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German Pages 347 [350] Year 2015
Geschichte Franz Steiner Verlag
t r a nsatl a ntiHistorische s ch e h i s toStudien r i s ch e s t u d i en Transatlantische
Larissa Schütze
William Dieterle und die deutschsprachige Emigration in Hollywood Antifaschistische Filmarbeit bei Warner Bros. Pictures, 1930–1940
Larissa Schütze William Dieterle und die deutschsprachige Emigration in Hollywood
transatlantische historische studien Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Mischa Honeck, Jan Jansen und Britta Waldschmidt-Nelson Band 55
Larissa Schütze
William Dieterle und die deutschsprachige Emigration in Hollywood Antifaschistische Filmarbeit bei Warner Bros. Pictures, 1930–1940
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Dieterle, 1930er Jahre © Stadtarchiv Ludwigshafen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015 Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Satz: DTP + TEXT Eva Burri Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10974-1 (Print) ISBN 978-3-515-11014-3 (E-Book)
Für meine Großeltern Bernhard und Frieda Schütze
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ...................................................................................................
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Einleitung ................................................................................................
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I.
Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz für emigrierte deutschsprachige Filmkünstler .................................
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1.
Der Aufstieg eines Familienunternehmens (1903–1930)................ Vom Nickelodeon zum Hollywoodstudio................................... Das Engagement Ernst Lubitschs und Henry Blankes ............... Die Jahre der Expansion .............................................................
30 30 32 36
2.
Die dreißiger Jahre – Konventionen und Innovationen .................. Weltwirtschaftskrise und New Deal ........................................... Headline pictures und social problem films................................ Die Produzenten Hal B. Wallis und Henry Blanke.....................
39 39 43 49
3.
Die Haltung des Studios zum nationalsozialistischen Deutschland Der Rückzug vom deutschen Absatzmarkt................................. Das politische Engagement der Gebrüder Warner...................... Erste anti-nationalsozialistische Filmprojekte ............................
59 59 63 69
II.
William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935): Akkulturation und Netzwerkbildung im amerikanischen Produktionssystem ........................................................................
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1.
Anruf aus Hollywood – Dieterles Wechsel in die USA (1930)....... Von der Max Reinhardt-Bühne zum Film .................................. Regie deutschsprachiger Filmversionen .....................................
78 78 89
2.
Dieterles Aufstieg zum Vertragsregisseur (1931–1934) ................. 97 Entwicklung zum zuverlässigen contract director ..................... 97 Ermüdende Routine in der low budget Produktion .................... 104
3.
Eine große Chance – Zusammenarbeit mit Max Reinhardt und Erich Wolfgang Korngold am Midsummer Night’s Dream (1935) ...................................................................... 111 Die Auswirkungen der NS-Machtergreifung auf die deutschsprachige Kolonie in Hollywood ................................................ 111
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Inhaltsverzeichnis
Dieterle gewinnt Max Reinhardt für Warner Bros. Pictures....... Die ersten Drehbuchentwürfe ..................................................... Das Theatergenie Reinhardt im Studioalltag .............................. Erich Wolfgang Korngolds Filmmusik ....................................... Die Rezeption des Filmes in der Presse und im boxoffice .......... Der Kampf um die credits .......................................................... Max Reinhardts Workshop for Stage, Screen and Radio............
116 123 129 141 147 154 160
III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936-1940): politische und künstlerische Repräsentation des „anderen Deutschland“ in der Emigration ................................. 169 1.
Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures – Kampf für den Humanismus innerhalb der Zwänge Hollywoods (1936–1938) ..... The Story of Louis Pasteur (1936): Naturwissenschaft als populäres Filmthema? ........................................................... Der Kampf gegen den Antisemitismus mit The Life of Emile Zola (1937): Erfolge und verpasste Chancen ................... Fritz Kortners Biographie Ludwig van Beethovens ...................
169 170 178 197
2.
„The Coming Victory of Democracy“ – Dieterles zunehmende Einbindung in die politisch aktive Emigration (1938–1939) .......... Der Spanische Bürgerkrieg und der Film Blockade (1938)........ Thomas Manns Vortrag „The Coming Victory of Democracy“ ... Dieterle als Schlüsselfigur der Exilantenhilfe ............................
3.
Allianz für die Demokratie – Zusammenarbeit mit Wolfgang Reinhardt und Paul Muni am Großprojekt Juarez (1939) .................................................................................. 244 Ein Filmdrehbuch als politisches Ideendrama ............................ 246 Die Rezeption des Filmes als „politische Waffe“ ....................... 258
4.
Kampf für das „andere Deutschland“ – Dieterles politische und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939–1940) ................................................................ Plädoyer für Wissenschaft und Humanismus mit einer Biographie des Mediziners Paul Ehrlich .................................... Albert Bassermanns Hollywooddebüt in der Rolle des Robert Koch ......................................................................... Die beginnende Überwachung Dieterles durch das FBI ............
211 211 221 233
265 267 275 282
Inhaltsverzeichnis
5.
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Aufbruch der Warner Bros. Studios in die Kriegsproduktion: Dieterle verlässt das Studio (1940) ................................................. 291 Gewagter Sprung in die Unabhängigkeit.................................... 291 Dieterles weiteres Schicksal in Hollywood (1940–1958) .......... 303
Schlussbetrachtung ................................................................................ 317 Anhang .................................................................................................... 325 Filmographie: Werke Dieterles bei Warner Bros. Pictures ......... 325 Verzeichnis erwähnter Studiomitarbeiter.................................... 327 Quellen und Literatur............................................................................ 329 Quellenverzeichnis ..................................................................... 329 Literaturverzeichnis .................................................................... 330 Index ........................................................................................................ 339 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ 347
VORWORT Zunächst möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Jens Malte Fischer danken, der mich durch seine Lehrveranstaltungen bereits zu einem frühen Zeitpunkt meines Studiums für die Exilforschung begeistert hat. Mit seinem großen Engagement und seiner Expertise wurde er zu einem Wegbereiter und unverzichtbaren Betreuer dieser Arbeit. Ferner gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Michael Gissenwehrer für die Übernahme des Korreferates sowie Herrn Prof. Dr. Michael Brenner für seine Beteiligung am Prüfungsverfahren, das im Wintersemester 2011/2012 an der Ludwig-Maximilians-Universität München abgeschlossen wurde. Die Bearbeitung der vorliegenden Studie war nur möglich durch die große Hilfsbereitschaft zahlreicher Archiv-Mitarbeiter in Los Angeles, die mir ihre Bestände für meine Recherchen zur Verfügung stellten. Ein besonders herzlicher Dank gebührt der Feuchtwanger Memorial Library der University of Southern California, namentlich den Kuratorinnen Michaela Ullmann und Marje Schuetze-Coburn, die meine Forschung durch ein Stipendium großzügig unterstützten. Michaela Ullmann hat mir ferner – weit über ihre eigentlichen Aufgaben als Kuratorin hinausgehend – in Los Angeles freundschaftlich mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die Mitarbeiter der Warner Bros. Archives der University of Southern California, Sandra Joy Lee Aguilar und Jonathon Auxier, haben mich trotz des großen Andranges, der in ihrem filmhistorisch bedeutsamen Archiv herrscht, wochenlang mit ihren Materialien arbeiten lassen. Insbesondere Sandra Joy Lee Aguilar hat mit ihrer Hilfsbereitschaft meine Forschung erheblich unterstützt und auch darüber hinausgehend meinen Aufenthalt in Los Angeles sehr bereichert. Schließlich gilt mein Dank den Mitarbeitern der Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences für die Bereitstellung wichtiger Akten der Production Code Administration. In Deutschland haben mich die Kinemathek Berlin, das Archiv der Akademie der Künste in Berlin und das Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein während meiner Forschungen in William Dieterles Nachlass sowie in anderen wichtigen Sammlungen zum Filmexil unterstützt. Dem Deutschen Historischen Institut in Washington, DC gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe Transatlantische Historische Studien; mit großem fachlichen Engagement haben Frau Prof. Dr. Britta Waldschmidt-Nelson, Herr Dr. Mischa Honeck und Frau Ricarda Berthold die Korrekturen des Manuskriptes bis zum Druck begleitet. Schließlich möchte ich meiner Familie für ihre große Unterstützung und das in mich gesetzte Vertrauen danken; ohne sie hätte ich dieses Forschungsprojekt sicherlich nicht durchführen können.
EINLEITUNG „Berlins Verlust war Hollywoods Gewinn“ – mit diesem sinnfälligen Ausspruch verweist der Literaturwissenschaftler Helmut G. Asper auf den großen Beitrag, den emigrierte deutschsprachige Künstler während der dreißiger und vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung der amerikanischen Filmindustrie leisteten.1 Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung profitierten die sich damals noch in einer Phase der Adoleszenz befindlichen Hollywoodstudios in einem kaum zu überschätzenden Maße von dem Zustrom hochqualifizierter Mitarbeiter aus nahezu allen Bereichen der deutschen Filmproduktion. In besonderem Umfang galt dies für den im Jahre 1923 durch die Brüder Harry, Albert, Samuel und Jack Warner gegründeten Familienbetrieb Warner Bros. Pictures. Bereits in der Mitte der zwanziger Jahre hatten die Gebrüder Warner begonnen, zum Zwecke der Aufbesserung ihrer künstlerischen Reputation erfolgreiche Filmschaffende aus Berlin mit lukrativen Angeboten für ihr Studio anzuwerben. Unter ihnen waren neben berühmten Persönlichkeiten wie Ernst Lubitsch auch aufstrebende junge Talente wie der 1893 in Ludwigshafen am Rhein geborene Schauspieler und Regisseur William (ursprünglich Wilhelm) Dieterle. Dass man diesen heute zu der Gruppe emigrierter deutschsprachiger Filmkünstler in Hollywood zählen muss, deren Name zumindest außerhalb informierter Fachkreise zunehmend in Vergessenheit gerät, liegt vielleicht an der Beschaffenheit der zentralen Werke seines amerikanischen Œeuvres, die in den Jahren zwischen 1934 und 1940 bei Warner Bros. entstanden. In einer Zeit, in der die profitorientierte Traumfabrik Hollywoods den immer größer werdenden Unterhaltungshunger ihres Publikums mit Gangsterfilmen, eskapistischen Musicals und aufwendig produzierten Mantel-und-Degen-Abenteuern zu stillen suchte, einer Zeit der Verdrängung, wirtschaftlicher Probleme und des politischen Isolationismus, schuf Dieterle aufrüttelnde, unbequeme Zeugnisse der damaligen Zeitläufte. Gemäß dem Schiller-Zitat „Man ist ebensogut Zeitbürger, als man Staatsbürger ist“, das er in einem Notizbuch unter dem Titel „Merkwürdiges“ festhielt2, glichen seine Filmbiographien großer Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Literatur und Politik einem Glaubensbekenntnis an die humanistische Kultur und die Demokratie; sie glichen einer Kriegserklärung an den Faschismus, den Antisemitismus und an seine verlorene Heimat – das nationalsozialistische 1 2
Asper, Etwas Besseres als den Tod, 29. Notizbuch Dieterles: „Merkwürdiges“, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Vgl.: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, Zweiter Brief, in: Alt, Friedrich Schiller. Sämtliche Werke in 5 Bänden, Bd. 5, 572.
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Einleitung
Deutschland. Sie gehören zu den interessantesten und aussagekräftigsten Werken emigrierter Filmkünstler in Hollywood und können aufgrund ihrer hohen künstlerischen Qualität und dem deutlich erkennbaren Beitrag zahlreicher deutschsprachiger Mitarbeiter bedenkenlos in einem Atemzug genannt werden mit zentralen Exilfilmen wie zum Beispiel Hangmen Also Die, dem Ergebnis der berühmt-berüchtigten Zusammenarbeit Fritz Langs mit Bertolt Brecht.3 Wie sehr auch das literarische Exil diese Filme Dieterles schätzte und als einen wichtigen Beitrag zur Repräsentation des „anderen Deutschland“ der Emigration rezipierte, lässt sich an einem Artikel Lion Feuchtwangers ermessen – entstanden im Oktober 1944: Was allen diesen Filmen [Dieterles] gemein ist, das ist die unbedingte Ehrlichkeit der Gesinnung und der künstlerischen Mittel. Ihre Spannungen rühren nicht aus irgendwelchen äusserlich konstruierten Konflikten her, niemals verwässert Dieterle den Sinn seiner Filme zu Gunsten des Melodrams, welches das grosse Publikum gemeinhin vom Film erwartet. Er erzielt seine Wirkungen ausschliesslich durch die Verwandlung eines inneren Kampfes, eines Kampfes um die ethische Idee, in eine filmische Handlung. Was er durch die Leinwand auf den Zuschauer überträgt, ist nicht leer pathetisches Theater oder wohlfeile Sentimentalität, sondern Gesinnung, Ethik, Humanismus.4
Diese Würdigung Feuchtwangers verweist deutlich auf den großen Respekt, den man Dieterle innerhalb der deutschsprachigen Exilkolonie von Los Angeles entgegenbrachte, obwohl er ursprünglich nicht zu den Exilanten im engeren Sinne zählte. Sein beruflicher Wechsel zur Filmfirma Warner Bros. Pictures war bereits 1930 erfolgt – zunächst nur für eine befristete Zeit, um deutschsprachige Versionen erfolgreicher US-Produktionen zu drehen. Aufgrund seiner ökonomischen Arbeitsweise und seines angenehmen jovialen Wesens am Filmset wurde sein Studiovertrag mehrfach verlängert. Der anfänglich als temporäre, künstlerisch bereichernde Erfahrung geplante Umzug in die USA entwickelte sich jedoch zu einer weittragenden Lebensentscheidung, als Dieterle beschloss, nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, und sich in offiziellen Verlautbarungen von seiner ehemaligen Heimat lossagte. Er wurde zum Emigranten und entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren aufgrund seines politischen und sozialen Engagements zu einem zentralen Pfeiler der nach dem Anschluss Österreichs sowie schließlich nach dem Fall Frankreichs rasch größer werdenden deutschsprachigen Kolonie von Los Angeles. Sein Haus wurde ähnlich dem der Autorin Salka Viertel zu einem Salon, in dem erfolgreiche emigrierte Künstlerpersönlichkeiten, aber auch vollkommen mittellose Flüchtlinge regelmäßig verkehrten. Anders als im Falle der meisten emigrierten Filmschaffenden (wie zum Beispiel Billy Wilder), die während ihrer privaten Zusammenkünfte eher unter Filmleuten blieben und rasch Verbindungen zu 3 4
Zur Entstehungsgeschichte des Filmes siehe: Bahr, Weimar on the Pacific, 129–148. William Dieterle – eine Würdigung von Lion Feuchtwanger, (Oktober 1944), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC.
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amerikanischen Kollegen aufbauten, pflegte Dieterle aufgrund seiner umfassenden Interessen und einer bemerkenswerten Belesenheit auch Kontakte zu Vertretern anderer deutschsprachiger Intellektuellenkulturen wie Literatur, Musik und Philosophie. Er wurde quasi zu einem „Wanderer zwischen den Welten“, der innerhalb der – keinesfalls homogenen – deutschsprachigen Kolonie von Los Angeles eine integratorische Bedeutung einnahm. Seine Kontakte fanden ihren Niederschlag in einer umfangreichen Korrespondenz, die heute in seinem Nachlass in der Deutschen Kinemathek Berlin5 sowie in der Feuchtwanger Memorial Library der University of Southern California6 (USC) in Los Angeles verwahrt ist. Vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Herkunft und unter dem Banner vergleichbarer politischer Zielsetzungen entwickelten sich jahrzehntelange herzliche Freundschaften mit Emigranten wie Lion Feuchtwanger, Thomas Mann, Franz Werfel, Bertolt Brecht, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Hanns Eisler oder Erich Wolfgang Korngold. Es entstand eine Verbundenheit, die auch über das Ende des zweiten Weltkrieges, die anschließenden Schrecken der Ära McCarthy und die Remigration Dieterles im Jahre 1958 hinaus Bestand haben sollte; so resümierte Marta Feuchtwanger 1968 in einem Kondolenzbrief an Dieterle nach dem Tode seiner Frau Charlotte: „Auch wenn man sich nur selten sah – es war soviel, was wir zusammen erlebten – und immer kleiner wird der Kreis der alten Freunde.“7 Neben einer wohl aufrichtig empfundenen Sympathie für den von Zeitgenossen als sehr herzlich charakterisierten Regisseur erhofften sich zahlreiche Emigranten von dem Kontakt zu Dieterle ebenfalls ein Standbein in der amerikanischen Filmindustrie. Seine weitläufigen Verbindungen zu allen Branchen der Traumfabrik und seine nach mehreren Jahren erfolgreicher Tätigkeit bereits relativ gesicherte Position bei Warner Bros. machten ihn – genauso wie den Regisseur Ernst Lubitsch oder den Agenten Paul Kohner – zu einem wichtigen Ansprechpartner. Viele befreundete Künstler und ehemalige Kollegen, aber auch vollkommen Fremde hofften, durch seine Fürsprache in einem der Studios Fuß fassen zu können. In Dieterles Nachlass finden sich zahllose derartige Gesuche – sowohl von Personen, die die Einreise in die USA bereits hinter sich 5
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Der Nachlass Dieterles wurde der Kinemathek nach seinem Tod im Jahre 1972 von seiner damaligen (zweiten) Frau Elisabeth Daum (Dieterle) übergeben. Er umfasst Photographien, verschiedenstes Schriftgut, eine umfangreiche Korrespondenz sowie Filmdrehbücher mit eigenen handschriftlichen Randbemerkungen des Regisseurs. Die Feuchtwanger Memorial Library beherbergt neben der ca. 30.000 Bände umfassenden Privatbibliothek Feuchtwangers auch seinen persönlichen Nachlass – bestehend aus einer umfangreichen privaten und geschäftlichen Korrespondenz, seinen politischen und literarischen Schriften, Tagebüchern, Photographien etc. Des Weiteren sind dort Korrespondenzen und Teilnachlässe der deutschsprachigen Exilanten Hanns Eisler, Felix Guggenheim, Heinrich Mann und Ludwig Marcuse sowie das Forschungsarchiv der Exilwissenschaftlerin Marta Mierendorff verwahrt. Brief Marta Feuchtwangers an William Dieterle, (22.05.1968), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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hatten, als auch von Personen, die sich noch unter zunehmender Bedrängnis in Europa befanden. Einige baten ihn um die Vermittlung einer Anstellung, andere versuchten, ihm Ideen für Filmdrehbücher zu verkaufen. Dieterle half im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten und besonders in den späteren Kriegsjahren oft auch darüber hinaus: er kaufte etliche Storys und Drehbücher, einige aus Interesse, viele aber auch als ein getarntes Almosen. Er bezahlte Anwälte, die sich mit den Einreiseformalitäten mittelloser Emigranten beschäftigten und verauslagte Darlehen, die ihm in vielen Fällen nie zurückgezahlt werden konnten. Auch seine Frau Charlotte übernahm in den folgenden Jahren wichtige Aufgaben: sie führte die Geschäfte ihres Mannes, schuf ein eigenes ausgedehntes transatlantisches Netzwerk der Exilanten-Hilfe und trug in ihrer Funktion als Vize-Präsidentin die Hauptarbeitslast im European Film Fund, in dem ab 1938 individuelle Hilfsaktionen gebündelt wurden.8 Zahlreichen Emigranten wie zum Beispiel Bertolt Brecht wurde die Einreise in die USA durch ein Affidavit Dieterles ermöglicht. Der Filmkomponist Friedrich Hollaender, der 1934 mit seiner Hilfe in die USA gelangte, schrieb in seiner Autobiographie: „Die hilfreichen Hände der Dieterles besorgten alles, beschafften jedes Dokument.“9 Doch nicht nur in finanzieller Hinsicht stellte Dieterle alle ihm verfügbaren Mittel in den Dienst der Exilantenhilfe, auch sein im amerikanischen Filmgeschäft mühsam erworbenes Prestige setzte er für das Anliegen der antifaschistischen Emigration tatkräftig ein. Oft wurde er zu einem wichtigen Medium, dem es gelang, auch einflussreiche amerikanische Filmleute wie seine Arbeitgeber, die Gebrüder Warner, oder den mit ihm befreundeten Schauspieler Paul Muni für die eine oder andere Aktion zu verpflichten und damit natürlich deren Wahrnehmung in der amerikanischen Bevölkerung erheblich zu steigern. Besonders deutlich wurde das am 1. April 1938, als Thomas Mann mit seinem Vortrag The Coming Victory of Democracy nach Los Angeles kam. Der Regisseur organisierte am Vorabend in Zusammenarbeit mit dem Studioleiter Jack Warner ein großes Spenden-Dinner zu Ehren Manns und leitete am folgenden Tag als Chairman die Großveranstaltung im Shrine Auditorium.10 Die deutsche Botschaft in Los Angeles, die ihre Informanten 8
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Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 84. Der European Film Fund wurde am 5. November 1938 auf Initiative des deutschsprachigen Hollywood-Agenten Paul Kohner gegründet. Neben Kohner waren Dieterle, Bruno Frank, Felix Jackson und Ernst Lubitsch Gründungsmitglieder; Sitz der Organisation wurde die Agentur Kohners am Sunset Boulevard im Westen Hollywoods. Die Geschäftsführung teilte sich Charlotte Dieterle mit Liesl Frank, der Frau Bruno Franks. Zum European Film Fund siehe zum Beispiel: Taylor, Fremde im Paradies, 194; Asper, Etwas Besseres als den Tod, 237–249; Johnson, Der European Film Fund und die Exilschriftsteller in Hollywood, in: Spalek/Strelka, Deutsche Exilliteratur seit 1933, Bd. 1, Teil 1, 135–143. Hollaender, Von Kopf bis Fuß, 275. Jack Warner Will Host Thomas Mann, in: Boxoffice (19.03.1938), 18; Jack Warner’s Dinner to Exiled Thos. Mann May Touch off a Militant Anti-Hitler Campaign in Hollywood, in: Variety (23.03.1938), 2.
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im Publikum hatte, reagierte auf dieses öffentliche politische Bekenntnis Dieterles mit einer Empfehlung an ihr Büro in Washington und an das Auswärtige Amt Berlin, ihm aufgrund seiner „hetzerischen Betätigung“ künftig die Einreise nach Deutschland zu verweigern.11 Es folgte eine Kampagne in der nationalsozialistischen Presse, die ihn als einen Regisseur diffamierte, der durch seine Tätigkeit für das „jüdisch kontrollierte“ Hollywood – namentlich für die Gebrüder Warner – mittlerweile selbst völlig „verjudet“ sei.12 Aber auch Dieterle nutzte in diesen Jahren die Presse, um sich möglichst breitenwirksam vom nationalsozialistischen Deutschland zu distanzieren und auf das Schicksal seiner Opfer aufmerksam zu machen. Er schrieb zahllose Artikel und politische Pamphlete für die Exilzeitung Aufbau, für Freies Deutschland, für die Zeitschrift für Sozialforschung und für die Hollywood Tribune, ein von ihm teilfinanziertes, jedoch nur kurzlebiges Blatt seines langjährigen Regiekollegen und Freundes Ewald André Dupont. Oft beschäftigten sich seine Artikel mit den Möglichkeiten und den Pflichten der amerikanischen Filmindustrie angesichts der Bedrohung durch den in Europa wütenden Faschismus. Er vertrat den festen Glauben, dass man mit dem Medium Film einen erheblichen Beitrag im Kampf für Humanismus und Demokratie leisten konnte. Unterhaltend und erziehend zugleich sollte das Publikum durch die Verfilmung großer Stoffe und die Darstellung außergewöhnlicher Persönlichkeiten mit Problemen von Glaube, Ethik und Politik vertraut gemacht werden. So schrieb er zum Beispiel im April 1941 für Klaus Manns Exil-Zeitschrift Decision: In diesen Zeiten, wo Verrat das Schlagwort ist, müssen wir mehr als je zuvor wachsam und uns jeder Phase unseres Lebens bewusst sein. Wir müssen in der Lage sein, zwischen dem Wahren und dem Falschen, dem Wichtigen und dem Unwesentlichen zu unterscheiden. Und sicher gibt es kein besseres Medium als den Film, das uns helfen könnte, ein unverfälschtes Konzept von diesem Leben zu erlangen.13
Den besten Beweis dafür, dass Dieterles umfassender Anspruch an den Film im relativ engen Rahmen des klassischen amerikanischen Studiosystems tatsächlich bis zu einem gewissen Umfang einzulösen war, lieferte er selbst mit seiner biographischen Filmreihe für Warner Bros. Pictures – eine Firma, die aufgrund ihrer damaligen politischen Verortung einen idealen Betätigungsort für ihn bot. Bemühten sich andere amerikanische Großfirmen wie MetroGoldwyn-Mayer, die Paramount Studios oder Twentieth Century Fox aus 11
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Bericht des Deutschen Konsulats Los Angeles an die Deutsche Botschaft in Washington und an das Auswärtige Amt Berlin, Betreff: Hetzpropaganda Wilhelm Dieterle, (13.04.1938), Marta Mierendorff Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Curt Belling, Ein Drittel der Hollywood-Stars sind Juden, in: Der Angriff (vermutl. 1938), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Nachtrag zum Filmsymposium, in: Klaus Mann, Decision (April 1941), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 297.
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ökonomischen Erwägungen noch bis in das Jahr 1940 um eine Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit Deutschland, beendeten die Gebrüder Warner diese bereits im Sommer 1934 und führten danach einen engagierten Kampf gegen den deutschen Nationalsozialismus wie auch gegen den ProFaschismus und Antisemitismus im eigenen Lande. Es entstand ein einzigartiges Arbeitsklima für politisch engagierte Künstler, die in ihren Werken auf die alarmierenden Entwicklungen in Europa Bezug nehmen wollten. Als Hollywood ab Mitte der dreißiger Jahre schließlich zum einzig wirklich sicheren Hafen für die aus Deutschland vertriebenen Filmschaffenden wurde, bot das Studio etlichen von ihnen die Möglichkeit, zumindest bis zu einem gewissen Grad an ihre vorherigen Karrieren anzuknüpfen. Dieterle gelang es – in Kooperation mit dem bereits seit 1924 bei Warner Bros. beschäftigten Produzenten Henry (ursprünglich Heinz) Blanke – ein nahezu alle Arbeitsbereiche umfassendes Netzwerk deutschsprachiger Mitarbeiter zu schaffen, das mit politisch engagierten und künstlerisch hochwertigen Filmen seinen Beitrag zum antifaschistischen Kampf der Emigration leistete. Ohne diesen qualifizierten Zirkel wäre das von amerikanischen Filmhistorikern viel gelobte und verhältnismäßig frühzeitige politische Engagement des Studios sicherlich nicht möglich gewesen.14 Exzellente Nachschlagewerke und zahlreiche biographische Einzelstudien bieten mittlerweile umfassende Einblicke in die Kolonie deutschsprachiger emigrierter Filmkünstler, die sich im Laufe der dreißiger und vierziger Jahre in Los Angeles versammelte.15 Man charakterisierte die berufliche Tätigkeit ihrer Mitglieder in Hollywood und würdigte den großen Beitrag, den sie zur Herausbildung und Weiterentwicklung einzelner ästhetischer Strömungen wie zum Beispiel des film noir leisteten.16 Ihr schwieriger Akkulturationsprozess17 im schnelllebigen „American Way of Life“ wurde durch die Beschreibung exemplarischer Einzelschicksale erhellt. Ein Forschungsdesiderat blieb jedoch bislang die Analyse der Netzwerkbildung und der Integra14
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Siehe zum Beispiel: Colgan, Warner Brother’s Crusade Against the Third Reich, 1985; Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 2000; Kaplan/Blakley, Warner’s War, 2004; Davis, Notes on Warner Brothers Foreign Policy, in: The Velvet Light Trap 2.4 (Herbst 1972), 23–33. Siehe zum Beispiel: Taylor, Fremde im Paradies, 1984; Horak, Fluchtpunkt Hollywood, 1986; Cargnelli/Omasta, Aufbruch ins Ungewisse, 1993; Schnauber, Deutschsprachige Künstler in Hollywood, 1996; Asper, Etwas Besseres als den Tod, 2002; Deutsche Kinemathek (Hg.), Filmexil, 1992–2005. Siehe zum Beispiel: Cargnelli/Omasta, Schatten. Exil, 1997; Steinbauer-Grötsch, Die lange Nacht der Schatten, 2005. Der Begriff der Akkulturation wird in der vorliegenden Studie in einem eher deskriptiven Sinne, als Umschreibung für die erfolgreiche Integration der deutschsprachigen Emigranten in den amerikanischen Kulturbetrieb (namentlich die US-Filmproduktion), verwandt. Zur Bedeutung des Begriffes in der Migrationsforschung siehe zum Beispiel: Krohn/Winckler, Exil, Entwurzelung, Hybridität, 2009.
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tionsleistung emigrierter Filmkünstler innerhalb der streng hierarchisch gegliederten Unternehmensstruktur, des standardisierten Produktionsablaufes und des filmischen Repertoires eines einzelnen ausgewählten Hollywoodstudios.18 Einem abgeschlossenen Mikrokosmos gleichend verfügte jede der damaligen großen Produktionsfirmen über eine von der Studioleitung autokratisch verkündete Unternehmensphilosophie, einen festen über Jahre zumeist gleich bleibenden Mitarbeiterstab mit einer eigenen sozialen Infrastruktur sowie über einen sogenannten house style – ein individuelles künstlerisches und ideologisches Gepräge des filmischen Produktes.19 Wollte man in der amerikanischen Filmindustrie reüssieren, hatte man sich – besonders als Emigrant – einer dieser studiospezifischen Sphären vollends zu verschreiben.20 Beginnend mit dem Zeitpunkt der Unterzeichnung eines längerfristigen Arbeitsvertrages wurde man zum eingeschworenen Mitglied und fleißigen Repräsentanten der „Studiofamilie“. Im Gegenzug hatten die großen Filmfirmen das Engagement emigrierter Künstler vor zahlreichen angesichts wiederholter wirtschaftlicher Krisen zunehmend fremdenfeindlichen Skeptikern zu rechtfertigen und die zugewanderten Talente gewinnbringend in den Produktionsablauf und das künstlerische Repertoire zu integrieren. Unter Zugrundelegung dieser gleichsam systemimmanenten Rahmenbedingungen der Integration emigrierter Filmkünstler in die Studiolandschaft Hollywoods sind folgende Fragen besonders erörternswert: Inwieweit und mit welchen Mitteln gelang es deutschsprachigen Emigranten, innerhalb ihres Studios ein eigenes Netzwerk herauszubilden, sich in der beruflichen Tätigkeit gegenseitig zu unterstützen und durch ihre Kooperation die politische Verortung und das künstlerische Gepräge des Arbeitgebers zu beeinflussen? War es ihnen trotz der von Filmhistorikern vielfach beschworenen absoluten Kontrolle der Studioleitung möglich, ihre individuelle künstlerische Signatur zu bewahren? Wie wirkte sich das neue amerikanische Umfeld auf diese Signatur aus, kam es zu einem einseitigen oder sogar zu einem wechselseitigen Kulturtransfer? Welche politischen Inhalte konnten die emigrierten Künstler in ihren Werken vermitteln, und wie wurden diese im In- und Ausland rezipiert? Welche Reaktionen evozierten sie in den Kreisen der Emigration, wie reagierte das nationalsozialistische Deutschland? Ferner gilt es zu eruieren, welche Erwartungen die ameri18 19 20
Eine Ausnahme bildet: Asper, Filmexilanten im Universal Studio, 2005. Zum house style siehe zum Beispiel: Mordden, The Hollywood Studios, 1988. Erst im Laufe der vierziger Jahre wurde das Monopol der Großstudios zugunsten einer abwechslungsreicheren Produktionslandschaft gebrochen. Im Schatten der weiterhin einflussreichen Filmimperien entwickelten sich kleine Firmen unabhängiger Produzenten und Regisseure; nicht selten handelte es sich bei diesen sogenannten Independents um deutschsprachige Emigranten, die sich – gestützt auf ihre alten europäischen Kontakte – ein neues Produktionsnetzwerk in den USA aufbauten. Für viele Exilanten, die während der dreißiger Jahre in Hollywood Außenseiter geblieben waren, bedeutete dieser Strukturwandel eine neue Hoffnung auf ein Engagement im amerikanischen Filmgeschäft.
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kanischen Arbeitgeber in die emigrierten Filmschaffenden setzten. Mit welchen Strategien wurde den neuen deutschsprachigen Talenten eine adäquate Nische im künstlerischen Ensemble zugewiesen und der personelle Zuwachs in entsprechenden Pressekampagnen vermarktet? Wie viel künstlerische – und vor allem politische – Freiheit wollte man ihnen zugestehen und mit welchen Mitteln versuchte man, unangepasste Künstler „im Zaum zu halten“? Welche Perzeptionen existierten in der amerikanischen Studio-Belegschaft im Hinblick auf die Neuankömmlinge? Die vorliegende Studie möchte durch die Analyse der beruflichen Verbindung William Dieterles und seiner deutschsprachigen emigrierten Kollegen mit der Filmfirma Warner Bros. Pictures einen Beitrag zur Erfüllung des soeben charakterisierten Forschungsdesiderates leisten. Unter Einbeziehung weltpolitischer und filmhistorischer Entwicklungslinien sowie der Geschichte der Emigration in Los Angeles wird der berufliche Werdegang dieser Künstler im Studio nachgezeichnet. Die Untersuchung ihrer dort – vornehmlich in den Jahren von 1934 bis 1940 entstandenen – zentralen Werke soll Hinweise auf den Einfluss geben, den sie in dieser Zeit sowohl auf den politisch-ideologischen als auch auf den ästhetisch-künstlerischen Reifungsprozess des Studios nehmen konnten. Nach einer kurzen Einführung in die Entstehungsgeschichte der Filmfirma Warner Bros. Pictures widmet sich die vorliegende Untersuchung der genauen Analyse der im Studio herrschenden politischen und künstlerischen Rahmenbedingungen, die die Herausbildung des Dieterleschen Netzwerkes deutschsprachiger emigrierter Filmkünstler während der dreißiger Jahre begünstigten. Es wird zu zeigen sein, dass sich das Studio für diesen Personenkreis aufgrund des Sonderweges der Gebrüder Warner im Umgang mit dem nationalsozialistischen Deutschland zu einem in Hollywood einzigartigen Arbeitsplatz entwickelte. Wie das einschlägige Quellenmaterial bezeugt, gestaltete sich diese Entwicklung jedoch keinesfalls einfach – oder vollkommen gradlinig. Ein kompliziertes Geflecht politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktoren zwang die Gebrüder Warner wiederholt zu schmerzlichen Kompromissen – Filmprojekte wurden abgesagt, politisch „brisante“ Passagen wurden aus Drehbüchern entfernt. Die Akten der Production Code Administration (PCA) zur freiwilligen Selbstkontrolle, die heute in der Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles verwahrt sind, geben Auskunft über den beträchtlichen Umfang dieser Konzessionen.21 Mehr noch als die engagierten Gebrüder 21
Production Code Administration Papers, Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (Im Folgenden: PCA, AMPAS). Die Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences, eine der umfangreichsten und bedeutendsten Fachbibliotheken zum Thema Film, beherbergt neben den Akten der Production Code Administration (auch bekannt als Hays Office) diverse Nachlässe, unveröffentlichte Oral Histories, Photographien etc. Zur Production Code Administration siehe zum Beispiel: Black, Hollywood Censored, 1994.
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Warner hatten jedoch die im Studio beschäftigten – vom Nationalsozialismus natürlich noch direkter betroffenen – deutschsprachigen Emigranten unter diesen Mechanismen der Einflussnahme zu leiden. Wie die vorliegende Untersuchung darlegen wird, wurden ihre Aufklärungsarbeit bezüglich der täglich in Deutschland begangenen Verbrechen sowie ihr Kampf gegen den in bedenklicher Intensität schwelenden amerikanischen Pro-Faschismus und Antisemitismus durch das Veto unterschiedlichster Interessengruppen erheblich behindert. Die Vorbereitungen für zahlreiche Werke, die im Falle ihres Zustandekommens sicherlich zu den zentralen Zeugnissen der Filmemigration gezählt hätten, mussten erfolglos abgebrochen werden. Im Anschluss an diese studiogeschichtlichen und (film-)politischen Ausführungen wird die berufliche Laufbahn Dieterles – sowie die seiner deutschsprachigen Kollegen – bei Warner Bros. in den Jahren zwischen 1930 und 1940 in vornehmlich chronologischer Reihenfolge nachgezeichnet. Seine mühsame Anpassung an das vorherrschende hierarchisch strukturierte Produktionssystem, die Herausbildung seines deutschsprachigen Netzwerkes im Studio sowie seine zunehmende Politisierung als antifaschistischer Filmregisseur werden auf der Basis des erhaltenen Quellenmaterials rekonstruiert. Für die Fragestellung besonders gewinnbringend erwiesen sich naturgemäß die Studio-Akten, die heute in den Warner Bros. Archives der University of Southern California verwahrt sind. Innerhalb des Hunderte von Kartons umfassenden Bestandes – eine exzellente und innerhalb der Gruppe der großen USFilmfirmen einzigartige Quellenlage – können drei Materialkategorien als überaus ergiebig für das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie bezeichnet werden. So liefern die legal files (die Personalakten) wichtige Informationen über Vertragskonditionen, Vertragslaufzeiten und vereinbarte Gehälter; ferner zeugen die dort ebenfalls vorhandenen Briefwechsel mit der Studioleitung von den Integrationsschwierigkeiten, die die deutschsprachigen Künstler zu überwinden hatten. Die story files geben Auskunft über die Textgenese verschiedener Film-Exposés und Drehbücher, an denen Dieterle und seine Kollegen während des Untersuchungszeitraumes beteiligt waren; filmische Ideen lassen sich bis zu ihrem Urheber zurückverfolgen. Ferner bilden diese Akten die einzige Quelle bezüglich unrealisierter Filmprojekte wie zum Beispiel Fritz Kortners Beethoven-Biographie Memory of a Hero.22 Abschließend dokumentieren die sogenannten production files den Prozess der Dreharbeiten – beginnend mit der Erstellung eines Budgets bis zum Schneiden des gedrehten Filmmaterials. Aufgrund der damals bei Warner Bros. üblichen Praxis, sämtliche Kommunikation in schriftlicher Form durchzuführen, ist heute eine Vielzahl von Studio-Memoranden erhalten, die detaillierte Informationen zum genauen Produktionsablauf und damit auch zum Einfluss der
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Vgl.: Kapitel III/1 (Abschn. 3) dieser Arbeit.
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deutschsprachigen Künstler auf das filmische Endprodukt liefern.23 Herrschende Machtverhältnisse und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Mitarbeiterschaft lassen sich nachvollziehen. Besonders interessant im Hinblick auf die Arbeitsweise Dieterles und seiner Kollegen sind auch die daily production reports des Aufnahmeleiters, die genauestens Auskunft über die alltäglichen Geschehnisse am Filmset geben.24 Wie die vorliegende Studie durch die Auswertung dieser Materialien nachweist, war der Berufsalltag Dieterles oftmals geprägt von Enttäuschungen und Frustrationen; die erhaltene Korrespondenz mit seinen Vorgesetzten legt Zeugnis ab über seinen kontinuierlichen Kampf um berufliche Freiheit und die Integrität seines künstlerischen Werkes. Obwohl er durch seine enge freundschaftliche Verbindung mit dem Produzenten Henry Blanke über einen einflussreichen und loyalen Fürsprecher bei der Studioleitung verfügte, der sich zum unerlässlichen Wegbereiter etlicher Filmprojekte entwickelte, glich seine persönliche Rolle im Studio der des sprichwörtlichen Rädchens im Getriebe. Eine international operierende Großfirma wie Warner Bros. Pictures war nicht dazu bereit, einem durch das kommerzielle Hollywood oftmals als „idealistischer Träumer“ diffamierten Regisseur allzu freie Hand zu lassen. Gestaltete sich der Berufsalltag Dieterles und seiner deutschsprachigen Kollegen in den Warner Bros. Studios innerhalb dieser Rahmenbedingungen vielleicht oftmals frustrierend, trug ihre Tätigkeit auf künstlerischem Sektor jedoch reiche Früchte. Nicht zuletzt aufgrund einer über die Jahre relativ stabilen, besonders effektiv arbeitenden und für neue Wege verhältnismäßig offenen Führungsriege war Warner Bros. wie kaum eine andere Filmfirma in der Lage, die aus Europa zugewanderten Talente optimal in das vorherrschende Produktionssystem zu integrieren. Mit einem hervorragenden Gespür für aktuelle filmische Trends und die Bedürfnisse des Publikums gelang es, besondere Nischen für emigrierte Künstler zu schaffen. Diese Fähigkeit der Studioleitung manifestiert sich in dem Umstand, dass sowohl Dieterle als auch nahezu alle 23
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Die Studioleitung hielt alle Mitarbeiter dazu an, anstelle von mündlichen Absprachen die verfügbaren Memoranden-Vordrucke zu benutzen. Ein entsprechender Hinweis befand sich am Fuße dieser Vordrucke: „Verbal Messages Cause Misunderstandings and Delays, Please put them in writing“. Studio-Memoranden, Warner Bros. Archives der University of Southern California (Im Folgenden: WBA, USC). In einem Formular wurden die Arbeitszeit, der Umfang des gedrehten Materials etc. festgehalten; über etwaige Streitigkeiten am Filmset informierte ein Sonderbericht. Weitere Materialkategorien in den Warner Bros. Archives sind die research files (Vorrecherche für Filmprojekte, Ankauf von Forschungsmaterial etc.) sowie die publicity files (Publicity-Material wie Photographien und Pressemappen). Ferner beinhalten die Unterlagen des Warner Bros. music department Originalentwürfe von Filmkomponisten, Orchesterpartituren und anderes Notenmaterial. In der Jack L. Warner Collection, einer separaten Sammlung auf dem Universitätscampus der USC, befinden sich Schriften, Reden und Korrespondenzen der Gebrüder Warner, die einen exzellenten Einblick in ihr politisches Engagement während der Ära Roosevelt bieten.
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anderen in der vorliegenden Untersuchung thematisierten deutschsprachigen Künstler den Höhepunkt ihrer amerikanischen Filmkarriere bei Warner Bros. erreichten. Im Gegenzug verhalfen diese Filmschaffenden dem zuvor als Produktionsstätte zweitklassiger Gangsterfilme geltenden Studio zu einem immensen künstlerischen Prestigegewinn und verschafften den Gebrüdern Warner die Beachtung der Kritik, die ihnen zuvor verwehrt geblieben war. Wie die vorliegende Forschungsarbeit beweisen möchte, gelang es Dieterle und seinen deutschsprachigen Kollegen, durch eine erhebliche künstlerische Aufwertung des filmischen Repertoires einen großen Einfluss auf die Entwicklungsgeschichte und den house style ihres Studios zu nehmen. Durch ihre guten Kontakte zur europäischen Kunstszene der zehner und zwanziger Jahre waren sie in der Lage, für ihren zuvor eher als Produzenten durchschnittlicher Unterhaltungsware geltenden Arbeitgeber einzigartige Talente wie Max Reinhardt, Erich Wolfgang Korngold, Fritz Kortner oder Albert Bassermann zu gewinnen. Mit ihrer Hilfe wurden die Warner Bros. Studios für einige Jahre zu einem wichtigen Zentrum der Filmemigration und sicherten sich damit einen festen – und auch einzigartigen – Platz in der internationalen Filmgeschichte. Neben dem umfangreichen Quellenbestand, der in den oben bereits erwähnten Archiven auf deutschem und amerikanischem Boden verwahrt ist, konnte während der Bearbeitung der vorliegenden Studie auf eine große Anzahl von filmhistorischen und exilwissenschaftlichen Publikationen zurückgegriffen werden. Nach der Eröffnung der Warner Bros. Archives auf dem Gelände der University of Southern California im Jahre 1977 entstanden zahlreiche Abhandlungen, die auf der Grundlage der dort verfügbaren Unterlagen die Geschichte des Studios aufarbeiteten. Naturgemäß – angesichts des Untersuchungsgegenstandes Hollywood – ist das Spektrum dieser Literatur bezüglich des wissenschaftlichen Niveaus sehr breit gespannt. Es entstanden sowohl reine Unterhaltungs- beziehungsweise Fanbücher, die sich auf populärwissenschaftliche Interessen wie Anekdoten und Skandale konzentrieren, als auch recht solide filmhistorische Studien. Eine signifikante Gemeinsamkeit dieser Publikationen, die den Großteil der veröffentlichten Literatur zum Thema Warner Bros. Pictures bilden, ist jedoch der kommerzielle Entstehungshintergrund, der unweigerlich zu Verknappungen führt; ferner macht das häufige Fehlen eines Fußnotenapparates zitierte Quellen unauffindbar. Zu diesen auf eine größere Leserschaft ausgerichteten Büchern gesellt sich eine kleine Anzahl wissenschaftlicher Publikationen, die sich mit der anti-nationalsozialistischen Aufklärungskampagne der Gebrüder Warner während der Ära Roosevelt auseinandersetzen. Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistete die amerikanische Filmwissenschaftlerin Christine Ann Colgan mit ihrer im Jahre 1985 abgeschlossenen Dissertation Warner Brothers’ Crusade Against the Third Reich. A Study of Anti-Nazi Activism and Film Production 1933–1941.25 25
Colgan, Warner Brothers’ Crusade Against the Third Reich, 1985.
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Colgan durchsuchte erstmals die in den Warner Bros. Archives verfügbaren Studiounterlagen systematisch nach Belegen für den Kampf der Gebrüder Warner gegen den deutschen Nationalsozialismus. In die Recherche einbezogen wurden sowohl die Produktionsakten realisierter und unrealisierter Spielfilmprojekte als auch die Geschäftsunterlagen und öffentlichen Reden Harry und Jack Warners.26 Diese Studie erweist sich aufgrund der wissenschaftlichen Genauigkeit in der Beweisführung und ihres großen Umfanges als ein unverzichtbares Standardwerk zur politischen Geschichte der Warner Bros. Studios; sie vermittelt im Hinblick auf das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit wertvolle Informationen bezüglich studiogeschichtlicher Hintergründe. Auf Colgans Forschungen aufbauend beschäftigten sich in der folgenden Zeit weitere amerikanische Dissertationen mit dem politischen, respektive anti-nationalsozialistischen Engagement der Warner Bros. Studios vor und während des Zweiten Weltkrieges.27 Auch die University of Southern California versuchte in den letzten Jahren auf den politischen Sonderweg der Gebrüder Warner bezüglich des Nationalsozialismus – und damit natürlich gleichzeitig auf das dort vorhandene filmgeschichtlich reizvolle Studioarchiv – aufmerksam zu machen. In einer überfakultären Initiative organisierte man im Jahre 2003 die Ausstellung Warner’s War. Politics, Pop Culture & Propaganda in Wartime Hollywood und begleitete diese mit einem kleinen gleichnamigen Sammelband von filmhistorischen Aufsätzen einiger vor Ort beschäftigter Professoren und Archivare.28 Diese Publikation präsentiert vielleicht nicht unbedingt neue Forschungsergebnisse, sie kann aber (vor allem aufgrund ihrer Verfügbarkeit als PDF-Download im Internet) als ein großer Erfolg für die Öffentlichkeitsarbeit der Warner Bros. Archives betrachtet werden.29 Ein Manko – oder zumindest ein bedauernswertes Versäumnis – dieser wissenschaftlich anspruchsvolleren Forschungsliteratur zur Geschichte der Warner Bros. Studios ist jedoch die Neigung der Autoren, den Grund für das außergewöhnliche anti-nationalsozialistische Engagement des Studios ausschließlich in der persönlichen Geschichte und der politischen Haltung der Gebrüder Warner zu suchen. Der eigentlich naheliegenden Vermutung, dass die im Studio beschäftigten emigrierten deutschsprachigen Filmkünstler einen großen Einfluss auf die zentralen anti-nationalsozialistischen Filmproduktionen der dreißiger und vierziger Jahre ausübten, wird nicht nachgegangen. Die Frage nach der geistigen Urheberschaft einschlägiger Filmstoffe 26 27
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Die Geschäftsunterlagen und die öffentlichen Reden Harry und Jack Warners befinden sich in der Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 2000. Originaltitel der Dissertation: Birdwell, Celluloid Soldiers, 1999. Weitere Dissertationen zu diesem Thema: Miller, Good Films and Good Citizenship, 1997; Roberts, Censorship and Propaganda in the Warner Brothers War Films of World War II, 2006. Kaplan/Blakley, Warner’s War, 2004. http://www.learcenter.org/html/projects/?cm=cpp/warner (Stand: 15.09.2013).
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bleibt zumeist unbeantwortet – sie tritt in den Hintergrund zugunsten einer Argumentationslinie, die die persönliche anti-nationalsozialistische Gesinnung der Gebrüder Warner und ihr damit verbundenes überdurchschnittliches politisches Engagement betonen möchte. Stellen sich die Publikationen zur Geschichte der Warner Bros. Studios als für die gegebene Fragestellung nur bedingt einschlägig heraus, bietet die Forschungsliteratur über die Hollywoodemigration durchaus verwertbare Informationen. Das filmische Schaffen exilierter Künstler in den USA ist inzwischen in zahlreichen deutsch- und englischsprachigen Monographien, Sammelbänden und Zeitschriftenartikeln dokumentiert worden. Institutionen wie die Gesellschaft für Exilforschung in Berlin, die Deutsche Kinemathek, das Filmmuseum Wien oder das Deutsche Exilarchiv in Frankfurt am Main organisieren Symposien und Retrospektiven mit begleitenden Sammelpublikationen. So leistet zum Beispiel die Deutsche Kinemathek Berlin, die sicherlich als eine zentrale Stätte der deutschsprachigen Filmexilforschung betrachtet werden kann, mit ihren regelmäßig stattfindenden Retrospektiven und entsprechenden begleitenden Veröffentlichungen einen erheblichen Beitrag zur Erschließung dieses Forschungsgebietes. Die Zeitschrift Filmexil widmete sich in ihren insgesamt 22 Ausgaben, die während der Jahre von 1992 bis 2005 unter der Herausgeberschaft der Kinemathek erschienen, mit wechselnden Schwerpunkten verschiedenen Exilorten, stellte einzelne Künstlerpersönlichkeiten ins Zentrum oder konzentrierte sich auf bestimmte Arbeitsbereiche emigrierter Filmkünstler wie zum Beispiel die Schauspielerei und die Filmmusik. Für die vorliegende Studie bot diese Zeitschrift eine reiche Informationsquelle. Aus verständlichen Gründen konzentrieren sich die Publikationen der Kinemathek Berlin jedoch in erster Linie auf die in Deutschland verfügbaren Archivalien aus den persönlichen Nachlässen exilierter Filmkünstler und auf die vor Ort zugänglichen Filmkopien; eine Recherche in den filmhistorischen Archiven der USA würde vermutlich den veranschlagten zeitlichen und finanziellen Rahmen sprengen. Dieser Umstand führt oftmals zu einer leicht eingeschränkten Betrachtungsweise der Thematik, die sich im Hinblick auf das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie als problematisch entpuppt. Die Integration deutschsprachiger Filmschaffender in die Produktionsabläufe einzelner Hollywoodstudios und ihr Einfluss auf deren house style wird – wenn überhaupt – nur aus einer „deutsch geprägten“ Perspektive betrachtet. Einige unumstößliche Gesetzmäßigkeiten der Studioproduktion, wie zum Beispiel die stark eingeschränkte Handlungsfreiheit eines Vertragsregisseurs, werden oftmals im Dienste einer Aufwertung der Bedeutung des jeweiligen Künstlers vernachlässigt.30 Als in dieser Hinsicht ausgewogener erweisen sich zumeist die Arbeiten von Filmwissenschaftlern aus dem universitären Bereich, die im Rahmen ihrer Forschungen über das Hollywoodexil Ar30
Siehe zum Beispiel: Aurich/Jacobsen/Schnauber, Fritz Lang, 2001.
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chivaufenthalte in Los Angeles unternommen haben. So zeichnet sich zum Beispiel das im Jahre 2002 unter dem Titel „Etwas Besseres als den Tod …“. Filmexil in Hollywood erschienene Buch des Literaturwissenschaftlers Helmut G. Asper durch eine umfangreiche Hinzuziehung amerikanischer Quellen aus. Seine Zusammenschau der Filmemigration in den USA portraitiert zahlreiche Künstlerschicksale, die auch für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit von Interesse sind.31 Innerhalb der großen Menge an Forschungsliteratur über die Hollywoodemigration blieben die in der vorliegenden Studie behandelten Künstler jedoch bislang unterrepräsentiert. Einige wenige Monographien und unselbstständige Veröffentlichungen skizzieren zwar in groben Zügen ihr filmisches Schaffen in Hollywood, Erfolge und Misserfolge an der Kinokasse sowie ihre Kontakte zu exilierten Kollegen. Eine Untersuchung ihres konkreten Arbeitsalltages im Exil – respektive in den Warner Bros. Studios – unter Zuhilfenahme von Studiounterlagen und anderen auf amerikanischem Boden befindlichen Quellen wurde jedoch noch nicht unternommen. Dies gilt in besonderem Maße für William Dieterle, dessen einzigartige Schlüsselfunktion innerhalb der deutschsprachigen Hollywood-Kolonie erstmalig von der Kunstsoziologin und Exilforscherin Marta Mierendorff erkannt und wissenschaftlich aufgearbeitet wurde. Ihre über einen Zeitraum von nahezu zwanzig Jahren durchgeführten Recherchen resultierten schließlich in einer 1993 veröffentlichten Biographie, die Dieterles Lebensweg aus einer soziologischen Perspektive versiert nachzeichnet. Eine umfassende filmhistorische Aufarbeitung seiner Schaffensphase in den Warner Bros. Studios (wie auch seines restlichen filmischen Werkes) konnte jedoch aufgrund des eher sozialwissenschaftlichen Entstehungshintergrundes der Studie und auch des eingeschränkten zur Verfügung stehenden Raumes nicht erfolgen.32 Ergänzt wird dieses Buch Mierendorffs durch eine verschwindend geringe Anzahl weiterer selbstständiger und unselbstständiger Publikationen.33 Eine ähnlich mangelhafte Literaturlage lässt sich auch bezüglich der emigrierten Filmkünstler Henry Blanke, Heinz Herald und Wolfgang Reinhardt konstatieren, obwohl sie in ihrer Funktion als Autoren beziehungsweise Produzenten einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung des Spielfilmrepertoires der Warner Bros. Studios in den dreißiger 31
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Asper, Etwas Besseres als den Tod, 2002. Über zahlreiche in den Warner Bros. Studios beschäftigte Filmexilanten wie Joe May, Paul Henreid, Rudi Fehr oder Wolfgang Reinhardt liefert Asper zumindest einführende Informationen. Vgl. auch: Asper, Filmexilanten im Universal Studio, 2005; Asper (Hg.), Wenn wir von gestern reden, 1991; Asper, Hollywood – Hölle oder Paradies? in: Krohn/Rotermund/Winckler/Koepke (Hg.), Ein internationales Jahrbuch der Gesellschaft für Exilforschung 10 (1992), 187–200. Mierendorff, William Dieterle, 1993. Zu den umfangreichen Kürzungen, die Mierendorff vor der Publikation des Buches durchzuführen hatte, siehe: Ebenda, 8. Dumont, William Dieterle, 2002; Elsaesser, Film History as Social History, in: Wide Angle 8.2 (1986), 15–32; Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 1976; Kaul, Retrospektive 7, 1973; Hermanni, William Dieterle, 1992.
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und vierziger Jahren leisteten. Ihre Namen werden zwar in der deutschsprachigen Literatur zum Filmexil vereinzelt genannt, ihre wirkliche Bedeutung wird jedoch zugunsten „interessanterer“ Persönlichkeiten wie Max Reinhardt oder Erich Wolfgang Korngold zumeist marginalisiert.34 Weniger verständlich oder erklärbar hingegen ist der Umstand, dass auch die systematische Aufarbeitung der Karriere des Schauspielers Albert Bassermann bislang noch nicht erfolgte. Die geradezu verschwindend geringe Anzahl entsprechender Publikationen wird der Bedeutung dieses Künstlers in keiner Weise gerecht. Insbesondere die bemerkenswerte zweite Karriere, die Bassermann (in erster Linie durch die Vermittlung Dieterles) im hohen Alter in den USA begann, wurde bislang nur in einigen wenigen Zeitschriftenartikeln skizziert.35 Abschließend sei an dieser Stelle auf die in großer Zahl vorhandene Memoirenliteratur aus den beiden Themenbereichen Exil und Hollywoodfilm verwiesen. Dient sie kaum als verlässliche Quelle für historische Fakten, bietet sie doch einen wichtigen Einblick in die Positionen des jeweiligen Verfassers. Oft in einem zeitlichen Abstand von mehreren Dekaden zum Beschriebenen verfasst, werden konkrete Ereignisse jedoch zumeist nicht mehr verlässlich referiert, sondern allenfalls zu einem Stimmungsbild verdichtet – die Verwendbarkeit für eine wissenschaftliche Untersuchung ist nur bedingt und mit Vorsicht gegeben. Die Menge der für die vorliegende Studie potentiell einschlägigen Erinnerungsbücher und Erlebnisberichte in deutscher und englischer Sprache ist nahezu unüberschaubar. Sie beinhaltet zum einen Publikationen von deutschsprachigen Emigranten aus den Bereichen Literatur und Film wie Salka Viertel, Carl Zuckmayer, Franz Werfel, Friedrich Hollaender, Gottfried Reinhardt, Fritz Kortner, Alexander Granach, Heinrich Mann, Szöke Sakall oder Paul Henreid36, zum anderen umfasst sie Memoiren amerikanischer Schauspieler und Produzenten wie Jack L. Warner, Hal B. Wallis, James Cagney, Bette Davis und Edward G. Robinson.37 Die Memoiren William Die34
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Besonders häufig geschieht dies zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Film A Midsummer Night’s Dream (1935). Der für das Gelingen des Projektes unerlässliche Beitrag des Produzenten Henry Blanke bleibt häufig unerwähnt – zugunsten einer Hervorhebung der Tätigkeit Max Reinhardts, Erich Wolfgang Korngolds und der Schauspieler. Babington, Shakespeare Meets the Warner Brothers, in: Shakespearean Continuities, 1997; Mikunda/Teuchmann, Ein Sommernachtstraum, 1983. Siehe zum Beispiel: Klapdor, Sein eigener Herr und Knecht, in: Filmexil 12 (Oktober 2000), 4–24; Klapdor, Wege des Ruhms, in: Filmexil 17 (Mai 2003), 9–13. Viertel, Das unbelehrbare Herz, 1970; Zuckmayer, Als wär’s ein Stück von mir, 1966; Werfel, Zwischen Oben und Unten, 1946; Hollaender, Von Kopf bis Fuß, 1965; Reinhardt, Der Apfel fiel vom Stamm, 1992; Kortner, Aller Tage Abend, 1959; Kortner, Letzten Endes, 1971; Granach, Da geht ein Mensch, 2003; Mann, Ein Zeitalter wird besichtigt, 1947; Sakall, The Story of Cuddles, 1954; Henreid/Fast, Ladies Man, 1984. Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 1965; Wallis/Higham, Starmaker, 1980; Cagney, Cagney by Cagney, 1976; Davis, The Lonely Life, 1962; Spiegelglass/Robinson, All My Yesterdays, 1973.
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terles blieben zu seinen Lebzeiten lediglich ein Fragment und erschienen erst vor einigen Jahren posthum in einer überarbeiteten und kommentierten Fassung des Stadtarchivs Ludwigshafen am Rhein.38
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Dieterle/Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 1998; Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 2001. Das Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein (Dieterles Geburtsstadt) verwahrt neben Dieterles Autobiographie-Fragmenten einige Filmkopien auf VHS, Photographien, Entwürfe Dieterles für Zeitschriftenartikel etc. sowie eine Sammlung von Filmrezensionen. Bei vielen dieser Dokumente handelt es sich um Photokopien aus den Beständen des Warner Bros. Studioarchivs, der Kinemathek Berlin und dem Forschungsarchiv Marta Mierendorffs.
I. WARNER BROS. PICTURES: EIN BESONDERER ARBEITSPLATZ FÜR EMIGRIERTE DEUTSCHSPRACHIGE FILMKÜNSTLER In the hands of motion picture makers lies a gigantic obligation, honorable but frightening. We must have the courage and the wisdom to make pictures that are forthright, revealing and entertaining, pertinent to the hour and the unpredictable future.1
Diese Worte Harry Warners – Präsident des Familienkonzerns Warner Bros. Pictures – werden in der amerikanischen Literatur zur Erfolgsgeschichte der Gebrüder Warner, die für den Leser die Assoziation mit dem sprichwörtlichen Aufstieg des Tellerwäschers unvermeidbar macht, gern und häufig zitiert. Sie dienen den Autoren als Hinweis darauf, dass der älteste der vier Brüder die Rolle des „moralischen Gewissens“ im Studio bekleidete und das ihm zur Verfügung stehende mächtige Instrumentarium Film zu einem möglichst ehrenhaften Zweck einsetzen wollte.2 Wie die folgenden Ausführungen belegen werden, spielte das ausgeprägte politische und moralische Bewusstsein Harry Warners in der Tat eine nicht unerhebliche Rolle in der Entwicklungsgeschichte der Warner Bros. Studios. Seine frühesten Kindheitserinnerungen an das von Antisemitismus und Verfolgung geprägte Leben seiner Familie in einem polnischen Schtetl sensibilisierten ihn und machten ihn Zeit seines Lebens zu einem aufmerksamen Beobachter des internationalen politischen Geschehens. Über Jahrzehnte konnte er seine Position als Leiter der Warner Bros. Studios – auch und insbesondere gegenüber seinen drei Brüdern – behaupten und dem Unternehmen eine innerhalb Hollywoods einzigartige „ideologische Verlässlichkeit“ verleihen. Dieser Umstand machte Harry Warner nach 1933 zu einem einflussreichen Verbündeten der deutschsprachigen antifaschistischen Emigration.
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Rede Harry Warners, Harry Warner, Correspondence, Speeches and Assorted Papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC, zit. nach: Snow, Confessions of a Hollywood Propagandist, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 61–71. Siehe zum Beispiel: Sheinbaum, Obligations Above and Beyond, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 11; Snow, Confessions of a Hollywood Propagandist, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 61.
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz
1. DER AUFSTIEG EINES FAMILIENUNTERNEHMENS (1903–1930) Vom Nickelodeon zum Hollywoodstudio Die Geschichte der Familie Warner nahm ihren Anfang in einer im heutigen Polen gelegenen Kleinstadt namens Krasnosielc. Im dortigen jüdischen Schtetl wurde im Jahre 1857 Benjamin Warner, der Vater der Gebrüder Warner geboren. Nach einer von großen Entbehrungen, Antisemitismus und der Furcht vor russischen Pogromen geprägten Kindheit heiratete er im Alter von 19 Jahren; wenig später kam Sohn Hirsch (später: Harry), der älteste der Gebrüder Warner zur Welt. Ermutigt durch den Brief eines Freundes emigrierte Benjamin Warner im Jahre 1883 über Deutschland in die USA und ließ sich als Flickschuster in Baltimore nieder; wenige Monate später holte er Frau und Kinder nach. In den folgenden Jahren zog die Familie durch Amerika und verdiente ihren Lebensunterhalt mit verschiedenen Handelsgewerben. Den Söhnen Harry, Albert, Samuel und Jack war es – wie schon zuvor ihrem Vater – nicht vergönnt, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Sie arbeiteten von Kindesbeinen an in unterschiedlichsten Gelegenheitsjobs, um ihren Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie zu leisten.3 Ihr biographischer Verlauf nahm jedoch eine erfolgreiche Wendung, als sie einen Filmprojektor kauften und den im Jahre 1903 produzierten Kurzwestern The Great Train Robbery in einem Zelt vorführten. Von dem Erlös errichteten sie 1905 das erste permanente Ladenkino Pennsylvanias – ein kleines Nickelodeon mit dem Namen Cascade Theater. In diesem Familienbetrieb entwickelte jeder der vier Brüder seine individuellen Talente: Harry organisierte die Finanzierung, Albert arbeitete im Verkauf, Samuel bediente die Technik und der jüngste Bruder Jack sorgte durch Gesangseinlagen für die Pausenunterhaltung.4 Schnell verstanden die Gebrüder Warner allerdings, dass sie zur Steigerung der Gewinne ihre geschäftlichen Unternehmungen diversifizieren mussten. Sie versuchten sich in den folgenden Jahren zunächst in den Bereichen des Filmankaufs und des Verleihs, um schließlich ab ca. 1912 in die Filmproduktion einzusteigen. Sie richteten ein kleines Büro in Los Angeles ein und produzierten in angemieteten Filmstudios billige Westernstreifen mit zunächst geringem Erfolg.5 Ein Durchbruch auf dem Produktionssektor gelang den Gebrüdern Warner erst im Jahre 1917 mit dem damals politisch hochaktuellen Film My Four Years in Germany, der Adaption eines Erinnerungsbuches des ehemaligen amerikanischen Botschafters in Berlin James W. Gerard. Die literarische Vorlage – zeitlich angesiedelt in den Jahren von 1913 bis 1917 – wurde in einen scharfen antideutschen Propagandafilm umgewandelt, der in 3 4 5
Zur Familiengeschichte und Emigration der Familie Warner siehe zum Beispiel: Warner Sperling, The Brothers Warner, 17–21. Ebenda, 29–40. Miller, Good Films and Good Citizenship, 12–13.
1. Der Aufstieg eines Familienunternehmens
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eindrucksvollen Bildern sein Anliegen zuspitzte; durch das Konzept der Vermischung von Nachrichtenaufnahmen mit Spielszenen entstand zudem ein wirksamer Eindruck von Authentizität.6 Die Einnahmen des im Frühjahr 1918 uraufgeführten Filmes ermöglichten kurze Zeit später den Ankauf des ersten eigenen Studios am Sunset Boulevard, das den Namen Warner Brothers West Coast Studio erhielt und zunächst fünf Spielfilme pro Jahr herausbrachte.7 Die darauffolgende Dekade stand für die Gebrüder Warner im Zeichen umfangreicher Expansion, die im Jahre 1923 mit der offiziellen Firmengründung unter dem Namen Warner Bros. Pictures Inc. einsetzte. Einige kluge Geschäftsentscheidungen, wie zum Beispiel die vertragliche Verpflichtung des berühmten Schäferhundes Rin-Tin-Tin, erhöhten die Profite und führten rasch zu einer Verdoppelung der jährlichen Produktionsrate.8 Um diesen Aufwärtstrend zu festigen und die Produktionszahlen weiter zu erhöhen, nahm Harry Warner im Jahre 1924 die Reformierung des gesamten Finanzierungssystems in Angriff. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Studio die für die Filmproduktion notwendigen Gelder mit der Technik des Franchising organisiert – Besitzer größerer Kinoketten investierten in die Produktion einzelner Filme mit dem Anspruch auf einen zuvor festgelegten Prozentsatz der Gewinne. Um diese unflexible Methode zu ersetzen, bediente man sich der Hilfe des landesweit bekannten Investmentbankers Waddill Catchings von der Firma Goldman Sachs. Catchings erkannte das große wirtschaftliche Potential der wachsenden Filmbranche und ließ sich von Harry Warner als Finanzberater des Studios einstellen.9 Die personelle Entscheidung trug für das Studio innerhalb weniger Monate Früchte – ein neuer Finanzierungsplan ermöglichte den Kauf der Vitagraph Company, eines der führenden Studios der Stummfilmzeit. Durch diese Transaktion gewannen die Gebrüder Warner Kontrolle über ein Filmstudio in New York (Brooklyn) und ein zusätzliches in Hollywood, ein Labor und 36 Verleihbüros auf amerikanischem und europäischem Boden.10 Bis zum Ende des Jahres 1925 kamen durch weitere Übernahmen noch ca. dreißig zusätzliche Verleihbüros in Übersee, zehn erstklassige Uraufführungskinos sowie der hauseigene Radiosender KFWB hinzu, auf dem man künftig Werbung für die neuesten Filmproduktionen machte.11 Diese gewag6 7 8 9 10 11
Davis, Notes on Warner Brothers Foreign Policy, in: The Velvet Light Trap 2.4 (Herbst 1972), 24. Gomery, The Hollywood Studio System, 102. Miller, Good Films and Good Citizenship, 15. Zur Zusammenarbeit der Gebrüder Warner mit Waddill Catchings siehe zum Beispiel: Gomery, The Coming of Sound, in: Belton/Weis, Film Sound, 10–15. Miller, Good Films and Good Citizenship, 15. Gomery hingegen beziffert die Anzahl der erworbenen Verleihbüros auf insgesamt 50 Büros – davon 26 in den USA und 24 in Übersee. Gomery, The Hollywood Studio System, 103. Innerhalb der Initialen signifizierte das „K“ den Sendebereich westlich des Mississippi, die weiteren Buchstaben „FWB“ standen für „Four Warner Brothers“. Warner Sperling, The Brothers Warner, 88–90.
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz
ten Transaktionen erhoben Warner Bros. Pictures innerhalb eines Jahres in die Reihe der „vollwertigen“ Hollywoodstudios – man betätigte sich fortan in allen drei maßgeblichen Bereichen des Filmgeschäftes: Produktion, Verleih und Aufführung. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich das jährliche Produktionsvolumen des Studios versechsfacht; dreißig Spielfilme wurden im Jahre 1926 unter der Leitung der Gebrüder Warner produziert und auf den Markt gebracht. Das Engagement Ernst Lubitschs und Henry Blankes (1924–1926) Durch die soeben skizzierte Expansion der Jahre 1924 und 1925 fand Warner Bros. Pictures Aufnahme in die Gruppe der führenden Hollywoodstudios. Wollten die vier Brüder diese Position jedoch dauerhaft festigen, genügte es nicht, mit dem Kassenerfolg Rin-Tin-Tin finanzielle Profite zu erzielen; auch das künstlerische Prestige des Studios musste durch den Einkauf zugkräftiger Stars und die Produktion hochwertiger Filme aufgebaut werden. Man engagierte den profilierten amerikanischen Schauspieler John Barrymore und begann sich nach Regisseuren umzusehen, die einen großen Namen hatten, aber auch dafür bekannt waren, das veranschlagte Budget nicht aus den Augen zu verlieren. Bei der Suche nach einem geeigneten Kandidaten kam den Gebrüdern Warner der damals existierende gute Kontakt Hollywoods mit der deutschen Filmindustrie zugute. Während der Stabilisierungsphase der Weimarer Republik reisten deutsche Filmregisseure in großer Zahl nach Los Angeles, um amerikanische Künstler kennen zu lernen, neue Produktionsmethoden zu studieren und vielleicht einige Filme zu drehen. Einer dieser „Forschungsreisenden“ war Fritz Lang; in einem Artikel für den deutschen Film-Kurier lobte er im Jahre 1924 die unbegrenzten Möglichkeiten der Filmregisseure in Hollywood: Was mir nun bei meinem Umschauhalten in Hollywood am stärksten zum Bewußtsein kam, war die Erkenntnis, daß der amerikanische Filmregisseur im wahrsten Sinne des Wortes ein Herr der unbegrenzten Möglichkeiten ist. […] Wenn ein amerikanischer Filmregisseur sich auf irgend etwas versteift, so wird es ihm beschafft, koste es, was es wolle.12
War es Lang zu diesem Zeitpunkt noch nicht vergönnt, die scheinbar unbegrenzte Kooperationsbereitschaft amerikanischer Studios auf die Probe zu stellen, arbeiteten andere deutschsprachige Filmregisseure mit sehr unterschiedlichem Erfolg in der Traumfabrik. Einigen von ihnen – wie zum Beispiel Friedrich Wilhelm Murnau oder Paul Leni – gelang es, sich einige Zeit 12
Fritz Lang, Was ich in Amerika sah, in: Film-Kurier 294 (13.12.1924), zit. nach: Gehler/ Kasten, Fritz Lang, 214.
1. Der Aufstieg eines Familienunternehmens
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zu behaupten, andere wie zum Beispiel Ewald André Dupont kehrten bereits nach einem Misserfolg nach Europa zurück. Eine derartige Rückkehr drohte auch Ernst Lubitsch, als ihn das lukrative Angebot der Warner Bros. Studios erreichte. Die große amerikanische Stummfilmschauspielerin Mary Pickford, die in Hollywood eine eigene Produktionsfirma und damit die Kontrolle über die Auswahl ihrer Filmregisseure besaß, hatte ihn im Jahre 1922 nach Hollywood eingeladen, um unter seiner Regie ihrer bisherigen Rollenfestlegung auf das „kleine Mädchen“ zu entkommen. Lubitsch akzeptierte und brach im Dezember 1922 mit einem kleinen Mitarbeiterstab, dem neben anderen auch sein Assistent Henry (urspr. Heinz) Blanke angehörte, nach Amerika auf. Die anschließende Zusammenarbeit verlief allerdings nicht sonderlich harmonisch; zähen Verhandlungen über einen geeigneten Filmstoff folgten konfliktreiche Dreharbeiten. Zunächst hatte man die Verfilmung des Faust-Stoffes in Erwägung gezogen, mit Pickford in der Rolle des Gretchens. Die einflussreiche Mutter der Schauspielerin verhinderte die Produktion jedoch mit dem Argument, dass „Amerikas Liebling“ keine Kindsmörderin spielen dürfe. Schließlich entschied man sich für ein Drehbuch mit dem Titel Rosita, entstanden nach dem Schauspiel Don César de Bazan von Philippe Francois Pinel Dumanoir und Adolphe Philippe Dennery. Obwohl der Film von Publikum und Kritik Beifall empfing, trennte man sich enttäuscht – Lubitschs Vertrag wurde nicht verlängert.13 Im Gegensatz zu Pickford waren die Warner Bros. Studios zunächst durchaus bereit, Lubitsch ein Höchstmaß an Freiheit einzuräumen. Um sich die Dienste des europäischen Filmgenies zu sichern, gewährte man ihm die freie Wahl seiner Stoffe, seinen eigenen Arbeitsstab und – ein seltenes Privileg – die Kontrolle über den Filmschnitt. Vergütet wurde Lubitsch mit einer damals traumhaften Gage von 60.000 Dollar pro Film sowie einer Beteiligung an den Einspielergebnissen.14 Cass Warner Sperling, die Enkeltochter Harry Warners, berichtet in ihrer Familienbiographie, dass ihr Großvater für diese attraktiven Vertragskonditionen verantwortlich war. Er war der Meinung, dass man den deutschen Filmkünstler leicht „unter Kontrolle behalten“ könne. Anders als extravagante amerikanische Regisseure wie Cecil B. DeMille habe Lubitsch – so dachte Warner – eine „preußische Arbeitsdisziplin“ und werde nicht über die Stränge schlagen.15 Über die folgende etwa zweijährige Zusammenarbeit existieren zahlreiche Anekdoten; Lubitsch arbeitete zwar effizient 13
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Auch die zum Zeitpunkt von Lubitschs Ankunft (vier Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges) noch sehr deutschfeindliche Stimmung in den USA führte zu Konflikten mit der Produktionsfirma Pickfords. So berichtet der deutsche Maler und Filmausstatter Ali Hubert in einem 1930 erschienenen Erlebnisbericht, dass man Lubitsch vorschlug, sich als Pole oder Russe auszugeben, was dieser jedoch ablehnte. Hubert, Hollywood, 47. Zur Zusammenarbeit Lubitschs mit Pickford siehe: Renk, Ernst Lubitsch, 44–49. Ebenda, 52. Warner Sperling, The Brothers Warner, 82–83.
