Zivilrechtliche Fälle. Methodische Vorschläge: Einführung in die juristische Syntax [1 ed.] 9783428419609, 9783428019601


109 22 9MB

German Pages 100 [101] Year 1969

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Zivilrechtliche Fälle. Methodische Vorschläge: Einführung in die juristische Syntax [1 ed.]
 9783428419609, 9783428019601

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

DIETER HORN

Zivilrechtliche Fälle · Methodische Vorschläge Einführung in die juristische Syntax

Zivilrechtliche Fälle Methodische Vorschläge Einführung in die juristische Syntax

Von

Dr. Dieter Horn

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

@ 1969 Dunelter & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1969 bei Alb. Sayffaerth, Berlln 61 Prtnted in Germany

Vorwort Es ist eine alte Klage, daß der Kandidat, der sich der Prüfung stellt, nicht über hinreichende methodische Kenntnisse verfügt, weshalb trotz beachtlicher sachlicher Kenntnisse schriftliche Arbeiten oft nur mäßig gelingen. Diese Anleitung will jedem juristischen Anfänger, der sich der Anfertigung schriftlicher Arbeiten zuwenden muß, ein Hilfsmittel in die Hand geben. Das Heft stellt zu diesem Zweck methodische Fragen zusammen, die erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten. Der größte Teil dieser methodischen Fragen ist altbekannt, wird jedoch meist nur mündlich tradiert. Bei einigen Punkten versucht diese Darstellung neue Wege zu gehen, da die Erfahrung lehrt, daß das Verständnis sachlicher Fragen durch die Methode der Darstellung gefördert werden kann. Hervorzuheben wäre in dieser Hinsicht die Aufgliederung der komplexen Aufgabe Gesetzesanwendung. Durch die Zerlegung in Arbeitssegmente läßt sich diese Aufgabe leichter bewältigen. Hinzuweisen ist ferner auf die im letzten Abschnitt behandelte Kombination verschiedener Rechtssätze, die einen Beitrag zur juristischen Syntax liefern soll. Selbstverständlich ist die Auswahl, die getroffen werden mußte, beschränkt. Vor allem werden methodische Fragen behandelt, die bei Fällen aus dem Bereich des Obligationenrechtes entstehen, wobei unter Obligationenrecht nicht nur das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verstehen ist, sondern auch jene Vorschriften handelsrechtlicher Gesetze, die sich aus sachlichen Gründen in einer Industriegesellschaft nicht vom Schuldrecht abtrennen lassen. Z. B. ist der Kauf einer Tüte Milch in einem Laden nicht allein nach Sätzen des Schuldrechtes zu beurteilen, denn es ist ein Handelskauf. Rechtsfragen werden - wie sich aus dem Zweck der Schrift ergibt - nicht behandelt. Sie sind nur soweit angeschnitten, als es die methodischen Probleme erforderlich machen.

Inhaltsverzeichnis § 1 Gang der Untersurhung

11

I. Aufgaben und Probleme

11

li. Aufgliederung in Arbeitssegmente

....... ................ .......

12

§ 2 Formulieren der Frage (des Ansprurhs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I. Arten der Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

li. Elemente des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Der Anspruch als zweigliedrige Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 15 15 16 16 16 17 17 18 19

2. Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässige Subjekte in Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Explizite Zuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Implizite Zuordnungen ........... ................ ....... ba) Die offene Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bc) BGB- Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bd) Erkennen der G esellschaftsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . be) Nicht rechtsfähige Idealvereine ...................... bf) Vorgesellschaften und nicht rechtsfähige Wirtschaftsvereine § 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Vorbemerkung li. Adressen 1. Bedeutung der Adressen

2. Arten der Adressen a) Gesetzesname und Paragraph ......... .. ... ....... .. .... . b) Individualnamen .. . . . .. . . . . . . .... . . ...... . ... .... . ..... . 3. Suchtechnik III. Anwendungsregeln ................. .... ....................... 1. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Räumliche Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 21 21 21 22 22 22 22 23 23 23

3. Zeitliche Geltung 23 4. Anwendungsregeln für nebeneinander bestehende zivilrechtliche Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Vorbemerkung

8

Inhaltsverzeichnis b) BGB-HGB ..... .. ......... . .................... .. . . . .. 24 ba) Vorläufige Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 bb) 3. Buch HGB - BGB . .... . . . . . . .. . ....... . ... . . · ... · 25 bc) 2. Buch HGB - BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 bd) 1. Buch HGB - BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 be) Schlußbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 c) WechselG d) ScheckG -

BGB BGB

· · . · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 28 . .. .... · .... · · · · . . ... · · · · ·. · · · · · · · · ·. · · · 29

5. Anwendungsregeln innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ,a) Vorbemerkung .. . . ............. . .. . . . .... · . . .... · . . . . · . . b) Explizite Anwendungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Implizite Anwendungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ca) § 31 - § 831 . . ............... . ............... . . . . . · . cb) § 31 - vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) §§ 31, 89 - § 839, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cd) § 164 - § 185 . ........ . ... · . . . . ........ . .. · · · · · · · . · · . ce) § 164 - § 278 - § 831 - § 855 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cf) Bote - Vertreter § 120 - § 166 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cg) § 243 Abs. 2 - § 300 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eh) § 279 - §§ 275, 280, 281 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ci) §§ 275 ff. - §§ 323 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cj) § 286 Abs. 1 - § 326 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ck) § 286 Abs. 2 - § 326 .. .. . . . .. . ... . . ....... ...... .. . · . . cl) § 323 - §§ 446/447 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cm) § 446 - § 447 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cn) § 323 - § 616 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 32 32 34 34 35 35 36 36 37 38 39 40 40 42 43 44

§ 323 - § 552 · · . . · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 44 cp) § 404 - §§ 796, 1138; 364 Abs. 2 HGB.; Art. 17 WG, Art. 22 SchG .. . . .... . .. ... .... . . .... .. ........ . ... · . 44 47 cq) Ausgleichsanspruch § 426 Abs. 1

CO)

§ 4 Vergleich der gestellten Frage mit der Rechtsfolge des gefundenen Satzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Zweck des Vergleichs

................. .........................

49

II. Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge .. . . . ... . .... . .... . · . .

49

III. Implizite Rechtsfolgen IV. T erminologische Fragen

.. . ..... . . . .. . . . . . ... ... . . . . . . · · · · · · · · · · · · 49 ................ ................. .......

50

V. Auslegung und Erweiterung der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

§ 5 Analyse des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

I. W as ist der Tatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

II. Feststellung der Tatbestandsmerkmale

........... ...............

52

9

Inhaltsverzeichnis

III. Tatbestände für Vertrag und unerlaubte Handlung 0000000 0000000 54 1. Tatbestand des § 823 Abso1 0 0 00 00 0 00 0 00 00 0. 00 00 0 00 0 0 . 0 0 0 0 54 20 Tatbestand für Vertragsschluß . 00.. 0. . 0 . . 0. . 0. .. 00.. 0. . ... 0 . . . 54 °

°

° •

a) Vorbemerkung b) Tatbestandsmerkmale 0. 0.. 0. 000000 .. . 0000000 0 00 00 00 00 ba) Angebot 0 00.. 0. 00. 00000000. 00. 00000. 000. 0000... 00000 bb) Annahme o0000000. 0000000000000. 00000000 . 0000000 0000 bc) Bemerkungen °

°

°

°

°

§ 6 Die Anwendung des Gesetzes

54 55 55 55 55 59 5.9

I. Vorbemerkung

00. 0 60 IIo Theorie der Gesetzanwendung 00 0. 00.. 00 000000. 00o00 1. Rechtsgefühl 0 00 00. 0 0. 00 00 000 000 0 0 00 0.. . 0 000 0 0. 0. 0 00 0 0 00 0 00 0. 60 2o Logik 00. 00. 0. 00000 0. 00000.. 0000000000.. 0000. o.. 00000 .. . 00. 0 60 °

30 Auslegung 40 Topik

° •

° • • • •

000 . o . 000 .. . . o.. 0. 0. 0 o00000 . .. 0 . 00. 000000000. 0. . . .

63

00000000000. 00 . . . . 0000000 o00 0. 00. 00. 000000. .. . 0 . . 0. . 00 64 64

5o Kommunikationstheorie III. Technik der Behandlung einzelner Tatbestandsmerkmale .. 0. 0 0000. 1. Substantive oooo. 000. . . 0. . o000... 00 o000.. o. . ooo000000. 0o .. o. a) Ausdrücke der Rechtssprache 000 0 0 00 0. 0... 00000 000. 000 b) Ausdrücke zur Deskription von Weltdingen und Weltvorgängen c) Verbindung der Erklärung eines Tatbestandsmerkmales und der Begründung, daß diese Erklärung den Fall treffe . . 0000 000000. 0000000000000 00000000 20 Verben, Adjektive, Adverbien °

°

3o Funktoren oder Junktoren

0 0 00 °

°

°

°

°

65 65 65 67

67 68 0000 . 0 000000000... 00 000000 68 °

° •

°

f 7 Die Kombinatfon von Vorschriften ooo0o0oo0oooo0o000o0o0000ooo0o 70 I. Vorbemerkung

70

Ho Verweisungen des Gesetzes

70 70 0000. 0. 00000000000. 000. 0000000000 70 a) Rechtsfolgev.erweisungen b) Rechtsgrundverweisungen .. 00000 00 000. 000000000000 00. 0000 71 c) Feststellung der Verweisungstechnik . .... oo0.. .... 0.. o. o.. 72 ca) die Verweisung des § 440 Abs. 1 0 .. . .. 00.. . 0. 000000. . 0 0 72 cb) die Verweisung d es § 951 000000 . . 0000000000. 000 0000000 75 d) Adressen in der Verweisung 000 000. 00.. 000. 000 000 000 79 20 Implizite Verweisunge n 0. 0. 000000 00000. . 0.. 0000000. 00. 00000. 79

1. Explizite Verweisungstechniken °

°

°

° •••

°

°

°

IIIO Verweisungen durch Definitionen . 00000. 000 . . 0. 0 0 000 0. . . 000. 1. Explizite Definitionen .. . . . 00. 0. 0. .. 0. . . . ... 0.. o. 0 0 0 0.. 0 . 0 o. . a) E r kennbarkeit expliziter Definitionen . . 00000 . 0. . . . 00 .. 0. . b) Methodische Folgen . 0 0000000. .. 00. . 0. . 00. 0. 0o. 0 0 . 0 0. 00. 2o Implizite Definitionen . . 000000. 000. 0. . 0 . .. .. 0 0. 0000. . 0 .. 00. 0. °.

°

°

°

°

°

81 81 82 82 83

10

Inhaltsverzeichnis

IV. Leitwörter anderer Art V. Ontologische Zusammenhänge

83

.................... · . · .. · · · . · . · . · 85

1. Vorbemerkung

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

... ... . . . . ............... .. .... · · · · · · · · · · · · · . · 85 85 Ansprüche 86 Eigentum 86 Pfandrecht Vorrang ........... . ....... . .. . .. . .. . · .. . · ·. ·. · . · · · · · · · · . . · · 87 Anwartschaftsrecht .............. · · · · ... . . · .... · .. · · · ... . . · 87 Einreden ... .. ........ . ...... . : . ... .. . . ' ... ;. ' . ......... : ... 87 Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

9. Kongruenz

88

VI. Regel und Gegenregel . . ... · ............. · . . · .. · · . · · . · · · · · · · · · · · 88

Literaturverzeichnis

93

Verzeichnis der Gesetzesstellen

94

Sachverzeichnis

98

§ 1 Gang der Untersuchung I. Aufgaben und Probleme Der einzuschlagende Weg ergibt sich aus der gestellten Aufgabe und den vorgegebenen Hilfsmitteln. Die Aufgabe, die die Lösung eines angenommenen Falles fordert, kann nur dann richtig verstanden werden, wenn der Zweck der juristischen Ausbildung beachtet wird. Deren wichtigstes Ziel besteht in der Vermittlung der Fähigkeiten, die zur Ausübung des Richteramtes erforderlich sind. Da der Richter die Aufgabe hat, Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden oder zu schlichten, wie sie sich aus dem Zusammenleben der Menschen ergeben, stellt die Lösung von Fällen eine Vorbereitung auf die richterliche Tätigkeit dar. Da weiterhin der Richter regelmäßig nicht in der Lage ist, die Beziehungen der streitenden Parteien in allgemeiner Weise zu regeln, müssen ihm diese ihre Wünsche in Form von konkreten Anträgen vortragen. über diese und nur über diese hat der Richter zu befinden, wozu allerdings zu bemerken ist, daß der Richter Einfluß auf die Stellung sachdienlicher Anträge nehmen kann. Ebenso verhält es sich beim Fall im akademischen Unterricht. Ist im Text des Falles eine Frage gestellt, so ist diese und nur diese zu behandeln; es ist also verboten, andere Fragen einzuführen oder die gestellte Frage in eine andere abzuändern. Weder das wissenschaftliche Interesse noch die Qualität der Lösung sind in dieser Hinsicht Rechtfertigungsgründe. Anders ist es nur dann, wenn der Fall keine konkrete Frage stellt, insbesondere, wenn lediglich in allgemeiner Weise nach der Rechtslage gefragt ist. Alsdann ist es Aufgabe des Bearbeiters, alle denkbaren Fragen aufzufinden und zu behandeln. Mit der Fixierung der Frage ist der Ausgangspunkt gewonnen. Der weitere Gang der Lösung ergibt sich aus der in den kontinentalen Rechtssystemen herrschenden Anschauung. Danach hat der Richter über den Anspruch aufgrund der geltenden Rechtssätze zu entscheiden; so heißt es in Art. 20 Abs. 3 GG: "Vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." Diesem Satz kann zunächst ein Gebot an den Richter entnommen werden, sich strikt an das Gesetz zu halten. Das setzt jedoch voraus, daß das Gesetz für jeden denkbaren Anspruch eine Vorschrift bereithält, die die Frage eindeutig beantwortet.

12

§ 1 Gang der Untersuchung

Tatsächlich ist diese Annahme in der Vergangenheit oft gemacht worden. Obwohl der heutige Gesetzespositivismus Vorbehalte macht, hält er grundsätzlich an dieser Anschauung fest. Deshalb hat der Richter in jedem Fall von Sätzen des Gesetzes auszugehen. Das gilt auch dann, wenn die einen Anspruch gewährenden Sätze von Rechtsprechung und Lehre auf,gestellt worden sind; denn auch diese Sätze werden von der traditionellen Lehre letztlich auf Sätze des Gesetzes zurückgeführt. Für den Anfänger ergeben sich hieraus offensichtlich verschiedene Schwierigkeiten. Weder beherrscht er die Gesamtheit jener Sätze, die einen Anspruch gewähren, noch kennt er die Zusämmenhänge des Systems. Enthält das Gesetz nicht den erforderlichen Satz und findet er ihn schließlich in einem Lehrbuch, so erliegt er dem Mißverständnis, den Äußerungen eines Gerichtes oder eines Rechtslehrers komme die gleiche Qualität zu wie den Sätzen des Gesetzes. II. Aufgliederung in Arbeitssegmente

Die folgende Aufzählung der einzelnen Arbeitsvorgänge beruht auf praktischen Gründen. Sie gibt daher nur eine Annäherung. Eine genauere Untersuchung würde zeigen, daß verschiedene Korrekturen erforderlich sind. 1 Formulieren einer Frage. 1.1 Regelmäßig wird am Anfang nach dem Bestehen eines Anspruches gefragt. 2 Suche eines Satzes, der diese Frage beantwortet. 2.1 Im Falle von 1.1 sind Anspruchsgrundlagen zu suchen. 3 Vergleich der Frage mit der Rechtsfolge des gefundenen Satzes. 4

Analyse des Tatbestandes.

5

Feststellung und Auslegung der Tatbestandsmerkmale.

6

Begründung, daß die gesetzlichen Merkmale im vorgegebenen Sachverhalt gegeben sind.

7

Übergang auf eine andere Vorschrift; das angegebene Verfahren ist zu wiederholen.

Regelmäßig gehören nur die Ausführungen zu 5 bis 7 in die Niederschrift der Lösung. Die Erwähnung der anderen Lösungsschritte ist die Ausnahme.

§ 2 Formulieren der Frage (des Anspruchs) I. Arten der Fragen

Aus dem Prozeßrecht ergibt sich die Zulässigkeit, in einer bestimmten Weise zu fragen. Da das Prozeßrecht nur drei Klagearten kennt, ist die Weise des Fragens außerordentlich beschränkt. Mit der Leistungsklage wird ein Anspruch geltend gemacht. Mit der Feststellungsklage wird das Bestehen eines Rechtsverhältnisses geklärt. Durch die Gestaltungsklage schließlich wird ein Rechtsverhältnis aufgehoben oder abgeändert. Bedeutung kommt vor allem dem Anspruch zu; nur die daraus sich ergebenden Fragen sollen hier verfolgt werden. Nach der Definition des Gesetzes in § 194 ist der Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen. II. Elemente des Anspruchs

Danach wird der Anspruch durch drei Elemente bestimmt. Zwei streitende Partner und der Gegenstand des Streites sind zur Formulierung eines konkreten Anspruches notwendig. Für den Anfänger ist zunächst wichtig, daß der Anspruch in einer zweigliedrigen Relation besteht. 1. Der Anspruch als zweigliedrige Relation

Die Betonung dieser Tatsache ist erforderlich, da im sozialen Kontakt regelmäßig verschiedene Menschen mit verteilten Aufgaben zusammenwirken, was häufig den Versuch veranlaßt, den Fall durch eine Totalschau in den Griff zu bekommen. So würde wahrscheinlich der Anfänger im Fall der Beschädigung der verkauften Sache während des Transportes des Gegenstandes vom Verkäufer zum Käufer, die vom Frachtführer zu vertreten ist, nach einigem Nachdenken zu dem Ergebnis kommen, der Fuhrunternehmer müsse den Schaden tragen. Leider ist das menschliche Gehirn nicht für derartige Kraftakte eingerichtet, denn es kann gewöhnlich nur zweigliedrige Relationen bewältigen. Deshalb ist die Antwort des Anfängers einfach sinnlos, denn er hat das Ergebnis nicht durch die Analyse der drei Relationen, sondern durch einzelne Angaben des Falles gewonnen.

14

§

2 Formulieren der Frage (des Anspruchs)

Daraus folgt, daß beim Lesen des Falles nicht der Versuch gemacht werden sollte, den Sachverhalt in seiner Totalität zu erfassen. Vielmehr hat der Leser zunächst unter Vernachlässigung aller Einzelheiten lediglich die bestehenden Relationen festzustellen. Erst dann ist es angebracht, die vorgebenen Relationen mit den Angaben des Sachverhaltes zu ergänzen, die zur Bestimmung der Ansprüche erforderlich sind. Unter Umständen können die Beziehungen durch eine Zeichnung verdeutlicht werden. Geometrische Figuren sind nicht immer geeignet, da sie leicht unübersichtlich werden, wenn mehr als drei Personen beteiligt sind. Das Ziehen von Verbindungsstrichen in einem n-Eck - womöglich noch in verschiedenen Farben - zeitigt nur künstlerische Effekte. Eine weitaus bessere Übersicht erlangt man, wenn die denkbaren Relationen in tabellarischer Form festgehalten werden. Treten z. B. die Personen A, B, C und D auf, ergibt sich: A-B A-C A-D

B-C B-D

C-D

In einem zweiten Arbeitsgang sind die Relationen mit den aufgrund cier konkreten Angaben denkbaren Ansprüche zu besetzen. In einem dritten Arbeitsgang sind dann die denkbaren Anspruchsgrundlagen zusammenzustellen. An einem Beispiel sei dieses Verfahren verdeutlicht. Hätte A dem B die Sache X geliehen und verkaufte und übereignete B X dem gutgläubigen C und verkaufte C X dem D, der bei der Übergabe erkennt, daß X ein dem A gehöriger Gegenstand ist, so ergeben sich leicht die Ansprüche des A: Gegen B kann ein Herausgabeanspruch bestehen; gegen B kommen Anspruch auf Schadenersatz oder Herausgabe des von C gezahlten Kaufpreises in Betracht; denkbar wäre, daß die gleichen Ansprüche auch gegen C bestehen. In der Relation C-D sind auf den ersten Blick keine Ansprüche erkennbar. Sie können aber entstehen, wenn sich die Situation verändert. Hätte D dem A X herauszugeben, so kommen Ansprüche des D gegen C in Betracht. Entsprechendes gilt dann für die Relation B- C. Die Relation B - D bleibt in beiden Fällen leer. Die Zuordnung von Anspruchsgrundlagen führt bei dem Heraus.. gabeanspruch zu § 985. Die Ansprüche des A gegen B können sich aus Vertrag ergeben. Der Kundige sieht in diesem Falle nicht erst unter der Adresse dieses Vertrages nach, da er erkennt, daß es sich um eine Leistungsstörung handelt, die im allgemeinen Teil des Schuldrechtes geregelt ist (§§ 280, 281). Weiterhin können sich die Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen ergeben (§§ 823; 816 Abs. 1 Satz 1; 687 Abs. 2, 681, 667). Da die Antwort auf die Frage nach dem Bestehen

II. Elemente des Anspruchs

15

von Herausgabeansprüchen regelmäßig Bedeutung für andere schuldrechtliche Ansprüche hat, ist diese Frage an erster Stelle zu behandeln. Aus dem Schema ergibt sich zugleich die Gliederung der Lösung. Die nacheinander zu betrachtenden Gesichtspunkte der Gliederung !>ind: Personen, Ansprüche, Anspruchsgrundlagen; vertragliche Ansprüche sind regelmäßig vor gesetzlichen abzuhandeln. I A-D Herausgabe der Sache X (§ 985) II A-B 1. Ersatz des durch den Verlust von X entstandenen Schadens la § 280 lb § 823 2. Herausgabe des von C gezahlten Kaufpreises 2a § 281 2b § 81611 2c § 687 II, 681, 667 2. Inhalt des Anspruchs

Der Anspruch kann auf ein Tun oder ein Unterlassen gehen. Zwei Arten können unterschieden werden: Im ersten Fall ist der Anspruch rein handlungsbezogen: "nicht zu singen" oder "die Dienste zu leisten", allerdings kann im letzten Fall ein entsprechendes Urteil nicht vollstreckt werden (§ 888 Abs. 2 ZPO). Im zweiten Fall betreffen die Verhaltensweisen Objekte der Umwelt. Zur Bestimmung des Anspruches ist dann die entsprechende Deskription der Welt erforderlich, z. B. den Pkw X, Nr. Y, herauszugeben. Falltexte bieten in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten, da sie meist nur in allgemeiner Weise auf die Objekte hinweisen. 3. Zulässige Subjekte in Ansprüchen

Subjekt in Ansprüchen kann nur das Rechtssubjekt sein. Dieser Ausdruck wird mit Hilfe des Ausdrucks Rechtsfähigkeit erklärt, so daß nach der zugeordneten Definition ein Rechtssubjekt ein Subjekt ist, das Träger von Rechten und Pflichten ist. Rechtssubjekte sind demnach Bezugspunkte im sozialen Kontakt. Es ist leicht einzusehen, daß die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit eine überaus bedeutsame Entscheidung des Getzgebers sein kann, was sich zuweilen erst im Laufe der Zeit herausstellt, wie die Entwicklung der verselbständigten Unternehmen zeigt.

16

§ 2 Formulieren der Frage (des Anspruchs)

Obwohl also die Frage nach dem Subjekt wichtige Sachfragen betrifft, läßt sie sich im methodischen Bereich auf ein syntaktisches Problem reduzieren. Danach handelt es sich um die Frage, welche Subjekte in Sätzen der Rechtssprache zugelassen sind. Jede Wissenschaft hat eine derartige Grammatik, und in besonders fortgeschrittenen gibt es sogar terminologische Vereinbarungen. Durch diese juristische Grammatik werden zahlreiche in der Umgangssprache mögliche Sätze als unzulässig verboten. "Der Hund hat einen Knochen" ist in der Alltagssprache korrekt, als rechtsontologischer Satz jedoch unaussprechbar. Das Prädikat "ist Rechtssubjekt" ergibt sich explizite oder implizite aus der Rechtsordnung. a) Explizite Zuordnungen

Z. B. der (lebende) Mensch §§ 1, 1922; juristische Personen des Privatrechts: Verein §§ 21, 22; Stiftung § 80. Aktiengesellschaft § 1 AktG; Gesellschaft mit beschränkter Haftung § 13 GmbHG; Genossenschaft § 17 GenG. Diese Subjekte sind meist durch ihre Benennung erkennbar; zu ihrem Individualnamen müssen sie jeweils den Gattungsnamen setzen: § 65, § 4 AktG, § 4 GmbHG, § 3 GenG. b) Implizite Zuordnungen

Zivilrechtlich bedeutsam sind vor allem die Verhältnisse der Personalgesellschaften und der nicht rechtsfähigen Vereine. ba) Die offene Handelsgesellschaft Die zur Zeit h. M. lehrt, daß die offene Handelsgesellschaft keine juristische Person sei; sie sei aber ein stark verselbständigtes Gebilde, eine Zwischenform. Für die Formulierung von Ansprüchen gegen diese geben diese Wendungen keine Hilfe, insbesondere gilt das für die Feststellung, sie sei keine juristische Person, werde aber so behandelt. Anlaß dieser Meinungsverschiedenheiten sind die Bestimmungen des § 124 Abs. 1 HGB einerseits und des § 718 Abs. 1 andererseits, der gemäß § 105 Abs. 2 HGB heranzuziehen ist. In § 124 Abs. 1 HGB ist das syntaktische Subjekt die Gesellschaft, in § 718 Abs. 1 sind es hingegen die Gesellschafter. Bezeichnet man die OHG wegen § 124 Abs. 1 HGB als juristische Person, kann § 718 Abs. 1 nicht gelten. Da aber gerade das in § 718 Abs. 1 verankerte Prinzip der Gesamtbandsgemeinschaft auch für die offene Handelsgesellschaft gelten soll, darf die OHG nicht als juristische Person bezeichnet werden. Andererseits soll sie nach der Terminologie des Handelsgesetzbuches regelmäßig als Subjekt ge-

II. Elemente des Anspruchs

17

nommen werden. Diese Widersprüchlichkeit der gesetzlichen Regelung zwingt also zu einem Kompromiß, den die obenerwähnten Wendungen ebenfalls ausdrücken wollen. Wohl am elegantesten hat ihn Gareis (Handelsrecht, S. 162) formuliert. Nach ihm besitzt die OHG relative Rechtsfähigkeit. In einigen Relationen ist die Gesellschaft als Subjekt, in anderen hingegen sind die Gesellschafter als Subjekt zu nehmen. Maßgebend sind also vor allem die syntaktischen Anweisungen in den Sätzen des Gesetzes. Für schuldrechtliche Beziehungen gilt § 124 Abs. 1 HGB, wonach also z. B. der OHG die Ansprüche aus dem Kauf eines Lkw zustehen. Nach der Übereignung gehört der Wagen aber den Gesellschaftern zur gesamten Hand, § 718 BGB. Gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet der Halter dieses Lkw für Schäden beim Betriebe des Lkw, und das ist die OHG, denn es handelt sich um eine schuldrechtliche Beziehung. Der OHG können auch andere Rechte zugeordnet werden, z. B. Mitgliedschaftsrechte. Übrigens kann dem Anfänger nur geraten werden, keinesfalls in diesem Zusammenhang über das Wesen der juristischen Person nachzudenken, derartige Fragestellungen beruhen auf einer naiven Sprachauffassung, Sachfragen lassen sich auf diese Weise nie lösen. bb) Die Kommanditgesellschaft Für die KG gelten wegen § 161 Abs. 1 HGB die für die OHG getroffenen Feststellungen. bc) BGB-Gesellschaft Diese ist nach unbestrittener Ansicht nicht juristische Person. Syntaktisches Subjekt können also nur die Gesellschafter sein. Dennoch ergeben sich einige Schwierigkeiten, denn auch in der BGB-Gesellschaft wird mit dem Gesellschaftsvermögen ein Sondervermögen gebildet. Und es ist einsichtig, daß den Partnern der BGB-Gesellschaft im sozialen Kontakt u. U. auch das Gesellschaftsvermögen haften muß. § 736 ZPO verlangt hierfür ein vollstreckbares Urteil gegen alle Gesellschafter. Das sachliche Problem ist also bei OHG und BGB-Gesellschaft gleich, es wird auch auf die gleiche Weise gelöst, unterschiedlich ist nur die Syntax. Nach § 124 Abs. 1 und 2 HGB setzt die Vollstrekkung in das Sondervermögen eine Klage und einen Titel gegen die Gesellschaft voraus. Im Falle der BGB-Gesellschaft ist hingegen ein Titel gegen alle Gesellschafter notwendig. Ein Unterschied besteht indes. Bei der offenen Handelsgesellschaft wird in den wichtigsten Fällen des sozialen Kontaktes durch die Handlung eines Gesellschafters auch immer das Gesellschaftsvermögen ver2 Horn

18

§ 2 Formulieren der Frage (des Anspruchs)

pflichtet; für den vertraglichen Bereich wird das durch §§ 125, 126 HGB gesichert für den Bereich außervertraglichen Unrechts durch die Anwendung des § 31. Bei der BGB-Gesellschaft haften die Gesellschafter im Rahmen des Vertrages als Gesamtschuldner, sofern sie aus dem von einem anderen Gesellschafter abgeschlossenen Vertrag überhaupt verpflichtet worden sind, was wegen der Bestimmungen der §§ 167, 714, die die Existenz und den Umfang der Vollmacht vom Willen der einzelnen Gesellschafter abhängig machen, nicht immer sicher ist. Völlig unsicher ist die Haftung der Gesellschaft im Bereich außervertraglichen Unrechtes. Sieht man von dem trivialen Fall der gemeinsam begangenen unerlaubten Handlung (§ 830) ab, kommt es darauf an, ob die unerlaubte Handlung eines Gesellschafters den anderen Gesellschaftern zugerechnet wird. Da § 31 nach allgemeiner Ansicht ausscheidet, läßt sich die Haftung nur nach § 831 erreichen, und das dürfte auch früher die h. M. gewesen sein. Der Bundesgerichtshof hat jedoch die Haftung der Gesellschafter nach § 831 abgelehnt, da sie nicht im Sinne dieser Vorschrift abhängig seien (BGH NJW 1966 S.1808). Gerade in diesem Fall hätte es aber nahegelegen, für den geltendgemachten Schmerzensgeldanspruch auch das Gesellschaftsvermögen haftbar zu machen, denn der Anspruch war durch die nachlässige Ausführung einer Autoreparatur in einer von einer BGB-Gesellschaft betriebenen Werkstatt entstanden. Auf das aus § 736 ZPO folgende Problem ist der Bundesgerichtshof nicht eingegangen. Im Innenverhältnis sind dementsprechend Ansprüche von den oder gegen die Gesellschafter geltendzumachen; die Leistung geht jedoch in das Sondervermögen oder ist aus ihm zu erbringen. bd) Erkennen der Gesellschaftsform Wegen der soeben dargelegten syntaktischen Regeln ist es erforderlich, vor Formulierung des Anspruches die Art der Gesellschaft festzustellen. Keine Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung der Formen, die außer ihren Individualnamen auch den Klassennamen führen müssen: §§ 4 Abs. 1 AktG, 4 Abs. 2 GmbHG, 2, 3 Abs. 1 GenG, 65. Aus § 19 HGB folgt, daß die Unterscheidung der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft auf diese Weise nicht möglich ist. Da auch die BGB-Gesellschaft einen Individualnamen führen darf, muß im Einzelfall entschieden werden, welche der drei Gesellschaftsformen gegeben ist. Das einzuschlagende Verfahren ergibt sich aus der Tatsache, daß das Gesetz die OHG als Sonderform der BGB-Gesellschaft regelt und die KG wiederum als Sonderform der OHG. Die zusätzlichen Merkmale ergeben sich für die OHG aus der Bestimmung

