, 805, 806; OLG SchIeswig, SchIHAnz 1960, 29; KG, JR 1968, 31; Bockwoldt, ZfStrVO 1982, 153, 157; Driewer, diss. iur. Bochum 1969, 234; Dünnebier, in: LR, § 119 Rdnr. 21; Krohn, diss. iur Hamburg 1971, 219, 226; Kleinknecht / Meyer § 119 Rdnr. 26; Laufhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 3; Müller, in: KMR, § 119 Rdnr. 21; Peters, JR 1974, 120, 121; Schlüchter Rdnr. 232; Veit, Rechtsstellung, 157, 192; Wais, NJW 1967, 2047, 2048; Wendisch, in, LR (24. Aufl.), § 119 Rdnr. 29; Wimmer, GA 1983,145,151; zu §§ 99, ZOO: Laufhütte, in: KK, § 100 Rdnr. 10; Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 19; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 23; aber auch Welp, Überwachung, 95, 221ff., der sich im übrigen ausführlich mit der Analogiefähigkeit von § 108 bei § 100 auseinandersetzt; zu § 163b: Kleinknecht / Meyer § 163b Rdnr. 22; Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 21; Schulz / Berke-Müller § 163b Anm. K; Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 45 und in LR (24. Aufl.) Rdnr. 39; Kurth, NJW 1979,1377,1379. \0 Mit diesem Argument gegen eine Analogie des § 108: BGHSt 26, 298, 303; Blei, JA 1976, 675, 676; Dencker, Verwertungsverbote, 133; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 10 Rdnr. 49; Golla, JuS 1984, 128, 129; Gössel 11, 99; Gössel, JZ 1984, 361, 362; Knauth, NJW 1977, 1510, 1511; ders., NJW 1978, 741, 742; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 40; Schroeder, JR 1973, 253; für eine analoge Anwendung des § 108 hingegen: Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 450; Welp, JZ 1973, 289; ders., Jura 1981, 472, 475; beide unter Hinweis auf die Gleichartigkeit der Eingriffe, deren unterschiedliche Voraussetzungen die Verwertbarkeitsgrenzen veränderten, nicht aber die Analogie grundsätzlich verhinderten; ähnlich Lehmann, ArchPF 1979, 113, 117; diff. Geerds, NStZ 1983,518,519.
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
dieses Argument ll hinaus eine Untersuchung der Norm des § 108 erfolgt, wird auf die unterschiedlichsten Kriterien verwiesen. So soll gegen eine Analogie die Ungleichheit der Eingriffe nach § 100a und den §§ 102,103 12 , andererseits die verschiedenartige Ausgestaltung von Hausrechtsschutz und Schutz des Telefongeheimnisses sprechen 13 . Es wird betont, daß bei § 108 der Zugriff auf Zufallsfunde nur deswegen erlaubt sei, weil eine Durchsuchung gezielt wiederholt werden könne, während nach Bekanntwerden des Zufallsfundes diese Möglichkeit bei § 100a nicht denkbar sei l4 . Auch wird behauptet, daß § 108 nur bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung, nicht jedoch bei der Frage nach der Verwertbarkeit von Zufallsfunden, von Bedeutung sei l5 . In neuerer Zeit wird darüber hinaus betont, § 108 begründe "ein Recht und sogar die Pflicht, Zufallsfunde einstweilen in Beschlag zu nehmen"16. Für eine Analogie soll insbesondere der Zeit und Arbeit ersparende Effekt l ? durch Vermeidung sinnloser Förmlichkeiten l8 sprechen. Vor allem bei anderen Zwangsmaßnahmen wird ohne jegliche Begründung eine analoge Anwendung des § 108 befürwortet l9 oder ebenso begründungslos abgelehnt 20 . Auch wo zumindest auf den ersten Blick - Argumente in die Diskussion einzufließen scheinen, handelt es sich zumeist nur um unbewiesene Behauptungen. Dies soll kurz an der Zwangsmaßnahme der Identitätsfeststellung nach § 163b auf11 Zum Teil bildet dieses Argument die ausschließliche Grundlage für die bei Maßnahmen nach § 100a ablehnende Haltung gegenüber einer Analogie des § 108: etwa BGHSt 26, 298, 303; Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 10 Rdnr. 49; Gössel 11, 99; Knauth, NJW 1978, 741, 742; ders., NJW 1977, 1510, 1511; Pelchen, in: KK, vor § 48 Rdnr. 40; Roxin § 34 C IV 4; Schroeder, JR 1973, 253; in dieser Weise eine Analogie befürwortend, jedoch einschränkend Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 450. 12 Kühne Rdnr. 261. \3 Dencker, Verwertungsverbote, 133f. mit weiteren Argumenten, insbesondere der Vorabbeschränkung auf Katalogtaten in § 100a. 14 BGHSt 31, 296, 301. 15 Wolfgang B. Schünemann, NJW 1978, 406, 407 in konsequenter Fortführung der strikten Trennung zwischen Beweiserhebung und Beweisverwertung bei Zufallsfunden. 16 Rudolphi, in: SK StPO, § 108 Rdnr. 1. 17 Auf diesen Aspekt weisen etwa hin Maiwald, JuS 1978, 379, 382; Mösch, Kriminalistik 1975, 337, 338. 18 Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 210; ders., ArchPF 1979,113,117; Welp, JZ 1973,289,290; ders., Jura 1981, 472, 474; jeweils unter Hinweis auf RGSt 47,195,197: dort hatte das Reichsgericht die Aufhebung einer Beschlagnahme und Aushändigung von Papieren mit anschließender erneuter Beschlagnahme als "wertlose Umständlichkeit" gegenüber der Anordnung der Fortdauer der Beschlagnahme bezeichnet. 19 HansOLG Hamburg, NJW 1973, 157, 158; zu § 119 Abs. 3 etwa: Driewer, diss. iur. Bochum 1969,234; Dünnebier, in: LR, § 119 Rdnr. 115; Kleinknecht / Meyer § 119 Rdnr. 26; Krohn, diss. iur. Hamburg 1971, 219; Laufhütte, in: KK, § 108 Rdnr. 3; Müller, in: KMR, § 119 Rdnr. 21; Schlüchter Rdnr. 232; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 119 Rdnr. 29; zu § 99: vgl. Laufhütte, in: KK, § 100 Rdnr. 10; Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 19; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 23. 20 Paulus, in: KMR, § 244 Rdnr. 579 unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur; auch Roxin, PdW Nr. 138b.
V. Fazit und Gang der weiteren Untersuchung
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gezeigt werden. Im Hinblick auf das Problem von Zufallsfunden bei einer Maßnahme nach § 163b lassen sich neben einem Aufsatz von Kurth 2! Kommentierungen von Kleinknecht / Meyer22 , Rainer Müller23 , Schulz / BerkeMüller24 und Rieß25 finden. Übereinstimmend stellen alle Autoren fest, daß bei Zufallsfunden im Rahmen einer Identitätsfeststellung § 108 analog angewendet werden müsse. Begründet wird diese These nicht näher. Vielmehr beziehen sich Kurth, Rainer Müller und Rieß als Nachweis auf Kleinknecht / Meyer26 . Diese aber stellen an der angegebenen Stelle lediglich fest, daß § 108 anzuwenden sei, weil § 108 auch bei Durchsuchungen an einer KontrollsteIle nach § 111 Abs. 3 analoge Anwendung finde und das Durchsuchen nach § 163b "auch ein solches" nach § 111 sei2? Ein struktureller Vergleich beider Maßnahmen, der diese Analogie tragen könnte, fehlt. Damit aber stehen die soeben angeführten Auffassungen letztlich auf dem Boden einer unbewiesenen These. Zusammenfassend ist hier festzuhalten, daß die Vorschrift des § 108, die gelegentlich als verfassungsrechtlich nicht unproblematisch bezeichnet wird 28 , noch keinesfalls in erschöpfender Weise untersucht worden ist. Das hat zur Folge, daß die Funktion des § 108 im Gefüge der verfahrensrechtlichen Normen und Prinzipien, sowie die daraus resultierende Frage der Analogiefähigkeit, nicht als abschließend geklärt bezeichnet werden kann. Thesen jedenfalls, wie etwa die, es sei "heute gesicherter Standpunkt der Praxis und der neueren Lehre" , daß § 108 im Falle der Maßnahme nach § 100a keine analoge Anwendung finde 29 wirken in ihrer apodiktischen Form daher zumindest etwas voreilig. V. Fazit und Gang der weiteren Untersuchung In diesem Kapitel sollte zum einen deutlich geworden sein, daß die Problematik der Zufallsfunde bislang nur bei einigen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen überhaupt erkannt worden ist. Untersuchungen von ZwangsmaßKurth, NJW 1979, 1377ff. Kleinknecht / Meyer § 163b Rdnr. 22. 23 Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 21 (in beiden Auflagen). 24 Schulz / Berke-Müller § 163b Anm. K. 25 Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 45; in der 24. Aufl. zitiert Rieß in Rdnr. 39 zusätzlich Rainer Müller (KK Rdnr. 31) und Kurth (NJW 1979, 1379 Fn. 38). 26 Ebd.; Schulz / Berke-Müller hingegen ohne Verweisung. 27 Kleinknecht / Meyer § 163b Rdnr. 22: "Dafür spricht auch § 111 III. Hiernach gilt § 108 für die Zufallsfunde, die bei einer Durchsuchung an der KontrollsteIle auftauchen. Dieses Durchsuchen ist auch ein solches nach § 163b.". 28 Vgl. dazu schon Rupp, 46. DJT, Teil 3 A, 18lf.; auch Geerds, in: Dünnebier-FS, 171,173 Fn. 6; ders., NStZ 1983, 518, 519. 29 So Knauth, NJW 1978, 741, 742. 21
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Kap. 1: Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
nahmen erstrecken sich in dieser Hinsicht zudem meist nur auf einen dieser Eingriffe. Strukturelle Vergleiche werden durchgehend nicht versucht. Am Beispiel der Zwangsmaßnahme nach § 100a ist dargestellt worden, daß sich die Diskussion um die Verwertbarkeit von Zufallsfunden auf die Grenzen eines aus Art. 10 GG hergeleiteten verfassungsrechtlichen Verwertungsverbotes konzentriert. Wie aufgezeigt wird hierbei von der Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung eines nach Anordnung und Durchführung rechtmäßig erlangten Zufallsfundes ausgegangen. Diese Behauptung wird indes nicht begründet. Der zeitlich nach der Beweisgewinnung und vor der Beweisverwertung liegenden Zwischenphase der Aufbewahrung des Beweismittels wird keine Beachtung geschenkt. Dargestellt worden ist darüber hinaus, daß die Untersuchung des § 108 - der Norm, die regelt, was mit den bei einer Durchsuchung nach den §§ 102, 103 auftretenden Zufallsfunden geschehen soll zumindest in historischer Sicht erhebliche Lücken aufweist. Schließlich hat sich ergeben, daß bereits der Begriff "Zufallsfund" uneinheitlich verstanden und dementsprechend definiert wird. Diese bei der Diskussion um Zufallsfunde aufgedeckten Defizite beruhen letztlich auf dem Umstand, daß die wissenschaftliche Untersuchung der Strukturen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ebenso als defizitär bezeichnet werden muß. Rechtsprechung und Schrifttum zu einzelnen Maßnahmen sind kaum mehr überschaubar. Hingegen lassen sich übergreifende Arbeiten selten finden!. Eine systematische Durchdringung der Problematik der Zufallsfunde kann indes nur gelingen, wenn zuvor die Grundlagen, nämlich das tatsächliche Entstehen von Zufallsfunden, wie auch die insoweit in der Strafprozeßordnung enthaltenen Regelungen, nämlich die Beweismittel hervorbringenden Zwangsmaßnahmen selbst, in übergreifender systematischer Weise untersucht werden. Im folgenden Kapitel wird deshalb zunächst dargestellt, auf welche vielfältige Weise die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von Straftaten erlangen. Am Beispiel von Lebenssachverhalten aus der täglichen Ermittlungspraxis der Polizei und Staatsanwaltschaften, die der Autor zumeist der Tagespresse entnommen hat, wird ein System entwickelt, aus dem unter anderem deutlich werden soll, wann die Kenntnisnahme von Anhaltspunkten, die auf eine Straftat hindeuten, gezielt und wann sie zufällig erfolgt. Auch soll sich zeigen, daß Straftaten keinesfalls nur durch den Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen aufgedeckt werden. Der weitaus überwiegende Teil der Kenntnisnahme von Straftaten erfolgt vielmehr sogar ohne jede Form eines staatlichen Eingriffs oder sonstigen hoheitlichen Handeins. Diesen aus der Vielfalt des Lebens stammenden Beispielen werden sodann die strafprozessualen Zwangsmaßnahmen gegenübergestellt. Nur in diesem Teilbereich der Möglichkeiten 1
Vgl. etwa Degener, Verhältnismäßigkeit und Nelles, Kompetenzen.
v. Fazit und Gang der weiteren Untersuchung
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einer Kenntnisnahme von Straftaten hat der Gesetzgeber Normen gesetzt. Im Rahmen der Untersuchung dieser streng normierten Eingriffe soll nachgewiesen werden, daß allen diesen Maßnahmen ein gemeinsames Merkmal, nämlich das der "Tatbezogenheit" zu eigen ist. Das hat zur Folge, daß die Aufdeckung von Straftaten durch Zwangsmaßnahmen, auf die deren Einsatz gerade nicht abzielte, nicht den gesetzlichen Voraussetzungen der jeweiligen Eingriffe entspricht. Daß bei allen Zwangsmaßnahmen, die eine Beweismittelgewinnung im weitesten Sinne zum Inhalt haben können, die Möglichkeit besteht, derart unverhoffte Ergebnisse zu erlangen, soll der daran anschließende Abschnitt belegen. Bedingt durch die unterschiedliche Streubreite bei Anordnung und Durchführung der Eingriffe ergeben sich allerdings bei den Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, daß es zu derartigen Ergebnissen kommt, Unterschiede. Auf der Grundlage dieser Überlegungen kann am Schluß des nächsten Kapitels zum einen eine Definition des Zufallsfundes versucht werden, zum anderen die Frage der Rechtmäßigkeit der Beweisgewinnung derartiger Funde beurteilt werden. Im dritten Kapitel wird sodann der Blick auf die bislang vernachlässigte Phase der Aufbewahrung von Beweismitteln gelenkt. Insbesondere wird untersucht werden, inwieweit der Gesetzgeber bei den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen Regelungen geschaffen hat, die diese Phase der Beweismittelaufbewahrung beenden. Hierzu werden auch die von Rechtsprechung und Schrifttum bei einzelnen Zwangsmaßnahmen entwickelten Gedanken einbezogen. Ein Vergleich der Strukturen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen mit dem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch soll die These des Autors verifizieren, daß alle Maßnahmen dem Prinzip der Restitution2 , nämlich der völligen Bereinigung der Folgen eines Eingriffs, unter bestimmten Voraussetzungen unterworfen sind. Aufgezeigt werden wird, daß bei einer Anwendung des Restitutionsprinzips in unbegrenzter Weise die hier im Vordergrund stehenden Zufallsfunde von der Möglichkeit einer weiteren Aufbewahrung - und damit erst recht von der Verwertung - stets und völlig ausgeschlossen wären. Ob das strafprozessuale Restitutionsprinzip tatsächlich diese grenzenlosen Auswirkungen haben und damit gleichsam eine staatliche Restitutionspflicht begründen kann, wird im vierten Kapitel untersucht werden. Anknüpfend an die Frage, inwieweit dem Restitutionsprinzip das Prinzip der Strafverfolgung, also das Legalitätsprinzip entgegenstehen kann, wird zunächst § 108 in bislang nicht erfolgter Weise erforscht werden. Die Untersuchung der historischen Wurzeln dieser Norm wird zeigen, daß die Vorschrift des § 108 ein Relikt des mittelalterlichen Inquisitionsverfahrens darstellt, welches dem modernen rechtsstaatlichen Strafverfahren völlig fremd sein müßte. Auf der Grundlage 2
Zur Begriffsbildung des Verfassers siehe schon oben in der Einleitung.
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Kap. 1; Defizite in der Diskussion um Zufallsfunde
dieses Ergebnisses wird ein Ausgleich zwischen dem Restitutionsprinzip und dem Legalitätsprinzip hinsichtlich der weiteren Verwertbarkeit von Zufallsfunden versucht, welches auch den Bedürfnissen der Strafverfolgungspraxis, soweit diese als verfahrensrechtlich hinnehmbar erscheinen, gerecht werden soll.
Kapitel 2
Der Zufallsfund beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen I. Die Aufdeckung von Straftaten
Die von Rechtsprechung und Schrifttum problematisierende Hervorhebung des Begriffes "Zufallsfund" vermittelt dem unvoreingenommenen Leser möglicherweise den Eindruck, daß die zufällige Aufdeckung von Straftaten der einer besonderen Würdigung notwendige Ausnahmefall sei. Betrachtet man indes die vielfältigen Wege, auf denen es zur Kenntnisnahme von Straftaten kommen kann, so zeigt sich das Gegenteil. Hierbei bildet das Tätigwerden der Staatsanwaltschaft, welches nach § 160 Abs. 1 an einen Straftatverdacht geknüpft istJ, beziehungsweise im "ersten Zugriff" nach § 163 das der Polizei häufig nur den Schlußpunkt einer voraufgegangenen Aufdeckung der Straftat durch andere Personen. Tatsachen, die auf eine Straftat hindeuten, können zum einen unmittelbar wahrgenommen werden. Der Verdacht einer Straftat kann andererseits aber auch dadurch entstehen, daß erst auf Grund irgendeiner Maßnahme oder Handlung eine Tatsache in Erscheinung tritt, deren weitere Überprüfung strafrechtlich relevante Umstände offenbart. Dementsprechend soll im folgenden zwischen unmittelbarer und mittelbarer Kenntnisnahme unterschieden werden. Straftaten, die in einer der Öffentlichkeit allgemein zugänglichen Sphäre etwa auf Straßen, in Parkanlagen, in Badeanstalten, in Büchereien, in Kaufhäusern, in Verkehrsmitteln etc. - begangen werden, können durch schlichte Beobachtung unbeteiligter dritter, nicht hoheitlich handelnder Personen entdeckt werden und hiernach den Strafverfolgungsbehörden durch Anzeige zur Kenntnis gelangen (Fallgruppe I a). Die betreffenden Personen werden zumindest im Regelfall - kaum in der planvollen Absicht2 handeln, deliktsbezogene Tatsachen wahrzunehmen. Beispielsweise hat ein im Park spazierengehender Passant, der Augenzeuge eines Raubes wird, nicht gerade die Grünanlage betreten, um derartige, möglicherweise auftretende Delikte beobachten Wobei dieser durch eine "Anzeige" oder "auf anderem Wege" entsteht. Zur Unterscheidung zwischen planvoller Tätigkeit und Zufall siehe noch später in Kap. 4 H. 1
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
zu können. Selbst wenn es sich in diesem Fall um einen übereifrigen Staatsbürger handelte, der Stadt und Land auf der Suche nach Straftaten durchstreifte, hätte dieser durchweg nicht eine bestimmte, im vornherein zu identifizierende Straftat im Auge. Die entsprechende Beobachtung dürfte damit fast immer zufällig sein. Aber auch Straftaten, die in der Geheimnissphäre des Einzelnen begangen worden sind, können durch solche Personen aufgedeckt werden, wenn diese auf Grund bestimmter Umstände derartige Einblicke zu erlangen in der Lage sind (Fallgruppe I b). Häufig dürfte es sich hierbei um Menschen handeln, die aus geschäftlichen oder privaten Gründen den nicht allgemeinzugänglichen Aufenthalts- oder Lebensbereich des Straftäters betreten dürfen3 . Wohnungen und ähnliche Bereiche werden in diesen Fällen kaum mit dem Ziel, an diesen Orten Straftaten zu erforschen, aufgesucht werden. So handelt beispielsweise der Heizungsmonteur, der in einem Zimmer erhebliche Mengen von Videorecordern entdeckt, bezogen auf diese Wahrnehmung nicht planvoll. Auch hoheitlich handelnde Personen können Straftaten auf verschiedenste Weise entdecken. Zunächst ist auf solche Hoheitsträger zu verweisen, die nicht zur Strafverfolgung berufen sind, denen aber auf Grund ihrer ihnen zugewiesenen Tätigkeit notwendig Tatsachen der Geheimnissphäre des Einzelnen zur Kenntnis gelangen (Fallgruppe 11). Hierzu zählen beispielsweise Bedienstete der Finanzbehörden4 , der Post5 oder anderer staatlicher Einrich3 Derartige Einblicke haben etwa Hausmeister, Handwerker, Außendienstmitarbeiter von Versicherungsgesellschaften und dergleichen mehr; vgl. auch den von Mauz, in: DER SPIEGEL vom 27. August 1984 (Nr. 35), 81 berichteten Fall: Ein Strafrichter hatte sich in seiner Wohnung von jungen Mädchen aus der Nachbarschaft besuchen lassen, um an ihnen sexuelle Handlungen verschiedenster Art vorzunehmen. Diese Vorgänge hielt er auf zahlreichen Fotos und Filmen fest. Zum Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern kam es, als der Beschuldigte mehrere Filme in die Fotoabteilung eines Kaufhauses brachte und im Fotolabor den dort Beschäftigten die entwickelten Bilder auffielen. 4 So sind etwa die Stellen der Finanzbehörden, die die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im sog. Besteuerungsverfahren betreiben, nicht zur Verfolgung von (Steuer)Straftaten ermächtigt oder berufen (zur Abgrenzung zwischen Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren vgl. Schick, JZ 1982, 125ff.); gleichwohl besteht im Rahmen der Feststellungen die Möglichkeit, daß Betriebsaußenprüfer der Finanzbehörden Tatsachen zur Kenntnis nehmen, die den Verdacht einer allgemeinen, noch nicht einmal in die Ermittlungskompetenz der Finanzbehörde gehörenden (vgl. dazu § 386 AO: Steuerstraftat im Sinne des § 369 AO, aber auch § 385 Abs. 2 AO: Straftat, die unter Vorspiegelung eines steuerlich erheblichen Sachverhaltes gegenüber der Finanzbehörde oder einer anderen Behörde auf die Erlangung von Vermögensvorteilen gerichtet ist, aber kein Steuerstrafgesetz verletzt) Straftat begründen (dazu und zum weiteren Verfahren vgl. Kretzschmar, StBp 1983, 241ff.). 5 Vgl. hierzu den von Zillmer in NJW 1965, 2094 berichteten Fall einer bei einem Fernsprechamt beschäftigte Postbeamtin, die im Jahre 1965 ein Telefongespräch zwischen einem Mann und einer Frau mithörte, in welchem beide eine möglicherweise eingetretene Schwangerschaft der Frau besprachen und Maßnahmen zur Beseitigung des
1. Die Aufdeckung von Straftaten
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tungen 6 . Ebenso können hoheitlich handelnde Personen, die nicht zur Straftatverhütung oder -verfolgung berufen sind, denen aber auf Grund ihres Tätigkeitsbereiches Kompetenzen der Gefahrenabwehr zugewiesen sind (Fallgruppe 111), Tatsachen wahrnehmen, die auf die begangene Straftaten hindeuten. Exemplarisch sei hier die gefahrenabwehrende Tätigkeit der Feuerwehr genannt? In beiden Fallgruppen werden Tatsachen, die auf die Verübung von Straftaten hindeuten, nicht planvoll, sondern allenfalls zufällig wahrgenommen. Denn weder der Feuerwehreinsatz, der zur Aufdeckung des Briefmarkendiebstahls führte, noch das durch die Postbeamtin erfolgte Hineinhören in das Telefongespräch, in dem ein Schwangerschaftsabbruch besprochen wurde, erfolgten mit dem Ziel, hierbei Straftaten aufzudecken. Innerhalb der Gruppe von hoheitlich handelnden Personen, die zu präventiver wie zu repressiver Tätigkeit berufen sind (Fallgruppe IV), ist zu differenzieren. Beispielsweise kann eine Wahrnehmung von Straftaten außerhalb der Dienstzeiten erfolgen (Fallgruppe IV a). Derartige Berichte über Polizeibeamte, die auf diese Weise Straftaten feststellen, finden sich recht häufig8 . Um Kindes erörterten; die Postbeamtin, die weder Auftrag noch Ermächtigung zum Abhören dieses Gespräches hatte, meldete den Inhalt des Gespräches gleichwohl ihrem Dienstvorgesetzten, der Strafanzeige erstattete. 6 Vgl. beispielsweise den Bericht in: DER SPIEGEL 1984 (Nr. 8), 204ff. unter dem Titel "Tote Seelen": auf Grund eines Datenabgleichs im zur Leistungskontrolle entwikkelten Computersystem der Allgemeine Ortskrankenkasse AOK Dortmund soll festgestellt worden sein, daß eine Anzahl von Ärzten zu Lasten der AOK für Patienten Rezepte ausgestellt hätten, von denen sie keinen Krankenschein besaßen; einige hätten ambulante Hausbesuche und gründliche Untersuchungen bei AOK-Versicherten vorgenommen, die zur Zeit der Leistungserbringung nachweislich im Krankenhaus ge lägen hätten; auch seien AOK-Mitglieder über den Tod hinaus beraten, besucht und mit Spritzen behandelt worden; für AOK-Mitglieder mit gleichem Namen und gleichem Geburtsdatum seien innerhalb eines Quartals zwei Krankenscheine zur Abrechnung gestellt worden, auf denen die gleichen Gebührenpositionen eingetragen gewesen seien; weiterhin sei mit Hilfe dieses Systems bekannt geworden, daß zwei Dortmunder Ärztinnen, eine Allgemeinärztin und eine Internistin, eine Patientin ein volles Quartal lang auf Grund übereinstimmender Diagnose (Migräne, Lumbago, Hexenschuß) mit schweren Schmerzmitteln behandelt hätten; insgesamt seien der Patientin in drei Monaten 494 Stück "Cafergot" und 360 Stück "Spasmo-Cibalgin" verschrieben worden; Cafergot dürfe nach Anweisung der Herstellerfirma ausschließlich zur Behandlung des Migräneanfalles höchstens eine Woche lang eingesetzt werden; Spasmo-Cibalgin, als Nothilfe gedacht, solle nach Anweisung "nicht kontinuierlich über einen längeren Zeitraum" verordnet werden. 7 So wurde unter dem Titel "Erstaunliche Angebote" in DER SPIEGEL 1984, Nr. 31, 39,40 von organisierten Einbrecherbanden berichtet, die sich auf Briefmarkendiebstahl aus Postämtern und VersandsteIlen spezialisiert haben sollen; einmal hätte die bislang wenig erfolgreiche Kriminalpolizei von Feuerwehrleuten, die anläßlich eines Wasserrohrbruches in einer Wohnung Briefmarkenpakete entdeckten und sicherstellten, die Namen der Wohnungsinhaber erfahren und diese sodann ergreifen können; die Briefmarken hätten aus einem Einbruch in das Postamt Bad Kreuznach gestammt, wobei die Beute insgesamt 1,6 Millionen DM betragen habe. 8 Exemplarisch für viele Fälle vgl. Hamburger Abendblatt vom 14. Dezember 1982 (Nr. 290) unter der Überschrift "Polizeichef fand das Auto der Schrotflintenbande ... ":
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
eine planvolle Kenntnisnahme handelt es sich regelmäßig nicht. Im Beispielsfall verließ der Polizeichef seine häusliche Wohnung gerade nicht, um der Aufdeckung von Straftaten nachzugehen, sondern um nach Dienstschluß einen Arzt aufzusuchen. Auch im Verlauf präventiver Routinekontrollen (Fallgruppe IV b)9 wird von Straftaten nur zufällig Kenntnis genommen 10. Polizeibeamte versehen in ihrer gemischt präventiv-repressiven Funktion nicht etwa Streifendienst, um von einer bestimmten Straftat Kenntnis zu erhalten. Der Erfahrungswert, daß auf der Grundlage häufigen Patroullierens - neben der darin liegenden gefahrabwehrenden Funktion - die Wahrscheinlichkeit steigt, vermehrt Straftaten zu bemerken, ändert hieran nichts. Die Tätigkeit des Streifefahrens mag durchaus planvoll sein. Der Vorgang des Entdeckens von Tatsachen, die auf Straftaten schließen lassen, ist es jedoch nicht. Auch bezüglich hoheitlich handelnder Personen, die zur Straftatverhütung oder -verfolgung in einem bestimmten Bereich berufen sind (Fallgruppe IV C)l1, überwiegt die zufällige Kenntnisnahme. Ein Angehöriger des vom "Eine nicht angezogenen Handbremse scheint den drei Schrotflinten-Gangstern zum Verhängnis zu werden, die ... die Geldboten ... bei der Wedeler Stadtsparkasse ... überfielen und 20 000 Mark raubten. Die Pinneberger Kripo kam durch einen FiatKastenwagen auf die Spur der Räuber ... Der blaue Fiat-Kastenwagen der Schrotflintenbande war Wedels Polizeichef ... aufgefallen, als er seine Wohnung im Autal verließ, um nach Dienstschluß einen Arzt aufzusuchen. Der Wagen, dessen Handbremse nicht angezogen war, war aus einer Parkbucht am Autal gerollt. (Der Polizeichef) sah sich das unverschlossene Fahrzeug näher an. In ihm lagen, säuberlich in Plastik tüten verpackt, zwei abgesägte und geladene Schrotgewehre und ein Revolver.". 9 Hierbei handelt es sich meist um polizeiliche Kontrollen nach § 36 Abs. 5 StVO (Verkehrskontrolle und Verkehrszählung), bei denen entsprechend der "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (Vwv-StVO)" vom 24. November 1970 (BAnz 1971, Nr. 14; vgl. auch Jagusch § 36 StVO Rdnr. 15) lediglich die Prüfung der Fahrtüchtigkeit der Kraftfahrzeugführer, der nach den Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere und des Zustandes, der Ausrüstung und der Beladung der Fahrzeuge zulässig sind. 10 Exemplarisch für zahlreiche Pressemeldungen vgl. nur den im Hamburger Abendblatt vom 9. Dezember 1982 (Nr. 286) unter der Überschrift "Am Nikolaustag gesündigt - das wird teuer ... " mitgeteilten Fall: "Der junge Mann setzte sich in sein Auto, fuhr zum Seemoorweg und begann dort in der Dämmerung mehrere Plastiktüten mit Flaschen und anderem Müll zu entladen. Den Müll deponierte er auf einem Baumschulacker. Zwei aufmerksame Polizisten glaubten ihren Augen nicht zu trauen, als sie den Müllsünder bei einer Routinestreifenfahrt entdeckten. Die beiden schlichen sich an den Tatort heran. Doch der Schlosser schloß blitzschnell, daß die Polizisten es auf ihn abgesehen hatten, sprang ins Auto und suchte sein Heil in der Flucht. Das gelang auch doch nur bis zur Rot zeigenden Ampel an der B 5. Von den Ordnungshütern wurde der Flüchtling zum Tatort zurückkomplimentiert. Dort durfte er seine Müllsäcke wieder ins Auto laden. Dabei kam der Sünder so ins Keuchen, daß seine Alkoholfahne ,ruchbar' wurde. Einen Führerschein hatte er auch nicht dabei. So begleiteten ihn die Polizisten nach Hause. Dort fand sich dann die Fahrerlaubnis an. Die Beamten entdeckten aber einen Gasrevolver , der als Zimmerschmuck diente. Der Lauf des Colts war durchbohrt. Und so ein Ding darf man nicht zu Hause haben - selbst dann nicht, wenn's nur der Dekoration dient. Fazit der Geschichte: Der Schlosser muß mit drei Anzeigen rechnen: wegen Müllfrevels, Alkoholmißbrauchs am Steuer und verbotenen Waffenbesitzes.".
I. Die Aufdeckung von Straftaten
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Arbeitsamt betriebenen Ermittlungsdienstes, der im Verlaufe seiner Tätigkeit von einer Straftat Kenntnis erlangt, die sich gerade nicht auf den ihm zugewiesenen Bereich erstreckt, erfaßt die Tatsachen, die auf diese Straftat hindeuten, nicht in planvoller Absicht. Selbst wenn sich die aufgedeckte Straftat auf den ihm zugewiesenen Bereich bezieht, könnte von zielgerichteter Kenntnisnahme nur dann die Rede sein, wenn die jeweilige Straftat bereits bekannt war und sich dementsprechend die erforschende Handlung auf gerade dieses Delikt bezog. Ist die Straftat dem erforschenden Organ aber bereits auf welchem Wege auch immer - bekannt geworden, so ist schon begrifflich eine Verwendung des Wortes Aufdeckung nicht mehr möglich. Hier müßte man dann von (weiterer) Erforschung sprechen. Innerhalb der Gruppe der mit dem Ziel der Strafverfolgung tätig werdenden Personen (Fallgruppe V) ist ebenfalls weiter zu unterscheiden. Zum einen können die zur Strafverfolgung berufenen Organe im Rahmen der Untersuchung einer bestimmten Straftat Kenntnis von einer anderen Straftat erhalten, ohne daß dazu der Einsatz von Zwangsmaßnahmen notwendig wäre. Dies ist beispielsweise bei einer freiwilligen Auskunft des Täters der Fall (Fallgruppe V a)12. Polizeibeamte, die im Rahmen repressiver Tätigkeit von einer weiteren 11 Nach § 132a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBI. I, 582; § 132a eingefügt durch Gesetz vom 22. Dezember 1981) ist die Bundesanstalt für Arbeit
berechtigt, Außenprüfungen in Betrieben durchzuführen, um so mißbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verhindern oder festzustellen; auch Gesetzesverstöße im Rahmen der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit sollen aufgedeckt, sowie Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung unterbunden bzw. Verstöße dagegen geahndet werden; zur Bewältigung dieses Aufgabenkreises bedient sich das zuständige Arbeitsamt einer Anzahl von Außendienstmitarbeitern, die zusammen den Ermittlungsdienst des Arbeitsamtes bilden; in den Richtlinien für diesen Außendienst (abgedruckt in RdErl. 154/65.4-7176-11 § 176-[ =ADR]) wird zwar ausdrücklich auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Richtlinien für den Außendienst NT. 6) und das Verbot der Durchführung von Haussuchungen (Richtlinien für den Außendienst NT. 7) hingewiesen, zugleich jedoch die Möglichkeit der Feststellung strafbarer Handlungen eröffnet (Richtlinien für den Außendienst NT. 29: " ... Nimmt der Ermittier an, daß der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat begründet ist, so kann es zweckmäßig sein, den Bericht mit einer Durchschrift zu fertigen, damit diese im Bedarfsfalle von der sachbearbeitenden Stelle dem OWiG-Sachbearbeiter zur Verfügung gestellt werden kann."). 12 Vgl. dazu etwa den in: Hamburger Abendblatt vom 11. Juni 1984 (NT. 160) geschilderten Fall: "Unfallfahrer gestand: ,Ich habe im Streit eine Frau erwürgt!' In ganz Hamburg fahndete die Polizei Dienstag nacht nach einem Mann, der ... mehrere Autos angefahren hatte. Schließlich wurde der vermutlich angetrunkene Unfallfahrer auf der Autobahn ... gestellt. Bei der Vernehmung stutzten die Beamten plötzlich. ,Ich habe noch was in der Gluckstraße gemacht', sagte der Fahrer des Opel-Kadett. Auf hartnäckiges Nachfragen gestand er schließlich: ,Ich habe eine Frau erwürgt. "'; vgl. auch Schilderungen bei Reitberger, Kriminalistik 1965, 14, 17; Reitberger weist darauf hin, daß die allgemeine Wendung "Sie können sich wohl denken, wegen was Sie von mir befragt werden, wollen Sie sich selbst erklären?" gegenüber dem Beschuldigten schon manchmal andere Dinge als erwartet zu Tage gefördert habe; beispielsweise sei gegenüber einer Person der Verdacht entstanden, Bahnanlagen und Bewegungen von
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
Straftat in dieser Weise Kenntnis erlangen, erfassen die Straftat zufällig. Daß der im Beispielsfall erwähnte Unfallfahrer bei der Vernehmung hinsichtlich des Unfalls gestand, eine Frau erwürgt zu haben, entsprach nämlich durchaus nicht den Erwartungen der Polizeibeamten. Durchgehend zufällig ist auch die Kenntnisnahme von straftatrelevanten Tatsachen, die im Rahmen des Einsatzes von sogenannten Maßnahmen "im Vorfeld der StPO" erfolgt (Fallgruppe V b)13. Schließlich ist festzustellen, daß auch die Aufdeckung von Straftaten beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen (Fallgruppe V c) nicht auf einem planvollen, sondern einem zufälligen Vorgang beruht. Vor allem bei Durchsuchungen 14 gehört die Kenntnisnahme von Tatsachen, die auf eine andere Straftat hindeuten, zum Alltag der Polizei l5 . Gelegentlich gibt es hierbei Fallkonstellationen, die spektakulären Züge 16 aufweisen. Aber auch der Zügen ausgekundschaftet und für Geld an das Ausland, wohin diese öfters gefahren war, verkauft zu haben; Auf eine allgemeine Befragung der oben angedeuteten Art hin habe der Beschuldigte gestanden, seinem Arbeitgeber seit Jahren enorme Summen unterschlagen zu haben; die Bahnanlagen habe er hingegen studiert, weil er eine Modell-Eisenbahnanlage hatte; ins Ausland war er gefahren, weil dort seine Geliebte wohnte. 13 Sog. Maßnahmen "vor der StPO", etwa Observation oder polizeilichen Beobachtung (ehemals die beobachtende Fahndung); vgl. hierzu Kniesei, ZRP 1987, 377, 378f., 38lf.; Kutscha / Weßlau, DuR 1986, 3, 6f.; das Auftreten zufälliger Erkenntnisse ist im übrigen unabhängig von der Frage, inwieweit ein derartiges Vorgehen Strafverfolgung und nicht vielmehr Straftatverhütung darstellt; zur Frage der Befugnis der Polizei zu derartigen Maßnahmen vgl. bejahend nur Gössel, JuS 1979, 162ff.; Steinke, MDR 1980, 456, 457; ablehnend hingegen Benfer Rdnr. 684; Keller, Strafverteidiger 1984, 521, 522ff.; Riegel, JZ 1980, 224, 225. 14 Zur Aufdeckung von Straftaten kann es auch bei jeder Art von Durchsuchung kommen, die auf Grund anderer Rechtsgrundlagen erfolgt. Dies gilt für Eingriffe der Steuerfahndung nach den §§ 102,103 in Verbindung mit § 399 Abs. 1 AO (zum Ablauf einer Durchsuchung mit Beschlagnahme durch die Steuerfahndung vgl. instruktiv Streck, Eingriff, Rdnr. 40ff.) genauso wie auch für Durchsuchungen der Kartellbehörde nach den §§ 102,103 in Verbindung mit den §§ 36 Abs. 1,46 Abs. 2 OWiG und den §§ 81,44 GWB. 15 Exemplarisch für zahlreiche dem Verfasser vorliegende Zeitungsausschnitte vgl. den im Hamburger Abendblatt vom 23. Februar 1982 unter der Überschrift "Haschisch-Öl in Präservativen versteckt" berichteten Fall: "Die Kripo kam den Männern durch einen Zufall auf die Spur. Der 23jährige Lagerist wurde im Zusammenhang mit dem Raubüberfall auf die Bankboten in Wedel ... als möglicher Täter überprüft. In der Wohnung des Arbeitslosen wurden Schweizer Franken im Wert von 20.000 Mark gefunden. Außerdem 150 Gramm Haschisch-Öl, abgepackt jeweils zu 8,5 Gramm in Präservativen. Außerdem fand die Kripo rund 50 Gramm ,Grüner Türke'.". 16 Aufsehen erregte vor einigen Jahren insbesondere ein Fund, der zur sogenannten "Flick-Affäre" führte. Am 4. November 1981 wurde das Büro des Chefbuchhalters des Hauses Flick in Düsseldorf von Beamten der Bonner Staatsanwaltschaft und Steuerfahndern aus St. Augustin durchsucht. Rudolf Diehl stand im Verdacht, seinen privaten Steuerverpflichtungen nicht nachgekommen zu sein. Diehl übergab der Staatsanwaltschaft eine schwarze Aktentasche, in der sich zwei Briefumschläge befanden. Inhalt dieser Briefumschläge waren drei Schlüsselpaare zu Schließfächern der Dresdner Bank in Düsseldorf. Die Beamten durchsuchten in Anwesenheit des Buchhalters die betref-
I. Die Aufdeckung von Straftaten
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Einsatz anderer Zwangsmaßnahmen kann in gleicher Weise zur Aufdeckung von Straftaten führen. So werden etwa Briefe eines Beschuldigten aus einer Untersuchungshaftanstalt nach § 119 Abs. 3 regelmäßig durch Lesen kontrolliert. Hierdurch können den Strafverfolgungsbehörden Straftaten zur Kenntnis gelangen, die im Brief angesprochen oder geplant werden bzw. eine solche eo ipso - beispielsweise eine Beleidigung - darstellen 1? Da § 119 Abs. 3 nach § 126a Abs. 2 Satz 1 auch für die einstweilige Unterbringung in einern psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt Geltung hat, sind derartige Funde auch bei Maßnahmen nach § 126a denkbar. Bei einer vorläufigen Festnahme nach § 127 kann der Fall eintreten, daß der so Festgenommene Gegenstände bei sich trägt, die als Beweismittel für eine Straftat in Betracht kommen 1s . Ähnliches kann für zwangsweise durchgeführte körperliche Untersuchungen nach § 81c festgestellt werden 19 • Von zielfenden Schließfächer (Bemerkung eines Ermittlers (nach dem Bericht des Magazins DER SPIEGEL vom 28. November 1983, Seite 25, 28): "Das war ein Pharaonengrab. "). Sie fanden von Diehl erstellte Unterlagen, die die geheime Spendenpraxis des Konzerns nachwies, unter anderem auch den Namen des später angeklagten Wirtschaftsministers Dr. Otto Graf Lambsdorff. Auf Grund der bei Viehl gefundenen Unterlagen wurde eine Woche später das Büro des Flick-Gesellschafters Eberhard von Brauchitsch durchsucht. Diese Durchsuchung erbrachte parallel zu den Unterlagen von Diehl "vertrauliche Tageskopien" , welche den entstandenen Verdacht erhärteten und alsbald zum Verfahren gegen Dr. Friedrichs führten (vgl. dazu DER SPIEGEL vom 28. November 1983 (Nr. 48), S. 25ff.; DIE ZEIT vom 2. Dezember 1983 (Nr. 49), S. 3; DER SPIEGEL vom 2. Juli 1984 (Nr. 27), S. 15, 18ff.; zur weiteren Entwicklung und Entstehung der "Parteispendenaffäre" vgl. DER SPIEGEL vom 9. Juli 1984 (Nr. 28), S. 26ff.). 17 Zur Problematik vgl. Haberstroh, Jura 1984,225, 234f. m. w. Nachw.; Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 29 und § 98 Rdnr. 11, jeweils m. w. Nachw.; unter analoger Anwendung des § 108 BVerfG, NJW 1981,1943,1951; OLG Celle, NJW 1974, 805, 806; KG, JR 1968, 31; Bockwoldt, ZfStrVO 1982, 153, 157; Driewer, diss. iur. Bochum 1969, 232f.; Kleinknecht / Janischowsky Rdnr. 383; Peters, JR 1974, 120, 121; ablehnend Wimmer, GA 1983, 145, 15l. 18 Darauf weisen etwa Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 3 m. w. Nachw.; Müller, in: KMR, § 98 Rdnr. 18 und Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 3 ausdrücklich hin. 19 So weist etwa Berke-Müller im Zusammenhang mit Brandstiftungen darauf hin, daß bei den notwendigen Überprüfungen unauffällig auf Brandspuren an Körper und Kleidung von Tatverdächtigen zu achten sei (Berke-Müller, Grundsätze der Kriminalpraxis, 105ff., Nr. 4.3.29: "Brandspuren: Wer weist am Körper oder an der Kleidung Brandspuren oder Wachsspuren auf? Darauf ist unauffällig zu achten. Es ist gut, wenn man die Kleider eines Tatverdächtigen sicherstellt und mikroskopisch wie biologisch untersuchen läßt. "); vorstellbar wäre es, daß kurz nach einem Brand in einem Dorf eine Untersuchung nach § 81c, bezogen auf eine andere Tat, etwa eine Wirtshausschlägerei, durchgeführt wird, bei der sich am Rande ergibt, daß ein Zeuge Brand- oder Wachsspuren an seinen Händen bzw. an seiner Kleidung hat; aber auch in anderen Konstellationen ergeben sich derartige Möglichkeiten: wird beispielsweise nach einer Messerstecherei in einer Strafanstalt, an der auch der Strafgefangene A - als Täter und Opfer - beteiligt war, dieser im Rahmen der Untersuchung des Vorfalles nach § 81c als Zeuge ärztlich untersucht, so könnte der Arzt, der befürchtet, A habe einen magenverletzenden Stich erhalten, zwangsweise eine Röntgenaufnahme fertigen, auf der - unabhängig von den Verletzungen - ein vor kurzer Zeit verschlucktes Säckchen mit Rauschgift sichtbar 5 Labe
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
gerichteter Tätigkeit könnte hier nur dann die Rede sein, wenn die Straftat bereits vor dem Einsatz der Zwangsmaßnahme bekannt war. Die Kenntnisnahme von einer Straftat, die sodann zum Einsatz derartiger Maßnahmen führt, erfolgt aber gerade nicht durch die Zwangsmaßnahme selbst, sondern auf einem anderen - in den bisherigen Fallgruppen beschriebenem - Wege. So haben beispielsweise im oben angeführten Feuerwehr-Fall von den Tatsachen, die auf einen Briefmarkendiebstahl hindeuteten, erstmalig die Feuerwehrmänner Kenntnis erhalten. Dieser Vorgang war - wie dargestellt - nicht planvoll, sondern zufällig. Eine Durchsuchung der betreffenden Wohnung, die Beschlagnahme der Marken oder die Festnahme eines Beschuldigten - also der Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen - war erst auf Grund dieser zufälligen Kenntnisnahme möglich. Kurz ausgedrückt könnte man sagen, daß der planvolle Einsatz von Zwangsmaßnahmen auf der zufälligen Kenntnisnahme der Tatumstände beruht. Wie schon oben angedeutet, nehmen die Strafverfolgungsbehörden gelegentlich bei ihrer Tätigkeit Tatsachen wahr, die für sich selbst betrachtet in keiner Hinsicht irgendeine, den Verdacht einer Straftat erzeugende Bedeutung haben. Aus einer weiteren Überprüfung dieser Tatsachen können sich jedoch gelegentlich Verdachtstatsachen herausstellen 2o . Um eine derartige mittelbare Kenntnisnahme handelt es sich meist auch, wenn bei der Verbrechensbekämpfung die Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung21 genutzt werden. Das betrifft insbesondere die - in einem Teilbereich jetzt in § 163d geregelte 22 - computergestützte Rasterfahndung23 • Auch diese Kenntnisnahme ist im Ansatz zufällig. wird; daß diese Röntgenaufnahme rechtswidrig sein könnte - vgl. nur Paulus, in: KMR, § 81c Rdnr. 15 m. w. Nachw. - verhindert zumindest nicht die tatsächliche Kenntnis von einer gegen die Normen des Betäubungsmittelgesetzes verstoßenden Straftat. 20 Vgl. exemplarisch den im Hamburger Abendblatt vom 20. November 1984 berichteten Fall: zur Aufklärung eines Mordes an einem Diskothekenbesitzers, dessen Leiche - in einem Faß einbetoniert - in einem Hamburger Kanal gefunden worden war, fotografierten Beamte der Kriminalpolizei die etwa 100 Trauergäste beim Begräbnis; Sinn dieses Vorgehens war, die betreffenden Personen zunächst zu identifizieren und sodann einzeln zu befragen oder sogar der Observation bzw. der polizeilichen Beobachtung zu unterziehen; denkbar ist, daß die Polizei beispielsweise bei einer in einer Wohnung durchgeführten Befragung Tatsachen feststellt, die auf die Begehung einer anderen Straftat hindeuten; das gleiche gilt für die geschilderten Beobachtungstätigkeiten. 21 Vgl. zur Entwicklung im EDV-Bereich Rebmann, NJW 1984, 1ff. 22 Diese Norm gestattet die Errichtung kurzzeitiger Dateien, die der automatischen Speicherung und Verarbeitung von Daten dienen, die bei Massenkontrollen - nämlich Personenkontrollen an der Grenze wie auch KontrollsteIlen nach § 111 - anfallen, deren erschöpfende Auswertung an Ort und Stelle jedoch nicht möglich ist; vgl. hier nur Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 2. 23 Als Beispiel diene hier das Spurendokumentations-System der Polizei in der Stadt Göttingen, wie es sich nach dem Bericht von Lehmann, in: KJ 1983, 292ff., darstellt: geschildert wird, daß die Polizei bei kulturellen oder politischen Veranstaltungen die Kennzeichen der abgestellten Kraftfahrzeuge aufnehme, um diese dann bei nächster Gelegenheit anzuhalten und dabei Fahrer und Mitfahrer zu kontrollieren; weiterhin soll
I. Die Aufdeckung von Straftaten
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Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß es eine planvolle Kenntnisnahme der Anzeichen einer Straftat, die auf (zumindest gedanklich) formulierter Absicht beruht, kaum geben kann. Das betrifft auch die unmittelbar persönlich von der Straftat betroffenen Personen, nämlich Täter und Opfer. Daß der ein Delikt begehende Täter gerade diese Straftat (planvoll) aufdeckt, stellt einen Widerspruch in sich dar. Denn der Vorgang der Produzierung von Straftatanzeichen - der durch das Verwirklichen der jeweiligen Tatbestandsmerkmale erfolgt - zieht zwingend die Kenntnis genau dieser Tatsachen nach sich. Eine besondere Kenntnisnahme, gleichsam die Aufdeckung dieser Straftat, ist mithin beim Täter nicht feststellbar. Für die Wahrnehmung des Opfers einer Straftat sind die gebildeten Kategorien planvoller und zufälliger Kenntnisnahme von Straftaten ebenso unpassend. Denn gerade dem Opfer steht es in seiner Zwangslage nicht frei, von der gerade begangenen Tat Kenntnis nehmen zu wollen oder nicht. Daß ein Mensch sich absichtlich der Begehung einer Straftat an ihm aussetzt - und auf diese Weise die entsprechenden Anzeichen planvoll zur Kenntnis nimmt - dürfte die seltene Ausnahme sein 24 • Damit zielen alle Tätigkeiten - seien sie durch hoheitliche Organe ausgeübt oder nichtvon vornherein nicht auf die Kenntnisnahme von Tatsachen oder Beweismitteln einer bestimmten Straftat ab. Anzumerken bleibt, daß die hier gewonnene Erkenntnis Teil des seit Jahrhunderten entwickelten Bewußtseins der menschlichen Gesellschaft ist. Daß die Polizei dort Informationen über die Besucher bestimmter Lokale, sowie Bewohner und Besucher ausgewählter Wohngemeinschaften sammeln; die so entstandenen Daten würden in einern Computersystem gespeichert, das ermögliche - im Gegensatz zum herkömmlichen System PO LAS - Daten unter verschiedenen Sammelbegriffen abzurufen; es sei dort nicht mehr notwendig, den Namen und das Geburtsdatum einer gesuchten oder überprüften Person zu kennen, um an Auskünfte zu gelangen; abrufbar wären etwa alle Personen, die eine bestimmte Gaststätte bevorzugten; damit könnten Personen, die bestimmte Merkmale aufwiesen, mühelos ausgerastert werden. Indes verschafft auch ein derartiger Rastervorgang den Ermittlungsbehörden noch keine Kenntnis von straftatrelevanten Tatsachen; vielmehr muß auch dort auf die üblichen polizeilichen Mittel zurückgegriffen werden, d. h. ausgerasterte Personen müssen überprüft, observiert oder beobachtet werden; wenn die Polizei bei dieser Tätigkeit dann Tatsachen zur Kenntnis nimmt, die auf eine Straftat hindeuten, so bleibt der Vorgang der Kenntnisnahme mittelbar. 24 Am Rande vgl. zur Häufigkeit von Strafanzeigen, die sich aus der Kenntnisnahme von Straftaten durch das Opfer ergeben die Tabelle bei Blankenburg / Sessar / Steffen, Staatsanwaltschaft, 120, sowie 283ff. mit Übersicht: hiernach werden 80 - 90% der Straftaten, die sich auf Eigentums- und Vermögensdelikte beziehen, durch eine Anzeige des jeweiligen Opfers bekannt; nur in 3 - 6 % der Fälle beginnt das Verfahren von Amts wegen durch die Polizei; umgekehrte Verhältnisse sind bei Verstößen gegen strafrechtliche Nebengesetze auf dem Wirtschaftssektor (etwa gegen das Lebensmittelgesetz, das Gaststättengesetz, die Abgabenordnung, die Gewerbeordnung, das Maßund Gewichtsgesetz etc.) feststellbar; lediglich bis zu 7 % der unmittelbar Geschädigten zeigen Wirtschaftsdelikte dieser Art an; bis zu 70% werden hingegen nach Kenntnisnahme durch die Polizei verfolgt; vielfach erhalten die Strafverfolgungsorgane auch Informationen durch Mitteilungen anderer Behörden; beispielsweise entstehen 73 % der Strafverfahren durch Information der Finanzbehörden. 5*
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
die planwidrige, zufällige Erfassung von Straftaten gerade nicht den Ausnahmefall bildet, belegen zahlreiche Zitate aus den verschiedensten Bereichen25 wie auch die Existenz des schon sprichwörtlichen "Kommissars Zufall"26. Nach dieser ersten Erkenntnis sei der Blick nunmehr auf die Frage gelenkt, inwieweit die aufgezeigten vielfältigen Möglichkeiten, Straftaten zur Kenntnis zu nehmen, gesetzlichen Regelungen unterworfen sind. Hinsichtlich der erstmaligen Kenntnisnahme von einer begangenen Straftat schweigt das Gesetz. So wird beispielsweise in der Strafprozeßordnung nur geregelt, was zu geschehen hat, wenn Anhaltspunkte, die den Verdacht einer Straftat begründen, bekannt geworden sind: Die Staatsanwaltschaft hat nach § 160 Abs. 1 den vorliegenden Sachverhalt zu erforschen. Für diesen Untersuchungsvorgang hat der Gesetzgeber allerdings den Strafverfolgungsorganen zahlreiche Maßnahmen, die zwangsweise durchgesetzt werden können, zur Verfügung gestellt. Ein erster Blick auf die diese Maßnahmen regelnden Normen läßt eine geradezu verwirrende Vielfalt einzelner Voraussetzungen erkennen. Dies resultiert aus dem Versuch des Gesetzgebers, das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Strafverfolgungsorgane und des einzelnen Bürgers ausgleichend zu regeln. Das Interesse der Staatsanwaltschaft und Polizei geht funktionell dahin, daß die Eingriffe zur Erforschung einer Straftat möglichst effektiv ausgestaltet sind. Dem steht das Anliegen des Bürgers gegenüber, gerade vor diesen Maßnahmen weitgehenden Schutz zu erlangen. Aus diesem Grunde unterliegen alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen bestimmten strengen Eingriffsvoraussetzungen, die, ihren verschiedensten Zweckrichtungen entsprechend, in vielfältiger Weise ausgestaltet sind. 25 Vgl. den dieser Arbeit vorangestellten Sinnspruch Friedrich von Logaus; im übrigen Grimm / Grimm, Wörterbuch, Stichwort: Zufall m. zahlr. w. Nachw.; sowie zahlreiche Aphorismen, etwa "Die zwei größten Tyrannen der Erde: der Zufall und die Zeit (Herder)"; "Seine heilige Majestät, der Zufall (Friedrich der Große)"; ,,0 Krösus, der Mensch ist eitel Zufall (Soion bei Herodot)"; "Und was ist Zufall anders als der rohe Stein, der Leben annimmt unter Bildners Hand? Den Zufall gibt die Vorsehung, zum Zwecke muß ihn der Mensch gestalten (Schiller)"; aber auch "Es gibt keinen Zufall (ebenfalls Schiller)"; "Auch der Zufall ist nicht unergründlich, er hat seine Regelmäßigkeit (Novalis)"; "Des Zufalls Gaben sind für schwache Seelen (F. v. Saar)"; "Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit (M. v. Ebner-Eschenbach)" (Zitate nach Duden, Stilwörterbuch, 764 unter dem Stichwort: Zufall); aus neuerer Zeit vgl. bei Hans Fallada, Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, Kap. IX 2, 432: ",Hoffen wir auf den Zufall', sagte der zweite. ,Meistens hilft der.' ,Ja, wenn wir den Zufall nicht hätten!' bestätigte der erste. "; zum Triumph der Folgerichtigkeit durch den Einfluß des Zufalls über zufallsbedingte Wirrnisse im Werk Friedrich Dürrenmatfs vgl. jüngst Losch, NJW 1989, 343, 345 Fn. 23 m. zahlr. w. Nachw. 26 Vgl. beispielsweise DER SPIEGEL vom 30. Juli 1984 (Nr. 31), 39f.: "gelegentliche Fahndungserfolge (sind) Kommissar Zufall zuzuschreiben"; Hamburger Abendblatt vom 10. Juli 1984 (Nr. 159), S. 4: "Kommissar Zufall kam zwei Beamten ... zu Hilfe. "; auch Vogel, Hamburg, 50 zu den Aufgaben des Rechnungshofes, insbesondere zum sog. Kontrollfeld entsprechender Arbeiten: "Der Wink des Zufalls wird freilich beachtet, gegebenenfalls das Kontrollfeld neu abgesteckt.".
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Auf dem Weg zur Beantwortung der Frage, wie die zufällige Aufdeckung einer Straftat beim Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zu bewerten ist, müssen zunächst diese Eingriffsvoraussetzungen näher betrachtet werden. Es soll gefragt werden, inwieweit die den Einsatz von Zwangsmaßnahmen begrenzenden Merkmale eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gewinnung von Zufallsfunden ermöglichen. In der folgenden Untersuchung wird gezeigt werden, daß alle Zwangsmaßnahmen von Gesetzes wegen nur zur Erforschung einer bereits bekannten, gen au bestimmbaren Straftat dienen dürfen. Sämtliche strafprozessualen Zwangsmaßnahmen weisen nämlich als übereinstimmende Eingriffsvoraussetzung das Merkmal der Tatbezogenheit auf. Die weitere Betrachtung der restlichen Fallsituationen wird damit hier zunächst zurückgestellt. Es wird nämlich erwartet, daß sich aus der Klärung der Frage, wie das Auftreten von Zufallsfunden bei den streng normierten Zwangsmaßnahmen zu beurteilen ist, übergreifend anzuwendende Maßstäbe für die Bewertung der zufälligen Aufdeckung von Straftaten ergeben.
u. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen 1. Zum Begriff der Zwangsmaßnahme
Um das Untersuchungsfeld abzugrenzen, sei zunächst geklärt, was im folgenden unter einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme verstanden werden soll. Dieser Begriff wird im allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch überwiegend ohne nähere Erklärung! oder aber unter Betonung des Zwangscharakters der Eingriffe verwendet. Beispielsweise werden Zwangsmaßnahmen als Prozeßhandlungen umschrieben, mit deren Hilfe zum Zwecke der Strafverfolgung in Individualrechte von Prozeßsubjekten oder auch Dritten, selbst gegen deren geäußerten Willen, eingegriffen werden kann2 • Demgegenüber ist von Amelung3 der Begriff des strafprozessualen Grundrechtseingriffes gebildet worden. Damit soll jede Anordnung oder Vollzugshandlung, die auf I Etwa ohne nähere Erklärung von Hippel, Strafprozess, 438f.; Kleinknecht / Meyer, vor § 94 Rdnr. 1; Laujhütte, in: KK, vor § 94 Rdnr. 1; Netles, Kompetenzen, 19 bei Fn.5. 2 So Schlüchter Rdnr. 165; ähnlich führt Peters § 46 I aus, daß hierunter Prozeßhandlungen zu verstehen seien, die ohne oder gegen den Willen des Betroffenen angewendet würden; prozessuale Zwangsmaßnahmen stünden im Gegensatz zu solchen Maßnahmen, die eine Reaktion auf begangene Ordnungs- oder Pflichtwidrigkeiten darstellten; daß es um einen hoheitlichen Eingriff in Freiheiten und Rechte Dritter gehe, wird auch von Welp, Zwangsbefugnisse, 10 betont; dem entspricht die Beschreibung der Zwangsmaßnahmen als Handlungen, die teils physische, teils psychische Zwänge auf Personen als Prozeßsubjekte oder Sachen ausübten, bei Dohna, Strafverfahren, 109 und Henkel, Strafverfahrensrecht, 273. 3 Amelung, Grundrechtseingriffe, 14.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
die Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Individualrechtsgutes zielt und der Vorbereitung oder Sicherung des Erlasses oder der Durchsetzung einer strafprozessualen Endentscheidung dient, umschrieben sein. Die Notwendigkeit eines derartigen Begriffes ergebe sich unter anderem daraus, daß der Ausdruck "Zwangsmaßnahme" eine Wortschöpfung neuerer Prozeßdogmatik sei, die sich in älteren Lehrbüchern nicht finden lasse 4 • Er sei irreführend, weil er begrifflich Maßnahmen mit Zwang im Sinne einer physisch wirkenden Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit voraussetze, die beispielsweise bei dem Aushang eines Steckbriefes oder etwa dem Abhören eines Telefongespräches gerade nicht festgestellt werden könnten. Entscheidend sei nicht die Zwangswirkung, sondern nur die Beeinträchtigung des jeweiligen Grundrechts. Zunächst ist den Ausführungen Amelungs entgegenzuhalten, daß die angeführten Nachweise aus der älteren Literatur die vertretene Auffassung kaum zu unterstützen in der Lage sind. Zwar läßt sich der Begriff "Zwang" in den Überschriften der jeweils zitierten Abhandlungen nicht finden, wohl aber im Text selbst5 . Hinzu kommt, daß auch im materiellen Strafrecht der Begriff des Zwanges, insbesondere hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Gewalt in § 240 Abs. 1 StGB, eine Wandlung hin zur Einbeziehung auch bloßer psychischer Vorgänge erfahren hat 6 • Gleichwohl mag hier dahinstehen, inwieweit Amelungs Argumente zu einer neuen Definition zwingen. Für die Untersuchung von Eingriffsbefugnissen soll von der umfassendsten Begriffsdeutung ausgegangen werden, um so einer vorzeitigen Ausgrenzung von möglicherweise "zwanglosen" Eingriffen vorzubeugen7 . Eine derartige Beschränkung des Untersuchungsfeldes ergibt sich indes schon hier: Charakteristikum jeder Zwangsmaßnahme ist - gerade auch im Sinne der Auffassung Amelungs - der Umstand, daß der grundrechtlich geschützte Bereich des Einzelnen beeinträchtigt wird. Dementsprechend kann 4 Amelung, Grundrechtseingriffe, 15 Fn. 7 (mitte) unter Hinweis auf Beling 495f.; Binding, Strafprozessrecht, 117f.; Gerland, Strafprozess, 240 und Henkel 273. 5 Binding, Strafprozessrecht, 117 spricht unter der Überschrift "Von der Sistirung der zum Prozesse nötigen Personen und Beweismittel" im Abschnitt über die Ladung von der "Betätigung des Gerichtszwanges"; Gerland, Strafprozess, 240 unterscheidet vor dem Abschnitt "Das Beweis- und Strafsicherungsrecht" zwischen "Zwangsmittel(n) in Bezug auf Sachen und Personen"; Henkel 273 spricht im Gesamtüberblick unter der Überschrift "Mittel der Verfahrenssicherung" von "Zwangsmaßnahmen". 6 Das hebt auch Kühne Rdnr. 113 unter Hinweis auf die umstrittene Entscheidungen BGHSt 23,46, 49f.; 53, 54 ("Laepple-Fall") und BayObLG, NJW 1970,1803,1804 hervor. 7 Als Beispiel einer derartigen frühzeitigen Beschränkung sei auf Krause, diss. iur. Berlin 1969, 130f., verwiesen, der "gewaltlose, willensunabhängige" Eingriffe, wie etwa Observationen und Abklärung einer Person in Form der Durchleuchtung ihres gesamten Lebensbereiches aus dem Kreis der Zwangsbefugnisse ausscheiden will; hiergegen eindringlich Amelung, Grundrechtseingriffe, 16 bei Fn. 9.
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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von einem Zwangseingriff nicht gesprochen werden, wenn die Folge einer strafprozessualen Maßnahme keine Verkürzung des Ausübungsbereich eines tangierten Grundrechts zur Folge hat. Aus diesem Gedanken ergibt sich, daß die Maßnahme des sogenannten "Sicheren Geleits" nach § 295 Abs. 1 nicht dem Kreis der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen angehören kann 8 . Zweck des "Sicheren Geleits" ist es nämlich, dem Interesse des Staates, ein Strafverfahren zu Ende zu führen dadurch zu dienen, daß durch vertragsähnliche Zusicherung, freiheitsentziehende Zwangsmaßnahmen, insbesondere die Untersuchungshaft, einen abwesenden Beschuldigten nicht treffen sollen9 . Diese Maßnahme beschränkt damit nicht die Rechte des Betroffenen, sondern gewährt eine Befreiung von der drohenden Auswirkung einer Zwangsmaßnahme. Als strafprozessuale Zwangsmaßnahmen sind damit alle Eingriffe zu untersuchen, die in ihrer repressiven NaturIO unmittelbar das Strafverfahren selbst ll oder als besondere Verfahren innerhalb der Strafprozeßordnung 12 oder außerhalb der Strafprozeßordnung unter Verweisung auf die Vorschriften des Strafverfahrens 13 dieses mittelbar betreffen 14 • 8 A. A. wohl aber Henkel, Strafverfahrensrecht, 273f. und von Hippel, Strafprozess, 454 jeweils ohne nähere Begründung. 9 Gollwitzer, in: LR, § 295 Rdnr. 1ff. m. w. Nachw.; ebenso in der 24. Aufl. 10 Da straJprozessuale Zwangsmaßnahmen dem Strafverfahren dienen müssen, scheiden präventiv-polizeiliche Eingriffe aus. 11 Unter Strafverfahren wird der staatlich geordnete Vorgang zu verstanden, in dem staatliche Behörden tätig werden, um die Frage, ob und gegebenenfalls wer eine strafbare Handlung begangen hat, zu klären, um nachfolgend soweit die vorbereitenden Maßnahmen und Nachforschungen die Täterschaft eines bestimmten Menschen wahrscheinlich gemacht haben, eine gerichtliche Entscheidung über die obige Frage und die Folge ihrer Beantwortung herbeizuführen und sodann um die rechtskräftig gewordene Entscheidung zu vollstrecken; zur Definition vgl. nur Schäfer, in: LR, Einl. Kap. 6 Rdnr. 28; ders., in: LR (24. Aufl.), Einl. Kap. 6 Rdnr. 27; im Gegensatz zum Vollstrekkungsverfahrens gehört der Strafvollzug damit nicht mehr zum Strafverfahren, etwa Kleinknecht / Meyer, Einl. Rdnr. 68; Roxin § 56 A III; Zwangsmaßnahmen dieses Verfahrens scheiden mithin aus: beispielsweise handelt es sich bei den Maßnahmen nach § 27 Abs. 1 StVollzG (Überwachung der Besuche in Justizvollzugsanstalten), § 94 Abs. 1 StVollzG (unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung rechtmäßiger Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen), § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 StVollzG (Untersuchung, Behandlung, Ernährung auf dem Gebiete der Gesundheitsfürsorge und Hygiene) nicht um strafprozessua1e Zwangsmaßnahmen, obgleich sie mittels Zwangseinsatzes durchgeführt werden können. 12 Z. B. das gerichtliche Ordnungswidrigkeitenverfahren, das Sicherungsverfahren, das Privatklageverfahren, das objektive Verfahren. 13 Etwa das Jugendgerichtsverfahren, das Steuerstrafverfahren. 14 Da eine umfassende Aufzählung von Zwangsmaßnahmen in diesem Sinne bislang fehlt - Übersichten mit Beispielen bzw. den "wichtigsten" Zwangsmaßnahmen, die aber unter verschiedenen Gesichtspunkten der Vollständigkeit entbehren, befinden sich bei Henkel 273f. ; von Hippel, Strafprozess, 439; Kühne Rdnr. 168; Lau[hütte, in: KK, vor § 94 Rdnr. 1ff.; Petters / Preisendanz, Strafprozeßfälle, 64f.; Peters § 46 I; Roxin § 29 A, Bund C; Schäfer, Praxis, 200f.; Schlüchter Inhaltsverzeichnis; Zipf,
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen 2. Die Tatbezogenheit als Eingriffsvoraussetzung
Alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen sind hinsichtlich ihrer Anordnung und Durchführung bestimmten im Gesetz festgelegten Eingriffsvoraussetzungen unterworfen. Die Strafprozeßordnung kennt keine Zwangsmaßnahme, die ohne jegliche Voraussetzung gleichsam ins Belieben der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden gestellt wäre. Trotz der verschiedensten Arten von Zwangsmaßnahmen mit wiederum unterschiedlichsten Voraussetzungen, läßt sich hierbei ein allen Eingriffen gemeinsames Merkmal benennen: Jede strafprozessuale Zwangsmaßnahme darf nur zur Aufklärung einer ganz bestimmten Straftat eingesetzt werden. a) Analyse der straJprozessualen Zwangsmaßnahmen Das Recht der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen weist auf den ersten Blick keine einheitliche Struktur auf. Dies liegt unter anderem daran, daß die Eingriffsmöglichkeiten zu unterschiedlichsten Zeiten, um nicht zu sagen Rechtsepochen, entstanden sind l5 . Hierin mag der Grund zu finden sein, daß das behauptete Strukturmerkmal der Tatbezogenheit nicht immer unmittelbar aus dem Gesetz ablesbar ist. Durch eine Analyse der Voraussetzungselemente läßt sich indes ausnahmslos nachweisen, daß jede Zwangsmaßnahme zumindest ein Element in den Eingriffsvoraussetzungen birgt, welches die Beziehung zwischen ihrem Einsatz und dem Vorliegen einer bestimmten Tat andeutet. Untersucht werden im folgenden restlos alle Zwangsmaßnahmen l6 , um so zeigen zu können, daß sich tatsächlich sämtliche Eingriffe bezüglich der Tatbezogenheit strukturell gleichen. (1) Elemente "Tat", "Verfahren" und "Untersuchung" Unmittelbar aus dem Gesetzestext folgt die Tatbezogenheit, wenn im Rahmen der Eingriffsvoraussetzungen von "der Tat" die Rede ist l7 . Auf eine konStrafprozeßrecht, 113 - vgl. meinen Katalog strafprozessualer Zwangsmaßnahmen im Anhang. 15 So ist etwa die heute in den §§ 102, 103 geregelte Durchsuchung als Haussuchung bereits in der Antike bekannt, vgl. dazu Holzhauer, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Stichwort: Haussuchung, Band 1., S. 2042, 2043ff.; während andere Zwangsmaßnahmen - man denke nur an den in letzter Zeit eingefügten § 163d - Folge jüngster Entwicklungen darstellen. 16 Und zwar alle Zwangsmaßnahmen der Strafprozeßordnung (vgl. wiederum meinen Katalog im Anhang), gelegentlich auch solche außerhalb dieses Gesetzes. 17 § 81 Abs. 1 (§ 81 Abs. 2 Satz 1: "Das Gericht trifft die Anordnung nur, wenn der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. "), § 111 Abs. 1 Satz 1 ("zur Sicherstellung von Beweismitteln ... , die der Aufklärung der Straftat dienen können"), § 112 ("der Tat dringend verdächtig"), § 127 Abs. 1 Satz 1 ("auf frischer Tat"), dementspre-
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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krete und real bestimmbare Tat weist auch das bei manchen Zwangsmaßnahmen zu findende Begriffselement "eine Straftat" hin l8 . Immer geht es nämlich um den Einsatz einer Zwangsmaßnahme in einem bestimmten Ermittlungsverfahren mit konkretem Untersuchungsgegenstand. Das wird beispielsweise an § 81c Abs. 1 deutlich, wo neben der hier angeführten Voraussetzung die Wendung "zur Erforschung der Wahrheit" zu finden ist. Es wird also ein ganz bestimmter Tatvorwurf einer Prüfung unterzogen, die mit einer möglichen Verifizierung enden kann. Tatbezogen sind damit auch derartige Maßnahmen l9 . Für die Verwendung des Voraussetzungselementes "eine rechtswidrige Tat" gilt das Gleiche. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist eine rechtswidrige Tat nämlich nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Dieser Begriff ist damit enger als der soeben untersuchte Begriff der "Straftat", unter dem man entsprechend der jeweiligen Verbrechenslehre beispielsweise eine "tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung" versteht20 • Tatbezogen ist damit auch die dieses Voraussetzungselement ebenfalls aufweisende Zwangsmaßnahme nach § 126a Abs. 1 ("eine rechtswidrige Tat"). Ebenfalls tatbezogen ist die Maßnahme nach § 164. Eine in Anwendung dieser Vorschrift erfolgende Festnahme hat nämlich zur Voraussetzung, daß ein im Gesetzestext genau umschriebenes Tatverhalten - nämlich eine vorsätzliche Störung der Amtstätigkeit nebst Widersetzung gegen Anordnungen des die Amtshandlung leitenden Beamten - vorliegt. Zuweilen weist das Gesetz bei strafprozessualen Eingriffen auf "das (Straf-) Verfahren" hin2l • Unter Strafverfahren wird gemeinhin der staatlich geordnete Vorgang verstanden, in dem staatliche Behörden tätig werden, um die Frage, ob und gegebenenfalls wer eine strafbare Handlung begangen hat, zu klären, sowie um nachfolgend eine gerichtliche Entscheidung über diese Frage und die Folge ihrer Beantwortung herbeizuführen und schließlich, um die rechtskräftig gewordene Entscheidung zu vollstrecken22 • Einzelelemente dieser Definition wie "strafbare Handlung" und "Täterschaft eines bestimmchend auch § 127 Abs. 2, sowie § 148 Abs. 2 ("Gegenstand der Untersuchung einer Straftat nach § 129a des Strafgesetzbuches"). 18 Daß es dort jeweils nicht "die Straftat" heißt, ist redaktionell zu erklären. 19 § 81c Abs. 1, § 81c Abs. 2 Satz 1 ("bestimmte Spur oder Folge einer Straftat"), ebenso §§ 81c Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1 und §§ 81c Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2, 103 ("Verfolgung von Spuren einer Straftat"), § 163b Abs. 2 Satz 1 ("zur Aufklärung einer Straftat"), sowie die neu eingefügte Regelung der Netzfahndung gemäß § 163d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ("Straftaten"). 20 Vg!. nur Eser, in: Schönke / Schröder, § 11 Rdnr. 42f., 44. 21 Dies betrifft Zwangsmaßnahmen wie die des § 81a Abs. 1 Satz 1 ("eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind") und § 81a Abs. 1 Satz 2 ("für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens"). 22 Vg!. zur Definition nur Schäfer, in: LR, Ein!. Kap. 6 Rdnr. 28 und ders., in: LR (24. Aufl.), Ein!. Kap. 6 Rdnr. 27.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
ten Menschen" zeigen, daß jedes Strafverfahren für sich einen genau abzugrenzenden Handlungskomplex des Lebens zum Gegenstand hat, der unter strafrechtlichen Perspektiven begutachtet wird. Jedes Strafverfahren bedarf mithin eines bestimmten Tatvorwurfes. Deshalb vermerkt die Staatsanwaltschaft auch bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens aktenmäßig das Verfahrenssubjekt und den Tatvorwurf, der die dann erfolgende Untersuchung begrenzt 23 • Nur in diesem (tatbezogenen) Rahmen dürfen auch Zwangsmaßnahmen eingesetzt werden. Ein Gleiches gilt für das Voraussetzungselement "Untersuchung". Dieser in
§ 94 Abs. 1 ("für die Untersuchung") verwendete Begriff24 soll sich nach einer
Auffassung mit dem Begriff des "Verfahrens" decken25 • Nichts anderes ergibt sich aber auch, soweit man die Untersuchung als jede Art von Tätigkeit im Strafverfahren, die der Aufklärung des Tatbestandes oder sonst der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens dient, begreift26 • Denn auch die Definitionselemente "Aufklärung des Tatbestandes" und "gerichtliches Verfahren" lassen wiederum auf einen konkreten Tatvorwurf schließen.
Einige Zwangsmaßnahmen kennen als Voraussetzungselement den Begriff "einer Hauptverhandlung". Hiermit wird (abstrakt) der zentrale Ausschnitt des einen bestimmten Tatvorwurf betreffenden Strafverfahrens angesprochen. Auch Zwangsmaßnahmen, die nur in der Hauptverhandlung Anwendung finden dürfen, sind damit tatbezogen 27 . § 161a Abs. 1 Satz 1 verpflichtet Zeugen und Sachverständige, vor der Staatsanwaltschaft "zur Sache" auszusagen. Aus § 69 Satz 2, der die Aussagepflichten der Zeugen zur Sache festlegt, geht hervor, daß mit dem Begriff "Sache" der Gegenstand der strafrechtlichen Untersuchung gemeint ist. Da es sich hierbei stets um eine bestimmte, konkrete Untersuchung handelt, sind auch die auf diese Norm verweisenden Zwangsmaßnahmen tatbezogen 28 . 23 Diese Begrenzung ergibt sich gleichfalls für das Gericht nach Anklageerhebung, vgl. §§ 151,155 Abs. 1,264 Abs. 1. 24 Der durch gesetzliche Verweisungen hinsichtlich der Zwangsmaßnahmen nach § 94 Abs. 3 u. 1, § 94 Abs. 2, § 94 Abs. 3 u. 2, §§ 95 Abs. 2 Satz 1,70 Abs. 1 Satz 1, §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2 und §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 2 ebenfalls zur Voraussetzung wird. 25 So wird gesagt, daß die in § 94 Abs. 1 genannte Untersuchung das gesamte Strafverfahren, darüber hinaus das Sicherungsverfahren nach den §§ 413ff., das Einziehungsverfahren nach den §§ 440ff. und auch das Privatklageverfahren umfasse; vgl. dazu Kleinknecht / Meyer § 94 Rdnr. 9 m. w. Nachw.; Müller, in: KMR, § 94 Rdnr. 1 und 4 verwendet für den Begriff "Untersuchung" in den zugehörigen Erläuterungen sogar ausschließlich das Wort "Strafverfahren". 26 Etwa Laujhütte, in: KK, § 94 Rdnr. 11. 27 Dies betrifft: § 230 Abs. 2 Alt. 1 ("eine Hauptverhandlung"), ebenso dann auch § 230 Abs. 2 Alt. 2, § 329 Abs. 4 Alt. 1, § 329 Abs. 4 Alt. 2, § 330 Abs. 1, § 387 Abs. 3 Alt. 2, §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 1, §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 2, §§ 412 Satz 2, 330 Abs. 1, sowie § 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 (§ 231 Abs. 1 Satz 1: "der Verhandlung") und § 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2.
H. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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(2) Personenbezogene Voraussetzungselemente
Bei etlichen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wird die notwendige Tatbezogenheit des jeweiligen Eingriffes daran deutlich, daß das Zielsubjekt eine in einem bestimmten Strafverfahren auftretende Person ist. Dies gilt in besonderer Weise für den vom Tatvorwurf unmittelbar Betroffenen, der dem jeweiligen Fortgang des Strafverfahrens entsprechend, verschiedene Bezeichnungen trägt. So richtet sich eine große Zahl von Zwangsmaßnahmen gegen den "Beschuldigten"29. Diese Eigenschaft wird durch einen Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde begründet, der regelmäßig in der Einleitung eines Ermittlungsverfahren besteht. Damit ist der Beschuldigte eine Person, gegen die sich zumindest der Tatvorwurf wendet, eine bestimmte rechtswidrige Straftat begangen zu haben 3o . Zuweilen verwendet die Strafprozeßordnung in den Voraussetzungen einzelner Maßnahmen den Begriff des "Täters"3l. Es handelt sich dann stets um die einer bestimmten Tat verdächtige Person, also letztlich wiederum um einen Beschuldigten. Ebenso konkret auf bestimmte Straftaten hinweisend ist die Einfügung des Begriffes "Verdächtiger"32. Auch Zwangsmaßnahmen, die den Begriff des "Angeklagten" verwenden 33 , sind ebenso tatbezogen wie solche, die sich ihren Voraussetzungen entsprechend gegen einen Beschuldigten richten. Denn § 157 Halbsatz 2 definiert den Angeklagten als den Beschuldigten oder Angeschuldigten, gegen 28 Dies betrifft §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 2, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 2, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1 und §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 2. 29 § 99 ("an den Beschuldigten gerichtete(n) Briefe und Sendungen"), § 103 ("zur Ergreifung des Beschuldigten"), § ll1a Abs. 1 Satz 1, § ll1a Abs. 3 ("dem Beschuldigten"), § 111d Abs. 1 Satz 1 ("gegen den Beschuldigten" in § 111d Abs. 1 Satz 2), § 127a Abs. 1 Nr. 2 ("der Beschuldigte"), § 131 Abs. 1, § 131 Abs. 2 ("der Beschuldigte"), § 132 Abs. 1 ("der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist"), ebenso § 132 Abs. 3, § 132a Abs. 1 Satz 1 ("dem Beschuldigten"), § 134 Abs. 1 ("des Beschuldigten"), § 163a Abs. 3 Satz 2 ("der Beschuldigte" in § 163a Abs. 3 Satz 1) und § 443 Abs. 1 Satz 1 ("eines Beschuldigten"). 30 Vg!. hierzu BGHSt 10, 8, 12; Fineke, ZStW 95 (1983), 918ff.; Kleinkneeht / Meyer Ein!. Rdnr. 76 m. w. Nachw.; Lenekner, in: Peters-FS, 333, 340; Montenbruek, ZStW 89 (1977), 878ff.; Pe/ehen, in: KK, § 81b Rdnr. 2 m. w. Nachw.; Roga1l25; ders., MDR 1977,978. 31 § 100a Alt. 1 und § 100a Alt. 2 ("Verdacht ... , daß jemand als Täter oder Teilnehmer bestimmte (Katalog-)Straftaten ... "), § 102 Alt. 1, § 102 Alt. 2, § 102 Alt. 3 ("bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist") und § 111 Abs. 1 Satz 1 ("zur Ergreifung des Täters"). 32 §§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163b Abs. 1 ("einer Straftat" und "der Verdächtige"), § 163b Abs. 1 Satz 2 ("einer Straftat verdächtig" in § 163b Abs. 1 Satz 1 und "der Verdächtige" in § 163b Abs. 1 Satz 2), wie auch § 163b Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1. 33 Der Begriff "Angeklagter" wird verwendet in § 236 Alt. 1 ("des Angeklagten"), in § 236 Alt. 2, § 247 Satz 1 ("der Angeklagte"), sowie in § 247 Satz 2 und § 247 Satz 3.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Im übrigen ist hier der Bezug auf eine bestimmte Straftat noch konkreter, da der (allgemeine) Tatvorwurf, der die Beschuldigteneigenschaft entstehen läßt, sich zum hinreichenden Tatverdacht verdichtet hat34 • Soweit in der Strafprozeßordnung die Bezeichnung "Abwesender" als Voraussetzungselement von Zwangsmaßnahmen Verwendung findet 35 , ist damit - wie sich unmittelbar aus § 287 ergibt - stets ein Beschuldigter, also der einer bestimmten Straftat Verdächtige gemeint. Schließlich sind auch Zwangsmaßnahmen, die sich gegen den "Verurteilten" richten, tatbezogen36 . Denn der Beschuldigte bzw. im engeren Sinne der Angeklagte wird zum Verurteilten, wenn sich für das Gericht der bestimmte Tatvorwurf, wie er durch den Eröffnungsbeschluß konkretisiert ist, bestätigt hat. Personenbezogene Voraussetzungselemente lassen sich darüber hinaus auch hinsichtlich anderer Prozeßsubjekte des Strafverfahrens finden. Zeugen werden im Strafverfahren als Beweismittel zu konkreten Tatvorwürfen verhört und vernommen. Damit beziehen sich Zwangsmaßnahmen, die sich gegen den "Zeugen" richten auf jeweils eine bestimmte Straftat37 . Gleiches muß gelten für Zwangsmaßnahmen, die bei Verweigerung der Zeugnis- (oder Eidesleistung) Anwendung finden können38 • Denn diese Maßnahmen sollen die prozessualen Pflichten zur Auskunft hinsichtlich eines bestimmten Tatverdachts durchsetzen helfen. Ein "Sachverständiger" soll über Tatsachen oder Erfahrungssätze, die zur Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes dem Gericht notwendig erscheinen, Auskunft geben oder einen bestimmten Sachverhalt beurteilen39 • Auch Zwangsmaßnahmen, die sich an den Sachverständigen richten 40 , sind daher nur in Bezug auf eine bestimmte Tat anwendbar. Nach § 431 Abs. 1 Satz 1 ist "Einziehungsbeteiligter" , wer in einem Strafverfahren, in dem über die Einziehung eines Gegenstandes zu entscheiden ist, nicht Angeschuldigter ist und glaubhaft machen kann, daß der Gegenstand ihm gehört oder zusteht bzw. daß er an diesem ein sonstiges Recht hat, dessen Erlöschen im Falle der Einziehung angeordnet werden könnte. Da ein Verfahren bei Einziehung nach den §§ 74 bis 74f, 76a StGB gemäß § 74 Abs. 1 StGB das Vorliegen einer vorsätzlichen Straftat erfordert, sind Maßnahmen auch gegenüber Einziehungsbeteiligten41 auf diese konkrete Straftat bezogen. Vgl. dazu § 203. Dies betrifft die Eingriffe nach § 288 ("der Abwesende") und § 290 Abs. l. 36 Dies betrifft § 453c Abs. 1 ("des Verurteilten"), § 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ("der Verurteilte"), ebenso dann auch § 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, § 457 Abs. 2 und § 459g Abs. 1 Satz 1 ("den Verurteilten"). 37 Dies trifft zu für: § 51 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 Satz 2 und § 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 ("ordnungsgemäß geladener Zeuge"). 38 § 70 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 und § 70 Abs. 2 ("Zeugnis- oder die Eidesleistung ... verweigert"). 39 Vgl. nur Kleinknecht / Meyer vor § 72 Rdnr. l. 40 § 77 Abs. 1 Satz 1 und § 77 Abs. 1 Satz 2 ("Sachverständigen"). 34 35
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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(3) Weitere Voraussetzungselemente In Anknüpfung an Eingriffe, die sich an den Einziehungsbeteiligten richten, sind auch Maßnahmen, die ihren Grund in der zu erwartenden Einziehung begründen, tatbezogen42 • Dasselbe trifft für den zu besorgenden Verfall nach den §§ 73 ff. StGB zu. Denn § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB läßt die Anordnung des Verfalls nur zu, soweit eine rechtswidrige Tat begangen worden ist43 • § 103 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 bezieht sich auf die Beschlagnahme "bestimmter Gegenstände". Dieser Begriff wird allgemein dahingehend verstanden, daß es sich hierbei um nach §§ 94, 97 beschlagnahmefähige Beweismittel handelt44 • Beweismittel sollen den Beweis eines bestimmten konkreten Tatvorwurfs erbringen. Sie beziehen sich dementsprechend auf eine bestimmte Tat. Daher ist auch die Maßnahme nach § 103 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 tatbezogen. Nach § 463b Abs. 1 wird ein gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 StGB amtlich zu verwahrender Führerschein, der nicht freiwillig herausgegeben wird, beschlagnahmt. Auch diese - den Regeln des § 94 folgende - Beschlagnahme ist tatbezogen. Denn die Einziehung des Führerscheines ist Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 3 Satz 2 StGB), die wiederum in Beziehung zu einer rechtswidrigen Tat (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB) steht. In ähnlicher Weise ist schließlich auch die Zwangsmaßnahme nach § 463c Abs. 3 Alt. 1 tatbezogen. Der Betroffene soll gezwungen werden, der Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung einer Verurteilung nachzukommen. Damit handelt es sich auch hier um die Folge einer rechtswidrigen Tat45 •
b) Das Element der Tatbezogenheit in Rechtsprechung und Literatur Rechtsprechung und Literatur behandeln das Merkmal der Tatbezogenheit meist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit. Hervorzuheben sind zunächst einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Durchsuchungsund Beschlagnahmevorschriften. So vertraten im sogenannten "SpiegelUrteil"46 die Richter, die letztlich nicht den Ausschlag der Entscheidung 41 § 433 Abs. 2 Satz 2 ("der Einziehungsbeteiligte"), § 442 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 und § 433 Abs. 2 Satz 2, sowie § 459g Abs. 1 Satz 1 ("der Verfalls- oder Einziehungsbetei-
ligten"). 42 § 111b Abs. 2 Satz 1 und § I11b Abs. 2 Satz 3 ("die Voraussetzungen ... ihrer Einziehung vorliegen"). 43 Tatbezogen sind daher auch die Eingriffe gemäß § I11b Abs. 2 Satz 1 und § I11b Abs. 2 Satz 3 ("die Voraussetzungen für ihren Verfall ... vorliegen"). 44 Laufhütte, in: KK, § 103 Rdnr. 4; Meyer, in: LR, § 103 Rdnr. 7 m. w. Nachw.; Müller, in: KMR, § 103 Rdnr. 2; diff. Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 103 Rdnr. 9. 45 Dies betrifft ebenso die Maßnahmen nach § 463c Abs. 3 Alt. 2, §§ 463c Abs. 4, 463c Abs. 3 Alt. 1 und §§ 463c Abs. 4, 463c Abs. 3 Alt. 2. 46 Urteil vom 5. August 1966 (BVerfGE 20, 162ff.).
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
geben konnten 47 , die Auffassung, daß eine Durchsuchung nur dann rechtsstaatlichen Kriterien genüge, wenn der Eingriff meß- und kontrollierbar sei. Der Richter müsse hierzu den die Exekutive ermächtigenden Grundrechtseingriff nach Inhalt, Zweck und Ausmaß "hinreichend gen au umgrenzen". Von ihm sei die "aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau (zu) umschreiben ... wie es nach den Umständen des einzelnen Falles überhaupt möglich" sei. Eine Anordnung, die etwa dahin gehe, daß Räume und Personen durchsucht werden dürften, sei, da sie nur den Wortlaut des entsprechenden Tatbestandes wiedergebe, nicht ausreichend. Nur die möglichst genaue Bezeichnung der konkreten Tat könne verhindern, daß die Ermittlungsbehörden den Durchsuchungsbefehl zur Auffindung von Beweismitteln für weitere Straftaten benützten, die irgendwie, etwa auf Grund der strafrechtlichen Begriffe der Tateinheit oder des Fortsetzungszusammenhanges, mit der ursprünglich gemeinten Straftat zusammenhingen 48 . Im übrigen habe der Richter auch die Art und den vorgestellten Inhalt der Beweismittel, nach denen gesucht werden solle, so genau wie nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise möglich sei, zu umschreiben. Nur eine derartige Konkretisierung einer Durchsuchung setze die erforderlichen Grenzen und beuge so einer rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwiderlaufenden Ausuferung vor. Eine solche sei gerade deshalb leicht möglich, weil häufig eine fast unübersehbare Zahl von Gegenständen als wenn auch noch so entfernte Beweismittel für den aufzuklärenden Sachverhalt in Frage kommen könnte. Nicht ausreichend sei es, das Ziel der Durchsuchung schlicht mit "Beweismitteln und Gegenständen, die der Einziehung unterliegen" zu bezeichnen49 • Das Bundesverfassungsgericht hat sich später dieser nicht von der Abstimmungsmehrheit der Richter getragenen Auffassung in der sogenannten "Quick-Entscheidung50" genähert. Ein auf § 102 gestützter Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthalte und der zudem weder die Art noch den denkbaren Inhalt der Beweismittel, denen die Durchsuchung gelte, erkennen lasse, werde rechtsstaatlichen Mindestanforderungen dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich seien. Die nur schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat und die Anführung des Wortlautes von § 102 genüge jedenfalls nicht. Diese Beschreibung des Tatvorwurfes stecke den äußeren Rahmen, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen sei, ab. Sie habe - bei richtiger Handhabung - eine begrenzende, die Privatsphäre 47 Es handelte sich um einen Fall von Stimmengleichheit, der in § 15 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG geregelt ist. 48 BVerfGE 20, 162, 224. 49 BVerfGE 20, 162,225. 50 BVerfGE 42, 212ff.