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und hielt sich an das veranschlagte Budget, er war jedoch nicht dazu bereit, sich seine alltäglichen Angewohnheiten und Prozeduren von der Studioleitung verbieten zu lassen. Jeden Tag um 16 Uhr ließ der Regisseur von einem Catering-Service Kaffee und Kuchen an den Filmset kommen. Als der Studioleiter Jack Warner versuchte, diese kostenintensive Praxis zu unterbinden und den Service abzubestellen, trat Lubitsch unter dem Motto „No cakes, no coffee – no scene“ einfach in den Streik.16 Vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet war Lubitschs Arbeit bei Warner Bros. jedoch durchaus erfolgreich. Er drehte fünf elegante Sitten- und Gesellschaftskomödien, die den Mythos des sogenannten „Lubitsch-Touch“ entscheidend prägten. Mit besonderem Raffinement wob er ein Netz von Auslassungen und Andeutungen, inszenierte ein erotisches Spiel, das das Publikum amüsierte und zugleich die Zensur düpierte. Er brachte das zuvor von der Kritik nahezu unbeachtete Warner Bros. Studio ins Gespräch (gleich sein erster Film The Marriage Circle stand auf der Liste der zehn besten Filme des Jahres in der New York Times) und ließ die Profite steigen. Der finanzielle Gewinn blieb jedoch hinter den Erwartungen der Gebrüder Warner zurück – ein Umstand, den sie der spezifischen Beschaffenheit des Lubitsch-Humors zuschrieben. Sie empfanden seine Filme als zu subtil, zu langsam und den Horizont des durchschnittlichen Kinopublikums weit übersteigend. Der Regisseur konterte mit der Forderung nach größeren Budgets, nach aufwendigeren Produktionen, in denen man sein Potential nicht sinnlos vergeudete.17 Derartige Großprojekte konnte oder wollte man Lubitsch zu diesem Zeitpunkt jedoch bei Warner Bros. nicht bieten, enttäuscht löste er im Jahre 1926 seinen Vertrag und wechselte zu MetroGoldwyn-Mayer, später zu Paramount Pictures. Bis zum Jahre 1930 stieg er zu einem der erfolgreichsten Regisseure Hollywoods auf; der deutsche Maler und Filmausstatter Ali Hubert, der 1927 auf Einladung Lubitschs nach Los Angeles gekommen war, schrieb in einem Erlebnisbericht: „Heute hat er eine erste Position in Hollywood, das Vertrauen aller Produzenten. Die besten Darsteller wetteifern, sich unter seiner Regie auf der Leinwand zeigen zu können.“18 Bot das noch relativ neue Warner Bros. Studio, das seine Expansion zu einem weltweit operierenden Filmkonzern gerade erst begonnen hatte, dem Starregisseur Ernst Lubitsch keine zufriedenstellenden Möglichkeiten, hielt es jedoch verlockende Berufsperspektiven für dessen langjährigen Assistenten Henry Blanke bereit. Blanke wurde im Jahre 1901 in Berlin als Sohn des bekannten Malers Wilhelm Blanke geboren. Während seines Studiums der Fächer Kunst und Musik begann er sich für den Film zu interessieren und strebte eine berufliche Laufbahn in der Universum Film AG (UFA) an. Bei der 16 17 18
Jack Warner unterlag in diesem Konflikt; Kaffee und Kuchen trafen fortan wieder pünktlich ein. Ebenda. Vgl. auch: Wallis/Higham, Starmaker, 15. Renk, Ernst Lubitsch, 52. Hubert, Hollywood, 47.
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Verwirklichung dieses Wunsches kamen ihm die beruflichen Kontakte seines Vaters zu Hilfe, der ca. 1920 einen Zeichenauftrag des damaligen UFA-Leiters Paul Davidson erhielt. Der Maler bat um eine Stellung für seinen knapp zwanzigjährigen Sohn, der daraufhin als Produktionsassistent im Studio beginnen durfte. Von Anfang an, so Blanke in einer im Jahre 1969 aufgenommenen Oral History, hatte er den Wunsch, für Ernst Lubitsch zu arbeiten, den er für den besten deutschen Regisseur hielt.19 Nach einigen Monaten des Wartens, in denen Blanke verschiedenen weniger bekannten Regisseuren wie zum Beispiel Paul Ludwig Stein assistierte, konnte er sein Ziel verwirklichen. Lubitsch, dessen Produktionsfirma soeben eine Kooperation mit der von Paul Davidson, Carl Bratz und dem Amerikaner Adolph Zukor gegründeten Europäischen Film-Allianz (EFA) eingegangen war, engagierte ihn als Assistent für seinen Film Das Weib des Pharao. Als der Regisseur wenig später nach Hollywood wechselte, begleitete Blanke ihn und gelangte so schließlich auf die Gehaltsliste der Warner Bros. Studios. Um dem Schicksal zu entgehen, der „ewige Assistent“ von Lubitsch zu bleiben, entschied sich Blanke im Jahre 1926 jedoch, seinem großen Vorbild den Rücken zu kehren. Er wechselte nicht zusammen mit Lubitsch zu Metro-Goldwyn-Mayer, sondern blieb bei Warner Bros., um sich eine eigene Karriere aufzubauen. Seine effiziente Arbeitsweise, seine mittlerweile hervorragenden englischen Sprachkenntnisse (er war zum Zeitpunkt seiner Emigration ein lernfähiger junger Mann von zwanzig Jahren gewesen) sowie das „Gütesiegel“, für Ernst Lubitsch gearbeitet zu haben, ließen ihn in der Studiohierarchie schnell aufsteigen.20 Seine guten Vermittlerdienste, die er in der schwierigen Zusammenarbeit der Gebrüder Warner mit Lubitsch geleistet hatte, verliehen ihm den Ruf eines Experten für alle „deutschen Angelegenheiten“. Aufgrund dieser frühen Rollenzuweisung wurde Blanke während der kommenden drei Dekaden21 zu einer wichtigen Schlüssel- und Integrationsfigur für die ab 1933 stetig wachsende Anzahl deutschsprachiger Künstler in den Warner Bros. Studios und – darüber hinaus – zu einem zentralen Mitglied der deutschsprachigen Kolonie in Los Angeles. Zahlreiche Exilanten hofften bei der Suche nach einer Anstellung auf seinen Einfluss.22 Zunächst, im Jahre 1926, bedeutete diese neue Rolle Blankes jedoch eine Rückkehr nach Berlin – als Leiter des deutschen Warner Bros. Büros. 19 20 21 22
Barry Steinberg, Recollections of Henry Blanke, Oral History Programm der University of California, Los Angeles, (1969), 1–5. Das Interview wurde in dem Zeitraum vom 17. Januar 1969 bis zum 23. Mai 1969 durchgeführt. Ebenda, 40. Blanke arbeitete bis zum Dezember des Jahres 1959 ohne Unterbrechung für die Warner Bros. Studios. Ebenda, 30. Die in den Warner Bros. Archives erhaltene Korrespondenz Blankes enthält zahlreiche Briefe exilierter Kollegen, die ihn zum Beispiel um eine Rolle baten oder ihm ein Drehbuch offerierten. General Correspondence Henry Blanke, WBA, USC.
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Die Jahre der Expansion – Warner Bros. Pictures etabliert sich im Studiosystem (1927–1930) Hatten die Gebrüder Warner durch die entscheidenden finanziellen Umschichtungen der Jahre 1924 und 1925 sowie durch das Engagement profilierter Künstler wie Ernst Lubitsch bereits wichtige Schritte auf ihrem Weg in die Gruppe der führenden Hollywoodstudios vollzogen, stand das Unternehmen in finanzieller Hinsicht noch keineswegs auf sicherem Fundament.23 Erst die maßgebliche Rolle bei der Einführung des Tonfilms sollte die Position des Studios dauerhaft sichern. Ihren Ausgang nahm diese Entwicklung bereits im Frühjahr 1925 anlässlich der bereits beschriebenen ausgedehnten Expansionsmaßnahmen. Auf Geheiß des technikbegeisterten, stets für Innovationen aufgeschlossenen Samuel Warner hatte man einen Radiosender in Hollywood gekauft, um auf diese Weise die neu erscheinenden Filmproduktionen vermarkten zu können. Schnell freundete Warner sich mit Nathan Levinson, dem für die dort verwendete Tonausrüstung zuständigen Vertreter des Elektrotechnikkonzerns Western Electric an. Levinson unterrichtete Warner über die bereits seit einigen Jahren in seiner Firma durchgeführten Experimente zur Vervollkommnung des Vitaphone-Verfahrens, einer Adaption der Nadeltontechnik an die Erfordernisse einer Filmvorführung im Kinosaal. Nach einigen zähen Diskussionen konnte Samuel Warner seinen ältesten Bruder Harry von den sich durch die Verfügbarkeit einer derartigen Technologie eröffnenden Möglichkeiten und dem damit verbundenen Wettbewerbsvorteil überzeugen. Nach einigen Monaten prüfender und vorbereitender Experimente kam es schließlich zur Unterzeichnung eines Abkommens mit Western Electric, das der eigens zu diesem Zweck gegründeten Warner-Tochterfirma Vitaphone Corporation die exklusiven Nutzungsrechte an der neuen Technologie gewährte.24 Bereits gut drei Monate später, im August 1926, feierte man im New Yorker Warner Theatre die offizielle Premiere des neuen Verfahrens. Nach einer Laudatio des Präsidenten der Motion Picture Producers and Distributors of America (MPPDA) Will H. Hays zeigte man ein aus mehreren klassischen Musikdarbietungen bestehendes Vitaphone-Vorprogramm und im Anschluss daran den Stummfilm Don Juan – begleitet von einer Tonaufnahme des New York Philharmonic Orchestra. Die Publikumsreaktionen auf dieses erste Vita23 24
In der im März 1926 veröffentlichten Jahresbilanz verzeichnete man – aufgrund der radikalen Expansionsmaßnahmen und Ankäufe der vorangehenden zwei Jahre – einen Verlust von 1.337.000 Dollar. Gomery, The Hollywood Studio System, 104. Der am 20. April 1926 unterzeichnete Vertrag wurde gleichzeitig in der Fachpresse bekannt gemacht. Ebenda. Vgl. auch: Miller, Warner Brothers and the Roosevelt Administration, 16. Zu den Details des Vertragsabschlusses siehe: Gomery, The Coming of Sound, in: Belton/Weis, Film Sound, 11–13. Die Exklusivität der Nutzungsrechte wurde im Frühjahr 1927 auf Verlangen von Western Electric wieder aufgehoben. Gomery, The Hollywood Studio System, 106.
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phone-Unterhaltungspaket waren, wie von Samuel Warner erwartet, euphorisch; bis zum Jahresende produzierte man in schneller Folge weitere Programme und stattete nahezu hundert Kinos mit den neuen Abspielvorrichtungen aus.25 Dank des großen Einfallsreichtums ihres Finanzberaters Waddill Catchings konnten die Gebrüder Warner trotz der bereits geleisteten großen Ausgaben für Vitaphone auch im folgenden Jahr 1927 ihren raschen Expansionskurs weiter verfolgen. Mit Hilfe großer Darlehen errichtete man in Hollywood vier Aufnahmestudios – ausgestattet mit schallisolierten Wänden und der neuesten, möglichst wenige störende Nebengeräusche verursachenden Kamera- und Beleuchtungstechnik. Eines der ersten dort entstandenen Projekte war der häufig als Meilenstein der Filmgeschichte bezeichnete Film The Jazz Singer, eine Mischung aus handlungstragenden Stummfilmsequenzen und Vitaphone-Gesangseinlagen des beliebten Vaudeville-Künstlers Al Jolson. Gestaltete sich die Resonanz in der Fachpresse im Anschluss an die Premiere im Oktober 1927 insgesamt durchwachsen, waren die fünf Gesangseinlagen Jolsons allerdings ein sehr großer Erfolg.26 Der Film wurde zu einem außergewöhnlichen Publikumsmagneten und gab damit für die Warner Bros. Studios den Ausschlag, fortan alle Anstrengungen auf die Produktion des ersten kompletten Tonfilms zu konzentrieren, der schließlich im Herbst 1928 unter dem Titel Lights of New York in die Kinos kam. Der zeitliche Vorsprung, den die Gebrüder Warner sich durch ihren Wagemut bei der Einführung des Tonfilms gesichert hatten, zahlte sich für sie in den kommenden zwei Jahren aus. Während die konkurrierenden Studios noch mit der Umstellung ihres Produktionsapparates auf die neuen technischen Anforderungen kämpften, erwirtschaftete Warner Bros. Rekordprofite und vollendete durch weitere Ankäufe seinen Aufstieg an die Spitze der amerikanischen Filmindustrie. Innerhalb weniger Monate erwarb man die Stanley Corporation of America, eine führende Kino-Kette an der Ostküste der USA, sowie im November 1929 das finanziell angeschlagene Studio First National Pictures.27 Durch letzteren Ankauf gelangte man in den Besitz weiterer erstklassiger Kinos, des (auch heute noch existierenden) nördlich von Hollywood im Stadtteil Burbank gelegenen Studiogeländes sowie eines weit verzweigten Verleihsystems. Schließlich trug man der zunehmenden Bedeutung des europäischen Marktes durch den 25 26 27
Ebenda, 13. Ebenda, 108. Vgl.: Wallis/Higham, Starmaker, 16–18; Warner Sperling, The Brothers Warner, 132–138. Obwohl Warner Bros. durch diese Transaktion den Zugang zu allen Einrichtungen der First National Studios gewann, blieb der Firmenname First National noch bis 1936 intakt und tauchte auch im Vorspann der dort produzierten Filme auf. Obwohl offiziell beide Studios sowohl Filme mit einem großen A-Budget als auch mit einem kleineren B-Budget produzierten, liefen die Prestigeprojekte in der Regel unter dem Namen der Warner Bros. Studios, während First National sich auf moderne Komödien, Dramen und Kriminalgeschichten konzentrierte. Vgl. dazu: Film Concern Dissolves, in: The New York Times (12.06.1936), F1.
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz
Erwerb beziehungsweise das Leasing dortiger Filmfirmen – wie zum Beispiel der Londoner Teddington Studios – Rechnung.28 Diese Transaktionen der Jahre 1928 und 1929 markierten das Ende des innerhalb nur einer Dekade erfolgten, in dieser Form einzigartigen Aufstiegs eines kleinen Familienbetriebes in die Reihe der fünf größten Hollywoodstudios. Zusammen mit seinen Konkurrenten Paramount Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), Radio-Keith-Orpheum (RKO) und Twentieth Century Fox dominierte Warner Bros. fortan die amerikanische Filmproduktion. Innerhalb des Oligopols von acht Filmfirmen, das während der kommenden zwei Dekaden Hollywood beherrschen sollte, betätigten sich lediglich diese fünf Großstudios sowohl auf dem Gebiet der Filmproduktion als auch auf den Gebieten des Film-Verleihs und der Vorführung. Die kleineren Konkurrenten Universal Studios und Columbia Pictures konzentrierten sich nur auf die Bereiche Produktion und Verleih; die im Jahre 1919 von Charles Chaplin, Douglas Fairbanks sen., Mary Pickford und David Wark Griffith gegründete Firma United Artists spezialisierte sich auf den Verleih von Filmen unabhängiger Produzenten. Nach dem Tode Samuel Warners im Jahre 1927 kontrollierten die Brüder Harry, Albert und Jack Warner ihr Filmimperium in einer Art Triumvirat mit exakt abgesteckten Zuständigkeitsbereichen. Im New Yorker Hauptbüro des Unternehmens arbeitete der Präsident der Firma Harry Warner zusammen mit Albert Warner, Schatzmeister und Leiter des Verleihs.29 Hatte Harry Warner in allen Teilbereichen des Konzerns prinzipiell die maßgebliche Entscheidungsgewalt, involvierte er sich allein schon aufgrund seiner geographischen Distanz zum Standort Los Angeles – vor seinem Umzug an die Westküste gegen Ende der dreißiger Jahre – nur selten in die alltägliche Routine der Filmproduktion. Diese Aufgabe überlies er dem jüngsten Bruder Jack Warner, der vor Ort in seiner Funktion als Vice-President in Charge of Production für die gesamte Studioproduktion verantwortlich zeichnete. Lediglich in die ihm besonders am Herzen liegenden, politisch und sozial engagierten Spielfilmprojekte brachte der Firmenpräsident sich persönlich und oftmals auch vehement ein. Er übernahm in den kommenden Jahren die Rolle einer treibenden Kraft in der Entwicklung der Warner Bros. Studios zum „mahnenden Gewissen“ Hollywoods.
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Miller, Warner Brothers and the Roosevelt Administration, 15–19; Gomery, The Hollywood Studio System, 110. Neben Harry Warners Büro befand sich auch das Hauptbüro des advertising department (Leiter: Charles Einfeld) in New York, da die offiziellen Premieren zumeist am New Yorker Broadway stattfanden. Auch das legal department wurde von New York aus geleitet, ein beträchtlicher Anteil der dort anfallenden Arbeit wurde jedoch direkt auf dem Studiogelände in Los Angeles durch den Rechtsberater Roy J. Obringer erledigt – in Zusammenarbeit mit Ralph Lewis, einem Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Freston & Files. Roddick, A New Deal in Entertainment, 22.
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2. DIE DREISSIGER JAHRE – KONVENTIONEN UND INNOVATIONEN Weltwirtschaftskrise und New Deal – der Einfluss auf die politische Ausrichtung des Studios In den Jahren von 1910 bis 1930 war es den USA gelungen, sich zum wirtschaftlich einflussreichsten Staat der Erde zu entwickeln. Die Industrie erlebte eine Prosperität durch diverse Neuerungen der Produktionsmethoden, die Fertigungsabläufe wurden beruhend auf dem Prinzip des Taylorismus, einer zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den amerikanischen Ingenieur und Betriebsberater Frederick Winslow Taylor entwickelten wissenschaftlichen Betriebsführung, rationalisiert. Die wirtschaftlichen Erfolge des Autobauers Henry Ford in seiner Detroiter Firma Ford Motor Company wurden weltweit unter dem Schlagwort des „Fordismus“ als ein Ideal propagiert, dem es nachzueifern galt. Auf diese Weise konnten die USA in den Jahren von 1921 bis 1929 eine Verdoppelung ihrer Industrieproduktion erreichen; das Big Business wurde zum Schlagwort der Epoche. Der durch den Aufschwung genährte, unerschütterliche Glaube an eine immerwährende Prosperität der amerikanischen Wirtschaft verleitete große Teile der Bevölkerung zu heftigen Aktienspekulationen, die im Folgenden zu einer übermäßigen Aufblähung des Kreditmarktes führten.30 Am 25. Oktober 1929 – dem Schwarzen Freitag – brach das fragile Gebäude des Konjunkturoptimismus zusammen. Massive Kurseinbrüche an der New Yorker Börse läuteten eine Wirtschaftsdepression ein, die sich in Windeseile auch auf Europa ausdehnen sollte. Die Industrieproduktion sank in den Jahren von 1929 bis 1932 um 54 Prozent; Millionen Amerikaner verloren ihre Arbeit und ihre Ersparnisse. Von den Folgen dieser Entwicklung blieben selbstverständlich auch die Warner Bros. Studios nicht lange verschont; die trotz erheblicher Preissenkungen beim Kinokartenverkauf stark zurückgehenden Zuschauerzahlen bewirkten im Jahre 1931 ein Defizit von nahezu acht Millionen Dollar, das sich 1932 auf über 14 Millionen Dollar steigerte.31 Harry Warner reagierte sofort mit drastischen Sparmaßnahmen – die Gehälter aller Mitarbeiter wurden temporär um bis zu fünfzig Prozent gekürzt, man reduzierte die Anzahl der betriebenen Lichtspielhäuser von
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Zu weiteren wichtigen Faktoren auf dem Weg der USA in die Wirtschaftskrise wie der Überproduktion, dem Protektionismus, dem fehlenden Bewusstsein für staatliche Investitionen sowie den Kriegsfolgen in Europa siehe zum Beispiel: Kindleberger, The World in Depression, 1973. Warner Sperling, The Brothers Warner, 160; Gomery, The Hollywood Studio System, 102. Noch im Jahre 1930 hatte das Studio seine Jahresbilanz mit einem erwirtschafteten Profit von sieben Millionen Dollar abgeschlossen. Trotz der Maßnahmen des New Deal schrieb das Studio noch bis 1935 „rote Zahlen“. Ebenda.
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700 auf 400 und entließ insgesamt 900 Angestellte.32 Die Filmproduktion auf dem Studiogelände in Burbank wurde erheblich gedrosselt, ein Großteil der Anlage blieb für einige Zeit verwaist.33 Das Gefühl, ein Opfer des Missmanagements der seit 1921 in Folge regierenden republikanischen Präsidenten Harding, Coolidge und Hoover geworden zu sein, veranlasste die Gebrüder Warner zu einem Wechsel des politischen Lagers. Sie kündigten den Republikanern ihre jahrelange treue Gefolgschaft34 und wurden zu Anhängern des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Franklin Delano Roosevelt, der für sie – wie für große Teile der Bevölkerung – die Möglichkeit eines friedlichen Wandels verkörperte.35 Bereits während seiner zwei Amtszeiten als Gouverneur von New York (1929–1933) hatte sich Roosevelt mit seinen Programmen für verarmte Farmer im Norden des Staates einen Namen als Interessenvertreter des „kleinen Mannes“ gemacht. Nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise hatte er eine Gruppe von Experten auf den Sektoren des Staatsrechts, der Landwirtschaft und der Geldzirkulation zu einem Brain Trust versammelt und mit ihnen ein umfassendes Hilfsprogramm gegen den ökonomischen Niedergang des Landes entworfen. Das Resultat war ein Maßnahmenpaket, das unter dem Namen New Deal (wörtlich: Neuverteilung der Spielkarten) bekannt gemacht wurde. Als der Präsidentschaftskandidat im Rahmen seiner Wahlkampagne im Jahre 1932 Los Angeles besuchte, stellte Jack Warner seine neue Loyalität unter Beweis. Er fuhr Roosevelt bis zu dem ca. hundert Kilometer entfernten Küstenort Santa Barbara entgegen und schloss sich dort dessen Gruppe an. Sofort war Warner von dem charismatischen Politiker beeindruckt, mehr als dreißig Jahre später schrieb er in seiner Autobiographie mit dem Titel My First Hundred Years in Hollywood: „I found him a vital and enormously magnetic man, and during that two-hour train trip we began a 32
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Eine Gehaltskürzung von 50 Prozent wurde nur im Falle der hochbezahlten Vertragsschauspieler wirksam, sie wurde nach acht Wochen wieder aufgehoben. Memorandum Jack Warners an Edward G. Robinson, (09.03.1933), zit. nach: Behlmer, Inside Warner Brothers, 10–11. Vgl.: Warner Sperling, The Brothers Warner, 160; Gomery, The Hollywood Studio System, 102. Die Produktion im Studio wurde in einem derartig großen Umfang zurückgefahren, dass das Gelände im Sommer 1930 auf den soeben aus Berlin eingetroffenen Dieterle einen „öden Eindruck“ machte. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 49. Die Gebrüder Warner waren traditionell treue Republikaner. Jack Warner empfing sogar den Präsidenten Calvin Coolidge während dessen Amtszeit zu einem Mittagessen auf dem Studiogelände. Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 208. Nach Jack Warner ging die Unterstützung Roosevelts zunächst von seinem Bruder Harry aus. Dieser glaubte, dass aufgrund des Chaos im Lande eine Revolution bevorstehe, die nur durch einen grundlegenden friedlichen Wandel, i. e. einen Wahlsieg der Demokraten, abgewendet werden könne. Ebenda, 208. Ferner war Harry Warner über eine Senatsuntersuchung seiner Aktien-Transaktionen während der Regierung des Republikaners Hoover verärgert und unterstützte auch deshalb die Demokraten. Warner Sperling, The Brothers Warner, 161.
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friendship that endured to the day of his death.“36 Die anschließende von ca. 175.000 Anhängern besuchte Wahlveranstaltung im Los Angeles Coliseum, einem großen Sportstadion, wurde ein voller Erfolg, zu dem Jack Warner aufgrund seines großen Einflusses in der Stadt sicherlich einen erheblichen Beitrag geleistet hatte.37 William Dieterle schrieb in seinen autobiographischen Skizzen: Und da Kalifornien bei der Wahlentscheidung eine maßgebliche Rolle spielte, ging es in Los Angeles und Hollywood besonders heiß zu. Das Metro-Goldwyn-Mayer-Studio engagierte sich für die Republikaner – der mächtige Louis Burt Mayer war ein Verehrer Hoovers. Die Warner Brothers, früher ebenfalls republikanisch eingestellt, waren in das Lager der Demokraten übergewechselt und ergriffen Partei für Roosevelt. Die beiden Filmbosse, Mayer und Warner, hatten zunächst einmal die meisten Mitarbeiter ihrer Unternehmen hinter sich und darüber hinaus in der Wirtschaft und Bevölkerung beträchtlichen Einfluß. Sie nutzten alle Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen, um für ihren jeweiligen Kandidaten zu werben. Das Riesenstadion in Los Angeles für über 100.000 Personen platzte beim Auftritt Roosevelts fast aus allen Nähten. Als Verantwortlicher für die Wahlkampagne stand natürlich auch Warner mit im Rampenlicht. Wenn man seine Memoiren liest, könnte man annehmen, der Erfolg Roosevelts sei hauptsächlich sein Verdienst gewesen. Zwar ist diese Selbsteinschätzung überzogen, jedoch läßt sich nicht bestreiten, daß Warner den demokratischen Präsidentschaftskandidaten nachhaltig unterstützte.38
Auch nach dem Wahlsieg Roosevelts bemühten sich die Gebrüder Warner weiterhin, ihre Unterstützung der neuen Administration öffentlich unter Beweis zu stellen; so sandten sie gleich im März 1933 eine Delegation der berühmtesten Warner Bros. Stars wie Bette Davis, James Cagney und Ginger Rogers nach Washington, um Roosevelts Inaugurationsfeier beizuwohnen und der Zeremonie am Kapitol zusätzlichen Hollywood-Glanz zu verleihen.39 Der Präsident zeigte sich dankbar für diese publikumswirksame Unterstützung und reagierte mit einer Einladung ins Weiße Haus, die sich während seiner insgesamt zwölf Jahre dauernden Amtszeit noch häufig wiederholen sollte. Jack Warners Autobiographie zufolge wurde Roosevelt ein enger Freund, der sich von ihm die Gesetzmäßigkeiten des Filmbusiness erklären ließ und sich auf Wochenend-Ausflügen gern über seine schlechten Witze amüsierte.40 Wohl eher dem Bereich der Hollywood-Anekdote zuzuordnen ist jedoch Warners Behauptung, der Präsident habe ihm aus Dankbarkeit für 36 37
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Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 216. Jack Warner hatte es geschafft, den Pressezaren William Randolph Hearst auf die Seite Roosevelts zu bringen. Dieser sorgte durch eine Pressekampagne in seinen Zeitungen für die entsprechende Publicity. Ferner berichtete KFWB, der eigene Radiosender der Warner Bros. Studios, in großem Umfang über das Ereignis. Ebenda, 215. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 87. Warner Sperling, The Brothers Warner, 161. Die Inaugurationsfeier fand am 04. März 1933 statt. Vgl.: http://memory.loc.gov/ammem/pihtml/pi043.html (Stand: 15.09.2013). Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 220–223.
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seine Unterstützung einen diplomatischen Posten in Übersee angeboten: „And there, just before I started home, the President asked me if I would like a diplomatic post overseas. ‚I’m very flattered, Mr. President,‘ I replied. ‚But I think I can do better for your foreign relations with a good picture about America now and then‘.“41 Verfügte Warner im Hinblick auf seine Beziehungen zum Weißen Haus vielleicht über ein wenig schöpferische Phantasie, löste er sein angeblich geleistetes Versprechen, Amerika in einem positiven Licht zu präsentieren, umgehend ein. Das Studio produzierte schon ab dem Frühjahr 1933 eine Reihe von Filmen, in denen der Präsident als der neue Hoffnungsträger und sein New Deal als Aufbruch in eine bessere Zukunft dargestellt wurden. So widmete man in dem aufwendigen Musical Footlight Parade eine ganze Musiknummer mit dem Titel Shanghai Lil der Glorifizierung des New Deal. Unter der Regie des Choreographen Busby Berkeley formierte sich eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern zu einem blauen Adler, dem Symbol des von Roosevelt initiierten, innerhalb der New Deal Gesetzgebung zentralen (jedoch auch sehr umstrittenen) National Industrial Recovery Act42. Ferner begann man – dem Glauben Roosevelts an die große Bedeutung einer starken nationalen Verteidigung entsprechend – mit der Produktion einer Serie leichter Army-Komödien, die die Bevölkerung auf eine sanfte humoristische Weise mit den unterschiedlichen Zweigen des Militärs vertraut machte. Die stark standardisierte, in den einzelnen Filmen nur leicht variierte Handlung involvierte zumeist einen ungehobelt-frechen Rekruten, der nach einigen Verwicklungen durch seinen Ausbilder die Bedeutung von Disziplin und Patriotismus erfährt.43 Lassen sich diese Filme der frühen dreißiger Jahre als ein deutliches Indiz für die mit großen Hoffnungen verbundene Verehrung Roosevelts durch die Gebrüder Warner rezipieren, besteht aber auch die Gefahr ihrer Überbewertung. In ihrer Untersuchung Warner Brother’s Crusade Against the Third Reich verweist die amerikanische Filmhistorikerin Christine Ann Colgan auf die sich schon seit den frühen siebziger Jahren in der Forschung herausbildende Tendenz, die in der Warner-Autobiographie referierte Unterstützung des Rooseveltschen Wahlkampfes und das (angeblich) an Jack Warner ergangene Angebot eines diplomatischen Postens als den Anfangspunkt einer unerschütterlichen symbiotischen Beziehung des Studios 41 42
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Ebenda, 224. Nach Warner Sperling sei Roosevelts Angebot wohl eher dem „Wunschdenken“ Warners entsprungen. Warner Sperling, The Brothers Warner, 161. Auch die Filmindustrie wurde während der nur zwei Jahre dauernden Gültigkeit des am 16. März 1933 vom Congress verabschiedeten National Industrial Recovery Act (NIRA) durch einen speziellen Movie Code beeinflusst. Black, Hollywood Censored, 156. Zum Scheitern des NIRA im Jahre 1935 und dem daraus resultierenden Einfluss auf die Filmindustrie vgl. auch: Douglas W. Churchill, Hollywood Letter. The 1935–36 Announcements Hint at the Trends in the New Season’s Films, in: The New York Times (16.06.1935), X3. Davis, Notes on Warner Brothers Foreign Policy, in: The Velvet Light Trap 2.4 (Herbst 1972), 25.
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mit dem Weißen Haus zu betrachten.44 Zu leichtfertig seien die Ereignisse der Jahre 1932/1933 als Basis für eine kontinuierliche Freundschaft und unverbrüchliche Loyalität zwischen beiden Seiten akzeptiert worden.45 Man sei sogar so weit gegangen, Roosevelt als einen ständigen „inoffiziellen Berater“ der Studioleitung bezüglich ihrer Filmproduktion zu bezeichnen.46 Diese Schlussfolgerungen seien, nach Colgan, stark überzogen und wissenschaftlich nicht hinreichend verifizierbar. Ihre Studie der entsprechenden Quellen ergab ein differenzierteres Bild der Warner-Roosevelt-Verbindung. Sicherlich waren die Gebrüder Warner zu Beginn der ersten Amtszeit enthusiastische Anhänger des neuen Präsidenten – der Enthusiasmus kühlte sich jedoch in der Mitte der dreißiger Jahre empfindlich ab, als ihr Studio zusammen mit Paramount Pictures und Radio-Keith-Orpheum (RKO) der Verletzung des Monopolisierungsverbotes durch den Sherman Antitrust Act angeklagt wurde. Es folgten langwierige Gerichtsprozesse in St. Louis und New York, in deren Verlauf Harry und Albert Warner sich mit der Möglichkeit konfrontiert sahen, im Falle einer Verurteilung eine einjährige Haftstrafe verbüßen zu müssen. Eine große Desillusionierung der Brüder war die Folge, aufgrund derer sie dem Präsidenten im Jahre 1936 ihre Unterstützung seiner Wahlkampagne für die zweite Amtszeit entzogen. Erst gegen Ende der Dekade kam es angesichts des in Europa tobenden Krieges und der gemeinsamen außenpolitischen Zielvorstellungen zu einer Wiederauffrischung der freundschaftlichen Beziehungen, die sich dann – nach Pearl Harbor – zu einer festen Allianz der Warner Bros. Studios mit dem Weißen Haus entwickelten.47 Headline pictures und social problem films – Spezialisierung in der amerikanischen Studiolandschaft der dreißiger Jahre Schönes Mädel – braver Bursche – Schurke (meist mit mexikanischem Einschlag, immer mit kleinem Schnurrbart!) – Gefahr – allerhöchste Gefahr – Todesnot – Bumm! Krach! – Die Rettung! – Die Guten belohnt, die Bösen gestraft – Halleluja!48
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Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 69. Siehe zum Beispiel: Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 16–18; Davis, Notes on Warner Brothers Foreign Policy, in: The Velvet Light Trap 2.4 (Herbst 1972), 25. Hark, The Visual Politics of The Adventures of Robin Rood, in: Journal of Popular Film 5.1 (1976), 6, zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 69. Colgan konnte weder in den Unterlagen des Warner Bros. Archivs noch in den entsprechenden Roosevelt-Dokumenten Hinweise finden, dass der Präsident in den Jahren vor Pearl Harbor den politischen Inhalt von Warner Bros.-Filmen aktiv beeinflusste. Ebenda, 71. Ebenda, 70–71. Fritz Lang, Was ich in Amerika sah, in: Film-Kurier 294 (13.12.1924), zit. nach: Gehler/ Kasten, Fritz Lang, 213.
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Mit dieser humoristisch-persiflierenden Inhaltsangabe eines typischen Hollywoodfilmes verwies der deutsche Regisseur Fritz Lang 1924 im Anschluss an seine Amerikareise auf die sich in den dortigen Filmstudios herausbildende Praxis, das wachsende Unterhaltungsbedürfnis des Kinopublikums mit einer „Massenspeisung“ nach standardisierten Rezepten zu befriedigen. Habe sich ein bestimmtes Genre oder Produktionskonzept an den Kassen bewährt, seien die Filmfirmen in der Lage, in einem rasanten Tempo weitere nach derselben Erfolgsformel produzierte Streifen auf den Markt zu bringen. Ein Raum für künstlerisch-innovative, von der bewährten Methode abweichende Experimente sei kaum vorhanden – zu viel (von den Banken geliehenes) Geld stünde auf dem Spiel. Dieser von Lang sicherlich zutreffend diagnostizierte Zwang zur unbedingten wirtschaftlichen Effizienz und die damit verbundene Standardisierung des filmischen Produktes sollten sich in den darauffolgenden Jahren der wirtschaftlichen Depression noch intensivieren. Weniger denn je waren die Studios in dieser Zeit dazu bereit, die einmal eingeschlagenen, ausgetretenen Pfade ihrer Filmproduktion zu verlassen. Vor dem Hintergrund stetig zurückgehender Zuschauerzahlen und der damit verbundenen verschärften Konkurrenz untereinander amalgamierte man vielmehr die bereits bewährten inhaltlichen und stilistischen Erfolgskonzepte zu einem eigenen studiospezifischen Stil und sicherte sich somit eine feste Nische innerhalb der amerikanischen Filmproduktion. Einmal erfolgt, blieb diese Nischenzuweisung auch nach der Überwindung der wirtschaftlichen Krise bestehen – sie wurde weiterentwickelt zu einem festen house style, einer deutlich erkennbaren künstlerischen Signatur. Auf diese Weise schufen die Studios im Laufe der dreißiger und vierziger Jahre ein spezifisches unverwechselbares Œeuvre, das sich fast mit dem Gesamtwerk eines einzelnen als auteur fungierenden Filmregisseurs vergleichen ließe. In dem Entwurf für seine Autobiographie charakterisierte William Dieterle die Spezialgebiete der größten amerikanischen Studios wie folgt: Da war zunächst Metro-Goldwyn-Mayer, das aristokratische Studio, mit seinen hochpolierten Allstar-Filmen, dann Paramount, bekannt durch seine raffiniert witzigen Lubitsch-Komödien und Josef von Sternbergs bildhaft schönen Marlene-Dietrich-Produktionen, Fox hatte John Fords großartige und spannende Westernstreifen, Columbia die sozialkritischen und satirischen Filme Frank Capras, Universal und Republic schließlich produzierten mehr oder weniger gut inszenierte anspruchslose Unterhaltungsfilme. Die Warner Brothers hatten sich hauptsächlich mit Gangsterfilmen von hoher Qualität und Musicals mit origineller Choreographie großes Ansehen in der Kinobranche und beim Filmpublikum erworben.49
In den Warner Bros. Studios wurde der bezüglich der Herausbildung des späteren house style richtungweisende Zeitabschnitt der frühen dreißiger Jahre entscheidend durch das Film-Multitalent Darryl F. Zanuck geprägt.50 Nach49 50
Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 92–93. Der 1902 in Nebraska geborene Darryl F. Zanuck arbeitete in seiner fast 50-jährigen Hollywoodkarriere in nahezu allen Sparten des Filmbusiness. Er begann seine Laufbahn
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dem er einige Jahre als fest angestellter Drehbuchautor für die Gebrüder Warner gearbeitet hatte, wurde er 1929 zunächst Produktionsleiter im WarnerStammgebäude am Sunset Boulevard, um schließlich im November 1930 als Senior Executive in Charge of Production die Leitung der gesamten Studioproduktion zu übernehmen.51 In dieser Stellung – nach Jack Warners Position die zweitwichtigste im Studio – hatte er die von Harry Warner nach Ausbruch der Wirtschaftskrise verordnete extreme Sparpolitik mit den Erfordernissen einer funktionierenden Filmproduktion in Einklang zu bringen. Er entschied sich für die Strategie, aus der (wirtschaftlichen) Not eine Tugend zu machen und die Absage an märchenhaft-aufwendige Filmsujets als die Wiederentdeckung des common man werbewirksam zu zelebrieren. Zanuck initiierte eine Serie harter, schnörkelloser Gangster- und Kriminalfilme, in denen der Überlebenskampf kleiner einfacher Leute im düsteren Großstadtdschungel portraitiert wurde. Keine verklärten Repräsentanten der Oberschicht traten in diesen Geschichten auf – ein buntes Gemisch von Kellnern, Kleinkriminellen, Prostituierten, Taxifahrern und anderen Gestalten bevölkerte den urbanen Schauplatz und verlieh ihm Authentizität.52 Die Helden waren oft verzweifelte Verlierer, die an den gegebenen unmenschlichen Verhältnissen dramatisch scheiterten. Schöpferische Anregungen für die Drehbücher entnahmen Zanucks Autoren den Schlagzeilen der Tageszeitungen, die angesichts der wirtschaftlichen Depression genügend entsprechendes Material boten. Die Einflechtung einer Liebesgeschichte und damit auch das kostenerhöhende Engagement eines zweiten weiblichen Stars wurden obsolet – das skandalisierende Element der Geschichten genügte als Publikumsmagnet. Nach einigen großen Erfolgen in dieser Reihe sogenannter headline pictures wie Doorway to Hell (1930), The Public Enemy (1931), Little Caesar (1931) und I Am a Fugitive from a Chain Gang (1932) resümierte Zanuck zufrieden: It is my sincere belief that the moving picture public will continue to respond to the „headline“ type of screen story that it has been the policy of Warner Brothers – First National Pictures to produce during the past two years. […] You can’t go on telling the same story forever. The [love] triangle is rusty. That is why we originally adopted the headline type of story, and that is why we intend to continue with it.53
Für die Portraitierung seiner Großstadthelden engagierte Zanuck zwischen 1930 und 1932 vom New Yorker Broadway die hochbegabten Theaterschauspieler Edward G. Robinson, James Cagney und Paul Muni. Entsprachen sie
51 52 53
1922 als Drehbuchautor und wurde später als Leiter der Twentieth Century Fox Studios zu einem der einflussreichsten Männer der Filmmetropole. Zu Zanucks Karriere siehe: Behlmer, Memo from Darryl F. Zanuck, 1993; Mosley, Zanuck, 1984. Wallis/Higham, Starmaker, 28. Zanuck behielt diesen Posten bis zum April 1933. Dick, Hal Wallis, 34. Vgl.: Thomajan, Poetry Without a Poet, in: Film Comment 32.2 (März 1996), 70–73. Entwurf Darryl F. Zanucks für einen Artikel in der Zeitschrift The Hollywood Reporter, (Dezember 1932), zit. nach: Behlmer, Inside Warner Brothers, 9–10.
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bezüglich ihrer Physiognomie vielleicht nicht unbedingt dem Bild eines klassischen Filmstars, den man in romantischen Liebesgeschichten zu sehen wünscht, passten sie jedoch hervorragend in das neue Produktionskonzept. Sie waren von relativ kleiner Statur, wirkten durch ihre ausdrucksstarken Gesichter und einprägsamen Stimmen allerdings sehr kraftvoll. Wie viele der von ihnen verkörperten Figuren waren sie in ausgesprochen einfachen großstädtischen Verhältnissen groß geworden und hatten sich mit Ausdauer und den „entsprechenden Ellbogen“ nach oben gekämpft. Mit ihren darstellerischen Leistungen der frühen dreißiger Jahre schufen sie die Basis für die Herausbildung eines neuen charaktervollen und kantigen Leinwandtypus, der sich zu einem Markenzeichen und damit zum Bestandteil des house styles der Warner Bros. Studios entwickeln sollte. In den folgenden Jahren gesellten sich zu ihrer Gruppe noch George Raft, John Garfield und der wohl zu den bekanntesten männlichen Warner Bros. Stars gehörende Humphrey Bogart. Wie in anderen Hollywoodstudios zu dieser Zeit eher unüblich, thematisierte Warner Bros. in den headline pictures der frühen dreißiger Jahre soziale Missstände wie die wachsende Armut, die steigende Verbrechensrate oder die unwürdigen Bedingungen im amerikanischen Strafvollzug. Die bereits erwähnte Unzufriedenheit mit der Administration Hoover verhehlte man nicht, dem Glauben an die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels – der sich wenig später auch in der Unterstützung des Rooseveltschen Wahlkampfes manifestieren sollte – wurde deutlich Ausdruck verliehen. Aus diesem Grund bezeichnen amerikanische Filmhistoriker diese Filme heute gern als den Grundstein für das Image des Warner Bros. Studios als eine sozial überdurchschnittlich engagierte Produktionsfirma und damit als eine Art von „moralischem Gewissen“ Hollywoods. Unterstützt von den Nachkommen der Gebrüder Warner, die verständlicherweise das Andenken ihrer Vorfahren pflegen möchten, bringen sie diese nicht uninteressanten, aber doch auch kolportagehaft anmutenden Werke in ein und dieselbe Entwicklungslinie mit den später im Studio entstandenen, bezüglich ihrer künstlerischen Qualität und ihrer sozialen Botschaft um ein Vielfaches bedeutsameren Filmbiographien William Dieterles und seiner emigrierten Kollegen. So schrieb zum Beispiel die von amerikanischen Filmhistorikern gerne zu Interviews herangezogene Tochter Harry Warners, Betty Warner Sheinbaum: My father was a very serious, moral man. He was the company’s conscience and driving force. […] He often spoke of his responsibilities as a filmmaker and insisted on making films about the Constitution and the Founding Fathers and people like Louis Pasteur, Emile Zola, the prison system, the underworld and other socially committed dramas.54 54
Sheinbaum, Obligations Above and Beyond, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 11. Diese etwas undiffenzierte Zusammenführung der headline pictures mit Dieterles Filmbiographien wird in zahlreichen Dokumentationen und DVD-Kommentaren, aber auch von Filmhistorikern aufgegriffen. Vgl. zum Beispiel: Braudy, Entertainment or Propaganda? in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 28.
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Der Umfang, in dem man in den Filmen der Ära Zanuck soziale Missstände anprangerte, wird dabei von Warner Sheinbaum überschätzt. Einige herausragende Werke wie das 1932 produzierte Gefängnisdrama I Am a Fugitive From a Chain Gang verfügten zwar über eine gewisse politische und soziale Sprengkraft, der größere Teil von ihnen endete jedoch zumeist versöhnlich mit der Bestätigung des Vertrauens in die amerikanischen Institutionen. Ganz im Stile etlicher typischer Filme aus der Zeit des New Deal – man denke zum Beispiel an die Werke Frank Capras in den Columbia Studios – wurden Probleme wie Machtmissbrauch oder Korruption zwar aufgeworfen, ihre Lösung lag allerdings schon in greifbarer Nähe. Ferner war die Intention des verantwortlichen Produzenten Zanuck nicht unbedingt der selbstlose Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit; in erster Linie ging es ihm darum – wie dargestellt – die Produktionskosten zu senken und das Publikum mit Skandalgeschichten im Sinne eines yellow journalism in die Kinos zu locken. Zur Schaffung des späteren Images der Warner Bros. Studios als die politisch und sozial wachsamste amerikanische Filmfirma der Goldenen Ära Hollywoods hätten diese Filme allein wohl kaum ausgereicht.55 Bezüglich der Herausbildung eines spezifischen house styles der Warner Bros. Studios kann man die Bedeutung der Ära Zanuck, die im April 1933 mit seinem Weggang zur neu gegründeten Firma Twentieth Century Pictures endete, hingegen kaum überbewerten. Durch Zanucks Fokussierung auf das Interaktionsfeld einer chaotischen Urbanität und die Rekrutierung unverbrauchter Theaterpersönlichkeiten, die genau diesem urbanen Umfeld entstammten, schuf er einen spezifischen abgeklärten Realismus, der auch den ästhetischen Stil zahlreicher späterer Produktionen wie Angels with Dirty Faces (1938), The Roaring Twenties (1939), High Sierra (1941) oder The Maltese Falcon (1941) bestimmte. Die schnelle, schlagfertige, teilweise dialektal eingefärbte Diktion seiner Protagonisten sollte noch viele Jahre später die temporeichen, brillantscharfzüngigen Drehbücher der erfolgreichen Warner-Vertragsautoren Howard Koch, John Huston oder Philip und Julius Epstein beeinflussen.56 Auch bezüglich der Stoffauswahl sammelte man in dieser Zeit prägende Erfahrungen. Der verhältnismäßig solide Kassenerfolg der headline pictures lehrte die Gebrüder Warner, dass man auch mit der Berührung „unbequemer Themen“ – bei einer entsprechenden publikumswirksamen Aufmachung – Gewinne erzielen konnte.57 Diese Erfahrung ließ sie höchstwahrscheinlich in späteren Jahren bei der Umsetzung der humanistischen Filmbiographien Dieterles und der eindring55 56 57
Zur Überbewertung der sozialen Sprengkraft der headline pictures vgl. auch: Roddick, A New Deal in Entertainment, 73. Corliss, 14-Karat Oomph, in: Film Comment 25.4 (Juli/August 1989), 42. Douglas Gomery verweist darauf, dass sich diese Filme zwar leidlich gut verkauften – wirklich signifikante Kassenerfolge für Warner Bros. waren in dieser Zeit aber nur die Busby Berkeley Musicals 42nd Street und Gold Diggers of 1933. Gomery, The Hollywood Studio System, 113.
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lich warnenden Anti-Nazi-Filme mutiger werden. Sie begannen, Gefallen an der Rolle des aufmerksamen, mahnenden Beobachters ihrer Epoche zu finden – ein Umstand, der sich zum Beispiel in der Pressekampagne für den AntiNazi-Film Confessions of a Nazi Spy deutlich offenbarte.58 Ungefähr zeitgleich mit dem Weggang Zanucks im Jahre 1933 wurde jedoch die von ihm in den Warner Bros. Studios entwickelte Praxis, mit dem Medium Film unterhaltend und lehrreich auf soziale Missstände zu verweisen, durch einen neuen auf die Filmbranche einwirkenden Faktor wieder gebremst. Eine lange Geschichte peinlicher Hollywood-Skandale und die zunehmende sexuelle Freizügigkeit in amerikanischen Filmen hatte schon zu Beginn der zwanziger Jahre etliche kirchliche und soziale Gruppierungen wie zum Beispiel die katholische Legion of Decency auf den Plan gerufen, die in landesweiten Kampagnen gegen den angeblich „verderblichen Einfluss“ der Filmindustrie auf die Jugend wetterten. Unter diesem Druck verfiel man in Hollywood auf die Idee, eine dritte vermittelnde Partei einzuführen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit genoss und über genügend politischen Einfluss verfügte, um die Interessen der Filmbranche wirksam zu vertreten. Man schuf das unabhängige Büro der Motion Picture Producers and Distributors of America (MPPDA) – nach seinem ersten Präsidenten Will H. Hays auch Hays Office benannt. Hatte Hays zunächst keine offizielle Handhabe, um seinen Bemühungen zur „Reinigung“ der Filmindustrie Nachdruck zu verleihen, gelang es ihm doch, durch seine Überzeugungskraft und seine guten Kontakte beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Man stellte die Hetzkampagne gegen Hollywood ein und gab den Beschäftigten der Filmbranche die Gelegenheit, an der Aufbesserung ihres öffentlichen Images zu arbeiten. Zeitgleich konzipierte Hays den sogenannten Production Code, ein konkretes Regelwerk, das den Studioleitern die Aufgabe erleichtern sollte, auch den Inhalt ihrer Filme an die neuen moralischen Grundsätze anzupassen. Dies wurde zunächst, nach dem offiziellen Inkrafttreten des Codes im Jahre 1930, auch versucht; man richtete sich zähneknirschend nach den strengen Bestimmungen, um die Kritiker Hollywoods nicht erneut auf den Plan zu rufen. Durch die Wirtschaftskrise wurde die Kooperationsbereitschaft der Studios jedoch zeitweilig wieder abgeschwächt, man versuchte den zurückgehenden Zuschauerzahlen mit der Darstellung von Gewalt (wie zum Beispiel in Zanucks headline pictures) oder Erotik entgegenzuwirken. Eine erneute von der katholischen Legion of Decency angeführte Protestbewegung formierte sich, die zu landesweiten Boykotten missliebiger Filme aufrief. Unter diesem verschärften Druck entschloss sich die MPPDA im Jahre 1934, den Production Code offiziell verbindlich zu machen und entsprechende Verstöße mit einer Summe von 25.000 Dollar zu 58
In dieser Kampagne betonten die Gebrüder Warner gern, dass sie „trotz aller ihnen entgegengestellten Hindernisse“ ihrer Pflicht als amerikanische Staatsbürger entsprechen und deshalb auf die Bedrohung durch den Nationalsozialismus aufmerksam machen wollten. Siehe: Kapitel III/3 (Abschn. 1) dieser Arbeit.
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sanktionieren. Man führte unter der Bezeichnung Purity Seal eine Art von Gütesiegel ein, über das ein Film künftig verfügen musste, wenn er in Kinos von MPPDA-Mitgliedern vorgeführt werden sollte.59 Konnte die Verweigerung des Purity Seals zwar grundsätzlich angefochten werden, geschah dies in der Praxis jedoch relativ selten – zu groß war die Furcht davor, die Gunst des einflussreichen Hays Office zu verspielen und vehemente Boykottaufrufe der Legion of Decency heraufzubeschwören. Auch in den Warner Bros. Studios wurden diese Ängste während der kommenden drei Dekaden – bis zur Abschaffung des Production Code im Jahre 1967 – zu einem kaum zu überschätzenden Faktor im Studioalltag. Wie bereits dargelegt wollte man den durch die relativ mutigen Filme der Ära Zanuck gewonnenen Ruf, ein politisch und sozial wachsames Studios zu sein, auch während der nächsten Jahre prinzipiell gern aufrechterhalten. In der Praxis jedoch führte der Einfluss des Production Code zu einer weitgehenden Selbstzensur, die ab 1934 das aufrüttelnde Potential etlicher Filme erheblich abschwächte. So lassen sich in den heute noch erhaltenen Unterlagen des Hays Office zahlreiche Fallbeispiele finden, in denen das Studio zunächst plante, gewisse Missstände anzuprangern, dann aber von Hays und seinen Mitarbeitern gebremst wurde. Insbesondere die Bestimmung des Production Code, die kritische Äußerungen bezüglich ausländischer Nationen und Regierungen verbot, wurde für viele exilierte Filmkünstler in ihrer Bekämpfung des Nationalsozialismus zu einem unüberwindlichen Hindernis. Protestierte die Studioleitung auch sporadisch gegen den Code, wirkten diese Proteste eher wie eine halbherzige adoleszente Rebellion. So schieb der lange Jahre für die New York Times tätige Filmkritiker John T. McManus: Warner Brothers is the only Hollywood studio tough enough to tell the Hays office off and too tough for the Hays office to threaten with discipline. […] Quite serious picture-makers, Warners naturally never have to cross words with the Hays Office over matters of common decency, but the studio takes frequent satisfaction in just saying „nuts“ to Hays Office rulings on other matters. […] Despite its deliberate nullification of Hays Office strictures, Warner Brothers has made no recent move to break officially with the Hays Office. Probably too much fun living in sin.60
Die Produzenten Hal B. Wallis und Henry Blanke: die wichtigsten Ansprechpartner für deutschsprachige Filmkünstler Nachdem der Produktionsleiter Darryl F. Zanuck im April 1933 Warner Bros. Pictures den Rücken gekehrt hatte, um ein Mitbegründer der Twentieth Century Studios zu werden, ernannte die Studioleitung innerhalb weniger Stun59 60
Diese Kinos von MPDDA-Mitgliedern spielten 30 Prozent der gesamten US-Einnahmen ein. Current Biography. Who’s New and Why 4.7 (Juli 1943), 26. Ebenda, 26–27.
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den einen Nachfolger. Ihre Wahl fiel auf Hal B. Wallis, der bis zu diesem Zeitpunkt als associate executive für die Überwachung der Filmproduktion auf dem First National Gelände in Burbank verantwortlich gewesen war.61 Galt Wallis gemeinhin im Vergleich zu Zanuck als weniger dominant und schwierig im alltäglichen Umgang, aber auch als weniger talentiert, prägte er doch in gleicher Weise die inhaltliche und ästhetische Entwicklungsrichtung des Studios in den Jahren von 1933 bis zu seiner Kündigung im Dezember 1944 und wurde damit zu einem maßgeblichen Einfluss für alle zu dieser Zeit dort beschäftigten deutschsprachigen Filmkünstler.62 Hatte sein Vorgänger Zanuck in den vorangehenden Jahren den künstlerischen house style der Warner Bros. Spielfilmproduktion durch die Herausbildung der oben genannten studiospezifischen Genres bereits in eine klar definierte Richtung gelenkt, gelang es Wallis, diese bestehenden Genres weiterzuentwickeln, ihre künstlerische Qualität zu verbessern und neue – wie zum Beispiel das der Filmbiographie – hinzuzufügen. Durch das weitsichtige, da relativ früh einsetzende systematische Engagement europäischer Talente wie Max Reinhardt oder Erich Wolfgang Korngold und die Durchführung ambitionierter Filmprojekte, die in Hollywood oft „Pioniercharakter“ hatten, verhalf er seinem Studio zu erheblichem Prestigegewinn und verschaffte ihm gegenüber der Konkurrenz entscheidende Vorteile. Das zuvor von Kritikern vielfach als zu hart, realistisch und auch sensationalistisch bewertete Œeuvre des Studios wurde unter Wallis wärmer, menschlicher und vor allem niveauvoller.63 Hatte der neue Produktionsleiter – genauso wie die Gebrüder Warner – nur eine einfache Schulbildung genossen, zeigte er sich dennoch gegenüber historischen, oftmals europäisch „eingefärbten“ Sujets jenseits der beliebten Hollywood-Erfolgsformeln aufgeschlossen. Dieser sanfte, jedoch nicht unerhebliche Kurswechsel wurde in den darauffolgenden Jahren zu einer wichtigen Vorbedingung für die Produktion zentraler politisch signifikanter Filme des Studios wie zum Beispiel The Life of Emile Zola (1936) unter der Regie William Dieterles. Trug Jack Warner, wie bereits erwähnt, zwar offiziell in seiner Funktion als vice president in charge of production die Verantwortung für sämtliche Produktionsvorgänge auf dem Studiogelände, delegierte er in der Realität jedoch einen 61
62 63
Wallis konnte bereits auf eine zehnjährige Karriere im Studio zurückblicken, die im publicity department begonnen hatte. Wallis/Higham, Starmaker, 9–29; Dick, Hal Wallis, 11–34. Dick verweist darauf, dass sich die Titel bei Warner Bros. häufig änderten und sich an ihnen nicht unbedingt der Einfluss der jeweiligen Person ermessen ließ. So bekleidete Wallis ab April 1933 zwar die ehemalige Funktion Zanucks als Produktionsleiter (Überwachung der gesamten Studioproduktion), er erhielt aber nicht dessen Titel. Wallis’ offizieller Titel wechselte im Laufe der nächsten Jahre oft, nicht jedoch sein Aufgabenbereich (1933: production supervisor, 1934: assistant to executive, 1935– 1936: associate executive, 1937: associate producer, 1938–1940: associate executive in charge of production, ab 1941: executive producer). Dick, Hal Wallis, 34. Ebenda, 24. Ebenda, 50.
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Großteil seiner Aufgaben an Wallis. Einem Interview mit Warners ehemaligem Sekretär William Schaefer zufolge, das die amerikanische Filmhistorikerin Christine Ann Colgan im Jahre 1983 führte, bedeutete dies jedoch nicht, dass der Studiochef seinen Produktionsleiter jemals aus den Augen ließ. In der Regel war Warner täglich im Studio anwesend und wurde genauestens über alle Vorgänge unterrichtet. Er segnete jeden Kauf eines Filmstoffes persönlich ab und bestimmte den Zeitpunkt seiner Produktion sowie die Besetzung und das Budget.64 Er überwachte die Arbeiten am Drehbuch und korrespondierte falls notwendig mit dem Hays Office über eventuell bevorstehende Zensurschwierigkeiten im In- und Ausland. Nach dem Drehbeginn setzte er seine Kontrolle fort, indem er sich regelmäßig die sogenannten dailies, das am Vortag gedrehte Filmmaterial, in einem Vorführraum ansah und seinem Sekretär umfangreiche Bemerkungen diktierte.65 Eine besonders aktive Rolle bekleidete Warner gegen Ende des Produktionsprozesses bei der Erstellung des final prints, der endgültigen Schnittfassung des Filmes; in dieser Phase arbeitete er oft mehrmals in der Woche bis tief in die Nacht hinein mit den Cuttern am Rohschnitt.66 Verfügte Warner sicherlich über einen ausgeprägten Geschäftssinn und ein untrügliches Gespür für erfolgreiche Filmsujets, hatte Wallis in den alltäglichen künstlerischen Entscheidungen zumeist die sicherere Hand und den besseren Geschmack. Insbesondere bezüglich der schauspielerischen Besetzung einzelner Filmprojekte korrigierte Wallis häufig offensichtliche Fehlentscheidungen Warners – so hatte dieser zum Beispiel zunächst vor, die Rolle des Rick in dem Film Casablanca an George Raft statt an Humphrey Bogart zu vergeben. Dennoch hielt Wallis das einmal zwischen ihm und dem Studioleiter etablierte Ritual der regelmäßigen Rücksprache peinlich genau ein, ein Großteil seiner Briefe und Telegramme an Warner endete mit den Worten: „Will attend promptly to all matters and will keep you advised.“67 Hatte Wallis verstanden, dass es für das Arbeitsklima im Studio unerlässlich war, Warner über alle Vorgänge auf dem Laufenden zu halten, damit dieser sich nicht übergangen fühlte, war er im Alltag jedoch keinesfalls auf dessen Hilfe angewiesen. Mit einer schon für Zeitgenossen kaum nachzuvollziehenden Energie und Beharrlichkeit überwachte er persönlich alle laufenden 64
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Interview Colgans mit Jack Warners Sekretär William Schaefer, (03.03.1983), in: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 24. Bei der Festsetzung des Budgets bediente sich Warner der Hilfe eines studioeigenen budget departments, das anhand des Drehbuches die Kosten für eine Produktion vorkalkulierte. Ebenda. Die dailies des Vortages kamen in der Regel zwischen 17 Uhr und 18 Uhr aus dem Labor und wurden dann zunächst von dem Regisseur und dem Produzenten gesichtet. Später am Abend wurde das Material an Hal Wallis und Jack Warner weitergeleitet, die es sich entweder gemeinsam oder nacheinander ansahen. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 22. Interview von Aljean Harmetz mit dem deutschen Cutter Rudi Fehr. Harmetz, Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen, 39. Vgl. dazu: Dick, Hal Wallis, 46–47.
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Produktionen und nahm Einfluss auf kleinste künstlerische Entscheidungen. So schlug er zum Beispiel während der Dreharbeiten zu Dieterles Filmbiographie The Life of Emile Zola (1936) vor, die Szene, in der Émile Zola Frankreich aufgrund seiner Rolle in der berüchtigten Dreyfus-Affäre verlassen muss, vom Tag in die Nacht zu verlegen, um ihr eine bedrückendere Stimmung zu verleihen. Ferner empfahl er Dieterle, einen Nebeleffekt anzuwenden, um ein „dismal, desolate, dreary feeling“ zu schaffen.68 Auch das Spiel der Schauspieler wurde von Wallis stets aufmerksam beobachtet; genauso wie der Studioleiter Jack Warner ließ er sich täglich das am Vortag gedrehte Filmmaterial vorführen und achtete sorgsam auf undeutlich ausgesprochene Passagen, unerwünschte Anachronismen oder das sogenannte overacting – ein übertriebener, deklamatorischer Schauspielstil, in den ursprünglich von der Bühne stammende Darsteller wie Bette Davis oder Paul Muni gelegentlich verfielen.69 Ein aufmerksames Studium der Produktionsunterlagen der Ära Wallis – so der amerikanische Filmhistoriker und Wallis-Biograph Bernard F. Dick – vermittelt den Eindruck, dass die Einmischung des Produzenten in künstlerische Fragen allerdings dem fertigen Film meist zum Vorteil gereichte. Unzählige Beispiele zeugen von seinem sicheren Gespür und guten Geschmack; insbesondere im Cutting übertraf er an Geschicklichkeit manchen Regisseur und vor allem den Studioleiter Warner.70 Entsprach Wallis somit durch seine außergewöhnlichen künstlerischen Fähigkeiten nicht unbedingt dem Klischee des Hollywood-Produzenten als Geschäftsmann, der grandiose Werke aus Profitgier im Schneideraum verstümmelt, konnte auch er sich nicht über die Produktionsmechanismen der amerikanischen Filmindustrie hinwegsetzen. Seine Hauptsorge hatte – insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Depression der frühen dreißiger Jahre – der Einhaltung der von Jack Warner veranschlagten Filmbudgets zu gelten. Es herrschte die Produktionsmaxime, durchaus qualitätvolle Filme zu drehen, aber in einer möglichst kostengünstigen Verpackung und unter Einhaltung der manchmal fast unrealistisch knapp kalkulierten Drehpläne. Für eventuelle Pannen hatte sich Wallis persönlich bei der unnachsichtigen Studioleitung zu verantworten – ein Umstand der ihn gegenüber unkooperativen oder langsamen Mitarbeitern ungeduldig werden ließ. Seiner Meinung nach verschwenderische Regisseure, die es vorzogen, nach einem auteur-Prinzip zu arbeiten, die extravagante Wünsche äußerten oder eine Einstellung zwanzig Mal drehten, begegnete er mit unnachgiebiger Härte.71 Er war von Grund auf misstrauisch und vermutete, 68 69 70 71
Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (17.03.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. So monierte Wallis zum Beispiel Davis’ schauspielerische Arbeit in Dieterles Juarez (1939); er vermisste in ihrem Spiel die notwendige menschliche Wärme. Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (23.12.1938), Juarez papers, WBA, USC. Dick, Hal Wallis, 36. Ebenda, 38.
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häufig nicht ganz zu Unrecht, dass sich das künstlerische Personal über seine Anweisungen zur Kostensenkung einfach hinwegzusetzen versuchte. Konnte er einen derartigen Fall aufdecken, betrachtete er finanzielle Ressourcen als sinnlos vergeudet, drohte er nicht selten mit Kündigung. So schrieb er zum Beispiel an den emigrierten Regisseur Curtis (ursprünglich Kurt) Bernhardt, nachdem dieser die Produktion des Filmes Juke Girl (1942) mit nach Wallis’ Meinung überflüssigen Umarbeitungen des Drehbuches aufgehalten hatte: „I don’t want to take you off the picture, but if you do not improve […] I will be forced to do so.“72 Hatte Wallis prinzipiell keine Scheu, Konflikte mit dem Studiopersonal persönlich auszutragen und dabei auch zu harten Mitteln zu greifen, delegierte er im Arbeitsalltag einen Großteil dieser unangenehmen Pflichten an seine associate producers, die mit der detaillierten Planung und der tagtäglichen Überwachung der Filmprojekte von der ersten story outline bis zur endgültigen Kinofassung betraut waren. Durch eine ständige Rücksprache mit Wallis bildeten sie einen „verlängerten Arm“ der Studioleitung am Filmset und sorgten für einen reibungslosen Ablauf des Produktionsprozesses. Im Gegensatz zu ihren Kollegen bei Metro-Goldwyn-Mayer, die hervorragende Arbeitsbedingungen genossen und ihre Filmprojekte weitgehend eigenständig betreuten73, hatten die associate producers der Warner Bros. Studios lediglich eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, die sich erst in der Mitte der dreißiger Jahre langsam ausweitete. Aufgrund der Hinwendung des Studios zu aufwendigen, hoch budgetierten Prestigeproduktionen, die einer individuelleren Betreuung bedurften, gewannen sie leicht an Einfluss – jedoch nicht, ohne weiterhin täglich von Wallis akribisch überwacht zu werden.74 Den Forschungsergebnissen des Wallis-Biographen Dick zufolge nahm innerhalb dieser Gruppe der associate producers bei Warner Bros. – unter ihnen mittlerweile vollkommen in Vergessenheit geratene Produzenten wie Bryan Foy, Lou Edelman, Robert Lord, William Jacobs oder David Lewis – der ehemalige Lubitsch-Assistent Henry Blanke im Verlauf der dreißiger Jahre eine zunehmend herausragende Position ein. Laut seinem von der Filmgeschichtsschreibung bislang noch nicht näher aufgearbeiteten Lebenslauf arbeitete Blanke nach dem Ende seiner Zusammenarbeit mit Lubitsch im Jahre 1926 zunächst – wie bereits erwähnt – als Leiter des Berliner Warner Bros. Büros. Nach einem knappen Jahr und der Produktion von drei Stumm72 73 74
Ebenda. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 21. Die Studioleitung wurde nicht nur durch die Berichte der associate producers über die Vorgänge am Filmset unterrichtet. Man ordnete darüber hinaus einem Produktionsteam jeweils einen unit manager zu, der einen daily production and progress report erstellte, in dem alle Vorgänge am Filmset festgehalten wurden. Diese Berichte wurden vom production manager des Studios Tennant (Tenny) C. Wright gesammelt, der Wallis über eventuelle Verzögerungen, Konflikte oder Verstöße gegen die Anordnungen der Studioleitung umgehend informierte. Vgl. dazu: Kapitel II/2 (Abschn. 1) dieser Arbeit.
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filmen wurde er von diesem Posten jedoch wieder abgezogen und pendelte in der darauffolgenden Zeit zwischen Berlin und Los Angeles im Dienste mehrerer Firmen, die ihn wegen seiner guten deutschen und englischen Sprachkenntnisse und seiner zahlreichen Kontakte sehr schätzten. So arbeitete er 1926/1927 zum Beispiel als business manager und production manager für Fritz Lang während der Produktion des Monumentalfilmes Metropolis. Anschließend war er wieder für die Berliner Zweigstelle der Warner Bros. Studios tätig und beaufsichtigte als Produktionschef die Dreharbeiten aller fremdsprachigen Filme. Um das Jahr 1930 kehrte er schließlich nach Hollywood zurück und übernahm dort die Leitung des foreign department auf dem Studiogelände in Burbank.75 Er wurde damit betraut, die dort zu dieser Zeit (aufgrund einer nach gerade mal drei Jahren Tonfilm noch unausgereiften Synchronisationstechnik) stattfindende Produktion fremdsprachiger Spielfilmversionen für den ausländischen Markt zu beaufsichtigen. Nachdem diese etwas behelfsmäßige Herstellungsweise – ausländische Schauspieler spielten die Filmhandlung in denselben Kulissen und Kostümen, jedoch in einem Bruchteil der ursprünglichen Produktionszeit nach – gegen Ende des Jahres 1931 wieder eingestellt wurde, stieg Blanke zum associate producer auf. Er betreute zunächst unter Zanuck, wenig später unter Wallis zumeist etwa sechs bis acht relativ niedrig budgetierte Spielfilmprojekte zur gleichen Zeit und hatte der Studioleitung über jede Verzögerung sofort Rechenschaft abzulegen.76 Seine unter den durchschnittlichen Hollywoodproduzenten seltenen Qualifikationen – er war in einem deutschen bürgerlichen Haushalt groß geworden, hatte ein Studium absolviert und pflegte Kontakte zu wichtigen Vertretern der europäischen Kunst- und Kulturszene – konnte er in der fließbandartigen Filmproduktion der Depressionszeit zunächst kaum zur Geltung bringen, lediglich Zuverlässigkeit und Effizienz waren gefragt. Arbeitete Blanke nach der Einschätzung des Produktionsleiters nicht schnell genug, wurde er zumeist in deutlichem Ton ermahnt. So reagierte Wallis zum Beispiel im Herbst 1935 auf eine ausbleibende schriftliche Antwort Blankes bezüglich einer mutmaßlichen Verschwendung von Filmmaterial: „When I write you
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Der Lebenslauf Blankes vor seinem endgültigen Wechsel nach Amerika ist relativ unklar, der Quellenbestand überschaubar. Abgesehen von seiner 1969 aufgenommenen Oral History, die sich nur schemenhaft auf seine frühe Karriere bezieht, existieren nur einige wenige tabellarische Lebensläufe in den Warner Bros. Archives und in der Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Siehe zum Beispiel: Lebenslauf Henry Blanke (Typoskript), Eidesstattliche Versicherung Paul Kohners über Blankes Tätigkeit in den 1920er Jahren, (11.10.1982), Henry Blanke files in den Akten der Paul Kohner Agency, AMPAS. Zur Anzahl der von Blanke gewöhnlich zu betreuenden Projekte vgl. zum Beispiel: Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (04.11.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC.
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these things, I expect you to follow it up and report back to me.“77 Erst die Produktion des Max Reinhardtschen Midsummer Night’s Dream im Jahre 1935 sollte Blanke aus der ermüdenden Routine in der low budget-Produktion des Studios befreien und seine Talente als Produzent mehr zur Geltung bringen. Zusammen mit William Dieterle, der 1930 durch seine Vermittlung ins Studio gekommen war78, überzeugte Blanke die Gebrüder Warner, ein großes finanzielles Risiko einzugehen und dem anspruchsvollen Theatergenie einen lukrativen Filmvertrag für die Adaption seiner erfolgreichen Inszenierung aus der Hollywood Bowl anzubieten. Von Beginn der Produktion an – schon bei der Ankunft Reinhardts am Bahnhof von Los Angeles und der anschließenden Führung durch das Studio – erwiesen sich Blankes sprachliche Fähigkeiten und Diplomatie als unerlässlich für einen reibungslosen Ablauf. Etliche technische Probleme und der manchmal nicht einfache Umgang mit den bezüglich des Mediums Film unerfahrenen beteiligten Künstlern wurden von ihm souverän bewältigt. Er gewann zunehmend den Respekt des Produktionsleiters Wallis und machte diesen für weitere Vorschläge ähnlicher Filmprojekte mit „europäischem Flair“ empfänglich – der Grundstein für die anschließende biographische Spielfilmreihe unter der Regie Dieterles wurde gelegt. In der zweiten Hälfte der Dekade entwickelte sich Blanke zu einer wichtigen Stütze für Wallis, sein Aufgabenbereich, so der Wallis-Biograph Dick, glich sich zunehmend dem eines junior excecutive an. Bei vielen wichtigen Besprechungen war er zugegen und wurde aufgrund seiner breiten Kenntnisse in Kunst und Literatur oftmals auch zu Fragen konsultiert, die keines seiner laufenden Projekte unmittelbar betrafen.79 In seiner Oral History aus dem Jahre 1969 erinnerte sich Blanke, dass das gute Verhältnis zu Wallis ihm im Studioalltag zahlreiche Vorteile verschaffte. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hatte er kaum Projekte zu betreuen, die ihm thematisch oder stilistisch fernlagen. Wallis wählte für ihn vielmehr mit sicherer Hand die geeigneten Stoffe aus und zeigte sich auch stets offen für neue Vorschläge, die Blanke ihm – so belegt unzweifelhaft das erhaltene Quellenmaterial – zahlreich lieferte. Ist der tatsächliche Urheber einer Filmidee in der großen Menge an Memoirenliteratur, deren Autoren scheinbar gewohnheitsmäßig die Urheberschaft erfolgreicher Projekte für sich beanspruchen, manchmal schwer auszumachen, deutet doch vieles darauf hin, dass Blanke für einen Großteil der Warner Bros. Prestigeproduktionen der Ära Wallis zumindest den ersten Anstoß gab. Sicherlich zutreffend und durch die Studiounterlagen auch zu belegen ist dies im Falle der 77 78 79
Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (01.11.1935), Petrified Forest papers, WBA, USC. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 6. Dick, Hal Wallis, 37. Zu Blankes „kulturell geschultem“ Einfluss auf die Warner Bros. Filmproduktion vgl. auch: Credit Where Credit is Due. Filmdokumentation, in: DVD-Edition des Filmes Action in the North Atlantic (1943), Humphrey Bogart Signature Collection, Vol. II, Warner Home Video, (2006), (00:11:27–00:13:20).
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz
später noch genauer zu untersuchenden biographischen Spielfilmreihe William Dieterles. Neigten Zeitgenossen in der Regel dazu, ausschließlich den Regisseur mit diesen Projekten zu assoziieren und die Rolle Blankes dabei zu übersehen, gab es auch Vertreter der Filmkolonie von Los Angeles, die seine zunehmend wichtiger werdende Rolle in der Entwicklung des anspruchsvollen Hollywoodfilmes erkannten und würdigten. So informierte der amerikanische Autor Norman Burnside – vielleicht mit einer etwas schmeichlerischen Absicht – Blanke zu Beginn der vierziger Jahre über ein Gespräch, das er mit dem damals im Hause Thomas Manns lebenden emigrierten Dermatologen Dr. Martin Gumpert geführt hatte: He [Gumpert] wanted to know who was responsible for Pasteur, Zola, Ehrlich and I said Blanke, Blanke, Blanke. I also told him that in my opinion you revolutionized the picture industry in your own unobtrusive way and if anybody wants to know who put long pants on the movies to look your way.80
Versuchte Burnside vielleicht, durch Blanke mit den Warner Bros. Studios ins Geschäft zu kommen, und schrieb deshalb diese freundlichen Zeilen, traf er damit dennoch eine wahrheitsgemäße Aussage. Ohne die freundschaftliche Verbindung zu Blanke und dessen großen Einfluss bei der Studioleitung hätte Dieterle sicherlich einen Großteil der biographischen Spielfilme nicht drehen können. Wie noch zu zeigen sein wird, war Dieterles Verhältnis zu Warner aus verschiedensten Gründen zeitweilig äußerst angespannt; sein großer politischer und künstlerischer Idealismus kollidierte regelmäßig mit den ökonomischen Zielvorstellungen seiner Arbeitgeber. Nur durch die vermittelnde Tätigkeit Blankes, dem es gelang, Idealismus mit Realitätsnähe zu vereinbaren, wurden tragbare Kompromisse geschaffen. Deutschsprachige Emigranten, die sich dieser Zusammenhänge bewusst waren und eine Anstellung in Hollywood suchten, begannen sich ab Mitte der dreißiger Jahre deshalb vermehrt an Blanke zu wenden. Teile seiner Korrespondenz aus dieser Zeit, die heute im Warner Bros. Studioarchiv erhalten sind, vermitteln einen Eindruck der großen Hoffnungen, die man in ihn setzte. Oftmals in Verkennung der auch in Hollywood nach der Wirtschaftskrise noch immer sehr angespannten Situation forderten zahlreiche Bittsteller in insistierenden Briefen seine Hilfe. Ein junger Mann namens Hermann Einstein, dem es in New York nicht gelungen war, eine Beschäftigung zu finden, schrieb im Sommer 1940: Muesste in einem solchen Riesenunternehmen nicht doch die Moeglichkeit bestehen, einem jungen Menschen, der gewillt ist, jede Arbeit anzunehmen und dem nur die noe80
Brief Norman Burnsides (eigentl. Burnstines) an Henry Blanke, ohne genaues Datum, 1940/1941, Henry Blanke correspondence files, WBA, USC. Auch aus den Briefen, die Blanke in dieser Zeit verfasste, geht hervor, dass er den größten Stolz für die biographische Spielfilmreihe in Kooperation mit Dieterle empfand. Siehe zum Beispiel: Brief Henry Blankes an Sophie Hentze, Tobis Cinema A. G. in Berlin, (14.12.1936), Henry Blanke correspondence files, WBA, USC.