11. Elemente des Anspruchs

19

des § 105 HGB. Während die BGB-Gesellschaft jedem Zweck dienstbar gemacht werden kann, setzt die OHG den Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes voraus, §§ 1 ff., 4 Abs. 2 HGB. Bei der Kommanditgesellschaft muß darüber hinaus die Haftung eines Gesellschafters beschränkt sein, die notwendigen Daten ergeben sich aus §§ 162, 172 Abs.1 HGB. be) Nicht rechtsfähige Idealvereine Die syntaktischen Probleme sind vielfältiger als bei den Personalgesellschaften. Zunächst besteht ein unlösbarer Widerspruch zwischen Zivilrecht und Prozeßrecht. Nach §54 kann der Verein nicht syntaktisches Subjekt sein, § 50 Abs. 2 ZPO hingegen bestimmt, daß er verklagt werden kann, was voraussetzt, daß der Verein als solcher verpflichtet sein kann. Nach der Syntax des Zivilrechts ist dieser Satz jedoch verboten. Lehre und Rechtsprechung haben sich weitgehend über die unpraktische Regelung hinweggesetzt. Bei vertraglichen Ansprüchen gegen den Verein wird das "Vereinsvermögen" als Subjekt genommen. Gebräuchlich ist die Formulierung: die Mitglieder haften nur mit dem Vereinsvermögen. Dadurch wird das Vermögen des Mitgliedes in Privatvermögen und Vereinsvermögen zerlegt, wodurch die persönliche Haftung des Mitgliedes ausgeschlossen wird. Es tritt also das gleiche Ergebnis ein wie bei einer juristischen Person, vgl. z. B. § 13 Abs. 2 GmbHG. Diese syntaktische Regel führt nur bei Geldansprüchen zu einer Lösung; sie versagt bei Ansprüchen, die auf eine Handlung oder Unterlassen gehen. Bei deliktischen Ansprüchen wird die persönliche Haftung der Mitglieder durch die entsprechende Anwendung des § 31 ausgeschlossen, wenn die unerlaubte Handlung von einem Organ begangen wurde (Staudinger-Coing, Randnr. 53 zu § 54). Bei Ansprüchen des Vereins wird der Anspruch den Mitgliedern zugeordnet; der Anspruch wird durch den Vorstand als Vertreter begründet (Vertragsschluß) und geltend gemacht. Schwierigkeiten kann die Syntax des Zivilrechtes nur dann bereiten, wenn das Recht ausnahmsweise dem Verein selbst zugeordnet wird, z. B. das N amensrecht. Hingegen entstehen beim Aktivprozeß prozessuale Schwierigkeiten. bf) Vorgesellschaften und nicht rechtsfähige Wirtschaftsvereine Vorgesellschaften entstehen notwendig, wenn die juristische Ontologie zwei konstnuierende Merkmale verlangt. Das ist der Fall, wenn die Eintragung in ein Register konstitutive Wirkung hat, denn neben

20

§ 2 Formulieren der Frage (des Anspruchs)

der Eintragung ist immer auch der Vertragsschluß erforderlich. Vorgesellschaften entstehen bei der Gründung der Aktiengesellschaft, der GmbH, der Genossenschaft, der OHG und der KG, sofern die beiden letzteren ein unter § 2 HGB gehörendes Handelsgewerbe betreiben. Gewöhnlich wird die Vorgesellschaft nur als Durchgangsstadium aufgefaßt. Demzufolge taucht u. a. die Frage auf, ob bereits in diesem Stadium die künftige Gesellschaft verpflichtet werden kann. Aus dieser Frage ergeben sich keine syntaktischen Probleme. Diese entstehen nur, wenn die Vorgesellschaft selbst als wirtschaftendes Gebilde genommen wird. Die anzuwendende Syntax hängt dann von der Art der Gesellschaft ab, entscheidet man sich für eine der oben behandelten Vereinigungsformen, ist auf die dafür gegebenen syntaktischen Regeln überzugehen. Diese Entscheidung ist für die Haftungsfrage bedeutsam. Z. B. hafteten nach § 11 GmbHG nur die Handelnden aus Geschäften, die im Namen der künftigen GmbH abgeschlossen worden sind. Nähme man hingegen die "Existenz" einer OHG an, die bei Grundhandelsgeschäften (§ 1 HGB) ohne Eintragung entsteht, so hafteten alle Gesellschafter persönlich, gleichgültig, ob sie als Handelnde anzusehen sind. Nach der z. Z. h. M. ist aber die Vorgesellschaft der aufgezählten JP nicht als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder nicht rechtsfähiger Verein anzusehen, sie soll vielmehr nach den Regeln der in Aussicht genommenen Gesellschaftsform behandelt werden, soweit diese nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzen. Aus dieser Anweisung läßt sich eine eindeutige syntaktische Regel nicht ableiten.

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet I. Vorbemerkung Am Anfang ist die zu suchende Vorschrift regelmäßig eine Anspruchsgrundlage. Zweckmäßigerweise sind in diesem Zusammenhang drei Punkte zu unterscheiden: 1. Kenntnis der Adresse, unter der die Vorschrift steht,

2. Feststellung des Inhaltes der gesuchten Vorschrift, 3. Kenntnis der AnwendungsregeL Die Feststellung des Inhaltes der gesuchten Vorschrift wird erst unter 5 und 6 behandelt; denn beim Ablauf der Untersuchung tritt an erster Stelle die Frage nach der Adresse auf. Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist im Anschluß das Problem der Anwendungsregel aufzugreifen. Es leuchtet ein, daß die Analyse einer Vorschrift dann überflüssig ist und verschwendete Arbeitszeit bedeutet, wenn aus einer Anwendungsregel folgt, daß die gefundene Regel für den gegebenen Sachverhalt als Anspruchsgrundlage ausscheidet. ß. Adressen 1. Bedeutung der Adressen

Der Anfänger erkennt häufig nicht, daß es notwendig ist, zumindest die Adressen wichtiger Vorschriften zu kennen. Lernbeflissen ist ihm der Inhalt des Gesetzes alles. Da er aber den Inhalt der Gesetze aus Lehrbüchern erlernt und trotz Aufforderung die erwähnten Vorschrif-. ten nicht nachschlägt, werden die Adressen nicht hinreichend eingeübt. Auf der nächsten Anwendungsstufe wiederholt sich das Problem, obwohl ihm die Streitfragen geläufig sind, kann er sie nicht dem richtigen Tatbestandsmerkmal zuordnen, aus dessen Auslegung die Streitfrage hervorgegangen ist.

22

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

2. Arten der Adressen a) Gesetzesname und Paragraph

Bei entwickelter Gesetzgebungstechnik ergibt sich die Adresse aus dem Namen des Gesetzes und der neben dem Rechtssatz geschriebenen Zahl. b) Individualnamen

Zur Erleichterung haben besonders wichtige Sätze oder Gruppen von Rechtssätzen außerdem einen Individualnamen, z. B. Kauf, unerlaubte Handlung. Diese Tatsache ist nicht unwichtig. Aus der Unterscheidung dieser beiden Arten von Adressen folgt nämlich, daß die Suche nach dem "zugrunde liegenden Rechtsverhältnis" vergeblich bleiben muß, wenn nur die unter a) verzeichnete Adresse besteht, denn die Frage nach dem Rechtsverhältnis meint immer die unter b) angegebene Adresse. Viele der gesetzlichen Rechtsverhältnisse haben jedoch keinen Individualnamen; sogar bei wichtigen Rechtsverhältnissen müssen Umschreibungen helfen: "das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer" für §§ 987 ff. Bisweilen spricht man sogar nur von einem gesetzlichen oder Legalschuldverhältnis, so hinsichtlich der Beziehungen, die anläßlich der Verpfändung zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger entstehen (Staudinger-Spreng, Vorbem. zu § 1204 Randn. 5). An die Beziehungen zwischen Pfandgläubiger und Eigentümer, falls nämlich der Verpfänder nicht Eigentümer ist, denkt man gewöhnlich nicht einmal. übrigens trifft diese Feststellung auch für manche vertraglichen Rechtsverhältnisse zu, so ist der schuldrechtliche Verpfändungsvertrag im Gesetz weder geregelt noch benannt (vgl. StaudingerSpreng, Vorbem. zu§ 1204, Randn. 5). 3. Suchtechnik

Da dem Anfänger die Rechtssätze und ihre Adressen unbekannt sind, obliegt ihm die mühevolle Aufgabe des Suchens - so dünkt es ihm jedenfalls. Mühsam und zeitraubend ist dieser Vorgang jedoch nur bei falscher Suchtechnik. Weder Blättern im Gesetz noch intensives Nachdenken sind effektiv. Obwohl es einem Anhänger der Wissenschaftlichkeit stupid erscheinen mag, am schnellsten führt die Durchsicht der mit Individualnamen versehenen Adressen zum Ziel, denn einfache Übungsaufgaben greifen vorwiegend auf dieses Repertoire zurück. Insofern ist also die Anweisung, das zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu bestimmen, in der Mehrzahl der Fälle durchaus richtig,

III. Anwendungsregeln

23

da mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nur diese Sätze heranzuziehen sind, die in der erwähnten Weise mit Namen versehen sind. Zur vorläufigen Bestimmung eines Rechtsverhältnisses genügt die durch die Alltagssprache vermittelte Vorkenntnis, denn die Rechtssprache folgt in fast allen Fällen diesem Sprachgebrauch des täglichen Lebens.

m.

Anwendungsregeln

1. Internationales Privatredlt

Am bekanntesten, für den Anfänger aber nur von geringer Bedeutung, sind die unter dem Namen internationales Privatrecht zusammengefaßten Vorschriften, die Fälle mit Auslandsberührung betreffen. Diese Berührungen ergeben sich aus· persönlichen oder räumlichen Anknüpfungen, so, wenn zwei Deutsche im Ausland die Ehe schließen oder wenn ein Ausländer in Deutschland die Ehe mit einer Deutschen eingeht. In derartigen Fällen wird der Richter durch eine Vorschrift des eigenen Rechtssystems (Art. 7-31 EGBGB) über das Anwendungsproblem informiert. Die Information kann sich darauf beschränken, den Anwendungsbereich des eigenen Rechtssystems, dem der urteilende Richter angehört, zu regeln (einseitige Kollisionsnormen). Diese Information genügt dann nicht, wenn das eigene Recht nicht anzuwenden ist, denn dann muß sofort die Frage nach dem maßgeblichen ausländischen Recht gestellt werden (vollkommene Kollisionsnormen). Es ist einsichtig, daß aus praktischen Gründen das zweite Verfahren vorzuziehen ist. Lehre und Rechtsprechung gestalten deshalb regelmäßig unvollkommene zu vollkommenen Anwendungsregeln um. 2. Riumlidle Geltung

In expliziter Form bestimmen sie, daß ein Rechtssatz in einem Gebiet gilt oder nicht gilt. Eine entsprechende Klausel enthalten derzeit alle Bundesgesetze, die (nicht) in Berlin übernommen werden sollen. Unter Umständen kann die Frage der räumlichen Geltung mit Sachfragen verbunden werden. So bestimmt § 6 Abs. 1 GWB, daß das Kartellverbot des § 1 GWB nicht für inländische Kartelle gilt, sofern sie lediglich Auswirkungen auf ausländische Märkte haben. 3. Zeitliche Geltung

Das sachliche Problem zeigt sich deutlich bei gesetzlichen Reformen. Hierbei kann es notwendig werden, Praktiken, die unter dem alten Gesetz erlaubt waren, auch für die Zukunft zu gestatten, obwohl sie das Reformgesetz verbietet. Ein derartiges Beispiel gibt die gesetz-

24

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

liehe Regelung der Mehrstimmrechtsaktien. Nach § 12 Abs. 2 des AktG von 1965 sind sie unzulässig, durch § 5 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz von 1965 werden aber vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geschaffene Mehrstimmrechtsaktien aufrechterhalten. Damit wurde die bereits in § 9 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz von 1937 geübte Technik fortgesetzt. 4. Anwendungsregeln ffir nebeneinander bestehende zivilrechtliebe Gesetze a) Vorbemerkung

Grundsätzlich taucht das Abgrenzungs- oder Anwendungsproblem immer dann auf, wenn hinsichtlich eines Anspruches oder einer Rechtsfrage Sätze aus mehreren Gesetzen in Betracht kommen. So ist z. B. das Warenzeichen nach den besonderen Vorschriften des Warenzeichengesetzes geschützt. Da aber dieses Bestandteil des Wettbewerbsrechtes ist, gelten auch die allgemeinen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und schließlich auch die des Bürgerlichen Gesetzbuches. Durch entsprechende Fallgestaltung läßt sich die Bedeutung der allgemeinen Gesetze zeigen. Der Inhaber eines nicht eingetragenen Warenzeichens, das wegen erlangter Verkehrsgeltung zu schützen ist, kann wegen §§ 15, 24 WZG nur Ansprüche nach dem UWG und BGB haben. Sowohl Warenzeichengesetz als auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb scheiden aus, wenn die Verletzung nicht im Wettbewerb geschieht, so, wenn der Verfasser eines Wörterbuches ein Warenzeichen wie einen gewöhnlichen Gattungsnamen erläutert, ohne auf den Warenzeichencharakter hinzuweisen, wodurch das Warenzeichen schutzlos werden kann. Hier ergibt sich der Schutz allein aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches; umstritten ist, ob § 12 oder § 1004 heranzuziehen ist. Wegen der Vielzahl der möglichen Kombinationen können nur jene behandelt werden, die wegen ihrer Häufigkeit von praktischer Bedeutung sind. In erster Linie ist die Abgrenzung des Bürgerlichen Gesetzbuches vom Handelsgesetzbuch zu nennen; außerdem tauchen im Wertpapierrecht einige Anwendungsprobleme auf. b) BGB-HGB

ba) Vorläufige Annäherung Nach traditioneller Lehre wird das Handelsrecht als Sonderrecht der Kaufleute bezeichnet. Daraus ergibt sich die Folgerung, daß das

III. Anwendungsregeln

25

Handelsgesetzbuch hinsichtlich des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Spezialgesetz darstellt. Unter Anwendung der Regel "lex specialis derogat legi generali" folgt weiter, daß die Vorschriften des Handelsgesetzbuches die des bürgerlichen Rechtes verdrängen. Eine derartige Deduktion führt den Anfänger jedoch in vielen Fällen zur falschen Vorschrift, denn diese Anwendungsregel trifft nur für verhältnismäßig wenige Fälle zu. Sie ist nur dann richtig, wenn BGB und HGB gleichzeitig einen hinreichend ähnlichen Tatbestand regeln, das HGB jedoch in der Absicht, die Regelung des BGB auszuschalten, an diesen Tatbestand eine abweichende Rechtsfolge knüpft. Diese Gestaltung ist die Ausnahme. Als Beispiele können insbesondere die folgenden Vorschriften dienen: § 343 § 771 §§ 765, 780, 781 § 246 § 288 -

§348 §349 § 350 §352 §353

HGB HGB HGB HGB HGB

Regelmäßig verhält es sich so, daß das Handelsgesetzbuch nur zusätzliche Regelungen gibt, was auch dann zutrifft, wenn eine Frage abweichend vom BGB entschieden wird. Das wird z. B. durch die singuläre Anwendungsregel des § 374 HGB für den Selbsthilfeverkauf klargestellt, auf den gleichzeitig die §§ 383 ff. und 373 HGB anzuwenden sind. Nach diesen einleitenden Bemerkungen kann festgestellt werden, daß das Anwendungsproblem nicht mit Hilfe einer einzigen Regel entschieden werden kann. Aus Zweckmäßigkeitsgründen ist es angebracht, die Anwendungsfrage für die drei Bücher des HGB getrennt zu behandeln. Explizite Anwendungsregeln bb) 3. Buch HGB- BGB Für das dritte Buch des HGB gelten vor allem zwei explizite Anwendungsregeln; hinzutreten implizite, die sich aus dem System ergeben. Zunächst bestimmt Art. 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum HGB: "In Handelssachen kommen die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches nur insoweit zur Anwendung, als nicht im Handelsgesetzbuch oder in diesem Gesetz ein anderes bestimmt ist." Aus den Bemerkungen unter 4. ba) ergibt sich, daß dieser Satz besser in folgender Weise zu lesen ist: 1. in Handelssachen kommen auch immer die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwendung,

26

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

2. das gilt nur dann nicht, wenn das Handelsgesetzbuch die Regelung des BGB ersetzen will. Die zweite allgemeine Anwendungsregel enthält § 345 HGB: "Auf ein Rechtsgeschäft, das für einen der beiden Teile ein Handelsgeschäft ist, kommen die Vorschriften über Handelsgeschäft für beide Teile gleichmäßig zur Anwendung, soweit nicht aus diesen Vorschriften sich ein anderes ergibt." Danach gilt für Nichtkaufleute, für deren Verträge das BGB sonst allein maßgebend wäre, zusätzlich auch das HGB. Der Grund ist hinsichtlich der Kommission, des Speditions-, des Lager- und des Frachtgeschäftes einsichtig; es handelt sich hierbei um gewöhnliche schuldrechtliche Verträge, die systematisch zugleich dem Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches angehören. Da sie aber ihren traditionellen Standort im HGB behalten haben, ist diese Verweisung erforderlich. Hinsichtlich des Handelskaufes scheint die Verweisung des § 345 HGB auf den ersten Blick nicht unbedingt erforderlich zu sein. Da aber die wichtigen §§ 377-379 HGB nur für beiderseitige Handelsgeschäfte gelten, betrifft die Verweisung lediglich die §§ 373, 375, 376 HGB. Diese Vorschriften entsprechen aber im sachlichen Inhalt weitgehend der Regelung des BGB, so daß die Verweisung keine große praktische Bedeutung hat. Von den allgemeinen Vorschriften über Handelsgeschäfte werden durch diese Verweisung nur wenige getroffen, denn: 1. die §§ 346, 352, 353, 369-372 HGB setzen ein beiderseitiges Handelsgeschäft voraus;

2. die §§ 347, 348, 349, 350 (351), 354, 367 HGB betreffen nur die Stellung des kaufmännischen Partners in einem Vertrage. 3. Die Verweisung gilt demnach eigentlich nur für die §§ 355-357 HGB, denn auch § 366 HGB gilt nur für die von einem Kaufmann vorgenommenen Veräußerungen. Implizite Anwendungsregeln Weitaus wichtiger für das Anwendungsproblem sind jene impliziten Regeln, die aus dem systematischen Verhältnis der beiden Gesetze folgen. Da das Handelsrecht ein Teil des Zivilrechtes ist, gelten die allgemeinen Sätze des Bürgerlichen Gesetzbuches über Willenserklärungen, den Vertragsschluß usw. auch für Handelsgeschäfte. Aus der systematischen Zugehörigkeit zum Schuldrecht folgt, daß auch dessen Regeln gelten. So geben die Vorschriften über den Handelskauf nur wenige zusätzliche oder abändernde Bestimmungen, im übrigen gelten

III. Anwendungsregeln

27

aber die Bestimmungen des Kaufes im BGB. § 373 HGB gilt neben §§ 383 ff., wie durch § 374 HGB klargestellt wird; das Verhältnis der Spezifikationsbestimmungen in § 375 HGB und § 315 wird regelmäßig nicht erörtert. Die Bestimmung über den Fixhandelskauf in § 376 HGB ersetzt die Bestimmung des § 361, unberührt bleibt aber der § 326. Die Bestimmung des § 377 HGB ersetzt die Parallelvorschrift des § 464, sofern Waren Gegenstand des Kaufvertrages sind. Die §§ 378, 379 HGB schließlich haben keine Entsprechung im BGB. Daraus folgt, daß die Vorschriften über den Handelskauf die Vorschriften des BGB kaum berühren, insbesondere ergeben sich die Voraussetzungen der Gewährleistungsansprüche allein aus dem BGB. Dieses Beispiel zeigt, daß die Vorschriften über den Handelskauf kein abschließendes Sonderrecht für den Kaufmann schaffen. Grundsätzlich ebenso verhält es sich bei den anderen einzelnen Handelsgeschäften; zwei Beispiele mögen genügen. Das Kommissionsrecht enthält keine Bestimmungen über das Rücktrittsrecht des Kommittenten; § 405 Abs. 3 HGB setzt aber voraus, daß der Kommittent widerrufen kann. Deshalb kann sich das Widerrufsrecht allein aus dem BGB ergeben. Dies wurde von den Verfassern des Gesetzes auch vorausgesetzt (Denkschrift, S. 232). Ob das Rücktrittsrecht aus § 675 in Verbindung mit§ 649 oder§§ 623, 627 folgt, hängt von der Beurteilung des vorgegebenen Kommissionsverhältnisses ab. § 429 HGB ordnet für den Fall der schuldhaften Beschädigung des F'rachtgutes durch den Frachtführer dessen Haftung an, gibt jedoch keine Bestimmungen für den gewiß seltenen Fall einer vom Frachtführer dem Partner zugefügten Körperverletzung. Hier ergibt sich die Haftung des Frachtführers aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung. bc) 2. Buch HGB- BGB Da die Personalgesellschaften des 2. Buches als Sonderformen der BGB-Gesellschaften angesehen werden, gelten neben den Vorschriften des HGB auch die des BGB. Dieser Grundsatz wird von den Anwendungsregeln in § 105 Abs. 2 HGB und § 161 Abs. 2 HGB explizite ausgesprochen. Aufgrund dieser Anwendungsregel ist allerdings nie eine Entscheidung möglich. Nur die Kenntnis der beiden nebeneinanderstehenden Regelungen erlaubt die Entscheidung der Anwendungsfrage. Somit verwandelt sich die einfache Anwendungsregel in einen Systemvergleich, der hier nicht vorgenommen werden soll.

28

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

bd) 1. Buch HGB- BGB Für dieses gilt die allgemeine Anwendungsregel des Art. 2 EGHGB, deren Bedeutung sich im einzelnen Fall aus dem jeweiligen Zusammenhang ergibt. Keine Anwendungsprobleme tauchen bei den Vorschriften auf, die einer Person das Prädikat "ist Kaufmann" zuordnen. Vorschriften, die den sozialen Kontakt betreffen, gelten selbstverständlich auch zugunsten der Nichtkaufleute. § 25 Abs. 1, S. 1 HGB tritt neben § 419, § 27 HGB neben § 1967, jedoch wird die im BGB mögliche Haftungsbeschränkung gemäß § 1975 durch § 27 Abs. 2 HGB ausgeschlossen. Verschränkt mit den Bestimmungen des BGB sind die des HGB über die Handlungsvollmacht und Prokura. So setzt § 54 Abs. 1 HGB die Vertretungsmacht voraus, die gemäß § 167 erteilt worden ist. § 54 Abs. 1 HGB regelt demzufolge nur den Umfang der Befugnisse (typisierte Vollmacht). Die Prokuraerteilung wird in erster Linie durch § 48 HGB geregelt, daneben ist aber auch § 167 zu berücksichtigen, da § 48 HGB nicht bestimmt, wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist. Für Handlungsgehilfen, Handelsvertreter und Handelsmakler gelten neben den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches die des BGB. Welche Vorschrift jeweils heranzuziehen ist, ergibt sich nur aus einem Systemvergleich. be) Schlußbemerkung Aufgrund der bisherigen Ausführungen kann gesagt werden, daß es nicht angebracht ist, das Handelsrecht als Sonderrecht der Kaufleute zu kennzeichnen. Dadurch wird der Eindruck zweier wohl geschiedener Gebiete hervorgerufen. Tatsächlich sind aber die beiden Gesetze in vielfacher Weise miteinander verbunden.

c) WechselG-BGB Auch das Wechselrecht ist Bestandteil des Zivilrechtes, deshalb gelten zunächst alle allgemeinen Sätze des BGB auch für den Wechsel. Neben diesen trivialen Fällen bestehen einige wichtigere Anwendungsprobleme. ~ T;l': Explizite verweist Art. 11 Abs. 2 WG wegen der Übertragung des Namenswechsels auf §§ 398 ff. und schließt die Vorschriften des Wechselgesetzes aus. Implizite gebieten die Art. 8 und 32 Abs. 2 WG die Nichtanwendung von § 179 beziehungsweise die Nichtgeltung des in § 765 BGB enthaltenen Grundsatzes der Akzessorietät. Für die Falltechnik wichtiger sind aber die impliziten Art. 17 WG betreffenden Anwendungsregeln. Art. 17 macht eine Ausnahme von

III. Anwendungsregeln

29

§ 404. Diese Vorschrift schützt den Schuldner im Falle der Abtretung einer Forderung. Seine Stellung soll durch die ohne sein Einverständnis vornehmbare Abtretung nicht verändert werden, deshalb kann er dem neuen Gläubiger gegenüber sich mit denselben Einwendungen und Einreden verteidigen, die ihm gegenüber dem alten Gläubiger zustanden. Das genaue Gegenteil ordnet Art. 17 WG an. Um die Umlaufsfähigkeit einer Forderung zu erreichen, muß der Erwerber der Forderung vor Einreden des Schuldners gegen den alten Gläubiger geschützt werden. Diesen Grundsatz spricht Art. 17 WG aus. Eine einzige und selbstverständliche Ausnahme wird dann gemacht, wenn der Gläubiger keinen Schutz verdient, weil er bewußt zum Nachteil des Schuldners handelt. Aus diesem Zusammenhang ergeben sich verschiedene Anwendungsregeln:

1. Ist der Wechsel als Namenspapier ausgestellt, infolgedessen gezeigt worden, daß er nicht für den Umlauf bestimmt ist, gilt allein § 404, wie aus Art. 11 Abs. 2 WG folgt.

2. Endet die Umlaufsfähigkeit, weil der Wechsel zu Protest gegangen ist, gilt wiederum § 404, was sich aus Art. 20 Abs. 1 S. 2 WG ergibt. 3. Ist der Wechsel als Orderwechsel ausgestellt, infolgedessen für den Umlauf bestimmt, jedoch nicht durch Übereignung und Indossament, sondern nur durch Abtretung und Übergabe übertragen worden, so gilt ebenfalls § 404. 4. Trotz der Eigenschaft "Orderwechsel" und gehöriger Übertragung (§ 929 BGB, Art. 14 Abs. 1 WG) gilt § 404, wenn das Papier nicht mehr zum Umlauf geeignet war, weil die Indossamentenkette durch Abtretung unterbrochen ist, anders nach h. M. bei einer Unterbrechung durch Erbfall.

d) ScheckG- BGB Auch im Scheckrecht gelten die allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechtes; eine Betrachtung dieser Fälle ist nicht erforderlich. Zu beachten sind vor allem die mit der Annahme des Schecks zusammenhängenden Anwendungsfragen. Zum Verständnis dieses Komplexes ist vorauszuschicken, daß

1. der Scheck ebenso wie der gezogene Wechsel als Anweisung konstruiert ist. Schuldner ist danach der Angewiesene, da er aber nicht durch die Willenserklärung eines anderen verpflichtet werden kann, tritt die Verpflichtung des Angewiesenen erst aufgrund einer eigenen Willenserklärung (Annahme) ein;

30

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

2. beim Scheck aus verschiedenen Gründen die Annahme verboten ist (Art. 4 ScheckG). Die bezogene Bank kann auch nicht durch eine Bürgschaft oder Indossament ihre Verpflichtung erreichen (Art. 15 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2 ScheckG). Auf scheckrechtliche Weise kann also die Verpflichtung der Bank nicht erzielt werden. Obwohl die zuletzt genannten Vorschriften klar erkennen lassen, daß die Umgehung des Annahmeverbotes verhindert werden soll, wird allgemein angenommen, daß die Verpflichtung der Bank nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen möglich ist (Bürgschaft, Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis, Garantievertrag). Daraus ergibt sich das Problem, ob eine bestimmte Praktik nach scheckrechtlichen oder bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu beurteilen ist. Allgemein anerkannte Kriterien sind noch nicht aufgestellt worden. In der Vergangenheit bestand hierfür auch kaum Anlaß, da nur Einzelfälle zu entscheiden waren. Durch die von der Bundesbank als Aufsichtsbehörde gebilligte Einführung der Scheckkarte haben die Geschäftsbanken implizite die Hoffnung ausgedrückt, daß die Abgabe der Verpflichtungserklärung auf einer zweiten Urkunde neben dem Scheck die Beurteilung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nahelegt oder sogar erzwingt. Es ist evident, daß dies ein rein formales Kriterium ist, von dem die Beurteilung nie abhängig gemacht werden kann. Ein weiteres Anwendungsproblem ergibt sich aus dem Verbot, den Scheck innerhalb der Vorlegungsfrist zu widerrufen, Art. 32 Abs.l ScheckG, wohingegen nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der Widerruf die Bank verpflichtet. 5. Anwendungsregeln innerhalb des BGB a) Vorbemerkung

Bei umfangreichen Kodifikationen ist es leicht möglich, daß eine Sache unter verschiedenen Gesichtspunkten geregelt ist. Selbst wenn dies nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben sollte, kann doch die allgemeine Fassung der Tatbestände diese Beurteilung veranlassen. So kann die Perforierung der Wange eines Patienten durch die nachlässige Handhabung des Bohrers während der Behandlung den Zahnarzt sowohl unter dem Gesichtspunkt vertraglicher Pflichtverletzung als auch unter dem der unerlaubten Handlung verantwortlich machen. Der Anfänger neigt in derartigen Fällen zu der Vermutung, daß der Fall ausschließlich nach einem einzigen Tatbestand zu behandeln

III. Anwendungsregeln

31

sei. Seine Zweifel sind nicht gänzlich unbegründet, denn in der Vergangenheit hat die Rechtsprechung und Lehre anläßlich des erwähnten Beispiels ebenfalls gezögert, gleichzeitig Vertragsgrundsätze und das Recht der unerlaubten Handlung anzuwenden. Insbesondere stellt sich der Zweifel ein, wenn die Tatbestände zu unterschiedlichen Ergebnisse führen. Der Anfänger neigt dann dazu, kurzerhand eine Regel aufzustellen, die besagt, der eine Tatbestand schlösse den anderen aus. Das ist klassenlogisches Denken, das jedem Angehörigen einer Sprachgemeinschaft durch die Sprache selbst vorgegeben ist. Und gewöhnlich folgt jeder im Kommunikationssystem blind dieser Regel, wofür der Sprachwissenschaftler Whorf (Language, 135 f.) aus seiner Praxis als Versicherungsingenieur einige Beispiele erwähnt. In einer Brennerei verwendetes Material wurde von den Arbeitern fälschlicherweise für unhrennbar gehalten, denn sein Name endete auf Stein. Das Beispiel zeigt, daß der so wichtige Grundsatz klassenlogischen Denkens Ausnahmen erfährt. Deshalb gilt für zahlreiche Tatbestände, die unter verschiedenen Individualnamen zusammengeiaßt sind, daß sie sich nicht gegenseitig ausschließen. Die Bedeutung dieses Grundsatzes tritt insbesondere d.:.nn hervor, wenn die verschiedenen Tatbestände zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So müßte der nach vertraglichen Grundsätzen haftende Zahnarzt zwar die entstandenen Arztkosten ersetzen, jedoch wäre er nicht zur Leistung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, denn die Bestimmung des § 253 schließt einen Geldersatz wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, grundsätzlich aus. Ein Geldersatz kann nur dann verlangt werden, wenn das Gesetz ihn ausnahmsweise gewährt. Eine derartige Ausnahme wird durch die Bestimmung des § 847 gemacht, aus dem Kontext ergibt sich jedoch, daß dieser Schmerzensgeldanspruch eine unerlaubte Handlung voraussetzt. Da der Zahnarzt nach dem erwähnten Grundsatz auch aus unerlaubter Handlung in Anspruch genommen werden kann, steht dem Patienten der Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Aus methodischen Gründen ist der Grundsatz, daß eine Vorschrift die andere verdränge, als Ausnahme zur vorherigen Regel aufzufassen. Die Ausnahme wird gewöhnlich mit dem Vorrang der speziellen gegenüber einer allgemeinen Regelung erklärt. Nur in relativ wenigen Fällen ist jene Ausnahme explizite im Gesetz selbst ausgesprochen. In der Mehrzahl der Fälle ergibt sie sich implizite aus dem Systemzusammenhang. Aus diesem Grunde ist es also erforderlich, sich für jede Vorschrift die zugleich bestehenden Anwendungsregeln einzuprägen. Bisweilen sind sie von den sonstigen Erläuterungen abgesondert und unter dem Leitwort "Anwendungsbereich" aufgeführt.