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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des Betroffenen schützende Funktion. Auch versetze sie den Einzelnen in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten51 . Bestätigt worden ist dieser Gedanke in einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 198152 . Im Falle der Beschlagnahme des von den eigenen Mitarbeitern eines Presseorgans gefertigten Bildmaterials über Gewalttaten bei Demonstrationen seien die aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit zu stellenden Anforderungen an den Inhalt von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen nur erfüllt, wenn der Beschluß Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs und eine genaue Beschreibung der Beweismittel, denen die Durchsuchung gelte, enthalte53 . Da zumeist der Versuch, allgemeine Voraussetzungen für den Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen herauszuarbeiten, nur selten unternommen wird54 , lassen sich im Schrifttum auch nur wenige Ausführungen zur Bedeutung des den Einsatz begrenzenden Merkmals der Tatbezogenheit finden. Nach Petry 55 ergibt sich aus der thematischen Beschränkung der Strafverfolgung, die ihren gesetzlichen Ausdruck in § 155 Abs. 1 gefunden habe, daß Eingriffe, die an sich im Rahmen des Verfahrens erlaubt seien, dann unzulässig wären, wenn sie mit der verfolgten Straftat in keiner Beziehung mehr stünden. Ähnlich legt Peters56 dar, daß der Beschuldigte dadurch Schutz erfahre, daß er immer nur im Hinblick auf ein bestimmtes Geschehnis in das Strafverfahren einbezogen werden dürfe. Nur was zur Behandlung des Täters in Bezug auf diese Tat57 von Bedeutung sei, werde geprüft und untersucht. Die zu treffenden Maßnahmen dürften nur unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes ausgewählt werden. Meyer58 verweist darauf, daß die strafprozessuale Aufklärungspflicht schlechthin von vornherein durch den Gegenstand des Verfahrens begrenzt sei59 • Aus verfassungsrechtlicher Sicht argumentieren Nipperdey und Dürig. Im Zusammenhang mit der Erläuterung zu Art. 1 Abs. 1 GG hebt BVerfGE 42, 212, 220f. BVerfGE 56, 247ff. 53 BVerfGE 56, 247. 54 So etwa Schlüchter Rdnr. 136ff. ("übereinstimmend allgemeine Voraussetzungen" für die "Wirksamkeit der Prozeßhandlungen"), die jedoch das hier untersuchte Merkmal nicht umschreibt. 55 Petry, Beweisverbote, 72, 75. 56 Peters 266. 57 Die Worte sind im Original bei Peters fettgedruckt. 58 Kleinknecht / Meyer Ein!. Rdnr. 50 (37. Aufl.); in der 38. Aufl. fehlt dieser Satz. 59 Ähnlich Müller, in: KMR, § 163c Rdnr. 15, der in Bezug auf § 153c Abs. 4 die Einschränkung macht, daß die bei einer Durchsuchung vorgefundenen Gegenstände zurückgegeben werden müssen, "wenn sie nicht für das Verfahren (als Beweismittel) von Bedeutung" seien. 51
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
NipperdeyfIJ hervor, daß es Erfordernis der Menschenwürde sei, im Strafprozeß nur soweit in die Persönlichkeitssphäre einzudringen, als es zur Behandlung des Täters in Bezug auf diese 61 Tat von Bedeutung sei. Nipperdey bezeichnet diesen Grundsatz mit dem Begriff "Tatverhaftetheit". Dürig62 wohl Nipperdey folgend - stellt die nicht weiter begründete Behauptung auf, daß alle strafprozessualen Maßnahmen gegen den Täter letztlich tatverhaftet seien. Dementsprechend seien sie nur soweit gerechtfertigt, als es zur Behandlung des Täters in Bezug auf diese Tat von Bedeutung sei. Mehr auf die Zweckbindung staatlichen Handeins stützen sich Veit und Wimmer. Nach Wimmer6 3 ergibt sich aus dem Vorhandensein des § 108, daß die Strafverfolgungsorgane im allgemeinen strikt an den Untersuchungszweck gebunden seien. Nur in den im Gesetz besonders hervorgehobenen Fällen - wie gerade im Falle des § 108 - dürften sich Maßnahmen auch auf außerhalb der ursprünglichen Zweckbindung gelegene Bereiche erstrecken. Für VeitM bildet der Eingriffszweck zugleich die Rechtmäßigkeitsschranke allen staatlichen Handeins. Daraus folge, daß strafprozessuale Eingriffsnormen regelmäßig auf ihren jeweiligen, genau bestimmten Einsatzzweck begrenzt seien. Welp, Schumacher und Maiwald schließlich stellen die Behauptung auf, die Prozeßordnung sei von dem Grundsatz beherrscht, daß strafprozessuale Eingriffe in materielle Rechte des Betroffenen auf den Untersuchungszweck des Verfahrens bezogen sein müßten, in dessen Rahmen sie angeordnet worden seien65 . Begründungen für den Ausgangspunkt dieser Überlegungen werden nicht genannt. Als Beleg dieser apodiktischen Behauptung wird vielmehr durchgehend allein eine Aussage in Eberhard Schmidts Lehrkommentar herangezogen66 . Eine These in der zitierten abstrakten Form, prozessuale Eingriffe schlechthin betreffend, läßt sich an der bezeichneten Stelle jedoch nicht finden. Die Ausführungen Eberhard Schmidts beziehen sich nämlich dort nur auf die Maßnahme der Beschlagnahme67 • Nipperdey, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, 29. Im Original gesperrt gedruckt. 62 Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 37. 63 Wimmer, GA 1983, 145, 151. 64 Veit, Untersuchungshaft, 156. 65 So etwa ausdrücklich bei Welp, Überwachung, 220f.; auch Ausgangspunkt der Anmerkung von Welp, JZ 1973, 289 zum Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichtes, NJW 1973, 157f.; modifiziert bei Welp, Jura 1981, 472, 474 bei Fn. 5, nunmehr heißt es nämlich "strafprozessuale Eingriffe in Freiheiten und Rechte"; Maiwald, JuS 1978, 379, 382 berichtet vom strafprozessualen Prinzip, "daß Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren nur zur Aufklärung einer bestimmten Straftat und nur dann erfolgen dürfen, wenn genügend konkretisierte Verdachtsmomente vorliegen"; auch Sehumaeher, diss. iur. Hamburg 1976, 302f. im Zusammenhang mit dem "Grundsatz der Tatverhaftetheit" . 66 Nämlich Eb. Sehmidt II, § 108 Rdnr. 1; vgl. im einzelnen Maiwald, JuS 1978, 379, 382 in Fn. 20; Sehumaeher, diss. iur. Hamburg 1976, 303 in Fn. 1; Welp, Überwachung, 220f. in Fn. 38; ders., JZ 1973, 289, erster Satz und Fn. 1; ders., Jura 1981, 472, 474 in Fn.5. 60
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11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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c) Exkurs: Möglichkeiten der Durchbrechung
Die Analyse hat gezeigt, daß ausnahmslos alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen vom Grundsatz der Tatbezogenheit beherrscht sind. Durchbrechungen - die damit zwangsläufig diese Grundstruktur strafprozessualer Eingriffe antasten könnten - erscheinen nicht nur möglich, sondern zuweilen als Folge von "Reformbemühungen" geradezu geplant. Dies wird gelegentlich im Rahmen der Diskussion um neue der Strafprozeßordnung bislang unbekannte Zwangsmaßnahmen deutlich. An dieser Stelle seien nur einige Beispiele kurz angesprochen. So fehlt der oben schon erwähnten Rasterfahndung68 , soweit es sich nicht um den nunmehr durch § 163d geregelten Ausschnitt handelt69 , jede Beziehung zu einer konkreten Tat7o • Das liegt insbesondere daran, daß das wesensmäßige Merkmal einer derartigen Maßnahme gerade in dem erhofften Gewinnen ermittlungsfähiger Einzelspuren besteht. Mit der Einführung einer die Rasterfahndung generell ermöglichenden Norm wäre ein Eingriff vorhanden, dem das Voraussetzungselement der Tatbezogenheit fehlte. Inwieweit dies, gemessen an den Strukturen des Strafverfahrensrechts, als zulässig angesehen werden kann, mag hier dahinstehen. Zum Teil wird eine Abkehr von diesem Grundsatz zugunsten anderer Interessen sogar gefordert. So regt Hoffmann 71 an, für die Abschöpfung von Vermögenswerten, die aus illegalem Rauschgifthandel stammten, Einziehungsvorschriften zu schaffen, welche die Einziehung bzw. den Verfall dieser Werte gestatteten, "ohne daß der Nachweis einer konkreten Tat erforderlich wäre, aus der gerade dieser Vermögensvorteil entstanden sei". Hoffmann, der zu bedenken gibt, daß für eine derartige Vorschrift ein unabweislicher Bedarf bestünde, stützt sich dabei auf Bestimmungen des australischen civil law. Dieses sehe bereits jetzt schon im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der 67 Eb. Schmidt 11, § 108 Rdnr. 1: "Die Prozeßordnung geht von dem Grundsatz aus, daß eine Beschlagnahme hinsichtlich Zweck und Objekt mit dem Ermittlungsgegenstand eines bestimmten Verfahrens in Beziehung stehen müsse, das entweder schon formell eingeleitet ist oder dessen Einleitung unmittelbar bevorsteht. ". 6S Siehe oben Kap. 2 1. 69 Vgl. dazu die Diskussion um die sog. neuen "Sicherheitsgesetze" , insbesondere die "Schleppnetzfahndung", etwa Justizminister Engelhard im Hamburger Abendblatt vom 3. Februar 1986; sowie DER SPIEGEL 1985, Nr. 42, 43 "Weite Hose"; DER SPIEGEL 1986, Nr. 4,92 "Steckbrief auf Vorrat" zur observierenden Fahndung der Polizei mittels Videofilmes, wobei die Aufnahme von Zufallskontaktpersonen bzw. einfachen Straßenpassanten zur anschließenden Erforschung dieser Personen durch die Kriminalpolizei führt; im übrigen vgl. die Nachweise oben in Kap. 1 I; siehe weiterhin den "Beerdigungsfall" , oben Kap. 21. 70 Simon / Taeger, JZ 1982, 140, 142: "Fahndung abstrakter Natur steht vor der konkreten Ermittlung"; Rogall, GA 1985, 1, 4f.; Wanner, Rasterfahndung, 21ff. 71 Hoffmann, MDR 1984, 617, 620.
6 Labe
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
finanziellen Transaktionen der organisierten Rauschgiftkriminalität vor, daß Vermögenswerte von Personen, die in den letzten sechs Jahren wegen Rauschgifthandels verurteilt worden seien, auch dann eingezogen werden könnten, wenn kein Zusammenhang zu einer konkreten Straftat nachgewiesen werden könne. Der Betroffene müsse vielmehr das Gegenteil der gesetzlichen Vermutung, daß zu einem bestimmten Zeitraum alle im Besitz des Verurteilten befindlichen Vermögenswerte aus seinen illegalen Einkünften stammten, beweisen. Schließlich sei noch erwähnt, daß die Bundesregierung auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zum "Datenschutz im Strafverfahren" jüngst geantwortet hat, daß im Jahre 1988 der Abschluß eines Gesetzesvorhabens zur Novellierung der Strafprozeßordnung geplant sei. Neben der Schaffung spezieller gesetzlicher Grundlagen für einzelne - hergebrachte und moderne ErmiUlungsmethoden soll vor allem § 161 zu einer "Generalermittlungsklausel" ausgestaltet werden. Die Strafverfolgungsbehörden sollen eine umfassende Befugnis zur Vornahme von Ermittlungshandlungen, die die bisher vorhandenen einzelnen Eingriffsermächtigungen nicht ermöglichen, erhalten. Dies wird damit begründet, daß eine abschließende Beschreibung und Regelung aller ErmiUlungseingriffe angesichts der sich ständig ändernden Erscheinungsformen der Kriminalität und der Notwendigkeit, ihr in angemessener Weise zu begegnen, nicht möglich sei72 • d) Fazit
Im voraufgegangenen Abschnitt der Untersuchung ist deutlich geworden, daß sämtliche strafprozessuale Zwangsmaßnahmen - selbst der neue § 163dtrotz ihrer verschiedenartigsten Zwecke strukturell eine Gemeinsamkeit aufweisen: Alle Zwangsmaßnahmen dienen der Aufklärung einer bestimmten konkreten Straftat. Sie sind tatbezogen. Dies ergibt sich entweder unmittelbar aus dem Gesetzestext, nämlich wenn dieser Begriffe wie "Tat", "Verfahren" oder "Untersuchung" verwendet. Mittelbar zeigt es sich an anderen, insbesondere den personenbezogenen, Eingriffsvoraussetzungen, die, wie gezeigt, nur im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer bestimmten zu erforschenden Straftat Sinn entfalten können. Dies von Rechtsprechung und Schrifttum nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit behandelte Merkmal der Tatbezogenheit hat im Ergebnis zur Folge, daß der Einsatz einer jeden strafprozessualen Zwangsmaßnahme stets und nur zur weiteren Erforschung einer ganz bestimmten, bereits bekannten Tat angeordnet und durchgeführt werden darf. Bislang ist der Begriff der Tat ohne weitere Erläuterung bzw. nähere Definition verwendet worden. Angesichts der zum Teil recht unterschiedlichen 72
BT-Drs. 11/1878; nachzulesen auch in DRiZ 1988, 195.
H. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur ist es erforderlich, im folgenden den Blick hierauf zu lenken. Es soll versucht werden, eine Definition zu finden, die der Funktion dieses Begriffes im Zusammenhang mit den Eingriffsvoraussetzungen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen gerecht zu werden vermag. 3. Der Begriff der Tat im Sinne der Tatbezogenheit
Ein Tatbegriff, der für das allen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen gemeinsame Merkmal der Tatbezogenheit Geltung haben soll, muß sich an deren Funktion und Wirkung orientieren. Da strafprozessuale Zwangsmaßnahmen Eingriffe in den durch Grundrechte geschützten Persönlichkeitsbereich sind73 , müssen sich ihr Einsatz und damit die diesen ermöglichenden Voraussetzungen insbesondere an den Werten des Rechtsstaatsgebotes messen lassen. Aus letzterem ist ableitbar, daß es den Strafverfolgungsbehörden nicht überlassen werden darf, gleichsam durch Ermessensausübung Ziel und Ausmaß einer Zwangsmaßnahme zu bestimmen. Vielmehr muß ein Grundrechtseingriff meßbar und damit kontrollierbar sein74 . Dies kann nur gelingen, wenn Anordnung und Durchführung des Eingriffes strengen Voraussetzungen unterliegen, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß diesen hinreichend genau umgrenzen. Das hat zur Folge, daß auch der Begriff der Tat im Sinne des Voraussetzungselementes "Tatbezogenheit" eng definiert werden muß. Vor diesem Hintergrund sind die in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Auffassungen zum Tatbegriff zu beurteilen. Insbesondere die Rechtsprechung vertritt bezüglich des in den §§ 155, 264 erwähnten Begriffes der "Tat" - im Gegensatz zur materiell-rechtlichen Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit im Sinne der §§ 52 ff. StGB - einen eigenständigen verfahrensrechtlichen Tatbegriff. Tat im prozessualen Sinne soll der geschichtliche und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluß hinwiesen, sein. Dabei sei unter dem geschichtlichen Vorkommnis nicht nur die einzelne, im Eröffnungsbeschluß hervorgehobene Betätigung, sondern das ganze Tun des Angeklagten zu verstehen, soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluß bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach Auffassung des Amelung, Rechtsschutz, 14; Welp, Zwangsbefugnisse, 10. Für den Fall der Durchsuchung haben in dem bereits erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. August 1966 (BVerfGE 20, 162,224, "Spiegel-Urteil") nicht nur die Richter der im Ergebnis unterlegenen Auffassung auf die Notwendigkeit der möglichst gen auen Bezeichnung einer konkreten Tat hingewiesen. Auch die die Entscheidung tragende Auffassung hat hervorgehoben, daß es aus rechtsstaatlichen Gründen geboten erscheine, im schriftlichen Durchsuchungsbeschluß die Straftat sowie Zweck, Ziel und Umfang der Durchsuchung möglichst konkret und genau zu bezeichnen (BVerfGE 20, 162,227). 73
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
Lebens einen einheitlichen Vorgang bilde. Selbst mehrere Handlungen im Sinne von § 53 StGB seien dann eine Tat im Sinne von § 264, wenn sie unmittelbar und dergestalt innerlich verknüpft seien, daß keine von ihnen für sich all eine verständlich abgehandelt werden könne und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden würde 75. Beispielsweise sei ein derartiger einheitlicher Lebensvorgang gegeben, wenn neben einer Haupttat Strafvereitelungsmaßnahmen begangen worden seien, letztere jedoch in einem "engen zeitlich-örtlichen Zusammenhang" zur Tat stünden76 • Eine Ausnahme vom Grundsatz, daß immer dann eine Tat im prozessualen Sinne vorliegt, wenn die festgestellten Gesetzesverletzungen materiell tateinheitlich zusammentreffen77, nimmt der Bundesgerichtshof für die sogenannten Organisationsdelikte der §§ 129, 129a StGB an78 . Dies Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 8. Januar 198179 im wesentlichen bestätigt. Auch im übrigen ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht frei von derartigen normativen Wertungen. So soll etwa nach einer neueren Entscheidung die Identität der Tat im prozessualen Sinne dann nicht mehr vorliegen, wenn sich das Tatbild zwischen Anklage und Urteil80 wesentlich verändert hat. Unwesentlich sei die Abweichung nur dann, wenn die Richtung des Täterverhaltens - auf ein bestimmtes Tatobjekt oder einen bestimmten Taterfolg - dieselbe geblieben sei 81 • 75 Erstmals RGSt 9, 420 (Urteil vom 10. Januar 1884); sodann RGSt 15,9, 11; 24, 370, 371f.; 41,164,165; 44, 28,30; 51,127,128; 56, 324; 58,113, 116f.; 61, 236, 237; 62,130;65,106,109; 65, 291, 292; 66, 19,21;70,396, 398; 71, 360,361; 72, 339, 340; BGHSt 2,371,374; 6, 92, 96; 8, 92, 94f.; 9,10; 9, 324, 326; 10, 396, 397; 13, 21, 25f.; 13,320,321; 15,268,272; 16,200,202;22,375,385;22, 105, 106;23, 141, 148;23,270, 275; 24, 185, 186ff.; 25, 72, 74; 25, 388, 389; 26, 284, 285ff.; 27,115,116; 29, 341, 342; 32, 146, 148ff.; BGH, Strafverteidiger 1981, 127, 128; BGH, NJW 1981, 997; BGH, NStZ 1982, 213; BGH, Strafverteidiger 1982, 256, 257; BGH, NStZ 1983, 87; BGH, Strafverteidiger 1983, 322; BGH, NStZ 1984, 135; BGH, NStZ 1984, 469; BGH, Strafverteidiger 1984,1; BGH, Strafverteidiger 1984, 366, 367; BGH, Strafverteidiger 1985, 181; BGH, NJW 1988, 837; OLG Stuttgart, MDR 1975,423; OLG Hamm, NJW 1981, 237, 238; OLG Koblenz, NJW 1982, 1770; OLG Düsseldorf, NJW 1983, 768; OLG Hamm, Strafverteidiger 1984, 15f. 76 OLG Celle, NJW 1968, 2390, 2392 m. Anm. Kaffka, JR 1969, 154f. und Anm. Fuchs, NJW 1968, 2390f.; auch OLG Zweibrücken, NJW 1980, 2144; BayObLG, NJW 1984, 187f. 77 Vgl. etwa BGHSt 8, 92, 94f.; 13,21,23; 26, 284, 285; BGH, NStZ 1984,135. 78 BGHSt 29, 288, 290ff.; vgl. auch BVerfGE 45, 434 zu Dauerdelikten; wie der Bundesgerichtshof auch OLG Karlsruhe, MDR 1977, 1033f.; aus der reichhaltigen Besprechung in der Lehre vgl. Batike, JA 1979,596; Rieß, NStZ 1981, 74ff.; OLG Karlsruhe zustimmend K. Meyer, JR 1978, 35ff.; kritisch hingegen Fleischer, NJW 1979,1337, 1339f.; Grünwald, in: Bockelmann-FS, 737ff.; Werle, NJW 1980, 2671ff.; Übersicht bei Lemke, ZRP 1980, 141ff. 79 BVerfGE 56, 22, 30ff. 80 Im zur Entscheidung anstehenden Fall handelte es sich um eine Verurteilung wegen Mordes nach einer Anklage wegen Strafvereitelung (BGHSt 32, 215ff.).
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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In der Rechtslehre sind neben rechtsprechungsnahen Auffassungen 82 etliche Versuche unternommen worden, eigenständige Tatbegriffe zu bilden. So gibt es Auffassungen, die nahezu ausschließlich an die im materiellen Strafrecht bestehende Trennlinie der §§ 52, 53 StGB anknüpfen 83 . Hier und da werden allerdings auch neue Kriterien gebildet84 • Hervorzuheben ist im übrigen, 81 BGHSt 32, 215 Leitsatz 2; für den 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes lag in diesem Fall die Unterschiedlichkeit in der Richtung des Täterverhaltens "klar zutage"; der Angriff auf ein Menschenleben sei nämlich nicht mit dem Bemühen vergleichbar, denjenigen, der es ausgelöscht habe, der Bestrafung zu entziehen; beide Verhaltensweisen hätten - nach Tatobjekt und Zielrichtung des Handeins - nichts miteinander gemein (BGHSt 32, 215, 220); vg!. dazu die im Ergebnis zustimmenden Anmerkungen von Hassemer, JuS 1984, 564f.; Jung, JZ 1984, 535f. Marxen, Strafverteidiger 1985, 472, 473 und Roxin, JR 1984, 346ff.; auch der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes verfolgt diese Linie; in seiner Entscheidung vom 17. April 1984 (1 StR 116/84, Strafverteidiger 1985, 181) hat er ausgeführt, daß es "sich von selbst verstehe", daß bei der Frage, wann von einem einheitlichen, geschichtlichen Vorgang im Sinne des § 264 gesprochen werden könne, die strafrechtliche Bedeutung und der strafrechtliche Sinnzusammenhang der zu beurteilenden Geschehensabläufe nicht außer Betracht bleiben könne. 82 Achenbach, ZStW 87 (1975), 74, 92f.; Bindokat, GA 1967, 362ff.; Busch, ZStW 68 (1956), 3ff.; Grünwald, JZ 1970,330; Hanack, JZ 1972, 355f.; Helmken, MDR 1982, 715, 716ff.; Hürxthal, in: KK, § 264 Rdnr. 3; Gollwitzer, in: LR, § 264 Rdnr. 3ff., ebenso in der 24. Aufl.; Jescheck, JZ 1957, 29, 30; Kleinknecht / Meyer § 264 Rdnr. 6; Kröpil, JuS 1986, 211ff.; Müller, in: KMR, § 155 Rdnr. 1; Paulus, in: KMR, § 264 Rdnr. 11ff.; Puppe, NStZ 1982, 230ff.; Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 155 Rdnr. 3; Roxin 110, 292ff.; Schäfer, in: LR, Ein!. Kap. 12 Rdnr. 29ff., 35ff.; Schlüchter Rdnr. 363, 604ff.; Eb. Schmidt I, Rdnr. 295ff.; ders., JZ 1951, 21ff.; ders., JZ 1954, 706f.; ders., JR 1959, 428f.; ders., JZ 1966, 89ff.; Schöneborn, MDR 1974, 529, 533; Schoreit, in: KK, § 155 Rdnr. 4ff.; Übersicht bei Neuhaus, MDR 1988, 1012ff. und 1989, 213ff. 83 So etwa Barthel, diss. iur. Saarbrücken 1972, 55f.; Gössel 1,268; Herzberg, JuS 1972, 113ff., 117ff.; Schwinge, ZStW 52 (1932), 203,221. 84 Peters 484 ff. bestimmt die Tat nach der "Richtung des Tätigkeitsaktes" , die regelmäßig durch den Geschehensablauf in seiner äußeren Form deutlich werde. Nach Ansicht von Geerds, Konkurrenz, 363 ist der soziale Sinnzusammenhang für den Umfang des Prozeßgegenstandes ausschlaggebend. Maßgebend sei der Deliktstypus, nicht etwa die Konkurrenzform. Oehler, in: Rosenfeld-FS, 139, 148ff. zu Folge wird die Tat durch die "Handlungssubstanz" individualisiert, wobei bei Gesetzeskonkurrenz die Tatidentität soweit reiche, wie die konkreten Tatausführungen sich überschnitten. Hruschka, JZ 1966, 700, 703, der den Begriff der Tat im materiellen wie prozessualen Recht gleichermaßen angewendet wissen will, stellt auf die "Identität des Unwertgehaltes" ab. Es komme auf den "rechtlichen Kern des nach Raum, Zeit und Tatgegenstand festlegbaren Vorganges" an. Ein weiterer Tatbegriff wird jüngst von Fezer 11, 18/15ff. vertreten. Maßgebliches Kriterium zur Bestimmung prozessualer Tatidentität soll die Kognitionspflicht des Gerichtes sein, die die Verpflichtung zur erschöpfenden Erledigung des in der Anklageschrift dargestellten Sachverhaltes beinhalte. Dementsprechend sollen Verhaltensweisen, die im Anklagesatz nicht erwähnt sind, nur dann zur angeklagten Tat gehören, wenn sie mit einer in der Anklage geschilderten Handlung in natürlicher oder rechtlicher Handlungseinheit stehen oder wenn sie mit ihr - unmittelbar oder über eine gemeinsame dritte Handlung - teilidentisch seien. Ähnlich Palder, JR 1986, 94; vg!. auch Walter, GA 1986, 143, 164ff., der im Rahmen eines "normativfunktionalen Tatbegriffs" zwischen Handlungseinheiten und Tateinheiten unterscheidet; für eine faktisch-normative Betrachtungsweise Duo, JR 1988, 27ff.; ebenso Gillmeister, NStZ 1989, Iff.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
daß mit den Tatbegriffen bestimmte Funktionen verknüpft werden. So wird unter Bezugnahme auf die §§ 154, 264 darauf verwiesen, daß der Tatbegriff zum einen die Untersuchung in der Hauptverhandlung, zum anderen die Rechtskraft nach einem Urteil begrenzbar machen solle 85 . Daß diese Tatbegriffe auch für die strafverfahrensrechtliche Phase vor Anklageerhebung, insbesondere beim Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, Geltung entwickeln könnten, wird indes nicht erwogen. Allein Peters 86 behauptet, ohne dies jedoch gerade auf die Zwangsmaßnahmen zu beziehen, daß der Prozeßgegenstand im Laufe des Verfahrens einer Wandlung unterliege. Zu Beginn des Verfahrens gebe es hinsichtlich der Weite, Änderung und Ausdehnung des untersuchten Geschehnisses keine Schranken. Dementsprechend könnten Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zur Sache auf Personen erweitern, beschränken und ergänzen. Erst mit Klageerhebung erfolge die Begrenzung der Untersuchung. Ein Vergleich der einzelnen Tatbegriffe ergibt, daß Übereinstimmung insoweit besteht, als unter Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zumindest der historische Lebensvorgang verstanden wird, der sich auch nach materiellem Recht als Tatidentität beurteilen ließe. Auf der Grundlage dieser im Kernbereich bestehenden Einhelligkeit, insbesondere aber im Hinblick auf die oben dargelegten strengen Anforderungen an einen Tatbegriff im Rahmen des Einsatzes von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, soll Tat im Sinne von Tatbezogenheit umschrieben werden als konkret individualisierbares Geschehen, weiches sich nach natürlicher Betrachtung als einheitliche Handlung darstellt und das ein bestimmtes, strafrechtlich relevantes, tatbestandsmäßiges Verhalten vermuten läßt. Konkretisiert wird das Geschehen hierbei durch Raum und Zeit sowie gegebenenfalls durch die Funktion der an dem jeweiligen Lebensausschnitt Beteiligten. Insoweit kann an die zu diesen Fragen entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung angeknüpft werden. So hat etwa der Bundesgerichtshof zur Konkretisierung im Falle einer Tötung ausgeführt, daß die Tat nicht in den Einzelheiten, die oft erst durch die richterliche Untersuchungshandlung geklärt werden sollen, feststehen müsse. Es seien aber Anhaltspunkte nötig, die sie von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen unterschieden. Beispielsweise reiche es aus, wenn eine Leiche mit Verletzungen, die den Verdacht eines Tötungsverbrechens hervorriefe, gefunden worden sei. Denn schon dadurch werde aus der Gesamtheit dessen, was überhaupt geschehe, ein Ereignis hervorgehoben, "auf weiches sich der Verdacht der Strafbarkeit begründe"87. Der hier vertretene Tatbegriff 85 Vgl. etwa Paulus, in: KMR, § 264 Rdnr. 2; Fezer II, Kap. 18/3ff. mißt dem prozessualen Tatbegriff folgende Bedeutungen zu: für das Verfahrenshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit, für die Anwendbarkeit des § 154 Abs. 1, Abs. 2 ("Taten") bzw. § 154a Abs. 1. Abs. 2 ("eine Tat"), für die Bindung des Gerichts bzgl. der Urteilsfindung an die angeklagte Tat, für das Verfahrenshindernis materieller Rechtskraft. 86 Peters 263 ff.
11. Die Tatbezogenheit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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schließt damit eng an den aus der Konkurrenzlehre bekannten, schon durch das Reichsgericht88 , später durch den Bundesgerichtshof89 entwickelten Begriff der "natürlichen Handlungseinheit" an. Aus den genannten Gründen können allerdings nicht die Fälle eingeschlossen werden, die in Fortführung der Rechtsprechung als "rechtliche Handlungseinheit" , insbesondere also die fortgesetzten Handlungen und Dauerdelikte, bezeichnet worden sind. Nur durch diese strenge Bestimmtheit vermag der hier vertretene Tatbegriff mit der Verletzung der Persönlichkeitsrechte, die strafprozessuale Zwangsmaßnahmen funktionsmäßig bewirken, zu korrespondieren. Eine Notwendigkeit, diesen Tatbegriff für die Phase des Strafverfahrens nach Anklageerhebung oder Eröffnungsbeschluß zu erweitern, besteht nicht. Denn die Wirkung der Zwangsmaßnahmen als erhebliche Eingriffe in die Grundrechte ändert sich nicht dadurch, daß nunmehr der Prozeßgegenstand durch die Staatsanwaltschaft und sodann durch das Gericht konkretisiert worden ist. Das gleich gilt für die Endphase des Strafverfahrens, nämlich Urteil und Vollstreckung. Ein Unterschied liegt nur insoweit vor, als sich die Vermutung bestimmten tatbestandsmäßigen HandeIns bestätigt oder zerschlagen hat. Wie bereits mehrfach angedeutet besteht das Anliegen der Arbeit darin, für die Behandlung von Zufallsfunden im Strafverfahren einheitliche Kriterien zu entwickeln. Die bisherige Untersuchung hat zum einen gezeigt, daß es zur zufälligen Aufdeckung von Straftaten auf vielfältigste Weise - unter anderem auch durch den Einsatz von Zwangsmaßnahmen - kommen kann. Anordnung und Durchführung dieser Maßnahmen sind durch den Gesetzgeber mittels ausdrücklicher Normen geregelt worden. Die obige Analyse erfaßte gerade diesen Teilbereich der Aufdeckung von Straftaten. Hierbei hat sich ergeben, daß diese Eingriffe - schon von Gesetzes wegen - nur im Hinblick auf eine bestimmte, bereits bekannte Straftat angeordnet und durchgeführt werden dürfen. Alle Zwangsmaßnahmen sind also streng tatbezogen. Was unter dem Begriff der Tat gerade in diesem Zusammenhang verstanden werden soll, wurde soeben dargelegt. Aus zwei Gründen sollen im folgenden die strafprozessualen Zwangsmaßnahmen nochmals unter einem weiteren Blickwinkel betrachtet werden. In der Untersuchung der Zwangsmaßnahmen im Hinblick auf ihre Streubreite90 wird zum einen gezeigt werden, daß es tatsächlich im Rahmen des Einsatzes einer jeden Zwangsmaßnahme, die nicht lediglich eine Ordnungsmaßnahme zur Durchsetzung prozessualer Ptlichten91 darstellt, zur zufälligen Aufdeckung von Straftaten kommen kann. Zum anderen kann auf Grund der nachfolgenden Analyse eine erste Differenzierung zwischen den 87 88
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BGHSt 22,375,385. RGSt 58, 113, 116f. BGHSt 4,219, 220f. Ausdruck vom Verfasser. Zu dieser Unterscheidung vgl. nur Kühne Rdnr. 162f.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
untersuchten Zwangsmaßnahmen erfolgen. Denn im Gegensatz zur festgestellten Tatbezogenheit, die ohne Einschränkungen oder Abstufungen allen Zwangsmaßnahmen als Voraussetzungselement innewohnt, läßt das Kriterium der Streubreite eine Einteilung der Eingriffe im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, bei der Durchführung einer Zwangsmaßnahme, zufällig Beweismittel zu erlangen, zu. 111. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
Der Einsatz einer Zwangsmaßnahme kann zu drei strukturell denkbaren Ergebnissen führen. Schlägt die Maßnahme fehl, so handelt es sich um ein negatives Ergebnis. Dies ist etwa der Fall, wenn bei einer Durchsuchung keinerlei Beweismittel gefunden worden sind. Führt die Durchsuchung hingegen zum Auffinden von Beweismitteln, so hat die Zwangsmaßnahme Erfolg. Es liegt ein positives Ergebnis vor. Hier ist weiter zu differenzieren. Das positive Ergebnis einer Zwangsmaßnahme kann in Beweismitteln bestehen, weIche zum Beweise gerade der Tat, derentwegen die Anordnung und Durchführung der Maßnahme erfolgte, genutzt werden können. In diesen Fällen handelt es sich um ein erhofftes positives Ergebnis. Das wäre bei einer Durchsuchung dann gegeben, wenn eine im Durchsuchungsbeschluß aufgeführte Tatsache in dem durchsuchten Bereich gefunden wird. Werden indes Beweismittel beim Einsatz einer Zwangsmaßnahme erkennbar, die nicht die Tat, die den Anlaß der Zwangsmaßnahme bot, betreffen, so ist ein unverhofftes positives Ergebnis eingetreten. Diese zufällig gewonnenen Beweismittel können auf eine neue, bislang den Strafverfolgungsbehörden unbekannte, aber auch auf eine durch ein Ermittlungsverfahren bereits erfaßte, andere Tat verweisen. Auch besteht die Möglichkeit, daß das Beweismittel auf eine andere Tat des (ohnehin schon) Beschuldigten oder auch eines (bekannten oder unbekannten) Dritten hindeutet. Entgegen der bereits angeführten Behauptung Welps!, nur bei einigen wenigen Zwangsmaßnahmen könne die, hier als dritte Möglichkeit geschilderte Produzierung unverhoffter Ergebnisse eintreten, beweist eine dahingehende Untersuchung der Zwangsmaßnahmen das Gegenteil. Gleichwohl ist Welp zuzugeben, daß nicht bei allen Zwangsmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Fall eintritt, auch nur annähernd gleich hoch ist. Vielmehr lassen sich drei Gruppen von Zwangsmaßnahmen, die bedingt durch die Präzision von Anordnung und Durchführung verschiedene Grade von Streubreiten aufweisen, unterscheiden. Mit Streubreite wird hier die sich aus der Struktur einer Zwangsmaßnahme ergebende Zielsicherheit des Eingriffes gekennzeichnet. Die Wahrscheinlichkeit, ein unverhofftes Ergebnis - also insbesondere 1
Welp, Jura 1981, 472; s. o. Kap. 11.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Hinweise auf eine andere Straftat - zu erlangen, ist bei hoher Zielsicherheit bzw. kleiner Streubreite geringer als im umgekehrten Fall. Zum Auftreten zufälliger Funde kann es hierbei auch durch Verwechslungen, gleichsam durch einen error in persona vel in obiecto, oder durch ein Danebengreifen, ähnlich einer aberratio ictus, kommen. Eine Verwechslung erbringt beispielsweise dann neue Hinweise, wenn eine nicht angestrebte Person gefaßt wird, die gleichwohl als Täter bezüglich einer anderen als der untersuchten Straftat verdächtig ist. Damit die Grundstruktur der jeweiligen Maßnahmen erhalten bleibt, werden diese im folgenden isoliert untersucht. So wird etwa die Beschlagnahme ohne die ihr (meist) vorangehende Durchsuchung betrachtet. 1. Zwangsmaßnahmen mit geringer Streubreite
Die dieser Gruppe zuzuordnenden Zwangsmaßnahmen zeichnen sich zum einen dadurch aus, daß im Hinblick auf die Anordnung der jeweiligen Maßnahme eine genaue Bezeichnung der betroffenen Person bzw. des Zielobjektes erforderlich ist. Darüber hinaus werden alle Zwangsmaßnahmen dieser Art "vor Augen" des Anordnenden vollstreckt. Aus diesem Grunde ist die Gefahr einer Verwechslung oder die des Danebengreifens bei der Durchführung gering. In diese Gruppe eingeordnet werden kann die vorläufige Festnahme gemäß
§ 127 Abs. 1 Satz 1, §§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163b Abs. 1 und § 127 Abs. 2. Sie
bezieht sich stets auf Personen, die gerade eine Straftat begangen haben, oder aber gegen die mit großer Wahrscheinlichkeit ein Haft- oder Unterbringungsbefehl ergehen wird. Die Gefahr eines Fehlers im oben erläuterten Sinne bei der Durchführung erscheint gering. Auch die Zwangsmaßnahmen zum Festhalten zur Identitätsfeststellung gemäß §§ 163 Abs. 1 Satz 2, 163b Abs. 2 Satz 1 richten sich unmittelbar gegen die zu identifizierenden Personen. Angeordnet wird die Überprüfung einer Person, die dem Anordnenden selbst bekannt ist. Schließlich ist noch auf § 183 Satz 2 GVG hinzuweisen. Subjekt der vorläufigen Festnahme wegen einer in der Sitzung begangenen Straftat ist die Person, die die strafbare Handlung begangen hat. Die Anordnung und sofortige Vollstreckung nach § 183 Satz 2 GVG kann sich also nur auf die in der Sitzung tatsächlich vorhandene Person erstrecken. Zahlreiche Ordnungsmaßnahmen lassen sich ebenfalls dieser Gruppe zuordnen, wenngleich es zur zufälligen Aufdeckung von Straftaten - der Funktion dieser Eingriffe entsprechend2 - in den seltensten Fällen kommen wird. So richtet sich die Erzwingungshaft bei grundloser Zeugnis- oder Eides2 Vgl. dazu Amelung, JZ 1987,737, 739f., der zwischen echten, den Strafprozeß konkret fördernden, und unechten Eingriffen unterscheidet; s. auch Schroeder, JZ 1985, 1028, 1029 (Einteilung nach verschiedensten Zwecken).
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
verweigerung des Zeugen nach § 70 Abs. 2 gerade gegen den sich weigernden Zeugen, der im Gerichtsbeschluß genau bezeichnet wird 3 . Im Gegensatz zu anderen Entscheidungen 4 wird die Beugehaft durch das Gericht - nach Möglichkeit sofort in der Hauptverhandlung5 - selbst vollstreckt 6 • Auch die Zwangsmaßnahme des § 164, die die Festnahme und das Festhalten eines Amtshandlungen behindernden oder erschwerenden Störers gestattet, richtet sich in unmittelbarer Reaktion auf die Störung gerade gegen den Störer selbst. Die Anordnung, individualisiert durch die Person des Störers, und die Vollstreckung fallen nahezu zusammen? Die Zwangsmaßnahmen der §§ 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 haben den Sinn, die fortdauernde Anwesenheit des in der Hauptverhandlung erschienenen Angeklagten zu erzwingen. Damit ist der Grad der Präzision der Anordnung, bezogen auf die vorhandene Person des Angeklagten, sehr hoch. Auch Vollstrekkungsverwechslungen sind nahezu ausgeschlossen 8 . Durch Eingriffe nach § 247 Satz 1, Satz 2 und Satz 3 wird die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer ermöglicht. Der Grad der Streubreite entspricht dem bei Zwangsmaßnahmen nach § 231 festgestellten. Gleiches gilt für die Maßnahmen nach den §§ 51 Abs. 1 Satz 1 und 51 Abs. 2 JGG. Auch die sitzungspolizeilichen Maßnahmen der §§ 176ff. GVG betreffen jeweils störende Personen, die richterliche Anordnungen nicht befolgen oder sich ungebührlich verhalten. Der Eingriff erfolgt ausschließlich unmittelbar gegen die Störer der Hauptverhandlung. Da die Maßnahmen nach den §§ 177 Satz 1 Alt. 1, 177 Satz 1 Alt. 2, 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GVG darüber hinaus sofort vollstreckbar sind9 , können sich allenfalls Verwechslungsmöglichkeiten bei der Vollstreckung ergeben lO •
Vgl. dazu das Beispiel bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 338. Alle übrigen Ordnungsmittel vollstreckt die Staatsanwaltschaft nach § 36 Abs. 2 Satz 1. 5 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 70 Rdnr. 17; Meyer, in: LR, § 70 Rdnr. 17; auch Eb. Schmidt 11, § 70 Rdnr. 17: "sehr zweckmäßig und sehr wirkungsvoll". 6 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 70 Rdnr. 39; Meyer, in: LR, § 70 Rdnr. 39; die Vollstreckung der Beugehaft fällt zwar nicht unter die Entscheidungen, die die Ordnung in der Sitzung betreffen - § 36 Abs. 2 Satz 2, vgl. dazu Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 36 Rdnr. 24, 27 -, muß aber dem Zweck der Maßnahme entsprechend als selbständige, nicht geregelte Zuständigkeit dem Gericht überlassen sein; vgl. dazu auch noch Wesse/s, in: Hellmuth Mayer-FS, 587, 600. 7 Zum Kreis der Adressaten vgl. noch Meyer-Goßner, in: LR, § 164 Rdnr. 9 m. w. Nachw. 8 Gedacht werden könnte an Situationen mit mehreren Angeklagten. 9 Was sich aus den §§ 178 Abs. 1 Satz 1 a. E., 179 GVG unmittelbar ergibt; vgl. noch im weiteren Schäfer, in: LR, § 178 GVG Rdnr. 33 m. w. Nachw. und ders., § 179 GVG Rdnr.1. 10 So ist etwa bei größeren tumultartigen Ansammlungen von Zuhörern denkbar, daß statt eines (richtig) bezeichneten Störers ein anderer Störer herausgegriffen wird. 3
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III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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2. Zwangsmaßnahmen mit mittlerer Streubreite
Hinsichtlich der Präzision der Anordnung der dieser Gruppe zuzuordnenden Zwangsmaßnahmen kann auf das zur ersten Gruppe Ausgeführte verwiesen werden. Die größere Streubreite und damit die geringere Zielsicherheit des Eingriffes ergibt sich aus dem Umstand, daß die Durchführung nicht mehr unmittelbar in Gegenwart des Anordnenden, sondern durch zwischengeschaltete Organe der Rechtspflege erfolgt. Damit steigert sich insbesondere die schon in der ersten Gruppe erwähnte Möglichkeit von Verwechslungen und Fehlgriffen, die im Ergebnis zur zufälligen Aufdeckung von Beweismitteln bezüglich unbekannter Straftaten führen kann. Auch hier ist zu differenzieren zwischen Maßnahmen, die lediglich prozessuale Pflichten durchsetzen oder bestimmte verfahrenssichernde Wirkungen möglich machen sollen und solchen Maßnahmen, die unmittelbar Beweismittel erbringen oder aber zu Tage fördern sollen. Zu den letzteren gehören die Beschlagnahme, die Untersuchungshaft, Steckbriefe und die Beobachtung im psychiatrischen Krankenhaus. Bei der Anordnung von Beschlagnahmen (§§ 94ff.) sind die Gegenstände so genau zu bezeichnen, daß über den Umfang der Maßnahme weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Beschlagnahme durchführenden Beamten Zweifel entstehen können ll . Verlangt wird, daß die Gegenstände im gerichtlichen Beschluß selbst oder in einer Anlage unter deutlicher Kenntlichmachung im einzelnen aufgeführt werden. Allgemeine Beschlagnahmeanordnungen l2 werden als unzulässig erachtet l3 . Zugebilligt wird eine "gewisse Unbestimmtheit" der Anordnung bei Beschlagnahmen von Unterlagen. In diesem Falle soll die Bezeichnung eines bestimmten Geschäftsvorfalles, nicht aber die einzelnen Schriftstücke, ausreichend sein l4 . Unter diesen Voraussetzungen ist die Beschlagnahme hinsichtlich der Anordnung hochgradig präzise l5 . Im Hinblick 11 Nach LG Stuttgart, Strafverteidiger 1986, 471, 472 und LG Mönchengladbach, Strafverteidiger 1986, 246 sind strenge Anforderungen zu stellen; s. auch Jescheck, 46. DJT, Teil 3 B, 46; Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 20; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 16. 12 Etwa alle bei einer Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel zu beschlagnahmen. 13 Hartung, JR 1926, 42; Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 20; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 16; LG München I, MDR 1967, 687 erklärt als ausreichend die deutliche Kenntlichmachung eines Behälters mit Beweismitteln unter unbestimmter Angabe des Behälterinhaltes. So sei etwa eine allgemeine richterliche Beschlagnahmeanordnung dergestalt, daß die bei der Durchsuchung vorgefundenen Gegenstände, die im Zusammenhang mit der Tat stehen könnten, zu beschlagnahmen seien, nicht rechtmäßig; vgl. zu einem derartigen Fall LG Lüneburg, JZ 1984, 343. 14 Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 20; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 16. 15 Nelles, Kompetenzen, 168f. weist demgegenüber, entsprechend ihrer Forderung nach Bestimmtheit der Anordnung zur Begrenzung des Eingriffs, darauf hin, daß eine gen aue Bezeichnung zum Beispiel bei technischen Gegenständen nach Fabrikat, Typ-
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
auf die Vollstreckung einer Beschlagnahme sind allerdings Verwechslungen durchaus möglich!6. Auf Grund der in § 114 Abs. 2 festgelegten Voraussetzungen ist die Zwangsmaßnahme der Untersuchungshaft gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 bei der Anordnung hochgradig präzise. Insbesondere um eine Verwechslung bei der Vollstreckung möglichst auszuschließen, wird eine gen aue Bezeichnung nach Vor- und Familiennamen, Geburtstag und -ort sowie letzter Wohnung gefordert!? Die Identität des Betroffenen soll außerhalb jeden Zweifels stehen!8. Da die Vorschriften der §§ 114ff. im Hinblick auf die gen aue Identitätsbeschreibung auch bei anderen ähnlichen Zwangsmaßnahmen Anwendung finden!9, sind auch die Präzisionsgrade der entsprechenden Anordnungen ähnlich hoch2o . Daß gleichwohl bei der Vollstreckung die Gefahr einer Verwechslung besteht, hat auch der Gesetzgeber gesehen. § 115a Abs. 2 Satz 2 legt nämlich fest, daß der Ergriffene freizulassen ist, wenn sich bei der ersten richterlichen Vernehmung ergibt, daß er nicht die im Haftbefehl bezeichnete Person ist. bezeichnung, Fabriknummern etc. häufig erst möglich sei, wenn der Gegenstand selbst zur Verfügung stände. Diese die Praxis von Beschlagnahmen wohl richtig wiedergebende Feststellung hat indes nichts mit der Tatsache zu tun, daß vor einer Beschlagnahme, selbst bei Ausübung einer Notkompetenz, bei der die Anordnung im Beschlagnahmeakt selbst liegt (vgl. Kleinknecht / Meyer § 98 Rdnr. 4), der betreffende Gegenstand genau individualisiert ist. Wie eingangs erwähnt, muß die Beschlagnahme ohne die - zugegebenermaßen häufig mit ihr verbundene - Durchsuchung betrachtet werden. !6 Inhaltlich entspricht die Anordnung einer Maßnahme nach § 111b Abs. 2 Satz 1 der Anordnung nach § 98 (Meyer, in: LR, § l11a Rdnr. 5 verweist auf § 98 und seine Erläuterungen in § 98 Rdnr. 20). Gemäß § l11a Abs. 3 werden Führerscheine der Beschlagnahme unterworfen. Der Grad der Streubreite entspricht dem bei § 94. Dies gilt auch für die Zwangsmaßnahmen nach § 132 Abs. 3 (vgl. Dünnebier, in: LR, § 132 Rdnr. 23 und Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 132 Rdnr. 17), entsprechend § 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO 1977 i.V.m. § 94 Abs. 2, sowie §§ 410 Abs. 1 Nr. 7,399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO 1977 LV.m. § 94 Abs. 2. Ebenso müssen die Maßnahmen nach § 459g Abs. 1 Satz 1 und § 463b Abs. 1 beurteilt werden. § 95 Abs. 2 Satz 1 verweist zwar auf den, in eine andere Kategorie (s. o. Kap. 2 III 1) eingeteilten § 70 Abs. 2. Er unterscheidet sich aber von § 70 Abs. 2 darin, daß hier keine Vollstreckung gegen einen unmittelbar Anwesenden möglich ist. Es tritt bei § 95 Abs. 2 Satz 1 die Möglichkeit der Verwechslung bei Vollstreckung der Maßnahme aus § 70 Abs. 2 hinzu. Entsprechendes gilt für § 463c Abs. 3 Alt. 2, § 463c Abs. 4, Abs. 3 Alt. 2, sowie § 96 Abs. 1 OWiG. 17 Creifelds, NJW 1965, 946; Dünnebier, in: LR, § 114 Rdnr. 14; Kleinknecht / Meyer § 114 Rdnr. 7; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 114 Rdnr. 10. !8 Dünnebier, in: LR, § 114 Rdnr. 15; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 114 Rdnr. 10. 19 Vgl. für § 230 Abs. 2 Alt. 2 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.) § 230 Rdnr. 44; für § 236 Alt. 2 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 236 Rdnr. 16; für § 329 Abs. 4 Alt. 2 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 329 Rdnr. 94. 20 Das trifft zu auf Maßnahmen nach § 230 Abs. 2 Alt. 2, § 236 Alt. 2, § 329 Abs. 4 Alt. 2, §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 2, § 453c Abs. 1, § 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 (zum Unterschied zwischen Vollstreckungshaftbefehl und richterlichem Haftbefehl vgl. Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 5: die "Natur der Sache" verlangt entsprechende Anwendung der Vorschriften über den richterlichen Haftbefehl; s. auch Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 19), ebenso § 72 Abs. 1 JGG.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Steckbriefe als Zwangsmaßnahmen nach den §§ 131 Abs. 1,131 Abs. 2 und 457 Abs. 221 nennen den Verfolgten mit Namen, Vornamen, Geburtstag, -ort, sowie einer Beschreibung der kennzeichnenden Merkmale zur Person und zum Verhalten22 • Damit ist die Anordnung der Zwangsmaßnahme "Steckbrief" in hohem Maße präzise. Indes besteht auch hier die Gefahr, daß auf Grund des Steckbriefes eine lediglich ähnliche, aber nicht identische Person festgenommen wird, die aber gleichwohl Straftaten begangen hat. Das ergibt sich im übrigen bereits aus dem Gesetzestext. § 131 Abs. 4 verweist nämlich auf die Anwendbarkeit der bereits angeführten §§ 115, 115a23 • Die Anordnung einer Zwangsmaßnahme nach § 81 Abs. 1, welche die Einweisung eines Beschuldigten beispielsweise in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus zur Folge hat, muß den Betroffenen notwendigerweise genau bezeichnen. Trotz dieser Präzision hinsichtlich der Anordnung ist die Gefahr der Verwechslung bei Vollstreckung der Maßnahme nicht zu bestreiten. Gleiches gilt für § 73 Abs. 1 Satz 1 JGG. Maßnahmen mittlerer Streu breite aus dem Feld der verfahrenssichernden Ordnungsrnaßnahmen sind etwa die sich gegen Zeugen und Sachverständige richtenden Eingriffe nach den §§ 51, 70 und 77. Obgleich das Gesetz keine besondere Form für die Zeugenladung erfordert24 , ist um der Erreichbarkeit willen eine möglichst genaue Bezeichnung des Zeugen, zumindest Nachnamen und Anschrift, üblich25 . Dementsprechend haben alle Maßnahmen, die sich gegen den auf eine Ladung nicht erschienenen Zeugen richten, im Hinblick auf die Genauigkeit der Anordnung einen hohen Grad an Präzision26 • Kostenauferlegung nach § 70 Abs. 1 Satz 1 und Ordnungsgeld mit ersatzweiser Ordnungshaft nach § 70 Abs. 1 Satz 2 wenden sich als Zwangsmaßnahmen gegen den sich grundlos weigernden Zeugen bei Vernehmung oder Eidesleistung. Die Genauigkeit der Anordnung wird durch den bei der Vernehmung anwe21 Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 15 mit Hinweis auf inhaltliche, nicht aber begriffliche Gemeinsamkeiten der Steckbriefe nach § 131 und § 457; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 19. 22 Dünnebier, in: LR, § 131 Rdnr. 26; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 131 Rdnr. 23. 23 Dazu vgl. entsprechend § 115a Abs. 2 Satz 3. 24 Im Gegensatz zur Ladung des Beschuldigten nach § 133 Abs. 1, vgl. auch Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 48 Rdnr. 2; Meyer, in: LR, § 48 Rdnr. 2. 25 Beispiel bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 335. 26 Hier einzuordnen sind demnach außer § 51 Abs. 1 Satz 1 auch die Maßnahmen nach §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 GVG und §§ 50 Abs. 2 Satz 2 JGG, 51 Abs. 1 Satz 1, hinsichtlich § 51 Abs. 1 Satz 2 die Maßnahmen nach den §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 2, § 463c Abs. 3 Alt. 1, § 463c Abs. 4, Abs. 3 Alt. 1, § 56 Abs. 1 Satz 1 GVG sowie § 50 Abs. 2 Satz 2 LV.m. § 51 Abs. 1 Satz 2, bezüglich § 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 die §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, sowie § 50 Abs. 2 Satz 2 JGG LV.m. § 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 (Beispiel für eine Anordnung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 GVG bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 339).
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
senden Zeugen selbst bestimmt27 • Da hier eine Vollstreckung nicht sofort erfolgt, ist die Möglichkeit des Irrtums bei der anschließenden Durchführung der Maßnahme höher als bei einem Eingriff nach § 70 Abs. 228 . Den vom Gericht nach § 75 Abs. 1 oder auch unmittelbar von einem Prozeßbeteiligten nach §§ 214 Abs. 3, 220 Abs. 1 geladenen Sachverständigen29 , können die Zwangsmaßnahmen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 (Kostenauferlegung) und § 77 Abs. 1 Satz 2 (Ordnungsgeld) treffen. Bei bei den Maßnahmen wird das betroffene Subjekt, der Sachverständige, genau durch die Ladung individualisiert3o • Auch die Verwechslungsgefahr bei Vollstreckung entspricht der bei den Eingriffen nach den §§ 51, 70 festgestellten Stärke. Vorführungsbefehle nach § 134 müssen inhaltlich den Beschuldigten so gen au bezeichnen, daß eine Personenverwechslung ausgeschlossen ist 31 • Strukturell sind sie daher den Haftbefehlen vergleichbar32 . Gemäß § 126a Abs. 2 Satz 1 gelten die §§ 114ff. auch für die Maßnahme der einstweiligen Unterbringung. Dieser Eingriff ist folglich mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 zu vergleichen33 . Auswirkung der Kontaktsperre nach den §§ 31 Satz 1, 33 EGGVG ist die Unterbrechung jedweder Verbindung von Gefangenen untereinander und mit der Außenwelt einschließlich des schriftlichen und mündlichen Verkehrs mit 27 Vgl. als Beispiel für eine Anordnung nach § 70 Abs. 1 Marquardt, Strafprozeß, Rdnr.338. 28 Siehe oben Kap. 2 III 1; entsprechendes gilt für die §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1, §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2, §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1 und §§ 95 Abs. 2 Satz 1,70 Abs. 1 Satz 2. 29 Zu dieser Möglichkeit vgl. Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 75 Rdnr. 1; Kleinknecht / Meyer § 75 Rdnr. 1; Meyer, in: LR, § 75 Rdnr. 1; Müller, Einführung, 153; Paulus, in: KMR, § 75 Rdnr. 1; zu den Anforderungen der Ladung vgl. Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 77 Rdnr. 3 m. w. Nachw.; Meyer, in: LR, § 77 Rdnr. 3 m. w. Nachw. 30 Gleiches gilt für die Maßnahmen nach den §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1 und den §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 2. 31 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 6; Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 6. 32 Entsprechendes gilt für Zwangsmaßnahmen, die der Vorführung ähnlich sind, wie Eingriffe nach § 163a Abs. 3 Satz 2 (Meyer-Goßner, in: LR, § 163a Rdnr. 39 verweist auf § 134; ähnlich Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163a Rdnr. 55), § 230 Abs. 2 Alt. 1 (GoUwitzer, in: LR, § 230 Rdnr. 37 unter Verweisung; in der 24. Aufl. Rdnr. 32), § 236 Alt. 1 (Gollwitzer, in: LR, § 236 Rdnr. 16 unter Verweisung, in der 24. Aufl. Rdnr. 15; Beispiele bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 324), § 329 Abs. 4 Alt. 1 (Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 329 Rdnr. 94 unter Verweisung), § 330 Abs. 1, § 387 Abs. 3 Alt. 2 (Wendisch, in: LR, § 387 Rdnr. 20 unter Verweisung), §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 1, §§ 412 Satz 2,330 Abs. 1, § 433 Abs. 2 Satz 2 (Schäfer, in: LR, § 433 Rdnr. 33 unter Verweisung, in der 24. Aufl. Rdnr. 35), §§ 442 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1,433 Abs. 2 Satz 2, § 457 Abs. 1 Alt. 1, § 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 (Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 6 mit dem Hinweis auf die "Natur der Sache", die eine Gleichbehandlung erfordere; vgl. auch Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 6), ebenso die Zwangsmaßnahmen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 OWiG und § 36 Abs. 2 Satz 2 StVollzG. 33 Dies gilt auch für Maßnahmen nach § 71 Abs. 2 Satz 1 und §§ 72 Abs. 3,71 Abs. 2 Satz 1 JGG.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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dem Verteidiger. Gefangene werden getrennt, jeder Informationsfluß von außen in die Anstalt und umgekehrt abgeschnitten 34 • Besucher, Schriftstücke, Fernseh- und Rundfunksendungen, Pakete, Zeitungen und Zeitschriften dürfen von den Betroffenen nicht mehr empfangen werden 35 • In der Anordnung der Kontaktsperre werden die Betroffenen und die Unterbrechungsmaßnahmen aufgeführt. Gleichwohl ist denkbar, daß bei Durchführung der Isolierungsmaßnahmen Verwechslungen auftreten können. Die Zwangsmaßnahmen mit dem Ziel und zugleich Ergebnis einer Sicherheitsleistung nach den §§ 127a Abs. 1 Satz 2, 132 Abs. 1 erfordern die genaue Konkretisierung der zu leistenden Sicherheit36 • Verwechslungen und Fehlgriffe sind beispielsweise bei der Überwachung des betreffenden Beschlusses denkbar. Auch die Anordnung des vorläufigen Berufsverbotes nach § 132a muß den Beruf, Berufszweig, das Gewerbe, Gewerbezweig so gen au bezeichnen, daß der Beschuldigte das Ausmaß der Beschränkung klar erkennen kann 37 . Eine Verwechslung bei Ausführung des Beschlusses (Überwachung) ist gleichwohl möglich. Die Anordnung der Vermögensbeschlagnahme nach § 290 Abs. 1 muß neben der gen auen Bezeichnung des Angeschuldigten, dessen Vermögen beschlagnahmt wird, weiterhin nur die abstrakte Anordung der Beschlagnahme allen Vermögens, welches sich im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung befindet38 , enthalten39 . Einzelne Vermögensstücke sind nicht aufzuzeichnen. Auf den ersten Blick handelt es sich damit um einen niedrigen Grad der Präzision bei der Eingriffsanordnung. Die nur abstrakte Bezeichnung des Vermögens wird jedoch aufgewogen durch die Reichweite der Zwangsmaßnahme, die nicht etwa unbestimmte Teile, sondern das Gesamtvermögen erfaßt. Ein Irrtum bei der Vollstreckung läßt sich aus den oben genannten Gründen indes nicht ausschließen. Gleiches gilt für die Vermögensbeschlagnahme nach § 443 Abs. 1 Satz 1. Die Anordnung des dinglichen Arrestes nach § 111d Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 Abs. 1 ZPO enthält zum einen den zu sichernden Anspruch unter Angabe des Geldbetrages, zum anderen den Arrestgrund. Bei der Vollziehung des Arrestes durch Pfändung oder die Eintragung von Sicherungshypotheken kann es durchaus zu Irrtümern kommen. Schließlich ist noch auf den Entzug der Fahrerlaubnis nach § ll1a Abs. 1 Satz 34 Vgl. jetzt aber § 34a Abs. 1 Satz 1 EGGVG ("Kontaktperson"); dazu Krekeler, NJW 1986, 417f. 35 Schäfer, in: LR, § 31 EGGVG Rdnr. 5 m. w. Nachw. 36 Beispiel bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 81. 37 Kleinknecht / Meyer § 132a Rdnr. 9 m. w. Nachw. 38 D. h. in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West). 39 BayObLGSt 7,248; Gal/witzer, in: LR (24. Aufl.), § 290 Rdnr. 12; umfaßt wird das gegenwärtige und künftige Vermögen, vgl. nur OLG Colmar, Alsberg Entscheidungen 2 Nr. 104; Beispiel der Anordnung einer Vermögensbeschlagnahme bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 215.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
1 hinzuweisen. Durch diese Maßnahme wird die in der Anordnung genau bezeichnete Fahrerlaubnis, also die im Führerschein verkörperte materielle Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen, entzogen40 • Die Anordnung ist hochgradig präzise. Unter Außerachtlassung der damit möglicherweise verbundenen Führerscheinbeschlagnahme41 ist eine Verwechslung beispielsweise bei der entsprechenden Eintragung durch die zuständige Verwaltungs behörde möglich. 3. Zwangsmaßnahmen mit großer Streubreite
Die dieser Gruppe zuzuordnenden Maßnahmen unterscheiden sich von den ersten beiden Gruppen schon hinsichtlich der Präzision der jeweiligen Anordnung. Kennzeichnend ist für die körperliche Untersuchung und Blutprobe, die Untersuchung anderer Personen, die Postbeschlagnahme, die Fernmeldeüberwachung, die Durchsuchung, die Einrichtung von KontrollsteIlen, die Überwachung des Verteidigerverkehrs und die Netzfahndung, daß das Eingriffsobjekt, auf welches die Maßnahme abzielt, meist nicht so genau umschrieben werden kann, wie im Falle der Maßnahmen der ersten beiden Gruppen. Darüber hinaus ist hier auch bei der Durchführung die Möglichkeit der Verwechslung und insbesondere die des Danebengreifens in nicht unerheblicher Weise gesteigert. Aus diesem Grunde kann es leicht zur ungewollten Aufdeckung von Straftaten kommen. Die Zwangsmaßnahmen der körperliche Untersuchung und Blutprobe nach
§§ 81a Abs. 1 Satz 1, 81a Abs. 1 Satz 2 richten sich gegen den Beschuldigten.
Dieser wird verpflichtet, Untersuchungen und körperliche Eingriffe zu dulden, die der Aufdeckung seiner (vermuteten) Tat und der Auffindung von Beweismitteln dienen 42 • Als erste Möglichkeit bietet § 81a Abs. 1 Satz 1 die (einfache) körperliche Untersuchung, die ohne körperlichen Eingriff erfolgt. Ziel ist hierbei, die vom Willen des zu Untersuchenden unabhängige Beschaffenheit des Körpers oder einzelner Körperteile, insbesondere auch das Vorhandensein von Fremdkörpern im Körperinneren 43 mittels sinnlicher Wahrnehmung44 oder aber den psychischen Zustand des Beschuldigten festzustellen 45 • Ergebnisse der körperlichen Untersuchung sind Spuren und auch - folgt 40 Beispiel für eine Anordnung nach § ll1a Abs. 1 Satz 1 bei Marquardt, StrafprozeB, Rdnr. 42. 4\ Siehe dazu Benter Rdnr. 574. 42 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 2; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 2; der Körper des Beschuldigten ist gleichsam Untersuchungsobjekt und Beweismittel gegen sich selbst, er ist "Augenscheinsobjekt" . 43 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 102 Rdnr. 6, in der 38. Aufl. Rdnr. 9 a. A.; Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 16; a.A. mit überzeugender Einteilung Paulus, in: KMR, § 81a Rdnr. 11. 44 Eb. Schmidt, NJW 1962, 664.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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man dieser einen Ansicht - Fremdkörper im Körperinneren, sei es im hautund muskelumschlossenen Inneren, sei es in den natürlichen Körperöffnungen. In einer Anordnung nach § 81a Abs. 1 Satz 1 kann dementsprechend vielfach das Eingriffsziel nicht gen au bezeichnet werden. Daß auch andere Ergebnisse der Maßnahme als vorhergesehen möglich sind, liegt auf der Hand. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Arzt, der nach einer Messerstecherei im Gefängnis den A, einen Mittäter, der verletzt worden ist, zwangsweise untersucht, und hierbei - zum Beispiel bei einer Röntgenaufnahme des Magens - ein dort verstecktes Säckchen mit Rauschgift findet 46 . Zum anderen bietet § 81a Abs. 1 Satz 2 die Möglichkeit eines körperlichen Eingriffes in Form der Entnahme natürlicher Körperbestandteile 47 , der Zuführung von Stoffen in den Körper oder sonstiger Eingriffe in das haut- und muskel umschlossene Innere48 . Da im menschlichen Körper nicht aufs Geratewohl geforscht werden so1l49, ist eine Untersuchung nur zulässig, soweit konkrete Anhaltspunkte bestehen, daß durch die Untersuchung verfahrensbedeutsame Tatsachen festgestellt werden könnten 5o • Für das Verfahren bedeutsam sind Tatsachen, die zum Beweis der Straftat, der Täterschaft und Schuld des Beschuldigten dienen oder sonst für die Ahndung der Tat erheblich sind51 . Das betrifft etwa die Beschaffenheit des Körpers und seiner Bestandteile, des Blutes, des Magensaftes und das Vorhandensein von Fremdkörpern, die im Körperinneren des Beschuldigten aufgefunden werden und als Beweismittel dienen können oder dem Verfall bzw. der Einziehung unterliegen 52 • Auch hier wird also nach im einzelnen nicht bekannten Beweismitteln geforscht. Entsprechend niedrig ist derWahrscheinlichkeitsgrad, das Ergebnis des Eingriffes im voraus benennen zu können. 45 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 15; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 15; umstritten ist hierbei, inwieweit die Suche nach Gegenständen, die in natürlichen Körperöffnungen (etwa Mund, Scheide, After) versteckt sind, noch körperliche Untersuchung nach § 81a Abs. 1 Satz 1 ist (für § 81 a Abs. 1 Satz 1 Dzendzalowski, Untersuchung, 16; Müller, Einführung, 287; Peters 277; Eb. Schmidt Nachtrag, § 81a Rdnr. 12f.; für §§ 102, 103 die wohl h. M., etwa Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 16; Hoffmann, Polizei 1969, 13; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 102 Rdnr. 6,38. Aufl. Rdnr. 9 wohl a.A.; Kohlhaas, Körperliche Untersuchung, 34; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 16; Paulus, in: KMR, § 81a Rdnr. 4; Roxin § 33 A II 1). 46 Siehe oben Kap. 2 I. 47 Etwa Blut, Liquor, Samenflüssigkeit, Urin. 48 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 22; Dzendzalowski, Untersuchung, 15; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 22; Eb. Schmidt Nachtrag, § 81a Rdnr. 5. 49 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 12; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 12; Paulus, in: KMR, § 81a Rdnr. 24: "Feld beliebigen Nachforschens". 50 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 22; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 12. 51 Auch indizielle Tatsachen, die mittelbarem Beweis dienen, vgl. Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 13; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 13; Paulus, in: KMR, § 81a Rdnr. 24; Eb. Schmidt Nachtrag, § 81a Rdnr. 10. 52 BGHSt 5,336; Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81a Rdnr. 13,24; Meyer, in: LR, § 81a Rdnr. 13,24; Eb. Schmidt Nachtrag, § 81a Rdnr. 5; ders., SJZ 1949, 452.
7 Labe
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
Körperliche Untersuchungen nach § 8Ic Abs. 1 bezwecken die Suche nach Spuren und Tatfolgen bei Personen, die nicht Beschuldigte sind. Spuren sind die unmittelbar durch die Tat verursachten Veränderungen am Körper des Opfers, welche Rückschlüsse auf die Tatausführung oder auf die Person des Täters zulassen 53 • Tatfolgen hingegen sind unmittelbar oder mittelbar durch die Tat eingetretene Veränderungen am Körper des Opfers, die gerade keine Hinweise auf den Täter oder die Tatausführung geben54 . Auch hier ist eine Untersuchung aufs Geratewohl unzulässig 55 • Über die Vermutung hinaus, daß überhaupt irgendwelche Tatfolgen oder Spuren gefunden werden können, müssen bestimmte Vorstellungen und Anhaltspunkte bestehen56 • Der Grad der Bestimmtheit dieser Anhaltspunkte soll sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles richten 57 • Ergebnisse eines Eingriffes nach § 8Ic Abs. 2 Satz 1 sind zum einen Blutproben, zum anderen Lichtbildaufnahmen, Messungen und Fingerabdrücke58 • Schon das Abheben auf die (Leer-)Formel von den jeweiligen Einzelfallumständen zeigt, daß das genaue Ergebnis des Eingriffes zumeist vor der Durchführung nicht bekannt sein dürfte. Dementsprechend unpräzise wird die Anordnung ausfallen müssen. Ob das Ergebnis im Zusammenhang mit der untersuchten Tat steht, läßt sich damit ebenfalls vor dem Eingriff nicht mit Sicherheit sagen59 • Gegenstand der Postbeschlagnahme nach § 99 sind regelmäßig künftig bei der Post eingehende Sendungen, gelegentlich - soweit die Strafverfolgungsbehörde davon Kenntnis erlangt hat - auch solche, die sich im Gewahrsam der Post befinden60 • § 99 regelt damit keine Beschlagnahme wie etwa § 94 Abs. 2. 53 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 14; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 14; beispielsweise Stichwunden (Aufschluß über Tatwaffenart), Schußwunden (Aufschluß über den Standort des Täters durch Messung des Winkelgrades, der sich aus dem Einschußkanal ergibt), Blutspuren am Körper des Opfers, Spermien in der Scheide der vergewaltigten Frau etc. 54 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 15; Dzendzalowski, Untersuchung, 25; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 15; Müller, Einführung, 300; Paulus, in: KMR, § 81c Rdnr. 13; beispielsweise Hautabschürfungen, Zahnlücken, Krankheitsinfizierungen. 55 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 15 56 Speziell für Reihenuntersuchungen Dünnebier, GA 1953, 68; im übrigen Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 16; Kleinknecht / Meyer § 81c Rdnr. 14; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 16; Müller, Einführung, 302; Paulus, in: KMR, § 81c Rdnr. 14; Eb. Schmidt Nachtrag, § 81c Rdnr. 7. 57 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 16. 58 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81c Rdnr. 23; Meyer, in: LR, § 81c Rdnr. 23. 59 Hier kann auch das oben erwähnte Beispiel der Überprüfung von geschädigten Zeugen einer Wirtshausschlägerei verwiesen werden, welche ergibt, daß bei einer Person Brand- oder Wachsspuren an den Händen oder der Kleidung gefunden werden, was den Verdacht der Täterschaft einer am gleichen Abend erfolgten Brandstiftung entstehen läßt (siehe oben Kap. 2 I). 60 Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 9.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Es ergeht vielmehr zunächst nur die Weisung an die Post bzw. das Telegrafenamt, bestimmte Postsendungen bzw. Telegramme auszusondern und auszuliefern 61 . Die "eigentliche Beschlagnahme" erfolgt erst durch die richterliche Entscheidung, bestimmte Sendungen oder Nachrichten für die Zwecke des Verfahrens zurückzubehalten62 . Als Individualisierungsmoment soll ausreichend sein, daß ein bestimmtes Verfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird 63 • Auch ein Verfahren gegen "Unbekannt" soll zulässig sein, wenn zumindest ein bestimmter Verdächtiger vorhanden ist, der nur namentlich noch nicht identifiziert werden konnte 64 • Betroffen sind von der Maßnahme nach § 99 Sendungen, die an den Beschuldigten gerichtet, für ihn bestimmt sind oder von ihm herrühren 65 . Dies ist der Fall bei Briefen, Telegrammen oder sonstigen Sendungen, auf denen er, auch wenn sie für einen anderen bestimmt sind, ausdrücklich als Empfänger bezeichnet wird 66 . Gleichgültig ist die Art des Namens 67 , soweit der betreffende Name den Strafverfolgungsbehörden bekannt ist68 . Damit der Umfang der Beschlagnahme nicht zweifelhaft ist, sind die zu beschlagnahmenden Sendungen in der Anordnung genau zu bezeichnen69 • Identifizierungsmerkmale sind hierbei der volle Name, die Anschrift mit Straße, Hausnummer und Bestimmungspostamt7°. Deshalb 61 Anordnungsbeispiel bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 34f.; im übrigen vgl. Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 9. 62 Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 9; Niggl, Deutsches Postrecht, 130; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 24; Welp, Fernmeldeüberwachung, 151. 63 Kleinknecht I Meyer § 99 Rdnr. 6; Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 10 m. w. Nachw.; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 25; Wagner, MDR 1961,96. 64 Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, § 5 PostG, 119; Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 10 a. E.; Neugebauer, FernrneIderecht mit Rundfunkrecht, 252; Rochu, JW 1932, 2690; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 25 a.E.; Welp, Überwachung, 82ff. 65 Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 35f.; Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 19. 66 Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, § 5 PostG, 110; Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 19; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 36; Welp, Überwachung, 74. 67 Etwa Künstlername, Deckname, bürgerlicher Name. 68 Kleinknecht I Meyer § 99 Rdnr. 6; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr. 35; Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 19. 69 BGH, NJW 1956, 1806; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, § 5 PostG, 120; Aschenborn I Schneider, Das Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs, 140; Aubert, FernrneIderecht I. Teil, 64; Lengning, Post- und Fernmeldegeheimnis, 64; Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 4; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 6; Welp, Überwachung, 157ff. 70 Als Identifizierungsmerkmal kommt nach Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 4 und Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 6 auch eine Schriftprobe in Betracht; a. A. Welp, Überwachung, 158: schlichtes Sortieren; nach Meyer, in: LR, § 100 Rdnr. 14 und Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100 Rdnr. 9 sollen Anordnungen "sinnvoll, aber nicht immer wörtlich" ausgeführt werden, beispielsweise könne "Johannes Müller, Karlstraße 12 I r" auch bedeuten "Hans Müller, Carlstraße 12", zu unbestimmt sei hingegen die Anordnung, alle von einem Beschuldigten "in Hamburg aufgegebenen Briefe und Postkarten an unbekannte Empfänger" der Beschlagnahme zu unterwerfen.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
ist der Präzisionsgrad der Anordnung hinsichtlich der Arten von Sendungen selbst nicht gering. Da aber - wie zum Teil ausdrücklich betont wird 71 - der Inhalt einer Sendung bei der Beschlagnahmeanordnung regelmäßig unbekannt ist, besteht nur ein geringer Wahrscheinlichkeitsgrad im Hinblick auf die Individualisierbarkeit der Maßnahmeergebnisse72. Die Anordnung der Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs nach § 100a Alt. 1, Alt. 2 muß nach § 100b Abs. 2 Satz 2 Name und Anschrift des Betroffenen enthalten. Darüber hinaus ist in der Anordnung Art, Umfang und Dauer der Maßnahme festzulegen (§ 100b Abs. 2 Satz 3)73. Die Zielrichtung des Eingriffes ist damit abgesteckt. Wesensmäßig vermag aber niemand bei Anordnung einer Fernmeldeüberwachung zu sagen, was die Maßnahme für Ergebnisse zutage fördern wird. Bei diesen Ergebnissen kann es sich um unmittelbare Beweismittel handeln oder um Erkenntnisse, die die Grundlage weiterer Ermittlungshandlungen darstellen. Wie die eingangs an Beispielen geschilderte Diskussion um die Verwertbarkeit der hier übergreifend untersuchten Zufallsfunde mit aller Deutlichkeit zeigt14 , ist indes kaum vorhersehbar , welche Ergebnisse die Durchführung einer Fernmeldeüberwachung zu Tage fördert. Zum notwendigen Inhalt einer Anordnung der Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 gehören die Bezeichnung der Straftat15 , des Zwecks, des Ziels und des Ausmaßes der Durchsuchung76 • Über das Durchsuchungsergebnis sagt die Anordnung hingegen nahezu nichts aus. Trotz dieser - Rechtsstaatlichkeit gewährleistenden77 - Voraussetzungen ist weder bei Anordnung noch bei Durchführung vorherzusehen, welche Ergebnisse eine Durchsuchung haben kann 78. Hinsichtlich der Durchsuchungen bei anderen Personen nach § 103 wird für die Anordnung gefordert, daß Gegenstände konkret, wenn auch nicht in allen 71
35.
So Meyer, in: LR, § 99 Rdnr. 19; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 99 Rdnr.
72 Dies wird durchaus auch in der Literatur erkannt. So ist die Beschlagnahme geschlossener Sendungen nach Kühne (Rdnr. 254) "meist ein reines Glücksspiel". Roxin (§ 34 B IV 2 a) zu Folge wird bei § 99 "auf gut Glück" vorgegangen. Benfer (Rdnr. 340) will "Fehlgriffe" bei der Postbeschlagnahme nicht ausschließen. 73 Meyer, in: LR, § 100a Rdnr. 12; Beispiel einer Anordnung bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 36. 74 Siehe oben Kap. 1 mit Beispiel des Hanseatischen Oberlandesgerichts. 75 Kleinknecht / Meyer § 105 Rdnr. 5; Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 4; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 17. 76 BVerfGE 20, 162, 227; Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 4; Nelles, JuS 1987, 51, 56; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 17; Beispiele einer Durchsuchungsanordnung nach § 105 bei Marquardt, Strafprozeß, Rdnr. 37f. 77 BVerfGE 20, 162, 227; Nelles, Kompetenzen, 141 m. w. Nachw. 78 Dies zeigen die oben dargelegten Beispiele (s. o. Kap. 2 I), etwa die Durchsuchung der Wohnung des wegen eines Raubüberfalles Tatverdächtigen, die unter anderem in Präservativen abgefülltes Haschisch-Öl zu Tage förderte (s. o. Kap. 2 I).
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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Einzelheiten, bezeichnet werden müssen 79 . Aber selbst unter dieser gegenüber § 102 engeren Voraussetzung erhöht sich der Grad, um alle Ergebnisse zu wissen, die im Verlaufe einer derartigen Untersuchung produziert werden, nicht. Die Durchführung einer Durchsuchung nach § 102 unterscheidet sich nämlich nicht von der nach § 103. Die im Rahmen der Strafverfahrensänderung zur Bekämpfung des Terrorismus8o in Satz 2 des § 103 Abs. 1 eröffnete Möglichkeit weist demgegenüber einen geringeren Grad der Präzision - insbesondere bei Durchführung der Maßnahme - auf. Der Gesetzgeber hat dies durch eine stärkere Tatverdachtsform und durch die Beschränkung auf Straftaten nach § 129a StGB auszuschließen gesucht81 . Wenn auch die Durchsuchung der Person und von ihr mitgeführter Sachen zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 anderen Voraussetzungen unterliegt, so ist diese Maßnahme doch hinsichtlich der Vorausschau auf das mögliche Ergebnis des Eingriffes den Maßnahmen nach §§ 102, 103 gleichwertig82 . 79 Benfer Rdnr., 159f. verlangt wenigstens (einfache) Bezeichnung, weitere Beispiele Rdnr. 159 a.E.; siehe auch Binding, Strafprozessrecht, § 742 b; Meyer, in: LR, § 103 Rdnr. 7: Geschäftsbücher, Packungen verschiedener Zigaretten, Zeitungsexemplare bestimmter Art; Müller, in: KMR, § 103 Rdnr. 2: als Einzelstück benannt, wenn auch nicht genau bezeichnet; Peters § 48 V; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 103 Rdnr. 9; Eb. Schmidt 11 § 103 Rdnr. 7 mit Beispielen: gefälschter Wechsel, dessen fälschliche Ausfertigung das zu untersuchende Delikt ausmacht. 80 Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 1978 (BGBI. 1497). 81 Vgl. dazu den Antrag des Abgeordneten Dr. Emmerlieh (Stenographische Protokolle über die 31. Sitzung des [federführenden] Rechtsausschusses in der 8. Wahlperiode vom 14. Dezember 1977/Prot. Nr. 31, Seite 7:) " ... im Verlaufe der jüngsten Fahndungen im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen habe es sich als notwendig herausgestellt, Gebäude zu untersuchen, in denen sich eine Vielzahl von Wohnungen befunden habe. Dabei sei es als fraglicherschienen, ob derartige Untersuchungen von ganzen Gebäuden mit vielen Wohnungen durch die §§ 102ff. StPO gedeckt seien. In solchen Fällen beziehe sich der Verdacht nicht auf eine bestimmte Wohnung. Darum sollten mit der vorgelegten Änderung des § 103 Abs. 1 solche Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme beseitigt werden. Anders als in § 102 sei hier nicht einfacher Tatverdacht, sondern dringender Tatverdacht gefordert; ferner müsse es sich um den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung nach § 129a StGB handeln. Diese Einschränkung gegenüber den geltenden Durchsuchungsvorschriften werde aus folgenden Gründen für erforderlich gehalten: Wenn in einem Gebäude mit vielen Wohnungen eine Durchsuchung durchgeführt werden solle, ohne daß sich der Verdacht auf eine bestimmte Wohnung konkretisieren lasse, sei davon auszugehen, daß der Verdacht für fast alle Durchsuchten sich als nicht zutreffend erweisen werde. Die Problematik sei damit der der KontrollsteIle verwandt, denn es werde durch diese Durchsuchung eine Vielzahl von Unbeteiligten in ihren Rechten beschränkt. Darum sollten die Voraussetzungen, unter denen es zu solchen Maßnahmen kommen könne, entsprechend hoch angesetzt werden. Es müsse sich um einen dringenden Tatverdacht und um Straftaten nach § 129a StGB handeln.". 82 Das trifft auch auf alle anderen Arten von Durchsuchungen zu, etwa die nach § 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AO 1977 i.V.m. §§ 102, 103, die nach den §§ 410 Abs. 1 Nr. 7, 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AO 1977 i.V.m. §§ 102, 103, sowie nach § 71 Abs. 3 ZollG.
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
Nach allgemeiner Ansicht enthalten einige Zwangsmaßnahmen inzident mit ihrer Anordnung stillschweigend zugleich eine Durchsuchungsanordnung83 . Unabhängig von der Frage, inwieweit derartige vorbereitenden Durchsuchungen84 ohne ausdrückliche Anordnung zulässig sind oder sein dürfen, unterscheiden sich diese Durchsuchungen strukturell nicht von denen der bereits beschriebenen Art 85 . Eine KontrollsteIle nach § 111 Abs. 1 Satz 1 ermöglicht es, nach ihrer Einrichtung jede Person zu erfassen, die in den festgelegten Kontrollbereich gelangt. Dieser umfaßt zunächst neben der Sperre selbst auch den Bereich um den Kontrollbereich herum 86 . Die Anordnung einer KontrollsteIle bezeichnet den Zweck der Maßnahme, nach Möglichkeit auch den Beginn und die Dauer sowie den gen auen Ort. Bei besonderer Eilbedürftigkeit sollen Rahmenbedingungen ausreichend sein87 • Zum einen ermöglicht eine KontrollsteIle die Iden83 Überblick bei Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 7 und Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 3ff. Dies betrifft insbesondere Durchsuchungen für Zwecke der Beschlagnahme nach § 132 Abs. 3 (Kleinknecht / Meyer § 132 Rdnr. 11; Müller, in: KMR, § 132 Rdnr. 14), zum Zwecke der Vorführung nach § 134 Abs. 1 Satz 1 (OLG Frankfurt, NJW 1964, 785; Kaiser, NJW 1964, 759; Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 8; a. A. Müller, in: KMR, § 134 Rdnr. 7; dagegen Meyer: überflüssige Formalität), zum Zwecke der Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach § 457 Abs. 1 (BayObLGSt 8, 239; 20,153; OLG Frankfurt, NJW 1964, 785 m. w. Nachw.; wohl auch BVerfGE 16, 239; Kaiser, NJW 1964, 785 m. w. Nachw.; ders., NJW 1980, 875 unter Hinweis auf BVerfGE 51, 97; Kleinknecht / Meyer § 457 Rdnr. 10; Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 7; Paulus, in: KMR, Vorb. § 94 Rdnr. 3; Pohlmann, Strafvollstreckungsordnung, § 33 VI 2; Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 11, der in dem auf Freiheitsstrafe lautenden Urteil bereits die stillschweigende Durchsuchungsanordnung sieht; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 7; Eb. Schmidt Nachtrag I, § 457 Rdnr. 7; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 15; a.A. Kohlhaas, NPA 1962,508 und Krause, NJW 1974, 303, letzterer auf Fälle ohne Gefahr im Verzug begrenzend; wohl auch Benfer, NJW 1980, 1612), zum Zwecke der Wegnahme nach § 459g Abs. 1 Satz 1 (Schäfer, in: LR, § 459g Rdnr. 4; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 459g Rdnr. 5) und zum Zwecke der Beschlagnahme eines Führerscheines nach § 463b Abs. 1 (Schäfer, in: LR, § 463b Rdnr. 1 unter Verweisung auf die ähnliche Lage bei § 457; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 463b Rdnr. 1). Auch zur Vollstreckung von Haftbefehlen bzw. zu deren Vorbereitung nach §§ 112, 453c, Unterbringungsbefehlen nach § 126a, Vorführungsbefehlen nach §§ 230 Abs. 2,236,329 Abs. 4 Satz 1, Steckbriefen nach § 131 (Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 7 m. w. Nachw.; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 7), sollen derartige Durchsuchungen dienen (keine stillschweigenden Anordnungen nach § 105 Abs. 1 sollen hingegen Maßnahmen nach den §§ 81, 81a, 81c enthalten, vgl. dazu Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 7 m. w. Nachw.; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 16). 84 Ausdruck vom Verfasser. 85 Als Vorbereitungsmaßnahme wird auch die Postbeschlagnahme zwecks Durchführung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach § 457 Abs. 1 genannt, vgl. Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 12 m. w. Nachw. und Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 16; (allerdings ohne nähere Ausführungen). 86 So ist wohl jedenfalls Müller, in: KMR, § 111 Rdnr. 6 zu verstehen, der auch Personen, die nur in die Nähe einer KontrollsteIle gelangt sind, den Maßnahmen nach § 111 Abs. 1 Satz 1 unterworfen wissen will. 87 Laufhütte, in: KK, § 111 Rdnr. 11 a. E.
III. Die Streubreite strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
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titätsfeststellung von Personen entsprechend den §§ 163b, 163c88 , zum anderen die Durchsuchung von Personen und den von ihnen mitgeführten Gegenständen. Diese Durchsuchungen richten sich, was § 111 Abs. 3 ausdrücklich hervorhebt, nach den Durchsuchungsregeln der §§ 102ff. Daß § 111 Abs. 3 auch ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des § 108 hinweist, zeigt deutlich, daß der Gesetzgeber hier den niedrigen Grad der Voraussehbarkeit des Eingriffsergebnisses erkannt hat und in der vorgenommenen Weise geregelt wissen wollte 89 . Die Anordnung der Überwachung des Verteidigerverkehrs gemäß § 148 Abs. 2 beinhaltet, daß Schriftstücke und andere Gegenstände zurückgewiesen werden, wenn sich der Absender - Beschuldigter, Verteidiger oder dritte Person - oder derjenige, der die Schriftstücke übergeben will, nicht damit einverstanden erklärt, daß diese Schriftstücke oder Gegenstände zunächst einem (Überwachungs-)Richter zur Kontrolle und gegebenenfalls Beanstandung vorgelegt werden 9o . Die Überwachungsmaßnahmen, die das Gesetz nicht näher beschreibt, bestehen im Lesen von Schriftstücken und Betrachten von Gegenständen 91 . Da alle Gegenstände und Schriftstücke der betroffenen Personen überprüft werden, kann von vornherein nicht genau gesagt werden, welche Schriftstücke bzw. Gegenstände den Strafverfolgungsbehörden in die Hände fallen. Eingriffsergebnisse sind damit nur schwer vorherzusehen 92 . Die Eigenart der in § 163d normierten computergestützten Netzfahndung besteht darin, daß vor der Datenspeicherung und der anschließenden Auswertung nicht bekannt sein kann, ob der Eingriff zur Aufklärung der die Maßnahme rechtfertigenden Straftat führen wird. Erst die Verarbeitung der speicherbaren Daten in automatischen Informationssystemen führt zu dieser Siehe dazu weiter Kurth, NJW 1979, 1382 und Müller, in: KMR, § 111 Rdnr. 8. Vgl. noch Kuhlmann, DRiZ 1978, 238, 239, der darauf hinweist, daß seines Erachtens der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 111 von der bislang verfolgten Systematik Abschied genommen habe; die Einrichtung einer KontrollsteIle richte sich gegen jedermann; eine Abstufung nach Tatverdächtigen oder Dritten erfolge nicht mehr; es werde "in Zeiten des Massenverkehrs in Kauf genommen, daß die Maßnahmen nach § 111 StPO einen großen Personenkreis erreichen und dabei fast immer den völlig Unbeteiligten" träfen; ähnlich Sangenstedt, Strafverteidiger 1985, 117, 119. 90 Dünnebier, in: LR, § 148 Rdnr. 28. 91 Dünnebier, in: LR, § 148a Rdnr. 7. 92 Wobei anzumerken ist, daß die Chance, daß nach Bekanntgabe der Überwachung gemäß § 148 Abs. 2 an die Betroffenen, diese in Kenntnis der Überwachung Beweismittel gleichwohl in die Hände des Überwachungsrichters gelangen lassen, sehr gering erscheint. Abgesehen davon besteht nach § 148a Abs. 2 Satz 2 für Beweismittel ein absolutes Verwertungsverbot. Lediglich präventiv ist der Überwachungsrichter - § 138 StGB entsprechend - gehalten, geplante Straftaten anzuzeigen. Der geringe Grad der Vorhersehbarkeit des Eingriffsergebnisses wird auch von Dünnebier (ebd.) erkannt, wenn er aus Gründen des Maßnahmezwecks die Anwendung des § 108 ablehnt. Entsprechendes muß im übrigen auch für Maßnahmen nach § 122 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 148 Abs. 2 gelten. 88 89
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
Erkenntnis. Daß es hierbei zu Zufallsfunden kommen kann, hat der Gesetzgeber bereits bei Einführung der Zwangsmaßnahme erkannt. § 163d Abs. 4 Satz 5 bestimmt nämlich, daß die Verwendung personenbezogener Daten zu anderen Zwecken als für das laufende Strafverfahren nur zulässig sein soll, "soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung durch die speichernde Stelle Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer anderen Straftat" dienen können. Strukturell entspricht diese Zwangsmaßnahme insoweit der Telefonüberwachung nach § lOOa. IV. Erste Folgerungen 1. Bildung des Begriffes "ZufaUsfund"
Auf der Grundlage der vorigen Überlegungen kann nunmehr der Begriff "Zufallsfund" näher umschrieben werden. Zunächst soll noch einmal an die Untersuchung der Möglichkeiten der Aufdeckung von Straftaten erinnert werden!. Es ist oben gezeigt worden, daß in allen gebildeten Fallgruppen die erstmalige Aufdeckung von Straftaten stets und durchgehend in zufälliger Weise erfolgt2 • So haben beispielsweise präventive Maßnahmen der Polizei nicht etwa den Sinn, zur Aufklärung einer bestimmten Straftat beizutragen. Dieses Ziel dürften sie im übrigen auch nicht haben. Die Aufdeckung von Straftaten ist also, abgesehen von der besonderen Situation des Opfers, stets und immer im ersten Ansatz zufällig. Den Begriff "Zufallsfund" in diesem Sinne auf alle Fallgruppen anzuwenden wäre letztlich ohne viel Sinn. Da fast jede Aufdekkung von Straftaten, nahezu jeder Fund von Beweismitteln zufällig erfolgte, wäre eine differenzierende Betrachtung kaum möglich. Ein anderes Bild zeigt sich im Hinblick auf die strafprozessualen Zwangsmaßnahmen. Zwar kann es bei diesen Eingriffen, was die erstmalige Aufdeckung von Straftaten betrifft, auch nur zufällige Ergebnisse geben. Denn ein gezielter Einsatz einer Zwangsmaßnahme ist ja nur möglich, wenn vorher die Straftat bekannt war, was wiederum zunächst einen ersten Anhaltspunkt voraussetzt. Denkt man einen Schritt weiter, bekommt die Unterscheidung indes Sinn. Wird nämlich eine Zwangsmaßnahme - ihrem Vor aussetzungs element der Tatbezogenheit3 entsprechend - zur Aufklärung einer genau bestimmten Straftat angeordnet und durchgeführt, so ergeben sich die ebenfalls schon oben dargelegten4 zwei Möglichkeiten. Das zu Tage geförderte Beweismittel kann die aufzuklärende Tat betreffen oder nicht. Im letzten Fall handelt es sich nicht um ein erwartetes, planvolles, sondern um ein zufällig erlangtes Beweismittel. 1 2
3 4
Siehe oben Kap. Siehe dazu oben Siehe oben Kap. Siehe oben Kap.
2 I. Kap. 2 I a. E. 2 11 2 d. 2112 d.
IV. Erste Folgerungen
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Dementsprechend soll im folgenden unter "Zufallsfund" jedes Ergebnis einer strafprozessualen Zwansgmaßnahme verstanden werden, welches sich nicht auf die Tat bezieht, derentwegen die jeweilige Zwangsmaßnahme angeordnet und durchgeführt worden ist. Der Begriff der "Tat" ist hierbei in der oben erarbeiteten Weise zu verstehen 5 . Eine Unterscheidung in verschiedene Arten von Zufallsfunden6 kann auf der Grundlage des hier vertretenen Tatbegriffes unterbleiben. Im Rahmen der vorgestellten Definition, die durchaus weiter differenzierbar ist, soll darüber hinaus unbeachtlich sein, ob das Ergebnis durch den Einsatz einer Zwangsmaßnahme zustandegekommen ist, die nach Anordnung und Durchführung rechtmäßig war, oder ob gerade dies im Hinblick auf die Anordnung bzw. die Durchführung oder beide verneint werden muß7. In die Definition ist nicht aufgenommen worden, daß es sich bei dem Fund um ein zufälliges Ergebnis im Sinne eines überraschenden Ereignisses, das sich unserer Vernunft und unserer Absicht entzieht8 , handeln muß9. Dies ist unterblieben, weil für die Beantwortung der strukturellen Frage, ob ein Ergebnis sich auf die verfolgte Tat bezieht oder nicht, subjektive Momente nicht weiterhelfen können. Die wohl gelegentlich vorhandenen Hoffnungen der Strafverfolgungsbehörden, beim Einsatz einer Zwangsmaßnahme Beweismittel bezüglich anderer Taten zu erlangen lO , müssen im Rahmen einer objek5 Eine Unterscheidung - wie etwa bei Rieß, JR 1979, 167 - in "unechte" und "echte" Zufallsfunde kann, da die dortige auf dem herkömmlichem prozessualen Tatbegriff beruht, hier unterbleiben. 6 Etwa in Zufallsfunde, die mit der verfolgten Tat in Zusammenhang stehen; in Zufallsfunde, die eine andere Tat des verfolgten Beschuldigten betreffen oder Zufallsfunde, die einen schlechthin anderen Beschuldigten betreffen. 7 So aber bereits bei der Begriffsbildung unterscheidend Kühne Rdnr. 269 Fn. 10; ebenso Gössel, Maiwald und Rieß (s. o. Kap. 1 11), nicht jedoch - wie gelegentlich behauptet wird - der Bundesgerichtshof, vgl. dazu BGHSt 26, 298, 301. g Vgl. zur sprachlichen Definition des Begriffes "Zufall" etwa Grimm / Grimm, Deutsches Wörterbuch, 16. Band, Stichwort "Zufall" Anm. 5: "Vorfälle, die unversehens kommen, unberechenbares Geschehen, das sich unser Vernunft und unser Absicht entzieht"; auch Klappenbach / Steinitz, Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 6. Band, Stichwort "Zufall". 9 Auf dieses Moment (zumindest sprachlich) stellen ab: BGHSt 26,298,301; 28, 122, 127; HansOLG, NJW 1973,157,158; Gössel 11 99; Kleinknecht / Meyer § 102 Rdnr. 17; Knauth, NJW 1977, 1510; Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 45. \0 Dieses wird gelegentlich deutlich an Bemerkungen der Art wie sie schon oben in der Einleitung erwähnt worden sind; vgl. in diesem Zusammenhang DER SPIEGEL Nr. 34 vom 20. August 1984, 68f. unter dem Titel "Härtere Gangart": "Die Fahnder, die Zahnärzten mit laxer Steuermoral auf der Spur waren, notierten sich Daten von vielen anderen Bankkunden und nahmen Aktentaschen voller Belege mit - sie waren auch auf ,Zufallsfunde' (Fachjargon) aus", wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt, ging es um die Suche nach bislang unbekannten Steuerhinterziehungen, weiche sich aus Unterlagen sog. Conto pro Diverse (CpD-Konten) ergeben sollten, CpD-Konten unterhalten Banken, um Verrechnungsschecks - ohne Ausnutzung eines Girokontosunmittelbar gegen Bargeld einzulösen; vgl. auch LG Göttingen, Strafverteidiger 1982, 364; LG Bonn, NJW 1981, 292 (jeweils planvolle Umschau nach Zufallsfunden); dazu auch Streck, Strafverteidiger 1984, 348, 350; weiterhin siehe zum Verständnis einiger
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
tiven Bewertung unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist ausschließlich, ob es sich bei den gefundenen Beweismitteln um solche handelt, die sich auf die Anordnungstat oder auf eine andere Tat beziehen. 2. Die Beweisgewinnung von ZufaJlsfunden
Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen sind - wie oben nachgewiesen worden ist ll - streng tatbezogen. Das bedeutet, daß eine Zwangsmaßnahme nur angeordnet und durchgeführt werden darf, wenn dies zur Aufklärung und Erforschung einer bestimmten Straftat erfolgen soll. Anders ausgedrückt ist die Anordnung einer Maßnahme prozessual rechtswidrig, wenn sie sich nicht gerade auf eine bestimmte Straftat bezieht. Denn wie gezeigt stellt die Zielrichtung einer Maßnahme auf die jeweilige Tat, also die Tatbezogenheit, ein Vor aussetzungs element dar, welches sich in allen Zwangsmaßnahmen finden läßt. Dies gilt in gleicher Weise für die Durchführung von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen. Auch der Einsatz derartiger Eingriffe darf dementsprechend nur im Rahmen der durch die Anordnung genau umrissene Tat erfolgen. Die Durchführung einer Zwangsmaßnahme ist prozessual rechtswidrig, wenn sie sich auf die Erforschung einer anderen Straftat erstreckt. Wird beispielsweise eine Durchsuchung wegen eines Einbruchsdiebstahles angeordnet und durchgeführt, so bleibt sie solange rechtmäßig, als etwa in der Wohnung des der Tat Verdächtigen ausschließlich nach Beweismitteln dieser Tat, also zum Beispiel Diebesgut, geforscht wird. Eine Ausdehnung der Durchsuchung Angehöriger der Strafverfolgungsbehörden Bauer, Verbrechensbekämpfung, 193: "Auch die Freundinnen und Frauen der beteiligten Täter telefonieren miteinander und plaudern vieles von dem aus, was die Männer geheim halten wollten. So müssen denn auch die Anschlüsse der Verwandtschaft unter Kontrolle gehalten werden, denn die auf diesen Leitungen geführten Gespräche sind oft die ergiebigsten." und Werner, Kriminalistik 1982, 131, 134: "In der Mehrzahl aller Fälle ist es uns erst durch den Einsatz von Telefonüberwachung gelungen, kriminelle Organisationen in einzelnen Verzweigungen aufzuspüren. Dabei muß besonders berücksichtigt werden, daß eine einmal richterlich angeordnete und geschaltete Telefonüberwachung möglichst auch noch nach einem polizeilichen Zugriff auf den Täter bleibt. Häufig werden nämlich z. B. von Hausgenossen einer festgenommenen Person über deren Anschluß Warnungen an andere Tatbeteiligte oder Mitglieder der Organisation durchgegeben. Sie können wesentlichen Aufschluß über die weiteren Ermittlungen liefern und dazu beitragen, das kriminelle Umfeld der Organisation auszuleuchten ... So sei der Hinweis gestattet, daß die Möglichkeit besteht, auch den Anschluß einer öffentlichen Telefonsprechstelle überwachen zu lassen. Wenn wir eine entsprechende richterliche Anordnung mit einer Observation von Verdächtigen koppeln, können wir in kürzester Frist eine Telefonüberwachung auch für jeden öffentlich zugänglichen Amtsanschluß der Deutschen Bundespost haben und - wie wir es nennen - ,Hineinhören' , während sich die Gesprächsteilnehmer in absoluter Sicherheit wähnen."; vgl. für die Steuerfahndung Blumers / Göggerle, Handbuch, Rdnr. 520 m. w. Nachw.: "Der Durchsuchungspraxis der Finanzverwaltung wird nicht zu Unrecht vorgehalten, daß sie in vielen Fällen nach Zufallsfunden bewußt fahnde.". 11 Siehe oben Kap. 2 II 2 d.