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tige Erfahrung fehlt (weil er keine Moeglichkeit zum Erwerb dieser Erfahrung hat), eine Position zu verschaffen? Sie kennen mich, ich kenne Sie und ich zweifle nicht an Ihrem aufrichtigen Wollen. Setzen sie sich noch einmal bei Hal Wallis oder Jack Warner ein.81
Waren etliche Bitten um Blankes vermittelnde Tätigkeit nicht ohne weiteres zu erfüllen, konnte der Produzent vielen emigrierten Künstlern zu einer Chance bei Warner Bros. verhelfen. So bedankte sich der in Hollywood relativ glücklose Regisseur Joe May 1936 für die „vielen Bemühungen und den Eifer“, mit dem sich Blanke für ihn eingesetzt hatte.82 Der deutsche Autor Heinz Herald erhielt durch Blanke mehrere Drehbuchaufträge wie zum Beispiel das Skript zum Film The Life of Emile Zola, der Cutter Rudi Fehr konnte 1936 eine mehrere Jahrzehnte umfassende Karriere im Studio beginnen, und der Filmausstatter Ali Hubert wurde durch Blanke gelegentlich als Kostümbildner oder historischer Berater engagiert. Nicht immer verliefen diese Engagements emigrierter Künstler konfliktfrei, viele von ihnen erwiesen sich – ungeachtet der Protektion und Hilfestellung Blankes – als ungeeignet für das Produktionssystem Hollywood. In derartigen Konfliktsituationen stand oftmals auch die Karriere Blankes mit auf dem Spiel. Zu einer dieser Krisen kam es im Januar 1937 anlässlich der Produktion des Filmes The Life of Emile Zola, für den Ali Hubert als Kostümbildner verantwortlich zeichnete. Blanke, der Hubert empfohlen hatte, wurde von Wallis telefonisch beauftragt, diesem fristlos zu kündigen, da eine Beschwerde des production managers Tenny Wright über Huberts Arbeitsweise vorlag. In einem erbosten Schreiben weigerte sich Blanke, diesem Auftrag Folge zu leisten, und forderte sich den ihm gebührenden Respekt und das Vertrauen in seine künstlerische Entscheidungsfähigkeit ein: If I am supposed to be in a capacity of a man with some responsibility, then I would like to take this responsibility, or kindly ask you to talk with Mr. Warner and see that I may be relieved of my duties. I consider myself to be too good to let the judgement of Mr. Burns or Mr. Tenny Wright in matters like this to be considered above mine. We get little enough credit for what we are doing, but one likes to have at least the feeling that one is responsible for the quality and good taste of some of the pictures, even if nobody else knows about it. […] I only repeat to kindly see that MR. HUBERT is kept on, or please
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Brief Hermann Einsteins an Henry Blanke, (20.06.1940), Henry Blanke correspondence files, WBA, USC. Vgl. auch: Brief Ernst F. Richters (ehemaliger Sekretär Heinz Heralds) an Henry Blanke, (07.11.1940), Henry Blanke correspondence files, WBA, USC. Vgl. auch: Briefe Leo Mittlers an Henry Blanke, Henry Blanke correspondence files, WBA, USC. (Aus Gründen der Authentizität wird in der vorliegenden Studie bei der Wiedergabe von Typoskripten auf eine nachträgliche Korrektur der deutschen Umlaute – die auf den amerikanischen Schreibmaschinen selbstverständlich nicht korrekt getippt werden konnten – verzichtet.) Brief Joe Mays an Henry Blanke, (17.07.1936), Henry Blanke correspondence files, WBA, USC. May war bei Warner Bros. wenig erfolgreich. Asper, Etwas Besseres als den Tod, 102–113.
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz relieve me of the ZOLA assignment, although my heart is very much attached to the same.83
Konnte Blanke in diesem Fall Wallis durch die deutlichen Zeilen von seiner (und Huberts) Bedeutung für den Film überzeugen, wurde der Mangel an Anerkennung für seine Tätigkeit dennoch zu einem Leitmotiv seiner amerikanischen Karriere. Noch viele Jahre später betonte er in seiner Oral History den langen Kampf der associate producers um die ihnen gebührende Rolle in der Vermarktung ihrer Filme. Erst ab 1937 gewannen sie das Recht auf eine Namensnennung im Filmvorspann, im Laufe der vierziger Jahre formierten sie eine Gewerkschaft, die jedoch lange Jahre ohne Einfluss blieb.84 Arbeitete Blanke auch gern und erfolgreich mit dem Produktionsleiter Wallis zusammen, konnte er sich unter dessen strengem Regiment jedoch nie vollkommen als eigenständiger Produzent entfalten. Dies gelang ihm erst, nachdem Wallis aufgrund zunehmender Konflikte mit dem Studioleiter Warner 1944 kündigte.85 An seine großen Erfolge der Ära Wallis konnte er in dieser Zeit jedoch nicht mehr anknüpfen, offensichtlich bedurfte es der spezifischen Konstellation „Warner-Wallis-Blanke“, um außergewöhnliche Filme wie den Midsummer Night’s Dream oder Dieterles biographische Reihe zu schaffen. Trotz seines abnehmenden Erfolges im Studio löste Blanke sein Arbeitsverhältnis erst im Jahre 1959 – als offiziellen Grund nannte er den Mangel an Anerkennung für seine Leistungen; in einer Werbekampagne für den Film The Nun’s Story war sein Name als Produzent unerwähnt geblieben.86
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Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (12.01.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Blanke kannte Hubert nach eigenen Angaben seit 1920. Ebenda. Nach eigenen Angaben war Blanke ein Mitglied des ersten Vorstandes der neu gegründeten Screen Producer’s Guild. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 90. Dick, Hal Wallis, 37. Das Verhältnis zwischen Warner und Wallis wurde zu Beginn der vierziger Jahre zunehmend angespannt, da Wallis durch die Produktionsroutine im Studio gelangweilt war und sich nach größerer Unabhängigkeit sehnte. Warner entsprach zunächst diesem Wunsch und gestattete Wallis im Januar 1942 die Gründung einer eigenen Produktionseinheit innerhalb des Studios. Schnell hatte Wallis jedoch das Gefühl, dass sich an seiner Situation nichts Grundlegendes geändert hätte. Warner hingegen fühlte sich durch Wallis zunehmend übervorteilt und fürchtete um sein vertraglich festgelegtes Mitspracherecht bei dessen Produktionen. Am 31. Dezember 1944 wurde Wallis’ Vertrag mit Warner Bros. nach einigen Gerichtsverhandlungen und unschönen Auseinandersetzungen aufgelöst. Ebenda, 79. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 31. Im Dezember 1959 verließ Blanke die Warner Bros. Studios und arbeitete noch drei Jahre für Paramount Pictures, bevor er sich in den Ruhestand zurückzog. Ebenda, 30.
3. Die Haltung des Studios zum nationalsozialistischen Deutschland
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3. DIE HALTUNG DES STUDIOS ZUM NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHLAND Der Rückzug vom deutschen Absatzmarkt Throughout the development of anti-Nazi filmmaking and activism, the Warner brothers stood at the forefront. Warner Brothers was the first American motion picture company to break relations with Germany and was usually the first company to close its operations in a nation after Hitler’s armies marched in. Jack and Harry Warner were the first active film studio heads to participate publicly in the anti-Nazi movement at a time when the movement was in its infancy and suspected of communist leanings.87
Mit diesen Zeilen betont die amerikanische Filmhistorikerin Christine Ann Colgan schon auf den ersten Seiten ihrer bereits mehrfach zitierten Studie Warner Brothers’ Crusade Against the Third Reich die große Konsequenz, mit der sich die Gebrüder Warner kurze Zeit nach Hitlers Machtergreifung vom nationalsozialistischen Deutschland distanzierten und damit einen in Hollywood einzigartigen politischen Sonderweg beschritten. Nicht zuletzt aufgrund ihrer persönlichen Geschichte als Kinder emigrierter polnischer Juden verzichteten sie auf ihre zuvor, unter anderem durch Männer wie Henry Blanke, mühsam aufgebaute Position in der deutschen Filmindustrie, die – so Colgan – noch um das Jahr 1930 äußerst profitabel und vielversprechend für die Zukunft war. So hatte das Studio zum Beispiel durch sein bereits geschildertes entschiedenes Vorantreiben der Entwicklung des Tonfilmes einen technischen Vorsprung erzielt, der es ihm zeitweilig ermöglichte, als einziges Hollywoodstudio Tonfilme in Deutschland anzubieten.88 Ferner hatte man mit Einsetzen der wirtschaftlichen Krise in Deutschland gegen Ende der zwanziger Jahre begonnen, größere Aktienanteile deutscher Studios aufzukaufen.89 Neben einem Erwerb von Anteilen der Firma Tobis zogen die Gebrüder Warner eine erhebliche Investition in Betracht, um einen Teil der Universum Film AG (UFA) zu erstehen. Zu diesem Zweck fuhr der Präsident des Studios Harry Warner Anfang des Jahres 1932 mit dem Leiter des Auslandsverleihs Sam Morris zu persönlichen Verhandlungen nach Berlin.90 Der zu dieser Zeit jedoch in Deutschland bereits deutlich spürbare Antisemitismus ließ Warner von seinen Plänen wieder Abstand nehmen; der politisch wachsame und weitsichtige Studioleiter ahnte, dass es für Warner Bros. nicht mehr wünschens-
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Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 7. Ebenda, 32. Warner Bros. Buy Into German Concern; Reported to Have Got $10,000,000 Stock of Tobis Company, With Film Patent Rights, in: The New York Times (12.04.1930), 25. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 32. Zu den geschäftlichen Plänen des Studios in Deutschland siehe: Warner’s German Plans, in: Variety (19.01.1932), 13; WB Prod. in Germany not Denied by Sam Morris, in: Variety (02.08.1932), 13.
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I. Warner Bros. Pictures: ein besonderer Arbeitsplatz
wert und ratsam war, weitere geschäftliche Verbindungen zu knüpfen.91 Schon ein Jahr später sollten sich die Befürchtungen Harry Warners auf das Schlimmste bewahrheiten. Bereits wenige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung begann der neu ernannte Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels mit der „Arisierung“ der deutschen Filmindustrie, die die deutschen Vertretungen amerikanischer Filmfirmen einschloss. Im Rahmen der sogenannten „Verkündigung zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 wurden die zumeist in Berlin gelegenen Büros aller namhaften US-Studios aufgefordert, ihre jüdischen Mitarbeiter umgehend zu entlassen.92 Der Reichsverband deutscher Filmtheaterbesitzer verkündete, dass man für deutsche Kinos künftig keine Filme mehr von Juden kaufen dürfe.93 Gelang es der US-Regierung durch eine Intervention, die Entlassungen aller nicht-deutschen Juden in Verleih und Verkauf noch für eine kurze Zeit zu verzögern, bis deren Ausreise organisiert werden konnte, hatten sie spätestens ab Juli 1933 das Land endgültig zu verlassen.94 Diejenigen Firmen, die auch künftig nicht auf ihre Büros in Deutschland verzichten wollten, hatten sich nach neuen nicht-jüdischen Mitarbeitern umzusehen – was sie nach einigen Überlegungen auch mehr oder weniger widerwillig taten.95 Die Warner Bros. Studios reagierten auf diese erpresserischen neuen Bestimmungen mit der Transferierung ihres general managers für den deutschen Verleih Phil Kauffman von Berlin nach London.96 Parallel dazu erschienen in der Fachpresse erste Berichte darüber, dass die Gebrüder Warner in Erwägung zögen, die geschäftlichen Verbindungen mit Deutschland vollkommen zu beenden.97 Bis die Studioleitung diese Rückzugspläne jedoch in die Tat umsetzte, sollte noch ein Jahr vergehen, in dem sie versuchte, die zunehmenden Schwierigkeiten mit der deutschen Filmzensur zu meistern und zumindest einen Teil der produzierten Filme auf den deutschen Markt zu bringen. In dem Bemühen, dem nur wenig greifbaren „nationalsozialistischen Empfinden“, dessen angebliche Verletzung immer häufiger zum Grund für Aufführungsverbote wurde, entgegenzukommen, schnitt man 91 92 93 94 95 96 97
Im Dezember 1937 berichtete Harry Warner von seinen Erlebnissen im Deutschland des Jahres 1932 in einer Rede. Siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 32. Nazi Orders Jews Dismissed By American Film Companies, in: The New York Times (02.04.1933), 1. Zu Goebbels’ Filmpolitik im nationalsozialistischen Deutschland siehe zum Beispiel: Wulf, Kultur im Dritten Reich, 1989. Movie Industry Halted in Germany, American as Well as Native Companies Await New Rules of Nazis, All Jews are Barred, in: The New York Times (09.04.1933), 15. Reich Bars Jews from Film Field, in: The New York Times (01.07.1933), 16. U. S. Film Units Yield to Nazis on Race Issue, in: Variety (09.05.1933), 13. Nazis Oust U. S. Film Men, in: Variety (18.04.1933), 17; Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 34. Par leaving Germany with Notice to 150 Employees in Berlin; WB Only Other Am. Co. on Way, in: Variety (06.06.1933), 17. Wie dieser Bericht nahelegt, erwogen auch die Paramount Studios zu dieser Zeit einen Rückzug aus Deutschland. Ebenda.
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sogar einige missliebige Szenen des Filmes Captured, der zur Zeit des Ersten Weltkrieges in einem deutschen Gefangenenlager spielte.98 Erst im Juli 1934 konnte sich das Studio – als erste US-amerikanische Filmfirma – endgültig dazu durchringen, seine deutsche Vertretung komplett zu schließen; alle Mitarbeiter wurden entlassen und die Büros geräumt. Als Gründe für diesen Schritt nannte die Fachpresse vor allem die für amerikanische Filmstudios zunehmend schwierigen Bedingungen bei einem Abschluss längerfristiger Geschäfte mit Deutschland sowie die sich kontinuierlich verschärfende Zensur.99 Den deutschen Antisemitismus, der insbesondere für Harry Warner gewiss eine nicht unerhebliche Rolle bei der Entscheidung gespielt hatte, tabuisierte man hingegen vollkommen.100 Direkte Hinweise auf die Haltung der Gebrüder Warner bezüglich der nationalsozialistischen Gesetzgebung zum Filmimport aus den USA – namentlich der Verfügung, dass die Namen aller jüdischen Mitarbeiter aus dem Vorspann entfernt werden müssen – lassen sich nur in den Studiounterlagen der Warner Bros. Archives finden. So reagierte Jack Warner zum Beispiel 1936 auf ein Angebot aus Berlin, den Film A Midsummer Night’s Dream unter der Bedingung, dass man den Namen des Regisseurs Max Reinhardt aus dem Vorspann entferne, zu kaufen: „We are not interested in selling pictures to Germany under any such conditions. […] All I can say is, please do not remove the ‚Reinhardt‘ name from any place – to say nothing about Germany.“101 Dieselbe Konsequenz stellte das Studio auch im Frühjahr 1938 unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs unter Beweis; sofort wurden alle Verleih-Verträge aufgelöst, bereits geplante Filmtransporte wurden gestrichen.102 Gaben für die Gebrüder Warner somit ihre grundsätzliche Ablehnung des Nationalsozialismus und die Verachtung des Antisemitismus den eigentlichen Ausschlag bei ihrem Rückzug vom deutschen Absatzmarkt, hatte Jack Warner in seiner 1965 veröffentlichten Autobiographie of98 Der Film Captured, von den deutschen Zensurbehörden als „antideutscher Hetzfilm“ eingestuft, war keinesfalls als eindimensionaler Propagandafilm zu bewerten. Vielmehr bildeten die Figuren einen relativ ausgewogenen Schnitt durch die deutsche Gesellschaft, es gab sowohl den Typus des grausamen Lagerleiters als auch den Typus des ehrenhaften Offiziers. Zum Inhalt siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 88–89. Britische und amerikanische Rezensenten empfanden den Film als harmlos, vielleicht sogar zu verharmlosend bezüglich der Verhältnisse im Gefangenenlager. Dennoch begann Deutschland Druck im Ausland auszuüben, der zu Aufführungsverboten in mehreren Ländern (wie zum Beispiel Mexiko) führte. Ebenda, 90. 99 WB 1st U. S. Co. to Bow Out of Germany, in: Variety (17.07.1934), 1. 100 Ebenda. Vgl. dazu: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 38. 101 Memorandum Jack Warners an Sam Morris, (09.01.1936), Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 102 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 213. Als einen weiteren Beweis für die große Rolle, die der deutsche Antisemitismus in der Loslösung des Studios vom deutschen Absatzmarkt spielte, führt Colgan außerdem die Geschäftsverbindungen der Gebrüder Warner nach Italien an, die trotz ähnlicher Schwierigkeiten mit der Zensur noch bis Ende 1938 aufrechterhalten wurden. Ebenda, 49.
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fensichtlich das Bedürfnis, die historischen Begebenheiten dramatisch zuzuspitzen. Er berichtete über ein spezielles Ereignis, das angeblich zum Weggang der Warner Bros. Studios aus Deutschland geführt habe: I got the sickening news that Joe Kauffman, our Warner Brothers man in Germany, had been murdered by Nazi killers in Berlin. Like many other outnumbered Jew, he was trapped in an alley. They hit him with fists and clubs, and kicked the life out of him with their boots, and left him lying there. I immediately closed down our offices and exchanges in Germany, for I knew that terror was creeping across the country.103
Diese Version der Ereignisse wurde durch Colgan zu Beginn der achtziger Jahre gründlich untersucht; sie prüfte die einschlägigen Studiounterlagen bezüglich der Existenz eines Joe Kauffman, fand dafür jedoch keinen Beleg. Auch in der zeitgenössischen Fachpresse tauchte dieser Name nicht auf, obwohl eine solche Tat im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Rückzug des Studios aus Deutschland höchstwahrscheinlich nicht unerwähnt geblieben wäre.104 Der von Warner angegebene Zeitpunkt der Vorfalls erwies sich ebenfalls als nicht zutreffend, er datierte den Mord und den anschließenden Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit Deutschland auf den Spätsommer 1936 – also zwei Jahre nach dem eigentlichen, durch Presseberichte zweifelsfrei belegten Abbruch. Colgan kam deshalb zu dem Schluss, dass diese Geschichte – die in einer ähnlichen Form im Berlin dieser Zeit sicherlich hätte stattfinden können – wohl Warners bekanntlich lebhafter Phantasie entsprungen sein musste.105 Wie leider so oft haben zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen den Bericht Warners allerdings ohne eine genaue Prüfung übernommen und als den Grund für den Rückzug des Studios aus Deutschland angegeben – ein Umstand, der den Gebrüdern Warner in der historischen Bewertung nicht zum Vorteil gereicht. Die Entscheidung zum Rückzug vom deutschen Markt wird von 1934 auf 1936 verlegt, und es entsteht der unzutreffende Eindruck, dass es sozusagen erst eines persönlichen Erlebnisses bedurfte, um die Studioleitung zu einem politischen Sinneswandel zu bewegen.106 Folgten einige konkurrierende Studios wie United Artists im Laufe der folgenden Jahre dem Beispiel der Gebrüder Warner, indem sie ihre Geschäftsbeziehungen mit Deutschland mehr oder minder vollständig beendeten, hielten drei der wichtigsten US-Filmfirmen sogar noch nach Beginn des Zweiten Weltkrieges am deutschen Absatzmarkt fest. Die Metro-Goldwyn-Mayer Studios, die Paramount Studios und Twentieth Century Fox führten ihre Geschäfte mit dem Dritten Reich und den besetzten Gebieten bis zum 12. Sep103 Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 249. 104 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 40. 105 Ebenda, 41. Colgan beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf: Freedland, The Warner Brothers, 38. 106 Siehe zum Beispiel: Ceplair/Englund, The Inquisition in Hollywood, 110; Shindler, Hollywood Goes to War, 9.
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tember 1940 fort, dem Zeitpunkt des Verbots sämtlicher US-Filme in Hitlers Einflussbereich.107 Die Studioleiter Louis B. Mayer (Metro-Goldwyn-Mayer), Adolph Zukor (Paramount) und Joseph Schenck (Twentieth Century Fox) – genauso wie die Gebrüder Warner jüdischer Herkunft – tabuisierten in der Öffentlichkeit die Verbrechen des Nationalsozialismus und zogen sich auf die formelhaft starre Position zurück, lediglich Filme zur unpolitischen Unterhaltung machen zu wollen. Noch im August 1939 sagte Zukor in einem Interview: „I don’t think that Hollywood should deal with anything but entertainment. The newsreels take care of current events.“108 Mit dem Argument, dass man es seinen Aktionären schuldig sei, überall dort Geschäfte zu machen, wo dies möglich sei, versuchte man – ungeachtet vielleicht grundsätzlich vorhandener politischer und moralischer Bedenken – eine möglichst große Anzahl ausländischer Absatzmärkte, auf denen Hollywood zu der damaligen Zeit immerhin ca. 35–40 Prozent seiner Gesamteinnahmen erwirtschaftete109, um jeden Preis offen zu halten. Erschwerend hinzu kamen außerdem die scharfen Restriktionen der Nationalsozialisten bezüglich der Transferierung von Kapital ins Ausland. Ein Rückzug aus Deutschland wäre für die drei großen Filmfirmen mit erheblichen Verlusten verbunden gewesen.110 Colgan kommentierte das zögerlich-opportunistische Verhalten ihrer Leiter mit dem ernüchternden Fazit: „To put it simply and crudely, their response seemed to depend on the degree to which they valued their profits in Germany over their repugnance of Hitler’s policies.“111 Das politische Engagement der Gebrüder Warner Wie sich bereits wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtergreifung herausstellen sollte, beschränkten sich die Gebrüder Warner nicht darauf, ihrer Missbilligung des neuen deutschen Regimes und seiner Rassenpolitik lediglich durch den Verzicht auf alle geschäftlichen Verbindungen mit der „arisierten“ Filmindustrie unter Joseph Goebbels Ausdruck zu verleihen. Sie begannen eine engagierte und unter den Studioleitern Hollywoods einzigartige Aufklärungsarbeit gegen den Faschismus und Antisemitismus in Eu107 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 40. 108 Ross, Confessions of a Nazi Spy, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 51. 109 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 31. Colgan beruft sich auf eine Veröffentlichung in der Filmfachzeitschrift Motion Picture Herald: 19 % U. S. Gross in Warland; Restrictions in 50 Places, in: Motion Picture Herald (07.10.1939), 28. 110 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 39. Warner Bros. war zum Zeitpunkt seines Rückzuges aus Deutschland finanziell in einer günstigen Position, da man (vielleicht auch dank Harry Warners politischer Weitsicht) wenig Kapital in Deutschland hatte. WB 1st U. S. Co. to Bow Out of Germany, in: Variety (17.07.1934), 1. 111 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 32.
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ropa, aber auch gegen die zunehmenden rechtsgerichteten Tendenzen im eigenen Lande. Sie wurden zu aufmerksamen Beobachtern des aktuellen politischen Tagesgeschehens und zu einflussreichen Ansprechpartnern für antifaschistische Organisationen wie zum Beispiel die im Jahre 1936 gegründete Hollywood Anti-Nazi League. Insbesondere Harry Warner investierte – im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder Jack, der bei allem politischen Engagement den wirtschaftlichen Vorteil des Studios nur selten aus den Augen verlor – in den Jahren ab 1933 einen Großteil seiner Zeit und Energie in den Kampf gegen die seiner Meinung nach bedenklich weit fortgeschrittene ideologische Infiltration des Landes durch pro-faschistisches und antisemitisches Gedankengut. Mit einer – seine Zeitgenossen schon manchmal ermüdenden – Beharrlichkeit war er auf der Suche nach „unamerikanischen Elementen“, kontinuierlich ermahnte er Freunde und Kollegen nationalsozialistischen Stimmungsmachern nicht „Tür und Tor zu öffnen“. So schrieb er zum Beispiel, nachdem die Metro-Goldwyn-Mayer Studios 1939 eine Gruppe von deutschen Zeitungsverlegern auf ihrem Gelände herumgeführt hatten, an den Produzenten Sam Katz: „I just can’t bring myself to believe that you people would entertain those whom the world regards as the murderers of their own families.“112 Er rekrutierte Informanten aus den Reihen seiner Mitarbeiter, die ihn über pro-nationalsozialistische und antisemitische Aktivitäten im Warner Bros. Studio zu informieren hatten, und warnte in eindringlichen Reden vor der drohenden Gefahr aus Übersee.113 Im September 1938 sagte er zum Beispiel auf einer Mitgliederversammlung der Veteranenorganisation American Legion: In recent years, since various foreign governments have fallen into the bloody hands of dictators, autocrats and tyrants, other organizations have grown up within our own borders. These groups are inspired, financed and managed by foreign interests, which are supplying a never ending stream of poisonous propaganda aimed, directly and indirectly, at the destruction of our national life. […] Drive them out. […] Drive them from their insidious propaganda machines, drive out their ‚Bunds‘ and their leagues, their clans and Black Legions, the Silver Shirts, the Black Shirts and Dirty Shirts. Help keep America for those who believe in America.114
Ferner beobachtete Warner mit einem sehr kritisch-wachsamen Blick die zeitgenössische amerikanische Tagespresse und zeigte sich bei mehreren Gelegenheiten alarmiert über den stetig voranschreitenden Einzug eines höchst problematischen Vokabulars, das zweifelsfrei auf die zunehmende Verbrei112 Brief Harry Warners an Sam Katz, (27.06.1939), Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Vgl. dazu auch: Hokett, Waging Warner’s War, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 1; Gabler, An Empire of Their Own, 195. 113 Nazi Data Files, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Vgl.: Hokett, Waging Warner’s War, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 1–2. 114 Harry Warner, American Legion Address, (19.09.1938), zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 239.
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tung anti-jüdischen Gedankenguts schließen ließ. So kritisierte er zum Beispiel im September 1938 das Time Magazine aufgrund der wiederholten unkritischen Verwendung des Wortes „arisch“; er schrieb an den Herausgeber Henry R. Luce: In last week’s issue of TIME under the heading „Cinema“ there was a reference to the „misconduct“ of Hollywood producers with „Aryan“ women. This is the first time that I have seen an American publication of national importance apply the Nazi „Aryan“ race theory to American citizens. Certainly, when TIME begins to segregate American citizens into Aryan and, inferentially, non-Aryans, are you not embarking upon a course of intolerance and „pressure-group emotionalism“?115
Als die weitaus größte ideologische Gefährdung für die amerikanische Bevölkerung betrachtete Warner jedoch die zuweilen sehr unkritische Verwendung von deutschem Filmmaterial durch amerikanische Wochenschauen. Mit der vielleicht etwas eindimensionalen, aber auch nicht vollkommen von der Hand zu weisenden Argumentation, dass die Nationalsozialisten nur regimekonforme Kameramänner in Deutschland drehen ließen, betrachtete er per se sämtliches dort entstandenes Bildmaterial als propagandistisch-glorifizierend eingefärbt. Der Studiopräsident entwickelte sich zu einer Art selbst ernanntem Zensor und machte es sich, mit der Hilfe eines Angestellten seines New Yorker Büros namens Harold Rodner, zur Aufgabe, die amerikanische Bevölkerung durch die systematische Untersuchung sämtlicher Wochenschauen vor manipulierten Bildern zu schützen. Da sich Warner Bros. zu dieser Zeit nicht selbst im Nachrichtengeschäft betätigte, richteten sich Warners und Rodners Aktionen ausschließlich gegen konkurrierende Studios; entdeckten sie ihrer Meinung nach propagandistisches Bildmaterial, nötigten sie die entsprechende Produktionsfirma, das Material zu entfernen und verwarnten sie, in Zukunft vorsichtiger und kritischer zu sein. In der Regel kooperierten die Ermahnten auch mehr oder weniger bereitwillig, da sie Repressalien des einflussreichen Filmmoguls fürchteten, der in dieser ihm äußerst wichtigen Sache nicht davor zurückschreckte, schwere Geschütze aufzufahren. Verweigerte eine Firma die Zusammenarbeit, sperrte Warner alle Kinos der studioeigenen Kette für den entsprechenden Wochenschau-Film. Dies geschah zum Beispiel im Juni 1936 anlässlich des Boxkampfes des Amerikaners Joe Louis gegen den Deutschen Max Schmeling. Als Schmeling nach seinem Sieg von den Nationalsozialisten als „arischer Herrenmensch“ gefeiert wurde, verbannte Warner sämtliche Aufnahmen des Kampfes aus seinen Kinos.116 Auf einen ersten nennenswerten Widerstand, der ihm die Problematik seines Vorgehens langsam vergegenwärtigen sollte, stieß der Studiopräsident im Januar 1938 nach der Veröffentlichung des Filmes Inside Nazi Germany – 1938 115 Brief Harry Warners an Henry R. Luce, (02.09.1938), Correspondence 1938 file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 116 WB’s Schmeling Ban, in: Variety (01.07.1936), 1.
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durch die Nachrichtenfirma March of Time. Er verbot die Vorführung dieses Filmes in sämtlichen Warner-Kinos, die sonst regelmäßige Abnehmer der March of Time-Filme waren, und veröffentlichte eine Stellungnahme in der Presse: „Inside Nazi Germany – 1938“ in the opinion of the large number of company officials who have seen it, may be interpreted as pro-Nazi propaganda. I am informed that most of the portion of this film showing Nazi activities within Germany was made in the form of silent motion pictures with the consent and necessarily with the approval of Doctor Goebbels’ ministry of Propaganda – as indeed must all motion pictures be that are made in Germany. […] This film has already been shown in several motion picture theatres where portions of the audience have hissed and jeered the picture and others have applauded it. We do not intend to make our screens a medium for the dissemination of propaganda for Germany no matter how thinly veiled that purpose may be. Our screens are reserved for the presentation of entertainment of the highest quality.117
Dieses Statement löste in der Folge einen öffentlich ausgetragenen Disput über die Definition von Propaganda und den richtigen Umgang mit deutschem, in der Tat von Goebbels sorgfältig abgesegnetem Bildmaterial aus. Nahmen einige Persönlichkeiten wie die Filmkolumnistin Louella O. Parsons die Position Warners ein, argumentierten einige andere Stellen, unter ihnen Organisationen wie die New Yorker Anti-Nazi-League, dass man die amerikanische Bevölkerung nicht ohne entsprechendes Bildmaterial über die Vorgänge in Deutschland aufklären könne. Sie maßen dem eindringlichen antinationalsozialistischen Kommentar der Dokumentation Inside Nazi Germany gegenüber dem Bildmaterial die größere Wirkung bei – alles in allem sei der Film eindeutig regimekritisch.118 Obwohl Warners Verhalten sogar bei seiner eigenen Familie zunehmend in die Kritik geriet119, war er nur zögerlich dazu bereit, das Scheitern seines Wochenschau-Feldzuges zu akzeptieren. Nachdem er im März 1938 nochmals vergeblich versucht hatte, sämtliche Bilder von Hitlers (tatsächlich minutiös inszeniertem) Einmarsch in Österreich aus
117 Nazi Aspect of March of Time’s Reel Heightens Dispute, in: Film Daily (22.01.1938), 4, zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 153. 118 Zu Harry Warners Kreuzzug gegen March of Time siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 152–157. Harry Warner war allerdings nicht der einzige, der in dieser Zeit darum bemüht war, deutsche Filme von amerikanischen Leinwänden zu verbannen. Einige USKinos, die regelmäßig deutsche Spielfilme in ihrem Programm hatten, bemerkten schon ab dem Frühjahr 1933, dass ihre Zuschauerzahlen aufgrund der anti-nationalsozialistischen Stimmung im Lande zurückgingen. Als die Infiltration der deutschen Produkte mit Propaganda zusehends offensichtlicher wurde, organisierte die Anti-Nazi League Aufforderungen zum Boykott deutscher Filme. Curb on U. S. Films Seen, in: The New York Times (16.07.1936), 15. 119 Siehe zum Beispiel: Brief Doris Warner LeRoys an Harry Warner, Undatiert, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC, zit. nach: Hokett, Waging Warner’s War, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 1.
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amerikanischen Kinos zu verbannen120, musste er einsehen, dass er angesichts der übermächtigen Dynamik der historischen Ereignisse keine Chance auf eine Durchsetzung seiner Vorstellungen hatte. Dennoch bemühte sich Rodner aber auch weiterhin in seinem Auftrag darum, zumindest alles überflüssige und offensichtlich glorifizierende deutsche Filmmaterial von amerikanischen Leinwänden fernzuhalten.121 In Ergänzung zu diesen medienwirksamen Aktivitäten, die dem Studiopräsidenten Harry Warner bald den Ruf des „Gewissens von Hollywood“ angesichts der allgemein verbreiteten opportunistischen Haltung des „entertainment only“ eintrugen, begannen die Gebrüder Warner außerdem, zahlreiche antifaschistische Organisationen sowie die Flüchtlingshilfe finanziell zu unterstützen. Sie intensivierten ihre während der zwanziger Jahre noch relativ dünn gesäten Kontakte zu verschiedenen jüdischen Organisationen wie zum Beispiel dem United Jewish Appeal und waren regelmäßige großzügig spendende Gäste auf zahlreichen Versammlungen, Partys und Spendendinners. Ferner schlossen sie sich ab Dezember 1937 dem American Committee for Christian German Refugees an, das sich auf die Hilfe für Flüchtlinge christlichen Glaubens konzentrierte, die Deutschland aus politischen oder ethischen Gründen verlassen hatten, oder weil sie zum Beispiel in einer so genannten „Mischehe“ mit einem Juden verheiratet waren. Mit der Hilfe dieser Organisation hofften die Gebrüder Warner auch die Teile ihrer größtenteils sehr unpolitischen amerikanischen Studiobelegschaft, die dem allgemeinen isolationistischen Grundtenor folgend das Flüchtlingsproblem als ein ausschließlich europäisches und vor allem jüdisches Problem betrachteten, für ihre antifaschistische Aufklärungsarbeit zu interessieren. Um den Zuspruch für diese Organisation in Los Angeles zu steigern, organisierte Harry Warner am 15. Dezember 1937 eine Zusammenkunft von mehr als achtzig Angestellten seines Studios, während der er in einer sehr emotionalen Rede um ihr Engagement für die Sache der Flüchtlinge bat. Er erklärte den Zuhörern, wie wichtig es sei, dass insbesondere die Christen unter ihnen eindeutig Stellung gegen Hitler bezögen, da dieser nicht nur das Judentum vernichten wolle, sondern auch das Christentum als eine Bedrohung für die Dominanz des Staates bekämpfe. Zur Unterstützung seiner Thesen zeigte er den vom Komitee – unter der Mitwirkung Erika Manns – produzierten Film Modern Christian German Martyrs, in dem ein eindringlicher Spendenaufruf für deutsche Flüchtlinge christlichen Glaubens erfolgte. Auch dort hieß es, dass das Flüchtlingsproblem alle Menschen gleichermaßen betreffe: „It is a mistake to assume either that this is a Jewish question or that only the Jews should concern themselves with it. The tragedy of the German refugees challenges the conscience of all 120 Brief Harold Rodners an Harry Warner, (22.03.1938), Correspondence 1938 file, Harry M. Warner papers. Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 121 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 237.
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lovers of liberty and of all believers in freedom of thought.“122 Anschließend forderte Warner in einem persönlichen Aufruf seine zu der damaligen Zeit wichtigsten Stars wie Bette Davis, Kay Francis und Dick Powell dazu auf, ihren in der Öffentlichkeit gewichtigen Namen in den Dienst dieser Sache zu stellen. Er schloss mit einer sehr persönlichen Erinnerung an seine eigene Kindheit unter dem antisemitischen Terror im Polen des ausgehenden 19. Jahrhunderts: I can’t forget […] that my father brought us over here because we lived in slavery! […] They couldn’t get freedom. We couldn’t even go to school. […] And when I think that maybe my children […] will live the life I lived as a youngster, I’d rather see them dead! And don’t say that it’s not possible because honestly, when you read history and you read the things that have happened in this world, it is possible.123
Neben ihrem verstärkten Engagement in zahlreichen Hilfsorganisationen versuchten die Gebrüder Warner darüber hinaus, Flüchtlinge direkt durch die Vermittlung von Anstellungen – im eigenen Studio aber auch in vollkommen fachfremden Bereichen – zu unterstützen. So beauftragten sie zum Beispiel ihren New Yorker Angestellten Harold Rodner, jüdischen und christlichen geflohenen Ärzten eine Anstellung im medizinischen Bereich zu vermitteln.124 Außerdem assistierten sie zahlreichen bei Warner Bros. beschäftigten Emigranten in ihren Bemühungen, Verwandte aus Deutschland außerhalb der Einwanderungsquoten in die USA einreisen zu lassen.125 Wie auch im Falle Henry Blankes und William Dieterles sprach sich das Engagement der Gebrüder Warner in der Exilantenhilfe selbstverständlich schnell herum, insbesondere Harry Warner erreichten zahlreiche Bittbriefe aus Deutschland und Österreich, die sich auch heute noch in seiner erhaltenen Korrespondenz befinden. War der Einfluss des Studiopräsidenten natürlich ungleich größer als der eines Produzenten oder Regisseurs, blieben seine Möglichkeiten angesichts der unnachgiebigen Flüchtlingspolitik der US-Administration dennoch beschränkt. Diese Hilflosigkeit wurde Warner zu einer immer schwerer zu ertragenden Last: 122 Fosdick’s Appeal Assailed by Nazis; Film Shown in Church Is Held by the Berlin Press to Be „Speech of Hatred“, in: The New York Times (14.04.1937), 6. Aufgrund ihrer Teilnahme an der Produktion dieses Filmes wurde Erika Mann in der nationalsozialistischen Presse vorgeworfen, dass sie sich an der „jüdischen Agitation“ gegen ihr eigenes Land beteilige. Ebenda. 123 Harry M. Warner, Transkription der Rede vom 15.12.1937, American Committee for Christian Refugees file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Vgl. dazu: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 169. 124 Brief Harold Rodners an Harry Warner, (15.07.1938), Correspondence 1938 file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 125 So bat man zum Beispiel den amerikanischen Generalkonsul in Berlin um Hilfe bei der Ausreise der Eltern des deutschen Schauspielers Wolfgang Zilzer. Brief des Warner Bros. Assistant Secretary an den amerikanischen Generalkonsul, (08.03.1938), Confession of a Nazi Spy papers, WBA, USC.
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The more you try the more you feel the burden and you become dazed and helpless. That in these days of supposed civilization one should even have to worry about these things – in particular with all the earth there is that could be cultivated and provide enough for everybody. We are trying to do everything that is humanly possible and all we can do is hope for the best.126
Erste anti-nationalsozialistische Filmprojekte gegen den Widerstand aus dem In- und Ausland Wurden die Gebrüder Warner durch ihre überdurchschnittliche politische Wachsamkeit und ihre vielfältigen Kontakte, die bis in das Weiße Haus reichten, für die Emigration zu wichtigen Verbündeten in der anti-nationalsozialistischen Aufklärungsarbeit, nutzten sie dafür jedoch in den ersten Jahren noch nicht alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. In ihre Spielfilme – das breitenwirksamste Instrumentarium, das ihnen zur Unterrichtung der amerikanischen Bevölkerung über die Ereignisse in Europa zur Verfügung gestanden hätte – fanden ihre privaten Überzeugungen nur zögerlich Eingang. Obwohl die amerikanische Filmfachzeitschrift Variety bereits wenige Wochen nach Hitlers Machtergreifung erste Gerüchte über einen möglichen Anti-Nazi-Film der Warner Bros. Studios kolportierte127, sollten noch mehrere Jahre vergehen, bis die Gebrüder Warner sich im Frühjahr 1939 mit dem Spionagethriller Confessions of a Nazi Spy zu einer ersten offenen filmischen Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus durchringen konnten. Bis zu diesem Zeitpunkt ließen sich in ihrer Spielfilmproduktion lediglich vereinzelte, von den Drehbuchautoren zumeist sorgsam camouflierte Verweise auf ihre politische Haltung finden. Dieser aus heutiger Sicht nur schwer nachzuvollziehende Umstand beruhte auf einer ganzen Reihe von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren, die das damalige US-amerikanische Filmproduktionssystem prägten und denen sich auch die Gebrüder Warner letztendlich nicht entziehen konnten, obwohl sie ihre geschäftlichen Verbindungen mit dem Dritten Reich im Jahre 1934 beendeten. Wie alle Studioleiter waren sie in einem komplexen Geflecht von Rücksichtnahmen auf die Production Code Administration zur freiwilligen Selbstkontrolle unter der Leitung des Filmzensors Hays, die Verkaufszahlen im In- und Ausland sowie auf einflussreiche politische und kirchliche Interessengruppen, die eine Politisierung des Mediums Film ablehnten, 126 Brief Harry Warners an James G. McDonald (American Committee for Christian German Refugees), (13.03.1939), American Committee for Christian Refugees file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 127 WB’s Hitler Yarn Search, in: Variety (28.03.1933), 1. Es wurde berichtet, dass die Studioleitung Lektoren damit beauftragt habe, geeignete Stoffe in Büchern oder Zeitschriften zu suchen. Ebenda. Zerschlugen sich die Pläne für einen Anti-Nazi-Spielfilm zunächst offenbar, hielt die Thematik jedoch bereits 1933 Einzug in die Cartoon-Produktion des Studios. Beck, Looney Tunes and Merrie Melodies, 22.
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gefangen. In ihrer Untersuchung Warner Brothers’ Crusade Against the Third Reich benennt die Filmhistorikerin Christine Ann Colgan als wichtigsten dieser Faktoren die Veränderung der Publikumsstruktur, die mit der zunehmenden Erschließung ausländischer Absatzmärkte einherging. Hatte die Zielgruppe der ersten Filmpioniere in der Anfangsphase des US-Kinos hauptsächlich aus Amerikanern bestanden, die in den Großstädten des Landes lebten und in der Regel über einen ähnlichen soziokulturellen Hintergrund verfügten, wurde sie in den darauffolgenden zwei Dekaden zunehmend heterogen. Es entwickelte sich ein potentiell alle Klassen und alle Nationalitäten umfassendes Publikum, das in Hollywood den Trend zu einem standardisierten, „ideologisch unbedenklichen“ filmischen Einheitsprodukt mit einer größtmöglichen Publikumsakzeptanz auslöste. Als ein Beispiel für diese zunehmende Standardisierung nennt Colgan das langsame Verschwinden jüdischer Figuren während des Überganges von den zwanziger in die dreißiger Jahre. Waren während der zehner und zwanziger Jahre in den USA weit über zweihundert Filme entstanden, in denen deutlich als Juden erkennbare Charaktere portraitiert wurden, drehte man derartige Filme während der dreißiger und vierziger Jahre nahezu überhaupt nicht mehr. Die Figuren wurden zu konfessions- und herkunftslosen Helden, mit denen sich eine größtmögliche Anzahl von Zuschauern identifizieren konnte.128 „Durchschnittsliebhaber, Durchschnittsschurken, Durchschnittshelden und Durchschnittsmasterminds“ – so polemisierte Bertolt Brecht – wurden „über gewisse Situationsfelder bewegt“.129 Tatsächlich wurde das finanzielle Risiko, das sich ab Beginn der dreißiger Jahre mit der Produktion eines unangepassten, politisch-ideologisch offensiven Filmes verband, für die großen Hollywoodstudios – und deren Aktionäre – zunehmend untragbar. Aufgrund des hohen Prozentsatzes der Gesamteinnahmen, den man durch den Auslandsverleih erwirtschaftete, erlitt ein Studio empfindliche Verluste, falls ein Film aufgrund einer zu deutlichen missliebigen Botschaft in einem wichtigen Absatzland verboten wurde. Ferner konnte ein einzelnes Verbot, bedingt durch politische Sympathien und Allianzen, weitere Verbote in anderen Ländern nach sich ziehen. Ein solcher Dominoeffekt bedrohte in letzter Konsequenz das Wohl der gesamten amerikanischen Filmindustrie. Douglas W. Churchill, ein renommierter Kritiker der New York Times, analysierte die daraus resultierende politische Manipulierbarkeit der großen Studios: As Hollywood is increasingly dependent on the world market for its profits, it has become subject to what is really a world censorship of the screen. […] So closely are the wheels of international trade, politics, manipulation and influence enmeshed in foreign parts that American producers are as subject to the dictation of French, British and Italian censors as they would be if their headquarters were in Paris, London or Rome. Hollywood dare not make an important picture to which Turkey objects, nor can American 128 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 113–114. 129 Zit. nach: Gersch, Film bei Brecht, 193.
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audiences see a major film which is offensive to the Minister of Education and Propaganda in Germany.130
War diese Einschätzung Churchills aus dem Frühjahr 1936 vielleicht etwas zugespitzt formuliert, entsprach sie inhaltlich jedoch weitestgehend der Wahrheit. In den Jahren nach 1933 wurde die strenge Selbstzensur, die sich Hollywood aus Gründen der Profitmaximierung auferlegt hatte und die von der Production Code Administration (PCA) streng überwacht wurde131, zum größten Hindernis für die Produktion anti-nationalsozialistischer Spielfilme. In fast panischer Angst, durch zu eindeutige politische Stellungnahmen wichtige Absatzmärkte zu verlieren, setzte man sich gegenseitig unter Druck, die Produktionsmaxime des „entertainment only“ nicht zu verletzen. Bewusst versuchte man, sich von den instrumentalisierten Filmindustrien der europäischen Diktaturen zu unterscheiden, und rühmte sich stolz der politischen Unabhängigkeit, die man sich bewahrt habe. So betonte der PCA-Präsident Will H. Hays im Mai 1938 – euphorisch und vielleicht auch ein wenig naiv – den Unterschied zwischen Propaganda und „aufrichtiger Unterhaltung“: In a period in which propaganda has largely reduced the artistic and entertainment validity of the screen in many other countries, it is pleasant to report that American motion pictures continue to be free from any but the highest possible entertainment purpose. […] Entertainment is the commodity for which the public pays at the box-office. Propaganda disguised as entertainment would be neither honest salesmanship nor honest showmanship.132
Wurden Hays und seine Mitarbeiter in ihrem alltäglichen Bewertungs-Prozedere mit einem anti-nationalsozialistischen Filmdrehbuch konfrontiert, bedienten sie sich des – bereits erwähnten – mit den Worten national feelings übertitelten Paragraphen des Production Code, der die politisch neutrale Portraitierung ausländischer Nationen vorgab: „The history, institutions, prominent people and citizenry of other nations shall be represented fairly.“133 Wie die folgenden Kapitel der vorliegenden Untersuchung offenbaren werden, entstanden diesbezüglich im Laufe der dreißiger Jahre immer häufiger Konflikte zwischen Hays und der Leitung der Warner Bros. Studios, die jedoch zum größten Teil zugunsten der PCA beigelegt wurden. Etliche Male ließen sich die Gebrüder Warner mit dem Hinweis, dass auch sie – wie jedes andere Studio – die Verantwortung für das Schicksal der gesamten US-Filmindustrie mittragen würden, „zur Ordnung rufen“. Hatten sie auch offiziell mit Deutsch130 Douglas W. Churchill, Hollywood’s Censor Is All the World, in: The New York Times (29.03.1936), 10. Vgl.: Frank S. Nugent, New Censorial Swords Hang Over Hollywood, in: The New York Times (09.05.1937), 16. 131 Zur Geschichte der PCA vgl.: Kapitel I/2 (Abschn. 2) dieser Arbeit. 132 Will H. Hays, Self Regulation in the Motion Picture Industry. Annual Report to the Motion Picture Producers and Distributors of America, (28.05.1938), 25. 133 Moley, The Hays Office, 243.
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land gebrochen, waren sie nicht dazu bereit, die erheblichen (finanziellen) Konsequenzen eines Bruches mit Hays in Kauf zu nehmen. Ein weiteres von der PCA in ihrem Kampf gegen anti-nationalsozialistische Spielfilme gern benutztes Argument richtete sich auf die Furcht der größtenteils jüdischen Studioleiter Hollywoods vor der Bezichtigung, das Medium Film für eine „jüdische Propaganda“ zu nutzen. Diese Problematik schlug sich zum Beispiel in einem Briefwechsel der PCA mit dem bei RKO beschäftigten Produzenten Sol Lesser nieder, der im Jahre 1936 ein anti-nationalsozialistisches Filmprojekt mit dem Titel The Mad Dog of Europe in Erwägung zog. Der Filmzensor Joseph Breen, Leiter der PCA-Zweigstelle in Los Angeles, warnte Lesser: There is a strong pro-German and anti-Semetic [sic!] feeling in this country, and, while those who are likely to approve of an anti-Hitler picture may think well of such an enterprise, they should keep in mind that millions of Americans might think otherwise. Because of the large number of Jews active in the motion picture industry in this country, the charge is certain to be made that the Jews, as a class, are behind an anti-Hitler picture and using the entertainment screen for their own personal propaganda purposes. The entire industry, because of this, is likely to be indicted for the action of a mere handful.134
Die in diesen Zeilen von Breen formulierte und – wie spätere Ereignisse belegen sollten – auch nicht ganz unbegründete Besorgnis, dass man Hollywood eine politische Instrumentalisierung des Mediums Film vorwerfen könne, entwickelte sich insbesondere in den Jahren vor dem Kriegseintritt der USA zu einen Leitmotiv in der Korrespondenz der Studios mit der PCA. Regelmäßig warnten Breen und seine Mitarbeiter, dass sich der landesweit besorgniserregend verbreitende Antisemitismus zunehmend gegen jüdische Filmstudioleiter richte, die man bezichtige, Amerika in einen sogenannten „jüdischen Krieg gegen Hitler“ involvieren zu wollen.135 Um diesen Behauptungen keine weitere Nahrung zu bieten, sei es nicht ratsam, das nationalsozialistische Deutschland generell – und vor allem die dort praktizierte Judenverfolgung – zu kritisieren. Verknüpft wurde diese Argumentationslinie der PCA oftmals noch mit der besorgt geäußerten Befürchtung, dass eine „jüdische Propaganda“ Holly134 Brief Joseph Breens an Sol Lesser, (25.11.1936), The Mad Dog of Europe file, PCA, AMPAS. Breen verwies derart oft und vehement auf die antijüdische Stimmung in den USA, dass er in der Beurteilung von Filmhistorikern in den Verdacht geriet, diese Stimmung geteilt und aus diesem Grund anti-nationalsozialistische Filmprojekte behindert zu haben. Siehe zum Beispiel: Carr, Hollywood and Anti-Semitism, 131. 135 Diese Anschuldigungen erreichten im September 1941 ihren Höhepunkt, als isolationistische Senatoren unter der Führung des Republikaners Gerald Nye ein Komitee zur Untersuchung von „kriegstreiberischer“ Propaganda in amerikanischen Spielfilmen einrichteten. Aufgrund des antifaschistischen Engagements der Gebrüder Warner richtete sich das Komitee in erster Linie gegen Filme der Warner Bros. Studios, wie zum Beispiel den im Frühjahr 1939 entstandenen Anti-Nazi-Film Confessions of a Nazi Spy. Ross, Confessions of a Nazi Spy, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 58.
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woods eventuell Strafmaßnahmen gegen Juden in Deutschland nach sich ziehen könne.136 Stand somit in erster Linie die Selbstzensur der amerikanischen Filmindustrie – namentlich die PCA – der Produktion anti-nationalsozialistischer Spielfilme im Wege, gelang es jedoch in mehreren Fällen auch der deutschen Regierung, die Produktionspläne namhafter Hollywoodstudios zu manipulieren. Sie verfügte über die Möglichkeit, an diversen Stellen wie zum Beispiel dem State Department, den amerikanischen Zensurbehörden sowie auch in den Studios selbst massiven Druck auszuüben, der nicht selten zum Abbruch missliebiger Projekte führte. Ein Beispiel für diese direkte Intervention deutscher Behörden ist das Vorgehen des deutschen Generalkonsuls in Los Angeles Dr. Georg Gyssling gegen die Verfilmungen der Romane Erich Maria Remarques. (Remarques Werk war in Deutschland verboten, wie auch die 1930 entstandene Verfilmung seines Romans Im Westen nichts Neues unter der Regie Lewis Milestones.) Als die Firma Universal Studios im Jahre 1937 die Verfilmung des Remarque-Romans Der Weg zurück über die problematische Reintegration deutscher Soldaten in das zivile Leben nach dem Ersten Weltkrieg plante, versuchte Gyssling, das Projekt durch Erpressung zu stoppen. Er bezeichnete den Film als „deutschfeindlich“ und drohte in Briefen an die Studioleitung, den Regisseur James Whale und an die Schauspieler mit einem Verbot des Filmes in Deutschland sowie mit der Verbannung der Mitwirkenden von der deutschen Leinwand. Ferner könne ein generelles Verbot von Universal-Filmen in Deutschland die Folge sein. Dieses Risiko wollte das Studio auf keinen Fall eingehen, man versuchte sich mit Gyssling zu einigen, indem man Änderungen anbot. Obwohl Universal beabsichtigte, die Angelegenheit geheim zu halten, und alle involvierten Mitarbeiter zur Verschwiegenheit aufforderte, gelangten Informationen über Gysslings Vorgehen an die amerikanische Öffentlichkeit – heftige Proteste der Screen Actors Guild und der Hollywood Anti-Nazi League waren die Folge. Daraufhin monierte das US-State Department bei der deutschen Regierung den Eingriff deutscher Beamter in inneramerikanische Angelegenheiten und die Bedrohung amerikanischer Staatsbürger. Man erzielte eine offizielle Einigung, die besagte, dass deutsche Beschwerden künftig nicht mehr an die Studios selbst, sondern an das State Department zu richten seien.137 Der Erfolg bestand jedoch nur auf dem Papier, die von Gyssling gewünschten Änderungen wurden vorgenommen.138 Auch Metro-Goldwyn-Mayer gelang es wenige Monate später nicht, der systematischen Kampagne Gysslings gegen die Werke Remarques entgegenzutreten. Als man die Absicht bekanntgab, den Remarque-Roman Drei 136 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 63. 137 U. S. tells off Nazis on Pix Meddling, in: Variety (23.07.1937), 2. 138 Zum Konflikt um die Remarque-Verfilmung, die schließlich in der veränderten Fassung unter dem Titel The Road Back in die Kinos kam, siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 170–173.
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Kameraden verfilmen zu wollen, bedrängte Gyssling das Studio und die PCA erfolgreich mit Briefen und Telefonaten. Mehrere an aktuelle Vorgänge in Deutschland erinnernde Szenen wie zum Beispiel eine Bücherverbrennung wurden eliminiert. Des Weiteren entfernte man sämtliche Anspielungen auf den deutschen Antisemitismus; eine jüdische Figur namens Blumenthal wurde umbenannt und als solche unkenntlich gemacht.139 Wie insbesondere die heute in der Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences verwahrten Unterlagen der PCA belegen, sollte sich diese direkte Einflussnahme der deutschen Regierung durch die persönliche Intervention des Generalkonsuls Gyssling noch häufig wiederholen. Auch im Falle politisch engagierter Filmprojekte der Warner Bros. Studios wie The Life of Emile Zola und natürlich (im Frühjahr 1939) Confessions of a Nazi Spy „bombardierte“ Gyssling das Büro Joseph Breens und auch die Produzenten mit Briefen und Telefonanrufen. Zeigten sich die Studiomitarbeiter davon recht unbeeindruckt – Henry Blanke schrieb anlässlich der Vorbereitung der Zola-Biographie lakonisch: „I naturally received several calls from Dr. Gyssling“140 – war Breen für die Drohungen Gysslings äußerst empfänglich. Auch gegen Ende der dreißiger Jahre sah er seine Aufgabe noch darin, den deutschen Absatzmarkt für amerikanische Filme so lange wie möglich offen zu halten. Bedeutete dies den Verzicht auf anti-nationalsozialistische Spielfilme, so war er dazu gern bereit. Das bittere Fazit aus dieser Situation zog im Jahre 1939 der Dichter und Leiter der Library of Congress Archibald MacLeish: „Hollywood may have sympathized passionately and personally with Hitler’s victims but it deferred almost as meekly to the wishes of the fascist states as did the fascist moviemakers themselves.“141 Neben der einflussreichen PCA und dem beharrlich-enervierenden deutschen Konsulat existierte eine nahezu unüberschaubare Zahl an kirchlichen oder politischen Interessengruppen wie die katholische Legion of Decency, der German American Bund oder die Steuben Society, die ihrerseits aus unterschiedlichsten Motiven eine Produktion von anti-nationalsozialistischen Filmprojekten zu verhindern wünschten. Ging es einigen dieser Gruppierungen prinzipiell um die „Reinhaltung“ des Mediums Film von jeglicher politischer Stellungnahme, handelten andere aus einer unverhohlenen Sympathie mit den Zielvorstellungen des Dritten Reiches. Der wohl wichtigste Vertreter 139 Der Film unter dem Titel Three Comrades hatte 1938 Premiere; die Regie führte Frank Borzage. Ebenda, 174–176. 140 Memorandum Henry Blankes an Miss Hagemann, Warner Bros. research department, (09.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Vgl. dazu: Kapitel III/1 (Abschn. 2) dieser Arbeit. 141 Zit. nach: Winkler, The Politics of Propaganda, 9. Winkler bezeichnet MacLeish als einen der wichtigsten Vertreter der Interventionisten im Umfeld von Präsident Roosevelt. Ebenda. Vgl. dazu: Horak, Anti-Nazi-Filme der deutschsprachigen Emigration von Hollywood, 52.
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dieser Fraktion war der Unternehmer William Randolph Hearst, Besitzer eines riesigen Presseimperiums, das Dutzende von Zeitungen, Radiosender, eine Produktionsfirma für Wochenschauen sowie die Filmproduktionsfirma Cosmopolitan Productions umfasste. Bereits wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtergreifung suchte der Pressemogul den Kontakt zu Hitler, mit dem ihn insbesondere der vehemente Antikommunismus verband. Im Anschluss an ein persönliches Zusammentreffen im Jahre 1934 zeigte sich Hearst sichtlich beeindruckt und beschrieb den Diktator als ein „außergewöhnliches Individuum“.142 Missbilligten die Gebrüder Warner sicherlich die Verehrung Hearsts für Hitler, kündigten sie ihm jedoch nicht die bereits etliche Jahre währende persönliche Freundschaft. Sie intensivierten vielmehr ihre Verbindung, indem sie 1934 Hearsts Produktionsfirma nach deren Bruch mit Metro-Goldwyn-Mayer unter das Dach ihres Studios holten und schon fast grotesk anmutende Anstrengungen unternahmen, den mit der Firma „eingekauften“ Star, Hearsts langjährige Lebensgefährtin Marion Davis, zufriedenzustellen.143 Zu diesen „Goodwill-Aktionen“ – so vermutet Christine Ann Colgan – mag vielleicht auch die zeitweilige Zurückstellung anti-nationalsozialistischer Filmprojekte gehört haben. Beweise dafür, dass Jack Warner darum bemüht war, Hearst politisch nicht „ins Gehege zu kommen“, ließen sich in der Studio-Korrespondenz zahlreich finden.144 Ein Konflikt mit Hearst und – damit verbunden – der Verlust der positiven Berichterstattung in der HearstPresse (insbesondere durch seine einflussreiche Hollywood-Kolumnistin Louella O. Parsons) sei für die Gebrüder Warner zu dieser Zeit zumindest inakzeptabel gewesen. Veranlasste die soeben geschilderte höchst diffizile Gemengelage von begründeten oder unbegründeten Ängsten, gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Rücksichtnahmen und dem – nicht zuletzt auch den Aktionären geschuldeten – Wunsch nach einer Profitmaximierung die meisten Hollywoodstudios dazu, auf die Produktion anti-nationalsozialistischer Spielfilme bis zum Kriegseintritt der USA vollkommen zu verzichten, kann sie auch im Falle der Warner Bros. Studios sicherlich als ein verlangsamender Faktor auf dem Wege zur „politischen Emanzipation“ betrachtet werden. 142 Des Weiteren wurde Hearst durch seinen Besuch in Deutschland in seinem politischen Kampf gegen Roosevelt bestärkt. Er attackierte den New Deal als „kommunistisch inspiriert“ und behauptete, der Präsident stünde unter dem Einfluss Moskaus. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 73; Schlesinger, The Age of Roosevelt, 84; Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 38. 143 Warner ordnete zum Beispiel den Umzug des zweistöckigen Garderoben-Bungalows der Schauspielerin vom Metro-Goldwyn-Mayer-Gelände im Stadtteil Culver City auf das Warner Bros.-Gelände in Burbank an. Warner/Jennings, My First Hundred Years in Hollywood, 236–237. Vgl. auch: Wallis/Higham, Starmaker, 49–50. Zudem war Warner dazu bereit, hoch budgetierte Filme mit Davis zu drehen, obwohl diese ein Verlustgeschäft bedeuteten. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 74. 144 So unterband Warner zum Beispiel mehrfach das Engagement von Studio-Angestellten in politischen Anti-Hearst-Organisationen. Ebenda.
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Fehlte es den Gebrüdern Warner sicherlich nicht an einer aufrichtig empfundenen, vielfach unter Beweis gestellten Abneigung gegen den Nationalsozialismus und einer tiefen Sympathie mit seinen Opfern, gelang es jedoch auch ihnen nicht, sich aus ihrem Kontext als Leiter einer weltweit operierenden Großfirma zu lösen.
II. WILLIAM DIETERLE IN DEN WARNER BROS. STUDIOS (1930–1935): AKKULTURATION UND NETZWERKBILDUNG IM AMERIKANISCHEN PRODUKTIONSSYSTEM Hatten die Gebrüder Warner – wie soeben dargelegt – etliche Hindernisse auf dem Wege zu ihrer „politischen Emanzipation“ zu überwinden, gestaltete sich auch William Dieterles Entwicklung zu einem hochpolitischen Filmregisseur und einer anerkannten Schlüsselfigur der Emigration keinesfalls einfach oder gradlinig. Nach einer frühen Phase in seiner Karriere, in der er durch umstrittene Rollen und engagierte Rezitationsabende der Entwicklung der Theaterbühne zum politischen Forum Vorschub geleistet hatte, spürte Dieterle in der späten Weimarer Republik der Präsidialkabinette eine zunehmende Politikverdrossenheit, die ihn in die Richtung einer eskapistischen und auch zuweilen völkisch-konservativ anmutenden Heimatfilmproduktion streben ließ. Erst sein Wechsel in die USA im Jahre 1930, die wenig später folgende nationalsozialistische Machtergreifung und die zunehmende Herausbildung einer politisch aktiven deutschsprachigen Emigrantenkolonie in Los Angeles sollten diese Entwicklung wieder umkehren. Dieterle durchlief einen politischideologischen Reifungsprozess, an dessen Ende er sich – nicht zuletzt durch die Hilfe engagierter Kollegen wie Henry Blanke – von einem relativ unbedeutenden Filmregisseur, der in einem Hollywoodstudio Routinearbeit leistete, zu einem wichtigen Bestandteil des „politischen Gewissens“ der amerikanischen Filmindustrie entwickelte. Anders als viele seiner emigrierten Kollegen scheute Dieterle nicht davor zurück, sich während seiner anti-nationalsozialistischen Aufklärungsarbeit deutlich zu exponieren. In unzähligen Artikeln und Pamphleten verlieh er seinem festen Glauben an das große politische Potential des Mediums Film angesichts der weltweiten Gefährdung der Demokratie Ausdruck; wie auch für seinen Arbeitgeber Harry Warner war für ihn sein künstlerisches Schaffen mit einer moralischen Verpflichtung verbunden.
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1. ANRUF AUS HOLLYWOOD – DIETERLES WECHSEL IN DIE USA (1930) Von der Max Reinhardt-Bühne zum Film – Dieterles Karriere in Deutschland vor 1930 Wie seinem heute noch im Archiv der Akademie der Künste Berlin erhaltenen Reisepass aus den dreißiger Jahren zu entnehmen ist, wurde William (damals noch Wilhelm) Dieterle am 15. Juli 1893 in Ludwigshafen am Rhein als siebentes Kind seiner Eltern Jakob und Bertha Dieterle geboren.1 Sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits entstammte er einer alten Bauern- und Handwerkerfamilie; sein Vater arbeitete in einer Isolierfabrik (heute BASF), die Mutter führte eine Gastwirtschaft, später ein Lebensmittelgeschäft, um etwas dazu zu verdienen. Parallel dazu betrieb man in kleinerem Umfang Ackerbau und Viehhaltung. Obwohl Dieterle bereits früh künstlerische Neigungen zeigte und – inspiriert durch den Besuch eines Wandertheaters – den Wunsch hegte, Schauspieler zu werden, hatte er auf Wunsch der Eltern zunächst eine Lehre als Schreiner und Glaser zu absolvieren. Sobald es seine finanziellen Umstände jedoch erlaubten, begann der junge Mann bei einem Mannheimer Schauspieler Sprechunterricht zu nehmen. Zwei Jahre später erhielt er am Westfälischen Städte-Bund-Theater mit Sitz in Arnsberg, das er selbst als Wanderschmiere, aber eine gute Schule bezeichnete, sein erstes Engagement. Die jungen Schauspieler lernten schnell ein großes Repertoire und mussten viel improvisieren – Gesang, Tanz und Kulissenschieben gehörten in dieser Art von Betrieb selbstverständlich dazu.2 Im November 1911 trat Dieterle der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) bei und begann damit auch offiziell seine Laufbahn als Berufsschauspieler, die ihn in den folgenden Jahren in mehrere deutsche Provinztheater führte. Eine wichtige Zäsur in diesem frühen Karriereabschnitt wurde der Beginn des Ersten Weltkrieges; während viele Schauspieler zum Kriegsdienst eingezogen wurden und diverse Theater schließen mussten, gelang es Dieterle nach der Absolvierung seiner Grundausbildung, eine Freistellung vom aktiven Wehrdienst zu erreichen und ein Engagement in dem damals sehr bedeutenden Stadttheater Mainz unter der Direktion Hans Islaubs zu erhalten. In den darauffolgenden zwei Spielzeiten kam er mit etlichen großen Persönlichkeiten der deutschsprachigen Bühne wie dem Regisseur Ludwig Berger und dem Schauspieler Albert Bassermann in Berührung. Diese Begegnungen – so berichtete Die1 2
William Dieterles Reisepass aus den 1930er Jahren, William Dieterle Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Mierendorff, William Dieterle, 18. Aus dieser Zeit stammte auch Dieterles „Markenzeichen“ bei der Regiearbeit – das Tragen weißer Handschuhe, das er während seiner gesamten Laufbahn beibehielt. Ursprünglich war diese Praxis dazu gedacht, die Hände beim Kulissenschieben zu schonen. Ebenda.
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terle später seiner Biographin Marta Mierendorff – sollten sein Verständnis von Theater und damit den Verlauf seiner Karriere entscheidend prägen. Besonders mit Bassermann entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, das die beiden Männer auch in der Emigration wieder zusammenführen sollte.3 An seine Zeit in Mainz anschließend erhielt Dieterle ein zweijähriges Engagement am Zürcher Stadttheater unter Direktor Alfred Reucker, das seinen weiteren künstlerischen Werdegang ebenfalls entscheidend bestimmte. Aufgrund des immer noch tobenden Ersten Weltkrieges war Zürich zu einem Zentrum der Pazifisten, Exilanten und Avantgardisten geworden. Der Spielplan des Zürcher Theaters gestaltete sich anspruchsvoll und gegenwartsnah: man spielte Autoren wie Walter Hasenclever, Franz Werfel, Arnold Zweig, Gerhardt Hauptmann, G. B. Shaw, August Strindberg oder Wilhelm Schmidtbonn. Dieterle kam mit moderner Literatur und Dramatik, die im kaiserlichen Deutschland verboten war, in Berührung und fand Zugang zu intellektuellen pazifistisch geprägten Künstlerkreisen. Durch ihren Einfluss empfand er erstmals die Verpflichtung des Künstlers, den Krieg mit der Kunst des Wortes zu bekämpfen – der erste Grundstein für sein späteres Berufsethos als Filmregisseur war gelegt.4 Im Sommer 1918 wechselte Dieterle schließlich für ein Jahr an die Berliner Volksbühne am Bülowplatz unter Friedrich Kayßler, wo er wenig später die Novemberrevolution hautnah miterleben sollte. Künstlerisch gesehen empfand er diese krisengeschüttelte Zeit jedoch als ereignislos; er litt unter dem an der Volksbühne üblichen Serienspiel und vermisste die Präsenz namhafter Regisseure. Gleichwohl brachte dieses „Intermezzo“ Dieterle erstmals die Aufmerksamkeit der Berliner Kritik, so schrieb Siegfried Jacobsohn im September 1918 in der Schaubühne: „Aus Dieterle wird was.“5 Weitaus wohler fühlte er sich während seines darauffolgenden Engagements am Münchener Schauspielhaus in der Maximilianstraße unter der Direktion Otto Nebelthaus und Hermine Körners. Dieterle sah sich mit seinen 26 Jahren in München – in seinen Augen die begehrteste deutschsprachige Theaterstadt – am Ziel seiner schauspielerischen Laufbahn angekommen und genoss die Zusammenarbeit mit jungen talentierten Darstellern wie Alexander Granach und Lothar Müthel. Er fand Aufnahme in die Münchener Gesellschaft, namhafte Persönlichkeiten wie Lion Feuchtwanger oder Erika und Klaus Mann sahen ihn regelmäßig auf der Bühne.6
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Ebenda, 20. Zu Dieterles Zeit in Zürich vgl.: Dieterle/Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 80–97. Siegfried Jacobsohn, Rezension des Stückes Merlin von K. L. Immermann unter der Regie Ludwig Bergers, zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 64. Dieterle spielte die Rolle des Lanzelot vom See. Ebenda. Ebenda, 25. Die erste Spielzeit im Münchener Schauspielhaus verlief äußerst stürmisch, immer wieder kam es zu Tumulten im Zuschauerraum, ausgelöst durch konservative, völkische und rechtsradikale Kräfte. Ebenda.
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Vor dem Hintergrund dieser positiven Erfahrungen in der bayerischen Landeshauptstadt reagierte Dieterle nicht sonderlich euphorisch, als der Theaterintendant Max Reinhardt ihm im Januar 1920 im Anschluss an eine Aufführung des Hebbel-Stückes Herodes und Mariamne anbot, nach Berlin zurückzukehren. Erst die Aussicht auf die Rolle des Brutus in einer geplanten Julius Caesar-Inszenierung im dortigen Großen Schauspielhaus konnte ihn umstimmen. Die am 28. Mai 1920 stattfindende Premiere wurde für Dieterle zum internationalen Durchbruch; in dem fünfeinhalbstündigen Massenspektakel, in dem er an der Seite von Werner Krauss, Alexander Moissi, Agnes Straub und Else Heims auf der Bühne stand, lieferte er eine beeindruckende Darstellung, die ihm die nahezu uneingeschränkte Anerkennung der Kritik brachte. So schrieb Ulrich Steindorff in der Berliner Freiheit: „[D]ieser Brutus bedeutete nichtsdestoweniger eine der stärksten Leistungen des Abends. Dieterle gab ihm eine Wucht und Stärke, wuchs so ehrlich vom Freund Cäsars zu seinem Todfeind, daß die Gestalt völlig das herkömmliche Mördertum verlor.“7 Die Arbeit mit Reinhardt stellte an Dieterle besondere körperliche Herausforderungen – nicht selten spielte er in monumental dimensionierten Spielstätten bis zur Erschöpfung – sie eröffnete ihm jedoch auch neue künstlerische Perspektiven, noch viele Jahre später äußerte er sich positiv über die ihm unvergessliche Probenarbeit mit dem Theatergenie: Die Detailarbeit mit Reinhardt entfaltete sich eigentlich erst in seiner Wohnung am Kupfergraben in den Nachtstunden nach den Vorstellungen. Da wurden dann die letzten Tiefen einer Rolle ausgelotet. In Frage und Antwort wurde jeder Gedanke einer Rolle durchgesprochen, jedes Motiv belichtet, probiert und wieder probiert. Diese nächtlichen Proben sind für alle unvergeßlich, die das Glück hatten daran teilzunehmen.8
Schnell knüpfte Dieterle während dieser künstlerisch intensiven Zusammenkünfte mit dem häufig als unnahbar geltenden Reinhardt ein freundschaftliches Verhältnis, das bis zu dessen Tod im Jahre 1943 anhalten sollte. Er wirkte auch in den folgenden Jahren regelmäßig in Reinhardtschen Inszenierungen mit, so zum Beispiel im Sommer 1920 als guter Gesell im Jedermann bei den neu gegründeten Salzburger Festspielen, im Winter 1920/1921 als Danton in Dantons Tod im Berliner Großen Schauspielhaus, 1925 als Demetrius in einer Neuinszenierung des Sommernachtstraums sowie – ebenfalls 1925 – in Wien als Diaz in Franz Werfels Historiendrama Juarez und Maximilian.9 Während 7 8
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Ulrich Steindorff, Rezension Julius Caesar, in: Berliner Freiheit (29.05.1920), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 28. Dieterle/Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 111. Auch dem Schauspieler Paul Henreid blieben die nächtlichen Proben mit Reinhardt in lebhafter Erinnerung. Ronald L. Davis, Oral History Interview mit Paul Henreid, (aufgezeichnet im Mai 1985, DeGolyer Library, Southern Methodist University), Transskript, 2–3, AMPAS. Bei diesem Anlass muss Dieterle in Wien den Autor Franz Werfel kennen gelernt haben, mit dem ihn ab diesem Zeitpunkt eine jahrelange, auch im Exil andauernde Freundschaft verband. Mierendorff, William Dieterle, 42–43. Zu weiteren Rollen Dieterles in
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dieser Projekte arbeitete der junge Schauspieler mit nahezu allen namhaften Persönlichkeiten der damaligen deutschsprachigen Theaterlandschaft und knüpfte berufliche und freundschaftliche Verbindungen zu Künstlern wie Emil Jannings, Alexander Moissi, Werner Krauss, Paul Wegener, Oskar Homolka, Helene und Herman Thimig – einigen von ihnen sollte er im Exil wieder begegnen. Ferner lernte er 1920 während der Proben zu Dantons Tod die junge Schauspielerin Charlotte Hagenbruch kennen, die er wenige Monate später heiratete. Während der folgenden nahezu fünfzig Jahre dauernden Ehe nahm sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf Dieterles berufliche Laufbahn, in der Bewertung der Lebensleistung des Regisseurs – so die Biographin Marta Mierendorff – müsse sie als „sein Schicksal“ miteinbezogen werden: Sofort nach der Hochzeit und Haushaltsgründung übernahm sie [Charlotte Dieterle] die berufliche Führung. Sie lebte in dem damals nicht untypischen Glauben, der Künstler sei ein höheres Wesen, dem alle Unebenheiten des Alltags aus dem Wege geräumt werden müßten, und die Frau ihm zu dienen habe. Sie sah sich als kaufmännisches Talent mit juristischem Sachverstand und wurde Managerin, Sekretärin, Reisebegleiterin und nicht zuletzt Astrologin ihres Mannes.10
Nicht selten – so führt Mierendorff weiter aus – traf Charlotte (besonders später in den USA) geschäftliche Fehlentscheidungen, die Dieterle in große finanzielle Schwierigkeiten geraten ließen. Überfordert mit dem Fachjargon englischsprachiger Künstlerverträge und teilweise an Selbstüberschätzung leidend wurde sie von zahlreichen Geschäftspartnern übervorteilt; der Regisseur ließ sie jedoch zumeist „blind gewähren“.11 Kurze Zeit nach seiner Heirat mit Charlotte begann Dieterle, der bislang zur Untermiete gewohnt und seine Freizeit sehr zurückgezogen verbracht hatte, sich zunehmend in die Berliner Gesellschaft zu integrieren. In seinem Haus wurde großen Wert auf Gastlichkeit gelegt, zahlreiche Persönlichkeiten des Geistes- und Kulturlebens fanden sich regelmäßig ein. Ab diesem Zeitpunkt versuchten auch politische Gruppierungen, sich das wachsende Prestige des mittlerweile international bekannten Schauspielers zunutze zu machen; er erhielt diverse Einladungen zu politisch deutlich links eingefärbten Rezitationsabenden, denen er in vielen Fällen auch Folge leistete. So trug er zum Beispiel des Öfteren sowohl in Berlin als auch in München russische Literatur, an der er seit geraumer Zeit gefallen gefunden hatte, auf Veranstaltungen vor, die eine Normalisierung der deutsch-
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Inszenierungen Reinhardts siehe: Ebenda, 28–45; Dieterle/Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 111–125. Mierendorff, William Dieterle, 32. Ebenda, 46. Mierendorff beruft sich auf Briefe in Dieterles Nachlass, aus denen hervorgeht, dass sich das Ehepaar nahezu kontinuierlich in Geldnöten befand. Dieterle selbst scheint in der Tat oftmals von Charlotte diesbezüglich „abgeschirmt“ worden zu sein. Siehe zum Beispiel: Brief Charlotte Dieterles an Charles L. Glett, Hollywood, (04.03.1941), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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sowjetischen Beziehungen befördern sollten. Mit Texten von Dostojewski, Tolstoi, Gogol und Puschkin versuchte Dieterle seine Sympathien für das russische Volk und seine Kultur mit dem Publikum zu teilen. Führende Kritiker reagierten auf diese Bemühungen teils irritiert, teils bösartig.12 Doch auch auf der großen Bühne hielt die Politik in Dieterles Berufsalltag zunehmend Einzug. Wenige Tage nach der Erschießung des deutschen Außenministers Walther Rathenau fand im Berliner Großen Schauspielhaus unter der Regie Karlheinz Martins die Uraufführung von Ernst Tollers Die Maschinenstürmer statt. (Der Autor war zu dieser Zeit in der Festung Niederschönenfeld inhaftiert, die Atmosphäre im Zuschauerraum war dementsprechend politisch geladen.) Dieterle und Alexander Granach spielten in der fünfeinhalbstündigen Inszenierung die Hauptrollen, Dieterle war sogar in zwei Parts zu sehen. Wieder und wieder – so berichtete der Autor Alfred Döblin in den Berliner Theaterbriefen – wurde die außergewöhnliche Vorstellung durch Hochrufe auf Toller und „ostentativen, aufhaltenden Beifall“ unterbrochen.13 Im Jahre 1923 gestaltete sich Dieterles Theaterarbeit an den Berliner Bühnen zunehmend unbefriedigend; noch viele Jahre später schilderte er in seinen autobiographischen Skizzen anschaulich die prekären Zustände, die die rasende Inflation bewirkte. Auch alteingesessene Bühnen gerieten in finanzielle Schwierigkeiten und waren kontinuierlich von Schließung bedroht. Alle namhaften Schauspieler bemühten sich um Verträge mit der zunehmend von Hollywood beeinflussten Filmindustrie und arbeiteten nur noch sporadisch, ohne festes Engagement im Theater – eine allgemeine Disziplinlosigkeit griff um sich, die eine ernstzunehmende Theaterarbeit in der Rückschau Dieterles nahezu unmöglich machte.14 Dieterle reagierte auf diese „Zerfallserscheinungen“ mit dem Bemühen, sich durch die Gründung des Dramatischen Theaters, eines eigenen kleinen Ensembletheaters, selbstständig zu machen. Zu den Gesellschaftern des Unternehmens gehörten die Dramatiker Fred Angermayer und Georg Kaiser, der Architekt Hans Poelzig und der Maler Max Pechstein. Gepachtet wurde das Wilhelmstädtische Schauspielhaus in der Chausseestraße; das Betriebsbüro befand sich in Dieterles Wohnung, der als kaufmännischer Direktor und künstlerischer Leiter fungierte. Die Presse reagierte auf das Projekt wohlwollend, angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Situation jedoch auch skeptisch. So schrieb Herbert Jhering bezüglich der offiziellen Eröffnung mit Georg Kaisers Stück Gilles und Jeanne am 1. September 1924: „Das Dramatische Theater ist in einer Zeit entstanden, wo jedes Neben-Theater, jede Auch-Bühne zugrundegehen muß, wo nur das Not-
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Mierendorff, William Dieterle, 34. Alfred Döblin, Großstreik in Berlin, Die Maschinenstürmer, in: Döblin, Griffe ins Leben, 49–50. Dieterle/Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 124.