32

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

b) Explizite Anwendungsregeln

Explizite Anwendungsregeln sind die Ausnahme. So bestimmt § 54: ,.Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung." Dadurch ist gleichzeitig festgestellt, daß die des Vereinsrechtes ausgeschlossen sind. Weniger klar sind die in §§ 992, 993 gegebenen Anwendungsregeln. Zwar sagen sie mit hinreichender Deutlichkeit aus, daß in gewissen Fällen ausschließlich die Regeln der §§ 987 ff. anzuwenden sind, machen aber diese Anordnung von dem Inhalt verschiedener Vorschriften abhängig. Bestimmte Voraussetzungen - z. B. "guter Glaube" - können, isoliert genommen, überhaupt nicht verstanden werden; das Verständnis erschließt sich erst beim Studium des Systemzusammenhanges. Damit verwandelt sich die einfache Anwendungsregel in einen komplizierten Systemvergleich, was übrigens zeigt, daß in einem entwickelten und differenzierten Rechtssystem Sachprobleme nicht durch einfache Anwendungsregeln gelöst werden können. So hat sich gezeigt, daß das mit §54 verfolgte Ziel, unerwünschte Vereine fernzuhalten, auf diesem Wege nicht erreichbar ist, denn Lehre und Rechtsprechung haben in vielen Fällen die Sätze des Vereinsrechtes auf nicht rechtsfähige Vereine angewandt. c) Implizite Anwendungsregeln

Weitaus wichtiger sind die impliziten Anwendungsregeln, die sich aus dem System ergeben. An erster Stelle stehen diese, die aus dem Kontext folgen. Dieser Sachzusammenhang ergibt sich für das BGB aus der Gliederung in einzelne Bücher, Abschnitte und Titel. Aus dieser Differenzierung lassen sich vor allen Dingen zwei Folgen ableiten. Es kann angenommen werden, daß Rechtssätze, die sich mit einem bestimmten Gegenstand befassen, grundsätzlich an einer Stelle zusammengeiaßt sind. Die zweite Folgerung ergibt sich aus klassenlogischem Denken. Danach dürfen Regeln verschiedenen Inhaltes grundsätzlich nicht miteinander kombiniert werden, so ist z. B. die Kombination des § 985 mit der Bestimmung des § 281, da sie im Schuldrechte steht, verboten. Beide Grundsätze erlauben jedoch zahlreiche Ausnahmen, vgl. die Bemerkungen zu 5. b). Unter Umständen muß sogar die im System versuchte Differenzierung korrigiert werden. Aus begrifflichen und sachlichen Gründen wird Schuldner- und Gläubigerverzug an zwei Stellen und in unterschiedlicher Weise geregelt. Klassenlogisches Denken erzwingt die Folgerung, daß die beiden Regelungen sich ausschließen. Dieser Gedanke ist jedoch einfach unrichtig, weil die dem Gesetzgeber vorge-

III. Anwendungsregeln

33

gebenen Deskriptionstechniken eine derartige Unterscheidung nicht ermöglichen. Begibt sich der Käufer vereinbarungsgemäß zum Verkäufer, um die gekaufte Sache abzuholen, und streckt er die Hand aus, um die dargebotene Sache zu ergreifen, kann auch ein scharf perzipierender Wissenschaftler nicht feststellen, ob die Gläubiger- oder Schuldnerband ausgestreckt ist; vielmehr kann der Vorgang unter beiden Gesichtspunkten betrachtet werden. Demzufolge kann der Verkäufer bei Verspätung des Käufers einen Anspruch auf daraus entstandene Verwahrungskosten entweder nach § 304 oder § 286 Abs. 1 haben. Eine weitere Parallele besteht im Falle eines anderweitigen Verkaufs durch den Verkäufer. Unter der Voraussetzung, daß die Abnahme im gegebenen Falle eine Hauptpflicht darstellt, kann der Verkäufer seinen Schaden konkret durch einen Deckungsverkauf ermitteln. Die Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und Erlös ist der vom Käufer zu ersetzende Schaden (§ 326). Das gleiche Ergebnis folgt aus den Vorschriften über den Annahmeverzug. Nach § 373 HGB kann der Verkäufer die Ware auf Rechnung des Käufers verkaufen, den Erlös darf er behalten und auf die Kaufpreisschuld verrechnen. Soweit der Erlös die Kaufpreisforderung nicht deckt, bleibt diese bestehen. Ebenso gestattet § 383 den Selbsthilfeverkauf. Obwohl das Gesetz für diesen Fall keine Regelung gibt, gestattet die h. M. dem Verkäufer die Aufrechnung mit seiner Kaufpreisforderung. Wiederum kann der Mindererlös vom Verkäufer verlangt werden. Das Sachproblem ist also in den Bestimmungen über Schuldnerund Gläubigerverzug gleichartig geregelt. Regelmäßig ist ein entsprechender Fall unter beiden Gesichtspunkten zu erörtern, wobei unbedingt auf terminologische Präzision zu achten ist, was für die h. M. einfach daraus folgt, daß Gläubiger- und Schuldnerverzug begrifflich verschieden sind (vgl. z. B. Larenz § 24 I Anm. 1, S. 292, gegen Leonhardt gewendet sagt Larenz, die in § 295 verlangte Aufforderung dürfe nicht Mahnung genannt werden, der die Erinnerung an eine nicht erfüllte Pflicht wesentlich sei). Diese wenigen Beispiele zeigen hinlänglich, daß auf den Kontext also kein sicherer Verlaß ist. Er kann nur einen ersten Anhaltspunkt geben. Die Entscheidung ist aber erst nach einem Systemvergleich möglich, der vom Inhalt der verschiedenartigen in Betracht kommenden Vorschriften ausgehen muß. Der Anwendungsbereich einer Vorschrift ergibt sich demnach: 1. aus den Voraussetzungen der Vorschrift, die der Urteiler heran-

ziehen will, und 2. aus dem Inhalt anderer Vorschriften, an die bei der Lösung leider gerade nicht gedacht wird. 3 Horn

34

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

Daraus scheint wegen der Vielzahl der denkbaren Kombinationen eine unüberschaubare Zahl von Anwendungsregeln zu folgen. Indes führt keineswegs jede Kombination zu einem Anwendungsproblem, weshalb der Anfänger bei gewöhnlichen Fällen mit einer überschaubaren Zahl von Anwendungsregeln auskommt. Einige der wichtigsten sollen im folgenden aufgeführt werden. ca) § 31 - § 831 Aus Inhalt und Entstehungsgeschichte des § 31 folgt, daß diese Bestimmung für alle juristischen Personen des Privatrechtes gilt. Die Schaffung hat einen rechtspolitischen und einen ontologischen Anlaß, Eine anthropomorphe Betrachtungsweise faßt die juristische Person als handelnde Person auf. Die Handlungsfähigkeit wird mit dem Besitz von Organen erklärt. Dadurch schließen sich § 31 und § 831 aus, denn die für § 831 geforderte Abhängigkeit des Gehilfen ist beim Organ nicht gegeben. cb) § 31 -

vertragliche Haftung

Ohne praktische Bedeutung, aber dennoch zu behandeln, ist die Anwendung des § 31 für die vertragliche Haftung der juristischen Person aus schuldhaftem Verhalten des Vorstandes. Nach herrschender, jedoch bestrittener Ansicht gilt § 31 nur für außervertragliche Schadenersatzpflichten; Hauptanwendungsfall ist die unerlaubte Handlung. Die h. M. kann sich hierfür auf die Entstehungsgeschichte stützen, denn bereits vor dem Inkrafttreten des BGB hatte das Reichsgericht (Bd. 8, S. 236) ausgesprochen, daß die juristische Person jedenfalls für die Erfüllung der aus Kontraktverhältnissen entspringenden Verpflichtungen hafte und den Vertragspartner nicht an den Vertreter der juristischen Person verweisen könne.. Umstritten blieb jedoch die Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen, denn hier tauchte die Frage nach der Handlungsfähigkeit der juristischen Person auf, die wie alle anderen ontologischen Feststellungen über die juristische Person das juristische Interesse fand. Bei Verträgen hat die juristische Person demnach für das Verschulden ihrer Angestellten nach § 278 einzustehen. Ob § 278 auch für das Verschulden des Organs heranzuziehen ist, wird wegen der Festsetzung in § 26, "er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters", bezweifelt, danach wäre er als Organ anzusehen, dessen Verschulden die juristische Person als eigenes trifft, was zur Anwendung des § 276 führte (vgl. dazu Staudinger-Werner, Randn. 102 vor § 276).

III. Anwendungsregeln

35

cc) §§ 31, 89- § 839, Art. 34 GG Die beiden Haftungsgrundlagen schließen sich aus. Die erste Kombination (§§ 31, 89) betrifft den Bereich fiskalischen Handelns, die zweite Kombination (§ 839, Art. 34 GG) den Bereich hoheitsrechtliehen Handelns. Aus der Gleichstellung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit denen des Privatrechts folgt, daß die §§ 31, 89 nicht mit § 839 kombiniert werden dürfen, da der rechtspolitische Grund der subsidiären Haftung im fiskalischen Bereich nicht besteht. Vielmehr haftet der Staat für jede Handlung, die nach den allgemeinen Vorschriften als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist (§ 823). Die persönliche Haftung des Beamten im fiskalischen Bereich ergibt sich nach herrschender Meinung jedoch nicht aus §§ 823 ff., sondern allein aus § 839. Im hoheitlichen Bereich ist die persönliche Haftung des Beamten im Regelfall durch die Haftung des Staates ersetzt (Art. 34 GG). cd) § 164 -

§ 185

Das Anwendungsproblem entsteht z. B. bei der Übertragung von Gegenständen. Ein im Rahmen seiner Befugnisse handelnder Vertreter kann eine Sache mit Wirkung gegen den bisherigen Eigentümer übertragen. Die gleiche Wirkung tritt ein bei der Verfügung eines Nichtberechtigten, die mit Zustimmung des Berechtigten erfolgt. Während eine nach § 185 erteilte Einwilligung Verfügungsmacht verleiht, erlangt der Bevollmächtigte Vertretungsmacht. Demzufolge handelt der Vertreter im fremden Namen, der Ermächtigte jedoch im eigenen (vgl. Staudinger-Coing zu § 185, Randn. 4 a. E.). Da die Unterscheidung im einzelnen Falle nicht möglich ist, weil z. B. der Ermächtigte den Namen des Auftraggebers preisgeben kann, legen Lehre und Rechtsprechung den § 366 HGB extensiv aus. Nicht nur der im Gesetz genannte Glaube an die Verfügungsmacht wird geschützt, sondern auch der gute Glaube an das Bestehen einer Vertretungsmacht. Ansonsten ist die Zuordnung unproblematisch, da sie vom Gesetz vorgegeben ist. Kaufmännisches Personal kann wegen der §§ 48 ff., 54 ff. HGB nur Vertreter sein, womit § 185 ausgeschlossen ist. Andererseits wird in § 383 HGB vom Kommissionär gesagt, daß er im eigenen Namen handelt, so daß § 185 heranzuziehen ist. Die Bemerkungen gelten für § 362 entsprechend; eine Zahlung an den Vertreter des Gläubigers befreit deshalb nicht nach § 362 Abs. 2, vielmehr gilt § 362 Abs. 1 in Verbindung mit § 164, §§ 54 Abs. 1, 55

36

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

Abs. 3 HGB. Daß die Entgegennahme des Geldscheines eine Tathandlung darstellt, die eigentlich die Anwendung des für Willenserklärungen entwickelten Denkmodells "Vertretung" ausschlösse, ist in diesem Zusammenhang nicht zu beachten. ce) § 164 -

§ 278 -

§ 831 -

§ 855

Der Anfänger verwechselt gelegentlich die genannten Vorschriften. Diese wird durch eine naive Sprachauffassung veranlaßt. Vom klassenlogischen Denken geleitet, glaubt er, das Personal eines Kaufmanns in Vertreter, Erfüllungsgehilfen usw. einteilen zu können. Wie schon bei der Erläuterung des Schuldner- und Gläubigerverzuges gezeigt wurde, führt klassenlogisches Denken häufig zu unrichtigen Ergebnissen. Wenn berücksichtigt wird, daß diese Gattungsnamen lediglich verschiedene Funktionen einer Hilfsperson meinen, wird deutlich, daß einem Menschen alle diese Funktionen zukommen können. Der angestellte Verkäufer handelt bei Abschluß des Vertrages als Vertreter; gibt er die Bestellung des Kunden nicht in den Geschäftsgang, so hat der Kaufmann für sein Verschulden nach § 278 einzustehen; ist die Pflichtverletzung des Angestellten gleichzeitig als unerlaubte Handlung zu werten, ist der Kaufmann nach § 831 ersatzpflichtig; nimmt der Angestellte schließlich den Kaufpreis entgegen, so ist er hinsichtlich des Scheines Besitzdiener (§ 855). cf) Bote § 120 -

Vertreter

§ 166 Abs. 1

Aus klassenlogischen Gründen schließen sich die Vorschriften aus, denn im Falle des § 120 wird ein Bote, im Falle des § 166 Abs. 1 hingegen ein Vertreter vorausgesetzt. Da die Folge der klassenlogischen Unterscheidung eine verschiedenartige Regelung der Irrtumsanfechtung bei Verwendung von HUfspersonen ist, wird es erforderlich, unterscheidende Merkmale anzugeben. Notwendigerweise treten hierbei erhebliche Schwierigkeiten auf; insbesondere erweist sich das Maß der Handlungsfreiheit als ungeeignetes Kriterium. Zwar wird der Bote meist keinen Spielraum haben, aber auch der Vertreter kann im Einzelfall ohne Abweichungsmöglichkeit an eine bestimmte Marschroute gebunden sein. Deshalb ist in zweifelhaften Fällen die soziale Bewertung ausschlaggebend. Der von der Ehefrau ausgeschickte Ehemann, der auf eine bestimmte Erklärung funktioniert worden ist, kann deshalb nicht als Bote der Frau angesehen werden (vgl. Staudinger-Coing, Vorbem. 27 zu § 164).

III. Anwendungsregeln

37

Zweifelsfälle sind indes nicht allzu zahlreich, da für typische Situationen Gesetz und Lehre Zuordnungen vorgenommen haben. Wegen der §§ 48, 54 Abs. 1, 55 Abs. 1, 75 g, 91 Abs. 2 HGB ist das gesamte kaufmännische HUfspersonal mit dem Ausdruck "Vertretung" verbunden. Demzufolge nimmt eine an das Telefon geeilte Daktylo die für den Kaufmann bestimmte Nachricht nicht als Botin, sondern als Vertreterin entgegen. Zu beachten ist auch § 165, da danach Geschäftsunfähige nicht Vertreter sein können. cg) § 243 Abs. 2 -

§ 300 Abs. 2

Das Anwendungsproblem ergibt sich daraus, daß beide Vorschriften für die Bestimmung des Gefahrüberganges herangezogen werden können. Für § 243 Abs. 2 folgt das daraus, daß alsdann von § 279 auf § 275 überzugehen ist. Da diese Bestimmungen die Leistungsgefahr meinen, § 300 Abs. 2 jedoch nur von Gefahr spricht, womit sowohl die Leistungsgefahr als auch die Preisgefahr gerneint sein kann, ist vorab festzustellen, welche Gefahr gerneint ist. Leistungsgefahr meint die in § 279 angeordnete Pflicht zur Leistung, obwohl dem Schuldner die Leistung z. B. durch Brand unmöglich geworden ist. Wirtschaftliche Nachteile bringt diese Pflicht dem Schuldner vor allem dann, wenn die Wiederbeschaffung der Ware nur zu einem relativ höheren Preis möglich ist, denn den Nachteil aus dem Verlust der Ware hat er selbstverständlich selbst zu tragen, auf jeden Fall bis zum Zeitpunkt der Konzentration, was aus dem Zusammenhang der §§ 275, 323, 446, 447 folgt. Der Ausdruck "Preisgefahr" bezieht sich auf die nur bei gegenseitigen Verträgen auftauchende Frage, ob der Gläubiger die Gegenleistung erbringen muß. Aus der Regel des § 323 Abs. 1 folgt die Selbstverständlichkeit, daß der Gläubiger nur dann leisten muß, wenn der Schuldner bereits geleistet hat und nun der Gläubiger der Leistung verlustig geht. Von dieser Grundregel werden verschiedene Ausnahmen gemacht. Für Gattungsschulden sind nur die §§ 324 Abs. 2, 446, 447 relevant. Da die relativ genaue Regel des § 324 Abs. 2 den Fall des Annahmeverzuges trifft, nimmt die h. M. an, daß § 300 Abs. 2 nur die Leistungsgefahr meinen könne, woraus das Anwendungsproblern folgt. Geht man nicht vom Gesetz, sondern von den denkbaren Situationen aus, kann die Erörterung auf Kaufverträge beschränkt werden, denn Gattungsschulden werden vor allem in Kaufverträgen vereinbart. Weiterhin können Handkäufe ausgeschieden werden. Es bleiben also jene Gattungskäufe, in denen Käufer und Verkäufer räumlich

38

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

getrennt sind. Da in diesem Fall wegen der unterschiedlichen Regelung der Transportpflicht Bring-, Schick- und Holschulden zu unterscheiden sind, ist die Konzentrationsfrage für jeden Fall gesondert zu betrachten. (1) Nach der Regel des § 243 Abs. 2 obliegt bei Bringschulden in diesem Fall dem Verkäufer der Transport, und weiterhin muß er dem Käufer die Ware anbieten. Nach der Regel des § 294 tritt der Annahmeverzug bei tatsächlichem Angebot ein. Die beiden Vorschriften führen zu demselben Ergebnis. (2) Bei Schickschulden ergibt sich aus § 243 Abs. 2, daß der Verkäufer den Transport zu veranlassen hat. Dies wird durch die Regelung des § 447 bestätigt. Den §§ 293 ff. ist für diesen Fall keine Regel zu entnehmen; in diesem Fall besteht also kein Anwendungsproblem. (3) Erscheint bei Holschulden der Gläubiger nicht, so könnte es scheinen, daß die explizite auf Holschulden bezügliche Regelung der §§ 295/6 heranzuziehen sei. Die h. M. verneint dies jedoch. Im Falle der Aussonderung, Bereitstellung und Benachrichtigung des Gläubigers leitet sie die gleichzeitige oder sogar früher eintretende Konzentration aus § 243 Abs. 2 ab. Die zeitliche Differenzierung hängt davon ab, ob die Aufforderung als empfangsbedürftige oder nur abzusendende Erklärung aufgefaßt wird. Hinsichtlich des § 296 kann allerdings kaum von einer h . M. gesprochen werden. Nach dieser Bestimmung ist ein wörtliches Angebot nicht erforderlich, wenn für die Vornahme der Obliegenheit "Abholen" eine Zeit bestimmt ist. Diese Regel in § 243 Abs. 2 zu projizieren, geht nicht an. Deshalb ist in diesem Falle der Gefahrübergang allein aus §§ 296, 300 abzuleiten. Von Staudinger-Werner (Randn. 12 zu § 300) .wird das verneint, denn § 300 setze ein Angebot voraus. Diese auf den Wortlaut gestützte Ansicht berücksichtigt nicht den Sinnzusammenhang; Larenz läßt die Frage unentschieden (§ 24 II b, S. 296). Weiterhin ist der Gefahrübergang bei Bring- und Schickschulden aus § 300 Abs. 2 abzuleiten, wenn der Gläubiger erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen (§ 295 1. Alternative). eh) § 279 - §§ 275, 280, 281

Ist dem Schuldner die Leistung unmöglich geworden, kann er dennoch zur Leistung verpflichtet sein, wenn nämlich nur eine Gattungsschuld vereinbart worden war und die Leistung aus der Gattung noch möglich ist (§ 279). Bei Speziesschulden kann er die Leistung nicht erbringen, denn geschuldet war nur das "vernichtete Objekt". Ist ihm aus diesem Grunde jedoch ein Ersatz zugeflossen, muß er diesen her-

III. Anwendungsregeln

39

ausgeben (§ 281). Ist ihm wegen der Vernichtung ein Schuldvorwurf zu machen, kann der Gläubiger Schadenersatz verlangen (§ 280 oder § 325). Auch bei Gattungsschulden entfällt die Leistungspflicht, wenn die Auslegung des Vertrages ergibt, daß der Produzent-Verkäufer nur willens war, aus seiner eigenen Produktion zu liefern (beschränkte Gattungsschuld), und diese insgesamt vernichtet worden ist. Da es sich immer noch um eine Gattungsschuld handelt, folgt die Leistungsfreiheit aus § 279. ci) §§ 275 ff. -

§§ 323 ff.

Ein Anwendungsproblem besteht nicht, da aber in den ersten Anfängen bisweilen die Vorschriften falsch genommen werden, soll das Verhältnis einbezogen werden. Falsch wäre die Vermutung, daß die allgemeinen Vorschriften der §§ 275, 279, 281 durch die Sondervorschriften für den gegenseitigen Vertrag verdrängt würden. Vielmehr gelten diese Vorschriften auch für gegenseitige Verträge. Um Wiederholungen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in den §§ 275 ff. für alle Schuldverhältnisse den Einfluß der .,Unmöglichkeit" auf die Pflichten des Schuldners, dem die Leistung unmöglich geworden ist, festgelegt. Die Vorschriften der §§ 323, 324 beschränken sich daher auf eine Frage, die nur bei gegenseitigen Verträgen auftauchen kann: Der Einfluß der Unmöglichkeit auf die Gegenleistung. Daraus folgt, daß § 281 bei gegenseitigen Verträgen direkt gilt. Die h. M. nimmt dagegen im Falle des § 325 an, daß erst die Verweisung des S. 3 den Anspruch aus § 281 BGB gewährt (Palandt, Anm. 8 zu § 325 BGB, .,Er kann daher den Ersatz des § 281 verlangen, ... "). Diese Begründung ist überflüssig, denn sie entspricht nicht dem System. Nur § 325 ist eine - ansonsten inhaltsgleiche - Sonderregel gegenüber § 280. § 280 wird auch in anderen Fällen durch Sondervorschriften ersetzt, vgl. §§ 287 S. 2, 347, 818 Abs. 2, 848, 989/90.. . Anwendungsprobleme ergeben sich demnach nicht. Durch die Art der Fragestellung ist immer auf eine bestimmte Vorschrift verwiesen. Ist z. B. bei einem Versendungskauf die bereits bezahlte Ware während des Transportes verlorengegangen und besteht der Käufer auf nochmaliger Lieferung, ergibt sich die Antwort aus den §§ 279, 243 Abs. 2, 275. Verlangt der Käufer in diesem Fall hingegen die Rückzahlung der Kaufpreissumme, so sind die §§ 323 Abs. 3, 323 Abs.l, 447 heranzuziehen.

40

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

cj) § 286 Abs. 1 -

§ 326

Aus dem Vergleich der Rechtsfolgen ergibt sich zunächst, daß die in § 286 Abs. 1 ,g ebrauchte Wendung von der in §§ 286 Abs. 2, 326 benutzten abweicht, woraus eine inhaltliche Verschiedenheit folgt. § 286 Abs. 1 meint mit "durch den Verzug entstehenden Schaden" einen Anspruch, der neben den auf Erfüllung tritt, hingegen meint "Schadenersatz wegen Nichterfüllung", daß der Gläubiger die Leistung des Schuldners zurückweist und statt dessen Schadenersatz in Geld verlangt. Aus dieser Verschiedenheit folgt zunächst, daß die Vorschriften sich ausschließen. Da weiterhin § 286 Abs. 1 nicht durch die Vorschriften über gegenseitige Verträge modifiziert wird, folgt, daß diese Bestimmung für alle Schuldverhältnisse einschließlich der aus gegenseitigen Verträgen gilt. Demzufolge besteht die Alternative § 286 Abs. 1 § 326, die genau genommen kein Anwendungsproblem aufwirft. Nur klassenlogisches Denken verleitet bisweilen zu der Vermutung, da angenommen wird, Schadenersatz wegen Nichterfüllung meine einen anderen Schaden als den aus verspäteter Leistung. Das ist unrichtig. Entscheidend ist allein das Verhalten des Gläubigers: Besteht er auf Erfüllung oder nimmt er die verspätete Leistung entgegen, ergibt sich der Anspruch aus § 286 Abs. 1, lehnt er hingegen die Leistung ab, folgt der Anspruch aus § 326. Es ist denkbar, daß der aus einem bestimmten Anlaß entstandene Schaden sowohl nach § 286 Abs. 1 als auch nach § 326 geltend gemacht werden kann. Verkauft z. B . Student E seinen Palandt an F und vereinbart mit diesem, daß F sich das Buch bei E abhole, versäumt aber den vereinbarten Termin, so kann F, falls er das Buch erst bei einem zweiten Besuch erhält, die Kosten für die erste vergebliche Straßenbahnfahrt gern. § 286 Abs. 1 vom Kaufpreis absetzen. Kauft er hingegen das Buch von einem anderen zum gleichen Preis, so kann er nach § 326 Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wiederum besteht der Schaden in den Kosten für die Straßenbahnfahrt. ck) § 286 Abs. 2 -

§ 326

Dieses Verhältnis ist von geringer praktischer Bedeutung, da fast ausschließlich Schuldverhältnisse aus gegenseitigen Verträgen zu beurteilen sind. Wichtig ist es aber insofern, als sich aus dem Vergleich die Bedeutung der Einzelvorschrift klarer ergibt, die sich aus dem Wortlaut nicht ohne weiteres erschließt, denn in § 326 heißt es, der Gläubiger könne dem säumigen Schuldner eine Nachfrist setzen. Deshalb wird oft angenommen, es handele sich um ein Recht des Gläubigers, dem nach Ablauf der Frist weitere Rechte folgten (vgl. Staudin-

III. Anwendungsregeln

41

ger-Werner, Randn. 171: "Grundsätzlich hat das Gesetz die Nachfristsetzung auch im Interesse des Schuldners angeordnet ... "). Und Zweck dieser Nachfrist sei es, einen Schwebezustand oder eine Wartezeit zu beenden (Staudinger-Werner, Randn. 27). Der Vergleich mit § 286 Abs. 2 S. 1 zeigt, daß das nicht zutrifft, denn nach dieser Vorschrift kann bereits mit Eintritt des Verzuges Schadenersatz verlangt werden, der Gläubiger muß also nicht abwarten. Demnach ist die in § 326 geforderte Nachfristsetzung eine Pflicht des Gläubigers und ein Recht des säumigen Schuldners. In dem Vorläufer des § 326, dem Art. 356 ADHGB, war dieser Gedanke klarer ausgedrückt, denn dort hieß es, der Gläubiger müsse eine Nachfrist "gewähren". Die Nachfristsetzung wird also nicht durch den Verzug ausgelöst, sondern ist Ausfluß des den gegenseitigen Vertrag beherrschenden Prinzips, daß jeder Partner ein berechtigtes Interesse an der Abwicklung des Vertrages hat, das auch noch im Falle einer Pflichtverletzung zu schützen ist. Diese Nachsicht verdient der Schuldner nicht, wenn überwiegende Interessen des Gläubigers entgegenstehen. § 326 Abs. 2 versucht, für derartige Fälle eine allgemeine Deskription zu geben. Da sich aber fast immer ein durch den Verzug verursachter Interessenwegfall feststellen läßt, ist diese Vorschrift inhaltslos. Entscheidend ist allein die Bewertung des einzelnen Falles; gesichert ist die Zuordnung von Deckungsgeschäften. Ferner entfällt die Nachfrist bei Fixgeschäften, §§ 361, 376 HGB. Im Falle des § 376 HGB hätte die Bestimmung einer Nachfrist sogar die Wirkung, daß der Gläubiger die in diesem Satz gegebenen Rechte verlöre, denn nach Fristüberschreitung stehen ihm beim Handelsfixkauf grundsätzlich nur das Rücktrittsrecht und der Schadenersatzanspruch zu. Außerdem verzichtet § 455 auf die Nachfrist. Hinsichtlich des Rücktrittsrechtes ergibt sich kein Anwendungspro·· blem; nur§ 326, nicht § 286 gewährt es, denn nur für gegenseitige Verträge erlangt es Bedeutung. Durch das Rücktrittsrecht befreit sich der Gläubiger von der ihm obliegenden Verbindlichkeit. Hat er noch nicht geleistet, kann er seine Leistung verweigern, die bereits erbrachte Leistung kann er zurückfordern. Aus der Existenz mehrerer dem Gläubiger zustehender Rechte ergeben sich zwei weitere Probleme. Das erste betrifft das Verhältnis der Rechte. Drei Denkmöglichkeiten bestehen: die Rechte bestehen nebeneinander, oder ein Recht schließt das andere aus, oder ein Recht verändert das andere Recht, wie es z. B. in § 281 Abs. 2 geschieht. Im Falle des Verzuges stehen dem Gläubiger neben der Einrede des nichterfüllten Vertrages, von der in diesem Zusammenhang abgesehen werden kann, vier Rechte zu:

42

§

3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

(1) Anspruch auf Erfüllung (2) Anspruch auf Schadenersatz neben der Erfüllung (3) Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung (4) Rücktrittsrecht Nur die Rechte (1) und (2) können kombiniert werden, alle anderen schließen sich gegenseitig aus. Aus der letzten Feststellung ergibt sich das zweite Problem, nämlich die Frage nach dem Vorgang, der den Ausschluß eines dem Gläubiger potentiell zustehenden Rechtes bewirkt. Daran kann die weitere Frage geknüpft werden, ob u. U. ein derartiger Vorgang von dem Gläubiger wieder rückgängig gemacht werden kann. Von (1) und (2) kann beliebig auf (3) oder (4) übergegangen werden, ebenfalls ist der Übergang von (3) auf (4) möglich. Aus ontologischen Gründen ist hingegen der Übergang von (4) auf die anderen Rechte unmöglich, denn der Rücktritt beseitigt den Vertrag und demzufolge auch alle daraus entsprungenen Ansprüche. Der Übergang von (3) auf (1) und (2) ist jedenfalls dann nicht mehr möglich, wenn die wirksam gesetzte Nachfrist verstrichen ist. cl) § 323 -

§§ 446/7

§ 323 gibt den Grundsatz, daß der Schuldner nicht die Gegenleistung verlangen darf, falls ihm die Leistung unmöglich geworden ist. Von diesem Grundsatz wird verschiedentlich abgewichen, insbesondere in den §§ 446/7. Das Verständnis für das Verhältnis wird durch die unterschiedliche Terminologie erschwert.