IV. Erste Folgerungen
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auf andere Taten, beispielsweise den Besitz von Schußwaffen, läßt die Durchführung dieses Eingriffes im Augenblick des Wechsels der Zielrichtung und der damit verbundenen Durchbrechung der Tatbezogenheit rechtswidrig werden. Die Frage, wie unter diesen Voraussetzungen die Beweisgewinnung eines Zufallsfundes im soeben definierten Sinne bewertet werden soll, erfordert zunächst eine Erinnerung an die Untersuchung der Eingriffe hinsichtlich deren Streubreite. Dort ist dargetan worden, daß beim Einsatz einer jeden Zwangsmaßnahme die Möglichkeit besteht, daß der Eingriff Ergebnisse zu Tage fördert, die gerade nicht Ziel der Maßnahme waren und auch - wegen der Tatbezogenheit - nicht sein durften. Der Umstand, daß der Grad der Wahrscheinlichkeit, zu derartigen unerwarteten Ergebnissen zu gelangen, bei den verschiedenen Zwangsmaßnahmen unterschiedlich hoch ist, was die Einteilung der Maßnahmen in verschiedene Gruppen der Streubreite rechtfertigte, ändert an der grundsätzlichen Möglichkeit, zu anderen Ergebnissen zu gelangen, nichts. Diese unerwarteten Ergebnisse können Beweismittel sein, die mit dem Einsatz der Zwangsmaßnahme gerade nicht erlangt werden sollten, die aber die zu untersuchende Tat betreffen. In dem soeben angeführten Beispiel einer Durchsuchung wegen eines Einbruchsdiebstahls könnte dies etwa bislang unbekanntes Diebesgut sein. Es können jedoch auch Beweismittel gewonnen werden, die eine andere Tat betreffen. Dann handelt es sich definitionsgemäß um Zufallsfunde. Festzuhalten ist also, daß beim Einsatz einer jeden Zwangsmaßnahme die Möglichkeit besteht, Zufallsfunde zu erlangen. Diese Eventualität kann auf Grund der Eingriffsstruktur der Zwangsmaßnahmen bei keinem Einsatz ausgeschlossen werden. Letztlich ist damit das Auftreten von Zufallsfunden unvermeidbar. Die Strafverfolgungsorgane haben trotz rechtmäßigen Vorgehens bei der Durchführung einer Zwangsmaßnahme gerade keinen Einfluß auf das Ergebnis dieses Eingriffes. Dementsprechend kann die Rechtmäßigkeit der Gewinnung des Beweismittels nur durch eine Bewertung der Anordnung und Durchführung der Zwangsmaßnahme beurteilt werden. Denn diese beiden Komponenten sind von den Strafverfolgungsorganen von vornherein steuerbar und nicht etwa nur nachträglich - beispielsweise durch die Anrufung eines Richters - überprüfbar. Demnach wäre es widersprüchlich, bewertete man die Beweismittelgewinnung eines Zufallsfundes als rechtswidrig, obgleich diese bei rechtmäßiger Anordnung und Durchführung der jeweiligen Zwangsmaßnahme erfolgt ist. Denn der Vorgang der Gewinnung eines Beweismittels kann ja gerade nur durch die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Anordnung und Durchführung des Eingriffes beurteilt werden. Eine von diesem Vorgang losgelöste, gleichsam abstrakte Betrachtung des gewonnenen Beweismittels ist im übrigen auch wenig sinnvoll. Für sich genommen kann ein Beweismittel nämlich nicht rechtmäßig oder rechtswidrig sein. Solange es nicht in Bezie-
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Kap. 2: Zufallsfund und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen
hung zu dem Vorgang der Gewinnung durch einen Zwangsmaßnahmeneinsatz tritt, bleibt es hinsichtlich einer Rechtmäßigkeitsbeurteilung neutral. Das bedeutet im Ergebnis, daß sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Beweismittelgewinnung von Zufallsfunden ausschließlich nach der Rechtmäßigkeit von Anordnung und Durchführung der Zwangsmaßnahme richten muß. Ein Zufallsfund, der durch eine nach Anordnung und Durchführung rechtmäßige Zwangsmaßnahme gewonnen worden ist, entbehrt stets seinerseits nicht der Rechtmäßigkeit 12 • Infolge dieser Überlegungen ist die von Rechtsprechung und Schrifttum gelegentlich verwendete Formel vom "an sich rechtmäßigen Zufallsfund"13 unabhängig von ihrem ohnehin wenig strukturierten Inhalt - als irreführend zu bezeichnen. Eine rechtswidrige Gewinnung eines Zufallsfundes liegt stets vor, wenn entweder die Anordnung oder die Durchführung oder gegebenenfalls beide rechtswidrig waren 14 • Andernfalls ist der Zufallsfund rechtmäßig erlangt worden. Eine Feststellung dahin, daß es sich um einen rechtmäßig oder rechtswidrig gewonnenen Zufallsfund handelt, sagt allerdings nichts darüber aus, was mit dem einmal erlangten Beweismittel nun geschehen soll. Rechtsprechung und 12 Strukturell lassen sich diese Überlegungen hier mit denen in Rechtsprechung und Literatur zum Problem des (später) fortgefallenen Tatverdachtes nach dem Einsatz einer Zwangsmaßnahme vergleichen; der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat etwa zu § 100a ausgeführt, daß die Verwertung von Erkenntnissen nicht dadurch unzulässig werde, wenn sich der bei Anordnung bestehende Verdacht in der Hauptverhandlung nicht erweisen lasse, was zur Folge habe, daß eine Verurteilung wegen dieser prozessualen Tat nur aus einem rechtlichen Gesichtspunkt möglich sei, der nicht unter § 100a falle (Urteil vom 5. März 1974 - 1 StR 365/73 und Urteil vom 23. Januar 1979 - 1 StR 642/78); ebenfalls soll dies gelten, wenn die Staatsanwaltschaft insoweit bereits keine Anklage erhoben hat (BGHSt 28, 122; vgl. dazu noch Rieß, JR 1979, 167, 168); auch im Wege zulässiger Beschlagnahme gewonnene Beweismittel bleiben nach überwiegender Auffassung selbst verwertbar, wenn der in dieser Vorschrift vorausgesetzte Tatverdacht entfallen ist (BGHSt 25, 168, 171; 28, 122, 129; BGH, Strafverteidiger 1983, 1; BVerfG, NJW 1988,1075 (sog. 3. Abhörentscheidung), dazu Schlink, NJW 1989, I1ff.; Kleinknecht / Meyer § 97 Rdnr. 47; Laujhütte, in: KK, § 97 Rdnr. 8; Meyer, in: LR, § 97 Rdnr. 64; Müller, in: KMR, vor § 94 Rdnr. 25; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 97 Rdnr. 107; a. A. Fezer, JuS 1978, 768; Herdegen, GA 1963, 143; Schlüchter Rdnr.308). \3 Siehe oben Kap. 1 III 3. 14 Zum Problem der Rechtswidrigkeit von Beweismitteln nach rechtswidriger Zwangsmaßnahme vgl. LG Wiesbaden, NJW 1979, 175; LG Bonn, NJW 1981, 292; LG Köln, Strafverteidiger 1983, 56; LG Koblenz, Strafverteidiger 1985, 8, 9f.; auch Baur, wistra 1983, 99, 101; Grebing, Jura 1982, 214, 221f.; Krekeler, wistra 1983,43, 46; Kühne, NJW 1979, 1053f.; Rüping, Beweisverbote, 57; zur Rechtswidrigkeit bei gezielter Suche nach "Zufallsfunden" vgl. KG, Strafverteidiger 1985,404; LG Berlin, Strafverteidiger 1987, 97, 98, dazu Kalt, Polizei 1986, 413ff.; zur Unzulässigkeit der Fortdauer einer Durchsuchung, wenn keine Anhaltspunkte mehr vorliegen, die die Vermutung begründen, die weitere Durchsicht werde zum Auffinden von Beweismitteln führen vgl. BGH, Ermittlungsrichter, Strafverteidiger 1988, 90f.; zur Unverwertbarkeit bei unzulässiger Durchsuchung vgl. LG Wiesbaden, Strafverteidiger 1988, 292f.
IV. Erste Folgerungen
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Schrifttum erörtern ausschließlich die Frage der Verwertbarkeit 15 . Die Diskussion konzentriert sich damit auf einen sehr späten Zeitpunkt im Dasein eines Beweismittels. Sicherlich kann die Verwertung der Gewinnung eines Beweismittels auf dem Fuße folgen. Finden etwa Polizei beamte statt des erwarteten Diebesgutes gefälschte Geldscheine, so verwerten sie diesen Fund, wenn sie die Durchsuchung der betreffenden Wohnung nunmehr mit anderer Zielrichtung, nämlich dem Auffinden von Werkzeugen und Hilfsmitteln zur Geldfälschung, weiterführen. Oft wird aber zwischen Beweisgewinnung und Beweisverwertung, die im Regelfall erst in der Hauptverhandlung erfolgt, geraume Zeit verstreichen. In diesem Zeitabschnitt befindet sich das jeweilige Beweismittel in den Händen der Strafverfolgungsorgane. Dieser Zustand, der im folgenden als Aufbewahrung bezeichnet werden soll, ist dadurch charakterisiert, daß die Strafverfolgungsbehörden durch ein gewonnenes Beweismittel fortwährende Kenntnis über das Vorliegen einer bestimmten Straftat haben. Aufbewahrung in diesem Sinne ist also beispielsweise auch die Speicherung von Daten, ja letztlich selbst das nur gedankliche Wissen um eine Straftat. Diese Phase der Beweismittelaufbewahrung geht der Verwertung stets voraus. Denn selbst im Falle einer sofortigen Verwertung eines gerade eben gewonnenen Beweismittels ist der zugegebenermaßen zeitlich sehr knappe Abschnitt der Aufbewahrung, nämlich das Wissen um Tatsachen, die auf eine Straftat hindeuten, strukturell erkennbar. Dieser zeitlich der Verwertung vorgelagerten Phase im Dasein eines Beweismittels wird sich die Untersuchung im folgenden zuwenden.
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Siehe oben Kap. 1 III 2.
Kapitel 3
Das Restitutionsprinzip hinsichtlich der Wirkungen von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen Daß die Verletzung des allen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen innewohnenden Merkmals der Tatbezogenheit die Beweisgewinnung eines Zufallsfundes bei im übrigen rechtmäßiger Anordnung und Durchführung nicht rechtswidrig werden läßt, ist soeben dargestellt worden. Hieraus kann indes nicht der Schluß gezogen werden, daß dieses Eingriffsmerkmal auch nicht in der vor der Beweisverwertung liegenden Phase - nämlich der Aufbewahrung - Bedeutung erlangen könnte. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es auch dem verfassungsrechtlichen Wertgehalt dieses Voraussetzungselementes, der in der Zielgerichtetheit und Begrenzung schwerwiegender Grundrechtseingriffe zu sehen ist, entspräche, wenn der Tatbezogenheit zum frühstmöglichen Zeitpunkt Geltung verschafft werden könnte. Dementsprechend soll an dieser Stelle die nachfolgend zu überprüfende Hypothese aufgestellt werden, daß die Aufbewahrung von Zufallsfunden, welche sich ja definitionsgemäß gerade nicht auf die durch eine Zwangsmaßnahme zu untersuchende Tat beziehen, auf Grund des fehlenden Merkmals der Tatbezogenheit rechtswidrig ist. Die Basis für diese Behauptung liegt in der weiteren Hypothese, daß allen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ein Prinzip zugrundeliegt, welches die Wiederherstellung des vor dem Eingriff vorgefundenen status quo ante erfordert, wenn eine Zwangsmaßnahme von Anfang an rechtswidrig war oder aber durch Veränderung der tatsächlichen Lage rechtswidrig geworden ist. Zufallsfunde dürften demnach, da für ihre weitere Aufbewahrung keine Rechtsgrundlage besteht, nicht verwertet werden. Um diese Hypothese verifizieren zu können, bedarf es zunächst einer nicht auf den Sonderfall der Zufallsfundsituation konzentrierten, sondern allgemeinen Untersuchung der Zwangsmaßnahmen bezüglich des behaupteten Prinzips der Wiederherstellung des durch den Einsatz veränderten Zustandes, welches im folgenden als Restitutionsprinzipl bezeichnet wird. Auszugehen ist von dem Umstand, daß jede strafprozessuale Zwangsmaßnahme bestimmte (gewollte) Auswirkungen zeigt. So befindet sich beispielsweise ein Beschul1 Siehe zur Wiederentdeckung und Verwendung dieses Begriffes schon oben in der Einleitung und sogleich in diesem Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1).
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
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digter in der freiheitsbeschränkenden Untersuchungshaft, für die Hauptverhandlung entscheidende Beweismittel sind als Asservate in der Hand der Strafverfolgungsorgane, ein Führerschein, der nach § 44 Abs. 3 Satz 2 StGB amtlich zu verwahren ist, weil ein Fahrverbot durch Urteil ausgesprochen wurde, ist nach § 463 Abs. 1 beschlagnahmt oder eine Person, die das Verfahren gestört hat, befindet sich nach § 177 Satz 1 GVG in Ordnungshaft. Auf welche Weise und unter welchen Voraussetzungen diese Wirkungen bereinigt, der vorherige Zustand also wiederhergestellt wird, ist - wie die Untersuchung zeigen soll - aus dem Gesetz nicht bei allen Zwangsmaßnahmen ablesbar. Es gibt Eingriffe, die eine Restitution ausdrücklich anordnen. Bei anderen Maßnahmen wird nur geregelt, unter welchen Bedingungen die Maßnahme aufzuheben ist, nicht aber, was hinsichtlich der tatsächlichen Auswirkungen des Eingriffes zu geschehen hat. Schließlich gibt es Zwangsmaßnahmen, bei denen Restitutionsnormen in jeglicher Hinsicht fehlen. Bei einigen Maßnahmen haben Rechtsprechung und Schrifttum hierzu bestimmte Grundgedanken entwickelt, die allerdings in einzelnen Fragen vielfach streitig sind. Gleichwohl soll sich im Ergebnis zeigen, daß tatsächlich allen Zwangsmaßnahmen das gemeinsame Grundprinzip der Restitution zugrundeliegt, die einzelnen ausdrücklichen Normen also nur eine Ausformung dieses Prinzips darstellen. Die folgende detaillierte und damit recht umfangreiche Untersuchung der Restitution strafprozessualer Zwangsmaßnahmen verfolgt dementsprechend zwei Ziele. Zum einen ist auf diesem Gebiet bislang keine Grundlagenforschung betrieben worden. Wie die Analyse auch zeigen wird, sind in dieser Hinsicht durchweg nur einzelne, im Höchstfall einige Maßnahmen, isoliert betrachtet worden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Untersuchung wird so dann eine neue Beurteilung der besonderen Situation des Auftretens von Zufallsfunden möglich sein. Die strafprozessualen Zwangsmaßnahmen werden im Verlauf der Analyse vornehmlich dahin untersucht, ob sie eine Norm oder einen Normteil aufweisen, der eine Restitution anordnet. In neutraler, nicht wertender Darstellung werden die Voraussetzungen der Restitution im einzelnen dargestellt, wobei, soweit dies auffindbar war, auch die gesetzgeberischen Motive, die gerade zu dieser Norm geführt haben, erläutert werden. Neben den Voraussetzungen der Restitution wird auch danach gefragt, worin der Gesetzgeber, gegebenenfalls auch Rechtsprechung und Literatur, den dogmatischen Ausgangspunkt der Restitution sehen. Auch die Auslegung der jeweiligen Restitutionsnorm durch Schrifttum und Rechtsprechung, soll untersucht werden. Wie die Analyse zeigen wird, sind die Arten der Restitution - abhängig von den Wirkungen der einzelnen Zwangsmaßnahmen - vielfältig. Um die Übersicht zu erleichtern, werden die Zwangsmaßnahmen im folgenden bereits in Gruppen zusammengefaßt, die zumindest von der Art der Restitution her, strukturell ähnlich sind.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
1. Abschnitt
Analyse der Restitution bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen I. Restitution auf Grund ausdrücklicher Regelungen im Gesetz 1. Restitution durch Vernichtung
a) Überwachung des Fernmeldeverkehrs (§ JOOb Abs. 5 Satz 1) Für die durch die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § lOOa erlangten Unterlagen bestimmt § lOOb Abs. 5 Satz 1: "Sind die durch Maßnahmen erlangten Unterlagen zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich, so sind sie unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft zu vernichten." Diese Vorschrift soll ihrem Wesen nach Schutz für den Adressaten der Anordnung und auch für einen unbeteiligten Dritten bieten2 . Zeugnisse eines vertraulichen Nachrichtenverkehrs sollen nicht länger als nötig existieren und anderen Personen zugänglich sein. Die vom Gesetzgeber mit § lOOb Abs. 5 verbundene Sinngebung spiegelt sich in der Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfes wider3 : ,,(In Abs. 5) sieht der Entwurf weitere Sicherungen vor, um eine zu weite Ausdehnung oder einen Mißbrauch der Überwachungsmaßnahmen zu verhindern ... Bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs läßt es sich nicht vermeiden, daß auch Mitteilungen unbeteiligter Dritter, die mit dem Gegenstand des Verfahrens in keiner Beziehung stehen, zunächst einmal auf Tonträger fixiert werden. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn Fernsprechanschlüsse anderer Personen als des Beschuldigten, beispielsweise seine Nachbarn, zulässigerweise überwacht werden. Besonders dem Grundrechtsschutz dieser am Verfahren an sich unbeteiligten, jedoch von den Maßnahmen betroffenen Personen dient Absatz 5. Er verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden, durch Überwachungsmaßnahmen gewonnene Unterlagen, sobald und soweit sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind, zu vernichten, damit sie nicht länger als nötig anderen Personen zugänglich sind."
Die durch § lOOa erlangten Unterlagen werden durch Vernichtung bereinigt. Nach allgemeiner Ansicht fällt unter die bei Vorliegen der Voraussetzungen entstehende Vernichtungspflicht alles "vernichtbare Material", insbesondere Tonbänder, schriftliche Fixierungen des Tonbandinhaltes, Fotokopien oder Abschriften von Fernschreiben, Telegrammen und sonstigen Aufzeich-
2 Kaiser, NJW 1969,18,19; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 197; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 323. 3 BT-Dr. V/1880, 13 zur Einfügung des § 100b - zusammen mit der Eingriffsnorm des § 100a - durch Art. 2 Nr. 2 des "Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz)" vom 13. August 1968 (BGBI. 1949).
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
Il3
nungen, die beim Abhören oder Mitlesen gemacht worden sind4 • Nicht vernichtet werden müssen nach Müller hingegen Aktenstücke, die sich nicht unmittelbar mit Ferngesprächen oder Fernschreiben, sondern mit Ermittlungsergebnissen, die auf Grund der durch die Maßnahmen nach § 100a erlangten Kenntnisse erzielt wurden, befassen5 • Anzumerken ist, daß durch die Vernichtung von Unterlagen noch keine Bereinigung der - möglicherweise in den Gedanken der ermittelnden Organe - bestehenden Erkenntnisse erfolgen kann. Dies wäre nur durch eine Form von "Gehirnwäsche" möglich. Nach § lOOb Abs. 5 Satz 1 ist zu vernichten, was "zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich" ist. Mit dem Begriff "Strafverfolgung" könnte zum einen das jeweils konkret betriebene Ermittlungsverfahren, in dem die Maßnahme angeordnet und vollstreckt worden ist, gemeint sein. Der Wortlaut ließe zum anderen aber auch zu, darunter die staatliche Strafverfolgung schlechthin, also jedes andere Ermittlungsverfahren, auch jedes künftige potentielle Verfahren, zu fassen. Bis auf einen Hinweis im Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15. März 19766 - eine der grundlegenden Entscheidungen zur Frage der Verwertbarkeit von Zufallsfunden bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs - hat sich die Rechtsprechung zu dieser Frage bislang nicht geäußert? In dieser Entscheidung begründet der Senat seine Auffassung, nur Erkenntnisse, die bei einer zulässig angeordneten Überwachung entstanden seien und darüber hinaus im Zusammenhang mit einer im Katalog des § lOOa angeführten Straftaten stünden, seien verwertbar, unter anderem mit § lOOb Abs. 5. Diese Norm meine nach dem Zusammenhang mit § lOOa "ersichtlich nur die Strafverfolgung wegen der dort aufgezählten Katalogtaten"8. Andernfalls habe der Gesetzgeber nicht die Wendung "zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich" wählen dürfen, sondern etwa die Worte "zu einer Strafverfolgung"9. Im Schrifttum wird zum Teil eine andere Auffassung vertreten. Dies wird deutlich, wenn etwa Laufhütte lO von der Vernichtung nach § lOOb Abs. 5 Satz 1 Erkenntnisse ausnehmen will, "die in anderer Sache verwertbar sind". Andere Autoren vertreten hingegen die rechtsprechungsnahe Ansicht, unter dem 4 Vgl. dazu Kleinknecht I Meyer § 100b Rdnr. 7; Kühne Rdnr. 262; Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 198; Meyer, in: LR, § 100b Rdnr. 6; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 100b Rdnr. 9; Eh. Schmidt Nachtrag II, § 100b Rdnr. 12; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976,323; zum Teil auch Müller, in: KMR, § 100b Rdnr. 10. 5 Das wird von den soeben in der vorigen Fußnote zitierten Autoren offengelassen. 6 BGHSt 26, 298, 303. 7 Siehe dazu noch Kleinknecht I Meyer § 100b Rdnr. 7; Müller, in: KMR, § 100b Rdnr. 11; Schlüchter Rdnr. 350 ohne Hinweise. 8 BGHSt 26, 298, 303. 9 BGHSt 26, 298, 304. 10 Laujhütte, in: KK, § 100b Rdnr. 7; ähnlich Kühne Rdnr. 262, der die fragliche Wendung dahingehend erweitert, daß die Erkenntnisse "für die Strafverfolgung unverwertbar oder nicht mehr erforderlich" sein müßten.
8 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Begriff Strafverfolgung sei in § 100b Abs. 5 Satz 1 ausschließlich das laufenden konkrete Verfahren gemeint. So bemerkt etwa schon Eberhard Schmidt ll , daß der Vernichtung alle Unterlagen anheim fallen, "die mit dem konkreten Verfahren nichts zu tun" hätten 12 • Ähnlich argumentieren unter Hinweis auf den Sinn des § 100b Schumacher 13 und Lehmann l 4, die unter die von vornherein nicht erforderlichen Unterlagen die Erkenntnisse zählen, die in keinem Zusammenhang mit dem konkreten Ermittlungsverfahren stehen 15 . Meyer 16 schließlich weist darauf hin, daß "insbesondere alles Zufallsmaterial alsbald vernichtet werden" müsse, wobei er unter Material Erkenntnisse für das Verfahren bzw. die Hauptverhandlung begreift. Nicht für die Strafverfolgung erforderlich sollen Unterlagen dann sein, wenn sie im Verfahren weder als Beweismittel, als Gedächtnisstütze für Zeugen, noch als Grundlage für einen Vorhalt Verwendung finden können 17 oder aber von vornherein völlig unnötig waren 18. Über die Vernichtung wird bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 100b Abs. 5 Satz 1 von Amts wegen durch das verfahrensführende Organ - also im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft, nach Anklageerhebung durch das erkennende Gericht - entschieden. Vom Betroffenen soll hingegen im Ermittlungsverfahren eine richterliche Entscheidung durch Antrag nicht erzwingbar sein 19 • b) Identitätsfeststellung (§ 163c Abs. 4) Durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14. April 197820 wurde - zusammen mit § 111 (Einrichtung von KontrollsteIlen) und Eb. Schmidt Nachtrag 11, § lOOb Rdnr. 13. Als Beispiel führt Eb. Schmidt Gespräche an, die "rein privater Natur" seien, "den Verfahrensgegenstand also nicht berühr(t)en". 13 Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 324. 14 Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978, 198. 15 So auch Roxin § 34 B IV 3 c: "Mitteilungen unbeteiligter Dritter, die mit dem Gegenstand des Verfahrens in keiner Beziehung stehen". 16 Meyer, in: LR, § lOOb Rdnr. 6; ebenso wortgleich Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § lOOb Rdnr. 9. 17 Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 323; ähnlich Lehmann, diss. iur. Regensburg 1978,198; auch Eb. Schmidt Nachtrag 11, § lOOb Rdnr. 13. 18 Laufhütte, in: KK, § lOOb Rdnr. 7; Müller, in: KMR, § lOOb Rdnr. 11, der eine sofortige Pflicht zur Vernichtung bei unnötigen Unterlagen behauptet; Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 324; nach Meyer, in: LR, § lOOb Rdnr. 6 und Schlüchter Rdnr. 350 bedeutet das Merkmal nicht erforderlich "nicht oder nicht mehr erforderlich"; ähnlich Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § lOOb Rdnr. 9. 19 Vgl. Müller, in: KMR, § lOOb Rdnr. 12; zur Fristberechnung vgl. Schnarr, NStZ 1988,481ff. 20 BGBI. I 497ff. 11
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1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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§ 103 Abs. 1 Satz 2 (Gebäudedurchsuchung zur Ergreifung des Beschuldigten bei dringendem Verdacht einer Straftat nach § 129a StGB) - erstmals in den §§ 163b, 163c die Feststellung der Identität von Verdächtigen und Unverdächtigen durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes für Zwecke des Strafverfahrens geregelt21 . Rechtsgrundlage für die Feststellung der Identität unverdächtiger Personen ist § 163b Abs. 2. Die Notwendigkeit einer Identitätsfeststellung ergibt sich insbesondere bei Zeugen, die für ein späteres Strafverfahren in Betracht kommen22 , aber auch bei Personen, die als Augenscheinsobjekte - etwa als Tatopfer - zur Erforschung des strafrechtlichen Sachverhaltes benötigt werden23 . § 163c Abs. 4 legt fest, daß nach der Identitätsfeststellung des Unverdächtigen "die im Zusammenhang mit der Feststellung angefallenen Unterlagen zu vernichten" seien 24 .
In den ursprünglichen Vorschlägen, die dem Rechtsausschuß des Bundestages vorlagen 25 , war § 163c Abs. 4 nicht enthalten. Das gleiche gilt für die Fassung der §§ 163b, 163c in der von der Arbeitsgruppe "Harmonisierung"26 vorgeschlagenen Form 27 . In der 31. Sitzung des Rechtsausschusses vom 14. Dezember 1977 erfolgte erstmals der Vorschlag, § 163c um einen Absatz 4 zu erweitern 28 . Der Abgeordnete Dr. Emmerlieh (SPD) - Berichterstatter zu § 163c - führte aus29 : " ... Was die bei der Identitätsfeststellung gewonnenen Unterlagen angehe, sollten diese bei Nichtverdächtigen in jedem Fall vernichtet werden. Sollten über die Identitätsfeststellung hinaus für ein Strafverfahren weitere Erkenntnisse gewonnen werden Dazu Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 1 m. w. Nachw. Kleinknecht 1 Meyer § 163b Rdnr. 15 führt als Hauptfall an, daß ein Unverdächtiger, der als Zeuge in Betracht komme, sich gerade vom Tatort entfernen wolle; Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 1. 23 Weitere Beispiele bei Benfer Rdnr. 74; im übrigen vgl. Kleinknecht 1 Meyer § 163b Rdnr. 15; Rainer Müller, in: KK, § 163b Rdnr. 27. 24 Anzumerken ist, daß § 163c Abs. 4 richtigerweise in § 163b Abs. 2 als Satz 3 hätte eingestellt werden müssen, da diese Norm ja gerade die Entstehung des zu vernichtenden Materials regelt; so auch Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163b Rdnr. 3. 25 Formelle Beratungsgrundlage war der Vorschlag in Art. 2 Nr. 5 des Gesetzentwurfes der CDU/CSU-Fraktion für ein Zweites Gesetz zur "Bekämpfung von Terrorismus und Gewaltkriminalität sowie zum Schutz des inneren Friedens" (BT-Drs. 8/996, 47; auch abgedruckt bei Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 5). 26 Eine von Dezember 1976 bis November 1977 aus Vertretern der Innen- und Justizministerien zusammengesetzte gemischte Kommission mit der Aufgabe der Überführung der Regelungen zum Zwecke der repressiven, strafverfahrensrechtlichen Straftatenaufklärung in Vorschläge zur Änderung der StPO; vgl. dazu Riegel, ZRP 1978, 14ff. 27 Abgedruckt bei Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 6. 28 Vgl. dazu "Stenographisches Protokoll über die 31. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages (8. Wahlperiode 1976)" am Mittwoch, den 14. Dezember 1977 in Bonn, Bundeshaus (Prot. Nr. 31), 45f. 29 StenProt RAusschuß 31,45. 21
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
müssen, stünden dafür die übrigen in der Strafprozeßordnung vorgesehenen Mittel zur Verfügung, z. B. die Zeugeneinvernahme. "
Die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) wollte im übrigen im Bericht klargestellt wissen, "daß unbeschadet des § 163c die übrigen Vorschriften der Strafprozeßordnung zum Anspruch (auf Benachrichtigung oder) zur Vernichtung von Unterlagen über unverdächtige Personen Geltung behielten"3o. Weitere Ausführungen zur Frage einer Vernichtungspflicht finden sich in den im übrigen umfangreichen Beratungen des Rechtsausschusses nicht 31 . In der Beschlußempfehlung des Ausschusses vom 17. Januar 197832 wurde im Ergebnis nur dargestellt, was der neue § 163c Abs. 4 regelt3 3. In dieser Form wurde § 163c Abs. 4 auch verabschiedet. Im Schrifttum wird das in § 163c Abs. 4 dem Wortlaut nach absolute Vernichtungsgebot allerdings eingeengt. Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Feststellung der Identität angefallenen sind, jedoch nicht die Identifizierung selbst betreffen - insbesondere Namen, Geburtstag, Geburtsort und Anschrift - sollen nicht vernichtet werden müssen 34 . Zweck des § 163c sei es, sicherzustellen, daß die von Unverdächtigen zum Zwecke der Identitätsfeststellung gewonnenen Daten über die reine Feststellung der Identität hinaus weder für das laufende Strafverfahren verwendet noch sonst in Datensammlungen aufgenommen werden dürfen, die zu Ermittlungen, Fahndungen oder Aufklärungsmaßnahmen genutzt werden könnten35 . Ein absolutes Vernichtungsgebot ginge über den Gesetzeszweck hinaus und führe zu "unsinnigen" Ergebnissen36 . Auch wären Maßnahmen zur Feststellung der Identität eines Unverdächtigen von vornherein überflüssig, wenn später das Identifizierungsergebnis gelöscht werden müßte 37 . Zulässig sei es jedenfalls, die Identität des Nichtverdächtigen in der Ermittlungsakte zu vermerken 38 . Nach allgemeiner Ansicht muß auch nicht vernichtet werden, was nur an läßlich der Identitätsfeststellung angefallen ist, dieser aber - wie etwa Vermerke über informatori30 StenProt RAusschuß 31, 46; der Abgeordnete Hartmann (CDU/CSU) hatte erklärt, daß seine Fraktion auf der von der Arbeitsgruppe "Harmonisierung" vorgelegten Fassung vom Oktober 1977 bestehen wolle. 31 Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Rieß, in: LRErgBd, § 163c Rdnr. 30. 32 Beschlußempfehlung und Erster Bericht des Rechtsausschusses vom 17. Januar 1978 (BT-Drs. 8/1481), zur Fassung des § 163c vgl. BT-Drs. 8/1482,5. 33 "Absatz 4 bestimmt, daß in den Fällen der Identitätsfeststellung unverdächtiger Personen die hierbei entstandenen Unterlagen zu vernichten sind, sobald die Identität festgestellt ist (BT-Drs. 8/1482, 11)". 34 Einmütige Auffassung vgl. Achenbach, JA 1981, 660, 664; Kleinknecht 1 Meyer § 163c Rdnr. 18; Kurth, NJW 1979, 1377, 1381; Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 19; Vogel, NJW 1978,1217,1227; Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 27. 3S Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 26. 36 Wörtlich ebd. 37 Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 19. 38 So Achenbach, JA 1981, 660, 664.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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sehe Befragungen oder bloße Anhaltemitteilungen - nicht dient 39 • Muß der Betroffene nunmehr nach anderer Rechtsgrundlage eine erkennungsdienstliche Behandlung dulden, so soll eine Vernichtung ebenfalls ausscheiden. Stelle sich etwa bei der Identitätsfeststellung heraus, daß der Betroffene zwar im Hinblick auf die zur Feststellung nach § I63b Abs. 2 Anlaß gebende Straftat Unverdächtiger, jedoch wegen einer anderen Straftat Beschuldigter sei, so könne aus diesem Grunde gegen ihn nach § 8Ib vorgegangen werden 40 • Die bei einer richterlichen Entscheidung über die Zulässigkeit und die Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Absatz 1 Satz 2 notwendigerweise entstandenen schriftlichen Unterlagen, zum Beispiel Protokolle über die Verhandlung oder die Entscheidung des Richters, müßten ebenfalls nicht vernichtet werden, seien jedoch beim Amtsgericht als gesonderte Verfahrensakten zu verwahren41 . Der Betroffene habe keine schutzwürdigen Interessen bezüglich einer Vernichtung. Es könne sogar sein, daß die Vernichtung gegen seine Interessenlage wäre, nämlich wenn er beabsichtige, Verfassungsbeschwerde einzulegen bzw. Ersatzansprüche geltend zu machen 42 • Die Vernichtung betreffe hingegen alle Aufzeichnungen, Schriftstücke oder sonstige Papiere, die im Zusammenhang mit Maßnahmen entstanden seien, die durchgeführt worden seien, weil die Identität des Betroffenen durch Befragen und Prüfung freiwillig ausgehändigter Ausweise nicht sofort zweifelsfrei habe geklärt werden können 43 • Auch erkennungs dienstliche Unterlagen, die mit Willen eines Unverdächtigen gewonnen worden seien, gehörten dazu 44 • Das Vernichtungsgebot bedeute, daß vor der Vernichtung keine Daten in anderer Form gespeichert und keine Ergebnisse in Akten des Ermittlungsverfahrens hzw. in polizeiliche Sammlungen übernommen werden dürften45 • In Dateien des Bundeskriminalamtes vorhandene Daten dürften nur noch aufbewahrt werden, wenn sie aus Gründen der Gefahrenabwehr erhaltenswert seien46 • Müller47 bemerkt am Rande, daß bei einer Durchsuchung 39 Kurth, NJW 1979, 1377, 1381; Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 19; Rieß, in: LRErgBd, § 163c Rdnr. 31. 40 Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 27: "sinnloser Formalismus". 41 Kleinknecht I Meyer § 163c Rdnr. 18; Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 19; Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 28. 42 Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 28. 43 Kurth, NJW 1979,1377,1381. 44 Rieß, in: LRErgBd, § 163c Rdnr. 31; Kühne Rdnr. 272 führt im übrigen aus, daß z. B. bei freiwilliger Abnahme von Fingerabdrücken einer nicht identifizierbaren Person die Abdrücke per Bildfunk an die auf EDV-Basis arbeitende Zentralkartei des Bundeskriminalamtes zur Überprüfung übermittelt oder z. B. Fotos mit denen in erkennungsdienstlichen Karteien verglichen würden. 45 Achenbach, JA 1981, 660, 664; Kleinknecht I Meyer § 163c Rdnr. 18; Rieß, in: LRErgBd, § 163c Rdnr. 31. 46 Riegel, NJW 1983, 656, 659. 47 Müller, in: KMR, § 163c Rdnr. 15.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
vorgefundene Gegenstände nicht vernichtet werden dürften, sondern zurückgegeben werden müßten, wenn sie nicht für das Verfahren als Beweismittel von Bedeutung seien. Die Vernichtung der Unterlagen nach § 163c Abs. 4 soll im übrigen von Amts wegen erfolgen48 • c) Netzfahndung (§ 163d Abs. 4 Satz 2) Die am 1. April 1987 in Kraft getretene 49 Vorschrift des § 163d ermöglicht die Errichtung von Kurzzeit-Dateien für die automatische Speicherung und Verarbeitung der Daten, die bei sogenannten Massenkontrollen, nämlich Personenkontrollen an der Grenze oder KontrollsteIlen gemäß § 111, anfallen, deren erschöpfende Auswertung an Ort und Stelle aber nicht möglich istSo. Die Maßnahme der Netzfahndung ist zu beenden, wenn die Anordnungsvoraussetzungen nach § 163d Abs. 1 Satz 1 weggefallen sind oder aber der mit der Anordnung verfolgte Zweck erreicht ist (§ 163d Abs. 4 Satz 1). Gemäß § 163d Abs. 4 Satz 2 sind die im Rahmen der Netzfahndung erlangten personenbezogenen Daten unverzüglich zu löschen, sobald sie für das Strafverfahren nicht oder nicht mehr benötigt werden. Dies ist insbesondere gegeben, wenn die Auswertung der Daten ergibt, daß tatverdächtige Personen nicht entdeckt worden sinds1 . Eine Speicherung, die die Laufzeit der gemäß Absatz 3 angeordneten Maßnahmen um mehr als drei Monate überschreitet, ist unzulässig. Über die Löschung muß die Staatsanwaltschaft gemäß § 163d Abs. 4 Satz 5 unterrichtet werden. Eine von der Staatsanwaltschaft oder ihren Hilfsbeamten angeordnete Netzfahndung muß innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt werden. Geschieht dies nicht, so tritt die Maßnahme gemäß § 163d Abs. 2 Satz 2 ohne weiteres außer Kraft. Alle bis dahin gespeicherten Daten sind zu löschen oder zu vernichten s2 . Auch ZufaUsfunde, die im Regelfall nach § 163d Abs. 4 Satz 5 zur Strafverfolgung verwendet werden dürfen, sollen bei Eintreten dieses Falles nicht mehr verwertbar sein s3 •
48 Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 27 a.E.: "alsbald nach Identitätsfeststellung". 49 Eingefügt durch das Paßgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vorn 19. April 1986 (BGBI. 1,537). 50 Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 2; Kühl, NJW 1987, 737, 74lf.; Rogall, NStZ 1986, 385, 388; Überblick zur Entstehungsgeschichte bei Lohse, JuS 1986, 824f.; Rogall, NStZ 1986, 385f. 51 Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 21; Rogall, NStZ 1986, 385, 391. 52 Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 15 m. w. Nachw.; Rogall, NStZ 1986, 385, 391. 53 Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 15; Rogall, NStZ 1986, 385, 391; krit. Baumann, Strafverteidiger 1986, 494, 499.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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2. Restitution durch Aushändigung, Freigabe, Herausgabe oder Rückgabe
a) Postbeschlagnahme (§ 101 Abs. 2 und 3) § 99 ermöglicht einerseits die Beschlagnahme von Briefen und Sendungen auf der Post und Telegrammen auf den Telegrafenämtern, die an den Beschuldigten gerichtet sind. Andererseits können Briefe, Sendungen und Telegramme, die von ihm herrühren oder (nicht an ihn adressiert, aber) für ihn bestimmt sind, durch die Postbeschlagnahme erfaßt werden. Die Bereinigung der Auswirkungen dieses Eingriffes richtet sich nach § 101 Abs. 2 und 3. Nach § 101 Abs. 2 Satz 1 sind Sendungen, deren Öffnung nicht angeordnet worden ist, dem Beteiligten sofort auszuhändigen. Als zweite Möglichkeit sieht § 101 Abs. 2 Satz 2 die Aushändigung von Sendungen an den Betroffenen vor, wenn nach Öffnung eine Zurückbehaltung der Sendung nicht erforderlich ist. Schließlich sind nach § 101 Abs. 3 die Teile eines zurückbehaltenen Briefes, deren Vorenthaltung nicht unter Rücksichtnahme auf die Ermittlungen geboten erscheint, dem Empfangsberechtigten in Form einer Abschrift mitzuteilen.
Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des § 101 ist zu bemerken, daß in den Motiven zum Entwurf einer Strafprozeßordnung von 187454, in den Protokollen der Kommission von 1875 der ersten55 und zweiten56 Lesung, sowie in denen der zweiten5? und dritten 58 Beratung im Plenum des Reichstages noch nicht einmal Angaben zu den Aushändigungspflichten - trotz im übrigen heftiger Debatten über die Ausgestaltung dieser Maßnahme - vorzufinden sind. Überlegungen in jüngerer Zeit sind ebenfalls nicht angestellt worden. Die in § 101 Abs. 2 in beiden Fällen genannte Aushändigung erfolgt durch Zurückgeben der jeweiligen Sendung. Hierbei wird die Sendung entweder mit einem Öffnungsvermerk versehen oder aber in der Verpackung der Strafverfolgungsbehörde abgesendet 59 • Unter "sofortiger Aushändigung" nach § 101 Abs. 2 wird übereinstimmend auch eine den Untersuchungszweck gefährdende Aushändigung verstanden 60 . Zuständig für die Aushändigung der beschlagnahmten Postsendungen ist grundsätzlich das erkennende Gericht 61 . Hahn 125 zu § 92 a. F. Hahn 635 - 637 zu § 92 a. F. 56 Hahn 1272 zu § 92 a. F. 57 Hahn 1808 - 1811 zu § 92 a. F. 58 Hahn 2027 zu § 102 a.F. 59 Kleinknecht / Meyer § 101 Rdnr. 5; Laufhütte, in: KK, § 101 Rdnr. 5; Eb. Schmidt II, § 101 Rdnr. 3. 60 Vgl. Meyer, in: LR, § 101 Rdnr. 5; Müller, in: KMR, § 101 Rdnr. 6; hinsichtlich Abs. 3 wird dies allerdings von Laufhütte, in: KK, § 101 Rdnr. 6 gegen Meyer Rdnr. 8 und Müller Rdnr. 6 bestritten; a.A. auch Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 101 Rdnr. 5. 54 55
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Bei den bisher untersuchten, überwiegend in neuerer Zeit eingefügten Zwangsmaßnahmen (§§ 99, 100a, 163b Abs. 2, 163d) ist an ein allgemeines Prinzip der Restitution weder im Gesetzgebungsverfahren noch bei der jeweiligen Auslegung in Rechtsprechung und Literatur gedacht worden. Ein anderes Bild zeigt sich, betrachtet man die Entstehungsgeschichte des § 111 a.F., des Vorläufers unseres heutigen § 111k. b) Beschlagnahme und Sicherstellung (§ ll1k) Nach § 111k sollen bewegliche Sachen, die nach § 94 beschlagnahmt oder sonst sichergestellt worden sind, dem Verletzten unter der Voraussetzung herausgegeben werden, daß dieser bekannt ist, Ansprüche Dritter nicht entgegenstehen und die Sachen für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt werden. Diese Norm, die nur einen Sonderfall der Restitution nach einer Beschlagnahme - nämlich die Herausgabe an den durch die Straftat unmittelbar Verletzten - erfaßt, weist eine bewegte Entstehungsgeschichte auf. Im nachfolgenden Teil der Untersuchung soll diese eingehend dargestellt werden. Während der Diskussion über den Sinn einer derartigen Regelung sind unter anderem nämlich die Grundgedanken erörtert worden, aus denen sich zum Teil das hier behauptete Restitutionsprinzip ergibt. Hauptstreitpunkt war die Frage, ob es angesichts des Prinzips der Restitution einer letztlich nur deklaratorischen Norm überhaupt bedürfe. Derartige Debatten sind im übrigen bei keiner anderen strafprozessualen Zwangsmaßnahme in diesem Umfang und Gehalt geführt worden. (1) § 111 a. F. in den Beratungen des Reichstages Im am 29. Oktober 1874 von Reichskanzler von Bismarck vorgelegten Entwurf der Strafprozeßordnung62 lautete § 10063 : "Gegenstände, welche durch die strafbare Handlung den Verletzten entzogen wurden, sind, falls nicht Ansprüche Dritter entgegenstehen, nach Beendigung der Untersuchung und geeignetenfalls schon vorher von Amtswegen dem Verletzten zurückzugeben, ohne daß es eines Urtheils hierüber bedarf.
61 Laufhütte, in: KK, § 101 Rdnr. 7; Meyer, in: LR, § 101 Rdnr. 9; Müller, in: KMR, § 101 Rdnr. 7; Eb. Schmidt II, § 101 Rdnr. 4; nach Meyer, in: LR, § 101 Rdnr. 9 soll
die Staatsanwaltschaft zuständig sein für die Weiterleitung ungeöffneter Briefsendungen; a. A. - nämlich stets der Richter - Eb. Schmidt II, § 101 Rdnr. 4; wiederum a. A. Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 101 Rdnr. 3: stets über die Staatsanwaltschaft. 62 Hahn 3ff. 63 Hahn 16.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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Dem Angeklagten bleibt die Geltendmachung seiner Rechte im Civilverfahren vorbehalten"
In den Motiven zum Entwurf der Strafprozeßordnung64 wird dieser § 100 als Aufzeichnung eines allgemein gültigen Rechtssatzes gekennzeichnet65 : ,,§ 100 ... giebt eine fast in allen deutschen Strafprozeßordnungen vo(r)kommende Bestimmung wieder. Die richterliche Verfügung, welche die Rückgabe der dem Verletzten durch die Strafthat entzogenen und bei Gelegenheit der Untersuchung in Beschlag genommenen Gegenstände an den Verletzten anordnet, stellt sich als eine den Besitzstand vorläufig regelnde Entscheidung dar, und es bleibt den Beschuldigten unbenommen, die Unrichtigkeit desselben demnächst in einem von ihm als Kläger anzustrengenden Civilprozesse darzulegen."
In der vom Reichstag nach erster Lesung im Plenum eingesetzten Kommission66 stellte der Abgeordnete Dr. Bähr den Antrag, § 100 so zu ändern, daß nicht nur der Sonderfall der Rückgabe an den Verletzten, sondern auch der Regelfall der Rückgabe schlechthin erfaßt werde. § 100 sollte lauten67 : "Die in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände, soweit nicht deren Einziehung ausgesprochen wird, sind nach Beendigung der Untersuchung oder geeignetenfalls vorher von Amts wegen dem früheren Inhaber, oder, wenn durch das Strafverfahren festgestellt ist, daß sie einem Anderen rechtswidrig entzogen sind, auch nicht die Ansprüche Dritter entgegenstehen, dem Verletzten zurückzugeben. Der Fiskus haftet für die Rückgabe nach den für die gerichtliche Hinterlegung geltenden Rechtsnormen."
Bähr führte dazu aus, § 100 übergehe "den nächstliegenden Fall, daß nämlich die beschlagnahmte Sache dem früheren Inhaber zurückzugeben sei, was doch stets die Regel bilden müsse"68. Der Änderungsvorschlag wurde in der Kommission aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Insbesondere der Abgeordnete Becker wollte den § 100 ausschließlich als eine einen Sonderfall regelnde Norm verstanden wissen 69 . In der zweiten Lesung der Kommission wurde § 100 unverändert angenommen70 . Heftige Diskussionen um die Norm entbrannten jedoch sodann in der "Zweiten Berathung im Plenum" des Reichstages, und zwar in der 20. Sitzung vom 29. November 187671 • Der Abgeordnete Hasse/mann beantragte, daß in § 100 folgender, sich insbesonHahn 58ff. Hahn 128. 66 Hahn 549ff. 67 Hahn 648. 68 Hahn 648. 69 Hahn 649: "Der Antrag BähT umfasse drei Fälle: erstens das Behalten der Sache in der Verwahrung des Gerichts, zweitens die Rückgabe derselben an den früheren Inhaber, drittens die Herausgabe an den Verletzten. § 100 habe nur den dritten Fall im Auge.". 70 Hahn 1276. 71 Hahn 1819 - 1836. 64 65
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
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dere auf die Fälle der Beendigung eines Verfahrens durch Einstellung oder Freispruch beziehender Zusatz angefügt werden sollte72 : "Gegenstände, welche bei einem Strafverfahren beschlagnahmt sind, welches durch Einstellung der Voruntersuchung oder durch Freisprechung beendet wird, sind dem Eigenthümer sofort wieder zurückzugeben. Falls Verlust, Beschädigung oder Entwerthung der beschlagnahmten Gegenstände stattgefunden hat, haftet die Staatskasse für den gesamten dem Eigenthümer erwachsenen Schaden."
Insbesondere zum letzten Satz führte Hasselmann mit mehreren Beispielen aus, daß oftmals bei Beschlagnahmen von Zeitungen (der sozialistischen Presse) bei Rückgabe derselben diese "vollständig entwerthet" seien73. Zur Notwendigkeit, eine Verpflichtung des Staates zur Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände in der Strafprozeßordnung zu verankern, bemerkte Hasselmann74 : "Ein anderer Fall ist mir noch passirt, und ich hätte einzelnes als Illustration bei der Berathung des vorigen Paragraphen anführen können, da die diesbezügliche Untersuchung der beschlagnahmten Schriftstücke von dem Staatsanwalt Tessendorfin Berlin vorgenommen worden ist, es hat derselbe die beschlagnahmten Papiere ballenweise trefflich geprüft. Bei dieser Prüfung, welche vor jetzt 2 1/2 Jahren stattfand, sind mir wichtige Briefe abhanden gekommen, respektive nicht wieder zurückgeliefert worden. Es ist gegen mich nicht zu einer gerichtlichen Verhandlung gekommen, sondern in der Voruntersuchung schon stellte es sich heraus, daß man mir den Prozeß nicht machen könne; ich wurde außer Verfolgung gesetzt. Trotz alledem bin ich jetzt nach 2 1/2 Jahren noch nicht einmal wieder im Besitze dieser Briefe. Es befindet sich eine Korrespondenz zwischen mir und Herrn Dr. Johann Jakoby in Königsberg mit Bezug auf die vorige Wahl darunter, - sie ist verschwunden, ebenso eine Korrespondenz mit englischen Tradesunionsmitgliedern über die Verhältnisse der englischen Tradesunion, eine Korrespondenz, die sich gar nicht wider ersetzen läßt, da die betreffenden Persönlichkeiten inzwischen verstorben oder verschollen sind, und weIche ich für eine Arbeit über diese gewerkschaftliche Bewegung dringend zu benutzen wünschte. Es sind mir Briefe, Statutenentwürfe, alles mögliche einbehalten worden. Ein junger Mann, jetzt Redakteur eines unserer Parteiblätter, ein Herr Lange, der damals die Universität in Berlin besuchte und bei mir wohnte, wurde in diese Angelegenheit mit hineingezogen, indem fast seine gesamten Privatpapiere, auch seine Universitätsakten mitbeschlagnahmt wurden. Sie sind in diesem Augenblicke ihm noch nicht wieder zurückgeliefert, und dem jungen Manne blieb damals nichts weiter übrig, als sich so schleunig wie möglich exmatrikulieren zu lassen; denn wäre er immatrikuliert geblieben, so hätte man vielleicht die Sache dem Universitätsgericht angezeigt und dann wäre er relegirt und aus Berlin verwiesen worden nach der Praxis des hiesigen Universitätsgerichts, welches jede politische Thätigkeit eines Studenten für strafbar erachtet. Meine Herren, unter solchen Umständen, wo wir offenbar der Willkür preisgegeben sind, ist es meines Erachtens durchaus nothwendig, daß in der Strafprozeßordnung 72
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Hahn 1819. Hahn 1820. Hahn 1822.
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ein Paragraph über die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände handele; jetzt, meine Herren, finde ich hierüber gar nichts darin. Im § 100 ist nur davon die Rede, daß eine etwa gestohlene Sache dem Eigenthümer zurückgegeben werden soll; aber nicht wird demjenigen ein Anspruch auf Entschädigung gegeben, der unverschuldet in eine mit Konfiskation verbundene Untersuchung verstrickt wird, der als ein Versuchsobjekt der Justiz behandelt wird. Denn etwa wie die Professoren der Medizin mit Fröschen und Vivisectionen experimentiren, so betreiben die Staatsanwälte die Anklagen. Es wird angeklagt, verhaftet und Beschlagnahme provozirt lustig darauf hin und man meint, die Betroffenen könnten schließlich bei Freisprechung sich noch freuen, mit blauem Auge davongekommen zu sein."
Insbesondere mit dem Hinweis, daß sich eine Rückgabepflicht bei Zweckfortfall der Beschlagnahme bereits aus dem Gesetz ergäbe, wandte sich der "Kommissarius des Bundesraths" Geheimer Oberregierungsrath Hanauer gegen den vom Abgeordneten Hasse/mann vorgeschlagenen Änderungsantrag75 : "Meine Herren, ich beschränke mich blos auf den Inhalt des gestellten Amendements und dieses enthält zwei Bedenken; einmal: beschlagnahmte Gegenstände sollen, wenn die Untersuchung mit Freisprechung oder Einstellung geendigt hat, dem Eigenthümer zurückgegeben werden ... Was den ersten Gedanken anbetrifft, so ist derselbe zum Theil selbstverständlich, zum Theil unrichtig ausgeführt. Die Beschlagnahme ist ja nach § 85, wo sie ganz genau präzisirt ist, nur insoweit zulässig, als Gegenstände als Beweismittel dienen können oder sofern sie der Einziehung unterliegen. Mit diesem Grundsatze ergiebt sich von selbst die Folge, da ja eine Eigenthumsentziehung durch die Beschlagnahme nicht eintritt, daß, sowie der bezeichnete Zweck wegfällt, dann auch die Beschlagnahme aufgehoben werden muß, außer Kraft tritt und eo ipso die Sachen an den Inhaber oder Eigenthümer zurückgehen, darüber kann ja ein Zweifel gar nicht bestehen. Allein da das bezeichnete Ziel, Beweismittel oder Einziehung des Gegenstandes, die Beschlagnahme begründet, so läßt sich hiermit eine derartige Regel, daß mit der Freisprechung oder der Einstellung des Verfahrens die Gegenstände sofort zurückgegeben werden müssen, absolut nicht verbinden, denn wenn sie der Einziehung unterliegen, können sie nicht zurückgegeben werden, und wenn das Verfahren auch eingestellt oder auch Freisprechung erfolgt ist, so ist damit noch in keiner Weise entschieden, ob die Gegenstände, die in diesem Strafverfahren mit Beschlag belegt sind, nicht als Beweismittel in Frage kommen, vielleicht in der Richtung gegen andere Angeschuldigte usw. Es läßt sich also in dieser Richtung solche allgemeine Regel nicht aufstellen. Zweitens ist sie auch ganz unnöthig, weil, wenn der legale Zweck einer Beschlagnahme erfüllt oder gegenstandslos geworden ist, dann die Gegenstände, soweit sie nicht der Einziehung unterliegen, an den Berechtigten ohnehin zurückkehren; eine etwaige Außerachtiassung kann ja sofort auf dem Rechtswege von dem Betreffenden korrigirt werden. "
Am selbst erlebten Beispiel versuchte demgegenüber Hasse/mann die Notwendigkeit der Festschreibung einer die Strafverfolgungsorgane betreffenden Rückgabepflicht erneut zu verdeutlichen76 : 75
Hahn 1824f.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
"Sodann halte ich es für durchaus unzweckmäßig und fehlerhaft, zu behaupten, daß deswegen, weil ein Gegenstand als Beweismittel in einem neuen Prozesse vielleicht dienen könnte, die bisherige Beschlagnahme aufrecht erhalten werden müßte, auf Grund dessen könnte man thatsächlich alle möglichen Sachen dauernd beschlagnahmen. Träte wirklich einmal ein neuer Prozeß ein, in welchem derselbe beschlagnahmte Gegenstand als Beweismittel dienen müßte, dann wäre nichts einfacher, als daß der Person, welcher derselbe abgenommen ist, davon Mittheilung gemacht würde, daß im neuen Prozeßverfahren dieses corpus delicti, aufs neue beschlagnahmt, weiter figurirte, und wäre es in dem zweiten Prozeß nicht mehr nöthig, dann müßte es zurückerstattet werden. Endlich hoffe ich vielleicht Antwort auf eine Frage zu bekommen, eine praktische Frage - ich als juristischer Laie kann sie vielleicht nicht so treffend beantworten wie der Herr Vertreter der Regierungen -: bei den vor 21;2 Jahren in Berlin stattgefundenen Haussuchungen ist eine Photo graphie meiner Person mit Beschlag belegt worden. Ist das nun ein corpus delicti, welches der Beschlagnahme unterliegt? - Unsittlich ist die Photographie doch wohl nicht. (Heiterkeit) Oder ist es ein Beweismaterial? Vielleicht ist das letztere der Fall; denn es ist das einzige der abhanden gekommenen Stücke, welches mir nachträglich einmal zu Gesicht gekommen ist. Als ich später eine Voruntersuchung hatte, leuchtete mir nämlich aus meinen Personalakten die Photographie entgegen. Hat man ein schwarzes Buch angelegt, ein Verbrecheralbum, oder, denn ich bin noch nicht wegen Vergehens oder Verbrechens verurtheilt, ein Album für dereinst zu ergreifende Verbrecher? Ich weiß es nicht!"
Der Abgeordnete Dr. Reichensperger wies nach der Bemerkung, daß die von Hasse/mann geschilderten Vorgänge "sehr starker Natur" seien, im übrigen "derartiges nicht blos Sozialisten gegenüber vorgekommen" sei77 darauf hin, daß das Gesetz bereits eine Umschreibung der Rückgabepflicht enthalte. Es bedürfe allerdings zur Vermeidung der geschilderten Vorgänge einer deutlichen Betonung dieser Verpflichtung78 : "Daß solchen Vorkommnissen gegenüber die Gesetzgebung Bedacht zu nehmen hat, um sie unmöglich zu machen oder doch wenigstens womöglich auf ein Minimum zu reduziren, das glaube ich, ist selbstverständlich und braucht nicht erst von Herrn Hasselmann empfohlen zu werden; darüber sind wir gewiß so ziemlich alle einig. Es fragt sich nur: welche Mittel haben wir, um solchen Uebelständen zuvorzukommen? Demjenigen, was Herr Hasselmann in seinem eben verlesenen Antrage in Vorschlag gebracht hat, ist, soviel den ersten Satz betrifft, wie mir scheint, im Wesentlichen schon einigermaßen vorgekehrt in der Vorlage, die uns hier beschäftigt. Ich verweise z. B. auf den § 100, in welchem angeordnet ist, daß Gegenstände, welche zufolge einer strafbaren Handlung dem Verletzten entzogen wurden usw., zurückgegeben werden sollen. Dies hat allerdings nicht in seinem ganzen Umfange dasjenige, was Herr Hasselmann beantragt; ich glaube, das, was er weiter beantragt, ist vollkommen Hahn 1826. Hahn 1826; Reichensperger schildert kurz den Fall der Rheinischen Zeitung, die seiner Ansicht nach durch derartige Maßnahmen in Düsseldorf "zu Tode beschlagnahmt und ... dann nach Köln übergesiedelt" sei. 78 Hahn 1826f. 76
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gerechtfertigt; ich wenigstens für meine Person bin geneigt, ihm zuzustimmen. Daß Gegenstände, welche in irgend einer Art beschlagnahmt worden sind, sobald die Untersuchung gegenstandslos geworden ist, sofort - darauf, glaube ich, legt Herr Hasselmann einen besonderen Akzent - zurückgegeben werden, das, glaube ich, finden wir doch alle in der Natur der Sache begründet, vollkommen gerechtfertigt. Gerade das "sofort" bedarf in der That einer Betonung; Verschleppungen können nämlich sehr leicht vorkommen, sofern einmal die betreffenden Beamten, wenn ich so sagen darf, gereizt sind. Letzteres ist wohl bei Beamten mitunter der Fall; mitunter ist diese Reizbarkeit eine nicht von seitens der Beamten, sondern von der anderen Seite verschuldete, dann beeilen erstere sich aber, der Natur der Sache nach, nicht mit der Rückgabe der Gegenstände. Aber ich meine, das kann man allerdings fordern; sobald der Gegenstand der Untersuchung sich erledigt hat oder die vorläufige Beschlagnahme als nicht zu Recht bestehend erklärt ist, muß sofort der Gegenstand zurückgegeben werden."
Bähr bemerkte unter Hinweis auf seinen in der Kommission gestellten Änderungsantrag, der inhaltlich mit dem des von Hasselmann gestellten übereinstimmte79 , daß die geschilderte Fragestellung nicht allein den "politischen Tendenzprozeß" betreffe80 : " ... man kann ganz gewöhnliche Fälle unterstellen, und ich will in dieser Beziehung nur daran erinnern, daß die Untersuchungsbehörden mitunter mit den in Beschlag genommenen Gegenständen ganz außerordentlich nachlässig zu Werke gehen in Bezug auf die Aufbewahrung usw. Denken Sie, es ist ein werthvoller Gegenstand beschlagnahmt worden, weil der Verdacht eines Diebstahls vorliegt. Ist hier noch zu fragen, wenn nachher sich herausstellt, daß der Gegenstand nicht mehr gebraucht wird für die Untersuchung, weil er nicht gestohlen worden ist, ob er demjenigen, dem er abgenommen worden ist, zurückgegeben werden soll oder nicht? Da ist es doch klar, daß der Gegenstand zurückgegeben werden muß!"
Hasselmann zog hiernach seinen Antrag zu Gunsten des Antrags des Abgeordneten Dr. Hänel zurück 81 . Hanauer nahm erneut zu dem nunmehr vorliegenden Antrag ablehnend Stellung und bekräftigte seine Ansicht, daß es einer besonderen Festschreibung der allgemeinen Rückgabepflicht nicht bedürfe82 : "Was ich dem vorerst gestellten Amendement Hasselmann gegenüber eingewendet habe, trifft zum Theil auch das jetzt gestellte Amendement. Ich kann eine derartige Bestimmung, daß nach geendeter Untersuchung die beschlagnahmten Gegenstände sofort zurückgegeben werden müssen, nicht als zutreffend erachten, weil möglicherweise der Zweck der Beschlagnahme noch fortbesteht, dieselben Gegenstände noch als Beweismittel dienen können; in so weit das nicht der Fall ist, versteht es sich von selbst, meiner Ansicht nach, wie ich vorhin zu erörtern suchte, daß sie demjenigen, welchem sie mit Beschlag weggenommen worden, beziehungsweise dem Eigenthümer zurückgegeben werden müssen, und jedweder Rechtsweg steht demselben zur
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Hahn 1828. Hahn 1828. Der Antrag Hänel beinhaltete den des Abgeordneten Bähr; dazu vgl. Hahn 1829. Hahn 1830.
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
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Seite. Warum nun darüber bestimmte Verfügungen in die Strafprozeßordnung aufnehmen, die ja über Eigenthumsrecht usw. hier nicht Verfügungen trifft. Der § 100 sieht nur einen Spezialfall vor und den will er dem Bedürfniß der Sache nach regeln, daß der Strafrichter, der sonst nicht über Eigenthumsrechte verfügen kann, hier verfügt, und dasselbe will theilweise auch das Amendement, daß der Strafrichter dem Verletzten die Sache zurückgeben kann, ungeachtet die Beschlagnahme nicht bei ihm und gegen ihn stattgefunden hat, sondern bei dritten Personen. Im übrigen hat man eine Bestimmung nicht für nothwendig erachtet."
Hänel widersprach Hanauer. Um einem Mißbrauch der Beschlagnahmevorschriften vorzubeugen, sei eine ausdrückliche Regelung in einer Norm der Strafprozeßordnung durchaus notwendig83 : "Was die Einwendungen des Herrn Regierungskommissars betrifft, so geht die erste dahin, daß es ja unter Umständen für die Untersuchungszwecke noch förderlich sein könne, die Sache zurückzubehalten; nun habe ich nicht verstanden, über die Beschlagnahme hinaus? - Das verstehe ich nicht. (Stimme vom Bundesrathstische: Nein!) Meine Herren, soviel ich weiß, dauert eben die Beschlagnahme so lange, als der Untersuchungszweck es erfordert. Wenn nun die Beschlagnahme aufgehoben wird, dann tritt die Restitutionspflicht ein, - nicht wahr? Es sind also alle Untersuchungszwecke erledigt in dem Augenblick, wo die Beschlagnahme passirt, und der Zurückgabe kann auch nicht das mindeste Hinderniß rechtlich oder thatsächlich entgegengestellt werden. Also der erste Satz, der hier gefordert ist, trifft vollständig zu und ist nach jeder Seite kriminalpolitisch und juristisch richtig in Ordnung. Haben wir derartige Erfahrungen, wie sie uns hier vorgeführt und nur leider zu glaubhaft sind, so halte ich es für die Aufgabe der neuen Strafprozeßordnung, derartigen mißbräuchlichen Manipulationen ausdrücklich entgegenzutreten, wenn ich auch leider gestehen muß, daß es mir weit lieber wäre, wir brauchten solche ausdrückliche Bestimmungen, die aus Sinn und Geist des Gesetzes von selbst folgen, nicht ... "
Selbstverständlichkeiten bedürften nicht der gesetzlichen Festschreibung bemerkte der Abgeordnete Dr. Gneist kurz hierzu84 : "Meine Herren, der erste Theil des Baehrschen Antrages, soweit ich mich der Verhandlungen in der Kommission erinnere, wurde als wesentlich selbstverständlich angesehen. Die Gerichte verfahren ja notorisch nach dem Grundsatze, zurückzugeben, wenn die Untersuchung erledigt ist ... "
Gleichwohl schade eine derartige Bestimmung zumindest nicht, führte der Abgeordnete Dr. Lasker aus 85 : "Meine Herren, jedenfalls ist es rathsam, den Antrag Baehr zu theilen. Den ersten Satz halte ich für ziemlich unschädlich; ob er angenommen wird oder nicht, ist ziemlich gleichgültig, weil er eine Anweisung enthält, welche ohnehin befolgt werden muß ... " 83 84 85
Hahn 1831. Hahn 1832. Hahn 1832.
l. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
127
Auf die Bemerkung von Lasker, daß "wenn dieser Antrag so dringend, wichtig und unabweisbar wäre, wie er jetzt dargestellt wird ... er nicht heute in die Debatte hineingeschneit" wäre 86 und daß bei diesem langwierigen Beratungsverfahren der gesamte geplante Zeit aufwand für die Beratungen zerfalle, entgegnete Hänel unter Hervorhebung der besonderen Verantwortung, die dem Parlament bei der Neugestaltung der Grundgedanken einer Strafprozeßordnung zukomme87 : " ... wenn derartige wichtige Grundsätze in der Kommission in Frage gestellt, wenn sie dort ausführlich erörtert worden sind, dann, meine Herren, scheint es mir doch gerade eine Pflicht des Plenums zu sein, sich darüber schlüssig zu machen ... Gewiß, wir wollen hier mit möglichster Beschränkung vorgehen. Aber so einschneidend wichtige Punkte, wie diese, blos deshalb abzulehnen, ihre Diskussion für nicht opportun zu halten, einen deshalb gestellten Antrag für zu weit gehend zu erachten, bl os deshalb, weil die Sache verzögert werden könnte - das ist eine Behandlung wichtiger Grundlagen einer Strafprozeßordnung, die ich für meinen Theil nicht theilen kann. Ich glaube, wir sind dafür hier, um über derartige Grundsätze Feststellungen zu machen, zuerörtern, abzulehnen oder anzunehmen, je nachdem ... " Der Berichterstatter, Abgeordneter Dr. von Schwarze, betonte nochmals die Selbstverständlichkeit der im Antrag von Bähr enthaltenen Formulierungen 88 : " ... Meine Herren, was den ersten Theil des Baehrschen Antrage anlangt, so ist in der Kommission damals derselbe als selbstverständlich bezeichnet worden, namentlich ist das von einem der Redner ganz entschieden hervorgehoben und nachgewiesen worden ... " Nach Schluß dieser ausführlichen Diskussion konnte im Rahmen der anschließenden Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Bähr zunächst keine Klarheit hinsichtlich der abgegebenen Stimmen erzielt werden. Zwei Abstimmungsversuche blieben trotz Gegenprobe, Aufstehen der Abgeordneten und Auszählversuche ohne eindeutiges Ergebnis89 . Der dritte Abstimmungsversuch erfolgte mit Hilfe des sogenannten "HammelsprungVerfahrens"90. Von 249 an der Abstimmung teilnehmenden Abgeordneten stimmten 125 gegen, 124 Abgeordnete für den Antrag Bähr. Damit wurde mit nur einer Stimme Mehrheit die ursprüngliche Gesetzesvorlage angenommen91 . In der dritten Beratung im Plenum des Reichstages wurde der nunmehrige § 112 ohne weitere Diskussion bezüglich der hier 86 87 88
89
Hahn Hahn Hahn Hahn Hahn
1833. 1833. 1834. 1835.
1835f. (lesenswert). Wobei es zu einer Änderung kam, die auf einen Vorschlag der Kommission zurückging, aber wenig diskutiert worden war (statt "Angeklagten" in § 100 Satz 2 hieß es nunmehr "Betheiligten"), vgl. Hahn 1836. 90
91
128
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
untersuchten Frage angenommen 92 • Am 1. Februar 1877 wurde § 111 in der Fassung verabschiedet, die er bereits auf Grund der Arbeiten der Kommission erhalten hatte 93 . Aus der dargestellten Entstehungsgeschichte des heutigen § 111k ist zunächst hervorzuheben, daß Einigkeit dahingehend bestand, daß Regelungsgegenstand der neu zu schaffende Norm keineswegs der alltägliche Fall der Rückgabe einer Sache nach Ende der Beschlagnahme sein sollte. Vielmehr waren sich Abgeordnete wie Regierungsvertreter durchaus bewußt, daß § 111 a. F. nur den Sonderfall der Herausgabe einer Sache an den Verletzten betraf. Auch bezüglich der Frage, was bei Erreichung des Untersuchungszweckes mit beschlagnahmten Sachen zu geschehen habe, wurde weitgehende Übereinstimmung erzielt. Abgesehen von einigen Nuancen - etwa der Überlegung, man könne Beweismittel eines betriebenen Verfahrens noch zur Verwendung in einem weiteren Verfahren aufbewahren94 - war für alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten klar, daß Gegenstände bei Erreichen des Untersuchungszweckes zurückzugeben seien. Die Struktur des Strafverfahrens und insbesondere der Zwangsmaßnahmen ließ eine andere Interpretation nicht zu. Aus diesem Grunde war die Einfügung einer Norm mit konstitutiver, also eine derartige Rückgabepflicht erst erzeugender Wirkung, nie im Gespräch. Der Streit in den Beratungen entbrannte ausschließlich hinsichtlich der Frage, ob die Notwendigkeit bestehe, eine deklaratorische Vorschrift einzufügen. Es ist gezeigt worden, daß insbesondere seitens der Regierungsvertreter die Auffassung bestand, daß eine Rückgabepflicht im obigen Sinne so selbstverständlich sei und auf der Hand liege, daß es dafür keiner zusätzlichen - auch nur klarstellenden - Norm bedürfe. Die Rückgabepflicht ergäbe sich im übrigen auch inzident aus den Beschlagnahmevorschriften selbst. Demgegenüber versuchte die Gruppe um den Abgeordneten Bähr, die Notwendigkeit einer deklaratorischen Vorschrift mit dem Hinweis auf mögliche Manipulationen und Willkürverfahren der Strafverfolgungsorgane darzulegen. Anhand von Beispielen aus der Praxis preußischer Strafverfahren, von denen oben einige wiedergegeben worden sind, wurden diese Gefahren belegt. Die Einfügung einer deklaratorischen Rückgabepflicht scheiterte - wie gezeigt - an der Stimme eines der 249 Abgeordneten des Reichstages. Betrachtet man die weitere Entwicklung der neu geschaffenen Norm, so fällt auf, daß insbesondere im Schrifttum hier und da Überlegungen über den Rahmen des § 111 hinaus angestrengt wurden. Die Vorschrift des § 111 wurde zum Anlaß genommen, sich grundlegender mit der Frage eines allgemeinen Rückgabeprinzips im Falle einer staatlichen Verwahrung von Gegenständen
92 93 94
Hahn 2088. Hahn 2411. Siehe oben die Ausführungen Hanauers in Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1).
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
129
zu beschäftigen. Die Rechtsprechung konzentrierte sich hingegen, ebenfalls von § 111 ausgehend, mehr auf die (gleichfalls allgemeine) Fragestellung, ob die durch eine Beschlagnahme entstehende Beziehung zwischen Staat und Bürger mehr privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur sei. (2) Die Auslegung des § 111 a. F. in Rechtsprechung und Literatur
Die im Hinblick auf die Selbstverständlichkeit einer allgemeinen Rückgabepflicht beschlagnahmter Gegenstände in den Beratungen des Reichstages geäußerten Erwartungen erfüllten sich nur zum Teil. So stellt etwa Fraeb 95 fest, daß "weder in § 111 der Strafprozeßordnung noch sonst eine Bestimmung aufgestellt ist, die es dem Gericht zur Pflicht macht, beschlagnahmte Gegenstände dem Beschuldigten herauszugeben". Im übrigen wandte sich das Interesse vor allem zivilrechtlichen Fragestellungen bezüglich des § 111 a. F. zu. Erörtert wurde, wer verpflichtet sei, welche Gegenstände an wen, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Eigentumsverhältnissen herauszugeben 96 • Die in dieser Norm befindliche Wendung "Rückgabe geeignetenfalls schon vor Beendigung der Untersuchung" wurde dahin verstanden, daß "der Verletzte unverzüglich in den Besitz des ihm entzogenen Gegenstandes zu setzen ist, sobald als dies der Zweck der Untersuchung zuläßt"97. In der "allgemeine(n) Verfügung des Preussischen Justizministers" vom 15. Dezember 192298 heißt es dazu, daß die Rückgabe oder Freigabe bald tunlichst zu veranlassen sei, "also dann, wenn der Gegenstand als Beweismittel nicht mehr von Bedeutung ist, es sei denn, daß die Einziehung zu erwarten ist; jedenfalls aber nach rechtskräftig abgeschlossenem Verfahren, wenn nicht die Einziehung ausgesprochen" sei 99 . Lediglich Pfleiderer beschäftigt sich in seiner im Jahre 1911 in Stuttgart erschienenen Dissertation mit dem "allgemeine(n) Prinzip bei der strafbehördlichen Rückgabe von verwahrten Gegenständen"l°O. Nach Pfleiderer ist die gesetzliche Befugnis zur prozessualen Verwahrung von Gegenständen notwendig in dem Augenblick erloschen, in welchem der Zweck, zu dem sie erfolgte, erschöpft ist. Solange das Verfahren andauere, bedürfe es einer FreiFraeb, ZStW 31,899. 903f. (im Original gesperrt gedruckt). Vgl. hierzu Behr, DStrZ 1917, 199ff.; Bethke, DStrZ 1916, 385ff.; Bohmeyer, GA 74, 191ff.; Daleke, GA 39, 405ff.; Dreyfus, ZStW 36, 60ff.; Fraeb, ZStW 31, 899ff., der den § 111 a. F. als "Torso des Adhäsionsprozesses" bezeichnet; Hussong, DStrZ 1916, 477ff. 97 Bethke, DStrZ 1916, 385, 388. 98 JMBl., S. 50. 99 Vgl. dazu Dreyfus, ZStW 36, 60, 69f., der darüber hinaus darauf hinweist, daß "spätestens mit dem Ende der Untersuchung ... der Gegenstand abgeliefert werden (muß)"· 100 So die Überschrift bei Pfleiderer, diss. iur. Stuttgart 1911, 1. 95
96
9 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
gabeerklärung der zuständigen Strafbehörde. Sei jedoch der Prozeß beendet, so sei eine derartige Erklärung nicht mehr notwendig, da "das konkrete staatliche Interesse an der Verwahrung des Gegenstandes" aufhöre 101 • § 111 (a. F.) sei eine Ausnahmenorm zu diesem allgemeinem Prinzip, eine "reine Verfahrensvorschrift über den Adressaten der Herausgabe"102. Der Staat habe die Verpflichtung zur Wiederherstellung des durch ihn gestörten früheren Zustandes. Diese Verpflichtung sei jedoch in der Strafprozeßordnung nirgends ausdrücklich geregelt. Die "Freigabeerklärung" sei "eine sekundäre Wirkung des Strafprozesses, als einen in das Gesetz hineinzuinterpretierenden notwendigen contrarius actus des früheren Eingriffs" 103 . Die Rechtsprechung nach dem Jahre 1877 beschäftigte sich nur vereinzelt mit § 111 a.F. Daß die im Reichstag mit dieser Vorschrift verbundenen Gedanken zu Anfang noch bekannt waren, zeigt sich beispielsweise an einer Entscheidung des Kammergerichtes vom 7. Dezember 1900 104, in der ausgeführt wird: "Bei der Berathung der Strafprozessordnung erachtete man es für selbstverständlich, dass beschlagnahmte Gegenstände - sobald der Zweck der Beschlagnahme erfüllt sei - demjenigen zurückzugeben seien, welchem sie abgenommen waren."
In späteren Entscheidungen wandte sich das Reichsgericht vor allem der Frage zu, welcher Rechtsnatur das Verhältnis zwischen dem Eigentümer einer Sache und dem die Beschlagnahme veranlassenden Staat sei. In der Entscheidung vom 8. Februar 1901 105 wird von der Annahme ausgegangen, daß zwischen Staat und Betroffenem (zugleich) ein privatrechtliches Verwahrungsverhältnis auf Grund eines stillschweigend geschlossenen Vertrages begründet werde: "Die Annahme dieses stillschweigenden Vertrages kann nicht als rechtsirrthümlich erachtet werden. Wenn auch die mit der Ausübung der Justiz betrauten Beamten als solche ein Staatshoheitsrecht verwalten, so ist doch nicht ausgeschlossen, daß bei Gelegenheit der Ausübung desselben privatrechtliche Vertragsverhältnisse zwischen den zuständigen Organen der Justizverwaltung, welche als solche den Staat vertreten, und Privatpersonen zu Stande kommen können."
Diese Auffassung hat das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 22. April 1902 106 aufrechterhalten. Hiernach soll es sich um einen stillschweigend geschlossenes vertragsartiges, dem Verwaltungsvertrag ähnliches oder gleich zu erachtendes Rechtsverhältnis handeln. Noch im Jahre 1918 vertrat auch das Pfleiderer, diss. iur. Stuttgart 1911, 1. Pfleiderer, diss. iur. Stuttgart 1911, 8. \03 Pfleiderer, diss. iur. Stuttgart 1911, 24 bei Fn. 1; so heute wieder Gropp, NStZ 1984,568. 104 KG, GA 48, 137ff. 105 RG, JW 1901,191. 106 RGZ 51, 219, 221. \01
102
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
131
preussische Oberverwaltungsgericht diese Ansicht. Seinem Urteil vom 7. Februar 1918 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßender Verkauf von Schmierseife durch einen Maurermeister war mit einem Strafbefehl geahndet worden. Reste der Schmierseife waren bei Einleitung des Strafverfahrens beschlagnahmt worden. Nunmehr wurde auf Herausgabe dieser Seife - nicht des Erlöses - geklagt. Der 1. Senat führte hierzu aus 107 : "Die Beschlagnahme von Gegenständen, gleichviel ob sie auf Grund von §§ 94, 98 der Strafprozeßordnung oder auf Grund von § 10 Tit. 17 T 11 ALR. erfolgt, ist an sich allerdings ein obrigkeitlicher Akt, sie erzeugt aber zugleich ein dem Privatrecht angehöriges vertrags ähnliches Verhältnis zwischen dem Fiskus oder dem sonst in Betracht kommenden Verband und dem Besitzer, dem sie weggenommen worden sind, vermöge dessen der erstere zu einer den berechtigten Interessen des letzteren entsprechenden Verwahrung der beschlagnahmten Gegenstände sowie nach Erledigung des Zweckes der Beschlagnahme zur Herausgabe an den Berechtigten verpflichtet ist ... Lediglich den diesem bürgerlich = rechtlichen Verhältnis entspringenden Herausgabeanspruch macht der Kläger geltend ... "
Das Hanseatische Oberlandesgericht teilte diese Ansicht nicht. Im Urteil vom 22. Dezember 1920108 wurde die Auffassung vertreten, es handele sich stets um ein rein privatrechtliches Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Der Staat, der Gegenstände im Strafverfahren beschlagnahme, hafte dem Eigentümer nach § 985 BGB auf Herausgabe bzw. nach §§ 990, 989 BGB auf Schadensersatz. Im gleichen Jahre änderte das Reichsgericht die bisherige Rechtsprechung. Erstmals in der Entscheidung vom 10. Dezember 1920 109 führte es aus, daß die sich aus staatlicher Inverwahrnahme ergebenden Pflichten und Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur seien: "Das Rechtsverhältnis, das durch die Inverwahrungnahme von Gegenständen (StPO
§ 94) in einem Strafverfahren zwischen dem Staate und dem Beteiligten entsteht, die
Haftung des Staates auf die Herausgabe dieser Gegenstände, ist weder in der Strafprozeßordnung noch in sonstigen Rechtsgesetzen geregelt worden. Das Verhältnis ist lediglich öffentlich = rechtlicher Natur; die staatlichen Behörden und Beamten werden hierbei nicht als Vertreter des Staates in dessen privatrechtlichen Beziehungen tätig, sondern handeln nur in Ausübung der ihnen anvertrauten öffentlichen Gewalt. Demnach unterliegt es nur dem öffentlichen Rechte des betreffenden Staates. Daran ändert es auch nichts, daß auf dieses Rechtsverhältnis die in den bürgerlich=rechtlichen Vorschriften über die Verwahrung zum Ausdrucke gebrachten Rechtsregeln sinngemäß anwendbar sind ... diese Vorschriften finden nicht als bürgerlich=rechtliche Anwendung, sondern der in ihnen zur Anwendung gebrachte allgemeine Rechtsgedanke ist hier als Teil des öffentlichen Rechts anwendbar ... " 107 108 109
9*
OVGE 74 (1919), 461. HansOLG Hamburg, Seuff. Archiv 1921, Nr. 69 (S. 111ff.). RG, Warneyer, Jahrbuch der Entscheidung, 1921 Nr. 1.
132
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Die nachfolgenden Entscheidungen des Reichsgerichts, beispielsweise die vom 15. Dezember 1925 110 und die vom 15. Januar 1927 111 , bestätigen die neue Linie der Rechtsprechung. In den im Jahre 1931 veröffentlichten Dissertationen von Ledschbor und von von Canstein wurden die von der Rechtsprechung angedeuteten Gedanken näher untersucht. Die "Causa der staatlichen Herausgabepflicht" nach Erfüllung des Zwecks der Beschlagnahme oder wenn der Zweck durch sie nicht mehr erreicht werden kann und der beschlagnahmte Gegenstand nach geltenden Gesetzen nicht der Einziehung unterliegt, wird von Ledschbor ausgehend vom Gedanken, "daß die Beschlagnahme ein Eingriff in bestehendes Privatrecht" sei "und daß nach einem dem Wesen des modernen Staates als Rechtsstaat entsprechenden Grundsatz ... ein derartiger Eingriff nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig" sei, wie folgt begründet 112 : "In Artikel 153 der Reichsverfassung wird das Eigentum unter den Schutz der Verfassung gestellt. - Daß unter "Eigentum" im Sinne dieses Artikels nicht nur das Eigentum im Sinne des Bürgerlichen Rechtes, sondern jedes private Vermögensrecht zu verstehen ist, entspricht herrschender Meinung. - Grundsätzlich ist daher jeder Eingriff in ein derartiges Recht, auch wenn er von Seiten des Staates erfolgt, unzulässig. Nun ist aber ein staatlicher Eingriff, wie ihn die Beschlagnahme darstellt, häufig erforderlich, wenn der Staat die ihm obliegenden Aufgaben erfüllen soll. In solchem Falle ist ein derartiger Eingriff nach allgemeiner Rechtsanschauung aber auch gerechtfertigt. Dementsprechend heißt es in Artikel 153 der Reichsverfassung, daß sich Inhalt und Schranken des "Eigentums" aus den Gesetzen ergäben. Zu diesen den Inhalt und die Schranken der privaten Vermögensrechte bestimmenden Gesetze gehören die Vorschriften, die in den Fällen, in denen das Staatsinteresse es verlangt, eine Beschlagnahme für zulässig oder erforderlich erklären. Eine Beschlagnahme darf aber ebenso, wie sie nur dann erfolgen darf, wenn das öffentliche Wohl und die besonderen Zwecke des Staates es verlangen, auch nur solange aufrechterhalten werden, als daß das Privatinteresse des einzelnen überwiegende öffentliche Interesse es notwendig erscheinen läßt. Das ist nicht mehr der Fall, wenn der von Gesetzen vorgesehene Zweck der Beschlagnahme erreicht oder nicht mehr zu erreichen ist. Alsdann ist der Staat verpflichtet, den von ihm gestörten Rechtszustand, soweit es möglich ist, wiederherzustellen, d. h. den beschlagnahmten Gegenstand dem BerechtigRG, JR 1926, Nr. 570, 467f. RGZ 115, 419, 421: "Die neuere Rechtsprechung des Reichsgerichts hat den Satz entwickelt, daß, wenn eine Behörde in Verfolgung staatlicher Belange Sachen einer Privatperson in Verwahrung nimmt, lediglich ein nach öffentlichem Recht zu beurteilendes Rechtsverhältnis entsteht, kraft dessen für den Staat und seine Organe die Verpflichtung zur Obhut über die in Verwahrung genommenen Sachen und zu ihrer Rückgabe in unversehrten Zustande erwächst, soweit dem nicht öffentliche Belange entgegenstehen."; vgl. weiter noch RG vom 16. Oktober 1923 (RGZ 108, 249, 251): "Wohl aber ist aus ihr (nämlich § 111, Anm. d. Verfassers) zu folgern, daß den mit der Strafrechtspflege betrauten Behörden und Beamten, die in den Besitz derartiger Gegenstände gelangt sind, dem Verletzten gegenüber die Pflicht obliegt, dafür zu sorgen, daß sie an ihn gemäß § 111 StPO. zurückgegeben werden können, ihre spätere Rückgabe an diesen also zu sichern.". 112 Ledschbor, diss. iur. Köln 1931, 7. 110
111
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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ten herauszugeben. Das verlangt der dem Wesen des modernen Rechtsstaat entsprechende Grundgedanke des Artikels 153 der Reichsverfassung. In ihm liegt also die Causa der staatlichen Herausgabepflicht. "
Daß Ledschbor diese Rückgabepflicht im öffentlichen Recht ansiedelt, bedarf angesichts seiner Ausführungen keiner weiteren Erörterung. Entsprechend wird auch die soeben angeführte Entscheidung des Preussischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. November 1918 kritisiert 113 : "Daß diese Ansicht irrig und die Rückgabepflicht rein öffentlich-rechtlicher Natur ist, ergibt sich bedenkenfrei aus ihrer öffentlich-rechtlichen Causa, sowie daraus, daß diese Rückgabepflicht nur eine Nebenwirkung des auf Unterwerfung unter die Staatsgewalt beruhenden und deshalb öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen beschlagnahmenden Staat und den von der Beschlagnahme Betroffenen ist."
Für Ledschbor ist die Herausgabepflicht damit nicht in einer Norm, sondern "im Wesen des modernen Staates als Rechtsstaat begründet". Die Rechte, in die der Staat durch die Beschlagnahme störend eingegriffen habe, sollen nach Wegfall des Beschlagnahmegrundes durch die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände nach Möglichkeit wiederhergestellt werden 114 • Sinn des § 111 a. F. sei nur, daß "durch ihn der zur Herausgabe verpflichteten Behörde der ihr gegenüber zur Herausgabe Berechtigte bezeichnet werden soll". Es gehe um die Wahrung der Rechte Dritter, nicht um die Wiederherstellung des "status quo ante delictum" 115. Die Herausgabe habe im übrigen von Amts wegen zu erfolgen 116 . Auch von Canstein sieht in § 111 a. F. eine Ausnahmevorschrift, "von dem auch die Strafprozeßordnung beherrschenden Grundsatz, daß Sachen, die auf Grund besonderer Vorschriften und zu besonderen Zwecken dem Gewahrsamsinhaber vorübergehend entzogen worden sind, nach Erreichung dieser Zwecke dem letzten Besitzer wieder zurückzugeben sind"1l7. Im übrigen enthalte die Strafprozeßordnung keine Bestimmung darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen die Aufhebung der Beschlagnahme zu erfolgen habe. Nach von Canstein habe dies zu geschehen, wenn der Zweck erreicht sei, spätestens mit Beendigung des Verfahrens durch ein rechtskräftiges Urteil 118 • Die Beschlagnahme trete allerdings nicht von selbst außer Kraft 119 • Ledschbor, diss. iur. Köln 1931, 10. Ledschbor, diss. iur. Köln 1931, 20. 115 Ledschbor, diss. iur. Köln 1931,22. 116 Ledschbor, diss. iur. Köln 1931, 31: "Der Staat würde seiner Restitutionspflicht nicht genügen, wenn er dem Betroffenen nur die Möglichkeit gäbe, sich erst durch eigene Tätigkeit ... wieder in den vor der Beschlagnahme innegehabten unmittelbaren Besitz des beschlagnahmten Gegenstandes zu setzen"; Ledschbor spricht in diesem Zusammenhang von einer staatlichen "Bringepflicht". 117 Von Canstein, diss. iur. Düsseldorf 1931,59; bejahend Beling, Reichsstrafprozeßrecht, 506f. 118 Von Canstein, diss. iur. Düsseldorf 1931,56. 119 Von Canstein, diss. iur. Düsseldorf 1931,58. 113
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Der Anspruch auf Herausgabe beschlagnahmter Sachen sei öffentlich-rechtlicher Natur. Es entstehe in der Beschlagnahme, da diese nach den Grundsätzen der Strafprozeßordnung - etwa nach den §§ 94ff., 283, 284, 293, 433 StPO - , einem öffentlich-rechtlichen Gesetz erfolge, und aus dem durch sie begründeten öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis eine Rückgabepflicht des Staates nach Beendigung der Untersuchung. Die Aufhebung der Beschlagnahme mache als Bestätigung nach außen die Herausgabe für den Betroffenen realisierbar 120. Zwei Umstände, die in diesem Abschnitt der Untersuchung deutlich geworden sein sollten, sind festzuhalten. Zum einen die Tatsache, daß die Rechtsprechung vom Jahre 1920 an das durch eine Beschlagnahme entstehende Verhältnis zwischen Staat und Bürger als öffentlich-rechtliches und nicht - wie in den 20 Jahren davor - als privatrechtliches versteht. Zum anderen sind die in den Dissertationen von Pfleiderer (1911), Ledschbor und von Canstein (beide 1931) geäußerten Gedanken erhaltenswert. Nahezu übereinstimmend sehen diese Autoren in § 111 lediglich eine besondere Ausformung eines allgemeinen Rückgabeprinzips staatlich verwahrter Gegenstände. Seine Grundlage soll dieses Prinzip im Wesen des modernen Staates als Rechtsstaat finden. Der Staat habe nach Zweckerfüllung der Zwangsmaßnahme die öffentlich-rechtliche Pflicht, den vor dem Eingriff bestehenden Zustand wiederherzustellen. Durch das "Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch" vom 2. März 1974 121 wurde § 111 a.F. aufgehoben und dafür im Zuge der Einführung der §§ 111bff. der jetzige § 111k eingestellt 122 • Das heutige Schrifttum scheint diese neue Norm ebenfalls als eine Vorschrift zu verstehen, die einen Sonderfall im Rahmen des bezüglich der Beschlagnahme anerkannten Rückgabeprinzip erfassen soll. (3) Der neue § 111k In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum EGStGB vom 9. Februar 1973 123 heißt es zu § 111k I24 : "Die Vorschrift tritt an die Stelle des § 111 StPO (vgl. Nr. 25). Sie gilt sowohl für die Beschlagnahme zu Beweiszwecken (§§ 94ff. StPO) als auch für die Beschlagnahme Von Canstein, diss. iur. Düsseldorf 1931, 64. BGBL 1,469,502. 122 Aufhebung des § 111 durch Art. 21 Nr. 27 EGStGB; Einfügung des § 111k durch Art. 21 Nr. 29 EGStGB. 123 BR-Drs. 111173; BR-Drs. 7/550. 124 BR-Drs. 111173, Art. 19 zu Nr. 25 (S. 291); im übrigen: "Die Vorschrift wird in Zusammenhang mit der in Nr. 27 vorgeschlagenen Neuregelung der Beschlagnahme und sonstigen Sicherstellung zur Sicherung von Verfall und Einziehung als § 111k in die Strafprozeßordnung eingestellt." (BR-Drs. 111/73, Art. 19 zu Nr. 27 (S. 295)). 120
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nach § 111c. In Fällen - vorwiegend dinglicher - Herausgabeansprüche bietet sich eine vereinfachte Regelung des vorläufigen Besitzstandes."