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wendige Bestand hat.“15 Bereits nach vier weiteren Inszenierungen sollten sich die Befürchtungen der Kritiker bewahrheiten. Der Kollaps des französischen Franc – so berichtete Dieterle zumindest später – verursachte den Sturz des finanzierenden Bankhauses Hauer & Würzburger, der das Ende des Dramatischen Theaters nach sich zog.16 Die aus der gescheiterten Unternehmung resultierenden Schulden waren immens; Dieterle hatte – wohl etwas leichtsinnig – die Aufführungsrechte für 22 zumeist zeitgenössische Stücke erworben, eine Nichtaufführung sah hohe Vertrags- und Konventionalstrafen sowie Schadenersatzforderungen plus Zinsen vor.17 Um seine Gläubiger wenigstens zum Teil zufriedenzustellen und den für ihn persönlich kaum noch tragbaren Arbeitsbedingungen an den Berliner Bühnen zu entfliehen, wandte sich Dieterle in den Jahren ab 1925 zunehmend dem Film zu, der schon seit geraumer Zeit ein wichtiges Betätigungsfeld für ihn geworden war. Obwohl er in der rückschauenden Betrachtung seiner Karriere in erster Linie finanzielle Gründe für seinen Wechsel in das Filmgeschäft nannte und betonte, dass sein Herz zeitlebens dem Theater gehörte18, gelang es ihm problemlos, seine schauspielerischen Fähigkeiten an das neue Medium zu adaptieren und sich in der deutschen Filmproduktion der zwanziger Jahre einen Namen zu machen. Nachdem er im Sommer 1921 an der Seite Henny Portens seinen Durchbruch in dem Film Die Geier-Wally gefeiert hatte, wurde er zu einem gefragten Liebling des Publikums – Autogrammstunden, Phototermine und Fanpost gehörten fortan zu seinem Berufsalltag.19 Besetzte man den über 1,90 Meter großen, gutaussehenden Schauspieler in erster Linie im Rollenfach des jugendlichen Liebhabers in Heimat- und Liebesfilmen wie Die Försterchristel (1926, Regie: Frederic Zelnik), Der Jäger von Fall (1926, Regie: Franz Seitz) und Der Pfarrer von Kirchfeld (1926, Regie: Jacob Fleck), gelang es ihm auch regelmäßig, in künstlerisch anspruchsvolleren Produktionen mitzuwirken. So spielte er im Jahre 1921 unter der Regie Leopold Jessners in dem von der Kritik sehr wohlwollend beachteten Film Die Hintertreppe mit Henny Porten und Fritz Kortner sowie 1922 in einer Adaption von Strindbergs Fräulein Julie (Regie: Felix Basch) neben Asta Nielsen und Käthe Dorsch. Stand er in diesen beiden Filmen aufgrund der Bekanntheit seiner Kollegen nicht unbedingt im Fokus der Kritik, erhielt er jedoch durchweg wohlwollende Bespre15 16 17 18 19
Herbert Ihering, Rezension Gilles und Jeanne, in: Berliner Börsen-Courir (30.08.1924), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 41. Ebenda, 124. Ebenda, 40. Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 111; Dieterle/ Breunig, Der Sprung auf die Bühne, 125. Noch in den fünfziger und sechziger Jahren erinnerte man sich in Deutschland in erster Line an den Schauspieler Dieterle und an seine Heimatfilme der zwanziger Jahre. Auch in dieser Zeit erhielt er immer noch Fanpost. Siehe: Korrespondenz im Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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chungen.20 Ferner knüpfte Dieterle 1923 als Regieassistent während der Arbeit an dem exotischen, in vielen Ländern aufgenommenen Film Die grüne Manuela eine enge Freundschaft mit dem Regisseur Ewald André Dupont, die auch später in Hollywood aufrechterhalten wurde. Aus Protest gegen Starkult und überdimensionierte Gagen besetzte Dupont die Hauptrollen des Filmes mit Unbekannten, die zum Teil noch nie vor einer Kamera gestanden hatten. Außerdem beriet er mit Dieterle neue Techniken in der Bildsprache, um die Zwischentitel zu ersetzen – keine grundlegend neue Idee, aber in der Entwicklung des Unterhaltungsfilmes ein Fortschritt. 1924 übernahm Dieterle im künstlerisch wohl bedeutendsten Film jenes Jahres, Paul Lenis Wachsfigurenkabinett, gleich drei Rollen sowie die Regieassistenz. Er sammelte entscheidende Erfahrungen bezüglich des Expressionismus, der ihn jedoch – wie er später sagte – in seiner persönlichen Kunstauffassung nicht grundlegend beeinflusste.21 Einen weitaus tieferen Eindruck hinterließ dagegen die Arbeit mit Friedrich Wilhelm Murnau in Die Austreibung (1923) und Faust – Eine deutsche Volkssage (1926). Empfanden zeitgenössische Kritiker wie Herbert Jhering den letzteren Film zum Zeitpunkt seiner Uraufführung bereits als anachronistisch, war Dieterle von Murnaus Arbeitsweise äußerst eingenommen – der heutige Status des Filmes als Klassiker scheint ihm Recht zu geben. Ab 1923 versuchte sich Dieterle schließlich auch selbst als Filmregisseur und Szenarist; gleich in seiner ersten Produktion, Der Mensch am Wege, einer sozialkritischen, christlich-mystischen Legende, in der er zwei Erzählungen Tolstojs zusammenfasste, gelang es ihm, hervorragende Schauspieler um sich zu versammeln: die noch relativ unbekannte Marlene Dietrich, Lotte Stein, Hermine Körner, Heinrich George und Alexander Granach. Die Stoffwahl Dieterles konnte man – so seine Biographin Marta Mierendorff – als bezeichnend für seine damalige Weltsicht und die künstlerische Botschaft, die er zu vermitteln wünschte, betrachten. Der sozial scharf gezeichnete Konflikt zwischen einem feudalen Gutsherrn (Heinrich George), seinem Gesinde und seinem leibeigenen Bauern wurde dramaturgisch nicht ausgetragen und gelöst, sondern mit verschiedenen Deus ex machina (wie zum Beispiel dem mysteriösen Tod des Gutsherrn) fatalistisch-moralisierend aufgehoben. Die Kritiken im Anschluss an die Uraufführung im Juni 1923 waren äußerst durchwachsen, teilweise ausgesprochen negativ, die finanzierende Produktionsfirma Osmania-Film GmbH konnte keinen Kassenerfolg verzeichnen.22 Ungeachtet dessen hatte Dieterle jedoch sein Können hinter der Kamera erproben können und an der Regiearbeit gefallen gefunden, eine Richtungsänderung seiner beruflichen Laufbahn rückte in den Bereich des Möglichen. Es sollten jedoch weitere vier Jahre vergehen, bevor er – gestützt durch den finanziellen Erfolg 20 21 22
Mierendorff, William Dieterle, 30. Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 112. Mierendorff, William Dieterle, 36–37.
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seiner Heimatfilm-Rollen – den Mut fasste, sich erneut als Filmregisseur zu versuchen und vor allem (nach dem Zusammenbruch des Dramatischen Theaters) noch einmal die ersehnte berufliche Unabhängigkeit anzustreben. Er gründete zusammen mit seiner Frau Charlotte die Firma Charha-Film GmbH (Charha = Charlotte Hagenbruch), die es sich zum erklärten Ziel setzte, unpolitische, inhaltlich jedoch durchaus gehaltvolle Unterhaltungsfilme für Erwachsene und Jugendliche zu produzieren. Vor dem Hintergrund vergangener Misserfolge hütete sich das Ehepaar davor, durch eine deutliche Sozialkritik ein negatives Prädikat der zunehmend strengen und völkisch-konservativen Zensurbehörden, die soeben ein neues sogenanntes „Schund- und SchmutzGesetz“ erlassen hatten, zu riskieren. Man konzentrierte sich vielmehr auf die Heraufbeschwörung von Romantik und Gefühl – in bewusster Ausblendung des aktuellen, äußerst alarmierenden politischen Geschehens in der allmählich zugrunde gehenden Weimarer Republik. Nach einem etwas „holprigen Start“ mit der Verfilmung der romantisch-komischen Oper Wenn ich König wär’ von Adolphe d’Ennéry und Jules-Henri Brézil, die aus heute unerfindlichen Gründen abgebrochen wurde, gelangen der Charha mit den allenfalls leicht über dem Niveau der damaligen durchschnittlichen Unterhaltungsfilme liegenden Produktionen Ich habe im Mai von der Liebe geträumt und Das Geheimnis des Abbé X zwei solide Kassenerfolge.23 Auf die in diesen Filmen deutlich werdende Hinwendung Dieterles zur Natur- und Heimatverbundenheit reagierte die konservative, rechtsgerichtete Presse sofort mit dem Versuch einer Vereinnahmung – man feierte den Regisseur als „zukunftsreichsten Jungmann“ im deutschen Film und als eine letzte noch verbleibende Speerspitze gegen die Überflutung durch die ausländische Unterhaltungsindustrie.24 Auch die nächste Produktion Dieterles, Die Heilige und ihr Narr, die Adaption eines Agnes Günther Romans, den er selbst als 23-Jähriger gelesen und – empfänglich für mystische Romantik, Märchenhaftes und Naturdarstellungen – sehr geliebt hatte, wurde ein großer Kassenerfolg. In einem Interview mit dem Titel Osterspaziergang mit Dieterle berichtete er schwärmerisch von seinen persönlichen Empfindungen bei der ersten Lektüre des Stoffes: „Das Buch hat mich so ergriffen und festgehalten wie fast kein zweites, das sich mit der deutschen Seele im edelsten Sinne des Wortes beschäftigt und die größte und schönste Liebe seit ‚Tristan und Isolde‘ schildert.“25 Die Kritiker ließen die Geschichte um ein empfindsames junges Mädchen, ein „Seel23
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Dieterle erfuhr rasch, dass die völlige Unabhängigkeit im Filmgeschäft eine Utopie bleiben musste. Er tat sich mit der Firma Glanz-Film A. G. Berlin-Köpenick zusammen, die eine Teilfinanzierung und den Verleih besorgte. Im Gegenzug behielt sie sich die Kontrolle über den Produktionsvorgang sowie Einblick in die Buchführung und den Schriftwechsel vor. Mierendorff, William Dieterle, 46. Ebenda, 48. Osterspaziergang mit Dieterle, in: Der Film 6 (1928), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 50.
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chen“, jedoch als Kitsch durchfallen, gegen den sie zu dieser Zeit einen vehementen Feldzug führten. In einem Aufruf mit dem Titel Es soll anders werden hatte sich der Autor Heinrich Mann wenige Monate zuvor explizit gegen die Überflutung des Filmmarktes mit „reaktionären Machwerken, Kitschfilmen und die skandalöse Manipulierung der Filmbesucher“ ausgesprochen, die Filmindustrie als „lückenlose reaktionäre Propagandaanstalt“ bezeichnet und den Vorwurf erhoben, dass man „jede Masse an Kitsch gewöhnen und daher leicht behaupten kann, sie verstehe es nicht anders.“26 Dieser Bewegung innerhalb führender Kritikerkreise entsprechend hieß es im 12-Uhr-Abendblatt in Bezug auf Die Heilige und ihr Narr: „Die Autoren haben in ihrem Manuskript den allzu verbreiteten Roman […] in seiner ganzen fürchterlichen Art wiedererstehen lassen, das Drehbuch mit einer kitsch-zähen Sentimentalität und öden Trivialität vollgestopft.“27 Gegen diesen Ansturm der Kritik wehrte sich Dieterle öffentlich, er konterte in einem Interview mit der Zeitschrift Film-Kurier: Ich appelliere [mit meinen Filmen] an das gesunde Zeitempfinden, an das wirklich Populäre und will, wie alle Volkspoesie und jedes Volkslied, mit der Natur schaffen. Die ungehobene Schönheit der deutschen Natur, mit der ich als proletarischer Bauernsohn verbunden bin, gehört in meine Filme. […] Ich will der Sehnsucht, die in jedem Filmzuschauer lebt, entgegenkommen, ich will diesem tiefen deutschen Grundgefühl etwas zu geben versuchen. Wir müssen mit unseren Filmen Kasse machen und billig arbeiten. An unsere Ideale wollen wir denken, aber wir können ihnen nur langsam entgegenreifen. Unsere deutsche Geldknappheit gestattet keine Experimente, und es ist ja immer dasselbe Publikum, dem wir uns vor der Leinwand zeigen. […] die Angleichung an das Auffassungsvermögen des Durchschnittsgeschmackes wird also zur Bedingung, will man möglichst große Kreise, bleibende Kreise fesseln und halten.28
Wurde die Reaktion der Kritik auf diesen ihm persönlich stark am Herzen liegenden Film für Dieterle sicherlich zu einer herben Enttäuschung, schienen die euphorischen Publikumsreaktionen ihn jedoch in der Auswahl seiner Stoffe zu bestätigen. In den meisten deutschen Städten lief der Film gleich in mehreren Kinos, die Kassen verzeichneten Rekordeinnahmen. Der Kritiker Georg Herzberg brachte im Film-Kurier diese Diskrepanz zwischen Publikumsreaktion und Kritikerschelte unter dem Titel „Sturm auf das ‚Seelchen‘. Der Fall: ‚Die Heilige und ihr Narr‘“ auf den Punkt: 26 27 28
Heinrich Mann, Es soll anders werden, in: Berliner Tageblatt (01.04.1928). Vgl. dazu: Mierendorff, William Dieterle, 48. Die Heilige und ihr Narr, 12-Uhr-Abendblatt, (ohne Datum), Forschungsarchiv Marta Mierendorff, Kinemathek Berlin. Interview mit Dieterle, in: Film-Kurier (13.07.1929), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 13. Mierendorff kommentiert in ihrer Biographie den für sie in diesem Interview sehr auffälligen Gebrauch Dieterles von völkisch eingefärbten Vokabeln. Sie geht jedoch nicht davon aus, dass der Regisseur grundsätzlich mit völkischem Gedankengut sympathisierte, sondern dass er diese damaligen „Mode-Wörter“ etwas unreflektiert benutzte, um seine Naturverbundenheit zu bekräftigen. Ebenda.
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Es handelt sich hier also nicht um reale Dinge, die man verrissen hat, schlechte Regie, schlechte Handlungsführung, schlechte Darstellung sind ja immerhin Dinge, die einigermaßen objektiv festzustellen sind, sondern um den rein gefühlsmäßigen Protest Berliner Literaten gegen die Handlung. Millionen Menschen in Deutschland und vielleicht in der Welt finden diese Handlung gut. Ihnen gefällt nun einmal die Geschichte von dem armen herumgestoßenen Seelchen. Es soll hier nicht für die eine oder andere Partei entschieden werden, sondern darüber diskutiert sein, ob nicht eigentlich Dieterle großes Pech hat, daß ausgerechnet diejenigen, die seinen Film nicht mögen, in Millionen Zeitungsnummern gegen ihn zu Felde ziehen können.29
Auch mit dem nächsten Film der Charha Geschlecht in Fesseln, einem ambitionierten Plädoyer für die Reformierung des Strafvollzugs, evozierte Dieterle unterschiedlichste Reaktionen. In einer Art fingierter Fallstudie wurde die Konsequenz des Strafvollzuges, dem Gefangenen (wie auch der Ehefrau) durch Sexualentzug physische und psychische Schäden zuzufügen, angeprangert. Während einige politische und soziale Gruppierungen wie die Deutsche Liga für Menschenrechte den Film begrüßten und für ihre Anliegen zu instrumentalisieren suchten, reagierten Sittenwächter mit großer Empörung, die in einigen Städten sogar in einer temporären Absetzung des Filmes resultierte.30 Die Kritik nahm das Werk mit geteilter Meinung auf. Verwiesen einige Rezensenten nicht zu Unrecht darauf, dass der Film nach dem Muster der zu dieser Zeit ebenfalls aktuellen Militär- und Aufklärungs-Filme eine Konjunktur der Justiz-Filme bediente, konnten andere in der eindringlichen Botschaft des Filmes durchaus vielversprechende Ansätze erkennen. So schrieb der Kritiker Rolf Nürnberg: „[Der Film ist] am besten dann, wenn er rein bei der Tatsachenschilderung bleibt, wenn der Vorgang an sich ergreift. […] Aber sowie eine Handlung konstruiert wird, wird eben das rein Stoffliche, Aufreizende durch diese Konstruktion zurückgedrängt.“31 Wurde Dieterle mit seinen Filmen Die Heilige und ihr Narr und Geschlecht in Fesseln mehr zu einem Publikumsliebling, denn zu einem Favoriten der Kritik, gelang es ihm jedoch durch die konsequente Bedienung des Zeitgeschmacks, seinen Namen und seine Produktionsfirma fest in der deutschen Filmindustrie zu verankern. Während der Saison 1928/1929 standen seine Produktionen an der Spitze der Kasseneinnahmen – ein Umstand, der den Berliner Filialen führender Hollywoodstudios nicht verborgen blieb. So bot schließlich die deutsche Vertretung der Universal Studios der CharhaFilm im Januar 1929 einen einjährigen, äußerst lukrativen Vertrag an. Dieterle war als Hauptdarsteller und Regisseur vorgesehen, die sich von Produktion zu Produktion steigernde Gage wurde für den Anfang auf (für deutsche Verhält29 30 31
Georg Herzberg, Sturm auf das „Seelchen“. Der Fall: „Die Heilige und ihr Narr“, in: Film-Kurier (13.10.1928), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 52. So wurde der Film zum Beispiel in Paris abgesetzt. Ebenda, 55. Rolf Nürnberg, Geschlecht in Fesseln, in: 12-Uhr-Blatt (15.10.1928), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 54–55.
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nisse traumhafte) 600 Dollar wöchentlich festgesetzt. Die aus dieser Vereinbarung resultierende finanzielle Sicherheit musste jedoch mit dem Verlust der beruflichen Eigenständigkeit bezahlt werden – die Gesamtverantwortung für die Filmproduktion wurde dem erfahrenen Produzenten Joe Pasternak übertragen. Das Erfolgsrezept der im Rahmen dieser neuen Kooperation entstandenen Filme kristallisierte sich schnell heraus: deutsche Natur in Verbindung mit Liebesromanzen. Unter Titeln wie Ich lebe für Dich und Frühlingsrauschen konnte man Dieterle in finanziell erfolgversprechenden Paarungen mit Lien Deyers oder Petta Frederik vor ansprechender Bergkulisse bewundern. Die Kritiken waren die filmtechnischen Aspekte betreffend zumeist positiv, man erkannte, dass der Regisseur in den Grundlagen seines Handwerks zunehmend sicherer wurde – Häme und Spott von Trivialfilm-Gegnern blieben jedoch naturgemäß nicht aus.32 Lediglich ein Film hob sich aus dieser Reihe filmhistorisch eher vernachlässigenswerter Produktionen deutlich ab: aus verschiedenen Gründen wurde der im Winter 1929/1930 entstandene Film Ludwig der Zweite, König von Bayern zu einem wichtigen Wendepunkt in Dieterles Karriere. Neben einigen formalen Aspekten – bei diesem Film handelte es sich um seinen letzten Stummfilm und um seine erste Filmbiographie – war es vor allem die ungewöhnlich heftige Reaktion der Zensur und der Presse, die dieses Werk außergewöhnlich machten. Das Drehbuch des Filmes – verfasst von Dieterle, seiner Frau und einem Co-Autor namens Ludwig Biro – beruhte auf einem ausführlichen Quellenstudium und einer Reihe von Expertengutachten, die eigens zu diesem Zweck eingeholt worden waren. Dieterle schrieb sich die Rolle des Königs, für den er schon seit frühester Kindheit tiefste Verehrung empfunden hatte, quasi auf den Leib und bemühte sich um eine menschlich-sympathische Darstellung, die der allgemeinen durch bayrische monarchistische Kreise praktizierten Mystifizierung Ludwigs II. entgegenwirken sollte. Diese Absicht wurde am Anfang des Filmes durch eine Einblendung erläutert: Dieser Film hält sich bewusst fern von allen Legenden und Vermutungen, er stützt sich nur auf streng historische Tatsachen. Jede Zeit hat das Recht, Geschichte neu zu sehen und zu versuchen eine Persönlichkeit besser zu verstehen, als es die Vergangenheit vermochte. Heute wissen wir eher, welchen Einflüssen das Wesen der Menschen unterliegt: durch Erbanlage, Erziehung und Zeitverhältnisse.33
Wie vielleicht zu erwarten war, konnte die bayerische Regierung diesem erklärten Anliegen des Filmes wenig abgewinnen. Insbesondere die Szenen, die Ludwig am Ende des Filmes dem Wahnsinn verfallen zeigten, evozierten heftige Ablehnung. Nachdem der Film von der Berliner Filmprüfstelle nach eini-
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Ebenda, 56–57. William Dieterle (Regie), Ludwig der Zweite, König von Bayern, D 1930.
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gen kleineren Änderungen34 zugelassen worden war, versuchte sie, einen Widerruf der Zulassung zu erwirken. Um sich den bayerischen Markt und das Geschäft nicht zu verderben, nahm Universal erhebliche weitere von der Polizeidirektion München vorgeschlagene Schnitte vor – jedoch vergeblich. Ungeachtet der Änderungen wurden die Aufführungen in München unter Androhung schwerer Strafen polizeilich verboten. Konnte dieser Konflikt nach einigem Hin und Her und weiteren Konzessionen des Studios schließlich beigelegt werden35, überschattete er die am 10. März 1930 in Berlin stattfindende Uraufführung und die nachfolgenden Presse-Reaktionen. Während sich die liberale Presse hinter Dieterle stellte, wurde er in der konservativen und rechts stehenden Presse auf das Schärfste angegriffen. Ein erbitterter Streit um historische Wahrheit und künstlerische Gestaltung entbrannte – der Regisseur geriet in einen durch den Konflikt linker und rechter politischer Kräfte angeheizten Schmelztiegel aus Argumenten, Meinungen und Illusionen. Diese Erfahrung muss Dieterle stark getroffen und vielleicht auch aus seinem „politischen Dornröschenschlaf“, den er durch seine künstlerische Hinwendung zu Gefühl und Natur gehalten hatte, erweckt haben. War er eben noch das unfreiwillige Idol völkischer, rechtsgerichteter Kreise gewesen, wandten sich diese nun gegen ihn. Er sah sich mit einflussreichen politischen Feinden konfrontiert, die ein unparteiisches Künstlerdasein in Deutschland für ihn unmöglich machten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss dem politisch nicht ungebildeten Regisseur bewusst geworden sein, welchen ideologischen Kurs das Land künftig einschlagen würde. Diese Erfahrungen und Erkenntnisse haben sicherlich in erheblichem Maße zu seiner bereits wenige Wochen später getroffenen Entscheidung, Deutschland zu verlassen, beigetragen. Regie deutschsprachiger Filmversionen Der [Erste Welt-]Krieg hat die barbarischen Instinkte des einzelnen und der Gesamtheit gelöst in einem Maße, das vorher unvorstellbar war. Der Nationalsozialismus hat diese Barbarei kunstgerecht organisiert. […] So gut wie kampflos hat das liberale Bürgertum alle kulturellen Positionen vor ihm geräumt. Abgesehen von ein paar Arbeiterbühnen wagt kein Kino und Theater mehr ein Stück zu spielen, das den Nationalsozialisten nicht genehm ist […]. Seit einem Jahrhundert war der Geist in Deutschland nicht so unfrei wie heute. Was also die Intellektuellen und Künstler zu erwarten haben, wenn das Dritte Reich sichtbar errichtet wird? Ausrottung. Das erwarten denn auch die meisten, und wer irgend unter den Geistigen es ermöglichen kann, bereitet heute seine Auswanderung
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Die Berliner Filmprüfstelle stufte den Film zunächst als „nicht jugendfrei“ ein; daraufhin begannen die Universal Studios, einige missliebige Szenen zu schneiden. Mierendorff, William Dieterle, 58. Ebenda, 58–59.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) vor. Man hat, wenn man unter den Intellektuellen Berlins herumgeht, den Eindruck, Berlin sei eine Stadt von zukünftigen Emigranten.36
Mit diesen eindringlichen Worten schilderte der Autor Lion Feuchtwanger im Januar 1931 in der linksorientierten Zeitung Welt am Abend die sich für wachsame Beobachter nur allzu deutlich abzeichnende Zuspitzung der politischen Lage im Deutschland der untergehenden Weimarer Republik. Zu seinem Eindruck, dass sich Berlin zu einer Stadt zukünftiger Emigranten gewandelt habe, mag vielleicht auch die Abreise des Ehepaares Dieterle wenige Monate zuvor beigetragen haben. Auf einen Außenstehenden wie Feuchtwanger, mit dem Dieterle zu diesem Zeitpunkt allenfalls flüchtig bekannt war, muss der Wechsel des Regisseurs in die USA jedenfalls wie eine spontane Entscheidung – und vielleicht auch wie eine Flucht vor den zunehmend erstickenden Arbeitsbedingungen in Deutschland – gewirkt haben. Die relativ schnelle zeitliche Abfolge der Ereignisse des Frühjahrs 1930, die schließlich zu Dieterles Weggang führten, lässt tatsächlich vermuten, dass es sich bei seiner Liaison mit Hollywood nicht unbedingt um einen bereits lange gehegten Wunsch handelte. Nachdem der Regisseur im April und Mai 1930 mit der Komödie Eine Stunde Glück seinen Vertrag mit den Universal Studios erfüllt und den Wechsel vom Stummfilm zum Tonfilm außergewöhnlich mühelos vollzogen hatte, versuchten viele Unternehmen, sich seine Dienste zu sichern. Konkrete Verhandlungen führte man – so Dieterles Biographin Marta Mierendorff – mit der Welt-Tonfilm-Fabrikations GmbH über die Verfilmung des Knut HamsunRomans Pan sowie mit der Berliner Firma Silva-Hegewald-Film. Letztere Verhandlungen mussten ziemlich weit gediehen sein – Charlotte hatte angeblich eine mündliche Zusage gegeben – da die Firma noch eine Zeit lang gegen Dieterle prozessierte, als sich dieser schon in den USA befand.37 Dem im Ludwigshafener Stadtarchiv verwahrten Entwurf für seine Memoiren zufolge erreichte Dieterle das Angebot der Warner Bros. Studios tatsächlich vollkommen überraschend. Durch einen Telefonanruf, den er zunächst sogar für einen branchenüblichen Scherz hielt, wurde er Anfang Juli 1930 in das Berliner Büro des Studios bestellt und dort unerwartet mit einem äußerst lukrativen Angebot konfrontiert. Aufgrund der rasanten Verbreitung des Tonfilms drohten der amerikanischen Filmindustrie – und damit natürlich auch Warner 36 37
Lion Feuchtwanger, Ausrottung der Wissenschaft, der Kunst und des Geistes, in: Welt am Abend (21.01.1931), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC, (Hervorhebungen im Original). Dieterle wurde im Laufe des Herbstes 1930 zur Zahlung einer Entschädigung von 80.000 deutschen Mark an die Silva-Hegewald-Film verurteilt. Memorandum des Leiters der Warner Bros.-Rechtsabteilung Roy Obringer an den Rechnungsprüfer C. H. Wilder, (05.02.1931), Dieterle legal files, WBA, USC; Juristische Vereinbarung, von Dieterle unterzeichnet, (20.01.1931), Dieterle legal files, WBA, USC. Zum Prozess der Silva-Film gegen Dieterle vgl. ebenfalls: Wins $500,000 Film Suit, in: The New York Times (07.12.1930), 24.
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Bros. – quasi über Nacht beträchtliche Verluste auf dem Weltmarkt, da sie zunächst noch nicht über eine genügend ausgereifte Synchronisationstechnik verfügte. Um wenigstens einen Teil des bevorstehenden finanziellen Defizits zu kompensieren, entschloss man sich dazu, umgehend jeweils eine kleine Truppe von populären Darstellern aus verschiedenen Ländern zu verpflichten, um eine Anzahl gerade fertiggestellter Filme in deutschen, französischen und (seltener) spanischen Sprachversionen nachzudrehen. Dabei wurden dieselben Kulissen und Kostüme verwendet, der Drehplan sah allerdings nur einen Bruchteil der ursprünglichen Herstellungszeit vor.38 In den Warner Bros. Studios beauftragte man Henry Blanke, der soeben seine Stelle im Berliner Warner Bros. Büro aufgegeben hatte und als Leiter des studioeigenen foreign department wieder nach Los Angeles zurückgekehrt war, mit der Auswahl und dem Engagement geeigneter deutschsprachiger Schauspielerpersönlichkeiten. Blanke, der Dieterles Aufstieg zum Publikumsliebling im Berlin der ausgehenden zwanziger Jahre natürlich unmittelbar miterlebt hatte, schlug dem Studio vor, den „Kassenmagnet“ umgehend zu verpflichten und ihn vor Ort mit der Auswahl geeigneter Schauspieler, die willens und fähig waren, sofort nach Hollywood abzureisen, zu betrauen.39 Das daraufhin eilig zusammengestellte Vertragsangebot an Dieterle sah ihn als Hauptdarsteller in vier deutschsprachigen Spielfilmproduktionen vor, für seine Frau Charlotte war die Übernahme von Nebenrollen eingeplant. Innerhalb kürzester Zeit entschied sich das Ehepaar, das lukrative Angebot mit hohen Gagen für beide anzunehmen.40 Umgehend wurden Dieterle die Manuskripte der geplanten Produktionen zugesandt, er engagierte eine kleine Gruppe deutschsprachiger Kollegen – bestehend aus den damals recht bekannten Darstellerinnen Dita Parlo, Lissy Arna und Carla Bartheel, den Schauspielern Karl Etlinger und Anton Pointer sowie seinem Freund aus Max-Reinhardt-Jahren Wladimir Sokoloff – und reiste zügig auf dem Dampfer S. S. New York in Richtung Amerika ab. Die Gedanken, die ihn auf der Überfahrt beschäftigten, waren Dieterle noch Jahrzehnte später während der Niederschrift seiner Memoiren in lebendiger Erinnerung: Die Erwartungen, mit denen ich der neuen Aufgabe entgegensah, schwankten zwischen Freude und Zweifel. Ob ich den gewiß hohen Ansprüchen gewachsen war? Für mich hing eine Menge vom Erfolg oder Mißerfolg dieses Projektes ab. Gab es einen Fehlschlag, sollten die Filme beim Kinopublikum nicht ankommen, so war es um meinen Ruf auf dem deutschen Markt geschehen. Gelang das Experiment jedoch, und so 38 39 40
Siehe dazu: Belton/Weis, Film Sound, 27. Zur Rolle Blankes beim Engagement Dieterles siehe: Robert Joseph, William Dieterle gets Hollywood’s New Ideas, in: The Coast. News and Pictures of the West (Januar 1940), 7–9. William Dieterle Collection, Cinematic Arts Library, USC. Vertrag Dieterles mit den Warner Bros. Studios, unterzeichnet von Dieterle und dem Studiovertreter in Berlin Gus Schlesinger, (09.07.1930), Dieterle legal files, WBA, USC.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) beurteilte ich die Amerikareise, dann bot sich mir vielleicht die Chance, in Hollywood zu bleiben, allerdings unter Verzicht auf meine weitere deutsche Karriere.41
Nach seiner Ankunft in New York am 26. Juli 1930 und der Erledigung einiger Formalitäten in der dortigen Warner Bros. Studiovertretung reiste das Ehepaar Dieterle zwei Tage später mit der Bahn weiter nach Los Angeles.42 Der dortige Empfang gestaltete sich nicht ausnehmend pompös, jedoch sehr herzlich.43 Henry Blanke, der Dieterle aus seiner Berliner Zeit persönlich kannte, holte die Neuankömmlinge vom Bahnhof ab, sorgte für ihre einstweilige Unterbringung und führte sie in die deutschsprachige Kolonie Hollywoods ein.44 Neben zahlreichen Schauspielern und Regisseuren, mit denen Dieterle durch eine frühere Zusammenarbeit mehr oder weniger gut bekannt war, traf er auch einige engere Freunde wie Berthold und Salka Viertel oder Ernst Lubitsch – ein regelmäßiger Kontakt wurde wieder aufgenommen. Auch der erste Besuch Dieterles auf dem Warner Bros. Studiogelände in Burbank wurde von Henry Blanke, der wie dargelegt dort die Funktion eines inoffiziellen Verantwortlichen für alle „deutschen Angelegenheiten“ bekleidete, organisiert und betreut. Das durch die Wirtschaftskrise stark getroffene Studio hatte, wie bereits erwähnt, einen großen Teil seiner Produktionsaktivitäten eingestellt; das Gelände, das Dieterle durch seine Größe zwar beeindruckte, wirkte auf ihn gleichzeitig jedoch öde und verlassen.45 Im Zeichen der strengen Sparpolitik Harry Warners ließ man die deutschen Neuankömmlinge sofort wissen, dass die äußerst knapp bemessenen Drehpläne für die fremdsprachigen Filmversionen unbedingt einzuhalten seien. Zusammen mit der deutschen Schauspielertruppe waren jeweils noch eine französische und eine spanische Gruppe eingetroffen, die die Kulissen und Kostüme zeitlich exakt abgestimmt von ihren Vorgängern zu übernehmen hatten. Für jeden fremdsprachigen Film waren zehn Tage Drehzeit veranschlagt – eine geradezu Schwindel erregend kurze Zeitspanne angesichts der ursprünglichen Herstellungsdauer der Originalversion von sechs Wochen. Die undankbare Aufgabe der Überwachung dieses extrem rationalisierten Produktionsprozesses war Henry Blanke anvertraut worden, der gleichzeitig auch die Regie aller deutschen 41 42
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Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 47. Zunächst reiste das Ehepaar Dieterle mit einem für sechs Monate gültigen Besuchervisum ein. Auf die bei der Einreise gestellte Frage nach der geschätzten Länge des Aufenthaltes gab Dieterle eine Dauer von zwei Monaten an, die vom Studio garantierte Länge des Arbeitsvertrages. Brief des Leiters der Studio-Rechtsabteilung Roy Obringer an R. W. Perkins, First National Pictures, (06.09.1930), WBA, USC. Nachdem das Studio Dieterle eine Verlängerung des Vertrages angeboten hatte, kümmerte es sich mehrfach um eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung in den USA, jeweils um einige Monate. Briefwechsel in den Dieterle legal files, WBA, USC. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 49. Zur Entstehung der freundschaftlichen Verbindung Dieterles mit Henry Blanke im Berlin der ausgehenden zwanziger Jahre siehe: Dumont, William Dieterle, 41. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 49.
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Sprachversionen übernehmen sollte. Bereits drei Tage nach Beginn der Dreharbeiten am ersten deutschsprachigen Film Der Tanz geht weiter46 stellte sich jedoch heraus, dass Blanke der Doppelbelastung als Produzent und Regisseur aufgrund seiner Unerfahrenheit auf beiden Gebieten nicht gewachsen war. Er gab die Regie an Dieterle ab, der die neue Herausforderung dank seiner langjährigen Berufserfahrung auf diesem Sektor nicht scheute.47 Die aus einer Zwangslage heraus getroffene Entscheidung Blankes erwies sich für das Studio schnell als äußerst günstig. Dem zu diesem Zeitpunkt 37-jährigen Dieterle gelang es, seine amerikanischen Arbeitskollegen am Filmset durch seinen jungenhaften Enthusiasmus, sein joviales Wesen und vor allem sein schnelles Arbeitstempo rasch für sich zu vereinnahmen. Mit großer Diplomatie verwies er auf einige für ihn offensichtliche Verbesserungsmöglichkeiten im technischen Ablauf der Dreharbeiten, so zum Beispiel beim geradezu verschwenderischen Einsatz der Kameras: [A]lles steckte, wie gesagt, noch in den Kinderschuhen. So auch die Kameratechnik. Zumeist waren zwei, drei und mehr Kameras in derselben Szene im Einsatz. Als ich bei einer Tischszene nur eine Kamera aufstellen ließ, widersprachen die Kameraleute, und der Cutter schloß sich ihnen an. Blanke wurde gerufen und entschied, daß mit drei Kameras gedreht werden sollte. Ich beharrte jedoch auf meinem Standpunkt. Schließlich waren alle interessiert, ob ich vielleicht rechthaben könnte. […] Wir einigten uns […] zunächst mit drei Kameras und dann mit einer die Szene zu drehen. Und zu meiner großen Freude ergab sich am nächsten Tag nach Prüfung der Muster, daß es sehr wohl auch mit einer Kamera geht, wenn man, wie ich es tat, mit der Kamera schwenkt.48
Die hier von Dieterle beschriebene Methode, die man in Fachkreisen als ein „Schneiden in der Kamera“ bezeichnet, war bei Cuttern und Produzenten naturgemäß äußerst unbeliebt, da sie diesen einen reduzierten Handlungsspielraum während des Filmschnitts ließ – in dem von der Wirtschaftskrise stark beanspruchten Warner Bros. Studio zeigte man sich für eine derartige Rationalisierung der Arbeitsmaterialien jedoch empfänglich. Die Studioleitung unterbreitete dem deutschen Gast noch vor Ablauf der Dreharbeiten für seinen ersten Film durch Hal B. Wallis (der zu diesem Zeitpunkt noch die Produk46
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Bei diesem Film handelte es sich um die deutschsprachige Version der Produktion Those Who Dance unter der Regie von William Beaudine mit Monte Blue, William Boyd und Lila Lee in den Hauptrollen. Die Übersetzung des englischen Drehbuches übernahm der Filmjournalist und Autor Heinrich Fraenkel. Dumont, William Dieterle, 42. Nach Dieterles Erinnerungen bot Blanke ihm die Regie nicht erst nach drei Tagen, sondern bereits vor Beginn der Dreharbeiten an. Dieterle/ Breunig, Der Kampf um die Story, 52. Nach Mierendorff hatte Dieterles Übernahme der Regie einen anderen Grund: Blanke sei nach dem Abschluss der ersten Version erkrankt und habe Dieterle daraufhin dann ab dem zweiten Film Die Maske fällt die Regie übertragen. Mierendorff, William Dieterle, 66. Wenige Zeilen später widerspricht Mierendorff sich jedoch selbst und bezeichnet den Film Der Tanz geht weiter als Dieterles Regie-Debüt. Ebenda, 67. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 52–53.
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tionsleitung der kürzlich erworbenen First National Studios innehatte, während Darryl F. Zanuck das Stammgelände betreute) ein Angebot für eine siebenjährige Tätigkeit mit steigender Gage. Auch die amerikanischen Kritiker wussten die Fähigkeiten Dieterles nach der Premiere seines Filmdebüts – trotz deutlicher Einwände gegen ein zu konventionelles Drehbuch – zu schätzen; so las man in der New York Times: „[The] story is conventional and it occasionally drags, but it is a workmanlike job. […] and the star and director, Wilhelm Dieterle, is 100 per cent German manhood – just the way they like that sort of thing here.“49 Nach zwei weiteren soliden Erfolgen bei der Kritik mit dem Kriminalfilm Die Maske fällt und dem Ausstattungsfilm Kismet erwartete Dieterle in der letzten deutschsprachigen Spielfilmversion eine erste wirkliche schauspielerische Herausforderung. Unter der Regie des späteren Prestigeregisseurs Michael Curtiz spielte er in Dämon des Meeres, nach Herman Melvilles Roman Moby Dick, den Kapitän Ahab. Obwohl Dieterle die (deutschsprachige) schauspielerische Arbeit in Hollywood grundsätzlich Freude bereitete, sollte diese Rolle seine letzte auf amerikanischem Boden bleiben. Sein in Tondokumenten auch viele Jahre nach seiner Einwanderung noch deutlich vernehmbarer deutscher Akzent hätte das Spektrum seiner Rollen im englischsprachigen Film in einem so hohen Maße eingeschränkt, dass er (und auch das Studio) von jeglichen derartigen Versuchen absahen.50 Wie Hal B. Wallis richtig erkannte lag Dieterles Wert für das Studio in seinen Regiefähigkeiten. Seine schnelle, effektive Arbeitsweise, sein umgängliches Wesen und das (fast vollkommene) Fehlen von Starallüren51 machten ihn für ein stark hierarchisch strukturiertes Studio, dessen oberste Produktionsmaxime die wirtschaftliche Effizienz bildete, unbezahlbar. Für Dieterle – so belegen zahlreiche filmtheoretische Aufzeichnungen aus seinem Nachlass – stand stets das Werk, nicht die Persönlichkeit des Regisseurs im Vordergrund: 49
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Berlin Film Chatter, in: The New York Times (07.12.1930), 130. Obwohl der Autor der Kritik grundsätzlich positiv über die erste deutschsprachige Spielfilmproduktion der Warner Bros. Studios berichtete, äußerte er zeitgleich jedoch seine Bedenken bezüglich der finanziellen Rentabilität der neuen Produktionsstrategie. Tatsächlich gab Hollywood die Produktion fremdsprachiger Spielfilmversionen kurze Zeit später auf; der letzte Film dieser Reihe mit dem Titel Die heilige Flamme wurde 1931 unter der Regie Berthold Viertels gedreht. Dieterle assistierte seinem Freund Viertel bei der Produktion, ohne jedoch im Filmvorspann genannt zu werden. Mierendorff, William Dieterle, 69. Ein heute (wieder) relativ leicht zugängliches Tondokument Dieterles lässt sich auf einer amerikanischen DVD-Ausgabe seines biographischen Spielfilmes The Life of Emile Zola finden. Interview mit Dieterle, (aufgenommen am 08.05.1939 im Lux Radio Theater), in: William Dieterle (Regie), The Life of Emile Zola, Warner Home Video (DVD), (01.02.2005). In späteren Jahren entwickelte Dieterle – beeinflusst durch seine Frau Charlotte – einen starken Hang zur Astrologie, der sich teilweise auf seine Arbeit auswirkte. Zur Bedeutung der Astrologie in Dieterles Leben siehe zum Beispiel: Mierendorff, William Dieterle, 103; Dumont, William Dieterle, 46–47.
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I feel that the greatest professional accomplishment of a director lies in the impersonality of his work; that is, the courage, the ability and the maturity to serve his work by remaining obscure and not in misusing his task by letting off fire-works of personal vanity.52
Eine Möglichkeit, seine Regiearbeit für ein „Feuerwerk persönlicher Eitelkeit“ zu missbrauchen, hätte sich Dieterle auf der Grundlage seines ersten festen Arbeitsvertrages bei Warner Bros. ohnehin kaum geboten. Nachdem er die letzte deutschsprachige Spielfilmversion abgedreht und während eines kurzen Aufenthaltes in Deutschland seinen Berliner Hausstand aufgelöst hatte, unterzeichnete er am 20. Januar 1931 eine auf sieben Jahre ausgelegte Vereinbarung mit dem Studio, die ihn in die Reihe der regulären contract directors erhob. Die einzelnen Paragraphen dieses heute im Warner Bros. Studioarchiv verwahrten Dokumentes spiegeln die damalige Position Dieterles innerhalb der amerikanischen Filmproduktions-Maschinerie exzellent wider. Sowohl aufgrund seines juristischen Status als non-resident alien als auch aufgrund einer im Jahre 1931 noch fehlenden gewerkschaftlichen Organisation der Regisseure (diese wurde erst 1936 ins Leben gerufen) hatte er bei den Vertragsverhandlungen eine äußerst ungünstige Position – von Privilegien wie zum Beispiel einer freien Skriptwahl konnte er nur träumen: All Warner’s directors could refuse three scripts. But here is how it worked: you get a story you don’t like – out it goes; you get one you like even less – so there’s your second refusal; then you get one that’s even worse, and you begin to think that first one isn’t so bad. That’s how it worked. They were so clever at Warner’s. They knew there were many ways to skin a cat.53
Des Weiteren bedeutete die offizielle Einstufung des Arbeitsvertrages als seven-year-contract keinesfalls eine Garantie auf eine siebenjährige Beschäftigung – das Studio sicherte sich lediglich das Vorrecht, Dieterles Dienste für die entsprechende Dauer in Anspruch zu nehmen. Nach einer ersten Phase der Festanstellung von 52 Wochen – abzüglich eines zwölfwöchigen unbezahlten lay-off – folgte die zweite Phase des Vertrages, in der das Studio die Berechtigung hatte, halbjährliche Optionen auf eine Verlängerung wahrzunehmen.54 In der Realität bedeutete diese Regelung für Dieterle, dass man ihm alle sechs Monate kündigen konnte, falls seine Arbeit nicht zufriedenstellend war – der daraus resultierende Leistungsdruck war selbstverständlich immens. Ferner konnten eventuelle Komplikationen mit Dieterles Aufenthaltsgenehmigung 52 53
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Undatiertes Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 120. Vgl. auch: Mierendorff, William Dieterle, 69. Falls sich der Regisseur für keines der drei angebotenen Drehbücher entschied, wurde er vom Studio für eine gewisse Zeit (zumeist ein bis zwei Monate) suspendiert; seine Bezahlung wurde währenddessen ausgesetzt. Dumont, William Dieterle, 44. Dieterles Studiovertrag, (20.01.1931), Dieterle legal files, WBA, USC; Memorandum des Leiters der Studio-Rechtsabteilung Roy Obringer an den Rechnungsprüfer C. H. Wilder, (05.02.1931), Dieterle legal files, WBA, USC.
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jederzeit zu einem Abbruch des Vertragsverhältnisses durch das Studio führen. Hielt sich Warner Bros. somit stets einen juristisch abgesicherten Rückzugsweg offen, hatte sich Dieterle in jeder nur erdenklichen Hinsicht der „Studiofamilie“ vollends zu verschreiben. Man hatte die Möglichkeit, seine Dienste als Regisseur, Autor, Übersetzter, Schauspieler sowie als Radiosprecher uneingeschränkt in Anspruch zu nehmen – jederzeit konnte er an eine andere Filmfirma ausgeliehen werden.55 Die Rechte an allen geschaffenen künstlerischen Produkten blieben (damals) selbstverständlich im Besitz des Studios.56 Die Liste der verbrieften Rechte Dieterles hingegen gestaltete sich zu Beginn seiner amerikanischen Laufbahn noch recht kurz: Neben einem Anspruch auf screen credit (die Namensnennung im Filmvorspann, allerdings noch nicht auf einer separaten Titelkarte) blieb ihm nur die Perspektive eines jährlich um 250 Dollar steigenden Wochengehaltes von zunächst 1000 Dollar – von dem jedoch eine erhebliche Summe zur Tilgung etlicher finanzieller Verpflichtungen einbehalten wurde.57 Folgten diesem ersten Arbeitsvertrag Dieterles im Zuge seiner Regieerfolge bald neue schriftliche Vereinbarungen mit verbesserten Konditionen – ein Studiovertrag behielt damals selten über seine gesamte Laufzeit Gültigkeit, sondern stellte eher eine Verhandlungsbasis dar –, änderte sich an seinem grundlegenden Status im Studio während seiner zehnjährigen Tätigkeit nichts. Die (mit Einschränkungen vorhandene) künstlerische Freiheit seiner Berliner Jahre sollte er bei Warner Bros. nicht wieder erreichen. Zählte er mit einem in großen Schritten sich steigernden Gehalt, das in den späteren Jahren immerhin um 3000 Dollar in der Woche betrug, zu den besseren Verdienern Hollywoods, blieb er doch ein Angestellter. Charlotte Dieterle hatte zunächst vom Studio einen Schauspielervertrag für die Übernahme von Nebenrollen erhalten, dieser wurde nach der Beendigung der letzten deutschsprachigen Filmversion nicht mehr verlängert.58 Sie verlagerte ihre Energie auf die Einnahme der repräsentierenden Rolle einer typischen Hollywooder Künstlerehefrau und arbeitete – weniger typisch – auch weiterhin als Geschäftsführerin ihres Mannes. In dieser Funktion war sie in den Büros der Warner Bros. Studios ein regelmäßig gesehener Gast, der – 55 56 57
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Dieterles Studiovertrag, (20.01.1931), Dieterle legal files, WBA, USC. Ebenda. Von seinem wöchentlichen Gehalt wurden Dieterle zunächst 300 Dollar zur Abbezahlung eines Vorschusses von 5000 Dollar abgezogen, ferner 200 (später 400) Dollar zur Tilgung der Entschädigung der Silva-Film GmbH. Außerdem gingen weitere 100 Dollar an einen Berliner Agenten namens Alex Fischer, der früher für Dieterle tätig gewesen war. Memorandum des Leiters der Studio-Rechtsabteilung Roy Obringer an den Rechnungsprüfer C. H. Wilder, (05.02.1931), Dieterle legal files, WBA, USC; Brief Dieterles an Jack Warner, (19.06.1931), Dieterle legal files, WBA, USC. Charlotte Dieterle hatte jeweils eine Nebenrolle in den deutschsprachigen Filmversionen Die Maske fällt (1930, Regie: William Dieterle) und Die heilige Flamme (1931, Regie: Berthold Viertel) gespielt.
2. Dieterles Aufstieg zum Vertragsregisseur
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so vermutet die Dieterle-Biographin Marta Mierendorff – im Laufe der Jahre jedoch zunehmend lästig wurde.59 Hinweise für diese Vermutung lassen sich in den Studiounterlagen tatsächlich finden; so bat Charlotte Dieterle zum Beispiel im Jahre 1937 um eine persönliche Unterredung mit Jack Warner zwecks Klärung einer geschäftlichen Angelegenheit: „[Y]ou must realize that there are some things that can be discussed satisfactorily only with the boss, himself“.60 Warner blieb durch diese Bitte jedoch ungerührt und vermerkte handschriftlich, dass sich (wie von ihm zunächst vorgesehen) der Leiter der studioeigenen Rechtsabteilung um die Angelegenheit zu kümmern habe: „Still see Mr. Obringer.“61 Nach mehreren Jahren kontinuierlicher Auseinandersetzungen mit Charlotte Dieterle – auf die im Folgenden noch näher eingegangen werden wird – war Warner nicht dazu bereit, sich auf vermeidbare juristische Diskussionen mit ihr einzulassen. Gibt diese Begebenheit in erster Linie Auskunft über die Stellung des Ehepaares Dieterle im Studio, kann sie darüber hinaus sicherlich auch als bezeichnend gelten für das oftmals vorhandene beiderseitige Unverständnis in der geschäftlichen Verbindung emigrierter europäischer Künstler mit den großen amerikanischen Filmstudios. War Charlotte Dieterle aus ihren Berliner Jahren den Umgang mit kleineren Filmfirmen gewohnt, die (wie auch ihre eigene Charha-Film GmbH) nur über einen kleinen Mitarbeiterstab verfügten, der sich um alle Angelegenheiten persönlich kümmerte, traf sie in Hollywood auf hochgradig arbeitsteilig strukturierte Medienkonzerne. Der Leiter eines nahezu weltweit operierenden Filmstudios der – wie Jack Warner – die Verantwortung für die Produktion von mehr als sechzig Filmen jährlich zu tragen hatte, war selbstverständlich darum bemüht und auch vor seinen Aktionären dazu verpflichtet, spezifische Aufgaben den entsprechenden studioeigenen Fachleuten zu übertragen. 2. DIETERLES AUFSTIEG ZUM VERTRAGSREGISSEUR – ETABLIERUNG IN DER STUDIOPRODUKTION (1931–1934) Entwicklung zum zuverlässigen contract director Hatte Dieterle mit der Unterzeichung seines Sieben-Jahres-Vertrages im Januar 1931 zwar offiziell den Übergang in die Gruppe der Warner Bros. contract directors vollzogen, musste er sich im Anschluss daran jedoch darum bemühen, zügig seine persönliche Nische innerhalb dieser Gruppe zu finden und seinen neuen Status schnellstmöglich durch einen entsprechenden Filmerfolg zu untermauern. Seine Konkurrenz im Studio war nicht zu unterschät59 60 61
Notizen und Recherchematerialien zur Dieterle-Biographie, Marta Mierendorff Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Brief Charlotte Dieterles an Jack Warner, (26.05.1937), Dieterle legal files, WBA, USC. Ebenda.
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zen: zur Riege der sogenannten top directors (mit einer Gage von 2000–3000 Dollar wöchentlich) gehörten damals Michael Curtiz62, der in San Francisco geborene Mervyn LeRoy, der ehemalige Stunt-Flieger William A. Wellman, der in Schottland gebürtige Filmveteran Frank Lloyd, der vormals als Journalist und Drehbuchautor tätige Roy Del Ruth, der New Yorker John G. Adolfi sowie als freelancer (freischaffender Regisseur) das junge Filmtalent Howard Hawks. Die Gruppe der weniger profilierten Regisseure niedrigerer Gehaltsklassen bestand – neben Dieterle – aus dem in erster Linie auf Musicals und Komödien spezialisierten Lloyd Bacon, dem durch den ersten Tonfilm The Jazz Singer berühmt gewordenen Alan Crosland, dem ursprünglichen Cutter Ray Enright, dem kalifornischen Filmveteran Alfred E. Green sowie dem New Yorker Ex-Bühnenschauspieler Archie L. Mayo.63 Zeichnete sich innerhalb dieser Konstellation eine zukünftige Spezialisierung Dieterles auf „europäisch eingefärbte“ Filmsujets vielleicht schon ab – neben Curtiz war er bei Warner Bros. der einzige kürzlich aus Europa emigrierte Regisseur –, war dies den Beteiligten keinesfalls von Anfang an klar. In enger Zusammenarbeit mit dem Produzenten Henry Blanke, der sich schnell zu einem wichtigen Freund und Berater entwickelte, suchte Dieterle vielmehr fieberhaft nach einem geeigneten Filmstoff für sein amerikanisches Debüt. Nachdem bereits mehrere Wochen verstrichen waren, schlug Hal B. Wallis schließlich (wie so oft mit dem richtigen Gespür für das Filmgeschäft) ein Drehbuch vor, für das sich keiner der übrigen Vertragsregisseure bislang hatte erwärmen können. Die Story mit dem Titel The Last Flight, beruhend auf der teilweise autobiographischen Geschichte Single Lady des Hemingway-Epigonen John Monk Saunders, behandelte die Problematik der Reintegration amerikanischer Soldaten in das zivile Leben nach dem ersten Weltkrieg.64 Nach einer stundenlangen Besprechung mit Blanke, der das Manuskript für Dieterle mündlich ins Deutsche übersetzte, entschied dieser sich, das Projekt anzunehmen. Noch in derselben Nacht machte er sich an die Entwicklung eines Regiekonzeptes, das Blanke wiederum ins Englische übersetzte und Wallis am anderen Tag vorlegte. (Obwohl Dieterle zu diesem Zeitpunkt bereits eine Sprachlehrerin engagiert hatte, fiel ihm das Schreiben und Lesen englischer Texte noch schwer.65) Wallis zeigte sich von Dieterles Ideen beeindruckt und 62
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Michael Curtiz, (ursprünglich Mihály Kertész), (1888–1962) kam nach einer äußerst erfolgreichen Karriere in Europa im Jahre 1926 auf Einladung Harry Warners nach Hollywood; er blieb für die nächsten 26 Jahre Angestellter des Studios und wurde dort zum profiliertesten Regisseur. Zur Gruppe der Warner Bros. Vertragsregisseure im Jahre 1931 vgl.: Dumont, William Dieterle, 44. Biographien der wichtigsten Regisseure, die in den dreißiger und vierziger Jahren für Warner Bros. arbeiteten, liefert: Meyer, Warner Brothers Directors, 1978. Zur Handlung des Filmes siehe: Mordaunt Hall, An Aftermath of the War, in: The New York Times (20.08.1931), 23; Mordaunt Hall, After the Armistice, in: The New York Times (30.08.1931), X5. Mierendorff, William Dieterle, 69; Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 67.
2. Dieterles Aufstieg zum Vertragsregisseur
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veranlasste die Planung der Dreharbeiten für den April 1931 – allerdings mit einem äußerst überschaubaren Budget und einer Drehzeit von lediglich 17 Tagen.66 Versuchte das Studio dem Neuling Dieterle den Einstieg in den regulären Arbeitsalltag wann immer es möglich war zu erleichtern, war man in grundlegenden Dingen wenig kompromissbereit. Wie bereits viele europäische Regisseure vor ihm hatte er seine geringere Bedeutung für den Produktionsprozess zu akzeptieren; er resümierte in seinen autobiographischen Skizzen: Wie es für alle europäischen Regisseure schwer war, unter den in Hollywood üblichen Bedingungen zu arbeiten, so fiel es auch mir nicht leicht, mich mit diesen Verhältnissen abzufinden. In Europa hat der Regisseur den Film vom Drehbeginn bis zur Kinopremiere fest in der Hand. In Hollywood ist er nur der kleine Finger an der Hand des jeweiligen Studios. Dieses produziert den Film für bestimmte Stars, die herausgestellt und vermarktet werden. […] Auf die Besetzung der Hauptrollen kann der Regisseur […] keinen Einfluß ausüben. Derartige Vorschläge oder Einsprüche wären auch unklug, weil sie schlimme Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Stars hätten.67
Wie schon zuvor während der Produktion der deutschsprachigen Filmversionen lag Dieterles Hauptverantwortung nicht in der Mitsprache bei maßgeblichen künstlerischen Entscheidungen wie der Besetzung, sondern in der Gewährleistung reibungsloser und plangemäß verlaufender Dreharbeiten. Um dieser Aufgabe trotz seiner noch gravierenden Eingewöhnungs- und Sprachschwierigkeiten Herr zu werden, verfeinerte Dieterle seine – schon in der Vergangenheit praktizierte – Arbeitsmethode, jedes Detail seiner Regiearbeit im Vorfeld minutiös zu durchdenken. Wie auch sein Lehrmeister Max Reinhardt fertigte er ein umfangreiches Regiebuch an, in dem er Regieanweisungen, Skizzen der Kamerafahrten, Blickwinkel der Kamera und Tempi eigenhändig Einstellung um Einstellung einzeichnete.68 Diese zunächst als Überlebensstrategie im neuen amerikanischen Umfeld notwendige Verfahrensweise wurde von Dieterle während seiner gesamten Vertragslaufzeit in den Warner Bros. Studios beibehalten und in der Vorbereitung seiner Filmbiographien noch verfeinert; seine heute im Archiv der Deutschen Kinemathek verwahrten Regiebücher belegen diese Entwicklung anschaulich.69 Die eigentlichen Dreharbeiten liefen dann gleich einem Uhrwerk zumeist ohne größere Verzö66 67 68 69
Dumont, William Dieterle, 44. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 70. Ferner lernte er sämtliche Dialoge auswendig. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 72. Dieterles gebundene Regiebücher, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Die minutiöse Vorbereitung Dieterles auf die Dreharbeiten seiner Filme wurde auch von dem deutschen Journalist und Schriftsteller Curt Riess explizit gelobt. In einem Artikel mit dem Titel Entertainment can be intelligent berichtete Riess im Jahre 1940 über die monatelange Vorbereitung, die Dieterle jeweils in seine Filmprojekte investierte. Curt Riess, Entertainment can be intelligent, (16.01.1940), Typoskript, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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gerungen ab – noch viele Jahre später verlieh Dieterle seiner großen Bewunderung für die hohe Professionalität und Arbeitsmoral der amerikanischen Studiomitarbeiter Ausdruck: Bei den Dreharbeiten lernte ich die große Überlegenheit der amerikanischen gegenüber der europäischen Filmproduktion kennen. Wer es nicht erlebte, wird es kaum verstehen. Wie alles minutiös vorbereitet wird und reibungslos danach abläuft, ist bewunderungswürdig. Kein Geschrei und keine Rennerei, alles verläuft ruhig und überlegt. Die in Deutschland bald nach Arbeitsbeginn ärgerliche Brotzeit entfällt, wer Kaffee will, holt sich eine Tasse aus der immer bereitstehenden großen Kanne, aber die Tätigkeit wird nicht unterbrochen. Nach der ersten Einstellung meldet der Assistent dem Betriebsbüro, daß die Kamera läuft, wie er auch jede größere oder unvorhergesehene Verzögerung mitteilen muß. Zur Lunchzeit gehen alle Mitarbeiter in die Kantine. Wenn mehrere Kompanien drehen, wird abwechslungsweise die Arbeit unterbrochen, damit es in der Kantine keine unnötigen Wartezeiten gibt. Nach einstündiger Pause werden die Dreharbeiten bis 6 Uhr abends fortgesetzt. Es gibt auch Überstunden, insbesondere samstags, wenn eine Kompanie im Zeitplan zurückliegt, denn dieser muß unbedingt eingehalten werden.70
Der hier von Dieterle charakterisierte hocheffiziente Ablauf der Dreharbeiten wurde durch einen klar hierarchisch strukturierten Produktionsapparat gewährleistet – basierend auf den Prinzipien der Arbeitsteilung, Spezialisierung und vor allem der Kontrolle. War ein Drehbuch durch Jack Warner und den Produktionsleiter Zanuck (beziehungsweise Wallis) einmal abgesegnet worden, durchlief es danach einen perfekt konzipierten Produktionsablauf. Zunächst errechnete das budget department in Rücksprache mit dem Produktionsleiter ein für das Projekt angemessenes Budget, das (wie ein Kostenvoranschlag) sämtliche Ausgaben für Schauspielergagen, Kulissen und Kostüme etc. antizipierte. Wurde diese Kalkulation durch Jack Warner anschließend genehmigt, war sie für alle beteiligten Mitarbeiter verbindlich; Überschreitungen wurden scharf geahndet. Ferner legte die Studioleitung eine maximale Anzahl von Drehtagen fest, aus der sich ein jeweiliges Tagespensum ergab, das entweder in Drehbuchseiten oder Filmminuten angegeben war. Im Durchschnitt wurde bei Warner Bros. für die damals typischen kostengünstigen Produktionen der beginnenden dreißiger Jahre eine Gesamtdrehzeit von 20–25 Tagen angesetzt, mit einem Tagespensum von etwa fünf Drehbuchseiten oder vier Filmminuten. Während der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre – im Zuge der Investition in aufwendige Prestigeproduktionen – verkleinerte sich das eingeplante Tagespensum und pendelte sich auf einen durchschnittlichen Wert von zweieinhalb Filmminuten ein.71 Den im Warner Bros. Archiv erhaltenen Produktionsakten zufolge gelang es Dieterle recht gut, diese Vorgaben zu erfüllen; er drehte täglich zwischen zwei und fünf Minuten Filmmaterial.72 70 71 72
Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 69–70. Dumont, William Dieterle, 45. Daily production and progress reports der Dieterle-Filme, WBA, USC.
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Hatten die Dreharbeiten schließlich begonnen, oblag die tägliche Kontrolle des Budgets und des Zeitplanes dem Betriebsbüro (front office) des Studios, namentlich dem production manager. In den dreißiger Jahren wurde diese Funktion lange Zeit durch den in New York geborenen Tennant C. (Tenny) Wright bekleidet, der während der zwanziger Jahre für mehrere Studios als Regieassistent tätig gewesen war, bevor er zu Warner Bros. wechselte. Wright unterstanden eine Reihe von unit managern, die während der gesamten Dreharbeiten am Filmset zugegen waren und akribisch alle Vorgänge festzuhalten hatten. In einem sogenannten daily production and progress report wurden für den production manager alle wichtigen Fragen beantwortet, so zum Beispiel: Welche Schauspieler waren am Filmset zugegen und wie lange? Probten sie lediglich, wurde mit ihnen wirklich gedreht, oder mussten sie sich eventuell nur bereithalten? Welche anderen Mitarbeiter waren am Filmset? Wann ging man zum Lunch? Wie viele Minuten Film beziehungsweise wie viele Drehbuchseiten wurden gedreht? Kam es zu Verzögerungen im Ablauf oder traf einer der Künstler zu spät am Filmset ein, mussten die Gründe dafür vermerkt werden. Den Abschluss eines jeden Berichtes bildeten der Vergleich mit dem angesetzten Drehplan und der Vermerk eines (eventuell bestehenden) Rückstandes.73 Kam es zu außergewöhnlichen Konflikten am Filmset oder zu einer nennenswerten Verzögerung im Drehplan, wandte sich der production manager an den associate producer des jeweiligen Filmprojektes sowie – bei gravierenderen Problemen – an den Produktionsleiter. Das „Donnerwetter“ für den Filmregisseur ließ zumeist nicht lange auf sich warten. Waren die Dreharbeiten abgeschlossen, hatte sich der Regisseur in der Regel sofort einem anderen Projekt zuzuwenden, ein Umstand, der jegliche Einflussnahme auf den Filmschnitt per se verunmöglichte. Das Material wechselte in die Hände der Filmcutter, die es in Rücksprache mit dem Produktionsleiter bearbeiteten; insbesondere emigrierte europäische Regisseure waren, so Dieterle, über diese Praxis wenig erfreut: Sobald der Film fertiggestellt ist, kann der Regisseur auf die weiteren Arbeitsvorgänge keinen Einfluß mehr nehmen. Er darf zwar den ersten Schnitt seines Werkes sehen, was aber wenig besagt, denn bis zur Uraufführung ist es noch ein langer Weg. So kann es geschehen, daß der Regisseur seinen Film zu ersten Mal bei der Preview oder bei der Premiere sieht – für europäische Verhältnisse undenkbar. Denn nach dem letzten Drehtag beginnt für den echten Regisseur erst die eigentliche Filmarbeit. Die Montage ist für ihn das wesentliche Element, das die Qualität des Filmes bestimmt. […] Die Zustände bei der Filmmontage in Hollywood waren deshalb auch überwiegend der Konfliktstoff zwischen den amerikanischen Produzenten und den europäischen Regisseuren.74
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Daily production and progress reports, WBA, USC. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 70–71.
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Bedeutete der soeben skizzierte Produktionsablauf in den Warner Bros. Studios natürlich eine große Umstellung für Dieterle, der in seinen letzten Berliner Jahren immerhin eine relative künstlerische Freiheit genossen hatte, gelang es ihm überraschend schnell, sich einzufügen. Aufgrund seiner minutiösen Vorbereitung und seiner bereits gesammelten Erfahrungen während der hastigen Produktion der deutschsprachigen Filmversionen gingen die Dreharbeiten des Filmes The Last Flight problemlos vonstatten. Trotz des enormen Druckes, den die Überwachung durch den production manager ohne Frage bei ihm ausgelöst haben musste, erlangte er schnell den Ruf, fleißig, wendig und vor allem zügig zu arbeiten. Wurde ihm zu Beginn aufgrund seiner fehlenden Englischkenntnisse noch ein Dialog-Regisseur zur Seite gestellt, war dies bald nicht mehr notwendig, da er schnelle Lernfortschritte machte. Ferner sprach sich sein außergewöhnliches technisches Können schnell im Studio herum (man hatte ihm aus Kostengründen abermals erlaubt, mit einer Kamera zu drehen und dabei zu schwenken), so dass man später häufig an ihn herantrat, wenn es galt, neue Produktionsmethoden und Materialien zu erproben. Das künstlerische Ergebnis war mehr als zufriedenstellend; aufgrund der für Dieterle neuen amerikanischen Arbeitsbedingungen – und vielleicht auch aufgrund der verschärften Kontrolle durch das Studio – trat eine Veränderung in seiner künstlerischen Signatur zutage, die Filmwissenschaftler heute als durchaus positiv erachten. Empfindet man seine deutschen Stummfilme oft als etwas schwerblütig, erreichte der Regisseur mit The Last Flight eine stilistische Eleganz, die ihn in die Reihe der größeren Filmregisseure erhob.75 Auch Dieterle selbst spürte die positive Veränderung, die sich nach seinem Wechsel in die USA vollzogen hatte; in vielen späteren Interviews bezeichnete er The Last Flight als einen seiner außergewöhnlichsten und besten Filme.76 Nachdem Dieterle mit seinem Filmdebüt die führenden zeitgenössischen Kritiker des Landes auf sich aufmerksam gemacht hatte77, wählte das Studio für ihn im Anschluss ein – wie sich herausstellte – vollkommen ungeeignetes zweites Projekt. Vielleicht an die Erfolge Ernst Lubitschs im Genre der leichten, europäisch eingefärbten Komödie denkend beauftragte man den manchmal etwas trocken wirkenden Pfälzer mit dem Ausstattungsfilm Her Majesty Love, einer Adaption des deutschsprachigen Stoffes Ihre Majestät die Liebe von Rudolf Bernauer und Rudolf Oesterreicher. Die Rezensenten empfanden 75 76 77
Dieser Meinung ist zum Beispiel der Schweizer Filmhistoriker Hervé Dumont. Dumont, William Dieterle, 44; Brief Hervé Dumonts an Marta Mierendorff, (Lausanne, 13.11.1983), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Vgl. zum Beispiel: Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 116. Zur positiven Resonanz auf den Film siehe zum Beispiel: Mordaunt Hall, An Aftermath of the War, in: The New York Times (20.08.1931), 23; Mordaunt Hall, After the Armistice, in: The New York Times (30.08.1931), X5; Dumont, William Dieterle, 49.
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die Umsetzung als zu schwer und zu deutsch – auch der etablierte Komödienstar W. C. Fields, den das Studio mit der Hauptrolle betraut hatte, konnte den Film nicht retten.78 Dieterle erkannte, dass er langfristig eine Verbesserung seiner Vertragskonditionen anzustreben hatte, falls er sich dauerhaft in Hollywood behaupten wollte. Nur durch eine Mitsprache bei der Skriptwahl konnte er sich wirksam gegen schlechte oder für ihn ungeeignete Filmstorys wehren; harte Verhandlungen, denen seine Frau keinesfalls allein gewachsen war, standen unweigerlich bevor. Um für diese kommende Herausforderung gewappnet zu sein, wandte sich der Regisseur – auf Anraten des Schauspielers Richard Barthelmess – an den Agenten Myron Selznick, den älteren Bruder des späteren Hollywoodmoguls David O. Selznick. Dieser war zur damaligen Zeit einer der einflussreichsten Männer Hollywoods, der für seine Klienten hervorragende Konditionen aushandelte. Nach einigen Sondierungsgesprächen wurde man sich einig – sehr zum Missfallen Jack Warners. Dieterle erinnerte sich in seinen autobiographischen Skizzen: Als Warner davon erfuhr, war er sehr zornig. Er und nicht Selznick habe mich von Europa nach Hollywood gebracht und er werde keinesfalls mit einem Agenten über meinen Vertrag verhandeln, […]. Selznick bekam Studioverbot, worüber er indessen nur lachen konnte. Zwar war Warner als Studiochef sehr mächtig, doch Selznick war als Agent nicht weniger mächtig.79
Versetzte dieser Wutausbruch Warners, der als sehr bezeichnend für seinen herrischen Besitzanspruch gegenüber seiner deutschen „Regie-Entdeckung“ gelten kann, den Neuankömmling Dieterle zunächst in eine sehr unangenehme Situation, trat schnell wieder eine Entspannung der Lage ein. Nachdem der Studioleiter erkannt hatte, dass der Regisseur nicht eine sofortige Veränderung der bestehenden finanziellen Vereinbarung anstrebte, beruhigte er sich wieder.80 Dieterle behielt seinen Agenten, der sich in den späteren Jahren tatsächlich noch als nützlich erweisen sollte, und engagierte im Herbst 1938 sogar noch einen zweiten Interessenvertreter. Er wurde Klient der soeben gegründeten Paul Kohner Talent Agency, die ab dem Zeitpunkt die Vertragskonditionen seiner loan-outs an andere Filmstudios verhandelte. Für einen Anteil von zehn Prozent an allen ausgehandelten Vergütungen verpflichtete Kohner sich, nach geeigneten Projekten anderer Filmfilmen Umschau zu halten und Dieterle bei deren Begutachtung zu beraten. Mit dem Ende des festen Anstellungsverhältnisses bei Warner Bros. im Jahre 1940 endete jedoch auch die Übereinkunft mit Kohner.81
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Zur Produktion des Filmes siehe: Dumont, William Dieterle, 50. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 74. Ebenda, 77. Vertragliche Vereinbarung William Dieterles mit der Paul Kohner Talent Agency, (01.10.1938), Unterlagen der Paul Kohner Talent Agency, Kinemathek Berlin.
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Erlitt Dieterle durch die negative Reaktion auf den Film Her Majesty Love gegen Ende des Jahres 1931 einen spürbaren Rückschlag, betrieb er seine berufliche und private Integration in das neue amerikanische Umfeld dennoch unbeirrt weiter. Vom 3. auf den 4. November 1931 unternahmen er und seine Frau eine Reise nach Mexiko, um legal einzuwandern und ein reguläres Quoten-Visum zu erhalten.82 Sie erlangten einen neuen juristischen Status als resident aliens und beantragten am 10. Februar 1932 ihre Einbürgerung.83 Ein nur wenige Autominuten süd-westlich des Studiogeländes gelegenes Haus wurde gemietet, das sich wie auch die Anwesen Ernst Lubitschs und Salka Viertels rasch zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt der deutschsprachigen Hollywood-Kolonie entwickelte.84 Voller Zuversicht blickte Dieterle auf seine künftige Tätigkeit in Hollywood; wie schon anderen zuvor, musste doch auch ihm eine erfolgreiche Integration gelingen können. Lediglich ein wenig Geduld, Diplomatie und Respekt vor den amerikanischen Kollegen waren gefragt: Schließlich fand sich auch Lubitsch zurecht, warum sollte es mir nicht gelingen? Es mußte doch möglich sein, diesen gigantischen Apparat so in den Griff zu bekommen, daß ich nicht sein Sklave bleibe, sondern sein Meister werde. Und ich möchte behaupten, daß ich es erreichte, nach Belieben schalten und walten zu können, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Doch ging es nicht von heute auf morgen. Man brauchte Geduld. Mit Gewalt und Krach war überhaupt nichts zu gewinnen. Der Hauptfehler der deutschen Regisseure in Hollywood war, daß sie den Amerikanern zeigen wollten, wie man Filme macht – eine große Dummheit! Ich sagte meinen europäischen Kollegen oft, wenn sie mir ihr Leid klagten: „Menschenskinder, die haben vor uns Filme gemacht und werden auch noch nach uns Filme machen, die brauchen uns nicht.“85
Ermüdende Routine in der low budget Produktion Konnte Dieterle gegen Ende 1931 dank des Überraschungserfolges mit The Last Flight eine recht positive Bilanz bezüglich seines ersten Jahres als Vertragsregisseur bei Warner Bros. ziehen, hatte sich jedoch bereits einige Zeit zuvor eine studiointerne Umstrukturierung angebahnt, die sich unmittelbar auf seine Arbeit auswirken sollte. Nachdem etwa drei Jahre seit dem Ankauf der First National Studios in Burbank vergangen waren, beschloss Jack Warner, dass es nicht zuletzt aufgrund der sich verschärfenden Wirtschaftskrise an der Zeit war, die erworbene Firma organisatorisch stärker in das ursprüngliche
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William Dieterles Reisepass aus den dreißiger Jahren, William Dieterle Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Briefwechsel in den Dieterle legal files aus den Jahren 1930–1931, WBA, USC. In dem Haus mit der Adresse 3351, North Knoll Drive hatte zuvor für kurze Zeit die emigrierte Autorin Vicky Baum gelebt. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 74. Ebenda, 71.