Die Anwendungsfrage wird keineswegs bei allen Kaufverträgen über bewegliche Sachen relevant. Zunächst können Handkäufe ausgeschieden werden. Problematisch kann in derartigen Situationen nur werden, ob die Übergabe bereits stattgefunden hat, so z. B. beim Kauf in einem Selbstbedienungsladen, wenn die von einer Kundin in das Wägelchen gelegten Eier den stürzenden 100 kg einer anderen Kundin nicht standhalten. Es bleiben also nur jene Fälle übrig, in denen Käufer und Verkäufer räumlich getrennt sind und die Abwicklung des Kaufes eine gewisse Zeit beansprucht. Wegen des erforderlichen Transportes ist von der Einteilung in Hol-, Bring- und Schickschulden auszugehen. Bei der Holschuld können zwei Fälle unterschieden werden. Erscheint der Käufer und erhält er vom Verkäufer die gekaufte Sache, so ist dadurch die Leistung erbracht worden, die Gefahr gern. § 323 übergegangen. Nur wenn der Verkäufer sich das Eigentum vorbehalten

III. Anwendungsregeln

43

hat, erlangt § 446 Bedeutung. Erscheint der Käufer hingegen nicht, greift § 324 Abs. 2 BGB ein (vgl. die Bemerkungen zu cg). Deshalb wird das Verhältnis dieser Vorschriften nur bei Schick- und Bringschulden relevant. Der Zeitablauf kann durch vier Zäsuren gegliedert werden: (1) Abschluß des Kaufvertrages (2) Übergabe an die Bahn usw.

(3) Ankunft der Ware beim Käufer (4) Eigentumserwerb

Die Ereignisse {3) und (4) fallen nur dann zeitlich auseinander, wenn ein Eigentumsvorbehalt besteht und der Kaufpreis erst später gezahlt wird. Existierte nur § 323, würde die Gefahr mit der Erfüllung übergehen. Unter Erfüllung ist nicht die Handlung, sondern der Erfolg zu verstehen. Das ergibt sich einfach aus der Existenz der §§ 446/ 47; wäre nämlich z. B. mit der Absendung erfüllt worden, so gäbe§ 447 nur eine redundante Wiederholung. Der Erfolg tritt aber bei der angenommenen zeitlichen Differenzierung erst mit Ereignis (4) ein. Die Bestimmungen der §§ 446/7 verlegen also den Gefahrübergang vor, entweder auf den 2. oder 3. Zeitpunkt. cm) § 446 -

§ 447

Aus den Voraussetzungen des § 447 folgt, daß die Vorschrift nur für Schickschulden gilt, auf Bringschulden ist deshalb § 446 BGB anzuwenden. Demzufolge wird eine Bestimmung der Schuld erforderlich. Da in beiden Fällen der Transport durch andere Personen vorgenqmmen werden kann, folgt aus der Übergabe an die Transportperson nichts. Deren Qualifizierung ergibt sich also aus der Art der Schuld. Bei Bringschulden erfüllen sie eine Pflicht des Verkäufers, sind also seine Gehilfen im Sinne des § 278, und zwar auch dann, wenn sie nicht Personal des Verkäufers sind. Bei Schickschulden erfüllen sie keine Pflicht des Verkäufers, dem ja nur die Veranlassung obliegt, und können demzufolge nicht Gehilfen im Sinne des § 278 sein. Das müßte auch für die Angestellten des Verkäufers gelten; die h. M. wendet aber dennoch- im Widerspruch zum Wortlaut- bei Versendungen innerhalb eines Ortes § 278 an. Vielmehr ergibt sich die Art der Schuld aus zwei verbundenen Elementen: bei der Bringschuld ist der Leistungsort hinsichtlich der Ware beim Käufer, deshalb obliegt dem Verkäufer der Transport. Bei der Schickschuld befindet sich der Leistungsort hingegen beim Verkäufer, und ihm obliegt lediglich die Veranlassung des Transportes.

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

Mit völliger Sicherheit ist die Bestimmung der Schuld nur dann möglich, wenn der Leistungsort explizite vereinbart worden ist. Fehlt eine derartige Vereinbarung, kann bei den Geschäften des täglichen Lebens die jeweilige Verkehrsanschauung für die Bestimmung des Leistungsortes herangezogen werden. Sendet z. B. ein Geschäft dem Kunden das gekaufte Möbel zu, so ist nach der derzeitigen Auffassung von einer Bringschuld auszugehen. cn) § 323 -

§ 616

Die Abgrenzung der beiden Vorschriften ergibt sich daraus, daß § 323 für jeden Fall der Unmöglichkeit gilt, § 616 Abs. 1 hingegen nur für jene Unmöglichkeit, die durch eine in der Person des Verpflichteten begründete Verhinderung eintritt. Gelegentlich bereitet die Auslegung dieser Wendung Schwierigkeiten, da angenommen wird, eine objektive Verhinderung sei erforderlich. Diese Auslegung hätte zur Folge, daß dann § 323 Abs. 1 eingriffe, wonach der Anspruch auf die Vergütung entfiele. Auf diese Ergebnisse hat die Auslegung der Bestimmung Rücksicht zu nehmen. Bei Verhinderungen durch Krankheit sind verschiedene Sondervorschriften zu beachten: Für Arbeiter gilt das Lohnfortzahlungsgesetz i. d. F. vom 12. 7. 1961; für Angestellte gilt die Grundregel des § 616, sofern nicht die Sondervorschriften für gewerbliche Angestellte oder Handlungsgehilfen eingreifen (§§ 133 c Abs. 2 GewO; 63, 76 HGB). co) § 323 -

§ 552

Bisweilen wird diese Vorschrift als Ausnahme zu § 323 gedeutet, da die Verhinderung des Mieters dem Vermieter die Erfüllung unmöglich mache. cp) § 404- §§ 796, 1138; § 364 Abs. 2 HGB, Art. 17 WG, Art. 22 SchG Für die Übertragung einer Forderung ist die Zustimmung des Schuldners nicht erforderlich. Da dessen Rechtsstellung dadurch erheblich verschlechtert werden kann, gibt das Gesetz einige Bestimmungen, die das verhüten sollen. Zu diesen gehört § 404, der dem Schuldner erlaubt, die gegenüber dem alten Gläubiger begründeten Einwendungen und Einreden - diese Ausdehnung folgt aus dem Zweck der Vorschrift - auch dem neuen Gläubiger entgegenzusetzen. Diese den Schutz des Schuldners bezweckende Vorschrift ist jedoch in zahlreichen Fällen aufgehoben. Wenn die Umlaufsfähigkeit einer Forderung erreicht werden soll, muß das Interesse des Schuldners dem

III. Anwendungsregeln

45

des Forderungserwerbers weichen. Der Umstand, daß unbekannte Einwendungen und Einreden bestehen, dürfte nämlich regelmäßig einen Interessenten vom Erwerb Abstand nehmen lassen. Ist ein Recht vom Verkehr für den Umlauf gedacht, heben daher Sondervorschriften den § 404 auf, indem sie Einreden und Einwendungen des Schuldners gegenüber dem gutgläubigen Erwerber ausschließen. Geht man von den im Verkehr vorgenommenen Übertragungsakten aus, so müßte das Verhältnis von Regel und Sondervorschriften allerdings umgekehrt werden. Jene durch die Sondervorschriften geregelten Übertragungen sind weitaus häufiger, so daß demnach § 404 vom Anwendungsbereich als Ausnahme aufgefaßt werden müßte. Daß die Umlaufsfähigkeit das entscheidende Kriterium ist, kann am Beispiel einiger Vorschriften leicht eingesehen werden. Die Verkehrshypothek dient nicht nur der Sicherung einer Forderung, sie ist auch für den Umlauf bestimmt. Deshalb schließt § 1138 Einreden gegen die Forderung gegenüber dem gutgläubigen Erwerber aus. Für die Sicherungshypothek hingegen, die, wie der Name bereits sagt, lediglich sichern soll, ist durch § 1185 die Anwendung des § 1138 ausgeschlossen, es gilt demnach § 404. Der Wechsel ist in einem frühen Stadium der Entwicklung zu einem umlaufsfähigen Recht geworden; deshalb schließt Art. 17 WG Einreden des Schuldners gegen einen früheren Inhaber dem neuen Gläubiger gegenüber aus, sofern er nicht bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Da ein Wechsel vor allem aus Anlaß eines Kaufvertrages vom Verkäufer ausgestellt und vom Käufer akzeptiert wird, sind das z. B. Einreden des Käufers wegen mangelhafter Beschaffenheit der Ware. Durch eine negative Orderklausel kann dem Wechsel aber die Umlaufsfähigkeit genommen werden (Art. 11 Abs. 2 WG). Erfolgt dennoch eine Übertragung, so ist nicht Art. 17 WG, sondern § 404 anzuwenden. Diese Grundsätze sind leicht einzusehen, dennoch bereitet ihre Anwendung bisweilen Schwierigkeiten, und zwar deshalb, weil sie mit einem anderen Problem vermengt werden. Dieses ergibt sich daraus, daß das Gesetz in verschiedenen Fällen dem Gläubiger zwei Rechte zuordnet, obwohl er tatsächlich nur einmal die Leistung erhalten soll. Werden dem Gläubiger zwei Rechte zugeordnet, muß das Verhältnis der beiden bestimmt werden. Aus der Zweckverbundenheit folgt die Abhängigkeit (Akzessorietät) des einen vom anderen. Hierzu gehören ontologische Sätze, die die Existenz des abhängigen Rechtes betreffen. So bestimmt § 1163 Abs. 1, daß die abhängige Hypothek nicht ohne Forderung entstehen kann und erlischt, wenn die Forderung erlischt. Um das Aufrücken nachstehender Hypotheken zu verhindern, wird

46

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

allerdings die Hypothek für existent erklärt und dem Eigentümer des Grundstückes zugeordnet. Weitere Folge der Abhängigkeit ist, daß Einreden gegen die Forderung auch der Hypothek entgegengehalten werden können (§ 1137). Das gilt jedoch nur für das ursprüngliche Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Nach einer Übertragung ist der Erwerber gegen derartige ihm regelmäßig unbekannte Einreden geschützt (§ 1138). Das Verhältnis der beiden Rechte kann aber auch in entgegengesetzter Weise gedeutet werden, und zwar derart, daß dem sekundären Recht Abstraktheit zugesprochen wird. Die ontologischen Sätze ordnen demnach dem sekundären Recht die Existenz auch dann zu, wenn das primäre Recht nicht entstanden oder erloschen ist. Einreden gegen das primäre Recht können wegen der Unabhängigkeit demnach nicht gegen das sekundäre Recht geltend gemacht werden. Diese Regel wird jedoch durch eine Ausnahme korrigiert: Immer, wenn der Ausschluß der Einrede zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Gläubigers führte, können Einreden aus dem Grundverhältnis auch dem abstrakten Recht entgegengehalten werden (§§ 812, 821). Das Verhältnis der beiden Probleme, die nichts gemeinsam haben, aber häufig gemeinsam auftreten, kann aus der folgenden Tabelle entnommen werden:

Verhältnis der beiden Rechte

Verhältnis zwischen den ursprünglich Beteiligten (Grundverhältnis)

Verhältnis zwischen Schuldner u. El"Wierber desRechts

abstrakt

§§ 812, 821

Art. 17 WG

Namenswechsel Verkehrshypothek Sicherungshypothek

abstrakt akzessorisch akzessorisch

§§ 812, 821 § 1137

§ 1137

Art. 11 II WG, § 404 §§ 1138, 891, 892 §§ 1185,404

SchuLdanerkenntnis

abstrakt

§§ 812, 821

§ 404

Inhaberschuldverschreibung

abstrakt

§§ 812, 821

§796

Sekundäres Recht

Orderwechsel

Die aus der Abstraktheit folgende Regel wird also insoweit aufgehoben. Wegen der Zweckverbundenheit der beiden Rechte ist ein anderes Ergebnis schlechterdings nicht möglich. Verschieden ist nur die wegen der Unterscheidung der beiden Verhältnisse erforderliche Be-

III. Anwendungsregeln gründung: Während aus dem Grundsatz der Akzessorietät zwingend folgt, daß Einreden gegen das primäre Recht auch dem sekundären entgegengehalten werden können, folgt aus dem Grundsatz der Abstraktheit, daß sie grundsätzlich ausgeschlossen sind und nur dann geltend gemacht werden können, wenn es sonst zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Gläubigers käme. cq) Ausgleichsanspruch § 426 Abs. 1 Der Anwendungsbereich der in diesem Abschnitt gegebenen Vorschriften ist aus zwei Gründen beschränkt: Sie gelten nicht für alle Beziehungen, die sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Personen ergeben, wie sie die Arbeitsteilung in entwickelten Gesellschaften mit sich bringt, z. B. Verkäufer-Käufer-Frachtführer-Versicherer. Nur für jene Personenmehrheiten gelten sie, die auf eine zweigliedrige Relation zurückgeführt werden können: Dem Gläubiger stehen mehrere Schuldner, dem Schuldner mehrere Gläubiger gegenüber. Der Anwendungsbereich wird weiter dadurch eingeschränkt, daß die Vorschriften des Abschnittes nur dann genommen werden sollen, wenn sich aus den Beziehungen der Beteiligten (Innenverhältnis) nichts anderes ergibt. Nach dieser Formulierung gibt das Gesetz die Regel, und die aus dem jeweiligen Innenverhältnis folgende Abweichung wird als Ausnahme gedeutet. Richtiger wäre es hingegen, von vornherein die gesetzliche Vorschrift als hilfsweise Regelung zu begreifen; das gilt insbesondere auch für den in § 426 Abs. 1 geregelten Ausgleichsanspruch. Dem leistenden Gesamtschuldner steht der Ausgleichsanspruch zu. Diese Eigenschaft wird in verschiedenen Fällen dem Schuldner durch das gesetzliche Prädikat "ist Gesamtschuldner" zugeordnet: Für vertragliche Beziehungen durch §§ 427, 431, für deliktische durch § 840 Abs. 1; wichtig sind noch die § 128 HGB, Art. 47 Abs.1 WG. In allen diesen Fällen bestehen Abweichungen von dem in § 426 Abs. 1 aufgestellten Grundsatz. Daß für die gemeinsamen Partner eines Vertrages in erster Linie die getroffenen Abmachungen maßgeblich sind, ist evident. Auch für Gesamtschuldner aus Delikt gelten Abweichungen. Bedeutsam ist vor allem die für das Verhältnis zwischen Verrichtungsgehilfen und Geschäftsherrn. Danach kann der nach § 831 verantwortliche Geschäftsherr von dem Gehilfen den gesamten als Schadenersatz geleisteten Betrag verlangen (§ 840 Abs. 2). Jedoch ist diese Ausnahme ihrerseits für zahlreiche Fälle außer Kraft gesetzt. Nach den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über gefahrgeneigte

48

§ 3 Suche der Vorschrift, die die Frage beantwortet

Arbeit kann der Arbeitgeber bei geringer Nachlässigkeit (!:S! leichte Fahrlässigkeit) keinerlei Ausgleich verlangen. Wie § 128 S. 2 HGB zeigt, ist für Gesellschafter der OHG wiederum die vertragliche Abmachung maßgebend. Beseitigt ist die Ausgleichspflicht für die Gesamtschuldner aus einem Wechsel (Art. 47 Abs. 1 WG). Undenkbar ist ein wechselrechtlicher Ausgleichsanspruch des Akzeptanten. Aus Art. 47 Abs. 2 bis 4 WG folgt, daß für die übrigen Wechselverpflichteten an Stelle des Ausgleichs der Rückgriff tritt.

§ 4 Vergleich der gestellten Frage mit der Rechtsfolge des gefundenen Satzes I. Zweck des Vergleichs Durch den Vergleich soll festgestellt werden, ob die Rechtsfolge den zu behandelnden Anspruch trifft. Der Vergleich dient zunächst der Kontrolle des vorläufig erlangten Ergebnisses. Um überflüssige Arbeit zu vermeiden, ist dieser Vergleich vor einer Analyse des Tatbestandes der Vorschrift vorzunehmen; denn jegliches Eingehen auf die Voraussetzungen erübrigt sich, wenn festgestellt wird, daß die Rechtsfolge nicht dem gestellten Anspruch entspricht.

II. Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge Der Vergleich der Rechtsfolge mit der Frage verlangt zunächst, daß die Rechtsfolge von dem Tatbestand der Vorschrift getrennt wird. Nichts scheint einfacher zu sein. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um ein außerordentlich schwieriges kommunikationstheoretisches Problem. Zur Vereinfachung soll hier angenommen werden, daß diese Trennung möglich ist. Durch Umwandlung kann ein Rechtssatz auf die Normalform gebracht werden: "Wenn es sich so und so verhält, dann ..." Die durch diese Trennung gewonnene Rechtsfolge kann im einfachsten Fall den Anspruch entweder vom Standpunkt des Gläubigers oder von dem des Schuldners ausdrücken; "der Schuldner ist verpflichtet", "der Gläubiger kann verlangen", sind typische Wendungen.

111. Implizite Rechtsfolgen Nicht immer gibt das Gesetz explizite Rechtsfolgen wie: "Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen." Nur aus der Kombination verschiedener Vorkenntnisse ergibt sich die Rechtsfolge des § 781, daß nämlich durch das konstitutive Anerkenntnis neben die bereits bestehende (oder zugleich mit dem Anerkenntnis geschaffene Verbindlichkeit, falls das Anerkenntnis schenkweise gegeben wird) eine neue selbständige Verpflichtung des Schuldners tritt. 4 Horn

50

§ 4 Vergleich der gestellten Frage mit der Rechtsfolge

Von allgemeiner Bedeutung, weil in verhältnismäßig vielen Vorschriften verwendet, ist jene Rechtsfolge, die einer Person bestimmte konkrete Pflichten auferlegt. Nach § 663 ist derjenige, der zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt ist oder der sich öffentlich erboten hat, einem Auftraggeber gegenüber verpflichtet, die Ablehnung eines ergangenen Auftrages unverzüglich mitzuteilen. Aus dieser Vorschrift folgt nicht - wie bisweilen gedacht wird - die Fiktion der Annahme (vgl. § 362 HGB}, sondern nur die Tatsache der Pflichtverletzung bei unterlassener Mitteilung. Und die Pflichtverletzung führt zum Ersatz des Vertrauensschadens. Diese Ausdrucksweise ist insbesondere im Handelsrecht üblich. Nach

§ 384 Abs. 1 HGB hat der Kommissionär das Geschäft mit der Sorgfalt

eines ordentlichen Kaufmannes auszuführen; die Verletzung dieser Pflicht macht ihn haftbar. Allerdings ist bisweilen die aus der Pflichtverletzung resultierende Schadenersatzpflicht explizite ausgesprochen, so z. B. für den Vorstand der Aktiengesellschaft, der seine Pflichten zur ordentlichen Geschäftsführung verletzt (§ 93 Abs. 1 und Abs. 2 AktG).

Daraus folgt, daß das Weiterdenken einer Vorschrift, die eine Pflicht aufstellt, unzulässig ist, wenn eine besondere Vorschrift dies ausspricht. Kann der Entleiher die Sache nicht zurückgeben, weil er sie verloren hat, folgt die Schadenersatzpflicht nicht aus dem zu Ende gedachten § 604, sondern aus § 280. Nach § 548 hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache nicht zu ersetzen, wenn sie durch den vertragsmäßigen Gebrauch bewirkt worden sind. Als logische Folgerung erscheint demnach die Schadenersatzpflicht bei Überschreitung des vertragsmäßigen Gebrauchs. Von der h. M. wird diese Folgerung abgelehnt; sie gibt positive Vertragsverletzung als Anspruchs·· grundJage an. IV. Terminologische Fragen

Völlige Sicherheit besteht nur, wenn der im Sachverhalt vorgegebene Anspruch mit der Rechtsfolge wörtlich übereinstimmt. Das ist dann der Fall, wenn Alltags- und Gesetzessprache übereinstimmen. "Geld" kann in keiner der beiden anders ausgedrückt werden. Schwierigkeiten können nur entstehen, wenn die in der Alltagssprache für verschiedene Situationen bestehende unterschiedliche Beschreibung auf eine einzige Ausdrucksweise zurückgeführt werden muß. Ein derartig reduziertes Denkmodell ist die "Herausgabe". Nicht nur bewegliche Sachen (§ 1007} können herausgegeben werden, die §§ 985, 861 erstrecken den Gedanken auch auf unbewegliche Sachen. Eine weitere, und zwar schrankenlose Ausdehnung erfährt der Gedanke in den Bestimmungen der §§ 812; 667; 681, 667; 687 Abs. 2, 681, 667; 675, 667;

V. Auslegung und Erweiterung der Rechtsfol~en

51

713, 667, denn danach kann jeglicher Vorteil zum Objekt gemacht werden, das herauszugeben ist. Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich, ist der Wert zu ersetzen (§ 818 Abs. 2). Zu lernen sind ferner die konventionellen Zuordnungen bei Ansprüchen auf Unterlassung und Beseitigung (§§ 12, 1004; § 1 UWG). V. Auslegung und Erweiterung der Rechtsfolgen Die Rechtsfolge kann wie jedes Wort des Tatbestandes ausgelegt werden. Beispiele bilden die soeben erwähnten konventionellen Zuordnungen für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. In einzelnen Fällen ist die Rechtsfolge einer Vorschrift durch zusätzliche Rechtsfolgen erweitert worden, die nicht durch Auslegung gewonnen werden konnten. Wichtig sind vor allem die Erweiterungen bei der unerlaubten Handlung. Neben die Schadenersatzpflicht treten Unterlassungsund Beseitigungsansprüche. Zu diesen Fällen muß auch die Gewährung von Geldersatz bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gerechnet werden, denn § 847 gehört zu den Vorschriften, die den Inhalt einer bestehenden Schadenersatzpflicht bestimmen.

§ 5 Analyse des Tatbestandes I. Was ist der Tatbestand? Darauf kann zunächst die Antwort gegeben werden, es handele sich um einen Satz. Ein Satz ist in der sprachlichen Kommunikation die kleinste Einheit, jedenfalls ist das die traditionelle Ansicht. Und dieser Anschauung huldigt auch der Anfänger, deshalb versucht er, den Sinn eines Tatbestandes als Einheit zu erfassen. Dieser Versuch muß notwendigerweise mißlingen, denn die juristische Tatbestandstechnik fügt Wörter ( = Tatbestandsmerkmale) zu Tatbeständen zusammen. Diese Merkmale sind das primär Gegebene; daß sie sich zu einem Satz fügen, ist grundsätzlich belanglos. Nicht der Inhalt des Satzes oder der Satzsinn macht den Tatbestand aus, dieser ist vielmehr die Summe der einzelnen Merkmale. Nur wenn die Bedeutung eines Merkmals verändert werden soll, wird auf den Satzsinn zurückgegriffen. So verbietet z. B. § 49 HGB, der den Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen festlegt, diesem die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Wird die Voraussetzung "Belastung" isoliert genommen, so meint sie jegliche Belastung; darunter fiele dann auch die anläßlich eines Grundstückskaufes vom Prokuristen bestellte Restkaufgeldhypothek Da der Sinn dieser Vorschrift "offensichtlich" dahin geht, dem Prokuristen zu verbieten, Grundstücksvermögen des Kaufmanns weil besonders wichtig - durch Veräußerung oder Belastung zu mindern, muß bei der Bestellung einer Restkaufgeldhypothek eine Ausnahme gemacht werden. Aufgrund dieser Bemerkung ergibt sich also die Aufgabe, einen Tatbestand in einzelne Tatbestandsmerkmale zu zerlegen.

II. Feststellung der Tatbestandsmerkmale Bisweilen wird empfohlen, die Literatur zu Rate zu ziehen. Da aber der Student oder Kandidat in vielen Situationen allein auf das Gesetz angewiesen ist, muß er auch fähig sein, eine ihm unbekannte Vorschrift hinreichend genau zu analysieren. In dieser Situation rächt es sich, wenn er zuvor nur auf die in der juristischen Literatur vorgedachten Aufgliederungen zurückgegriffen hat.

II. Feststellung der Tatbestandsmerkmale

53

Wie jegliche Tätigkeit, so kann auch diese Technik nur durch einen aktiven Lernvorgang erworben werden (vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik II 14 b). Sie ist leichter erlernbar, wenn sie immer wieder an unbekannten Tatbeständen geübt wird. Wegen der Verschiedenartigkeit der erfaßten Sachverhalte sind auch die Tatbestände ganz unterschiedlich angelegt, so daß allgemeine Aussagen über Gliederung und Zerlegungstechnik unmöglich sind. Im Privatrecht haben jedoch zwei Tatbestandstypen besondere Bedeutung, für deren Zerlegung ein methodischer Hinweis gegeben werden kann. Die eine Art beschreibt menschliche Verhaltensweisen, die andere Beziehungen zwischen (zwei) Menschen; selbstverständlich können auch Verbindungen der beiden Typen vorkommen. Die Zerlegung beginnt dann zweckmäßigerweise mit dem (einen) Menschen und ordnet ihm die Merkmale des Tatbestandes als Prädikate zu; so kann der Text des § 5 HGB: "Ist eine Firma im Handelsregister eingetragen, so kann gegenüber demjenigen, welcher sich auf eine Eintragung beruft, nicht geltend gemacht werden, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei oder daß es zu den in § 4, Abs. 1 bezeichneten Betrieben gehöre", in folgender Weise aufgelöst werden: Es gibt einen Menschen, l. 2. 3. 4. 5.

der hat ein Gewerbe, und er betreibt es, und zwar unter einer Firma, und die ist im Handelsregister eingetragen, und wegen der Rechtsfolge kommt als ontologische Feststellung noch hinzu: und das Gewerbe ist kein Handelsgewerbe.

Daß sich ein anderer darauf berufen muß, hat keine materiellrechtliche, sondern nur prozessuale Bedeutung. Dieses Beispiel zeigt, daß die Zerlegung allein nach Zweckmäßigkeitsgrundsätzen beurteilt werden kann, denn die Zerlegung des Ausdruckes "betriebenes Gewerbe" ist nicht aus logischen oder ontologischen Gründen geboten. Sie soll den Bearbeiter allein daran erinnern, daß er gegebenenfalls zwei Gesichtspunkte zu beachten hat. Übrigens beachtet der Anfänger bisweilen negativ formulierte Voraussetzungen nicht. Auch diese gehören aber zum Tatbestand. Als Beispiel diene § 932 Abs. 1 Satz 1: "es sei denn, daß er zu einer Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht im guten Glauben ist." Trotz dieser Formulierung setzt der Erwerb den guten Glauben voraus. Die Ausdrucksweise des Gesetzes hat also keine materiell-rechtliche Bedeutung, sie regelt vielmehr nur die prozessuale Frage der Beweislast Dieser Gesichtspunkt ist aber bei der

§ 5 Analyse des Tatbestandes

54

Behandlung von Fällen nie zu beachten, obwohl er prozeßentscheidend sein kann (vgl. z. B. §§ 282, 285). 111. Tatbestände für Vertrag und unerlaubte Handlung Wichtigste Verhaltensweisen im sozialen Kontakt sind unerlaubte Handlung und Vertragsschluß. Deshalb werden für beide die gegliederten Tatbestände angegeben, bei der unerlaubten Handlung allerdings nur für § 823 Abs. 1 BGB. 1. Tatbestand des § 823 Abs. 1

(a) (b) (c) (d) (e)

die einem Menschen zugeordneten Güter und Rechte sind verletzt, verletzt hat sie ein anderer Mensch, und diese verletzende Handlung war widerrechtlich, und sie geschah vorsätzlich oder fahrlässig, dem anderen (a) ist ein Schaden entstanden, (f) ersetzt wird jedoch nur der daraus hervorgegangene Schaden.