Die Bemerkung im federführenden Rechtsausschuß des Bundesrates vom 12. März 1973, in der Regierungsvorlage die §§ 111ff. zu streichen, weil die Materie nicht in ausreichender Weise durchdacht worden sei 125, wurde im Sonderausschuß des Bundestages allein durch das Aufstellen der Gegenbehauptung zu zerstreuen gesucht. In den Lesungen des Gesetzentwurfes im Bundestag126 finden sich keine weiteren Bemerkungen zu § 111k. Dementsprechend wurde die Norm in ihrer jetzigen Fassung verabschiedet. § 111k, der nach durchgehender Auffassung systematisch falsch eingeordnet ist, weil er allgemein für sichergestellte bewegliche Sachen - also auch für solche, die Beweiszwecken dienen - Geltung hat 127 , scheint nach heutigem Verständnis nicht als Norm begriffen zu werden, die (konstitutiv) eine Rückgabepflicht begründet, sondern vielmehr als eine Sondervorschrift zu einem allgemeinen (Bereinigungs-)Prinzip. Dies wird beispielsweise deutlich, wenn Laufhütte 128 für den Fall, daß der Gegenstand einem Dritten durch eine Straftat entzogen worden ist, meint, daß § 111k eine Ausnahmevorschrift hinsichtlich des Umstandes darstelle, daß "nach dem Ende der Beschlagnahme ... ein sichergestellter Gegenstand an sich demjenigen zurückgegeben werden" müßte, "der (ihn) im Zeitpunkt der Sicherstellung in Gewahrsam hatte". Andere 129 gehen davon aus, daß ohne die Regelung des § 111k bewegliche Sachen, die auf Grund von § 94 oder § 111c Abs. 1 in den Gewahrsam des Staates gelangt seien, nach Ende der Beschlagnahme oder Sicherstellung der Person zurückgegeben werden müßten, aus deren Gewahrsam sie in die amtliche Verwahrung gelangt seien. Nach Peters 130 dient § 111k deshalb den Inter125 BR-Drs. 111/1/73 zu Art. 19 Nr. 27 (§§ 111b bis 1111), S. 35 mit der Empfehlung dieselben zu streichen: "Zu einer so komplizierten Änderung der Vorschriften über die Sicherstellung und Beschlagnahme besteht im Rahmen eines Einführungsgesetzes keine Veranlassung. Es handelt sich um keine eilige und zwingende Reform. Die bisherige Regelung hat zu keinen Schwierigkeiten geführt; Rechtsprechung und Literatur liegen zu diesen Fragen nicht vor. Zudem sind die vorgeschlagenen Änderungen so kompliziert, daß bei der kurzen Prüfungszeit die Gefahr besteht, es könnten sich Fehler einschleichen ... " . 126 1. Lesung am 24. Mai 1973 (BT-Prot. 7/36, 2026 Cff.); 2. Lesung am 13. Dezember 1973 (BT-Prot. 7/70,4339 Dff.); 3. Lesung am 13. Dezember 1973 (BT-Prot. 7/70, 4340 Dff.). 127 Laufhütte, in: KK, § 111k Rdnr. 1; Meyer, in: LR, § 111k Rdnr. 1; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111k Rdnr. 1; differenzierend Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 111k Rdnr. 11 dahin, daß § 111k insofern Bedeutung für unbewegliche Sachen habe, als auch diese freizugeben seien, wenn die Sicherstellung für das Verfahren nicht mehr erforderlich sei und auch eine sonstige Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Sicherstellung nicht mehr bestehe. 128 Laufhütte, in: KK, § 111k Rdnr. 1. 129 Gropp, NStZ 1984, 568: actus contrarius; Müller, in: KMR, § 111k Rdnr. 1. 130 Peters 426.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
essen des Verletzten. Meyer l31 weist darauf hin, daß das Strafverfahren grundsätzlich nicht die Aufgabe hätte, den Besitz an den Sachen, die für Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden seien, unter den Beteiligten zu regeln. § 111k mache von diesem Grundsatz eine Ausnahme, weil es bedenklich wäre, wenn der Staat sich an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes dadurch beteiligte, daß er die Sache dem Rechtsbrecher zurückgebe. Schon zum § 111 a.F. hat Eberhard Schmidt132 ausgeführt, daß der Grundsatz, nach Zweckerreichung der Beschlagnahme die Gegenstände zurückzugeben, für den Fall durchbrochen werde, daß beschlagnahmte Gegenstände dem Verletzten durch eine strafbare Handlung entzogen worden seien. Erfüllt wird die Verpflichtung nach § 111k durch Herausgabe der Gegenstände, d. h. Rückführung aus amtlichem Gewahrsam. Ist hingegen eine Sache "in anderer Weise" sichergestellt (z. B. durch ein Verbot, ein Grundstück zu betreten oder die Verriegelung eines Raumes), ist eine Herausgabe nicht möglich 133 . Das Oberlandesgericht Dresden hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1925 bezüglich des § 111 a. F.134 in derartigen Fällen - dort ging es um ein Klavier, welches in Gewahrsam des Täters belassen und (trotzdem) sichergestellt worden war - gleichwohl von einer Herausgabepflicht nach § 111 (a. F.) gesprochen. Bohmeyer135 bezeichnet den Vorgang in Fällen dieser Art als "Freigabe" . Die beschlagnahmten Sachen werden gemäß § 111k herausgegeben, wenn sie für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt werden. Nach Kleinknecht / Meyer 136 bedeutet dies, daß die Sache nicht nach den §§ 111bff. beschlagnahmt werden dürfte. Für Müller 137 ist der fragliche Zeitpunkt zum einen nach Beendigung der Untersuchung mit Einstellung des Ermittlungsverfahrens erreicht. Allerdings sei die Möglichkeit des Klagerzwingungsverfahrens abzuwarten. Zum anderen seien die Sachen im obigen Sinne entbehrlich, wenn das Strafverfahren rechtskräftig erledigt sei, wobei weder Verfall noch Einziehung angeordnet sein dürften 138 • Schon vor Beendigung der Untersuchung könne die Sache herausgegeben werden, wenn sie für das Strafverfah13l
Meyer, in: LR, § 111k Rdnr. 1; so auch Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.),
§ 111k Rdnr. 2.
Eb. Schmidt 11, § 111 Rdnr. 5. So auch Meyer, in: LR, § 111k Rdnr. 7; ähnlich Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111k Rdnr. 18. 134 OLG Dresden, LZ 1925, 383. 135 Bohmeyer, GA 74, 191, 199 Fn. 34. 136 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 111k Rdnr. 2. 137 Müller, in: KMR, § 111k Rdnr. l1f. 138 Rechtskraft sei zu fordern, da in der Revisionsinstanz die Möglichkeit der Rückverweisung zur Tatsacheninstanz bestünde; Schäfer, wistra 1984, 137: spätestens nach Rechtskraft des Urteils. 132
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1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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ren nicht mehr benötigt werde. Dies sei beispielsweise gegeben, wenn der Beweis in ausreichender Weise - etwa durch ein Geständnis - gesichert sei oder aber, wenn ein Urteil insgesamt nicht mehr erwartet werden könnte 139 • Meyer!40 sieht es als Selbstverständlichkeit an, daß eine verwahrte Sache weder an den Verletzten noch an irgendjemand anderen herausgegeben werden dürfe, solange sie für Zwecke des Strafverfahrens benötigt werde. § l1lk stelle lediglich klar, daß mit der Herausgabe nicht bis zur Rechtskraft des Urteils oder des Einstellungsbeschlusses gewartet werden müsse, wenn der verwahrte Gegenstand schon vorher für das Verfahren entbehrlich sei. Im übrigen hätten die zur Aufhebung einer Beschlagnahme entwickelten Grundsätze auch hier Geltung. Es sei jeweils zu prüfen, ob ein Beweismittel gegebenenfalls als Verfalls- oder Einziehungsgegenstand beschlagnahmt werden könne. Nur im gegenteiligen Fall dürfe sie herausgegeben werden. Nach Laufhütte!4! wird die Sache für Zwecke des Strafverfahrens nicht mehr benötigt, wenn der Grund zur Sicherstellung entfallen sei. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in neuerer Zeit!42 unter Berufung auf das Schrifttum!43 die Herausgabe nach § lllk auch nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens verweigert, wenn die beim Beschuldigten vorgefundenen Gegenstände, die beschlagnahmt oder sichergestellt worden sind, "zweifelsfrei durch irgendeine - wenn auch möglicherweise eine nicht in das Verfahren einbezogene oder sogar unbekannte - Straftat in den Besitz des Beschuldigten gelangt sind". Hielte man den Staat für verpflichtet, die vor seinem Eingriff bestehende rechtswidrige Besitzlage zugunsten des Beschuldigten wiederherzustellen, so wäre dieses Ergebnis "völlig unverständlich und bedenklich"!44. Nach Peters!45 erfolgt die Herausgabe der betreffenden Gegenstände von Amts wegen. Meyer!46 hingegen stellt besonders heraus, daß § ll1k im GegenMüller, in: KMR, § 111k Rdnr. 12. Meyer, in: LR, § 111k Rdnr. 12; ebenso Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111k Rdnr. 15. 141 Laufhütte, in: KK, § 111k Rdnr. 3. 142 OLG Düsseldorf, MDR 1984, 424 (Beschluß vom 3. November 1983); OLG Hamm, NStZ 1986, 376 will Nr. 75 RiStBV berücksichtigt wissen. 143 Zitiert werden Laufhütte, in: KK (1. Aufl.), § 111k Rdnr. 5 und Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 31. 144 Die Überlegungen des OLG Düsseldorf gründen sich wohl eher auf Nr. 75 Abs. 5 RiStBV, der lautet: "Ergibt sich im Laufe der Ermittlungen zweifelsfrei, daß eine Sache unrechtmäßig in die Hand des letzten Gewahrsamsinhabers gekommen ist, läßt sich der Verletzte aber nicht ermitteln, so ist nach § 983 BGB und den dazu erlassenen Vorschriften zu verfahren."; hierauf verweisen im übrigen auch Laufhütte und Meyer ebd.; KG, JR 1988, 390, zur sinngemäßen Anwendung des § 111k auf zweifelsfrei aus einer Straftat stammende Gegenstände, die im Ermittlungsverfahren sichergestellt worden sind, ohne daß es zur Verurteilung gerade wegen dieser Straftat gekommen ist; s. auch OLG Stuttgart, NStZ 1989, 39. 145 Peters 422, wobei die Wendung "ohne daß es eines Urteils hierüber (nämlich die Herausgabe, Anm. des Verfassers) bedarf" allerdings mehr auf § 111 a. F. hinweist. 139
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
satz zu § 111 a.F. eine Soll-Vorschrift sei. Gleichwohl läge die Rückgabe der Gegenstände nicht im freien Ermessen der Gerichte. Stünden nicht besondere Gründe entgegen, so müsse nach § 111k verfahren werden. Zuständig für Entscheidungen nach § 111k sei im Ermittlungsverfahren ausschließlich die Staatsanwaltschaft 147. (4) Erste Auswertung Die Betrachtung des § 111 a. F. und des jetzigen § 111k hat damit folgendes ergeben: Es herrscht weitgehende Übereinstimmung insoweit, als es sich bei diesen beiden Normen um Vorschriften handelt, die lediglich einen Sonderfall im Rahmen der Beschlagnahme und Sicherstellung von Gegenständen regeln. Es wird festgelegt, wem - nämlich dem Verletzten - ein beschlagnahmter Gegenstand zurückgegeben werden soll. Weiter reichte die Intention des Gesetzgebers weder bei § 111 a. F. noch bei dem heutigen § 111k. Einigkeit herrscht auch, daß - unabhängig von diesen Normen - ein allgemeines Prinzip der Rückgabepflicht beschlagnahmter Gegenstände besteht. Begründet wird diese Pflicht weitgehend in ähnlicher Weise. Zu Zeiten der Beratungen des § 111 a. F. im Reichstag stützte man sich vor allem auf die Struktur des Strafverfahrens, insbesondere die der Beschlagnahmevorschriften. Diesen Normen sei immanent, daß die Eingriffe rückgängig gemacht werden müßten, wenn sie ihren jeweiligen Zweck erfüllt hätten. Daß es sich hierbei um eine öffentlichrechtliche Pflicht des Staates handelt, ist durch die spätere Rechtsprechung des Reichsgerichtes nachgewiesen worden. Mehr auf das Rechtsstaatsprinzip im Sinne derzeitiger Terminologie hoben die Autoren der vorgestellten Dissertationen ab. Dies scheint auch die Auffassung des heutigen, soeben dargestellten, Schrifttums zu sein, ohne daß dort allerdings auf die fast ein hundert Jahre zuvor entwickelten Gedanken Bezug genommen wird. Einigkeit besteht insgesamt betrachtet insoweit, als die Rückgabepflicht nicht vom Vorliegen einer sie anordnenden, also konstitutiven Norm abhängig sein soll. Wie die Pflicht zur Rückgabe bei einer Beschlagnahme erfüllt werden soll, ist in einzelnen Punkten zu Zeiten der Einführung des § 111 wie auch heute ungeklärt. Insbesondere ist streitig, wann und ob von Amts wegen oder nur nach pflichtgemäßen Ermessen die beschlagnahmten Gegenstände zurückzugeben sind. Es sollte auch deutlich geworden sein, daß weder Rechtsprechung noch 146 Meyer, in: LR, § 111k Rdnr. 3 sucht dies mit den Entscheidungen BGHSt 3, 384; RGSt 42,169; 53, 178; 60,182 und OGHSt 3,149 zu belegen; diese Nachweise beziehen sich indes durchweg nicht auf § 111 a. F. bzw. § 111k, sondern auf strafprozessuale Ordnungsvorschriften (insb. §§ 243, 256) und die gelegentliche Feststellung, daß in begründeten Fällen von Sollvorschriften ermessensgemäß abgewichen werden dürfe; der Hinweis auf RGSt 60, 182 (ein Betrugsfall) dürfte ein (nicht aufklärbarer) Druckfehler sein; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § ll1k Rdnr. 4 hat diese Zitate übernommen. 147 Hohendorf, NStZ 1986, 498, 501.
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Schrifttum den Blick über die Grenzen der Beschlagnahme- und Sicherste1lungsvorschriften hinaus wagen. Ob das allgemeine Prinzip einer staatlichen Rückgabepflicht bei der Beschlagnahme von Gegenständen gegebenenfalls nur einen Teilausschnitt eines zentralen, alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen betreffenden Grundprinzips der Restitution darstellt, wird durchgehend nicht gefragt. Gleichwohl ist mit der Untersuchung gerade dieser Normen ein erster grundlegender Schritt auf dem Weg zum Nachweis des eingangs behaupteten allgemeinen Restitutionsprinzips, welchem letztlich auch die Zufallsfunde als eingriffsfremde Ergebnisse von Zwangsmaßnahmen unterworfen sein könnten, getan. Es bleibt im weiteren Verlauf der Untersuchung der Eingriffsstrukturen der Zwangsmaßnahmen abzuwarten, ob sich diese Hypothese belegen läßt. c) Führerscheinbeschlagnahme und vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ lIla Abs. 5 Satz 1)
Nach dieser mehr präventive Ziele verfolgenden Maßnahme 148 können als Einziehungsgegenstände Führerscheine nach § 94 Abs. 3 und Abs. 1 in Verwahrung genommen 149 oder nach § 94 Abs. 3 und Abs. 2 der Beschlagnahme unterworfen werden. 150 Liegen dringende Gründe für die Annahme vor, daß die Fahrerlaubnis entzogen werden wird (§ 69 StGB), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis, also die in dem Führerschein verkörperte Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen, nach § l11a vorläufig entziehen. Dieser Beschluß wirkt als Bestätigung der polizeilichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Beschlagnahme gemäß § 94 Abs. 3 und Abs. 2151 . Ist der Führerschein hingegen nicht beschlagnahmt oder sichergestellt worden, so ist der Beschluß nach § ll1a gleichzeitig Anordnung der Beschlagnahme 152. § l11a Abs. 5 Satz 1 verpflichtet - je nach Verfahrensstadium 153 - die Ermittlungsbehörden bzw. das Gericht zur Rückgabe des in amtlichen 148 Vgl. etwa Benfer Rdnr. 560; Janiszewski, Straßenverkehrs-Strafrecht Rdnr. 752; Roxin § 36 A I. 149 Eine Sicherstellung in "anderer Weise" scheidet bei Führerscheinen aus (vgl. nur Lau[hütte, in: KK, § Illa Rdnr. 15 a.E.); § 94 Abs. 1 meint die Sicherstellung als Zugriffsmöglichkeit, wobei eine Form der Sicherstellung die Begründung amtlichen Gewahrsams (ohne Zwang) darstellt. 150 § lIla betrifft nur Führerscheine, die als Einziehungsobjekte verwahrt werden; Führerscheine, die als Beweismittel, etwa wegen einer Fälschung, in amtlichem Gewahrsam sind, fallen nicht darunter; Meyer, in: LR, § lIla Rdnr. 48; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § l1la Rdnr. 69. 151 Vgl. § ll1a Abs. 3. 152 Zum Verhältnis zwischen § 94 und § Illa vgl. nur Roxin § 36 C 11 m. w. Nachw. 153 Rückgabepflichten entstehen in jedem Verfahrensabschnitt bis zur Rechtskraft eines Urteils (vgl. hierzu bezüglich § ll1a Benfer Rdnr. 575, der sich auf Eb. Schmidt
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Gewahrsam befindlichen Führerscheins. Diese Rückgabepflicht wird von unterschiedlichen Ursachen ausgelöst. Der Führerschein ist zurückzugeben, wenn der Richter die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11Ia ablehnt, weil seines Erachtens die dafür erforderlichen dringenden Gründe für die Annahme, daß die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden wird, nicht vorliegen. Sind die zunächst bejahten Voraussetzungen für den Beschluß der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr gegeben, so ist diese aufzuheben. Der Führerschein ist als Folge dieser Aufhebung zurückzugeben. Ein letzter Rückgabegrund liegt vor, wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Keine Rückgabepflicht hingegen, sondern lediglich die Möglichkeit, die (fällige) Rückgabe aufzuschieben, wenn im Urteil keine Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern lediglich ein Fahrverbot nach § 44 StGB verhängt worden ist, welches bei Eintritt des Fahrverbotes die amtliche Verwahrung nach § 44 Abs. 3 Satz 2 StGB des Führerscheines zur Folge hat, bietet § lIla Abs. 5 Satz 2 unter der Voraussetzung, daß der Beschuldigte nicht widerspricht. Bei erstmaliger Einfügung des § lIla in die Strafprozeßordnung durch das "Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs" vom 19. Dezember 1952154 waren Rückgabepflichten nicht normiert worden l55 . Auch in den amtlichen Begründungen zu diesem Gesetz 156 sind bezüglich der Rückgabe von Führerscheinen keine Ausführungen zu finden I57 • Auf die in der jetzigen Fassung des § 11Ia in Absatz 5 eingefügten Rückgabepflichten nimmt die Begründung des Regierungsentwurfes zum ,,2. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs" vom 27. September 1962158 Bezug. Zwar wird nicht ausdrücklich dargelegt, warum es für nötig erachtet worden ist, den rückgabeverpflichtenden Absatz 5 in § lIla Nachtrag 11, § ll1a Rdnr. 21 beruft; dort geht es jedoch um die Aufhebung des Beschlusses nach § ll1a, nicht um die Rückgabe des Führerscheines. 154 BGBI. I 832ff. 155 § ll1a a. F. lautete: ,,(1) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen werden wird (§ 42m des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigten durch Beschluß die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dies erforderlich ist, um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu schützen. (2) Die Befugnis zur Beschlagnahme eines von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerscheins bleibt unberührt. (3) In ausländischen Fahrausweisen ... (4) Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht." 156 Zum einen: Begründung der Bundesregierung zum "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr" vom 22. Juni 1951 (BT-Drs. 2674/1949); sowie: Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen vom 8. und 22. Oktober 1952 (BTDrs. 3774/1949). 157 Vgl. dazu im einzelnen die Begründungen und Anmerkungen zu § ll1a, insb. BTDrs. 2674/1949, 16f. und BT-Drs. 3774/1949,6. 158 BT-Drs. IV/651, 30f.
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aufzunehmen. Gleichwohl wird der tragende Grundgedanke an zwei Stellen deutlich: "Wird die vorläufige Entziehung wegen Fehlens ihrer Voraussetzungen abgelehnt, wird sie aufgehoben oder wird im Urteil die endgültige Entziehung nicht angeordnet, so entfällt zugleich die Rechtsgrundlage für die vorläufigen Maßnahmen nach § 94 StPO mit der Folge, daß dem Beschuldigten sein Führerschein zurückzugeben ist (Absatz 5 Satz 1). "159 "In der künftigen Praxis wird es bisweilen vorkommen, daß sich ein Führerschein zur Zeit der Verkündung des Urteils in amtlicher Verwahrung befindet, weil mit der Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechnen war, daß im Urteil aber nur auf ein Fahrverbot nach § 37 StGBI60 erkannt wird. Damit entfällt nach Absatz 5 Satz 1 der Grund für die weitere Verwahrung des Führerscheins. An dieser Rechtslage wird sich auch durch Gesetz nichts ändern lassen. Das Fahrverbot ist nur eine kurzfristige Denkzettelstrafe und läßt die Eignung des Verurteilten zum Führen von Kraftfahrzeugen unberührt. Es kann deshalb nicht durch eine vorläufige Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit vorweggenommen werden; das wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum vereinbar. Gleichwohl ist es oft nicht sinnvoll, dem Beschuldigten seinen Führerschein unmittelbar nach der Urteilsverkündung herauszugeben. Das gilt mindestens für die Fälle, in denen das Fahrverbot kurze Zeit später in Folge Ablaufs der Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelverzichts rechtskräftig wird. Der Führerschein müßte dann sofort wieder in amtliche Verwahrung genommen werden (§ 37 Absatz 3 Satz 2 StGB). Um solche kurzen Zeiträume zu überbrücken, läßt Absatz 5 Satz 2 zu, daß die Rückgabe des Führerscheins aufgeschoben wird, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht" .161
Insbesondere die Bemerkung in der amtlichen Begründung, daß eine Rechtslage, die dadurch gekennzeichnet ist, daß bei Wegfall des Rechtsgrundes der Führerschein zurückzugeben ist, sich durch Gesetz nicht ändern lasse, deutet darauf hin, daß Absatz 5 Satz 1 nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur aus deklaratorischen Gründen in § ll1a Eingang gefunden hat. Im einschlägigen Schrifttum wird zur Frage der Rückgabepflichten bei § ll1a zumeist entweder überhaupt nicht Stellung genommen 162 oder aber lediglich der Gesetzestext referiert 163 • Berger l64 hingegen hat bereits vor Inkrafttreten des § l11a festgestellt, daß ein Urteil, das eine Entziehung der 159 BT-Drs. IV/651, 30. 160 Gemeint ist § 37 a.F., jetzt § 44 StGB. 161 BT-Drs. IV/651, 31. 162 Trotz im übrigen ausführlicher Äußerungen zu § 111a etwa Bruns, GA 1954, 161ff.; Bender, DAR 1959, 260f.; Feiler, DAR 1953, 231f.; Fritz, MDR 1967, 723f.; Hartung, NJW 1965, 86ff.; Hentschel, MDR 1978, 185ff.; ders., DAR 1980, 168ff.; Holly, MDR 1972, 747ff.; Kaiser, NJW 1973, 493f.; Kleinknecht / Meyer § 111a Rdnr. 17; Lackner, JZ 1965, 92ff.; 120ff.; Laufhütte, in: KK, § l11a Rdnr. 18ff.; Lienen, DAR 1958, 261; Mohr, DAR 1960, 280ff.; Rößler, NJW 1953, 1820f.; Vogel, NJW 1954,1921; Wollentin / Breckerfeld, NJW 1966, 632ff. 163 Jagusch § l11a StPO Rdnr. 1ff.; Nüse, JR 1965, 41ff.; Warda, MDR 1965, Iff. 164 Berger, DAR 1954, 49, 53.
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Fahrerlaubnis nicht anordne, die Rückgabepflicht des Führerscheins auslöse, weil die "gesetzlichen Voraussetzungen der Maßnahmen weggefallen" seien 165 . Beachtenswert ist der argumentative Vergleich zwischen § 11Ia und § 123 a. F.166. Hierzu wird ausgeführt, § 123 a. F. verlange im Falle eines Freispruchs, daß der Haftbefehl gegen den freigesprochenen Angeklagten sofort aufzuheben sei und seine Freilassung durch die Einlegung eines Rechtsmittels nicht verzögert werden dürfe. § lIla entspreche in seiner Struktur dieser Regelung 167 . Hiergegen wird eingewandt, daß eine vergleichende Betrachtung schon an der Verschieden artigkeit der Schutzgüter scheitern müsse. Bei § 123 ginge es um den Schutz des Betroffenen, bei § lIla um den Schutz der Allgemeinheit. Zum anderen fehle in § 11Ia eine in § 123 Abs. 2 a.F.168 entsprechende Regelung, "etwa dahin, daß ein beschlagnahmter Führerschein zurückzugeben sei"169. Nach überwiegender Ansicht entsteht keine Rückgabepflicht, soweit der Führerschein freiwillig herausgegeben worden ist 170 . Die vorgenommene Sicherstellung bedürfe nämlich keiner richterlichen Bestätigung nach den §§ 98 Abs. 2, ll1a Abs. 3. Mangels Entscheidung nach § 111a durch den Richter könne damit auch keine Rückgabepflicht begründet sein 171 . Meyer 172 schließlich führt aus, daß die Strafprozeßordnung nicht bestimme, wann eine Beschlagnahme erlösche und wann und unter welchen Voraussetzungen sie aufzuheben sei. § 11Ia Abs. 5 regele nur die Rückgabe eines Führerscheins, 165 Ebenso Rüth, in: Müller Straßenverkehrsrecht, § l11a Rdnr. 5, der feststellt, daß in diesen Fällen die Gerichtsentscheidung "der Beschlagnahme des Führerscheins den Boden entziehe"; auch Warda, GA 1965, 65, 92; Dahs jun., NJW 1968, 632, 633 unterscheidet zwischen der Wegnahme des Führerscheins "an Ort und Stelle" und dem "weitere(n) Einbehalten des Führerscheins bis zur gerichtlichen Entscheidung"; da § lIla nicht wie § 127 ausgestaltet sei, maße sich die Polizei richterliche Befugnisse an, wenn sie den Führerschein in die Ermittlungsakten nehme, statt ihn herauszugeben; Dahs jun. will bei Sicherstellung eines Führerscheins innerhalb von 24 Stunden die richterliche Entscheidung nach § 111a herbeigeführt wissen; andernfalls sei der Führerschein herauszugeben. 166 Jetzt § 120. 167 Berger, DAR 1954, 49, 53. 168 Jetzt § 120 Abs. 2. 169 So etwa Hering, DAR 1954, 178, 179; OLG Oldenburg, DAR 1953, 215; a.A. hinsichtlich der Frage des Schutzbereiches HansOLG, JZ 1959, 377 (es gehe in beiden Normen um den Schutz der Interessen des Angeklagten); auf eine eher deklaratorische Wirkung des § lIla Abs. 4 a. F. weisen weiter hin OLG Karlsruhe, NJW 1960, 2113 und OLG Oldenburg, NJW 1963, 826. 170 Himmelreich / Hentschel, Fahrverbot, Rdnr. 226; Meyer, in: LR, § lIla Rdnr. 11; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111a Rdnr. 14; a. A. etwa eramer, Straßenverkehrsrecht I, § 69 StGB Rdnr. 62; auch Müller, in: KMR, § lIla Rdnr. 32. 171 Eine Entscheidung nach § 111a sei allerdings herbeizuführen, wenn der Beschuldigte seinen Führerschein herausfordere (Himmelreich / Hentschel, Fahrverbot, Rdnr. 226); auch Vogel, NJW 1954, 1921. 172 Meyer, in: LR, § 111a Rdnr. 50; so auch Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § lIla Rdnr. 71.
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nicht aber die Aufhebung der die Verwahrung begründenden Beschlagnahme. Da es jedoch "offenbar widersinnig" sei, die Beschlagnahme fortdauern zu lassen, obwohl der Führerschein zurückzugeben sei, so müsse angenommen werden, daß unter den Voraussetzungen des § 111a Abs. 5 die Beschlagnahme erlösche. Allgemeiner Auffassung entsprechend ist der Beschluß nach § 111a Abs. 1 Satz 1 bei Fortfall des Anordnungsgrundes von Amts wegen aufzuheben!73.
d) Beschlagnahme für Verfall, Einziehung und Gewinnabschöpfung (§ l11c Abs. 6) Ist ein beweglicher Gegenstand nach § 111b Abs. 2 beschlagnahmt, weil der Verfall im Sinne der §§ 73ff. StGB oder die Einziehung im Sinne der §§ 74ff. StGB in Verbindung mit Nebengesetzen (beispielsweise dem Betäubungsmittelgesetz) zu erwarten ist, kann gleichwohl nach § 111c Abs. 6 die Sache dem Betroffenen wieder ausgehändigt werden. Nach § 111c Abs. 6 Nr. 1 wird die Sache gegen sofortige Erlegung des Wertes zurückgegeben, nach § 111c Abs. 6 Nr. 2 wird sie dem Betroffenen unter dem Vorbehalt des Widerrufs und fakultativ unter Auferlegung einer Sicherheit oder sonstiger Auflagen bis zum Abschluß des Verfahrens zur Benutzung überlassen. Der vorwiegend den Interessen des Betroffenen dienende!74 § 111c Abs. 6 eröffnet nach allgemeiner Ansicht lediglich die Möglichkeit - nicht die Ptlicht!75 - der Rückgabe trotz Fortbestandes der Beschlagnahme. Zurückgegeben wird, weil der Sinn der §§ 111bff., der etwa bei der Sicherstellung für Verfallsgegenstände in der Sicherung der geforderten Abschöpfung kriminellen Gewinns 176 besteht, nicht gefährdet ist. Dies ergibt sich mittelbar auch aus § 111c Abs. 6 Satz 2, der besagt, daß der erlegte Betrag an die Stelle der Sache triW 77 . Da sich Sicherstellungen nach den §§ 94ff. und den §§ 111bff. strukturell unterscheiden, ins173 Janiszewski, Straßenverkehrs-Strafrecht, Rdnr. 755; Müller, in: KMR, § 111a Rdnr. 16; Schlüchter Rdnr. 323; Laufhütte, in: KK, § l11a Rdnr. 7; Warda, GA 1965, 65, 92; Werny, in: Draes / Kuckuk / Werny, § 111a StPO Rdnr. 5; zur str. Frage, ob das Gericht an den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Ermittlungsverfahren gebunden ist, vgl. verneinend AG Münster, MDR 1972, 166 m. w. Nachw. der allgemeinen Auffassung, bejahend hingegen Wittschier, NJW 1985,1324. 174 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 111c Rdnr. 12 ("Erleichterung für den Betroffenen"); Meyer, in: LR, § l11c Rdnr. 17; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § l11c Rdnr. 17. 175 § 111c Abs. 6 steht jedoch nicht in freiem, sondern pflichtgemäßem Ermessen der Vollstreckungsbehörde, vgl. dazu Müller, in: KMR, § lUc Rdnr. 4. 176 So für den Fall der §§ 73ff. StGB Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § lUb Rdnr. 2. 177 Das läßt sich weiterhin daraus schließen, daß § 111c Abs. 6 auch für Gegenstände, für die ein absolutes Veräußerungsverbot besteht (z. B. für das der Einziehung unterliegende Heroin eines Händlers) als nicht anwendbar angesehen wird; dazu Laufhütte, in: KK, § l11c Rdnr. 7.
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besondere verschiedene Zielrichtungen aufweisen 178 , kann die Rückgabemöglichkeit in § l11c Abs. 6 keine Geltung für bewegliche Gegenstände haben, die zugleich Beweisgegenstände darstellen und deshalb nach § 94 beschlagnahmt worden sind 179 • Damit handelt es sich bei § 111c Abs. 6 nicht um eine den Staat verpflichtende Eingriffsbereinigung im Sinne der eingangs gestellten Frage nach strafprozessual verankerten Restitutionspflichten. Rückgabe im Rahmen eines Austausches ist keine Bereinigung, sondern lediglich eine inhaltliche Veränderung. Ein strukturell ähnlicher Austausch ist in § 1111 Abs. 1 Satz 2 vorgesehen, wenn im Falle einer Notveräußerung nach § 1111 der Erlös der Veräußerung an die Stelle der Gegenstände tritt. Für Beweismittelgegenstände gibt es eine derartige Notveräußerung folgerichtig nicht 180 • e) Sicherheitsleistung bei der Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls (§ 123 Abs. 1 und Abs. 2) Nach § 123 Abs. 1 und 2 wird eine gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 4 geleistete Sicherheit frei, wenn der Haftbefehl aufgehoben wird (Abs. 1 Nr. 1) beziehungsweise die Untersuchungshaft, die erkannte Freiheitsstrafe oder die freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird (Abs. 1 Nr. 2). Anerkannt ist, daß mit Aufhebung des Haftbefehls die hinterlegte Sicherheit - soweit sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits verfallen ist (§ 124) - von selbst frei wird, sobald der Haftbefehl aufgehoben wird 181 • Dem nach allgemeiner Auffassung erforderlichen Gerichtsbeschluß, der die amtliche Verstrickung lösen soll, kommt nur deklaratorischer Charakter ZU 182 •
Dazu instruktiv Achenbach, NJW 1976, 1068ff.; auch Schlüchter Rdnr. 312. Unstr., vgl. Kleinknecht I Meyer § l11c Rdnr. 15; Lau[hütte, in: KK, § l11c Rdnr. 7; Meyer, in: LR, § l11c Rdnr. 17; Müller, in: KMR, § 111c Rdnr. 4; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111c Rdnr. 17. \80 Dazu vgl. Lampe, NJW 1975,195,197; Lau[hütte, in: KK, § 1111 Rdnr. 1; Kleinknecht I Meyer § 1111 Rdnr. 1; Müller, in: KMR, § 1111 Rdnr. 1; Meyer, in: LR, § 1111 Rdnr. 5; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 1111 Rdnr. 5. \81 OLG Frankfurt, NJW 1983,295; Boujong, in: KK, § 123 Rdnr. 7; Dünnebier, in: LR, § 123 Rdnr. 2, 29; Kleinknecht I Meyer § 123 Rdnr. 5; Müller, in: KMR, § 123 Rdnr. 1; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 123 Rdnr. 2. \82 OLG Stuttgart, MDR 1984, 164; Boujong, in: KK, § 123 Rdnr. 1; Müller, in: KMR, § 123 Rdnr. 1 ("klärende Entscheidung"); Eb. Schmidt Nachtrag I, § 123 Rdnr. 1; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 123 Rdnr. 24. 178
179
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
145
3. Restitution durch Freilassung von Personen
a) Haftbefehl (§ 120 Abs. 3 Satz 2 u. a.) Beantragt die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der öffentlichen Klage die Aufhebung eines Haftbefehls, so führt dies nach § 120 Abs. 3 Satz 1 obligatorisch zu seiner Aufhebung. Nach § 120 Abs. 3 Satz 2 kann gleichzeitig mit diesem Antrag die Freilassung des Beschuldigten angeordnet werden. § 120 Abs. 3 legt jedoch nicht ausdrücklich fest, daß der Beschuldigte freigelassen werden muß, wenn die Untersuchungshaftgründe weggefallen und deshalb nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Haftbefehl aufzuheben ist. Mittelbar ergibt sich dies allenfalls aus § 120 Abs. 2, der darauf hinweist, daß durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden darf. In gleicher Weise sind die Richtlinien in Nr. 55 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RiStBV zu verstehen, die ausdrücklich die sofortige Freilassung durch das die Verfahrensherrschaft innehabende Organ bei Aufhebung des Haftbefehls anordnen 183 • In der Literatur besteht Einigkeit, daß mit der Aufhebung des Haftbefehls der Untersuchungshaft die rechtliche Grundlage entzogen wird. Dies mache die sofortige Freilassung des Beschuldigten erforderlich l84 . Insbesondere Merz 185 hat im Streit um die Frage, ob nach Aufhebung des Haftbefehls in der Hauptverhandlung der Angeklagte wegen der Abwicklung der Entlassungsformalitäten in die Haftanstalt zurückgebracht werden dürfe 186 , hervorgehoben, daß die Entscheidung, die den Haftbefehl aufhebe, unmittelbar konstitutive Wirkung entfalte. Genausowenig wie ein Haftbefehl irgendwelche Freiheitsbeschränkungen vor seinem Erlaß rechtfertige, genausowenig rechtfertige er Freiheitsbeschränkungen über seinen Aufhebungszeitpunkt hinaus. 183 Kleinknecht / Meyer § 120 Rdnr. 7 sehen in dieser Vorschrift wohl allein eine Betonung der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als verantwortlicher Trägerin des Ermittlungsverfahrens. 184 Boujong, in: KK, § 120 Rdnr. 18; Dünnebier, in: LR, § 120 Rdnr. 29; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 120 Rdnr. 2 ("entfallen sämtliche Beschränkungen"); Eb. Schmidt Nachtrag 11, § 120 Rdnr. 2 (die "formelle Rechtsgrundlage" wird der Untersuchungshaft entzogen); so auch schon ders. zu den §§ 123,126 a.F., die dem jetzigen § 120 entsprechen, im Lehrkommentar § 123 Rdnr. 1.; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 120 Rdnr. 45 ("alsbald"). 185 Merz, NJW 1961, 1852f. 186 Eine Berechtigung auf der Grundlage der Abwicklung des vorhergehenden Haftverhältnisses nehmen an Kaiser, NJW 1967, 866 und ähnlich Müller, in: KMR, § 120 Rdnr. 3; eine bloße Möglichkeit, jedoch auf freiwilliger Basis sieht Dünnebier, in: LR, § 120 Rdnr. 29 (Entlassener ist als freier Mann zu behandeln); auch Boujong, in: KK, § 120 Rdnr. 18; Kleinknecht / Meyer § 120 Rdnr. 9; vgl. dazu insbesondere auch RiStBV Nr. 55 Abs. 2 Satz 2: "Jedoch kann der Hinweis an ihn (den freigelassenen Angeklagten, Anm. des Verfassers) angebracht sein, daß es sich empfiehlt, in die Anstalt zurückzukehren, um die Entlassungsformalitäten zu erledigen.".
10 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Die den Haftbefehl aufhebende Entscheidung beseitige mit sofortiger Wirkung die förmlichen Voraussetzungen für eine Freiheitsbeschränkung, da deren materiell-rechtliche Grundlage nicht oder nicht mehr bestehe. Nach allgemeiner Ansicht verliert der Haftbefehl seine Wirkung spätestens mit Abschluß des Verfahrens. So kann etwa der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte nicht auf Grund eines während des Strafverfahrens erlassenen, aber nicht vollzogenen richterlichen Haftbefehls zwecks Strafvollstreckung ergriffen werden, da dieser Haftbefehl mit dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens seine Bedeutung verloren hat 187 . Die Aufhebung des Haftbefehls erfolgt von Amts wegen 188 . Das ergibt sich auch bereits aus den Gesetzesmaterialien. So wird in den Motiven des Entwurfs zum § 112 Abs. 2 (im Gesetz § 123 Abs.2, jetzt § 120 Abs. 2)189 ausgeführt: "Bei der Bestimmung des Abs. 2, daß die gerichtlich verfügte Freilassung des Beschuldigten durch Einlegung eines Rechtsmittels nicht verzögert werden dürfe, ist der Entwurf der bestehenden preussischen Gesetzgebung (Verordnung vom 3. Januar 1849 § 157, Strafprozeßordnung von 1867 § 114) gefolgt. Man wird eine solche Vorschrift nicht als ein bloßes Zugeständniß zu Gunsten des Schutzes der persönlichen Freiheit, welches der inneren Berechtigung entbehre, erachten dürfen. Denn wenn das Gericht bei der Verhängung der Untersuchungshaft zu prüfen hat, ob ein hinreichender Verdacht in der Hauptsache und ein triftiger Grund zur Verhaftung vorliege, und die Untersuchungshaft erst eintreten kann, nachdem das Gericht diese Frage bejaht hat, so wird auch, falls das Gericht diese Voraussetzung der Haft nicht mehr für zutreffend erachtet, die Freilassung sofort erfolgen müssen."
Nach durchgehender Ansicht bedarf der Aufhebungsbeschluß bei Haft- und Unterbringungsbefehlen (nach den §§ 112ff., 126a Abs. 3) keiner Vollstrekkung im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1. Die Freiheitsentziehung beruhe in diesen Fällen auf dem (nunmehr aufgehobenen) richterlichen Aufhebungsersuchen 190 . Das Gericht habe daher zugleich mit dem Aufhebungsbeschluß die Freilassung des Beschuldigten anzuordnen. In ähnlicher Weise setzen auch andere Vorschriften des Haftrechts im Wortlaut inzident voraus, daß eine Entscheidung, einen Haftbefehl nicht mehr aufrechtzuerhalten, zur Freilassung des Beschuldigten führt: § 115 187 HansOLG Hamburg, NJW 1976, 2030 (Leitsatz), auf BVerfGE 9, 160, 161 verweisend; Wolfgang Müller, in: KK (1. Aufl.), § 457 Rdnr. 6; Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 7 m. w. Nachw.; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457 Rdnr. 10; Wetterich / Hamann, Strafvollstreckung, 151. 188 Boujong, in: KK, § 120 Rdnr. 4,28 ("stets"); Dünnebier, in: LR, § 120 Rdnr. 26, 56; Peters 409; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 120 Rdnr. 39; a. A. Müller, in: KMR, § 120 Rdnr. 11. 189 Hahn 135. 190 Dünnebier, in: LR, § 120 Rdnr. 28; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 120 Rdnr. 36 m. w. Nachw.; ders., JR 1978, 445, 447.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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Abs. 4 ("wird die Haft aufrechterhalten"), § 115a Abs. 3 Satz 1 ("wird der Beschuldigte nicht freigelassen"), § 117 Abs. 1 ("solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist"), § 118 Abs. 3 ("ist die Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung aufrechterhalten worden"), § 121 Abs. 1, 2 ("darf der Vollzug der Untersuchungshaft ... nur aufrechterhalten werden", "in den Fällen ... ist der Haftbefehl aufzuheben"), § 130 Satz 1,2 ("daß der Haftbefehl aufgehoben werden wird", "ist der Haftbefehl aufzuheben"). Der von dieser Struktur abweichende § 115a Abs. 2 Satz 3 enthält hingegen die unmittelbare Weisung, daß die ergriffene Person freizulassen ist, wenn sich bei Vernehmung im Rahmen der Vorführung vor dem nächsten Richter ergibt, daß der Haftbefehl aufgehoben oder der Ergriffene nicht die im Haftbefehl bezeichnete Person ist. Nach Auffassung der überwiegenden Literatur steht dem nach § 115a befaßten Richter allerdings nicht die Kompetenz zu, einen Haftbefehl aufzuheben l91 . § 115a basiert auf § 132 a.F., der bis zum "Gesetz zur Abänderung der StPO" vom 27. Dezember 1926 192 nach der Steckbrief-Regelung im damaligen § 131 eingestellt war. § 132 Abs. 2 Satz 2 a.F. besagt: "Weist er (der auf Grund Haftbefehls oder Steckbriefes Ergriffene 193 ) bei der Vernehmung nach, daß er nicht die verfolgte Person oder daß die Verfolgung durch die zuständige Behörde wieder aufgehoben sei, so hat der Amtsrichter seine Freilassung zu verfügen". Nach den Motiven des Entwurfs einer Strafprozeßordnung 194 sollte diese Vorschrift die möglichstbaldige Freilassung eines Ergriffenen für den Fall, daß "die Ergreifung auf einem thatsächlichen Irrthum beruhte", sichern.
b) Einstweilige Unterbringung (§ 126a Abs. 3) Mit der strafprozessualen Zwangsmaßnahme der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nach § 126a soll die Allgemeinheit vor allgemeingefährlichen Geisteskranken geschützt werden. Diese Maßnahme hat keinen verfahrenssichernden Charakter, sondern lediglich vorbeugende Wirkung im Hinblick auf eine Unterbringung nach den §§ 63,64 StGB195. Nach § 126a Abs. 3 Satz 1 ist der Unterbrin191 Vgl. Boujong, in: KK, § 115a Rdnr. 4; Dünnebier, in: LR, § 115a Rdnr. 12ff.; Kleinknecht / Janischowsky Rdnr. 178; Kleinknecht / Meyer § 1115a Rdnr. 3; Müller, in: KMR, § 115a Rdnr. 7; Eb. Schmidt Nachtrag 11, § 115a Rdnr. 7; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 115a Rdnr. 8ff.; a.A. für offenbar schwere Mängel Dreves, DRiZ 1965, 110, 113; Enzian, NJW 1973, 838; Schräder, NJW 1981, 1425ff.; Seelzen, NJW 1972, 1889f. 192 RGBI. 1529. 193 Anmerkung des Verfassers. 194 Hahn 137. 195 Vgl. nur Boujong, in: KK, § 126a Rdnr. 1; auch Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 126a Rdnr. 1.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
gungsbefehl aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für diesen entfallen oder wenn das Gericht im Urteil eine Unterbringung nach den §§ 63,64 StGB nicht angeordnet hat. § 126a Abs. 3 Satz 2 - der § 120 Abs. 2 nachgebildet ist -legt fest, daß die Freilassung des Untergebrachten nicht durch die Einlegung eines Rechtsmittels aufgehalten werden darf. Wie sich aus der in § 126a Abs. 3 Satz 3 enthaltenen Verweisung auf § 120 Abs. 3 ergibt, führt auch der Umstand, daß die Staatsanwaltschaft vor Erhebung der Klage die Aufhebung des Unterbringungsbefehls beantragt, zur Freilassung des Untergebrachten. c) Vorläufige Festnahme (§ 128 Abs. 1 Satz 1) § 128 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, daß der Festgenommene, "sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird" , dem Richter vorgeführt werden muß. Dünnebierl96 bemerkt hierzu, dieser Zwischensatz zeige, daß die vorläufige Festnahme bei Wegfall der Festnahmegründe zu beenden sei. Zwar werde der ausdrückliche Gesetzesbefehl des § 120 Abs. 1, die Untersuchungshaft zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlägen oder sie außer Verhältnis zu der zu erwartenden Sanktion stünde, für die vorläufige Festnahme in § 127 nicht wiederholt. Dies sei aber "selbstverständlich, weil ohne Festnahmegrund keine Festnahme bestehen bleiben" dürfe 197 • Ein vorläufig Festgenommener sei, unabhängig davon, ob er von der Polizei, einem Privatbürger oder der Staatsanwaltschaft vorläufig festgenommen worden sei, freizulassen, soweit die Festnahmegründe zu Unrecht angenommen worden, nachträglich weggefallen seien oder die Inhaftierung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße 198 • Für die Staatsanwaltschaft soll dies bereits aus § 120 Abs. 3, wonach sogar ein schon erlassener Haftbefehl auf Antrag aufgehoben werden müsse, folgen 199 •
Der heutige § 128 Abs. 1 Satz 1 lautete im Entwurf der Strafprozeßordnung vom 29. Oktober 1874200 zunächst noch: ,,§ 117. Der Festgenommene ist unverzüglich dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem die Festnahme erfolgt ist, vorzuführen ... "
196 Dünnebier, in: LR, § 128 Rdnr. 1; so auch Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 120 Rdnr.1. 197 Dünnebier, in: LR, § 128 Rdnr. 1; im Ergebnis auch Kleinknecht / Meyer § 128 Rdnr. 1; ebenfalls Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 120 Rdnr. 1. 198 Boujong, in: KK, § 128 Rdnr. 2 sowie § 127 Rdnr. 42; der Entscheidung RGSt 69, 298f. liegt ein Fall der Freilassung durch einen Polizeiverwalter (Bürgermeister) nach Festnahme durch eine Privatperson zu Grunde. 199 Boujong, in: KK, § 128 Rdnr. 10; Kleinknecht / Janischowsky Rdnr. 328; Müller, in: KMR, § 128 Rdnr. 5. 200 Hahn 18.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
149
In der Ersten Lesung in der Kommission201 fragte der Abgeordnete von Puttkamer an, "ob denn derjenige Privatmann oder Polizeibeamte, welcher eine Person in flagranti festgenommen, diese nicht, ohne sie dem Amtsrichter vorzuführen sofort wieder freilassen könne''202. Da er "keine Bedenken" habe, "dies mit dem bisherigen preussischen Gesetz zu gestatten", beantragte er, § 117 so zu fassen: "Der Festgenommene ist unverzüglich entweder in Freiheit zu setzen oder dem Amtsrichter des Bezirks ... "
Der Antrag wurde "vorbehaltlich der Redaktion" nach Einverständnis der Abgeordneten von Jagow, Reichensperger, Miqul, Herz und des Geheimen Oberregierungsrates Hanauer angenommen203 .
d) Festhalten zur Identitätsfeststellung (§ 163c Abs. 1 Satz 1) .Nach § 163c Abs. 1 Satz 1 ist die Beschränkung der persönlichen Freiheit aufzuheben, soweit sie nicht mehr unerläßlich ist. Meyer204 versteht unter diesem Begriff soviel wie "unverzichtbar". Sei die Festhaltung für die Identitätsfeststellung nicht mehr erforderlich, so müsse der Festgehaltene auf freien Fuß gesetzt werden205 . Auch sei er nicht nur dann zu entlassen, wenn seine Identität festgestellt worden seF06, sondern schon vorher, nämlich wenn das Festhalten zur Identitätsfeststellung nicht mehr beitragen könne. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Identität zwar nicht festgestellt, der Betroffene jedoch schon durchsucht und erkennungsdienstlich behandelt worden sei207 .
e) Festnahme und Festhalten von Störern (§ 164) Zum Schutze von strafprozessualen Amtshandlungen in allen Verfahrensabschnitten gegen Störungen und Widergesetzlichkeiten werden durch § 164 den zuständigen Organen - Richtern, Staatsanwälten oder Polizeibeamten208 47. Sitzung vom 24. Juni 1875. Hahn 691. 203 Hahn 691; nach der Redaktion lautete der § 117: "Der Festgenommene ist unverzüglich, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, dem Amtsrichter ... "(vgl. Hahn 2196). 204 Kleinknecht / Meyer § 163c Rdnr. 1 ("unverzichtbar"). 205 Kleinknecht / Meyer § 163c Rdnr. 1; Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 2. 206 Rieß, in: LR (24. Aufl.) , § 163c Rdnr. 3 sieht diesen Zeitpunkt als äußerste Grenze der Zulässigkeit an. 207 Vgl. etwa Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 2; auch Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 1; a.A. Kurth, NJW 1979,1377, 1379f.; zu den ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren des StPÄG 1978 vorliegenden Fassungen des § 163c Abs. 1 Satz 1, die die Entlassungspflicht an die Feststellung der Identität knüpften, vgl. nur die Aufstellung bei Rieß, in: LRErgBd, § 163b Rdnr. 5, 6. 201
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Zwangsbefugnisse zur Festnahme und zum Festhalten von Störem eingeräumt209 • Der jeweils von einer Maßnahme nach § 164 Betroffene darf im Rahmen der Höchstgrenze (nächstfolgender Tag) bis zur Beendigung der Amtsverrichtung festgehalten werden. Soweit sich Rechtsprechung und Schrifttum mit dieser Norm auseinandersetzen 21o , besteht Einigkeit, daß die Festhaltung sofort aufzuheben ist, sobald die Amtshandlung beendet ist 211 • Sie darf auch nicht etwa als Strafmaßnahme gegen den Störer fortgesetzt werden 212 • Dies soll auch bei einer Unterbrechung von Amtshandlungen gelten 213 • Rainer Müller214 führt hierzu als Beispiel an, daß bei einer Durchsuchung während der Nachtstunden, die nach entsprechender Sicherung der noch nicht durchsuchten Räume unterbrochen wird, der Störer - selbst unter der Gefahr, daß er am nächsten Tag wieder in gleicher Weise tätig werden könnte - nunmehr auf freien Fuß zu setzen sei. Am nächsten Tag müsse dann geprüft werden, ob (wiederum) gegen den Störer vorgegangen werden müsse. Aus den Motiven zur Strafprozeßordnung geht hervor, daß der Gesetzgeber die Beendigung - gegebenenfalls auch Unterbrechung - einer Amtshandlung als entscheidenden Entlassungszeitpunkt angesehen hat. Der heutige § 164 lautete im Entwurf der Strafprozeßordnung vom 29. Oktober 1874215 als § 142: "Bei Amtshandlungen an Ort und Stelle ist der Beamte, welcher dieselben leitet befugt, Personen, welche seine Thätigkeit vorsätzlich stören oder sich seinen Anordnungen widersetzen, festnehmen und bis zur Beendigung seiner Amtsverrichtung, jedoch nicht über den nächstfolgenden Tag hinaus, festhalten zu lassen."
Während sich in dem Motiv des Entwurfs zu dieser Norm nur ein Satz finden läßt216 , wurde in der Ersten Lesung der Kommission des Reichstages im Verlauf der Beratungen zu § 142 vom Abgeordneten Dr. BähT der Antrag gestellt, statt der Wendung "bis zur Beendigung seiner Amtsverrichtung, Vgl. nur Eb. Schmidt II, § 164 Rdnr. 1. Kleinknecht / Meyer § 164 Rdnr. 1; Meyer-Goßner, in: LR, § 164 Rdnr. 1; Rainer Müller, in: KK, § 164 Rdnr. 1. 210 Die Geringfügigkeit der Auseinandersetzung stellen Eb. Schmidt, NJW 1969,393 und später Geerds, in: Maurach-FS, 517f. fest. 211 BayOLGSt 1962, 316, 319 (auch Leitsatz I); OLG Celle, MDR 1955, 692; Geerds, in: Maurach-FS, 517, 524, 532; Kühne Rdnr. 223; Meyer-Goßner, in: LR, § 164 Rdnr. 17; Müller, in: KMR, § 164 Rdnr. 2; Rainer Müller, in: KK, § 164 Rdnr. 9; Puls, NJW 1969,1016; Eb. Schmidt II, § 164 Rdnr. 6 m. w. Nachw.; ders., NJW 1969, 393,1017, 1018. 212 Rainer Müller, in: KK, § 164 Rdnr. 9 m. w. Nachw. 213 Benfer Rdnr. 447; Geerds, in: Maurach-FS, 517, 524; Kleinknecht / Meyer § 164 Rdnr. 5; Meyer-Goßner, in: LR, § 164 Rdnr. 17; Rainer Müller, in: KK, § 164 Rdnr. 9. 214 Rainer Müller, in: KK, § 164 Rdnr. 9. 215 Hahn 21. 216 Hahn 148: "Diese Vorschrift bezweckt die Aufrechterhaltung der Ordnung bei Untersuchungshandlungen außerhalb der Gerichtsstelle und bedarf keiner näheren Begründung. ". 208
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jedoch nicht über den nächstfolgenden Tag hinaus" die Worte zu setzen "bis zur Beendigung der betreffenden Amtshandlung"217. Bähr führte zur Begründung aus, daß § 142 lediglich die Abwehr von Störungen bezwecke. Es gehe darüber hinaus, "wenn man den Störenden bis zum Abend des folgenden Tages in Haft halten könne: Es genüge, ihn bis zum Ende derjenigen Handlung einzubehalten, die er gestört habe"218. Hanauer hielt dem entgegen: "Der Antrag Bähr gehe weiter als der Entwurf: Wenn die Amtshandlung bis über den auf die Störung folgenden Tag dauere, würde der Störende nach dem Entwurf freigelassen, nach dem Antrage Bähr noch ferner in Haft behalten werden müssen"219. Bähr erwiderte, "daß die Amtshandlung zum Beispiel Sektion, Zeugenvernehmung bei Diebstählen, nicht die Nacht hindurch dauern werde. Werde am Abend aufgehört, so könne der Störende am Abend entlassen werden, bis zu einer erneuten Störung"220. Abgeordneter Dr. Schwarze wies darauf hin, daß die "besonders praktischen Fälle des § 142" nicht Sektionen oder Diebstähle seien. § 142 komme "hauptsächlich zur Anwendung bei Landfriedensbruch, Exzessen einer ganzen Gemeinde, die einen Wald devastiere u. dgl. "221. Vorschriften anderer Prozeßordnungen gingen im übrigen noch weiter. Insgesamt sei notwendig, "daß der die Amtshandlung Vornehmende sich dagegen sichern könne, daß seine Thätigkeit, die sich nicht auf einzelne Akte und Vernehmungen beschränke, nicht gestört oder unmöglich gemacht werde. Der Antrag Bähr gehe in einer Richtung zu weit, indem er die Amtshandlung allein als maßgebend betrachte"222. Der Antrag des Abgeordneten Bähr wurde abgelehnt223 . § 142 wurde ohne weitere Diskussionen als § 162 in der am 1. Februar 1877 erlassenen Strafprozeßordnung eingestellt224 . 4. Restitution durch Aufbebung und Rücknahme einer Maßnahme
a) Beschlagnahme von Druckwerken (§ ll1n Abs. 2 und 3) § 111n ist eine Sondernorm, die die Beschlagnahmevorschrift des § 111b Abs. 1 für den Fall der Beschlagnahme von Druckwerken ergänzt. § 111n Abs. 2 Satz 1 regelt die Aufhebung einer derartigen Beschlagnahme, die bei Ablauf der wegen des Umfangs der Ermittlungen zweimalig verlängerbaren Zweimonatsfrist, wenn nicht Klage erhoben beziehungsweise selbständige Hahn 724. Hahn 725. 219 Ebd. 220 Ebd. 221 Ebd. 222 Ebd. 223 Ebd. 224 Vgl. davor noch 2. Lesung der Kommission, Hahn 1306, 2. Beratung im Plenum, Hahn 1859 und 3. Beratung im Plenum, Hahn 2096. 217
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Einziehung beantragt worden ist, erfolgt. Nach § 111n Abs. 3 kann die Staatsanwaltschaft eigenständig die Aufhebung der Beschlagnahme beantragen. Da das Gericht diesem Antrag stattzugeben hat ("ist aufzuheben"), sind nach allgemeiner Auffassung die betreffenden Schriften und Gegenstände bereits vor dem Aufhebungsbeschluß freizugeben 225 • Die Gegenstände sind ebenfalls sofort freizugeben, wenn die Beschlagnahmeanordnung aufgehoben ist, es sei denn, die Anordnung der Beschlagnahme seitens eines anderen Gerichtes liege vor226 • Auch ist die Beschlagnahme, den allgemeinen Regeln entsprechend, aufzuheben, wenn die Gründe für die Anordnung fortgefallen sind. Dies soll vorliegen, wenn beispielsweise der Tatverdacht entfällt oder keine dringenden Gründe mehr für die Annahme sprechen, daß eine Einziehung oder Unbrauchbarmachung nach § 74d Abs. 1 StGB angeordnet werden könnte 227 • Nach Auffassung des Schrifttums muß in jedem Fall die Beschlagnahme durch Gerichtsbeschluß förmlich aufgehoben werden 228 •
b) Vorläufiges Berufsverbot (§ 132a Abs. 2) § 132a ermöglicht den Vorgriff auf ein Urteil, welches nach § 70 StGB ein Berufsverbot ausspricht. Ein derartiges Berufsverbot kann nur im (normalen) Strafverfahren oder im Sicherungsverfahren (§ 71 StGB i.V.m. §§ 413ff.) angeordnet werden. Durch die Zwangsmaßnahme des § 132a werden dem Beschuldigten dieselben Rechte vorläufig genommen, die ihm später im Urteil endgültig entzogen werden. Da die Norm vor allem den Schutz der Allgemeinheit bezweckt229 , handelt es sich im Grunde um eine präventiv-polizeiliche Maßnahme 230 •
Nach § 132a Abs. 2 ist das vorläufige Berufsverbot aufzuheben, wenn sein Grund weggefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil das Berufsverbot nicht anordnet. Hierzu wird im Schrifttum gesagt, daß § 132a nur die Voraussetzungen regele, unter denen die Anordnung wieder aufzuheben sei. Selbstverständlich erlösche die Anordnung ohne weiteres, wenn das Urteil, durch das 225 Kleinknecht / Meyer § 111n Rdnr. 14 (analog § 120 Abs. 3); Laufhütte, in: KK, § 111n Rdnr. 13; Meyer, in: LR, § 111n Rdnr. 24 (§ 111n Abs. 3 entspricht im wesentlichen § 120 Abs. 3 Satz 1); Müller, in: KMR, § 111n Rdnr. 12; ähnlich Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111n Rdnr. 22. 226 Meyer, in: LR, § 111n Rdnr. 25; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.) , § 111n
Rdnr.23. 227 Meyer, in: LR, § 111n Rdnr. 15; Müller, in: KMR, § 111n Rdnr. 9 (Verweisung auf al1gemeine AufhebungsgTÜnde); Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111n Rdnr. 15. 228 Meyer, in: LR, § 111n Rdnr. 21 m. w. Nachw.; auch Müller, in: KMR, § 111n Rdnr. 11; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111n Rdnr. 21. 229 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 2. 230 Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 1; Möller, diss. iur. Bonn 1982, 190f.; Wolter, ZStW 93 (1981), 452, 484ff.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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ein Berufsverbot endgültig angeordnet worden sei, rechtskräftig werde231 . Wie bei § ll1a sei eine (zusätzliche) Aufhebung der Maßnahme dann nicht mehr erforderlich232 • Die Aufhebung der Anordnung nach § 132a habe zur Folge, daß der Beschuldigte den Beruf oder das Gewerbe, dessen Ausübung ihm vorläufig verboten war, sofort wieder ausüben dürfe233 • Die Frage, ob gegebenenfalls die Gründe für die Anordnung eines vorläufigen Berufsverbotes weggefallen sind, muß von Amts wegen während des gesamten Verfahrens geprüft werden234 • Zuständig ist dafür im Rahmen des Vorverfahrens das die Anordnung nach § 132a treffende Amtsgericht, sodann das mit der Sache jeweils befaßte Gericht235 • Das Revisionsgericht entscheidet hierbei allerdings über die Maßnahme nach § 132a nur dann, wenn es das Berufsverbot endgültig aufhebt oder das Verfahren einstellt236 • Ein Wegfall der Gründe kann vorliegen, wenn sich das Verfahren so lange hinzieht, daß für die Annahme, das erkennende Gericht werde die Maßregel noch für erforderlich halten, keine große Wahrscheinlichkeit besteht. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Beschuldigte schon in einer, die Wiederholungsgefahr ausschließenden Weise beeindruckt ist237 • Wird eine Maßregel nach § 70 StGB im Urteil nicht angeordnet, so ist das Berufsverbot "selbstverständlich" aufzuheben238 • Eine Aufhebung wegen Wegfalls des Anordnungsgrundes ist sowohl im Berufungsverfahren239 , als auch im Revisionsverfahren möglich240 • 231 Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 11 ("aus der Natur der Sache folgt" das Erlöschen "ohne formelle Aufhebung"); Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 15; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 15. 232 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 15; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 15. 233 Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 11; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 15; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 15. 234 LG Hamburg, MDR 1973, 957, 958 bzgl. § ll1a; Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 12; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 16; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 132a Rdnr. 7 ("im Auge behalten"); Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 16; Möller, diss. iur. Bonn 1982, 125. 235 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 20; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 20. 236 Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 14; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 20; Kleinknecht / Meyer § 132a Rdnr. 13; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 20; Müller, in: KMR, § 132a Rdrtr. 8. 23? Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 16; ähnlich wohl Boujong, in: KK, § 132a Rdnr. 12. 238 Ausdrücklich Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 19; vgl. auch Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 19 (§ 132a Abs. 2 gehe über diesen - selbstverständlichen - Fall hinaus und bestimme, daß dies auch schon der Fall sein solle, wenn das betreffende Urteil noch nicht rechtskräftig sei; dies gelte auch, soweit das Verfahren in gleicher Weise durch eine Beschluß - und nicht durch ein Urteil- ende). 239 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 17; enger noch Meyer, in: LR, § 132a Rdnr. 17 ("nur dann aufzuheben, wenn wegen der ungewöhnlich langen Dauer des Rechtsmittelsverfahrens" keine genügende Wahrscheinlichkeit für ein Berufsverbot mehr bestünde). 240 Wobei str. ist, ob die vorläufige Maßnahme aufzuheben ist, wenn während des Revisionsverfahrens die im letzten tatrichterlichen Urteil festgelegte Frist verstrichen
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
c) Vermögensbeschlagnahme (§ 293 Abs. 1)
Um die Gestellung eines Abwesenden, gegen den öffentliche Klage erhoben ist und Verdachtsgründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden, herbeizuführen, ermöglicht § 290, das im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung befindliche Vermögen zu beschlagnahmen. Die nach § 291 im Bundesanzeiger zu veröffentlichende Beschlagnahme bewirkt mit dem Zeitpunkt der Bekanntmachung nach § 292 Abs. 2 ein absolutes Verfügungsverbot, das gegen jedermann und ohne Rücksicht auf den guten Glauben eines Dritten wirkt241 • Der alleinige Zweck der Vermögensbeschlagnahme nach § 290 liegt in der Erzwingung der Gestellung des Abwesenden und damit in der Durchführung der Hauptverhandlung242 • Dem Beschuldigten sollen insbesondere die Mittel zum weiteren Fernbleiben entzogen werden. Diese Maßnahme bezweckt dagegen nicht die Sicherung eines Strafanspruches243 • Als weitere Möglichkeit, das gesamte im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung befindliche Vermögen zu beschlagnahmen, sieht § 443 die Vermögensbeschlagnahme vor, wenn öffentliche Klage erhoben oder ein Haftbefehl erlassen worden ist, wobei es sich in beiden (alternativen) Fällen um Tatbestände bestimmter Staatsschutzdelikte (§§ 81 - 83 Abs. 1, §§ 94, 96 Abs. 1, §§ 97a, 100 StGB) handeln muß. Der des Hoch- oder Landesverrats Verdächtige soll mittels dieser Zwangsmaßnahme gehindert werden, sein Vermögen während des Verfahrens zu weiteren einschlägigen Straftaten zu verwenden oder es anderen zu diesem Zweck zu überlassen 244 • Der Zweck dieser - im übrigen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht unbedenklichen 245 Vorschrift liegt gleichfalls nicht darin, eine noch zu verhängende Strafe zu sichern 246 . ist und nur der Angeklagte Revision eingelegt hat; vgl. dazu weiter Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 132a Rdnr. 18 mit Hinweisen auf § 111a unter Herausstellung der Unterschiede. 241 Engelhardt, in: KK, § 292 Rdnr. 1 m. w. Nachw.; Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 292 Rdnr. 2. 242 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 290 Rdnr. 1 m. w. Nachw.; Müller, in: KMR, § 290 Rdnr. 3; Eb. Schmidt 11, § 290 Rdnr. 1; aus neuerer Zeit Hilger, NStZ 1982, 374, 375, der allerdings die mit diesem Zweck insoweit nicht verbundenen positiven Auswirkungen für Gläubiger besonders hervorhebt. 243 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 290 Rdnr. 1. 244 BGHSt 19,1,2 (zu § 433 a. F.); Hanack, JZ 1974, 54, 58; Paulus, in: KMR, § 443 Rdnr. 1; Roxin § 66 B nennt als zu verhindernde Vorgänge das Treiben von Propaganda, die Vornahme von Bestechungen und das Anwerben von Mördern und Truppen; Schäfer, in: LR, § 443 Rdnr. 1; Eb. Schmidt 11, § 433 (a.F.) Rdnr. 3; ders. Nachtrag 11, § 433 (a.F.) Rdnr. 1; ähnlich Gössel, in: LR (24. Aufl.), § 443 Rdnr. 1. 245 Insbesondere Hanack, JZ 1974, 54, 58; Roxin § 66 B. 246 § 443 bildet keine Vorstufe zu Verfall oder Einziehung, vgl. Kleinknecht / Meyer vor § 430 Rdnr. 12; auch Boujong, in: KK, vor § 430 Rdnr. 8.
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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Für beide Formen der Vermögensbeschlagnahme sieht § 293 Abs. 1 vor, daß die Maßnahme aufzuheben ist, wenn ihre Gründe weggefallen sind (§ 293 Abs. 1 i.V.m. § 290 und § 293 Abs. 1 i.V.m. § 443 Abs. 1 und 3). Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes247 bedeutet dies für den Fall einer Vermögensbeschlagnahme nach § 443, daß der Beschuldigte mit Erlaß des Urteils, welches in den in § 443 aufgeführten Fällen sogleich rechtskräftig werde, die Befugnis zurückerhalte, über sein Vermögen zu verfügen. Im Schrifttum wird § 293 dahingehend verstanden, daß die Beschlagnahme vom Gericht aufzuheben sei, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien, insbesondere wenn sich der Angeklagte gestellt habe oder verhaftet worden sei248 • Aufzuheben sei die Beschlagnahme auch, wenn nicht mehr erwartet werden könne, daß ihre Fortdauer den Angeschuldigten noch zur Rückkehr bewegen werde 249 , auch wenn die Gestellung unmöglich werde 25o , wenn er verstorben sei251 , ebenso wenn das Verfahren wegen anderer Gründe endgültig nicht weiterzuführen sei (etwa wegen eines Verfahrenshindernisses oder einer Amnestie )252, schließlich nach Ermessen des Gerichts auch noch aus anderen GrÜnden 253 • Gollwitzer254 sieht einen Fortfall der Voraussetzungen gegeben bei Ausräumung des Tatverdachts durch die Untersuchung, bei Entfallen des Haftgrundes, bei Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft oder wenn der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt worden ist, wenn das Verfahren wegen Eintritts eines Verfahrenshindernisses (etwa Amnestie) oder wegen FeststeIlens eines übersehenen Verfahrenshindernisses (zum Beispiel Strafantrag) oder wegen Verjährung eingestellt worden ist, schließlich bei Ergreifung des Abwesenden oder dessen Tod. Nach Eberhard Schmidt255 ist die nach § 443 erfolgte Beschlagnahme gemäß § 293 aufzuheben, wenn der Durchführung des Verfahrens ein unbehebbares Verfahrenshindernis entgegensteht, wenn der Beschuldigte stirbt, wenn der Haftbefehl ohne Anklageerhebung aufgehoben wird, wenn der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt oder wenn das Verfahren aus sachlichen Gründen eingestellt wird, schließlich bei rechtskräftigem Freispruch oder rechtskräftiger Verurteilung. Hinsichtlich § 443 führt Schäfer256 aus, daß die Wirkung der Beschlagnahme kraft Gesetzes BGHSt 19, 1,3; auch Peters § 48 A IV 2. Engelhardt, in: KK, § 293 Rdnr. 1; Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 293 Rdnr. 1 (mit zahlreichen Unterteilungen); Müller, in: KMR, § 293 Rdnr. 1; Roxin § 60 B 11. 249 HansOLG Hamburg, HRR 1935 Nr. 1572. 250 Roxin § 60 B 11. 251 Peters § 48 A IV 1 bezüglich § 290. 252 Müller, in: KMR, § 293 Rdnr. 1. 253 Müller, in: KMR, § 293 Rdnr. 1; auch Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 293 Rdnr. 2; Eb. Schmidt 11, § 293 Rdnr. 1. 254 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.) wie auch schon in der Vorauflage, § 293 Rdnr. 1 an Eb. Schmidt 11, § 293 Rdnr. 1 anschließend. 255 Eb. Schmidt 11,433 (a. F.) Rdnr. 12. 256 Schäfer, in: LR, § 443 Rdnr. 7; auch Gössel, in: LR (24. Aufl.), § 443 Rdnr. 8. 247
248
156
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
spätestens mit der Rechtskraft der das Verfahren beendigenden Entscheidungen aufhöre. Das Verfahrensende hat für § 443 im Verständnis Schäfers konstitutive Wirkung. Dies geht aus der Bemerkung hervor, zur Kundmachung des Beschlagnahmeendes nach außen bedürfe es. "eines die Beendigung der Beschlagnahme deklaratorisch aussprechenden Beschlusses"257. Wie aus den Materialien ersichtlich ist, hat der Gesetzgeber die Aufhebung einer Vermögensbeschlagnahme bei Grundfortfall als eine von Amts wegen zu erfüllende Pflicht verstanden. § 293 Abs. 1 lautete bereits im Entwurf der Strafprozeßordnung als damaliger § 282 (später § 335)258: "Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn die Gründe derselben weggefallen sind."
In den Motiven des Entwurfs heißt es zu dieser Wendung schlicht259 : "Die Vermögensbeschlagnahme muß aufhören, sobald ihr Zweck, die Gestellung des Beschuldigten, erreicht ist, oder die Untersuchung aus irgend einem Grund beendet wird (§ 282)."
In der umfangreichen und andauernden Diskussion um das Institut der Vermögensbeschlagnahme schlechthin260 wurde die Frage des Grundes sowie des Zeitpunktes der Aufhebung der Beschlagnahme kurz gestreift. So führte etwa der Regierungsvertreter Hanauer261 aus, "daß es jeden Augenblick in der Hand des von ihr (der Vermögensbeschlagnahme262 ) Betroffenen liege, zurückzukehren und dadurch die Aufhebung der Beschlagnahme zu bewirken. Er konstatire in dieser Hinsicht in Uebereinstimmung mit den übrigen anwesenden Regierungsvertretern, daß, nachdem der Absicht des Entwurfs gemäß die Beschlagnahme cessire, sobald die Gründe, auf denen sie beruhe, fortgefallen seien, durch das Aufhören der Abwesenheit durch Gestellung des Angeklagten einen Aufhebungsgrund bilde; ebenso könne auch derjenige, welcher die Befreiung von dem Haftbefehl durch Sicherheitsbestellung erreiche, die Aufhebung der Beschlagnahme fordern." Vom Abgeordneten von Schwarze263 wurden als Gründe des Wegfalls des Anordnungsgrundes der Beschlagnahme genannt, "daß der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt würde, ... , die Fälle der Verjährung und des Todes des Beschuldigten, resp. dessen Sistierung." Der Vorsitzende der Kommission, der Abgeordnete Miquel, merkte hierzu an264 : Schäfer, in: LR, § 443 Rdnr. 7; ebenso Gössel, in: LR (24. Aufl.) , § 443 Rdnr. 8. Hahn 36. 259 Hahn 241. 260 In der Zweiten Lesung der eingesetzten Kommission, 156. Sitzung vom 26. Juni 1876 und 157. Sitzung vom 28. Juni 1876, vgl. Hahn 272. 261 Hahn 1473. 262 Anmerkung des Verfassers. 263 Hahn 1480. 264 Ebd. 257 258
1. Abschn.: I. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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"Er wolle zur KlarsteIlung der Sache, noch das bemerken, nach § 282 müsse die Beschlagnahme aufgehoben werden, wenn die Gründe derselben weggefallen sind. Voraussetzung und Grund der Beschlagnahme sei das Vorliegen von Verdachtsgründen derselben Stärke, wie solche einen Haftbefehl rechtfertigen. Wenn sich nun im Laufe der Voruntersuchungen ergebe, daß solche genügenden Verdachtsgründe in der That doch nicht vorliegen, so müsse die Beschlagnahme auch wieder aufgehoben werden, was aber mit der Einstellung des Verfahrens resp. mit dem Beschluß, den Beschuldigten außer Verfolgung zu setzen, keineswegs zusammenfallen müsse, sondern unabhängig hiervon zuvor schon geschehen könne, unter Umständen also geschehen müsse."
Daß die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme ausschließlich von dem Vorliegen der entsprechenden Anordnungsgründe abhängig sein sollte, kommt auch durch die Ausführungen von Schwarzes265 zum Ausdruck: "Einverständniß herrsche über Alles, nur nicht über den Ausgang des Verfahrens resp. der Beschlagnahme. Der Vorredner (MiquN) meine, wenn das Gericht die vorläufige Einstellung beschließe, dann müsse es die Beschlagnahme aufheben: Das sei nicht in dem Beschlusse begründet. Nach dem Zweck des Beschlusses müsse, wenn das Gericht die vorläufige Einstellung beschließe, zunächst gerade wie wenn es ausspräche "wir würden den Beschuldigten zur Hauptverhandlung verweisen, wenn er da wäre", die Beschlagnahme aufrecht erhalten werden, dafern nicht im einzelnen Falle, was dem richterlichen Ermessen anheim zu geben sei, die Beschlagnahme als nicht mehr nöthig erscheine."
Hanauer266 faßte zusammen: "Der Vorsitzende (Miquel) habe mit Recht gesagt, die Beschlagnahme müsse aufgehoben werden, wenn Verdachtsgründe für einen Haftbefehl nicht mehr vorliegen; andererseits habe auch Abgeordneter Dr. von Schwarze Recht, wenn er sage, daß nur, wenn das Gericht der Ansicht sei, es könnte kein Hauptverfahren eingeleitet werden, der Beschuldigte sei hier also außer Verfolgung zu setzen, die Beschlagnahme zessire. Nach dem identischen Wortlaut der Strafprozeßordnung für die Voraussetzungen des Haftbefehls wie diejenigen des Beschlusses über die Eröffnung des Hauptverfahrens falle aber Beides immer zusammen." § 282 erhielt hiernach in Absatz 1 folgenden Zusatz267 :
"Beschließt das Gericht die Einstellung des Verfahrens, so hat dasselbe zu gleich von Amtswegen über die Fortdauer der Beschlagnahme zu beschließen."
Verabschiedet wurde § 335 (a. F.) allerdings ohne diesen Zusatz268 •
265 266 267 268
Hahn 1481. Ebd. Hahn 148lf. Hahn 2116, 2443.
158
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
d) Kontaktsperre (§ 36 Satz 1 EGGVG) Nach den §§ 31, 33 EGGVG können die Justizbehörden der Länder Verbindungen von Gefangenen untereinander und mit der Außenwelt einschließlich des schriftlichen und mündlichen Verkehrs mit dem Verteidiger unterbrechen, soweit eine Landesregierung oder eine von ihr bestimmte oberste Landesbehörde oder der Bundesminister der Justiz die Feststellung nach § 31 EGGVG getroffen haben. § 31 EGGVG verlangt als Voraussetzungen für die Kontaktsperre, daß eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht, daß bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, diese Gefahr gehe von einer terroristischen Vereinigung aus, und daß zur Abwehr dieser Gefahr die Unterbrechung der Verbindungen mit Gefangenen, die im Zusammenhang mit einer Straftat im Sinne von § 129a StGB einsitzen, geboten ist. Hierbei beinhaltet die Feststellung der Kontaktsperre zugleich die Anordnung derselben 269 • § 36 Satz 1 EGGVG bestimmt nun, daß die nach § 31 getroffene Feststellung zurückzunehmen ist, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. In Rechtsprechung und Literatur wird diese Norm nahezu nicht behandelt270 • Kleinknecht / Meyer271 bemerken, daß sich aus § 36 Satz 1 EGGVG eine ständige Prüfungspflicht für die Feststellungsbehörde ergebe, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 EGGVG noch vorlägen. Sei dies nicht mehr der Fall, so müsse die Feststellung der Kontaktsperre zurückgenommen werden 272 • Die §§ 31 bis 38 EGGVG wurden durch das Gesetz zur Änderung des EGGVG (Kontaktsperregesetz) vom 30. September 1977273 eingefügt. Wohl auf Grund der für sonstige Gesetzgebungsverfahren ungewöhnlichen Eile der Verabschiedung dieses Gesetzes274 findet sich in der Begründung zu § 36 Satz 1 im Initiativgesetzentwurf aller Fraktionen nur der Satz275 : "Satz 1 stellt klar, daß die Feststellung zurückzunehmen ist, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen."
Vgl. Kissel, GVG, § 31 EGGVG Rdnr. 11. Kurze Bemerkungen immerhin bei Kühne Rdnr. 94 und Roxin § 19 E V 2. 271 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 31 EGGVG Rdnr. 17, auch Rdnr. 1; Kissel, GVG, § 36 EGGVG Rdnr. 1. 272 Kissel, GVG, § 36 EGGVG Rdnr. 1. 273 BGBI. I 1877. 274 Initiativgesetzentwurf aller Fraktionen vom 28. September 1977 (BT-Drs. 8/935); 1. Lesung ohne Aussprache in der 43. Sitzung am 28. September 1977 (BT-Prot. 3272); Berichte des Rechtsausschusses vom 29. September 1977 (BT-Drs. 8/943, 8/944, 8/945); 2. und 3. Lesung in der 44. Sitzung vom 29. September 1977 (BT-Prot .. 3366 - 3384); einstimmige Zustimmung des Bundesrates am 30. September 1977 (BR-Prot. 449. Sitzung,226f.). 275 BT-Drs., 8/935, 6. 269
270
1. Abschn.: 1. Ausdrückliche Restitutionsregelungen
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In den sonstigen Materialien - insbesondere bezüglich der zum Teil heftig geführten Debatte im Parlament - finden sich hinsichtlich der Rücknahmepflichten keine weiteren Ausführungen. Die obige Wendung, Satz 1 "stelle klar", könnte allerdings bedeuten, daß der Gesetzgeber mit § 36 Satz 1 eine lediglich deklaratorische Norm schaffen wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 31ff. EGGVG zu den Rücknahmepflichten des Eingriffs ausgeführt, daß die detaillierten Bestimmungen über die Zurücknahme, das Außerkrafttreten und den erneuten Erlaß einer Feststellung nach § 31 EGGVG, also § 35, 36 EGGVG, hinreichend sicherstellen würden, daß der mit einer Kontaktsperre etwa verbundene Eingriff in Grundrechte von Gefangenen zeitlich begrenzt bleibe 276 • 5. Zwischenfazit
Damit ist die Betrachtung der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, bei denen von Gesetzes wegen eine Beseitigung ihrer Folgen angeordnet ist, abgeschlossen. Die schon oben bezüglich der Norm des § 111 a.F. bzw. § 111k angedeuteten Hypothesen 277 finden durch die globale Betrachtungsweise, die sich nicht nur auf ausschließlich eine der prozessualen Zwangsmaßnahmen erstreckt hat, eine erste Bestätigung. Die bei den untersuchten Zwangsmaßnahmen aufgezeigten verschiedensten Arten, die Folgen eines Eingriffes zu beseitigen - etwa die Rückgabe von Gegenständen, die Vernichtung von Daten, die Freilassung von Personen, die Aufhebung von Maßnahmen - haben nur auf den ersten Blick nichts gemeinsam. Strukturell handelt es sich nämlich in jedem Falle darum, den durch das Eingreifen einer Zwangsmaßnahme veränderten Zustand wiederherzustellen, also eine Restitution im oben behaupteten Sinne durchzuführen. Weiterhin ist deutlich geworden, daß diese Restitution immer dann zu erfolgen hat, wenn die Voraussetzungen der Maßnahme, die sich aus der Norm selbst ergeben, weggefallen sind. Einen Unterfall bildet hierbei die sooft betonte Erreichung des jeweiligen der Zwangsmaßnahme innewohnenden Zweckes. Schließlich bleibt noch hervorzuheben, daß dieser hier als Restitution bezeichnete Vorgang nach nahezu einhelliger Auffassung keiner besonderen gesetzlichen Anordnung bedarf. Die in den untersuchten Zwangsmaßnahmen angeführten dahingehenden Bestimmungen werden durchweg als nur deklaratorische Ausformungen eines der jeweiligen Zwangsmaßnahme immanenten Grundgedankens angesehen. Es sei in diesem Zusammenhang beispielsweise erinnert an die Ausführungen zu den Maßnahmen der §§ 111a Abs. 5 Satz 1 (vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis), 123 Abs. 1 und 2 (Sicherheitsleistung), 128 Abs. 1 276
277
BVerfGE 49, 24, 63. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (4).
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Satz 1 (vorläufige Festnahme), 132a Abs. 2 (vorläufiges Berufsverbot), 293 Abs. 1 (Vermögensbeschlagnahme) und § 36 Satz 1 EGGVG (Kontaktsperre). Eine übergreifende Betrachtung, die nicht nur die jeweils untersuchten Zwangsmaßnahmen im Auge hat, fehlt jedoch auch hier. Im folgenden sei nun als weiterer Schritt zum Nachweis eines in der Strafprozeßordnung enthaltenen, alle Zwangsmaßnahmen ergreifenden, allgemeinen Restitutionsprinzips der Blick auf die Gruppe der Eingriffe gelenkt, die von Gesetzes wegen keine Vorschrift aufweisen, welche eine Restitution im hier verstandenen Sinne anordnen. Es soll geprüft werden, ob die von Rechtsprechung und insbesondere dem Schrifttum entwickelten Pflichten des Staates, die Folgen seiner Eingriffe zu bereinigen, sich in das hier behauptete Restitutionsprinzip einordnen lassen. 11. Restitution nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur 1. Restitution durch Vernichtung
a) Identi[izierungsmaßnahmen (§ 8Ib Alt. 1) Eine Bereinigung der durch Maßnahmen nach § 8Ib Alt. 1 entstandenen Folgen kennt die Strafprozeßordnung nicht. Zum Teil wird behauptet, daß das zur Durchführung eines Strafverfahrens gewonnene erkennungsdienstliche Material Bestandteil der Strafakten sei und bleibe!. Sei es Inhalt der Strafakten, könne der Beschuldigte jedenfalls Vernichtung oder Herausgabe nicht verlangen 2 • Das Material könne nach Verfahrensabschluß auch durch die Kriminalpolizei verwahrt werden3 . Nach Thomas 4 kann die Aufbewahrung des Materials über den Abschluß des Strafverfahrens hinaus nunmehr anderen präventiven Zwecken dienen. Entsprechend sei die Weiteraufbewahrung stets auch unter erkennungsdienstlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Diese Auffassung vertritt auch das Oberverwaltungsgericht Hamburg5 wenn es sagt, daß 1 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81b Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 81b Rdnr. 16; Paulus, in: KMR, § 81b Rdnr. 17; a.A. Fuß, in: Wacke-FS, 305, 320, wonach die Polizei auch die nach § 81b Alt. 1 erstellten Unterlagen aufzubewahren hat. 2 Paulus, in: KMR, § 81b Rdnr. 17; unabhängig vom Ausgang des Verfahrens Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81b Rdnr. 16; Meyer, in: LR, § 81b Rdnr. 16. 3 Paulus, in: KMR, § 81b Rdnr. 17; auch Kleinkneeht / Meyer (36. Aufl.), § 81b Rdnr. 2 unter Hinweis auf § 163c Abs. 4, a. A. jedoch in der 38. Auf!. Rdnr. 2ff.; OVG Münster, NJW 1972, 2147, 2148 vermischt hingegen die Regelungen in § 81b Alt. 1 und Alt. 2; vgl. noch Pelehen, in: KK, § 81b Rdnr. 7, der bemerkt, daß "für die Aufbewahrung der Unterlagen ... hinsichtlich der zum Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens gewonnenen Unterlagen keine Besonderheiten (gelten), da diese Bestandteile der Akten werden". 4 Thomas, BayVBl. 1969, 50, 53.
1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
161
die nach § 81b Alt. 1 erzielten Ergebnisse in polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten unter anderer Zweckrichtung nunmehr in Polizeisammlungen aufbewahrt werden dürften. Demgegenüber müssen nach Benfer6 in bestimmten Fällen die Unterlagen vernichtet werden. Die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Erkenntnisse sei unzulässig, wenn der Tatverdacht im Ermittlungsverfahren vollständig ausgeräumt werden konnte oder der Beschuldigte wegen erwiesener Unschuld in der Hauptverhandlung freigesprochen worden sei. In den Fällen, in denen die Aufbewahrung apriori unzulässig war oder der Grund später wegfalle, seien die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Jedoch habe der Betroffene keinen Anspruch auf Herausgabe oder auf Anwesenheit bei der Vernichtung der Unterlagen. Einschränken will Benfer diese Grundsätze jedoch, wenn befürchtet werden müsse, daß der jeweilige Täter in Zukunft wieder Straftaten begehen werde? Dagegen befürwortet KühneS ohne Einschränkung die "Tilgung von Daten" nach Wegfall des Grundes für die Aufnahme erkennungsdienstlicher Daten. Bei "strafprozessual motivierter Datenaufnahme" sei der Zeitpunkt bei Abschluß des Verfahrens erreicht. Anders hingegen seien die regelmäßig in die präventiv-polizeilichen Sammlungen eingeflossenen Daten, die aus repressiven Daten hervorgingen, zu beurteilen. b) Identitätsfeststellung (§ 163c)
Wie oben dargelegt9 ist in § 163c Abs. 4 die Vernichtung der im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung eines Unverdächtigen angefallenen Unterlagen geregelt. Für die Behandlung der bei der Identitätsfeststellung eines Verdächtigen (§ 163b Abs. 1) angefallenen Unterlagen fehlt hingegen eine gesetzliche Norm. Diese ist bei Abfassung des durch das StPÄG 1978 eingefügten § 163c namentlich im Rechtsausschuß des Bundestages lO ausdrücklich bis zu einer Neuregelung des § 81b zurückgestellt worden". OVG Hamburg, DVBI. 1977, 253, 254. Benfer Rdnr. 538 unter Hinweis auf Potrykus, Polizei 1966, 104, 105, der jedoch auf § 81b Alt. 2 abhebt. 7 Benfer Rdnr. 539. 8 Kühne Rdnr. 241. 9 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 1 b. 10 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 1 b. 11 Siehe dazu Musterentwurf bei Heise 1 Riegel, 53; Beschlußempfehlung und Erster Bericht des Rechtsausschusses vom 17. Januar 1978 (BT-Drs 8/1482): "Absatz 4 bestimmt, daß in den Fällen der Identitätsfeststellung unverdächtiger Personen die hierbei entstandenen Unterlagen zu vernichten sind, sobald die Identität festgestellt ist. Eine Regelung über die Aufbewahrung und die Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen, die bei der Identitätsfeststellung verdächtiger Personen entstanden sind, hat der Ausschuß zurückgestellt. Hinsichtlich der Behandlung dieser Unterlagen besteht ein Zusammenhang mit § 81b StPO und den einschlägigen polizeirechtlichen 5
6
11 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Im Schrifttum wird hinsichtlich dieser Frage auf die "allgemein geltenden Rechtsgrundsätze" hinsichtlich Aufbewahrung und Vernichtung verwiesen, worunter die bei § 8Ib entwickelten Gedanken verstanden werden!2 Nach Rieß13 sind die die Identitätsfeststellung betreffenden Vorgänge zu den Ermittlungsakten zu nehmen und wie diese aufzubewahren. Ein Anspruch auf Entfernung der zu den Ermittlungs- und Strafakten genommenen Vorgänge besteht nicht. Die Unterlagen seien jedoch zu vernichten, soweit "kein vernünftiger Grund" bestehe, sie weiterhin dort zu be1assen 14 • c) KontrollsteIlen (§ 111)
Trotz des umfangreichen Schrifttums zu dieser Zwangsmaßnahme lassen sich bezüglich der hier untersuchten Frage nur wenige Bemerkungen auffinden 15 • Meyer 16 stellt fest, daß die eine KontrollsteIle einrichtende Anordnung aufzuheben sei, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht mehr vorlägen. Dies sei etwa der Fall, wenn sich der Verdacht, daß eine Katalog-Straftat begangen worden sei, als unbegründet erweise oder wenn keine Aussicht bestehe, einen Täter zu ergreifen oder ein Beweismittel zu erlangen. Dies müsse vom zuständigen Richter oder der Staatsanwaltschaft ständig überprüft werden. Auch die Polizei sei verpflichtet, unverzüglich die KontrollsteIle aufzuheben, soweit die Voraussetzungen entfielen 17 • Nach Kurth 18 sind die im Zusammenhang mit der Feststellung der Identität angefallenen Unterlagen hernach zu vernichten. Zwischen dem Material bezüglich eines Verdächtigen und eines Unverdächtigen wird hingegen nicht unterschieden.
Vorschriften. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat hierzu Änderungen vorgeschlagen. Gemeinsam mit diesen Änderungen wird die hier zurückgestellte Frage erneut aufzugreifen sein. Bis dahin soll es bei der Regelung des geltenden Rechts verbleiben.". 12 Vgl. etwa Kleinknecht / Meyer § 163c Rdnr. 17; Müller, in: KMR, § 163c Rdnr. 15; Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 18; Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 25. 13 Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163c Rdnr. 25; auch Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 18 und Kleinknecht / Meyer § 163c Rdnr. 17. 14 Rainer Müller, in: KK, § 163c Rdnr. 18. 15 Vgl. dazu Achenbach, JA 1981, 660, 664; Benfer Rdnr. 696ff. (allenfalls Verweisungen); ders., Polizei 1978, 282, 283; Kauß / Werkentin, KJ 1978, 306, 308; Kleinknecht / Meyer § 111 Rdnr. 1ff. verweisen auf § 98 Abs. 2 Satz 2 und die "allgemeinen Grundsätze" (Rdnr. 20); Kühne Rdnr. 271 (Hinweis auf § 111 Abs. 3); Kuhlmann, DRiZ 1978, 238ff.; Laufhütte, in: KK, § 111 Rdnr. 1ff. (Rechtsschutzfragen in Rdnr. 28ff.); Müller, in: KMR, § 111 Rdnr. Hf. (Verweisungen); Riegel, NJW 1979, l47f.; ders., ZRP 1978, 14, 16; Roxin § 35 B I; Schlüchter Rdnr. 338; Steinke, NJW 1978, 1962f.; Vogel, NJW 1978,1217,1227. 16 Meyer, in: LRErgBd, § 111 Rdnr. 25; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111 Rdnr. 23. 17 Ähnlich Kurth, NJW 1979, 1377, 1383. 18 Kurth, NJW 1979,1377,1382.