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Stammunternehmen einzubinden.86 Aus diesem Grund fasste er die Produktionsleitung beider Firmen, die zuvor von Darryl F. Zanuck bei Warner Bros. und Hal B. Wallis bei First National Pictures getrennt ausgeführt worden war, in einer einzelnen Stelle zusammen. Den neuen Posten erhielt Zanuck; Wallis hatte das Nachsehen, seine Position wurde auf die eines Produzenten herabgestuft.87 Für Dieterle, der seine ersten Filme in Hollywood ausschließlich in den First National Studios und damit unter Wallis’ Ägide gedreht hatte, bedeutete diese Umstrukturierung, dass er fortan unter der Oberaufsicht eines anderen Produktionsleiters stand. Hatte er sich mit Wallis, den er als „freundlich, aber kühl und zurückhaltend“88 charakterisierte, recht gut arrangiert, stieß er bei Zanuck auf ein hitzigeres Gemüt und einen größeren Kritiker seiner Arbeitsweise. Im Zuge der bereits charakterisierten krisenbedingten Sparpolitik des Studios und der von Zanuck initiierten Rückbesinnung auf den common man konzentrierte man sich mehr und mehr auf die Produktion sogenannter B-pictures (oder auch programmers) – Filme mit einem begrenzten Budget zwischen 150.000 Dollar und 260.000 Dollar und einer Dauer von sechzig bis 75 Minuten, die in den Kinos zumeist als double feature gezeigt wurden.89 Wurden die B-pictures bezüglich ihrer Besetzung, Ausstattung und Filmtechnik durchaus ernst genommen, sparte man an den Drehbüchern, die die Autoren meist nur zum Zwecke einer schnellen Unterhaltung wenig gewissenhaft „zusammenschusterten“. Dieterle wurde – noch immer als Neuling im Studio geltend – von Zanuck auf die Produktion dieser Streifen spezialisiert. Innerhalb einer Zeitspanne von knapp drei Jahren (bis zum Beginn des Projektes A Midsummer Night’s Dream im Herbst 1934) drehte er nicht weniger als 17 derartige Filme, unter denen sich kein einziger befand, der ihn künstlerisch zufriedenstellte.90 An dem Credo festhaltend, dass ein Regisseur immer nur so gut sein konnte wie sein Filmskript, litt er unter der Sparpolitik des Studios, die eine Produktion aufwendigerer Werke und den Ankauf guter Drehbuchvorlagen bis auf Weiteres nicht vorsah. Anders als zum Beispiel Michael Curtiz, der manchmal im Stande war, aus einem katastrophalen Skript noch einen brauchbaren Film herauszuholen, war Dieterle auf gutes Material grundsätzlich angewiesen. In der Rückschau auf sein gesamtes Œeuvre lagen seine Spezifikation und Stärke stets mehr in der Themenwahl und einer exakt auf die Stimmung 86 87 88 89 90
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden Studios nahezu unabhängig voneinander operiert. Wallis/Higham, Starmaker, 19–20. Ebenda. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 52. Dumont, William Dieterle, 44. Jährlich veröffentlichte das Studio zwischen fünfzig und sechzig dieser schnellen Fließbandproduktionen, so dass nahezu jede Woche ein neuer Film herauskam. Ebenda. Drei dieser 17 Filme entstanden in den Fox-Filmstudios, an die Dieterle als Regisseur ausgeliehen wurde: Six Hours to Live (1932), Adorable (1933) sowie The Devil’s in Love (1933). Zu Dieterles Erfahrungen in den Fox-Filmstudios siehe: Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 89–92.
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des Stoffes abgestimmten Herangehensweise, als in seinem Regiestil, der eher viele Einflüsse unterschiedlicher Richtungen offenbarte, statt eine vollkommen neue eigene Sprache zu definieren.91 Mehr als einmal trug sich Dieterle in dieser Zeit mit dem Gedanken, den Arbeitgeber zu wechseln: Immer mehr wurde mir bewußt, daß meine tatsächlichen Fähigkeiten nicht zur Geltung kommen konnten. Schließlich fragte ich mich, ob Warner Brothers für mich die richtige Filmgesellschaft war. Metro-Goldwyn-Mayer und Paramount hatten jedenfalls ein höheres Niveau. Aber nach einer Lagebesprechung mit meinem Agenten Selznick sah ich ein, daß nur ein neuer Erfolg meine Chancen entweder bei Warner Brothers oder einem anderen Studio verbessern konnte. In der damaligen Situation zu wechseln, wäre unklug gewesen. Ich hätte einen völligen Neuanfang riskiert. Zu einem herausragenden Film bedurfte es allerdings zunächst einer guten Story, die jedoch bei einem Unternehmen, das vorwiegend Gangster- und Musicalfilme produzierte, kaum zu erwarten war.92
Insbesondere das Jahr 1932 wurde für Dieterle zu einer harten Bewährungsprobe. Unter dem Druck eines Rekord-Defizits von über 14 Millionen Dollar93 griff das Studio zu immer rigideren Sparmaßnahmen, die Zanuck zu einer hastigen und improvisatorisch anmutenden Arbeitsweise zwangen. Das schon vor der Wirtschaftskrise oft halsbrecherische Produktionstempo wurde gesteigert, Dreharbeiten wurden übereilt und ohne fertiges Drehbuch begonnen. Für Dieterle persönlich spitzten sich die Bedingungen zu, als man ihn zwang, den Film The Crash (eine Beziehungsgeschichte mit dem Broadwaystar Ruth Chatterton) mit lediglich zehn fertigen Skriptseiten zu beginnen. Der Regisseur und die Darsteller versuchten sich in der Story zurechtzufinden, täglich „flatterten“ neue Drehbuchseiten herbei. Nach etwa einer Woche ließ Zanuck Dieterle zu sich kommen und eröffnete ihm ohne nähere Erläuterungen, dass er höchst unzufrieden mit den dailies sei und deshalb einen Co-Regisseur mit der Überwachung der Arbeiten beauftragt habe. Dieterle empfand dieses Vorgehen als große und vor allem ungerechtfertigte Demütigung und bewertete die Begebenheit aus der Rückschau als einen absoluten Tiefpunkt in seiner amerikanischen Laufbahn.94 Sollte sich die Situation nach kurzer Zeit vor allem durch die Fürsprache des Co-Regisseurs Ray Enright wieder entspannen, warf diese Begebenheit dennoch ein entlarvendes Licht auf die Haltung Zanucks gegenüber Dieterle. Der Produktionsleiter war dem europäischen Neuling gegenüber skeptisch und missbilligte – wie zahlreiche Studio-Memoranden belegen – seine Praxis „in der Kamera zu schneiden“. 91
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So erkennt der Filmhistoriker Hervé Dumont in Dieterles Werk zum Beispiel Einflüsse der Romantik und des Jugendstils, Einflüsse der Regisseure Leopold Jessner und Max Reinhardt sowie (insbesondere im Gebrauch der Großaufnahmen) Einflüsse russischer Filmkünstler. Brief Hervé Dumonts an Marta Mierendorff, (Lausanne, 30.01.1982), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 78. Warner Sperling, The Brothers Warner, 160; Gomery, The Hollywood Studio System, 102. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 78–84.
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Wiederholt forderte er zusätzliche shots, um den Cuttern im Scheideraum bessere Auswahlmöglichkeiten zu bieten und ein höheres Tempo des Filmes zu gewährleisten.95 Der Regisseur versuchte die Wünsche Zanucks trotz der sich zunehmend verschlechternden Arbeitsbedingungen möglichst zu erfüllen und sich in Geduld zu üben; an die Verwirklichung eines anspruchsvolleren Filmprojekts – das war mittlerweile deutlich geworden – konnte man nur nach einer Entspannung der wirtschaftlichen Situation denken. Zunächst war von einer derartigen Entspannung jedoch noch nichts zu spüren; die Depression hatte sich zu Beginn des Jahres 1933 in Hollywood so dramatisch zugespitzt, dass man verzweifelte Sparmaßnahmen einleitete. In Abstimmung mit der Academy of Motion Picture Arts and Sciences wurden studioübergreifende Gehaltskürzungen von bis zu fünfzig Prozent veranlasst, von denen auch Dieterle nicht verschont blieb. Nach eigenen Angaben wirkten sich diese Kürzungen für ihn jedoch besonders negativ aus, da er zu diesem Zeitpunkt (im Frühjahr 1933) bereits mit der finanziellen Unterstützung deutscher Flüchtlinge begonnen hatte.96 Lediglich eine günstige Entwicklung ergab sich aus der für ihn ansonsten wenig zu begrüßenden Lage im Studio: Der Produktionsleiter Zanuck nutzte die verordnete Gehaltskürzung als Vorwand für eine von ihm bereits länger geplante Lösung seines Vertragsverhältnisses mit Warner Bros. und wechselte in die Führungsspitze der Fox-Filmstudios.97 Der zuvor etwas unsanft „degradierte“ Hal B. Wallis übernahm im April 1933 die Gesamtleitung der Studioproduktion und war somit fortan wieder für die Betreuung aller Filme Dieterles verantwortlich: Von nun an arbeitete ich wieder eng mit Wallis zusammen. Er war sehr fleißig und geradezu filmbesessen. Der Film war sein Leben. Völlig im Gegensatz zu Zanuck, für den es nur darum ging, viel Geld zu machen und sein Image aufzupeppen. […] Bei ihm [Wallis] waren die Manuskripte zum Drehbeginn fertig, nicht wie bei Zanuck, der mit halbfertigen Drehbüchern anfangen ließ.98
Genoss Dieterle nach Zanucks Kündigung zwar die Kooperation mit einem verlässlicheren Produktionsleiter, der ihm grundsätzlich wohlgesonnen war, blieben die Wirtschaftkrise und die sich daraus ergebenden Sparmaßnahmen weiterhin der bestimmende Faktor in seiner Tätigkeit für die Warner Bros. Studios. 95
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Vgl. zum Beispiel: Memorandum Darryl F. Zanucks an William Dieterle, (18.01.1932), Arbeitstitel des Filmes: Working Wives, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Das hohe Tempo entwickelte sich wie erwähnt zu einem wichtigen Bestandteil des von Zanuck entwickelten house styles der frühen dreißiger Jahre; mehrfach ermahnte der Produktionsleiter die unter Vertrag stehenden Regisseure, das Tempo des gedrehten Materials zu steigern. Siehe zum Beispiel: Memorandum Darryl F. Zanucks an alle Regisseure und Produzenten, (17.02.1933), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 104. Zu den Gehaltskürzungen bei Warner Bros. vgl.: Kapitel I/2 (Abschn. 1) dieser Arbeit. Zu Zanucks Zerwürfnis mit Warner Bros. siehe: Wallis/Higham, Starmaker, 28. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 102.
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In schneller Folge und ohne besonderen künstlerischen Enthusiasmus drehte er niedrig budgetierte zweitklassige Filme, die seinen Namen zwar landesweit bekannt machten, ihm aber keinesfalls zu einem wirklichen Durchbruch verhelfen konnten. Lediglich die Zusammenarbeit mit einigen hervorragenden Schauspielern wie William Powell, Douglas Fairbanks Jr., Kay Francis oder Barbara Stanwyck bildete einen Lichtblick in der ansonsten ermüdenden Routinearbeit. Auf die persönlichen thematischen Vorlieben Dieterles konnte und wollte auch Wallis angesichts der angespannten Wirtschaftslage nicht eingehen; je nach Bedarf hatte der Regisseur Komödien, Dramen, Abenteuer- und Ausstattungsfilme oder Kriminalfilme zu drehen. Ein aus heutiger Sicht wohl besonders unpassend anmutender Auftrag erfolgte im Herbst 1933 – der Modefilm Fashions of 1934 mit den Hauptdarstellern William Powell und (einer in ihrer Rolle vollkommen deplatzierten) Bette Davis. Die Handlung wirkt oberflächlich und bildet nur einen unbeholfen konstruierten Rahmen zur Präsentation aufwendiger Roben gemäß der neuesten damaligen Mode: Ein charmanter Gauner-Geschäftsmann (William Powell) etabliert mit Hilfe seiner Sekretärin (Bette Davis) einen internationalen Modespionagering – exklusive Pariser Modelle werden kopiert und in amerikanischen Kaufhäusern verramscht. Das kriminelle Duo schleicht sich in die Pariser Gesellschaft ein, gründet ein eigenes gut gehendes Modehaus und stellt eine Revue auf die Beine – eigens zu dem Zweck, eine riesige Menge günstig erworbener Straußenfedern zu verkaufen. Das Zentrum des Filmes bildet eine ca. siebenminütige Revue-Szene, konzipiert von dem bei Warner Bros. unter Vertrag stehenden Choreographen Busby Berkeley. Ein Blick in die heute im Warner Bros. Studioarchiv verwahrten Produktionsakten dieses Filmes gibt Hinweise auf die erschwerten Bedingungen, unter denen Dieterle und seine Kollegen in der damaligen Zeit aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation zu arbeiten hatten.99 Dem alles dominierenden Primat der Kostensenkung streng unterworfen, hatten sie dennoch eine solide Leistung zu vollbringen, die sowohl die kritische Studioleitung als auch ein zunehmend verwöhntes Publikum zufriedenstellte. Halbwegs gute Filme in möglichst billiger Verpackung waren gefragt. Selbst der einflussreiche Produktionsleiter Wallis wurde von dem für die Überwachung des Budgets zuständigen general studio manager William Koenig an die Einhaltung der mit 200.000 Dollar verhältnismäßig niedrig angesetzten Produktionskosten erinnert.100 Wallis wiederum gab den auf ihn ausgeübten Druck an den associate producer des Projektes, Henry 99 Der Film wurde in 25 Tagen zwischen dem 16. Oktober und dem 22. November 1933 gedreht. Daily production and progress reports, Fashions of 1934 papers, WBA, USC. 100 Memorandum des general studio managers William Koenig an Hal Wallis, (03.10.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. Ursprünglich war für den Film ein benötigtes Budget von 247.000 Dollar errechnet worden, das die Studioleitung jedoch nicht genehmigte und auf 200.000 Dollar herunterkorrigierte. Man einigte sich schließlich auf ein Budget von 225.000 Dollar. Memorandum William Koenigs an Hal Wallis, (12.10.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC.
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Blanke, und an den Regisseur Dieterle weiter; insbesondere bezüglich der Filmset-Konstruktionen konnte man seiner Meinung nach deutliche Einsparungen vornehmen, die er in erzürnten Memoranden wiederholt forderte.101 Obwohl Blanke den Produktionsleiter an die ursprünglich intendierte Grundkonzeption des Filmes als eine „Augenweide“ für das (vornehmlich weibliche) Publikum erinnerte und vor „unbedachten Einsparungen“ warnte102, musste er sich letztendlich doch den finanziellen Vorgaben durch das Studio fügen. Die Kulissen der Spielszenen wurden überwiegend schlicht gehalten; wirklich opulent ausgestattet war lediglich die Revue-Szene, in der das studioeigene Ballett – gehüllt in Straußenfedern – in choreographisch aufwendigen Tanzformationen zu sehen war.103 Auch die Ausarbeitung der Dialoge trat zugunsten der Optik des Filmes in den Hintergrund; während der Dreharbeiten versuchte Wallis aus Gründen der Zeitersparnis Blanke und Dieterle an jeglicher nachträglicher Überarbeitung des Drehbuches zu hindern.104 In deutlichem Ton wies er Dieterle, der offensichtlich unzufrieden mit dem Skript war und einige Veränderungen veranlasst hatte, zurecht. Im Falle eines Filmes wie Fashions of 1934 sei es schlichtweg unangebracht, den Produzenten und den Autor unentwegt mit Skript-Überarbeitungen zu beschäftigen und damit von ihren anderen Aufgaben abzuhalten: I am somewhat concerned over the reports that I am getting about the continual re-writing of scenes on the set. […] I, personally, don’t know why it should be necessary for you to send out S. O. S calls for Blanke and for the writer every day to come down and re-write scenes. From now on I want you to stop this and shoot the script as you have it as I, personally, see no radical improvements as a result of the daily conferences and re-writing that you have been having. […] Please don’t send for Blanke or Hugh Herbert anymore during the picture unless it is something really important as Herbert is writing another script and I don’t want to be pulling him off every day and Blanke also has six or eight other pictures to look after. This is an absurd idea that we have to be changing lines every day on the script as we are not doing it on any other picture and I don’t see why it should be necessary on this one.105 101 Siehe zum Beispiel: Memorandum Hal Wallis’ an William Koenig, (20.10.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. 102 Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (10.10.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. 103 Zur Choreographie Busby Berkeleys siehe: Dumont, William Dieterle, 56. 104 Bereits einige Wochen vor Drehbeginn wurde Wallis durch die am Skript beteiligten Autoren auf die Unzufriedenheit Dieterles und Blankes mit dem Drehbuch aufmerksam gemacht. Sie sorgten sich, dass Dieterle und Blanke durch ihre Änderungen am Skript die Leichtigkeit und den Unterhaltungswert der Dialoge mindern könnten: „Therefore, we beg you to give the whole matter your most serious consideration – before you allow them to throw the whole thing away and change it into a ‚great human document‘“. Memorandum der Autoren Gene Markey und Kathryn Scola an Hal Wallis, (19.09.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. 105 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (04.11.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. Vgl. auch: Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (21.11.1933), Fashions of 1934 papers, WBA, USC.
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Die von Dieterle bereits während der Dreharbeiten deutlich erkannten Unzulänglichkeiten des Skriptes trugen sicherlich in einem nicht unerheblichen Maße zum späteren finanziellen Misserfolg des Filmes bei. Hatten andere vergleichbare Produktionen mit choreographischen Einlagen Busby Berkeleys wie zum Beispiel die Musicals Forty-Second Street und Footlight Parade Rekordeinnahmen erzielt, blieben die Zuschauerzahlen in diesem Fall trotz einer extrem aufwendigen Werbekampagne weit hinter den Erwartungen des Studios zurück. Wallis vermutete den Grund dafür jedoch nicht (wie Dieterle) in der langatmigen und unrealistischen Story oder in der Fehlbesetzung der weiblichen Hauptrolle, sondern in einem falschen Grundansatz während der Vermarktung. Man habe den Fehler gemacht, den Film zu sehr als Präsentation der neuesten Haute Couture anzupreisen und damit die Zielgruppe zu stark einzuschränken.106 War Wallis sich der immensen Bedeutung einer intelligent organisierten Publicity vollends bewusst und stets in der Lage, die Presse zu seinem Vorteil zu nutzen, versuchte Dieterle, den vom Studio verursachten Presse-Rummel in dieser frühen Phase seiner Hollywoodkarriere möglichst zu meiden. Er lebte sehr häuslich und zurückgezogen, private Kontakte beschränkten sich in erster Linie auf die ortsansässige deutschsprachige Kolonie. Wie einige Hinweise in seinem Nachlass nahelegen, gab es jedoch auch für ihn gesellschaftliche Pflichtveranstaltungen, die er – da vom Studio organisiert – nicht meiden konnte. So verwahrt die Deutsche Kinemathek Berlin zum Beispiel ein im August 1933 verfasstes Memorandum des general studio manager William Koenig an alle bei Warner Bros. beschäftigten Künstler mit der Aufforderung, sich anlässlich einer sogenannten „Warner Brothers Motion Picture Night“ bei den Hunderennen in Compton (Großraum Los Angeles) sehen zu lassen: The races will be given in honor of the Stars and Featured Players of Warner Brothers Pictures. There will be a lot of interesting races and we would appreciate it if everyone will try to make it their business to be there as Warner Brothers intend to photograph the races that night. A good time will be had by all who attend.107
Gehörten Hunderennen sicherlich nicht zu den Interessensgebieten Dieterles, dem etliche Lieblingsbeschäftigungen seiner amerikanischen Kollegen wie zum Beispiel das Kartenspiel und Golf zeitlebens fremd blieben108, legt die 106 Memorandum Hal Wallis’ an Jack Warner, (27.01.1934), Fashions of 1934 papers, WBA, USC. Eine im Warner Bros. Archiv erhaltene Pressemappe in luxuriöser Aufmachung, gedruckt auf einem speziellen fliederfarbenen Papier, vermittelt einen Eindruck der Vermarktungsstrategie des Studios für den Film. Fashions of 1934 pressbook, Fashions of 1934 papers, WBA, USC. 107 Memorandum des general studio manager William Koenig an alle im Studio beschäftigten Künstler, (19.08.1933), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 108 Mierendorff, William Dieterle, 74. Mierendorff verweist nicht zu Unrecht auf den Umstand, dass man damals in Hollywood viele Geschäfte während derartiger Freizeitaktivitäten abschloss – Dieterles Desinteresse an diesen Dingen bedeutete somit in gewisser Hinsicht eine geschäftliche Benachteiligung. Ebenda.
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Formulierung des Memorandums eine gewisse Unausweichlichkeit deutlich nahe. In seiner Rolle als aufsteigender Vertragsregisseur, der auf seinen großen Durchbruch noch wartete, konnte er es sich kaum leisten, einer derartigen Veranstaltung fernzubleiben und auf die damit verbundene Publicity zu verzichten. In einer alles in allem doch recht überschaubaren Studiofamilie galt eine zu deutliche Abgrenzung als Affront. Nur zu leicht konnte man in den Verruf geraten, europäisch-elitär wirken zu wollen. Dieses Risiko konnte Dieterle im August 1933 weniger denn je eingehen; eine Rückkehr in seine ehemalige Heimat kam für ihn nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr in Frage. 3. EINE GROSSE CHANCE – ZUSAMMENARBEIT MIT MAX REINHARDT UND ERICH WOLFGANG KORNGOLD AM MIDSUMMER NIGHT’S DREAM (1935) Die Auswirkungen der NS-Machtergreifung auf die deutschsprachige Kolonie in Hollywood Nahmen die amerikanischen Filmstudios zunächst bezüglich der nationalsozialistischen Machtergreifung keine klar definierte offizielle Position ein, bedeutete dies jedoch nicht, dass man in Hollywood den politischen Vorgängen in Deutschland vollkommen gleichgültig gegenüberstand. Schließlich bot allein die große Kapitalmenge, die etliche Studios in die deutsche Filmindustrie investiert hatten, schon ausreichenden Grund für heftige Spekulationen über die künftigen Vorhaben der neuen Machthaber. Während einige aufmerksame Beobachter der politischen Geschehnisse in der ausgehenden Weimarer Republik (wie zum Beispiel die Gebrüder Warner) von Hitlers Machtergreifung alles andere als überrascht waren und sich auf einen Abbruch ihrer geschäftlichen Verbindungen mit dem Reich vorbereiteten, glaubten andere an eine schnelle Ablösung des neuen Regimes. Genährt wurden derartige Hoffnungen vor allem durch die amerikanische Presse, die sich in der ersten Hälfte des Jahres 1933 skeptisch bezüglich der Akzeptanz Hitlers innerhalb der deutschen Bevölkerung zeigte. Den vollmundigen Versprechungen der Nationalsozialisten – so zum Beispiel Frederick T. Birchall, ein Journalist der New York Times – müsse bald ein deutlich messbarer und vor allem nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung folgen: On the whole, therefore, it has to be admitted that Germany is still economically unregenerated despite the enthusiastic adoption of the political and social regeneration. The question of where she will get money to carry on until the new régime achieves financial independence is still as acute as ever. And the endurance of Nazidom […] still depends upon the fulfilment of its promise of bread and work for all.109 109 Frederick T. Birchall, Europe Mistrusts Nazis still more; Effect of Hitler’s Speech Has Been Steadily Wearing Off as Events Belied Its Tone; Economic Cure Lacking, Boom in
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Auch in die Unterhaltungsindustrie – so führte Birchall weiter aus – habe die nationalsozialistische Ideologie noch keineswegs vollends Einzug gehalten, die sogenannte „arische Kunst“ sei bislang kommerziell wenig erfolgreich: After the banishment of Max Reinhardt a patriotic play was produced at the Deutsches Theater in Berlin without his aid. It was withdrawn after losing much money in a few nights and was replaced by a previous Reinhardt production. […] The only native films producing profits recently are said to be two made before the political upheaval, in which a Jewish tenor and a Polish tenor – whose German concerts have been forbidden – play leading parts. […] As for the rest, the nationally awakened German public, despite Dr. Paul Joseph Goebbels, the Minister of Propaganda, is flocking to German-synchronized talking films made in Hollywood which are entirely without racial restrictions.110
Sollten die Beobachtungen Birchalls bezüglich des ungehinderten Importes amerikanischer Filme bereits wenige Wochen später aufgrund der neuen Einfuhrbeschränkungen der Nationalsozialisten der Vergangenheit angehören, hielten dennoch viele Filmschaffende in Hollywood noch lange an dieser Art des whishful thinking fest. Einem Mann wie Hitler traute man es einfach nicht zu, sich dauerhaft als Regierungsoberhaupt zu etablieren.111 Auch einige deutschsprachige Intellektuelle hegten – natürlich aus etwas anderen Gründen – in dieser Zeit ähnliche Hoffnungen; so schrieb im April 1933 Lion Feuchtwanger, der sich zum Zeitpunkt der NS-Machtergreifung auf einer Vortragsreise in den USA befunden hatte und anschließend nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte: Es ist nicht wahr, dass die geschehenen Greuel Ausbrüche des Volkszornes sind: sie sind die Frucht einer seit 14 Jahren mit den wüstesten Mitteln betriebenen Greuelpropaganda. Das deutsche Volk ist nicht antisemitisch. Das deutsche Volk ist nicht militaristisch. Das deutsche Volk ist nicht barbarisch. Es ist nicht wahr, dass das deutsche Volk hinter dieser Regierung steht. Wahr ist, dass ich, trotzdem es heute für einen Deutschen gefährlich ist, mit mir in Verbindung zu stehen, auf vielen Umwegen zahllose Briefe erhalte, in denen gute Deutsche, auch rechts stehende Deutsche mir erklären, sie gratulierten mir, dass ich Jude sei, sie schämten sich heute, Deutsche zu sein. Kundgebungen dieser Art geben mir die Zuversicht, dass die vernünftige Majorität der Deutschen binnen nicht allzu langer Zeit der gewalttätigen Minderheit Herr wird. Ich bin fest überzeugt, dass es den herrschenden Barbaren nicht gelingen wird, in Deutschland die Lehre der Humanität, der Gerechtigkeit, der sozialen Verständigung auszutilgen.112 Brown Shirts Is at an End – Nazi Plays and Films Prove Failures, in: The New York Times (25.06.1933), E1. 110 Ebenda. Bei der von Birchall erwähnten patriotischen Theaterproduktion handelte es sich um das Stück Ewiges Volk von Kurt Kluge. Vgl. dazu: C. Hopper Trask, Staging by Hitler, in: The New York Times (30.04.1933), X2. 111 Mierendorff, William Dieterle, 92. 112 Lion Feuchtwanger, Das andere Deutschland. Ist das deutsche Volk antisemitisch? Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen, Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Dieser Text wurde schließlich unter dem Titel „Jews and Nazis“ in englischer Sprache veröffentlicht. Jews and Nazis, in:
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Auch in der New York Times erschienen im Frühjahr 1933 Artikel Feuchtwangers, in denen er über die aktuellen Geschehnisse in Deutschland berichtete, ohne jedoch die deutsche Bevölkerung unmittelbar dafür verantwortlich zu machen.113 Die nationalsozialistische Regierung (namentlich der Auslandspressechef der NSDAP Ernst Hanfstaengl) negierte daraufhin in der Presse sämtliche Berichte Feuchtwangers und bezeichnete sie als „gemeine Lügen“. Es sei „schlicht Unwahr“, dass Juden in Deutschland unter Verfolgung zu leiden hätten.114 Weniger diplomatisch reagierten einschlägige antisemitische Hetzblätter, die Feuchtwanger als „eines der größten jüdischen Literatur-Ferkel“ bezeichneten.115 Ließen die Ereignisse der darauffolgenden Monate die Hoffnung auf die Durchsetzungskraft der nach Feuchtwanger angeblich vorhandenen „vernünftigen Majorität“ deutscher Bürger rapide schwinden, konnten sich viele intellektuelle Emigranten in dieser frühen Phase des NSRegimes noch nicht dazu durchringen, eine Flucht in die USA ernsthaft zu erwägen. Etliche Schriftsteller wie Thomas Mann, Franz Werfel und auch Feuchtwanger selbst wandten sich in die Schweiz oder nach Südfrankreich, während die Filmschaffenden zunächst in europäische Großstädte wie Wien, Paris, Budapest, London und Prag drängten.116 Lediglich ein kleiner Teil von ihnen trat – zumeist auf Einladung eines großen Studios – zügig die Weiterreise nach Los Angeles an. Aufgrund ihres relativ geringen Umfangs gelang es dieser ersten Welle eintreffender Filmemigranten verhältnismäßig gut, sich in das amerikanische Filmgeschäft zu integrieren. Mussten einige von ihnen, wie zum Beispiel Fritz Lang, zwar erkennen, dass sich die Euphorie ihrer Gastgeber, die sie als eine Art „Trophäe“ aus Europa herübergeholt hatten, schnell abnutzte, konnten sie sich doch in der Regel in einem Maße etablieren, dass zumindest ihr Lebensunterhalt gut gesichert war. Der große Zustrom der Verzweifelten sollte erst 1938 nach der Besetzung Österreichs beziehungsweise 1940 nach dem Fall Frankreichs einsetzen. Verzeichnete die deutschsprachige Kolonie in Los Angeles somit in den ersten Jahren nach der nationalsozialistischen Machtergreifung nur einen verhältnismäßig geringen Zuwachs, war sie doch in vielerlei Hinsicht durch die politischen Geschehnisse in Deutschland unmittelbar betroffen. Sofort sahen
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Everyman (29.04.1933), 529, Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Siehe zum Beispiel: Lion Feuchtwanger, Terror in Germany Amazes Novelist, in: New York Times (21.03.1933), 11. Hitler gegen die jüdische Greuelhetze. Aufklärendes Amerika-Interview des Auslandspressechefs der NSDAP, in: Der Tag, Berlin (25.03.1933), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Haut ihm! Dreiunddreißig! Vermutlich in: Fridericus 37 (September 1933), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Einen Überblick bezüglich der wichtigsten Stationen des Filmexils bietet: Asper, Etwas Besseres als den Tod, 20–29. Vgl. dazu auch: Hans Kafka, What Our Immigration Did for Hollywood – and Vice Versa, in: Aufbau 10.51 (22.12.1944), 40–41.
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sich ihre Mitglieder einer Flut von Bittbriefen und Hilfsgesuchen ausgesetzt, die den Adressaten das große Leid der Verfolgten täglich vergegenwärtigten und sie schnell vor kaum zu bewältigende finanzielle und organisatorische Herausforderungen stellte. William Dieterle wurde – so seine Biographin Marta Mierendorff – rasch zu einem zentralen Ansprechpartner für viele Bedrängte: Dieterles weitgespannte Karriere macht es verständlich, daß nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zahlreiche Persönlichkeiten aus dem weitgefächerten Kulturbereich erst Deutschlands, dann anderer Länder, sich mit der Bitte um Hilfe an ihn wandten. Bei dem engen Zusammenhang zwischen Theater, Literatur und Film in der Weimarer Republik kannte im Prinzip jeder jeden, wenn auch manchmal nur dem Namen nach. Personen, die Hollywood vor 1933 erreicht hatten, wurden zu Rettungsankern für Familienmitglieder, Kollegen und Kolleginnen, Freunde, Bekannte, ja ihnen Fremde. Dieterles filmischer Auslandserfolg, sein Großverdienerstatus und seine bekannte Hilfsbereitschaft, seine fast endlosen Verbindungen, vor allem aber sein Zugang zum Script-Markt brachten es mit sich, daß sich ungezählte Menschen an ihn und seine Frau mit Hilfsersuchen aller Art wandten.117
Wie etliche Dokumente aus seinem vornehmlich in der Deutschen Kinemathek Berlin verwahrten Nachlass schlüssig belegen, versuchte Dieterle fieberhaft, diesen zahlreichen Hilfsgesuchen im Rahmen seiner Möglichkeiten (und oft auch darüber hinaus) Folge zu leisten. Er schickte kleinere und größere Geldsummen, kaufte Drehbücher und vermittelte Anstellungen; schnell – so implizieren auch seine persönlichen Erinnerungen – geriet er an die finanzielle Belastungsgrenze.118 Auch seinen Freunden blieb dies nicht verborgen, so erinnerte sich Marta Feuchtwanger im Jahre 1979 in einem Telefon-Interview mit Mierendorff an Dieterles aufopferungsvolles Engagement: D. hat unendlich viel für die Emigranten getan, war immer da, wenn ihn einer brauchte. Er selbst sorgte dafür, dass die Emigranten Decken, etc. hatten. Reich beschenkt. Im Krieg legte er einen Victory Garden an, Gemüsezucht. Zwei Filipinos wurden als Gärtner dafür eingestellt. Die Ernte wurde an Freunde verteilt […]. Dieser Garten kostete ihn sehr viel Geld. […] D. war oft ohne Bargeld und borgte es sich, gab es immer pünktlich zurück. Die Ausgaben für die Emigranten summierten sich, müssen ihn ein Vermögen gekostet haben, so z. B. sorgte er ganz für E. A. Dupont, als dieser krebskrank wurde und noch nicht im Motion Picture Heim war.119
Da Dieterle durch seine Tätigkeit in den Warner Bros. Studios stark beansprucht war – es existierte noch kein gewerkschaftlicher Schutz vor überlangen Arbeitszeiten – erledigte seine Frau Charlotte einen Großteil der durch die Emigrantenhilfe anfallenden organisatorischen Aufgaben. Konnte sie in den 117 Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 84. 118 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 104. 119 Mierendorff, Protokoll eines Telefon-Interviews mit Marta Feuchtwanger, (31.12.1979), Typoskript, Mierendorff Materialien, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Der Regisseur Ewald André Dupont, mit dem Dieterle bereits zu Beginn der zwanziger Jahre in Berlin zusammengearbeitet hatte, gehörte zu seinen engsten Freunden.
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ersten Jahren die anfallende Korrespondenz noch allein bewältigen, wurde die Menge der Hilfsgesuche ab Mitte der dreißiger Jahre schnell zu einer erdrückenden Last; Dieterle engagierte für seine Frau eine Sekretärin und richtete ein eigenes kleines Hilfsbüro ein. Ferner beschäftigte er zwei Anwälte, die sich mit den juristischen Vorgängen bei der Einwanderung mittelloser Emigranten über Mexiko befassten. In der Regel wurden die anfallenden Kosten als Darlehen verbucht, um die Betreffenden nicht zu demütigen – oftmals konnten sie jedoch nie zurückgezahlt werden.120 Auch dem Komponisten Friedrich Hollaender gelang auf diese Weise die Einwanderung in die USA; in seiner bereits zitierten Autobiographie erinnerte er sich dankbar: „Die hilfreichen Hände der Dieterles besorgten alles, beschafften jedes Dokument, bald war es eine ganze Mappe. […] ich möchte nicht wissen, wo wir geblieben wären, ohne unsere längst naturalisierten Schutzengel.“121 Wurde Dieterle somit gleich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zu einer wichtigen Figur in der Emigrantenhilfe, waren seine Möglichkeiten zunächst auf den finanziellen Bereich beschränkt. Sowohl aufgrund seines Status in den USA als resident alien als auch aufgrund seiner Stellung in den Warner Bros. Studios als „Proband“, dessen Vertrag jederzeit gekündigt werden konnte, war es ihm noch nicht möglich, innerhalb der amerikanischen Filmindustrie einen wirklich nennenswerten Einfluss zugunsten der Emigranten auszuüben. Keinesfalls war er in der Lage – wie manche hofften – einem mittellosen Flüchtling durch ein kurzes Telefonat eine Anstellung in einem der großen Studios zu verschaffen. Oft richtete man sich jedoch mit genau dieser Erwartung an ihn und an andere Mitglieder der deutschsprachigen Filmkolonie, die ihren Durchbruch in Hollywood – zumindest in den Augen der Bittsteller – erreicht hatten. So bat zum Beispiel der Wiener Journalist Ernst Angel wenige Tage nach dem Anschluss Österreichs in einem Brief an Fritz Lang um eine „Mobilmachung“ in Hollywood zur Rettung der Filmexilanten: Setzen sie sich und ihren Einfluss dafür ein, dass man den paar begabten Menschen, die hier im Film und um den Film bis vor Kurzem noch arbeiten durften, jetzt aber ein anderes Arbeitsfeld brauchen, drüben eine legale Chance gibt! […] Ich bin überzeugt, dass es Ihnen und Ihren Freunden leicht gelingen wird, für eine so kleine Anzahl Menschen die sicherlich bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden.122 120 Für die Steuerbehörden führte Dieterle über derartige Ausgaben genau Buch, in seinem Nachlass sind etliche Auflistungen von Darlehen zu finden. Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Zu Dieterles Darlehen an mittellose Emigranten vgl. auch: Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 94. 121 Hollaender, Von Kopf bis Fuß, 274–275. 122 Brief Ernst Angels an Fritz Lang, (01.04.1938), William Dieterle Material, zusammengestellt von Marta Mierendorff, Max Kade Institute Archive, Special Collections, USC. Zu Angels Biographie siehe: Bolbecher/Kaiser, Ernst (Ernest) Angel, in: Lexikon der österreichischen Exilliteratur, 39–40; Gerlach, Ernst Angel, in: Spalek/Strelka, Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Bd. 3, Teil 2, 34–59.
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Langs Reaktion auf die Bitte Angels war unmissverständlich und schilderte leider äußerst zutreffend die begrenzten Möglichkeiten der bereits in Hollywood etablierten Künstler, sich in den Studios für deutschsprachige Emigranten zu verwenden: Der Einfluss der Menschen, die hier arbeiten, ist viel geringer, als Sie annehmen, und die allgemeine wirtschaftliche Depression in Amerika hat natuerlich auch ihre Rueckwirkungen auf die Filmindustrie. Die Banken in Wallstreet bauen seit dreiviertel Jahren systematisch den Unkosten-Etat der Studios ab. Was mit anderen Worten heisst, dass ein jeder, der nicht unbedingt notwendig fuer das Studio ist, auf kuerzestem Wege entlassen wird. […] Das bedingt, dass selbst Amerikaner, die natuerlich die Sprache vollkommen beherrschen, kaum mehr eine Chance haben, eine Stellung im Studio zu finden. Fuer Europaeer, die die Sprache nicht meistern, ist es natuerlich umso schwieriger. Es ist ausgeschlossen, dass irgend jemand, falls nicht bereits grosse Leistungen vorliegen, oder falls nicht irgend einer der massgebenden leitenden Persoenlichkeiten der drei oder vier grossen Studios nach Europa kommt, einen Vertrag oder eine Arbeitsgarantie erhalten kann. […] Alle Menschen, die hier arbeiten, ob es Europaeer oder Amerikaner sind, tuen [sic!] wirklich ihr Bestes, um den so schwer Getroffenen, von denen sie schreiben, zu helfen. Aber es geht einfach ueber unsere Kraefte, und der einzige Weg, den ich Ihnen empfehlen kann, ist der, sich an die diversen Hilfsorganisationen zu wenden, die es uebernommen haben, Europaeern, die nach Amerika einwandern wollen und in Schwierigkeiten sind, zu helfen.123
Dass es Dieterle in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre tatsächlich gelingen sollte, mehreren deutschsprachigen Exilanten zumindest eine temporäre Anstellung bei Warner Bros. zu verschaffen, war – das belegen die Zeilen Langs – keinesfalls selbstverständlich und nur aufgrund einiger in Hollywood einzigartiger studiospezifischer Konstellationen und Entwicklungslinien möglich. Alles nahm seinen Anfang im Herbst 1934 mit einer angesichts der damaligen angespannten wirtschaftlichen Situation außergewöhnlichen, geradezu spektakulär anmutenden Idee – der Verfilmung des Max Reinhardtschen Sommernachtstraumes. Dieterle gewinnt Max Reinhardt für Warner Bros. Pictures Gewiß ist es irgendwie wundervoll und herrlich, ohne Schwierigkeiten dirigieren zu dürfen, das Bewußtsein zu haben, daß sich alles andere von selbst erledigt. Aber manchmal kommen die leisen Sentiments – da mache ich nicht mit. […] Nicht, daß ich mich darüber beschwere, daß es zu ordentlich zugeht. Nicht, daß ich lieber die ersehnte Berliner Unordnung hätte. Nein – das ist es nicht. Es ist etwas anderes. Es ist die Tatsache, daß der Film völlig fertig ist, bevor ich auch nur die erste Szene gedreht habe – es ist das bedrückende Bewußtsein, daß heute oder morgen jeder andere an meine Stelle treten könnte – und daß der Film dann auch nicht um ein Haar anders aussehen würde, als wenn ich ihn fertig inszeniere.124 123 Brief Fritz Langs an Ernst Angel, (22.07.1938), William Dieterle Material, zusammengestellt von Marta Mierendorff, Max Kade Institute Archive, Special Collections, USC. 124 William Dieterle, Eindrücke, Sehnsüchte, Wünsche, in: Mein Film 436, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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Mit diesen nachdenklichen und bemerkenswert aufrichtigen Worten schilderte William Dieterle 1934 für die Berliner Zeitschrift Mein Film seine Gefühlslage bezüglich seiner zu diesem Zeitpunkt bereits über vier Jahre währenden Karriere in den USA. Die Perfektion der amerikanischen „Phantasiemaschine“ Hollywood grundsätzlich lobend zeigte er sich dennoch besorgt angesichts der Austauschbarkeit ihrer Mitarbeiter. Seine bislang gedrehten Filme für Warner Bros. – das war ihm schmerzlich bewusst – hätte auch jeder andere Vertragsregisseur des Studios in ähnlicher Qualität auf die Leinwand bringen können. Die Suche nach einem festen Platz, einer künstlerischen Nische, die ihm niemand streitig machen konnte, wurde für ihn zu einer drängenden, seinen Berufsalltag zunehmend bestimmenden Problematik. Intensiv sah er sich nach einem Filmprojekt um, das seiner Karriere die erhoffte Wendung bringen konnte. In dieser Phase der Orientierung erreichte Dieterle im Juni 1934 die Nachricht von der Ankunft Max Reinhardts, der auf Einladung der California State Chamber of Commerce den neu gegründeten Kalifornischen Festspielen – konzipiert als ein Pendant zu Salzburg – einen würdigen Auftakt verleihen sollte. Geplant war die Inszenierung des Shakespeareschen Sommernachtstraumes in drei verschiedenen Spielstätten in Los Angeles, San Francisco und der Universitätsstadt Berkeley. Bereits kurze Zeit nach Reinhardts medienwirksam inszenierten Eintreffen in der Filmmetropole nahm Dieterle den Kontakt zu seinem ehemaligen Lehrmeister auf – es gab ein gefühlvolles Wiedersehen.125 Wurde der Österreicher Reinhardt zu diesem Zeitpunkt in den USA noch euphorisch gefeiert und keinesfalls als emigrierter Bittsteller betrachtet, war er – so Dieterle in seinen Memoiren – dennoch durch den Verlust seiner Berliner Wirkungsstätten gezeichnet. Sein gegenwärtiger Erfolg in den USA konnte ihn nicht für seine allmählich schwindende Bedeutung in Europa entschädigen: „Zum erstenmal in seiner Karriere fehlte es Reinhardt an Angeboten aus europäischen Ländern. Für diesen Menschen von rastloser, schöpferischer Kraft war nichts verheerender als die Untätigkeit, nicht zu wissen, welche Aufgaben bevorstanden.“126 Einstweilen jedoch stellte die Inszenierung des Sommernachtstraumes in Los Angeles den erfolgsverwöhnten Theatermann vor neue reizvolle Herausforderungen, die ihn von der Sorge um seine künstlerische Zukunft in Europa zumindest vorübergehend ablenkten. Die von den Veranstaltern ausgewählte Spielstätte – die Hollywood Bowl – war in erster Linie ein Konzertgelände und prinzipiell für Theateraufführungen wenig geeignet; in einem weiten, halbkreisförmigen Tal befand sich vor einer nahezu senkrechten Felswand ein riesiges abgetrepptes Auditorium, dessen Sitzstufen mehr als 20.000 Zuschauern Platz bot. Der in der Bewältigung monumentaler Spielstätten erfahrene Reinhardt verstand es jedoch hervorragend, sich die Reize des Schauplatzes zunutze zu machen und 125 Mierendorff, William Dieterle, 76. 126 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 109.
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eine außergewöhnliche Inszenierung auf die Beine zu stellen. Durch umfangreiche bauliche Veränderungen wie zum Beispiel die Entfernung der großen Muschel, die bei Konzerten der Verbesserung der Akustik diente, gab er dem Ort seinen ursprünglichen Charakter einer Bergmulde zurück. Er ließ für die Inszenierung der feierlichen Hochzeitsprozession eine Brücke über das Tal schlagen und orderte zur Einrichtung des Zauberwaldes knapp hundert ausgewachsene Bäume, die über einige Meilen transportiert und in der Bowl wieder eingesetzt werden mussten. Durch eigens verlegte unterirdische Leitungen konnten bei Bedarf leichte Rauchwolken ausgestoßen werden, die wie Nebelstreifen die Szenerie durchzogen. Kilometerlange Stromleitungen wurden verlegt und mit elektrischen Lämpchen in den umstehenden Bäumen und in der angrenzenden Felswand verbunden, die das Publikum einige Minuten lang als Tausende von Glühwürmchen wahrnahm. Die Elfen tanzten zur Musik Felix Mendelssohns, gespielt von einem zwischen den Bäumen versteckten unsichtbaren Orchester. Die drei Figurengruppen – Athener Hof, Elfenwelt und Handwerker – wurden von dem dänischen Bühnengestalter Max Rée durch farbliche Unterschiede in Kostümen und Requisiten voneinander abgesetzt.127 Konnte die Inszenierung bezüglich ihrer künstlerischen Qualität – so Dieterle in seinen Memoiren – nicht mit Reinhardts Berliner Sommernachtstraum-Aufführungen der Vergangenheit konkurrieren, übertraf sie jedoch als Show alles Vorangehende. In der berechtigten Annahme, dass ein Kammerspiel in der monumentalen Arena scheitern musste, präsentierte der Regisseur das Stück als ein grandioses Spektakel, das bei Publikum und Presse gleichermaßen großen Anklang fand.128 An zwölf Abenden spielte man vor nahezu ausverkauften Reihen, die durchschnittlichen Einnahmen betrugen jeweils 250.000 Dollar.129 Der kommerzielle Erfolg des Unternehmens beeindruckte auch die führenden Vertreter der Filmindustrie, die – ansonsten weniger theaterbegeistert – zahlreich in der Hollywood Bowl erschienen; auch Jack Warner besuchte auf Anregung seines Produktionsleiters Wallis eine Aufführung und war von der dargebotenen Show angetan.130 Durch diese Welle der allgemeinen Reinhardt-Euphorie ermutigt, begann Dieterle über eventuelle Beschäftigungsmöglichkeiten für seinen ehemaligen Lehrmeister in Hollywood 127 Bericht über Reinhardts Sommernachtstraum, in: Neue Freie Presse Wien (09.10.1934), Max Reinhardt Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin. 128 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 109. Eine recht detaillierte Beschreibung der Inszenierung findet sich zum Beispiel bei: Adler, Max Reinhardt, 245–248. 129 Mierendorff, William Dieterle, 76. Auch die anderen kalifornischen Inszenierungen des Stückes im War Memorial Opera House in San Francisco sowie in der Faculty Glade und im Greek Theatre in Berkeley waren finanziell erfolgreich. Im Anschluss erfolgte noch eine zweimonatige Tournee über Chicago, Milwaukee und St. Louis. Berthold, Max Reinhardts Theater im Film, 69. Eine detaillierte Aufarbeitung der künstlerischen Tätigkeit Reinhardts bei den Kalifornischen Festspielen von 1934 findet sich in: Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 180–204. 130 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 109–110.
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nachzudenken. Angesichts seiner langsam schwindenden Bedeutung in der europäischen Theaterlandschaft – so vermutete Dieterle – war Reinhardt vielleicht dazu bereit, seine Berührungsängste bezüglich des Mediums Film zu überwinden. Er entwickelte mit seiner Frau Charlotte und mit seinem Kollegen Henry Blanke die Idee zu einer Verfilmung des Sommernachtstraumes, basierend auf Reinhardts Inszenierung. Der große Theatermann reagierte auf den Vorschlag jedoch zurückhaltend, bislang hatte er nie eine erfolgreiche Kooperation mit Hollywood zuwege bringen können.131 Erst nach einiger Überzeugungsarbeit erhielt Dieterle von Reinhardt die Erlaubnis, die Chancen für ein derartiges Projekt auszuloten.132 Wider Erwarten – die wirtschaftliche Lage war weiterhin angespannt und für filmische Großprojekte ungünstig – reagierte man bei Warner Bros. auf Dieterles Vorschlag nicht vollkommen ablehnend. Befand sich das Studio zwar offiziell noch immer in den „roten Zahlen“, hatte sich die wirtschaftliche Bilanz durch die rigide Sparpolitik der Gebrüder Warner doch in einem solchen Umfang erholt, dass man wieder vermehrt an den Wettbewerb mit den konkurrierenden Filmfirmen um die Spitzenstellung in Hollywood dachte. Nur zu gern wollte man sich endlich des „Underdog-Images“ entledigen und das künstlerische Niveau Metro-Goldwyn-Mayers oder der Paramount Studios erreichen.133 Auf dem Weg dorthin war das Engagement Reinhardts eine günstige Gelegenheit, die durch Dieterles Vermittlerdienste in greifbare Nähe gerückt war und die man sich kaum entgehen lassen konnte. Ein Sommernachtstraum-Film – anknüpfend an die erfolgreiche Inszenierung in der Hollywood Bowl – bot eine Erfolg versprechende Möglichkeit, das Ansehen des Studios weltweit in der Filmindustrie und beim kulturinteressierten Kinopublikum erheblich zu steigern. Trotzdem hegte Jack Warner auch schwerwiegende Bedenken bezüglich eines derart risikoreichen Großprojektes, gewissermaßen setzte man alles auf eine Karte – ein Misserfolg an den Kinokassen bedeutete eine ernstliche Gefährdung des gesamten Studios. Keinesfalls war es möglich, dem als „genialen Verschwender“ bekannten Theaterzauberer die volle Verantwortung für den Film zu übertragen. Ein im Filmgeschäft erfahrener Co-Regisseur war vonnöten, der einerseits Reinhardt nahestand, sich an131 So hatte Reinhardt zum Beispiel im Jahre 1928 vergeblich mit der Schauspielerin Lillian Gish über eine amerikanische Verfilmung des Rosenkavaliers verhandelt. Zeitungsausschnitt aus der Deutschen Filmzeitung 40 (05.10.1928), Schriftgut-Sammlung Max Reinhardt, Kinemathek Berlin. 132 Max Reinhardt in Hollywood, von Dieterle verfasstes Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. 133 Ebenda. Auch andere amerikanische Studios erwogen in dieser Zeit Shakespeare-Adaptionen. So plante der Produzent Irving Thalberg bei Metro-Goldwyn-Mayer eine Romeo und Julia-Verfilmung mit seiner Frau Norma Shearer in der Hauptrolle, die 1936 in die Kinos kam. Ferner erwog der unabhängige Produzent David O. Selznick einen HamletFilm mit John Barrymore, der jedoch nicht realisiert wurde. Carroll, The Last Prodigy, 233.
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dererseits aber in gleichem Maße auch dem Studio verpflichtet fühlte. Dass die Wahl dabei auf Dieterle, den Urheber der Idee, fallen musste, war nicht weiter verwunderlich – und vielleicht auch von diesem selbst bereits im Vorfeld erhofft.134 Die anschließenden Vertragsverhandlungen gestalteten sich (wie zu erwarten war) nicht einfach; in Reinhardt hatten die Gebrüder Warner einen selbstbewussten Künstler vor sich, der – noch war er kein Emigrant – nicht um jeden Preis zu einem Abschluss kommen wollte. Mehr als einmal überkamen den Theatermann große Zweifel, ob er sich mit der amerikanischen Filmindustrie arrangieren konnte. Oft hatte er sich in der Vergangenheit sehr kritisch über Hollywood geäußert, so zum Beispiel 1926 in einem Interview mit dem Ufa-Dienst: Mit dem amerikanischen Film allerdings kann ich mich nur schwer abfinden, und selbst Filme, die mir als außerordentliche Gipfelleistung von drüben empfohlen wurden, haben, bei allem Reichtum und aller Höhe der Technik, nur ein Gefühl der Leere in mir hinterlassen […]. Technik ist viel, gewiß, aber immer nur Mittel zum Zweck. Zum Selbstzweck erhoben, wandelt sich ihr Segen zum Fluch.135
Die Frage, ob er sich nun, immerhin bereits 61-jährig, auf das Medium Film einlassen durfte, das ihm – trotz einiger künstlerischer Experimente und Kooperationen in der Vergangenheit – im Grunde fremd geblieben war, beschäftigte Reinhardt intensiv.136 Nicht zuletzt aus diesem Grund akzeptierte er den Vorschlag des Studios, seinen ehemaligen Schüler Dieterle zum Co-Regisseur zu bestellen, ohne Widerstand. Dieterle seinerseits versuchte das Vertrauen, das Reinhardt durch seine Zustimmung in ihn setzte, nicht zu enttäuschen. Er partizipierte zusammen mit seiner Frau Charlotte an der Ausarbeitung des Vertrages und bemühte sich – das belegen die Studiounterlagen – Reinhardts Wünsche möglichst zu unterstützen. So rief zum Beispiel Charlotte Dieterle am 25. September 1934 – einen Tag vor Vertragsabschluss – im Büro des Produktionsleiters Wallis an, um weitere Klauseln unterzubringen. Zum einen bestand Reinhardt auf dem Engagement seiner Theater-Besetzung Mickey Rooney für die Rolle des Puck, zum anderen wollte er seine Tätigkeit am Filmset erst um 13 Uhr beginnen und dafür bis in die Nacht hinein arbeiten. Wallis lehnte die Aufnahme dieser Vertragsklauseln jedoch ab, er warnte Jack 134 In seinen autobiographischen Aufzeichnungen schreibt Dieterle zwar, dass seine Berufung zum Co-Regisseur des Filmes Reinhardts Idee gewesen sei und ihn vollkommen überraschend traf. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 110. Vor dem Hintergrund seiner Bemühungen um das Projekt ist jedoch davon auszugehen, dass er sich eine Miteinbeziehung seiner Person von Anfang an erhofft hatte und dass er glaubte, von Reinhardts Erfolg in den USA beruflich profitieren zu können. 135 Gespräch mit Max Reinhardt, in: Ufa-Dienst 1.135 (12.10.1926), Schriftgut-Sammlung Max Reinhardt, Kinemathek Berlin. 136 Zu Reinhardts Erfahrungen mit dem Medium Film vor 1934 siehe zum Beispiel: Berthold, Max Reinhardts Theater im Film, 9–68.
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Warner: „I don’t feel that we should put either of these points into the contract inasmuch as we cannot get a definite commitment from Metro at the present time on Mickey Rooney and we may run into obstacles that will prevent our working on a night shift.“137 Konnte und wollte das Studio einige Vorstellungen Reinhardts nicht berücksichtigen, oder sich zumindest diesbezüglich nicht vertraglich binden lassen, war der am 26. September 1934 unterzeichnete Kontrakt dennoch eine Ausnahmeerscheinung in Hollywood. Für seine Arbeit im Zusammenhang mit dem Filmprojekt A Midsummer Night’s Dream erhielt der Theatermann eine für damalige Verhältnisse traumhafte Gage von 100.000 Dollar138, seine Lebensgefährtin, die Schauspielerin Helene Thimig, wurde für die Tätigkeit einer Regieassistentin mit 25.000 Dollar vergütet.139 Die dafür verlangten Leistungen waren allerdings umfassend und ließen dem „eingekauften“ Künstler wenig Handlungsspielraum: We hereby employ and engage you to render your services for us for and in connection with the directing, staging, creating and producing of „A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM“ by William Shakespeare, as a motion picture photoplay, and to collaborate with others employed by us in any and all preparations necessary or desirable for making such photoplay, including the adaptation of the play, the making of the motion picture continuity therefrom, the election of the cast, the designing of the sets and costumes, and such matters. The extent to which your collaboration will be required in such preparation will be optional with us, and in the rendition of your services, you agree that you will promptly and faithfully comply with all reasonable requirements, requests and regulations made by us in connection therewith, or in connection with the general administration of our studios.140 137 Memorandum Hal Wallis’ an Jack Warner, (25.09.1934), WBA, USC. 138 In der ersten Version des Vertrages vom 26.09.1934 wurde Reinhardts Gage für den Film lediglich mit 75.000 Dollar beziffert; davon waren 20.000 Dollar gleich nach der Unterzeichnung des Vertrages zu zahlen, den Rest von 50.000 Dollar sollte der Regisseur in Raten von 5000 Dollar wöchentlich jeweils mittwochs erhalten. Vertrag Max Reinhardts mit Warner Bros., (26.09.1934), Paragraph 4, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. In anderen Studio-Dokumenten wie zum Beispiel einer BudgetKalkulation vom 18. Dezember 1934 wurde die Vergütung Reinhardts jedoch mit 100.000 Dollar beziffert. Unklar ist, ob sich diese erhöhte Summe aus der Tatsache ergab, dass man Helene Thimigs Gage in Budget-Kalkulationen einfach mit Reinhardts Gage addierte, oder ob es Reinhardt gelungen war, eine nachträgliche Gehaltserhöhung zu erwirken. Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 139 Vertrag Max Reinhardts mit Warner Bros., (26.09.1934), Paragraph 16, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 140 Vertrag Max Reinhardts mit Warner Bros., (26.09.1934), Paragraph 1, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Während andere bei Warner Bros. unter Vertrag stehende Künstler in der Zeit ihres Anstellungsverhältnisses ausschließlich für das Studio (beziehungsweise mit einer Genehmigung des Studios) arbeiteten, ließ man Reinhardt eine größere Freiheit. Es war ihm explizit erlaubt, während seiner Vertragslaufzeit anderen künstlerischen Aktivitäten nachzugehen; nur an anderen Filmprojekten durfte er nicht arbeiten. Ebenda.
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Während Reinhardt allen Wünschen des Studios umgehend und gewissenhaft nachzukommen hatte, war dieses im Gegenzug jedoch nicht dazu verpflichtet, seine Mitarbeit in allen Bereichen der Produktion in Anspruch zu nehmen. In anderen Worten bedeutete dies für ihn ein eingeschränktes Mitspracherecht – Entscheidungen bezüglich der Besetzung, der Kulissen oder der Kostüme konnten unter Umständen vollkommen über seinen Kopf hinweg getroffen werden – das Ergebnis blieb dennoch ein „Max-Reinhardt-Film“. Immerhin ein Zeichen des Entgegenkommens war das schriftlich formulierte Bemühen des Studios, einen Konsens mit dem Regisseur (zumindest in der Theorie) erreichen zu wollen: It is further understood and agreed that you shall have the privilege and the right, if you so desire, to be present during the cutting, titling and editing of said photoplay, and to offer or make suggestions in connection therewith. It is further understood that you will assist in the selection of the necessary cast, adaptor and composer, and that the cast utilized will be mutually agreeable to you and to ourselves, and, likewise, it is agreed that the final cutting, titling and editing of said photoplay shall be mutually agreed upon between us, your consent and approval, however, of the matters herein referred to shall not be unreasonably withheld.141
Wirkt der obige Vertrags-Passus vielleicht wie ein etwas hilflos und bürokratisch anmutender Versuch des Studios, künstlerische Unstimmigkeiten mit Reinhardt quasi vor ihrer Entstehung bereits zu beseitigen, war man offensichtlich der Meinung, dass sich derartige Konflikte in Grenzen halten würden und man den schillernd-flamboyanten Europäer mühelos in den Arbeitsalltag einer amerikanischen Filmfirma integrieren konnte. Beleg dafür ist die Tatsache, dass auch im Falle Reinhardts nicht auf die damals in Hollywood üblichen Optionen auf eine Vertragsverlängerung verzichtet wurde. Drei weitere Filme sollten – falls Warner Bros. es wünschte – in den darauffolgenden Jahren unter seiner Regie entstehen. War die genannte Gage wie bei allen derartigen Optionen noch quasi fiktiv und eher eine Art von Verhandlungsbasis, hätte sie Reinhardt im Falle einer Auszahlung für lange Zeit finanziell abgesichert.142 Sogar der ungefähre Charakter der zukünftigen Projekte wurde, wenn auch etwas diffus, bereits schriftlich dargelegt: „‚Hoffman’s Tales‘, 141 Vertrag Max Reinhardts mit Warner Bros., (26.09.1934), Paragraph 5, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 142 Im ursprünglichen Vertrag Reinhardts mit Warner Bros. hatte das Studio die Option auf drei weitere Filme mit jeweils 100.000 Dollar Gage für Reinhardt; diese Summe wurde einige Zeit später auf 150.000 Dollar erhöht. Memorandum des Leiters der StudioRechtsabteilung Roy Obringer an Jack Warner, (21.02.1936), Reinhardt legal files, WBA, USC. In einer Erneuerung des Vertrages vom 22. Juni 1935 wurden einige Veränderungen der Optionen vorgenommen; dort waren fünf weitere Filme geplant, ein Film pro Jahr. Für die ersten drei sollte Reinhardt jeweils 150.000 Dollar erhalten, für den vierten 175.000 Dollar und für den fünften sogar 200.000 Dollar. Verlängerung des Vertrages zwischen Max Reinhardt und den Warner Bros. Studios, (22.06.1935), Paragraph 13, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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‚The Miracle‘, ‚The Bat‘ and other literary material and compositions of the same type and caliber.“143 Zeigte sich das Studio gegenüber Reinhardt von seiner kompromissbereiten und vor allem finanziell großzügigen Seite, profitierte Dieterle von dem filmgeschichtlich bedeutsamen Vertragsabschluss in einem sehr viel bescheideneren Rahmen. Für seine Co-Regie bei dem Projekt A Midsummer Night’s Dream, die – so war von Anfang an sicher – für ihn eine extreme Arbeitsbelastung bedeuten würde, wurden in einer zum Drehbeginn erstellten Kalkulation des Budgets 19.000 Dollar veranschlagt.144 Obwohl diese Summe natürlich im Vergleich zu Reinhardts Gage geradezu empörend niedrig anmutet, muss sie doch als ein Indiz für die zunehmende Wertschätzung Dieterles durch das Studio bewertet werden. Wie die halbjährlichen Vertragsverlängerungen in seiner Personalakte belegen, hatte sich sein Gehalt zwischen Dezember 1933 und Januar 1935 – innerhalb eines guten Jahres – von 1075 Dollar auf 1750 Dollar wöchentlich gesteigert.145 Dem Umstand, dass es vermutlich ohne Dieterles Vermittlertätigkeiten nie zu einem Abschluss mit Reinhardt gekommen wäre, wurde damit zumindest finanziell Rechnung getragen. Die ersten Drehbuchentwürfe – „Zähmung überschäumender Phantasie“ The most famous European entrepreneur of his time, he [Reinhardt] lived and dressed as flamboyantly as a prince of the realm. […] Leopoldskron, his castle near Salzburg, was overpowering: four stories high in acres of groomed gardens and walks. Henry Blanke and I had three wonderful visits there, and I will never forget our conferences in his beautiful salon. We sat under thirty foot ceilings on hard-embroidered chairs, discussing plans for the production. The castle had a marble staircase from the hall into the upper quarters. There were several dining rooms, and we dined in a different one each night. […] On the long summer evenings we dined on the terrace by candlelight, and performances were staged for us. The very large staff of servants wore period livery with white gloves. We felt we were taking part in an opera, or being entertained by royalty of the seventeenth or eighteenth century.146
Dieser Abschnitt aus der 1980 erschienenen Autobiographie des Produktionsleiters Hal B. Wallis belegt auf sehr eindrückliche Weise die große Wirkung, die Max Reinhardt und die ihn umgebende Aura auf die zumeist in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsenen Mitglieder der amerikanischen Filmkolo143 Vertrag Max Reinhardts mit Warner Bros., (26.09.1934), Paragraph 14, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 144 Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 145 Vertragsverlängerung Dieterles mit Warner Bros., (07.12.1933), Dieterle legal files, WBA, USC; Gehaltsmitteilungen des Studios an Dieterle, (06.01.1935) und (09.07.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. 146 Wallis/Higham, Starmaker, 41.
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nie von Los Angeles ausübten. Noch nach mehr als 45 Jahren erinnerte sich Wallis kleinster Details seines Aufenthaltes in Salzburg im Sommer 1934 zur Ausarbeitung künftiger Filmpläne und zeigte sich geradezu berauscht von den europäisch-fürstlich anmutenden Lebensumständen in Leopoldskron. War man in Hollywood im Allgemeinen höchst selbstbewusst angesichts des Erreichten – immerhin hatte man innerhalb kürzester Zeit aus dem Nichts eine weltweit operierende Unterhaltungsmaschinerie geschaffen – hegte man doch eine fast kindliche Bewunderung für alles „Europäische“, „Alte“ und „Kulturelle“. Vielleicht war dies einer der Gründe dafür, dass die Leitung der Warner Bros. Studios Reinhardt (zumindest anfangs) keinerlei finanzielle Beschränkungen bezüglich des geplanten Midsummer Night’s Dream auferlegte. Die mutmaßlichen Kosten des Filmes wurden zwar regelmäßig nach dem aktuellen Stand der Dinge hochgerechnet, es gab aber nicht – wie sonst üblich – ein festes Budget. Reinhardt nutzte diese finanzielle Freiheit und ließ seiner geradezu überschäumenden Phantasie bei der Abfassung der ersten InszenierungsEntwürfe freien Lauf; Dieterle erinnerte sich: Reinhardts Fantasie war so lebhaft, dass das am schwersten für ihn war, sich in seiner Einfallskraft zu beschränken. Er war wie ein Pferd, das bis jetzt nur die Freiheit gekannt hatte, und nun gebrochen werden sollte. Ich wusste das von Anbeginn und wusste auch, dass die schwerste Arbeit für mich sein würde, ihn in Banden zu halten.147
Zunächst jedoch spürte Reinhardt von der unweigerlich auf ihn zukommenden „Zähmung“ noch nichts; zusammen mit Dieterle sammelte er Ideen für die Ausgestaltung wichtiger Schlüsselszenen. Einige dieser schriftlich festgehaltenen Produkte ihres Gedankenaustausches sind im Dieterle-Nachlass der Deutschen Kinemathek Berlin erhalten. Sie vermitteln einen Eindruck der ursprünglichen künstlerischen Vorstellungen, die beide bezüglich des Filmes hegten – bevor sie diese auf Geheiß des Studios zwecks Kostensenkung modifizieren mussten. Der in diesem Zusammenhang interessanteste und ausführlichste Entwurf trägt den Titel „Ein erster Versuch, mir den Anfang eines Sommernachtstraum-Films vorzustellen. Gleichzeitig Notizen fuer die neu zu komponierende Musik und Angaben für die Dekoration.“ Welcher der beiden Künstler, Reinhardt oder Dieterle, den größeren Anteil an der Schöpfung dieser außergewöhnlichen Handlungsskizze trug, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei klären. Gibt es in dem Typoskript einerseits deutliche formale Hinweise auf eine Autorenschaft Dieterles – wie zum Beispiel Einträge in seiner Handschrift und die Verwendung von orthographischen Anglizismen – trägt die für ein damaliges US-Filmstudio kaum zu bewältigende Opulenz der Szenen eher Reinhardts Signatur. Weit über die Vorgaben des Shakespeareschen Textes hinausgehend sollte der Film (direkt nach der Einblendung
147 Max Reinhardt in Hollywood, von Dieterle verfasstes Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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des Titels) mit einem aufwendig inszenierten Raub der Amazonenkönigin Hippolyta beginnen: Dann wird ein schlichter alter Folioband der Erst-Ausgabe Shakespeare’s [sic!] sichtbar (Photo aus dem Britischen Museum) Blaetter werden aufgeschlagen und der Pfeil zeigt die Personen des Stuecks und die Besetzung. Dann schlaegt ein Wind, der wieder einsetzt, weitere Seiten auf und wirbelt sie schliesslich alle durcheinander. Der Wind steigert sich allmaehlich zu einem Sturm. Das Meer ergiesst sich auf der Leinwand in hohen Wellen, bricht sich in schaeumender Brandung. Ein maechtiges, antikes Schiff mit hohen Masten und weissen Segeln tanzt auf den Wellen, naehert sich. Am Bug des Schiffes steht ein kuehner, baertiger Mann, gepanzert und bewehrt. (Theseus) Er lugt nach einem bestimmten Ziel, streckt den Arm nach vorne, gibt kurze Befehle. Hinter ihm mehrere junge Leute, gleichfalls kriegerisch geruestet (darunter Demetrius) geben die Befehle weiter. Maenner klettern die Masten hinauf. Segel werden gerafft und gewendet. Die steilen, felsigen Ufer einer Insel im Meer. Die Kamera klettert hinauf, zeigt oben die cyklopischen Steinwaelle der Befestigung, auf den Mauern kriegerisch geruestete Frauen, die stumm zusammengedraengt hinausstarren. Der Wind zerrt an ihren Maenteln und Haaren. Die Kamera faehrt wie der Wind, rasch ueber ihre Antlitze. Eine der juengeren, huebscheren packt ploetzlich ihre Nachbarin am Arm, weist in jaehem Schreck hinunter. Die Frauen beugen sich vor. Eine Fuehrerin gibt einen kurzen Befehl zwischen den Zaehnen. Viele verschwinden. Die anderen starren erregt.148
An die Eingangsszene anschließend folgte ein Schnitt in das Innere der Burg Hippolytas; umringt von ihren Ratgeberinnen wappnet sich die Königin zum Kampf gegen die griechischen Eindringlinge: Die Kamera zeigt Hippolytas Gesicht mit finster entschlossenen Mienen, ihren unbaendigen Trotz und die gefaehrliche Kampflust, die in ihren Augen blitzt. Sie verlangt nach ihren Waffen, ihre alten Ratgeberinnen protestieren wild: die Koenigin darf sich nicht selbst in Gefahr bringen. Eine Steinalte entrollt eine Gesetzesrolle, pocht mit hageren Fingern drohend auf eine Stelle. Sie schirmen sie mit ihren ungeheuren Schildern [sic!]. Hippolyta stampft erregt auf.149
In der darauffolgenden Schlacht treffen Theseus und Hippolyta aufeinander. In einem brutalen, spannend inszenierten Schwert-Duell gelingt es dem Griechen, die Amazone zu bezwingen: Hippolyta zieht ihr Schwert, laeuft mit voller Wucht auf ihn [Theseus] zu. Er erwartet sie gelassen, faengt den Stoss im letzten Augenblick mit dem Schild auf. Sie saust an ihm vorbei, greift ihn neuerdings an, mit solcher Kraft, dass er unwillkuerlich zurueck148 Ein erster Versuch, mir den Anfang eines Sommernachtstraum-Films vorzustellen, undatiertes Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin, 3–5. Auch zu den Kostümen der Amazonen wurden bereits erste Gedanken festgehalten: „[D]ie Kostueme der Amazonen sollen im Gegensatz zu den reichen hellen Gewaendern der Griechen etwas Fremdes, Barbarisches haben. Schlangenhaeute unter schwerem grobgehaemmertem Eisen. […] Große Bogen, Pfeile, und Wurfspiesse.“ Ebenda, 5. 149 Ebenda. Zu Hippolytas Kostüm wurde vermerkt: „Hippolyta hat einen Helm um den silberne Schlagen zuengeln. Ihr Visier bedeckt ihr Antlitz, das nun wie das Haupt der Gorgo erscheint. Brustharnisch und Beinschienen. Auf dem Scheitel des Helmes sitzt eine kleine silberne Krone.“ Ebenda, 7.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) weicht. Sie springen immer wieder zurueck, belauern die Bloesse des anderen, und berennen sich gegenseitig. In diesem Kampf (von dem natuerlich nur Einzelheiten zu zeigen sind) kommen sie wieder zur Burg zurueck. Zuletzt macht sie einen Ausfall mit solcher Kraft und Leidenschaft und er seinerseits faengt ihn mit solcher Kraft auf, dass ihr Schwert zerbricht. Sie erschrickt, sieht sich hilfesuchend um. Er wirft lachend sein Schwert gleichfalls weg und beginnt nun mit ihr zu ringen. Jeder versucht, den anderen zu Fall zu bringen. Sie sind in diesem Ringen, das natuerlich nach allen Regeln und mit aller Spannung zu fuehren ist, so ineinander verschlungen, dass sie gar nicht wahrnehmen, dass die Amazonen an ihnen vorueberfliehen und viele von den sieghaften Griechen im Triumph auf den Schultern davongetragen werden. Sie hoeren in ihrer Besessenheit weder das Siegesgeschrei der Griechen noch das Wehklagen der in die Burg fluechtenden Frauen. Theseus presst sie schliesslich mit solcher Kraft an seinen Harnisch, dass ihr der Atem vergeht, ihr Kopf zuruecksinkt und sie ohnmaechtig zu Boden faellt. Er kniet neben ihr, nimmt ihr Helm und Maske ab und betrachtet seltsam ergriffen ihr schoenes Antlitz.150
Doch nicht nur bezüglich des Raubes der Hippolyta planten die Autoren des Entwurfes, zusätzliche die Shakespearesche Handlung ergänzende beziehungsweise erläuternde Handlungssequenzen in den Film einzufügen. Auch die Figur des Webers Bottom sollte durch eine neu geschaffene Szene – eingefügt im Anschluss an die erste Probe der Handwerker – näher charakterisiert und seine „glühende Sehnsucht nach schauspielerischer Verwandlung“ psychologisch nachvollziehbarer gemacht werden. Ferner sollte die Darstellung seiner Frau als „vor der Zeit gealterte, unfoermig gewordene Vettel“ in einem scharfen Kontrast zur „holden Elfenkoenigin“ Titania stehen.151 Hatten Reinhardt und Dieterle somit bezüglich einer Adaption des Sommernachtstraumes für die Leinwand zunächst eine geradezu unüberschaubare Fülle von Ideen, die die erweiterten darstellerischen Möglichkeiten des Mediums Film gegenüber der Theaterbühne voll ausschöpften, mussten sie diese jedoch bald an die Realität eines amerikanischen Filmstudios anpassen. Im Gegensatz zu Reinhardt, dem es offensichtlich schwerfiel, seine schöpferische Phantasie im Zaum zu halten, konnte sich Dieterle nach einer spielerischen Phase der Ideensammlung problemlos wieder auf den Studioalltag einstellen. Er wusste, dass seine wichtigste Aufgabe letztendlich darin bestand, den verschwenderischen Theatermann finanziell zu kontrollieren – aufgrund ihrer gemeinsamen Vorgeschichte als Lehrer und Schüler eine große diplomatische Herausforderung: Es kostete einige Mühe, Reinhardt von seinen fantastischen Vorstellungen bezüglich des Manuskriptes abzubringen, die über den Inhalt bei Shakespeare entschieden hinausgin150 Ebenda, 8–10. Sah der Entwurf für den Vorspann eine Überarbeitung der Mendelssohnschen Sommernachtstraum-Musik vor, sollte die musikalische Untermalung der Amazonenkämpfe einen exotischen Einschlag erhalten: „Alamierende Schlaege auf einer grossen Metallplatte in einem erregenden Rhythmus“ und „Signalschlaege auf Holztrommeln, dumpfe Pauken, dazwischen bedrohlich nahe, gellende Trompetenstoesse, Hornrufe – alles durch einen bestimmten musikalischen Rhythmus musikalisch gebaendigt.“ Ebenda, 1–5. 151 Ebenda, 24–25.