Während im allgemeinen die Reihenfolge der Voraussetzungen beliebig ist, liegt sie für die Voraussetzungen (b) bis (d) fest; nur in der angegebenen Reihenfolge dürfen sie behandelt werden. Sie ergibt sich daraus, daß zur Deskription menschlicher Handlungen ursprünglich allein der Ausdruck "recht" gebraucht wurde. Die Berücksichtigung der Schuld ist eine später entwickelte Technik, die eine Differenzierung unterschiedlich beurteilter Situationen erlaubt (vgl. Horn, Kommunikationstheorie, S. 110 ff.). 2. Tatbestand für Vertragsschluß

a) Vorbemerkung

Das wichtigste Denkmodell zur Erfassung und Deutung sozialer Kontakte ist der Vertrag. Diese Bemerkung besagt, daß der Vertrag keine der juristischen Ontologie vorgegebene Tatsache ist. Das ergibt sich u . a. aus dem Umstand, daß keineswegs jede Gemeinschaft über dieses Denkmodell verfügt, auch die europäischen haben es erst sehr spät hervorgebracht. Erfunden wurde es, um Pflichten im sozialen Kontakt auf eine neue Weise zu erklären. Die Pflicht wird durch die Einigung der beiden Beteiligten erzeugt. Der Vertrag betrifft demnach jene Pflichten, die im wesentlichen zum Schuldrecht gerechnet werden; noch heute ist das das Rauptanwendungsgebiet der Verträge. Deshalb beschränkt sich die folgende Aufgliederung in Tatbestandsmerkmale für schuldrechtliche Verträge,

111. Tatbestände für Vertrag und unerlaubte Handlung

55

und zwar auf solche, bei denen im zeitlichen Ablauf Angebot und Annahme isoliert werden können.

b) Tatbestandsmerkmale ba) Angebot: muß Willenserklärung sein, muß empfangen worden sein, muß mit bindender Absicht gemacht worden sein, muß bestimmt sein, d. h. das Angebot hat alle wichtigen Punkte des künftigen Vertrages zu enthalten, 5. muß nur ausnahmsweise an eine bestimmte Person gerichtet sein. 1. 2. 3. 4.

bb) Der Annahme kommen folgende Prädikate zu: 1. 2. 3. 4.

muß muß muß muß

Willenserklärung sein, empfangen worden sein, mit dem Angebot übereinstimmen, rechtzeitig empfangen worden sein. bc) Bemerkungen

Zu 2 ba 1. und 2 bb 1.: Angebot und Annahme sind Willenserklärungen. In entwickelten Gesellschaften denkt man vor allem an lautlich oder graphisch fixierte Äußerungen, jedoch kann Kommunikation auch in anderer Weise stattfinden. Auch Gesten können daher Willenserklärungen sein; Schwierigkeiten bereitet nur die Zuordnung zu den Teilklassen der ausdrücklichen oder stillschweigenden Willenserklärrungen. Nicht jede sprachliche Äußerung kann aber Willenserklärung sein, denn dann entstünden aus jeglichem sprachlichen Kontakt Verträge mit Pflichten. Um in bestimmten Situationen dieses Ergebnis zu verhindern, wird der sprachlichen Äußerung die Qualität "Willenserklärung" abgesprochen. Gewöhnlich verfährt man so bei gesellschaftlichen und freundschaftlichen Kontakten. Die Einladung zur Jagd, zu einem Essen, zu einer Spazierfahr t sind entsprechende Beispiele. Jedoch kann aufgrund der im Einzelfall gegebenen Umstände der Kontakt als Vertrag beurteilt werden. Zu 2 ba 2. und 2 bb 2.: Zu unterscheiden sind zunächst gesprochene und geschriebene Mitteilungen. Für die erste Gruppe fehlt eine gesetzliche Regelung, denn gewöhnlich werden sie gehört und damit auch verstanden. Schriftliche Äußerungen werden wirksam, wenn sie dem

56

§ 5 Analyse des Tatbestandes

Empfänger zugehen (§ 130 Abs. 1). Zugegangen ist die Erklärung, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt, so daß er bei gewöhnlichen Verhältnissen auch Kenntnis erlangen kann. Ein Brief gehört deshalb in den Briefkasten des Empfängers. Willenserklärungen werden auch wirksam, wenn sie gegenüber Hilfspersonen (Vertreter, Empfangsbote) abgegeben werden. Für Vertreter folgt das aus § 164 Abs. 3, für Boten, die aus klassenlogischen Gründen vom Vertreter verschieden sein müssen, fehlt eine Regelung. Die Befugnisse zur Entgegennahme beruhen in beiden Fällen auf einer Äußerung des Empfängers, die im Falle des Vertreters Vollmacht heißt und im Falle des Empfangsboten Auftrag. Das Denkmodell "Vertretung" überwiegt; kaufmännisches Personal wird ausschließlich darunter gezogen, vgl. §§54 Abs. 1, 55 Abs. 1, 75 g, 92 Abs. 2 HGB. Fehlt eine ausdrückliche oder stillschweigende Vollmacht, wird dem kaufmännischen Personal in den Geschäftsräumen eine Anscheinsvollmacht zugesprochen (vgl. Staudinger-Coing, Randn. 11 zu § 167 BGB). Wird eine mündliche oder schriftliche Erklärung gegenüber einer Hilfsperson des Empfängers abgegeben, die sich in den Räumen des Empfängers befindet, könnten gleichzeitig die soeben erwähnten Grundsätze und die Regel des § 130 Abs. 1 Anwendung finden. Während § 164 den § 130 immer verdrängt, ist die Rechtslage bei Empfangsboten unklar (vgl. Staudinger-Coing, Randn. 1 zu § 130). Zu 2 bb 1.: Nicht immer ist die Annahme eine Willenserklärung. Unter Umständen gilt Schweigen als Annahme. Neben § 516 Abs. 2 bestimmt der § 362 HGB. Diese Vorschrift gilt keineswegs für alle Fälle, in denen einem Kaufmann ein Angebot zugeht. Das Gesetz knüpft diese Fiktion an zwei verschiedene Situationen. Die erste Alternative betrifft einen Kaufmann, dessen Handelsgewerbe in der Besorgung von Geschäften für andere besteht und der darüber hinaus mit dem Anbietenden in Geschäftsverbindung steht. Die zweite, § 362 Abs. 1 S. 2 HGB, betrifft zwar alle Kaufleute, aber nur unter der Voraussetzung, daß sie dem Anbietenden gegenüber sich gerade zur Besorgung des im Auftrag aufgegriffenen Geschäftes erboten haben. Ebenfalls gilt Schweigen auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben als Annahme. Da unter Kaufleuten der Handelsbrauch besteht, Vertr agsverhandlungen durch ein Schreiben zu bestätigen, könne der Absender erwarten, daß der Empfänger widerspreche, falls er mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens nicht einverstanden sei. Bedeutung erlangt dieser Grundsatz nur dann, wenn das Bestätigungsschreiben nicht mit dem zuvor Vereinbarten übereinstimmt, da dann das Bestätigungsschreiben maßgebend ist. Da weiterhin diese Grundsätze nur für das echte Bestätigungsschreiben gelten sollen, das einen

III. Tatbestände für Vertrag und unerlaubte Handlung

57

geschlossenen Vertrag voraussetzt (vgl. BGH in NJW 1955, 1794), kann demnach ein bereits geschlossener und damit bindend gewordener Vertrag einseitig geändert werden. Allerdings vermeidet die h. M. diese Erklärung, sie macht das Bestätigungsschreiben zu einem Element des Vertragsschlusses. Deshalb gilt das Schweigen als Annahme. Zu 2 bb 3.: Übereinstimmung zweier Partner wird von der h . M. als Übereinstimmung der Willenserklärungen gedeutet. Die Übereinstimmung ist also allein hinsichtlich der sinnlich faßbaren - der gehörten oder gelesenen - Erklärung festzustellen. Da die Beteiligten gewöhnlich nicht formelhafte Wendungen gebrauchen, kann nicht Übereinstimmung in den gebrauchten Wörtern bestehen; übereinstimmen muß vielmehr der Sinn, die Bedeutung der Erklärungen. Es ist klar, daß es sich hierbei um eine sprachtheoretische Feststellung handelt. Der Rechtswissenschaftler muß also auf die Lehrmeinungen anderer Disziplinen zurückgreifen. Sprachwissenschaftliche Bemerkungen zur sprachlichen Kommunikation sind in der Vergangenheit außerordentlich selten. Von Aristoteles bis auf die heutige Zeit wird das Funktionieren der sprachlichen Verständigung immer mit einer ganz bestimmten Eigenschaft der Wörter erklärt. Da jedem Wort eine und nur eine Bedeutung zukomme, gebe der Sprecher dem Empfänger zugleich mit dem Wort dessen Bedeutung, womit notwendigerweise die Übereinstimmung der Partner erreicht wird (vgl. dazu Horn, Kommunikationstheorie, S. 38 ff.). Aus Erfahrung wissen die Rechtswissenschaftler, daß diese Theorie in der Praxis versagt. Trotz ihrer Unhaltbarkeit wird sie aber nicht aufgegeben, sondern nur korrigiert. Zwischen drei Auslegungsregeln, die im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, kann der Urteiler wählen: (1) Der eindeutige Wortlaut der Erklärung ist maßgebend (§ 133); (2) nicht der (eindeutige) Wortlaut ist maßgebend, entscheidend ist der wirkliche Wille des Erklärenden (§ 133); (3) auf den Willen kann sich der Erklärende nicht berufen, wenn der Empfänger die Erklärung in einer bestimmten Situation anders verstehen durfte und anders verstanden hat (§ 157). Die erste Auslegungsregel begünstigt den Empfänger, er kann den Sprecher auf dem gebrauchten Wort festnageln, was insbesondere dann wichtig ist, wenn bestimmte Wortformeln vorgeschrieben sind. Die Verletzung der Form kann dann unter Umständen gleichzeitig den Verlust des Rechtes bewirken. Die zweite Regel korrigiert diesen Grundsatz zugunsten des Sprechers. Der falsche Wortgebrauch schadet ihm nicht. Er kann geltend

58

§ 5 Analyse des Tatbestandes

machen, daß sich aus dem Zusammenhang ein anderer Wille und eine andere Bedeutung ergeben. Die konsequente Durchführung des zweiten Prinzips würde bisweilen den Empfänger benachteiligen, wenn er der Erklärung eine bestimmte Bedeutung beigelegt hat, die der Sprecher dann unter Berufung auf seinen wirklichen Willen zurückweist. Deshalb korrigiert die dritte Auslegungsregel den zweiten Grundsatz, und zwar dann, wenn das Vertrauen des Empfängers zu schützen ist, weil er in der gegebenen Situation (Kontext) die Erklärung so verstehen durfte, da das der gewöhnlichen Auffassung entspricht. Z. B. könnte ein Pariser, der in Genf von einem Antiquitätenhändler einen Gegenstand gekauft hat, sich nicht darauf berufen, er habe selbstverständlich an französische Franken gedacht, u. U. sogar an alte. Aus der Situation ergibt sich hier, daß der Kaufpreis in schweizerischer Währung zu entrichten ist. Die beiden ersten Auslegungsregeln sind im § 133 enthalten, als Adresse der dritten wird § 157 angegeben. Der hier aufgestellte Grundsatz, die Auslegung habe Treu und Glauben zu beachten, wird zwar nur für die Auslegung von Verträgen ausgesprochen, gilt jedoch entsprechend auch für die Auslegung der Willenserklärung. Den Anfänger mag es (vielleicht) schrecken, daß er die Wahl zwischen verschiedenen Auslegungsregeln hat, deren Anwendung zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, denn sehr oft wird angenommen, die Auslegung bezwecke, die eine, die wirkliche Bedeutung hervorzubringen. Der Gebrauch des Singulars ist jedoch unrichtig. In Wirklichkeit ist nicht zu entscheiden, ob die gewechselten Willenserklärungen übereinstimmen, sondern es ist ein Urteil darüber abzugeben, ob ein bestimmter sozialer Kontakt als Vertrag mit den daraus entstehenden Pflichten zu werten ist. Diese Beurteilung kann - wie aus den Auslegungsregeln folgt - selbst dann vorgenommen werden, wenn sich die Partner nicht geeinigt haben. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß das Gesetz die Mehrzahl der sozialen Kontakte als Vertrag deutet. Die Anwendung der für ganz bestimmte soziale Kontakte zugeschnittenen Regeln setzt deshalb voraus, daß der Bearbeiter den Vorgang als Vertrag beurteilt. Verneint er das, muß er auf die für derartige Fälle ganz unzureichenden Regeln der gesetzlichen Schuldverhältnisse zurückgreifen. Aus diesen Überlegungen folgt, daß die Vorschriften der §§ 154, 155 eine beschränkte Bedeutung haben; denn vor Anwendung dieser Vorschriften muß erst durch Auslegung geklärt werden, ob trotz der Abweichungen ein Vertrag zu bejahen ist. Im übrigen ergibt sich der eingeschränkte Anwendungsbereich aus dem Wortlaut des § 154.

§ 6 Die Anwendung des Gesetzes I. Vorbemerkung Mit der Analyse des Tatbestandes ist zwar eine wichtige Vorarbeit geleistet, aus der Kenntnis der einzelnen Tatbestandsmerkmale folgt jedoch nicht schon die Lösung. Denn die Analyse des Tatbestandes ist eine Technik, die sich allein mit dem vorgegebenen Satz befaßt, vergleichbar grammatischen Zergliederungstechniken. Sie fördert also nur die einzelnen Teile hervor und läßt durch die Nebeneinanderreihung ihre Bedeutung klarer hervortreten. Da nun auch die Sprache des Sachverhaltes in der Mehrzahl der Fälle von der des Gesetzes verschieden sein muß, müssen die Ausdrücke des Gesetzes denen des Sachverhaltes zugeordnet werden. Die Verschiedenartigkeit ergibt sich u. a. aus der Tatsache, daß das Gesetz nicht für jede konkrete Situation einen Tatbestand geben kann. Die gesetzliche Regelung ist allgemein, die Ausdrücke des Tatbestandes haben einen höheren Grad der Abstraktion. Berücksichtigte man lediglich die sprachliche Gestaltung der Lösung, so bestünde die Hauptaufgabe in der Zuordnung der Ausdrücke. Gewöhnlich beginnt man mit dem Ausdruck des Gesetzes; kann ihm nicht zwanglos der Ausdruck des Sachverhaltes zugeordnet werden, so ist das Wort des Gesetzes zu klären. Regelmäßig ist es jedoch nicht erforderlich, eine allgemeine Erklärung zu geben, die auf alle denkbaren Bedeutungen des Ausdruckes hinweist, denn die Erläuterung verfolgt einen einzigen Zweck: Sie soll klarstellen, ob im gegebenen Falle die Zuordnung möglich ist oder nicht. Aus dieser Fallbezogenheit folgt weiterhin, daß die Erläuterung der Gesetze und die Begründung, daß eine Angabe des Sachverhaltes von dem Ausdruck des Gesetzes getroffen werde, zusammengehören. Trotz dieses funktionellen Zusammenhanges soll hier, der iraditionellen Auffassung folgend, die Analyse von zwei verschiedenen Arbeitsgängen ausgehen. Diese Annahme wird sich deshalb als zweckmäßig erweisen, weil sie zwei verschiedene Denkweisen deutlich hervortreten läßt. Im ersten Fall steht die Erklärung und Erläuterung des Gesetzes im Vordergrund, dem Gesetz also werden die Argumente für eine bestimmte Entscheidung entnommen, im zweiten Falle hingegen liefert der Sach-

60

§ 6 Die Anwendung des Gesetzes

verhalt selbst die Argumente, die Entscheidung wird also auf die Besonderheiten des Falles zurückgeführt. Die Zuordnung sprachlicher Ausdrücke - von der bislang nur die Rede war, da hier der technische oder handwerkliche Aspekt in dem Vordergrund steht - interessiert den Anfänger meist ausschließlich, da ihm vorzüglich an Gebrauchsanweisungen gelegen ist, die ihm zeigen, wie vorzugehen ist. Dieser technische Aspekt kann jedoch schlechterdings weder erörtert noch begriffen werden, wenn nicht zuvor die der Gesetzesanwendung zugrunde liegenden Ideen behandelt bzw. bewußt geworden sind, denn diese mehr handwerkliche Tätigkeit fußt notwendigerweise auf einer bestimmten Theorie. Die oft festzustellende Abneigung des Anfängers gegenüber theoretischen Darlegungen ist also einfach grundfalsch, da der Erwerb derartiger Kenntnisse keinesfalls einen überflüssigen Umweg darstellt. Aus diesem Grund sind auch im Rahmen dieser Darstellungen einige Bemerkungen erforderlich. Selbstverständlich läßt sich dieser Fragenkomplex, über den so außerordentlich viel gedacht und geschrieben worden ist und der überdies von denjenigen, die sich eingehender mit dem Problem der Gesetzesanwendung befaßt haben, in sehr verschiedener Weise dargestellt wird, da die bekannten Prinzipien fast immer sehr unterschiedlich bewertet werden, nicht in Kürze darstellen. Deshalb können nur einige der wichtigsten Lehren knapp skizziert werden. II. Theorie der Gesetzesanwendung I. Rechtsgefühl

Einige Autoren behaupten, der Richter erlange das Urteil durch das RechtsgefühL Die Rechtsregel diene allenfalls der nachträglichen Kontrolle, bestätige also nur, was das Rechtsgefühl sofort gewußt habe. Gewöhnlich wird diese Erklärung von Richtern gegeben, die sich auf ihre Erfahrung berufen, womit gleichzeitig die theoretische Begründung dieser Ansicht gegeben werden soll. Zu dieser Erklärung ist zunächst zu sagen, daß die Bedeutung der Rechtsregel gering eingeschätzt wird, die Rolle des Richters hingegen stark hervorgehoben wird; denn man sagt gewöhnlich, daß das Gefühl nur subjektiv urteilen könne. Wegen dieser Berufung auf das Irrationale wird diese Ansicht allgemein verworfen. 2. Logik

Der Gebrauch des Singulars ist üblich, aber unrichtig. So werden &owohl in der Wissenschaft von der Logik als auch in der juristischen Logik unter diesem einen Namen die verschiedenartigsten Theo-

II. Theorie der Gesetzesanwendung

61

rien vertreten. Eine erste Unterscheidung der hier relevanten Lehren ergibt sich aus der Beschaffenheit der jeweils untersuchten Sätze, denn Gegenstand der Logik sind sprachliche Äußerungen, und zwar auch dann, wenn die Logik als die Lehre vom richtigen Denken vorgestellt wird. Während einige neuere Richtungen von imperativischen Ausdrücken ausgehen, beschäftigt sich die traditionelle Lehre mit Aussagesätzen. Da nach allgemeiner Ansicht Aussagen über existierende Dinge dieser Welt gemacht werden, können über die Aussage selbst Aussagen gemacht werden. Sinnlos ist sie dann, wenn sie sich auf einen nicht existierenden Gegenstand bezieht oder einem existierenden unsinnige Prädikate zuordnet. Sinnvolle Aussagen können weiterhin in richtige und falsche geschieden werden. Wegen der beiden möglichen Werte, die die Aussage annehmen kann - falsch oder richtig -, wird diese Logik zweiwertig genannt. Mehrwertige Logiken nehmen dagegen an, daß Aussagen drei oder mehr Werte zukommen können. Spricht man von Logik, so meint man gewöhnlich jene an Aussagesätzen entwickelte zweiwertige Logik, die entweder in klassischer oder in moderner Form als mathematische Logik dargestellt wird. Da der Richter offensichtlich durch die Verbindung des Rechtssatzes mit dem Satz des Sachverhaltes zum Urteil gelangt, greift man zunächst auf die logischen Lehren über Aussageverbindungen zurück. Insbesondere soll der Schluß "barbara" geeignet sein, die Erlangung des Urteils zu erklären, denn viele Rechtssätze lassen sich leicht auf die Form bringen: "Für alle x gilt, sind sterblich, sind nichtig oder werden bestraft ... ", so daß aus der Verbindung mit dem Satz des Sachverhaltes "a ist ein x" folgt, daß a sterblich ist oder bestraft wird, usw. Ableitungen, die auf diese Art erlangt werden, nennt man logische Folgerungen. Nach Ansicht der Logiker haben sie einen besonderen wissenschaftlichen Wert. Allerdings ist es der Logik nicht möglich, objektive Kriterien für diese Feststellung anzugeben. Deshalb gründet eine derartige Behauptung letztlich auf dem subjektiven Empfinden des Sprechers, der die Ableitung als besonders einleuchtend oder zwingend erlebt. Eiriige Autoren nehmen sogar an, daß echte Wissenschaft nur in Form der Deduktion aus vorgegebenen Prämissen möglich sei. Diese Annahme erzwingt eine weitere: Die Sätze der Wissenschaft müssen wohlgeordnet sein, so daß von allgemeinen Sätzen zu immer spezielleren abgestiegen werden kann. Daß die Sätze der Rechtswissenschaft ein derartig wohlgeordnetes System darstellten, war in der Vergangenheit eine recht verbreitete Auffassung. Eingeschoben sei, daß der Ausdruck "System" in dieser Schrift nie als Deduktionssystem zu verstehen ist.

62

§

6 Die Anwendung des Gesetzes

Diese Anschauung vom Rechtssystem als einer gut funktionierenden Deduktionsmaschine gab einen ersten Anlaß zur Kritik der juristischen Logik, denn in vielen Fällen ist eine als zwingend empfundene Ableitung nicht möglich. Deshalb heißt es häufig, die Rechtsanwendung sei keine rein logische Operation. Diese Kritik schränkt zwar die Bedeutung der Logik ein, hält aber den Grundsatz aufrecht, daß der Richter die Regeln der Logik zu beachten habe. Seit langem ist daher anerkannt, daß die Verletzung der Denkgesetze ein Revisionsgrund sei. Ein weiterer Anlaß für die Kritik an der juristischen Logik ergibt sich aus dem Umstand, daß die juristische Logik kein brauchbares Handwerkszeug für die juristische Praxis bereithält. Logische Lehren, die von der Einheit "Satz" (Urteil) ausgehen, sind überhaupt nicht brauchbar, da Anwendungsprobleme fast ausnahmslos einzelne Tatbestandsmerkmale betreffen. Logische Lehren, die sich mit den Begriffen befassen, sind nur in der älteren klassischen Logik entwickelt worden. Diese behaupten einen Zusammenhang zwischen Wörtern, können ihn jedoch nicht erklären. Das gilt insbesondere von dem Postulat der Gesetzlichkeit im Bau einer Begriffspyramide, denn die Logik gibt keine Regeln für ihre Errichtung, allenfalls will sie die Richtigkeit der in den Einzelwissenschaften errichteten nachprüfen. Deshalb läuft dieses Verfahren auf die subjektive Behauptung hinaus, ein Wort sei in einem anderen, z. B. als Name einer Teilklasse, enthalten. Das einzuschlagende Verfahren wird von der modernen (mathematischen) Logik aufgedeckt, wenn sie im Prädikatenkalkül diese Verknüpfung von Wörtern nachahmen will. Hilbert-Ackermann geben in ihrem Standardwerk (Logik, S. 55 f.) folgendes Beispiel zur Erklärung des Prädikatenkalküls: "Es ist gewiß eine logisch selbstverständliche Behauptung, ,wenn es einen Sohn gibt, so gibt es einen Vater', und von einem logischen Kalkül, der uns befriedigt, können wir verlangen, daß diese Selbstverständlichkeit in Evidenz gesetzt wird, in dem Sinne, daß der behauptete Zusammenhang vermittels der symbolischen Darstellung als Folge von einfachen logischen Prinzipien kenntlich wird." Zur Erlangung des Beweises werden dann die Prädikate begrifflich zerlegt, denn nur so sei der Beweis zu erlangen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Zerlegung des Ausdruckes ,,Sohn", ihm werden die Prädikate "männlich" und "Beziehung zu den Eltern, bestehend aus Mann und Frau" zugeordnet. Durch Einsetzung der Teilprädikate in den Ausgangssatz und Umformung gelingt die Aufstellung einer logischen Konzeptionstheorie. Das Beispiel zeigt auf das deutlichste, wie man es machen muß. Das gewünschte Ergebnis wird in den Ausgangsausdruck hineingedeutet.

II. Theorie der Gesetzesanwendung

63

Schließlich kann der juristischen Logik noch entgegengehalten werden, daß die moderne Logik den Rückzug aus der Alltagssprache vollzogen hat. Wegen der offensichtlichen Mehrdeutigkeit der Ausdrücke in der Umgangssprache beschäftigt sie sich mit künstlichen Sprachen, die nach bestimmten Konstitutionsregeln errichtet dem Prinzip der Eindeutigkeit genügen. Logische Ableitungen sind demnach nur innerhalb des Kalküls möglich. Die Gewinnung des Urteils aus Sätzen des Gesetzes und des Sachverhaltes entspricht diesen Voraussetzungen nicht (vgl. dazu im einzelnen Horn, Logik, 38 ff.). Die Grundlagen der juristischen Logik sind deshalb außerordentlich brüchig geworden. 3. Auslegung

Zweckmäßigerweise können die Darlegungen zur Auslegung in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden, weil entweder das theoretische oder das praktische Interesse vorherrscht. Dem theoretisierenden Wissenschaftler geht es vor allem um eine Analyse des Vorgangs, den man Auslegung nennt. Dem praktisch denkenden Wissenschaftler ist hingegen vor allem daran gelegen, Grundsätze aufzustellen, die für die tägliche Arbeit brauchbar sind. Hinsichtlich der Theorie der Auslegung genügen einige Bemerkungen, die ungefähr ihren Standort bestimmen. Wie die Logik geht auch die Auslegung vom Wortlaut des Gesetzes aus, denn das erste Leitwort dieser Lehre ist "Erkennen" des Inhaltes (Bedeutung). Wiederum gibt es die wahre eindeutige Bedeutung des Wortes, die durch das Erkennen hervorgebracht wird. Im Gegensatz zu den logischen Lehren ist die Theorie der Auslegung aber immer bereit, diesen Grundsatz zu korrigieren. Denn Auslegung bedeutet in vielen Fällen nichts anderes, als die angenommene eindeutige Bedeutung eines Tatbestandsmerkmales durch eine andere Bedeutung zu ersetzen. Dieser Vorgang wird von einer außerordentlich komplexen Theorie beschrieben (vgl. z. B. Betti, Auslegungslehre). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang lediglich, daß die Theorie häufig den aktiven Anteil des Auslegenden betont. Das besagt in anderen Worten, daß das Ergebnis der Auslegung auch auf einer eigenen Entscheidung des Auslegenden beruht. Die Praxis der Auslegung kann sich im einfachsten Fall daran orientieren, daß das Gesetz das Produkt eines Menschen ist, der dem Urteiler allgemeine Regeln für die Entscheidung gibt. Alsdann ist es in Zweifelsfällen angebracht, den Willen des Gesetzgebers zu erforschen, der sich aus seinen Äußerungen anläßlich der Aufstellung der Regel ergeben kann. Bedenken begegnet dieses Vorgehen dann, wenn am Gesetzgebungsverfahren eine größere Zahl von Menschen beteiligt ist, wie es in entwickelten Gesellschaften der Fall ist, denn offensichtlich

64

§ 6 Die Anwendung des Gesetzes

ist es nicht angebracht, aus der Äußerung eines einzelnen den Willen des Gesetzgebers abzuleiten. Deshalb vor allem behauptet die objektive Theorie, entscheidend sei der Wille des Gesetzes. Obwohl gesagt wird, daß dieser Wille nicht naturalistisch als Wille eines Menschen zu verstehen sei, zieht man es vor, statt dessen vom Sinn des Gesetzes zu sprechen. Das ist die Verweisung auf das System oder den Kontext. Die Einseitigkeiten der beiden Theorien können durch die Binzunahme weiterer Gesichtspunkte überwunden werden (vergleiche dazu Bartholomeyczik, Gesetzesauslegung, S. 44). 4. Topik

Entschiedener als die Theorie der Auslegung wendet sie sich von der Logik ab, die annimmt, regelmäßig könne aus dem System der Rechtssätze auf einfache Weise ein Urteil abgeleitet werden. Die Analyse der Rechtswissenschaft zeige vielmehr, daß sie einem ganz anderen wissenschaftlichen Ideal entspreche. Dies sei die topische Methode, in der das Problem des konkreten Rechtsfalles stets den Vorrang habe. Ziel der topischen Methode ist also die Anpassung einer Lösung an die Probleme des konkreten Falles (Viehweg, Topik, S. 59 ff.). Diese erfordert, daß im Einzelfall Grundsätze des Gesetzes verändert oder aufgegeben werden. Daß eine derartige Auffassung von den Anhängern der Logik entschieden abgelehnt werden muß, bedarf keiner Erläuterungen. In der topischen Anschauung ist die Urteilstindung also vor allem ein Prozeß, in dem die Anpassung des Gesetzes an den konkreten Fall überwiegt. Die Lösung ergibt sich aus der Natur der Sache. Wie Ballweg hervorhebt, ist das Rechtssystem nichts anderes als die Summe von Lösungen, die erst nach ihrer Lösung als Rechtsregel in das System eingehen können (Ballweg, Natur der Sache, S. 68). 5. Kommunikationstheorie

Diese versucht eine Analyse des Vorganges der Urteilsfindung, sie gibt also keine methodischen Anweisungen für diesen Denkprozeß. Dennoch kann sie u. U. Einfluß auf die Urteilstindung erlangen, weil die Analyse die aktive Rolle des Richters in diesem Prozeß klärt. Die Grundannahme dieser Theorie ist einfach und dennoch nicht leicht verständlich. Sie leugnet den Realitätsbezug der Sprache, der für die traditionelle Sprachtheorie eine Selbstverständlichkeit ist. Dadurch wird gleichzeitig das Postulat der Eindeutigkeit sprachlicher Ausdrücke beseitigt. denn dieses findet seinen Grund darin, daß jeder sprachliche Ausdruck einem Weltgegenstand eindeutig zugeordnet ist (Wittgenstein-Traktatus, 2.13). An die Stelle dieser dem Denken entsprungenen