1. Abschn.: H. Entwickelte Restitutionsauffassungen
163
d) Observation
Bei der im Schrifttum hinsichtlich ihrer Zulässigkeit umstrittenen Observation 19 handelt es sich um eine systematische, verdeckt durchgeführte Beobachtung von Örtlichkeiten oder Personen aus präventiven oder repressiven Gründen. Repressive Observation soll der Erlangung oder Erweiterung von Beweisen (etwa Tatbeteiligungen, Aufbewahrungsorten der Tatbeute) dienen20 . Nach Riegef21 müssen die in Zusammenhang mit einer beobachtenden Fahndung und Observation gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht werden, sobald die ursprünglichen Verdachtsmomente beseitigt sind oder nicht erhärtet werden konnten und die Daten über die betreffende Person nicht noch aus anderen Gründen der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung weiter gespeichert werden dürfen. Dasselbe gelte für Akten mit derartigem Inhalt nach Wegfall der Anordnungsvoraussetzungen. e) Rasterfahndung
Die Funktionsweise einer Rasterfahndung läßt sich am besten bei der Darstellung ihres regelmäßigen Ablaufs zeigen 22 • Die Polizei sammelt zum Zwecke der Auffindung von Tatverdächtigen (oder mutmaßlichen Störern), von Zeugen sowie von allgemeinen Hinweisen, etwa Spuren, Wohnungen, die zu Tatverdächtigen führen könnten, eine Vielzahl personenbezogener Daten. Die Datenerhebung erfolgt entweder seitens der Polizei selbst oder durch Übermittlung aus Dateien öffentlicher oder auch privater Stellen23 • Die durch eine Rasterfahndung erhobenen oder übermittelten Daten - insbesondere 19 Bejahend Kleinknecht / Meyer § 163 Rdnr. 34; Rainer Müller, in: KK, § 163 Rdnr. 18; Meyer-Goßner, in: LR, § 163 Rdnr. 17; ebenso Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163 Rdnr. 50; ablehnend Benfer Rdnr. 684 (keine strafprozessuale Eingriffsermächtigung); Riegel, JZ 1980, 224, 225f.; vgl. noch die Bemerkung in BGH, NJW 1975, 2075, 2076 (Fotografieren eines Demonstranten), daß bei Beginn polizeilicher Ermittlungen die Untersuchung "weit gestreut" und auf Personen ausgedehnt werde, die alsbald als Verdächtige ausscheiden. 20 Benfer Rdnr. 684. 21 Riegel, JZ 1980, 224, 225. 22 Beispiele auch bei Riegel, ZRP 1980, 300; Simon / Taeger, JZ 1982, 140, 141. 23 Im Jahre 1977 waren z.B. zu Fahndungszwecken nach Terroristen Kundendaten der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW) nach bestimmten Merkmalen ausgerastert worden; es ging um Kunden, die in abgegrenzten Stadtbezirken Hamburgs und eingegrenzten Zeiträumen für mehr als eine Wohnung die Strom rechnung überwiesen oder die Rechnung bar bezahlt hatten; vgl. hierzu im einzelnen die Nachweise bei Riegel, ZRP 1980, 300 bei Fn. 3. Vor allem dieser Erhebungsvorgang unterscheidet die generelle Rasterfahndung von der nunmehr in § 163d geregelten Netzfahndung. Bei letzterer fallen die personenbezogenen Daten im Rahmen von Grenzkontrollen und Kontrollstellen nach § 111 an, werden jedoch nicht eigens zum Zwecke elektronischer Fahndung erhoben und gesammelt; vgl. dazu insbesondere Schoreit, DRiZ 1987, 82, 83; ders., DRiZ 1987, 464, 466.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Namen, Geburtsdatum und Anschrift - werden nun mit anderen Datenbeständen abgeglichen. Dies kann sowohl manuell wie auch im Rahmen der Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung erfolgen24 • Bei EDV-Abgleichung sind nur die Restbestände, d. h. die nicht ausgerasterten Bestände menschlich wahrnehmbar. Ziel des Abgleichs ist die Ausscheidung von Personen, die im Rahmen des weiteren Ablaufs für die Untersuchung eindeutig irrelevant sind. Nach Riegel soU bereits der erste Abgleich der Daten (nach Namen, Geburtsdatum und Anschrift) mit den Daten der Meldebehörde zu einem Restbestand von Daten führen, der nur 20 % des Datenausgangsbestandes ausmache. Bei einer weiteren Abgleichung mit den Daten der KFZ-Zulassungsstellen betrage der Restbestand sogar nur noch 10 % des Ausgangsbestandes25 . Dieser Restbestand wird nun auf (konventionellen) Wegen - durch Beobachten und Befragen - ausgewertet. Charakteristisch für die Rasterfahndung ist neben dem Einsatz der EDV damit vor allem, daß bei dieser Art der Fahndung zunächst aUe Personen einbezogen werden, die bestimmte objektive Auswahlkriterien - welche wiederum nur auf der Grundlage kriminalistischer Erfahrung ausgewählt werden26 - erfüllen, unabhängig davon, ob sie Tatverdächtige, Zeugen oder Unbeteiligte sind 27 • Erst durch die Rasterung mittels Abgleichs und gegebenenfalls eine anschließende persönliche Befragung und Beobachtung wird die spezifische Eigenschaft festgestellt oder nicht28 • Hinsichtlich der Löschung gespeicherter Daten und der Vernichtung angefallener Unterlagen bemerkt Riege[29, daß "dies sofort zu geschehen" habe, "sobald die Maßnahme beendet" sei. Da dieser Problemkreis eng mit der Frage der Verwertbarkeitsgrenzen und der Zufallsfunde zusammenhänge, zieht Riegel als Vorbild für die Löschung und Vernichtung § 100b Abs. 5 und die §§ 3 Abs. 2,7 Abs. 4 G 10 heran. Auf eine zeitliche Höchstdauer der Aufbewahrung will sich Riegel allerdings aus "kriminalistischen und persönlichen Gründen"30 nicht festlegen. Jedoch sei nach dem Abschluß jeder Ermittlungsphase zu vernichten beziehungsweise zu löschen, was nicht verwertbar sei. Als Gesetzgebungsvorschlag bietet Riegel für die Rasterfahndung eine Norm an, 24 Zur Entwicklung der Fahndungsmethoden mit Hilfe elektronischer Informationsund Auskunftssysteme der Polizei vgl. insb. Simon / Taeger, JZ 1982, 140ff. und Ernesti, NStZ 1983, 57ff. 25 Riegel, ZRP 1980, 300, 301. 26 Im soeben angeführten Beispiel war das die Überlegung, daß Verdächtige aus der terroristischen Szene aus Gründen der Verdeckung ihres Aufenthaltes zum einen die Anmietung mehrerer Wohnungen bzw. eine bare Bezahlung der Stromrechnung einer Überweisung wegen deren aufdeckenden Charakters vorziehen könnten. 27 Bull, in: DER SPIEGEL Nr. 29 vom 16. Juli 1984, 65 meint, es handele sich um "Tausende oder Millionen Unverdächtige". 28 Riegel, ZRP 1980, 300, 301. 29 Riegel, ZRP 1980, 300, 305. 30 Ebd.
1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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der auch die Vernichtung und Löschung angefallener Daten behandelt wird 31 :
In
,,(3) Ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt es sich, daß er nicht erreicht werden kann, sind die im Zusammenhang mit der Maßnahme angefallenen Unterlagen sofort zu löschen oder zu vernichten. Eine Verwertung zu anderen Maßnahmen der Strafverfolgung ist nur zulässig, wenn es sich um die Verfolgung von Straftaten der in § 138 StGB genannten Art handelt. Über die nach den Sätzen getroffenen Maßnahmen ist eine Niederschrift anzufertigen, die zwei Jahre nach Löschung oder Vernichtung der Unterlagen nach Satz 1 zu vernichten ist. (4) Die zur allgemeinen Fahndung übermittelten Daten dürfen grundsätzlich nicht in eine polizeiliche Auskunftsdatei eingestellt oder anderen als den mit der Maßnahme unmittelbar befaßten Personen zugänglich gemacht werden, es sei denn im Einzelfall unter den Voraussetzungen von Abs. 3 S. 2."
Nach Laufhütte32 erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß bei der Rasterfahndung beschlagnahmte Unterlagen, die ohne Beweisbedeutung seien, sofort zurückgegeben werden müßten. Namen der zu Unrecht Betroffenen dürften nicht in Akten oder Registern (Dateien) festgehalten werden 33 . 2. Restitution durch Rückgabe
a) Beschlagnahme (§ 98 Abs. 2 Satz 2) § 98 Abs. 2 Satz 2 legt fest, daß der von einer Beschlagnahme Betroffene jederzeit eine richterliche Entscheidung beantragen kann. Die Auswirkungen einer derartigen Entscheidung werden im Gesetz nicht genannt. Die Bereinigung der Auswirkungen einer Beschlagnahme wird - wie oben ausführlich dargelegt worden ist 34 - zum Teil an § l1lk, zum Teil aber auch an § 98 Abs. 2 Satz 2 anknüpfend erörtert. Im folgenden soll daher nur kurz auf einige Ausführungen zu § 98 Abs. 2 Satz 2 eingegangen werden.
Eine Beschlagnahme ende, so wird gesagt, bei Eintritt von zwei Ereignissen: zum einen könne die Beschlagnahme erlöschen, zum anderen könne sie aufgehoben werden. Riegel, ZRP 1980,300,306. Laufhütte, in: KK, § 94 Rdnr. 7 (in beiden Auflagen). 33 Zielinski (zit. bei Simon I Taeger, JZ 1982, 145 bei Fn. 49) hat unter anderem die Unverwertbarkeit von Zufallsfunden bei der Rasterfahndung sowie die nachträgliche Vernichtung von Ergebnissen gefordert (in einem am 16. November 1980 in der Heimvolkshochschule Springe - Nds. - auf dem Seminar "Rechtspolitische Probleme neuer Informationstechnologien" der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen Hannover gehaltenen Referat); so weist auch Denninger, in: DER SPIEGEL Nr. 29 vom 16. Juli 1984,20 darauf hin, daß bei der (negativen) Rasterfahndung der Gesetzgeber verbindlich die "Pflicht zur sofortigen Löschung beziehungsweise Vernichtung (von Amts wegen) der ,ausgerasterten Datenbestände und Unterlagen' festlegen müßte. 34 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b. 31
32
166
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Eine Beschlagnahme erlischt, wenn das Verfahren, in dem sie angeordnet wurde, rechtskräftig abgeschlossen worden ist35• Mit der Verfahrens beendigung falle nämlich der Zweck der Beschlagnahme fort 36 • Kleinknecht / Meyer 37 stellen hierzu den Grundsatz auf, daß es eine staatliche Pflicht gebe, den Eingriff der Beschlagnahme nicht länger bestehen zu lassen als dieser notwendig sei. In allen anderen Fällen findet die Beschlagnahme durch Aufhebung ihr Ende. Nach allgemeiner Auffassung bedarf es hierzu eines staatlichen Aktes in Form eines richterlichen Aufhebungsbeschlusses 38 • Soweit festgestellt werde, daß ein Beschlagnahmegrund nicht oder nicht mehr vorliege, sei die Anordnung aufzuheben 39 • Zu einer derartigen Feststellung könne es entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen kommen 4o • Bis zur Anklageerhebung könne die Staatsanwaltschaft allerdings ihre - auch richterlich bestätigte - Beschlagnahmeanordnung selbst aufheben41 • Das Ende der Beschlagnahme löse als Folge die Verpflichtung aus, grundsätzlich den Zustand wiederherzustellen, der vor der Sicherstellung bestanden habe 42 . Im einzelnen bedeute dies, daß Gegenstände, die im Besitz des Betroffenen belassen worden waren, nunmehr wiederum zur freien Verfügung des Inhabers stünden43 , während mit Beschlag belegte Sachen an den zurückzugeben seien, dem sie vorher entzogen worden waren 44 . Diese Rückgabe soll unabhängig von den Eigentumsverhältnissen an den letzten Gewahrsamsinhaber erfolgen45 , selbst wenn dieser sie vom Beschuldigten nur zur kurzen Aufbe35 Eines richterlichen Aufhebungsbeschlusses bedarf es dann nicht mehr, so Laufhütte, in: KK, § 98 Rdnr. 29; Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 42; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 58. 36 Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159, wonach sich aus dem Zweck der Beschlagnahme auch Dauer und Beendigung derselben ergäben; Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 42, auch Rdnr. 30; Peters 422; Roxin § 34 C I 4, wonach die Beschlagnahme spätestens mit der Rechtskraft des das Verfahren abschließende Urteil endet; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 58. 37 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 111k Rdnr. 1 a.E. 38 Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 42; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159; a. A. wohl Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 58ff. 39 Laujhütte, in: KK, § 98 Rdnr. 30; Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 43; Eh. Schmidt 11, § 111 Rdnr. 1,3; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 59. 40 Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 30 und § 98 Rdnr. 43; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 59. 41 Laujhütte, in: KK, § 98 Rdnr. 30. 42 OLG Düsseldorf, NJW 1984, 567, zustimmend Gropp, NJW 1984, 568; Laujhütte, in: KK, § 94 Rdnr. 20 und § 98 Rdnr. 30; Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 31; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 94 Rdnr. 60; Eh. Schmidt 11, § 111 Rdnr. 1. 43 Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159. 44 Benfer Rdnr. 331 (mit Beispielen für die Rückgabe gemäß § H1k und § l11a Abs. 5 in Rdnr. 332f.); Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159; Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 98 Rdnr. 14; Laujhütte, in: KK, § 94 Rdnr. 20 und § 98 Rdnr. 30; Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 30; Müller, in: KMR, § 98 Rdnr. 14; Peters 422; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 94 Rdnr. 59; Eh. Schmidt 11, § 98 Rdnr. 1 und § 111 Rdnr. 1,3.
1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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wahrung erhalten hatte 46 • Ablichtungen, die von (vorher) zurückgegebenen Schriftstücken gemacht worden seien, müßten ebenfalls herausgegeben oder vernichtet werden 47 • Eine weitere Differenzierung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Mai 197748 vorgenommen. Die Durchsuchung der Räume einer Suchtkrankenberatungsstelle in Aachen hatte zur Sicherstellung von zwei Karteikästen mit Klientennamen und (von zunächst) 250 Schnellheftern mit Klientenakten geführt. Auf das Begehren der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Hauptsacheentscheidung zu verpflichten, die beschlagnahmten Unterlagen "nicht auszuwerten sowie die angefertigten Kopien und die in ihrer Verwertung angelegten Akten zu vernichten" hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß zwar aus der wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2, Art. 1 Abs. 1 GG, und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festzustellenden Verfassungswidrigkeit der Beschlagnahmeanordnung unmittelbar folge, daß die beschlagnahmten Klientenakten nicht verwertet werden dürften. Eines gesonderten Ausspruches darüber bedürfe es hingegen nicht. Die Klientenakten unterlägen einem Beweisverwertungsverbot49 • Dieses Beweisverwertungsverbot schließe jede Verwendung der Akten und des in ihnen verkörperten gedanklichen Inhalts zu Beweiszwecken im Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen die Klienten der Drogenberatungsstelle aus. Die aus den Klientenakten gefertigten Kopien seien entweder dem Caritas-Verband, der die Suchtkrankenberatungsstelle unterhalte zu übergeben oder zu vernichten. Dazu bedürfe es jedoch keiner dieses aussprechenden Entscheidung50 • Vernichtung der behördlichen Akten, die "in Verwertung" der beschlagnahmten Unterlagen angelegt worden seien, könne auch nicht verlangt werden. Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft stünden im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen und seien deshalb nicht verfügbar. Das weitere Schicksal der Akten berühre nicht den Bereich der rechtlich geschützten Interessen der Beschwerdeführer51 .
45 KG, GA 48 (1901), 137f.; OLG Frankfurt, GA 1972, 212, 213 (§ 111 a. F. ist Ausnahmenorm); OLG München, Alsberg Entscheidungen 1 Nr. 237 (§ 111 a. F. findet keine Anwendung, denn aus der Natur der Sache ergibt sich, daß an den Besitzer der Sache zurückzugeben sei); Bohmeyer, GA 74 (1930), 191, 193; Eb. Schmidt 11, § 111 Rdnr.1. 46 OLG Bremen, MDR 1960, 603 (bei freiwilliger Herausgabe); OLG Düsseldorf, MDR 1973, 499 (Herausgabe von Asservaten); Meyer, in: LR, § 94 Rdnr. 31; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 94 Rdnr. 60. 47 OLG Stuttgart, NJW 1977, 2276; Kleinknecht / Meyer § 98 Rdnr. 14; Laufhütte, in: KK, § 98 Rdnr. 30. 48 BVerfGE 44, 353ff. (2 BvR 88/75): "Drogenberatungsstelle". 49 BVerfGE 44,353,383. 50 BVerfGE 44,353,384; auch schon BVerfGE 20, 162, 174. 51 BVerfGE 44,353,384.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Eine Bereinigung im hier verstandenen Sinne liegt im übrigen nicht vor, wenn Beweisgegenstände zurückgegeben werden, weil hinreichende Beweismittel zur Verfügung stehen, sich ein verderblicher Gegenstand nicht in einer für die Beweisführung erforderlichen Form halten läßt, was bedeutet, daß er durch Fotos, Sachverständigengutachten oder Zeugenaussagen gesichert werden muß52. Der Rechtsgrund für die Rückgabe von Gegenständen wird von Eberhard Schmidt53 in Art. 14 GG gesehen. Aus der öffentlich-rechtlichen Natur des durch die Beschlagnahme entstehenden Verwahrungsverhältnisses ergebe sich, daß die Rückgabe auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung erfolge54 . Ähnlich billigt auch Kaufmann 55 dem Berechtigten einen Anspruch auf Rückgabe einer beschlagnahmten Sache zu, der sich aus dem bei der Beschlagnahme entstehenden öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis in dem er allerdings auch die wesentlichen Grundgedanken der bürgerlichrechtlichen Verwahrung, insbesondere §§ 278, 282 BGB, angewendet wissen will - zu. Diese Auffassung fußt auf einer Entscheidung des Landgerichts Aachen, die ihrerseits auf ein Urteil des Reichsgerichts verweisen kann. Das Landgericht Aachen hat in seinem Urteil vom 30. September 194956 festgestellt, daß in allen Fällen, in welchen die öffentliche Hand Gegenstände beschlagnahme, oder aus sonstigen Gründen Eigentum von Privatpersonen in Verwahrung halte, ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis entstünde. Zwar unterliege dieses dem öffentlichen Recht, jedoch fänden die in den §§ 688ff. BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken als Teil des öffentlichen Rechts sinngemäß Anwendung, soweit sich nicht etwas anderes aus der Besonderheit des öffentlichen Rechts ergäbe57 . Auch die §§ 278, 282 BGB fänden Anwendung. Der Betroffene habe aus dem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis nach Beendigung des staatlichen Hoheitsaktes Ansprüche auf Herausgabe und Schadensersatz. Auch im Rahmen des § 98 Abs. 2 Satz 2 finden sich gelegentlich Hinweise auf § 111k. So wird ausgeführt, daß ohne die Regelung des § 111k Gegen~ stände nach dem Ende der Beschlagnahme oder Sicherstellung an die Person zurückgegeben werden müßten, aus deren Gewahrsam sie, selbst wenn die Sache einem Dritten entzogen war, in amtliche Verwahrung gelangt waren 58 . 52 Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 43; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 98 Rdnr. 54b; auch Peters 422 ("Ersatzbeweismittel") mit einem BeispielsfalJ. 53 Eb. Schmidt 11, § 111 Rdnr. 1,3. 54 Eb. Schmidt 11, § 111 Rdnr. 1,3 und § 98 Rdnr. 9. 55 Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 157. 56 LG Aachen, NJW 1950, 114f. 57 Im Grundsatz schon RGZ 115, 419, 421. 58 Vgl. hier nur HansOLG, JZ 1951, 377; BayObLGSt 5 (1905), 405, 407; OLG Braunschweig, Alsberg Entscheidungen 1 Nr. 228; OLG Braunschweig, OLGSt § 111, 1; OLG Hamm, JMBlNRW 1961, 94; OLG Kassel, DJZ 1905, 1068, 1069; OLG Neu-
1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
169
Eingeschränkt wird das Prinzip der Beendigung der Beschlagnahme nach Zweckfortfall gelegentlich insoweit, als gesagt wird, daß vor Aufhebung der Beschlagnahme geprüft werden müsse, ob der Gegenstand nicht gegebenenfalls für eine andere Sache erforderlich sein könne 59 • Diese Ansicht vertritt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 5. August 19666 Nach der Freigabe beschlagnahmter Schriftstücke durch den Bundesgerichtshof hatten die Beschwerdeführer beantragt, weiterhin beschlagnahmte Unterlagen herauszugeben sowie die von diesen angefertigten Abschriften und Fotokopien zu vernichten. Das Bundesverfassungsgericht entschied, daß "Beweismittel (sog. Zufallsfunde), die mit dem Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nicht im Zusammenhang stehen, sondern zur Einleitung anderer Strafverfahren dienen sollen" dann zurückzugeben seien, wenn diese freigegeben worden und "nicht inzwischen im Rahmen anderer Strafverfahren beschlagnahmt worden" seien61 . Anderer Ansicht war das Bayerische Oberste Landesgericht noch im Jahre 1910. Die Möglichkeit, beschlagnahmter Gegenstände später noch zu bedürfen - so wurde ausgeführt - bilde keine Grundlage dazu, sie dem Verfügungsberechtigten jetzt vorzuenthalten 62 . Für den Fall, daß sich bei einer Durchsuchung nicht sofort feststellen lasse, ob ein Gegenstand der Beschlagnahme unterliege oder nicht, hat der Bundesgerichtshof (in einer unveröffentlichten Entscheidung)63 eine vorläufige Sicherstellung befürwortet. Der Gegenstand müsse aber zurückgegeben werden, wenn sich die mangelnde Beschlagnahmefähigkeit herausstelle.
°.
b) Sperrerklärung (§ 96) § 96 regelt, daß Akten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke dann nicht von den jeweiligen Behörden beziehungsweise Beamten herausgegeben werden dürfen, wenn die zuständige oberste Dienstbehörde erklärt hat, daß das Bekanntwerden des Inhalts der Akten oder der Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines Bundeslandes Nachteil bereiten könnte. Wird eine Sperrerklärung nachträglich abgegeben 64 , wenn bereits stadt, NJW 1954, 286; Dalcke, GA 39, 405, 408; Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159; Müller, in: KMR, § 111k Rdnr. 1; a. A. wohl Kraß, Anklage, 13 (Rückgabe an den nach § 111k Berechtigten). 59 Meyer, in: LR, § 98 Rdnr. 31 a. E. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 108; auch Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff, 159. 60 BVerfGE 20, 162ff. (1 BvR 586/62, 610163 und 512/64). 61 BVerfGE 20,162,174. 62 BayObLGSt 10 (1910), 15f.; so auch heute noch Peters 422 mit Beispiel. 63 BGH, Beschluß vom 2l. Juni 1978 - 1 BJs 23177/StB 114178, BA 3f. (im übrigen bei Laufhütte, in: KK, § 103 Rdnr. 7 zitiert). 64 Vgl. dazu Schneider, Die Pflicht der Behörde zur Aktenvorlage im Strafprozeß, 123; ähnlich Müller, in: KMR, § 96 Rdnr. 9.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Schriftstücke oder Akten übersandt worden sind, so scheiden diese aus dem Verfahren aus und sind (der entsprechenden) Behörde zurückzugeben65 • c) Durchsicht von Papieren (§ 110)
Kleinknecht / Meyey66 weisen darauf hin, daß die Durchsicht von Papieren im Sinne von § 110 das Mittel bei der Durchsuchung sei, mit dem die für eine Beschlagnahme in Betracht kommenden Papiere inhaltlich daraufhin geprüft werden, ob eine richterliche Beschlagnahme zu beantragen oder die Rückgabe notwendig sei67 . Dazu stellt Meyey68 ohne weitere Begründung fest, daß das Verfahren nach der Durchsicht im Gesetz nicht geregelt sei. Der Staatsanwalt habe aber dem Betroffenen alle Papiere, die weder in der Sache, bezüglich der die Durchsuchung stattgefunden habe, als Beweismittel oder als Verfalls- und Einziehungsgegenstand in Betracht kämen, noch auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuteten, unverzüglich herauszugeben. d) Beschlagnahme zur Sicherstellung und Arrest wegen Wertersatz, Geldstrafe oder Kosten (§ 111e Abs. 2 Satz 3) Nach § ll1e Abs. 2 Satz 3 kann der von einer Maßnahme nach den §§ ll1e, 111d Betroffene jederzeit die richterliche Entscheidung beantragen. Hierzu wird gesagt, daß die jeweilige Maßnahme gegenstandslos werde, sobald der Sicherungszweck entfalle69 • Die Beschlagnahme sei dann - auf Antrag oder von Amts wegen 70 - auch schon während des Strafverfahrens7 ! aufzuheben. Im übrigen erlösche die Beschlagnahme, soweit mit Rechtskraft des Urteils der beschlagnahmte Gegenstand für verfallen erklärt oder eingezogen werde, oder aber die Beschlagnahme gegenstandslos werde, weil nichts dergleichen angeordnet worden sei. Im ersten Falle gehe das Eigentum ohne weiteres auf den Staat nach den §§ 73d Abs. 1, 74e Abs. 1 StGB über. Andernfalls habe 65 Meyer, in: LR, § 96 Rdnr. 14, 18; Müller, in: KMR, § 96 Rdnr. 10; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 96 Rdnr. 47. 66 Kleinknecht / Meyer § 110 Rdnr. 2. 67 Die Durchsicht von Papieren - auch von solchen, die ohne Beschlagnahmeanordnung mitgenommen werden - ist in jedem Falle Teil einer Durchsuchung gemäß §§ 102ff. vgl. dazu BGH, NJW 1973, 2035; KG, NJW 1975, 354, 355; OLG Karlsruhe, MDR 1980, 76; Fezer, Jura 1982, 18, 21; Laujhütte, in: KK, § 110 Rdnr. 9; Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 17 und § 110 Rdnr. 14. 68 Meyer, in: LR, § 110 Rdnr. 13 unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 108; ebenso Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 110 Rdnr. 16. 69 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 111e Rdnr. 13; Meyer, in: LR, § 111e Rdnr. 17; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 1111 Rdnr. 17. 70 Meyer, in: LR, § 111e Rdnr. 18; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111e Rdnr. 18. 7l Laujhütte, in: KK, § l11e Rdnr. 15.
1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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die Staatsanwaltschaft die Sache an den Berechtigten herauszugeben und andere Beschlagnahmemaßnahmen (etwa § lUc Abs. 2 - 4) aufzuheben 72 • Zur Art und Weise der Bereinigung der Auswirkungen von Maßnahmen nach den §§ l11c, ll1d ist ein (unveröffentlichter) Beschluß des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. November 198073 beachtenswert. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts München hatte mit drei Beschlüssen im Wege der Beschlagnahme Forderungen gemäß § ll1c Abs. 3 Satz 1 gepfändet. Im nachfolgenden Urteil war der Angeklagte durch die Strafkammer verurteilt worden, jedoch hinsichtlich der beschlagnahmten Forderungen weder Verfall oder Einziehung noch eine sonstige Verwertungsmaßnahme angeordnet worden. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher beim Landgericht München I die Aufhebung der Beschlagnahme. Das Landgericht erklärte sich bezüglich der Aufhebung mit der Begründung für unzuständig, daß nach rechtskräftigem Abschluß des Strafverfahrens wiederum der die Maßnahme anordnende Ermittlungsrichter zuständig geworden sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft bleib ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht führte dazu aus 74 : "Mit der wirksamen Pfändung der Forderungen durch den Ermittlungsrichter ist die Staatskasse, vertreten durch die Staatsanwaltschaft, Pfandgläubigerin der Forderungen geworden. Da der beschlagnahmte Gegenstand mit dem rechtskräftigen Urteil weder für verfallen erklärt noch eingezogen worden ist, entfällt der Sicherungszweck der Beschlagnahme. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb eine Bereinigung der beschlagnahmten Gegenstände durchzuführen und deshalb im Falle der hier vorliegenden Forderungspfändung im Wege der Freigabe der gepfändeten Forderung diese Bereinigung durchzuführen ... Eines - deklaratorischen - richterlichen Freigabebeschlusses bedarf es vorausgehend dafür nicht. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht daher für einen Freigabeantrag nicht; er war deshalb unzulässig und die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet."
e) Beschlagnahme zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung (§ 132 Abs. 3 Satz 1) Nach § 132 können für den Fall, daß der Beschuldigte einer Straftat dringend verdächtig ist und keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nachweisen kann, obwohl die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorliegen, bestimmte Anordnungen getroffen werden. Zum einen kann angeordnet werden, daß der Beschuldigte eine angemessene Sicherheit für die zu erwartende Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens leistet (Nr. 1), zum anderen, daß eine im Bereich des zuständigen Gerichts woh72 Lau[hütte, in: KK, § 111e Rdnr. 12ff.; Meyer, in: LR, § l11e Rdnr. 17; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 111e Rdnr. 17. 73 2 Ws 1190/80. 74 OLG München - 2 Ws 1190/80, BA 2f.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
nende Person zum Empfang von Zustellungen bevollmächtigt wird (Nr. 2). Da die Anordnung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1, eine Sicherheit zu leisten, nicht zwangsweise vollstreckt werden kann75 , hat das Gesetz in § 132 Abs. 3 Satz 1 einen mittelbaren Zwang vorgesehen. Beförderungsmittel und andere Sachen, die der Beschuldigte mit sich führt und die ihm allein gehören, können beschlagnahmt werden, wenn der Beschuldigte den Anordnungen nicht Folge leistet. Anerkannt ist, daß diese Beschlagnahme endet, wenn der Beschuldigte die von ihm ursprünglich verlangte Sicherheit leistet76 • Das Gericht trifft dann die Verpflichtung, die Beschlagnahme aufzuheben und die Sache herauszugeben. Ebenso soll verfahren werden, wenn auf Freispruch oder Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 erkannt wird77 • f) Beschlagnahme von Führerscheinen bei Strafvollstreckung (§ 463b Abs. 1) Nach § 463b Abs. 1 werden Führerscheine, die gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 StGB amtlich zu verwahren sind und die nicht freiwillig herausgegeben werden, beschlagnahmt. Der Führerschein, der in der Akte oder im Vollstrekkungsheft verwahrt wird, ist dem Inhaber so zurückzusenden, daß dieser ihn am letzten Tag der Verbotsfrist erhält78 . 3. Restitution durch Freilassung von Personen
a) Erzwingungshaft (§ 70 Abs. 2) § 70 Abs. 2 bestimmt, daß Haft zur Erzwingung der Zeugenpflicht nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus angeordnet werden kann. Hierzu bemerken Kleinknecht / Meyer79 , daß eine Haft dieser Art zu beenden sei, wenn ihr Grund oder Zweck entfalle. Nach Pelchen 80 ist die Haft vor ihrer zeitlichen Ausschöpfung aufzuheben, sobald der Zeuge seiner Pflicht nachkomme. Auch habe der weitere Vollzug zu unterbleiben, wenn sich die Zeugnisverweigerung nachträglich als berechtigt erweise oder ein Weigerungsrecht
Dünnebier, NJW 1968, 1752, 1755; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 132 Rdnr. 13. Boujong, in: KK, § 132 Rdnr. 10, 14; Geppert, GA 1979, 281, 297; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 132 Rdnr. 19. 77 Boujong, in: KK, § 132 Rdnr. 14. 78 ehlosta, in: KK, § 463b Rdnr. 3; inzident wird damit eine Restitution angedeutet, denn es handelt sich letztlich um einen Wegfall der Gründe der Beschlagnahme, der zur Herausgabe führt. 79 Kleinknecht / Meyer § 70 Rdnr. 4. 80 Pelchen, in: KK, § 70 Rdnr. 8. 75
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l. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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entstanden sei81 • Dies gelte auch, wenn es auf die Aussage nicht mehr ankomme82 oder die Dauer nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehe83 . Durch Beendigung des Verfahrens84 finde die Haft stets ihr Ende85 .
b) Unterbringung des Beschuldigten zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 81) Das Gesetz bestimmt lediglich in § 81 Abs. 5 als Höchstdauer der Unterbringung eine Zeit von sechs Wochen. Jedoch muß nach Pelchen 86 der Beschuldigte auch schon vorher sofort entlassen werden, wenn der Sachverständige die Begutachtung abgeschlossen hat. c) Beugehaft zur Erzwingung der Herausgabepflicht (§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 2)
Nach § 95 Abs. 1 ist jeder, der ein nach § 94 beschlagnahmefähiges Beweismittel in seinem Gewahrsam hat, verpflichtet, dieses auf Erfordern vorzulegen und auszuliefern. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so können nach § 95 Abs. 2 Satz 1 gegen ihn - falls er nicht zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist - die Ordnungs- und Zwangsmittel des § 70 festgesetzt werden. Nach Kleinknecht / Meyer87 ist eine gemäß §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 2 verhängte Beugehaft sofort zu beenden, sobald die Behörde auf irgendeine Weise in Besitz des Gegenstandes gelangt ist oder wenn dieser untergegangen ist. Mit Beendigung des Rechtszuges, sowie wenn die Sache infolge des Fortgangs des Verfahrens beweisunerheblich wird oder wenn der Gewahrsam des Herausgabepflichtigen endet, ist sie ebenfalls aufzuheben 88 .
81 Etwa eine Eheschließung mit dem Beschuldigten oder der Umstand, daß ein Zeuge selbst Mitbeschuldigter in der Sache wird. 82 BGH vom 11. Mai 1976 - 1 StR 168176; auch Eb. Schmidt 11, § 70 Rdnr. 19. 83 Meyer, in: LR, § 70 Rdnr. 26; ebenso Hans Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 70 Rdnr. 26. 84 Durch Urteil, Einstellung, Ablehnung der Eröffnung. 85 Paulus, in: KMR, § 70 Rdnr. 19. 86 Pelchen, in: KK, § 81 Rdnr. 7; wohl auch Eb. Schmidt 11, § 70 Rdnr. 20. 8? Kleinknecht / Meyer § 95 Rdnr. 9; auch Meyer, in: LR, § 95 Rdnr. 13. 88 Meyer, in: LR, § 95 Rdnr. 13 m. w. Nachw.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
d) Vorläufige Festnahme zur Identitätsfeststellung (§§ 127 Abs. I Satz 2, 163b Abs. I) Im Gegensatz zur bloßen Festhaltung gemäß § 163b Abs. 1 handelt es sich hier um eine höhere Stufe der Freiheitsentziehung89 . Gleichwohl soll die Restitution nach den gleichen - bereits bei § 163b Abs. 1 entwickelten Grundsätzen erfolgen. Entfallen die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2, so muß die Festnahme aufgehoben und in deren Folge die Person freigelassen werden 90 .
e) Vorführung (§ /34) Nach § 134 Abs. 1 kann zum Zwecke der Vernehmung die sofortige Vorführung verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden. Diese Bestimmung will dem vernehmenden Richter den - praktisch allerdings selten beschrittenen91 - "Mittelweg" zwischen einer sofortigen Verhaftung und einer einfachen Ladung zur Vernehmung eröffnen92 • Seine Wirksamkeit soll der Vorführungsbefehl mit dem Abschluß der durch ihn erzwungenen Vernehmung verlieren 93 • Erläßt der Richter keinen Haft- oder Unterbringungsbefehl, so muß der Beschuldigte nach Beendigung der Vernehmung entlassen werden 94 . Dies trifft auch zu, wenn der Beschuldigte abschließend erklärt hat, er wolle nicht zur Sache aussagen 95 . Die Vorführung des Beschuldigten zur Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 163a Abs. 3 Satz 2 i.V.M. § 134 ist strukturell der soeben beschriebenen Vorführung vergleichbar.
Vgl. Riegel, ZRP 1978, 14, 16. Boujong, in: KK, § 127 Rdnr. 43; Dünnebier, in: LR, § 128 Rdnr. 1,2 ("Selbstverständlichkeit"); Müller, in: KMR, § 127 Rdnr. 22; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 128 Rdnr. 1. 91 Schon Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 3; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 3 im Überblick der Anwendungsfälle. 92 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 2; Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 2. 93 Boujong, in: KK, § 134 Rdnr. 8; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 10; Kleinknecht / Meyer § 134 Rdnr. 6; Kühne Rdnr. 226 ("automatisch" ohne "Wirkung"); Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 10; Roxin § 31 C II 2 c (Vorführungsbefehl ist "erschöpft"); a. A. Enzian, NJW 1957,450,451, jedoch unter Anerkennung eines vom Vorführungsbefehl unabhängigen Festhalterechtes; Lampe, MDR 1974, 535, 538 (bereits mit Beginn der Vernehmung). 94 Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 10; Meyer, in: LR, § 134 Rdnr. 10. 95 Grünwald, JZ 1981, 423, 426; Hanack, in: LR (24. Aufl.), § 134 Rdnr. 10; Kleinknecht / Meyer § 135 Rdnr. 6; Kühne Rdnr. 226. 89
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I. Abschn.: II. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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f) Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung wegen Wahrheitsgefährdung, bei Vernehmung von Kindern und jugendlichen Zeugen und bei Gefährdung der Gesundheit des Angeklagten (§ 247 Sätze 1, 2 und 3) Das Gericht kann gemäß § 247 aus verschiedenen Gründen anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer zu entfernen hat. Bei einer Entfernung nach § 247 Satz 1 besteht der Zweck darin, die psychologischen Hemmungen zu mindern, die einer wahrheitsgetreuen Aussage entgegenstehen könnten, wenn sie in Gegenwart des Angeklagten erstattet werden sollte96 • Nach § 247 Satz 2 wird demgegenüber nur vorausgesetzt, daß eine Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten sich unabhängig von der Frage der wahrheitsgemäßen Aussage - schädlich auf die Psyche des Kindes bzw. Jugendlichen auswirken könnte 97 • § 247 Satz 3 bietet schließlich die Möglichkeit eines Ausschlusses des Angeklagten von der Hauptverhandlung für die Dauer der Erörterung seines Zustandes und der Behandlungsaussichten, wenn dies für ihn die Gefahr einer psychischen oder physischen Schädigung besorgen läßt98 • Soweit sich bei der fortschreitenden Vernehmung ergibt, daß die Befürchtung, die die Entfernung des Angeklagten rechtfertigte, nicht mehr besteht oder von vornherein fehlte 99 , muß das Gericht den Angeklagten wieder an der Verhandlung teilnehmen lassen. Dies soll sich nach Gollwitzer 1OO aus dem Grundgedanken ergeben, daß die Entfernung des Angeklagten nicht länger als nötig andauern darf. Entfällt der Entfernungsgrund, so ist der Angeklagte ohne förmlichen Beschluß durch Anordnung des Vorsitzenden lOl wieder zuzulassen. Das Hanseatische Oberlandesgericht meint im übrigen, das Gericht habe eine Pflicht, eine noch nicht völlig abgeschlossene Zeugeneinvernahme in Anwesenheit zu wiederholen, wenn erkennbar werde, daß eine zum Ausschluß führende Befürchtung nicht begründet war 102 . Überdies soll der Angeklagte stets wieder zugelassen werden, wenn eine bestimmte Vernehmung beendet oder ein Beweismittel ausgeschöpft worden ist 103 . Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 247 Rdnr. 14. Ebd. Rdnr. 23. 98 Ebd. Rdnr. 26. 99 Paulus, in: KMR, § 247 Rdnr. 21. 100 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 247 Rdnr. 22. 101 Kleinknecht / Meyer (36. Aufl.), § 247 Rdnr. 8 - in der 38. Aufl. Rdnr. 14 a. A., ebenso Paulus, in: KMR, § 247 Rdnr. 21 (Gerichtsbeschluß). 102 HansOLG Hamburg, NJW 1975, 1573, 1574; zustimmend Paulus, in: KMR, § 247 Rdnr. 21; ablehnend Fischer, NJW 1975, 2034, 2035 (die Sach- und Rechtslage ändert sich nur für die Zukunft); ebenso ablehnend Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 247 Rdnr. 37 auf den Grundsatz des fairen Verfahrens abhebend; Mayr, in: KK, § 247 Rdnr. 5; Roxin § 42 F 11 3 d. 103 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 247 Rdnr. 41; Schlüchter Rdnr. 447 a. E. 96
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen g) Entfernung aus dem Sitzungszimmer und Ordnungshaft bei Nichtbefolgung richterlicher Anordnungen (§ 177 Satz 1 Alt. 1 und 2 GVG)
§ 177 Satz 1 Alt. 1 und 2 GVG geben dem Vorsitzenden, dem nach § 176 GVG die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt, die Mittel in die Hand, diese auch durchsetzen zu können. Jeder im Verhandlungssaal Anwesende kann entfernt oder für eine bestimmte Zeit (im Höchstmaß 24 Stunden) zur Ordnungshaft abgeführt werden.
Nach einer Auffassung ist diese Haft spätestens bei Schluß einer Sitzung aufzuheben, da Störungen dann nicht mehr zu befürchten seien!04. Nach anderer Ansicht soll die Haft auch ausnahmsweise über das Ende der Sitzung hinaus andauern dürfen, wenn Störungen - beispielsweise im Gerichtsgebäude durch Einflußnahme auf Zeugen oder sonstige Beteiligte - zu besorgen seien!05. Im übrigen kann das Gericht jederzeit den entsprechenden Beschluß zurücknehmen, die Vollstreckung aussetzen oder unterbrechen, beispielsweise wenn der Ungehorsame bei der Verhandlung beteiligt ist und seine Anwesenheit erforderlich wird 106 . 4. Restitution nach Autbebung und Ausschöpfung
a) Kostenauferlegung, Ordnungsgeld mit ersatzweiser Ordnungshaft sowie zwangsweise Vorführung des ausgebliebenen Zeugen (§ 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1) Nach allgemeiner Auffassung ist der Vorführungsbefehl wegen Zweckfortfalls aufzuheben, wenn der Zeuge nicht mehr vernommen zu werden braucht 107 • Dies gilt jedoch nicht für Beschlüsse nach § 51 Abs. 1 Satz 1 (Kosten) und Satz 2 (Ordnungsgeld und Ersatzhaft). Soweit der Zeuge sein Ausbleiben nachträglich genügend entschuldigt (im Sinne von § 51 Abs. 2 Satz 2), muß das Gericht den Beschluß - auch nach rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens - gemäß § 51 Abs. 2 Satz 3 aufheben!08. Die Aufhebung erfolgt auf Antrag des Zeugen oder von Amts wegen 109 • 104 OLG Karlsruhe, JR 1976, 383, 385; Baumann, in: Eb. Schmidt-FS, 525, 545; Kissel, GVG, § 177 Rdnr. 5; Kleinknecht I Meyer § 177 GVG Rdnr. 10; Levin, Richterliche Prozeßleitung und Sitzungspolizei, 242f.; Mayr, in: KK, § 177 GVG Rdnr. 1; Müller I Sax I Paulus, GVG, § 177 Rdnr. 3; Rehbinder, MDR 1963, 640, 641 bei Fn. 4. \05 Albers, in: Baumbach I Lauterbach I Albers I Hartmann, ZPO, § 177 GVG Anm. 2 A b; Dalcke I Fuhrmann I Schäfer, § 177 GVG Anm. 5; Schäfer, in: LR, § 177 GVG Rdnr. 9. 106 Schäfer, in: LR, § 177 GVG Rdnr. 12. 107 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 51 Rdnr. 25; Kleinknecht I Meyer § 51 Rdnr. 25; Meyer, in: LR, § 51 Rdnr. 23; Paulus, in: KMR, § 51 Rdnr. 42.
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Handelt es sich um Maßnahmen nach § 161a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, so hebt die Staatsanwaltschaft die sich gegen den ausgebliebenen Zeugen wendende Ordnungsmittelverfügung selbst auf, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 Satz 3 vorliegen 110. b) Kostenauferlegung, Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft (§ 70 Abs. 1 Satz 1 und 2) Ein Beschluß nach § 70 Abs. 1 ist von Amts wegen aufzuheben, wenn sich das Gericht nachträglich überzeugt, daß die Weigerung des Zeugen, seiner Aussagepflicht nachzukommen, berechtigt war. Der Beschluß wird jedoch nicht dadurch hinfällig, daß der Zeuge nachträglich seiner Pflicht nachkommt, sich entschuldigt oder seine Vernehmung entbehrlich wird 111 • Gleiches gilt für die grundlose Zeugnis- oder Eidesverweigerung vor der Staatsanwaltschaft nach § 161a Abs. 2 Satz 1 i. V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1 und 2. c) Kostenaufer/egung und Ordnungsgeld bei Ausbleiben eines Sachverständigen oder Weigerung der Erstattung des Gutachtens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 und 2)
Der Ordnungsgeldbeschluß wegen Nichterscheinens ist entsprechend §§ 51 Abs. 2 Satz 3, 72 aufzuheben, soweit der Sachverständige sich rechtzeitig und genügend entschuldigt 112 . Dies gilt im Falle der Weigerung auch, wenn sich das Gericht davon überzeugt hat, daß die Weigerung berechtigt war113 • Hierzu kommt es gemäß § 161a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 und 2 auch, wenn es sich um einen Auftrag der Staatsanwaltschaft handelte. d) Durchsuchung des Verdächtigen sowie der ihm gehörenden Sachen und Durchsuchung bei anderen Personen (§§ 102 Alt. 1 - 3, 103) Der während einer noch nicht abgeschlossenen Durchsuchung angerufene Richter prüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung im lOB BayObLGSt 7 (1907), 330, 331; OLG Hamm, NJW 1956, 1935; sowie nach Beitreibung des Ordnungsgeldes OLG Hamm, MDR 1950,179; Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 51 Rdnr. 25; Kleinknecht / Meyer § 51 Rdnr. 25; Paulus, in: KMR, § 51 Rdnr. 44. 109 Paulus, in: KMR, § 51 Rdnr. 41. 110 Kleinknecht / Meyer § 51 Rdnr. 25 a. E. und § 161a Rdnr. 16. 11J Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 70 Rdnr. 38; Meyer, in: LR, § 70 Rdnr. 38 m. w. Nachw.; Paulus, in: KMR, § 70 Rdnr. 26. 112 Paulus, in: KMR, § 77 Rdnr. 12. 1\3 Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 77 Rdnr. 19; Meyer, in: LR, § 77 Rdnr. 19.
12 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen. Durch die Entscheidung kann er die Grenzen der Durchsuchung bezeichnen und die Art und Weise der Vollstrekkung regeln 114 • Der Beschluß kann auch ganz aufgehoben werden. Die Durchsuchungsanordnung berechtigt zu einer einmaligen einheitlichen Durchsuchung, die - wenn auch mit Pausen - in einem Zuge durchgeführt werden muß1l5. Die Anordnung ist verbraucht mit Beendigung der Durchsuchung, die durch ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Verhalten der Strafverfolgungsorgane erkennbar wird 116 • Auch ist die Durchsuchung beendet, wenn die Durchsuchungsziele erreicht sind oder die Durchsuchung erfolglos war 117 • e) Steckbriefe (§ 131 Abs. 1 und 2) Ein Steckbrief ist die nicht an eine bestimmte Person oder an eine bestimmte Behörde, sondern an eine unbestimmte Zahl von Behörden, Stellen und Personen, notfalls an die Öffentlichkeit, gerichtete amtliche Aufforderung, nach einem flüchtigen oder sich verborgen haltenden Beschuldigten oder Verurteilten zu fahnden und ihn festzunehmen 118 • Steckbriefe und die auf ihrer Grundlage ergangenen Ausschreibungen sind zurückzunehmen, sobald die Fahndung erledigt ist 119 • Nach Boujong120 wird der Steckbrief aufgehoben, wenn der ihm zugrundeliegende Haft- oder Unterbringungsbefehl nicht mehr besteht oder der Fahndungsgrund entfallen ist. Trotz zum Teil heftiger Beratungen ist zur Frage der Erledigung von Steckbriefen in den Materialien zur Strafprozeßordnung nichts zu finden 121 •
114
BGHSt 28, 206, 209; OLG Karlsruhe, NJW 1979, 2527; Kleinknecht / Meyer
§ 105 Rdnr. 15ft.; Laufhütte, in: KK, § 105 Rdnr. 8; Meyer, in: LR, § 105 Rdnr. 17; Müller, in: KMR, § 105 Rdnr. 17; Gerhard Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 105 Rdnr. 17.
Ehlers, BB 1978, 1513, 1515; Rengier, NStZ 1981, 372, 377. Kleinknecht / Meyer § 105 Rdnr. 14. 117 Rengier, NStZ 1981, 372, 377. 118 Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 131 Rdnr. 5. Hierunter fallen auch moderne Fortentwicklungen der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane (Massenmedien); für die Fernsehsendung "Aktenzeichen: XY - ungelöst" vgl. etwa BoUke, ZStW 93 (1981), 425ff. 119 Dünnebier, in: LR, § 131 Rdnr. 40; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 131 Rdnr. 37; beide unter Hinweis auf Nr. 39 RiStBV: "Soweit erforderlich, veranlaßt der Staatsanwalt nach Wegfall des Fahndungsgrundes unverzüglich die Rücknahme aller Fahndungsmaßnahmen. ". 120 Boujong, in: KK, § 131 Rdnr. 11. 121 Vgl. dazu im einzelnen Hahn 18, 138, 692f., 1287f., 1527, 1553f., 1620, 1647, 1687, 1839,2089. 115
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1. Abschn.: 11. Entwickelte Restitutionsauffassungen
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f) Überwachung bei Taten nach § 129a StGB (§§ 148, 148a) Die Anordnung nach § 148 Abs. 2 richtet sich gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten, der der Begehung von Straftaten nach § 129a StGB verdächtig ist. Sie hat zur Folge, daß im Rahmen des Verkehrs mit dem Verteidiger Schriftstücke oder andere Gegenstände zurückgewiesen werden, sofern sich der Absender oder derjenige, der sie unmittelbar übergeben will, nicht damit einverstanden erklärt, sie zunächst einem Richter zur Überprüfung vorzulegen. Aufzuheben ist die Anordnung spätestens dann, wenn keine Verteidigung mehr stattfinden kann 122 • Dies soll etwa dann gegeben sein, wenn das Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte aus dem wegen einer Verurteilung nach § 129a StGB angetretenen Strafvollzug entlassen worden ist. Auch wenn im laufenden Verfahren der Verdacht nach § 129a StGB entfällt, das Verfahren aber wegen einer anderen Straftat weitergeführt wird, ist die Überwachung aufzuheben. Steht etwa fest, daß die Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nur durch Eingeständnis des Beschuldigten erwiesen werden könnte, der Betroffene aber erklärt hat, er werde nicht aussagen, und sich an diese Erklärung auch gehalten hat, so soll die Überwachung mit dem Moment der Erlangung dieser Erkenntnis unzulässig geworden sein. Nach Dünnebier123 ist es rechtswidrig, die Überwachung mit der Überlegung, der Beschuldigte könne sich doch noch zum Geständnis entschließen, andauern zu lassen.
g) Vorführung in der Hauptverhandlung (§ 230 Abs. 2 Alt. 1) Diese Zwangsmaßnahme soll die Durchführung des Strafverfahrens in Anwesenheit des Angeklagten sichern. Es geht um eine präventive Verhinderung, nicht jedoch um eine Bestrafung des in dem Ausbleiben liegenden Ungehorsams des Angeklagten 124 • Der Vorführungsbefehl ist aufzuheben, wenn er nicht mehr notwendig ist, um die ordnungsgemäße Erledigung des Verfahrens zu sichern. Dies ist etwa der Fall, wenn bei vernünftiger Betrachtung der Umstände damit zu rechnen ist, daß der Angeklagte von selbst zum neuen Termin erscheint 125 • Mit Beginn der Hauptverhandlung ist der Vorführungsbefehl vollstreckt und verliert jede Wirkung 126 • Es bedarf dann keiner gesonderten Aufhebung mehr 127 • Wenn Dünnebier, in: LR, § 148 Rdnr. 20. Dünnebier, in: LR, § 148 Rdnr. 20 mit Beispielen. 124 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 230 Rdnr. 26. 125 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 230 Rdnr. 28. 126 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 230 Rdnr. 34; Kleinknecht / Meyer § 230 Rdnr. 8; Schlüchter Rdnr. 272; Treier, in: KK, § 230 Rdnr. 11 ("gegenstandslos"). 127 Kühne Rdnr. 226; Müller, in: KMR, § 230 Rdnr. 11 ("mit erfolgter Vorführung"); Roxin § 31 eIl 2 b. 122 123
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
sich der Angeklagte während der Hauptverhandlung eigenmächtig entfernt, muß ein neuer Vorführungsbefehl erlassen werden, da der alte verbraucht ist 128 . Die auf Grund der Möglichkeiten des § 329 Abs. 1 und 2 selten notwendig werdenden Zwangsmaßnahmen nach § 329 Abs. 4 Alt. 1 und 2!29 gestatten in der Berufungshauptverhandlung die Vorführung beziehungsweise Verhaftung des Angeklagten entsprechend § 230 Abs. 2 Alt. 1 und Alt. 2. Die Ausführungen zu dieser Norm finden hier entsprechende Anwendung!30. Nach § 330 Abs. 1 kann in der Berufungshauptverhandlung die Vorführung angeordnet werden, wenn die Berufung durch den gesetzlichen Vertreter des Angeklagten eingelegt worden, er selbst aber ausgeblieben ist. Eine Verhaftung ist - im Gegensatz zu § 329 Abs. 4 - hier nicht möglich!3!. § 387 Abs. 3 Alt. 2 bietet die Möglichkeit, den im Privatklageverfahren in der Hauptverhandlung nicht erschienenen Angeklagten vorführen zu lassen. Die Vorführung folgt den Regeln des § 230!32. Auch die Vorführung des Einziehungsbeteiligten im Einziehungsverfahren nach § 433 Abs. 2 Satz 2 ist strukturell der nach den §§ 230 Abs. 2, 329 Abs. 4, 387 Abs. 3 vergleichbar!33. Kraft Verweisung gilt Entsprechendes für die Vorführung des Verfallsbeteiligten bei Ausbleiben in den Verfahren wegen Verfalls, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes gemäß § 442 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 in Verbindung mit § 433 Abs. 2 Satz 2.
h) Haftbefehl gegen den ausgebliebenen Angeklagten (§ 230 Abs. 2 Alt. 2) Sinn eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 ist es, die Durchführung der Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten zu ermöglichen beziehungsweise zu sichern. Ein derartiger Haftbefehl wird gegenstandslos mit Beendigung der Hauptverhandlung 134 • Hingegen meinen Kühne 135 , Roxin 136 128 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 230 Rdnr. 34; strukturell entspricht auch der Vorführungsbefehl im Verfahren nach § 234 (§ 236 Alt. 1) der beschriebenen Norm. 129 Vgl. nur Gollwitzer, in: LR, § 329 Rdnr. 91 m. w. Nachw. 130 Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 329 Rdnr. 94; Paulus, in: KMR, § 329 Rdnr. 53. Dies gilt auch für die Vorführung des im Strafbefehlsverfahrens ausgebliebenen Angeklagten (§§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 1). 13l Gollwitzer, in: LR (24. Aufl.), § 330 Rdnr. 5 m. w. Nachw.; Rieß, NJW 1975, 89 Fn. 116. § 330 Abs. 1 findet über § 412 Satz 2 auch im Strafbefehlsverfahren Anwendung. 132 Gollwitzer, in: LR, § 387 Rdnr. 20; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 387 Rdnr. 20. m Boujong, in: KK, § 433 Rdnr. 9; Gössel, in: LR (24. Aufl.), § 433 Rdnr. 35; Paulus, in: KMR, § 433 Rdnr. 11; Schäfer, in: LR, § 433 Rdnr. 33. 134 OLG Saarbrücken, NJW 1975, 791, 792; Gollwitzer, in: LR, § 230 Rdnr. 46; Kleinknecht / Meyer § 230 Rdnr. 10; Müller, in: KMR, § 230 Rdnr. 13; Treier, in: KK, § 230 Rdnr. 15; Schlüchter Rdnr. 272 a. E.
1. Abschn.: 11. ERtwickelte Restitutionsauffassungen
181
und Eberhard Schmidt137 , daß es im Gegensatz zur Vorführungsanordnung, welche automatisch ihre Wirkung verliere, beim Haftbefehl einer besonderen Aufhebung bedürfe. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zum Recht des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 ausgeführt, daß die Zwangsmaßnahme nicht länger als nötig eingesetzt werden dürfe 138 : "Der Richter muß daher stets im Auge behalten, daß es der vomehmliche Zweck und der eigentliche Rechtfertigungsgrund der Untersuchungshaft ist, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafvollstreckung sicherzustellen; ist sie zu einem dieser Zwecke nicht mehr nötig, so ist es unverhältnismäßig und daher grundsätzlich unzulässig, sie anzuordnen, aufrechtzuerhalten oder zu vollziehen. "
Gleiches muß für den Haftbefehl im Verfahren nach § 234 (§ 236 Alt. 2), für die Verhaftung des in der Berufungsverhandlung ausgebliebenen Angeklagten (§ 329 Abs. 4 Alt. 2) und für die Verhaftung im Strafbefehlsverfahren (§§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 2) gelten. i) Sicherungshaftbefehl bei Gefahr des Strafaussetzungswiderrufes (§ 453c Abs. 1) Um sich der Person des Verurteilten zu versichern, kann ein Sicherungshaftbefehl angeordnet und durchgeführt werden, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß eine Strafaussetzung widerrufen wird und zwar unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 NT. 1 oder 2 (Flucht oder Fluchtgefahr) und wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde. Mit Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses endet die Sicherungshaft und geht in den Vollzug des Urteils über 139 •
Kühne Rdnr. 226. Roxin § 31 eil 2 c. 137 Eb. Schmidt 11, § 230 Rdnr. 20. 138 BVerfGE 32,87,93, verweisend auf BVerfGE 19,342, 347f., 349; 20, 45, 49f.; 20,144,147. 139 Kleinknecht / Meyer § 453c Rdnr. 5; Wolfgang Müller, in: KK, § 453c Rdnr. 6; Müller, in: KMR, § 453c Rdnr. 9; Schäfer, in: LR, § 453c Rdnr. 9 ("verliert seine Bedeutung"); Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 453c Rdnr. 3. 135
136
182
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
k) Vorführungsbefehl und Haftbefehl zur Einleitung des Vollzuges (§ 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2), Vorführungsbefehl und Haftbefehl bei Entweichen (§ 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 2) und Steckbrief (§ 457 Abs. 2) Diese Zwangsmaßnahmen haben zwar begrifflich mit dem richterlichen Haftbefehl gemäß § 114 oder dem Steckbrief nach § 131 nichts gemein 140 . Strukturell ergeben sich indes keine Unterschiede zu den bereits oben untersuchten Maßnahmen 141 .
I) Ordnungsgeld und Kostenauferlegung bei unentschuldigtem Ausbleiben oder andersartigem Entzug von Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses (§ 40 GVG) zu den Sitzungen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG) § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 GVG legt fest, daß gegen Schöffen oder Vertrauenspersonen eines Ausschusses nach § 40 GVG, die nicht erschienen sind oder sich andersartig den Sitzungen entziehen, ein Ordnungsgeld festzusetzen und die Kosten aufzuerlegen sind. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 GVG kann eine dahingehende Entscheidung ganz oder zum Teil zurückgenommen werden, soweit eine "nachträgliche genügende Entschuldigung" vorliegt. Diese Rücknahme ist an keine Frist gebunden, selbst dann nicht, wenn das Ordnungsgeld bereits beigetrieben sein sollte. Allerdings eröffnet das Wort "kann" dem entscheidenden Richter einen Ermessensspielraum. So soll beispielsweise unter Aufrechterhaltung der Kostenauferlegung die Möglichkeit bestehen, nur das Ordnungsgeld zurückzunehmen 142 • 5. Zwischenfazit
Der Blick auf die Gruppe von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, hinsichtlich derer keine Bereinigungsnormen bestehen, läßt die eingangs behaupteten Strukturen, die auf ein allgemeines Restitutionsprinzip schließen lassen könnten, ebenfalls erkennen. Auch hier hat sich gezeigt, daß es eine Fülle verschiedenster Formen der Bereinigung von Wirkungen der Zwangsmaßnahmen gibt. Letztlich geht es aber stets darum, den vor dem Eingriff vorhandenen Zustand wiederherzustellen. Wie dies geschieht, ist von der jeweiligen Ausgestaltung der Zwangsmaßnahme abhängig. Einigkeit herrscht dar140 Schäfer, in: LR, § 457 Rdnr. 5 und 15; Wendisch, in: LR (24. Aufl.), § 457c Rdnr. 6 und 19. 141 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 3 a. 142 Zu allem vgl. Kissel, GVG, § 56 Rdnr. 7; Kleinknecht / Meyer § 56 GVG Rdnr. 7; Schäfer, in: LR, § 56 GVG Rdnr. 9.
1. Abschn.: III. Zwangsmaßnahmen ohne Hinweise
183
über, daß dieser hier als Folgenbereinigung bezeichnete Vorgang stets bei Wegfall des jeweiligen Untersuchungszweckes erfolgen soll. Im einzelnen ist allerdings streitig, wann diese Voraussetzung konkret gegeben ist. Ohne Begründung wird zum Teil auch behauptet, daß den Staat keine Pflicht zur Bereinigung treffe. Vielmehr soll der von einer Zwangsmaßnahme Betroffene lediglich einen Anspruch auf Entscheidung nach pflichtgemäßen Ermessen haben. Zudem bedürfe es eines besonderen Antrags auf Aufhebung der Maßnahme. Bestätigt hat sich auch der schon einmal festgestellte Umstand, daß ein Blick über die Grenzen der jeweils untersuchten Zwangsmaßnahme hinsichtlich der Folgenbereinigung nicht gewagt wird. Sämtliche Betrachtungen bleiben stets auf eine oder aber allenfalls strukturell ähnliche Zwangsmaßnahmen beschränkt. IH. Zwangsmaßnahmen ohne Hinweise
Der Vollständigkeit dieser Analyse halber sei abschließend dargetan, daß bei einigen Zwangsmaßnahmen, die keine restitutionsauslösenden Normen aufweisen, auch jegliche Hinweise in Rechtsprechung und Schrifttum fehlen. Dies betrifft folgende Zwangsmaßnahmen: Körperliche Untersuchung des Beschuldigten (§ 81a Abs. 1 Satz 1), körperliche Eingriffe, insbesondere die Entnahme einer Blutprobe, beim Beschuldigten (§ 81a Abs. 1 Satz 2), körperliche Untersuchung anderer Personen (§ 81c Abs. 1), körperliche Eingriffe in Form der Entnahme einer Blutprobe bei anderen Personen (§ 81c Abs. 2 Satz 1), Kostenauferlegung als Vollstrekkungsmaßnahme bei Weigerung gegen Maßnahmen nach § 81c (§§ 81c Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1), Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, als Vollstreckungsmaßnahme bei Weigerung gegen Maßnahmen nach § 81c (§§ 81c Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2), Kostenauferlegung bei Weigerung der Herausgabe trotz entsprechender Pflicht (§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1), Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, bei Weigerung der Herausgabe trotz entsprechender Pflicht (§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2), Durchsuchung zur Beschlagnahme nach § I11b Abs. 2 Satz 1 (§ 111b Abs. 2 Satz 3), vorläufige Festnahme durch Polizei und Staatsanwaltschaft (§ 127 Abs. 2), Maßnahmen zur Erzwingung der fortdauernden Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung (§ 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1), die Ingewahrsamnahme des Angeklagten bei Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2), Aufforderung in öffentlichen Blättern zwecks Erscheinens vor Gericht oder Anzeige des Aufenthaltsortes des abwesenden Beschuldigten (§ 288), Wegnahme von Sachen, deren Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung angeordnet ist gegenüber einem Verurteilten, Verfalls- oder Einziehungsbeteiligten (§ 459g Abs. 1 Satz 1), Zwangsgeld bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung in periodischen Druckwerken (§ 463c Abs. 3 Alt. 1), Zwangshaft bei Weigerung der öffentlichen
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Urteilsbekanntmachung in periodischen Druckwerken (§ 463c Abs. 3 Alt. 2), Zwangsgeld bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung im Rundfunk (§ 463c Abs. 4, Abs. 3 Alt. 1), Zwangshaft bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung im Rundfunk (§ 463c Abs. 4, Abs. 3 Alt. 2), Ordnungsgeld wegen Ungebühr in der Sitzung (§ 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GVG), Ordnungshaft wegen Ungebühr in der Sitzung (§ 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GVG) und vorläufige Festnahme wegen Straftaten in der Sitzung (§ 183 Satz 2 GVG). IV. Ergebnis der Analyse
Sinn dieser Analyse war es, die eingangs aufgestellte Hypothese, die besagte, daß die Aufbewahrung von Zufallsfunden wegen deren fehlender Tatbezogenheit stets rechtswidrig seil, zu belegen. Diese Hypothese war gegründet auf der weiteren Behauptung, daß alle strafprozessualen Zwangsmaßnahmen dem Prinzip der Restitution unterlägen. Dieses habe zur Folge, daß der Zustand, der durch einen Eingriff verursacht worden sei, restlos bereinigt werden müsse, soweit der Eingriff rechtswidrig war oder es durch eine Änderung der tatsächlichen Lage geworden sei2 . Diese Hypothese ist nach Abschluß der Analyse noch nicht belegt. Weder läßt sich aus den Normen der Strafprozeßordnung selbst noch aus den - zum Teil divergierenden - Ausführungen in Rechtsprechung und Schrifttum ein derartiges Restitutionsprinzip im behaupteten Sinne unmittelbar schließen beziehungsweise ableiten. Insgesamt ergibt die Betrachtung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen bezüglich der Bereinigung ihrer tatsächlichen Auswirkungen nämlich folgendes Bild:
In der Strafprozeßordnung sind nur bei einigen Zwangsmaßnahmen Normen zu finden, die die Bereinigung der tatsächlichen Folgen eines Zwangseinsatzes regeln. Hierbei muß unterschieden werden zwischen Normen, die eine Restitution ausdrücklich anordnen - etwa § lOOb Abs. 5 Satz 13 - und solchen, die die Bereinigung der tatsächlichen Wirkungen der Zwangsmaßnahmen nicht per se anordnen, sondern nur die Voraussetzungen der Aufhebung einer Maßnahme umschreiben. So ist beispielsweise nach § 120 Abs. 1 Satz 1 unter bestimmten Voraussetzungen ein Haftbefehl aufzuheben. In § 120 wird jedoch - im Gegensatz zu § 115a Abs. 2 Satz 3 - nicht die Freilassung des Beschuldigten nach Aufhebung des Haftbefehls angeordnet. Hierzu schweigt das Gesetz. Damit ist zunächst einmal festzuhalten, daß sich ein alle Zwangsmaßnahmen ergreifendes Restitutionsprinzip zumindest nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. 1 2
3
Siehe oben Kap. 2 IV 2. Siehe oben Kap. 2 IV 2. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 1 a.
1. Abschn.: IV. Ergebnis der Analyse
185
Wie gleichfalls dargestellt, haben Rechtsprechung und Schrifttum im Laufe der Zeit bei der überwiegenden Zahl der Zwangsmaßnahmen, die keine Restitutionsnormen aufweisen, bestimmte Grundsätze entwickelt, nach denen Zwangsmaßnahmen zu beenden und deren tatsächliche Folgen zu bereinigen sind. Zunächst einmal ist festzustellen, daß etliche Fragen in diesem Zusammenhang uneinheitlich beantwortet werden. Zwar besteht beispielsweise Einigkeit dahin, daß die Folgen einer Zwangsmaßnahme immer dann zu bereinigen seien, wenn die Voraussetzungen dieses Eingriffes weggefallen seien, was insbesondere bei Zweckerreichung vorliege. Wann und unter welchen Bedingungen allerdings genau dieser Fall mit den geschilderten Folgen eintritt, wird im einzelnen konkreten Fall uneinheitlich beantwortet4 . Ebenso verschiedenartig ist das Bild, geht man der Frage nach, ob die Bereinigung hinsichtlich der tatsächlichen Folgen von Amts wegen - wie etwa bei § lOOb Abs. 5 Satz 15 - oder auf Antrag des Betroffenen - wie etwa bei § 111k6 zu erfolgen hat. Als letztes Beispiel sei angeführt, daß bei verschiedenen Zwangsmaßnahmen streitig ist, ob zur Folgenbereinigung ein Beschluß des zuständigen Organs erforderlich ist oder nicht. So wird etwa für § 98 Abs. 2 Satz 2 ein ausdrücklicher Beschluß verlangt7 , während bei § 132a Abs. 28 ein derartiges Verfahren nicht für notwendig erachtet wird 9 . Soweit ein Beschluß verlangt wird, ist umstritten, ob dieser deklaratorischer lO oder konstitutiver l1 Natur ist. Selbst unter Außerachtlassung dieser soeben geschilderten Umstände, läßt sich ein allgemeines Restitutionsprinzip aus den Ausführungen in Lehre und Rechtsprechung nicht zwingend ableiten. Denn nahezu ausnahmslos beziehen sich die Beobachtungen nur auf die jeweils untersuchte Zwangsmaßnahme. Am weitesten reichen insoweit noch die Ansätze im älteren Schrifttum zu § 111 a. F. beziehungsweise in der heutigen Literatur zu § 111k. Wie gezeigt 12 besteht Einigkeit dahin, daß diese Norm lediglich eine Ausformung eines allgemeinen, auf dem öffentlichen Recht gegründeten Rückgabeprinzips bezüglich jeder Form staatlicher Verwahrung darstellt. Ein generelles, darüber hinausreichendes, alle Zwangsmaßnahmen erfassendes Restitutionsprinzip wird jedoch noch nicht einmal erwogen. 4 Vgl. dazu beispielsweise nochmals § lOOb Abs. 5 Satz 1 zum Begriff der "Strafverfolgung", siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 1 a. 5 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 1 a. 6 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (3) am Ende (str., vgl. dort etwa Riegel, der ein zweistufiges System - von Amts wegen und Anspruch - für rechtsstaatlich erachtet). 7 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 111 2 a. 8 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 14 b. 9 Str. bei § 230 Abs. 2 Alt. 2, dazu s. o. Kap. 3 Abschn. 1 11 4 h. 10 Z.B. § 293 Abs. 1, dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 14 c. 11 Z.B. § 120 Abs. 3 Satz 2, dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 3 a. 12 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (l)ff.
186
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Gleichwohl kann nicht gesagt werden, daß die bislang gewonnenen Ergebnisse das Bestehen eines allgemeinen Restitutionsprinzips etwa ausschlössen. Vielmehr ist es möglich, etliche Umstände, die die Analyse zu Tage gefördert hat, ohne daß dies jetzt belegt werden könnte, gerade als (sichtbare) Anzeichen eines allgemeinen Restitutionsprinzips zu deuten. Dies betrifft vor allem das auf den ersten Blick verwirrende Bild der Art und Weise der Bereinigung der Folgen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen. So erfolgt die Restitution in unterschiedlichster Weise, etwa durch Vernichtung (beispielsweise nach § 100b Abs. 5 Satz 113), mittels Verwahrung (beispielsweise nach § 163c Abs. 4 bezüglich richterlicher Protokolle über die Entscheidung nach § 163b Abs. 1 Satz 214), durch die Freilassung von Personen (beispielsweise nach § 115a Abs. 2 Satz 3 15 ), durch Rückgabe (beispielsweise nach § 111k I6 ), durch Aushändigung (beispielsweise nach § 101 Abs. 2 Satz 11 7), durch Mitteilung einer Abschrift (beispielsweise nach § 101 Abs. 318), durch Freigabe (beispielsweise nach § 111k 19) oder durch Zurücknahme (beispielsweise nach § 131 Abs. 1 und 220). Geht man vom Bestehen eines allgemeinen Restitutionsprinzips aus, welches forderte, daß unter bestimmten Bedingungen der Zustand vor dem Eingriff wiederhergestellt werden muß, so läßt dieses vielfältige Bild eine geordnete Struktur erkennen. Auf Grund des Umstandes, daß die verschiedenen Zwangsmaßnahmen auch unterschiedliche Folgen herbeiführen, muß die Art und Weise der Bereinigung zwangsläufig differenziert ausgestaltet sein. Ein nach § 100a aufgenommenes Tonband etwa darf nicht an den von dieser Maßnahme Betroffenen herausgegeben werden. Der Betroffene hat nämlich an diesem Band weder Besitz- noch Eigentumsrechte. Es kann vielmehr nur der Zustand wiederhergestellt werden, der vor der Telefonüberwachung bestand. Dieser Zustand ist dadurch gekennzeichnet, daß bei den Strafverfolgungsbehörden keine fernmündlich mitgeteilten Informationen gespeichert waren. Das Tonband muß also gelöscht oder insgesamt vernichtet werden. Auch etwaig vorhandene Abschriften wären, um den status quo an te wieder zu erreichen, zu vernichten. Diese Überlegungen ließen sich bei der Annahme eines allgemeinen Restitutionsprinzips bei allen Arten von Zwangsmaßnahmen lückenlos nachvollziehen. Auch der Umstand, daß - von wenigen Ausnahmen abgesehen - vor allem bei § 111 a. F. beziehungsweise § 111k - die Rückgabe verwahrter Gegen13
14 15 16 17
18
19 20
Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap. Siehe oben Kap.
3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn. 3 Abschn.
1 I 1 a. 1 I 1 b. 1 13 a. 1 12 b (2). 1 12 a 1 12 a. 1 12 b (2). 1 II 4 e.
1. Abschn.: IV. Ergebnis der Analyse
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stände bei Wegfall der Anordnungsvoraussetzungen als selbstverständliche Pflicht betrachtet wurde und wird, läßt die berechtigte Erwartung entstehen, daß das behauptete Restitutionsprinzip tatsächlich als prozessuales Verfahrensprinzip existiert. Erinnert sei an die dargestellten ausführlichen Debatten zu § 111 a. F. im Reichstag21 . Man war sich dort über das Vorhandensein eines allgemeinen Rückgabeprinzips einig. Nur über die Frage, ob es einer ausdrücklichen, dementsprechend nur deklaratorische Wirkung entfaltenden Norm zum Schutz vor Willkürmaßnahmen bedürfe, entstand der Streit. Wäre man nicht von einem derartigen Prinzip ausgegangen, so hätte man konsequenter Weise um die Einfügung einer konstitutiven, die Rückgabe also erst festlegenden Norm gestritten. Um einen weiteren Schritt auf dem Wege zum Beleg des behaupteten Restitutionsprinzips zu gehen, sei der Blick auf die Frage gelenkt, worin Rechtsprechung und Literatur den Grund des Bereinigungsvorganges sehen, Hierzu hat die Analyse ergeben, daß eine dogmatische Grundlegung für diesen Akt ebenfalls - wenn überhaupt - nur angedeutet wird. Wie die Darstellung der Entstehungsgeschichte des § 111 a. F.22 gezeigt hat, wurde das Prinzip der Bereinigung erkannt, ja sogar als selbstverständliche Pflicht der Verfolgungsbehörden angesehen23 . Der Grund hierfür blieb jedoch ungenannt. Ledschbor24 sah diesen im Privatrecht und in Art. 153 der Reichsverfassung (Eigentum). Bei anderen Zwangsmaßnahmen wird häufig der Wegfall der Rechtsgrundlage angeführt 25 . Man beruft sich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz26 , auf den Fortfall des Zwangsmaßnahmenzweckes27 oder auf Art. 14 GG28. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal auf die geradezu exemplarische Bemerkung Meyers 29 zu § lIla Abs. 5 Satz 1 verwiesen, nach der es "offenbar widersinnig" sei, eine Beschlagnahme nach Wegfall der Voraussetzungen des § 111a fortdauern zu lassen. Wie oben schon gezeigt worden ispo, wird das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, welches durch die Beschlagnahme von Gegenständen entsteht, durchweg als eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Beziehung angesehen. Der Rückgabeanspruch soll sich wie Pfleiderer schon im Jahre 1911, Ledschbor und von Canstein im Jahre 1931 festgestellt haben, aus dem Wesen 21 22
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24 25
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28 29 30
Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1). Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 2 b. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1). Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (2). Etwa bei § lIla Abs. 5 Satz 1, dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 c. Z. B. Laufhütte zur Rasterfahndung, dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 11 1 e. Bei § 98 Abs. 2 Satz 2, dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 11 2 a. Eb. Schmidt zu § 98 Abs. 2 Satz 2, siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 11 2 a. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 I 2 c am Ende. Siehe oben Fazit in Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1).
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
des Staates als modernen Rechtsstaates ergeben. Der Rechtsstaat könne nicht dulden, daß Eingriffe länger wirkten, als es zur Erreichung ihres Zweckes notwendig sei. Diese Überlegungen deuten den weiteren Weg der Untersuchung an. Der Blick soll nämlich im folgenden auf eine Eingriffsmaßnahme gelenkt werden, die der Strafprozeßordnung zwar fremd ist, aber strukturell einer Zwangsmaßnahme gleicht. Es handelt sich um die Maßnahme der erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 81b Alt. 2, die nach allgemeinen Auffassung einen präventiv-polizeirechtlicher Eingriff darstellPl. § 81b Alt. 2 weist, wie auch die meisten strafprozessualen Zwangsmaßnahmen keine Restitutionsnorm im obigen Sinne auf. Gleichwohl haben Rechtsprechung und Schrifttum Grundlinien für den Fall entwickelt, daß die bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 anfallenden Unterlagen bereinigt werden müssen. Von einer näheren Betrachtung dieser öffentlich-rechtlichen, präventiv-polizeilichen Norm, die strukturell den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ähnlich ist, wird eine dogmatische Begründung der Restitution erhofft, die sich möglicherweise auf die Situation der strafprozessualert Zwangsmaßnahmen schlechthin übertragen läßt. Hieraus könnte sich sodann auch die erwünschte strukturierte re Behandlung der Zufallsfunde ergeben. 2. Abschnitt
Der Sonderfall des § 81b Alt. 2 Wie bereits oben dargetan l , bestimmt § 81b, daß erkennungsdienstliche Maßnahmen gegenüber dem Beschuldigten sowohl für die Zwecke der Durchführung eines Strafverfahrens (Alt. 1) als auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes (Alt. 2) vorgenommen werden dürfen. Herkömmlicherweise wird hierbei die 1. Alternative als gesetzliche Grundlage für eine ED-Behandlung im Rahmen des (repressiven) Strafverfahrens angesehen, während die 2. Alternative die Eingriffsnorm für ausschließlich (präventive) Polizeimaßnahmen sein soll, damit also dem Strafverfahrensrecht wesensfremd ist2 . Eine Vorschrift, die die Bereinigung der Auswirkungen eines nach § 81b Alt. 2 durchgeführten Eingriffs regelt, gibt es auch bezüglich dieser Alternative nicht 3 . Gleichwohl sind hier von Rechtsprechung und Schrifttum Leitlinien entwickelt worden. Dazu siehe sogleich in Kap. 3 Abschn. 2. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 111 a. 2 Vgl. dazu nur Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81b Rdnr. 1ff.; Meyer, in: LR, § 81b Rdnr. 1ff.; Pe/ehen, in: KK, § 81b Rdnr. 1; zur Vermischung repressiver und präventiver Funktion bei der Polizei vgl. Brodersen, JuS 1983,723 m. w. Nachw. 3 Im übrigen zu § 81b Alt. 1 siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 111 a. 31
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2. Abschn.: Der Sonderfall des § 81b Alt. 2
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So wird zunächst festgestellt, daß sich aus § 81b Alt. 2 nicht nur die Voraussetzungen für die Anfertigung von Unterlagen ergäben, sondern auch die Grenzen für die Berechtigung der Behörde, einmal aufgenommene Erkenntnisse aufzubewahren 4 • Begründungen hierzu finden sich meist nicht. Allenfalls Hollands weist darauf hin, daß andernfalls "die Befugnis zur Herstellung von Unterlagen sonst leerlaufen müßte". Der Maßstab für die weitere Aufbewahrung bereits erhobener erkennungsdienstlicher Unterlagen soll sich bei § 81b Alt. 2 aus einer kriminalistischen Prognose ergeben. Entscheidend soll sein, ob der Sachverhalt, der im Rahmen des Strafverfahrens festgestellt worden ist, Anhaltspunkte biete, daß der Betroffene Verdächtiger bezüglich einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung sein könnte. Auch müßten die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen überführend oder entlastend - fördern können. Die Entscheidung wird unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlaßverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraumes währenddessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist, getroffen 6 • Die in § 81b Alt. 2 tatbestandlich geforderte "Notwendigkeit" der Aufbewahrung ist hierbei ebenfalls auf Grund der Würdigung der gesamten tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen? Nach Ansicht der Rechtsprechung soll die Notwendigkeit einer weiteren Aufbewahrung allerdings nicht durch bloßen Zeitablauf oder durch Einstellung des Strafverfahrens 8 , durch Strafaussetzung zur Bewährung im strafgerichtlichen Verfahren wegen der Handlung, die den Anlaß der erkennungsdienstlichen Behandlung bildete9 und auch nicht bei einem freisprechenden Urteil bei sonst erheblichem Tatverdacht lO entfallen. Die Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials soll allein dazu dienen, der Kriminalpolizei die Bekämpfung zukünftiger Verbrechen und Vergehen im Interesse eines wirksamen Schutzes der Allgemeinheit durch Identifizierung tatverdächtiger Personen 11 zu erleichtern 12 • Die Aufbewahrung dient 4 BVerwGE 11, 181, 182; 26, 269, 270; BVerwG, NJW 1983,1338; OVG Münster, NJW 1972, 2147, 2148; Fugmann, JuS 1981,2227,2229; Holland, JuS 1968,559,562. 5 Holland, JuS 1968, 559, 562. 6 BVerfGE 11, 181, 183; 26, 169, 171; BVerwG, NJW 1983, 772; NJW 1983, 1338, 1339; VGH Bad.-Württ., DÖV 1973, 462, 463; VGH Mannheim, NJW 1987, 2763f. 7 BVerwGE 11,181, 182f.; 26,169,171; BVerwG, NJW 1983, 772; NJW 1983, 1338; VGH Bad.-Württ., DÖV 1973, 462, 463; zur Bemessung der Aufbewahrungsfrist VGH Mannheim, NJW 1987, 2764f.; Holland, JuS 1968,559,562. 8 BVerwG, NJW 1983,1338,1339. 9 BVerwG, NJW 1983, 772, 774; 1338, 1339. 10 VGH Mannheim, NJW 1973, 1663; NJW 1987, 2762f. 11 BVerwGE 26, 169, 170.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
damit der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung durch § 163 zugewiesen sind 13 • Riegel14 unterscheidet - "trotz eines unleugbaren gewissen Zusammenhangs" - zwischen Anfertigung und Aufbewahrung von ED-Unterlagen. Begründet wird dies damit, daß jeweils nach vorgenommener Identifizierung die Entscheidung getroffen wird, ob aus Gründen der Gefahr erneuter Straffälligkeit die Unterlagen nunmehr aufbewahrt werden müssen. Liege etwa nach der Identifizierung keine Gefahr der Wiederholung der begangenen Straftat vor, so sei kein Grund für die Aufbewahrung gegeben. Die ED-Unterlagen seien vielmehr zu vernichten. Eine Aufbewahrung einmal gefertigter Unterlagen ad infinitum sei nicht möglich. Ihre Berechtigung und damit Notwendigkeit verliere sie dort, wo entweder der Zweck erreicht sei (zum Beispiel bei der Identifizierung) oder der ursprünglich verfolgte Zweck (beispielsweise die Verhütung weiterer und bzw. oder erleichterte Aufklärung von künftigen Straftaten des ED-Behandelten) entfallen sei 15 • Wann ein Zweckfortfall vorliegt, soll nach Riegel auf Grund der kriminalistischen Erfahrungen nach dem Gesamtverhalten des Betroffenen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips beurteilt werden. Der Zweck entfalle nicht etwa erst mit dem Abschluß des Verfahrens (bei Freispruch oder Einstellung). Riegel meint weiterhin, daß mit dem Wegfall der Voraussetzungen der Aufbewahrung gleichzeitig ein Anspruch des ED-Behandelten auf Vernichtung der Unterlagen entstehe. Wünschenswert sei es, daß dieser Anspruch von Amts wegen erfüllt werde. Wegen des "immensen Aufwandes" wäre dies aber kaum durchsetzbar 16 • Um einer ständigen Sichtung der Unterlagen vorzubeugen, schlägt Riegel vor, bestimmte, nicht zu knapp bemessene Fristen zu setzen und daneben als zusätzliches Korrektiv die Möglichkeit individueller Anträge auf Vernichtung vor Ablauf dieser Fristen zu gestatten. Auch Vogel 17 erkennt einen Anspruch des Betroffenen auf Löschung beziehungsweise Vernichtung der Unterlagen dann an, wenn für die Aufbewahrung keine polizeilichen Interessen mehr vorliegen 18 . BVerwGE 11, 181, 183. BVerwG, NJW 1983, 772, 774. 14 Riegel, DÖV 1978, 17ff. 15 Riegel, DÖV 1978, 17,20. 16 Ebd. mit Hinweis auf Art. 21 Abs. 4 des Polizeigesetzes des schweizerischen Kantons Vaud vom 17. November 1975: "Sur demande d'une personne mise hors de cause, le chef du departement peut ordonner la destruction du materiei" (Hervorhebung im Text vom Verfasser; es zeigt sich, daß das Handeln somit im Ermessen der Behörde liegt). 17 Vogel, in: Drews / Wacke / Vogel / Martens, 111. 18 Vgl. dazu beispielhaft Teil 4 Anhang 4 Nr. 050.1ff. PDV (HH) "Vorschrift für den täglichen Dienst der Polizei der Freien und Hansestadt Hamburg"; zu § 14 Abs. 3 BDSG und den Voraussetzungen von Löschungen von Daten vgl. Riegel, POR S. 194ff., wie auch NJW 1983, 656, 659. 12 13
2. Abschn.: Der Sonderfall des § 81b Alt. 2
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Hinsichtlich der Frage, warum einmal erstellte erkennungsdienstliche Unterlagen von der weiteren Aufbewahrung durch Herausgabe beziehungsweise Vernichtung ausgeschlossen werden sollen, wird - soweit darauf überhaupt eine Bezugnahme erfolgt 19 - insbesondere auf verfassungsrechtliche Prinzipien verwiesen. So soll das "Menschenbild des Grundgesetzes" beinhalten, daß nicht jedermann von der Polizei als potentieller Rechtsbrecher betrachtet werden dürfe und nicht jeder, der sich irgendwie verdächtig gemacht habe ("aufgefallen ist") oder bei der Polizei angezeigt worden ist, ohne weiteres erkennungs dienstlich behandelt werden dürfe20 • Es soll den Prinzipien des freiheitlichen Rechtsstaates widersprechen, wenn aus dem Bestreben nach möglichst großer Effektivität der Polizeigewalt und Erleichterung der polizeilichen Überwachung der Bevölkerung eine derart weitgehende Registrierung der Bürger erfolge21 • Die Aufbewahrung berühre die persönliche Sphäre des Einzelnen schon wegen des Bewußtseins als möglicher künftiger Rechtsbrecher betrachtet zu werden22 • Trotz ausführlicher Behandlung der vielfältigen Probleme um die Aufbewahrung gemäß § 81b Alt. 2 erstellter erkennungs dienstlicher Unterlagen finden sich im (überwiegend verwaltungsrechtlichen) Schrifttum zumeist nur Äußerungen über die Grenzen der Aufbewahrung, nicht jedoch hinsichtlich der Frage, warum einmal gewonnene Ergebnisse gegebenenfalls zurückzugeben seien 23 • Zum Teil wird darauf hingewiesen, daß die Grenzen der Aufbewahrung durch Interessenabwägung festzustellen seien 24 , wobei vornehmlich auf die Grundrechte des Betroffenen abgestellt werden müsse25 • Der Widerstreit bestünde zwischen der kriminalpolizeilichen Aufgabe der Bekämpfung 19 Sowohl in den soeben angeführten Entscheidungen BVerwG, NJW 1983, 1338f.; NJW 1983, 772ff. und BVerwGE 11, 181ff. nicht, wie auch in der strafverfahrensrechtlichen Literatur, etwa Benfer Rdnr. 537ff.; Gässel63; Kleinknecht / Meyer § 81b Rdnr. 19 (lediglich Hinweis auf ein Urteil); Kühne Rdnr. 244; Pelchen, in: KK, § 81b Rdnr. 7; Peters 308; Roxin § 33 A III; Schlüchter Rdnr. 185 Fn. 71; Eb. Schmidt II, § 81b; vgl. ebenso BVerfGE 16, 89ff. (zu § 81b Alt. 2). 20 BVerwGE 26,169, 170f. 21 BVerwGE 26,169, 170f.; Hinweis auf verfassungsrechtliche Wertmaßstäbe auch in VGH Bad.-Württ., DÖV 1973, 462, 463; zum Anspruch auf Vernichtung von Unterlagen des Verfassungsschutzes - unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Gewinnens dieser Unterlagen - vgl. VG Kassel, NJW 1977, 692 mit Hinweis auf BVerfGE 30,1, 22f. - insoweit zustimmend Borgs-Maciejewski, NJW 1977, 969 (aufgehoben durch Urteil des VGH Kassel vom 12. Januar 1982 - IX OE 5/79 - NJW 1982, 1608 und Klagabweisung [wegen Erledigung in der Hauptsache, da Vernichtung erfolgt war)). 22 VGH Bad.-Württ., DÖV 1973, 462, 463f. 23 Vgl. in diesem Sinne etwa Baum, Kriminalistik 1965, 238ff.; Ender, Kriminalistik 1964, 591ff.; Marcelli, Kriminalistik 1964, 607ff.; Potrykus, Polizei 1966, 104ff.; Riegel, ZRP 1978, 14, 17; Schänbrunn, Kriminalistik 1964, 425f.; ders., Kriminalistik 1965, 198; Wieczorek, Kriminalistik 1970, 193f. 24 OVG Münster, NJW 1972,2147,2148. 25 Etwa Ender, Kriminalistik 1960, 49, 50; Schäfer, Kriminalistik 1967, 60ff.
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zukünftiger Verbrechen und dem Recht jedes unbescholtenen Staatsbürgers auf Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte26 • Grenzen der Aufbewahrung seien durch Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen 27 • Auf verfassungsrechtlicher Grundlage wird argumentiert, daß die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen in die Intimsphäre des Betroffenen und damit in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife28 • Für derartige Eingriffe bedürfe es einer gesetzlichen Ermächtigung29 • Der Bürger habe Anspruch auf den Schutz seiner Individualsphäre (Privatsphäre), welche ein immaterielles Gut sei, das dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuzuordnen sei und durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfassend geschützt werde. Dieser Schutz bewahre vor der Ausforschung individueller Lebensäußerungen, wenn diese nicht der Kenntnis jedermanns offenstünden oder die Rechtsordnung ihnen den Schutz versagt habe 3o • Die Weitergabe gesammelter Nachrichten sei nur zulässig, wenn das öffentliche Recht diese legitimiere31 • Gesetzliche Ermächtigungen fänden ihre Grenze in den Grundrechten und hier insbesondere in dem Anspruch auf den Schutz der Menschenwürde, der es verbiete, den Menschen zum Objekt staatlicher Verfahren zu machen32 • Beispielsweise seien staatliche Inquisitionen, Registrierungen und Tests, wie auch schrankenlose Durchleuchtungen persönlicher Verhältnisse ausgeschlossen 33 . Dementsprechend verstoße die grundlose Aufbewahrung von Lichtbildern oder Fingerabdrücken in Polizeikarteien gegen die Menschenwürde. Mit Art. 1 Abs. 1 GG wäre es unvereinbar, wenn eine gesetzliche Ermächtigung bestünde, die es Polizeibehörden erlaubte, jedermann als potentiellen Rechtsbrecher zu betrachten oder jeden, der sich irgendwie verdächtig gemacht habe oder angezeigt worden sei, erkennungsdienstlich zu behandeln34 • Bach 35 weist darauf hin, daß die Polizei nur solange das Recht habe, erkennungsdienstliche Unterlagen zu erstellen, wie das Ermittlungsverfahren geführt werde. Sei der Betroffene nicht mehr Beschuldigter - etwa weil eingestellt worden sei - so müsse die Erstellung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht mehr geduldet werden. Eingriffe trotz Wegfalls der gesetzlichen Grundlage durchlö26 27
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561. 33
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Hust, Kriminalistik 1965, 499, 501. VGH München, DVBI. 1966, 904, 905. Holland, JuS 1968, 559, 561. Evers, DVBI. 1965,449,450; Holland, JuS 1968,559,561. Evers, DVBI. 1965,449,450. Evers, DVBI. 1965,449,450. Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1, Rdnr. 34f.; Holland, JuS 1968, 559, Holland, JuS 1968, 559, 561 m. w. Nachw. Holland, JuS 1968, 559, 561. Bach, NJW 1962, 1000f.