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gen und den Film im Umfang unzulässig ausgedehnt hätten. Doch auch dieses Problem wurde schließlich gelöst, da sich Reinhardt stets von vernünftigen Einwänden überzeugen ließ. Er sah ein, daß er als Neuling im Filmbetrieb die erforderlichen technischen Zugeständnisse machen mußte.152
Reinhardt willigte ein, die Hauptarbeit am Manuskript in die Hände seines im Filmgeschäft erfahreneren Sohnes Wolfgang sowie der Warner-Vertragsautoren Charles Kenyon und Mary C. McCall zu legen. Versuchten diese natürlich seine Vorstellungen, wann immer es möglich war, zu berücksichtigen, da es sich bei dem Projekt ja schließlich um einen Max-Reinhardt-Film handelte, mussten die vorherigen Entwürfe dennoch erheblich modifiziert werden. So arbeiteten sie die aufwendige Amazonenschlacht in eine Montagesequenz um, versehen mit einem einleitenden Kommentar, der die niedrigen Produktionskosten betonte: The following is a very short suggestion of montage shots of the battle of the Amazons with Theseus, worked out in such a manner that it will be effective, but inexpensive, without a great number of soldiers, Amazons or sets. 1. A BIG ROCK – against which large breakers are whipping 2. A CLASSIC SHIP (MINIATURE) – silhouetted against the sunset sky 2A. CLOSE SHOT ON SHIP Theseus against the b. g. of a sail, staring off scene 3. THE AMAZON CASTLE ON THE CLIFF (MINIATURE) a black mass, seemingly hewn from the rock upon which it stands 4. A WINDOW IN THE CASTLE TOWER (CLOSE SHOT) Hippolyta, with a large white dog at her side, is sternly watching the approaching ship 5. MED. SHOT THESEUS STANDING IN THE PROW OF THE SHIP – staring off at the fortress. He is a glamorous figure in shining armor, against the dark b. g. of the sail. The sail is being lowered by sailors. 6. WINDOW OF CASTLE (CLOSE SHOT) Hippolyta gives a signal with her arm to others out of scene. (Note: the followings scenes will be just short cuts in the manner of inserts, and not requiring any sets) 7. SIGNAL is being sounded on a gong 8. ARMORY WALL OF THE AMAZONS The hands of the women warriors are taking their bows and quivers from the wall 9. ARROWS – are being sharpened. 10. STRINGS OF THE BOWS – are being checked. 11. BELTS – are being tightened. 12. ARROWS – are being passed from hand to hand 152 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 111–112.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) 12A. A WOODEN DOOR – being broken by force. As soon as we have visibly noted Theseus, Lysander and Demetrius, among the soldiers who rush in, we – CUT TO: 13. LINE OF BOWS AND ARROWS – being shot 14. THRONE ROOM (CLOSE SHOT) Hippolyta takes up her armor and weapons. The oldest of her staff tries to stop her, crying: „Hippolyta“, but before she can say more – 15. THESEUS APPEARS – followed by his staff CUT TO: 16. HIPPOLYTA (CLOSE SHOT) On her throne, bow in hand, shoots at Theseus, out of scene. 17. THESEUS (CLOSE SHOT) He lowers his shield – laughing. 18. HIPPOLYTA She throws down her bow and taking up her shield runs out toward Theseus. 19. HIPPOLYTA AND THESEUS (FLAMES AND BLACK CLOUDS BEHIND THEM) – as they clash. Shield against shield. 20. THE FIGHT (MONTAGE SHOTS) 1. Theseus’ shield flat upon the shield of Hippolyta, pressing it backward. 2. Hippolyta’s knee bending, interlocking with Theseus’ leg. 3. Theseus’ shoulder pressing Hippolyta’s shoulder downward. 4. Heads of the oldest amazons, shot against the night sky – Flames, singing the war Hymn. 5. Hippolyta’s head and shoulders going backward. 6. Theseus’ arm across Hippolyta’s shoulder, knocks the helmet from her head. – Hippolyta’s long hair falls about her shoulders. 7. Hippolyta’s head bends backward. Theseus’s head comes into picture – triumphantly.153
Handelte es sich bei dieser Montagesequenz um eine elementare Reduktion des vorherigen Szenenentwurfes auf eine Aneinanderreihung kostengünstiger close ups, war Dieterle dennoch bemüht, die zuvor von ihm und Reinhardt konzipierte Stimmung der Amazonenschlacht zu bewahren. Er versah sein – heute in der Deutschen Kinemathek Berlin verwahrtes – Arbeitsexemplar des Drehbuches mit ausführlichen Anmerkungen bezüglich der Ausleuchtung sowie spezifischer Kamerawinkel und Kamerafahrten. So hoffte er zum Beispiel, den Figuren Theseus und Hippolyta durch die Aufnahme aus einer niedrigen Kameraperspektive etwas Übermenschliches und Unbezwingbares verleihen zu können.154 Hätte die auf diese Weise recht kostengünstig gestaltete bildliche Darstellung des Raubes der Hippolyta sicherlich ein interessanter 153 A Midsummer Night’s Dream, gebundenes Drehbuch, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin, 3–4. 154 Ebenda.
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und von Kennern der Shakespeareschen Vorlage unerwarteter Auftakt des Filmes werden können, war Wallis dennoch nicht von ihrer Notwendigkeit überzeugt und verschob die entsprechenden Dreharbeiten mehrfach. In einem Memorandum an den general studio manager William Koenig zeigte er sich bereits wenige Tage nach Drehbeginn im November 1934 besorgt angesichts der hohen Summe von 28.000 Dollar für den geplanten Amazonen-Prolog.155 Er warnte alle „übereifrigen“ Mitarbeiter: „We definitely will do nothing toward making the prologue of ‚MIDSUMMER NIGHT’S DREAM‘ until I personally issue orders to go ahead on it.“156 Am 17. Januar 1935 – der Prolog war noch immer nicht gedreht worden – bat er Dieterle und Blanke darum, Reinhardt schonend auf die aus Kostengründen notwendige Entfernung aller verzichtbaren Szenen vorzubereiten: „The picture is running tremendously over, and if there are any scenes that we can do without we should by all means cut them now and save ourselves the time and the money.“157 Auch die von Reinhardt und Dieterle konzipierte Szene, die Bottom in seinem häuslichen Umfeld zeigte, gelangte schließlich nicht auf die Leinwand, obwohl sie (in leicht vereinfachter Version) sogar gedreht worden war. Wallis empfand die Darstellungsweise der Schauspieler als übertrieben und befürchtete, dem Film durch eine „zwangsweise Heraufbeschwörung von Lachern“ eher zu schaden als zu nutzen.158 Das Theatergenie Reinhardt im Studioalltag Die sich bereits bei der Konzeption des Drehbuches im September und Oktober 1934 langsam abzeichnende Trennung der am Midsummer Night’s Dream beteiligten Künstler und Studiomitarbeiter in zwei Lager sollte sich während des anschließenden Castings und der Dreharbeiten noch verschärfen. Während die „europäische Gruppe“ um Max Reinhardt ihrer Kreativität freien Lauf ließ und immer spektakulärere filmische Effekte ersann, wurde die „amerikanische Gruppe“ um den Produktionsleiter Hal Wallis angesichts gravierender technischer Probleme und täglich steigender Kosten zunehmend unruhig. Dieterle, wie auch der für das Projekt zuständige associate producer 155 Memorandum Hal Wallis’ an William Koenig, (21.11.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Auch die Ankunft des Theseus in Athen sollte nach den ersten Drehbuchversionen ausführlicher dargestellt werden. A Midsummer Night’s Dream, gebundenes Drehbuch, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin, 4–8. 156 Memorandum Hal Wallis’ an William Koenig, (15.01.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 157 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle und Henry Blanke, (17.01.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 158 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (01.02.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Die Rolle der Ehefrau wurde von Sarah Haden gespielt.
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Henry Blanke, standen – aufgrund ihres deutschen Hintergrundes einerseits und ihrer Festanstellung bei Warner Bros. andererseits – zwischen beiden Fronten und hatten die undankbare Aufgabe zu vermitteln.159 Beider Karriere stand dabei auf dem Spiel; Dieterle betonte in seinen autobiographischen Aufzeichnungen: „Es bedeutete für mich ein enormes Risiko, diesen Mann, der als Genie in seinem Fach berühmt war, der in seiner Karriere immer als Autokrat galt, für den Geld und Zeit keine Rolle spielten, diesen Mann im Zaum zu halten und dennoch nicht in seiner Kreativität zu behindern.“160 Dass Reinhardt zuweilen etwas unrealistische Vorstellungen bezüglich der Durchsetzbarkeit gewisser Ideen in Hollywood hegte, hatte sich bereits während der Planung der Theaterinszenierung in der Hollywood Bowl gezeigt. So berichtete sein Sohn Gottfried in seinen Erinnerungen an den Vater von der schauspielerischen Besetzung, die er ursprünglich in dessen Auftrag auf die Beine stellen sollte: Fred Astaire (Puck), Charlie Chaplin (Bottom/Pyramus), Greta Garbo (Titania), Clark Gable (Demetrius), Gary Cooper (Lysander), John Barrymore (Oberon), W. C. Fields (Flute/Thisbe), Wallace Beery (Snug/Lion), Walter Huston (Theseus), Joan Crawford (Hermia), Myrna Loy (Helena).161 Handelte es sich bei dieser Besetzungsliste natürlich nur um einen Entwurf, von dem wahrscheinlich sogar Reinhardt wusste, dass er niemals in die Realität umsetzbar gewesen wäre, gewährt er vielleicht doch einen gewissen verräterischen Einblick in seine Erwartungshaltung gegenüber Hollywood – bemühte er sich in die Filmstadt, um zu inszenieren, hatte diese ihre namhaftesten Künstler für ihn freizugeben. Gottfried Reinhardt – um ein vielfaches vertrauter mit dem amerikanischen Filmgeschäft als sein Vater – sah vor diesem Hintergrund selbstverständlich die bevorstehenden Konflikte des großen Theatermannes mit den als sehr sparsam bekannten Gebrüdern Warner voraus. In einem Brief versuchte er, seinen Vater wenige Tage vor Drehbeginn dennoch von der Richtigkeit seiner kompromisslos hohen Ansprüche zu überzeugen – nur so konnte ein brauchbarer Film entstehen: Papa, mach keine Kompromisse, es hat gar keinen Sinn. […] Sei hart, nur dann wirst Du es bei diesen harten Menschen hier, und bei den weichen Subalternen, die die Oberbonzen hier vertreten und darum doppelt ängstlich sind, erreichen. […] Du wolltest um jeden Preis einen Film machen, eine Einstellung, die nur dann richtig ist, wenn Du ihn so machen wolltest, wie Du um jeden Preis willst. […] Glaube mir, alle Künstler, die 159 Nach einer Budget-Kalkulation vom 18. Dezember 1934 erhielt Blanke für seine Tätigkeit als associate producer des Midsummer Night’s Dream insgesamt 4100 Dollar. Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 160 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 112. 161 Reinhardt, Der Liebhaber, 264. Der 1913 geborene Gottfried Reinhardt war bereits im Jahre 1932 zu Studienzwecken in die USA gegangen; zunächst arbeitete er in den Paramount Studios als Regieassistent Ernst Lubitschs. Bald darauf band er sich vertraglich als Lektor, Story-Auditor und Produktionsassistent an die Filmfirma Metro-GoldwynMayer. Zu Reinhardts Anfängen in den USA vgl.: Ebenda, 260.
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hier Karriere gemacht haben, und besonders diejenigen, die weniger aufzuweisen hatten, als Du, haben ihre Intentionen den Händlern, wie Du sie nennst, nur auf diese Weise aufgezwungen, denn aufzwingen muß man nun einmal die Kunst den Leuten in Hollywood.162
Ob der im Zweifelsfall eher als freundlich und zurückhaltend bekannte Dieterle, der selbst noch als Neuling in Hollywood gelten konnte, dem Vater die notwendige Schützenhilfe im Kampf gegen die „Händler“ leisten konnte, war für Gottfried Reinhardt fraglich: „Mir wäre wohler zumute, hättest Du einen amerikanischen Helfer, der weniger Achtung vor Deiner Kunst hätte, dafür aber mehr darauf bedacht wäre, Deine Einfälle – seien sie auch noch so verrückt – später heißen sie genial und originell – zu verwirklichen.“163 Dass das Studio nicht dazu bereit war, allzu „verrückten“ Einfällen Reinhardts nachzugeben, hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits gezeigt. Der Theatermann erhielt bezüglich der schauspielerischen Besetzung des Filmes die klare Anweisung, sich in erster Line auf die bei Warner Bros. unter Vertrag stehenden Künstler zu beschränken. Lediglich die Darstellerin der Hermia, Olivia de Havilland, die Tänzerin Nini Theilade als erste Elfe, Otis Harlan als Starveling und der zwölfjährige Mickey Rooney in der Rolle des Puck wurden von der Theaterinszenierung in der Hollywood Bowl übernommen.164 Die übrigen Rollen wünschte man mit hauseigenen kassenträchtigen Publikumslieblingen zu besetzten. Die schwierige Aufgabe aus dieser Gruppe, die aufgrund des eher rauen Warner Bros. house styles per se ziemlich ungeeignet für die Wiedergabe Shakespearescher Verse schien, das „geringste Übel“ auszuwählen, überließ man Reinhardt und Dieterle. Die heute noch in den Produktionsunterlagen des Filmes erhaltenen Notizen Dieterles bezüglich möglicher Besetzungen vermitteln einen Eindruck des großen Aufwandes, den die beiden Regisseure während des Castings betrieben. Es gab kaum einen Vertragsschauspieler im Studio, der nicht zu irgendeiner Zeit für die eine oder andere Rolle im Gespräch gewesen wäre. Hätte man vielleicht vermuten können, dass ein Großteil von ihnen angesichts der Chance, mit dem Theatergenie Reinhardt arbeiten zu können, in große Begeisterung verfallen wäre, war dies jedoch zumeist nicht der Fall. Manchen – wie zum Beispiel dem auf leichte Musicals spezialisierten Publikumsliebling Dick Powell – graute es vor den Shakespeareschen Zeilen und vor Reinhardts hohen Erwartungen; ihre sprach162 Brief Gottfried Reinhardts an Max Reinhardt, Santa Monica, (13.11.1934), zit. nach: Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 207–208. 163 Ebenda, 208. 164 Während Rooney von den Metro-Goldwyn-Mayer Studios ausgeliehen werden musste, konnte man Olivia de Havilland (an der man schon seit der Bowl-Inszenierung interessiert war) zur Unterzeichnung eines langfristigen Schauspielervertrages bewegen. Der Kontrakt sah eine fünfjährige Beschäftigungsperiode vor, mit einer kontinuierlichen Gehaltssteigerung (zunächst 250 Dollar pro Woche). Vertrag Olivia de Havillands mit Warner Bros., (12.11.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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liche und schauspielerische Überforderung ist auch im fertigen Film deutlich erkennbar.165 Die wohl größte Überraschung für zeitgenössische Beobachter wie auch für die Studioleitung war Reinhardts Wunsch, die Rolle des Bottom entgegen der landläufigen Besetzungstradition nicht mit einem Spieler mittleren Alters, sondern mit dem damals 35-jährigen James Cagney zu besetzen. Er ließ sich mehrere Filme des bis zu diesem Zeitpunkt eindeutig auf Gangsterrollen festgelegten Darstellers vorführen und zeigte sich von dessen schauspielerischer Begabung beeindruckt. Dieterle, der in der Rolle lieber den 54-jährigen W. C. Fields oder den knapp fünfzig Jahre alten Wallace Beery zu sehen wünschte, wie auch der Produktionsleiter Wallis empfanden Reinhardts Wahl als äußerst befremdlich. In einem Memorandum an Henry Blanke berichtete Wallis – er selbst favorisierte den 52-jährigen Vertragsschauspieler Guy Kibbee – besorgt über das allgemeine Kopfschütteln, das die Besetzung Cagneys bei seinen Kollegen und Freunden hervorgerufen habe. Niemand konnte sich das noch sehr jugendlich wirkende New Yorker „Raubein“ als Weber Bottom vorstellen.166 Reinhardt setzte sich jedoch, wie es noch des Öfteren geschehen sollte, schließlich durch. Cagney wurde – auf jeden Fall im Hinblick auf seine stolze Gage von 26.667 Dollar – zum Star des Filmes167 und durch seine ungewöhnliche aber nicht uninteressante Interpretation der Rolle zu einem zentralen Thema in der Rezeption, an dem sich oftmals die Geister schieden. Bestand die auf diese Weise im November 1934 zusammengestellte schauspielerische Besetzung in den Augen kulturell anspruchsvoller Rezipienten wie zum Beispiel Gottfried Reinhardt aus „Gangstern, Steptänzern [sic!] und Hanswursten“168, hatte man im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die bestmögliche Wahl getroffen, insbesondere die von Reinhardt ausdrücklich angeforderten Spieler wie Mickey Rooney und Olivia de Havilland entpuppten sich als Besetzungs-Erfolge. Für sie wurde der Midsummer Night’s Dream zum Beginn einer jahrzehntelangen Karriere. Doch nicht nur in der Auswahl des vor der Kamera arbeitenden schauspielerischen Personals konnte Reinhardt seine Wünsche in einem für das amerikanische Produktionssystem vollkommen untypischen Umfang verwirklichen. Auch die im Hintergrund tätigen Künstler wurden aus seinem international verzweigten Netzwerk rekrutiert. So engagierte das Studio auf 165 Vgl. dazu: MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (00:50:35– 00:51:15). 166 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (01.11.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Die endgültige Entscheidung für Cagney wurde erst nach dem 6. Dezember 1934 getroffen, als Reinhardt schon mit den Proben begonnen hatte. 167 Nach einer Budget-Kalkulation vom 18. Dezember 1934 lagen die Gehälter der übrigen Schauspieler weit unter Cagneys Gage. Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 168 Reinhardt, Der Liebhaber, 275.
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Reinhardts Anweisung für die – später noch eingehender behandelte – Filmmusik den österreichischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold, das Kostümdesign übernahm (wie auch in der Theaterproduktion) der dänische Bühnengestalter Max Rée, und die Choreographie der Ballettszenen wurde durch die russische Ballerina Bronislava Nijinska gestaltet.169 Die aus diesem internationalen Gepräge der künstlerischen Belegschaft resultierende, fast babylonische Sprachverwirrung wurde von Wallis humoristisch-resignativ persifliert; er schrieb an Henry Blanke: Nijinska leaves New York today […] arriving in Los Angeles Monday morning. Will you arrange to have someone meet Nijinska? She speaks only Russian and her husband only French; and inasmuch as you speak only German, you had better take three or four interpreters with you.170
In der Tat wirkte der kurze Zeit später beginnende „massenhafte Einzug“ europäischer Künstler auf die reguläre amerikanische Belegschaft des Warner Bros. Studios außergewöhnlich und in mancher Hinsicht vielleicht auch etwas befremdlich. Binnen kürzester Zeit schienen Reinhardt und seine Mitarbeiter die ihnen zugewiesene Aufnahmebühne Nr. 8 in ein „kleines Salzburg“ zu verwandeln, in dem selbstverständlich in erster Linie deutsch gesprochen wurde – die Herausbildung einer Sprachbarriere war die unvermeidliche Konsequenz. Auch die offensichtlichen Privilegien, die man den Neuankömmlingen gewährte, erregten Kopfschütteln. So gelang es ihnen zum Beispiel, die ansonsten sehr auf kurze Drehzeiten bedachte Studioleitung zur Gewährleistung einer für damalige Verhältnisse vollkommen untypischen Probenzeit zu bewegen. Unternahm man normalerweise lediglich eine schnelle Probe am Filmset vor der eigentlichen Aufnahme, arbeitete Reinhardt dagegen über einen Zeitraum von elf Arbeitstagen intensiv mit den Schauspielern.171 Nach den heute im Warner Bros. Studioarchiv verwahrten daily production and progress reports begannen die Proben jeden Tag um 10 Uhr vormittags. Zunächst arbeitete der vom Studio bereitgestellte Dialog-Regisseur Stanley Logan für zwei Stunden mit den Darstellern am Shakespeareschen Text, nach einer einstündigen Mittagspause begann Reinhardt ab 13 Uhr mit seinen Proben, die sich bis 17 Uhr, manchmal jedoch auch bis in den Abend hinein erstreck-
169 Zunächst hatte Wallis versucht, die Choreographen George Balanchine und Léonide Massine für diese Aufgabe zu gewinnen. Carroll, The Last Prodigy, 234. Bronislava Nijinska erhielt für ihre Tätigkeit schließlich 9000 Dollar. Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 170 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (15.11.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 171 Die Proben begannen am Donnerstag, den 6. Dezember 1934 und dauerten bis einschließlich Dienstag, den 18. Dezember 1934. Daily production and progress reports, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Zu Reinhardts ungewöhnlich langer Probenzeit für den Film vgl. auch: Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 67.
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ten.172 In der Kommunikation mit den amerikanischen Schauspielern fungierte Henry Blanke als Dolmetscher Reinhardts, dessen englische Sprachkenntnisse sich nur auf das Notwendigste beschränkten. In seiner Autobiographie erinnerte sich James Cagney sehr positiv an die außergewöhnliche Arbeit mit dem europäischen Theatermann, er verschwieg jedoch auch nicht dessen technisches Unverständnis bezüglich des Mediums Film: This was a Max Reinhardt production, but because Reinhardt was essentially a spectacle director not able to appreciate professionally the necessity of minimum movement that film demands, he remained largely on the sideline while Bill Dieterle directed. Reinhardt, so used to broad stage gestures, made some of the actors do things that were, I thought, ridiculous for the screen. We used to stand back, watching him, and say, „Somebody ought to tell him“.173
Gemäß seiner vorherigen Absprache mit Reinhardt, die besagte, dass dieser in der Schauspielerführung zunächst vollkommen freie Hand haben sollte, hielt sich Dieterle in der Phase der Proben noch sehr zurück.174 Auf diese Weise gelang es Reinhardt, wichtige künstlerische „Grundkoordinaten“ des Projektes nahezu unbeeinflusst durch das Studio zu definieren und das Drehbuch in dem ihm eigenen – für die Leinwand jedoch zum Teil vollkommen ungeeigneten – Stil zu inszenieren. Die in den anschließenden Dreharbeiten auftretenden technischen Probleme und künstlerischen Differenzen mit der Studioleitung legen den Gedanken nahe, dass Dieterle vielleicht gleich von Beginn an einen größeren Einfluss hätte nehmen müssen, um einen reibungslosen Ablauf seiner späteren filmischen Arbeit zu gewährleisten. Wie Cagney in seinen Erinnerungen jedoch sehr treffend und humoristisch wiedergab, gelang es offensichtlich keinem der anwesenden Filmleute, Reinhardt mit den „Realitäten“ der Studioarbeit vertraut zu machen. Einer außergewöhnlichen Persönlichkeit wie ihm stellte man sich nicht in den Weg; so schrieb Erich Wolfgang Korngolds Ehefrau Luzi in ihren Memoiren: „Wer hätte je einen ausgesprochenen oder unausgesprochenen Wunsch Reinhardts unerfüllt gelassen? Jeder, der seine Nähe, seine Persönlichkeit erleben durfte, setzte sein Äußerstes ein, diesem kreativen Geist im Schaffen seiner Phantasiegebilde beizustehen.175 172 Daily production and progress reports, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Parallel dazu arbeitete Nijinska auf einer anderen Bühne an den Ballettszenen, während Charlotte Dieterle und Luzi Korngold die Kinder, die für die Rollen der Elfen eingeplant waren, auf ihre Aufgaben vorbereiteten. Ebenda. Vgl. auch: Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 67–68. 173 Cagney, Cagney by Cagney, 80. 174 Daily production and progress reports, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 175 Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 51. Hatte das Studio Reinhardt zwar eine elftägige Probenzeit zugestanden, war es ihm in dieser Zeit jedoch nicht möglich, mit allen Darstellern zu arbeiten. So wurde zum Beispiel Olivia de Havilland in der ersten Woche durch die Vertragsschauspielerin Florence Fair vertreten; auch James Cagney nahm an den Proben nicht teil, da er – wie bereits erwähnt – erst in letzter Minute für die Rolle
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Verlief die elftägige Probenarbeit alles in allem recht konfliktfrei, da man Reinhardt zunächst bezüglich seiner Inszenierungsweise noch freie Hand ließ, sollte sich die Stimmung jedoch kurz vor Beginn der eigentlichen Dreharbeiten deutlich verschlechtern – das wirkliche Ausmaß der Unvereinbarkeit Reinhardtscher Arbeitsmethoden mit dem amerikanischen Studioalltag trat zutage. Entgegen der im Studio üblichen Praxis, die Dreharbeiten um 9 Uhr morgens zu beginnen, beabsichtigte Reinhardt die Arbeit erst in der Mittagszeit aufzunehmen, so wie er es von seinen Theaterproben kannte. Auf die Einwände Dieterles, dass eine derartige Terminplanung unmöglich umzusetzen sei, reagierte der Regisseur mit trotzigem Schweigen.176 Nur durch die vermittelnde Rolle seiner Frau Charlotte – so heißt es in Dieterles Aufzeichnungen – konnte ein Kompromiss gefunden werden. Noch am selben Abend machte sie Reinhardt begreiflich, dass seine unnachgiebige Haltung in solch einer vordergründigen Sache seinem Ruf in den USA erheblich schaden und alle Chancen auf eine weitere Beschäftigung im Filmgeschäft zunichte machen werde. Man einigte sich darauf, dass Dieterle wie üblich um 9 Uhr mit den Aufnahmen beginnen und Reinhardt um 10 Uhr dazukommen sollte. Der Theatermann akzeptierte die Regelung zähneknirschend und ließ, so Dieterle, „keine Gelegenheit aus, sich über den nach seiner Meinung viel zu frühen Arbeitsbeginn zu beklagen“.177 War die Harmonie zwischen Dieterle und Reinhardt somit noch vor Beginn der Dreharbeiten wieder hergestellt, sollte ihre Freundschaft jedoch binnen kürzesteter Zeit durch erhebliche technische Probleme erneut einer harten Probe unterzogen werden. Gleich am ersten Drehtag – dem 19. Dezember 1934 – erwiesen sich die von Reinhardt in Zusammenarbeit mit dem art director Anton Grot konzipierten kostspieligen Kulissen als vollkommen ungeeignet für eine zufriedenstellende Filmaufnahme. Auf zwei angrenzenden Aufnahmebühnen hatte man einen weitläufigen Märchenwald mit einem See, einem Wasserfall und Bäumen aus einem Gemisch von Leinenstoff und Gips (versehen mit echten von Studiomitarbeides Bottom engagiert wurde. Daily production and progress reports, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 176 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 112. Zu Reinhardts und Dieterles Konflikt bezüglich der Arbeitszeiten vgl. auch: Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 68. 177 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 116. Nach den im Studioarchiv erhaltenen daily production and progress reports begannen die Dreharbeiten täglich um 9 Uhr morgens und dauerten regulär bis ca. 18 Uhr abends, teilweise aber auch bis weit in den Abend hinein. Begonnen wurde am 19. Dezember 1934, der offizielle Drehschluss wurde auf den 13. März 1935 datiert. Daily production and progress reports, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Nach einem heute in seinem Nachlass befindlichen handschriftlichen Protokoll Dieterles war die grobe Strukturierung des Drehplanes wie folgt: 19.–31.12.1934: Elfenszenen; 01.–30.01.1935: Handwerker-Szenen; 30.01.– 08.02.1935: Szenen am Athener Hof; 09.02.–13.03.1935: Szenen mit den zwei Liebespaaren im Wald. Dieterles handschriftliches Protokoll der Dreharbeiten zu A Midsummer Night’s Dream, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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tern gepflückten Blättern aus umliegenden Waldgebieten) konstruiert. Auf Reinhardts Geheiß reichten die Bäume bis zur Decke der Aufnahmebühne hinauf, so dass der Kameramann Ernest Haller nur wenig Raum zur Anbringung von Lampen zur Verfügung hatte. Das gedrehte Filmmaterial fiel dementsprechend dunkel aus; hochgradig alarmiert schrieb Wallis an Dieterle nach der Sichtung der ersten dailies: I am just looking at the first day’s shooting. As you know and as Mr. Warner has already told you the shots are too dark. It is all well and good in our own projection room where our lamps are of high intensity but when you get these same scenes out in theatres around the country the screen will be almost black. There is no use in making these scenes for our own amusement as that isn’t going to bring in any money.178
Nach zwei weiteren Drehtagen, in denen Dieterle und seine Kollegen vergeblich versucht hatten, das Beleuchtungsproblem in den Griff zu bekommen, entschied sich Wallis zu einem Wechsel des Kameramannes. Ernest Haller, dessen Stärke eher in der Photographie intimerer Szenen mit vielen Großaufnahmen als in der Bewältigung großer „Leinwandspektakel“ lag, wurde durch Hal Mohr ersetzt. Mohr, der in der Vergangenheit bereits öfter als „Rettungskraft“ zu schwierigen Projekten hinzugezogen worden war, ließ sich von Henry Blanke mit sonst für Kameramänner eher untypischen Vollmachten ausstatten und nahm über die Weihnachtsfeiertage im Schichtbetrieb grundlegende Veränderungen an der Waldkulisse vor. Zunächst schnitten die Bühnenarbeiter die künstlichen Bäume zurück und installierten die dringend benötigten zusätzlichen Lampen; anschließend ließ Mohr den Wald von der Seite beleuchten und die dabei entstehenden Licht- und Schattenbereiche mit silberner Farbe beziehungsweise orangefarbenem Schellack, der im fertigen Film schwarz erschien, besprühen. Durch den auf diese Weise erzeugten HellDunkel-Kontrast wirkte der Filmset wie von Sonnenstrahlen durchflutet. Waren diese gravierenden Umbauten für Reinhardt nach seiner Rückkehr in das Studio am 26. Dezember zunächst ein Schock, durch den er – nach Mohrs Erinnerung – „beinahe tot umfiel“,179 zeigte sich Jack Warner äußerst zufrieden mit dem Ergebnis und bezeichnete das neu gedrehte Filmmaterial als „einhundertprozentige Verbesserung“.180 Auch Dieterle war von der Erfindungsgabe des neuen Kameramannes äußerst beeindruckt und würdigte noch viele Jahre später dessen erheblichen Beitrag zum Erfolg des Filmes.181 In der Tat konzipierte Mohr eigens für den Midsummer Night’s Dream ausgefallene Effekte, die in Hollywood lange unerreicht blieben und ihm 1936 zurecht einen Oscar in der Kategorie best cinematography einbrachten. Insbesondere 178 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (20.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 179 Interview with Hal Mohr, in: Maltin, Behind the Camera, 88. 180 Memorandum Jack Warners an Henry Blanke, (27.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 181 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 119.
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die Elfenszenen wurden durch die Verwendung spezieller mit Vaseline bestrichener Kamerafilter sowie großer Rahmen, die mit Nylon bespannt und mit Flitterpulver bestreut waren, phantastisch verfremdet.182 Wie die heute noch erhaltenen Produktionsunterlagen des Filmes belegen, fiel jedoch auch Mohr bereits kurze Zeit später bei der Studioleitung in Ungnade. Ermutigt von Dieterle und Reinhardt hatte er die künstlerische Verfremdung der Elfenszenen auf eine für Wallis untragbare Spitze getrieben; in einem erzürnten Memorandum forderte er Dieterle auf, sich bei der Verwendung des sogenannten „artistic stuff“ künftig zurückzuhalten und die ihm eigentlich hinreichend bekannten technischen Grundregeln des Films nicht länger zu missachten: The whole goddamned day’s work is practically ruined. You can’t make out OBERON or his men or anything else. It is just a black mass. There is no light in the foreground and I am certainly disappointed in the stuff. For the last time I am telling you to cut out the artistic stuff and let’s light up the people and began [sic!] to see what the hell we are photographing, as I am getting just about fed up on it. […] I was afraid you were going to go to an extreme in this, and I cautioned you, but despite that fact, you still went ahead and did it your way and of course it is wrong.183
Doch nicht nur Dieterle schien sich – zumindest in Wallis’ Einschätzung – von Reinhardt stark beeinflussen und zu einer unnötigen Zeit- und Geldverschwendung verführen zu lassen. Bereits wenige Tage nach Drehbeginn hatte der Produktionsleiter das Gefühl, dass der associate producer Blanke die Interessen des Studios nicht ausreichend vertrat; in einem Memorandum warnte er diesen davor, dass das am Film arbeitende künstlerische Personal, namentlich Reinhardt und Dieterle, ihn zu vereinnahmen drohte: I am just writing you this note as a reminder that what I tried to do on the set today is what you should be doing all the time you are down there. After all, you are representing the production end of the studio and I should not have to come down there and tell the mixer and Logan the things that I did today. It should be up to you and you should fight just as hard to have these things accomplished as I do. You should not fight the other way. […] I am relying on you to follow trough on this picture and see that they do not waste time and money needlessly.184
182 Zu den Details der kameratechnischen Verfremdungs-Effekte Hal Mohrs siehe: Interview with Hal Mohr, in: Maltin, Behind the Camera, 88; Wallis/Higham, Starmaker, 42; MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (00:34:20– 00:35:44). 183 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (03.01.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Bei der von Wallis beschriebenen Szene handelte es sich um die knapp siebenminütige Notturno-Sequenz, die das Ende der nächtlichen TraumHandlung markiert. Nachdem Dieterle Nachaufnahmen der Szenen unternommen hatte, zeigte sich Wallis zufriedener. Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (07.01.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 184 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (29.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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Konnte Wallis schließlich die im Umgang mit dem Medium Film erfahrenen Studioangestellten Dieterle und Blanke durch Vernunftargumente – und den Verweis auf die regelmäßige Kündbarkeit ihrer Verträge – dem „verführerischen Einfluss“ Reinhardts zumindest bis zu einem gewissen Grad entziehen, war dieser selbst dagegen nicht so einfach auf die notwendigen technischen Grundregeln der Filmproduktion einzuschwören. Bereits wenige Tage nach Beginn der Dreharbeiten erregte die vollkommen auf die Erfordernisse einer Theaterbühne ausgelegte Schauspielerführung Reinhardts die Besorgnis der Studioleitung. Neben dem von Cagney in seinen Memoiren treffend charakterisierten Problem des bühnenhaften over-acting stand die verhältnismäßig langsame Spielweise der Darsteller dem sonst üblichen temporeichen house style des Studios diametral entgegen; Wallis warnte Dieterle am 31. Dezember 1934: The scene with Helena after she sees the bear was strung out too much. It doesn’t seem to me that this should have to be played upon so heavily. It seems to me that she should have come running to the trees and read the speech more normally. I realize that PROFESSOR REINHARDT is on the set, and that this is the way the scene would normally be played in the theatre or wherever it was staged, but don’t forget also that the staging of „A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM“ in the BOWL took almost three hours, and we don’t want to run into the situation at the end of the picture of finding that we have about sixteen reels of film that we can’t cut down because it is paced too slowly.185
Wie die Produktionsunterlagen (und auch der fertige Film) belegen, gelang es Dieterle jedoch trotz großer Bemühungen nicht, einen nennenswerten Einfluss auf die Reinhardtsche Spielweise der Darsteller zu nehmen. Obwohl die wachsende Unzufriedenheit der Studioleitung mit dem gedrehten Material eigentlich ein beherztes Eingreifen seinerseits notwendig gemacht hätte, konnte er sich wohl nicht hinreichend aus seiner Rolle als Schüler Reinhardts befreien. Auch fünf Wochen später war Wallis mit dem gedrehten Material noch hochgradig unzufrieden und äußerte sein wachsendes Unverständnis angesichts der offensichtlichen Missachtung seiner Anweisungen: I know that you have been working very hard on the picture, and I dislike writing you any criticisms, as I know you are trying hard. However, I have been pounding and pounding at you and BLANKE, and have talked to REINHARDT about the over-acting of some of the characters and of the slow tempo in a lot of scenes but, regardless of all these talks, the dailies still continue to come in so dragged out and so exaggerated and so slow, with the actors taking over the scenes and seemingly doing everything that they want to do, that it is difficult for me to understand the situation.186
185 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle und Henry Blanke, (31.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 186 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (07.02.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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Doch nicht nur das für den Film zu langsame Tempo und der bühnenhaftübertriebene Darstellungsstil der Schauspieler wurden von Wallis während der Dreharbeiten regelmäßig kritisiert; ein in seinen Augen noch viel größeres Problem bildete ihre mangelnde Verständlichkeit. Insbesondere in den dynamischen und bewegungsreichen Waldszenen waren die ohnehin mit der klaren Wiedergabe des Shakespeareschen Textes zuweilen stark überforderten Darsteller aufgrund der Regieanweisungen Reinhardts, die Atemlosigkeit oder gleichzeitiges Lachen verlangten, kaum zu verstehen.187 Wiederholt wurde Dieterle dazu aufgefordert, derartige Regieanweisungen zu unterlassen, den überdimensionierten Filmset ausreichend mit Mikrophonen zu versehen und wenn möglich dafür zu sorgen, dass das Publikum die Lippenbewegungen der Schauspieler auf der Leinwand sehen konnte. Dialoge sollten nicht in einer – vielleicht eher an das Theater erinnernden – Totale oder Halbtotale, sondern nach einem Schuss-Gegenschuss-Prinzip in alternierenden close ups aufgenommen werden. Reinhardt und Dieterle schienen diese Anweisungen jedoch nicht ausreichend zu beherzigen; auch wenige Tage vor Drehschluss war Olivia de Havilland in den dailies aufgrund ihrer gespielten Atemlosigkeit akustisch kaum zu verstehen. Wallis kündigte gegenüber Blanke wütend an, alle unverständlichen Passagen in Nachaufnahmen (sogenannten retakes) unter der Aufsicht eines anderen Regisseurs noch einmal drehen zu lassen: We’ll just have to put explanatory titles in the picture, because I can’t understand what the hell she [Olivia de Havilland] is talking about, and nobody else will. I can see that DIETERLE and REINHARDT intend to keep on doing this stuff just as they want to do it, so we’ll wait until they finish the picture and then I’ll put somebody else on it to go back and do it the way we want it done.188
Wurde Dieterle von Wallis – wie dessen Memoranden bezüglich technischer Unzulänglichkeiten des gedrehten Materiales nahelegen – aufgrund seiner Freundschaft zu Reinhardt mit Argwohn beobachtet und zuweilen scharf kritisiert, konnte er sich doch durch seine Arbeit am Midsummer Night’s Dream den Respekt der Studioleitung verdienen. Als die Dreharbeiten nach fast drei Monaten am 12. März 1934 endlich beendet waren, hatte er mehr als einmal mit Diplomatie und filmtechnischer Erfindungsgabe den vorzeitigen Abbruch des Projektes verhindert. Eine der größten von ihm erfolgreich bewältigten Krisen war zweifelsohne die Sportverletzung des Puck-Darstellers Mickey Rooney. Bei einer Rodelfahrt brach sich der Zwölfjährige Anfang Januar 1935 ein Bein und lag für vier Wochen im Krankenhaus, Dieterle verhinderte den von der Studioleitung bereits angeordneten Produktionsstopp und drehte mit Hilfe eines Doubles weiter. Als Rooney wieder zur Verfügung stand, erfand er 187 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (29.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 188 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (07.03.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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ausgefallene filmtechnische Tricks, um dessen Gipsbein zu kaschieren.189 Wie ein heute in der Deutschen Kinemathek Berlin erhaltenes Telegramm Reinhardts an Dieterle belegt, war sich dieser des großen und unverzichtbaren Beitrags, den sein einstiger Schüler zum Gelingen des Filmprojektes geleistet hatte, vollkommen bewusst. Im Anschluss an die New Yorker Premiere des Sommernachtstraumes schrieb er: „Ich fühle mich gedrängt, Ihnen noch einmal vor aller Welt zu danken für die treue hingebungsvolle und wahrhaft wunderbare Arbeit, die Sie geleistet haben. Mit sicherer und kundiger Hand haben Sie Ihren einstigen Lehrer eingeführt in die ihm bis dahin fremde Welt des Films und Ihren Entdecker nun selbst für das sprechende Bild entdeckt.“190 Dem Adressaten bedeuteten diese Zeilen Reinhardts viel, noch Jahrzehnte später zitierte er sie wörtlich in seinen autobiographischen Skizzen.191 War es Dieterle – die „Gunst der Stunde“ mutig nutzend – gelungen, eine in der Geschichte Hollywoods einzigartige Brücke zwischen Theater und Film zu schlagen, die das alte Europa und die neue Welt zumindest für die Dauer einer Studioproduktion verband, konnte er es doch nicht verhindern, dass bei Warner und Wallis ein bitterer Nachgeschmack bezüglich der ersten Kooperation mit Reinhardt zurückblieb. Auch mit dem größten Einsatz hatte er die vom Studio vorgesehenen Begrenzungen für Drehzeit und Budget nicht mit der überschäumenden Phantasie und künstlerischen „Verschwendungssucht“ seines einstigen Lehrmeisters in Einklang bringen können. Hatte man einen Tag vor Drehbeginn, am 18. Dezember 1934, die Produktionskosten noch auf 615.000 Dollar geschätzt192, betrugen sie letztendlich über 1.300.000 Dollar.193 Der nach einem (ohnehin bereits korrigierten) Plan für den 13. Februar 1935 vorgesehene Drehschluss erfolgte erst knapp fünf Wochen später; andere wichtige Filmprojekte verschoben sich, da die eingeplanten Hauptdarsteller James Cagney und Joe E. Brown nicht rechtzeitig zur Verfügung standen. Um die Kooperation mit Reinhardt zu einem halbwegs harmonischen Ende und den Film zur Vollendung zu bringen, hatte die Studioleitung etliche Unannehmlichkeiten und Ungewöhnlichkeiten hinnehmen müssen, die sie danach in dieser Form nie wieder akzeptieren sollte. Die wohl größte Konzession der Gebrüder Warner an den europäischen Theatermann bestand in dem einzigartigen Sonderstatus, den sie dem Komponisten Erich Wolfgang Korngold während der Dreharbeiten einräumten. 189 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 119. 190 Telegramm Max Reinhardts an William Dieterle, New York, (06.10.1935, 07:02 PM), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. (In dieser Arbeit wurden aus Gründen der besseren Lesbarkeit in Zitaten von Telegrammen die fehlende Interpunktion und der deutsche Umlaut ergänzt und die Schreibung mit Großbuchstaben aufgehoben.) 191 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 119–120. 192 Budget für A Midsummer Night’s Dream, (18.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 193 Mierendorff, William Dieterle, 78.
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Erich Wolfgang Korngolds Filmusik Hatten die Gebrüder Warner ursprünglich in Erwägung gezogen, den soeben in Los Angeles eingetroffenen Emigranten Franz Waxman (eigentl. Wachsmann) mit der Konzeption der Filmmusik für den Midsummer Night’s Dream zu betrauen194, mussten sie von diesen Plänen jedoch rasch wieder Abstand nehmen. Bereits kurze Zeit nach der Unterzeichnung seines Vertrages machte ihnen Reinhardt unmissverständlich klar, dass für diese Aufgabe nur sein Freund und künstlerischer Kooperationspartner Erich Wolfgang Korngold in Frage kam. Seit 1929 hatten die beiden mehrfach zusammengearbeitet und beliebte Operettenerfolge wie Die Fledermaus oder Die Schöne Helena auf die Bühnen Europas gebracht.195 Korngolds Frau Luzi beschrieb in ihrem Erinnerungsbuch Erich Wolfgang Korngold. Ein Lebensbild die besondere Verbindung, die sich zwischen ihrem Mann und Reinhardt während der gemeinsamen Probenarbeit in Berlin entwickelte: Die Proben dauerten bis spät in die Nacht, und dann standen Reinhardt und Korngold noch stundenlang im Gespräch – zuerst im Foyer des Theaters, dann auf der Straße. Helene Thimig und ich machten einige schüchterne Versuche, zum Aufbruch zu mahnen – völlig zwecklos, denn die beiden Männer waren, vertieft in ihre Diskussionen, blind und taub für ihre Umgebung. So geschah es, daß wir regelmäßig nach der Probe – um sechs Uhr früh – unser Frühstück (Schokoladeneis und Kuchen) bei Rumpelmeyer einnahmen, bevor wir auf ein paar Stunden zu Bett gingen.196
Trotz dieser außergewöhnlichen Erfahrungen war Luzi Korngold nicht unglücklich, als Reinhardt im Frühsommer 1934 nach Amerika aufbrach, um dort zu inszenieren; zuweilen empfand sie diesen als einen „unruhigen Geist“, der ihren Mann von seiner eigentlichen Bestimmung, dem Komponieren, abhielt.197 Bereits kurze Zeit später traf allerdings ein Telegramm Reinhardts ein, in dem Korngold gebeten wurde, sich sofort auf den Weg nach Los Angeles zu machen und die Filmmusik für den Midsummer Night’s Dream zu konzipieren. Da die Dauer des Engagements lediglich auf sechs bis acht Wochen festgesetzt war und es sich nach Reinhardt nicht um eine Neukomposition, sondern lediglich um eine Adaption der – zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bereits verbotenen – Felix Mendelssohnschen Sommernachtstraum-Musik 194 Carroll, The Last Prodigy, 234. Im Gegensatz zu Korngold hatte Franz Waxman zu diesem Zeitpunkt bereits ausgedehnte Erfahrungen mit der Komposition von Filmmusik gesammelt, so zum Beispiel im Jahre 1930 für Josef von Sternbergs Der Blaue Engel sowie 1934 für den in Paris gedrehten Fritz Lang-Film Liliom. 195 Luzi Korngold kommentierte den Einfluss Reinhardts auf ihren Mann: „Wenn Reinhardt rief, gab es kein Ausweichen.“ Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 56. Zu Reinhardts und Korngolds Zusammenarbeit in den Jahren von 1929 bis 1934 siehe: Carroll, The Last Prodigy, 207–228. 196 Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 55. 197 Ebenda, 63.
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handelte, sagte Korngold zu. Ein offizielles Angebot des Studios wurde am 19. Oktober 1934 nach Wien telegrafiert – versehen mit einem Hinweis auf einige grundlegende Vertragskonditionen: „We to own world’s copyright and all rights of every nature whatsoever in all music written by you during employment by us including right to make all changes, additions and adaptations we deem necessary.“198 Obwohl diese im Hollywooder Vertrags-Fachjargon gehaltene Anmerkung bezüglich der Rechte am künstlerischen Produkt Korngold vielleicht an den sprichwörtlichen „Verkauf der Seele“ erinnert haben mochten, wollte er sich die Chance auf ein interessantes und lukratives „Zwischenspiel“ in den USA nicht entgehen lassen und brach bereits vier Tage später zusammen mit seiner Frau in Richtung New York auf. Über den großen von Warner Bros. initiierten Pressewirbel und den damit verbundenen Kulturschock bei ihrer Ankunft berichtete Luzi Korngold: Schon an Bord hatte sich ein Heer von Reportern eingefunden, und bevor wir noch Fuß an Land gesetzt hatten, wurde Erich bereits mit Fragen bestürmt: „How do you like America? Was denken sie über Hitler, Mr. Korngold? Werden sie einen Kontrakt mit Hollywood abschließen? Einen Moment, Mr. Korngold! Bitte, küssen Sie Ihre Frau, Mr. Korngold. Das war lovely, Mr. Korngold. […] Fremd, fremd, seltsam – und komisch, wenn man nicht so müde und zerbrochen von der Reise gewesen wäre. Zudem verstand Erich kaum ein Wort Englisch und sah mich hilfesuchend an; ich mußte übersetzen. Da die Frage, was er von Hitler halte, immer wieder auf ihn losschoß, antwortete er schließlich: „Ich glaube, daß Mendelssohn Hitler überleben wird.“199
Nach einem kurzen Aufenthalt in New York – ebenfalls vom Studio perfekt organisiert und publicity-wirksam dokumentiert – reiste das Ehepaar Korngold weiter nach Los Angeles, wo sie von Henry Blanke und dem ihnen bis dahin unbekannten William Dieterle empfangen und in ihr Hotel, das Chateau Marmont am Sunset Boulevard, gebracht wurden. Auf dem Warner Bros. Gelände in Burbank erwartete den Komponisten nach einer offiziellen Begrüßung durch Jack Warner ein (damals sonst eher großen Stars vorbehaltener) eigener Bungalow mit Klavier. Bereits bei der ersten Führung durch die verschiedenen Aufnahmebühnen und Räumlichkeiten stellte Korngold sein außergewöhnliches Talent zur Lösung film-musikalischer Problemstellungen unter Beweis. Innerhalb kürzester Zeit entwarf er – so der Korngold-Biograph Brendan G. Carroll – seine persönliche für den Midsummer Night’s Dream 198 Telegramm Jack Warners an Erich Wolfgang Korngold, (19.10.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Der offizielle Vertrag mit dem Studio wurde am 31. Oktober 1934 in Los Angeles unterzeichnet, mit einer Laufzeit vom 5. November 1934 bis zum 31. Januar 1935. Vertrag Erich Wolfgang Korngolds mit Warner Bros., (31.10.1934), Paragraph 3, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Als Vergütung seiner Arbeit erhielt Korngold insgesamt 8000 Dollar (4000 Dollar für die eigentliche Arbeit und 4000 Dollar für Reisekosten und Unterbringung etc.), die ihm wie folgt ausgezahlt wurden: 1500 Dollar Vorschuss auf die Reisekosten, der Rest von 6500 Dollar in wöchentlichen Raten von 541,67 Dollar. Ebenda, Paragraph 4. 199 Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 55.
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adäquate „mathematische“ Arbeitsmethode.200 Ferner war dem Komponisten von Anfang an bewusst, dass die Sommernachtstraum-Musik Mendelssohns nicht ausreichen würde, um Reinhardts künstlerische Vision eines mehr oder weniger vollständig von Musik begleiteten Filmes, angelehnt an die Idee eines Wagnerschen Gesamtkunstwerkes, zu verwirklichen. Aus diesem Grund integrierte er Passagen anderer Werke Mendelssohns, wie der „Schottischen Symphonie“ und der „Lieder ohne Worte“, in den Soundtrack, verbunden durch kleine eigene Kompositionen im Stile Mendelssohns.201 Um die in dem Film vorhandenen unterschiedlichen Szenen-Gattungen mit Musik zu versehen, entwickelte Korngold verschiedene Techniken, die er in einem 1940 entstandenen Artikel beschrieb: I had to make preliminary recordings, the so called playbacks, of Mendelssohn’s Scherzo and Nocturne, which were played over huge loudspeakers during the actual filming [of the ballet episodes]. Further, I conducted the orchestra on stage for complicated simultaneous „takes“, and lastly, after the film was cut, I conducted a number of music pieces which were inserted in the completed picture as background music. In addition, however, I had to invent a new method, which was a combination of all three techniques, for the music that accompanied the spoken word. I wrote out the music in advance, conducted – without orchestra – the actor on the stage in order to make him speak the lines in the required rhythm and then, sometimes weeks later, guided by earphones, I recorded the orchestral part.202
Insbesondere die letzte der hier von Korngold beschriebenen Aufnahmemethoden bildete innerhalb der damaligen amerikanischen Studioproduktion ein Novum, mit dem sich Jack Warner und Hal Wallis nur schwer abfinden konnten. War es sonst üblich, dass der Komponist erst nach dem Abschluss der Dreharbeiten mit der musikalischen Untermalung des Rohschnitts begann, war Korngold auf Reinhardts Geheiß sowohl während der elftägigen Probenarbeit als auch während der Aufnahmen am Filmset ständig zugegen und übte ein umfassendes Mitspracherecht in der Schauspielerführung aus. Da Reinhardt wünschte, dass die Darsteller in einigen Passagen die Shakespeareschen Verse im Rhythmus der begleitenden Musik sprachen, musste Korngold diese bereits vor den Aufnahmen komponieren und anschließend die Darsteller dementsprechend instruieren. Dies ging sogar so weit, dass er zuweilen in den Kulissen versteckt sitzend oder liegend die Sprechenden „dirigierte“.203 Für
200 Carroll, The Last Prodigy, 239. 201 Ebenda. 202 Erich Wolfgang Korngold, Some Experiences of Film Music, in: Music and Dance in California (Juni 1940), zit. nach: Carroll, The Last Prodigy, 240. 203 So „dirigierte“ er zum Beispiel unter einem Strauch liegend Victor Jory, den Darsteller des Oberon, als dieser Puck damit beauftragte, den „jungen Mann im Athener Gewand“ mit der Liebesblume zu verzaubern. MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (00:43:37–00:44:11).
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Wallis, der – wie bereits dargelegt – während der gesamten Dreharbeiten hochgradig besorgt angesichts der akustischen Unverständlichkeit mancher Darsteller war, bedeutete dies eine zusätzliche inakzeptable Komplikation. Wiederholt mahnte er Dieterle und Blanke, Korngold in die Schranken zu weisen: Another thing that I am concerned about is the fact that KORNGOLD is stepping in too much as to how the people should speak and how it is going to fit in with his music, and I would rather not have him on the set at all if this is going to be the case. He knows nothing whatever about pictures, and I don’t want him to have any say at all in how the people are to speak, or weather they are to speak like fairies or anything of the kind. All I want him to concern himself with is the music.204
Insbesondere die Darsteller der Feen und Elfen, die ihren Text gemäß Reinhardts und Korngolds Instruktionen in einem melodischen „Sing-Sang“ wiedergaben, waren bei der Sichtung des gedrehten Filmmaterials nur schwer zu verstehen. Bereits zum Zeitpunkt der ersten Screentests wenige Tage vor dem eigentlichen Drehbeginn versuchte Wallis, Dieterle auf das Problem aufmerksam zu machen; er ermahnte den Regisseur, vor allem die Darstellerin der Elfenkönigin Titania (Anita Louise), die ohnehin eine sehr hohe Stimme besaß, in ihrer „feenhaften“ Sprechweise zu dämpfen.205 Wie die Produktionsunterlagen nachweisen, gelang es Dieterle jedoch nicht, sich in dieser Angelegenheit gegen Reinhardt und Korngold durchzusetzen. Er versuchte vielmehr, die schwere Verständlichkeit der Darstellerin durch den vermehrten Einsatz von close ups, in denen man ihre Lippenbewegungen erkennen konnte, zu kompensieren. Wallis empfand dieses Vorgehen allerdings nicht als ausreichend; er forderte Dieterle auf, am Filmset die Interessen der Studioleitung zu wahren: „This is the way we want it done and please don’t deviate from it. Don’t give us any alibis, and ‚I know how Mr. Reinhardt feels about it‘ and all of that.“206 Als sich auch einige Zeit später noch nichts an der Sprechweise der Darstellerin geändert hatte, wurde Wallis zunehmend ungeduldig; in deutlichen Worten erinnerte er seine fest angestellten Mitarbeiter Dieterle, Blanke und Stanley Logan an die Position Reinhardts innerhalb des Studios. Oblag dem Theatermann zwar offiziell die Inszenierung des Filmes, hatte er jedoch nicht die letzte Entscheidungsgewalt: It is not necessary for Anita Louise to be so singsongy. I am convinced her method delivering lines is because she has been drilled and rehearsed that way by Professor Reinhardt. This does not solve our problem that we understand what the people are talking about. I am going to have you go back and retake it until it is done the way I want it. 204 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle und Henry Blanke, (31.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 205 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke und William Dieterle, (04.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 206 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle und Henry Blanke, (31.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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When I who know the story sit in the projection room and cannot understand what the girl is talking about then it’s time to do something about it. You can discuss this with Professor Reinhardt if you wish but I am looking forward to a decided difference in the dailies. […] We are spending a lot of money on this picture and I am not going to take a chance of injuring it in any way.207
Nachdem die Dreharbeiten trotz dieser gravierenden Unstimmigkeiten zwischen der Studioleitung und den europäischen Gästen im März 1935 zu einem mehr oder weniger harmonischen Ende gebracht worden waren, verließ Reinhardt Los Angeles in Richtung Salzburg während sich Korngold noch mitten in seiner Arbeit befand – der ursprüngliche Zeitrahmen von sechs bis acht Wochen hatte sich als vollkommen utopisch erwiesen. Man stellte dem Komponisten einen eigenen Vorführraum zur Verfügung, in dem er – häufig bis in die Nacht hinein – seine Musik auf den ersten Rohschnitt des Filmes abstimmte.208 Ein – angesichts eines Vergleichs seiner Gage von 8000 Dollar mit Reinhardts Gage von 150.000 Dollar – verständlicher Versuch Korngolds, für das sich an diese Arbeitsphase anschließende Dirigieren der komponierten Filmmusik eine zusätzliche Vergütung auszuhandeln, war bereits im Dezember 1934 gescheitert. In Verkennung der außergewöhnlichen Fähigkeiten des österreichischen „Wunderkindes“ war Jack Warner der Meinung, dass diese Aufgabe theoretisch auch von dem Leiter seines studioeigenen music department Leo F. Forbstein, der bereits seit der Stummfilmzeit als Filmmusik-Dirigent tätig war, erledigt werden könne. Korngold, so Warner, habe dem Studio für den einmal festgesetzten „Paulschalpreis“ von 8000 Dollar für alle mit dem Film in Verbindung stehenden Aufgaben zur Verfügung zu stehen: Am surprised Dr. Korngold now wants to hold us up for $2500 to conduct his score. When I agreed to send for Korngold it was understood that he would do everything whether it is in the contract or not. He certainly should take enough interest on what he is doing to conduct his score. I have informed Koenig to forget Korngold and Forbstein will conduct the orchestra as we see fit. Also I am surprised that Korngold is going into legal technicalities on what he should and should not do when it was explicitly understood he was to do everything.209
Diese von musikalischem Unverständnis zeugende Haltung Warners – Forbstein war zwar nicht unbegabt, mit Korngold aber nicht zu vergleichen – sollte sich schnell ändern, als deutlich wurde, dass Korngold in der Lage war, das studioeigene music department von Grund auf zu reformieren und damit in eine führende Position in Hollywood zu bringen. Nachdem die Musik in den frühen Tonfilmen der Jahre von ca. 1928 bis 1932 aufgrund technischer Unzulänglichkeiten nahezu bedeutungslos gewesen war, hatte der Österreicher 207 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, Henry Blanke und Stanley Logan, (16.01.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 208 Korngold, Erich Wolfgang Korngold, 67. 209 Memorandum Jack Warners an Henry Blanke, (11.12.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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Max Steiner 1933 durch seine aufwendige Komposition für den Film King Kong in den RKO-Studios neue Maßstäbe gesetzt; man wurde sich des großen Potentials der Filmmusik (erneut) bewusst.210 In den Warner Bros. Studios begann der neue „Boom“ der Musikabteilung mit dem Musical 42nd Street (1933), das dank der innovativen Choreographie Busby Berkeleys zu einem großen Publikumserfolg wurde. Um das zunehmende Arbeitspensum in Verbindung mit weiteren geplanten Musicals bewältigen zu können, engagierte Forbstein ab Oktober 1933 in schneller Folge zahlreiche hervorragende Musiker wie den Arrangeur Ray Heindorf oder den Saxophonisten/Klarinettisten Teddy Krise. Dieser erinnerte sich an den „revolutionären“ Effekt, den Korngold auf das Warner Bros. Orchester ausübte: „[T]he real take-off point for the Warner Orchestra came with the arrival of Korngold. He transformed it into a proper symphony orchestra […] and brought so much class to the department that in a few years, the orchestra was the best there was“.211 Als schließlich auch Jack Warner während der Orchesteraufnahmen im April 1935 die überragenden musikalischen Fähigkeiten Korngolds erkannte, bot er dem Komponisten einen Einjahresvertrag an, den dieser jedoch ohne zu zögern ablehnte und sich am 2. Mai 1935 auf die Heimreise nach Europa machte. Bereits kurze Zeit nach seiner Ankunft erreichten ihn jedoch per Telegramm weitere Offerten, die ihn in Versuchung brachten, seine Arbeit an der neuen Oper Die Kathrin ein weiteres Mal zu unterbrechen. Ein „Katz-und-Maus-Spiel“ mit Warner begann, das sich bei allen weiteren Filmaufträgen in den darauffolgenden Jahren wiederholen sollte. Mit dem Film Captain Blood läutete das Studio im Herbst 1935 eine Reihe erfolgreicher, opulent ausgestatteter Mantel-und-Degen-Abenteuer ein, für die Korngolds Musik wie geschaffen schien; mehrfach reiste er nach Los Angeles, um sich zur Komposition einer weiteren Filmmusik „überreden“ zu lassen.212 So auch im Frühjahr 1938, als 210 Während der Stummfilmzeit hatte die Filmmusik eine signifikante Rolle gespielt; in der Mitte der zwanziger Jahre wurden für alle wichtigeren Produktionen aufwendige Kompositionen geschaffen, die (zumindest in den größeren Kinos) von einem hauseigenen Orchester gespielt wurden. Mit der Einführung des Tonfilms (1928) wurde diese Praxis obsolet, zahlreiche Musiker verloren ihre Anstellung. Die in den folgenden Jahren gedrehten frühen Tonfilme verfügten lediglich über eine kurze Einführungsmusik während der Titelsequenz, die anschließende Handlung blieb musikalisch unbegleitet, da man nicht über die Technik verfügte, auf zwei parallelen Tonspuren das gesprochene Wort gleichzeitig mit Musik zu untermalen. Erst 1932 wurde dieses sogenannte multiple tracking möglich. Carroll, The Last Prodigy, 237–238. 211 Interview Brendan G. Carrolls mit Teddy Krise, zit. nach: Ebenda, 238–239. 212 In den drei Jahren von 1935 bis 1938 schrieb Korngold für die Warner Bros. Studios sechs Filmmusik-Kompositionen: Captain Blood (1935, Regie: Michael Curtiz), Hearts Divided (1936, Regie: Frank Borzage), The Green Pastures (1936, Regie: Marc Connelly, William Keighley), Anthony Adverse (1936, Regie: Mervyn LeRoy), The Prince and the Pauper (1937, Regie: William Keighley) und Another Dawn (1936, Regie: William Dieterle). Bei keinem dieser Filme war er jedoch in einem nennenswerten Umfang in die Dreharbeiten involviert.
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ihn – mitten in den Verhandlungen bezüglich des Filmes The Adventures of Robin Hood – die Nachricht vom Anschluss Österreichs erreichte. Seine Liaison mit dem amerikanischen Filmgeschäft, die zunächst von ihm selbst wie auch von seiner Familie als eine „Ablenkung“ von seiner eigentlichen Arbeit empfunden worden war, sollte schließlich sein Leben retten.213 Er unterzeichnete einen festen Vertrag mit den Warner Bros. Studios, in dem ihm einige für die damalige Zeit ungewöhnliche Sonderkonditionen, wie zum Beispiel eine freie Auswahl seiner Projekte, gewährt wurden.214 Erst im Jahre 1946 wandte er sich – nach insgesamt 19 erfolgreichen Kompositionen für Warner Bros. – wieder vom Filmgeschäft ab. Insbesondere in den letzten Jahren seiner Tätigkeit fanden sich im Produktionsspektrum des Studios nur noch wenige für Korngolds opulente Musik geeignete Filme; seine komplexen Kompositionen „überstrahlten“ häufig die Geschehnisse auf der Leinwand. So monierte der Österreicher Paul Henreid – zu der damaligen Zeit Warner-Vertragsschauspieler – im Jahre 1985 in einer Oral History, dass Korngold zuweilen mangelnde Rücksicht auf die spezielle Stimmung einer Situation walten ließ: „Unfortunately, he spoiled very often the drama of a situation with the music, but he wrote very beautiful music.“215 Der Korngold-Biograph Brendan G. Carroll resümierte – in einer film- und musikhistorisch etwas elaborierteren Form: The changing tastes of movie audiences as the war ended demanded a new realism on the screen. Romantic melodramas and historical subjects, at which Korngold excelled, were eschewed, in favor of strong political dramas and film noir. In many respects, this development paralleled the arrival of Neue Sachlichkeit, or new objectivity, in the opera and drama of the 1920s, which had made Korngold’s operas so unfashionable. Now, his film scores were suffering a similar fate.216
Die Rezeption des Filmes in der Presse und im boxoffice Noch mehr als dreißig Jahre nach der Vollendung des Midsummer Night’s Dream waren Dieterle die gemischten Gefühle, die ihn in den Sommermonaten des Jahres 1935 bezüglich der Zusammenarbeit mit Reinhardt bewegten, sehr gegenwärtig. Wie er in seinen autobiographischen Skizzen darlegt, folgten für ihn nach dem Abschluss der Dreharbeiten im März bis zur Premiere des Filmes 213 Zusammen mit Korngold emigrierten auch seine Eltern Julius und Josefine Korngold, seine zwei Söhne Ernst und Georg sowie seine Frau Luzi mit ihren Eltern. Zur Emigration der Familie Korngold siehe: Carroll, The Last Prodigy, 262–279. 214 Neben der freien Auswahl der Filmprojekte war vertraglich festgelegt, dass Korngold nicht mehr als zwei Filmmusiken jährlich zu komponieren hatte und dass er – in Hollywood eine absolute Seltenheit – die Verwertungsrechte an seiner komponierten Musik behielt. Ebenda, 275. 215 Ronald L. Davis, Oral History Interview mit Paul Henreid, (aufgezeichnet im Mai 1985, DeGolyer Library, Southern Methodist University), Transskript, 24, AMPAS. 216 Carroll, The Last Prodigy, 328.
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am 9. Oktober desselben Jahres bange Monate, in denen er sich nicht vollkommen sicher war, ob seine Kooperation mit Reinhardt ein Publikumserfolg werden konnte.217 Als aufmerksamer Beobachter der europäischen Theaterszene war er sich selbstverständlich des Umstandes bewusst, dass der Reinhardtsche Bühnenzauber bereits ab Ende der zwanziger Jahre zunehmend an Beliebtheit bei Publikum und Kritik verloren hatte. Mehr und mehr wurden die üppig-romantischen Inszenierungen als Anachronismus wahrgenommen; Reinhardt war – wie Thomas Mann es 1938 sehr treffend ausdrücken sollte – nicht mehr der „Mann der Stunde“.218 Ungeachtet dessen hatte sich Dieterle verständlicherweise nicht berufen oder in der Lage gefühlt, einen größeren Einfluss auf das Werk seines einstigen Lehrers zu nehmen – durch den Vertragsabschluss mit dem Theatermann hatte das Studio quasi ein Reinhardt-Komplettpaket eingekauft, ihm selbst kam dabei lediglich die Rolle eines Mitarbeiters und nicht die eines Kritikers zu.219 Ein Blick in die Produktionsunterlagen des Filmes legt allerdings die Vermutung nahe, dass auch Jack Warner sich zu dieser Zeit keinesfalls sicher bezüglich seiner jüngsten Investition in die „hohe Theaterkultur“ war. Er instruierte seine Mitarbeiter, eine in der Geschichte des Studios bislang einzigartige Pressekampagne auf die Beine zu stellen, um das eher an Gangsterfilme und Musicals gewöhnte Warner-Publikum noch vor der Premiere auf Shakespeare einzuschwören. Bereits während der Dreharbeiten hatte man eine Vielzahl humoristischer Kurzfilme und sogenannter teaser trailer produziert, die in allen Sälen der hauseigenen Kinokette gezeigt wurden.220 Man engagierte einen Broadway-Werbemann für die Konzeption besonderer Publicity-Stunts und druckte eine übergroße Pressemappe mit zahlreichen Artikeln bezüglich der Produktionsgeschichte. Neben der Aufzählung etlicher Superlative – in erster Linie die während der Dreharbeiten verbrauchten Materialien betreffend – gab es einige relativ nichtssagende Hintergrundstorys aus der studioeigenen Schreibwerkstatt und Interviews mit den beteiligten Künstlern, so zum Beispiel eine „Erklärung“ Reinhardts, die besagte: For the first time in my life, I have realized my own dream of doing this play with no restriction on my imagination. I made it a condition that we should present Shakespeare and nothing but Shakespeare. The stage sets a limit to fantasy and atmosphere, but the camera has a power of mobility to which there are no limits. I am grateful to the artists who have helped me to realise my dream, and above all to Puck and Bottom, who have 217 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 121–124. 218 Brief Thomas Manns an Agnes E. Meyer, (ca. 1938), zit. nach: Reinhardt, Der Liebhaber, 278. 219 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 121–124. 220 Der wohl interessanteste dieser Kurzfilme trug den Titel A Dream Comes True; er enthielt Filmausschnitte von den Dreharbeiten sowie (ab Oktober 1935) auch von der Premiere. Eine besondere Rarität bildete eine kurze (und vielleicht die einzige) Filmaufnahme von Korngold am Klavier. Der Film wurde im Jahre 2007 als Bonusmaterial der amerikanischen DVD-Version des Midsummer Night’s Dream beigefügt. Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, 2007.
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lent their amazing personalities to interpretations which are, I honestly believe, a contribution to Shakespearean tradition. This is only the beginning of Shakespeare’s alliance with the motion pictures.221
Auch Reinhardts weitläufige gesellschaftliche Verbindungen in Europa versuchte sich das Studio in der Vermarktung des Filmes zunutze zu machen; auf Bitten Jack Warners kontaktierte der Theatermann einige seiner adeligen Freunde in London, um eine Privatvorführung für das britische Königshaus zu arrangieren, die jedoch nicht zustande kam.222 Zuweilen trieb die für den Film initiierte Publicity allerdings auch recht seltsame Blüten; neben dem etwas absurd wirkenden Plan für ein Busby-Berkeley-Musical mit dem Titel The Fairies of Nineteen-Thirty-Five (in Anlehnung an die in den Warner Bros. Studios gedrehten Musicals The Golddiggers of 1933 und The Golddiggers of 1935) erregte vor allem die Prägung einer speziellen Sommernachtstraum-Gedenkmedaille, die auf der einen Seite das Portrait Shakespeares und auf der anderen Seite das Porträt Reinhardts zeigte, das Befremden einiger kritischer Beobachter. So bezeichnete der österreichische Autor Karl Kraus in einem persiflierenden Artikel über Reinhardts künstlerische Tätigkeit bei Warner Bros. dieses etwas kitschig anmutende Souvenir als eine „Medaille mit Kehrseite“.223 Doch auch am Film selbst wurde während des Sommers 1935 – Reinhardt weilte wie erwähnt in Salzburg – intensiv gearbeitet. Nach einer ersten Preview im Juni, mit deren Ergebnis die Studioleitung offensichtlich nicht sonderlich zufrieden war, unternahm der Cutter Ralph Dawson noch einmal entscheidende Veränderungen und Striche.224 Erst wenige Tage vor der Premiere setze man Reinhardt über diese Vorgänge in Kenntnis; ein Telegramm, in dem er den associate producer Henry Blanke bat, die ursprüngliche Version des Filmes zu zeigen, blieb wirkungslos.225 Empört beklagte sich Reinhardt bei Blanke über ein derart unaufrichtiges Geschäftsgebaren: 221 Publicitymaterial der Warner Bros. Studios für den Film A Midsummer Night’s Dream, Materialien zu A Midsummer Night’s Dream, Schriftgutarchiv, Kinemathek Berlin. Beispiele für ähnliche in dieser Zeit entstandene Interviews sind: James Cagney, Making the Dream Come True, in: Picturegoer Weekly (05.10.1935), 12–13; Heinrich Jordan, Interview mit Max Reinhardt, in: Mein Film 499 (Juli 1935); Curt L. Heymann, Herr Reinhardt Likes the Movies, in: The New York Times (07.07.1935), X3. 222 Brief Max Reinhardts an Lady Diana Manners Cooper, (12.04.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Außerdem kontaktierte Reinhardt den österreichischen Botschafter in London Baron Frankenstein. 223 Karl Kraus, Der ganz große Humbug, in: Die Fackel 37.917–922 (Februar 1936), 22. 224 Die Veränderungen betrafen in erster Linie die Palastszenen am Ende des Filmes (Aufführung der Handwerker) sowie die Notturno-Szene. Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (01.04.1934), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Vgl.: MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, (02:04:05–02:04:36). 225 Telegramm Max Reinhardts an Henry Blanke, New York, (07.10.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) Da ich allen Vorschlägen immer entgegenzukommen bereit war, begreife ich nicht, warum man hinterher Striche machte ohne jede Mitteilung, ganz überflüssig ausdrückliche Vereinbarungen, mehr noch einfachste Höflichkeit verletzte und warum Sie dem zustimmten.226
Lässt sich heute anhand der erhaltenen Produktionsunterlagen nicht mehr eindeutig klären, in welchem Umfang Dieterle – der ab Juni 1935 bereits an seinem nächsten Filmprojekt arbeitete – an der Überarbeitung des Filmes und vor allem an den von Reinhardt monierten Strichen aktiv beteiligt war, ist jedoch davon auszugehen, dass er zumindest durch seinen Freund und Kollegen Blanke davon in Kenntnis gesetzt wurde. Trotzdem richtete sich Reinhardts Zorn nicht auf seinen ehemaligen Schüler; im Anschluss an die Premiere drückte der Theatermann in einem Telegramm an das Ehepaar Dieterle lediglich seine Enttäuschung über die „schwerverdaulichen Methoden“ des Studios aus: Danke Ihnen beiden für zauberhafte Rosen und Grüsse, die ich von Herzen erwidere. Gestrige Premieren hier, London scheinen erfolgreich. Striche hinterrücks empörend. Unverständlich, warum einfachste höfliche Verständigung umgangen. Methoden schwer verdaubar. […] Freundschaftlichst Reinhardt227
Waren die vom Studio ohne eine vorherige Absprache durchgeführten Veränderungen des Filmes sicherlich ein „Wermutstropfen“, wurde für Reinhardt die am 9. Oktober 1935 simultan in New York und London gefeierte Premiere des Midsummer Night’s Dream dennoch zu einem international wahrgenommenen Triumph und zu einem der letzten wichtigen Höhepunkte seiner Karriere. In beiden Städten gaben sich angesehene Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die Ehre; zahlreiche Hollywood-Schauspieler von Rang und Namen fuhren nach New York, um dem Ereignis persönlich beizuwohnen. Autogrammjäger und Journalisten sorgten für ein großes Verkehrschaos. Auch Reinhardt besuchte – im Gegensatz zu dem etwas pressescheuen Dieterle228 – die New Yorker Premiere als Ehrengast und bedankte sich in einer kurzen Ansprache für das enthusiastische Kultur- und Kunstinteresse der amerikanischen Bevölkerung. Im Anschluss an den Film gab die 226 Telegramm Max Reinhardts an Henry Blanke, New York, (10.10.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 227 Telegramm Max Reinhardts an William Dieterle, New York, (11.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Vgl. auch: Telegramm Max Reinhardts an William Dieterle, New York, (12.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 228 Dieterle, der sich zu diesem Zeitpunkt in Los Angeles aufhielt, wurde von Henry Blanke durch ein Telegramm aus New York über den Erfolg der Premiere informiert: „Monstrepremiere [sic!], Riesenerfolg, anständige Presse, Heinz“. Telegramm Henry Blankes an William Dieterle, (10.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Dieterle besuchte die offizielle Premiere des Filmes in Los Angeles am 16. Oktober 1935, die im Warner Brothers’ Beverly Hills Theatre stattfand. Siehe zum Beispiel: Glänzende „Sommernachtstraum“-Premiere, in: California Staats-Zeitung, 17.34 (25.10.1935), 1, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
3. Der Midsummer Night’s Dream (1935)
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Stadt New York für ihn und die Hauptdarsteller des Filmes ein großes Bankett, auf dem der Bürgermeister Fiorello LaGuardia persönlich den Festtoast ausbrachte. Albert Einstein, der eigens zur Premiere aus Princeton angereist war, schlug wenig später (zusammen mit namhaften Persönlichkeiten aus Politik und Kultur wie zum Beispiel dem schwedischen Naturforscher Sven Hedin) Reinhardt als nächsten Kandidaten für den Friedensnobelpreis vor. In ihrer Begründung für ihren Vorschlag schrieben sie, dass der große Theatermann durch seine „völkerverbindende Kulturarbeit“ weltweit „trennende Grenzen niedergerissen“ habe.229 Trug die Premiere des Midsummer Night’s Dream somit zweifelsfrei den Charakter eines internationalen kulturellen Großereignisses, das in der Filmgeschichte seinesgleichen suchte, brachte das Werk jedoch nicht die vom Studio erhoffte uneingeschränkte Zustimmung der Kritik. In das euphorisch ausgesprochene Lob zahlreicher gängiger US-Film-Blätter wie Film Daily, Motion Picture Daily oder Daily Variety230 mischten sich auch – insbesondere in Großbritannien – deutlich kritische Stimmen. Wurde der Film zwar als ein erster nennenswerter und auch durchaus bemühter Versuch Hollywoods bezeichnet, sich Shakespeare zu nähern, zeigte man sich gleichzeitig jedoch enttäuscht bezüglich der streckenweise frappierenden Banalität der Reinhardtschen Zaubermaschinerie, die der literarischen Vorlage bei Weitem nicht gerecht werden konnte. So schrieb Andre Sennwald, ein Kritiker der New York Times, nicht ohne Bedauern: Actually the film is visually entrancing, but it contains not one small loveliness that is not a thousand times more beautiful in the imagination after Shakespeare has kindled you with his glowing lines. The elaborate ballet is a tedious humbug and the dancing business on the double-exposure moonbeams is street-corner magic after you have read of these wondrous matters at their source. This is most distressing and there is no way of knowing what the cinema could possibly have done about it. For the Reinhardt-Dieterle production is as careful and affectionate an enterprise as anything the cinema has ever done in the name of art and profits.231
Der britische Schriftsteller Graham Greene wählte – die allgemein in Großbritannien empfundene Abneigung gegen amerikanische „Verfälschungen“ Shakespeares teilend – in der Zeitschrift The Spectator deutlichere Worte. Reinhardts Unverständnis des Mediums Film habe etliche Szenen, wie zum Beispiel das langsame Verschwinden der ersten Elfe (Nini Theilade) auf dem Mondstrahl am Ende der Notturno-Sequenz, an den „Rand der Absurdität“ getrieben: 229 Unterlagen für ein Ansuchen um die Verleihung des Friedensnobelpreises an Max Reinhardt, zit. nach: Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 220–222. Dem Ansuchen wurde jedoch nicht stattgegeben. Ebenda. 230 Eine Sammlung von im Anschluss an die Premiere in Los Angeles erschienenen Rezensionen befindet sich in: Midsummer Night’s Dream file, PCA, AMPAS. 231 Andre Sennwald, Morning After a Dream, in: The New York Times (13.10.1935), X5.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935) But Herr Reinhardt, lavish and fanciful rather than imaginative, is uncertain of his new medium. Although in his treatment of the Athenian woodland, the silver birches, thick moss, deep mists and pools, there are sequences of great beauty, there are others of almost incredible banality. […] Much of the production is poised […] on the edge of absurdity because Herr Reinhardt cannot visualize how his ideas will work out on the screen.232
Auch die im Film dargebotenen schauspielerischen Leistungen evozierten in der Kritik höchst unterschiedliche Reaktionen. Zeigten sich einige Rezensenten von der Anpassungsfähigkeit der Darsteller aus der Warner-GangsterfilmMaschinerie an das „Land Shakespearescher Illusionen“ positiv überrascht233, betonten andere, wie zum Beispiel Malcolm Johnson von der Zeitung The New York Sun, ihre deutliche Überforderung mit dem Text: To put it brutally, this cast, as a whole, does it badly. The players with few exceptions, are as though suddenly seized with stage fright in awe of their material. […] They stumble, usually at headlong pace, through their lines, reciting them without conviction, like parrots. They seem to have no feeling for the meaning of the words, for the poetry. […] It is too bad, in view of everything, that we couldn’t have the spectacle without the actors in „A Midsummer Night’s Dream“.234
Insbesondere Mickey Rooney in der Rolle des Puck polarisierte weltweit die Rezensenten. Wurde er von manchen als enervierendes Ärgernis empfunden (die Chicago Daily Tribune bezeichnete ihn als „just a junior Tarzan, a noisy little nuisance“235), waren andere dagegen voll des Lobes für Reinhardts geniale Casting-Entscheidung. So schrieb der von dem Film euphorisch-begeisterte Autor Franz Werfel in einem Aufsatz für das Neue Wiener Journal unter dem Titel „Kameramann im Elfenreich. Film von Shakespeare und Reinhardt“: Mickey gibt den wüsten Elementargeist, den sein Herr Oberon nur mit Mühe bändigen kann, er gibt den unruhestiftenden Kobold, der nur im Wirbel, in Sturm und Flamme sein Glück finden kann. […] Wenn die Natur in Person lachen könnte, sie würde lachen wie Mickey Rooney. Er beginnt mit einem Kichern, steigert sich zu fassungslosem 232 Graham Greene, Rezension des Midsummer Night’s Dream, in: The Spectator (Oktober 1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Auch Reinhardts Sohn Gottfried konzedierte in seinem Erinnerungsbuch Der Liebhaber eine Überforderung seines Vaters mit dem Medium Film. Er implizierte jedoch gleichzeitig, dass das zeitweilige Abgleiten des Filmes in den Bereich des Kitsches eher Dieterles Einfluss zuzuschreiben war. Reinhardt, Der Liebhaber, 275. 233 Showmen’s Reviews, in: The Motion Picture Herald (12.10.1935), Midsummer Night’s Dream file, PCA, AMPAS. 234 Malcom Johnson, Male Critic Says Bad Actors Spoil Spectacle Otherwise Gorgeous, in: The New York Sun (10.10.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Vgl. auch: Midsummer Night’s Dream, in: Variety (16.10.1935), Midsummer Night’s Dream file, PCA, AMPAS. 235 MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (01:28:42).