III. Technik der Behandlung einzelner Tatbestandsmerkmale

65

Anschauung setzt die Kommunikationstheorie die nicht zu bezweifelnde Tatsache, daß die Sprache vor allem ein Mittel zur Verständigung ist. Auf naturwissenschaftliche Weise und mit naturwissenschaftlichen Daten versucht sie, das Funktionieren der Verständigung zu erklären; zu erklären: warum die Verständigung möglich ist. Nur ein einzelnes Ergebnis dieser Theorie ist in diesem Zusammenhang wichtig. Durch den Vergleich verschiedener Kommunikationssysteme kann gezeigt werden, daß die sprachliche Verständigung in unterschiedlicher Weise ausgebildet sein kann. Dumme Bienen z. B. können andere Angehörige des Volkes lediglich zur Futtersuche auffordern; kluge Bienen können hingegen den Weg zur Futterquelle nach Richtung und Entfernung genau beschreiben. Durch entsprechende Vergleiche kann auch die Leistungsfähigkeit von Kommunikationstechniken innerhalb eines Systems festgestellt werden. Wichtigstes Ergebnis einer der·· artigen Untersuchung ist, daß die Kommunikationstechniken hinsichtlich der Handlungen in der Umwelt unvergleichlich leistungsfähiger sind als jene, die die sozialen Beziehungen betreffen (Horn, Kommunikationstheorie, 161). Für die Anwendung des Gesetzes folgt daraus, daß jede Regel zahlreiche Freiheitsgrade hat. Die Feststellung, der Richter sei an das Gesetz gebunden, ist - sofern die Ergebnisse der Kommunikationstheorie akzeptiert werden können - Ideologie. 111. Technik der Behandlung einzelner Tatbestandsmerkmale 1. Substantive

a) Ausdrücke der Rechtssprache Für den Anfänger sind Substantive die Namen existierender Wesenheiten dieser Welt. Deshalb scheint die Bedeutung eines derartigen Ausdruckes genauer bestimmt werden zu können, wenn eine Beschreibung (Definition) des Objektes gegeben wird. Bei zahlreichen Substantiven der Rechtssprache kann dieses Verfahren aber nicht eingeschlagen werden. Ist z. B. zu klären, ob durch eine unerlaubte Handlung das Eigentum verletzt worden ist, führt die Einsetzung der Definition nicht weiter. Der Ausdruck gibt in diesem Zusammenhang nur die Anweisung, festzustellen, ob derjenige, der Schadenersatz für eine zerstörte Sache verlangt, im entscheidenden Zeitpunkt Eigentümer gewesen ist. Demzufolge ist auf jene Sätze überzugehen, die den Erwerb und Verlust des Eigentums regeln. Insofern ist .,Eigentum" ein syntaktischer Ausdruck. Einzelheiten für diesen und ähnliche Ausdrücke werden in § 7 V behandelt. Andere Substantive der Rechtssprache dienen der Deskription sozialer Beziehungen und menschlicher Verhaltensweisen. Als Beispiele 5 Hom

66

§ 6 Die Anwendung des

Gesetzes

für die Beschreibung sozialer Beziehungen können die Ausdrücke "Ehefrau" und "Kauf" dienen. Daß der erste Ausdruck nicht auf Zustände der Welt hinweist, ist evident, denn durch Sinneswahrnehmung kann diese Tatsache nicht erkannt werden. Dennoch können regelmäßig keine Zweifel auftreten, da durch die Einhaltung bestimmter Formvorschriften die Zuordnung des Prädikats konventionell gesichert ist. Anders verhält es sich beim Ausdruck "Kauf", der ebenfalls nicht auf einen beobachtbaren Vorgang in der Welt hinweist, obwohl häufig angenommen wird, daß es sich um einen den Sozialwissenschaften vorgegebenen, seit urdenklichen Zeiten bestehenden Vorgang handele. Eine durch Formvorschriften gesicherte Zuordnung besteht hier nicht. In einzelnen Fällen kann deshalb die Zuordnung zweifelhaft werden; man denke z. B. an die häufig erörterte Frage, ob ein bestimmtes Objekt Gegenstand eines Kaufes sein kann. Auf zwei verschiedene Weisen wird in derartigen Streitfällen vorgegangen. Ausgangspunkt ist jeweils eine Definition des Kaufes. Benutzt man für diese die Ausdrücke des § 433, so sind bestimmte Objekte von vornherein ausgeschlossen, die Anwendung des Kaufrechtes ist nur im Wege der Analogie möglich. Verzichtet die Definition auf die Verwendung des Ausdrucks "Sache", kann sie von vornherein auf andere Objekte ausgedehnt werden, das Kaufrecht ist dann direkt anwendbar. Wenn Substantive, die Verhaltensweisen im sozialen Kontakt benennen, in anderen Vorschriften erklärt (definiert) werden, ist auf diese Vorschriften überzugehen. Fehlt eine derartige Erläuterung, so hat der Bearbeiter selbst den Vorgang genauer zu bestimmen. In zahlreichen Fällen hat er sich den durch die ständige Praxis konventionell gesicherten Erklärungen anzuschließen, vgl. z. B. die Bestimmung des Angebots (§ 4 III 2). Zu beachten ist, daß einige Ausdrücke, die auf den ersten Blick Namen von Gegenständen der Welt zu sein scheinen, doch Rechtswörter sind. So ist Sache keineswegs Hinweis auf jeden körperlichen Gegenstand. Was Sache ist, ergibt sich vor allem aus impliziten Regeln über soziale Kontakte. Nur solche Objekte, die in gebilligten sozialen Beziehungen vorkommen, sind deshalb Sache im Sinne des Gesetzes (Sohm, Gegenstand, S. 17). "Vorsatz" ist ein Ausdruck, der auf gewisse psychische Ereignisse hinweist; insofern handelt es sich also um einen Ausdruck, der auf ein den Juristen vorgegebenes Sein verweist. Wiederum steht der Ausdruck mit impliziten und expliziten Regeln über soziale Kontakte im Zusammenhang. Ein gutes Beispiel geben die Bestimmungen der §§ 987 ff. ab. Beschädigte z. B. der gutgläubige Erwerber einer gestohlenen Sache diese, so wäre bei einem Ersatzanspruch aus § 823 der Vorsatz des Täters zu bejahen, wenn er lediglich als ontologischer

III. Technik der Behandlung einzelner Tatbestandsmerkmale

67

oder deskriptiver Ausdruck genommen wird, der die psychische Seite der Handlung beschreibt. Aus §§ 987 ff. folgt, daß der Täter geschützt ist, es sei denn, daß er durch Klageerhebung oder Benachrichtigung gewarnt gewesen wäre (989/90). b) Ausdrücke zur Deskription von Weltdingen und Weltvorgängen

Diese sind in Gesetzestexten der Gegenwart relativ selten. Wird ein Name eines Gegenstandes verwendet, ergeben sich regelmäßig keine Schwierigkeiten, einfach deshalb, weil Ausdrücke des Gesetzes denen des Falles identisch sind. Als Gegenbeispiel läßt sich der Ausdruck "Eisenbahn" anführen. Anläßlich der Haftpflicht nach § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes ist dann u. U. die Frage zu beantworten, ob eine bestimmte Transporteinrichtung eine Eisenbahn ist. Namen, die auf Handlungen verweisen, sind regelmäßig genauer zu erklären, d. h. die Handlung ist genauer zu beschreiben. c) Verbindung der Erklärung eines Tatbestandsmerkmales und der Begründung, daß diese Erklärung den Fall treffe

Nach § 429 HGB haftet der Frachtführer für Beschädigungen des Frachtgutes, die zwischen Annahme und Ablieferung liegen. "Ablieferung" ist also Name einer Handlung, die im gegebenen Fall genauer bestimmt werden muß; der folgende Text ist die Umformung eines Urteils, da die Begründung im Gutachtenstil abzufassen ist. "Die Klägerin hätte mit ihrer Klage dann Erfolg, wenn der Schaden in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung an den Empfangsberechtigten eingetreten ist (§ 429 HGB). Unter Ablieferung i. S. d. § 429 HGB ist der Vorgang zu verstehen, durch den der Frachtführer den Gewahrsam an dem beförderten Gute im Einvernehmen mit dem Empfänger aufgibt und diesen in Stand setzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. Nicht erforderlich ist, daß der Empfänger das Gut körperlich ergriffen hat; es genügt, daß ein Verhältnis hergestellt wird, das dem zur Entgegennahme bereiten Empfänger die Einwirkungsmöglichkeit auf das Gut einräumt. In dieser Beziehung ergibt sich nun aus den Angaben des Sachverhalts, daß die Fahrer des Frachtführers die Papiere dem diensttuenden Lagermeister übergeben und auf Anweisung des Lademeisters das Fahrzeug an eine bestimmte Rampe fuhren. Dadurch haben sich die Fahrer im Einverständnis mit dem Lademeister des Gewahrsams an dem Transportgut entledigt. Erst nach diesem Zeitpunkt - also nach der Ablieferung - ist die Drehbank beim Entladen beschädigt worden, daß dieser Schaden möglicherweise durch die Fahrer des Frachtführers mitverursacht worden ist, ~·

68

§ 6 Die Anwendung des Gesetzes

hat jedenfalls für den Anspruch aus § 429 HGB keine Bedeutung" (OLG Düsseldorf, NJW 1955, S. 1322). In formaler Hinsicht ist das Verfahren außerordentlich einfach. Der Erläuterung des Gesetzes folgt die Begründung. In sachlicher Hinsicht können sich fast unüberwindbare Schwierigkeiten ergeben, da dem Anfänger oft die notwendigen Kenntnisse in tatsächlicher Beziehung abgehen und auch der Sachverhalt keine Anhaltspunkte gibt. Dieser Mühe ist der Bearbeiter des Falles allerdings enthoben, wenn der Sachverhalt nur Anlaß für die Erörterung rechtlicher Streitfragen ist. Hinsichtlich der Rhetorik entstehen ebenfalls Schwierigkeiten, denn Augustinus sagt mit Recht, daß sie eigentlich nicht lehrbar sei. Man hat diese Fähigkeit - oder man hat sie nicht. Diese Kunst ist aber von größter praktischer Bedeutung, da sie eine bestimmte Auffassung einem anderen Menschen als richtige Auffassung nahebringen kann. Die nützlichsten Hinweise stammen von Theoretikern, die im Bewußtsein ihrer Belanglosigkeit die Rhetorik geringschätzen, weil sie die Wirkweise der Überzeugungstechniken erkennen. Von einem Klassiker stammt die Anweisung, nicht nur die tatsächlichen Vorgänge darzustellen, sondern gleichzeitig auch zu beweisen, daß diese gut seien. Hinzugefügt sei, daß sich diese Argumentationstechnik auf dem semantischen Niveau bewegen muß. Aus diesem Grunde ist der Gebrauch von vulgären Bekräftigungswörtern, wie z. B . .,offensichtlich", .,natürlich", .,ganz klar", verboten. 2. Verben, Adjektive, Adverbien

Für diese ergeben sich gegenüber den Substantiven keine Besonderheiten. Wie diese können sie zur Beschreibung von Dingen oder Vorgängen der Umwelt oder zur Beschreibung von sozialen Beziehungen verwendet werden. .,Fremd", zur Kennzeichnung eines Geschäftes verwendet (§ 687 Abs. 2), meint z. B. eine soziale Beziehung. Deshalb kann auf die vorangegangenen Bemerkungen verwiesen werden. 3. Funktoren und Junktoren

Für die Benennung dieser Wörter, die von der Theorie meist vernachlässigt werden, die aber außerordentlich wichtig bei der Konstruktion von Sätzen sind, hat sich noch keine einheitliche Auffassung gebildet. Deshalb sind verschiedene Bezeichnungen vorangestellt worden. Derartige Wörter führen zu andersartigen Problemen. Durch sie kann eine bestimmte Kombination von Tatbestandsmerkmalen angegeben werden; durch sie kann auch ein Satz in verschiedene Tatbestände zergliedert werden. § 2 HGB gebraucht den Junktor .,und",

III. Technik der Behandlung einzelner Tatbestandsmerkmale

69

§ 4 Abs. 1 HGB die Disjunktion "oder"; in beiden Vorschriften wird jedoch dieselbe Merkmalskombination erreicht. § 2 HGB knüpft die Zuordnung des Prädikats "Vollkaufmann" an das Erfordernis einer kaufmännischen Organisation, veranlaßt durch Art und Umfang der Geschäfte. Deshalb gelten die Vorschriften für Vollkaufleute nicht, wenn (entweder) nach Art oder Umfang diese Organisation nicht erforderlich ist. § 986 Abs. 1 wird durch die Disjunktion "oder" in zwei Tatbestände zerlegt. Diese schließen sich demzufolge aus. Aus methodischen Gründen ist alsdann immer mit dem ersten Tatbestand zu beginnen; Einzelheiten werden unter § 7 V 7 behandelt. Unter Umständen kann die Aufteilung des Ausdruckskomplexes zweifelhaft sein. Nach der traditionellen Auffassung gibt die Disjunktion "oder" in § 812 Satz 1 nur eine Alternative hinsichtlich des Erwerbsvorganges. Entweder hat der Bereicherte durch eine Leistung des Entreicherten oder auf sonstige Weise erlangt. Nach dieser Auffassung gelten dann die übrigen Tatbestandsmerkmale gleichmäßig für beide Alternativen. Hingegen will eine neuere Lehre diese Vorschrift in ganz anderer Weise gliedern. "Oder" scheidet dann den Tatbestand der Leistung an einen anderen ohne rechtlichen Grund von allen anderen ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen.

§ 7 Die Kombination von Vorschriften I. Vorbemerkung Keine Anspruchsgrundlage gibt einen Tatbestand, der alle denkbaren Sachverhalte abschließend regelt. Der Grund liegt auf der Hand. Das Streben nach einem vollständigen Tatbestand, der alle Eventualitäten berücksichtigt, führte zu einer unübersichtlichen Häufung der Tatbestandsmerkmale; in vielen Fällen ließen sich nicht einmal die syntaktischen Probleme meistern. Aus diesen Gründen zerlegt die heutige Gesetzgebungstechnik umfängliche Sachverhaltsbeschreibungen in Teilkomplexe. Bei der Behandlung einer Rechtsfrage müssen also immer mehrere Vorschriften berücksichtigt werden. Hieraus ergeben sich für den Anfänger vor allem zwei Schwierigkeiten. Er kennt nicht die typischen Kombinationen und ist häufig im Zweifel über die richtige Reihenfolge. Deshalb bemüht er sich, Paragraphenketten zu lernen. Keineswegs sind das unnütze Kenntnisse, jedoch betreffen diese Ketten fast immer bestimmte Einzelfälle. Vorteilhafter ist es deshalb, wenn er sich mit den Prinzipien befaßt, aus denen sich der Übergang auf eine andere Vorschrift ergibt.

II. Verweisungen des Gesetzes 1. Explizite VerweisungstedtDiken

a) Rechtsfolgeverweisungen Man unterscheidet Rechtsfolge- und Rechtsgrundverweisung; allerdings sind diese Ausdrücke eher irreführend. Die Differenzierung basiert auf der angenommenen Trennung einer Vorschrift in Tatbestand und Rechtsfolge. Demzufolge kann die Rechtsfolge der Ausgangsvorschrift an den in ihr niedergelegten Tatbestand die Verweisung auf die Rechtsfolge der Zielvorschrift aussprechen. Die Ausgangsvorschrift liefert den Tatbestand, die Zielvorschrift die Rechtsfolge. Die Technik als solche ist verständlich; praktisch ist sie nur dann, wenn Worte gespart werden können, weil die Zielvorschrift mehrere Rechtsfolgen enthält.

II. Verweisungen des Gesetzes

71

b) Rechtsgrundverweisungen Bei der zweiten Technik wird auf die gesamte Zielvorschrift verwiesen. Diese Technik ist weniger leicht verständlich, denn danach müssen der Tatbestand der Ausgangsvorschrift und zugleich der Tatbestarid der Zielvorschrift berücksichtigt werden. Und dieser Gedanke, daß zwei ·Tatbestände gleichzeitig zu berücksichtigen sind, bereitet nicht nur Anfängern Schwierigkeiten. Diese ergeben sich aus der zugrunde liegenden Sprachauffassung. Nach allgemeiner Ansicht ist die Sprache ein Mittel zur Beschreibung der Welt. Eine Vorschrift ist deshalb immer dann anzuwenden, wenn die durch ihren Tatbestand gegebene Beschreibung auf den vorliegenden Sachverhalt zutrifft. Danach scheint die Verweisung auf den Tatbestand der Zielvorschrift sinnlos zu sein, da bereits der Tatbestand der Ausgangsvorschrift zutrifft. Der Sinn der Verweisung ergibt sich wiederum aus dem Bestreben, Wörter zu sparen. Der Tatbestand der Ausgangsvorschrift wird nur andeutungsweise geregelt, die Einzelheiten sind dem Tatbestand der Zielvorschrift zu entnehmen. Regelmäßig kann das nur eine analoge Anwendung sein, da die Tatbestände verschiedenartige Situationen beschreiben. Im einfachsten Fall ist lediglich die im Tatbestand der Zielvorschrift gegebene Personenrelation durch die Relation des anderen Tatbestandes zu ersetzen, die anderen Voraussetzungen bleiben erhalten. § 1207 verweist auf § 932, demnach tritt an die Stelle des Veräußerers der Verpfänder, ihn muß der Erwerber für den Eigentümer halten. Die Verweisung auf § 935 in § 1208 besagt, daß der gutgläubige Erwerb des Vorranges nicht eintritt, wenn die Sache demjenigen abhanden gekommen ist, der dadurch im Range verschlechtert würde. In anderen Fällen müssen alle Tatbestandsmerkmale verändert werden. Sie sind auf die Situation zu beziehen, die im Tatbestand der Ausgangsvorschrift beschrieben wird. Beispielsweise bestimmt § 636 Abs. 1, daß im Falle der nicht rechtzeitigen Herstellung des Werkes die für die Wandlung geltenden Vorschriften des § 634 Abs. 1 bis 3 entsprechende Anwendung finden. Ersetzte man nun einfach die auf Sachmängel bezogenen Ausdrücke durch die auf Verspätung bezogenen Ausdrücke, erlangte man anstelle des § 634 Abs. 1: "Zur Beseitigung eines Mangels der im § 633 bezeichneten Art kann der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, ... " den folgenden Ausdruck "Zur Beseitigung der Verspätung''. Dieses formale Vorgehen führt also nicht zum Ziel. Der Satz ist eben doch nicht einfach die Summe seiner Teile. Erst aus dem Satzsinn folgt der Sinn der Nachfristsetzung. Beim gegenseitigen Vertrag, an dessen Abwicklung beide Teile ein Interesse haben, kann sich ein

72

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

Partner auch im Falle der Vertragsstörung grundsätzlich vom Vertrage lösen, zunächst muß er dem anderen die geben, den Vertrag innerhalb einer angemessenen Frist Nur der Zweck der Nachfristsetzung ist in beiden Fällen

nicht sofort Möglichkeit zu erfüllen. verschieden.

Abs. 3 des § 634: "Die Wandlung ist ausgeschlossen, wenn der Mangel den Wert oder die Tauglichkeit des Werkes nur unerheblich mindert", kann auf verschiedene Weisen gelesen werden. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn "die Verzögerung unerheblich ist" - so Palandt, Anm. 1 zu § 636; "das Interesse des Bestellers nur unerheblich beeinträchtigt wird" -so Staudinger-Riedel, Randnr. 6 zu § 636. Die Akzente. sind unterschiedlich gesetzt. Unter Umständen müssen sogar Tatbestandsmerkmale der Zielvorschrift ausgeschieden werden. § 366 Abs. 3 HGB verweist wegen der gesetzlichen Pfandrechte des Kommissionärs, des Spediteurs, des Lagerhalters und des Frachtführers auf § 366 Abs. 1 HGB, der den guten Glauben des Erwerbers schützt, wenn ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache verpfändet. Übertrüge man diese Voraussetzungen auf das gesetzliche Pfandrecht, müßte der Vertragspartner des Kommissionärs Kaufmann sein. Da es darauf jedoch nicht ankommen kann, ist diese Voraussetzung auszuscheiden.

c) Feststellung der Verweisungstechnik In vielen Fällen ergibt sich die Art der Verweisung hinreichend deutlich aus dem Gesetz. So bestimmt § 687 Abs. 2: "Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, daß er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen." Hier ergibt sich die Verweisung auf die Rechtsfolge aus dem Wortlaut. Trotz unklaren Wortlautes des § 366 Abs. 3 HGB: "Das gesetzliche Pfandrecht ... steht ... gleich", kann der Sinn nicht bezweifelt werden: die gesamte Vorschrift ist analog anzuwenden, also auch der Tatbestand der Ausgangsvorschrift. Hinsichtlich einiger anderer Vorschriften besteht diese Klarheit nicht. Umstritten ist insbesondere die Bedeutung der §§ 440 Abs. 1, 951 Abs.l. ca) Die Verweisung des § 440 Abs.1 Nach § 440 Abs. 1 bestimmen sich die Rechte des Käufers nach den Vorschriften der §§ 320-327, wenn der Verkäufer die ihm nach §§ 433 bis 437, 439 obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt. Wie soeben festgestellt worden ist, ergeben sich Tragweite und Umfang der Ver-

73

II. Verweisungen des Gesetzes

weisung aus dem Tatbestand der Ausgangsvorschrift. Nach dessen Wortlaut genügt die Nichterfüllung irgendeiner aus § 433 BGB folgenden Pflicht. In diesem umfassenden Sinn wird die Vorschrift von dem Anfänger verstanden. § 440 Abs. 1 ist für ihn die Konjunktion zwischen § 433 und den allgemeinen Vorschriften. Danach sind also auch Verzug und Unmöglichkeit unter diesen Tatbestand zu ziehen. Diese Auffassung ist aus verschiedenen Gründen unrichtig. Erstens bedarf es keiner Verweisung auf Verzugsvorschriften, wenn aus dem Sachverhalt der Verzug folgt; denn für jede Vorschrift gilt, daß sie dann anzuwenden ist, wenn der Tatbestand den gegebenen Sachverhalt trifft. So verstanden, wäre die Vorschrift also überflüssig. Zweitens führt die Verweisung in einzelnen Fällen zur falschen Vorschrift. Z. B. stünde dem Käufer bei Lieferverzug des Verkäufers nur das Recht auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu, §§ 440 Abs. 1, 326; in Wirklichkeit kann aber der Käufer zwischen den Rechten aus § 286 Abs. 1 und § 326 wählen. Ähnlich verhält es sich im Falle der Unmöglichkeit: § 440 Abs. 1 führte immer zu § 325; dem Gläubiger stehen auch die Rechte aus den §§ 279, 281 zu. Bei Gattungsschulden kann er trotz Unvermögens des Verkäufers auf Lieferung bestehen; bei Spezieschulden kann er das Surrogat verlangen, das an die Stelle der unmöglich gewordenen Leistung getreten ist. § 281 gilt immer direkt, des Umweges über den § 325 bedarf es nicht, was sich einfach aus der allgemeinen Bedeutung der §§ 275 ff. ergibt; ansonsten wäre übrigens der Anspruch bei zufälliger Unmöglichkeit nicht gegeben. Aus diesen beiden Gründen bezieht sich die Verweisung nicht auf alle Vertragsstörungen, sie meint nur den Rechtsmangel, und da dieser in den allgemeinen Vorschriften eben nicht geregelt ist, wird die Verweisung notwendig und sinnvoll. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich ferner aus dem Kontext; § 440 Abs. 1 steht in dem Abschnitt über Rechtsmängel, was durch die abschließende und zusammenfassende Bestimmung des § 445 festgestellt wird. Wie § 493 für Sachmängel bestimmt § 445 für Rechtsmängel die Anwendung der Vorschriften auf kaufähnliche Verträge. Die Abgrenzung gegen Verzug und Unmöglichkeit entspricht klassenlogischem Denken. Insoweit kann von h. M. gesprochen werden.

.......

Indes wird nicht die gewöhnliche Folgerung daraus gezogen. Währenn Verzug und Unmöglichkeit als wohl geschiedene Teilklassen der Vertragsstörungen aufgefaßt werden, versteht man den Rechtsmangel als Unterfall der Unmöglichkeit. Es hat sich eingebürgert, in diesem Zusammenhang § 306 zu erörtern; denn auch bei einem Rechtsmangel kann das Unvermögen des Verkäufers zur Beschaffung des Rechtes bestehen, so, wenn eine gestohlene Sache den Gegenstand des Ver-

74

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

trages bildet. Da § 306 aber nur die anfängliche objektive Unmöglichkeit trifft, geht man auf § 325 über. Hier wird festgestellt, daß es auf den Eintritt der Unmöglichkeit nach Vertragsschluß nicht ankommt. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung "vertreten" wird häufig die Ansicht vertreten, daß der Verkäufer für sein bei Abschluß des Kaufvertrages bestehendes Unvermögen schlechthin einzustehen habe. Das alles soll aber nur dann gelten, wenn der Verkäufer tatsächlich nicht zur Rechtsverschaffung in der Lage ist. Bestehe die Möglichkeit, daß der wahre Eigentümer die Verfügung des Verkäufers genehmigt, müsse der Verkäufer gemäß § 326 Abs. 1 vorgehen. Die h. M. versteht also § 440 Abs. 1 nicht als Rechtsfolgeverweisung, sondern als Verweisung auf die gesamte Vorschrift. Wegen der daraus resultierenden Schwierigkeiten sind einige kritische Bemerkungen angebracht. Die Ansicht, der Rechtsmangel sei ein Unterfall der Unmöglichkeit, beruht auf einem semantischen Kunstgriff. Durch entsprechende syntaktische Gestaltung können auch Verzug, Sachmangel und positive Vertragsverletzung in Unmöglichkeit verwandelt werden. Ist z. B. die vereinbarte Leistungszeit nicht eingehalten, kann die Feststellung getroffen werden, daß nunmehr die Leistung zum vereinbarten Zeitpunkt nicht mehr möglich sei. Nur in seltenen Ausnahmefällen darf jedoch diese Aussage gemacht werden. Regelmäßig ist der Verspätung das Prädikat "ist im Verzuge" zuzuordnen, und zwar auch dann, wenn vertraglich bedungen ist, die Leistungszeit sei genau einzuhalten {§ 376 Abs. 1 S. 1 HGB). Andernfalls würde das Prinzip klassenlogischen Denkens verletzt werden, dessen Beachtung aber erforderlich ist, wenn die vom Gesetz versuchten Differenzierungen zwecks sachgerechter Behandlung unterschiedlicher Situationen erfolgreich sein sollen. Schließlich führt die so verstandene Verweisung zu Widersprüchen zwischen dem Tatbestand des § 440 Abs. 1 und dem der §§ 320 ff. Die freiwillige Rückgabe der Sache an den Dritten wird vom Gesetz in § 440 Abs. 2 gebilligt, denn der Käufer soll nicht zur Führung eines Prozesses gezwungen werden. §§ 325, 327, 351 mißbilligen indes das Verhalten. Der Widerspruch ergibt sich daraus, daß §§ 325, 327, 351 ein Verhältnis zwischen zwei Personen regeln, § 440 Abs. 2 muß jedoch auch die Interessen des Käufers, die sich aus den Beziehungen zu einem Dritten ergeben, berücksichtigen. Die Tatbestände der §§ 325, 326 passen also nicht für Rechtsmängel, denn beide Vorschriften gehen von schuldhaften Verhaltensweisen des Schuldners nach Vertragsschluß aus, durch die die Abwicklung des Vertrages gestört oder vereitelt wird. In dem klassischen und heute noch immer wichtigsten Fall der Rechtsmängelhaftung kommt es auf ein Verschulden des Verkäufers hingegen überhaupt nicht an. Entscheidend ist allein, daß

li. Verweisungen des Gesetzes

75

die Position des Käufers durch einen Dritten beeinträchtigt wird (Entziehung), der sich auf das bessere Recht berufen kann. Dieser Tatbestand entspricht eher dem des § 323 Abs. 1, der auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhend, den Käufer von der Zahlung befreit oder ihm den Anspruch auf Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreises gibt, sofern die Unmöglichkeit auf Zufall beruht. Deswegen wäre es angebracht, von dem Tatbestand der Ausgangsvorschrift auszugehen, um ihm die einzelnen Voraussetzungen zu entnehmen. Tatsächlich wird dieser Weg oft eingeschlagen. Bei der wichtigsten Kombination aus § 433 mit § 440 Abs. 1 ist es jedoch nicht möglich, denn diese Vorschrift gibt keine praktisch brauchbare Deskription einer Situation. Einerseits ist die Feststellung, der Verkäufer muß dem Käufer das Eigentum verschaffen, semantisch sinnlos, andererseits können diesem Satze Situationen zugeordnet werden, die gewiß nicht die Haftung des Verkäufers auslösen. Erwürbe z. B. der Käufer gutgläubig eine gestohlene Sache und ersäße sie schließlich, haftete der Verkäufer dennoch, denn er hat das Eigentum nicht verschafft. Und er haftete sogar dann, wenn der Käufer gutgläubig nach § 932 erwirbt, denn jedenfalls nach der einen Deutung des gutgläubigen Erwerbs ist das keine Verschaffung durch den Verkäufer. Grund dieser Schwierigkeiten ist die Einführung des Ausdruckes "Eigentum", der nach gewöhnlicher Ansicht auf ein existierendes Objekt verweist. Da dieses Objekt aber nicht beobachtbar ist, kann der Ausdruck nicht zur Beschreibung sozialer Sachverhalte benutzt werden. Das Verschaffungsprinzip ist für die Tatbestandstechnik nicht geeignet, da es nicht situationsbezogen ist, sondern in spekulativer Weise einen tieferen Grund für die zuvor bekannten Haftungsfälle postuliert. Demzufolge können aus dem Verschaffungsprinzip keine praktisch handhabbaren Tatbestände abgeleitet werden. Diese müssen selbständig von Lehre und Rechtsprechung entwickelt werden. eh) Die Verweisung des§ 951 § 951 gewährt dem, der infolge der Vorschriften der §§ 946 bis 950 einen Rechtsverlust erleidet, einen Anspruch auf Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Anspruch richtet sich gegen den, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt. Wiederum ist die Bedeutung der Verweisung umstritten. Die derzeitige h. M. behauptet, die Verweisung meine den gesamten § 812. Danach müssen zugleich die Voraussetzungen des § 951 und des § 812 zutreffen. Die nur vereinzelt vertretene Gegenmeinung, wonach § 951