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cherten den Vorbehalt des Gesetzes 36 • FUSS 37 ist der Auffassung, daß bei freisprechenden Urteilen vorhandene erkennungs dienstliche Unterlagen vernichtet werden sollten. Es sei ein allgemeiner, vom Rechtsstaatsprinzip postulierter Grundsatz, daß die Exekutive einen richterlichen Akt nicht durch eine entgegengesetzte Entscheidung zunichte machen dürfe. Dieses Prinzip lasse sich in verschiedenen Vorschriften, etwa in § 35 Abs. 3 GewO oder § 4 Abs. 3 StVG finden. Nach Art. 6 Abs. 2 MRK werde durch einen Freispruch zugunsten des Angeklagten die Vermutung seiner Unschuld bestätigt. Die Maßnahme des § 8Ib könne nur einem Beschuldigten gegenüber Anwendung finden. Erkennungsdienstliche Unterlagen könnten dementsprechend, interpretiere man § 8Ib im Lichte des Art. 6 Abs. 2 MRK, nicht weiter aufbewahrt werden38 . Cramer39 hingegen befaßt sich zwar ausführlich mit der Problematik des Aufbewahrens erkennungsdienstlicher Unterlagen, legt jedoch nicht dar, warum in den im einzelnen aufgeführten Fällen die jeweiligen Unterlagen herausgegeben oder vernichtet werden sollen 40 • Ein Blick in die Gesetzesmaterialien bleibt ebenso ohne Ergebnis. In den bisherigen Fassungen des Musterentwurfes eines einheitlichen Polizeigesetzes 41 wird für die in § 10 ME normierte 42 Vernichtungspflicht als amtliche Begründung nur angeführt, daß die Vorschrift weitgehend der Rechtsprechung zu § 8Ib entspreche 43 • Riegel, der der von der Innenministerkonferenz beauftragten Arbeitsgruppe Harmonisierung als Mitglied angehörte, bemerkt zu § 10 Abs. 2 ME, daß die Vernichtung nach wie vor grundsätzlich auf Antrag erfolge. Eine im Laufe der Beratungen der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Einführung einer kumulativen Vernichtung von Amts wegen nach Ablauf bestimmter Fristen sei wieder verworfen worden, da man hier einen zu großen Verwaltungsaufwand befürchtet habe. Fraglich sei allerdings, ob dies künftig werde aufrechterhalten werden können. Man werde zumindest dem Rechtsgedanken von § 14 Abs. 2 Satz 2 BDSG entsprechend einen Sperrvermerk anbringen müssen. Die vorgeschlagene Neuformulierung zu § 8Ib sehe
Ebd. 1001. Fuss, in: Wacke-FS, 305, 322. 38 Ebd. 323. 39 eramer, diss. iur. Frankfurt am Main 1978, insb. 99ff., 147ff. 40 Nach Dahs, in: LR (24. Aufl.), § 81b Rdnr. 18; Meyer, in: LR, § 81b Rdnr. 18 und Paulus, in: KMR, § 81b Rdnr. 18 verstößt die nicht erforderliche Aufbewahrung gegen Art. 1 Abs. 1 GG; der Betroffene soll deshalb einen Rechtsanspruch auf Vernichtung haben. 41 Fassungen vom 10./11. Juni 1976 und vom 25. November 1977, abgedruckt bei Reise / Lerche, Musterentwurf bzw. Reise / Riegel, Musterentwurf. 42 Im Musterentwurf vom 10./11. Juni 1976 § 10 Abs. 3, im Musterentwurf vom 25. November 1977 § 10 Abs. 2: "Sind die Voraussetzungen nach Absatz 1 entfallen, kann der Betroffene die Vernichtung der Unterlagen verlangen.". 43 Reise / Lerche, Musterentwurf, 47; Reise / Riegel, Musterentwurf, 53. 36
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
vor, daß die beim Beschuldigten gewonnenen Unterlagen nach Wegfall der Voraussetzungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 nunmehr zu präventiv-polizeilichen Zwecken verwendet werden könnten. Andernfalls seien die Akten zu vernichten. Diese Lösung entspreche dem bisherigen Rechtszustand und sei darüber hinaus sinnvoll. § 81b erfasse allerdings nicht Unterlagen, die Bestandteil von Strafakten geworden seien. Die weitere Behandlung derartiger Aktenteile richte sich deshalb nach der jeweiligen Aktenordnung 44 • Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf § 10 des Polizei gesetzes von Nordrhein-Westfalen vom 25. März 1980, der weitgehend dem § 10 ME entspricht, darüber hinaus jedoch festlegt, daß bei Wegfall der Voraussetzungen erkennungsdienstliche Unterlagen von Amts wegen zu vernichten seien45 . Gelegentlich wird allerdings in Rechtsprechung und Schrifttum die Herausgabe beziehungsweise Vernichtung _von erkennungsdienstlichen Unterlagen auf den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gestützt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat bereits im Jahre 1955 46 einen Rechtsanspruch auf Vernichtung aufgenommener erkennungsdienstlicher Unterlagen für jeden, der unschuldig in ein Ermittlungsverfahren geraten sei, aus Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet. Es sei mit der Menschenwürde unvereinbar, wenn von einer Person ohne Grund Lichtbilder und Fingerabdrücke in einer Kartei der Polizei aufbewahrt würden. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte ausdrücklich fest, daß neben dem Umstand, daß die Aufbewahrung die Menschenwürde verletze, sich dieser Anspruch auch mit der Folgenbeseitigung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes begründen ließe. Der ursprünglich berechtigte Verwaltungsakt sei nämlich durch seine fortdauernde Wirkung fehlerhaft 47 • Auf der Grundlage dieser Entscheidung kam das Verwaltungsgericht Neustadt zehn Jahre später48 zu der Überzeugung, daß der von einer erkennungsdienstlichen Behandlung Betroffene wegen der Erheblichkeit des Eingriffs derartiger Maßnahmen in die Persönlichkeitssphäre einen selbständigen Anspruch auf Entfernung und Vernichtung dieser Unterlagen "als eine Art Folgenbeseitigungsanspruch" habe. Eine erkennungsdienstliche Behandlung, die den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr entspräche, stelle einen solch erheblichen Eingriff in die Rechtssphäre eines Betroffenen dar, daß - soweit keine Gründe für eine erkennungsdienstliche Behandlung mehr bestünden - die Beseitigung der früher angelegten Unterlagen begehrt werden könne. In neuerer Zeit hat das Oberverwaltungsgericht Münster ausdrücklich den Folgenbeseitigungsanspruch als Grundlage der hier untersuchten Bereinigung der Wirkungen dieser Maßnahmen bezeichnet. Im Leitsatz des Urteils vom 14. Juli 198249 heißt es: 44
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Reise / Riegel, Mustefentwurf, 54f. Vgl. dazu Fugmann, JuS 1981,2227,2229. VG Beflin, NJW 1955, 964f. VG Beflin, NJW 1955, 964, 965. VG Neustadt, NJW 1965, 1934f., insb. Leitsatz b.
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"Anspruchsgrundlage für die Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen, die zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten hergestellt worden sind, ist im Land Nordrhein-WestfaIen auch nach dem Inkrafttreten des § 10 Absatz 2 Satz 1 NRWPolG vom 25.3.1980 der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der gegeben ist, wenn die in § 811it. b. Alt. 2 StPO genannten Voraussetzungen für die Vornahme der erkennungsdienstlichen Maßnahmen entfallen sind."
In den Gründen führt das Oberverwaltungsgericht dazu lediglich aus: "Eine weitere Aufbewahrung ist jedenfalls dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn nach Abschluß einer oder mehrerer Ermittlungs- bzw. Strafverfahren gegen den Betroffenen kein Tatverdacht mehr besteht oder keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betroffene zukünftig strafrechtlich in Erscheinung treten wird und die Unterlagen hierbei die Ermittlung fördern könnten ... Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs (noch) nicht vor."
Dieser Argumentation nahe steht Thomas 50 , der - ohne sich zu entscheiden - erwägt, daß die Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen keine verbindliche Regelung eines Einzelfalles sei, sondern nur eine "Abwicklung, nämlich die Abstellung eines (rechtswidrigen) Zustandes - also eine Art Folgenbeseitigung" . Ausdrücklich hingegen verweist Mansperger 51 als Anspruchsgrundlage des Betroffenen gegen die Aufbewahrung von erstellten erkennungsdienstlichen Unterlagen auf den Folgenbeseitigungsanspruch. Der Betroffene habe das Recht, von der Polizeibehörde auf Grund seines ihm zustehenden Anspruchs die Vernichtung - nicht die Herausgabe - der Unterlagen in zwei Fällen zu verlangen. Der Anspruch sei gegeben, wenn die für die erkennungsdienstliche Behandlung zugrundegelegte Anordnung von Anfang an rechtswidrig war oder wenn die ursprüngliche Rechtmäßigkeit durch Veränderungen der Sachlage in die Rechtswidrigkeit umgeschlagen sei52. Die Untersuchung des § 8Ib Alt. 2 hat damit zunächst einmal ergeben, daß die Maßnahme der erkennungsdienstlichen Behandlung eines Beschuldigten strukturell den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen vergleichbar ist. Unter49 OVG Münster, Urteil vom 14. Juli 1982 - 4 A 2493/81; vgl. jetzt auch VG Frankfurt am Main, Strafverteidiger 1987, 336, 337 (nicht rechtskräftig) und VGH München, NJW 1984, 2235ff. 50 Thomas, NJW 1968, 438, 439; ders., BayVBI. 1969, 50, 54 mit dem Hinweis, daß Ausgangspunkt der Überlegungen hinsichtlich der Aufbewahrung von ED-Unterlagen "der wohl nirgends bestrittene Rechtsanspruch eines jeden Bürgers auf Vernichtung der Unterlagen, wenn er unschuldig in ein Ermittlungsverfahren geraten ist", sei; dieser "Leitsatz" beruhe auf dem Grundprinzip der rechtsstaatlichen Ordnung, wonach jedermann als unschuldig gelte, solange er nicht rechtskräftig durch ein Strafverfahren verurteilt sei; kein Verwaltungsakt ebenso von Münch, JuS 1965,404,407; krit. dazu Schmitz, NJW 1968, 1128. 51 Mansperger, diss. iur. Würzburg 1972, 146ff., 160 mit Hinweis auf Müller, diss. iur. Göttingen 1967, 11 u. 172. 52 Mansperger, diss. iur. Würzburg 1972, 148 mit jeweils einem Beispiel.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
schiedlich ist lediglich die Ziel richtung und der Einsatzbereich der jeweiligen Maßnahmen. Während die Zwangsmaßnahmen ausschließlich der Strafverfolgung dienen, wird § 81b Alt. 2 gerade nicht repressiv, sondern präventiv-polizeilich eingesetzt. Es handelt sich also um eine Maßnahme auf dem Gebiete der Gefahrenabwehr. Daß auch bei dem Einsatz derartiger Maßnahmen eine Bereinigung der Folgen durchgeführt werden muß, wenn die Anordnungsvoraussetzungen entfallen sind, ist ebenfalls deutlich geworden. Wie sich oben bei der Analyse der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen gezeigt hat, werden auch hier die Einzelfragen, etwa die Frage, unter welchen Umständen genau ein Wegfall der Voraussetzungen anzunehmen ist, auf welche Weise die Bereinigung vorgenommen werden soll oder ob eine Pflicht zur Bereinigung von Amts wegen bestehe, uneinheitlich beantwortet. Ein gleichfalls vielfältiges Bild zeigt sich hinsichtlich der hier im Mittelpunkt stehenden Frage, aus welchem rechtlichen Grunde einmal gewonnene erkennungsdienstliche Unterlagen von der weiteren Aufbewahrung durch Herausgabe beziehungsweise Vernichtung ausgeschlossen werden sollen. Im wesentlichen wird hier auf verfassungsrechtliche Prinzipien verwiesen. Genannt werden unter anderem das "Menschenbild des Grundgesetzes", das Prinzip des freiheitlichen Rechtsstaates, der Eingriff in die persönliche Sphäre des Einzelnen, das Recht des Staatsbürgers auf Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte, die Menschenwürde und der Vorbehalt des Gesetzes 53 . Es handelt sich hierbei um Argumente, die gelegentlich auch bei den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der Frage des Grundes der Bereinigung ihrer Eingriffsfolgen verwendet werden 54 • Insoweit hat die Untersuchung nichts Neues ergeben. Indes hat sich darüber hinaus gezeigt, daß insbesondere in neuerer Zeit der Rechtsgrund der Bereinigung der tatsächlichen Folgen einer Maßnahme nach § 81b Alt. 2 im öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gesehen wird55 • Dieser neue Gedanke soll den Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung bilden. Denn wegen der strukturellen Vergleichbarkeit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen mit der präventiv-polizeilichen Maßnahme nach § 81b Alt. 2 könnte diese rechtliche Konstruktion möglicherweise auch den Rechtsgrund des hier behaupteten Restitutionsprinzips bilden. Im Fortgang der Darstellung wird daher der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch näher betrachtet werden. Sollte das Prinzip der Folgenbeseitigung den Rechtsgrund für das behauptete Restitutionsprinzip zu bilden vermögen, so wäre auf dem Weg zur erhofften Neubewertung der Zufallsfunde ein Schritt mehr getan. Dazu bedarf es zunächst aber einer Untersuchung des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches nach seinem Inhalt, den Voraussetzungen und seiner Reichweite. 53 54 55
Siehe im einzelnen hier in Kap. 3 Abschn. 2. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 IV. Siehe hier in Kap. 3 Abschn. 2 am Ende.
3. Abschn.: I. Begriff und Entstehung
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3. Abschnitt Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch I. Begriff und Entstehung
Öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln kann tatsächliche Folgen hinterlassen, die allein durch die Aufhebung der behördlichen Maßnahme, etwa eines belastenden Verwaltungsaktes, nicht beseitigt werden. Noch bis zum Jahre 1945 galt gemeinhin als selbstverständlich, daß mit der rechtlichen Entlastung des betroffenen Bürgers die tatsächliche Befreiung von Eingriffsfolgen einherzugehen habe. Im Regelfall beseitigte die Behörde bei Aufhebung eines Verwaltungsaktes zugleich selbst die Auswirkungen. Rechtliche Grundlagen bestanden dementsprechend nicht!. So führte in einem derartigen Fall beispielsweise das Preussische Oberverwaltungsgericht aus, es sei selbstverständlich, daß nach Aufhebung einer polizeilichen Notstandsverfügung gemäß § 21 PVG die Polizei darüber hinaus insoweit tätig zu werden habe, als durch die Außerkraftsetzung allein die Freistellung des Nichtpolizeipflichtigen von allen ihm aus der Verfügung erwachsenen Lasten nicht erreicht werde2 • In der Zeit nach 1945 führte die Wohnungsnot der Nachkriegsjahre vermehrt zu zwangsweisen behördlichen Einweisungen von Obdachlosen in die Wohnungen dritter, unbeteiligter Personen. In den Fällen, in denen so dann aus verschiedensten Gründen die Einweisungsmaßnahmen aufgehoben wurden, verblieben die Eingewiesenen gelegentlich in den Wohnungen 3 . Die rechtliche Beschwer war zwar durch die zuständige Behörde beseitigt, nicht jedoch die im Weiterwohnen bestehende faktische Belastung der betroffenen Bürger. Nach vereinzelten Ansätzen in der Rechtsprechung 4 entwickelte im Jahre
1951 BachojS den Gedanken des Folgenbeseitigungsanspruches. Nach dieser
in weiten Teilen von Schrifttum und Rechtsprechung anerkannten 6 Lehre hat Bachof, Vornahmeklage, 99. PrOVGE 92, 108 (Leitsatz); zu weiteren Entscheidungen vgl. Bachof, Vornahmeklage, 100ff., 106ff. 3 Vgl. dazu die Schilderungen bei Achterberg § 24 Rdnr. 1; Rü!ner, in: Erichsen / Martens, § 53 V . 4 Vgl. z. B. VGH Bad.-Württ., DVBI. 1951,470 (Obdachloseneinweisung), im übrigen Wolf! / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 5411 alm. w. Nachw. 5 Bachof, Vornahmeklage, 98ff. 6 Vgl. nur BVerwGE 28,155, 164f.; 38, 336,346; BVerwG, NJW 1985,817,818; VGH Bad.-Württ., DVBI. 1984, 881; OVG Nordrhein-Westfalen, DÖV 1983, 1020, 1021; OVG Münster, NVwZ 1984, 530; Eyermann / Frähler § 80 Rdnr. 54 m. w. Nachw.; Forsthoff § 13 2 b; von Mangoldt, DVBI. 1974, 825; Mansperger, diss. iur. Würzburg 1972, 146; Müller, diss. iur. Göttingen 1967, l1f., 172ff. m. w. Nachw.; 1
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
der Betroffene einen Anspruch auf Folgenbeseitigung gegen den Träger öffentlicher Verwaltung, dessen Behörde den rechtswidrigen Zustand herbeigeführt hat, auf Wiederherstellung des vor dem Vollzug bestandenen tatsächlichen Zustandes. . Zwischenzeitlich hatte das Rechtsinstitut des Folgenbeseitigungsanspruches Eingang in das Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 19817, und zwar in § 38 , gefunden. Dem Staatshaftungsgesetz war nur eine kurze Gültigkeitsdauer beschieden. Durch Urteil des "Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 19829 wurde es insbesondere wegen Verstoßens gegen Art. 70 GGIO für verfassungswidrig erklärt 11.
11. Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruches 1. Voraussetzungen
Da das Staatshaftungsgesetz nur kurzzeitig galt, bedarf es heute wieder der Rückerinnerung an die vor dem Inkrafttreten entwickelten Lehren zur rechtlichen Grundlage, zu den Voraussetzungen und zur Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruches. Die zu § 3 StHG entwickelten Auffassungen sind unabhängig hiervon gleichwohl nicht nur hilfsweise in die Diskussion einzubeziehen. Spiegelt diese Vorschrift doch den Meinungsstand zu diesem Problembereich in besonderer Weise wieder!. Papier, DÖV 1972, 845; Redeker / von Oertzen § 113 Rdnr. 6 m. w. Nachw.; Rüfner, in: Erichsen / Martens, § 53 V; Wolf! / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 5411 a 1. 7 BGBI. 1,553; schneller Überblick über das StHG bei Martens, JR 1982, 316ff. 8 § 3 StHG (BGBI. 1,553) lautete: ,,(1) Besteht der Schaden in der Veränderung eines tatsächlichen Zustandes zum Nachteil des Geschädigten, so hat der Träger diese Folgen durch Herstellung des früheren oder, falls dies unzweckmäßig ist, eines gleichwertigen Zustandes zu beseitigen. Entsprechendes gilt, wenn ein durch die öffentliche Gewalt herbeigeführter Zustand nachträglich rechtswidrig wird, diese Folgen ihr als fortwirkender Eingriff zuzurechnen und nicht schon nach anderen Rechtsvorschriften zu beseitigen sind. (2) Die Folgenbeseitigung entfällt, soweit die Herstellung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar ist. Sie entfällt ferner, soweit der bestehende Zustand einem Verwaltungs akt oder einer anderen Entscheidung entspricht, die für den Geschädigten unanfechtbar geworden sind. (3) (betrifft Mitverursachung)". 9 BGBI. I, 1493 (= NJW 1983, 25ff.). 10 Als Kompetenzgrundlage scheidet nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts Art. 74 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht) aus. 11 Zum Verfahren, das zur Erklärung der Nichtigkeit des StHG durch das Bundesverfassungsgericht führte vgl. zusammenfassend Ossenbühl, StHG, 257f. 1 BVerwG, NJW 1985, 817, 818 verweist z.B. ausdrücklich auf § 3 StHG; Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 97 erklärt, daß das StHG im Bereich der Folgenbeseitigung lediglich das, was bereits Gewohnheitsrecht war, rezipiert habe; zu den langjährigen Vorarbeiten des StHG (Kommissionsentwurf, Referentenentwurf, Regierungsentwurf,
3. Abschn.: 11. Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruches
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Durchgehend ist heute in Rechtsprechung2 und Literatur3 anerkannt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch nicht auf die Wiedergutmachung eines rechtswidrig bereits vollzogenen Verwaltungsaktes beschränkt bleibt, sondern gegen alle Störungen, auch solche, die auf schlichtem Verwaltungshandeln beruhen, geltend gemacht werden kann 4 • Damit ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Beseitigung der Folgen widerrechtlichen Verwaltungshandelns gerichtet, insbesondere dahingehend, die Beschwer auszuräumen, die durch die Vollziehung eines Verwaltungsaktes entstanden ist, der sich nachträglich als nichtig herausstellt, wegen Fehlerhaftigkeit aufgehoben oder von der Behörde selbst zurückgenommen wird 5 . Darüber hinaus soll dieser Anspruch den von einer Behörde durch die Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes geschaffenen Zustand ausräumen, der durch Veränderung nachträglich rechtswidrig geworden ist 6 . Auch bei hoheitlichen Rechtshandlungen und Realakten, die sich nicht auf einen Verwaltungsakt stützen, soll der Folgenbeseitigungsanspruch eingreifen7 . Diese Entstehungsgründe des Folgenbeseitigungsanspruches sind in § 3 Abs. 1 StHG bekräftigt worden 8 • § 3 Abs. 1 StHG, der an die Grundnorm der Staatshaftung in § 1 Abs. 1 StHG9 anknüpft, legt nämlich fest, daß der Hoheitsträger die Folgen einer Pflichtverletzung, die nach der Gesetzessprache des Staatshaftungsgesetzes in der Veränderung eines tatsächlichen Zustandes zum Nachteil des Geschädigten Initiativgesetzentwurf) vgl. die Übersicht bei Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. 7ff. jeweils mit zahlreichen w. Nachw.; in der oben genannten Kommission waren u.a. beteiligt Bachof, Bettermann und Weyreuther. 2 A.A. noch BVerwGE 28,155, 164f.: nur ein auf einen Verwaltungs akt gestütztes Verhalten; jetzt BVerwGE 38, 336, 345f.; 40, 313, 322; 44, 235, 244; 46, 283, 286f.; BVerwG, DVBI. 1971,858, 860; OVG Münster, BB 1964, 1235; VG Neustadt, NJW 1965, 833; jedoch insgesamt kein voraussetzungsloser allgemeiner Schadensersatzanspruch. 3 Achterberg § 24 Rdnr. 3ff. (auf der Grundlage des § 3 StHG); Bettermann, DÖV 1955,528,535; Broß, VerwArchiv 1985, 217, 218; Eyermann / Frähler § 42 Rdnr. 18a; Rüfner, in: Erichsen / Martens, § 53 V; Wolf! / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 54 II a 2, n c, n d. 4 A. A. Mang / Maunz / Mayer / Obermayer, 314, die einen rechtswidrigen, auf einen Verwaltungs akt bezogenen Eingriff fordern. 5 Z. B. Hess. VGH, DÖV 1963, 389, 390: Rücknahme der Entziehungsverfügung eines Führerscheines durch die Behörde führt zur Herausgabe des Führerscheines. 6 Z. B. VG Neustadt, NJW 1965, 833: klassischer Fall der Obdachloseneinweisung, der im späteren Zustand die Rechtsgrundlage fehlt. 7 BVerwGE 38, 336, 345f.: bei Auskünften, die in rechtswidriger Weise erteilt worden seien, werde Folgenbeseitigung dadurch bewirkt, daß dem Empfänger mitgeteilt werde, die Auskunft sei rechtswidrig gewesen. 8 Vgl. auch schon amtliche Begründung BT-Drs. 8/2079,44. 9 Schmidt-Bleibtreu, StHG, § 1, 29: Grundhaftungstatbestand, der alle bisherigen Rechtsgrundlagen der Staatshaftung zusammenfaßt; § 1 Abs. 1 StHG lautet (BGBI. I, 553ff.): "Verletzt die öffentliche Gewalt eine Pflicht des öffentlichen Rechts, die ihr einem anderen gegenüber obliegt, so haftet ihr Träger dem anderen für den daraus entstandenen Schaden nach diesem Gesetz."
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
besteht, zu beseitigen hat. Hierunter werden beispielsweise hoheitlich veranlaßte örtliche Verlagerungen einer beweglichen Sache, etwa im Gefolge einer Beschlagnahme lO oder sonstige Eigentums- und Besitzbeeinträchtigungen, aber auch Störungen beruflicher Tätigkeit l1 , verstanden. Die Wiedergutmachungspflicht des Staates, die lediglich an die Rechtsverletzung und den Schaden anknüpft, beschränkt sich allerdings nicht auf diesen Bereich. § 3 Abs. 1 Satz 2 StHG stellt klar, daß die Folgenbeseitigung gleichfalls eingreift, wenn ein Zustand zwar durch eine rechtmäßige hoheitliche Entscheidung herbeigeführt worden ist, aber auf Grund der Veränderung irgendwelcher Umstände von der früheren Entscheidung nicht mehr legitimiert wird. Damit umschreibt diese Norm den klassischen Fall der Obdachlosen-Einweisungsverfügung, die zu einem späteren Zeitpunkt rechtswidrig wird 12 • Schäfer 13 meint im übrigen, daß sich die Fälle der Folgenbeseitigung des § 3 Abs. 1 Satz 2 StHG auch schon aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StHG begründen ließen. Den Staat treffe die Verpflichtung zur Folgenbeseitigung gegenüber dem Belasteten bereits aus vorangegangenem Tun. § 3 Abs. 1 Satz 2 StHG käme damit mehr klarstellende Funktion zu. Es werde deutlich, daß der Staat nur scheinbar rechtmäßig gehandelt habe. Außerdem würde man potentiellen Geschädigten ohne diese ausdrückliche gesetzliche Anordnung ein hohes (vermeidbares) Risiko aufbürden. Über die weiteren Voraussetzungen, die den Folgenbeseitigungsanspruch entstehen lassen, herrscht durchgehend Einigkeit 14 • So muß zunächst ein rechtswidriger, nicht mehr legalisierbarer 15 tatsächlicher Zustand zum Nachteil eines Rechtsträgers entstanden und noch vorhanden sein. Dieser Zustand muß auf einer rechtswidrigen hoheitlichen Handlung (Verwaltungsakt oder schlichtes Verwaltungshandeln), welche noch nicht unwiderruflich oder unanfechtbar geworden ist, beruhen. Eine Wiederherstellung des rechtmäßigen tatsächlichen Zustandes muß möglich sein. Darüber hinaus muß der Erlaß der für die Wiederherstellu'ng des rechtmäßigen tatsächlichen Zustandes notwendigen Maßnahme im Machtbereich des für die Entstehung der rechtswidrigen Tatsachenlage verantwortlichen Hoheitsträgers liegen. Schließlich dürfen der Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 433 m. w. Beispielen. Schäfer, in: Schäfer I Bonk, § 3 Rdnr. 19ff. m. w. zahlr. Beispielen. 12 Darauf weisen insbesondere Bender, Staatshaftungsrecht, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 460 und Schäfer, in: Schäfer I Bonk, § 3 Rdnr. 51 hin. 13 Schäfer, in: Schäfer I Bonk, § 3 Rdnr. 54. 14 Vgl. nur Maurer, § 29 Rdnr. 9f.; Obermayer, JuS 1963, 110, 113f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 201 ff. 15 Obermayer, in: Mang I Maunz / Mayer / Obermayer, 317 weist darauf hin, daß die Tatsachenlage "nicht noch nachträglich durch eine rechtmäßige öffentlich-rechtliche Maßnahme zu einem rechtmäßigen Zustand umgeformt werden" darf; der Folgenbeseitigungsanspruch entfalle sonst nämlich, was aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere dem Satz "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" folge; ähnlich Maurer, § 29 Rdnr. 11: "wenn legalisiert worden ist". 10 11
3. Abschn.: 11. Inhalt des Folgenbeseitigungsanspruches
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Wiederherstellung keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, das heißt sie darf nicht etwa unzulässig sein 16 . So wird etwa ausdrücklich betont, daß eine beschlagnahmte Sache nach Wegfall des Rechtsgrundes nicht an den durch die Beschlagnahme Belasteten herausgegeben werden dürfe, soweit sich zwischenzeitlich die Eigentumsverhältnisse an der Sache geändert hätten 17 . Diese Voraussetzungen haben auch in § 3 Abs. 2 StHG - bis auf den Gedanken der nachträglichen Legalisierbarkeit 18 - Eingang gefunden. 2. Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruches
Ebenfalls nahezu unstreitig ist, daß der Folgenbeseitigungsanspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, der vor dem (rechtswidrigen) Eingriff bestand, beziehungsweise auf Herstellung eines diesem Zustand möglichst gleichwertigen Zustandes gerichtet ist 19 . Folgenbeseitigung als eine Ausformung staatlicher Wiedergutmachung ist nicht Schadensersatz oder Entschädigung, sondern die Herstellung des "status quo ante"20. Hergestellt werden soll also der Zustand, der vorher bestand, etwa dadurch, daß eine beschlagnahmte Sache zurückgegeben wird 21 oder beispielsweise zu Unrecht erhobene Gebühren zurückgezahlt werden. Dagegen soll nicht etwa der (hypothetische) Zustand erreicht werden, der nach normalem Verlauf der Dinge eingetreten wäre, wenn der betreffende Eingriff nicht erfolgt wäre 22 . Auch mittelVgl. nur Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 640; Obermayer, JuS 1963, 110, 114. Obermayer, JuS 1963, 110, 114. 18 Ausführungen in den amtlichen Begründungen lassen sich zu diesem Umstand nicht finden (BT-Drs. 8/2079, 45f.). 19 BVerwGE 28,155,165; 35, 268, 272f.; 53,12,22; BVerwG, NJW 1985, 817, 818; OVG Hamburg, NJW 1978, 658, 659; VG Würzburg, NVwZ 1983, 239, 241 m. Anm. Knemeyer, NVwZ 1982, 212f.; Achterberg § 24 Rdnr. 8; grundlegend Bachof, Vornahmeklage, 129ff.; Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 98; Eyermann / Fröhler § 42 Rdnr. 20: Anpassung der Tatsachenlage an die Rechtslage; § 80 Rdnr. 58; Köckerbauer, JuS 1988, 782, 785; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 38; Maurer § 29 Rdnr. 1; Obermayer, in: Mang / Maunz / Mayer / Obermayer, 318; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 198; Rüfner, in: Erichsen / Martens, § 53 V; Wolf! / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 54 II f; a.A. hingegen Franke, VerwArch 1966, 357, 358f., 364ff.; Haueisen, DVBl. 1973, 739, 741: ausdehnend, mit Beispielen aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; krit. dazu Janssen, DVBl. 1967, 190, 191. 20 Zur Verwendung dieses Begriffes vgl. Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 562; auch Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. 15; Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 38 unterscheidet terminologisch zwischen dem "de-jure-Zustand" und dem durch den Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu erreichenden "de-facto-Zustand". 21 So z. B. im Falle des eingezogenen Führerscheins, der bei Wegfall des Verwaltungsaktes herauszugeben ist, vgl. Hess. VGH, DÖV 1963, 389f. 22 So hat das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 53, 12, 22 z. B. entschieden, daß ein bestimmter Lehrgang wiederholt werden dürfe, nicht jedoch seitens der zuständigen Organe als bestanden erklärt werden dürfe; hinsichtlich des Abstellens auf den jetzt möglicherweise bestehenden (hypothetischen) Zustand vgl. hier insbesondere die 16 17
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
bare Folgen des rechtswidrigen Zustandes - etwa Zerstörungen durch die in eine Wohnung zwangsweise eingewiesenen Obdachlosen - fallen nicht unter die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes23 . Schlagwortartig wird gesagt, daß der Anspruch nicht auf Kompensation, sondern auf Restitution gehe 24 . Die so begrenzte Reichweite des Folgenbeseitigungsanspruches stimmt mit der amtlichen Begründung zu § 3 StHG25, sowie mit den insoweit schon vorhandenen Auslegungen dieser Norm 26 überein. Wiederhergestellt werden soll nicht der hypothetische Zustand, der ohne die Pflichtverletzung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung voraussichtlich erreicht worden wäre, sondern der zur Zeit der Pflichtverletzung bestehende Zustand des "status quo ante"27. IH. Dogmatische Grundlage
Wie dargestellt sind Inhalt, Voraussetzungen und Folgen des öffentlichrechtlichen Anspruches auf Beseitigung der Folgen hoheitlichen Handeins weitgehend geklärt. Entscheidend hinsichtlich der Frage, ob der derart gestaltete Folgenbeseitigungsanspruch im Strafverfahrensrecht für die tatsächlichen Auswirkungen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen Bedeutung haben kann, ist indes die dogmatische Grundlage dieses Anspruches, die nachfolgend näher beleuchtet werden soll. 1. Begründungsansätze in Rechtsprechung und Schrifttum
Im Hinblick auf die dogmatische Grundlegung des Folgenbeseitigungsanspruches haben sich seit Bachofs Darstellung im Jahre 1951 1 zahlreiche, kaum mehr überschau bare fein verästelte Auffassungen entwickelt2. Unternimmt Auffassung von Haueisen, DVBI. 1973,739,741 und Franke, VerwArchiv 1966, 357, 358f.,364ff. 23 Kopp, JuS 1983,673,676; Schräer, DÖV 1966, 228, 230; zur Frage der von einer Straßenlampe ausgehenden Einwirkungen unmittelbarer (Licht) und mittelbarer Art (lnsekten- und Spinnenbefall) vgl. OVG Koblenz, NJW 1986, 953f. 24 So Bettermann, Grundrechte 111/2, 779, 8904; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 198. 25 BT-Drs. 8/2079, 19, 43ff. mit den bekannten Beispielen aus Rechtsprechung und Lehre (Obdachlose, Wegnahme von Sachen, Leistungsbescheid etc.). 26 Etwa Schmidt-Bleibtreu, § 3 StHG 42; Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. 15. 27 So ausdrücklich BT-Drs. 8/2079,44; auch Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. 37. 1 Zuvor war ja - wie gezeigt - die Anpassung der tatsächlichen Umstände an die Rechtslage als Selbstverständlichkeit betrachtet worden. 2 Soweit hierzu überhaupt Anmerkungen zu finden sind, vgl. dazu etwa aus der Rechtsprechung BVerwG, JR 1972, 124, 127; BVerwG, NJW 1974, 813, 815; VG Würzburg, NVwZ 1983, 239, 241 m. Anm. Knemeyer, NVwZ 1983, 212f.; aus der Lehre: Achterberg § 24 Rdnr. 2, der den Folgenbeseitigungsanspruch auf das zur Zeit
3. Abschn.: III. Dogmatische Grundlage
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man den Versuch, die kontroversen Ansichten über die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruches systematisch zu erfassen 3 , so ergibt sich gleichwohl noch ein verzweigtes Bild. So wird der Folgenbeseitigungsanspruch zum Teil durch Übertragung zivilrechtlicher Beseitigungsansprüche in das öffentliche Recht begründet 4 , wobei § 1004 BGB direkt 5 oder in Analogie 6 Eingang findet. Andere leiten den Anspruch aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verkörperten Rechtsstaatsprinzip ab 7 • Nach modifizierter Ansicht soll die dogmatische Begründung des Folgenbeseitigungsanspruches in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG zu finden sein8 . Wieder andere 9 führen den Folgenbeseitigungsanspruch auf die Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes zurück. So wird dargelegt, daß diese Grundrechte dem Einzelnen unmittelbar Ansprüche auf die Unterlassung von Grundrechtsbeeinträchtigungen gewähren. Andere wiederum sehen den Grund des Anspruches auf Folgenbeseitigung im GesetzmäßigkeitsprinzipIO oder in einer Verbindung zwischen diesem und den Freiheitsgrundrechten ll . Genannt werden weiterhin das Gebot der Gerechtigkeit 12 und die Norm des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Ausformung eines dort nur unvollkommen zum Ausdruck gelangten Anspruches auf Wiederherstellung des verletzten Rechts 13 . Schließlich bestehen auch Verbindungen verschiededer Drucklegung seines Buches gültige StHG, dort § 3 StHG, stützt; Spanner, DVB1.1968, 618 mit umfassender Darstellung der verschiedenen Ansichten. 3 Übersichten bei Mangoldt, DVBI. 1974, 825, 826ff.; aus neuerer Zeit Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 195ff.; Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. Iff.; Schoch, VerwArchiv 1988,1, 15ff. und 32ff. 4 Bettermann, DÖV 1955, 528, 534f.: zivilrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch aus den §§ 12,862, 1004 BGB; noch Erichsen / Hoffman-Becking, JuS 1971, 144, 148; nach Wechsel der Ansicht bestätigend Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509, 51Of., insb. 512; diff. Schleeh, AöR 1967,58, 68ff.; Ule / Fittschen, JZ 1965, 315. 5 Bettermann, DÖV 1955, 528, 534f.; Erichsen / Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 148. 6 Ule / Fittschen, JZ 1965, 315. 7 Bachof, Vornahmeklage, 126ff., insb. 128: aus Art. 20 Abs. 3 GG, den Landesverfassungen und dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit; Eyermann / Fröhler § 80 Rdnr. 55; BVerwG, DVBI. 1984, 1178f. 8 Bettermann, Grundrechte 11112, 803f. 9 Umfassend Weyreuther, 47. DJT, 78ff., Ergebnis auf S. 83f. m. zahlr. w. Nachw.; Bachof, DÖV 1971, 859ff.; Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 96 m. w. Nachw.; Martens, JR 1972, 257, 258; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 198; Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, 65ff.; modifizierend Mangoldt, DVBI. 1974, 825, 829f.; Schmidt, JuS 1969, 166, 169. 10 Menger, VerwArchiv 1959,77, 9lf. 11 Kopp, VwGO, § 113 Rdnr. 38 m. w. Nachw.; auch Maurer § 29 Rdnr. 5, jedoch unter Hinzunahme weiterer Rechtsvorschriften, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG betonend; Obermayer, in: Mang / Maunz / Mayer / Obermayer, 314f.; Obermayer, JuS 1963, 110, 113. 12 Erichsen, VerwArchiv 1972, 217, 22l. 13 Rupp, DVBI. 1972, 232f.; ders., Grundfragen, 249ff.; ähnliche Begründungen bei Heidenhain, Amtshaftung, 141: Kombination mit Art. 19 Abs. 4 GG; Hoffmann,
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
ner Auffassungen l4 • Das Bundesverwaltungsgericht leitet den Folgenbeseitigungsanspruch überwiegend aus den Freiheitsgrundrechten abis. Dieser Anspruch sei verfassungsrechtlich begründet und beruhe als Rechtsinstitut vorwiegend auf den Freiheitsgrundrechten und dem Vorbehalt des Gesetzes. Er entstehe bei Einwirkung auf das Eigentum und sonstige absolute Rechte, Rechtsgüter und gesetzlich geschützte Interessen l6 . Der Blick in die Gesetzesmaterialien zu § 3 StHG bringt hinsichtlich der dogmatischen Grundlage wenig. Dort wird nur gesagt, daß es sich bei dem Folgenbeseitigungsanspruch um ungeschriebenes Richterrecht handele, welches in Lehre und Rechtsprechung anerkannt sei und sich darüber hinaus auch bewährt habe 17 . 2. Gemeinsamkeiten der Begründungen
Schon W0111 und Bachof8 haben den vielfältigen Streit um die dogmatische Grundlegung des Folgenbeseitigungsanspruches mit der (nicht näher begründeten) Bemerkung zu schlichten gesucht, daß alle Ableitungen sich nicht ausschlössen, sondern vielmehr ergänzten. Die Analyse der im vorigen Abschnitt angeführten Auffassungen in Rechtsprechung und Lehre bestätigt nicht nur diese Bemerkung, sondern zeigt darüber hinaus, daß in sämtlichen Ansätzen ein Grundgedanke enthalten ist, nämlich der, daß im Verhältnis des Staates zum Bürger den Freiheitsgrundrechten und dem daraus resultierenden Gebot der Gesetzmäßigkeit entscheidende Bedeutung zukommt. Bereits das Preussische Oberverwaltungsgericht, welches den Anspruch auf Folgenbeseitigung begründungslos anerkannt hat, kennzeichnete diesen gelegentlich als einen Anspruch auf Rückgängigmachung der durch den Eingriff in den individuellen Freiheitskreis verursachten Folgen l9 . Damit wurde schon zu Abwehranspruch, 77: Mischung aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 19 Abs. 4 GG und weiteren Vorschriften. 14 Haueisen, DVBI. 1973, 739, 740; vorwiegend zivilrechtlieh, jedoch nach Art des Folgenbeseitigungsanspruches differenzierend Theune, BayVBI. 1963, 103, 105; alle Herleitungen ablehnend und für eine gesetzliche Grundlage plädierend Baumeister, Folgenbeseitigungsanspruch, 12ff., insb. 81ff. 15 BVerwGE 44,235, 242f.; BVerwG, DVBI. 1971,858,859 m. zust. Anm. Bachof, DÖV 1971, 859f.; DÖV 1974, 132; NJW 1974, 817f.; BVerwG, NJW 1985, 817, 818: aus dem Bundesverfassungsrecht ableitend; keine Auseinandersetzung, sondern lediglich Verweisung in BVerwGE 51, 15,22; 53, 12,22; a. A. noch BVerwGE 28, 155, 165: Ableitung aus verschiedenen Rechtsvorschriften und -grundsätzen; zum Teil auch die Untergerichte, so sieht etwa VG Neustadt, NJW 1965, 833, 835 den Folgenbeseitigungsanspruch in Art. 20 Abs. 3 begründet. 16 BVerwG, NJW 1974, 817f. 17 Vgl. amtliche Begründung zum Staatshaftungsgesetz, in: BT-Drs. 8/2079, 19: "Institut der öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigung ist ... ungeschriebenes Richterrecht"; zur Bewährung in der Praxis vgl. S. 43. 18 Wolff 1 Bachof, Verwaltungsrecht I, § 54 II b.
3. Abschn.: III. Dogmatische Grundlage
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dieser Zeit der den Beseitigungsanspruch verursachende Zusammenhang zwischen Eingriff und Freiheitssphäre angesprochen. Ähnlich hat Bettermann 20 aus dem Anspruch des Bürgers auf rechtmäßige Amtsausübung bei Behandlung seiner Angelegenheiten, der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebe, gefolgert, daß als Sanktion, bei rechtswidriger Gewaltausübung und Verletzung dieses Anspruches, ein Anspruch auf Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes in Form der Wiederherstellung des vor dem rechtswidrigen Eingriffes bestehenden Zustandes (restitutorischer Anspruch) und ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigung (negatorischer Anspruch) bestehe. Im Gegensatz zum Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung und im Gegensatz zur Strafsanktion bedürften diese beiden Ansprüche keiner positiv-rechtlichen Grundlage. Vielmehr sollen sie sich schon aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ergeben. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folge der ungeschriebene Grundsatz, daß der Staat oder ein anderer Träger öffentlicher Gewalt eine Beeinträchtigung zu beseitigen und (forthin) zu unterlassen habe, wenn diese widerrechtlich erfolgt sei 21 • Erichsen22 , der als wesentliche dogmatische Grundlage auf das "Gebot der
Gerechtigkeit" abstellt, bemerkt in diesem Zusammenhang, daß dieses Gebot für das Verhältnis Staat und Bürger in erster Linie in den Regelungen des Grundgesetzes konkretisiert sei. Die Primärfunktion der Grundrechte, Eingriffe des Staates in den durch sie geschützten und umgrenzten Bereich individueller Freiheit zu verhindern, liefe leer, wollte man den Folgenbeseitigungsanspruch nicht anerkennen. Das Gebot der Gerechtigkeit soll "Transformator" für die Umwandlung des in den Freiheitsgrundrechten gegebenen Unterlassungsanspruchs bei Verletzung in einen Beseitigungsanspruch sein23 . Heidenhain 24 schließt, trotz seiner Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruches insbesondere aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, aus der in Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen, umfassenden Eröffnung des Rechtsweges im Rechtsschutzsystem des öffentlichen Rechts darauf, daß jede hoh,eitliche Rechtsverletzung einen materiellen Anspruch auf Beseitigung rechtswidriger Beeinträchtigungen entstehen lasse. Damit fußt letztlich auch diese dogmatische Begründung auf ver19 Urteil vom 8. Februar 1889 (PrOVGE 17,217,222):" ... der Anspruch auf Rückerstattung ist nicht als eine Erscheinungsform eben jenes Verlangens auf Freilassung (nämlich von der Veranlagung, Anmerkung des Verfassers), hervorgerufen durch die, nicht die Ausnahme sondern die Regel bildende Thatsache, daß die Abgabe der angebrachten oder zulässigen Rechtsmittel ungeachtet bezahlt worden ist."; vgl. im übrigen zahlr. w. Nachw. bei Bachof, Vornahmeklage, 102. 20 Bettermann, Grundrechte 111/2, 779, 803f. 21 Bettermann, Grundrechte III/2, 779, 804; ders., DÖV 1955, 528, 534f. 22 Erichsen, VerwArchiv 1972, 217, 220f. 23 Ebd.220. 24 Heidenhain, Amtshaftung, 141.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
fassungsrechtlichen Erwägungen. Wie Heidenhain sieht auch RUpp 25 in § 113 Abs. 1 VwGO die dogmatische Grundlage für den Folgenbeseitigungsanspruch, betont aber in diesem Zusammenhang zugleich, daß dieser bei Eingriffen staatlichen Handeins in die individuelle Freiheitssphäre angewendet werde. Gleiches findet sich bei Hoffmann 26 , der für die dogmatische Begründung neben den verwaltungsprozessualen Vorschriften über die Anfechtungsklage, insbesondere § 113 Abs. 1 VwGO, auch noch Art. 19 Abs. 4 GG heranzieht. Hoffmann führt den Folgenbeseitigungsanspruch auf den Schutz des Bürgers aus Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG vor allen rechtswidrigen Belastungen durch die hoheitliche Gewalt zurück. Baumeister27 , der alle Herleitungen ablehnend, für die Einfügung einer Norm plädiert, weist gleichwohl darauf hin, daß zwar in den verfassungsrechtlichen Grundsätzen hinsichtlich hoheitlicher Eingriffe in Freiheit und Eigentum keine Rechtsgrundlage zu finden sei, diese jedoch immerhin für den Folgenbeseitigungsanspruch "Leitgedanken" bilden würden. Schäfer28 sieht den Folgenbeseitigungsanspruch darin begründet, daß Staatsunrecht mit allen seinen Folgen möglichst ungeschehen gemacht werden soll, um die verletzte Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen. Achterberg29 schließlich führt aus, daß der Folgenbeseitigungsanspruch letztlich seine Grundlage im Prinzip der Rechtsstaatlichkeit finde, welche alle Staatsgewalt zur Beachtung von Verfassung, Gesetz und Recht verpflichte. Wie gezeigt stützt sich auch die amtliche Begründung zum Staatshaftungsgesetz30 hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruches auf das ungeschriebene in Lehre und Rechtsprechung anerkannte und bewährte Richterrecht. Gleichwohl wird in der Einzelbegründung des Gesetzes im Zusammenhang mit den Obdachlosen-Einweisungsfällen ausgeführt, daß es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar wäre, die Entwicklung der tatsächlichen Lage zu einer eingriffsähnlichen Beeinträchtigung der Rechtsposition des durch die Einweisung der Obdachlosen betroffenen Eigentümers zu überbürden, obwohl die rechtswidrige Veränderung allein dem Verantwortungsbereich der die Obdachlosen einweisenden Stelle zuzurechnen sei. Dementsprechend müsse ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden 3!.
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Rupp, Grundfragen, 249ff.
Hoffmann, Abwehranspruch, 77f. Baumeister, Folgenbeseitigungsanspruch, 12ff., insb. 81ff. Schäfer, in: Schäfer / Bonk, § 3 Rdnr. 15. Achterberg § 24 Rdnr. 4f. BT-Drs. 8/2079, 19,43. BT-Drs. 8/2079, 44f.
3. Abschn.: III. Dogmatische Grundlage
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3. Der Vorbehalt des Gesetzes als Anknüpfungspunkt für den Folgenbeseitigungsanspruch
Die Untersuchung der so verschieden strukturiert wirkenden Auffassungen hinsichtlich der dogmatischen Begründung des Folgenbeseitigungsanspruches hat gezeigt, daß zwar hinsichtlich der Frage nach einer positiv-rechtlichen Norm, die als Grundlage dieses Anspruches dienen könnte, unterschiedlichste Meinungen vertreten werden. Es besteht jedoch im Hinblick auf das dem Gedanken des Folgenbeseitigungsanspruches zugrundeliegende Prinzip zumindest insoweit Einigkeit32 , als es bei dem Beseitigungsanspruch rechtswidriger Beeinträchtigungen stets um das Verhältnis des einzelnen Bürgers zum Staat und damit um den Schutz der freiheitlichen Sphäre, deren Verletzung der Bürger nicht zu dulden braucht, geht. Das Gebot, staatliche Eingriffe in Freiheit und Eigentum in die Grenzen der Gesetzmäßigkeit zu zwingen, hat seinen Ursprung nicht erst im gegenwärtig geltenden Grundgesetz, sondern bereits im 19. Jahrhundert. Schon im konstitutionellen Staatsrecht waren derartige Eingriffe in die Bereich Freiheit und Eigentum nur durch ein Gesetz oder zumindest auf Grund eines Gesetzes möglich 33 • Der dort in Folge des aufkeimenden Verständnisses für die Freiheitssphäre des Individuums im Staat entwickelte Gedanke des Gesetzesvorbehalts für belastende Eingriffe in die Rechts- und Freiheitssphäre wurde in der Zeit der Reichsverfassung der Weimarer Republik ausgebaut 34 • Das Grundgesetz von 1949 hat an diese Entwicklung - nach der rechtsstaatliche Grundsätze in ihrem Kern erschütternden Zeit des Nationalsozialismusses - angeknüpft35 . Die Individualsphäre des Bürgers wird im Grundgesetz durch die Grundrechte umschrieben. Aus den Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt ergibt sich für die Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Vorbehalt des Gesetzes. Der Eingriffsvorbehalt ist im Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG und den nachfolgenden Freiheitsgrundrechten, etwa Art. 14 GG im Hinblick auf das Eigentum, geregelt. Wird ein Eingriff in diese Sphäre nun nicht durch ein (formelles) Gesetz gedeckt, so steht er im Widerspruch zum Vorbehalt des Gesetzes und ist deshalb rechtswidrig. Der Eingriff verletzt damit nämlich die betreffenden Rechte. Da die Bindung der Verwaltung im Hinblick auf ihre Eingriffe der Rechts- und Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers dient, muß der Einzelne auch ein subjektives Recht auf Gesetzmäßigkeit dieses Eingriffes 36 und daraus folgend ein subjektives Recht 32 Zum Anknüpfen an das einigende Band des "Minimums" vgl. Schlüchter, NStZ 1984, 300ff. 33 AhIJ, Polizei 1983,41; Bull, Die Staats aufgaben nach dem Grundgesetz, 132 - 135 m. w. Nachw.; KloepJer, JZ 1984, 685f.; Meyer / Anschütz, Staatsrecht, 651, 655. 34 Thoma, in: HdStR 11,221,223. 35 fesch, Gesetz und Verwaltung, 175ff.; auf den Folgenbeseitigungsanspruch bezogen auch Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, 68 m. w. Nachw. 36 Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG Rdnr. 26; fesch, Gesetz und Verwaltung,135.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
auf Unterlassung aller rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Sphäre haben 3? Insbesondere Bachof8 hat darauf hingewiesen, daß die Gesamtkonzeption des Grundgesetzes, die im Bekenntnis zum Primat der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit, zu ihrem Vorrang vor den Staatsinteressen, die in der Erklärung zum Sozialstaat und auch in der Tendenz einer durchgängigen Beschränkung und Kontrolle staatlicher Machtäußerung zu erblicken sei, auf den in Art. 19 Abs. 4 GG verkörperten Rechtsschutz aller objektiv rechtlich geschützten Individualinteressen schließen lasse. Aus der Tatsache, daß das Staatswesen sich insbesondere in Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG zum Primat der Freiheit in der Weise bekenne, daß nicht das Freisein von staatlichem Zwang, sondern die staatliche Beschränkung der Freiheit einer besonderen Legitimation bedürfe, sei zu schließen, daß die die Freiheitssphäre umschreibenden Normen nicht bloße Reflexe objektiven Rechts seien. Nicht die Rechtsordnung bestimme den Umfang der Freiheitsrechte, sondern die vorgegebenen Rechte gestalteten die Rechtsordnung39 • Damit ergibt sich für den Bürger ein subjektives öffentliches Recht auf gesetzmäßige Freiheit40 • Dieses Recht ist aus dem Gesetzesvorbehalt im grundrechtlichen Bereich, dem Gesetzesvorrang aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem rechtsstaatlichen Allgemeinvorbehalt des Gesetzes abzuleiten. Aus der Natur der Freiheitsgrundrechte und dem sich daraus unmittelbar ergebenden Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgt damit ein einheitlicher Abwehranspruch des Bürgers auf Unterlassung oder Beseitigung rechtswidriger Beeinträchtigungen. Dieser Abwehranspruch bezieht sich auch auf die tatsächlichen Folgen hoheitlichen Verwaltungshandeins. Denn diese bergen die Grundrechtsverletzung selbst in sich. Dies ist unabhängig davon, ob die die Folgen verursachende Maßnahme mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handeins von Anfang an nicht im Einklang stand oder sich die rechtliche und tatsächliche Situation in einer Weise geändert hat, daß eine gleichartige Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen würde und daher die bestehende Maßnahme aufgehoben werden müßte. IV. Ergebnis
Zusammenfassend ist festzustellen, daß der restitutorische Anspruch auf Folgenbeseitigung im öffentlichen Recht einen immanenten Abwehranspruch 37 Dürig, in: Maunz / Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG Rdnr. 26; Merten, VerwArchiv 73 (1982), 103; Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, 69; für das Grundrechtsverständnis in Österreich Öhlinger, EuGRZ 1982, 216, 222f. 38 Bachof, in: lellinek-Gedächtnisschrift, 287, 301. 39 Ebd.: "Die vorgegebenen Rechte bestimmen insoweit die Rechtsordnung, nicht die Rechtsordnung jene Rechte.". 40 Bender, DÖV 1968, 156, 162.
4. Abschn.: I. Stukturvergleich
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des Bürgers gegenüber dem Staat zum Schutze seiner Freiheitssphäre darstellt. Dieser Anspruch ergibt sich ohne positiv-rechtliche Normierung unmittelbar aus den Grundprinzipien der rechtsstaatlichen und freiheitlichen Verfassung, nämlich insbesondere aus dem Kanon der Freiheitsgrundrechte und dem sie sichernden Vorbehalt des Gesetzes. Der Bürger hat, anders ausgedrückt, bei jeder Art von Grundrechtsverletzung, die schon von ihrem Wortsinn her die Beeinträchtigung des grundrechtlich geschützten Bereichs durch einen rechtswidrigen Eingriff beinhaltet, einen Anspruch auf die Wiederherstellung einer den Rechten entsprechenden Tatsachenlage beziehungsweise einer Anpassung an die veränderte (ehemals durchaus rechtmäßige, nunmehr aber rechtswidrige) Rechtslage. Die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches sollten damit deutlich geworden sein. Entsprechend der oben gestellten Frage nach der rechtlichen Grundlage des hier behaupteten strafprozessualen Restitutionsprinzips soll im folgenden Abschnitt nunmehr untersucht werden, ob die den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zugrundeliegenden Strukturen den Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches entsprechen. 4. Abschnitt
Das strafprozessuale Restitutionsprinzip als Ausformung der Folgenbeseitigung im Strafverfahren I. Strukturvergleich
Wie gezeigt entfaltet der im Verwaltungsrecht entwickelte Folgenbeseitigungsanspruch seine Wirkung ausschließlich auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts. Bereinigt werden die tatsächlichen Folgen, die hoheitliche Eingriffe, die dem Gesetzesvorbehalt unterliegen, im Grundrechtsbereich des Bürgers verursachen. Folgenbeseitigung kann verlangt werden, wenn nach dem Eingriff die Rechtswidrigkeit der Maßnahme sichtbar wird oder sich auf Grund veränderter Umstände die rechtliche Lage nunmehr anders darstellt. Es soll nachfolgend versucht werden, die Hypothese, daß diese strukturellen Voraussetzungen auf den Einsatz und die Auswirkungen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen zutreffen, zu belegen. 1. Strafverfahrensrecht als Teil des öffentlichen Rechts
Dem sich im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelten Verständnis vom Rechtsstaat entsprechend ist das Recht zu strafen allein dem Staate vorbehalten'. Damit ist das Strafverfahrensrecht als Teil des Strafrechts (im weiten 14 Labe
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Sinne2) notwendigerweise Ausfluß der Staatsgewalt3 • Dem Recht des Staates zur Justizausübung als einer dem Wohl und dem Schutz der Rechtsgemeinschaft dienenden Ordnungsrnacht steht die Pflicht der Staatsbürger zur Justizunterwerfung und Justizmitwirkung gegenüber4 • Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten sind demnach öffentlich-rechtlicher Naturs. 2. Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen als GrundrechtseingritTe
Daß zumindest die in der Strafprozeßordnung aufgeführten Zwangsmaßnahmen 6 in den grundrechtlieh geschützten Bereich des Bürgers eingreifen, kann nach dem heutigen Stande von Rechtsprechung und Schrifttum nahezu als gesicherte Erkenntnis bezeichnet werden 7 • Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen wirken nach allgemeiner Auffassung in "doppe1funktioneller" WeiseS. Zum einen entfalten sie innerprozessuale Funktionen. Darüber hinaus stellen sie gleichzeitig einen Grundrechtseingriff dar. Hieraus ergibt sich, daß Zwangsmaßnahmen Auswirkungen haben können, die vom weiteren Verlauf des Strafverfahrens unberührt b1eiben9 • Ob allerdings auch Maßnahmen, die nicht in der Strafprozeßordnung normiert worden sind, Grundrechtseingriffe darstellen, ist streitig. So vertritt etwa Steinke lO die Ansicht, es gäbe polizeiliche (repressive) Maßnahmen, die gerade keinen Eingriffscharakter hätten. Nur Tätigkeiten, die das Recht des Einzelnen, welches im Gesetz oder einer Rechtsverordnung normiert oder im Vgl. etwa Pfeiffer, in: KK, Einleitung Rdnr. 1 Satz 1. Kleinknecht / Meyer Einleitung Rdnr. 5; Peters 7. 3 Peters 21. 4 Peters 21; auch Roxin § 2 A I: "Strafverfahrensrecht ist der Seismograph der Staatsverfassung"; zur staatlichen Justizgewährungspflicht vgl. Eh. Schmidt I Rdnr. 16. 5 Kleinknecht / Meyer Einleitung Rdnr. 5; von Münch, Grundbegriffe I, 2lf.; Peters 21; Schäfer, in: LR (24. Aufl.), Einleitung Kap. 6 Rdnr. 1; zum Verhältnis Staat und Bürger vgl. Sax, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte 1III2, 909, 967: Strafprozeßrecht als angewandtes Verfassungsrecht. 6 Zur Entwicklung der Zwangsmaßnahmen in den letzten 15 Jahren vgl. im Überblick Rieß, in: Pfeiffer-FS, 155, 160. 7 BVerfGE 6, 32, 36f. zur umfassenden Handlungsfreiheit des "Jeder kann tun und lassen was er will", die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet ist; Benfer Vorwort; Kleinknecht / Meyer vor § 94 Rdnr. 1 für die Maßnahmen des 8. Abschnittes der StPO; Kühne Rdnr. 164; Nelles 46; Peters 391; Roxin § 29 B; Rudolphi, in: SK StPO, vor § 94 Rdnr. 13; Schäfer, in: LR (24. Aufl.), vor § 94 Rdnr. 9; Eh. Schmidt, NJW 1962, 664, 665; Eh. Schmidt 11, Vorbem. zum 8. und 9. Abschnitt, Rdnr. 5 f; einschränkend wohl noch Schlüchter Rdnr. 165: Zwangsmaßnahmen sind "zumeist mit Grundrechtseingriffen" verbunden. 8 Zum Begriff vgl. Amelung, NJW 1979, 1687, 1688; Fezer, Jura 1982, 18,24; Gössel § 19 B II b; Henkel 238; Niese 31ff.; Schenke, NJW 1976,1816,1818. 9 Vgl. etwa Fezer, Jura 1982, 18, 27, sowie 126, 135. 10 Steinke, MDR 1980, 456, 458. 1
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4. Abschn.: I. Stukturvergleich
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Gewohnheitsrecht enthalten sei, berührten, stellten Grundrechtseingriffe dar. Darüber hinaus müßten die Maßnahmen eine gravierende nicht nur unerhebliche Belästigung beinhalten und schließlich auch Außenwirkung zeigen. Beispielsweise seien Observationen oder Auskünfte, die von Behörden im Wege der Amtshilfe erfolgten, keine Eingriffe. Steinke begründet dies mit der Behauptung, daß polizeiliche Arbeit immer neue Methoden verlange, die nicht alle sofort per Gesetz geregelt werden könnten. Das führe nämlich zu unerwünschten Einblicken in die Polizei strategie und beschwöre die "Gefahr der Vergesetzlichung der Maßnahmen" heraufll . Lisken 12 sieht, ausgehend von verfassungsschutzrechtlichen Normen, in jedem Tätigwerden, welches nicht ausschließlich Beobachtung sei, einen Eingriff!3. Daher liege beispielsweise ein Eingriff vor, wenn Telefongespräche mitgehört l4, personenbezogene Daten übermitteltls oder in einem geschlossenen Kreis (etwa in einem Universitätsseminar) observiert werde l6 . Keine Eingriffe lägen hingegen vor, wenn in öffentlich zugänglichen Kreisen observiert werde I? oder Einsicht in öffentliche Register genommen werde l8 . Den von Steinke und Lisken vertretenen Auffassungen ist zunächst zuzugeben, daß es durchaus Maßnahmen gibt, die vom jeweils Betroffenen überhaupt nicht bemerkt werden. Hieraus jedoch ableiten zu wollen, daß es sich dann jeweils nicht um Grundrechtseingriffe handele, muß fehlgehen. Bereits etliche (normierte) Zwangsmaßnahmen der Strafprozeßordnung - etwa die der §§ 99 und lOOa - sind strukturell Maßnahmen, die (zumindest zunächst) vom Betroffenen nicht bemerkt werden. Gleichwohl wird der grundrechtlich geschützte Bereich des Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnisses durch eine Postbeschlagnahme oder die Überwachung des Fernmeldeverkehrs in gerade nicht unerheblicher Weise berührt. Ähnliches gilt für die von Lisken angeführten Einschränkungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Einzelne einen Anspruch gegen den Staat effektiv "in Ruhe gelassen" zu werden l9 . Er soll ohne Besorgnis einer staatlichen Registrierung seiner Wege und Gedanken, bis zur Grenze der Freiheit anderer, leben können und dürfen2o . Zudem hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr in seiner Ebd.457. Lisken, NJW 1982, 148lff. 13 Ebd. 1488. 14 Ebd. 1484. 15 Ebd. 1486. 16 Ebd. 1485. 17 Ebd. 1485. 18 Ebd. 1486. 19 BVerfGE 27,1,6 ("Mikrozensus"). 20 Hierauf verweist Lisken, ZRP 1984, 144 nunmehr auch selbst (bei Fn. 5); vgl. dazu auch Gusy, VerwArchiv 1983, 91, 93ff.; Ernesti, NStZ 1983, 57, 59 zu Eingriffen durch Datenverarbeitung. 11
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Entscheidung zum Volkszählungsgesetz herausgearbeitet, daß der Einzelne ein Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" besitzt21 . Da der Bürger weitgehend selbst bestimmen soll, wer, wann und auf welche Weise persönliche Daten über ihn sammelt, ist nicht erst das Speichern personenbezogener Daten, sondern bereits das Erheben und Sammeln derselben grundrechtsrelevant22 . Die Eingriffsqualität einer Maßnahme soll indes beseitigt sein, wenn der Rechtsträger unmißverständlich - etwa durch eine Einwilligung - zu verstehen gibt, daß er seinen Unterlassungsanspruch nicht geltend machen Will 23 • Anzumerken ist, daß eine Einwilligung allerdings nicht die Eingriffsbehörden dazu ermächtigt, die jeweilige Eingriffsnorm nun überhaupt nicht mehr zu beachten24 • Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen greifen in die verschiedensten Grundrechte ein. Die Untersuchungshaft nach den §§ 112ft., die einstweilige Unterbringung nach § 126, die Unterbringung zur Untersuchung nach § 81, die vorläufige Festnahme nach § 127, die Kontrollstelle nach § 111, das Festhalten zur Identitätsfeststellung nach §§ 163b, 163c, die Vorführung und Verhaftung von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen nach den §§ 134, 230 Abs. 2,51,70 Abs. 2,77 Abs. 1, die Verhaftung und Festnahme von Verfahrensstörern nach § 164 und § 177 GVG sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen greifen beispielsweise sämtlich in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit ein. Körperliche Untersuchungen nach §§ 81a, 81c und körperliche Durchsuchungen des 21 BVerfGE 65, 1, 40ff. (Wortschöpfung auf S. 43); nachfolgend OVG Berlin, DVBI. 1985, 534ff.; HansOLG, NJW 1985, 2541; BAG, NJW 1987, 2459, 2461; zu den Auswirkungen auf spätere Entscheidungen siehe Gola, NJW 1986, 1913, 1914; Similis, NJW 1989, 2lf.; Steinmeier I Zypries, DuR 1984, 307, 308ff.; Stümper, Kriminalistik 1987, 185, 186 beklagt eine erhebliche Verminderung der Effizienz der Sicherheitsorgane. 22 BVerfGE 65, 1,43: "Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen"; vgl. in diesem Zusammenhang Alberts, ZRP 1987,193, 195f.; Denninger, KJ 1985, 215ff.; Dreier, JZ 1987,1009,1016; Hufen, JZ 1984,1072, 1074f.; Knemeyer, NVwZ 1988, 193, 195; Kubica I Leineweber, NJW 1984, 2068, 2070f.; Riegel, DVBI. 1984, 986, 988; DVBI. 1985, 765, 767; Roos I Scheuenstuhl, Kriminalistik 1985, 65; Stern berg-Lieben, NJW 1987, 1242, 1246; Schoreil, MDR 1987, 887; zur Struktur des Eingriffs vgl. Bleckmann, Grundrechtslehren, 231; Bryde, in: von Münch, GGK 1, Art. 14 Rdnr. 5; Kloepfer, JZ 1984, 685, 689; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, 316ff.; Ramsauer, VerwArchiv 1981, 89, 91 m. w. Nachw. 23 Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, 13; ders., NJW 1977, 833, 840; ders., NStZ 1982, 38, 39; Benfer Rdnr. 767; König, JuS 1985, 52; Krüger, JR 1984, 490, 492: freiwillige Informationspreisgabe auch gegenüber V-Leuten; Rudolphi, in SK StPO, vor § 94 Rdnr. 54ff.; Schlüchter Rdnr. 165; Pietzker, Der Staat 1978, 527, 538ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 99,127. 24 Benfer Rdnr. 768ff.; Bleckmann, VerwArchiv 1972, 404, 437; Leisner, DVBI. 1960,617,621; Schenke, JuS 1977, 281, 286; Thieme, NJW 1974, 2201, 2203f.
4. Abschn.: I. Stukturvergleich
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Beschuldigten nach § 102 beeinträchtigen den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit dem Recht auf körperliche Integrität. Die Durchsuchungsvorschriften der §§ 102ff. tangieren das durch Art. 13 Abs. 1 GG gewährleistete Hausrecht. Die Postbeschlagnahme nach den §§ 99f. und die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach den §§ 100aff. greifen in den Schutzbereich des Art. 1 GG und des Art. 10 GG mit dem Recht auf Geheimund Intimsphäre ein. Die Beschlagnahme nach den §§ 94ff. und die Vermögensbeschlagnahme nach den §§ 290, 443 beeinträchtigen das Recht auf Schutz von Eigentum und Vermögen nach Art. 14 GG. Das vorläufige Berufsverbot nach § 132a berührt das Recht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG25. 3. Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen und Vorbehalt des Gesetzes
Es besteht nahezu Einigkeit, daß strafprozessuale Zwangsmaßnahmen als Grundrechtseingriffe dem verfassungsrechtIichen Prinzip des Gesetzesvorbehalts unterliegen26 . Nur dieser sich aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebende verfassungsrechtliche Grundsatz27 gewährleistet, daß die Eingriffe des Staates in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen ausschließlich nach Maßgabe der Gesetze erfolgen, deren Voraussetzungen, Inhalt und Grenzen so genau wie nur möglich (und zwar vor dem Eingriff) festgelegt worden sind28 . Diesen Anforderungen genügt entgegen der gelegentlich vertretenen Auffassung die Vorschrift des § 163 oder des § 160 als Eingriffsnorm nicht 29 . 25 Derartige Zusammenstellungen finden sich auch bei Kühne Rdnr. 168; Peters 391 f.; Roxin § 29 B; speziell zur Beeinträchtigung mehrerer Grundrechte vgl. beispielsweise Berkemann, EuGRZ 1982,135,137: Durchsuchung nach § 102 mit Grundrechtsbeeinträchtigung der Art. 2, 3 und 13 GG. 26 BVerfGE 6,31, 40f.; Netles 19; Schnapp, in: von Münch GGK, Art. 20 Rdnr. 36 m. w. Nachw. 27 Krey, Gesetzesvorbehalt, 243f.; grundlegend SeIm er, JuS 1968, 489ff. 28 Für das Strafverfahrensrecht etwa Roxin § 2 A 11 2. 29 Vgl. dazu RGSt 27,153,157; 32, 269, 271; 38, 373, 374; 39,189,190; 67, 351, 352f.; BGH, NJW 1962, 1020, 1021; BayObLGSt 1959, 38, 39 m. w. Nachw.; BayObLG, DÖV 1960, 130, 131; OLG Saarbrücken, NJW 1959,1190,1191; Baumann, Grundbegriffe, 112; Grünwald, JZ 1981, 423,425; Kleinknecht / Meyer § 163 Rdnr. 1, 32 und Einleitung Rdnr. 45f.; Kühne Rdnr. 164; für die Maßnahmen des 8. Abschnittes Laufhütte, in: KK, vor § 94 Rdnr. 4; Meyer-Goßner, in: LR, § 163 Rdnr. 1; Müller, in: KMR, § 163 Rdnr. 3; Rainer Müller, in: KK, § 163 Rdnr. 1, 12; Peters 173; ähnlich Schlüchter Rdnr. 165; Eb. Schmidt, Nachtrag 11, § 163 Rdnr. 5; Vogel, NJW 1978,1217, 1225 unter Hinweis auf die Gefahr der Unübersichtlichkeit immer neuer Zwangseingriffe; weiter hingegen Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 163 Rdnr. 1, 23ff.; a. A. hingegen gegründet auf Art. 89 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 insb. OLG Braunschweig, GA 1953, 28; OLG Neustadt, NJW 1952, 1027; aus neuerer Zeit BayObLGSt 1969, 79, 80; diff. Steinke, MDR 1980, 456, 458, der § 163 als generelle Ermächtigungsnorm für alle polizeilichen Maßnahmen ablehnt, jedoch bei Observationen und Amtshilfe Ausnahmen machen will; für § 163 als umfassende Ermächtigungsnorm Jaeschke, NJW 1983, 434 unter anderem mit dem Argument, "die StPO (sei) eine alte Vorschrift ... , die bald 100 Jahre alt (werde)"; dagegen Ernesti, NStZ 1983, 2366,
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Wie schon angedeutet erschöpft sich die Wirkung eines Grundrechtseingriffes nicht allein darin, gerade im Zeitpunkt seiner Durchführung Grundrechte zu beeinträchtigen. Vielmehr bedingt die Doppelfunktionalität strafprozessualer Zwangsmaßnahmen, daß unabhängig vom weiteren Verlauf des Strafverfahrens, für den die Anordnung und Durchführung einer Maßnahme einen bestimmten Zweck erfüllt hat (etwa Beweissicherung, Festnahme des Beschuldigten etc.), die Folgen des Eingriffs weiterwirken. Gelegentlich wird dies ausdrücklich hervorgehoben. So sieht etwa Cramer30 in der Aufbewahrung (präventiv erlangten) erkennungs dienstlichen Materials einen Eingriff in die persönliche Sphäre des Betroffenen. Auch Welp3l und Rudolphj32 meinen, daß der Eingriff der Telefonüberwachung nach § lOOa durch die anschließende Kenntnisnahme der Informationen und die sich daraus ergebende Verwertung fortgesetzt werde. Diese Erkenntnis hat eine Bestätigung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz 1983 erfahren. Denn das dort herausgearbeitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung beinhaltet auch den Anspruch des Bürgers, daß einmal erhobene und gespeicherte personenbezogene Daten nicht ohne Befugnisnorm weiter verwertet werden dürfen 33 . Auch die anschließende Verwertung stellt somit einen Eingriff dar. Allgemein kann gesagt werden, daß von den hier untersuchten Zwangsmaßnahmen jede Maßnahme nach ihrer Durchführung fortwirkende Folgen aufweist, ja aufweisen muß. Denn wenn - wie festgestellt wurde - strafprozessuale Zwangsmaßnahmen uneingeschränkt als Grundrechtseingriffe zu klassifizieren sind, so muß das Eingreifen in die Sphäre des Bürgers Folgen zeigen. Es korrespondiert also die Tatsache, daß es sich bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen um Grundrechtseingriffe handelt mit dem Umstand, daß dieser Eingriff - auch nachdem er erfolgt ist - Wirkungen hinterläßt. Diese Folgewirkungen beeinträchtigen, da in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Einzelnen eingegriffen worden ist, notwendigerweise ebenfalls den durch das jeweilige Grundrecht geschützten Freiheitsbereich des Bürgers.
2367 (Rasterfahndung und polizeiliche Beobachtung wird auf § 161 gestützt); Werwigk, NJW 1983, 2366, 2367. 30 eramer, diss. iur. Frankfurt am Main 1978, 100 mit Hinweis auf BVerwG, NJW 1967,1192,1193; so auch VGH München, DVBI. 1966,904,905; ähnlich BayVerfGH, NJW 1986, 915f.; VGH München, NJW 1984, 2235ff.; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1989,47ff. 31 Welp, JuS 1971, 241, 243; ders., NStZ 1986, 294, 298: jede weitere Verwertung nach der Beweiserhebung stellt einen Eingriff dar. 32 Rudolphi, in: Schaffstein-FS, 433, 446. 33 BVerfGE 65,1,43.
4. Abschn.: I. Stukturvergleich
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4. Die Rechtswidrigkeit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen
Strukturell sind zwei Konstellationen denkbar, bei deren Vorliegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen als rechtswidrig zu beurteilen sind: Eingriffe können zum einen von vornherein rechtswidrig sein. Dies ist einerseits immer dann der Fall, wenn bei der Anordnung der Zwangsmaßnahme die jeweiligen Voraussetzungen nicht beachtet werden. So wäre etwa die Anordnung der Untersuchungshaft gegen eine Person, die einer Straftat zumindest nicht dringend verdächtig ist, von vornherein wegen der Erfordernisse des § 112 Abs. 1 Satz 1 rechtswidrig. Andererseits kann sich die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme aus einer unzulässigen Durchführung des Eingriffes ergeben. Unzulässig ist beispielsweise die Durchführung einer Durchsuchung nach § 102, wenn diese sich nicht nur auf die in der Anordnung bezeichnete Straftat erstreckt, sondern weiter ausgedehnt wird. Anzumerken ist, daß Anordnung und Durchsuchung auch gemeinsam der Rechtmäßigkeit entbehren können. Die Anordnung, eine Wohnung zu durchsuchen, um auf diese Weise zur Gewinnung von Beweismitteln irgendwe1cher Straftaten zu gelangen, wäre auf Grund mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig. Eine sich an diese Anordnung haltende Durchsuchung wäre gleichfalls unzulässig. Zum anderen können sich strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, die rechtmäßig angeordnet und durchgeführt worden sind, nachträglich als sachlich nicht mehr gerechtfertigt erweisen. Die Aufrechterhaltung der Folgewirkungen der Zwangsmaßnahme, die wie gezeigt ebenfalls einen Eingriff darstellt, kann damit rechtswidrig werden. Stellt sich beispielsweise im Verlaufe eines Ermittlungsverfahrens heraus, daß der zur Untersuchungshaft gebrachte Beschuldigte der vorgeworfenen Tat nicht (mehr) dringend verdächtig ist, entfällt dementsprechend die Voraussetzung des § 112 Abs. 1 Satz 1. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ergibt sich also nicht aus der einst erfolgten Anordnung und der späteren Durchführung, sondern vielmehr aus der eingetretenen Veränderung des Lebenssachverhaltes, auf Grund dessen die Anordnung und Durchführung derselben Zwangsmaßnahme nunmehr nicht mehr möglich wäre. Die Maßnahme, deren Folgen durch ihre Aufrechterhaltung weiterwirken, wird rechtswidrig. Globale, die Zwangsmaßnahmen insgesamt betreffende Ausführungen sind bezüglich der zweiten Konstellation in Rechtsprechung und Schrifttum kaum zu finden 34 • Dies mag darin begründet sein, daß - wie etwa Schäfer hervorhebP5 - die Konsequenzen von Verfahrensfehlern bei Anordnung und Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen angesichts der sehr unterschiedlichen Art der Eingriffe und der unterschiedlichen Eingriffsintensität nicht einheit34 35
Ausdrücklich so unterscheidend Roxin § 29 E. Schäfer, in: LR (24. Aufl.), vor § 94 Rdnr. 15.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
lieh beurteil bar sein sollen und deshalb bei den einzelnen Vorschriften behandelt werden. In der Tat läßt sich die hier vorgenommene Aufteilung in den Kommentierungen zu den einzelnen Zwangsmaßnahmen wiederfinden. Die Konstellation, in der die Rechtswidrigkeit von Zwangsmaßnahmen nachträglich eintritt, wird hierbei unter dem Stichwort "Wegfall der Anordnungsvoraussetzungen" behandelt. Insoweit kann auf die Analyse der Restitution der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen verwiesen werden 36 • Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen können damit von Anfang an rechtswidrig sein oder aber durch Änderung der tatsächlichen Umstände rechtswidrig werden. 5. Ergebnis
Damit hat sich gezeigt, daß die strukturellen Voraussetzungselemente des Folgenbeseitigungsanspruch, die durch Rechtsprechung und Literatur im Rahmen des Verwaltungsrechts entwickelt worden sind, ausnahmslos auf die fortwirkenden Folgen eines Eingriffes durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen ebenfalls zutreffen. Dort wie hier handelt es sich um die Bereinigung tatsächlicher Folgen, die hoheitliche Eingriffe, die dem Gesetzesvorbehalt unterliegen, im Grundrechtsbereich des Bürgers verursachen. Auch die zwei grundsätzlichen Fallsituationen, die den Folgenbeseitigungsanspruch im öffentlichen Recht auslösen, sind bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen erkennbar. Die Rechtswidrigkeit der Maßnahme kann von Anfang an gegeben sein. Die Folgewirkungen des Eingriffes können indes auch dadurch der rechtlichen Grundlage entbehren, daß sich die tatsächliche Situation verändert hat. Im Ergebnis bedeutet dies, daß unter den geschilderten Voraussetzungen auch im Strafverfahrensrecht als Teilgebiet des öffentlichen Rechts der Anspruch auf Folgenbeseitigung, das Prinzip der Restitution, Raum greifen muß. Gänzlich neu ist dieser Gedanke nicht. In der Analyse der Restitutionspflichten der Strafprozeßordnung ist gezeigt worden, daß gelegentlich - meist in früherer Zeit 37 - durchaus erkannt wurde, daß eine Bereinigung der Auswirkungen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen zu erfolgen hat. Diese Betrachtungen sind jedoch nahezu durchge36 Vgl. beispielsweise jeweils m. w. Nachw. für § 70 Kap. 3 Abschn. 1 11 3 a, für § 81b Alt. 1 Kap. 3 Abschn. 111 1 a, für § 94 Kap. 3 Abschn. 111 2 a, für § 111 Kap. 3 Abschn. 1 11 1 c, für § l11a Kap. 3 Abschn. 1 I 2 c, für die §§ l11e, I11d Kap. 3 Abschn. 1 11 2 d, für § l11k Kap. 3 Abschn. 1 12 b (3), für § HIn Kap. 3 Abschn. 1 I 4 a, für § 112 Kap. 3 Abschn. 1 I 3 a, für § 126a Kap. 3 Abschn. 1 I 3 b, für § 127 Kap. 3 Abschn. 1 I 3 c, für § 131 Kap. 3 Abschn. 1 11 4 e, für § 132a Kap. 3 Abschn. 1 I 4 b, für § 163d Kap. 3 Abschn. 1 I 1 c, für § 164 Kap. 3 Abschn. 1 I 3 e, für § 247 Kap. 3 Abschn. 1 11 3 f, für § 293 Kap. 3 Abschn. 1 I 4 c, für § 36 EGGVG Kap. 3
Abschn. 1 14 d. 37 Insbesondere innerhalb der Diskussionen um § 111 a.F., dazu siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1).
4. Abschn.: 11. Auswirkungen des Restitutionsprinzips
217
hend nur auf einzelne Zwangsmaßnahmen beschränkt geblieben. Das hat den Blick auf das hinter allen Normen stehende globale Restitutionsprinzip versperrt. Betrachtet man, was anschließend erfolgen soll, die Auswirkungen des Restitutionsprinzips, so werden nunmehr die im Rahmen der verschiedenen Analysen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse verständlich. Sodann wird der, diese Untersuchung veranlassenden, Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung das Prinzip der Restitution für das Auftreten von Zufallsfunden hat. 11. Auswirkungen des Restitutionsprinzips 1. Restitution als Wiederhersteßung des status quo ante
Das auf dem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch fußende strafprozessuale Restitutionsprinzip erfordert die Wiederherstellung des vor dem Eingriff vorgefundenen status quo ante, wenn eine Zwangsmaßnahme von Anfang an rechtswidrig war oder aber die Aufrechterhaltung des Eingriffes durch Veränderung der tatsächlichen Umstände rechtswidrig wird. Im Ergebnis bedeutet dies, daß - der tatsächlichen Eingriffsart der jeweiligen Zwangsmaßnahme entsprechend - beispielsweise Gegenstände herausgegeben, Unterlagen vernichtet oder Personen freigelassen werden müssen. Hierbei ist stets genau zu prüfen, wie der status quo ante beschaffen war. Offensichtlich ist, daß ein beschlagnahmter Gegenstand dem Betroffenen wieder herausgegeben werden muß. Hingegen wäre ein Tonband, welches durch einen Eingriff nach § lOOa entstanden ist, nicht herauszugeben, da der Überwachte nie Eigentum an diesem Tonband hatte. Vielmehr ist der Zustand herzustellen, der darin bestand, daß vor dem Eingriff bei den Strafverfolgungsbehörden keine den Gegenstand der Überwachung betreffenden Erkenntnisse bekannt waren. Demnach sind also Tonbänder und eventuell gespeicherte Daten endgültig und ohne spätere Zugriffsmöglichkeit l zu löschen, von den Bändern erfolgte Abschriften und Fotokopien zu vernichten. I So müssen etwa bei elektronischer Datenverarbeitung sowohl das "directory" (Inhaltsverzeichnis) als auch die Einzelinformationen ("bits") durch Einspeicherung sogenannter "O-Bits" gelöscht werden; im Regelfall wird nämlich bei der Löschung von Daten lediglich das "directory" gelöscht, um so den Zugang zur Einzelinformation zu verhindern; die Einzelinformationen bleiben bestehen und sind - durch Zufall oder bedingt durch den Umstand, daß sich eine Person vor Löschung die Struktur des "directorys" gemerkt hat - jederzeit wieder abrufbar; auch darf bei der Löschung von Daten nicht etwa an dieser Stelle die Information "Vernichtung von Daten" eingespeichert werden (vgl. dazu DER SPIEGEL 1986, Nr. 7, 22, 27: im dort geschilderten Fall meldete das Auskunftssystem beispielsweise die Information "Vernichtung von ed-Unterlagen", darüber hinaus sogar Datum, Ort und Tatverdacht, derentwegen der Vermerk angelegt worden war).
218
Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
An diesem Beispiel wird allerdings auch deutlich, daß dem Restitutionsprinzip die Grenzen des tatsächlich Möglichen gesetzt sind. So kann etwa der Zustand geistiger "tabula rasa" bei den mit der Überwachung oder deren Auswertung betroffenen Personen nicht erreicht werden2 - jedenfalls nicht mit Mitteln, die mit dem verfassungsrechtlich verankerten Prinzip der Menschenwürde zu vereinen wären. Eine Form von Gehirnwäsche, die zur Auslöschung von Informationen führte, wäre also nicht zulässig. Dies mag im Hinblick auf das Grundprinzip totaler Restitution, auch aus der Perspektive des betroffenen Bürgers, bedauerlich sein, muß aber hingenommen werden. Eine weitere Grenze des Restitutionsprinzips findet sich in rechtlichen Hindernissen, die der Herstellung des status quo an te widersprechen. Ein Gegenstand, der etwa zu Beweiszwecken bei einem (vermeintlichen) Räuber beschlagnahmt worden ist, darf diesem, stellt sich heraus, daß er zwar kein Räuber, aber gleichwohl nicht Eigentümer oder rechtmäßiger Besitzer der Sache war oder jetzt ist, nicht zurückgegeben werden. Die Vorschriften des Zivilrechts stehen dem - ähnlich wie im Falle der Forderung nach Herausgabe von im Rahmen des § lOOa hergestellten Tonbändern - entgegen. In diesem Zusammenhang werden auch die dargestellten Diskussionen im Rahmen der Entstehungsgeschichte des heutigen § lllk verständlich 3 . Es sei daran erinnert, daß man im Reichstag einig war, daß der Vorläufer des § l1lk nur den Sonderfall der Rückgabe des beschlagnahmten Gegenstandes an den durch die Straftat Verletzten im Auge habe. Das allgemeine Prinzip der Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände wurde hingegen aus dem Wesen und der Struktur des Strafverfahrens oder - wie das Schrifttum in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts äußerte - unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. In konsequenter Folge dieser Gedanken verstand man diese Norm auch keineswegs als eine die Rückgabepflicht bei der Beschlagnahme erst anordnende, sondern als eine den Gefahren möglicher Willkür vorbeugende deklaratorische Vorschrift. Im Ergebnis lassen sich alle dargestellten Bereinigungspflichten der Strafprozeßordnung nahtlos in das Prinzip der Restitution einfügen. Sie stellen damit einige vom Gesetzgeber normierte Ausformungen des dem gesamten Recht der Zwangsmaßnahmen zugrunde liegenden Prinzips dar. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß das Restitutionsprinzip bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen die Wiederherstellung des Zustandes verlangt, der vor dem jeweiligen Eingriff bestand, wenn die Maßnahme von Anfang an rechtswidrig war oder ihre Aufrechterhaltung auf Grund geänderter Sachlage rechtswidrig geworden ist.
2 Vgl. dazu schon Franz, NJW 1965, 855, 856: selbst bei absoluten Verwertungsverboten komme es durch die Kenntnisnahme zu einer unbewußten Verwertung; ähnlich Füllkrug, MDR 1989, 119, 122 nach Fn. 42. 3 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 1 12 b (1).
4. Abschn.: 11. Auswirkungen des Restitutionsprinzips
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2. Strafprozessuales Restitutionsprinzip und ZufaUsfunde
Das dargestellte strafprozessuale Restitutionsprinzip hätte für das Auftreten von Zufallsfunden Bedeutung, wenn sich die Zufallsfundsituation inhaltlich mit einer der aufgezeigten Restitutionssituationen deckte. Bereinigung im Sinne des Restitutionsprinzips kann verlangt werden, wenn die Maßnahme von Anfang an rechtswidrig war oder wenn die Aufrechterhaltung der Maßnahme keine rechtliche Grundlage mehr hat, weil sich die tatsächlichen Umstände geändert haben. Oben ist dargetan worden, daß die Beweisgewinnung eines Zufallsfundes durch eine nach Anordnung und Durchführung rechtmäßige Zwangsmaßnahme stets selbst rechtmäßig ist 4 • Damit scheidet die erste Konstellation, bei der Restitution erfolgt, weil eine Zwangsmaßnahme von Anfang an rechtswidrig war, für den rechtmäßig gewonnenen Zufallsfund aus. Denn wenn der Zufallsfund im Rahmen eines Eingriffes auftritt, der nach seiner Anordnung oder Durchführung beziehungsweise nach Anordnung und Durchführung rechtswidrig war, so ist der Zufallsfund rechtswidrig gewonnen. Er unterscheidet sich damit strukturell nicht von einem rechtswidrig plan voll erlangten Beweismittel. Beide Beweismittel fielen, da auf Grund einer von Anfang an rechtswidrigen Maßnahme gewonnen, ohne Unterschied dem Restitutionsprinzip anheim. Auch die zweite Konstellation, die eine Restitution nach Veränderung der Tatsachenlage hervorruft, entspricht nicht der Zufallsfundsituation. Die Pflicht zur Restitution setzt hier nämlich ein, weil eine weitere Aufrechterhaltung der Maßnahme wegen der geänderten Umstände rechtswidrig wäre. Der Beschuldigte, der beispielsweise der Begehung einer Straftat dringend verdächtig war und deshalb Untersuchungshaft hinnehmen mußte, darf von dem Augenblick an, in dem die Strafverfolgungsorgane von dieser Stärke des Tatverdachts ablassen, nicht weiterhin in der Untersuchungshaft verbleiben. Er muß - wegen der Änderung der Tatsachenlage, hier der neuen Beurteilung des Verdachts - freigelassen werden. Denn im Moment der Änderung der tatsächlichen Umstände wird die Maßnahme der Untersuchungshaft rechtswidrig. Das Auftreten von Zufallsfunden im Rahmen einer rechtmäßigen Zwangsmaßnahme bewirkt diese Veränderung indes nicht. Die rechtmäßig angeordnete und ebenso rechtmäßig durchgeführte Zwangsmaßnahme bleibt auch beim Gewinnen von Zufallsfunden rechtmäßig. Wie gleichfalls oben schon gezeigt worden ist, verändert das Auftreten von Zufallsfunden die Zwangsmaßnahme nicht nachträglich, so daß sie im Ergebnis nunmehr rückwirkend einen rechtswidrigen Eingriff darstellte5 .
4
5
Siehe oben Kap. 2 IV 2. Siehe oben Kap. 2 IV 2.
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Kap. 3: Restitutionsprinzip und Zwangsmaßnahmen
Gleichwohl ergreift das Restitutionsprinzip sämtliche (rechtmäßig) gewonnenen Zufallsfunde. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung eines rechtmäßig gewonnenen Beweismittels ist die jeweilige strafprozessuale Zwangsmaßnahme selbst. Anders ausgedrückt birgt die Zwangsmaßnahme, die das Beweismittel hervorgebracht hat, die Berechtigung zur weiteren Aufbewahrung dieses Beweismittels in sich selbst. Ist also ein Beweismittel durch rechtmäßige Anordnung und rechtmäßige Durchführung des Eingriffes gewonnen worden, so steht außer Frage, daß es auf Grund dieser Maßnahme auch aufbewahrt werden darf - und deshalb auch nicht der Restitution unterworfen wird. Die Besonderheit der Zufallsfunde liegt nun darin, daß zwar der Gewinnungsvorgang unter den genannten Voraussetzungen durchaus rechtmäßig sein kann, jedoch für die weitere Aufbewahrung keine Rechtsgrundlage besteht. Denn die der Zwangsmaßnahme innewohnende Berechtigung, rechtmäßig gewonnene Beweismittel aufzubewahren, erstreckt sich nur auf solche Beweismittel, die nach dem Inhalt der notwendig präzisen Anordnung des Eingriffes erwartet werden durften. Dies ergibt sich aus dem allen Zwangsmaßnahmen innewohnenden Grundsatz der Tatbezogenheit6 . Da Zufallsfunde strukturell niemals tatbezogen sein können 7 , fehlt für die Aufbewahrung von zufällig gewonnenen Beweismitteln jede rechtliche Grundlage. Die Zufallsfundsituation ist damit mit beiden Fallgruppen des Restitutionsprinzips vergleichbar. In dem Augenblick, in dem die Strafverfolgungsbehörden erkennen, daß das gewonnene Beweismittel die Qualität eines Zufallsfundes aufweist, fehlt die Berechtigung, dieses Beweismittel aufzubewahren. Im Regelfall wird dies für die Strafverfolgungsbehörden sofort erkennbar sein. Wird etwa bei einer Durchsuchung wegen eines Einbruchsdiebstahls (in ein Lebensmittelgeschäft) ein Waffenlager gefunden, so ist sofort deutlich, daß es sich nicht um ein im Rahmen der Durchsuchungsanordnung zu erwartendes Ergebnis handelt. In einem derartigen Fall wäre die Aufbewahrung etwaig beschlagnahmter Waffen von Anfang an rechtswidrig. Indes ist auch die zweite Konstellation beim Auftreten von Zufallsfunden zumindest vorstellbar. Im hier erwähnten Fall könnten beispielsweise mehrere Kisten mit Aufschriften beschlagnahmt worden sein, die darauf hindeuteten, daß sich in ihrem Inneren Lebensmittel befänden. Bei rechtmäßiger Anordnung und rechtmäßiger Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ergäbe sich die Berechtigung zur Aufbewahrung dieser Kisten aus den rechtmäßigen Zwangsmaßnahmen selbst. Ergäbe sich im Verlaufe einer späteren genaueren Untersuchung des Inhalts der Kisten, daß statt erwarteter Eßwaren sich die oben erwähnten Waffen anfänden, so fehlte von diesem Augenblick an die Berechtigung zur Aufbewahrung des Beweismittels, da es als Zufallsfund zu qualifi6 7
Siehe oben Kap. 211 2, Fazit unter Kap. 2112 d. Siehe oben Kap. 2 IV 1.
4. Abschn.: 11. Auswirkungen des Restitutionsprinzips
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zieren wäre. Restitution fände damit auf Grund der veränderten Tatsachenlage statt. Im Ergebnis fordert das Restitutionsprinzip, daß Zufallsfunde, die im Rahmen einer rechtmäßig angeordneten und durchgeführten Zwangsmaßnahme gewonnen worden sind, ihrem jeweiligen Gewinnungsvorgang entsprechend zu bereinigen sind, wenn sich herausstellt, daß es sich um ein nicht erwartetes planmäßiges Ergebnis handelt. Dies hätte zur Folge, daß Zufallsfunde in keinem Falle verwertbar wären. Indes steht das Restitutionsprinzip innerhalb des Strafverfahrensrechts nicht isoliert. Aus diesem Grunde soll im folgenden Kapitel, ausgehend von den Konsequenzen, die sich aus einer strikten Anwendung des Restitutionsprinzips für die Verfolgung von bekanntgewordenen Straftaten ergäben, untersucht werden, wie sich ein Ausgleich zwischen dem zur Strafverfolgung verpflichtenden Legalitätsprinzip und dem hier dargestell-. ten Restitutionsprinzip erreichen läßt. Anders ausgedrückt wird gefragt werden, bei welcher Art von Zufallsfunden eine staatliche Pflicht zur Restitution besteht, die dazu führt, daß die gewonnenen Beweismittel nicht für die Strafverfolgung verwertet werden dürfen.