3. Der Midsummer Night’s Dream (1935)
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Kreischen und endet mit dämonischen Lauten, die mit Menschlichem nichts mehr zu tun haben.236
Gestalteten sich die im Oktober 1935 veröffentlichten Kritiken des Midsummer Night’s Dream insgesamt äußerst durchwachsen, wurde der erste einige Wochen dauernde Aufführungszyklus (first run) des Filmes durchaus zu einem Kassenerfolg. Auf reservierten Plätzen zu erhöhten Preisen präsentierte man in 25 amerikanischen Großstädten sowie in 13 Aufführungsorten in Übersee eine 153-minütige sogenannte roadshow version mit einer Ouvertüre, einer zehnminütigen Pause und einer walk-out music; eine begrenzte Zeit lang strömte das großstädtische Liebhaberpublikum in die Kinos und brachte den Film in die Gruppe der wichtigsten Kassenerfolge des Jahres 1935.237 Für einen general release, i. e. den landesweiten beziehungsweise weltweiten Verleih, schien der Film jedoch in dieser Form und vor allem in dieser Länge nicht geeignet. Die Studioleitung ordnete weitere erhebliche Kürzungen an und beauftragte Henry Blanke damit, Reinhardt auf die Veröffentlichung einer sogenannten popular version vorzubereiten; in einem Brief versuchte der associate producer das Vorgehen des Studios zu erläutern: Der Film in seiner Länge, wie Sie ihn bei den Premieren gesehen haben, war 11900 Fuss. Nach den Schnitten, die ich in detail später anführen werde, ist er jetzt 10400 Fuss, und ich glaube, dass wir mit den Schnitten einen Film haben, der populär grösseren Anklang finden wird, da jetzt Stellen, die vom Publikum als ermüdende Längen empfunden wurden, gänzlich fortfallen.238
Trotz der Straffung der „ermüdenden Längen“ erwies sich der Film jedoch als weitgehend ungeeignet für die amerikanische Provinz; die Mehrzahl der regelmäßigen Kinobesucher wurde durch Reinhardts Namen nicht zum Kauf eines Tickets bewogen – auch die Betonung des Werkes als eine „Produktion der Superlative“ konnte daran nichts ändern. Etliche Zuschauer verließen während der Aufführung sogar das Kino, der Rest begann sich – so ein im Juni 1936 veröffentlichter Artikel der Zeitschrift Film Weekly – während der Ballett-Szenen mit der Suche nach versteckten Drähten, an denen die Darsteller 236 Franz Werfel, Kameramann im Elfenreich, in: Neues Wiener Journal 15071 (03.11.1935), 7. Zum Aufsatz Werfels vgl. den persiflierenden Artikel über die Reinhardtsche Verfilmung des Midsummer Night’s Dream von Karl Kraus: Der ganz große Humbug, in: Die Fackel 37.917–922 (Februar 1936), 7–10. 237 Mierendorff, William Dieterle, 80. Die Einnahmen im domestic release (in den USA) waren immerhin zweimal so hoch wie bei durchschnittlichen Warner-Filmen, im Auslandsverleih überstiegen die Einnahmen die sogenannten negative costs (reine Produktionskosten ohne Verleih und Werbung) um dreißig Prozent. Demnach ging das Publikum durchaus in die Kinos, für einen wirklich großen Gewinn war die Produktion des Filmes jedoch einfach zu kostspielig gewesen. Vgl.: MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (02:18:15–02:18:32). 238 Telegramm Henry Blankes an Max Reinhardt, (23.12.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935)
schwebten, die Zeit zu vertreiben.239 Dementsprechend bewertete der österreichische Autor Karl Kraus in seiner Zeitschrift Die Fackel unter dem vielsagenden Titel Der ganz große Humbug die von Warner Bros. angestrebte Liaison Shakespeares mit Hollywood als eine künstlerische und finanzielle Fehlunternehmung – nicht ohne seiner grundsätzlichen Missbilligung des Reinhardtschen Theaterzaubers deutlich Ausdruck zu verleihen: Die Hoffnung […] es werde einst doch gelingen, Shakespeare für die Leinwand einzufangen, und den bekannten Schwan in reinem Gefieder auf ihr erscheinen zu lassen, wird nicht in Erfüllung gehen, aus dem einfachen metaphysischen Grund, weil eben, seitdem „gedreht“ wird, nicht mehr gesprochen wird. Und selbst der Film kaputt ist, seit er tönt. […] es wird ihnen [den Filmemachern] zwar gelingen, das Publikum, aber nicht Shakespeare für die Leinwand einzufangen. Die Filmdirektoren haben denn auch ganz andere Sorgen und nur einem Charlatan kann es vorübergehend glücken, Brothers, die keinen Warner hatten, mit Hokuspokus hineinzulegen. […] so kann man noch von Glück sagen, daß Schaulust und Hörqual in zweieinhalb Stunden auf ihre Kosten kommen, denn wenn es gottbehüte wahr wäre – womit in Zeitungsgesprächen renommiert wurde –, daß ein „ungekürzter“ (und noch bereicherter!) Shakespeare-Dialog geboten wird, so wäre der Film fünfeinhalb Stunden lang und demgemäß auch die Pleite größer, die ohnedies ganz groß oder doch wenigstens prominent ist.240
Der Kampf um die credits: Belastungsprobe für eine langjährige Freundschaft: I think you did a most marvellous job in putting „A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM“ on the screen. Your hand certainly shows right through, and I think that you have built for yourself an everlasting memorial. It is an achievement which will not be reached in a decade. […] I rarely write a fan letter, and this is one of the very few I have ever written. I think the picture is just magnificent!241
Wie diese Zeilen des bereits 1920 in die USA eingewanderten Österreichers Paul Kohner belegen, war man sich in der deutschsprachigen Kolonie Hollywoods der großen Verdienste William Dieterles um den Midsummer Night’s Dream vollends bewusst. Seine künstlerische Signatur – so konnten all jene mit seinen bisherigen Werken vertrauten Rezipienten deutlich erkennten – hatte den Film entscheidend geprägt; ohne seine Vermittlertätigkeit wäre eine Zusammenarbeit des stark autokratisch veranlagten Max Reinhardt mit den 239 Horace Richards, So This is Shakespeare, in: Film Weekly 10 (20.06.1936), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Zu negativen Reaktionen auf den Film in der amerikanischen Provinz vgl. auch: MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (02:19:20–02:20:26). 240 Karl Kraus, Der ganz große Humbug, in: Die Fackel 37.917–922 (Februar 1936), 15–16. 241 Brief Paul Kohners an William Dieterle, (18.10.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC.
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Warner Bros. Studios nur schwer denkbar gewesen. Von zahlreichen Kollegen und Freunden wurde der 42-jährige Regisseur zu seiner Leistung beglückwünscht, die – zumindest in den Augen der wohlwollenden Verfasser derartiger Briefe – geradezu zwangsläufig seinen endgültigen Durchbruch im amerikanischen Filmgeschäft bedeuten musste. Dieterle selbst hingegen konnte dieses Vertrauen in den positiven Verlauf seiner weiteren Karriere nur sehr bedingt teilen, bereits während der Dreharbeiten hatte er vor dem Hintergrund des um Reinhardts Person inszenierten Pressewirbels befürchtet, der „vergessene Mann“ des Projektes zu werden.242 Schnell wurde ihm bewusst, dass das Studio seine hohe Investition in Reinhardt im Hinblick auf die Publicity voll auszuschöpfen gedachte und alle anderen am Film beteiligten Künstler in den Hintergrund treten lassen wollte. Um dieser Vermarktungsstrategie seiner Arbeitgeber entgegenzuwirken, begann Dieterle im (vergleichsweise bescheidenen) Rahmen seiner Möglichkeiten, eine eigene Pressearbeit in die Wege zu leiten. Per Telegramm bat er im Sommer 1935 den in Wien lebenden Emigranten Rudi Löwenthal, der nach seiner Flucht aus Deutschland zusammen mit Erich Morawsky 1934 die Produktionsfirma Wiener-Film KG Morawsky & Co. gegründet hatte, seine Arbeitsleistung im Zusammenhang mit dem Midsummer Night’s Dream gegenüber der österreichischen Presse zu betonen: „Gefahr besteht, daß Kritik und Theaterleute Reinhardt beachten werden und meine eigentliche Arbeitsleistung übersehen. […] Bitte tut alles, um Zeitungen zu informieren, daß ohne meine bekannte Filmtechnik Reinhardt’s [sic!] Genius auf der Leinwand nie zum Ausdruck gekommen wäre.“243 Wie sich bereits kurze Zeit später herausstellen sollte, waren Dieterles Befürchtungen bezüglich einer Vernachlässigung seines Namens in der vom Studio veröffentlichten Werbung für den Midsummer Night’s Dream tatsächlich durchaus begründet. Immer wieder wurde er in den Wochen und Monaten vor der Premiere des Filmes von Freunden und Bekannten auf Plakate und Zeitungsanzeigen aufmerksam gemacht, in denen er entweder gar nicht erwähnt oder als „assistant to Reinhardt“ angeführt wurde.244 Mehrere Bitten seinerseits, alles derartige Publicity-Material zu vernichten und ihm sein – 242 Brief William Dieterles an Jack Warner, (03.10.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. (Ein Abzug des Briefes befindet sich im Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.) 243 Formblatt von Western Union für ein Telegramm an Rudi Löwenthal (Wien), (undatiert, sicher aber Sommer 1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Dieterle schickte dasselbe Telegramm ebenfalls an einen Freund in London namens Heinz Jänkel. Ferner ließ er einige Anzeigen in amerikanischen Filmfachzeitschriften drucken, in denen er auf seine Rolle während der Entstehung des Films aufmerksam machte. Vgl. dazu: Douglas W. Churchill, News and Gossip from the Gold Coast, in: The New York Times (13.10.1935), X5; MacQueen, Audiokommentar zur Produktionsgeschichte des Midsummer Night’s Dream, in: Reinhardt/Dieterle, A Midsummer Night’s Dream, DVD, (02:15:30–02:17:05). 244 Etliche dieser Anzeigen wurden von Dieterle archiviert. Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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vertraglich festgelegtes – Recht auf eine Nennung als Co-Regisseur zu gewähren, stießen im studioeigenen publicity department auf taube Ohren. Man ließ ihn dort vielmehr wissen, dass er sich die Vernachlässigung seines Namens durch sein „pressescheues“ Verhalten in der Vergangenheit selbst zuzuschreiben habe. Mehrfach habe er es vehement abgelehnt, dass man über ihn die für Vertragsregisseure eigentlich obligatorischen Publicity-Stories schrieb.245 Eine heftige Auseinandersetzung Dieterles (unterstützt von seiner Frau Charlotte) mit Jack Warner und Hal Wallis entbrannte, in deren Verlauf er seinen Befindlichkeiten in mehreren empörten Briefen Ausdruck verlieh. Diese heute im Studioarchiv verwahrten Dokumente bieten nicht nur einen interessanten Einblick in die – aus heutiger Sicht recht fragwürdige – Umgehensweise Warners mit seinen fest angestellten Mitarbeitern, sie vermitteln darüber hinaus aufgrund der überraschenden Offenheit Dieterles ein wichtiges, für die Exilforschung geradezu „unbezahlbares“ Stimmungsbild eines deutschsprachigen Emigranten in Hollywood, der sich gegen eine Übervorteilung durch seine Arbeitgeber zu wehren versuchte. Am 3. Oktober 1935 – wenige Tage vor der Premiere des Midsummer Night’s Dream am 9. Oktober – bat Dieterle den Studioleiter Warner darum, seinen Beitrag zum Gelingen des Filmes endlich in angemessenem Umfang publik zu machen: I believe, Mr. Warner, that you know as well as do I, what I have done in bringing this picture to the screen. […] No one […] can say that I merely assisted Max Reinhardt or that my work was of such little importance and consequence that in the publicity which you issue my name should not be mentioned and mentioned correctly. […] You, of course, know that not one foot of the picture would have been produced had I not brought the idea of its production to you or had I not brought to you the services of Max Reinhardt. […] May I ask you, Mr. Warner, why this type of publicity has to work against me and why my name is so suppressed? You should know from my association with you during the past five years that I could not become what you term „swellheaded“, for nothing in our relationship or association could justify, in any particular, such fear or belief on your part. All that I ask of you is this: that my name be used for the credit which is due to me […].246
Doch nicht nur auf einer juristischen, vernunftbetonten Ebene versuchte Dieterle um die ihm zustehende Anerkennung zu kämpfen, er appellierte darüber hinausgehend an das moralische Rechtsempfinden Warners: I request this, not only because I believe that I have a right to request it, but, also, because I believe that otherwise I am entitled to such consideration. I must object and object strenuously to any act or omission which you do or which is done by your company, which I feel, and which I believe you must also feel, is contrary to fair and conscientious treatment, and contrary to the treatment to which I am entitled. […] So far I have been able to laugh off the situation, but now I am on the edge of my nerves and I must do something.247 245 Brief William Dieterles an Jack Warner, (03.10.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. 246 Ebenda, (Hervorhebung im Original). 247 Ebenda.
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Wie sich jedoch herausstellen sollte, zeigte sich der im Umgang mit den seiner Meinung nach „ständig zu Unrecht unzufriedenen“ Künstlern erfahrene Warner von Dieterles verzweifelten Appellen recht unbeeindruckt. Der Studioleiter erläuterte Charlotte Dieterle – nachdem sie ihm den Brief ihres Mannes persönlich überreicht hatte – mit deutlichen Worten seine Interessenlage bezüglich der Vermarktung des Midsummer Night’s Dream. Aufgrund der extrem hohen Produktionskosten von über 1.800.000 Dollar248 sei es für das Studio unbedingt erforderlich, eine bestmögliche Publicity zu gewährleisten. Da Max Reinhardt international den bekannteren Namen habe, sei es von Vorteil, den Film als einen einhundertprozentigen „Max-Reinhardt-Film“ zu verkaufen. Dieterle reagierte auf diese unverschämt offen vorgetragene „utilitaristische“ Geschäftsphilosophie empört und verletzt; bereits einen Tag später schrieb er an Warner: You stated that because the „Dream“ cost 1,800,000, you were required in all publicity to use only the name of Max Reinhardt in order to have returned to you the cost of production. You stated, indirectly, therefore, that although I was good enough to do the work on the picture, you fear that the use of my name will injure the returns to be realized from it. If such a thought, or such a statement, does not break the heart of the strongest man, then I do not know what ever will break his heart.249
In bestimmtem Ton forderte Dieterle den Studioleiter auf, das gesamte irreführende Werbematerial – angesichts der unmittelbar bevorstehenden Premiere – schnellstmöglich zu korrigieren. Alle Hinweise Warners, dass man auch nach der Premiere noch im Sinne Dieterles tätig werden könne, entlarvte er als inhaltslose Vertröstungen: Also you stated that the press interviews scheduled for Monday [October, 7th] last, were cancelled at your order for the reason that you desired to wait until after the premiere. Under the circumstances which exist […] such an act and order on your part indicates that you intend to throw to me the scraps after the feast.250
Schnell nahm der Konflikt juristische Dimensionen an; in der Gegenwart Charlotte Dieterles informierte Warner per Telegramm das New Yorker Hauptbüro, das der Vertragsregisseur Dieterle sein „Recht einzuklagen“ gedenke.251 Dieser reagierte auf die versteckte Androhung juristischer Unannehmlichkeiten mit der Hinzuziehung seines Anwaltes Ronald Button252 und 248 Wie bereits erwähnt betrugen die reinen Herstellungskosten des Midsummer Night’s Dream 1.300.000 Dollar; die von Warner hinzuaddierten 500.000 Dollar waren für die aufwendige Vermarktung des Filmes ausgegeben worden. 249 Brief William Dieterles an Jack Warner, (04.10.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. (Ein Abzug des Briefes befindet sich im Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.) 250 Ebenda. 251 Ebenda. 252 Der im Jahre 1903 in Nebraska geborene Harvard-Absolvent A. Ronald Button hatte sich bereits 1928 in Los Angeles niedergelassen und dort rasch zahlreiche Klienten aus der Filmindustrie gewonnen. Etliche Jahre war er Dieterles Anwalt und vertrat durch
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II. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1930–1935)
betonte in einem weiteren Brief an den Studioleiter, dass er nicht bereit sei, in der Angelegenheit „Konzessionen zu machen“ und auf seine „gesetzlichen“ oder „moralischen“ Rechte zu verzichten.253 Trotz der Androhung juristischer Schritte durch beide Seiten kam es nicht zu einem gerichtlich ausgetragenen Konflikt, aber die Auseinandersetzung Dieterles mit Warner Bros. erregte doch immerhin in einem gewissen Maße das Interesse der Öffentlichkeit. Berichte in diversen einschlägigen Filmfachzeitschriften sowie in der New York Times befassten sich mit dem Zerwürfnis und spekulierten heftig über seinen Ausgang. Ferner fragte man vielerorts recht unverhohlen, ob Max Reinhardt über die Vernachlässigung Dieterles in der Publicity Kampagne nicht insgeheim recht glücklich sei – müsse er den Ruhm doch auf diese Weise mit niemandem teilen. Vielleicht habe Reinhardt die Erwähnung Dieterles durch eine Intervention bei Warner sogar aktiv unterbunden. Um derartigen Gedankenspielen ein Ende zu setzen, trat Charlotte Dieterle mit Reinhardt in Kontakt und bat ihn um die Erlaubnis, eine Widmung mit dem Text „Dem Schüler von einst, dem Lehrer von heute“, die dieser einige Monate zuvor einem Weihnachtsgeschenk beigefügt hatte, an die Presse weiterzuleiten.254 Reinhardt zeigte sich in einem Antwort-Telegramm vom 6. Oktober 1935 entsetzt über die Spekulationen bezüglich seiner Rolle in der Unterdrückung von Dieterles Namen und erklärte sich mit der Veröffentlichung seiner Widmung einverstanden.255 Gerührt bedankte Diedessen Vermittlung auch andere deutschsprachige Emigranten wie Max Reinhardt und Albert Bassermann. 253 Brief William Dieterles an Jack Warner, (05.10.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. (Ein Abzug des Briefes befindet sich im Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.) Kurze Zeit später fand ein weiteres Treffen Charlotte Dieterles (begleitet von einem Mitarbeiter der Ronald Button Kanzlei namens Shafer) mit Jack Warner statt, da die Situation noch weiter eskaliert war. Anscheinend hatte Warner versucht, Dieterle (angeblich) aufgrund seines schlechten Englisch von einer Radio-Werbesendung für den Midsummer Night’s Dream auszuschließen. Daraufhin hatte Dieterle auf die Teilnahme Korngolds in dieser Sendung verwiesen, der nach seiner Einschätzung ein weitaus „gebrocheneres Englisch“ sprach. Undatierte Aktennotiz, Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 254 Telegramm Charlotte Dieterles an Max Reinhardt (Durchschlag), (01.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 255 Telegramm Max Reinhardts an Charlotte Dieterle, New York, (06.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Schließlich wurde nicht die besagte Widmung, sondern (mit Reinhardts Einverständnis) das bereits zitierte Dankestelegramm Reinhardts an Dieterle vom 6. Oktober 1935 veröffentlicht, in dem dieser den Beitrag Dieterles zum Gelingen des Filmes explizit würdigte. Telegramm Max Reinhardts an William Dieterle, New York, (06.10.1935, 07:02 PM), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Eine Veröffentlichung des Telegramms erfolgte zum Beispiel in: Glänzende „Sommernachtstraum“Premiere, in: California Staats-Zeitung 17.34 (25.10.1935), 1, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Auch in die viele Jahre später entstandenen Skizzen für seine Autobiographie fügte Dieterle (wie bereits erwähnt) den Text des Telegramms ein. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 119–120.
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terle sich kurze Zeit später bei Reinhardt – wohl wissend, dass dieser damit der erklärten Vermarktungsstrategie Warners zuwider handelte – für dessen Loyalität und versicherte ihn seiner unverbrüchlichen Freundschaft und Zuneigung: Verehrter Herr Professor, es gibt keine Worte auszudrücken was ich empfand, als Sie durch Ihr Handeln es klar machten, wie Sie innerlich und auch äusserlich zu mir stehen. Warners engstirnige Krämerpolitik hätte sicher zur Katastrophe geführt. Dass Ihr Eintreten für mich überhaupt notwendig, ist mehr als bedauerlich. Doch war es gut, um die Zweifel der Welt zu zerstreuen, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Ihnen und mir getrübt seien, denn man munkelte allgemein, dass das Unterdrücken meines Namens wenn nicht von Ihnen geduldet, so doch auch nicht ungern gesehen wird. Wie niedrig die Denkungsweise der Menschen ganz besonders aber an einem Platz wie Hollywood sein kann, wissen Sie ja so gut wie ich. Die ganze Affäre hat mich derart erschüttert, dass ich nur mit Lear sagen konnte: Holt mir einen Wundarzt, ich bin ins Hirn gehauen! Denken Sie bitte nicht, dass ich mit Ihrem mir mehr als teuren und verehrten Namen Reklame machen will oder mich Ihrer freundschaftlichen Beziehungen brüssten [sic!]. Dieses möchte ich am liebsten in der Kammer meines Herzens verschließen und niemanden wissen lassen, aber in Zeiten der Gefahr und des Notstandes glaube ich, darf man vor aller Welt bekunden, was die Welt sonst nichts angeht. […] Seien Sie versichert, dass ich Sie nicht verlassen werde, mag kommen was will. Erhaben über allem Krämergeist besteht meine Liebe zu Ihnen, Ihr Dieterle256
War es Dieterle somit – dank der telegraphischen Hilferufe seiner Frau Charlotte – gelungen, Reinhardts Unterstützung in der Auseinandersetzung mit Warner Bros. zu gewinnen, erwies sich diese jedoch schnell als wenig wirksam im Hinblick auf sein spezifisches Anliegen. Während ihm angesichts der unmittelbar bevorstehenden Premiere die Zeit davonlief, hielt Warner ihn und seine Frau mit ergebnislosen Konferenzen, Schutzbehauptungen und leeren Versprechungen hin.257 Wie die ziemlich genau ein Jahr später stattfindende, weltweit von der Presse verfolgte gerichtliche Auseinandersetzung mit der Vertragsschauspielerin Bette Davis beweisen sollte258, war der Studioleiter nicht dazu bereit, seine uneingeschränkte Autorität durch „rebellierende“ Künstler in Frage stellen zu lassen. Ein Gerichtsprozess gegen sein Studio hätte Dieterle sich – im Gegensatz zu Davis – im Jahre 1935 in seiner Position als emigrierter deutscher Regisseur aus leicht nachvollziehbaren Gründen auch nur eingeschränkt leisten können. Unter keinen Umständen wollte er vor dem Hintergrund der in Deutschland wütenden nationalsozialistischen Barbarei – die Nürnberger Rassegesetze waren soeben erlassen worden – seine neue 256 Telegramm William Dieterles an Max Reinhardt, (07.10.1935, Datum handschriftlich vermerkt), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 257 Zum weiteren Verlauf des Konfliktes vgl. zum Beispiel: Brief William Dieterles an Jack Warner, (10.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 258 Ein ausführlicher Bericht über die Auseinandersetzung zwischen Bette Davis und den Warner Bros. Studios, in der die Schauspielerin vornehmlich um ein größeres Mitspracherecht in der Auswahl ihrer Filmprojekte kämpfte, findet sich zum Beispiel in: Davis, The Lonely Life, 156–169.
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Karriere in den USA gefährden. Dementsprechend schlief seine Kontroverse mit Warner nach der Premiere des Filmes am 9. Oktober 1935 langsam ein. Wie von Dieterle richtig vorhergesehen zog die vollkommen auf Max Reinhardt zugeschnittene Publicity für den Midsummer Night’s Dream eine unzureichende Wahrnehmung seiner Arbeitsleistung durch die meisten Filmrezensenten nach sich. Gab es einige wenige Kritiken, die seine wichtige Rolle ausdrücklich betonten259, beschränkte sich das Gros auf eine kurze Erwähnung seines Namens und vielleicht ein kurzes Lob für seine zuverlässige „Assistententätigkeit“. So betonte die in Hollywood äußerst einflussreiche, für die Hearst-Presse tätige Kolumnistin Louella O. Parsons Dieterles Rolle als „treuer Wächter“ über die Dreharbeiten: „William Dieterle, one of Warner Brothers’ most accomplished directors, stood by Reinhardt’s side and assisted him in the direction of each scene, doing yeoman service.“260 Max Reinhardts Workshop for Stage, Screen and Radio – Freundschaft in schweren Zeiten Die sommerlichen Reisen nach Österreich sorgten für das psychische Gleichgewicht, und so blieb [Max Reinhardt] das amerikanische Menetekel unleserlich, die Krise wurde hinausgeschoben. Als jedoch Österreich und bald darauf ganz Europa endgültig verriegelt waren, begannen die überraschten Augen es zu entziffern. Der totale Boykott Reinhardts von seiten Hollywoods, die Tatsache, daß er von einem Tag auf den anderen weder die gestrigen zweihundertfünfzigtausend Dollar pro Film noch die heute so sehr gebrauchten hundert, zwei- oder dreihundert Dollar pro Woche beziehen konnte, war ihm unverständlich […].261
Mit diesen Zeilen beschrieb Gottfried Reinhardt in seinem Erinnerungsbuch Der Liebhaber sehr treffend den „schlafwandlerischen“ Zustand, in dem sich sein Vater während seiner Liaison mit den Warner Bros. Studios in den Jahren von 1935 bis 1938 befand. Obwohl sich die Gebrüder Warner schon recht bald nach der Premiere des Midsummer Night’s Dream im Oktober 1935 bewusst wurden, dass man mit dem europäischen Theatergenie wohl ein großes Prestige, nicht aber das große Geld an den Kinokassen gewinnen konnte, wurde der bestehende Vertrag mit Reinhardt über drei weitere Filmproduktionen zunächst aufrechterhalten. Während Reinhardt selbst seinen anderweitigen Verpflichtungen am New Yorker Broadway und bei den Salzburger Festspielen nachging, arbeiteten Wallis und Blanke intensiv an der Auslotung und Vorbereitung weiterer möglicher Projekte. Hinweise darauf, dass Dieterle sich in 259 Siehe zum Beispiel: M. A. C., Midsummer Night’s Dream, in: The Picturegoer Weekly (12.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 260 Louella O. Parsons, Dream Film Wins Critic’s Acclaim, in: Los Angeles Examiner (17.10.1935), 7. 261 Reinhardt, Der Liebhaber, 276.
3. Der Midsummer Night’s Dream (1935)
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diese Vorgänge aktiv einbrachte, lassen sich in den Studiounterlagen nicht finden; vermutlich fürchtete er nicht ganz zu Unrecht, im Falle einer weiteren Kooperation mit Reinhardt wieder in die Rolle des „willfährigen Assistenten“ gedrängt zu werden. Obwohl die Dieterle-Biographin Marta Mierendorff davon ausgeht, dass der Regisseur durchaus Hoffnungen bezüglich einer weiteren Zusammenarbeit bei Warner Bros. hegte262, lässt das Fehlen seines Namens in den Unterlagen der weiteren Reinhardt-Projekte jedoch eher Gegenteiliges vermuten. Vor dem Hintergrund des Erfolges mit dem Midsummer Night’s Dream hätte das Studio eine weitere Kooperation der beiden Künstler vermutlich unterstützt, falls es Dieterles ausdrücklicher Wunsch gewesen wäre. Offensichtlich versprach sich dieser jedoch mehr von einer Neuorientierung. Etliche höchst unterschiedliche Stoffe wurden durch Wallis und Blanke ab Juni 1935 auf ihr Potential für eine Umsetzung durch Reinhardt geprüft. Zunächst erwog man eine Hamlet-Adaption mit Leslie Howard oder Charles Laughton in der Hauptrolle263, gefolgt von einer Bearbeitung der Offenbach-Oper Hoffmanns Erzählungen sowie – angeregt durch den WarnerAktionär William Randolph Hearst – eine Adaption des Shakespeareschen Stückes Twelfth Night mit Marion Davis in der Rolle der Viola.264 Nachdem bereits wenige Monate später alle drei Filmprojekte aus verschiedenen Gründen (vornehmlich Probleme mit dem Drehbuch und der Besetzung) wieder verworfen worden waren, entwickelte man im Februar 1936 den Plan für eine Verfilmung von Romain Rollands Drama Danton mit einem voraussichtlichen Drehbeginn im Herbst 1936.265 Als Co-Regisseur und Berater in allen filmtechnischen Fragen sollte der selbstbewusste, am Filmset recht dominant auftretende Michael Curtiz fungieren. Vor dem Hintergrund der gravierenden Budget-Überschreitung beim Midsummer Night’s Dream fürchtete man 262 Mierendorff, William Dieterle, 82. 263 Aus einem Telegramm Reinhardts an Blanke geht hervor, dass er im Juni 1935 Sondierungsgespräche mit den Schauspielern Leslie Howard und Charles Laughton bezüglich einer Hamlet-Verfilmung führte. Sowohl mit Howard als auch mit Laughton in der Hauptrolle schien Reinhardt – so schrieb er – ein „sensationeller künstlerischer und kommerzieller Erfolg gesichert“. Ferner werde ein derartiger Film sicherlich „unvergleichlich billiger als der Dream“. Telegramm Max Reinhardts an Henry Blanke, (29.06.1935), Reinhardt legal files, WBA, USC. 264 Hearst schlug dieses Projekt in erster Linie vor, um seiner Lebensgefährtin Marion Davis, damals Warner-Vertragsschauspielerin, zu einer Shakespeare-Rolle zu verhelfen und sie damit in ihrem Konkurrenzkampf mit anderen damaligen Stars wie Norma Shearer zu unterstützen. Shearer spielte zu dieser Zeit in den Metro-Goldwyn-Mayer Studios die Julia in einer Verfilmung des Shakespeareschen Stückes Romeo und Julia. Zu den Plänen bezüglich einer Verfilmung der Oper Hoffmanns Erzählungen siehe: Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 223–224. 265 Der Vorschlag zur Verfilmung des Dramas Danton war nicht von Reinhardt selbst, sondern von Mitarbeitern des Studios (vermutlich von Henry Blanke oder Hal Wallis) ausgegangen. Brief Max Reinhardts an Rudolf Kommer, (16.03.1936), zit. nach: FuhrichLeisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 225.
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vielleicht, dass die Produktion eines aufwendigen Historienfilmes unter der Leitung eines schwächeren oder Reinhardt freundschaftlich verbundenen Regisseurs wie Dieterle finanziell außer Kontrolle geraten könne. Zur Bearbeitung der Story wurde der bei Metro-Goldwyn-Mayer beschäftigte Gottfried Reinhardt ausgeliehen; er sollte zusammen mit seinem Vater und einem in Russland geborenen Autor namens Samuel Hoffenstein das Drehbuch erstellen. Nach einem mehrere Monate dauernden Ringen aller Beteiligten um die richtige Herangehensweise an den Stoff geriet jedoch auch dieses Projekt ins Wanken.266 Angesichts einer neuerlichen Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Situation in den USA – Roosevelts New Deal hatte deutlich an Schwungkraft verloren – war das Studio nicht mehr bereit, das Risiko eines kostspieligen Monumentalfilms mit der von Reinhardt gewünschten exquisiten Besetzung über ein potentiell heikles Thema wie die französische Revolution auf sich zu nehmen.267 Mehrfach wurde der Drehbeginn verschoben und ein Jahr später im März 1937 endgültig abgesagt.268 Als Ersatzprojekt wurde eine – weniger monumental konzipierte – Adaption von Dostojewskis Roman Der Spieler in Erwägung gezogen, mit einem Drehbuch des Vertragsautors Milton Krims sowie des ehemaligen Reinhardt-Dramaturgen Heinz Herald. Bereits sechs Monate später stagnierten jedoch die Vorbereitungen; aufgrund der intimen Atmosphäre des Filmes bestand Reinhardt auf einer hochkarätigen Besetzung, die Darsteller wie Charles Boyer, Walter Huston und Bette Davis einschloss – die Investition in einen derartigen all-star cast war dem Studio zu kostspielig, ein sicherer Erfolg an den Kinokassen schien nicht gewährleistet.269 Enttäuscht berichtete Reinhardt im Herbst 1937 nach seiner Ankunft in Los Angeles seiner ehemaligen Sekretärin Gusti Adler über einen abermaligen Aufschub der Dreharbeiten: Seit ich hier bin, hat sich so viel ergeben, so viel Neues – wesentlich Unangenehmes – daß ich davon fast aufgefressen bin, ohne auch nur im mindesten damit fertig zu werden. Die ungeheuerlichen sozialen, politischen, wirtschaftlichen Umwälzungen, die ihren Herd in Europa haben, ihre Ausläufer jedoch in der ganzen Welt, sich also auch hier sichtbar und fühlbar machen, finden ihren Ausdruck zunächst in einer Börsenpanik, die sich im ganzen Wirtschaftsleben katastrophal auswirkt. In der Filmindustrie äußert sie sich mit erschreckender Plötzlichkeit (bei allen Filmen). Es würde zu weit führen und zu viel Zeit erfordern, das näher zu erklären. Man fürchtet eine Wiederholung der großen Depression von 1929. Die Folge ist, daß man keine kostspieligen Filme mehr machen will und die mich berührende Folge („berührend“ ist ein grotesk gelinder Ausdruck) ist, 266 Zu den unterschiedlichen Ansätzen für den Danton-Stoff vgl.: Ebenda, 225–232. 267 Die Titelrolle sollte Charles Laughton oder Paul Muni spielen; als Robespierre war Spencer Tracy vorgesehen. Die Musik sollte Korngold komponieren. Ebenda, 232. 268 Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, Mr. Chase und Mr. Wilder, (06.04.1936), Reinhardt legal files, WBA, USC; Brief Roy Obringers an Joseph Hazen (New York), (05.02.1937), Reinhardt legal files, WBA, USC; Vereinbarung Reinhardts mit dem Studio, (26.03.1937), Reinhardt legal files, WBA, USC. 269 Studio-Memoranden aus dem Sommer 1937, The Gambler papers, WBA, USC.
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daß nach dem Danton nun auch der Spieler ins Wanken geraten ist. […] So bin ich unglücklicherweise gerade in die schlimmste Verwirrung hineingeraten. Ein Ende ist noch gar nicht abzusehen und ich weiß daher nicht, was werden wird.270
Nachdem im Frühjahr 1938 auch die Pläne für den Spieler endgültig zu den Akten gelegt worden waren271, zeigte das Studio nur noch ein vermindertes Interesse an der Entwicklung neuer Filmvorhaben mit Reinhardt. Im Laufe der vergangenen zweieinhalb Jahre hatte man dem Theatermann immense, als Vorschuss für das jeweils nächste Filmprojekt deklarierte Summen gezahlt, ohne jemals – so wird in zahlreichen internen Memoranden moniert – einen Film dafür bekommen zu haben.272 Obwohl Reinhardts Anwalt Ronald Button dessen grundsätzliche Bereitschaft signalisierte, auch ohne weitere Zahlungen des Studios die Arbeit an einem neuen Projekt – vielleicht einer Adaption von Karl Gustav Vollmoellers Mirakel – aufzunehmen, zeigte man sich diesbezüglich skeptisch. Keinesfalls wollte man in Reinhardt weitere finanzielle Mittel „sinnlos investieren“; der Leiter der studioeigenen Rechtsabteilung Roy Obringer schrieb am 6. April 1938 an Jack Warner: „It may possibly show, what is in Reinhardt’s mind with respect to ‚The miracle‘, but then, of course, he can always change his mind when the time comes.“273 Wenig später gaben die Gebrüder Warner ihren vielleicht nicht ganz unberechtigten Zweifeln bezüglich der Realisierbarkeit eines weiteren Reinhardt-Filmes endlich nach, sie lösten ihren Vertrag mit dem Theatermann und verzichteten auf alle bereits an ihn gezahlten Gagen. Der Film A Midsummer Night’s Dream hatte ihnen in einer Zeit des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs zu dem ersehnen Aufstieg in die Gruppe der großen Hollywoodstudios verholfen, der Theaterzauberer Reinhardt hatte damit seine Schuldigkeit getan. Für Reinhardt bedeutete die Auflösung des Vertrages das Ende seiner Hollywood-Kar270 Brief Max Reinhardts an Gusti Adler, (02.11.1937), zit. nach: Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 239. 271 Brief Jack Warners an S. Carlisle, (28.03.1938), Reinhardt legal files, WBA, USC. Nachdem die Idee zur Verfilmung des Spielers 1938 verworfen worden war, tauchte sie im Jahre 1940 auf Anregung des Vertragsautors Milton Krims kurzfristig wieder auf. Krims, der 1938 einen großen Teil des Drehbuches geschrieben hatte, schlug den emigrierten Schauspieler Albert Bassermann (vor dem Hintergrund seiner herausragenden Darstellung in Dieterles Film Dr. Ehrlich’s Magic Bullet) für die Rolle des Generals vor. Memorandum Milton Krims’ an Hal Wallis, (02.02.1940), The Gambler papers, WBA, USC. Auch Blanke und Dieterle tauschten sich zu dieser Zeit erneut über das Potential des Stoffes aus und erarbeiteten sogar einige konkrete Strategien zur Kosteneinsparung während der Dreharbeiten. Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (26.06.1940), The Gambler papers, WBA, USC. Die Pläne ließen sich jedoch nicht verwirklichen, zu einer neuen Verfilmung des Stoffes unter dem Titel The Great Sinner kam es erst im Jahre 1949 bei Metro-Goldwyn-Mayer unter der Regie Robert Siodmaks. 272 Bezüglich der einzelnen Zahlungen des Studios an Max Reinhardt vgl.: Reinhardt legal files, WBA, USC. 273 Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, (06.04.1938), Reinhardt legal files, WBA, USC.
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riere, vor dem Hintergrund einer rapiden Verschärfung der innen- und außenpolitischen Situation investierte kein Filmstudio mehr in seine künstlerischen Visionen, die einer längst vergangenen Zeit anzugehören schienen.274 Mit der Aufkündigung des Reinhardtschen Studiovertrages wurde – nach der gemeinsamen Theaterarbeit in Europa – das zweite Kapitel in der Beziehung Dieterles zu seinem einstigen Lehrmeister geschlossen, ein drittes und letztes sollte jedoch kurze Zeit später beginnen. Bereits seit geraumer Zeit hatte Reinhardt parallel zu seinen anderweitigen Verpflichtungen geeignete Sponsoren für die Gründung einer nach dem Vorbild seiner Berliner und Wiener Schauspielseminare konzipierten Schauspielschule in Los Angeles akquiriert. Im Frühjahr 1938 waren die Pläne endlich so weit gediehen, dass man nach der Anmietung eines geeigneten Gebäudes am Sunset Boulevard einen Termin für die offizielle Eröffnung ansetzen konnte.275 Die in einer Broschüre vorab veröffentlichte Liste der externen Mitglieder des Lehrkörpers las sich wie das Who is Who Hollywoods, viele von ihnen hatte Reinhardt in den Warner Bros. Studios kennen gelernt. Neben seinem Freund William Dieterle für den Bereich Filmregie sollten zum Beispiel – zumindest temporär – als Lehrer zur Verfügung stehen: in den Bereichen Schauspielkunst (Ralph Bellamy, Constance Collier, Paul Muni, Basil Rathbone, Edward G. Robinson, Joseph Schildkraut, Wladimir Sokoloff, Catherine Willard), Filmproduktion (Henry Blanke), Bühnenmusik (Erich Wolfgang Korngold) sowie Kameraarbeit (Karl Freund, Tony Gaudio, Rudolph Maté).276 Bereits wenige Tage nach der Eröffnung der Schule begann Dieterle seinen ersten Kurs in Filmregie mit einer engagierten Einführungsrede, in der er die zum Teil noch recht jungen Schüler – eine Aufnahme in den Workshop war ab dem 16. Lebensjahr möglich – auf die seiner Meinung nach grundlegenden Aspekte des Regisseurberufes aufmerksam machte; am Schluss der Rede resümierte er: To sum up, let me say: Build up your personality, sharpen your intelligence, strengthen your character, enrich your emotions, and be faithful to the highest motives. Dare to be yourself! And do what you feel you must do! And do it today, not tomorrow! And, above 274 Im Jahre 1940 entwickelte Reinhardt zusammen mit dem Regisseur Josef von Sternberg den Plan für eine Verfilmung von Luigi Pirandellos Stück Sechs Personen suchen einen Autor; das Projekt scheiterte jedoch am Erweb der Filmrechte. Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 240–244. 275 Sowohl die Suche nach Sponsoren als auch die Anmietung eines geeigneten Gebäudes für die Schule gestalteten sich äußerst schwierig. Schließlich gab man sich mit einer relativ bescheidenen Ausstattung zufrieden und zog in das stillgelegte Columbia Broadcasting System Building am Sunset Boulevard. Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 280. 276 Fuhrich-Leisler/Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 284. Die Möglichkeit für Dieterle, eine Lehrtätigkeit an der Schule Reinhardts auszuüben, war keineswegs selbstverständlich gegeben. Gemäß seinem Vertrag mit Warner Bros. hatte er seine Fähigkeiten ausschließlich dem Studio zur Verfügung zu stellen; für jede andere Tätigkeit bedurfte es der ausdrücklichen Erlaubnis der Studioleitung.
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all do not think that someone else can do the work for you. You, yourself must climb the mountain. All I can do is to tell you how to climb, and to be your crutch once in a while, when you weaken for a moment. I can inspire you by telling you of your strength and of the beauty of being on top of the mountain, but you must do the climbing. So, you future directors of motion pictures, and you who want to become actors or actresses on the stage or the screen, do not sit back and think that any school, even one with so fine a background as this one of Professor Max Reinhardt can take care of you and your career. No! You must do the work – and work hard. Then, and only then can you be certain of a great career.277
Im Folgenden skizzierte Dieterle stichpunktartig das Kursprogramm; neben einer groben Einführung in die Filmgeschichte standen folgende Teilaspekte der Tätigkeit eines Regisseurs im Vordergrund: Motion picture direction; Theory and Practise The director and the manuscript Conception and Form Preparation for actual work Rehearsals with actors Actual shooting of the chosen and self prepared script Editing and finishing off the film278
In Ergänzung zu diesen in erster Linie theoretisch abgehandelten Grundlagen filmischer Arbeit umfasste Dieterles Kurs für den Reinhardtschen Workshop auch zahlreiche praktische Übungen wie die Erstellung kleinerer Filmszenen und die Durchführung von Probeaufnahmen einzelner Teilnehmer auf dem Dach des Schulgebäudes.279 Den Höhepunkt der Lehrveranstaltung bildete am 10. August 1938 ein ausführlicher Besuch auf dem Warner Bros. Gelände in Burbank; nach einer Führung durch den back lot (das Freigelände) und einem Lunch in der Kantine durften die Schüler dem Regisseur bei Probeaufnahmen der Vertragsschauspielerin Rosemary Lane zusehen.280 War Dieterle, wie dieser kurze Einblick in sein erstes Kursprogramm für den Workshop belegt, durchaus dazu bereit, einen pädagogischen Auftrag bezüglich des in Hollywood heranwachsenden filmischen Nachwuchses wahrzunehmen, zeigte die Praxis jedoch schnell, dass er aufgrund seiner beruflichen Verpflichtungen für die Warner Bros. Studios nur unregelmäßig für den Unterricht zur Verfügung stehen konnte. Eine Hauptgrundlage der Reinhardtschen Schauspielschule – der Aufbau einer engen Verbindung zur Filmindustrie durch die 277 Einführungsrede Dieterles am 6. Juli 1938, Dieterle’s Lectures at Reinhardt School, (06.07.1938–22.08.1938), Unterrichtsprotokolle, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 278 Ebenda. 279 Dieterle’s Lectures at Reinhardt School, (06.07.1938–22.08.1938), Unterrichtsprotokolle, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 280 Lehrveranstaltung Dieterles, (10.08.1938), Dieterle’s Lectures at Reinhardt School, (06.07.1938–22.08.1938), Unterrichtsprotokolle, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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aus den Studios rekrutierten Dozenten – erwies sich langfristig als unrealistisch. Schnell beschränkte sich der Stamm der regelmäßig zur Verfügung stehenden Lehrer auf Reinhardt selbst (für die Bereiche Schauspielkunst, Bühnenleitung und Regie), auf Helene Thimig-Reinhardt (für den Bereich Schauspielkunst), auf den emigrierten Choreographen Ernst Matray (für den Bereich Tanz) sowie auf einige Fachkräfte für Sprecherziehung, Film und Rundfunk. Auch das Fehlen einer entsprechenden Bühne im Gebäude des Workshops entwickelte sich bald zu einem erheblichen Hindernis in der angemessenen Ausbildung der Schüler. Diejenigen, die sich für eine Karriere am Sprechtheater entschieden hatten, litten unter dem fehlenden Kontakt mit einem Publikum aus breiteren Bevölkerungskreisen – die kleinen Vorstellungen wurden weitestgehend von Förderern der Schule, Produzenten, Talentsuchern und Angehörigen der Schüler besucht. Eine weitere Gefahr für das Unternehmen zeichnete sich vonseiten der Filmstudios ab. Hatte man dem Workshop zunächst noch vielerorts Unterstützung zugesichert, erkannte man bald, dass Reinhardts Priorität, die Schüler zu Ensemblemitgliedern eines permanenten, künstlerisch anspruchsvollen Theaters nach europäischem Vorbild zu erziehen, sich nicht mit den kommerziellen Interessen Hollywoods deckte. Etliche zuvor vollmundig angekündigte Stipendien für mittellose Talente wurden nach einer kurzen Laufzeit wieder gestrichen. Ein Rückgang der Schülerzahlen setzte ein – einerseits durch diejenigen, die aus materiellen Gründen zum Aufgeben gezwungen waren, andererseits durch eine regelmäßig stattfindende „Auslese“ der Studios, die sich den begabtesten Nachwuchs durch gutklingende Versprechungen sicherten. Reinhardt erkannte, dass sein Workshop in Kalifornien auf die Dauer keine Zukunft hatte und wandte sich ein letztes Mal in seinem Leben wieder voller Enthusiasmus nach New York; an einen befreundeten Schauspieler schrieb er im Juli 1940: „Aber in diesem weiten Continent gibt es, wie sie wissen, überhaupt nur eine einzige Straße, in der das legitime Leben des Theaters wirklich pulsiert: der Broadway in New York.“281 Nachdem eine geplante Verlegung seines Workshops nach New York aus verschiedenen Gründen gescheitert war, zog sich Reinhardt aus dem Lehrbetrieb weitgehend zurück und überließ Helene Thimig-Reinhardt die Führung des Unternehmens bis zu dessen unvermeidlicher Schließung im Jahre 1942. Kurz vor seinem Tod kommentierte Reinhardt seine Zeit in Hollywood mit bitteren Worten: Ich bin wie meine Vorfahren trockenen Fußes durchs Meer in die Wüste gewandert und habe sieben magere Jahre in Hollywood verbracht. Dort erkannten Warners und andere Ungläubige mich als zu schwerfällig für den Tanz um das goldene Kalb. Jetzt bin ich 281 Brief Max Reinhardts an Friedrich Graf Ledebur, (Juli 1940), zit. nach: Hadamowsky, Max Reinhardt, 13. Als „legitimes Theater“ bezeichnete Reinhardt ein Theater mit festem Ensemble, einem anspruchsvollen, wechselnden Spielplan und dem erklärten Anspruch, erzieherisch auf das Publikum einwirken zu wollen. Vgl.: Fuhrich-Leisler/ Prossnitz, Max Reinhardt in Amerika, 350–366.
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seit fünfviertel Jahren hier [in New York] und suche Geld für schöne Sachen. Aber die Leute stecken es lieber in die „Lustige Witwe“. Dabei kann einem schon das Lachen vergehen. […] Der Rest ist Kreide.282
Auch nachdem sich die beruflichen Wege Dieterles und Reinhardts nach dessen Abwendung von Hollywood im Jahre 1940 endgültig getrennt hatten, blieben die beiden Künstler bis zu Reinhardts Tod am 31. Oktober 1943 in freundschaftlichem Kontakt. In Zusammenarbeit mit etlichen namhaften Persönlichkeiten der Emigration wie Thomas Mann, Marlene Dietrich, Albert Bassermann und Franz Werfel organisierte Dieterle im Wilshire Ebell Theatre von Los Angeles eine Gedenkveranstaltung für den großen Theatermann; einer der Programmpunkte war – neben zahlreichen Ansprachen von Freunden und Kollegen sowie musikalischen Beiträgen Erich Wolfgang Korngolds – eine Filmvorführung der Notturno-Sequenz aus dem Midsummer Night’s Dream.283 Bis zum Ende seines Lebens blieb Dieterle dem einstigen Lehrmeister verbunden; noch in den siebziger Jahren war das einzige Photo in seinem sonst eher schmucklos eingerichteten Arbeitszimmer – so bemerkte ein amerikanischer Filmwissenschaftler – ein Portrait Reinhardts.284 Obschon es Dieterle in den Jahren nach 1935 gelang, in den Warner Bros. Studios ein eigenes Netzwerk emigrierter deutschsprachiger Künstler um sich zu versammeln und mit ihnen zusammen wichtige Dokumente des Exilfilms zu schaffen, blieb das Projekt A Midsummer Night’s Dream eine filmhistorische Ausnahmeerscheinung. Nie wieder sollte im klassischen Hollywood der dreißiger und vierziger Jahre eine Filmproduktion der dominierenden Großstudios in einem derart bedeutenden Umfang durch deutschsprachige Filmkünstler beeinflusst werden. Das durch Dieterles Vermittlung ermöglichte Engagement Reinhardts und der damit einhergehende Einzug „europäischen Flairs“ in den kommerziell orientierten Alltag amerikanischer Filmproduktion blieb eine einzigartige „kulturelle Offensive“ der Gebrüder Warner, die im Falle einer Wiederholung an sensationalistischer Publicity-Schwungkraft verloren hätte. Hatte sich das mit dem Engagement Reinhardts verbundene finanzielle Risiko für die aufstrebenden Brüder im Hinblick auf ihren Status in Hollywood entsprechend ausgezahlt, konnten andere bereits etablierte Studios bei einem derart unkontrollierbaren Unternehmen nur verlieren. Vielerorts bezeichnete man das Vorgehen der Warner Bros. Studios, das gesamte Wohl und Wehe des Konzerns in die Hände „flamboyant-verschwenderischer Ausländer“ zu legen, als blauäugig und grob fahrlässig. Nur unter der Ägide kleinerer Studios oder unabhängiger Produzenten sollten in den kommenden Jahren weitere Filme entstehen, die sich bezüglich des Einflusses emigrierter 282 Brief Max Reinhardts an Francesco von Mendelssohn, (August 1943), zit. nach: Adler, Max Reinhardt, 297. 283 Die Veranstaltung fand am 15. Dezember 1943 um 20:30 Uhr statt. Unterlagen zur Max-Reinhardt-Gedenkveranstaltung, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 284 Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 110.
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deutschsprachiger Künstler auf den Produktionsprozess mit Reinhardts und Dieterles A Midsummer Night’s Dream vergleichen ließen.285
285 So entstand zum Beispiel im Jahre 1942 unter der Leitung des unabhängigen deutschsprachigen Produzenten Arnold Pressburger der Film Hangmen Also Die (Regie: Fritz Lang, Drehbuch: Bertolt Brecht).
III. WILLIAM DIETERLE IN DEN WARNER BROS. STUDIOS (1936–1940): POLITISCHE UND KÜNSTLERISCHE REPRÄSENTATION DES „ANDEREN DEUTSCHLAND“ IN DER EMIGRATION 1. FILMBIOGRAPHIEN BEI WARNER BROS. PICTURES – KAMPF FÜR DEN HUMANISMUS INNERHALB DER ZWÄNGE HOLLYWOODS (1936–1938) Es ist kein Zufall, dass Dieterle so viele Biographien kämpferischer Männer verfilmt hat. Das, was er erstrebt, erreicht er am besten durch die Darstellung eines grossen Lebens. Es geht ihm bei dieser Darstellung nicht um ein paar mehr oder minder lose verknüpfte theatralische Szenen und Höhepunkte, vielmehr zeichnen sich seine Filme aus durch ihren ununterbrochenen epischen Fluss. Sie werden zusammengehalten durch den sinnvollen Ablauf des Lebens eines grossen Mannes. Dabei stellt Dieterle das Individuum niemals um seiner selbst willen dar, vielmehr zeigt er den Mann mit seinem ganzen Hintergrund, zeigt ihn, wie er aus seiner Zeit heraus und über sie hinauswächst.1
Mit diesen Worten würdigte Lion Feuchtwanger in seinem (bereits zitierten) Artikel den umfassenden Anspruch, den William Dieterle mit seiner Reihe erfolgreicher Filmbiographien für Warner Bros. verfolgte. Beginnend im Februar 1936 mit der Premiere von The Story of Louis Pasteur entstanden unter seiner Regie bis zum Sommer 1940 insgesamt sechs historisch-biographische Spielfilme, die – obwohl von höchst unterschiedlicher Qualität und beeinflusst durch verschiedenste Rahmenbedingungen – Dieterles politisch-ideologischen und künstlerischen Reifungsprozess in seiner neuen Heimat USA widerspiegelten. Lässt Feuchtwanger in seiner höchst wohlwollenden Würdigung des Regisseurs den Eindruck entstehen, dass die Konzeption dieser Werke in erster Linie Dieterle oblag, darf man jedoch in ihrer filmhistorischen Bewertung den Beitrag seiner (deutschsprachigen) Kollegen bei Warner Bros. – allen voran Henry Blanke – sowie auch des für neue Ideen aufgeschlossenen Produktionsleiters Hal B. Wallis nicht außer Acht lassen. Eine Sichtung der im Studioarchiv verwahrten Produktionsunterlagen offenbart vielmehr die Herausbildung eines kreativen Netzwerkes um Dieterles Person, dem neben deutschsprachigen Emigranten wie zum Beispiel dem Autor Heinz Herald oder dem Schauspieler Albert Bassermann auch amerikanische Künstler wie Paul Muni angehörten. Wäre es Dieterle nicht gelungen, diese politisch und künstlerisch Gleichgesinnten um sich zu versammeln, hätten seine ambitio1
William Dieterle – eine Würdigung von Lion Feuchtwanger (Oktober 1944), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
nierten Filmbiographien in der von dem Prinzip der Arbeitsteilung geprägten Produktionsmaschinerie Hollywoods niemals entstehen können. The Story of Louis Pasteur (1936): Naturwissenschaft als populäres Filmthema? Sollte es Dieterle im Februar 1936 mit seiner Filmbiographie The Story of Louis Pasteur gelingen, sich aus dem Schatten Max Reinhardts zu befreien und einen ersten wichtigen Schritt auf dem Wege zur Herausbildung seines individuellen künstlerischen „Markenzeichens“ in Hollywood zu absolvieren, gestalteten sich die der Premiere vorangehenden Monate in den Warner Bros. Studios äußerst konfliktreich. Mehr als einmal dachte der Regisseur in dieser Zeit darüber nach, das Studio zu wechseln und damit den von ihm so gefürchteten „Neubeginn“ im amerikanischen Filmgeschäft zu riskieren.2 Das in seinen autobiographischen Skizzen charakterisierte Gefühl des Stolzes, mit dem er Anfang Mai 1935 direkt im Anschluss an die Dreharbeiten des Midsummer Night’s Dream in den Urlaub fuhr, sollte sofort nach seiner Rückkehr einer zunehmenden Enttäuschung bezüglich der Firmenpolitik Jack Warners weichen. Um die Gehälter seiner Vertragsregisseure nicht allzu rasch in die Höhe schnellen zu lassen, pflegte der Studioleiter sie im Anschluss an ein erfolgreiches Projekt mit einer niedriger budgetierten Routinearbeit zu beauftragen. Gemäß dieser Strategie hatte man für Dieterle den Gangsterfilm Dr. Socrates vorgesehen – ein Drehbuch, das er schon zuvor zweimal abgelehnt hatte, so dass eine weitere Weigerung seinerseits zu einer Suspendierung hätte führen können. Wenig euphorisch begann er am 6. Juni 1935 die Dreharbeiten; auch der Umstand, dass er mit dem hochtalentierten, über den Film allerdings ebenso wenig begeisterten Vertragsschauspieler Paul Muni zusammenarbeitete, konnte seine Frustration nicht mildern. Um den enttäuschten Regisseur dennoch „bei Laune zu halten“, versprach man ihm für den darauffolgenden Herbst die monumentale Verfilmung des Entwicklungsromans Anthony Adverse, ein über tausendseitiges Werk des amerikanischen Schriftstellers Hervey Allen. Dieterle machte sich sofort an die umfangreiche Vorbereitung des Projektes – jedoch nur, um von Warner wenige Wochen später erneut enttäuscht zu werden. Spontan entschied sich der Studioleiter, den Regieauftrag quasi als eine Art von Hochzeitsgeschenk an den neuen Schwiegersohn Harry Warners, den Vertragsregisseur Mervyn LeRoy, zu vergeben.3 Dieterle zeigte sich über diese offensichtliche Vetternwirtschaft im Studio empört und bat in einem Brief um eine sofortige Auflösung seines Arbeitsvertrages: 2 3
Vgl.: Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 78. Zur Hochzeit Doris Warners, der ältesten Tochter Harry Warners, mit dem erfolgreichen Vertragsregisseur Mervyn LeRoy siehe: Warner Sperling, The Brothers Warner, 199– 201.
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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[P]lease put yourself in my position and imagine the shock when Mr. Blanke told me that I have to give up the assignment […]. I know you can feel how that hurt and what it broke in me; therefore I write this letter to you – not only because your name is under my contract – I write to you because I know you as a man of justice and great principle. Your clean administration of all studio-affairs has always been admirable. I know I have no right to insist upon any assignment. But there is something higher than right which counts and this is the noble relation of man to man – the implicit confidence. This is now all gone – how could it be different when a word is no word anymore? Please do not think what I now bring forward will change my affection for you or reverse my opinion of your production, which in my mind is the finest in the entire industry. But the ethics of the studio, up to lately the highest in the business, begin to become weak when favoritism enters in. This action against me is proof of it. Therefore, since such circumstances force you to take away from me the assignment of „Anthony Adverse“, I beg you to release me from my present contract immediately.4
Kann Dieterles Bitte um die Auflösung seines Vertrages vor dem Hintergrund seiner relativ unsicheren damaligen Situation (der Midsummer Night’s Dream befand sich noch in der post-production) vielleicht als nicht vollkommen ernst gemeint betrachtet werden, war seine menschliche Enttäuschung in Bezug auf Jack Warner sicherlich realer Natur. Sein wenige Wochen später einsetzender, emotional stark aufgeladener Briefwechsel mit dem Studioleiter bezüglich der Publicity für den Midsummer Night’s Dream belegt dies.5 Es gab jedoch auch noch einen weiteren Grund, der an Dieterles aufrichtigem Wunsch, im August 1935 das Studio zu wechseln, Zweifel aufkommen lässt. Parallel zu den Vorbereitungen zum Monumentalfilm Anthony Adverse beschäftigte Dieterle sich mit dem Projekt The Story of Louis Pasteur, das ihm zu dieser Zeit bereits sehr ans Herz gewachsen war, und das er sicherlich nicht ohne weiteres hätte aufgeben wollen. Erste Entwürfe für einen Film über den französischen Mikrobiologen Louis Pasteur waren bereits mehr als ein Jahr zuvor in der Drehbuchabteilung der Warner Bros. Studios entstanden. Der Autor Edward Chodorov hatte im Mai 1934 die Rohfassung eines Filmskriptes mit dem Arbeitstitel Man Against Death beendet, das Hal Wallis sofort als ein mögliches Projekt für Paul Muni vormerkte.6 Aus verschiedenen Gründen – so zum Beispiel dem Umstand, dass auch die Paramount Studios und die Fox Film Corporation zu dieser Zeit an der Entwicklung einer Pasteur-Story arbeiteten – wurde das Drehbuch jedoch zunächst zu den Akten gelegt.7 Erst im Juni 4 5
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Brief William Dieterles an Jack Warner, (11.08.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. Vgl. dazu: Brief William Dieterles an Jack Warner, (10.10.1935), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. In diesem Brief nahm Dieterle nochmals explizit Bezug auf die große Enttäuschung, die er durch den Verlust des Regieauftrages für Anthony Adverse erlitten hatte, und er erinnerte Warner an dessen vollmundige Versprechungen, diesen Verlust durch ein Filmprojekt von vergleichbarer Qualität zu kompensieren. Memorandum Hal Wallis’ an Edward Chodorov, (ohne Datum), The Story of Louis Pasteur papers, WBA, USC. Memorandum Edward Chodorovs an Hal Wallis, (13.04.1934), The Story of Louis Pasteur papers, WBA, USC. Vgl. auch: Hubbard Keavy, Screen Life in Hollywood, in:
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
1935, während der Diskussionen mit Dieterle und Muni bezüglich des missliebigen Streifens Dr. Socrates, holte man es auf Anregung Henry Blankes wieder hervor, zog es eine Weile als Ersatzprojekt in Betracht und entschloss sich schließlich dazu, beide Filme nacheinander zu drehen.8 Während dieser Zeit entwickelte sich zwischen Dieterle und Muni eine freundschaftlich-kollegiale Verbindung – befördert durch ihre gemeinsame heftig empfundene Ablehnung des Projektes Dr. Socrates und ihren Kampf für qualitativ hochwertigere Drehbücher. Wie Dieterle fühlte sich auch Muni nach seinen ersten internationalen Erfolgen mit Black Fury und I Am a Fugitive from a Chain Gang – der Reihe von social problem films unter dem Produktionsleiter Darryl F. Zanuck zugehörig – im regulären Studioalltag bei Warner Bros. chronisch unterfordert; nur durch ihre gemeinsame Arbeit an den Filmbiographien konnten die beiden Künstler in den folgenden Jahren eine berufliche Erfüllung finden. Eine Art von Symbiose zwischen Regisseur und Schauspieler entstand, die einige Beobachter wie zum Beispiel die Vertragsschauspielerin Bette Davis, die im Laufe der dreißiger Jahre insgesamt vier Filme mit Dieterle drehte, als eher schädlich für dessen Karriere empfanden. Wiederholt wurden Stimmen laut, dass sich der Regisseur von Muni habe überwältigen lassen, ohne dessen „künstlerische Alleingänge“ wäre Dieterle ein größerer Regisseur geworden.9 Wie die Dieterle-Biographin Marta Mierendorff wahrscheinlich zu Recht vermutet, waren diese Einschätzungen jedoch stark dramatisiert. Gewiss war Muni ein selbstbewusster Schauspieler mit einigen „Marotten“, über die der Regisseur noch Jahrzehnte später in seinen autobiographischen Skizzen berichtete. So benutzte Muni zum Beispiel für die Vorbereitung auf seine Rollen grundsätzlich einen Kassettenrecorder – eine Praxis, die sich nach Dieterle negativ auf die Spontaneität und Lebendigkeit seiner Darstellung auswirkte. Auch die große Abhängigkeit Munis von dem künstlerischen Urteil seiner am Filmset stets anwesenden Frau Bella sollte Dieterles Autorität regelmäßig untergraben; er schrieb: „Munis Frau sah man von morgens bis abends. Das war auch eine seiner fixen Ideen, daß er glaubte, ohne seine Bella nicht spielen zu können. Der erste Blick nach jeder Aufnahme galt seiner Frau, war Bella zufrieden, so war er es ebenfalls.“10 Dieterle erkannte jedoch das hinter diesen künstlerisch „problematischen“ Angewohnheiten verborgene überragende Talent Munis und räumte ihm die notwendige Freiheit zur Entfaltung ein. Die zahlreichen Aus-
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News Features, exclusive to morning papers, (28.03.1934), The Story of Louis Pasteur papers, WBA, USC. Mierendorff, William Dieterle, 82. In seinen autobiographischen Skizzen behauptete Dieterle, dass die Anregung zur „Reaktivierung“ des Pasteur-Stoffes von ihm selbst ausgegangen sei. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 129. Mierendorff, William Dieterle, 83. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 132–133. Wie auch Paul Muni selbst war seine 1898 geborene Frau Bella in der jiddischen Theaterszene der USA groß geworden.
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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zeichnungen, die beide für die kommenden Filmbiographien erhielten, sollten ihm Recht geben. Zunächst jedoch – im Sommer 1935 – bedurfte es einiger Wortgewandtheit, den skeptischen Studioleiter Warner, der, so Dieterle, zunächst gefragt hatte, ob es sich bei Pasteur um „den Milchmann“ handle, von der Attraktivität einer Wissenschaftler-Biographie zu überzeugen.11 Erst das vehement vorgetragene positive Votum Paul Munis, das zu dieser Zeit bei Warner viel Gewicht hatte, gab den endgültigen Ausschlag zur Genehmigung des Projektes.12 Warner beauftragte die Vertragsautoren Sheridan Gibney und Pierre Collings, das Drehbuch zu überarbeiten und die Hauptrolle auf Muni einzurichten; ein (Warners Skepsis deutlich widerspiegelndes) Budget von lediglich 300.000 Dollar – der damalige Mindestetat für eine A-Produktion – wurde festgesetzt. Während der anschließenden Vorbereitungen für seine Regieaufgabe lernte Dieterle erstmals die große Kompetenz des Warner Bros. research department schätzen, das ihn selbst, den associate producer Blanke und die Autoren mit einschlägiger Literatur über Pasteur, Hintergrundinformationen zur Mikrobiologie sowie reichhaltigem Bildmaterial versorgte. Die in rudimentären Formen bereits seit 1923 existierende studioeigene Recherche-Abteilung hatte seit den aufwendigen Vorbereitungen zum Midsummer Night’s Dream einen Aufschwung erfahren, der sich ab 1935 in einer Aufstockung der Mittel und einem personellen Zuwachs niederschlug. Unter der Leitung des ehemaligen Rabbis Dr. Herman Lissauer, der parallel zu seiner Tätigkeit bei Warner Bros. dem politisch engagierten Los Angeles Modern Forum (Organisator von Lesungen berühmter Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Kultur) vorstand, wurde der kleine Mitarbeiterstab des research departments – bestehend aus schnell und effektiv arbeitenden Improvisationstalenten unterschiedlichster Provenienz – zu einer unverzichtbaren Stütze für alle Produzenten, Regisseure und Schauspieler. Der sich ab 1935 bei Warner Bros. herausbildende Trend zu aufwendigen Prestigeproduktionen mit zumeist historischem Hintergrund, wie zum Beispiel die Mantel-und-Degen-Abenteuer mit Errol Flynn und selbstverständlich auch die Dieterleschen Filmbiographien, zwang das Studio zu immer langwierigeren Vorbereitungen und akribischen Milieustudien, die eine zunehmende Spezialisierung der sogenannten resear11
12
Ebenda, 43. Henry Blanke behauptete in einem 1969 entstandenen Oral History Interview, dass nicht Warner, sondern Wallis der eigentliche Gegner des Pasteur-Stoffes gewesen sei. Um das Projekt dennoch genehmigen zu lassen, habe er einen Auslandsaufenthalt von Wallis, der das Vorhaben bereits abgesagt hatte, strategisch ausgenutzt und die Story in der Zeit Jack Warner vorgelegt. Dieser habe sie dann genehmigt, da er über Wallis’ vorherige Ablehnung glücklicherweise nicht informiert war. Steinberg, Recollections of Henry Blanke, 23. Der Umstand, dass das Projekt ohne Munis Fürsprache nicht zustande gekommen wäre, wurde nach der Premiere von Munis Agent Mike C. Levee in der Presse triumphierend kolportiert. Memorandum Hal Wallis’ an Jack Warner, (21.11.1935), The Story of Louis Pasteur papers, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
cher nach sich zogen. Neben Experten für Themenfelder wie amerikanische und britische Geschichte, Architektur oder Medizin stellte man ebenfalls vermehrt Kenner von Fremdsprachen ein. Auf diese Weise konnte auch die Österreicherin Gusti Adler, die ehemalige Sekretärin Max Reinhardts, Mitte der dreißiger Jahre eine Festanstellung als Sekretärin Lissauers erlangen.13 Neben der Bewältigung des ihnen sicherlich eher fern stehenden naturwissenschaftlichen Hintergrundes bestand für Dieterle und seine Kollegen die wohl größte Herausforderung darin, die Geschichte Pasteurs in eine mitreißende Filmhandlung zu verwandeln. Schon früh hatte man sich darauf geeinigt, nicht dessen Privatleben in den Vordergrund zu stellen, sondern sich in Anlehnung an frühere Warner Bros. Filmbiographien wie Disraeli (1929), Alexander Hamilton (1931) und Voltaire (1933) seinem beruflichen Werdegang zu widmen – namentlich seinem jahrzehntelangen Bemühen, die Grundregeln der Antisepsis in der europäischen Medizin zu etablieren. Es sollte der Kampf eines fortschrittlichen und mutigen Visionärs gegen eine übermächtige Front konservativ-bornierter Zweifler gezeigt werden, an dessen Ende die Wissenschaft über den Aberglauben und das Nichtwissenwollen triumphiert.14 Wie Bertolt Brecht einige Jahre später in seinem Artikel Wilhelm Dieterles Galerie großer bürgerlicher Figuren zu Recht feststellte, betrat man im damaligen Hollywood damit thematisches Neuland: Die Dieterleschen Filmbiographien, progressiv und humanistisch und – was allein schon einen Aufstand im kommerziellen amerikanischen Film bedeutet – intelligent, waren im dramaturgischen Sinn bahnbrechend. […] Bisher war etwa die Leidenschaft eines Forschers für seinen Beruf nur als Motiv für ein allenfalsiges Ehezerwürfnis benutzt worden, welches dann den Hauptinhalt des Films darstellte. Nunmehr handelte es sich unter anderem um die Dramatisierung der Mikroben. Der Held war ein Held im Kampf gegen sie, wie er ein Held im Kampf gegen Menschen war. Jedoch war es nicht eine Einmontierung der Wissenschaft, sondern ihre dichterische und artistische Behandlung, was Dieterle interessierte. In einem Filmrepertoire für das von den Nazis befreite Europa würden die Dieterleschen Filmbiographien zu dem wertvollsten gehören, was die amerikanische Filmindustrie beisteuern kann.15
Kann der Film The Story of Louis Pasteur in vielerlei Hinsicht sicherlich als ein Auftakt für die von Brecht gelobte Reihe der Dieterleschen humanisti13
14 15
Wie im Jahre 1940 in einer studioeigenen Zeitschrift namens Warner Club News zu lesen war, verfügte auch der 1892 in New York geborene Lissauer über deutsche Sprachkenntnisse. Dieser Umstand erwies sich für Dieterle und Blanke während der gemeinsamen Vorbereitung ihrer Filmbiographien natürlich als äußerst günstig. Carl Milliken, Information Please! in: Warner Club News (Juni 1940), 3. Weiterführende Informationen über die Geschichte und Bedeutung des Warner Bros. research departments liefert: Andersen, The Warner Bros. Research Department, in: The Public Historian 17.1 (Winter 1995), 51–69. Zur Filmhandlung siehe: Mierendorff, William Dieterle, 84–87. Bertolt Brecht, Wilhelm Dieterles Galerie großer bürgerlicher Figuren, Typoskript, ca. 1944–1947, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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schen Filmbiographien betrachtet werden, wird man ihm jedoch im Vergleich zu den folgenden Werken The Life of Emile Zola, Juarez und Dr. Ehrlich’s Magic Bullett lediglich einen untergeordneten Stellenwert einräumen. Zwar war der Regisseur vom Beginn des Projektes an von der Grundidee des Filmes, dem pädagogisch wirksam dargestellten Kampf für Wandel und Fortschritt, äußerst angetan, er war jedoch nicht ihr Urheber und brachte sich auch nicht in nennenswertem Umfang in die Arbeit am Skript ein. Auch waren am Drehbuch für Pasteur keine emigrierten Autoren beteiligt wie an den übrigen Manuskripten der Reihe. Politische Implikationen, wie zum Beispiel eine verdeckte Anprangerung des Nationalsozialismus, können nicht nachgewiesen werden. Die Bedeutsamkeit des Werkes im Hinblick auf Dieterles Œeuvre liegt somit eher in dem Umstand, dass es zu einem wichtigen Wegbereiter für die folgenden Filmbiographien wurde. So bezeichnete Dieterle The Story of Louis Pasteur oftmals als den Beginn seiner zweiten Karriere in Hollywood; wäre dieses Experiment – und so betrachtete der skeptische Studioleiter Warner das Projekt – gescheitert, hätten seine anderen Filmbiographien niemals entstehen können. Auf künstlerischer Ebene wirkten sich nach Meinung der Dieterle-Biographin Marta Mierendorff das mangelnde Interesse der Studioleitung und der damit verbundene Umstand, dass der Regisseur deshalb bei den Dreharbeiten relativ freie Hand hatte, äußerst förderlich aus. Sie schrieb 1983 im Anschluss an eine Vorführung des Filmes anlässlich einer Retrospektive an den Filmhistoriker Hervé Dumont: Pasteur hat noch die ganze Tradition des deutschen Stummfilms und des frühen Dieterle Stils. Es hatte ihn bei dieser Regie auch kaum jemand behindert. Der Film hat eine unbeschwerte Heiterkeit, die sich dem Publikum mitteilte, das mehrmals, mitgehend, lachte. Die Schafe ernteten spontanen Applaus. Und die Schafherde – die gleiche Fotographie sah ich in einem alten Dieterle-Film, diese verwischte träumerische Atmosphäre. – Dann. Zola. Dieterles traumwandlerische Sicherheit, die in Pasteur wirkt, ist einer Unsicherheit gewichen. Einige Regieausrutscher (Pasteur hat keine) zeigen Bruch. Der „schlechte“ Einfluss von Hollywood macht sich bemerkbar.16
Die Skepsis, mit der Jack Warner der Premiere von The Story of Louis Pasteur entgegensah, wurde von zahlreichen zeitgenössischen Beobachtern geteilt. Neben dem Leiter der Production Code Administration Joseph Breen, der den Film nach seiner endgültigen Begutachtung im Oktober 1935 als „a bit over the heads of the mob“17 bezeichnete, äußerte auch die Filmfachzeitschrift Variety wenige Wochen später nach den ersten Previews Bedenken bezüglich mancher wissenschaftlich-trocken anmutender Passagen: For general consumption most audiences won’t understand a great deal of the scientific background or import, and a great portion won’t care. Try as hard as the producers 16 17
Brief Marta Mierendorffs an Hervé Dumont, (02.07.1983), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Brief Joseph Breens an Will H. Hays, (26.10.1935), The Story of Louis Pasteur file, PCA, AMPAS.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) could, they didn’t (probably couldn’t) avoid some dull stretches of scientific discourse certain to baffle average audiences.18
Schnell sollten sich jedoch in der Schar von Zweiflern auch optimistischere Rezensenten zu Wort melden; so lobte im November 1935 ein anderer Autor der Variety die große Regieleistung Dieterles, dem es mit Souveränität gelungen sei, die Bedeutung Pasteurs für ein zeitgenössisches Publikum herauszuarbeiten: William Dieterle gives splendid account of his directorial powers. He drives to his objective surely, without trickery, with obvious conviction in the high human interest of the material and with the technical mastery to make it live and shine from the screen. In every detail of character and incident, homely and heroic, Dieterle reveals a sure sense for the stirring mass appeal of the medical pioneer’s life and labors.19
Auch der Hollywood Reporter schloss sich dieser positiven Einschätzung an und prognostizierte darüber hinausgehend eine beflügelnde Wirkung des Filmes auf die gesamte US-Filmindustrie durch die Erschließung neuer anspruchsvollerer Publikumskreise: The whole industry will benefit by the world-wide acclaim that this distinguished picture will win, not only from picture fans but from that diminishing public ordinarily inclined to scoff at screen entertainment. It might thus be called a recruiting film for a new and influential audience. But it will not disappoint the regulars. It will bring them up cheering. It is destined for a life for longer than many more pretentious offerings and will win encomiums and dollars everywhere.20
Die durchweg wohlwollenden Reaktionen auf die Uraufführung des Filmes in New York am 9. Februar 1936 sowie – im Anschluss daran – die landesweit äußerst soliden Kasseneinnahmen sollten diese positiven Prognosen bestätigen. Quasi über Nacht konnte das Studio durch das Team Dieterle/Blanke nach dem Midsummer Night’s Dream einen weiteren Prestigeerfolg verbuchen, der sich zudem auch finanziell nicht als Enttäuschung erwies. Schnell veränderte Jack Warner seine Vermarktungsstrategie und reichte den Film für die Biennale 1936 in Venedig ein. Paul Muni wurde für seine Darstellung des Pasteur mit dem „Copa Volpi“ bedacht, den er jedoch aufgrund seiner Ablehnung des Faschismus nicht persönlich entgegennehmen wollte. An seiner Stelle reiste Warner nach Venedig und ließ sich für ein Filmprojekt ehren, das er zunächst gar nicht hatte genehmigen wollen. Bei der Verleihung der Aca18
19 20
Louis Pasteur, in: Variety (12.02.1936), The Story of Louis Pasteur file, PCA, AMPAS. Die Studioleitung reagierte auf diese düsteren Prognosen mit einer Reduktion des Werbe-Etats für den Film auf ein absolutes Minimum. Den Verleihern räumte man niedrigere Preise ein, und für die Welturaufführung in New York wählte man lediglich ein zweitrangiges Kino. Mierendorff, William Dieterle, 88. The Story of Louis Pasteur, in: Variety (20.11.1935), The Story of Louis Pasteur file, PCA, AMPAS. The Story of Louis Pasteur, Prestige and Dollar Film, in: The Hollywood Reporter (20.11.1935), The Story of Louis Pasteur file, PCA, AMPAS.