76

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

allein auf die Rechtsfolge verweise, kann sich auf die Tatsache stützen, daß für eine Reihe gleichartiger Verweisungen allgemein anerkannt ist, daß nur wegen des Umfanges des Herausgabeanspruches auf die §§ 812 ff. verwiesen sei, insbesondere deshalb, weil § 818 Abs. 3 regelmäßig den Anspruch auf die noch vorhandene Bereicherung beschränke. Welche Folgen ergeben sich nun aus diesen unterschiedlichen Ansichten? Zur ersten Annäherung soll ein häufig erörterter Komplex aufgegriffen werden. Das Problem ergibt sich daraus, daß ein Bauunternehmen aus irgendeinem Grunde von der Baugesellschaft, die den Auftrag erteilt hatte, nicht die Vergütung erlangen kann, z. B. weil diese zahlungsunfähig geworden ist. Ist der betreffende Bau auf dem Grundstück des Eigentümers E errichtet worden, der seinerseits mit der Baugesellschaft einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hatte, liegt es auf der Hand, daß das Bauunternehmen gegen den Grundstückseigentümer vorgehen wird. Ergäbe sich der Vergütungsanspruch allein aus dem Tatbestand der Ausgangsvorschrift § 951, bestünde er. Werden aber auch die Voraussetzungen des § 812 beachtet, so soll nach der h. M. der Anspruch nicht bestehen: § 951 gelte nicht, wenn der Rechtsverlust auf Vertrag beruht (Palandt, Anm. 1 zu § 951). Danach hinge in diesem Fall der Ausgang des Rechtsstreits von der Art der Verweisung ab, so daß es notwendig würde, diese Frage vorab zu klären. Es kann jedoch leicht gezeigt werden, daß es sich um ein Scheinproblem handelt, denn der zugrunde gelegte Sachverhalt ist weder durch § 951 noch durch § 812 explizite geregelt. Den Ausgangspunkt bildet die Erkenntnis, daß die Regel des § 951 nicht allgemein gelten kann. Und es wird angenommen, daß die Modifikationen durch Anwendung des § 812 erreicht werden können. § 812 Abs. 1 S. 1 enthält nach einer heute in der Wissenschaft vordringenden Anschauung zwei verschiedene Tatbestände, erkennbar durch die Disjunktion "oder" geschieden. Der erste Tatbestand setzt eine Leistung '\·oraus, der zweite Tatbestand die Erlangung des Objektes in sonstiger Weise. Aufgrund dieser Unterscheidung wird argumentiert, daß der Grundstückseigentümer den Bau nicht durch die Leistung des Bauunternehmers erlangt habe, denn dessen Leistung erfolge aufgrund seiner Verpflichtung gegenüber der Baugesellschaft. Der Bauunternehmer vermittele also nur die Leistung der Baugesellschaft. Die durch diese Feststellung hervorgerufene Vermutung, daß alsdann der zweite Tatbestand zutreffen müsse, sei unrichtig, denn dieser Tatbestand sei begrifflich ausgeschlossen. Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise könne nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist (vgl. BGH NJW 1964, 400).

li. Verweisungen des Gesetzes

77

Dieser Schluß folgt logisch nicht aus § 812. Zwar geht er von der richtigen Feststellung aus, daß der Ausdruck "oder" die Bedeutung von "entweder - oder" habe, so daß die beiden Tatbestände sich ausschließen. Und methodisch konsequent wird zunächst der erste Tatbestand abgehandelt. Unrichtig ist aber die Behauptung, es genüge, daß der Bereicherungsschuldner das Objekt durch eine Leistung erhalten habe, gleichgültig sei, wer sie erbracht habe. Das Gesetz kennt nicht den Tatbestand der Leistung an sich. Aus dem Wortlaut: "wer durch die Leistung eines anderen . . . etwas erlangt, ist ihm . . . verpflichtet", ergibt sich unmißverständlich, daß der Schuldner dann dem Gläubiger zur Herausgabe verpflichtet ist, wenn dessen Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt. Das Gesetz regelt in diesem Tatbestand nur die zweigliedrige Relation zwischen Bereicherungsschuldner und Bereicherungsgläubiger. Dieses Denkmodell kann auch nicht verlassen werden. Ist an diesem Leistungsvorgang eine weitere Person beteiligt, muß sie deshalb beispielsweise dem Leistenden zugeordnet werden, damit die zweigliedrige Relation erhalten bleibt. Der Bauunternehmer erbringt keine eigene Leistung, denn er leistet für die Baugesellschaft. Auch der zweite Tatbestand geht von dieser zweigliedrigen Relation aus, denn der Unterschied liegt allein im Erwerbsvorgang. Der Bereicherungsgläubiger hat nicht geleistet, das Objekt ist auf sonstige Weise erlangt worden. Ein typischer Fall ist der Diebstahl. Wegen der allgemeinen Formulierung ist aber die Beteiligung Dritter am Erwerbsvorgang möglich. Für diesen Tatbestand gibt der zweite Fall keine explizite Regelung, als allgemeines Prinzip ist er deshalb notwendigerweise falsch. Explizite Regeln für Verhältnisse zwischen mehreren Personen sind nur in den drei Tatbeständen der§§ 816 Abs.1 S.1, S. 2, § 816 Abs. 2 in Verbd. mit z. B. §§ 407, 25 Abs.1 S. 2 HGB enthalten. Der zweite Tatbestand des § 812 Abs. 1 S.1 ermöglicht also keine Korrektur des durch § 951 erlangten Ergebnisses (vgl. z. B. Palandt, der in Anm. 3 b zu § 812 erklärt, die Verwendung fremden Materials in einem Bauwerk durch den Bauunternehmer erfülle den zweiten Tatbestand des § 812). Diese Auslegung des § 812, die nur beim übergang von § 951 vorgenommen wird, zeigt, daß ein unerwünschtes Ergebnis vermieden werden soll. Der Vergütungsanspruch des § 951 soll dann entfallen, wenn die Verbindung auf Grund eines Vertrages mit einem Dritten erfolgte. Dem Ergebnis ist für den angenommenen Fall zuzustimmen, nicht aber der Begründung. Das Problem folgt aus der allgemeinen Fassung des § 951. Die daraus ·folgenden Konsequenzen hat der Gesetzgeber nicht hinreichend

78

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

durchdacht. Deshalb ist diese Bestimmung teils überflüssig, teils führt sie zu unerwünschten Ergebnissen. Das zeigt jedenfalls die Anwendung des § 951 auf verschiedene Situationen, die gegebene Aufzählung beschränkt sich auf einige Fälle der Verbindung nach § 946. Zunächst werden die zweigliedrigen Relationen betrachtet; sofern die Verbindung von dem Bauunternehmer vorgenommen wird, ist er auch Eigentümer. (1) Bauunternehmer- Bauherr: §§ 631; 946, 951. (2) Bauunternehmer- Bauherr: § 631, aber der Vertrag ist wegen § 105 Abs. 1 oder § 142 nichtig; dann gilt § 812 ff. und §§ 946, 951. (3) Bauunternehmer- Bauherr: Der Bauherr habe dem Bauunternehmer die Sachen gestohlen und selbst mit seinem Grundstücke verbunden. Dem Bauunternehmer stehen dann Ansprüche aus §§ 812, 823 und wiederum nach §§ 946, 951 zu. In allen drei Fällen hat § 951 keine praktische Bedeutung, da sich die Ansprüche auch aus Tatbeständen ergeben, die eine genauere Deskription enthalten, überdies sind wegen des nicht beschränkten Umfanges die anderen Tatbestände günstiger. Sind drei Personen an dem Vorgang beteiligt, so ist an erster Stelle der alltägliche Vorgang zu erwähnen: Der Bauherr beauftragt die Baugesellschaft, die Baugesellschaft beauftragt den Bauunternehmer, da alle Beteiligten ihre vertraglichen Pflichten erfüllen, wird der Bauunternehmer, der ihm gehörige Sachen eingebaut hat, nicht auf den Gedanken kommen, gegen den Bauherrn vorzugehen. Dennoch steht ihm ein Anspruch nach § 951 zu, denn der Wertverlust ist durch die Verbindung eingetreten. Dieses Ergebnis ist unhaltbar und muß korrigiert werden. Daß diese Korrektur nicht durch § 812 erlangt werden kann, ist dargelegt worden. Außerdem würde mit der Festsetzung, § 951 sei immer ausgeschlossen, wenn die Verbindung auf Grund eines Vertrages erfolgt, wiederum ein allgemeines Prinzip aufgestellt werden, das in einzelnen Fällen zu unerwünschten Ergebnissen führte. Z. B. wäre denkbar, daß der Bauunternehmer Sachen, die er mit dem Grundstück des Bauherrn verbindet, dem Eigentümer gestohlen hat und (1) die Verbindung auf Grund eines entgeltlichen Vertrages erfolgt, (2) die Verbindung schenkweise erfolgt, (3) der Bauherr anders als unter (1) und (2) Kenntnis von dem Diebstahl hat. Für derartige Situationen wird gewöhnlich unter Anlehnung an

II. Verweisungen des Gesetzes

79

die §§ 816, 935 eine Differenzierung versucht (vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, S. 281, mit weiteren Nachweisen). Diese Beispiele zeigen, daß die Zweifelsfragen notwendig aus der Allgemeinheit des im § 951 niedergelegten Prinzips folgen, woraus sich seine Unbrauchbarkeit ergibt. Eines allgemeinen Prinzips bedarf es demnach nicht. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Entstehungsgeschichte dieser Regel, die durch Verallgemeinerung aus der actio de tigno juncto hervorgegangen ist. Diese bezog sich ursprünglich auf eine bestimmte konkrete Situation, auf die Verwendung gestohlenen Baumaterials (Dernburg, Pandekten 2. Aufl., 1. Bd., § 208 Anm. 6).

d) Adressen in der Verweisung Bisweilen gibt die Verweisung der Ausgangsvorschrift nicht die Paragraphenzahl der Zielvorschrift, statt dessen ist der Name genannt, der dieser Vorschrift zugeordnet ist. So ist beispielsweise in den §§ 161 Abs. 3, 366 Abs. 1 HGB, 325 Abs. 2 ZPO auf die Vorschriften zugunsten derjenigen verwiesen, welche Recht von einem Nichtberechtigten herleiten; gemeint sind die .§§ 932 ff. 2. Implizite Verweisungen

Diese sind seltener als die soeben erörterten expliziten Verweisungen. Der sachliche Unterschied ergibt sich daraus, daß die anzuwendenden Rechtssätze nicht mit ihrer Adresse genannt werden. Statt dessen werden ontische Feststellungen getroffen, an die der Tatbestand der Zielvorschrift anknüpft. Vor allem wird das durch Fiktionen erreicht. So bestimmt § 3 AktG: "Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmers nicht im Betriebe eines Handelsgewerbes besteht." Dieser Grundsatz wurde erst durch die Novelle von 1870 eingeführt, denn ursprünglich bezog sich das ADHGB nur auf Gesellschaften, die ein Handelsgewerbe betrieben. Durch die Änderung wurde die Aktiengesellschaft jeglichem Zwecke zugänglich gemacht. Dann wären aber Aktiengesellschaften, die kein Handelsgewerbe betreiben, nicht Handelsgesellschaften, so daß wegen § 6 Abs. 1 HGB die für den Kaufmann gegebenen Rechtssätze unanwendbar geworden wären. Um die Aktiengesellschaft nicht zwei verschiedenen Klassen von Rechtssätzen zu unterstellen, wird also fingiert, daß auch in diesem Falle die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft gelte. Der Gebrauch des Existenzfunktors "ist" wird vermieden, um nicht unrichtige Existenzaussagen zu machen. Das ist methodisch bedeutsam: die Fiktion des § 3 AktG darf erst dann berück-

so

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

sichtigt werden, wenn zuvor festgestellt worden ist, daß die betreffende Aktiengesellschaft kein Handelsgewerbe nach den §§ 1-3 HGB betreibt. Derselbe Gedanke wird in § 13 Abs. 3 GmbHG wiederholt. § 17 Abs. 2 GenG ist erforderlich, weil Genossenschaften nach der Definition des § 1 Abs. 1 GenG kein Gewerbe betreiben, denn bezweckt wird die Förderung der Mitglieder, so daß auch die Teilklasse "Handelsgewerbe" nicht gegeben ist. Für den Fall der Geschäfts- und Firmenfortführung unter den in

§ 25 Abs. 1 S. 1 und S. 2 HGB angegebenen Voraussetzungen erklärt

Satz 2, daß die Forderungen des früheren Geschäftsinhabers im Verhältnis zu den Schuldnern als auf den Erwerber übergegangen gelten. Dadurch wird § 362 Abs. 1 anwendbar, der Schuldner wird frei, und zwar auch dann, wenn dem Erwerber die Forderung nicht abgetreten worden ist. Er gilt als Gläubiger. Diese Fiktion gilt nicht im Verhältnis des alten zum neuen Inhaber. Deshalb ist der Zahlungsempfänger unter verschiedenen Gesichtspunkten verpflichtet, das Empfangene herauszugeben: § 816 Abs. 2; §§ 681, 667; §§ 687 Abs. 2, 681, 667; positive Vertragsverletzung; selbstverständlich müssen nicht alle Gesichtspunkte gleichzeitig zutreffen. Für die Verkaufskommission bestimmt § 392 Abs. 2 HGB, daß Forderungen aus einem vom Kommissionär abgeschlossenen Ausführungsgeschäft auch vor der Abtretung an den Kommittenten als Forderungen an den Kommittenten gelten; die Fiktion gilt nur für das Verhältnis zwischen Kommittent und Kommissionär und dessen Gläubiger, denn sie soll den Kommittenten gegen Gläubiger des Kommissionärs schützen, die sich aus dem Vermögen des Kommissionärs befriedigen wollen und dabei in Gegenstände vollstrecken, die rechtlich dem Kommissionär gehören, wirtschaftlich indessen dem Kommittenten zustehen, was daraus folgt, daß der Kommissionär gemäß § 383 HGB im eigenen Namen handelt, so daß ihm als Verkäufer die Kaufpreisforderung zusteht. Fiele der Kommissionär in Konkurs, gehörte demnach die Forderung zur Konkursmasse (§ 1 KO). Der Kommittent wäre als Konkursgläubiger auf die Quote beschränkt (§§ 3, 61 KO). Die Fiktion des § 392 Abs. 2 HGB verhindert das unerwünschte Ergebnis; da die Forderung demgemäß nicht als zur Masse gehörig gilt, kann der Kommittent ihre Aussonderung verlangen (§§ 43 KO, 484 Abs. 2 HGB), d. h. der Konkursverwalter hat sie abzutreten. Entsprechendes gilt für die Widerspruchsklage gemäß 771 ZPO. Übrigens gewährt § 46 KO im gleichartigen Falle die Aussonderung auf Grund einer anderen Konstruktion. Obwohl festgestellt wird, daß die Forderung zur Masse gehört, kann die Aussonderung verlangt

III. Verweisungen durch Definitionen

81

werden, weil die Forderung als Surrogat eines Gegenstandes angesehen wird, der ausgesondert hätte werden können. Daraus folgt, daß § 43 KO in Verbindung mit§ 392 Abs. 2 HGB den § 46 KO ausschließt. Derartige Verweisungen können auch durch andere Wendungen bewirkt werden, vgl. z. B. § 5 HGB. Andererseits wird durch den Ausdruck "gilt" nicht immer eine Fiktion ausgesprochen. In zahlreichen Fällen vermittelt "gilt" eine Vermutung, die lediglich prozessuale Bedeutung hat. Durch sie wird der Richter angewiesen, aus einer Tatsache einen bestimmten Schluß zu ziehen, der jedoch durch einen Gegenbeweis widerlegt werden kann. Eine solche Beweislastregelung enthält Art. 16 Abs. 1 WG. Von dem Inhaber eines Wechsels, der durch eine lückenlose Indossamentenkette oder durch ein an letzter Stelle stehendes Blankoindossament als berechtigt erscheint, wird vermutet, daß er auch der wahre Berechtigte sei. Dem Akzeptanten obläge im Prozeß der Nachweis, daß der tatsächliche Inhaber nicht der richtige Inhaber sei, weil er den Wechsel gestohlen hat. Etwelche Schwierigkeiten können in Einzelfällen bei der Bestimmung der wahren Bedeutung des Ausdruckes "gilt" entstehen. Ist der Zweck der Vorschrift erkennbar, ergibt sich leicht die Lösung. Z. B. ist die Bedeutung des Art. 31 Abs. 4 WG umstritten. Diese Bestimmung schließt an Abs. 3 an, der von einer bloßen Unterschrift auf der Vorderseite des Wechsels sagt, sie gelte als Bürgschaftserklärung, und in Abs. 4 ergänzt, sie gelte als Bürgschaft für den Aussteller, wenn es einer entsprechenden Angabe ermangele. Nach der einen Ansicht gibt Abs. 4 eine widerlegbare Auslegungsregel, die andere Ansicht hält den Gegenbeweis für unzulässig. Der Zweck der Vorschrift ist evident: Einer bloßen Unterschrift läßt sich nicht ihre Bedeutung im sozialen Kontakt entnehmen, das Gesetz weist deshalb dem Urheber eine bestimmte Stellung im Wechselverbande zu. Diese Zuordnung ist dann nicht notwendig, wenn sich aus dem Zusammenhang ein anderer Wille des Urhebers ergibt oder auf andere Weise nachgewiesen werden kann. Der Gegenbeweis ist also zulässig, und die Auslegungsregel greift überhaupt nicht ein, wenn aus dem Kontext etwas anderes folgt. So ist seit jeher anerkannt, daß die Bedeutung der Bürgschaftserklärung aus dem engen Anschluß an die Haupterklärung liegen kann (vgl. ROHG Bd.19, 89).

lll. Verweisungen durch Definitionen 1. Explizite Definitionen

Diese Verweisungstechnik ist leicht verständlich. Eine Vorschrift gebraucht einen Ausdruck, der in einer anderen Vorschrift definiert ist. 6 Horn

82

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

Demzufolge ist es notwendig, auf die Definitionsvorschrift überzugehen, um festzustellen, ob die durch die Definition gegebene Beschreibung den gegebenen Sachverhalt trifft. Z. B. erklärt § 350 HGB, daß die Bürgschaftserklärung nicht der Schriftform bedürfe, wenn sie auf der Seite des Bürgen ein Handelsgeschäft sei. Dieser Ausdruck wird in § 343 HGB definiert, verwendet ist u. a. der Ausdruck "Kaufmann", dieser wiederum ist im § 1 Abs. 1 HGB durch "betreiben eines Handelsgewerbes" erklärt, was dann zu §§ 1 Abs. 2, 2, 3 HGB führt. Hier werden also mehrere Definitionen aneinander gereiht.

a) Erkennbarkeit expliziter Definitionen Das Gesetz folgt bei Substantiven meist bestimmten Definitionsregeln. Diese sind im klassenlogischen Denken verwurzelt (vgl. Aristoteles, Methaphysik, II 999 a und b; Topik, VI 143 a). Danach hat die Definition den Oberbegriff zu nennen und die Merkmale anzugeben, die die untere Gattung bestimmen (Mensch: Sinnenwesen, zweifüßiges). Da weiterhin zumindest implizite vorausgesetzt wird, daß ein existierendes Objekt durch die Definition beschrieben wird, folgt dem zu definierenden Ausdruck der Existenzfunktor "ist". Diese Form macht Definitionen leicht erkennbar: "Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände." In einigen Vorschriften ist der zu definierende Ausdruck nicht vorangestellt, er steht vielmehr in einer Klammer im Anschluß an den Ausdruckskomplex, der die Definition gibt. Die soeben erwähnten Definitionsregeln werden meist beachtet (vgl. § 93 mit § 94). Aus wissenschaftstheoretischen Gründen folgt, daß es zu einem Ausdruck (Begriff) nur eine richtige Definition geben kann, obwohl im Einzelfall zugegeben werden kann, daß die Richtigkeit umstritten ist. Aus dem Zusammenhang von § 93 und § 94 folgt, daß nur § 93 die Definition des wesentlichen Bestandteils gibt. Durch die Form der Klammerdefinition wird die Bedeutung des § 93 klargestellt, andererseits wird in § 94 der Existenzfunktor vermieden.

b) Methodische Folgen Wird dieser wissenschaftstheoretischen Anschauung gefolgt, so hat das methodische Konsequenzen; an erster Stelle wäre immer die Definition, z. B. § 93, zu behandeln. Aus sachlichen Gründen ist das nur dann geboten, wenn klargestellt werden soll, daß die Rechtssätze der §§ 93, 94 Abs. 1 und 2 auf verschiedenen Prinzipien beruhen. Während § 93 die Trennung verbietet, um den Verlust wirtschaftlicher Werte infolge herabgesetzten Wertes oder verminderter Brauchbarkeit der Teile zu verhindern, nimmt § 94 Abs. 2 auf die (wechselnde) Auffas-

IV. Leitwörter anderer Art

83

sung im Verkehr mit Grundstücken Rücksicht, wonach von gewissen Teilen angenommen werden darf, daß sie zum Grundstück gehören, ein Gedanke, der hinsichtlich des Zubehörs in §§ 314, 926 ausgesprochen wird. Der Anfänger sei in diesem Zusammenhang vor ontologischen Erörterungen gewarnt, zu denen die Formulierung des § 93 verleitet, denn die Vorschrift verfolgt nur praktische Zwecke. Daß die Verhinderung der Trennung der entscheidende Gesichtspunkt ist, zeigt sich beispielsweise gegenüber einem Herausgabeanspruch aus § 861, der durch die Rechtsfolge des § 93 nicht berührt würde. Die Mehrzahl der gesetzlichen Definitionen bezieht sich auf Substantive; in einigen Fällen werden auch Definitionen für andere Ausdrücke gegeben, z. B. "unverzüglich" im § 121 Abs. 1; "kennen mußte" im § 122 Abs. 2. 2. Implizite Definitionen

§ 84 Abs. 1 HGB bestimmt: "Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen." Obwohl eine explizite Definition gemeint ist, ergibt sich die Bedeutung nur ungefähr aus dem Zusammenhang. Da der Ausdruck "Unternehmer" den vor der Reform des HGB verwendeten Ausdruck "Handelsgewerbe" ersetzt, folgt aus dem Vergleich mit der früheren Regelung, daß beabsichtigt ist, das Handelsvertreterrecht auf Handelsvertreter anderer "Unternehmer" auszudehnen.

IV. Leitwörter anderer Art Sind in zwei Vorschriften verschiedene Aussagen gemacht, die jeweils den gleichen Ausdruck gebrauchen, so ist es möglich, die beiden Sätze zu verbinden. Die Verbindungen sind von verschiedener Art, das Prinzip ist aber meist leicht zu erkennen. Z. B. erklärt § 249 S. 1: "Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre." Vorausgesetzt wird, daß die Schadenersatzpflicht durch einen anderen Satz ausgesprochen wird. Die im allgemeinen Teil stehenden §§ 249 ff. gelten also auf Grund des Anordnungssystems der Sätze schuldrechtlichen Charakters für alle Vorschriften, die die Schadenersatzpflicht anordnen. Durch die abgesonderte Regelung des Inhaltes der Pflicht können Wiederholungen vermieden werden. Wie immer gelten Ausnahmen: Ergänzungen und Abweichungen sind bei den einzelnen Schuldverhältnissen geregelt. Wichtig sind vor allem die Bestimmungen im Abschnitt der unerlaub-

84

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

ten Handlungen: §§ 842, 843, 847, 849; § 842 stellen klar, daß auch Nachteile für Erwerb und Fortkommen als Schaden anzusehen sind; § 847 macht eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 253. Zweifelhaft ist die Zuordnung der §§ 844, 845, einerseits betreffen sie den Inhalt der Pflicht, andererseits enthalten sie aber auch Tatbestandsmerkmale, da der Anspruch einem Dritten zusteht. Einige Bedeutung haben noch § 557, § 430 HGB; die letzte Bestimmung schränkt § 249 ein, denn nur der gemeine Wert ist zu ersetzen. Ebenfalls Verweisungsfunktion hat der Ausdruck "Eigentum". In verschiedenen semantischen Analysen hat Ross (tu-tu, S. 819 ff.) dargelegt, daß der Ausdruck "Eigentum" keine Entsprechung in der Realität habe, seine Aufgabe bestehe vielmehr darin, zwei Klassen von Rechtssätzen zu verbinden, und zwar die die Erwerbsgründe enthaltenden mit denen, die Ansprüche gewähren. Diese Ansicht stellt einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der herrschenden Anschauung dar, die ontologisierend den Ausdruck als Hinweis auf eine Entität mit erkennbaren Eigenschaften nimmt. Auf jeden Fall kann die praktische Brauchbarkeit der Deutung nicht bezweifelt werden. Demnach ist immer, wenn eine Vorschrift an das Tatbestandsmerkmal Eigentum anknüpft, z. B. §§ 985, 1004, 823, auf die Erwerbsvorschriften überzugehen. Die Erwerbsvorschriften lassen sich in zwei Klassen scheiden. Der ersten gehören die Vorschriften an, die von Gesetzes wegen den Erwerb anordnen, z. B. §§ 738, 937, 946 ff., 952, 953 ff., 958, 973, 1922 BGB; 346 Abs. 3 AktG; 18 Abs. 3 DepG. Die zweite Klasse enthält jene Vorschriften, die den Erwerb an ein Rechtsgeschäft knüpfen, wichtigste ist § 929. Da die vorgeschriebene Einigung nicht den Gebrauch bestimmter Wörter verlangt, ist die Einigung regelmäßig nicht erkennbar. Deshalb muß in derartigen Fällen auf das der Übergabe zugrunde liegende Geschäft zurückgegriffen werden; aus ihm ergibt sich, ob eine endgültige Überlassung gemeint ist oder nicht. Zu bejahen ist beispielsweise die Einigung anläßlich des Kaufes, des Tausches, der Schenkung, des Darlehens, des W erklieferungsvertrages, der Summenverwahrung; zu verneinen ist sie in den Fällen der Gebrauchsüberlassungsverträge Miete, Pacht und Leihe; im Fall der Verwahrung; aus §§ 647, 946 ff. folgt, daß weder die Übergabe an den Werkunternehmer noch die Übergabe der hergestellten Sachen von einer Einigung begleitet sind; die Leistung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen (§§ 705 ff.) kann als Übereignung oder lediglich Gebrauchsüberlassung gewollt sein. Einem anderen Denkmodell folgt der von Lehre und Rechtsprechung entwickelte Ausdruck "Anwartschaftsrecht". Dieses Leitwort beruht auf klassenlogischem Denken. Deutlich zeigt das die Entwicklung des Ausdruckes "Antwartschaft" zu "Anwartschaftsrecht", denn ist die

V. Ontologische Zusammenhänge

85

Anwartschaft ein Recht, gelten die allgemeinen Sätze über Rechte auch für die Anwartschaft, insbesondere ergibt sich die Übertragbarkeit. Und die Erlangung dieser Eigenschaft war das HauptzieL Durch die Einordnung in die subjektiven Rechte wurde die Anwartschaft zum übertragbaren Objekt. Allerdings zeigt sich nach der Schöpfung des Anwartschaftsrechtes, daß auch andere Rechtssätze anwendbar werden. Da (ontogenetisch) die Anwartschaft als Entwicklungsstadium des Vollrechtes begriffen wird, ist sie dem Vollrecht rechtsähnlich, so daß die für das Vollrecht geltenden Sätze auch auf das Anwartschaftsrecht anzuwenden sind. Im Falle des Anwartschaftsrechtes, das aus einer aufschiebend bedingten Übereignung entsteht, gewährt also das Anwartschaftsrecht die Rechte, die dem Eigentümer nach §§ 985, 823 usw. zustehen. Übrigens ergeben sich aus der Schaffung eines neuen Objektes auch Schwierigkeiten. Z. B. kann der Käufer, der durch die aufschiebend bedingte Übereignung ein Anwartschaftsrecht erworben hat, entweder das Anwartschaftsrecht oder das Eigentum übertragen. Übertrüge er zuerst gemäß §§ 929, 930 das Anwartschaftsrecht und alsdann das Eigentum gemäß § 932, entsteht wegen der Wirksamkeit der beiden Geschäfte ein Konflikt. Für dessen Lösung stellt das Gesetz keinen Satz bereit. V. Ontologische Zusammenhänge 1. Vorbemerkung

Bekanntlich wird gesagt, "es gäbe Rechte". Die Einreihung in die Kategorie des Seienden ermöglicht eine bestimmte Satzverbindung, denn neben Sätzen, die das Entstehen von Rechten feststellen, müssen andere deren Erlöschen aussprechen, so daß eine Verbindung der beiden Satzarten möglich und zugleich notwendig wird. 2. Ansprüche

Hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche bestimmen z. B. die ontogenetischen Sätze der §§ 433, 535, 611, daß Ansprüche aus Vertrag und nur aus Vertrag entstehen können. Die Lieferung von Sachen und die Leistung von Diensten begründen demnach keinen Anspruch. Bei den Erlöschenstatbeständen können zwei Arten unterschieden werden. Die erste Art bezieht sich auf die Existenz des Anspruches. Hierzu gehört vor allem der wichtige § 362 Abs. 1, obwohl er von Schuldverhältnissen spricht; richtigerweise erlischt aber nicht das Schuldverhältnis, sondern nur die einzelne Forderung aus einem Schuldverhältnis. Die zweite

86

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

Art von Sätzen bezieht sich auf die Grundlage des Anspruches; der Anspruch entfällt mit Erlöschen des Vertrages (§ 142). Aus dieser Denkweise ergeben sich bisweilen Schwierigkeiten; denn neben den §§ 142, 119, 123 geben noch andere Vorschriften Existenzaussagen, z. B. die §§ 134, 138, so daß die Frage auftauchen kann, ob einem Rechtsgeschäft nach beiden Sätzen die Existenz abgesprochen werden kann. Sobald erkannt wird, daß die ontologische Denkweise nur eine syntaktische Technik darstellt, daß also nichts bewirkt wird, ist der Weg frei zu einer praktischen Lösung dieser Fragen (Doppelwirkung). 3. Eigentum

Das Eigentum wird als künstliches Objekt gedacht, das neben die. Sache tritt. Deshalb gibt es keine Vorschriften, die besagen, Eigentum entstünde, vielmehr wird Eigentum erworben, vorzüglich durch den Vorgang des Gebens. Eigentum kann aus verschiedenen Gründen verloren werden: aus ontischen, wenn die Sache selbst vernichtet wird; aus ontologischen, wenn das Band zwischen Person und Sache durch Aufgabe des Eigentums beseitigt wird; schließlich dadurch, daß ein anderer das Eigentum erlangt. Weitaus wichtiger ist es aber, daß aus Jedem Erwerb notwendig gefolgert werden muß, daß der bisherige Eigentümer "das Eigentum" verliert, wenn von Fällen des Erwerbs von Miteigentum abgesehen wird. Zu beachten ist, daß Art. 16 Abs. 2 WG diesen Gedanken ausdrückt, ohne das Wort "Eigentum" zu verwenden. 4. Pfandrecht

Neben die Vorschriften über den vertraglichen Erwerb des Pfandrechtes an beweglichen Sachen treten zwei Arten von Rechtssätzen, die das Erlöschen aussprechen. Die §§ 1252, 1253 beziehen sich auf ein Zwei-Personen-Verhältnis; das Pfandrecht erlischt im Normalfall, wenn der Pfandgläubiger dem Verpfänder die Sache zurückgibt oder die gesicherte Forderung getilgt wird. Hingegen bezieht sich § 936 auf ein Drei-Personen-Verhältnis. Das Pfandrecht erlischt, wenn ein Dritter das Eigentum an der verpfändeten Sache erlangt und hinsichtlich des Pfandrechtes gutgläubig ist. Der Anfänger meint bisweilen, daß aus dem Erwerb der Sache ein Recht folgen müsse, das dem Pfandgläubiger gegenüber zum Besitz berechtigt. Denkbar wäre eine derartige Regelung; jedoch denkt das Gesetz den Vorgang nicht als Rechtserwerb, sondern als Rechtsverlust. Allenfalls kann eine Kongruenz hergestellt werden: Dem Verlust des Pfandrechtes entspricht auf seiten des Erwerbers der "lastenfreie Erwerb". Da aber der "lastenfreie Er-