Kapitel 4
Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht I. Das konkurrierende Legalitätsprinzip
Im vorigen Kapitel ist gezeigt worden, daß dem Strafverfahrensrecht das Prinzip der Restitution beim Einsatz von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen hinsichtlich deren tatsächlichen Auswirkungen zugrundeliegt. Zufallsfunde - im Sinne der obigen Definition zufällige Ergebnisse einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme - sind in konsequenter Durchführung dieses Prinzips in dem Augenblick zu bereinigen, in welchem erkannt wird, daß es sich um einen Fund zufälliger Art handelt. Will man der Frage nachgehen, in welcher Beziehung dieses Prinzip der Restitution zu anderen Prinzipien des Strafverfahrens steht, so muß man sich zunächst die konkreten Auswirkungen einer totalen Restitution vor Augen führen. Die Anwendung des Restitutionsprinzips in der täglichen Praxis führte bei Zufallsfunden dazu, daß die Straftat, deren Vorhandensein der jeweilige Zufallsfund vermuten läßt, zumindest auf diesem Wege nicht mehr verfolgbar wäre. Fände man beispielsweise bei der Durchsuchung einer Wohnung eines Beschuldigten, der im Verdacht steht, bei einem Einbruchsdiebstahl elektronische Geräte entwendet zu haben, statt der erwarteten Gegenstände Spuren einer Gewalttat, etwa Leichenteile im Tiefgefrierschrank, so dürften diese Beweismittel keinerlei Verwertung erfahren. Die durchsuchenden Polizeibeamten müßten sie - idealtypischer Weise - völlig aus ihrem Gedächtnis streichen, zumindest aber "dienstlich vergessen". Denn dem Prinzip der Restitution entsprechend müßte ja der Zustand hergestellt werden, der vor dem Eingriff bestand. Dies ist - wie oben dargetan -letztlich die Nichtkenntnis von der betreffenden Straftat bei den Strafverfolgungsbehörden. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Mordes oder Totschlags, ja selbst die Beschlagnahme von möglichen Mordwerkzeugen, wäre - da es sich in jedem Falle um eine Verwertung des Zufallsfundes handelte - nicht möglich. Im Ergebnis dürften die Ermittlungen wegen dieser Straftat erst dann beginnen, wenn die Strafverfolgungsorgane auf ganz anderem, von der ersten Kenntnisnahme völlig unabhängigem, Wege von der Tat erführen. Dies könnte im skizzierten Fall beispielsweise die Anzeige eines Wohnungsnachbarn sein, der durch irgendwelche unüblichen Lautäußerungen auf die gewaltsamen Vorgänge in der fraglichen Wohnung aufmerksam geworden ist. Es bedarf kaum einer
I. Das konkurrierende Legalitätsprinzip
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näheren Begründung, daß ein Nichteinschreiten der Strafverfolgungsorgane in einem derartig gelagerten Fall dem legitimen Rechtsempfinden der Bevölkerung in nicht unerheblicher Weise widerspräche. Auf Grund fehlender Akzeptanz bei Polizei und Staatsanwaltschaft bezüglich derartiger Entscheidungen könnte bei diesen vielleicht sogar ein gewisser Reiz entstehen, das Restitutionsprinzip in seiner Totalität umgehen zu wollen. Beispielsweise könnte die Polizei im dargestellten Fall unzulässigerweise eine ihr bekannte Privatperson beauftragen, sich etwa als Handwerker oder Vertreter auszugeben, um so in die fragliche Wohnung zu gelangen, den Tiefgefrierschrank zu öffnen und auf diesem Wege die (möglicherweise noch dort befindlichen) Leichenteile zu entdecken. Man könnte hiergegen einwenden, daß ein derartiges Vorgehen der Strafverfolgungsorgane zwangsläufig zur Unverwertbarkeit auch dieser Kenntnisnahme führen müßte. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß ein Verhalten dieser Art im Strafprozeß nur mit erheblicher Mühe sich wird nachweisen lassen können. Deutlich wird an diesem Beispiel jedenfalls, daß eine konsequente Anwendung des Restitutionsprinzips stets eine Beschränkung der staatlichen Verfolgung von Straftaten zur Folge hätte. Daß Straftaten zu verfolgen sind, ergibt sich aus einem weiteren Grundprinzip des Strafverfahrensrechts, dem Legalitätsprinzip. Seine Legitimation findet das Legalitätsprinzip nach heutiger - nicht unbestrittener - Auffassung zum einen in der Ermöglichung einer unparteilichen und willkürfreien Verfolgung strafbarer Handlungen. Es sichert damit als notwendiges Korrelat zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft die Gleichheit vor dem Gesetz im Strafverfahren l . Im Hinblick darauf, daß hiermit die Durchsetzung des materiellen Strafrechtes, welches für den Einzelnen Schutzfunktionen erfüllt, dadurch gesichert wird, daß der Staat wenigstens im Kernbereich der Kriminalität zur durchgängigen Strafverfolgung verpflichtet wird, ist das Legalitätsprinzip auch unmittelbare Ausformung des Rechtsstaatsprinzips 2. Beide Prinzipien - das dargestellte Restitutionsprinzip wie auch das Legalitätsprinzip - gründen damit letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip. Der Kon1 Vgl. BVerfG, NStZ 1982, 430 (Aktualisierung des Willkürverbots durch Verfolgungszwang gt:gen jedermann); krit. dazu Götz I Kuhlmann, NStZ 1983, 130; zusammenfassende Ubersicht bei Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 152 Rdnr. 12 m. w. zahlr. Nachw.; im übrigen Eckl, ZRP 1973, 139; Fezer I, 1145; Kleinknecht I Meyer § 152 Rdnr. 2; Kühne Rdnr. 137; Meyer-Goßner, in: LR, § 152 Rdnr. 8; Peters 158 (Gerechtigkeit und Gleichheit); Pfeiffer, in: KK, Einleitung, Rdnr. 5; Roxin § 14 A I; Eb. Schmidt I Rdnr. 385; Ulrich, ZRP 1982, 169; Wagner, Kriminalistik 1982, 253 (Vertrauen des Bürgers in unparteiliche und sachliche Strafverfolgung schützen und stützen); Walder, ZStW 95 (1983),862. 2 Vgl. BVerfGE 20, 162,222 (Gleichheit); 33, 367, 383; 38, 105, 115; 39, 156, 163 (funktionstüchtiges Strafverfahren); 46, 214, 222f.; 49, 24, 37; auch BGHSt 15, 155, 159 (Einheit der Rechtsanwendung und Gleichheit vor dem Gesetz); Gössel, in: Dünnebier-FS, 121, 129 m. w. Nachw.; Rieß, in: Dünnebier-FS, 149, 157.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
flikt beider Prinzipien ist dementsprechend innerhalb dieses staatlichen Grundsatzes angesiedelt. Das hat zur Folge, daß das Restitutionsprinzip wie auch das Legalitätsprinzip zunächst als gleichrangig einzustufen sind. Da indes beide Prinzipien miteinander konkurrieren, ist eine Relativierung unvermeidlich. Aus diesem Grunde soll im folgenden das Legalitätsprinzip näher betrachtet werden. 11. Die stmkturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
Hervorzuheben ist zunächst, daß das Prinzip der Strafverfolgungspflicht auch nicht ohne Grenzen und Beschränkungen besteht. So existiert nicht etwa eine allgemeine staatliche Ausforschungspflicht, die von den Strafverfolgungsbehörden verlangte, stets und unter Einsatz aller Mittel auf der Suche nach begangenen Straftaten zu sein. Vielmehr erfordert das die Basis des Legalitätsprinzips bildende Rechtsstaatsprinzip, daß die Strafverfolgung erst einsetzen darf, wenn den zuständigen Organen "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte", die auf die Verübung einer Straftat hindeuten, bekannt werden. Diese elementare Voraussetzung des Legalitätsprinzips hat in § 152 Abs. 2 ihre wörtliche Ausformung gefunden. Derartige zureichende tatsächliche Anpaltspunkte werden nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum durchweg als sogenannter "Anfangsverdacht" umschrieben'. Dieser Anfangsverdacht muß in konkreten Tatsachen bestehen. Es genügen Tatumstände, die insgesamt gesehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, die Begehung einer Straftat zumindest als möglich erscheinen lassen2 • Dies können auch ungeprüfte Anzeichen sein3 • Allein die bloße Hoffnung, später auch Beweismittel für eine jetzt nur vermutete Straftat finden zu können, soll jedoch nicht genügen4 • Beispielsweise sei für eine Maßnahme nach § 81a nicht etwa die Tatsache ausreichend, daß ein Kraftfahrer ein Fahrzeug im Straßenverkehr führe. Vielmehr bedürfe es zusätzlich des Vorliegens von Umständen, die darauf schließen ließen, daß es sich um eine unter Alkoholeinfluß durchgeführte Fahrt handele. Genauere Umschreibungen der Qualität des Anfangsverdachts fehlen allerdings meist. Es wird von einem "gewissen Anfangsverdacht"5, einer "gewissen, noch geringen Wahrscheinlichkeit 1 HansOLG Hamburg, GA 1984, 289, 290; OLG München, NStZ 1985, 549; Bruns, in: Kaufmann-GedS, 863, 866; Fezer I, 2/62f.; Kleinknecht / Meyer § 152 Rdnr.4; Kuhlmann, NStZ 1983, 130; Kühne, NJW 1979, 617, 622; Rieß, in: LR (24.), § 152 Rdnr. 21; Sailer, NJW 1977, 1138; Schlüchter Rdnr. 393.2; Eh. Schmidt 11, § 152 Rdnr. 10; Schoreit, in: KK, § 152 Rdnr. 28; zur strukturell vergleichbaren Frage des Gestattens nachrichtendienstlicher Tätigkeiten vgl. jüngst Schatzschneider, ZRP 1988, 20, 22. 2 Vgl. so etwa Geerds, SchlHA 1964, 57, 60. 3 Lüttger, GA 1957,193,194. 4 Geerds, GA 1965, 321, 327f. 5 Schoreit, in: KK, § 152 Rdnr. 28.
11. Die strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
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eines Tatverdachts"6 oder auch von einem "begründeten Anhalt für eine Straftat"7 gesprochen. Auf die Frage, wann dieser so umschriebene Anfangsverdacht vorliegt, wird allerdings kaum eingegangen. Immerhin wird gelegentlich festgestellt, daß die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 vor dem Beginn der Ermittlungen vorliegen müßten. Ermittlungen dürften dementsprechend nicht in der Hoffnung begonnen werden, daß diese die tatsächlichen Anhaltspunkte erbringen könnten8 • Auf Grund bloßer, nicht durch tatsächliche Hinweise gestützter Möglichkeiten und rein kriminalistischer Hypothesen ganze Felder des sozialen Lebens zu durchleuchten, nur weil die Möglichkeit bestünde, daß dabei Straftaten ans Licht gefördert werden könnten, entspräche nicht einem gesetzmäßigen strafprozessualen Ermittlungsverfahren 9 • Erst, wenn Umstände bekannt würden, die Anhaltspunkte darstellten, daß Straftaten begangen worden seien, setze die Verfolgungspflicht ein. Stets bedürfe es eines konkreten, einen bestimmten Verdacht erweckenden Anlaß zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Die Schwelle des Verfolgungszwanges sei zugleich die Voraussetzung und Grenze legalen Eingreifens lO • Ob ein "Herumfragen im Vorfeld des Anfangsverdachts" - wie es etwa Geppertll im Rahmen einer Untersuchung zur sogenannten "informatorischen Befragung" anerkennen will- verfahrensrechtlich unproblematisch ist, kann dahinstehen. Denn auch nach Geppert greift das Legalitätsprinzip in diesem zeitlich vorgelagerten Informationsverfahren, in welchem es noch keine prozessuale Beschuldigten- oder Zeugenrolle geben soll, nicht ein. Durchweg scheint damit heute anerkannt zu sein, daß die Strafverfolgungsorgane nach § 152 Abs. 2 keinesfalls zu einer "Dunkelfeldforschung"12 oder einer Verdachtsermittlung 13 berechtigt sind. Erwähnenswert ist in diesem Meyer-Goßner, in: LR, § 152 Rdnr. 18. Müller, in: KMR, § 152 Rdnr. 4. 8 Ebd.5. 9 Rieß, in: LR (24.), § 152 Rdnr. 22; Walder, ZStW 95 (1983), 862, 867: "Justizförmigkeit des Verfahrens". 10 Walder, ZStW 95 (1983),862,867. 11 Geppert, in: Oehler-FS, 323, 324. 12 Gössel, in: Dünnebier-FS, 121, 131 unter besonderer Hervorhebung der bereits begangenen Straftat. 13 Walder, ZStW 95 (1983), 862, 867 mit Beispielen aus der Rechtsprechung des Schweizeris.~hen Bundesgerichts; vgl. auch BVerfGE 30, 1, 25f. u. dissenting vote 42 (generelle Uberwachungspflicht ist mit dem freiheitlichen Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar); auch VGH München, NJW 1984, 2235; erwähnenswert noch Seifert, KJ 1986, 42, 51 Fn. 42, der auf die Maxime des Geheimen Hofrats Knarrpanti (in E. T. A. Hoffmanns Meister Floh) hinweist, nach der - sei erst der Täter ermitteltsich das "Verbrechen von selbst finde"; vgl. schließlich die Bemerkung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen Herbert Schnoor zur Mentalität von Polizei und Verfassungsschutz: "Erst einmal fleißig sammeln und dann hinterher fragen, was wollen wir damit anfangen" (zit. in: DER SPIEGEL 1984, Nr. 13, 42, 54). 6
7
15 Labe
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
Zusammenhang, daß es in Strafverfahrensordnungen früherer Zeit durchaus die Möglichkeit der Verdachtsforschung gegeben hat. So sind beispielsweise im römischen Recht der Kaiserzeit die "nuntiatores", "curiosi" und "stationarii" beauftragt gewesen, nach bislang unbekannten Verbrechen zu forschen und diese sodann den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu melden 14 . Eine ähnliche Aufgabe hatten im fränkischen Rügeverfahren die "juniores"15. Der Gesetzgeber hat sich indes bei Einführung des Legalitätsprinzips für einen Weg entschieden, der ein Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden erst in dem Augenblick gestattet, in welchem Polizei oder Staatsanwaltschaft Kenntnis von tatsächlichen Anhaltspunkten haben, die auf eine begangene Straftat konkret hindeuten. Dieser Akt staatlicher Selbstbeschränkung bewirkt im Ergebnis, daß notgedrungen nicht alle begangenen Straftaten verfolgt werden. Daß eine weitergehende, gegebenenfalls sogar effektivere Strafverfolgung möglich wäre, steht außer Frage. Gestattete man den Strafverfolgungsbehörden - namentlich der Polizei - ohne das Erfordernis des Anfangsverdachtes nach begangenen Straftaten zu forschen, so wäre innerhalb kürzester Zeit, insbesondere unter Einsatz der heutigen technischen Möglichkeiten, ein Zustand erreicht, der in dem bekannten Roman ,,1984" von George Orwell16 nur unvollkommen dargestellt worden ist. In diesem Denkmodell könnte die Polizei beispielsweise ermächtigt sein, bei unausgenommen jedem Staatsbürger ohne jeglichen Anhaltspunkt nach möglicherweise begangenen Straftaten zu forschen. Im Rahmen eines bestimmten Zeitraumes - vielleicht einmal im Jahr - könnte die Polizei unangemeldet zu Hause erscheinen, dort die Wohnung durchsuchen, Papiere beschlagnahmen, körperliche Untersuchungen durchführen lassen, eine Telefonüberwachung anordnen, gegebenenfalls die Wohnungsinhaber vorläufig festnehmen. Im Hinblick auf die Dunkelziffern bezüglich begangener Straftaten kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit behauptet werden, daß auf diese Weise den Strafverfolgungsbehörden zahlreiche Straftaten zur Kenntnis gelangten. Straftaten, von denen sie unter den Bedingungen des Legalitätsprinzips arbeitend wohl niemals erführen. Daß derartige Zustände wohl von der überwiegenden Zahl der in einem modernen demokratischen, auf Rechte des Einzelnen bedachten, Staatswesen lebenden Menschen abgelehnt werden, dürfte auf der Hand liegen. Im übrigen wäre auch das Grundverhältnis zwischen Staat und Bürger nach heutigem Staatsverständnis in nicht mehr hinnehmbarer Weise gestört. Gleichwohl gibt es - wie oben bereits angedeutet 17 - Bestrebungen des Gesetzgebers, diese strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
14
15 16 17
Vgl. dazu Weigend, Anklagepf!icht, 25ff. Ebd. George Orwell, 1984, Roman, 13. Auf!. Konstanz, Stuttgart 1964 (Diana-Verlag). Siehe oben Kap. 2 II 2 c.
II. Die strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
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durchbrechen zu wollen. So ist im sogenannten "Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Regelung der rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren"18 unter anderem die Einfügung von Normen geplant, die die Observation (in § 163f) und die Rasterfahndung (in § 98a) regeln sollen. Nach § 98a des Arbeitsentwurfes soll für Datenträger bei Verdacht bestimmter Straftaten 19 eine Herausgabepflicht bestehen, wenn deren Auswertung zur Aufklärung der Straftat oder zur Ergreifung der Täter "führen kann". Diese Vorschrift ermöglicht damit beispielsweise den Zugriff auf alle Sozialdaten, Personaldaten in Dateien großer Betriebe und die Schufa-Datei2o • Treffend meint Baumann 21 , daß mit Einfügung einer derartigen Norm der "gläserne Mensch" zur Wirklichkeit werde. Verwirklichte und geplante Ansätze einer dem Legalitätsprinzip strukturfremden Verdachtsermittlung lassen sich aber vor allem im Grenzbereich zwischen präventiver und repressiver Polizeitätigkeit finden 22 • Bislang hat der Gesetzgeber dieses Prinzip der Selbstbeschränkung staatlicher Strafverfolgung in der Strafprozeßordnung allerdings uneingeschränkt durchgehalten. Die Betonung muß auf dem Wort "uneingeschränkt" liegen. Denn eine Abweichung von diesem Gedanken kennt die Verfahrensordnung nicht. Selbst bei Delikten der Schwerstkriminalität wird auf das Erfordernis des Anfangsverdachtes nicht verzichtet. Erst das Auftreten eines Anfangsverdachtes rechtfertigt nach allgemeiner Auffassung die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, in welchem dann auch unter anderem der Einsatz von Zwangsmaßnahmen zur Erforschung der Im einzelnen siehe Baumann, JuS 1987. 681,684; auch Wolter, GA 1988, 129f. Im wesentlichen die des § 163d, darüber hinaus Straftaten zum Schutze des Staates und der Bundeswehr. 20 Baumann, JuS 1987,681,685. 21 Ebd.; zu den vielfältigen Möglichkeiten der Observation rechnergesteuerter Video-Fahndung und der nachherigen Auswertung mit Hilfe rasternder elektronischer Datenverarbeitung vgl. Cobler, in: DER SPIEGEL 1984, Nr. 38, 70ff. 22 Siehe etwa im verbesserten "Vorentwurf zur Änderung des Musterentwurfes eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (Stand: 12. März 1986)" die Regelung der Rasterfahndung in § lOf ("Besondere Formen des Datenabgleichs"): "Die Polizei kann von öffentlichen oder nichtöffentlichen Stellen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist ... "; s. dazu Knemeyer, NVwZ 1988,193,198; Schoreit, DRiZ 1987, 464, 466; im übrigen vgl. Ernesti, ZRP 1986, 57f.; Kniesei / Tegtmeyer, DRiZ 1986, 251, 252: "Daß das Vorfeld der konkreten Gefahr für die Polizei nicht tabu ist, belegen Verkehrskasper und Verkehrskindergarten sowie kriminalpolizeiliche Präventionsprogramme und Veranstaltungen wie ,Die Kripo rät' bzw. Beratungsstellen der Kripo"; Schoreit, DRiZ 1986, 54f., der hervorhebt, daß der Begriff der "vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" irreführend sei, da Straftaten ja noch überhaupt nicht vorhanden seien. 18
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
durch den Anfangsverdacht bekanntgewordenen Straftat eingesetzt werden dürfen. Aus einer rückschauenden Perspektive 23 betrachtet bedeutet dies also, daß Zwangsmaßnahmen erst angeordnet und durchgeführt werden dürfen, wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Ein Ermittlungsverfahren kann zulässigerweise nur eingeleitet werden, wenn zumindest ein Verdacht in Form des sogenannten Anfangsverdachts besteht. Dieser entsteht aus dem Bekanntwerden zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, die auf die Verübung einer Straftat hindeuten. Ein Zwangsmaßnahmeneinsatz, der zum Ziele hat, erst einen Anfangsverdacht bezüglich einer Straftat zu gewinnen, ist also prozessual - wie oben dargestellt - undenkbar, da er mit dem aufgezeigten Verfahrensgang unvereinbar wäre. Dem Staat steht ja gerade nicht die Befugnis zu, durch seine Strafverfolgungsorgane nach Verdachtsgründen zu forschen. Erst das Auftreten eines Verdachts darf zum Anlaß werden, nunmehr diesen Verdacht näher zu untersuchen. Wie ein derartiger Verdacht entstehen kann, ist in Kapitel 224 dargestellt worden. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang daran, daß die Kenntnisnahme von Straftaten durchgehend nicht durch Personen erfolgt, die gerade zur Verfolgung von begangenen Straftaten berufen sind. Werden hingegen Straftaten von repressiv handelnden Organen - etwa beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen erstmalig wahrgenommen, so liegt damit gerade die hier untersuchte Konstellation des Zufallsfundes vor. Hervorzuheben ist, daß sich die Begrenzung des Legalitätsprinzips, die darin zu sehen ist, daß zunächst ein außerhalb staatlicher repressiver Tätigkeit entstandener Anfangsverdacht vorhanden sein muß, aus dem Legalitätsprinzip als Ausformung des Rechtsstaatsprinzips selbst ergibt. Eine derartige strukturimmanente Begrenzung kann mit einem bloßen Hinweis auf wie auch immer geartete Abwägungskriterien nicht beseitigt werden. Die Frage nach der Restitution von Zufallsfunden konzentriert sich damit darauf, ob das Auftreten eines Zufallsfundes einen zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt im Sinne des Legalitätsprinzips darstellt. Zur Verwertbarkeit von Zufallsfunden unter diesem Gesichtspunkt schweigen Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend 25 • Auf dem Weg zur Beantwortung dieser Frage erscheint im folgenden ein Strukturvergleich notwendig. Die Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß bei ihrem Vorliegen entsprechend dem Legalitätsprinzip ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörden geboten ist, soll mit der Situation, die durch das Auftreten von Zufallsfunden charakterisiert ist, auf Gemeinsamkeiten wie auf Unterschiede hin näher untersucht werden. 23 Vgl. zu diesem Gedanken auch Kühne Rdnr. 182, der betont, daß ein Verdacht immer nur auf Grund eines retrospektiv-prognostischen Schlusses entstehen könne. 24 Siehe oben Kap. 2 I. 25 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 1 dieses Kapitels.
11. Die strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
229
Die durch § 152 Abs. 2 festgelegte normative Situation stellt sich insgesamt so dar: Zuerst müssen die Strafverfolgungsbehörden durch zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erlangen. Erst nach diesem Vorgang der Kenntnisnahme des Anfangsverdachtes darf ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Im Rahmen dieses Verfahrens dürfen sodann zur Erforschung der bekanntgewordenen Straftat die gesetzlich vorgesehenen Zwangsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt werden. Auf eine kurze Formel gebracht ist die normative Situation also durch die Reihenfolge "Anfangsverdacht - Verfahrens einleitung - Zwangsmaßnahmeneinsatz" gekennzeichnet. Ein Vergleich der Zufallsfund-Situation mit dieser durch § 152 Abs. 2 vorgegebenen normativen Situation ergibt sowohl Parallelen als auch Unterschiede. Betrachtet man zunächst ausschließlich die Information selbst, die das vorliegende, zufällig erworbene, Beweismittel enthält, so stellt ein Zufallsfund einen Anhaltspunkt dar, der auf eine Straftat hindeutet26 . Auch ist das Auftreten eines Zufallsfundes nicht durch eine dem Legalitätsprinzip widerstrebende Forschung ohne jeden Tatverdacht im Sinne einer Dunkelfeldforschung bedingt. Das Wesen des Zufallsfundes liegt ja gerade darin begründet, daß die Strafverfolgungsbehörden den Einsatz einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme nicht bezüglich der Straftat betrieben haben, auf die der Zufallsfund hindeutet. Wüßten Polizei und Staatsanwaltschaft vorher um das Vorhandensein der Straftat und führten sie dementsprechend einen Eingriff mit diesem Ziel durch, so könnte es sich schon definitionsgemäß27 nicht um einen Zufallsfund handeln. Andererseits ist das Auftreten von Zufallsfunden gerade dadurch charakterisiert, daß nicht zuerst der gemäß § 152 Abs. 2 notwendige Tatverdacht vor dem die Tat betreffenden Eingriff vorhanden ist, sondern zunächst nur die im Zufallsfund enthaltene Beweismöglichkeit. Erst hierdurch - zeitlich also später - entsteht der Tatverdacht bezüglich der Tat, auf die der Zufallsfund hinweist. Die soeben herausgearbeitete, auf § 152 Abs. 2 gründende, normative Situation stimmt damit in der zeitlichen Reihenfolge nicht mit der faktischen Zufallsfundsituation überein. Ohne daß bezüglich der durch den Zufallsfund aufgedeckten Straftat bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, ja selbst ohne Tatverdacht bezüglich dieser Straftat, erfolgt das Auftreten von Zufallsfunden im Rahmen einer sich nicht auf die aufgedeckte Straftat richtenden Zwangsmaßnahme. Die obige Kurzformellautet in der faktischen Zufallsfundsituation damit: "Zwangsmaßnahmeneinsatz - Anfangsverdacht - Verfahrenseinleitung" . 26 27
Siehe oben Kap. 2 IV 1. Siehe oben Kap. 2 IV 1.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
Festzustellen ist weiterhin, daß die Gewinnung eines Zufallsfundes das Ergebnis eines staatlichen Eingriffes darstellt. Ein Eingriff, der mit diesem Ergebnis - hätte man vor der Anordnung oder Durchführung darum gewußt niemals rechtmäßig sein könnte. Nur der Umstand, daß das Auftreten von Zufallsfunden - auf Grund der Struktur von Zwangsmaßnahmen und deren Streubreite28 - unvermeidbar ist, führt dazu, daß eine Beweisgewinnung von Zufallsfunden bei rechtmäßiger Anordnung und Durchführung im Ergebnis stets als rechtmäßig bezeichnet werden muß29. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die faktische Situation des Auftretens von Zufallsfunden sich insoweit von der durch § 152 Abs. 2 vorgesehenen normativen Situation unterscheidet, als das gesetzesmäßig gebotene Ausgehen vom vorhandenen Tatverdacht über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hin zum Einsatz von Zwangsmaßnahmen in das genaue Gegenteil verkehrt wird. Die Zufallsfundsituation ist gekennzeichnet durch den Einsatz von Zwangsmaßnahmen, ohne daß ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein Tatverdacht bezüglich der zufällig aufgedeckten Straftat vorhanden ist. Parallelen zwischen der vom Gesetz vorgesehenen normativen Situation der Straftatverfolgung im Sinne des Legalitätsprinzips und der faktischen Zufallsfundsituation sind andererseits ebenfalls vorhanden. Wie gezeigt gebietet es das Legalitätsprinzip nicht, daß ohne jeden Tatverdacht nach Straftaten geforscht wird. Eine derartige unzulässige Verdachtsforschung stellt die rechtmäßige Beweisgewinnung eines Zufallsfundes nie dar. Nur wenn bereits die Anordnung und Durchführung der den Zufallsfund erzeugenden Zwangsmaßnahme rechtswidrig war, könnte eine Dunkelfeldausforschung vorliegen. Die Rechtswidrigkeit des Zufallsfundes ergäbe sich dann allerdings nicht aus seinem Auftreten selbst, sondern vielmehr aus der Rechtswidrigkeit der ihm zugrundeliegenden Zwangsmaßnahme30 • Dieses Ergebnis führt zu folgenden weiteren Überlegungen: Da sich die normative Situation des Legalitätsprinzips und die faktische Zufallsfundsituation nicht vollständig gleichen, kann zunächst einmal nicht davon ausgegangen werden, daß Zufallsfunde ohne weiteres zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 darstellen. Zwar treten Zufallsfunde im Rahmen eines rechtmäßigen Beweisgewinnungsaktes auf. Auch unterscheiden sie sich prinzipiell von der im Rahmen des Legalitätsprinzips verbotenen gezielten Ausforschungsermittlung. Insoweit kann also auch nicht von vornherein behauptet werden, daß Zufallsfunde niemals zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bilden könnten. Andererseits entsprechen Zufallsfunde nicht den systemimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips. Denn wie deutlich
28 29
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Siehe oben Kap. 2 IH. Siehe oben Kap. 2 IV 2. Siehe dazu ebenfalls oben Kapitel 2 IV 2.
11. Die strukturimmanenten Grenzen des Legalitätsprinzips
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geworden sein sollte, findet zulässiges staatliche Handeln im Rahmen der Strafverfolgung seine Berechtigung durch das Vorliegen eines bestimmten Tatverdachtes. Beim Auftreten von Zufallsfunden fehlt diese Voraussetzung zwangsläufig. Die Gewinnung eines Zufallsfundes entspricht damit nicht dem vom Gesetzgeber typischerweise vorgesehenen Vorgang einer Beweismittelgewinnung. Die weitere Aufbewahrung eines gezielt gesuchten und gefundenen Beweismittels findet ihre Berechtigung durch den rechtmäßigen Beweisgewinnungsvorgang, der seinerseits sich auf das Vorliegen eines Straftatverdachtes zu stützen vermag. Diese rechtliche Grundlage fehlt dem Zufallsfund. Hinsichtlich der Tat, auf deren Vorliegen er hinweist, hat eine so legitimierte staatliche Beweiserhebung niemals stattgefunden. Diesen besonderen Umständen keine Rechnung zu tragen und dementsprechend auch die atypische Strafverfolgungssituation bei Zufallsfunden ohne Einschränkung dem Legalitätsprinzip zu unterwerfen, bedeutete im Ergebnis, das Restitutionsprinzip völlig zu verdrängen. Das aber ist angesichts der Tatsache, daß das Restitutionsprinzip wie das Legalitätsprinzip letztlich gleichrangig auf dem Rechtsstaatsprinzip gründen, nicht zulässig. Aus diesem Grunde wäre es mit dem Rechtsstaatsprinzip gleichfalls nicht vereinbar, wollte man unter Außerachtlassung des Legalitätsprinzips sämtliche Zufallsfunde der Restitution preisgeben. Obwohl beide Prinzipien auf dem Rechtsstaatsprinzip gründen, dienen sie vorwiegend unterschiedlichen Interessen. Während das Legalitätsprinzip die Interessen der in der Gemeinschaft lebenden Bürger an der Verfolgung aller bekanntgewordenen Straftaten wahrt, bezweckt das Restitutionsprinzip den Schutz des einzelnen Individuums vor staatlichen Eingriffen. Ein Ausgleich zwischen beiden Prinzipien ist nur durch eine Abwägung zwischen den einerseits die Gemeinschaft betreffenden und andererseits die Persönlichkeit des Einzelnen schützenden Interessen möglich. Eine Parallele finden diese Überlegungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes zu den verfassungsrechtlichen Verwertungsverboten. So hat das Bundesverfassungsgericht in der sogenannten "Tonbandentscheidung"31 festgestellt, daß der Einzelne als gemeinschafts bezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen muß, die nicht den Kernbereich des Grundrechtsschutzes betreffen und im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit stehen. Auch die sogenannten "Tonband- und Tagebuchentscheidungen" des Bundesgerichtshofes heben im Ergebnis auf dieses Argument ab. Ohne die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Kern- und Randbereich des Grundrechtsschutzes zu übernehmen, wird ein allgemeines Abwägungsgebot aufgestellt, welches das Gericht dazu anhält, den Persönlichkeits schutz des Einzelnen mit den jeweils konkret vorhandenen
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BVerfGE 34,238, 245f.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
Interessen der Strafrechtspflege zu vergleichen und nur bei einem Überwiegen des Individualrechtsschutzes ein Verwertungsverbot anzunehmen 32 . Für die hier untersuchte Frage bedeutet dies im Ergebnis, daß Zufallsfunde nur dann nicht dem Prinzip der Restitution unterliegen, wenn staatliche Interessen an der Verfolgung bekannt gewordener Straftaten den Schutz des Einzelnen übertreffen. Im folgenden ist damit zu untersuchen, welche Kriterien geeignet sind, eine derartige Abwägung zu ermöglichen. IH. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
Wie soeben dargestellt, läßt sich die Reichweite des Prinzips der Restitution bei Zufallsfunden nur im Rahmen einer Abwägung zwischen den beiden verfassungsrechtlich gegründeten Prinzipien - dem Legalitätsprinzip und dem Restitutionsprinzip - ermitteln. Der Gesetzgeber hat in § 108 für Zufallsfunde, die im Verlauf der Durchführung einer Durchsuchung auftreten, eine Regelung getroffen. Eine Abwägung zwischen den konkurrierenden Prinzipien erfolgt nach dieser Norm allerdings nicht. Vielmehr unterfallen Zufallsfunde, ohne daß eine Restitution stattfindet, stets dem Legalitätsprinzip. Im folgenden ist daher zunächst zu fragen, inwieweit dieses gesetzgeberische Modell der Forderung nach einem Ausgleich zwischen den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Prinzipien gerecht wird. Insbesondere wird geprüft werden, ob diese Vorschrift - wie gelegentlich behauptet 1 - tatsächlich eine besondere Ausformung des Rechtsstaatsprinzip und damit ein tragfähiges Kriterium für die erforderliche Abwägung darstellt. Zeigen soll die Untersuchung vor allem, daß die Norm des § 108 ein dem heutigen modernen Strafverfahren fremdes Relikt des in früheren Jahrhunderten herrschenden Inquisitionsverfahrens ist und damit letztlich der Verfassungsmäßigkeit entbehrt. 1. Sinn und Funktion des § 108
Bereits in Kapitel 12 ist dargetan worden, daß in Rechtsprechung und Schrifttum zur Frage nach Sinn und Funktion des § 108 lediglich kurze Hinweise, jedoch keine weitergehenden Untersuchungen zu finden sind. Zumeist wird diese Norm - in Anlehnung an die Entscheidung des Reichsgerichts vom 3. Juni 19133 - als eine Vorschrift verstanden, die sinnlose Förmlichkeiten ver32 BGHSt 14, 359, 361ft. (Tonband); 19, 325, 332f. (Tagebuch I); jezt auch BGH, NJW 1988, 1037, 1038 (Tagebuch 11); vgl. dazu jetzt zusammenfassend auch Amelung,' NJW 1988,1002,1003; sowie Plagemann, NStZ 1987, 570f. 1 Siehe oben Kap. 1 IV. 2 Siehe oben Kap. 1 IV. 3 RGSt47,195,197.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
233
meiden und damit einen Arbeit und Zeit sparenden Effekt herbeiführen so1l4. An Hand dieser knappen Ausführungen kann die Frage, ob § 108 eine das Restitutionsprinzip zugunsten des Legalitätsprinzips einschränkende Norm darstellt, nicht beantwortet werden. Dazu bedarf es vielmehr der Untersuchung der Umstände, die den Gesetzgeber zur Einfügung dieser Vorschrift veranlaßt haben mögen. Zu fragen ist insbesondere, ob § 108, wie allgemein behauptet wird5 , tatsächlich als Ausnahmenorm konzipiert worden ist. a) § 108 als Teil der ReichsstraJprozeßordnung von 1877
Im sogenannten Entwurf III, der im Mai des Jahres 1874 dem Bundesrat vorgelegt wurde 6 , lautete § 987 : "Werden bei Gelegenheit einer Durchsuchung Gegenstände gefunden, welche zwar in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die erfolgte Verübung einer anderen strafbaren Handlung hindeuten, so sind dieselben einstweilen in Beschlag zu nehmen. Der Staatsanwaltschaft ist hiervon Kenntniß zu geben."
In den Motiven8 heißt es zu dieser Norm nur kurz9 : "Die in den §§ 97, 98 enthaltenen Vorschriften finden sich in fast allen deutschen Gesetzgebungen. Hinsichtlich der Bestimmung des § 98 ist § 143 zu vergleichen."
Die Norm des § 143, auf die die Motive verweisen, lautete im Entwurf IWo: "Wenn Gefahr im Verzuge obwaltet, hat der Amtsrichter die erforderlichen Untersuchungshandlungen von Amtswegen vorzunehmen. Die weitere Verfügung gebührt auch in solchen Fällen der Staatsanwaltschaft."
Zu dieser Vorschrift wird in den Motiven des Entwurfs III unter der Randüberschrift "Richterliches Einschreiten ohne Antrag der Staatsanwaltschaft" bemerkt ll : ,,§ 143. Eine Bestimmung, wie die des Absatz 1 dieses Paragraphen findet sich in fast allen deutschen Gesetzgebungen. Obwohl sie eine Abweichung von dem Grundsatz aufstellt, daß jedes gerichtliche Einschreiten durch einen Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines Privatklägers bedingt sei, so ist sie dennoch für eine wirksame Handhabung der Strafrechtspflege unentbehrlich, da strafbare Handlungen häufig eher zur Kenntniß des Richters als zu der der Staatsanwaltschaft kommen, und
Siehe oben Kap. 1 IV. Vgl. hier nur Kühne, NJW 1979, 1053. 6 Hahn, 4ff. 7 Zit. nach Hahn, 16. 8 "Motive zum Entwurf einer Strafprozeßordnung und zum Entwurf eines Einführungsgesetzes, Deutscher Reichstag, 2. Legislatur=Periode 11. Session 1874" bei Hahn, 59ff. 9 Zit. nach Hahn, 128. 10 Zit. nach Hahn, 2l. 11 Zit. nach Hahn, 150. 4
5
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
ebenso häufig die ersten Schritte zur Feststellung des Thatbestandes oder zur Sicherung der Verfolgung sich als unaufschiebbar darstellen. Der Entwurf beschränkt diese Abweichung von der Regel auf das Maß des Nothwendigen, indem er dem Einschreiten des Amtsrichters nicht die Wirkung der Eröffnung einer Untersuchung beilegt, sondern den hier in Rede stehenden Fall dem in § 140 vorgesehenen gleich behandelt. Es ergibt sich hieraus, daß der Amtsrichter nach Beendigung der als dringlich erkannten Handlung die Akten alsbald der Staatsanwaltschaft zu übersenden hat."
Der in dieser Anmerkung angeführte § 140 hatte im Entwurf Fassung 12 :
In folgende
,,§ 140. Erachtet die Staatsanwaltschaft die Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung für erforderlich, so stellt sie ihre Anträge bei dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem diese Handlung vorzunehmen ist."
Zu dieser Norm lassen sich in den Motiven zum Entwurf In unter der Randüberschrift "Vornahme gerichtlicher Untersuchungshandlungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft" folgende Ausführungen finden l3 : ,,§ 140. Auch innerhalb der lediglich zur Vorbereitung der öffentlichen Klage dienenden Vorerörterungen und auch dann, wenn der Staatsanwaltschaft die Beamten der Sicherheitspolizei zur Verfügung stehen, ist die Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen durch den Richter oftmals nicht zu umgehen. Es ergiebt sich dies schon daraus, daß die öffentliche Klage gegen eine bestimmte Person gerichtet sein muß (§ 135), während in zahlreichen Strafsachen die gerichtliche Feststellung des Thatbestandes erfolgen muß, ehe man noch irgend welche Kenntniß von der Person des Thäters hat. Aber auch in anderen Fällen, z. B. weil die Anwendung von Zwangsmitteln erforderlich wird, welche nur dem Richter zustehen, kann für die Staatsanwaltschaft die Nothwendigkeit eintreten, den Richter schon vor Eröffnung einer Untersuchung mit einzelnen auf die Vornahme bestimmter Untersuchungshandlungen gerichteten Anträgen anzugehen. Es bedarf keiner ausdrücklichen Vorschrift darüber, vielmehr ist es selbstverständlich (vgl. auch § 129 des Gerichtsverfassungsgesetzes), daß in solchen Fällen die gesetzliche Zulässigkeit der beantragten Handlung der Prüfung des ersuchten Richters unterliegt, und derselbe befugt und verpflichtet ist, unzulässige Anträge zurückzuweisen. Was dagegen die Zweckmäßigkeit der beantragten Handlung und insbesondere die Frage betrifft, ob es der Vornahme dieser Handlung schon vor Eröffnung des gerichtlichen Strafverfahrens bedürfe, so muß die Entscheidung hierüber der antragenden Staatsanwaltschaft ebenso vorbehalten bleiben, wie der letzteren allein die Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage anvertraut ist."
Festgehalten werden kann damit, daß nach den Motiven des Entwurfs In die Norm des heutigen § 108 insbesondere die Funktion einer Kompetenzvorschrift haben sollte. Vornehmliches Ziel war es, Fragen der Zuständigkeit von Staatsanwaltschaft und Gericht beim Auftreten von Zufallsfunden während des Ablaufs einer Durchsuchung zu regeln. Nicht erörtert wurde, inwieweit 12 13
Zit. nach Hahn, 21. Zit. nach Hahn, 149.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
235
Zufallsfunde überhaupt verfahrensrechtlich unbedenklich seien. Von der Zulässigkeit der Beschlagnahme derartiger Beweismittel wurde vielmehr ausgegangen. Nach den Beratungen des Entwurfs III im Reichstag am 24. November 1874 wurde eine dortselbst eingesetzte Kommission tätig, die in insgesamt 160 Sitzungen ausführlich die vorgelegten Normen zu beraten hatte. Auch hier erörterte man nochmals den Sinn und Zweck des heutigen § 108. Wie aus den Protokollen der Ersten Lesung der Kommission des Reichstages 14 hervorgeht, ergaben sich kaum neue Gedanken. Die Diskussion entstand anläßlich eines Streichungsantrags bezüglich § 98. Der Abgeordnete von Forcade befürchtete nämlich, daß diese Norm die Strafverfolgungsbehörden möglicherweise zu ziellosen Durchsuchungen ermächtigen könnte: "Zu § 98 beantragt Abgeordneter von Forcade, denselben zu streichen. Entweder bestimme § 98 etwas Selbstverständliches oder etwas, daß er nicht wünsche, nämlich, daß bei einer Haussuchung nach Allem gesucht werden darf, was auf eine strafbare Handlung hindeuten kann. Der Begriff ,auf die erfolgte Verübung einer anderen strafbaren Handlung hindeuten' sei äußerst dehnbar. Man könne leicht zu Durchsuchungen auf Probe kommen."
Diesen Ausführungen widersprach der Regierungsvertreter Hanauer mit dem schon aus den vorherigen Debatten bekannten Argument, § 98 stelle im wesentlichen eine Zuständigkeitsregelung für die Beschlagnahme von Zufallsfunden durch den Richter dar. Die Polizei dürfe und müsse ohnehin jedem Verdacht bezüglich einer Straftat nachgehen l5 : "Geh. Oberregierungsrath Hanauer: § 98 gestatte nur das Mitnehmen der Gegenstände, welche auf die erfolgte Verübung einer anderen strafbaren Handlung hinweisen: dies sei nöthig: denn der Beamte, welcher wegen eines Diebstahls durchsuche und dabei Ueberführungsstücke wegen einer anderen vielleicht schwereren Strafthat finde, dürfe doch nicht diese unberücksichtigt lassen. Nun werde zwar schon durch § 89 der Polizei das Recht gegeben, wenn sie Spuren einer anderen strafbaren Handlung finde, diese bei Gefahr im Verzuge mit Beschlag zu belegen: § 98 gehe aber weiter: diese Spuren sollen hier stets sofort beschlagnahmt werden können. § 98 beziehe sich nicht blos auf die von Sicherheits=Polizeibeamten nach ihrem Ermessen vorgenommenen Haussuchungen, sondern auch auf die vom Richter angeordneten oder vom Richter ausgeführten. Bei Streichung derselben würde der Richter nicht befugt erscheinen, die auf eine andere strafbare Handlung deutenden Gegenstände mit Beschlag zu belegen."
Hieran anschließend wurde von den Abgeordneten Struckmann , Thilo, von Jagow, Marquardsen und Schwarze vor allem die Zweckmäßigkeit einer derartigen Vorschrift betont. Im übrigen verdeutliche § 98 nur den bestehenden Gesetzeszustand 16: 14 15
44. Sitzung, verhandelt in Berlin am 21. Juni 1875, bei Hahn, 648. Zit. nach Hahn, 648.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
"Abg. Struckmann: § 98 sei namentlich bei Diebstählen praktisch: wenn bei Hehlern oder Dieben Sachen
in Bezug auf einen bestimmten Diebstahl gesucht werden, finde man häufig nicht diese, sondern andere offenbar gestohlene Gegenstände. Die Befugniß, sie mitzunehmen, werde durch § 98 gegeben. Abg. Thilo:
Ohne § 98 könnte man zweifeln, ob der haussuchende Beamte, wenn er Gegenstände finde, die auf eine andere Strafthat hindeuten, als diejenige, wegen deren die Haussuchung angeordnet ist, diese nicht müsse liegen lassen, weil sein Auftrag hierauf nicht gerichtet sei. Abg. von Jagow: Finde der Durchsuchende Gegenstände, die sich auf eine andere Strafthat beziehen, so würde er ohne § 98 dem Richter hiervon Mittheilung machen, seinen Befehl einholen und dann noch einmal durchsuchen müssen: alsdann werde er die Sachen wohl kaum je finden. Abg. Marquardsen: § 98 komme meist bei gestohlenen Sachen vor: dann solle der Durchsuchende keine weiteren Vollzugsbefehle abwarten müssen: eine Beschränkung der Freiheit sehe er darin nicht.
Abg. Dr. Schwarze: Ohne § 98 sei die Deduktion möglich, daß die Beamten während der Durchsuchung nur als Mandatare des Gerichts, nicht als selbständige Polizeibehörden thätig seien, daher in jedem Augenblick ihre polizeilichen Funktionen nicht ausüben dürfen."
Von Amsberg führte abschließend das ebenfalls schon bekannte Argument an, daß eine Vorschrift dieser Art notwendig sei, da ähnliche Normen in den Prozeßordnungen der deutschen Kleinstaaten zu finden seien 17 : "Direktor von Amsberg: Eine dem § 98 entsprechende Bestimmung finde sich fast in allen Strafprozeßordnungen; daraus folge, daß ein Bedürfniß dafür vorliege. Die in § 98 beantwortete Frage würde ohne die Vorschrift des Entwurfs sehr verschieden beantwortet werden. Abg. von Forcade replizirt: Die Zulässigkeit der Beschlagnahme ergebe sich aus § 89. Die zufällig vorgefundenen Gegenstände seien Objekte der Beschlagnahme, nicht der Durchsuchung." § 98 wurde nach dieser Aussprache von der Kommission angenommen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Verwendung zufälliger Funde - bis auf die anfängliche Bemerkung des Abgeordneten von Forcade, der allerdings lediglich die Gefahr einer völlig zweckfreien Durchsuchung befürchtete - kein Problembewußtsein in der 16 17
Zit. nach Hahn, 648. Zit. nach Hahn, 648.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
237
Kommission bestand. Die Notwendigkeit einer derartigen Vorschrift wurde vor allem durch praktische Bedürfnisse und dogmatisch durch den Verweis auf die Prozeßordnungen der ehemaligen deutschen Kleinstaaten begründet. Daß Zufallsfunde zu verwerten seien, erschien allen Mitgliedern der Kommission selbstverständlich. Nur über das technische Vorgehen beim Auftreten von Zufallsfunden bestand keine Einigkeit. In der Zweiten Lesung der Reichstagskommission blieb § 98 Entwurf In "unbeanstandet"18. Der Berichterstatter bezüglich § 98, der Abgeordnete Dr. von Schwarze, hob hiernach in der Zweiten Beratung des Entwurfs In im Plenum des Reichstages nochmals besonders hervor, daß diese Norm lediglich aufkommende Zweifel bei Strafverfolgungsorganen, ob auch zufällige Funde beschlagnahmt werden dürften, beseitigen helfen solle 19 : " ... Im allgemeinen erlaube ich mir dem Herrn Abgeordneten Hänel bereits jetzt zu erwidern, daß die Bestimmung in § 98 Absatz erstens einen ganz besonderen exeptionellen Fall behandelt, der nicht im gewöhnlichen Verlauf der Untersuchung abzuhandeln ist. Es betrifft diese Bestimmung einfach den Fall, wenn bei einer Durchsuchung in einer bestimmten Untersuchung Gegenstände gefunden werden, welche zwar als in keiner Beziehung zu dieser Untersuchung stehen, aber auf eine andere strafbare Handlung hinweisen. Wenn nun eine solche Bestimmung, wie die vorgeschlagene im Gesetz nicht enthalten wäre, so würde der Zweifel entstehen können, ob ein beschlagnehmender Beamter, der nicht Richter ist, befugt wäre, bei einer Durchsuchung solche Gegenstände in Beschlag zu nehmen, weil ja die früheren Bestimmungen voraussetzen, daß die Durchsuchung mit Rücksicht auf eine bestimmte Untersuchung erfolgt. Man würde möglicherweise behaupten können, daß die Polizeibeamten hierzu nicht berechtigt gewesen seien. Es wird durch die Bestimmung nur ein Zweifel gelöst, damit in solchen Fällen die Polizeibeamten nicht die Befürchtung hegen, als ob sie sich an diesen Sachen nicht vergreifen dürften, weil der ihnen ertheilt gewesene Auftrag nicht auf diese Sachen gerichtet gewesen sei und gerichtet werden konnte ... "
Ohne weitere Änderungen wurde § 108 hiernach in der Fassung des Entwurfs In (§ 98) im Verlauf der Dritten Beratung im Plenum des Reichstages verabschiedet2o • Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Vorschrift des § 108 nach dem Verständnis der gesetzgebenden Organe zum einen Eingang in die heutige Verfahrensordnung gefunden hat, weil sich diese Norm schon in fast allen deutschen Gesetzgebungen der Kleinstaaten befunden haben soll. Zum anderen ist hervorzuheben, daß der Sinn dieser Norm zumeist darin gesehen wurde, daß § 108 ausdrücklich feststelle, daß jedes Strafverfolgungsorgan zur Beschlagnahme zufälliger Funde berechtigt sein solle, ohne zuvor einen ent18 So wörtlich die Protokolle, zit. nach Hahn, 1253; 145. Sitzung, verhandelt am 8. Juni 1876 in Berlin . 19 In der 20. Sitzung am Mittwoch, den 29. November 1876, Hahn, 1793. 20 35. Sitzung am Mittwoch, den 20. Dezember 1876, Hahn, 2066.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
sprechenden - zeit- und möglicherweise beweismittel raubenden - Beschluß herbeigeführt zu haben. § 108 wurde also nicht etwa als Ausnahmenorm bezüglich der im übrigen als notwendig erkannten Tatbezogenheit prozessualer Zwansgmaßnahmen verstanden. Vielmehr wurde es - was insbesondere die soeben dargestellten Ausführungen von Schwarzes gezeigt haben - als selbstverständlich angesehen, daß Zufallsfunde bei der Durchsuchung zu beschlagnahmen seien. Lediglich Zweifel, die insbesondere bei Polizeibeamten aufkommen könnten, weil sich die Durchsuchung damit auf eine Tat erstrecke, die gerade nicht den Anordnungsgrund gegeben habe, sollten deklaratorisch von vornherein ausgeräumt werden. Im folgenden soll das erste, mehrfach geäußerte Argument näher überprüft werden. Es wird der Frage nachgegangen, ob mit § 108 tatsächlich eine Vorschrift übernommen worden ist, die ohnehin schon in allen deutschen Verfahrensordnungen des 19. Jahrhunderts vorhanden war. Sollte dies - entgegen den Behauptungen im Reichstag - nicht der Fall sein, wird weiter zu untersuchen sein, welche Wurzeln § 108 wirklich aufweist. Auf diese Weise wird festgestellt werden können, ob diese Norm ein Kriterium für den Ausgleich zwischen Legalitäts- und Restitutionsprinzip darzustellen vermag. b) Der Rechtszustand in den deutschen Kleinstaaten vor dem Jahre 1877 Hinsichtlich des Rechtszustandes auf dem Gebiete des Strafverfahrensrechts in den deutschen Partikularstaaten vor dem Jahre 1877 ergibt sich anders als im Gesetzgebungsverfahren bei § 108 behauptet worden war - ein vielfältiges Bild21 • In der überwiegenden Zahl der Prozeßordnungen, nämlich bezüglich Baden, Bayern, Braunschweig, Hamburg, Lübeck, Mecklenburg= Schwerin, Mecklenburg=Strelitz, Sachsen, Sachsen = Weimar= Eisenach , Schwarzbburg=Sondershausen, Schaumburg= Lippe , Lippe=Detmold und Schleswig=Holstein lassen sich gerade keine Vorschriften finden, die auch nur eine gewisse Ähnlichkeit mit dem heutigen § 108 aufweisen könnten. Lediglich in den Strafprozeßordnungen von Bremen, Hannover, Hessen, Oldenburg, Preußen und Württemberg sind derartige Normen vorhanden gewesen. Im folgenden werden zunächst die Prozeßordnungen der deutschen Kleinstaaten betrachtet, in denen keine Zufallsfundnormen bestanden. Hiernach werden - in historischer Abfolge - alle Normen in den Verfahrensordnungen aufgezeigt, die eine dem § 108 ähnliche Struktur aufwiesen.
21 Allgemeiner Überblick über den Rechtszustand in den Staaten des Deutschen Reiches vor 1877 bei Hahn, 68ff.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
239
(1) Verfahrensordnungen ohne Zufallsfundregelung aa) Baden
Die Strafprozeßordnung für das Großherzogthum Baden vom 6. März 184522 und die Strafprozeßordnung vom 18. März 186423 weisen keine Vorschriften auf, die als Vorläufer des § 108 bezeichnet werden könnten. In den Normen für die Haussuchung und Beschlagnahme wird allerdings durchgehend erwähnt, daß Haussuchungen nur zum Zweck des Auffindens des Beschuldigten (§§ 113f. StPO Baden 184524 bzw. §§ 130ff. StPO Baden 186425 ) und zum Zweck des Findens von Gegenständen, die zum Beweise des "Thatbestandes eines Gesetzes" führen, gestattet seien. Im "Entwurf einer Strafprozeß-Ordnung für das Großherzogthum Baden" von 1845 lassen sich ebenfalls keine Vorschriften bezüglich einer Zufallsfundsituation finden (§§ 98 - 117 StPO Entwurf Baden 1845). Vielmehr wird in § 64 StPO Entwurf Baden 1845 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, daß auch andere Gegenstände als die zur Tat gehörigen zur gerichtlichen Verwahrung zu bringen seien26 : "Werkzeuge, mit weIchen die That verübt wurde, und andere leicht bewegliche Gegenstände, weIche vom Angeschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen, oder zur Herstellung des Beweises in anderen Wegen dienstlich sind, werden in gerichtliche Verwahrung genommen."
In den "Motive(n) zu dem Entwurf einer Strafprozeß-Ordnung für das Großherzogthum Baden" findet sich bezüglich dieser Vorschrift nur der Satz27 : "Die Vorschriften der §§ 61 bis 71 bedürfen wohl keiner Begründung, sie entsprechen dem, was durch die Doktrin und zum Theil durch Gesetze und Verordnungen schon bisher eingeführt war. "
Auch die Motive bezüglich der Haussuchungsvorschriften enthalten keine Hinweise 28 . Ausführungen zu § 64 sind ebenfalls nicht im "Commissions=Bericht (Nr. 1) über Titel I. bis VIII. des Entwurfs einer Strafprozeßordnung"29 zu finden. Dies gilt auch hinsichtlich der Haussuchungsvorschriften 30 , sowie bezüglich des "Zweite(n) Commissionsbericht(es) über den Entwurf der Straf22 23
24
25 26 27 28
29 30
Zit. nach Thilo. Zit. nach Ammann. Zit. nach Thilo, 96. Zit. nach Ammann, 128. Zit. nach Sammlung StPO Baden 1845,12. Zit. nach Sammlung StPO Baden 1845, 102. Vgl. dazu die Sammlung StPO Entwurf Baden 1845,103. Sammlung StPO Entwurf Baden 1845, 4. ComBericht, in: Sammlung StPO Entwurf Baden 1845, lOff.
240
Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
prozeßordnung"31. Auch Bemerkungen des Kommentators Thilo 32 liegen insoweit nicht vor. Das von Mayer33 kommentierte Gesetz vom 5. Februar 1851 zur Veränderung des Strafverfahrens in Baden wies keine Besonderheiten in den Haussuchungsnormen auf3 4 • Vorgänger dieses Gesetzes waren zwei Gesetze vom 10. März 1849, die die Grundrechte des deutschen Volkes nach Art. 3 §§ 10, 11 und 12 in die Haussuchungsvorschriften einbrachten, jedoch durch das vorliegende Gesetz wieder ausgeschlossen wurden 35 . Hinzuweisen ist schließlich noch auf § 67 der Strafprozeßordnung von 1864, der lautete 36 : " ... Ergeben sich im Laufe der Voruntersuchung Anzeigen von Thatsachen, welche geeignet sind, eine Aenderung der ursprünglichen Anschuldigung oder die Ausdehnung derselben auf eine andere strafbare That zu begründen, oder ergeben sich Anzeigen gegen bisher unbekannte Theilnehmer, so hat der Untersuchungsrichter hierüber dem Staatsanwalte Mittheilung zu machen und dessen Anträge zu gewärtigen ... "
Anmerkungen bei Ammann 37 finden sich nicht. bb) Bayern
Vorschriften, die § 108 ähnlich wären, sind weder im "Zweiten Theil des Strafgesetzbuches vom Jahre 1813 für das Königreich Bayern - Von dem Prozeß in Strafsachen - "38 noch im "Gesetz vom 10. November 1848, die Abänderungen des zweiten Theils des Strafgesetzbuches vom Jahre 1813 betreffend"39 zu finden. ce) Braunschweig
Weder die "Strafprozeßordnung für das Herzogthum Braunschweig vom 22. August 1849"40 noch die "Revidirte Strafprozeßordnung vom 21. Oktober 1858" enthalten Bestimmungen, die das Vorgehen bei Zufallsfunden regeln. In der Prozeßordnung vom 22. August 1849 lassen sich lediglich ZuständigSammlung StPO Entwurf Baden 1845, 80. Thilo, 79. 33 Vgl. Mayer, StPO Baden 1851. 34 Vgl. dazu Mayer, StPO Baden 1851, 114ff. 35 Mayer, StPO Baden 1851, 114. 36 Zit. nach StPO Baden 1864, 21. 37 Ammann, 96. 38 Zit. nach Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern 1838, (Bei der Expedition des Gesetz= und Regierungs=Blattes), Zweiter Theil. Von dem Prozeß in Strafsachen. 39 Zit. nach "Die Strafgesetzgebung des Königreichs Bayern", Erlangen 1864,417. 40 Abgedruckt in: Justizorganisationsgesetze, 20ff. 31
32
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
241
keitsregelungen bezüglich der Beschlagnahme und Haussuchung finden
(§§ 28,29,37 StPO Braunschweig).
dd) Hamburg Die "Strafprozeßordnung von Hamburg vom 30. April 1869"41 kennt - insbesondere im Abschnitt "Beschlagnahme der auf die Untersuchung bezüglichen Gegenstände" - keine der Vorschrift des § 108 auch nur ähnliche Normen 42 •
ee) Lübeck Die Strafprozeßordnung der Stadt Lübeck vom 26. November 186243 weist hinsichtlich der Regelung von Zufallsfundsituationen in dem die Haussuchung und Beschlagnahme regelnden Abschnitt der §§ 43 bis 59 StPO Lübeck 1862 keine entsprechenden Normen auf. Hinzuweisen ist allenfalls auf § 53 StPO Lübeck 1862, der eine frühe Ausformung des oben nachgewiesenen Restitutionsprinzips enthält: "Ist der Zweck der Beschlagnahme erreicht oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, so ist die Zurückgabe der in Beschlag genommenen Gegenstände zu verfügen ... "
ff) Mecklenburg=Schwerin und Mecklenburg=Strelitz
Im Großherzogthum Mecklenburg=Schwerin hatte bis zur Strafprozeßordnung von 1877 der gemeinrechtliche Inquisitionsprozeß der Constitutio Criminalis Carolina Geltung44 • Zum Teil wurden diese Normen ergänzt und modifiziert durch eine Reihe besonderer Gesetze 45 • In diesen Normen finden sich indes ebenfalls keine zum Recht der Haussuchung nach der CCC abweichenden Bestimmungen46 • Gleiches gilt für Mecklenburg=Strelitz.
gg) Sachsen In der "Strafproceßordnung für das Königreich Sachsen" vom 11. August 1855 sind Regelungen bezüglich Zufallsfundsituationen nicht enthalten. Die 41 42 43
44 45 46
Siehe Sammlung StPO Hamburg 1869, 13ff. Vgl. dazu §§ 111 - 124 StPO Hamburg 1869, Sammlung, 42ff. Siehe StPO Lübeck 1862, 1 ff. Vgl. Hahn, 68f. Vgl. dazu die Aufstellung bei Hahn, 68 und Boehlau, Hf. Siehe Boehlau, 172.
16 Labe
242
Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
die sogenannte Aussuchung 47 , Durchsuchung und Beschlagnahme betreffenden Vorschriften - Art. 196 - 210 StPO Sachsen 185548 - regeln lediglich abstrakt den Anwendungsbereich der betreffenden Normen 49 : "Art. 207 StPO Sachsen 1855: Die Aussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme ist nicht weiter auszudehnen, als der Zweck der Untersuchung es erfordert ... "
In den kommentierenden Anmerkungen Schwarzes50 und Schletters51 findet sich hierzu nichts. Art. 207 der "Revidirten Strafprozeßordnung für das Königreich Sachsen" vom 1. Oktober 1868 lautet indes52 : "Die Aussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme ist nicht weiter auszudehnen, als der Zweck der Untersuchung es erfordert. Insbesondere ist jede Beschlagnahme und Durchsuchung von Schriften mit möglichster Schonung der Privatgeheimnisse vorzunehmen. Von solchen Schriften, die zugleich andere, zur Sache nicht gehörige Nachrichten enthalten, ist, soweit möglich, nur das Erforderliche in der Urschrift oder in beglaubigter Abschrift zu den Acten zu nehmen, überhaupt aber Sorge zu tragen, daß die Schriften gegen die Einsicht Unberufener und gegen Mißbrauch gesichert sind. "
Zufallsfundsituationen werden jedoch nicht geregelt53 . hh) Sachsen=Weimar=Eisenach und Schwarzburg=Sondershausen Die "Strafproceßordnung für das Großherzogthum Sachsen=Weimar=Eisenach und das Fürstentum Schwarzburg=Sondershausen" vom 9. Dezember 185454 weist insbesondere in den die Haussuchung und Beschlagnahme regelnden Vorschriften der Art. 144 - 155 StPO Sachsen55 keine Regelungen bezüglich des Vorgehens bei dem Auftreten von Zufallsfunden auf. In Art. 145 StPO Sachsen 1854 heißt es lediglich am Ende: " ... Bei der Haussuchung vorgefundene verdächtige Gegenstände sind in Verwahrung zu nehmen."
47 Der Begriff Aussuchung wird als Oberbegriff zu Haussuchung verstanden, da nicht nur Häuser, sondern auch sonstige Räumlichkeiten - Gärten, Höfe, Scheunen - sowie Personen durchsucht werden können, dazu vgl. Schielter, StPO Sachsen 1855, 122 Anm. 1 mit Hinweis auf die Motive. 48 Bei Schwarze, 280ff. 49 Bei Schwarze, 289. 50 Bei Schwarze, 288; ebenfalls in der 3. Aufl. des Kommentars (zu Art. 196ff.). 51 Schletter, 119ff. 52 Zit. nach Schwarze, Die Strafprozeßgesetze im Königreich Sachsen, Leipzig 1869, 95ff. 53 Vgl. weiter Schwarze, Die Strafprozeßgesetze im Königreich Sachsen, Leipzig 1869, 95ff. 54 Zit. nach Strafproceßordnung Sachsen, 1ff. 55 Zit. nach Strafproceßordnung Sachsen, 41ff.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
243
ii) Schaumburg=Lippe und Lippe=Detmold
In Schaumburg=Lippe und Lippe=Detmold hatte vor dem Jahre 1877 der gemeine deutsche Kriminalprozeß nach der Constitutio Criminalis Carolina Gültigkeit56 • Andere Verfahrensordnungen bestanden nicht.
kk) Schleswig=Holstein Im "Entwurf eines peinlichen Gesetzbuches für die Herzogthümer Schleswig und Holstein" von 1808 wird die Haussuchung in den §§ 1430 - 1443 geregelt57 . § 14301autete58 : "Dem Beweis durch Augenschein ist die Durchsuchung eines Hauses gleich zu schätzen, um verdächtige oder verborgene Menschen zu finden, oder solche Sachen zu entdecken, wodurch der Beweis des Urhebers eines Verbrechens oder einer Anzeige wider ihn wahrscheinlich befördert wird."
Eine Zweckbegrenzung der Haussuchung bemüht sich § 1436 zu setzen59 : "Jedoch soll der Richter sich dabei60 aller Handlungen enthalten, welche zur Erreichung des Zwecks der Haussuchung nicht nöthig sind."
Weitergehende spezielle Regelungen, die das Auftreten von Zufallsfunden zum Inhalt haben, lassen sich jedoch nicht auffinden. (2) Verfahrensordnungen mit Zufallsfundregelung
aa) Hannover Der "Regierungsentwurf einer Criminal=Proceßordnung für das Königreich Hannover" von 183061 kennt in den Art. 186 - 188, die die Haussuchung betreffen, noch keine die Zufallsfundsituation regelnde Normen62 • Gleiches ist für die Entwürfe der eingesetzten ständischen Kommissionen von 1830 und 1833 zu vermerken 63 • Ein anderes Bild zeigt sich indes bezüglich der Strafprozeßordnung vom 8. November 1850 für das Königreich Hannover64 • So heißt es in § 105 StPO Hannover 185065 : Hahn, 70f. Zit. nach Eggers, Entwurf, p. 282ft. 58 Bei Eggers, Entwurf, 282. 59 Bei Eggers, Entwurf, 282. 60 Nämlich bei der in § 1435 Entwurf geschilderten Durchsuchung des Hauses, die insbesondere dadurch erfolgt, daß die im Hause befindlichen Behältnisse sämtlich aufgeschlossen und eingesehen werden (Anmerkung des Verfassers). 61 Vgl. Gans, 1ff. 62 Vgl. bei Gans, 146ff. 63 Vgl. dazu bei Gans, Regierungsentwurf, 147ff., jeweils linke Spalte. 56
57
16*
Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
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" ... Ist der Zweck der Beschlagnahme erreicht, oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden wird, so kann der Untersuchungsrichter mit Einwilligung des Staatsanwaltes die sofortige Zurückgabe der in Beschlag genommenen Sachen verfügen; verweigert der Staatsanwalt diese Einwilligung, so hat nach Anhörung des Untersuchungsrichters die Rathscammer über die Rückgabe zu entscheiden." Neben dieser das Restitutionsprinzip im oben nachgewiesenen Sinne bereits widerspiegelnden Vorschrift bestimmt § 107 StPO Hannover 185066 für die "Beschlagnahme zur Untersuchung nicht gehoeriger Sachen": "Werden bei einer Untersuchung Gegenstände gefunden, welche auf die Begehung einer anderen (sic) strafbaren Handlung schließen lassen, so ist der die Durchsuchung leitende Beamte befugt, dieselben mit Beschlag zu belegen; er muß jedoch sofort eine besondere Verhandlung darüber aufnehmen und diese dem Staatsanwalte zugehen lassen; will dieser in Bezug auf jene Gegenstände die öffentliche Klage nicht erheben, so sind sie unverzüglich zurückzugeben." Motive zu diesem Vorläufer des § 108, der zugleich eine Restitutionsregelung enthielt, finden sich bei Leonhardt nicht67 • Die "Revidirte Strafprozeßordnung für das Königreich Hannover" vom 5. April 1859 veränderte die § 105 und § 107 StPO Hannover 1850 wie folgt 68 : ,,§ 112 ... Ist der Zweck der Beschlagnahme erreicht, oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden wird, so kann der Untersuchungsrichter mit Einwilligung des Staatsanwaltes die sofortige Zurückgabe der in Beschlag genommenen Sachen verfügen. Stimmt der Staatsanwalt mit der Ansicht des Untersuchungsrichters nicht überein, so muß er die Sache sofort an die Rathskammer bringen. Diese hat sodann, nöthigenfalls nach Anhörung des Untersuchungsrichters über die Rückgabe zu entscheiden." ,,§ 114. Werden bei einer Untersuchung Gegenstände gefunden, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so ist der die Durchsuchung leitende Beamte befugt, dieselben mit Beschlag zu belegen; er muß jedoch sofort eine besondere Verhandlung darüber aufnehmen und diese dem für den ersten Angriff zuständigen Amtsgerichte zugehen lassen."
Zu bemerken ist, daß die noch in § 107 StPO Hannover 1850 enthaltene Rückgaberegelung bei Zufallsfunden hier fehlt.
bb) Oldenburg Das "Strafgesetzbuch für die Herzoglich=Oldenburgischen Lande von 1814" kannte in seinem "Zweiten Theil von dem Prozeß in Strafsachen" noch keine Vorschriften über Zufallsfunde. Vielmehr erstreckte sich die Untersu-
64 65 66 67
68
Bei Leonhardt StPO Hannover, 1ff. Ebd.73. Ebd. 73f. Trotz dieses Titels in den Anmerkungen Leonhardts StPO Hannover, 73f. Vgl. StPO Hannover 1859,45.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
245
chung, den Gedanken der CCC entsprechend, auf alle aufgedeckten Straftaten. Dies wird insbesondere in Art. 594 StGB Oldenburg 1814 deutlich69 : "Art. 594. Gegenstände derselben (nämlich der Specialinquisition70). Die Specialinquisition erstreckt sich nicht bloß auf die schon in der Generaluntersuchung angezeigten, sondern auf alle erst während der Specialinquisition entdeckten Verbreehen ... "
Demgegenüber regelte die "Strafproceßordnung für das Herzogthum Oldenburg" vom 2. November 1857 im Rahmen des reformierten Strafverfahrens sowohl die Reichweite der Beschlagnahme als auch die Vorgehensweise beim Auftreten von Zufallsfunden71 : "Art. 104. § 1. Ist der Zweck der Beschlagnahme erreicht, oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, so ist die Zurückgabe der in Beschlag genommenen Gegenstände zu verfügen. § 2. Verweigert in der Voruntersuchung die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu der Zurückgabe, so muß der Beschluß der Rathskammer eingeholt werden."
"Art. 105. Werden bei Gelegenheit einer Untersuchung Gegenstände gefunden, weiche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so können sie mit Beschlag belegt werden, es muß jedoch sofort eine besondere Verhandlung darüber aufgenommen und diese der Staatsanwaltschaft mitgetheilt werden. Findet sich dieselbe nicht veranlaßt, in Bezug auf die strafbare Handlung, auf deren Begehung jene Gegenstände schließen lassen, die öffentliche Klage zu erheben, so sind solche unverzüglich zurückzugeben."
Hervorzuheben ist, daß die oldenburgischen Vorschriften aus dem Jahre 1857 den oben vorgestellten Normen der §§ 105, 107 StPO Hannover 1850bis in die Wahl der Begriffe und Worte hinein - auffallend ähnlich sind. ce) Hessen
Einige Jahre später nach der Schaffung der Prozeßordnung für Oldenburg von 1857 entstand der Entwurf der "Strafproceß=Ordnung für das Großherzogthum Hessen", der zur Strafproceß=Ordnung vom 13. September 1865 führte. In den die Haussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme betreffenden Vorschriften der Art. 108ff. StPO Hessen 186572 sind auch Regelungen über die Reichweite der Beschlagnahme und über Zufallsfunde enthalten73 : "Art. 119. Die Haussuchung, Durchsuchung und Beschlagnahme ist nicht weiter auszudehnen, als der Zweck der Untersuchung es erfordert ... " 69
70 71 72 73
Zit. nach StGB Oldenburg 1814, 229. Anmerkung des Verfassers. Zit. nach StPO Oldenburg 1857, 39f. Zit. nach Entwurf StPO Hessen 1865, 27ff. Zit. nach Entwurf StPO Hessen 1865, 30f.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
"Art. 121. Werden bei Gelegenheit einer Untersuchung Gegenstände gefunden, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so können sie mit Beschlag belegt werden, es muß jedoch sofort ein besonderes Protocoll darüber aufgenommen werden. Liegt kein genügender Grund vor, in Bezug auf jene Gegenstände gerichtliche Untersuchung einzuleiten, so sind solche unverzüglich zurückzugeben. "
In den "Motive(n) zu dem Entwurf der Strafproceß=Ordnung" finden sich in den entsprechenden Abschnitten keine Hinweise bezüglich des gesetzgeberischen Beweggrundes zur Einführung dieser Vorschriften74 • Auch hier kann indes festgestellt werden, daß diese Normen denen in den Prozeßordnungen von Hannover 1850 und Oldenburg 1857 vom Inhalt her gleichen. dd) Preußen
In der "Criminal=Ordnung für die Preußischen Staaten" vom 11. Dezember 1805 sind in den §§ 125 bis 131 zwar umfangreiche Regelungen über die Durchführung der Haussuchung, jedoch nichts über Zufallsfunde, zu finden 75 . Der "Erste Entwurf der Straf= Prozeß = Ordnung für die Preußischen Staaten" von 182876 übernahm in den §§ 147 bis 153 im wesentlichen die Normen der Criminalordnung von 180577 . Dagegen enthält der Entwurf in seinem § 647 bereits einen Hinweis auf die Frage nach der Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände 78: ,,§ 647. Der Eigenthümer von Gegenständen, welche als Beweisstücke gegen einen Beschuldigten in gerichtlichen Beschlag genommen worden, kann dieselben jedoch vor beendigter Untersuchung nicht zurück verlangen; es sind ihm indeß Dispositions", Befugnisse darüber in so weit gestattet, als dadurch der Zweck der Untersuchung nicht vereitelt wird."
In den "Motiven zu dem von dem Revisor vorgelegten Ersten Entwurfe der Straf=Prozeß=Ordnung für die Preußischen Staaten" wird zu dieser Vorschrift ausgeführt79 : "ad § 647. Es ist die Frage aufgeworfen: ob der Eigenthümer von Gegenständen, welche als Beweisstücke einer von einem Dritten verübten Strafgesetzübertretung in gerichtlichen Beschlag genommen worden, dieselben schon vor Beendigung der Untersuchung zurückfordern könne, namentlich: wenn diese von einem ganz ungewissen Ereigniß, z. B. Ermittlung oder Habhaftwerdung des Thäters abhängt?
74 75 76 77
78 79
Vgl. dazu § 6 '" S. 33 - 38, in: Entwurf StPO Hessen 1865. Vgl. Criminal",Ordnung, 53f. Bei Schubert / Regge, 553f. Ebd.583. Zit. nach Schubert / Regge, 670. Zit. nach Schubert / Regge, 932f.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
247
c) - Diese Frage ist zwar in unserer bisherigen Criminalordnung nicht direct beantwortet; sie läßt sich aber durch die leitenden Principien derselben, so wie überhaupt durch die Grundsätze der Criminalpolitik. Leitendes Princip unserer Criminalordnung nämlich ist, daß jeder Staatsbürger, so viel er vermag, zur Entdeckung der Verbrechen und der Thäter beitragen muß, selbst wenn dieser Beitrag mit einigen Aufopferungen für ihn verbunden seyn sollte ... ... daher kann nach §. 131. der Criminalordnung der Inhaber, wenn sich bei der Haussuchung ein Object findet, welches der Richter zum Zweck der Untersuchung brauchbar hält, sich nicht entbrechen, in die einstweilige Verabfolgung desselben in den Verwahrsam des Richters, seinem Rechte unbeschadet, zu willigen ... . .. Nach diesem in der Criminalordnung allenthalben anerkannten Principe also schon beantwortet sich obige Frage dahin, daß, so lange und so weit das Beweisstück noch zur Untersuchung nöthig ist, der Eigenthümer dasselbe nicht zurückverlangen oder Dispositionen darüber vornehmen kann. Die Criminalpolitik aber rechtfertigt auch jenes Princip, wodurch unsere Criminalordnung sich hat leiten lassen; denn trägt nicht jeder Staatsbürger das Seine bei, Verbrechen zu erforschen und Thäter auszumitteln; so werden die vom Staate bestellten Behörden sehr oft in die Lage kommen, sich selbst nicht helfen zu können, so wird die Unsicherheit aller Staatsbürger, ja des ganzen Staatsverbandes, durch zu große Rücksicht auf die Unbequemlichkeit des einzelnen Staatsbürgers herbeigeführt werden. Beantwortet aber schon das unsere Criminalordnung leitende Princip, und selbst die Criminalpolitik obige Frage; so wäre eigentlich deren ausdrückliche Beantwortung in der Criminalordnung überflüssig, weil man unmöglich alle einzelnen aufzuwerfenden Fragen im Gesetze im Voraus beantworten kann, sondern der verständigen Interpretation auch ihr Gebiet lassen muß. Da indeß doch nicht unbedenkliche Zweifel darüber erhoben werden könnte, ob nicht dem Eigenthümer jede Dispositionsbefugniß über das in Beschlag genommene Beweisstück untersagt sey; so war jene Beantwortung in der im gegenwärtigen §. vorgenommenen Art zu geben ...
Deutlich wird an diesem Zitat auch die weitgehende Einbeziehung des einzelnen Bürgers in die gemeinschaftsbezogenen Belange staatlicher Strafverfolgung. Im Gegensatz zum Menschenbild des Grundgesetzes tritt nur in wenigen Ausnahmefällen das Staatsinteresse hinter dem Interesse des Individuums zurück. Die "Verordnung vom 3. Januar 1849 über die Einführung des mündlichen und öffentlichen Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungssachen" ergänzte die Criminalordnung von 1805. Veränderungen in den die Haussuchung und Beschlagnahme betreffenden Vorschriften der §§ 125 bis 131 erfolgten nicht 8o • Im "Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten und Strafprozeß-Ordnung" vom 25. Juni 1867 lautet dann - inhaltlich den bereits vorgestellten Normen gleichend - allerdings § 101 81 : 80 81
Vgl. §§ 125ff. Verordnung 1849 Preußen, 92f. Zit. nach der Amtlichen Ausgabe, Berlin 1867.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
"Werden bei Gelegenheit einer Haussuchung oder anderen Durchsuchung Gegenstände gefunden, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so können sie in Beschlag genommen werden; es muß jedoch sofort eine besondere Verhandlung darüber aufgenommen und der Staatsanwaltschaft mitgetheilt werden. Schreitet diese in Bezug auf jene Gegenstände nicht ein, so sind dieselben unverzüglich zurückzugeben. "
ee) Württemberg
Die (provisorische 82) "Strafprozeß=Ordnung für das Königreich Württemberg" vom 22. Juni 1843 regelte in Art. 228ff. StPO Württemberg 1843 das Verfahren bezüglich der Beschlagnahme von Urkunden. Art. 228 StPO Württemberg 1843 bestimmte83 : "Sobald der Untersuchungsrichter von dem Daseyn einer den Gegenstand der Untersuchung betreffenden Urkunde Nachricht erhält, liegt ihm ob, ohne Verzug dafür zu sorgen, daß solche in die Hände des Gerichts gelange. Zu dem Ende hat er bei dem Verdächtigen, wofern die Voraussetzungen des Art. 239. zutreffen (bestimmter Verdacht, der den Einzelnen zum Beschuldigten qualifiziert 84 ), Haussuchung anzustellen ... "
Art. 231 StPO Württemberg 1843 lautete85 : "Art. 231. Bei Herbeischaffung von Urkunden hat der Untersuchungsrichter Privatgeheimnisse, so viel wie möglich, zu schonen, von solchen Urkunden, die zugleich andere, zur Sache nicht gehörige Nachrichten enthalten, nur das Erforderliche zu den Akten zu nehmen, und Sorge zu tragen, daß die zur Hand genommenen Schriften gegen Mißbrauch und Neugierde gesichert seyen."
Der Kommentator der württembergischen Strafprozeßordnung von 1843 bemerkt zu Art. 231, daß es sich von selbst verstehe, "daß der Richter, sobald er bei einer Haussuchung die Urkunde, wegen welcher sie veranstaltet worden ist, aufgefunden hat, die Haussuchung einzustellen hat und nicht auf die sonstigen Papiere des dritten Besitzers ausdehnen" dürfe. Soweit Urkunden, "welche der Richter zur Hand nahm, zugleich andere, zur Sache nicht gehörige Nachrichten" enthielten, so seien "davon Auszüge zu den Akten zu nehmen und die Urkunden selbst unter Siegel zu legen. "86 Hinsichtlich von Rückgabepflichten bestimmt § 237 StPO Württemberg 184387 : "Hat Jemand Anspruch auf den Besitz einer Urkunde, so soll dieselbe, wofern darin nichts Strafbares enthalten ist ... auf Verlangen zurückgegeben werden, sobald sie 82 Vgl. dazu "Gesetz betreffend die Einführung der Strafprozeß-Ordnung im Königreiche" vor Art. 1, Knapp, 255. 83 Zit. nach Knapp, StPO Württemberg 1843,117. 84 Anmerkung des Verfassers. 85 Zit. nach Knapp, StPO Württemberg 1843, 119f. 86 Knapp, StPO Württemberg 1843,120 zu Art. 231. 87 Zit. nach Knapp, StPO Württemberg 1843, 121.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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für den Zweck des Strafverfahrens nicht mehr erforderlich ist. Es sind jedoch beglaubigte Abschriften bei den Akten zu behalten."
Nach Art. 238 StPO Württemberg 1843 darf eine Haussuchung nicht weiter ausgedehnt werden, als es der Zweck dieser Maßnahme notwendig erfordert88 • Im "Entwurf einer Strafprozeß=Ordnung für das Königreich Württemberg" vom 6. Dezember 1866 wurde in Art. 137 unter der Überschrift "Allgemeine Bestimmung" die Zufallsfundsituation bei Haussuchungen wie folgt geregelt89 : "Art. 137. Kommen im Laufe einer Untersuchung Gegenstände zum Vorschein, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so können sie mit Beschlag belegt werden, es sind jedoch die Gegenstände, wenn jene Handlung vor ein höheres Gericht gehören würde, mit dem über die Beschlagnahme aufgenommenen Protokoll sogleich dem Staatsanwalt zuzustellen. Findet sich letzterer nicht veranlaßt, Klage zu erheben, so hat er die Sachen, und zwar jedenfalls vor Ablauf von 3 Tagen seit dem Empfang, zurückzugeben."
In den "Motive(n) zu dem Entwurf einer Strafprozeß=Ordnung für das Königreich Württemberg" wird hinsichtlich der Art. 128 bis 137 StPO Entwurf lediglich auf die Art. 99 bis 105 StPO Oldenburg und Art. 129 bis 148 StPO Baden verwiesen90 • Die "Strafproceßordnung vom 17. April 1868 für das Königreich Württemberg" wiederholt in den Art. 131 ff. die angeführte Norm (Art. 140 StPO Württemberg 1868) wörtlich. Der Kommentator Bierer9! nimmt hierzu nicht Stellung. ff) Bremen
Die "Revidirte Strafproceßordnung vom 26. Dezember 1870 für die Hansestadt Bremen"92 beinhaltet sowohl eine Rückgaberegelung bei der Beschlagnahme, als auch eine Verfahrensvorschrift bezüglich des Auftretens von Zufallsfunden : "Art. 40 § 179. Ist der Zweck der Beschlagnahme erreicht, oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, so ist die Zurückgabe der in Beschlag genommenen Gegenstände, sofern sie nicht der Confiscation unterliegen, zu verfügen." "Art. 40 § 181. Werden bei Gelegenheit einer Untersuchung Gegenstände gefunden, welche auf die Begehung einer anderen strafbaren Handlung schließen lassen, so Bei Knapp, StPO Württemberg 1843, 121. Zit. nach Entwurf StPO Württemberg 1866, 134. 90 Entwurf StPO Württemberg 1866, 371. 91 Bierer, StPO Württemberg 1868, 138ff.; zu Art. 140 s. S. 185. 92 Zit. nach Strafproceßordnung Bremen 1870, 206 (Bekanntmachungsblatt No. XXXXIV.). 88
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
können sie mit Beschlag belegt werden. Geschieht dies, oder wird in den Fällen des Artikels 84 eine Beschlagnahme vom Untersuchungsrichter vorgenommen, so ist darüber sofort eine Verhandlung aufzunehmen und der Staatsanwaltschaft mitzutheilen. Findet sich diese nicht veranlaßt, in Bezug auf die strafbare Handlung, auf deren Begehung jene Gegenstände schließen lassen, innerhalb der nächsten acht Tage die öffentliche Klage zu erheben, so sind die Gegenstände unverzüglich zurückzugeben."
(3) Fazit Zunächst einmal ist festzustellen, daß die im Reichstag aufgestellte Behauptung, § 108 gebe eine Vorschrift wieder, die sich ohnehin in fast allen deutschen Prozeßordnungen der Kleinstaaten befunden habe, nicht den Tatsachen entsprach. Eine derartige Norm bestand nur in einigen Gesetzen zur Regelung des Strafverfahrens. Bezüglich dieser fällt immerhin auf, daß es sich durchweg um Kodifikationen handelt, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Regelungen, die das Auftreten von Zufallsfunden bei einer Durchsuchung betrafen, sind nämlich enthalten - aufgezählt in der Reihenfolge ihrer Entstehung - in § 107 StPO Hannover 1850, Art. 105 StPO Oldenburg 1857, Art. 121 StPO Hessen 1865, § 101 StPO Preußen 1867, Art. 140 StPO Württemberg und schließlich Art. 40 § 181 StPO Bremen 1870. Wie gezeigt lassen sich allerdings in den Motiven der genannten Prozeßordnungen kaum Hinweise dafür finden, warum eine derartige Norm in das Verfahrensrecht Eingang gefunden hat. Auf Grund des Umstandes, daß diese Vorschriften erst in Prozeßordnungen auftreten, die nach dem Jahre 1848 entstanden sind, könnte vermutet werden, daß derartige Normen letztendlich durch die geistigen Strömungen, die zur Revolution von 1848 und zur Paulskirchenverfassung von 1849 geführt haben, bedingt sein mögen. Daß diese Geschehnisse auch auf das Strafverfahrensrecht Einfluß hatten, ergibt sich aus zahlreichen Bemerkungen der führenden Vertreter des rechtswissenschaftlichen Schrifttums dieser Zeit93 . Die sogenannte Märzrevolution in Preußen (6. - 19. März 1848), in deren Folge sich die Nationalversammlung am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche konstituierte 94 , ging in der in Österreich und Preußen aufkeimenden Gegenrevolution unter. Gleichwohl blieb das liberale, sich insbesondere in den Beratungen der "Grundrechte des deutschen Volkes" vom 27. Dezem93 Vgl. zu diesem Einfluß etwa Mayer, StPO Baden 1851, 114; Mittermaier, Strafverfahren, 10ff.; Planck, Strafverfahren, Vorrede Iff.; beispielhaft Geib, Reform, Vorwort Iff.: "Ergriffen von der Größe und Macht der Tagesereignisse, dieselben bald mit Sorge und Kummer, bald mit Jubel und Begeisterung begrüßend, überall aber mit der ungetheiltesten Theilnahme und Spannung ihnen folgend, war es mir nicht möglich, die erforderliche Ruhe und Freiheit des Geistes zu gewinnen, um ungestört meine gewöhnlichen Studien fortsetzen zu können ... ". 94 Vgl. dazu nur Schieder, in: Gebhardt, Handbuch, 125ff. m. w. zahlT. Nachw.
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ber 184895 widerspiegelnde Gedankengut zumindest in Ansätzen erhalten. Anknüpfend an Lackes "liberty and property" und Mantesquieus "liberte et surete" sollte der liberale Staat nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel für die Gewährleistung von Recht und Sicherheit sein. Nach diesem Gedankengut sollte der Einfluß des Staates nicht stärker geltend gemacht werden dürfen als es zur Erreichung gerade seiner Zwecke unbedingt notwendig sei. Verlangt wurde, daß ein System von Schranken, Kontrollen, Garantien und Normen zum Schutz des Einzelnen gegen den Staat geschaffen werden müsse96 • Auf Grund dieser Überlegungen entstand die Forderung nach präzisen Eingriffsvoraussetzungen für die als notwendig anerkannten staatlichen Zwangsmittel. Bezüglich der Haussuchung verweist Geib 97 etwa auf die aus dem englischen Recht stammende Feststellung "my house is my castle" und auf den deutschen Rechtsquellen des 13. Jahrhunderts entnommenen Satz "wier wellen daz einem ieglichen purger sein havs sein veste sei". Dieses hier beispielhaft am Fall der Haussuchung gesteigerte oder überhaupt erst entdeckte Verständnis für die Rechte des Bürgers, die es durch eine Begrenzung staatlicher Eingriffe zu schützen gilt, führte in den Prozeßordnungen tatsächlich zu breiten Ausgestaltungen des Haussuchungs- und Beschlagnahmerechts. Das wurde im Schrifttum dieser Zeit auch häufig hervorgehoben. Beispielsweise betonen Mittermaier98 und Zachariae 99 mehrfach die Notwendigkeit einer Eingrenzung der Haussuchungsbefugnisse. Im neuen reformierten Strafprozeß trete - so etwa Zachariae - stets das Bestreben hervor, richterliche Akte, die Eingriffe in die individuelle Rechtssphäre darstellten, durch bestimmte Vorschriften an materielle und formelle Bedingungen zu knüpfen. Die Haussuchung habe auch eine politische Beziehung. Hieraus folge, daß Ausnahmen von dem Grundsatz der Unverletztlichkeit der Wohnung, der in der Paulskirchenverfassung normiert worden sei l()() , in den Verfassungen der Staaten deklariert werden müßten 101 . Ausdrücklich betont Zachariae, daß die Haussuchung nieEbd.95ff. Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, 124, 128. 97 Geib, Reform, 110. 98 Mittermaier, Strafverfahren, 326. 99 Zachariae, Handbuch II, 163. 100 § 140 Paulskirchenverfassung von 1849: "Die Wohnung ist unverletztlich. Eine Haussuchung ist nur zulässig: 1. in Kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehls, welcher sofort oder innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden dem Betheiligten zugestellt werden soll, 2. im Falle der Verfolgung auf frischer That, durch den gesetzlich berechtigten Beamten, 3. in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahmsweise bestimmten Beamten auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. Die Haussuchung muß thunlich, mit Zuziehung von Hausgenossen erfolgen. Die Unverletztlichkeit der Wohnung ist kein Hindernis der Verhaftung eines gerichtlich Verfolgten. " . 95
96
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
mals dazu dienen dürfe, erst Verdachtsgründe für etwa begangene Verbrechen "auszuspüren"102 . Andererseits wurde jedoch weiterhin die Auffassung vertreten, daß der Bürger notwendigerweise - wenn auch eingegrenzte - Unbequemlichkeiten erdulden müsse, wenn es um die Verfolgung von Straftaten ginge. Planck 103 etwa bemerkt bezüglich der Frage der Erlangung von Erkenntnisquellen für das Strafverfahren, daß zwar niemand nach den Grundsätzen des neuen Strafverfahrens gezwungen werden dürfe, zu seiner eigenen Überführung tätig zu werden. Der Bürger habe indes kein Recht, Beweise unschädlich zu machen oder zu zerstören, auf deren Benutzung der Staat bereits ein Recht erworben habe. Ein solches Recht erwachse dem Staat aus dem Umstand, "daß die seine Strafrechte erzeugende That an den fraglichen Gegenständen zur Erscheinung gekommen" sei, "und dieselben dadurch insoweit zur gemeinschaftlichen gemacht" worden seien. Auch Brauer104 gibt zu bedenken, daß aus dem Grundrecht der Unverletztlichkeit der Wohnung lediglich abzuleiten sei, daß der Bürger vor willkürlichen Verletzungen seines Hausfriedens zu schützen sei. Ein willkürlicher Akt sei Strafverfolgung indes niemals. Insgesamt bleibt bezüglich der eingangs gestellten Frage, ob § 108 letztlich eine Ausformung des im Jahre 1848 zum Ausdruck gekommenen liberal-staatlichen Gedankengutes ist, festzuhalten, daß eine - durch Nachweise belegbare - positive Antwort nicht möglich erscheint. Die dargestellten Äußerungen im Schrifttum zur Begrenzung der Zwangsmaßnahmen vermögen nicht weiterzuhelfen. Im folgenden soll nun der gegenläufige Weg beschritten werden. Untersucht werden soll, ob die sich in den verschiedenen Normen der deutschen Partikularstaaten widerspiegelnde Auffassung, zufällig erlangtes Beweismaterial beschlagnahmen zu dürfen, gegebenenfalls dem Gedankengut des gemeinen deutschen Strafprozesses, also dem auf der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 fußenden Inquisitionsverfahren, angehörte. c) § 108 als Relikt des Inquisitionsverfahrens
Vor der Zeit der Strafprozeßordnungen des 19. Jahrhunderts lassen sich in Deutschland kaum Vorschriften finden, die die Beschlagnahme oder Haussuchung betreffen. Das liegt zum einen daran, daß der durch die Constitutio Criminalis Carolina von 1532 geformte Strafprozeß im Hinblick auf das Beweisrecht lediglich das gerichtliche Geständnis und den Zeugenbeweis als einzig mögliche Beweismittel kannte 105 . Im übrigen gab es Zwangsmaßnahmen in 101 102
103 104
Zachariae, Handbuch II, 166 bei Fn. 6. Zachariae, Handbuch II, 167. Planck, Strafverfahren, 224. Brauer, Gerichtssaal 1849, 321, 346.
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der im 19. Jahrhundert bekannten Weise noch nicht. Lediglich die Beschlagnahme von Hab und Gut eines flüchtigen Straftäters war in Art. 206 CCC106ähnlich der heutigen Vermögensbeschlagnahme - normiert. Hinsichtlich der ersten strafprozessualen Zwangsmaßnahme überhaupt, nämlich der Durchsuchung, gibt es in den das Strafverfahren betreffenden Art. 1 bis 103 und 181 bis 219 CCC keine Regelungen. Gleichwohl war dieser Eingriff als Zwangsmaßnahme anerkannt 107 • Die ursprünglich privatrechtliche Haussuchung war bei der Übernahme des kanonischen Rechts im 15. Jahrhundert in die Hand staatlicher Organe gelegt worden 108 . Eine Begrenzung der Reichweite der Durchsuchung wurde nicht geregelt, da die im kanonischen Recht sich manifestierende Auffassung seitens der katholischen Kirche vom Verbrechen als Sünde, welches zur Buße und Heilung der Züchtigung bedürfe, alles erlaubt erscheinen ließ, was dem Strafverfahren nur zweckdienlich sein konnte 109 • Da die Carolina bezüglich der heute bekannten Zwangsmaßnahmen - mit Ausnahme der Maßnahme nach Art. 206 CCC - schweigt, soll im folgenden der Frage nachgegangen werden, auf welche Art und Weise ein Strafverfahren nach dem peinlichen deutschen Kriminalprozeß begann. Insbesondere soll untersucht werden, ob im Inquisitionsverfahren (bis zum Ende des 18. beziehungsweise bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts) bei Tatsachen, die auf eine begangene Straftat hindeuteten, zwischen solchen, die zufällig und solchen die planvoll gewonnen wurden, überhaupt differenziert wurde. Das Inquisitionsverfahren wurde nach der Carolina grundSätzlich auf zwei verschiedenen Wegen eingeleitet: Zum einen kommt es zur Untersuchung durch die Anklage des Verletzten oder durch öffentliche Ankläger 11O : "Art. 11 CCc. Vonn annemen eines angegebenn vbeltaters, So der clager Rechts begert. Item So der klager die oberkeit oder Richter anrufft, ymanndt zu strenngem peinlichem Rechtenn zu gefenngknuss zu legen, so soll derselbig anc1eger die vbelthat vnd derselben Redlichen Argkwon vnnd verdacht, die peinlich straff vff jnen tragen, zuforderst annsagen, vnangesehen ob der anc1ager den angec1agten vff sein that 105 Vgl. dazu Art. 23ff. CCC, etwa bei Kahler / Scheel, 19ff.; auch Schoetensack, Carolina 43. 106 V gl. bei Kahler / Scheel, 105 f. 107 Dazu etwa Feuerbach, Lehrbuch, 798, 802 m. w. Nachw. 108 Vor der Übernahme des kanonischen Rechts war die Haussuchung nicht staatliches Zwangsmittel, da Strafverfolgung im Wege der Selbsthilfe Angelegenheit der jeweils beteiligten Bürger war; vgl. dazu ausführlich etwa Günther, Durchsuchung, 35ff.; im übrigen Holzhauer, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Art. Haussuchung, 2039ff.; Buchda, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Art. Beschlagnahme, 386f.; Werkmüller, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Art. Anefang, 159ff.; schließlich noch Planck, Gerichtsverfahren, 825. 109 Vgl. Günther, Durchsuchung, 45; Henkel, Strafverfahren, 36. 110 Zit. nach Kahler / Scheel, 12.
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gefencklich eintzulegen oder sich zu dem bec1agten zu setzen bege ren vnd erpieten wurde; Vnnd so er das thut, soll der bec1agt jnn gefenngknuss gelegt vnnd des c1egers angeben eigenntlich vffgeschriben werdenn; Vnnd ist dabey sonnderlich zu vermerkken, das die gefenngknuss zu behalltung vnnd nit zu schwerer geferiger peynigung der gefangen sollenn gemacht vnnd zugericht sein; Vnnd wann auch der gefanngenen Meher das einer ist, soll man sy, sovil gefengklicher behalltnuss halb sein mag, vonn einander theilllen, damit sy sich vnwarhafftiger sage mit einander nit Vereynigen vnnd, sy jr that beschönen wollen, vnnderreden mögenn."
Diese Anklageführung des Verletzten ist durch die Normen der Art. 12ff. CCC erschwert. So wird etwa der Ankläger bis zur Leistung einer Bürgschaft arrestiert beziehungsweise wegen der Verhaftung des anderen seinerseits selbst verhaftet. Als zweite Möglichkeit sieht die Carolina in den Art. 6 bis 10 eine Einleitung des Verfahrens von Amts wegen vor 111 : "Art. 6 CCc. Annemen der angegebenn vbellthatter vonn der oberkeit vnnd Ampts wegen. Item so jemanndt einer vbellthat durch gemeynen leymuth berüchtiget oder ander glaubwirdig anzeigung verdacht vnd argwenich vnd derhalb durch die obrigkeit Ampts halben angenomen wirdt, der soll doch mit peinlicher frag nit angegriffenn werdenn, Es sey dan zuvor Redlich vnnd derhalb genugsame annzeigung vnd vermuttunge von wegen derselbenn missenthatt vff jnen glaubwirdig gemacht. Darzu soll auch ein jeder Richter in diesen grossen sachen vor der peinlichen frage, sovil muglieh nach gestalt vnd gelegenheitt einer jeden sachen bescheen kan, sich erkundigen vnnd vleissigs nachfragen haben, ob die missethat, darumb der angenomen beruchtiget vnd verdacht, auch beschehen sey oder nit, wie hernach in diser vnnser ordnung ferner befunden wirdt." "Art. 8 CCc. Item so die missethat, einer todstraff halben, kundtlieh oder aber desshalb redliche anzeigung, darvon vor berurt ist, erfunden wirde, so soll es vor der peinlichen frag vnnd aller erkundigung halber, so zu erfindung der warheit diennstlieh ist, auch mit Rechtfertigung vff des thatters Bekennen gehalltenn werden, Wie c1arlich hernach vonn den Jhennen, die vff anc1eger jnpracht werdenn, geschryben vnnd geordennt ist."
Die Einleitung eines Verfahrens erfolgt also bei einem verbreiteten Gerücht ("einer vbellthatt durch gemeynen leymuth berüchtiget"), bei glaubwürdig begründetem Verdacht ("ander glaubwirdig anzeigung verdacht vnd argwenich") oder aber bei Offenkundigkeit des Verbrechens ("einer todstraff halben, kundtlieh"). Eine weitere Differenzierung - etwa nach der Art und Weise der Kenntnisnahme dieser Verdachtsgründe - kennt die Carolina nicht. Jahrhunderte später - kurz vor den Reformbewegungen des beginnenden 19. Jahrhunderts - bietet sich in der Lehre des auf der Carolina fußenden weiter entwickelten deutschen Inquisitionsverfahrens ein differenzierteres Bild. Bezüglich der Frage, wie es zur Einleitung eines Verfahrens kommen kann, wird ausführlich Stellung genommen. Um die Quellen und Wurzeln unseres 111
Zit. nach Kohler / Scheel, lOf.
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heutigen § 108 deutlich werden zu lassen, seien im folgenden auch diese Darstellungen im Auszug wörtlich wiedergegeben. So unterscheidet Kleinschrod ll2 im Jahre 1801 hinsichtlich der (rechtmäßigen) Kenntnisnahme von einer Straftat zwischen eigener (richterlicher) und fremder Wahrnehmung, wobei letzere planvoll oder zufällig erfolgen kann: "Um eine Generaluntersuchung mit Grunde anfangen zu koennen, ist es nothwendig, daß der Richter auf gehoerige Art in Erfahrung brachte, daß ein Verbrechen begangen ward. Aber auf welche Art muß dies zu des Richters Kenntniß gelangt seyn, um einen rechtmäßigen Anlaß zur Untersuchung zu haben? ... Im Allgemeinen wird soviel richtig seyn, daß der Richter eine Generaluntersuchung anfangen duerfe und muesse, so bald er von einem begangenen Verbrechen entweder allein, oder auch von dessen Thaeter gegruendete Nachricht erhaelt. Diese Nachricht empfaengt der Richter entweder durch seine eigene Sinne, wenn die That in seiner Gegenwart veruebt war, oder er erhaelt sie durch andere Menschen. Im letzten Falle wird ihm die That in der Absicht angezeigt, um sie zu untersuchen. (Denuntiationen.) Oder er erfaehrt sie zufaelligerweise. (Geruecht.) ... "
Stübel l13 unterscheidet in seiner Darstellung des "Criminalverfahrens" im Jahre 1811 hinsichtlich der "Veranlassung des feyerlichen Untersuchungsprocesses" folgende "Quellen der Veranlassung": eigene Wahrnehmung des Richters 114 , eigene Anklage des Verbrechers 1l5 , "Denunciation" und "Requisition"116, schließlich "Geruechte und andere Anzeigen" 117. Bezüglich der eigenen Wahrnehmung durch den Richter kennt Stübel unter anderem auch die typische Zufallsfundsituation 118 : "Was die eigene Wahrnehmung des Inquirenten betrifft; so ist diese auch hier die erste und vorzueglichste Quelle seiner Ueberzeugungen. Wenn ein Verbrechen auch in der Gegenwart des Inquirenten nicht veruebt wird, oder ebenderselbe Jemanden bey der Veruebung eines Verbrechens nicht ertappt; so kann es doch leicht geschehen, daß jener bey einer Haussuchung, oder Visitation unerwartet Spuren eines noch ganz unbekannten Verbrechens entdeckt. (Fußnote a: Wenn gestohlene Sachen gesucht werden und man findet unvermuthet Werkzeuge zu Muenzverbrechen, oder Ueberreste todter Koerper.). Auch bey der Verhandlung einer Civilsache werden oft Richter auf die Existenz eines Verbrechens aufmerksam (Fußnote b: Wenn bey dem Beweise in einer Civilsache verfaelschte Urkunden produciret werden.)." Die Zulässigkeit dieser Art der Wahrnehmung von Straftaten wird nicht bezweifelt. Stübel erörtert nur, was zu geschehen habe, wenn sich ergäbe, daß der Richter, der von einer begangenen Straftat Kenntnis erlangt hat, für die Verfolgung dieser Tat nicht zuständig sei 119 : 112 113 114 115 116 117 118
Kleinschrod, Archiv des Criminalrechts, IV. Band, 2. Stück, H. Stübel, Criminalverfahren, Band 5, S. 95 vor § 2895. Ebd. S. 100 § 2877ff. Ebd. S. 102 § 2877ff. Ebd. S. 106 § 2887ff. Ebd. S. 117 §§ 2912ff. Ebd. S. 100 § 2871 einschließlich Fußnote.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
"Ist der Inquirent in Ansehung des Verbrechens davon er Spuren selbst wahrgenommen hat, nicht competent; so zeigt er solches zur Untersuchung der competenten Behoerde an und stellt ein schriftliches Zeugnis aus ... "
Tittmann hebt im Jahre 1824 im Rahmen der Frage "von der Begruendung der Untersuchung" und der "Nothwendigkeit eines Grundes zur Anstellung einer Untersuchung"120 hervor, daß jeder Verdachtsgrund - wie er auch immer entstanden sei - den Strafrichter zur Verfolgung der bekanntgewordenen Tat verpflichte: "Der Strafrichter ist vermoege seines Amtes verbunden, den Strafgesetzen bei allen Rechtsverletzungen Anwendung zu verschaffen, die in seinem Gerichtsbezirke vorkommen. Es darf daher kein Umstand von ihm unbeachtet gelassen werden, der auf die Veruebung eines Verbrechens oder Vergehens mit Wahrscheinlichkeit schließen laeßt, und er muß sich, sobald er ihn in Erfahrung gebracht hat, thaetig bezeigen, wenn er auch noch keinen Verdacht gegen ein bestimmtes Individuum haben sollte. "121 "Die Verdachtsgruende gegen eine bestimmte Person koennen aber auf mehrere Art zur Kenntniß des Richters kommen, entweder durch eine ihm geschehene Anzeige (Denunciation), oder durch ein allgemeines Geruecht, oder durch eigene Angabe des Verbrechers, oder endlich durch persoenliche Wahrnehmung des Richters. Jeden Umstand, der den Richter zur Anstellung einer Untersuchung veranlaßt, muß er sofort genau und unter Angabe der Zeit, zu welcher er dem Gericht bekannt geworden, zu den Acten bemerken. "122
Ein Verfahren beginnt nach der Auffassung Tittmanns 123 ebenfalls, wenn der Richter dienstlich oder privat eine verbrecherische Handlung wahrnehme. Falls die Straftat nicht in seine Strafgewalt falle, sei - ähnlich wie Stübel ausführt - die Tat dem zuständigen Richter zu melden 124 : "Ist der Richter nicht competent, so hat er der vorgesetzten Behoerde Bericht zu erstatten, oder den competenten Richter in Kenntniß zu setzen, und seine schriftliche Anzeige gilt als ein öffentliches Zeugniß. "
Auch von Grolmann weist in seiner 4. Auflage der erstmals im Jahre 1797 erschienenen "Grundsätze der Criminalrechts=Wissenschaft" im Jahre 1825 darauf hin, daß eine Generaluntersuchung bei jeder Art der Kenntnisnahme von Straftaten zu beginnen habe 125 : " ... daß es durchaus unnöthig (sei), von den rechtlichen Veranlassungsgründen solcher zur Generalinquisition gehörenden Handlungen zu reden, da in Ansehung ihrer
119
120 121 122 123 124 125
Ebd. S. 101 § 2876. Tittmann, Handbuch, 253. Ebd. Ebd. 255. Ebd. 271 f. Ebd. 272 Fußnote m. Von Grolmann, Criminalrecht, 599 § 534.
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alle, selbst die unbedeutendsten Gründe, selbst die unverbürgtesten Gerüchte, als rechtlich genügende Veranlassunsgründe betrachtet werden können. "
Schließlich sei Mittermaier zitiert, der in seiner Darstellung des Inquisitionsverfahrens im Jahre 1827 ausdrücklich in absichtliche und zufällige Wahrnehmung von Tatsachen, die auf eine Straftat hindeuten, unterscheidet. Gleichwohl soll es stets zur Einleitung eines Verfahrens kommen 126 : "Bei der eigenen Wahrnehmung des Richters koemmt es darauf an, ob 1) der Richter nur zufaellig, oder absichtlich, um etwas zu beobachten, von einem Verbrechen sich ueberzeugte, und ob er 2) in der Eigenschaft eines Privatzeugen, wie ein anderer Privatmann, oder in richterlicher Qualitaet beobachtete, 3) ob er in der letzten Beziehung als Civil= oder Criminalrichter ein Verbrechen entdeckte, 4) ob er bei dem Verbrechen selbst betheiligt oder uninteressirt ist. Ein Veranlassungsgrund der Untersuchung wird die Wahrnehmung zwar in allen diesen Faellen werden, wo der Richter also solcher von einer That sich ueberzeugte; wo er es aber in der Eigenschaft des Privatmanns nur that, wird es zweckmaeßiger seyn, das dadurch erlangte wichtige Zeugniß als solches benuetzen zu lassen, und daher einem anderen Gerichte oder einem anderen Gerichtsmitgliede die Wahrnehmung anzuzeigen, was auch dann immer geschehen muß, wenn der Richter nicht selbst competent sein wuerde, um die Untersuchung zu fuehren."
Diese Textstellen der Kommentatoren und Lehrer des gemeinen deutschen Kriminalprozesses vor der Reformbewegung des 19. Jahrhunderts bedürfen kaum einer weiteren Interpretation. Daß es bei staatlichen Eingriffen (durch den untersuchenden Richter) zum Auftreten zufälliger Funde und Wahrnehmungen kommen kann, gehört damit bereits seit langem zum Allgemeingut strafprozessualen Wissens. Wie sich gezeigt hat, bestand Einigkeit darüber, daß auch zufällig gewonnene Beweismittel, die auf bislang unbekannte Straftaten hindeuteten, in jedem Falle zur Einleitung des Strafverfahrens verpflichteten. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Struktur des Inquisitionsverfahrens, nach welcher alle Hinweise auf Straftaten zur Strafverfolgung zu verwerten sind, ohne daß es auf eine Unterscheidung nach der Art ihrer Beweisgewinnung ankäme. Dementsprechend erörterungswürdig war für das Schrifttum des frühen 19. Jahrhunderts lediglich die Frage, was zu geschehen habe, wenn der den Zufallsfund wahrnehmende Richter bezüglich der von ihm entdeckten Straftat keine Strafkompetenz besäße. Dieses Zuständigkeitsproblem wurde durch Abgabe an die vorgesetzte Behörde oder den zuständigen Richter geregelt. Nichts anderes drückt der heutige § 108 aus. Zum einen wird nämlich festgelegt, daß auch zufällige Funde bei einer Durchsuchung nicht außer Betracht bleiben dürfen. Des weiteren sieht § 108 vor, daß die mit der Kompetenz zur Einleitung eines Strafverfahrens ausgestattete Staatsanwaltschaft in jedem Falle Kenntnis von diesen Zufallsfunden erhalten muß. Die Vorschrift des 126
Mittermaier, Strafverfahren, 24f. § 109.
17 Labe
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
§ 108 kann also keinesfalls als eine Ausformung der in der Zeit der Revolution von 1848 entwickelten liberalen Staatsgedanken bezeichnet werden. § 108 ist vielmehr ein Relikt des gemeinen deutschen Kriminalprozesses, der letztlich auf der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 basiert.
Daß in § 108 ein Ausgleich zwischen dem Restitutionsprinzip und dem Legalitätsprinzip noch nicht einmal im Ansatz versucht worden ist, kann auf dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte dieser Norm nun nicht mehr verwundern. Die in § 108 getroffene Entscheidung, bei einer Durchsuchung auftretende Zufallsfunde stets der Strafverfolgung zu unterwerfen, ist Ausdruck des im mittelalterlichen Inquisitionsverfahren geltenden allumfassenden Untersuchungsgrundsatzes, nach der jede bekanntgewordene Straftat, unabhängig von der Art ihrer Aufdeckung staatlicher Verfolgung unterlag. Daher kann die Norm des § 108 auch nicht etwa eine Ausformung des Legalitätsprinzips heutiger Prägung darstellen. Denn das Legalitätsprinzip des modernen Strafverfahrens findet seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip. Aus diesem Grunde entfaltet es nicht unbeschränkte Wirkungskraft, sondern vermag nur im Ausgleich mit anderen - ebenfalls auf dem Rechtsstaatsprinzip basierenden - Prinzipien zur Geltung zu kommen. Diesen verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip mißachtet § 108 völlig, was unter historischer Betrachtung durchaus folgerichtig ist. Da eine verfassungskonforme Auslegung 127 der Vorschrift des § 108 wegen ihrer Entstehungsgeschichte und des dementsprechend mit ihr verbundenen Sinnes ausscheidet, kann diese Norm im Ergebnis nur als materiell verfassungswidrig bezeichnet werden. § 108 verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip, welches im Hinblick auf die zufällige Aufdeckung von Straftaten eine Abwägung zwischen dem Legalitätsprinzip und dem Restitutionsprinzip fordert. Der Umstand, daß der Gesetzgeber diese seit über 100 Jahren das System der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen störende Vorschrift nicht beseitigt hat, sondern jüngst in § 163d Abs. 4 Satz 5 für die neu geschaffene Netzfahndung eine Parallelnorm eingeführt hat, kann auf diesem Hintergrund betrachtet nur als verfehlt bezeichnet werden 128 • In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß auch der in Schrifttum und Rechtsprechung zuweilen vertretenen Auffassung, § 108 erspare lediglich Hierzu vgl. Herzog, in: Maunz / Dürig, Art. 20 Rdnr. 67 m. w. Nachw. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach dem "Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Regelung der rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren" des Bundesministeriums für Justiz (Stand: 31. Juli 1986) in § 98b Abs. 3 Satz 3 das Auftreten von Zufallsfunden bei einer Rasterfahndung nach § 98a Arbeitsentwurf in ähnlicher Weise geregelt werden soll; vgl. dazu Baumann, JuS 1987, 681, 685 und Wolter, GA 1988, 49, 129f. m. w. Nachw; zu § 163d vgl. Schoreit, ZRP 1987, 153, 157: "Doch stellt die ganze Regelung ... eine gelungene Synthese der gegensätzlichen Anliegen und Bestrebungen von Sicherheit und Datenschutz dar.". 127
128
111. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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einen Zeit und Arbeit kostenden Aufwand und sei daher überflüssig l29 , der Boden entzogen ist. Denn die Vertreter dieser Ansicht gehen ja gerade davon aus, daß Zufallsfunde grundsätzlich verwertbar seien. § 108 schaffe nur die Voraussetzung, daß beispielsweise beim Auftreten derartiger Funde eine laufende Durchsuchung nicht abgebrochen werden müsse, um zunächst einmal einen den Zufallsfund betreffenden Beschlagnahmebeschluß zu erwirken. Wer so argumentiert muß davon ausgehen, daß überhaupt die Möglichkeit besteht, die Kenntnis vom Vorhanden sein des Zufallsfundes für ein Beschlagnahmeverfahren ausnutzen zu dürfen. Das aber kann nur der Fall sein, wenn es letztlich gleichgültig ist, auf welche Weise ein Beweismittel in die Hände der Strafverfolgungsbehörden gelangt ist. An diesem Beispiel wird deutlich, daß das Gedankengut des mittelalterlichen Inquisitionsverfahrens - angeregt durch § 108 - gleichfalls noch fortlebt. Eine im heutigen modernen Rechtsstaat anzuerkennende Norm, die Zufallsfunde regelt, fehlt also. Die verfassungswidrige Norm des § 108 ist vielmehr Ausdruck eines allumfassenden, dem heutigen Strafverfahren fremden, totalen Legalitätsprinzips, wie es in den Prozeßordnungen früherer Jahrhunderte galt. Die Vorschrift des § 108 verstößt, da sie noch nicht einmal einen Gedanken an die Bereinigung der Folgen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen im Sinne des Restitutionsprinzips zuläßt, gegen das Rechtsstaatsprinzip. § 108 scheidet damit als tragfähiges Kriterium für einen normativen Ausgleich zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip aus. Der Blick soll nach diesem Ergebnis nunmehr auf die gesetzlichen Grenzen des Legalitätsprinzips gelenkt werden. Denn ein wertender Ausgleich ist nur dort notwendig, wo dem Restitutionsprinzip das Legalitätsprinzip überhaupt entgegensteht. Soweit sich die Wirkungen des Legalitätsprinzips nicht erstrekken, erstarkt das Restitutionsprinzip zur Restitutionspflicht. 2. Die gesetzlichen Begrenzungen des Legalitätsprinzips
Dem Legalitätsprinzip sind nicht nur strukturimmanente Grenzen gesetzt. Schon der Gesetzestext läßt erkennen, daß auch Beschränkungen der Strafverfolgungsspflicht auf Grund gesetzgeberischer Anordnung vorhanden sind. In § 152 Abs. 2 heißt es dazu, daß Straftaten zu verfolgen seien, "soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist". Von dieser Möglichkeit, Ausnahmen vom Legalitätsprinzip zu schaffen, hat der Gesetzgeber - beginnend im Jahre 1924 130 - in nicht unerheblichem Maße Gebrauch gemacht. So ist die Staatsanwaltschaft nach den §§ 153 bis 154e unter verschiedensten Voraussetzungen 129 Vgl. etwa BGHSt 31, 296, 301; Schäfer, in: LR (24. Aufl.), § 108 Rdnr. 1 ("wertlose Umständlichkeit" unter Berufung auf RGSt 47, 197); Schlüchter Rdnr. 330; Rogall, NStZ 1986, 385, 392. BO Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 152 Rdnr. 42ff.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
befugt, von der Verfolgung oder Anklageerhebung bezüglich einer Straftat abzusehen. Gemäß § 376 wird bei sogenannten Privatklagedelikten Anklage nur erhoben, wenn die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse liegt. Schließlich schreiten die Strafverfolgungsbehörden im Falle der §§ 183 Abs. 3, 232, 248a, 303c StGB bei fehlendem Strafantrag nur ein, soweit das besondere öffentliche Interesse bejaht wird. Diese Ausnahmen vom Legalitätsprinzip, die gemeinhin als Opportunitätsprinzip bezeichnet werden l3l , finden ihre Legitimation nach überwiegender Ansicht darin, daß die Ausnahmslosigkeit einer umfassenden Strafverfolgung weder kriminal politisch sinnvoll noch überhaupt in praktischer Hinsicht realisierbar wäre 132 • Zum Teil wird ausgeführt, daß die Legitimierungskrise eines (totalen) Legalitätsprinzips darauf zurückzuführen sei, daß im Gegensatz zur Auffassung über den Sinn staatlichen Strafens im 19. Jahrhundert, welcher vorwiegend an der repressiven Vergeltungsstrafe Kant-Hegelscher Prägung orientiert war, nunmehr die (general- wie spezial-) präventiven Straftheorien die Bestrafung des Täters an gesellschaftlichen Notwendigkeiten knüpften und damit sich gerade und insbesondere an der zu bestrafenden Person des Täters ausrichteten!33. Dieser Wandlung habe der Gesetzgeber mit der Schaffung von Ausnahmen zum allgemeinen Prinzip der Strafverfolgung Rechnung getragen. Vor weiteren Abstrichen am Legalitätsprinzip wird allerdings gewarnt 134 • Nachfolgend soll nunmehr untersucht werden, ob die genannten Ausformungen des Opportunitätsprinzips auf die besondere Situation des Auftretens von Zufallsfunden übertragbar sind. Ein Eingreifen des Opportunitätsprinzips bei Zufallsfunden hätte zur Folge, daß mangels konkurrierendem Legalitätsprinzips das Prinzip der Restitution zur insoweit unbegrenzten Restitutionspflicht erstarkte. a) Die Vorschriften der §§ 153 bis 154e
Unabhängig von den Gründen des Gesetzgebers, die im einzelnen zur Einführung dieser Ausnahmenormen in die Strafprozeßordnung geführt haben 135, 13l Etwa Kühne Rdnr. 139; Peters 161; krit. Rieß, in: LR (24. Aufl.), § 152 Rdnr. 39; Schoreit, in: KK, § 152 Rdnr. 22 u. 24; Schroeder, in: Einheit und Vielfalt, 411; vgl. auch Schmidt-Jortzig, NJW 1989, 129ff. 132 Geppert, Jura 1982, 139, 151; Kühne Rdnr. 139; Peters, in: Welze1-FS, 415, 424f. m. w. Nachw.; Rieß, NStZ 1981, 2, 3; Rüping, Strafverfahren, Kap. 4 V (S. 101) zur sog. Selektivität im Ermittlungsverfahren; Weigend, Anklagepflicht, 25ff., 63ff. 133 Etwa Geppert, Jura 1982, 139, 151; ähnlich Roxin § 14 A I; vgl. auch Popitz, Über die Präventivwirkung des Nichtwissens, 9, der die These aufstellt, daß das Dunkelfeld normstabilisierenden Charakter habe, da die Kenntnis der Zahl der Rechtsbrüche die Geltung des Rechts selbst in Frage stellen könnte. 134 Schroeder, NJW 1983, 137, 142 etwa meint, daß eine Ausdehnung über die Vorschriften der §§ 153, 153a, 154 und 154a hinaus die Geltungskraft des materiellen Strafrechts und seine Unverbrüchlichkeit in Frage stellen würde.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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setzen sämtliche Vorschriften der §§ 153ff. zwingend einen Wertungsakt von Staatsanwaltschaft oder Gericht voraus, der erfordert, daß sich diese Organe bereits in eingehender Weise mit der Straftat und dem Täter befaßt haben. So muß in § 153 Abs. 1 Satz 1 (ähnlich in § 153a Abs. 1 Satz 1) die Prognose einer geringen Schuld des Täters gestellt werden. In § 154c ist die Schwere der Tat zu beurteilen. Die Vorschriften der §§ 154, 154a bestimmen, daß von der Strafverfolgung abgesehen werden kann, wenn die zu erwartende Strafe oder Maßregel neben einer bereits rechtskräftig verhängten oder zu erwartenden Strafe oder Maßregel nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Um dies jeweils entscheiden zu können, bedarf es seitens der prüfenden Organe einer zumindest umrißartigen Kenntnis der Straftat 136 • Für eine Einstellung nach § 153b muß die Staatsanwaltschaft oder das Gericht wenigstens Kenntnis von den Umständen haben, die es als sachdienlich erscheinen lassen, nach den Normen des Strafgesetzbuches von Strafe abzusehen. Auch die Vorschriften der §§ 153c (Nichtverfolgung von Auslandstaten), 154b (Auslieferung und Ausweisung), 153d (Nichtverfolgung von politischen Straftaten) und 153e (Tätige Reue bei Staatsschutzdelikten) können nur zur Anwendung gelangen, wenn neben der Kenntnis von dem Vorhandensein einer strafbaren Handlung zusätzliche jeweils in der Norm im einzelnen genannte Kriterien bezüglich Tat und bzw. oder Täter bejaht werden können. Dies trifft in gleicher Weise auf die §§ 154c (Ermessensfreiheit bei Nötigung und Erpressung), 154d (Entscheidung einer Vorfrage ) und 154e (Falsche Verdächtigung und Beleidigung) zu. Strukturell unterscheidet sich die Situation bei Kenntnisnahme neuer Straftaten durch Zwangsmaßnahmen von dem bei diesen Normen vorausgesetzten Wissensstand in erheblicher Weise. Im Regelfall erlangen die Strafverfolgungsorgane beim Einsatz von Zwangsmaßnahmen bezüglich einer anderen Straftat gerade keine umfassende Kenntnis. Allenfalls Teilstücke der begangenen Tat werden sichtbar sein. Wollte man diese neue Straftat soweit näher erforschen, daß eine Entscheidung nach den in den §§ 153ff. geforderten Voraussetzungen möglich wäre, so wäre die neue Straftat dadurch so bekannt, daß eine Restitution - würde sie notwendig werden - in nicht unerheblicher Weise erschwert wäre. Damit sind die Normen der §§ 153ff. in ihrer Gesamtheit als Kriterium einer Begrenzung der Reichweite des Restitutionsprinzips ungeeignet.
Vgl. dazu Überblick bei Fezer I, Fall 1 Rdnr. 58ff. So etwa Rieß, in: LRErgBd, § 154 Rdnr. 5 ffi. w. Nachw.; für § 153a vgl. Kerl, ZRP 1986, 312, 313. 135
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
b) Der Katalog der Privatklagedelikte (§ 374 Abs. 1) Die Betrachtung der in § 374 Abs. 1 aufgeführten Privatklagedelikte führt hingegen zu einem anderen Ergebnis. Hier hat der Gesetzgeber von vornherein in § 376 festgelegt, daß im Regelfall ein öffentliches Interesse an der Durchführung eines Strafverfahrens hinsichtlich der in § 374 Abs. 1 genannten Delikte nicht besteht. Nur wenn die Staatsanwaltschaft dies im Ausnahmefall für gegeben erachtet, kann eine Anklage erhoben werden. Die Wertung des Gesetzgebers beruht darauf, daß sogenannte Bagatellfälle nicht einer staatlichen Ahndung durch das Strafrecht bedürfen. Im Unterschied zu den § § 153 ff., deren Einfügung auf ähnlichen Überlegungen beruhte 137 , handelt es sich bei den §§ 374, 376 um eine grundsätzliche Entscheidung, die zumindest zunächst unabhängig von der näheren Beurteilung bezüglich Tat und Täter getroffen werden kann. Dieser Umstand läßt den Katalog des § 374 Abs. 1 als ein erstes positives Kriterium für die Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips tauglich erscheinen. c) Die Antragsdelikte mit eingeschränktem Antragserfordernis Ähnliches zeigt sich in den Fällen der §§ 183 Abs. 2,232, 248a, 303c StGB. Auch hier hat der Gesetzgeber - insbesondere bei § 248a StGB - eine Beschränkung der Verfolgung der sogenannten Massendelikte der Kleinkriminalität erreichen wollen 138 • Zu beachten ist allerdings, daß die Anwendung des § 248a - nebst seinen gesetzlichen Verweisungen, zum Beispiel in den §§ 263 Abs. 4, 266 Abs. 3 StGB - stets das Vorhandensein eines nur geringwertigen Schadens erfordert. Jedoch wird eine derartige Geringwertigkeit im Rahmen der Zufallsfundsituation zumeist prima facie bei Kenntnisnahme des Beweismittels festzustellen sein. Diese Voraussetzung verhindert damit nicht, neben den Privatklagedelikten auch diese Gruppe von Straftatbeständen als ein restitutionsbegrenzendes Kriterium anzuerkennen. d) Ergebnis Hinsichtlich der Ausnahmen des Legalitätsprinzips ist im Ergebnis festzuhalten, daß sowohl die sogenannten Antragsdelikte mit eingeschränktem Vgl. nur Fezer I, Fall 1 Rdnr. 48. Vgl. hierzu Baumann, in: Schröder-GedSchrift, 523, 526f.; Berckhauer, DRiZ 1976,229,236; Burkhardt, JZ 1973, 110; Dencker, JZ 1973, 144, 145; Dreher / Tröndle § 248a Rdnr. 2 ffi. w. Nachw.; Eser, in: Schönke / Schröder, § 248a Rdnr. 1 ffi. w. Nachw.; Hanack, in: Gallas-FS, 339, 345f.; Hirsch, ZStW 92 (1980), 218, 221; Hünerfeld, ZStW 90 (1978), 905, 909f.; Jungwirth, NJW 1984, 954; Kaiser, ZStW 90 (1978), 877,878; Krümpelmann, Bagatelldelikte, 202ff.; Samson, in: SK, § 248a Rdnr. 1 ffi. w. Nachw. 137
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III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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Antragserfordernis als auch die Privatklagedelikte taugliche Kriterien für die gebotene Abwägung darstellen. Dies bedeutet, daß die Strafverfolgungsbehörden immer dann verpflichtet sind, die Restitution gemäß den oben entwikkelten Grundsätzen 139 durchzuführen, wenn ein Zufallsfund vorliegt, der auf eine Straftat hindeutet, die gemäß § 374 Abs. 1 als Privatklagedelikt oder als Antragsdelikt mit eingeschränktem Antragserfordernis (§§ 183 Abs. 2, 232, 248a, 303c StGB) zu bezeichnen wäre. Zufallsfunde, die sich auf die durch das Eingreifen des Opportunitätsprinzips umschriebene Bagatellkriminalität beziehen, dürfen damit nicht aufbewahrt werden. 3. Restitutionsprinzip und Schwerstkriminalität
Nach Feststellung der Art von Zufallsfunden, die stets der staatlichen Restitutionspflicht unterworfen sind, soll nunmehr in die entgegengesetzte Richtung gedacht werden. Es gilt zu überlegen, ob es möglicherweise Zufallsfunde geben kann, bei denen das Legalitätsprinzip den absoluten Vorrang vor dem Prinzip der Restitution haben muß. Betrachtet man die Tatbestände des Strafgesetzbuches, aber auch der strafrechtlich relevanten Nebengesetze, so fällt auf, daß diese in Verbrechen und Vergehen eingeteilt sind. Diese sogenannte Dichotomie der Straftaten beruht auf der zunächst rein formal wirkenden Unterscheidung gemäß § 12 Abs. 1 StGB, nach welcher eine Einteilung der Delikte nach der Mindeststrafe erfolgt. Gleichwohl ist allgemein anerkannt, daß die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen auch aus materiellen, inhaltlichen Gründen erfolgt ist 140 . Die Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen beruht auf einer langen historischen Entwicklung. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang nur die im mittelalterlichen Strafverfahren übliche Unterscheidung in stets mit dem Tode zu bestrafende "causae maiores" und die weniger schwerwiegenden "causae minores"141. Wie etwa Tröndle 142 und Schmidhäuser 143 ausführen, handele es sich letztlich um Wertungen, die insbesondere wegen ihrer vorrechtlichen Bedeutung auch heute noch in der Bevölkerung lebendig seien. Entsprechend habe der Umstand, daß dieser materielle Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen im Grenzbereich der gesetzgeberischen Abscheidung nur schwer aufzuweisen sei, kaum entscheidende Bedeutung. Hinzu kommt, daß diese Abstufung im heutigen Straf- und Strafprozeßrecht für materiell- und auch verfahrensrechtliche Regelungen den Ausgangspunkt darstellt. Siehe oben Kap. 3 Abschn. 4 11. Vgl. etwa Eser, in: Schönke / Schröder, § 12 Rdnr. 4f.; Trändie, in: LK, § 12 Rdnr. 6 m.w.Nachw. 141 Siehe dazu ausführlich Trändie, in: LK, § 12 Rdnr. 2 m. w. Nachw.; im übrigen auch Eser, in: Schönke / Schröder, § 12 Rdnr. 3. 142 Trändie, in: LK, § 12 Rdnr. 2. 143 Schmidhäuser, AT, 2/9. 139 140
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang etwa die nach § 23 Abs. 1 stets gegebene Strafbarkeit des Versuches bei Verbrechen und die gemäß § 30 vorgesehene Strafbarkeit des Versuchs der Beteiligung an einem Verbrechen. Auch der Verlust der Amtsfähigkeit nach § 45 Abs. 1 ist an die Verurteilung wegen eines Verbrechens geknüpft. Im besonderen Teil des Strafgesetzbuches sei der Tatbestand des § 241 StGB hervorgehoben. Eine Bedrohung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das angedrohte Verhalten ein Verbrechen darstellen würde. In prozessualer Hinsicht ist auf Vorschriften wie etwa die § 153 f., die Einstellungsmöglichkeiten nur bei Vergehen eröffnen, oder § 140 Abs. 1 Nr. 2, der eine notwendige Verteidigung bei dem Vorwurf der Begehung eines Verbrechens vorschreibt, hinzuweisen. Auch die in der Praxis wichtige Vorschrift des § 112 Abs. 3 enthält eine derartige Gewichtung. Bei bestimmten Straftaten der Schwerkriminalität ist die Anordnung der Untersuchungshaft selbst dann zulässig, wenn kein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 vorliegt l44 . Ebenfalls der durch das "Strafverfahrensänderungsgesetz 1987"145 neugefaßte § 373a knüpft an das Vorliegen eines Verbrechens an. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Verurteilten ist nämlich - abweichend von § 362 - auch zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früheren Tatsachen oder Beweisen geeignet sind, die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu begründen. Diese Beispiele zeigen, daß der Gesetzgeber der Gruppe der Tatbestände, die als Verbrechen beschrieben werden, eine besondere Stellung in materiell und prozessualer Hinsicht eingeräumt hat. Ob gerade die derzeit bestehende Zuordnung von Tatbeständen zur Gruppe der Verbrechen im Sinne eines materialen und auch kriminologischen Verbrechensbegriffes 146 sinnvoll ist, mag hier dahinstehen. Es handelt sich in jedem Falle nämlich um eine Wertung des Gesetzgebers, die nur durch eine Änderung der Strafrahmen bzw. eine Neudefinition des Verbrechensbegriffes zu ändern wäre. Entscheidend ist für die hier vorgenommene Betrachtung, daß der Gesetzgeber an. die Begehung eines Verbrechens besondere Folgen geknüpft hat, die letztlich eine Wertung der Tat als besonders schweres kriminelles Unrecht vermuten lassen. Insgesamt ist damit festzustellen, daß sich hinter der Einteilung in Verbrechen und Vergehen durchaus eine Differenzierung der Straftaten nach Schweregrad und Strafwürdigkeit verbirgt l47 . Straftaten der Schwerstkriminalität, 144 Zur Frage, inwieweit § 112 Abs. 3 aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen ist, vgl. nur zusammenfassend Kleinknecht / Meyer § 112 Rdnr. 36ff. 145 Gesetz vom 27. Januar 1987 (BGBI. 1,475). 146 Dazu s. Eser, in: Schönke / Schröder, § 12 Rdnr. 23f. m. w. Nachw. 147 Das betonen so auch lakobs, AT, 6/102f.; sowie leseheck, AT, 42.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie dem Katalog der Verbrechenstatbestände angehören, nicht zu verfolgen, obwohl die Strafverfolgungsorgane von ihnen in irgendeiner Weise Kenntnis erlangt haben, würde für das Rechtsempfinden einen unerträglichen Zustand darstellen. Auch der individuell-liberal denkende Staatsbürger des modernen, den Einzelnen soweit wie möglich vor staatlichen Eingriffen schützenden, Rechtsstaats wird die Verfolgung schwerster Straftaten, beispielsweise eines Mordes oder Totschlags, eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung, einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung, eines Brandstiftungs- oder Gefährdungsdeliktes, fordern. Das Vorhandensein derartigen kriminellen Unrechts bedroht das den Einzelnen schützende freiheitliche System des Rechtsstaat in besonders erheblicher Weise. Hier muß im Ergebnis das Legalitätsprinzip dem Restitutionsprinzip vorgehen. Für Zufallsfunde, die auf Verbrechen hinweisen, besteht deshalb eine Befugnis, sie weiterhin aufbewahren zu dürfen 148 • Damit stehen zumindest zwei Positionen fest: Zufallsfunde, die auf Delikte der Bagatellkriminalität hinweisen, unterliegen der Restitutionspflicht. Hingegen sind Zufallsfunde, die das Vorhandensein von Delikten der Verbrechenstatbestände vermuten lassen, entgegen dem Restitutionsprinzip weiter aufzubewahren. Offen bleibt die Frage, was mit Zufallsfunden, die auf die Begehung eines Vergehens, welches kein Bagatelldelikt darstellt, hinweisen, zu geschehen hat. Zur Beantwortung dieser Frage soll nachfolgend überlegt werden, inwieweit aus der jeweiligen Struktur der Zwangsmaßnahmen selbst taugliche Kriterien gewonnen werden können. 4. Zwangsmaßnahmenbezogene Kriterien
Wie bei den verschiedentlichen Analysen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen bereits gezeigt worden ist, unterscheiden sich die jeweiligen Eingriffe strukturell in nicht unerheblicher Weise voneinander. Zwangsmaßnahmen weisen hinsichtlich ihrer Genauigkeit, erwartete Ergebnisse hervorzubringen, unterschiedliche Streubreite 149 auf oder sind in ihrer Eingriffsintensität verschieden stark. Letzeres wird etwa an der Zuständigkeit, derartige Zwangsmaßnahmen anordnen zu dürfen, deutlich. Während beispielsweise ein Richter Eingriffe nach den §§ 98, 100, 105, 111, 111a, l11e, 111n und 114 anordnen kann, darf die Staatsanwaltschaft Zwangsmaßnahmen nach den §§ 81a, 81c, 98,100, 105, 111, 111e, 127 Abs. 2 nur bei Gefahr im Verzug, die 148 Im StGB betrifft dies die Verbrechenstatbestände der §§ 80, 81, 82, 83, 94, 96, 100, 105, 129a Abs. 2, 154, 177, 178,179 Abs. 2,181,211,212,217, 220a, 221 Abs. 3, 224,225,226,229,234, 234a, 239 Abs. 2 u. 3, 239a, 239b, 249, 250, 251, 252, 255, 265, 306,307,308, 31Ob, 311, 311a, 312, 313, 315 Abs. 3, 315b Abs. 3, 316a, 316c, 319, 336, 343,344,345. 149 Siehe oben Kap. 2 III.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft unter derselben Voraussetzung nur die der §§ 8Ic, 98, 105, 111, 111e, 127 Abs. 2, jeder Polizeibeamter lediglich Maßnahmen nach den §§ 127 Abs. 2, 8Ib und 163b anordnen und durchführen. Bezüglich der Tatverdachtsstärke bedarf es für Zwangsmaßnahmen nach den §§ 112, 127 Abs. 2 und 134 beispielsweise des dringenden Verdachtes, während die Eingriffe nach den §§ 81a, 81b, 99, 100a und 102 den nur (einfachen) Verdacht erfordern. Auch richten sich nicht alle Zwangsmaßnahmen stets gegen den gleichen Personenkreis. Ein Nichtverdächtiger - etwa ein Zeuge - darf erkennungsdienstIich nur gemäß § I63b Abs. 2 behandelt werden. Ein Verdächtiger kann demgegenüber einer Maßnahme gemäß § 163b Abs. 1 Satz 3, der Beschuldigte sogar einer nach § 81b, unterzogen werden. Bei einigen wenigen Zwangsmaßnahmen hat der Gesetzgeber dem besonderen Intensitätsgrad der jeweiligen Zwangsmaßnahme insoweit Rechnung getragen, als er die Anordnung und Durchführung dieser Eingriffe an die Voraussetzung eines Tatverdachtes bezüglich bestimmter Straftatbestände gebunden hat. Dies betrifft die Maßnahmen der Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100a, die KontrollsteIlen auf Straßen und Plätzen nach § 111, die sogenannte Netzfahndung nach § 163d und (mittelbar) die Überwachung des Verkehrs mit dem Beschuldigten nach § 148a. Diese jeweiligen Eingriffsbegrenzungen, die der Gesetzgeber wegen der besonderen Intensität der Maßnahme vorgenommen hat 150 , können als weiteres Kriterium zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips herangezogen werden. Der gesetzgeberische Wille besteht nämlich darin, besonders intensive Eingriffe nur zuzulassen, wenn damit die Strafverfolgung bezüglich bestimmter besonders schwerwiegender Straftaten vorangetrieben werden soll. Zwar wird das Legalitätsprinzip durchbrochen, wenn Straftaten, die bei Gelegenheit dieser Eingriffe erkennbar werden, wegen der Durchführung der Restitution nicht weiter verfolgt werden können. Hier muß aber - auf Grund der Wertung des Gesetzgebers und des Intensitätsgrades der Zwangsmaßnahmen - das Legalitätsprinzp hinter dem Prinzip der Restitution zurücktreten. In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, daß es de lege ferenda durchaus wünschenswert wäre, wenn der Gesetzgeber den Inhalt der hier genannten Kataloge mehr als bislang wirklich auf die Schwere der zu verfolgenden Straftaten abstimmte. Festzuhalten ist damit, daß bei Eingriffen, die nur bei bestimmten Delikten angeordnet und durchgeführt werden dürfen, alle Zufallsfunde, die nicht auf Straftaten hinweisen, die im jeweiligen Katalog enthalten sind, der Restitution unterliegen. 150 Für § 100a vgl. etwa mit kritischen Bemerkungen Schumacher, diss. iur. Hamburg 1976, 165ff.; für § 111 krit. Lau[hütte, in: KK, § 111 Rdnr. 4 m. w. Nachw.; für § 163d Kleinknecht / Meyer § 163d Rdnr. 9.
III. Kriterien zur Feststellung der Reichweite des Restitutionsprinzips
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Im Ergebnis entspricht die hier vertretene Auffassung damit weitgehend der vorn Bundesgerichtshof zu § lOOa entwickelten Rechtsprechung 151 . Die Frage, wie Zufallsfunde zu behandeln sind, wird dort indes nicht durch die erforderliche verfassungsrechtliche Abwägung zwischen Legalitätsprinzip und Restitutionsprinzip beantwortet. Insoweit hat die dargestellte Lösung mit der Ansicht der Rechtsprechung nichts gemein. Weitere Differenzierungen, die an der Unterschiedlichkeit der Zwangsmaßnahmen anknüpfen könnten, erscheinen hinsichtlich der hier untersuchten Frage allerdings wenig sachgerecht. So vermag etwa die unterschiedliche Streu breite der Eingriffe nichts über das Verhältnis zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip auszusagen. Anhand des Kriteriums der Streu breite kann lediglich festgestellt werden, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß es beim Einsatz einer Zwangsmaßnahmen zu Zufallsfunden kommen kann. Der Umstand, daß es beispielsweise bei der Durchsuchung wegen ihrer hohen Streubreite I52 häufiger zu Zufallsfunden kommen kann als etwa bei einer vorläufigen Festnahme 153 läßt nicht die Berechtigung entstehen, deshalb Zufallsfunde bei einer Durchsuchung stets, bei einer vorläufigen Festnahme nie als verwertbar oder umgekehrt unverwertbar zu bezeichnen. Die Streubreite sagt im übrigen auch kaum etwas über die Intensität des Grundrechtseingriffes aus. Ein derartiger Unterschied hinsichtlich der Eingriffsstärke ist jedoch feststellbar , soweit sich Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der von ihnen betroffenen Personengruppen unterscheiden. Gleichwohl bietet eine Differenzierung zwischen Maßnahmen, die Beschuldigte treffen, und solchen Eingriffen, die sich an andere Personen richten, kein taugliches Kriterium zur Abwägung zwischen Restitutions- und Legalitätsprinzip. Vorstellbar wäre etwa, alle Zufallsfunde, die im Rahmen einer Durchsuchung bei einern Beschuldigten gewonnen worden sind, zu verwerten, hingegen Zufallsfunde, die aus einer Durchsuchung beim Nichtverdächtigen stammen, der Restitution anheimfallen zu lassen. Dies liefe im Ergebnis allerdings auf eine unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu vertretende Einschränkung der Rechte eines Beschuldigten hinaus. Die zufällig bekanntgewordene Straftat bezöge sich ja gerade nicht auf die Tat, derentwegen die Beschuldigteneigenschaft entstanden wäre. In Bezug auf einen Zufallsfund ist also ein Unterschied zwischen einern Beschuldigten und einern Unverdächtigen überhaupt nicht vorhanden. Wollte man gleichwohl so differenzieren, so wäre derjenige, der durch welche Umstände auch immer in die Rolle eines im Strafverfahren Beschuldigten geraten wäre, über die Notwendigkeiten der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hinaus zusätzlich weiterer Schutzrechte beraubt.
151 152 153
Dazu siehe oben Kap. 1. Siehe oben Kap. 2111 3. Siehe oben Kap. 2 III 1.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht 5. Restituöonsprinzip und Vergehen
Nach der Darstellung der für eine Gewichtung zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip tauglichen Kriterien, die sich aus der Struktur der Zwangsmaßnahmen selbst ergeben, soll nun die Frage entschieden werden, ob Zufallsfunde, die sich auf ein Vergehen beziehen, verwertet werden dürfen. Weder das Eingreifen der Restitution noch die Notwendigkeit der Strafverfolgung bei Vergehenstatbeständen ist anhand der bisherigen Kriterien zwingend ableitbar. Die Entscheidung der Frage, ob Zufallsfunde, die auf Vergehen hindeuten, verwertet werden sollen oder nicht, hängt damit von der Bewertung der hinter dem Restitutionsprinzip und dem Legalitätsprinzip jeweils vornehmlich stehenden Interessen ab. Es handelt sich damit, da dogmatische Kriterien bislang nicht entwickelt sind, möglicherweise überhaupt nicht entwikkelt werden können, letztlich um eine rechtspolitische Entscheidung. Geht man davon aus, daß das gemeinschaftsbezogene staatliche Interesse der Strafverfolgung schwerer wiegt als das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Individualsphäre, so wird man zwangsläufig die Verwertbarkeit von Zufallsfunden, die Vergehenstatbestände betreffen, bejahen müssen. Hier indes soll vertreten werden, daß der Schutz des Individuums vor staatlicher Gewalt letztlich den Wertvorstellungen eines modernen Rechtsstaates mehr entspricht als die Betonung der allgemeinen gemeinschaftsbezogenen Interessen. Das Individualinteresse geht dem sich aus den Interessen aller Bürger gebildeten Staatsinteresse vor. Diese Betonung des individuellen Schutzes der persönlichen Sphäre des Einzelnen bedroht - wie man vielleicht einwenden könnte - auch nicht das staatliche Interesse des Bürgerschutzes durch erfolgreiche und effektive Strafverfolgung existentiell. Die Gemeinschaft aller Bürger kann es durchaus hinnehmen, daß zufällig bekanntgewordene Straftaten, die materiell-rechtlich lediglich als Vergehen zu bezeichnen wären, zumindest mit Hilfe des Zufallsfundes nicht weiter aufgeklärt werden und damit möglicherweise insgesamt ungesühnt bleiben müssen. Anzumerken ist, daß das hier vertretene Ergebnis den Strafverfolgungsbehörden gegenüber auch präventive Wirkungen haben wird. Es wird nämlich auf diese Weise ein weitgehender Schutz der persönlichen Sphäre vor Willkürmaßnahmen erreicht. Beispielsweise unterliegen nach der hier vertretenen Auffassung Zufallsfunde bei einer Durchsuchung wegen eines Raubes, die auf einen Diebstahl hinweisen, der Restitution. Durchsuchungen auf Probe oder eine verdeckte Suche nach Zufallsfunden - wie eingangs geschildert - entbehrten wegen der Unverwertbarkeit der sich häufig auf Vergehen dieser Art beziehenden Funde jeglichen Sinnes. Festzuhalten ist damit, daß bei Zufallsfunden, die sich auf ein Vergehen beziehen, das Restitutionsprinzip dem Legalitätsprinzip vorgeht.
IV. Auswirkungen der Restitutionspflicht und Ausblick
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6. Ergebnis
Zusammenfassend ergibt sich für die Behandlung von Zufallsfunden: Zufallsfunde, die rechtmäßig im Rahmen einer Zwangsmaßnahme gewonnen worden sind, die zur Aufklärung jeder Art von Straftaten angeordnet werden darf und die auf begangene Verbrechen hindeuten, unterliegen nicht der Restitution. Es besteht auf Grund der Abwägung zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip die Befugnis, sie entgegen dem fehlenden Merkmal der Tatbezogenheit aufbewahren zu dürfen. Darf eine Zwangsmaßnahme nur zur Erforschung bestimmter Straftaten ("Katalogtaten") angeordnet und durchgeführt werden - wie etwa die Maßnahmen nach den §§ lOOa, 111, 163d - so dürfen Zufallsfunde, die sich bei der rechtmäßigen Durchführung dieser Maßnahmen ergeben, nur aufbewahrt werden, soweit sie auf eine Straftat hindeuten, die in der jeweils vorgegebenen Auflistung von Tatbeständen des Strafgesetzbuches enthalten ist. Alle anderen Zufallsfunde unterliegen der insoweit zur Pflicht erstarkten Restitution. Es besteht, ebenfalls auf Grund der Abwägung zwischen den konkurrierenden Prinzipien, ein Verbot, sie weiter aufzubewahren. Der fehlende Tatbezug darf nicht hergestellt werden. IV. Auswirkungen der Restitutionspflicht und Ausblick
Gleichwohl dürfen auch die Zufallsfunde, die sich auf Verbrechen beziehungsweise auf Katalogtaten beziehen, nicht ohne weiteres aufbewahrt und sodann verwertet werden. Auf Grund der oben erfolgten Abwägung zwischen Legalitätsprinzip und Restitutionsprinzip besteht zunächst nur die Befugnis, den Zufallsfund als zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkt für die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahren nutzen zu dürfen. Für die Aufbewahrung des Zufallsfundes fehlt auch im Rahmen des neuen Verfahrens indes wie jeglicher Art von Zufallsfunden 1 - jede Berechtigung. Aus diesem Grunde bedarf es eines ausdrücklichen Beschlusses, der die Rechtsgrundlage zur weiteren Aufbewahrung des Zufallsfundes im neuen Ermittlungsverfahren entstehen läßt. Auf diese Weise wird strukturell die durch § 152 Abs. 2 vorgegebene normative Situation ("Anfangsverdacht - Verfahrenseinleitung - Zwangsmaßnahmeneinsatz") auch hier erreicht. Denn der einen Verdacht beinhaltende Zufallsfund führt zur Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens. Die dort erfolgende Anordnung läßt die Berechtigung, den Zufallsfund aufbewahren und im weiteren Verlauf des Verfahrens verwerten zu dürfen, entstehen. Die Zuständigkeit für dieses Beschlußverfahren sollte ausschließlich dem Richter übertragen werden. Da sich der Zufallsfund bei seinem Auftreten in den Hän1
Siehe oben Kap. 3 Abschn. 4 II 2.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
den der Strafverfolgungsorgane befindet, bedarf es bezüglich dieses Aufbewahrungsbeschlusses auch keiner Notkompetenz für die Staatsanwaltschaft oder deren Hilfsbeamten. Hierdurch wird im übrigen gewährleistet, daß die Reichweite der Restitutionspflicht nicht aus kriminaltaktischen Gründen zu Gunsten der Strafverfolgungsbehörden eingeschränkt oder gar völlig unterlaufen werden kann. Aus dem oben dargestellten Wesen des Restitutionsprinzips2 ergibt sich auch, ob Zufallsfunde, die der Restitutionspflicht unterliegen, gleichwohl den Anlaß für die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens bilden dürfen. Das Prinzip der Restitution verlangt die völlige Bereinigung in der Weise, daß der Zustand, der vor dem rechtswidrigen beziehungsweise rechtswidrig gewordenen Eingriff bestand, wiederhergestellt wird. Dazu gehörte idealtypischerweise sogar die Bereinigung des bei den Strafverfolgungsbehörden vorhandenen geistigen Wissens um die Straftat. Daß dies aus tatsächlichen wie auch rechtlichen Gründen nicht möglich ist, wurde oben dargetan. Indes wäre es verfehlt, diesen unvermeidbaren Umstand auszunützen und nunmehr - gleichsam unter Umgehung des Restitutionsgedankens - das nicht bereinigungsfähige Wissen zum Anlaß einer Strafverfolgung zu nehmen. Damit folgt aus dem Prinzip der Restitution, daß Zufallsfunde, die der Restitutionspflicht unterliegen, nicht nur nicht unmittelbar verwertet werden dürfen, sondern daß darüber hinaus dieses Verwertungsverbot auch Fernwirkung - im Sinne der herkömmlichen Lehren3 - entfaltet. Auch eine Beantwortung der in Kapitel 24 aufgeschobenen Fragen hinsichtlich der weiteren Möglichkeiten, Straftaten zur Kenntnis zu nehmen, kann auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse nunmehr versucht werden. Bislang ist nur das Auftreten von Zufallsfunden im Rahmen einer rechtmäßig angeordneten und auch rechtmäßig durchgeführten Zwangsmaßnahme untersucht worden. Die Beweisgewinnung eines Zufallsfundes durch eine rechtswidrig angeordnete, durch eine rechtswidrig durchgeführte oder durch eine rechtswidrig angeordnete und rechtswidrig durchgeführte Zwangsmaßnahme ist stets rechtswidrig. Eine derartige Gewinnung von Beweismitteln entspricht - ohne daß es auf die Besonderheit der Zufallsfunde ankäme - der geschilderte ne Fallsituation des Restitutionsprinzips, nach welcher der status quo ante wiederherzustellen ist, wenn eine Zwangsmaßnahme von Anfang an rechtswidrig war5 . Zufallsfunde, die durch rechtswidrige Maßnahmen gewonnen worden sind, können daher nicht aufbewahrt und deshalb auch nicht verwertet werden. Auch hier entfaltet das Verbot weiterer Aufbewahrung des 2
3 4
5
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben
Kap. Kap. Kap. Kap.
3 Abschn. 4 11 l. 1 III 1 und vor I. 2 I a. E. 3 Abschn. 4 I 5.
IV. Auswirkungen der Restitutionspflicht und Ausblick
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Zufallsfundes Fernwirkung. Das Restitutionsprinzip gestattet es nicht, den rechtswidrig gewonnenen Zufallsfund auch nur zum Anlaß der Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens zu nehmen. Ob im übrigen hinsichtlich der in Kapitel 2 im einzelnen dargestellten Fallgruppen der Kenntnisnahme von Straftaten6 in Folge der Restitutionspflicht ein Verwertungsverbot für zufällige Funde anzunehmen ist, hängt ebenfalls vom Vorliegen der Voraussetzungen des Prinzips der Restitution ab. Entscheidend kommt es darauf an, ob es sich jeweils um einen Eingriff in den Grundrechtsbereich des Bürgers handelt, der auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen, erfolgt. Schon auf den ersten Blick scheidet damit die Fallgruppe der Kenntnisnahme durch nicht hoheitlich handelnde Personen aus 7 • Dieser Vorgang kann nämlich nicht als Eingriff bezeichnet werden. Nach allgemeiner Ansicht liegt ein Eingriff auch nicht vor, wenn der Grundrechtsinhaber in die Verletzung des Grundrechts einwilligt8 . Da bei der Kenntnisnahme von Straftaten durch (nicht hoheitlich handelnde) Personen, die auf Grund bestimmter Tätigkeiten in der Lage sind, Einblicke in die Geheimnissphäre des Einzelnen zu erlangen, wegen der jeweils erteilten Einwilligung in die Verletzung dieser Sphäre mithin ein Eingriff nicht gegeben ist, scheidet diese Fallgruppe ebenfalls aus 9 . Wer etwa seine Straftaten darstellenden Filmnegative zur Entwicklung und Vergrößerung in ein öffentliches Kaufhaus trägt 10, verzichtet konkludent auf die Wahrung seines grundrechtlieh geschützten Geheimnisbereiches. Auch die schlichte Kenntnisnahme von Straftaten durch hoheitlich handelnde Perso-
6 Kenntnisnahme durch nicht hoheitlich handelnde Personen (Fallgruppe I a), Kenntnisnahme durch nicht hoheitlich handelnde Personen, die jedoch auf Grund bestimmter Tätigkeiten in der Lage sind, Einblicke in die Geheimnissphäre des Einzelnen zu erlangen (Fallgruppe I b), Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die nicht zur Strafverfolgung berufen sind, denen aber auf Grund ihrer ihnen zugewiesenen Tätigkeit notwendig Tatsachen der Geheimnissphäre des Einzelnen zur Kenntnis gelangen (Fallgruppe 11), Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die nicht zur Straftatverhütung oder -verfolgung berufen sind, denen aber auf Grund ihres Tätigkeitsbereiches Kompetenzen der Gefahrenabwehr zugewiesen sind (Fallgruppe 111), Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die (auch) zur Strafverfolgung berufen sind, außerhalb ihrer Dienstzeiten (Fallgruppe IV a), Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die zu präventiver wie repressiver Tätigkeit berufen sind, im Rahmen von präventiven Routinekontrollen (Fallgruppe IV b), Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die zur Straftatverhütung oder -verfolgung in einem bestimmten Bereich berufen sind (Fallgruppe IV c), schlichte Kenntnisnahme durch hoheitlich handelnde Personen, die zur Straftatverfolgung berufen sind (Fallgruppe Va), Kenntnisnahme durch Maßnahmen "im Vorfeld der StPO" (Fallgruppe V b), siehe im einzelnen oben Kap. 2 I. 7 Fallgruppe I a. 8 Siehe oben Kap. 3 Abschn. 4 I 2. 9 Fallgruppe I b. 10 Vgl. nochmals das Beispiel zu Fallgruppe I b in Kap. 2 I.
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Kap. 4: Restitutionsprinzip und Restitutionspflicht
nen, die zur Strafverfolgung berufen sind ll , hat keinen Eingriffscharakter. Die Kenntnisnahme von Straftaten durch hoheitlich handelnde Personen, die (auch) zur Strafverfolgung berufen sind, die aber außerhalb ihrer Dienstzeiten erfolgt 12 , unterscheidet sich hinsichtlich der Eingriffsqualität nicht von einer schlichten Kenntnisnahme. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz 1983 13 wird man hinsichtlich der restlichen Fallgruppen nunmehr vom Vorhandensein eines Eingriffes ausgehen müssen. Angesichts des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung stellt jede Art von Erfassung persönlicher Daten einen Grundrechtseingriff dar. Ob dies allerdings auch bei sogenannten "Maßnahmen im Vorfeld der Strafprozeßordnung" der Fall ist, hängt von der hier nicht zu entscheidenden Frage ab, inwieweit diese staatlichen Aktivitäten Eingriffscharakter haben. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts spricht nunmehr allerdings vieles dafür 14 • Im übrigen kann indes am Vorliegen eines Eingriffes in den grundrechtlich geschützten Bereich des Bürgers nicht gezweifelt werden. In allen anderen Fallgruppen 15 werden nämlich hoheitlich handelnde Personen tätig, deren zugewiesener Arbeitsbereich entweder nur einen Teil der Strafverfolgung oder aber ausschließlich die Gefahrenabwehr darstellt. Diese Eingriffe unterliegen - wenn auch nicht durch strafprozessuale Normen geregelt gleichfalls dem Vorbehalt des Gesetzes. Das Prinzip der Restitution muß daher im Rahmen dieser Fallgruppen in gleicher Weise eingreifen wie beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen. Zu beachten ist allerdings, daß hier die Reichweite der Restitutionspflicht im Einzelfall genau nach der zugrundeliegenden Eingriffsnorm zu bestimmen ist. Enthält diese etwa eine Auflistung von Straftatbeständen wegen der präventive Gefahrenabwehr erfolgen soll, so sind entsprechend den obigen Ausführungen alle Erkenntnisse restitutionspflichtig, die sich nicht auf diese Art von Straftaten beziehen. Die hier gewonnenen Ergebnisse sollten vom Gesetzgeber für den Bereich des Strafverfahrens durch Streichung der strukturfremden und verfassungswidrigen Norm des § 108 (sowie von § 163d Abs. 4 Satz 5) und Einfügung einer alle Zwangsmaßnahmen betreffenden Vorschrift hinsichtlich der Behandlung von Zufallsfunden übernommen werden. Eine derartige Norm sollte, um den Zusammenhang mit allen Zwangsmaßnahmen deutlich werden zu lassen, nicht an Stelle des jetzigen § 108 eingestellt werden. Zur Zeit kann allerdings eine systematisch richtige Stellung für diese Norm nicht empfohlen werden. Hierzu bedarf es zunächst einer Gesamtreform des Strafverfahrensrechts, in 11
12 13
14 15
Fallgruppe V a. Fallgruppe IV a. BVerfGE 65, 1ff. Fallgruppe Vb. Fallgruppen 11, III, IV c und IV b.
IV. Auswirkungen der Restitutionspflicht und Ausblick
273
deren Verlauf die jetzt verstreut auftretenden Zwangsmaßnahmen in einem Abschnitt zusammenzufassen wären. Eine Norm, die Zufallsfunde beträfe, müßte dann am Anfang desselben, gleichsam in einen allgemeinen Teil der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, eingestellt werden. Eine Norm, welche die beim Auftreten von Zufallsfunden notwendige Abwägung zwischen dem Restitutionsprinzip und dem Legalitätsprinzip festlegte, könnte etwa lauten: § x Zufallsfunde
(l) Beweismittel, die bei der Durchführung einer Zwangsmaßnahme gewonnen werden und auf die Verübung einer anderen Straftat als derjenigen, wegen der die Zwangsmaßnahme angeordnet worden ist, hindeuten (Zufallsfunde) , dürfen nicht verwertet werden, es sei denn sie lassen die Begehung eines Verbrechens im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB vermuten. Das Verwertungsverbot erstreckt sich auch auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. (2) Zufallsfunde, die bei der Durchführung von Maßnahmen nach den §§ 100a, 111 und 163d gewonnen werden, dürfen nur verwertet werden, soweit sie auf die Begehung einer strafbaren Handlung hindeuten, wegen der die jeweilige Maßnahme hätte angeordnet werden dürfen.
(3) Zur Aufbewahrung eines Zufallsfundes bedarf es eines richterlichen Beschlusses, der von der Staatsanwaltschaft oder ihren Hilfsbeamten unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Tagen, zu beantragen ist. Andernfalls trifft die Strafverfolgungsorgane die Pflicht, die Folgen, die durch die Kenntnisnahme des Zufallsfundes entstanden sind, zu beseitigen.
18 Labe
Zusammenfassung der Ergebnisse Die in den letzten Jahren durch Rechtsprechung und Schrifttum entwickelte Dogmatik der Behandlung von Zufallsfunden, die beim Einsatz strafprozessualer Zwangsmaßnahmen gewonnen werden, weist nicht unerhebliche Defizite auf. Zum einen hat sich die Diskussion auf nur wenige Zwangsmaßnahmen, vor allem auf die Fernmeldeüberwachung nach § lOOa, konzentriert. Des weiteren ist die Bedeutung des § 108, der einzigen Norm, die eine Zufallsfundregelung aufweist, ungeklärt geblieben. Auch herrscht keine Einigkeit über den Begriff "Zufallsfund" . Vor allem aber wird durchgehend nur die Frage eines verfassungsrechtlichen Beweisverwertungsverbotes erörtert, ohne dem Vorgang der Beweisgewinnung und anschließenden Aufbewahrung des Zufallsfundes die gebotene Beachtung zu erweisen. Die in der Diskussion um Zufallsfunde vorhandenen Defizite beruhen auf dem Umstand, daß die wissenschaftliche Forschung hinsichtlich der Strukturen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ebenfalls defizitär ist. Nur die systematische Analyse gerade dieser Strukturen kann den Ausgangspunkt zu einer Lösung der Zufallsfundproblematik bilden (zum Untersuchungsfeld siehe den Katalog strafprozessualer Zwangsmaßnahmen im Anhang). Im ersten Ansatz hat die Untersuchung der Zwangsmaßnahmen ergeben, daß sämtliche Eingriffe, trotz ihrer verschiedenartigsten Zwecke, ausnahmslos strukturell das gemeinsame Merkmal der "Tatbezogenheit" aufweisen. Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen dürfen stets und nur zur weiteren Erforschung einer ganz bestimmten, bereits bekannten Tat angeordnet und durchgeführt werden. Da die mit dem Einsatz von Zwangsmaßnahmen verbundenen erheblichen Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich des Einzelnen aus rechtsstaatlichen Gründen möglichst begrenzt sein müssen, ist der Begriff der Tat im Sinne der Tatbezogenheit eng zu definieren. Tat ist demnach hier das konkret individualisierbare Geschehen, welches sich nach natürlicher Betrachtung als einheitliche Handlung darstellt und das ein bestimmtes, strafrechtlich relevantes, tatbestandsmäßiges Verhalten vermuten läßt. Dieser Tatbegriff knüpft eng an den aus der Konkurrenzlehre bekannten, von Reichsgericht und Bundesgerichtshof entwickelten Begriff der natürlichen Handlungseinheit an. Aus den genannten Gründen werden allerdings die Fälle der rechtlichen Handlungseinheit, insbesondere also fortgesetzte Handlungen und Dauerdelikte, nicht einbezogen. Die Untersuchung der verschiedenen Möglichkeiten, Kenntnis von Straftaten zu erlangen, hat gezeigt, daß die erstmalige Aufdeckung nahezu stets in
Zusammenfassung der Ergebnisse
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zufälliger Weise erfolgt. Auch der planvolle Einsatz von Zwangsmaßnahmen beruht auf der vorherigen zufälligen Kenntnisnahme der Umstände einer bestimmten Tat. Eine sinnvolle Unterscheidung zwischen zielgerichteter Beweisgewinnung und zufälligem Ergebnis kann daher nur im Rahmen der Beurteilung der Ergebnisse einer bereits durchgeführten Zwangsmaßnahme erfolgen. Unter einem Zufallsfund wird hier jedes Ergebnis einer strafprozessualen Zwangsmaßnahme verstanden, welches sich nicht auf die Tat (im Sinne der Tatbezogenheit) bezieht, wegen der die jeweilige Zwangsmaßnahme angeordnet und durchgeführt worden ist. In der Analyse der Streubreite der Zwangsmaßnahmen ist nachgewiesen worden, daß beim Einsatz einer jeden Zwangsmaßnahme die Möglichkeit besteht, Zufallsfunde im definierten Sinne zu gewinnen. Auf Grund der unterschiedlichen Streubreite der Eingriffe, nämlich der sich aus ihrer Struktur ergebenden Zielsicherheit, ist lediglich die Wahrscheinlichkeit, derartige Ergebnisse zu erlangen, verschieden hoch. Auf Grund dieser Struktur der Zwangsmaßnahmen kann die Eventualität bei keinem Einsatz von vornherein ausgeschlossen werden. Da dementsprechend das Auftreten von Zufallsfunden unvermeidbar ist, kann sich im Ergebnis die Frage der Rechtmäßigkeit der Gewinnung von Zufallsfunden nur nach der Rechtmäßigkeit von Anordnung und Durchführung der zugrundeliegenden Zwangsmaßnahme richten. Ein Zufallsfund, der bei einer nach Anordnung und Durchführung rechtmäßigen Zwangsmaßnahme erlangt wird, ist daher stets rechtmäßig. Andererseits ist der Zufallsfund rechtswidrig gewonnen, wenn entweder die Anordnung, die Durchführung oder Anordnung und Durchführung der Zwangsmaßnahme ihrerseits rechtswidrig waren. Weitere Bedeutung erhält das Voraussetzungselement der Tatbezogenheit in der Phase der Aufbewahrung des (rechtmäßig) gewonnenen Beweismittels. Im Regelfall steht es außer Frage, daß ein im Rahmen einer rechtmäßig angeordneten und durchgeführten Zwangsmaßnahme gewonnenes Beweismittel auf Grund des Einsatzes dieses Eingriffes auch weiter aufbewahrt werden darf. Die Besonderheit der Zufallsfunde liegt nun darin, daß zwar der Gewinnungsvorgang rechtmäßig sein kann, jedoch für die weitere Aufbewahrung keine Rechtsgrundlage besteht. Denn aus dem Grundsatz der Tatbezogenheit ergibt sich, daß sich die den Zwangsmaßnahmen innewohnende Berechtigung, rechtmäßig gewonnene Beweismittel aufbewahren zu dürfen, nur auf solche Beweismittel erstreckt, die nach dem Inhalt der notwendig präzisen Anordnung des Eingriffes erwartet werden durften. Da Zufallsfunde nie tatbezogen sein können, fehlt für ihre Aufbewahrung jede rechtliche Grundlage. Nach dem strafprozessualen "Restitutionsprinzip" sind Zufallsfunde, die im Rahmen einer rechtmäßig angeordneten und durchgeführten Zwangsmaßnahme gewonnen worden sind, ihrem jeweiligen Gewinnungsvorgang entsprechend zu bereinigen. Das Prinzip der Restitution verlangt, daß bei strafprozes1S*
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Zusammenfassung der Ergebnisse
sualen Zwangsmaßnahmen der Zustand wiederhergestellt werden muß, der vor dem jeweiligen Eingriff bestand, wenn die Maßnahme von Anfang an rechtswidrig war oder ihre Aufrechterhaltung auf Grund geänderter Sachlage rechtswidrig geworden ist. Der gelegentlich im 19. Jahrhundert geäußerte, wiederentdeckte Gedanke der Restitution, der hier auf das gesamte Recht der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen ausgedehnt wird, ist in der heutigen Strafprozeßordnung nicht ausdrücklich geregelt. Auch läßt er sich nicht unmittelbar aus einer Analyse der Zwangsmaßnahmen hinsichtlich der Bereinigung ihrer Wirkungen ableiten. In der Strafprozeßordnung sind nämlich nur bei einigen Normen Regelungen zu finden, die die Bereinigung der tatsächlichen Folgen eines Zwangseinsatzes betreffen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Vorschriften, die eine Restitution ausdrücklich anordnen (etwa § lOOb Abs. 5 Satz 1) und solchen, die die Bereinigung der tatsächlichen Wirkungen der Zwangsmaßnahmen nicht per se anordnen, sondern nur die Voraussetzungen der Aufhebung einer Maßnahme umschreiben (beispielsweise § 120 Abs. 1 Satz 1). In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht im Hinblick auf Zwangsmaßnahmen, die keine Restitutionsnorm aufweisen, insoweit Einigkeit, als die Folgen von Eingriffen bereinigt werden sollen, wenn die Anordnungsvoraussetzungen, insbesondere bei Zweckerreichung, weggefallen sind. Der Blick auf die strukturellen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruches, die durch Rechtsprechung und Literatur im Verwaltungsrecht entwickelt worden sind, hat indes gezeigt, daß diese ausnahmslos auf die fortwirkenden Folgen eines Eingriffes durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen übertragbar sind. Dort wie hier geht es um die Bereinigung tatsächlicher Folgen, die hoheitliche Eingriffe, die dem Gesetzesvorbehalt unterliegen, im Grundrechtsbereich des Bürgers verursachen. Auch die zwei Konstellationen, die den Folgenbeseitigungsanspruch im öffentlichen Recht auslösen, sind bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen erkennbar: Die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme kann von Anfang an gegeben sein. Die Folgewirkungen des Eingriffes können aber auch dadurch der rechtlichen Grundlage entbehren, daß sich die tatsächliche Situation verändert hat. Auch im Strafverfahrensrecht als Teilgebiet des öffentlichen Rechts muß daher der Anspruch auf Folgenbeseitigung, das Prinzip der Restitution, Raum greifen. Die umfassend dargestellten Bereinigungspflichten, seien sie in den Normen der Strafprozeßordnung enthalten, seien sie von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelt worden, lassen sich nahtlos in dieses Prinzip einfügen. Die im Strafverfahrensrecht vorgefundenen gesetzlichen Regelungen stellen damit lediglich vom Gesetzgeber normierte Ausformungen des dem gesamten Rechts der Zwangsmaßnahmen zugrundeliegenden Prinzips dar. Eine strikte Anwendung des Restitutionsprinzips bei Zufallsfunden hätte eine Beschränkung eines weiteren verfahrensrechtlichen Grundprinzips, näm-
Zusammenfassung der Ergebnisse
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lich des Legalitätsprinzips, zur Folge. Da das Restitutionsprinzip wie auch das Legalitätsprinzip letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzips beruhen und damit als gleichrangig einzustufen sind, bedarf es eines Ausgleichs zwischen diesen konkurrierenden Prinzipien. Dieser kann nur durch eine Abwägung zwischen den einerseits die Gemeinschaft betreffenden Interessen der Bürger an der Verfolgung bekanntgewordener Straftaten und den die Persönlichkeit des Einzelnen schützenden Interessen vor staatlichen Eingriffen erfolgen. Die Zufallsfundregelung in § 108 bietet für eine derartige Abwägung kein tragfähiges Kriterium. Vielmehr beinhaltet diese Norm, wie sich aus der umfassenden historischen Untersuchung ergeben hat, Gedanken des mittelalterlichen Inquisitionsverfahrens, das im Ursprung auf der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 basiert. Daß § 108 Ausdruck eines allumfassenden totalen Legalitätsprinzips ist, welches einen Gedanken an die Bereinigung der Folgen strafprozessualer Zwangsmaßnahmen in keiner Weise zuläßt und damit die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung noch nicht einmal im Ansatz versucht, haben weder die Verfasser der reformierten Strafverfahrensordnungen der deutschen Partikularstaaten des 19. Jahrhunderts noch der Gesetzgeber der Reichsstrafprozeßordnung von 1877 bemerkt. Dies trifft auch auf Rechtsprechung und Lehre in heutiger Zeit bislang zu. Wegen der fehlenden Abwägung zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip, welche das Rechtsstaatsprinzip gebietet, kann die Vorschrift des § 108 nur als verfassungswidrig bezeichnet werden. Taugliche Kriterien für die Abwägung zwischen den konkurrierenden Prinzipien stellen jedoch einige vom Gesetzgeber festgelegte Ausnahmen des Legalitätsprinzips dar. Bei Zufallsfunden, die sich auf Bagatelldelikte, nämlich die sogenannten Antragsdelikte mit eingeschränktem Antragserfordernis (§§ 183 Abs. 2, 232, 248a, 303c StGB) oder die Privatklagedelikte (§ 374 Abs. 1), beziehen, geht das Restitutionsprinzip dem Legalitätsprinzip vor. Hingegen hat das Legalitätsprinzip Vorrang vor dem Prinzip der Restitution bei Zufallsfunden, die sich auf Straftaten beziehen, welche als Verbrechen im Sinne von § 12 Abs. 1 StGB zu bewerten sind. Der Gesetzgeber hat dieser Gruppe von Tatbeständen eine besondere Stellung in materieller und prozessualer Hinsicht eingeräumt, die eine Entscheidung, Zufallsfunde der Schwerkriminalität weiterer Strafverfolgung zu unterwerfen, rechtfertigt. Zwangsmaßnahmenbezogene Kriterien versagen indes weitgehend. Weder eine Unterscheidung nach den von einer Zwangsmaßnahme Betroffenen (etwa in Verdächtige und andere Personen) noch eine Differenzierung nach der unterschiedlichen Streubreite der Eingriffe vermögen den gebotenen Ausgleich zu fördern. Lediglich der Umstand, daß der Gesetzgeber bei einigen wenigen Zwangsmaßnahmen deren Anordnung und Durchführung vom Verdacht bestimmter Straftaten abhängig gemacht hat (etwa die §§ 100a, 111, 163d), bildet ein taugliches Abwägungskriterium. Der gesetzgeberische Wille
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besteht dort nämlich darin, besonders intensive Zwangsmaßnahmen nur zuzulassen, wenn dadurch die Strafverfolgung besonders schwerwiegender Straftaten vorangetrieben werden soll. Dieser Gewichtung folgend unterliegen Zufallsfunde, die nicht auf Straftaten des jeweiligen Kataloges hinweisen, der Restitution. Hinsichtlich der Zufallsfunde, die auf Vergehen hindeuten, welche nicht die Bagatellkriminalität betreffen, also der mittelschweren Kriminalität, ist eine Abwägung anhand der dargestellten Kriterien nicht zwingend möglich. Hier wird, die nur rechtspolitisch begründbare, Auffassung vertreten, daß derartige Zufallsfunde auch dem Prinzip der Restitution unterfallen sollen. Dies beruht auf einer Wertung, die den Schutz des Individuums vor staatlicher Machtentfaltung den Vorzug vor den gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Bürger eines Staates gibt. Im Ergebnis besteht für Zufallsfunde, die rechtmäßig im Rahmen einer Zwangsmaßnahme gewonnen worden sind, die zur Aufklärung jeder Art von Straftaten angeordnet werden darf und die auf begangene Verbrechen hindeuten, auf Grund der Abwägung zwischen Restitutionsprinzip und Legalitätsprinzip die Befugnis, sie entgegen dem fehlenden Merkmal der Tatbezogenheit aufbewahren zu dürfen. Die Tatbezogenheit muß allerdings durch einen richterlichen Beschluß, der die Berechtigung zur weiteren Aufbewahrung des Zufallsfundes gewährt, ausdrücklich hergestellt werden. Zufallsfunde, die im Rahmen von Zwangsmaßnahmen gewonnen werden, die nur bei Verdacht bestimmter Straftaten angeordnet und durchgeführt werden dürfen, können nur aufbewahrt werden, wenn sie sich auf eine dieser Katalogtaten beziehen. Alle anderen Zufallsfunde unterliegen der insofern zur Pflicht erstarkten Restitution. Es besteht, ebenfalls auf Grund der Abwägung zwischen den konkurrierenden Prinzipien, ein Verbot, sie weiter aufzubewahren. Der fehlende Tatbezug darf nicht hergestellt werden. Da das Restitutionsprinzip die völlige Bereinigung in der Weise verlangt, daß der Zustand, der vor dem Eingriff bestand, wiederhergestellt wird, darf auch das nicht bereinigungsfähige Wissen um eine Straftat nicht zum Anlaß einer Strafverfolgung werden. Die Restitutionspflicht entfaltet insoweit Fernwirkung. Rechtswidrig gewonnene Zufallsfunde, also solche, die auf Grund rechtswidriger Anordnung, rechtswidriger Durchführung oder rechtswidriger Anordnung und Durchführung in die Hände der Strafverfolgungsorgane gelangt sind, müssen hingegen anders bewertet werden. Sie unterliegen, ohne daß es auf einen Ausgleich zwischen Legalitätsprinzip und Restitutionsprinzip in der dargestellten Weise ankäme, von vornherein der Restitution, da sie Ergebnisse einer von Anfang an rechtswidrigen Zwangsmaßnahme sind.
Anhang
Katalog strafprozessualer Zwangsmaßnahmen A. Zwangsmaßnahmen der Strafprozeßordnung § 51 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung gegen ausgebliebenen Zeugen.
§ 51 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft gegen ausgebliebenen Zeugen.
§ 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1: Zwangsweise Vorführung des ausgebliebenen Zeugen. § 70 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung bei grundloser Zeugnis- oder Eidesverweigerung des Zeugen.
§ 70 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft bei grundloser Zeugnis- oder Eidesverweigerung.
§ 70 Abs. 2: Erzwingungshaft/Beugehaft bei grundloser Zeugnis- oder Eidesverweigerung des Zeugen. § 77 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung bei Ausbleiben des Sachverständigen oder Weigerung zur Erstattung eines Gutachtens durch den Sachverständigen. § 77 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld bei Ausbleiben des Sachverständigen oder Weigerung des Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens. § 81 Abs. 1: Einweisung des Beschuldigten in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus zur Beobachtung des psychischen Zustandes. § 81aAbs. 1 Satz 1:
(Einfache) körperliche Untersuchung des Beschuldigten.
§ 81a Abs. 1 Satz 2:
Körperliche Eingriffe, insbesondere die Entnahme einer Blutprobe, beim Beschuldigten.
§ 81b Alt. 1:
Erkennungsdienstliche Maßnahmen beim Beschuldigten.
§ 81e Abs. 1:
(Einfache) körperliche Untersuchung anderer Personen.
280
Anhang
§ 81e Abs. 2 Satz 1:
Körperliche Eingriffe in Form der Entnahme einer Blutprobe bei anderen Personen.
§§ 81e Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung als Vollstreckungsmaßnahme .
§§ 81e Abs. 6 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft als Vollstreckungsmaßnahme.
§ 94 Abs. 1:
Sicherstellung (ohne Beschlagnahme).
§ 94 Abs. 3 u. 1:
Sicherstellung eines Führerscheines (ohne Beschlagnahme).
§ 94 Abs. 2: Beschlagnahme. § 94 Abs. 3 u. 2: Beschlagnahme eines Führerscheines.
§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung bei Weigerung der Herausgabe trotz entsprechender Pflicht.
§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, bei Weigerung der Herausgabe trotz entsprechender Pflicht.
§§ 95 Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 2:
ErzwingungshaftlBeugehaft bei Weigerung der Herausgabe trotz entsprechender Pflicht. § 99:
Postbeschlagnahme .
§ 100a Alt. 1:
Überwachung des Fernmeldeverkehrs.
§ 100a Alt. 2:
Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger.
§ 102 Alt. 1: Durchsuchung beim Verdächtigen. § 102 Alt. 2: Durchsuchung des Verdächtigen. § 102 Alt. 3: Durchsuchung der dem Verdächtigen gehörenden Sachen. § 103: Durchsuchung bei anderen Personen. § 111 Abs. 1 Satz 1: Einrichtung von KontrollsteIlen. § 111a Abs. 1 Satz 1: Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis.
Anhang
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§ l11a Abs. 3: Beschlagnahme des Führerscheines. § I11b Abs. 2 Satz 1: Beschlagnahme als Sicherungsmaßnahme der Sicherstellung bestimmter Gegenstände (Sachen und Rechte) der Einziehung und des Verfalls. § I11b Abs. 2 Satz 3: Durchsuchung zur Beschlagnahme nach § 1Ub Abs. 2 Satz 1. § I11d Abs. 1 Satz 1:
Dinglicher Arrest als Sicherungsmaßnahme zur Sicherstellung des Wertersatzes, der Geldstrafe und der Verfahrenskosten.
§ 111n Abs. 1:
Beschlagnahme von Druckwerken.
§ 112 Abs. 1 Satz 1:
Untersuchungshaft.
§ 126a Abs. 1:
Einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt.
§ 127 Abs. 1 Satz 1:
Vorläufige Festnahme durch jedermann. §§ 127 Abs. 1 Satz 2, 163b Abs. 1: Vorläufige Festnahme zwecks Identitätsfeststellung. § 127 Abs. 2: Vorläufige Festnahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft. § 131 Abs. 1:
Steckbrief gegen flüchtenden oder sich verbergenden Beschuldigten.
§ 131 Abs. 2:
Steckbrief gegen entwichenen vorläufig Festgenommenen.
§ 132 Abs. 3:
Beschlagnahme von Beförderungsmitteln und anderen Sachen des Beschuldigten ohne festen Wohnsitz oder Aufenthaltsort. § 132a Abs. 1 Satz 1:
Vorläufiges Berufsverbot. § 134 Abs. 1: Vorführung des Beschuldigten zur Vernehmung durch den Richter. § 148 Abs. 2: Überwachung des Verkehrs des Verteidigers mit dem Beschuldigten.
§§ 161aAbs. 2 Satz 1,51 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung gegen ausgebliebenen Zeugen vor der Staatsanwaltschaft.
§§ 161a Abs. 2 Satz 1,51 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld gegen ausgebliebenen Zeugen vor der Staatsanwaltschaft.
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Anhang
§§ 161a Abs. 2 Satz 1,51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1: Zwangsweise Vorführung des ausgebliebenen Zeugen vor der Staatsanwaltschaft. §§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung bei grundloser Zeugnis- oder Eidesverweigerung des Zeugen vor der Staatsanwaltschaft.
§§ 161a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 2:
Ordnungsgeld gegen Zeugen bei grundloser Zeugnis- oder Eidesverweigerung vor der Staatsanwaltschaft.
§§ 161a Abs. 2 Satz 1,77 Abs. 1 Satz 1:
Kostenauferlegung bei Ausbleiben des Sachverständigen oder Weigerung zur Erstattung eines Gutachtens eines Sachverständigen vor der Staatsanwaltschaft.
§§ 161a Abs. 2 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 2: Ordnungsgeld bei Ausbleiben eines Sachverständigen oder der Weigerung eines Sachverständigen zur Erstattung eines Gutachtens. § 163a Abs. 3 Satz 2: Vorführung des Beschuldigten zur Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft. § 163b Abs. 1 Satz 2: Festhalten des Verdächtigen zur Identitätsfeststellung. § 163b Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1: Durchsuchung zur Feststellung der Identität. § 163b Abs. 2 Satz 1: Festhalten des Unverdächtigen zur Identitätsfeststellung. § 163d Abs. 1 Satz 1 Alt. 1: Netzfahndung mit Daten aus grenzpolizeilicher Kontrolle. § 163d Abs. 1 Satz 1 Alt. 2: Netzfahndung mit Daten aus Personenkontrolle nach § 111. § 164: Festnahme und Festhalten von Störern bei Amtshandlungen an Ort und Stelle. § 230 Abs. 2 Alt. 1: Vorführung des in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten. § 230 Abs. 2 Alt. 2:
Haftbefehl zwecks Erzwingung der Anwesenheit des in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten.
§ 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1:
Maßnahmen zur Erzwingung der (fortdauernden) Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung. § 231 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2: Ingewahrsamnahme des Angeklagten bei Unterbrechung der Hauptverhandlung. § 236 Alt. 1:
Erzwingung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten in der Hauptverhandlung im Verfahren nach § 234 durch Vorführungsbefehl.
Anhang
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§ 236 Alt. 2:
Erzwingung des persönlichen Erscheinens des Angeklagten in der Hauptverhandlung im Verfahren nach § 234 durch Haftbefehl. § 247 Satz 1:
Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung aus dem Sitzungszimmer wegen Wahrheitsgefährdung. § 247 Satz 2:
Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung aus dem Sitzungszimmer bei Vernehmungen von Kindern und jugendlichen Zeugen.
§ 247 Satz 3: Entfernung des Angeklagten in der Hauptverhandlung aus dem Sitzungszimmer bei Gefahr des erheblichen Nachteils für die Gesundheit des Angeklagten.
§ 288:
Aufforderung in öffentlichen Blättern zum Zwecke des Erscheinens vor Gericht oder Anzeige des Aufenthaltsortes des abwesenden Beschuldigten. § 290 Abs. 1: Vermögensbeschlagnahme statt Haftbefehl im sogenannten Gestellungsverfahren.
§ 329 Abs. 4 Alt. 1: Vorführung des Angeklagten bei Ausbleiben in der Berufungsverhandlung. § 329 Abs. 4 Alt. 2:
Verhaftung des ausgebliebenen Angeklagten in der Berufungsverhandlung.
§ 330 Abs. 1:
Vorführung des ausgebliebenen Angeklagten in der Berufungsverhandlung bei Berufungseinlegung durch den gesetzlichen Vertreter. § 387 Abs. 3 Alt. 2: Vorführung des Angeklagten im Privatklageverfahren. §§ 412 Satz 1,329 Abs. 4 Alt. 1: Vorführung des ausgebliebenen Angeklagten im Strafbefehlsverfahren.
§§ 412 Satz 1, 329 Abs. 4 Alt. 2:
Verhaftung des ausgebliebenen Angeklagten im Strafbefehlsverfahren.
§§ 412 Satz 2,330 Abs. 1:
Vorführung des in der Hauptverhandlung nach Einspruchseinlegung durch gesetzlichen Vertreter ausgebliebenen Angeklagten.
§ 433 Abs. 2 Satz 2: Vorführung des Einziehungsbeteiligten bei Ausbleiben ohne genügende Entschuldigung im Verfahren bei Einziehungen. §§ 442 Abs. 2 Satz 1 u. Abs. 1, 433 Abs. 2 Satz 2:
Vorführung des Verfallsbeteiligten bei Ausbleiben in den Verfahren wegen Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustandes. § 443 Abs. 1 Satz 1: Vermögensbeschlagnahme als Mittel in bestimmten Staatsschutzsachen den Beschuldigten zur Teilnahme am Verfahren zu zwingen, sowie ihn an der Verfügungsfreiheit
284
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über sein Vermögen (und damit in der Verwendung für Staatsschutzdelikte) zu hindern. § 453c Abs. 1:
Sicherungshaftbefehl bei Gefahr des Strafaussetzungswiderrufes.
§ 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1:
Vorführungsbefehl zur Einleitung des Vollzuges.
§ 457 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2:
Haftbefehl zur Einleitung des Vollzuges.
§ 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1:
Vorführungsbefehl bei Entweichen oder Entziehen aus dem Vollzug zur Zurückholung.
§ 457 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2:
Haftbefehl bei Entweichen oder Entziehen aus dem Vollzug zur Zurückholung.
§ 457 Abs. 2: Steckbrief zur Einleitung des Vollzuges und zur Zurückholung. § 459g Abs. 1 Satz 1: Wegnahme von Sachen, deren Verfall, Einziehung oder Unbrauchbarmachung angeordnet ist gegenüber einem Verurteilten, Verfalls- oder Einziehungsbeteiligten. § 463b Abs. 1: Beschlagnahme von Führerscheinen bei der Strafvollstreckung. § 463c Abs. 3 Alt. 1: Zwangsgeld bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung in periodischen Druckwerken. § 463c Abs. 3 Alt. 2:
Zwangshaft bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung in periodischen Druckwerken.
§§ 463c Abs. 4, 463c Abs. 3 Alt. 1:
Zwangsgeld bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung im Rundfunk.
§§ 463c Abs. 4, 463c Abs. 3 Alt. 2:
Zwangshaft bei Weigerung der öffentlichen Urteilsbekanntmachung im Rundfunk. B. Zwangsmaßnahmen außerhalb der StrafprozeBordnung (Beispiele)
§ 56 Abs. 1 Satz 1 GVG:
Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben oder andersartigem Entzug von Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses in den Sitzungen. § 56 Abs. 1 Satz 2 GVG:
Kostenauferlegung bei unentschuldigtem Ausbleiben oder andersartigem Entzug von Schöffen und Vertrauenspersonen des Ausschusses in den Sitzungen.
§ 177 Satz 1 Alt. 1 GVG:
Entfernung aus dem Sitzungszimmer bei Nichtbefolgen richterlicher Anordnungen.
§ 177 Satz 1 Alt. 2 GVG:
Ordnungshaft bei Nichtbefolgen richterlicher Anordnungen.
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§ 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GVG:
Ordnungsgeld wegen Ungebühr in der Sitzung.
§ 178 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GVG:
Ordnungshaft wegen Ungebühr in der Sitzung.
§ 183 Satz 2 GVG: Vorläufige Festnahme wegen Straftaten in der Sitzung. § 31 Satz 1, 33 EGGVG:
Unterbrechungsmaßnahmen im Rahmen der sogenannten Kontaktsperre.
§ 74 Abs. 2 Satz 2 OWiG:
Vorführung im Verfahren bei Abwesenheit.
§ 96 Abs. 1 OWiG:
Erzwingungshaft bei Bußgeldvollstreckung.
§ 50 Abs. 2 Satz 2 JGG, § 51 Abs. 1 Satz 1 StPO:
Kostenauferlegung bei Ausbleiben im Jugendgerichtsverfahren.
§ 50 Abs. 2 Satz 2 JGG, § 51 Abs. 1 Satz 2 StPO:
Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, im Jugendgerichtsverfahren bei ausgebliebenen Zeugen.
§ 50 Abs. 2 Satz 2 JGG, § 51 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 StPO: Vorführung des ausgebliebenen Zeugen in der Hauptverhandlung im Jugendgerichtsverfahren. § 51 Abs. 1 Satz 1 JGG: Ausschließung des Angeklagten für die Dauer von Erörterungen, die Nachteile für seine Erziehung bewirken können. § 51 Abs. 2 JGG:
Ausschließung von Angehörigen etc. des Angeklagten wegen Bedenken hinsichtlich ihrer Anwesenheit. § 71 Abs. 1 Satz 1 JGG: Vorläufige Anordnung über die Erziehung des Jugendlichen. § 71 Abs. 2 Satz 1 JGG: Einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Erziehungsheim. § 72 Abs. 1 JGG: Untersuchungshaft.
§§ 72 Abs. 3, 71 Abs. 2 Satz 1 JGG:
Einstweilige Unterbringung in einem Erziehungsheim.
§ 73 Abs. 1 Satz 1 JGG:
Unterbringung zur Beobachtung des Jugendlichen in einer kriminalbiologischen Untersuchungsanstalt.
§ 36 Abs. 2 Satz 2 StVollzG: Vorführung eines Gefangenen auf Ersuchen des Gerichts zu einem Termin bei Vorliegen eines Vorführungsbefehls. § 122 Abs. 1 Satz 1 StVollzG:
Erstreckung der Bedingungen der Untersuchungshaft auf die diese unterbrechende Strafhaft.
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§ 122 Abs. 2 StVollzG, § 148 Abs. 2 StPO:
Überwachung des Verteidigerverkehrs mit dem Beschuldigten in der Strafanstalt.
§ 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO 1977, § 94 Abs. 2 StPO:
Beschlagnahme im Steuerstrafverfahren.
§ 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AO 1977, §§ 102,103 StPO: Durchsuchungen im Steuerstrafverfahren. §§ 410 Abs. 1 Nr. 7,399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO 1977, § 94 Abs. 2 StPO:
Beschlagnahme im steuerstrafrechtlichen Bußgeldverfahren.
§§ 410 Abs. 1 Nr. 7, 399 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AO 1977, §§ 102, 103 StPO:
Durchsuchungen im steuerstrafrechtlichen Bußgeldverfahren. § 2 Abs. 2 VerbrVerbG: Beschlagnahme. § 71 Abs. 3 ZollG: Durchsuchung.
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Zachariae, Heinrich Albert: Handbuch des deutschen Strafprocesses. Systematische Darstellung des auf den Quellen des gemeinen Rechts und der neuern deutschen Gesetzgebung beruhenden Criminal = Verfahrens, in wissenschaftlicher Begründung und Verbindung. Zweiter Band, welcher die das Strafverfahren selbst betreffenden Lehren enthält, Göttingen 1868, zit.: Zachariae 11. Zeiss, W.: Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofes vom 24. November 1981VI ZR 164/79 (= JR 1982, 287ff.), in: JR 1982, 289. Zillmer, Wolfgang: Verwertbarkeit widerrechtlich erlangter Fernsprechgeheimnisse, in: NJW 1965, 2094f. Zipf, Heinz: Strafprozeßrecht, Berlin, New York 1972, zit.: Strafprozeßrecht. Zippelius, Reinhold: Einführung in die juristischen Methodenlehre, München 1971, zit.: Methodenlehre Zuck, Rüdiger: Abhörgesetz und Anwaltschaft, in: NJW 1969, 911ff.