V. Ontologische Zusammenhänge

87

werb" selbst kein Recht ist, entfällt z. B. der Herausgabeanspruch des Pfandgläubigers gemäß §§ 1227, 985, weil sein Pfandrecht erloschen ist. 5. Vorrang

An beweglichen Sachen können mehrere Pfandrechte gleichzeitig bestehen. Es ist also notwendig, das Verhältnis der Pfandgläubiger zu ordnen; es geschieht durch das Denkmodell des Vorranges. Erworben wird der Vorrang nach der Grundregel des § 1209; er steht dem zeitlich zuerst bestellten Pfandrecht zu. Der Verlust tritt ein, wenn bei einer zeitlich späteren zweiten Verpfändung der Erwerber hinsichtlich des ersten Pfandrechtes gutgläubig war (§ 1208). 6. Anwartschaftsrecht

Für das von Lehre und Rechtsprechung geschaffene Anwartschaftsrecht anläßlich des Kaufes unter Eigentumsvorbehalt gibt es nur eine gesicherte Theorie über die Entstehung. Allgemein anerkannte Sätze über das Erlöschen existieren noch nicht. Beispielsweise wäre denkbar, daß der Käufer zwei Übertragungen vornimmt, denn er hat zwei Objekte in der Hand: die Sache selbst und das Anwartschaftsrecht. Übertrüge er zunächst die Anwartschaft nach § 930 und alsdann die Sache selbst nach §§ 929, 932, greift § 932 als Erlöschenstatbestand für das Anwartschaftsrecht jedenfalls nicht direkt ein. 7. Einreden

Da Einreden als Rechte aufgefaßt werden, gilt die ontologische Verknüpfung auch für sie. Ein Beispiel bildet das Vorschriftenpaar § 462 - § 464. § 462 gewährt dem Käufer bei mangelhafter Beschaffenheit der Ware die Einrede der Wandlung gegenüber dem Kaufpreisanspruch des Verkäufers. Umstritten ist der Zeitpunkt der "Entstehung"; auf jeden Fall kann der Käufer die Einrede nach Lieferung der Ware geltend machen. Nach § 464 steht dem Käufer, der den Mangel im Zeitpunkt der Annahme kannte, die Einrede nur dann zu, wenn er entsprechende Erklärungen abgegeben hat. Wird ihm so die Einrede genommen, die ihm zuvor zustand, kann das ontologisch als Erlöschen gedeutet werden. Einige Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Verfahren, wenn die Vorschriften an verschiedenen Stellen stehen. Es wird bei einem beiderseitigen Handelskauf die Einrede der Wandlung dem Käufer durch § 377 Abs. 2 HGB genommen- die Ware gilt als genehmigt-, wenn die Mängel nicht rechtzeitig gerügt worden sind, entweder nach

88

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

der Ablieferung der Ware bei einem offenen Mangel (Abs. 1) oder nach dessen Entdeckung bei einem versteckten Mangel (Abs. 3). Unter Umständen können sich auch Zweifel ergeben, welche Einreden einem vorgegebenen Erlöschenstatbestand zuzuordnen sind. So kann § 378 HGB, der dem Käufer im Falle der Lieferung einer ande·· ren Ware die Rechte abspricht, auf § 462 bezogen werden, sofern die Anderslieferung als fehlerhafte Lieferung gemäß § 459 Abs. 1 verstanden wird. Nach der h. M. schließt klassenlogisches Denken das aus. Alsdann richten sich die Rechte des Käufers nach den allgemeinen Vorschriften. Die Anderslieferung ist dann als nichtgehörige Leistung anzusehen, so daß dem Käufer die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zusteht (§ 320 Abs. 1), deren Verlust durch § 378 HGB angeordnet wird. 8. Gestaltungsrechte

Da auch sie Rechte sind, gilt das gleiche Prinzip. Das durch Vertrag oder Gesetz gegebene Rücktrittsrecht, z. B. §§ 346; 325, 326, 327; 462, 467; 634, 636, wird durch fehlsames Verhalten des Rücktrittsberechtigten ausgeschlossen, was die §§ 351, 352 anordnen. 9. Kongruenz

Die angeführten Beispiele zeigen, daß in vielen Fällen das leicht verständliche Prinzip der Kongruenz verwendet wird; der Nachteil des einen ist dem Vorteil des anderen identisch. Es ist aber zu beachten, daß das Prinzip nicht immer durchgeführt ist. Im Falle des § 936 erlischt das Recht, das die Sache belastet. Der Vorteil des Erwerbers ist dem Verlust des anderen jedoch nicht identisch. Zwar wird die Kongruenz gedacht, denn der Erwerber erwirbt lastenfreies Eigentum, der lastenfreie Erwerb ist selbst jedoch kein Recht. Schließlich behält in einigen Fällen der Benachteiligte sein Recht, der Begünstigte erwirbt ein anderes Recht. Da Nachteil und Vorteil nicht gleichnamig sind, wird es notwendig, zusätzliche Sätze über das Verhältnis der beiden Rechte einzuführen. Z. B. steht dem Pfandgläubiger das Recht zu, die Pfandsache im Wege des Verkaufes zu verwerten (§§ 1228 ff.), er kann deshalb dem Erwerber das Eigentum verschaffen (§ 1242); implizite ergibt sich, daß der vertragliche Pfandgläubiger gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist.

VI. Regel und Gegenregel Diese Technik ist aus sich selbst heraus verständlich. Eine Vorschrift bezieht sich explizite oder implizite auf eine andere und spricht das Gegenteil aus oder modifiziert den ersten Satz oder hält ihn ausnahms-

VI. Regel und Gegenregel

89

weise sogar aufrecht. Der Vorzug des Verfahrens besteht darin, daß beliebig viele Sätze aneinandergereiht werden können, was im Falle der ontologischen Konjunktion nicht möglich ist. Als Beispiel für die Aneinanderreihung gegenteiliger Sätze kann die Folge der §§ 433 - 462 - 477 - 478 dienen. Der auf den abgeschlossenen Kaufvertrag gestützten Kaufpreisforderung (§ 433) kann der Käufer die Einrede der Wandlung entgegenhalten (§ 462), dieser Einrede kann der Verkäufer wiederum mit der Einrede der Verjährung begegnen (§ 477), hat aber der Käufer vor Eintritt der Verjährung dem Verkäufer den Mangel angezeigt, so kann er dennoch die Zahlung des ausstehenden Kaufpreises verweigern; allerdings kann er nicht den bereits gezahlten Kaufpreis zurückfordern. Ein Beispiel für einen modifizierenden Satz bildet die Folge der Sätze in § 320 Abs. 1 und Abs. 2. Nach der Regel des ersten Absatzes kann z. B. der Käufer, wenn auch nur ein geringer Teil der geschuldeten Leistung aussteht, die ihm obliegende Leistung gänzlich verweigern. Verstieße diese Weigerung nach den Umständen gegen Treu und Glauben, so muß er die bereits erbrachte Leistung vergüten und kann nur die Bezahlung der ausstehenden Leistung verweigern (§ 320 Abs. 2). Diese Beispiele zeigen, daß die Veränderungen des Satzes durch die Veränderungen der Situation veranlaßt werden. Deshalb gehören auch jene Folgen zu dieser syntaktischen Technik, die den ersten Satz aufrechterhalten. So wird die Einrede des nichterfüllten Vertrages im Prozeß beachtet, der Schuldner wird nur zur Leistung Zug um Zug verurteilt (§ 322). In der Zwangsvollstreckung wird der Grundsatz ebenfalls aufrechterhalten, der Gerichtsvollzieher muß grundsätzlich die dem Gläubiger obliegende Leistung vor Beginn der Zwangsvollstreckung dem Vollstreckungsschuldner anbieten (§ 756 ZPO). Zur Beherrschung dieser Technik sind also vor allem solide Gesetzeskenntnisse erforderlich. Einige Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die beiden Sätze weit voneinander entfernt stehen oder die Bezugnahme nicht deutlich genug ist oder die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Gegenregeln besteht. Beispielsweise können §§ 477 und 377 HGB als Gegenregeln zu § 462 aufgefaßt werden. Enthielte ein Fall Angaben, die die Erörterung beider Sätze erforderlich machen, muß mit einem der Beginn gemacht werden. Wie im Fall der Doppelwirkung kann das ontologische Argument eingeführt werden, daß ein nach § 377 Abs. 2 HGB erloschener Anspruch nicht verjähren könne, da, wie § 222 Abs. 2 zeige, die Verjährung einen existierenden Anspruch voraussetze. Dies ist auch die h. M.; demnach ist § 377 HGB im Anschluß an § 462 vor § 477 abzuhandeln.

90

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

In anderen Fällen der Wahlmöglichkeit ist die Entscheidung aus impliziten Sätzen über die Zusammenhänge des Systems abzuleiten. So kann z. B. der Besitzer die Herausgabe einer Sache gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 dann verweigern, wenn er oder der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Die Disjunktion "oder" zeigt, daß dieser Satz zwei Tatbestände enthält. Also muß entschieden werden, in welcher Reihenfolge sie zu erörtern sind. Sie ergibt sich in diesem Fall aus der Unterscheidung verschiedener Arten subjektiver Rechte, die das Gesetz selbst nicht explizite erklärt, obwohl darauf das System des Zivilrechtes wesentlich beruht; das Gesetz setzt diese historisch gewachsene Unterscheidung voraus. Bei einem Zwei-Personen-Verhältnis zeigt sich die Bedeutung der Unterscheidung noch nicht. Verpfändet oder verleiht der Eigentümer eine Sache, so hat in jedem Falle der Besitzer auf Grund des Vertrages ein Recht zum Besitz. Daß die beiden Rechte unterschieden werden können, ist in diesem Falle belanglos. Erst in einem Drei-Personen-Verhältnis wird die Unterscheidung wichtig. Angenommen sei, daß der Eigentümer die Sache verleihe und der Entleiher die entliehene Sache entweder verpfände oder verleihe. Im ersten Falle kommt es nach dem ersten Tatbestand des § 986 Abs. 1 S. 1 darauf an, daß der Besitzer selbst ein Recht zum Besitz erlangt hat. Da Verträge grundsätzlich nur Wirkungen zwischen den Vertragspartnern äußern, wäre das zu verneinen. Im angenommenen Fall ist aber durch den Vertrag ein Recht erzeugt worden, dem besondere Qualität zugesprochen wird. Ein Pfandrecht ist ein dingliches Recht, wie die Gliederung des BGB zeigt, und deshalb wirkt es "absolut"; es wirkt nicht nur gegenüber dem Vertragspartner, sondern auch in der Relation zu einer dritten Person. Hätte hingegen der letzte Besitzer die Sache auf Grund eines Leihvertrages erlangt, so käme der erlangten Position die Qualität "persönliches Recht" zu. Dieses wirkt aber lediglich relativ, d. h. in der Relation der beiden Vertragspartner. Ein eigenes Recht zum Besitz stünde demnach dem Besitzer nicht zu, so daß jetzt der Übergang auf den zweiten Tatbestand erforderlich wird. Trotz Verneinung des eigenen Rechtes kann der Besitzer die Herausgabe verweigern, wenrr er gegenüber dem Vorbesitzer zum Besitz berechtigt ist und dieser wiederum dem Eigentümer gegenüber ein Besitzrecht hat. Da dies wegen der beiden Leihverträge zu bejahen ist, greift der zweite Tatbestand ein. Hinzuzufügen ist, daß dann die Gegenregel des § 986 Abs. 1 S. 2 anzuwenden ist, da nach § 603 der Entleiher nicht befugt ist, die Sache einem Dritten zu überlassen. Außerdem könnte der

VI. Regel und Gegenregel

91

Eigentümer den Leihvertrag nach § 605 aus demselben Grunde kündigen und somit dem Entleiher das Recht zum Besitz nehmen. Unbedingt zu beachten ist, daß Entstehen und Wirkung verschiedene Qualitäten eines subjektiven Rechtes darstellen. Wegen der Einreihung in die Kategorie des Seienden kann es als existierende Wesenheit unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Geht es um das Entstehen, können vor allem die beiden Klassen gesetzliche und vertragliche Rechte unterschieden werden. Wird. die besondere Beschaffenheit des einzelnen Rechtes betrachtet, ergibt sich eine endliche, aber unbekannte Zahl von Teilklassen. Wichtig sind vor allem jene, auf denen das gesetzliche System beruht: dingliche und persönliche Rechte. Der letzte Ausdruck wird allerdings nur selten gebraucht, an seine Stelle tritt meist der Name einer Teilklasse "Anspruch"; der Ausdruck "Forderung" benennt wiederum eine Teilklasse der Ansprüche. Die Wirkweise der Rechte wird durch die Ausdrücke "absolut" und "relativ" angezeigt. Relativ meint, daß das Recht nur in einer bestimmten Relation wirkt, und das ist gewöhnlich die durch einen (schuldrechtlichen) Vertrag geschaffene Beziehung zwischen den Partnern. Absolut bedeutet dagegen, daß die Wirkung auch in anderen Relationen gilt. Es handelt sich also um eine Technik, die für DreiPersonen-Verhältnisse geschaffen worden ist. Deshalb kann die Denkweise auf andersartige Situationen entsprechend angewendet werden. So werden im Wertpapierrecht absolute und relative Einreden unterschieden. Art. 17 WG handelt beispielsweise von relativen; absolut wäre u. a. eine Einrede, die sich aus der Beschaffenheit des Wechsels ergibt. Wegen der Relation zwischen den Ausdrücken "dinglich" und "absolut" werden die beiden Ausdrücke bisweilen vertauscht. Im Wechselrecht kennt man auch die Unterscheidung von dinglichen und persönlichen Einreden anstelle der absoluten und relativen. Die Klarheit wird dadurch nicht immer gefördert, denn dinglich bezieht sich auf die Art des Seins, absolut hingegen auf die Wirkweise. Da diese Regeln allgemeingültige Grundsätze geben, bedürfen sie in bestimmten Fällen der Korrektur. Hierher gehört der Grundsatz: "Kauf bricht nicht Miete", die Miete wird also verdinglicht, damit sie absolut wirke (§ 571). Umgekehrt kann Rechten, die absolut wirken, diese Wirkweise abgesprochen werden. Wird z. B. ein Blankoakzept abredewidrig ausgefüllt, entstünde die Wechselforderung nicht in der im Papier angegebenen Höhe, sondern nur insoweit, als die Ermächtigung das Entstehen der Forderung ermöglicht. Aus diesem Grund würde folgen, daß der Akzeptant die abredewidrige Ausfüllung jedem späteren Inhaber entgegenhalten kann. Um die Umlaufsfähigkeit des

92

§ 7 Die Kombination von Vorschriften

Wechsels zu gewährleisten, ist ihm dieses Recht durch Art. 10 WG genommen. Die absolute ist in eine relative Einrede verwandelt. Der Übergang auf einen anderen Satz bedarf nie einer weitschweifenden Begründung. Ordnet die Gegenregel z. B. eine gegensätzliche oder abweichende Rechtsfolge an, so genügt der Hinweis auf diese andere Rechtsfolge. Durch diesen Umstand ist die Behandlung der anderen Vorschrift hinreichend begründet. Z. B. wäre der Übergang von § 462 auf § 377 HGB nicht durch die Behandlung der Kaufmannseigenschaft und der Qualifizierung des Kaufes als Handelsgeschäft allmählich vorzubereiten. Dieses Vorgehen ließe den unbefangenen Leser im unklaren über den Zweck der Erörterung. Statt dessen ist von § 462 auf § 377 Abs. 2 überzugehen, da sich aus dieser Kombination der ontologische Zusammenhang ergibt.

Literaturverzeichnis Aristoteles: Metaphysik, übersetzt von P. Gohlke, 2. Aufl., Faderborn 1961. Nikomachische Ethik, übersetzt von P. Gohlke, 2. Aufl., Faderborn 1956. Topik, übersetzt von E. Rolfes, Leipzig 1948.

-

Ballweg, 0.: Zu einer Lehre von der Natur der Sache, 2. Aufl., Basel 1963. Bartholomeyczik, H.: Die Kunst der Gesetzesauslegung, 4. Aufl., Frankfurt a. M. 1967. Betti, E.: Zur Grundlegung einer allgemeinen Auslegungslehre, in: Festschrift für E. Rabel, Tübingen 1954, S. 78 :ff. Dernburg, H. : Pandekten, Erster Band, 2. Aufl., Berlin 1888. Gareis, K.: Das deutsche Handelsrecht, 8. Aufl., Berlin 1909. Hilbert, D. und W. Ackermann: Grundzüge der theoretischen Logik, 3. Aufl., Berlin, Göttingen und Heidelberg 194.9. Horn, D.: Rechtssprache und Kommunikation, Grundlegung einer semantischen Kommunikationstheor~e, Berlin 1966.

-

Studien zur Rolle der Logik bei der Anwendung des Gesetzes, Diss., Berlin 1962. Larenz, K.: Lehrbuch des Schuldrechts, 1. Bd., 8. Aufl., 2. Bd., 7. Aufi., München und Berlin 1965 und 1967. Medicus, D.: Bürgerliches Recht, Köln und Berlin 1968. Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 26. Aufl., München und Berlin 1968. Ross, A.: Tu -

tu, in Harv. Law Review, Vol. 70, S. 812 :ff.

Sohm, R.: Der Gegenstand, Leipzig 1905. Staudinger, J . von: J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 11. Aufl., Berlin 1955 :ff. Viehweg, T. : Topik und Jurisprudenz, 3. Aufl., München 1965. Wittgenstein, L.: Tractatus logico-philosophicus und Philosophische Untersuchungen, Frankfurt a. M. 1960. Whorf, B .: Language, Thought, and Reality, Selected Writings. ed. by J. Carrol, 4 Printing, New York und London 1959.

Verzeichnis der Gesetzesstellen 1. BGB lff. 12 21f. 26 31 54 65 80 89 93f. 105 119 120 121 122 123 130 133 134 138 142 154 155 157 164 165 166 167 179 185 194 208 222 243 246 249 253 275 ff. 276 278 279 280 281

16 24, 51 16 34 18 f., 34 f. 19, 32 16, 18 16 35 82f. 78 86 36 83 83 86 56 57 f. 86 86 78, 86 58 58 57 f. 35 f., 56 37 36 18, 28, 56 28 35 13 79 89 37 ff. 25 83f. 31, 84 37 ff., 73 34 34, 36, 43 37 ff., 73 14 f., 38, 50 14 f., 32, 38 f., 41, 73

282 285 286 287 288 293 ff. 300 304 306 314 315 320 ff. 322 323 ff. 324 325 326 327 343 346 347 351 352 361 362 383 393 398 ff. 404 407 419 426 427 431 433 ff. 439 440 445 446 447 455 459 462 ff. 464

54 54 33, 40 f., 73 39 25 33, 38 37 f. 33 73f. 83 27 72, 74, 88, 89 89 37, 39, 42, 44, 75 37, 39, 43 39, 73 f., 88 27, 33, 40 f ., 73 f., 88 74, 88 25 88 39 74, 88 88 27

35, 80, 85 25, 27, 33 32 28 29, 44 f., 47 77 28 46f. 47 47 58, 72 ff., 85, 89 72 72 ff. 73 37, 42 f. 37 ff., 42f. 41 88 87 ff. 27, 87

Verzeichnis der Gesetzesstellen 467 477 478 493 516 535 548 552 557 571 603 604 605 611 616 623 627 631 633 634 636 649 663 667 675 677 678 681 682 687 705 ff. 713 714 718 738 765 771 780 781 796 812 ff. 816 818 821 823 ff. 830 831 839 840 842 843 844

88 89 89 73 56 85 50 44 84 91 90 50 91 85 44 27 27 78 71 71 f., 88 71 f., 88 27 50 14 f., 50 f., 80, 84 27, 50 72 72 14 f., 50, 72, 80 72 14 f., 50, 68, 72, 80 84 51 18 16 f . 84 25, 28 25 25 25, 49 44, 47 46 f., 50, 69, 75 ff. 14 f., 77, 79 f. 39, 51, 76 46f. 14 f., 35, 54, 66, 78, 84f. 18 18, 34, 36, 47 35 47 84 84 84

845 847 848 849 855 861 891 892 926 929 930 932 935 936 937 946 ff. 950 951 952 953 ff. 958 973 985 986 987 ff. 989 990 1004 1007 1137 1138 1163 1185 1204 1207 1208 1209 1227 1228 1242 1252 1253 1922 1967 1975

85 31, 51, 84 39 84 36 50, 83 47 47 83 29, 84ff. 85, 87 53, 71, 75, 79, 85, 87 79 86, 88 84 75, 78, 84 75 72, 75 ff. 84 84 84 84 14 f., 32, 50, 71, 84 ff. 69, 90 22, 32, 66, 67 39, 67 39 24, 51, 84 50 46f. 44ff. 45 45ft. 22 71 71, 87 87 87 88 88 86 86 16, 84 28 28

2. EGBGB Art. 7 ff. 23 3. AktG 1 3

16 79

96

Verzeichnis der Gesetzesstellen 4 12 93 346

16, 18 24 50 84

63 75 76 84 91 92 105 124 125 126 128 162 172 343 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 ff. 361 362 364 366 367 369 ff. 373 374 375 376 377 ff. 378 379 383 384 392 405 429 430 484

4. EGAktG (1937) 24 9 EGAktG (1965) 5 24 5. ADHGB Art.356 41 6. DepG 18 7. GenG 1 2 3 17

84

80 18 16, 18 16, 80

8. GewG 133

44

9. GG Art.20 Art.34

35

11

10. GmbHG 16, 18 4 20 11 13 16, 19, 80

11. GWB 1 6

12. HGB lff. 2 4 5 6 19 25 27 48 ff. 49 54ff.

23 23 19 f., 80, 82 20, 68, 69 19, 53, 69 53, 81 79 18 28, 77, 80 28 28, 35, 37 56 28, 35, 37, 56

13. EGHGB Art.2 14.

44 37, 56 44 83 37 56 16, 19, 27 16 f. 18 18 47 f. 19 19 82 26 26 26 25.f. 25f. 25 f., 82 26 25f. 26 26 26 41 50, 56 44 26, 35, 72, 79 26 26 25 ff., 33 25, 27 26f. 26 f., 41, 74 26 f., 87, 89, 92 27, 88 27 35, 80 50 80f. 27 27, 67 f. 84 80 25, 28

KO 1 3 43

80 80 80f.

97

Verzeichnis der Gesetzesstellen

46 61

80f. 80

15. Reichshaftpftichtgesetz 1 67 16. SchG 4 15 22 25 32 17. StVG 1

30

30

14 16 17 20 31 32 20. WZG 15 24

17

21. ZPO 50 325 736 756

51

19. WG

8

11

44 30 30

18. UWG 1

10

28

111

888

92 28 f., 45, 47 29 81, 86 28 f., 44 ff., 91 29 81 28 24 24 19 79 17 f. 89 80 15

Sachverzeichnis Absolute Rechte 91 Abstraktheit 46 Abtretung 29 Akzessorietät 28, 45 f. Alltagssprache 50 Amtshaftung 35 Anderslieferung 88 Angebot 55 ff. Annahme 55 ff. Annahme (Scheck) 30 Annahmeverzug 32 Anpassung des Sachverhaltes an das Gesetz 59 Anpassung des Gesetzes an den Sachverhalt 59, 64 Anspruch 13; Entstehen und Erlöschen 85 f. Anspruchsgrundlagen 13 Anwartschaftsrecht 84 f., 87 Anweisung 29 Ausgleichsanspruch 46 ff. Auslegung von Willenserklärungen 57; - des Gesetzes 63 f. Aussonderung im Konkurse 80 außerrechtliche Kontakte 55, 58 Bauunternehmerfälle 76 ff. Beamter 35 Bedeutung 57, 63 Bekräftigungswörter 68 Bereicherung 76 ff. Besitzdiener 36 Bestä tigungsschreiben 56 Bestandteile 82 f. Beweislast 53 Bindung an das Gesetz 11, 65 Bote 36, 56 Bringschulden 38, 42 Deckungsverkauf 33 Deduktion 61 ff., 67 f. Definitionen 81 f. Deliktsfähigkeit der Gesellschaften 18;

der juristischen Personen 34; der nichtrechtsfähigen Vereine 19 Deskription menschlicher Handlungen 54, 65 f., 79 Dienstvertrag, Verhinderung des Dienstpflichtigen 44 dingliche Rechte 91 Disjunktion 69, 76, 90 Dissens 58 Doppelwirkung 86 Ehefrau 66 Eigentum 65, 75, 84, 86 Eigentumserwerb 84 Einreden 45, 87, 91 Einwendun~en 45 Eintragung, Wirkung der - 19 Empfangsbedürftigkeit von Willenserklärungen 55 Erfüllung 35, 80 Erfüllungsgehilfe 36, 43 Ermächtigung 35 Existenzfunktor 79 Falschlieferung 88 Fiktionen 79 f. Fixgeschäft 41 Funktoren 68 Frachtgeschäft 27 Gattungsschulden 37 ff. Gefahrgeneigte Arbeit 47 Gefahrübergang 37 Gegenleistung 39, 42 f. Geld 36, 50 Geltungsbereich der Rechtssätze 23 Gesamthandsgemeinschaft 16 Gesamtschuldner 47 f. Geschäftsfortführung 8 Gesellschaft: Ansprüche Dritter gegen die Gesellschaft 17 f .; Deliktsfähi!Jkelt 17 f.; Erkennen der Gesellschaftsform 18; Vorgesellschaften 19 f.

Sachverzeichnis Gesellschaftsvermögen 17 Gesetzesanwendung 59 Gestaltungsrechte 88 Gewährleistung 27 Gläubi~rverzug 32, 38 Gliederung der Lösung 15 Handelsgeschäft 26 Handelsrecht 24 ff.; Sonderrecht 28 Herausgabe 50 HUfspersonen 36 Holschulden 38, 42 Hypothek 45 f. Ideeller (immaterieller) Schaden 31 Indossamentenkette 29, 81 Inhaberschuldverschreibung 47 Internationales Privatrecht 23 Junktoren 68 Juristische Personen, Haftung der- 34 Kauf 66 Kaufmann 28 Kaufmännisches Personal 36, 56 Klagearten 13 Klassenlogik 31, 56, 73, 88 Kollisionsnonnen 23 Kombination von Vorschriften 32, 70 ff. Kommanditgesellschaft 17 Kommission 27, 50, 80 Kommunikation 55, 57 Kommunikationstheorie 64 Konkurrenz 24 ff., 31 Konsens 56 Konzentration 37 Krankheit des Arbeitnehmers 44 Lastenfreier Erwerb 86, 88 Legalschuldverhältnis 22 Leistung, Bereicherung durch Leistungsgefahr 37 Lernen, aktives 53 Lohnfortzahlung 44 Logik 50, 60 ff.

76 ff.

Mängelrüge 87 Mehrheit von Anspruchsgrundlagen 21, 24, 30 ff. Mehrheit von Schuldnern 46 ff. Mehrstimmrechtsaktien 24

99

Nachfristsetzung bei Verzug des Schuldners 40 f. Nachträgliche Unmöglichkeit 38 ff. Namenswechsel, Übertragung 28; Einreden 45 Nichtrechtsfähiger Verein 19 f. Negative Tatbestandsmerkmale 53 f. Objekte 51, 66, 75, 86 Offene Handelsgesellschaft 16 f.; 48 Orderklausel 45 Orderwechsel 29, 47 Organhaftung 34 Persönlichlreitsrecht 51 Personalgesellschaften 27 Persönliche Rechte 91 Pfandrecht 86 f. Preisgefahr 37 Prokura, ErteilU!Ilg der - 28 Rechtsfähigkeit 15 Rechtsfolge 49 ff. Rechtsfolgeverweisung 70 Rechtsgefühl 60 Rechtsgrundverweisung 71 Rechtslage 11 Rechtsmangel 73 Rechtssprache 50, 59, 65 f. Rechtssprechung 11 Rechtsubjekt 15 ff. Rechtssystem 61 f. Rechtsverhältnis 13; Benennung der- 22 Relationen, zweigliedrige 13, 71, 74 f., 77 f., 90 f. Relative Rechte 91 Richter 11, 60 Rückgriff 48 Rügepflicht des Käufers 87, 89 Sache 66 Satzsinn 52 Schadenersatz 30 f.; Einteilungen 40; Umfang 83 Scheck 29 Scheckkarte 30 Schickschulden 38, 42 f. Schmerzensgeld 31 Schuldanerkenntnis 47, 49 Schuldnerschutz im Fall der Abtretung 29, 44 ff.

100

Sachverzeichnis

Schuldrecht außerhalb des BGB 26 Schuldverhältnsise, Entstehung 54 Schuldnerverzug 32, Nachfristsetzung 40 f.; Wahlrechte des Gläubigers 41 Schweigen 56 Selbsthilfeverkauf 25, 33 Sicherungshypothek 47 Soziale Kontakte 54 f., 66 Spezielle Vorschriften 31 Staatshaftung 35 Stellvertretendes Commodum 39, 73 Stückschuld 38 Subjektive Rechte, Einteilungen 90 f . Substantive 65 Subsumtion, s. Deduktion; s. Anpassung Syntax 16, 32, 65, 70 fi. System 61 f . Tatbestand 49, 52 f., 59 Tatbestandsmerkmale 52; Reihenfolge der - 54 Verbindung mit den Angaben des Sachverhaltes 67 Tatbestandstypen 53 Topik 64 Transportgefahr 41 f. Umlaufsfähigkeit eines Rechtes 29, 44 fi., 91 Unerlaubte Handlung 30, 54 Unmöglichkeit: nachträgliche 38 fi., ursprüngliche 73

Unterlassung 15, 51 Unternehmer 83 Verben 68 Verbindung 75 fi. Verbindung von Rechten 45 f. Verein 19 f., 32 Verkehrshypothek 45 f. Vermutung 81 Verrichtungsgehilfe 34, 36 Verschaffungsprinzip 75 Versendungskauf 38 f., 43 Vertrag, Idee des - 54 Vertragsschluß 54 fi. Vertreter 36, 56 Vertretungsmacht 35 Verweisungen 70 fi. Verwendungsansprüche 74 ff. Verzug 32f. Verzugsschaden 40 Voraussetzungen, s. Tatbestandsmerkmale Vorrang 87 Vorsatz 66 Wahlrechte 41 f ., 73 Wandlung 87 f., 89 Warenzeichen 24 Wechsel 28, 45 fi., 91 Wettbewerbsrecht 24 Willenserklärungen 55 ff.; übereinstimmung der Auslegung 57 f. Wortlaut 57

57