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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demy Awards des Jahres 1937 wurde The Story of Louis Pasteur in der Kategorie „Bester Film“ nominiert; er gewann allerdings nicht in dieser, sondern in drei anderen Kategorien: Muni erhielt den Oscar als „Bester Hauptdarsteller“, die Autoren Gibney und Collings nahmen die begehrte Trophäe jeweils in den Kategorien „Beste Originalstory“ sowie „Bestes Drehbuch“ entgegen. Für Dieterle persönlich bedeutete der Überraschungserfolg mit The Story of Louis Pasteur eine weitere Festigung seiner Position in den Warner Bros. Studios, die ihm in den ungefähr zeitgleich mit den ersten Previews im Herbst 1935 stattfindenden Verhandlungen über eine Verlängerung seines Vertrages ein neues Selbstbewusstsein verlieh. Erstmals versuchte er durch die Einbringung bestimmter Klauseln, das von ihm bereits lange ersehnte größere Mitspracherecht in der Auswahl seiner Drehbücher zu gewinnen.21 Jack Warner ließ jedoch keine der vorgeschlagenen Modifikationen zu, da diese ihn seiner Meinung nach der Kontrolle über die Vorgänge im Studio beraubt hätten. In einem Memorandum an Hal B. Wallis fasste er die wichtigsten Vertragsbedingungen zusammen: Following is tentative proposition dictated on DIETERLE: Starting Jan. 23rd, we would give him a straight 2 ½ year contract – 40 out of 52 weeks at $2000,00 weekly. Option for additional 2 ½ years at $2500,00. Another option for 2 straight years at $3000,00. If we rent him out – one-half of the coverage we would receive. At our option, he could work as a producer or director or writer. He would have the right of canceling his contract, if you and myself are no longer connected with this company. Before we lay him off, to give him two weeks notice. This about settles the whole DIETERLE situation. Under no condition do we want to give him the right of stories, first pick or otherwise, and the usual routine, that Mrs. Dieterle has in her mind.22
Waren die von Warner in Aussicht gestellten Gagen für die folgenden Jahre sicherlich ein Beweis für seine zunehmende Wertschätzung Dieterles, war dieser mit dem Ausgang der Vertragsverhandlungen natürlich keinesfalls zufrieden.23 In einem Brief an Dieterles Anwalt Ronald Button versuchte Roy Obringer, der Leiter der studioeigenen Rechtsabteilung, die Wogen zu glätten und den Standpunkt des Studios bezüglich der Künstlerverträge für Regisseure zu erläutern: „[I]t is just one of those things where a producer making all of the investment of the money and paying a director a substantial salary to create its product cannot afford to lose its control over its employees who 21 22 23
Brief Roy Obringers an Dieterles Anwalt Ronald Button, (16.01.1936), Dieterle legal files, WBA, USC. Memorandum Jack Warners an Hal Wallis, (16.12.1935), Dieterle legal files, WBA, USC, (Hervorhebungen im Original). Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, (25.02.1936), Dieterle legal files, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
produce and the means and times of production. […] I believe that he [Dieterle] is worrying a hell of a lot about something that is never going to happen.“24 Dass Dieterles Sorgen zumindest bezüglich seiner Drehbücher nicht – wie Obringer behauptete – vollkommen unbegründet waren, sollte sich schnell erweisen. Nach dem Erfolg mit The Story of Louis Pasteur hoffte er auf große Aufgaben und wartete auf eine Chance, einen weiteren Prestigefilm mit Muni drehen zu können. Beide schlugen der Studioleitung eine Beethoven-Biographie vor, die zwar nicht grundsätzlich abgelehnt wurde, aber jedoch zunächst zugunsten anderer Routinearbeiten hintangestellt werden musste.25 Stattdessen erhielt Dieterle das zweitklassige Manuskript Satan Met a Lady, das nach seinen Erinnerungen bereits mehrere Jahre im Studio „auf Halde“ gelegen hatte.26 Bei dem Stoff handelte es sich um eine wenig geglückte Bearbeitung des Romans The Maltese Falcon – geschrieben von dem US-Schriftsteller Dashiell Hammett. Im Jahre 1941 sollte in den Warner Bros. Studios unter der Regie John Hustons eine weitaus erfolgreichere Adaption (mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle des Privatdetektivs Sam Spade) entstehen. Eine Ablehnung und damit eine unbezahlte Suspendierung konnte und wollte er sich jedoch – nicht zuletzt aufgrund seiner wachsenden finanziellen Verpflichtungen durch die Flüchtlingshilfe – nicht leisten.27 Erst nach einem Jahr, in dem er drei weitere Spielfilme von nicht unbedingt überragender, aber durchaus solider Qualität gedreht hatte, kam es mit der Filmbiographie The Life of Emile Zola zu einer erneuten Zusammenarbeit mit Muni, die einen wichtigen Höhepunkt in der Karriere beider Künstler markieren sollte.28 Der Kampf gegen den Antisemitismus mit The Life of Emile Zola (1937): Erfolge und verpasste Chancen Investierten die Gebrüder Warner während der dreißiger Jahre einen großen Teil ihrer Zeit und Energie in den Kampf gegen die Beeinflussung der USA durch anti-jüdisches Gedankengut, konnten sie sich jedoch – wie bereits ausführlich dargelegt – lange nicht dazu durchringen, ihre politische Gesinnung in einer adäquaten Form auf die Kinoleinwände zu transportieren. Aufgrund einer höchst diffizilen Gemengelage aus begründeten und unbegründeten Ängsten, gerechtfertigten und ungerechtfertigten Rücksichtnahmen sowie 24 25 26 27 28
Brief Roy Obringers an Dieterles Anwalt Ronald Button, (16.01.1936), Dieterle legal files, WBA, USC. Zur Beethoven-Biographie siehe: Kapitel III/1 (Abschn. 3) dieser Arbeit. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 134. Ebenda. In diesem Jahr entstanden unter Dieterles Regie The White Angel, eine solide aber nicht unbedingt überragende Filmbiographie der Krankenschwester Florence Nightingale, der Kriminalfilm The Great O’Malley sowie der Abenteuerfilm Another Dawn.
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dem – nicht zuletzt auch den Aktionären geschuldeten – Wunsch nach einer Profitmaximierung schlugen sie bezüglich einer Thematisierung des Antisemitismus zumeist den Weg des geringsten Widerstandes ein. Wo immer jüdische Figuren oder eine spezifisch jüdische Thematik in einer literarischen Vorlage oder einem Drehbuchentwurf auftauchten, wurden sie entweder modifiziert oder vollkommen entfernt.29 So schrieb zum Beispiel Jack Warner 1935 in einem Memorandum an Hal B. Wallis bezüglich eines zum Verkauf stehenden Theaterstückes mit dem Titel Sweet Mystery of Life: „By eliminating the Jewish names and giving the characters Gentile names, this would make one hell of a musical or a straight farce.“30 Diese Strategie der Tabuisierung sollte auch den Produktionshintergrund der Filmbiographie The Life of Emile Zola – der nächsten Kooperation Dieterles, Blankes und Munis – maßgeblich bestimmen. Das ambitionierte Projekt nahm seinen Ursprung im Frühjahr 1936 auf einer der regelmäßig stattfindenden privaten Zusammenkünfte innerhalb der deutschsprachigen Exilkolonie von Los Angeles. Dem soeben in Hollywood eingetroffenen Theatermann Heinz Herald – vormals Dramaturg und Regisseur unter Max Reinhardt – gelang es bei dieser Gelegenheit, Henry Blanke den Vorschlag für eine Biographie des französischen Schriftstellers Émile Zola zu unterbreiten. Blanke erkannte sofort die Möglichkeit, durch einen derartigen Stoff an den Erfolg mit The Story of Louis Pasteur anzuknüpfen, und wandte sich umgehend an Jack Warner. Dieser engagierte Herald für die Verfassung eines entsprechenden Drehbuches und stellte ihm mit dem kurz zuvor aus Österreich emigrierten Journalisten und Bühnenautor Geza Herczeg einen deutschsprachigen Mitarbeiter zur Seite.31 Auch William Dieterle war nach einer Unterredung mit Blanke und Herald sofort von dem großen Potential des Zola-Stoffes überzeugt und bat die Studioleitung frühzeitig um den Regieauftrag. Konnte er aufgrund der allgemein üblichen Routine, die hochbezahlten Regisseure erst in einem späten Stadium in die Filmprojekte zu integrieren, sich zwar nicht regelmäßig an der Verfassung des Drehbuches beteiligen, begleitete er die Arbeiten jedoch aufmerksam und bestimmte zusammen mit Herald, Herczeg und Blanke die grundle29
30 31
Wie Colgan in ihrer Untersuchung Warner Brothers’ Crusade Against the Third Reich herausstellt, setzte die vollkommene Tabuisierung der jüdischen Religion in Hollywoodfilmen erst zu Beginn der dreißiger Jahre ein. Während der zehner und zwanziger Jahre waren in den USA weit über zweihundert Filme entstanden, in denen deutlich als Juden erkennbare Charaktere portraitiert wurden. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 113. Brief Jack Warners an Hal Wallis, (04.02.1935), Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Vgl. dazu: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 115; Roffman/Purdy, The Hollywood Social Problem Film, 167–170. Herald und Herczeg begannen ihre Arbeit im August 1936 und erhielten gemeinsam die Summe von 13.000 Dollar. Budget Zola, The Life of Emile Zola papers, WBA, USC; Memorandum Walter MacEwens an Hal Wallis, (07.08.1936), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
gende Entwicklungsrichtung der Story. Viele Jahre später schrieb er in seinen autobiographischen Aufzeichnungen: Die Inszenierung dieses Films war die Aufgabe, auf die ich seit meiner Ankunft in Hollywood gewartet hatte: ein Thema von weltgeschichtlicher Bedeutung. […] Wie Zola durch die Kraft seines Wortes so sollte der Film das Gewissen der Welt wachrütteln, um jeglicher Intoleranz und Diskriminierung entgegenzuwirken.32
Bereits bei der Konzeption der zunächst nur wenige Seiten umfassenden story-outline entschlossen sich die Autoren, den Fokus der Handlung auf die Rolle Émile Zolas in der berüchtigten Dreyfus-Affäre zu legen, die Frankreich gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschüttert hatte. Der jüdische Generalstabsoffizier Alfred Dreyfus wurde im Jahre 1884 bezichtigt, militärische Geheimdokumente an das Deutsche Reich weitergeleitet zu haben, und wegen Hochverrat zu einer lebenslangen Inhaftierung auf der sogenannten Teufelsinsel vor der Küste Französisch-Guyanas verurteilt. Die entsprechenden Ermittlungen gegen den Angeklagten waren von Beginn an durch eine stark antisemitische Einstellung des Militärgerichtes wie auch rechtsgerichteter französischer Bevölkerungskreise geprägt – seiner Verurteilung folgten Boykotte jüdischer Geschäfte und vehemente Forderungen nach der Vertreibung aller Juden und ihrer „Verbündeten“ aus Frankreich. Als jedoch Indizien für Dreyfus’ Unschuld und deren Vertuschung durch den Generalstab auftauchten, formierte sich eine einflussreiche Gegenbewegung der bürgerlichen Mitte und links-liberaler Intellektueller, die unter der Führung des Schriftstellers Anatole France eine Wiederaufnahme des Verfahrens forderte. In seiner mutigen Anklageschrift J’Accuse prangerte Émile Zola das Vorgehen des Militärs an und sprach sich für eine vollständige Rehabilitierung des Inhaftierten aus – eine Anklage wegen Verleumdung und die Verbrennung seiner Bücher durch nationalistische gewaltbereite Anti-Dreyfusards waren die Folge. Erst etliche Jahre später wurde Dreyfus freigesprochen und kehrte schließlich mit allen Ehren in das Militär zurück.33 Wie aus den Studiounterlagen hervorgeht, konnten beide Autoren bereits auf umfangreiche Vorkenntnisse der Materie zurückgreifen. Während sich Herald in den Jahren von 1909 bis 1912 während seines Studiums der Literaturgeschichte in Berlin mit Zola befasst hatte34, war Herczeg aus einer journalistischen Perspektive mit dem Leben des Schriftstellers und vor allem mit dessen Gerichtsprozess im Zuge der Dreyfus-Affäre vertraut. In den Jahren ab 1906 hatte er in Wien, Berlin, Budapest und Paris (unter anderem als Herausgeber der Wiener Allgemeinen Zei32
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Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 150. (Hervorhebung im Original). Heinz Herald und William Dieterle kannten sich aus der Zeit, in der sie beide (Herald als Dramaturg und Regisseur und Dieterle als Schauspieler) an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin tätig waren. Ebenda, 149. Zur Affäre Dreyfus vgl.: Schoeps/Kotowski, J’Accuse … ich klage an! 2005. Memorandum Heinz Heralds an Henry Blanke, (14.09.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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tung) gearbeitet und sich mit international bekannten Journalisten wie Moritz Fuchs oder Paul Goldmann angefreundet, die dem Zola-Prozess persönlich beigewohnt hatten und Herczeg aus erster Hand berichteten.35 Ferner wurden als Quellen für die Arbeit am Drehbuch einschlägige englische, deutsche und französische Fachliteratur, zeitgenössische Zeitungsartikel aus der Neuen freien Presse, der London Times und dem New York Herald sowie die Original-Akten aus dem Gerichtsprozess Zolas herangezogen.36 Auch der 1930 entstandene Film Dreyfus unter der Regie Richard Oswalds mit Fritz Kortner in der Titelrolle, der natürlich sowohl den Autoren als auch Dieterle bekannt gewesen ist, dürfte als Inspiration gedient haben. Bereits in einem sehr frühen Stadium der Arbeit am Drehbuch entschlossen sich Herald und Herczeg die damals gut vierzig Jahre zurückliegenden Ereignisse um die Dreyfus-Affäre, die noch sehr stark in das kollektive Bewusstsein der französischen (wie auch teilweise der amerikanischen) Bevölkerung eingeschrieben waren, als eine Allegorie auf die aktuelle politische Entwicklung im nationalsozialistischen Deutschland darzustellen. Sie formulierten diese Absicht – zurückhaltend aber doch leicht durchschaubar – als Fazit ihrer im Juli 1936 entstandenen story-outline mit dem Arbeitstitel The Truth Is on the March: Emile Zola, the Conscience of Humanity: This film is not an ordinary biography, it contains far more: the eternal, ceaseless fight for freedom and right. The right, basis of all human society, represents the equilibrium of the world. If this equilibrium is ever put out of balance it shakes the entire globe. It is immaterial whether it happens in Germany or France or in Turkey, but the whole world trembles whenever the foundation of society, the right, happens to be infringed. […] It is the proclamation of an eternal hope, an eternal faith, which is classically expressed in his [Emile Zola’s] own words: „LA VERITE EN MARCHE …“ – „The truth is on the march and nothing can stop it!“ We think that it had never been more timely than today to know this, see it and hear it.37
Gemäß ihrer hier formulierten Absicht, in einer Art von politisch hochaktuellem Zeitstück den Kampf gegen die Missachtung der Menschenrechte (insbesondere im nationalsozialistischen Deutschland) darzustellen, legten Herald und Herczeg größten Wert auf die Betonung der antisemitischen Komponente in der Affäre Dreyfus. Der von ihnen verfasste Dialog war durchzogen von Anspielungen auf die jüdische Religion des Hauptmanns und auf die Rolle, die diese bei der voreingenommenen Untersuchung seines Falls und schließlich bei seiner unrechtmäßigen Verurteilung spielte. Insbesondere die antisemitischen Ausschreitungen im Anschluss an die Urteilsverkündung sowie die 35 36 37
Telegram Henry Blankes an Morris Ebenstein, (14.09.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Heinz Heralds an Henry Blanke, (18.10.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Herald/Herczeg, The Truth Is on the March: Emile Zola, the Conscience of Humanity, story synopsis, (15.07.1936), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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vehementen rechtsgerichteten Attacken gegen Émile Zola nahmen eine hervorgehobene Bedeutung im Handlungsverlauf ein – kulminierend in einer deutlich auf die aktuellen Vorgänge in Deutschland verweisenden Bücherverbrennungsszene, in der Gegner Zolas Fensterscheiben einschlagen und seine Werke in die Flammen werfen.38 War es Dieterle – wie bereits erwähnt – zunächst lediglich möglich gewesen, sich sporadisch an der Arbeit am Drehbuch zu beteiligen und die intendierte politische Aussage grundsätzlich zu unterstützen, nutzte er nach der Fertigstellung des Textes die ihm durch das Studio eingeräumte Möglichkeit, diesen ausführlich durchzuarbeiten und Henry Blanke und den Autoren in einer nachfolgenden Konferenz seine Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Auch der Produktionsleiter Hal B. Wallis und der Hauptdarsteller Paul Muni machten von diesem Recht Gebrauch, bevor der Vertragsautor Norman Reilly Raine das sogenannte polishing (letzte Kürzungen und sprachliche Abänderungen) durchführte.39 Bereits wenige Wochen nach der Beendigung der Arbeiten durch Herald und Herczeg im Oktober 1936 ergaben sich jedoch etliche Komplikationen, die schließlich zu einer erheblichen Abschwächung der ursprünglich sehr hohen politischen Aussagekraft des Drehbuches führten. In dem Bemühen, einen möglichst reibungslosen Verleih des Filmes in Europa zu gewährleisten, konsultierte Wallis die studioeigene Rechtsabteilung in New York bezüglich potentieller Zensurschwierigkeiten und Proteste in Frankreich. Der Leiter der Rechtsabteilung Morris Ebenstein antwortete ihm, dass es wohl kaum möglich sein werde, einen Film zu produzieren, der den historischen Tatsachen entspreche und gleichzeitig von der französischen Zensur akzeptiert werde. Auch nach über dreißig Jahren seien die alten Wunden aus der Zeit der Dreyfus-Affäre kaum verheilt, und die politischen Lager seien de facto immer noch dieselben; er warnte: On reading the „Zola“ script, I […] recognized that it dealt with a political subject of great delicacy; that, although the Dreyfus case took place over thirty years ago, the issues of that case are still very much alive in Europe and particularly in France; that the last election in France was fought almost over these very issues and, further, that these issues are still being actively discussed and fought over in the political arena of France today. Furthermore, I realized that, if for any reason, the picture could not be shown in France, it would probably also be banned in the rest of Europe, including England, because of the present European political alliances.40
Um eine noch differenziertere Einschätzung der Lage zu erhalten, beauftragte Ebenstein den Leiter der europäischen Geschäftsstelle des Studios in Paris Robert Schless mit einer weitergehenden Analyse der Problematik vor Ort. 38 39 40
Ebenda. Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, (14.01.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Morris Ebensteins an Hal Wallis, (01.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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Dieser reagierte mit einem 14-seitigen Gutachten, das Ebensteins Befürchtungen bestätigte. Auch Schless war der Meinung, dass man bei der Darstellung gewisser historischer Tatsachen äußerste Vorsicht walten lassen müsse.41 Mit der Erstellung seines umfangreichen Gutachtens waren Schless’ Bemühungen in der Sache jedoch keineswegs beendet; er setzte in den darauffolgenden Wochen seine Recherchen in Frankreich fort und trug wenig ermutigende Informationen zusammen, die er dem Produzenten Henry Blanke im Februar 1937 zukommen ließ. So brachte er zum Beispiel in Erfahrung, dass wenige Jahre zuvor ein Theaterstück über den Fall Dreyfus für erhebliche Unruhen in der französischen Bevölkerung gesorgt hatte. Aufführungen wurden von Reaktionären mit Demonstrationen und Stinkbomben gestört; ein Verbot des Stückes aus Gründen der öffentlichen Sicherheit war die Folge.42 Seit dieser Zeit, so schrieb Schless an Blanke, habe sich die politische Lage sogar noch verschärft, entsprechende Ausschreitungen seien wahrscheinlicher als je zuvor: „It is important to note in this connection that at that time (approximately 4 or 5 years ago) there was no real political unrest in this country, which of course is not the case today.“43 Nur wenige Monate zuvor hatte der Jurist Léon Blum – wie Alfred Dreyfus jüdischer Herkunft – in einer politisch hochgradig aufgeladenen Atmosphäre das Amt des französischen Premierministers übernommen. Während der Affäre Dreyfus hatte Blum auf der Seite der Dreyfusards (der Befürworter von Dreyfus’ Unschuld) für eine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens gegen den Offizier gekämpft. Ferner hatte er während des Verleumdungsprozesses gegen Émile Zola dessen Anwalt Fernand Labori bei der Vorbereitung seiner Verteidigung assistiert. Blum regierte gestützt von einer äußerst instabilen Volksfront-Koalition, die von der mit dem nationalsozialistischen Deutschland sympathisierenden Rechten als „bolschewistische Gefahr“ bekämpft wurde. Gewaltbereite ehemalige Dreyfus-Gegner und deren Nachkommen boten dem nach wie vor in der Bevölkerung fest verankerten Antisemitismus neue Nahrung, indem sie Blum als „un-französisch“ bezeichneten und offen seine Absetzung forderten. Ihre kontinuierliche Agitation fiel auf einen fruchtbaren Boden, der durch die zunehmend prekäre ökonomische Situation des Landes weiter genährt wurde.44 Einen ersten Hinweis auf mögliche antijüdische Ausschreitungen im Falle einer Vorführung des 41 42
43 44
Brief Robert Schless’ an Morris Ebenstein, (27.01.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Robert Schless’ an Henry Blanke, (22.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Leider nennt Schless in seinem Brief an Blanke nicht den Titel des Theaterstücks. Es könnte sich eventuell um das 1929 veröffentlichte Stück Die Affäre Dreyfus des deutschen Dramatikers Hans José Rehfisch gehandelt haben. Auch der bereits erwähnte deutsche Film Dreyfus mit Fritz Kortner in der Titelrolle hatte 1930 antisemitische Reaktionen in Deutschland hervorgerufen. Schütze, Fritz Kortner, 76. Brief Robert Schless’ an Henry Blanke, (22.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 190–191.
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geplanten Filmes hatte Schless bereits erhalten; er war von dem Sohn des Majors Armand Mercier du Paty de Clam – einer der Hauptprotagonisten der Affäre Dreyfus – aufgesucht worden, der eine negative Portraitierung seines Vaters mit allen Mitteln verhindern wollte. Der Major war nach der Entdeckung des handschriftlichen borderau (einer Liste mit militärischen Informationen, die der französische Geheimdienst im Papierkorb des Militärattachés Max von Schwartzkoppen in der deutschen Botschaft von Paris gefunden hatte) vom Kriegsminister, Divisionsgeneral Auguste Mercier, mit der Suche nach dem Spion in den Reihen des französischen Generalstabes beauftragt worden. Nach einigen fragwürdigen graphologischen Studien und oberflächlichen Befragungen war du Paty de Clam von Dreyfus’ Schuld überzeugt und beendete bereits nach 14 Tagen alle weitergehenden Untersuchungen. Der Sohn des Majors, Charles du Paty de Clam, übernahm die antisemitischen Überzeugungen seines Vaters und sollte im Februar 1944 den Vorsitz des Commissariat Général aux Questions Juives (CGQJ) erhalten – einer Behörde des Vichy-Regimes, die mit der Planung und Durchführung der Entrechtung, Inhaftierung und Vernichtung französischer Juden betraut war.45 Über den Besuch Charles du Paty de Clams im französischen Warner Bros. Büro berichtete Schless: [W]e had received the visit of the Marquis du Paty de Clam, who had heard that we intended making this picture. The Marquis was accompanied by his solicitor, and the final statement of both these old fogies was that if we attempted to put the father of the present de Clam in our picture that they promised anti-Semite demonstrations.46
Diese bedenkliche Entwicklung beunruhigte Schless in einem Maße, dass er – wie sonst für eine US-Filmfirma eher unüblich – die französische Regierung bezüglich des geplanten Projektes zu Rate zog. Er erkundigte sich, welche Chancen auf eine Aufführung in Frankreich der Film grundsätzlich habe, und ob im Falle von Ausschreitungen ein Schutz der Kinos und anwesender Studio-Mitarbeiter gewährleistet sei. Die Antwort Léon Blums war nicht ermutigend; er informierte Schless, dass er einen Film über Alfred Dreyfus zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur ungern in Frankreich zeigen würde, da dieser 45 46
Kotowski, Der Fall Dreyfus und die Folgen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 50 (10.12.2007), 25–32; Vichy Drops Director for Jewish Affairs. Hopes for Return of Property Regarded as Vain, in: The New York Times (28.02.1944), 5. Brief Robert Schless’ an Henry Blanke, (22.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Im fertigen Film versuchte man schließlich, die konkrete Identifizierung der Mitglieder des Generalstabes, die für Dreyfus’ Verhaftung verantwortlich waren, zu vermeiden. Die Nennung von Namen wurde umgangen, indem man sich in der Anrede auf die militärischen Ränge bzw. Ämter wie Minister of War oder Chief of Staff beschränkte. Auch einen Schriftsteller namens Alphonse Daudet schnitt man aus dem Drehbuch, da sein Sohn Léon Daudet zu dem Zeitpunkt der Leiter einer einflussreichen antisemitisch-reaktionären Gruppierung in Frankreich war. Brief Morris Ebensteins an Henry Blanke, (18.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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vermutlich alte Wunden wieder aufreißen und den Graben zwischen den immer noch existierenden politischen Lagern weiter vertiefen könne. Schless übermittelte diese Reaktion an Henry Blanke: Monsieur Léon Blum stated […] that such a picture might cause a great deal of commotion here in view of tense political feeling and party hatred. Consequently the release in France at this time of such a picture would be regarded by the government as an additional unnecessary cause for trouble, and consequently to avoid such incidents, they could not offer any protection.47
Die von Robert Schless in seinen Briefen an Blanke geäußerten Bedenken bezüglich der politischen Brisanz des geplanten Filmes und der damit verbundenen Zensurschwierigkeiten auf dem europäischen Absatzmarkt wurden auch von der Production Code Administration geteilt. Nachdem das Studio – dem üblichen Prozedere folgend – im Januar 1937 das Drehbuch Heralds und Herczegs zur eingehenden Prüfung an das Büro Joseph Breens gesandt hatte, zeigte sich dieser über die deutliche Anprangerung des Antisemitismus und vor allem über die damit verbundene Kritik am nationalsozialistischen Deutschland besorgt. Er schrieb in einem Brief an Jack Warner: The basic story is, for the most part, generally acceptable under the provisions of the Production Code, but there are a number of details which will have to be corrected, before the present script can be wholly acceptable. A number of these details are, likewise, dangerous from the standpoint of political censorship, both in this country and abroad […]. [The] scenes, showing popular reaction to Zola, and his book, J’ACCUSE, the business of the burning of the books, as well as the caricature, are suggestive of recent activities in Germany, as regards the books authored, or published by, Jews. The inclusion of these scenes in your picture may leave your picture open to the accusation that it is propaganda and, as such, unworthy of serious notice. We suggest that, throughout the script, where there is danger that this suggestion of propaganda be drawn, you eliminate the scenes or dialogue responsible for such suggestion.48
Wie bereits etliche Male zuvor bediente sich Breen auch in diesem Fall der – bereits dargelegten – Argumentationslinie, dass ein einzelner anti-nationalsozialistischer Film unter Umständen die gesamte amerikanische Filmindustrie dem Vorwurf der „jüdischen Propaganda“ preisgeben könne. Hatten die Gebrüder Warner zu diesem Zeitpunkt bereits mit Deutschland gebrochen, so dass sie persönlich die Empfindlichkeiten nationalsozialistischer Filmzensoren nicht weiter interessierten, galt dies jedoch nicht für die Production Code Administration. Dort war man darum bemüht, den deutschen Absatzmarkt für amerikanische Filme so lange wie möglich offen zu halten. Ein einzelner kritischer Film konnte die angespannte Situation eskalieren lassen und das be47 48
Brief Robert Schless’ an Henry Blanke, (22.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Joseph Breens an Jack Warner, (02.02.1937), The Life of Emile Zola file, PCA, AMPAS. Breen nahm in seinem Brief Bezug auf eine Drehbuchversion vom 28. Januar 1937. Ebenda.
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fürchtete Gesamtverbot aller US-Filme nach sich ziehen. Daran, dass das geplante Werk die „guten Beziehungen“ Hollywoods nach Deutschland empfindlich stören konnte, hatte Breen keinen Zweifel. Wie bereits erwähnt war er schon des Öfteren von der deutschen Botschaft in Los Angeles im Zusammenhang mit angeblich „deutschfeindlichen“ Filmprojekten kontaktiert worden. Auch die Nachricht über die geplante Zola-Biographie war bereits über unbekannte Kanäle zum deutschen Generalkonsul Georg Gyssling vorgedrungen und hatte diesen dazu veranlasst, in der ganzen Stadt telefonische Erkundigungen einzuholen. Henry Blanke schrieb an eine Mitarbeiterin des research department: I naturally received several calls from Dr. Gyssling, the German Consul, and could not avoid talking with him – which I did. He was well aware, I don’t know through whom, that we are making a Dreyfus picture and he was very much worried in what respect Germany would figure in this. He wanted to make a date with me immediately, and wanted further information in regard to this – I presume in order that he might notify Washington or his government.49
Hatte Breen in seiner Funktion als von Hollywood engagierter Berater zur freiwilligen Selbstkontrolle natürlich keine direkte juristische Handhabe, die Entfernung aller anti-nationalsozialistischen Aspekte aus Heralds und Herczegs Drehbuch anzuordnen, gelang es ihm doch unter Verweis auf die für die amerikanische Filmindustrie möglichen Konsequenzen, Jack Warner weitgehend in seinem Sinne zu beeinflussen. In einem Treffen mit Breen und dessen Vorgesetzen Will H. Hays erklärte sich der Studioleiter damit einverstanden, ein neues „politisch entschärftes“ Drehbuch einzureichen.50 Er gab persönlich den Auftrag an den Produktionsleiter Wallis, alle von Herald und Herczeg in die Dialoge eingestreuten Hinweise auf die jüdische Abstammung von Alfred Dreyfus und den beim französischen Militär und in der Bevölkerung herrschenden Antisemitismus zu streichen. So entfernte Wallis zum Beispiel in der Szene Nr. 80 den Ausspruch des Stabschefs: „He [Dreyfus] is a man, and a Jew!“ In mehreren Szenen, in denen von Dreyfus geringschätzig als „dem Juden“ die Rede war, wurde der Name „Dreyfus“ eingefügt.51 Das Ergebnis dieser Überarbeitungen war eine endgültige Drehbuchfassung, in der das Wort „Jude“ im Dialog nicht mehr ausgesprochen wurde. Lediglich ein von den Autoren geschickt konstruierter visueller Hinweis auf die jüdische Abstammung von Dreyfus blieb in einer Szene verborgen. Auf der Suche nach dem Verräter nimmt der Kriegsminister Mercier (Gilbert Emory) in einer geheimen Konferenz mit seinen Offizieren die Namensliste aller Mitglieder des 49 50 51
Memorandum Henry Blankes an Miss Hagemann, research department, (09.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Joseph Breen, Memorandum for files, (05.02.1937), The Life of Emile Zola file, PCA, AMPAS. Memorandum Walter MacEwens (Assistent von Wallis) an Hal Wallis, (11.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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Generalstabes zur Hand. Die Kamera folgt seinem Finger, während er von Eintrag zu Eintrag fährt, schließlich bei dem Namen Alfred Dreyfus innehält und auf die Randbemerkung „Religion: Jew“ verweist. Ein anwesender Major (Ralph Morgan) sagt: „I wonder how he ever became a member of the General Staff.“ Der Kriegsminister antwortet darauf: „That is our man.“52 War diese Szene für sich genommen intelligent konstruiert und in ihrer ideologischen Botschaft für einen historisch informierten Rezipienten eindeutig, konnte sie von einem durchschnittlichen amerikanischen Kinopublikum jedoch nur allzu leicht übersehen oder falsch interpretiert werden. Sie war gleichsam ein letztes schwaches Relikt einer ursprünglich von Herald und Herczeg meisterhaft geschaffenen, beängstigend dichten Atmosphäre der rassistischen Ausgrenzung. Im Hinblick auf die von den Autoren eingefügte Bücherverbrennungsszene beschloss Jack Warner jedoch, die Empfehlung Breens zu ignorieren. Sie blieb im endgültigen Drehbuch enthalten und wurde aufgrund der überzeugenden Inszenierungsfähigkeiten Dieterles zu einem dramatischen und aussagekräftigen Höhepunkt des Filmes. Hatten Dieterle, Blanke und die Autoren somit durch die Änderungen Warners bereits vor Beginn der Dreharbeiten einen herben Rückschlag in ihrem Ringen um eine politisch aussagekräftige Zola-Biographie erlitten, hofften sie diesen durch ein intelligentes Casting zumindest teilweise kompensieren zu können. Lediglich erstklassige Darsteller, die die anti-nationalsozialistische Gesinnung der Autoren und des Regisseurs teilten und zu einer offenen Stellungnahme gegen den Antisemitismus bereit waren, konnten die nunmehr sehr subtilen Hinweise auf die rassistische Komponente der Affäre Dreyfus wirkungsvoll umsetzen. Die größten Hoffnungen legte man dabei naturgemäß in die Fähigkeiten Paul Munis, der (aufgrund seines großen Erfolges mit The Story of Louis Pasteur) bereits von Anfang an für die Rolle des Émile Zola vorgesehen war. Auch im realen Leben war Muni aufgrund seiner jüdischen Abstammung mit der Problematik des Antisemitismus vertraut, häufig sah er sich mit rassistischen Anfeindungen der reaktionären Presse konfrontiert. Nach 1933 fand er rasch Aufnahme in die antifaschistische Volksfront Hollywoods – er spendete großzügig für Organisationen wie die Hollywood Anti-Nazi League und unterstützte (häufig zusammen mit Dieterle) mittellose deutsche Emigranten.53 Unterstellte man Muni zuweilen ein gespaltenes Verhältnis zu seiner jüdischen Religion, da er angeblich die Portraitierung von Juden im Film vermied, um sein Hollywood-Image nicht zu schädigen54, ergriff er je52 53 54
William Dieterle (Regie), The Life of Emile Zola, Warner Home Video (DVD), (01.02.2005), (00:35:15). So kaufte Muni (zusammen mit Dieterle) Kunstwerke des emigrierten Filmarchitekten Rudi Feld, als dieser aufgrund von Problemen mit der Gewerkschaft zunächst keine Anstellung in Hollywood fand. Asper, Etwas Besseres als den Tod, 380–383. Brief des Autors Norman Burnstine an Henry Blanke, (27.07.1938), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC.
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doch sofort die Chance, die Rolle des Émile Zola zu verkörpern und damit künstlerisch Stellung gegen den Nationalsozialismus zu beziehen. Mit einem ähnlichen Enthusiasmus reagierte auch der für die Darstellung des Dreyfus ausgewählte österreichische Schauspieler Joseph Schildkraut. Ebenso wie Muni war der bereits 1920 in die USA emigrierte ehemalige Max Reinhardt Schauspieler jüdischer Herkunft und ein engagierter Gegner des Nationalsozialismus. Er setzte sich während der Probeaufnahmen – unter anderem durch die Fürsprache Munis – gegen mehrere Konkurrenten durch und sicherte sich das dreiwöchige Engagement, das ihm schließlich einen Academy Award für die beste Nebenrolle einbringen sollte. Wie die Produktionsunterlagen des Filmes allerdings belegen, hatte das Studio insbesondere bezüglich der Gestaltung und Besetzung der Dreyfus-Rolle mit äußerster Sensibilität vorgehen müssen. Bereits einige Monate vor Beginn der Dreharbeiten war man von Alfred Dreyfus’ Sohn Pierre, der durch die Filmfachzeitschrift Variety von dem geplanten Film erfahren hatte, kontaktiert worden. Dieser hatte seine Bedenken geäußert, dass man der komplexen Dreyfus-Affäre in einem Hollywoodfilm vielleicht nicht gerecht werden könne.55 Als der Produzent Henry Blanke von dem Brief Dreyfus’ erfuhr, empfahl er dem Produktionsleiter Wallis, die Familie Dreyfus in die Planung des Filmes einzubeziehen und ihr ein Drehbuchexemplar zur Durchsicht anzubieten. Blanke vermutete, dass die Familie Dreyfus höchstwahrscheinlich nur einige wenige Kritikpunkte bezüglich des Filmes äußern werde, und schlug deshalb vor, dieses lieber in Kauf zu nehmen, statt Gefahr zu laufen, dass der Film im letzten Moment durch ihre juristische Intervention gestoppt werde.56 In der Tat war die Kritik der Familie Dreyfus an der Gestaltung des Alfred Dreyfus schließlich minimal; auch mit der Besetzung der Rolle durch Schildkraut erklärte sie sich einverstanden. Der Leiter des französischen Warner Bros. Büros Schless verwies das Studio im Anschluss an eine Besprechung mit Pierre Dreyfus jedoch darauf, dass man sehr darauf zu achten habe, Schildkraut die Rolle nicht mit einem deutschen Akzent sprechen zu lassen, da dies der Familie Dreyfus missfallen könne.57 Während der darauffolgenden ca. zweimonatigen Dreharbeiten (vom 8. März bis zum 6. Mai 1937) gelang es Dieterle, die durch das außergewöhnliche Drehbuch an alle Beteiligen gestellten Herausforderungen glänzend zu meistern.58 Er übertrug sein großes politisches Engagement gegen den Nati55 56 57 58
Brief Pierre Dreyfus’ an das New Yorker Warner Bros. Büro (Übersetzung), (22.11.1936), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (22.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Robert Schless’ an Morris Ebenstein, (09.03.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Im Februar 1937 wurde das Gesamtbudget des Filmes auf 699.000 Dollar geschätzt. Dieterles Gage betrug 32.000 Dollar, Paul Muni erhielt 50.000 Dollar. Budget Zola, (19.02.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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onalsozialismus und seinen Wunsch, den Eingriffen der Studioleitung zum Trotz einen aussagekräftigen Film zu schaffen, auf seine Mitarbeiter und motivierte sie zu künstlerischen Höchstleistungen; in seinen Memoiren resümierte er: „Als hätten sämtliche Beteiligte die Dringlichkeit der Verfilmung dieser Story empfunden, waren sie alle eifrig bei der Arbeit. Ich sage nicht zuviel, wenn ich von der Begeisterung spreche, die vom ersten bis zum letzten Drehtag herrschte.“59 Die Arbeit mit Paul Muni gestaltete sich für Dieterle jedoch bisweilen äußerst schwierig. Wie kaum ein anderes Filmskript zuvor enthielt das Drehbuch Heralds und Herczegs minutenlange Monologe, in denen Émile Zola seine politischen und ethisch-moralischen Zielvorstellungen Schritt für Schritt entwickelte. Um die Aufmerksamkeit des Publikums während dieser Passagen nicht zu verlieren, musste sich Dieterle innovativer Inszenierungsformen bedienen und vor allem verhindern, dass der von der Theaterbühne stammende Hauptdarsteller in einen deklamatorischen Schauspielstil verfiel.60 Mit Geduld und Überredungskunst gelang es dem Regisseur, dies zu verhindern. Muni lieferte eine natürliche und gewinnend-lebendige Darstellung, deren Überzeugungskraft sich besonders in den Monologen entfaltete. Sie wurden zu den dramatischen Höhepunkten des Filmes, in denen sich das antifaschistische Anliegen der beteiligten Künstler am deutlichsten widerspiegelte. Mit ihnen schufen Dieterle und seine Kollegen Herald, Herczeg und Blanke das vielleicht eindringlichste filmische Plädoyer für die humanistischen Werte des „anderen Deutschland“ der Emigration, das der Exilfilm in den Jahren der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft hervorbrachte. So warnt Émile Zola in seinem letzten Monolog am Ende des Filmes die Menschheit vor den Aggressoren, die die nichts ahnende Bevölkerung in einen Krieg stürzen wollen, nur um ihre persönlichen Interessen zu wahren. In einem neuen Buch – seinem bislang größten literarischen Wagnis – will er sie demaskieren: I’m alive again. My head bursting with ideas. This new book is bigger than anything I have ever dared before. The world about to hurl itself to destruction, the will of nations for peace, a powerful brake, stopping it on the brink! You don’t believe it? Wait! [He flips through his manuscript.] To safe Dreyfus we had to challenge the might of those who dominate the world. It is not the swaggering militarists! They’re but puppets that dance as the strings are pulled! It is those others, those who would ruthlessly plunge us into the bloody abyss of war to protect their power. Think of it, Alexandrine, thousands of children sleeping peacefully tonight under the roofs of Paris, Berlin, London, all the world! Doomed to die horribly under some titanic battlefield unless it can be prevented! And it can be prevented! The world must be conquered, but not by force of arms, but by ideas that liberate. Then can we build it anew; build for the humble and the wretched!61 59 60 61
Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 150. Ebenda, 151–152. William Dieterle (Regie), The Life of Emile Zola, Warner Home Video (DVD), (01.02.2005), (01:47:27–01:48:43).
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Der große Enthusiasmus, mit dem Dieterle seine Schauspieler während der anstrengenden Dreharbeiten zu motivieren verstand, wurde auch in den durchweg positiven Filmkritiken, die im Anschluss an die New Yorker Uraufführung des Filmes The Life of Emile Zola in den amerikanischen Tageszeitungen und in der einschlägigen Fachpresse zu lesen waren, vielfach erwähnt. So schrieb die Zeitschrift The Hollywood Spectator im Juli 1937: If you can be entertained by two hours of brilliant film craftsmanship in all departments, under no circumstances must you miss Zola. It is mounted superbly and authentically, presenting graphically the Paris of Zola’s day which Tony Gaudio’s camera brings to us in a series of superb photographic masterpieces. Dieterle’s direction seems to have been inspired, and the members of his long cast respond to his enthusiasm with a series of brilliant performances. In no spot does the direction falter or a characterization betray a weak moment.62
Landesweit lobte man die einfühlsame und unaufdringliche Erzählweise Dieterles, der dem ernsten und niveauvollen Sujet entsprechend nicht mit ausgefallenen Regie-Tricks aufgewartet, sondern den hochtalentierten Darstellern ausreichenden Raum zur Entfaltung gegeben hatte. Man feierte den Regisseur als einen Künstler, der sowohl die aufwühlenden Massenszenen wie zum Beispiel die Bücherverbrennung, als auch die leisen Zwischentöne wie die ungläubige Reaktion Dreyfus’ auf seine Freilassung (er geht dreimal durch die geöffnete Tür seiner Zelle und wieder zurück, bevor er das Gefängnis endgültig verlässt) virtuos inszeniert hatte.63 Bosley Crowther, ein einflussreicher Filmkritiker der New York Times, nannte Dieterle den „Plutarch Hollywoods“, der die Papyrusrolle mit der Filmrolle vertauschend wie sein historisches Vorbild die Geschichten großer Männer dokumentiere. Der Regisseur sei ein wichtiges Mitglied der Avantgarde Hollywoods, die das neue Bedürfnis des Publikums nach lehrreicher Unterhaltung verstanden habe.64 Ähnlich enthusiastisch zeigte sich in den ersten Wochen nach der Premiere auch das amerikanische Kinopublikum, die Vorführungen des Filmes waren bis auf den letzten Platz ausverkauft, das Studio erzielte Rekordgewinne.65 Obwohl die Gebrüder Warner aufgrund der weitgehenden Tabuisierung des Antisemitismus vonseiten des Judentums mit dem Vorwurf der Unter62 63
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Muni’s Zola a Masterpiece, in: The Hollywood Spectator (17.07.1937), 4, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. William Dieterle (Regie), The Life of Emile Zola, Warner Home Video (DVD), (01.02.2005), (01:42:45–01:44:05). Diese Regie-Idee stammte nachweislich von Dieterle, da er sie bereits im Jahre 1928 in seinem deutschen Stummfilm Geschlecht in Fesseln verwandt hatte. Auch in seinem heute noch erhaltenen Regiebuch zum Zola-Film notierte sich Dieterle zur entsprechenden Szene „Spiel wie ‚Geschlecht in Fesseln‘“. Regiebuch Dieterles zum Film The Life of Emile Zola, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Bosley Crowther, Lives of Great Men All Remind Us, in: The New York Times (26.09.1937), 4. Mierendorff, William Dieterle, 101; Zensoren, Stars und Politik, in: Prager Montagsblatt (15.09.1937), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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schlagung historischer Tatsachen hätten rechnen müssen, hofften sie dennoch auf das Verständnis und die Unterstützung amerikanischer Juden für ihr neues Werk. Schon vor der Premiere setzten sie eine speziell auf jüdische Rezipienten ausgerichtete Pressekampagne in Gang und schickten eine formelle Ankündigung des Filmes an 500 Mitglieder des jüdischen New Yorker Who’s Who. Albert Warner, der im New Yorker Büro tätige Schatzmeister der Firma, schrieb persönliche Einladungsbriefe an 150 herausragende jüdische Persönlichkeiten des Landes, in denen er die Dreyfus-Affäre zwar nicht direkt erwähnte, jedoch keinen Zweifel daran ließ, dass es gute Gründe gäbe, sich den Film anzusehen und ihn weiterzuempfehlen.66 Der Erfolg dieser Bemühungen ist in einem Bericht Morris Ebensteins an Jack Warner dokumentiert, er resümierte im August 1937: The Jewish population of New York has turned out en masse to support the picture and important people in Jewish cultural and social life are waging an open propaganda to all the Jews of America to support this picture wherever it is shown. I believe this is to an extent responsible for the phenomenal business we are doing in New York.67
Begleitet wurde dieses Werben des Studios um das jüdische Publikum durch eine große Menge an speziell zusammengestelltem Pressematerial. Unter Titeln wie Film is Unique Vehicle of Better Understanding oder The Life of Emile Zola Conveys Eloquent Message of Enlightment and Good-Will versuchte man geschickt, amerikanische Rezipienten jüdischer Religion auf die (für sie) „richtige Lesart“ des Filmes zu verweisen. Die Rolle der rassistischen Intoleranz in der Affäre Dreyfus – der Aspekt, den man sonst bei der Vermarktung des Filmes insbesondere im Ausland herunterzuspielen suchte – wurde hier deutlich betont. So hieß es in einem der Artikel, der schließlich in der New Yorker Zeitschrift The American Hebrew veröffentlicht wurde: [T]he Dreyfus affair stirred the entire world into indignation. It was the cause of bitter controversy; it brought into focus the underlying intolerance which even today springs into being despite earnest efforts, among the world’s humanitarians, to keep alive the message of understanding and peace that the world must heed if mankind is to survive. […] William Dieterle, who wielded the megaphone over „The Life of Emile Zola“, realized that the import of the message was more significant than directorial tricks. And the sincerity of the direction, the director’s appreciative knowledge of the story to be told, is evident in each scene.68
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Brief S. Charles Einfelds an Jack Warner, (09.08.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Brief Morris Ebensteins an Jack Warner, (16.08.1937), Morris Ebenstein file, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. Al Sherman, Film is Unique Vehicle of Better Understanding. The Life of Emile Zola Conveys Eloquent Message of Enlightenment and Good-Will, in: The American Hebrew (20.08.1937), Publicity for Anglo-Jewish Papers, The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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Diese widersprüchlichen Produktions- und Vermarktungsstrategien der Gebrüder Warner bezüglich der Zola-Biographie, die letztendlich die Dimensionen eines fragwürdigen politisch-ethischen Spagats annahmen, blieben aufmerksamen Beobachtern und Kennern des Hollywood-Business mit seinen ökonomischen Abhängigkeiten selbstverständlich nicht verborgen. Die meisten renommierten amerikanischen Journalisten und Filmrezensenten sahen jedoch in ihren Artikeln über diesen Umstand hinweg und tabuisierten das Thema Antisemitismus ebenfalls – vermutlich weil ihr Berufsstand letztendlich ähnlichen Verpflichtungen zur Rücksichtnahme unterworfen war wie die Filmindustrie (man denke zum Beispiel an die politische Einfärbung des Hearst-Presseimperiums). Nur vereinzelt berührten Autoren kleinerer Zeitungen das kontroverse Thema; so schrieb William F. McDermott im Plain Dealer, einer Tageszeitung der Stadt Cleveland (Ohio): But to disregard the racial issue in the Dreyfus-Affair is to thin down the story and to misrepresent history. […] He [Dreyfus] was the protagonist of a race and his tragedy was the symbol of centuries of intolerance and injustice. […] Dreyfus would not have been arrested as a traitor had he not been a Jew. The movie suggests this, but in a fleeting, off-hand way that would probably be missed by anybody not acquainted with the Dreyfus story. Thereafter there is no mention of the racial prejudice which was the heart of the affair. […] France at that time was torn by a wave of Anti-Semitism not unfamiliar in other parts of the world today. […] I don’t know why this admirable movie, „The Life of Emile Zola“, which featured the Dreyfus case, should have ignored the theme that gave the real story the sweep and stature of a genuine tragedy. Probably some hesitancy in the face of the complexities of the actual affair and a fear of the sensitiveness of our variegated population in relation to themes involving race relationships.69
Etwas weniger verständnisvoll angesichts der Versäumnisse der Warner Bros. Studios im Zusammenhang mit der Zola-Biographie zeigten sich führende journalistische Repräsentanten der Emigration. Waren einige Autoren durchaus gewillt, die Verdienste Dieterles und seiner deutschsprachigen Kollegen um den humanistischen, pädagogisch wertvollen Film anzuerkennen70, reagierten andere sehr ungehalten angesichts der ökonomischen Rücksichtnahmen Hollywoods auf die Empfindlichkeiten faschistischer Filmzensoren. Sie demaskierten das verzweifelte Bemühen der Filmproduzenten um die Erhaltung problematischer Absatzmärkte, um derentwillen diese auch dazu bereit waren, ihren politisch engagierten Künstlern den Mund zu verbieten. So kommentierte der 1933 nach Palästina emigrierte deutsche Journalist Erich Gottgetreu mit bitterbösen Zeilen einen Besuch Paul Munis in Tel Aviv. Er schrieb im Frühjahr 1938: 69 70
William F. McDermott, McDermott on Zola Film. Essential Drama Suppressed, in: The Cleveland Plain Dealer (13.10.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. So schrieb zum Beispiel der emigrierte Autor Karl Jakob Hirsch (Joe Gassner) im Frühjahr 1939 in der Exilzeitschrift Neue Volkszeitung New York: „Dieterle hat klar erkannt was die Aufgaben des Films von heute sind.“ Joe Gassner, Es geht uns an, in: Neue Volkszeitung New York (29.04.1939), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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Unvermeidlich, dass ein Reporter Paul Muni fragte, wieso das jüdische oder vielmehr das antisemitische Moment im Zola-Dreyfus-Film, der gerade jetzt in Palästina vorgeführt wird, nicht zur Geltung komme. Muni antwortete, er habe den Zola so beziehungslos gespielt, um dadurch die rein menschlichen Motive seines Handelns deutlich hervorzukehren. Nun, Muni ist wenigstens nicht auf den Mund gefallen, den ihm die Produzenten hier sichtlich verbunden haben. Ganz offenbar mußte das berühmte „Reinmenschliche“ betont werden, damit der Film auch in denjenigen Ländern, in denen der Antisemitismus das tägliche Brot für die hungernden Massen ist, gezeigt werden kann.71
Die von Gottgetreu nur zu treffend analysierte Hoffnung der Gebrüder Warner auf eine größtmögliche internationale Verbreitung des Filmes hatte sich zum Zeitpunkt seines Artikels jedoch bereits zerschlagen. Schon Monate zuvor hatte eine Welle von Aufführungsverboten in den Ländern Frankreich, Italien, Ungarn, Japan, Polen und Ecuador den Film von der Liste der einträglichsten Kassenmagneten verschwinden lassen. Als ein Hauptgrund für das Verbot wurde in der Regel etwas pauschalisierend die negative Darstellung des Militärs angeführt – wie viele der Filmzensoren ebenfalls ein Wiederaufflammen der Debatte um Dreyfus und damit eine Thematisierung des (nationalsozialistischen) Antisemitismus fürchteten, ist aus den erhaltenen Quellen nicht ersichtlich.72 Auch eine zunächst geplante Vorführung bei den Filmfestspielen in Venedig wurde wieder abgesagt, da die Veranstalter aufgrund des internationalen Publikums Konflikte befürchteten.73 Besonders schmerzlich für das Studio war selbstverständlich das trotz der umfangreichen Vorrecherchen des europäischen Warner Bros. Büros verhängte Verbot in Frankreich. Der seit dem April 1938 amtierende Premierminister Édouard Daladier bezeichnete den Film als eine Verunglimpfung des französischen Militärs und eine Karikatur großer Gestalten der Landesgeschichte. Schützenhilfe erhielt er durch eine Kampagne der Freunde und Erben Émile Zolas, die sich in der Presse über die historischen Ungenauigkeiten der Autoren empörten und sich über die naive, „verkitschte“ Darstellung der Figuren moquierten. So sagte der Schwiegersohn Zolas Maurice Le Blonds gegenüber der Wochenzeitung La Lumière: „Frau Zola hat den Kopf eines Stars mit abrasierten Augenwimpern. […] Anatole France ähnelt einem Friseurgehilfen. Cézanne sieht aus wie ein junger Geck.“74 Wohl nicht zu Unrecht vermutete die deutschsprachige Emigration in Frankreich in diesen etwas kindisch anmutenden Beanstandungen 71 72
73 74
Erich Gottgetreu, Zola Plädiert in Tel-Aviv, in: Jüdische Revue 3.4 (April 1938), 255– 256. Berichte lokaler Zensurbehörden an die MPDDA, The Life of Emile Zola file, PCA, AMPAS. Vgl.: Hungary Bans „Zola“, in: Variety (29.12.1937), 2; Zola Film Banned in Poland, in: The New York Times (30.03.1938), 19. Vgl. außerdem: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 196. Brief Joseph S. Hummels an Jack Warner, (17.09.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Vgl.: Mierendorff, William Dieterle, 101. Interview Maurice Le Blonds’ mit der französischen Wochenzeitung La Lumière, zit. nach: Protest gegen Hollywoods Zola-Film, in: Pariser Tageszeitung 2.496 (22.10.1937), 4.
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nichts weiter als die auch nach vierzig Jahren immer noch bestehende Furcht, die Affäre Dreyfus und den mit ihr verbundenen französischen Antisemitismus aufzuarbeiten.75 In Deutschland wurde der Film – wie von dem Mitarbeiter der Production Code Administration Joseph Breen vorausgesagt – als eine „jüdische Propaganda“ Hollywoods rezipiert. In einem Zeitungsartikel mit pseudowissenschaftlichem Duktus bezeichnete der Hauptstellenleiter der Reichspropagandaleitung der NSDAP (Abteilung Film) Curt Belling, Verfasser etlicher nationalsozialistischer Filmbücher, die Zola-Biographie als ein „hervorragendes Schaustück“ für die „jüdische Hoheit“ über die amerikanische Filmindustrie: Da ist zunächst der mit großer Reklame gestartete Film der jüdischen Warner Brothers, „The life of Emile Zola“ („Das Leben Emil Zolas“), der dazu dienen soll, in einer Zeit, in der die nichtjüdische Welt sich immer stärker der jüdischen Gefahr bewußt wird, von der Reinheit des Judentums (Zola und Dreyfus) und der Verworfenheit und Ehrlosigkeit der „Gojim“ (Offiziere, Richter und Zeugen im Dreyfus-Prozeß) zu zeugen. Die Hauptrollen in diesem Film spielen die Juden Paul Weisenfreund, genannt Paul Muni, und Joseph Schildkraut. Das Drehbuch stammte von Heinz Herald und Geza Herczeg, für die Musik zeichneten Max Steiner und Leo Forbstein. Die Regie führte der völlig verjudete, aus Deutschland emigrierte Wilhelm Dieterle.76
Konnte sich die Filmbiographie The Life of Emile Zola aufgrund der zahlreichen Verbote und des anspruchsvollen Sujets auf lange Sicht natürlich nicht zu einem „Dauerbrenner“ an den Kinokassen im Stile der Busby-BerkeleyMusicals entwickeln, war das gewonnene Prestige für die Gebrüder Warner immens. Im Zuge der Academy Award Verleihungen des Jahres 1938 wurde der Film in zehn Kategorien nominiert und gewann schließlich in dreien: Joseph Schildkraut erhielt den Oscar für die „beste männliche Nebenrolle“, die Autoren gewannen in der Kategorie „bestes Drehbuch“, und Hal Wallis konnte – erstmals seit Bestehen des Studios – die Trophäe für den „besten Film“ entgegennehmen.77 Dieser Erfolg veranlasste die Gebrüder Warner an ihrem nunmehr eingeschlagenen Kurs, in regelmäßigen Abständen Prestigefilme zu produzieren, auch in den kommenden Jahren festzuhalten. Nicht ohne Stolz resümierte Dieterle in seinen autobiographischen Skizzen: Wie die Auszeichnungen im Vorjahr [für The Story of Louis Pasteur] galten auch die Oscar-Verleihungen [für das Jahr] 1937 einem Film, bei dem ich Regie geführt hatte. 75 76
77
Eine Lanze für den Zola-Film. Ist der französische Protest gerechtfertigt? in: Pariser Tageszeitung 2.510 (05.11.1937), 4. Curt Belling, Ein Drittel der Hollywood-Stars sind Juden, in: Der Angriff (vermutl. 1938), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Belling veröffentlichte im Auftrag der NSDAP mehrere Filmbücher wie zum Beispiel im Jahre 1937 die antisemitische Hetzschrift Film-Kunst, Film-Kohn, Film-Korruption. Nominiert war der Film außerdem in den Kategorien: „Bester Hauptdarsteller“: Paul Muni, „Beste Filmmusik“: Leo F. Forbstein, „Bestes Szenenbild“: Anton Grot, „Beste Regieassistenz“: Russel Saunders, „Beste Regie“: William Dieterle, „Bester Ton“: Nathan Levinson, „Beste Originalgeschichte“: Heinz Herald und Geza Herczeg.
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Ohne Überheblichkeit kann ich deshalb feststellen, daß, angeregt durch meine Arbeit, die Warner Brothers auf den Geschmack am guten Film kamen.78
Ermutigt durch die alles in allem doch als positiv zu bezeichnende PresseResonanz auf den Umstand, dass die jüdischen Gebrüder Warner sich mit der filmischen Behandlung der Dreyfus-Affäre einer spezifisch jüdischen Problematik gewidmet hatten, dachte man in den Wochen nach der Premiere des Filmes The Life of Emile Zola über einen weiteren thematisch in eine ähnliche Richtung weisenden Stoff nach. In einer opulent ausgestatteten Biographie des jüdischen Bankiers Haym Salomon sollte dessen zentrale Rolle im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg dargestellt werden. Salomon hatte in einer politisch äußerst kritischen Phase mit Hilfe gleichgesinnter Glaubensgenossen eine große Summe gesammelt, die er George Washington für die Finanzierung seiner Truppen zur Verfügung stellte. Für die Hauptrolle wurde ersten Presseberichten zufolge entweder Paul Muni oder George Arliss in Erwägung gezogen.79 Bereits kurze Zeit nach der Bekanntgabe des Projektes häuften sich jedoch die Spekulationen in der Fachpresse über mögliche Reaktionen bezüglich eines derartig offensichtlich pro-jüdischen Filmes; so betrachtete Ivan Spear, Kolumnist der Zeitschrift Boxoffice, das geplante Projekt als eine zu große Angriffsfläche für Antisemiten: The feature must of necessity, and if for no other reason than in the interests of historical authenticity, place Salomon in a favorable light, making of him a hero of that traditional period of which all true Americans are justly proud. As such, it might be indicted by a goodly portion of the public as being pro-Jewish propaganda; and consequently, be considered an unwise boxoffice experiment.80
Diese zahlreich geäußerten Befürchtungen versierter Beobachter der Filmindustrie entmutigten die Gebrüder Warner im Laufe der folgenden Monate 78
79
80
Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 156–157. In Anknüpfung an den Erfolg mit The Life of Emile Zola zog das Studio die Verfilmung eines literarischen Werkes von Zola in Erwägung. Dieterle fertigte unter dem Arbeitstitel Bowels of Paris eine storyoutline des Romans Le Ventre de Paris an, währenddessen er allerdings einige Konzessionen an das zeitgenössische Kinopublikum (wie zum Beispiel die Hinzufügung einer Liebesgeschichte) vornahm. Dieterles story-outline für Bowles of Paris, (Dezember 1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Auch eine Verfilmung des Zola-Romanes La Bete Human wurde zu der Zeit erwogen. Memorandum des story departments an Henry Blanke, (27.04.1938), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC. Jessel Setting WB’s „Haym Salomon“ Pic, in: Variety (22.09.1937), 2. Während sich das Studio vermutlich aus eigenem Antrieb gegen George Arliss aufgrund seines fortgeschrittenen Alters (69 Jahre) entschied, soll sich Muni aufgrund seiner bereits erwähnten Scheu vor der Portraitierung jüdischer Figuren geweigert haben, die Rolle zu spielen. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 275 Anm. 198. Ein Jahr später kündigte man den jüdischen Schauspieler John Garfield in der Hauptrolle an. Garfield as Patriot, in: Variety (21.09.1938), 5. Vgl.: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 275. Ivan Spear, Spearheads, in: Boxoffice (02.04.1938), 23. Vgl.: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 275.
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spürbar; das Projekt wurde im Umfang und in der Bedeutung erheblich reduziert. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war aus der geplanten Prestigeproduktion ein etwa zwanzigminütiger Kurzfilm unter dem Titel Sons of Liberty geworden, der im Rahmen einer von Harry Warner initiierten Reihe patriotischer Kurzfilme – der Old Glory Patriotic Short Film Series – zur Festigung der amerikanischen Demokratie erschien. Die künstlerischen Mitarbeiter gehörten gleichwohl zu den profiliertesten des Studios; die Regie führte der Vertragsregisseur Michael Curtiz, die Rolle des Haym Salomon wurde durch den exzellenten englischen Charakterdarsteller Claude Rains verkörpert. Die Reaktionen in der linken und liberalen Presse waren dementsprechend wohlwollend. Obwohl die Gebrüder Warner ihren ursprünglichen Plänen für eine große Filmbiographie nicht treu geblieben waren, wurden sie für ihren Beitrag im Kampf gegen den Antisemitismus gelobt – so schrieb ein Kritiker der Zeitschrift Film Daily: „With isms running amuck in a troubled world, this short is like a beacon of light in the darkness.“81 Für kritischere Beobachter bedeutete die Reduktion des Salomon-Stoffes auf einen Kurzfilm jedoch eine weitere Niederlage im Ringen der amerikanischen Filmindustrie um eine angemessene Darstellung jüdischer Figuren auf der Leinwand sowie um eine „erwachsene“ Annäherung an das Thema Antisemitismus. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb die Dieterlesche Filmbiographie The Life of Emile Zola – trotz ihrer erwiesenen diesbezüglichen Unzulänglichkeiten – in ihrer Deutlichkeit unübertroffen. So stellte der Aufbau nicht zu Unrecht im Sommer 1943 die Frage: „Are Jewish Themes ‚verboten‘?“; man schrieb: There have been many pictures on America at war. […] But there has not yet been a film about Jews. There has neither been a film about the amazing contributions to the war of gallant Palestine […] nor has there been a portrayal on the screen of the greatest, the most horrifying tragedy history has witnessed in many centuries, the slaugther [sic!] of the Jews of Europe. Even the battle of Warsaw, the very thought of which hurts in its poignant drama, didn’t get a shot in a newsreel. […] Why are there films in which Dutchmen, Belgians, Poles, Chinese, Britishers [sic!] or any of the people who fight with us underground and above are the heroes, but not a single one that tells the story of a Jew as a Jew ? Are the horrors that would have to be the background of such a film if the truth were told too frightening for the box office? […] Is there no one in the motion picture industry that has the strength and the guts to tell the truth, and tell it for the people of America to see?82
81
82
Sons of Liberty, in: Film Daily (ohne Datum), Sons of Liberty pressbook, Patriotic-Historic Shorts papers, WBA, USC. Trotz der Reduktion seines Umfanges verfügt der Film über eine gewisse filmhistorische Bedeutung, da er im damaligen Hollywood durch die bildliche Darstellung des Judentums einen Tabubruch wagte. Als Schauplatz einer Szene fungierte das Innere einer Synagoge (der Rabbi wurde von dem österreichischen Schauspieler Egon Brecher dargestellt). Hokett, Waging Warner’s War, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 2. Are Jewish Themes „verboten“? in: Aufbau (27.08.1943), 11.
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Fritz Kortners Biographie Ludwig van Beethovens: ein unverwirklichtes Filmprojekt Beschrieb Dieterle noch Jahrzehnte später in seinen autobiographischen Skizzen die große Begeisterung aller Beteiligten während der Dreharbeiten zu The Life of Emile Zola, hatte er persönlich jedoch in dieser Zeit eine weitere Enttäuschung in seiner geschäftlichen Verbindung mit dem Studioleiter Jack Warner zu verkraften. Um den erbosten Regisseur nach dem bereits erwähnten Verlust des Monumentalfilmes Anthony Adverse zugunsten des neu „eingeheirateten“ Warner-Familienmitgliedes Mervyn LeRoy ein wenig milder zu stimmen, hatte man ihm die exquisit besetzte gleichnamige Verfilmung der französischen Komödie Tovarich von Jacques Deval in Aussicht gestellt. Dieterle entwickelte sofort einen großen Enthusiasmus bezüglich der humoristischen Darstellung des Emigrantenschicksals russischer Aristokraten im Paris der frühen dreißiger Jahre und rechnete fest mit einem zügigen Beginn der Dreharbeiten nach dem Abschluss seiner Zola-Biographie. Dementsprechend groß war seine Besorgnis, als er im April 1937 vernahm, dass ihm der Regieauftrag noch keinesfalls – wie von Warner zuvor versprochen – vollkommen sicher war. Beunruhigt wandte er sich in einem Brief an seinen Arbeitgeber und erinnerte ihn an die aus seiner Sicht verbindliche Abmachung: I recently heard a rumor that there was a possibility of „Tovarich“ being assigned to a director other than myself. I cannot believe this rumor is true because I recall very well when you were forced to take „Anthony Adverse“ from me that you showed me a telegram which stated you have been successful in obtaining „Tovarich“ and at that time promised me I would direct it as a compensation for losing „Anthony Adverse“. You recall your offer to put this promise in writing but I told you that your word was good enough for me, so we just sealed our agreement with a hand-shake. […] I would appreciate hearing from you immediately because if it were true that you would break your word with me and assign „Tovarich“ to some other director my future relations at the studio would seem so hopeless that I would like to sever them.83
Schnell sollten sich die Befürchtungen Dieterles bewahrheiten; Warner vergab den Auftrag an den erst kürzlich in den USA eingetroffenen Anatole Litvak – einen gebürtigen Ukrainer, der 1933 von Deutschland nach Frankreich emigriert war und dort mit dem erfolgreichen Film Mayerling die Aufmerksamkeit Hollywoods erregt hatte.84 Kam es auch in diesem Falle wieder nicht zu der – von Dieterle in Konfliktsituationen mit dem Studio regelmäßig, aber vielleicht nicht unbedingt immer ernsthaft – geforderten Vertragsauflösung, blieb die Stimmung danach für etliche Monate deutlich getrübt. Ein Wechsel des Studios schien für den mittlerweile relativ fest in Hollywood etablierten Regisseur, dessen Verhandlungsposition sich auch durch den Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft im Mai 1937 verbessert hatte, nicht mehr vollkom83 84
Brief William Dieterles an Jack Warner, (19.04.1937), Dieterle legal files, WBA, USC. Zu Litvaks Biographie vgl.: Meyer, Warner Brothers Directors, 245–257.
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men undenkbar. So entstand zum Beispiel kurze Zeit später bereits ein neuer Disput bezüglich eines vertraglich festgelegten unbezahlten lay-offs, gegen den Dieterle aus heute nicht mehr klar ersichtlichen Gründen Einspruch erhoben hatte. Der Leiter der Rechtsabteilung Roy Obringer warnte Warner und Wallis, künftig im Umgang mit dem Regisseur besondere juristische Vorsicht walten zu lassen und ihm keine Argumente für eine frühzeitige Vertragsauflösung zu liefern; insbesondere seine Rechte im Zusammenhang mit den Werbekampagnen für seine Filme dürften auf keinen Fall verletzt werden.85 Auch die Suche nach neuen Regieaufträgen für Dieterle gestaltete sich nach der Premiere der Zola-Biographie im Sommer 1937 aus der Sicht des Studios zunehmend problematisch. Aufgrund seines gestiegenen Prestiges in Hollywood sowie aufgrund der Hinzuziehung eines zweiten Agenten namens Mike C. Levee, der zu dieser Zeit auch den Schauspieler Paul Muni betreute, war es dem Regisseur endlich gelungen, bessere Vertragsbedingungen auszuhandeln und der Festlegung auf zweitklassige B-pictures zu entkommen. Fortan sollten für ihn nur noch hochwertige Stoffe auf dem Programm stehen, die die Studioleitung in der Vermarktung mit seinen erfolgreichen Filmbiographien zu verknüpfen gedachte. Die kommerziell ausgerichtete Hollywood-Strategie der Spezialisierung, der fortlaufenden Wiederholung von „Erfolgsrezepten“, wurde – wenn auch sozusagen auf hohem Niveau – erneut wirksam. Dieterle war mit dieser neuen Rollenzuweisung durch die Warner Bros. Studios jedoch einstweilen nicht unzufrieden, da er dadurch die Möglichkeit gegeben sah, seinem Ideal eines künstlerisch und pädagogisch wertvollen Filmes nahe zu kommen. Er entwickelte eine Vielzahl neuer Story-Ideen, mit denen er jedoch schnell an die Grenzen der Aufgeschlossenheit seiner Arbeitgeber stieß. Waren die Gebrüder Warner zwar grundsätzlich dazu bereit, die Reihe der niveauvolleren Prestigeproduktionen fortzusetzen, begrüßten sie dennoch – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der parallel dazu stattfindenden Schwierigkeiten mit den kontinuierlich scheiternden Reinhardt-Projekten – nicht alle Vorschläge des deutschsprachigen Teams um Dieterle. So scheiterten zum Beispiel die Pläne für einen Wilhelm-Tell-Film (nach einer story-outline Heinz Heralds und Geza Herczegs), für eine Biographie Alfred Nobels sowie für eine TschaikowskiBiographie schon in der Anfangsphase.86 Besonders am Herzen lag Dieterle die Verwirklichung einer bereits längere Zeit in ihm gereiften Idee für einen 85 86
Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, Hal Wallis u. a., (30.11.1937), Dieterle legal files, WBA, USC. Mierendorff, William Dieterle, 104. Zum geplanten Wilhelm-Tell-Film vgl. auch: Brecht, Arbeitsjournal, Bd. 2, (1942–1955), (Eintrag vom 05.06.1942), 462. Die Korrespondenz Dieterles aus den Jahren 1937/1938 mit der in Stockholm lebenden Familie Nobel bezüglich einer Filmbiographie Alfred Nobels ist heute im Dieterle Nachlass der Kinemathek Berlin verwahrt. Zur Tschaikowski-Biographie mit Paul Muni in der Hauptrolle siehe: Memorandum Roy Obringers an Hal Wallis, (20.11.1937), Muni legal files, WBA, USC.
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Film über Ludwig van Beethoven, die er dem Studio in den Jahren von 1936 bis 1940 wiederholt unterbreitete.87 Ein erster 59-seitiger Entwurf für das Drehbuch wurde von ihm selbst in deutscher Sprache verfasst und im Februar 1936 – kurze Zeit nach der Fertigstellung von The Story of Louis Pasteur – zusammen mit einer englischen Übersetzung in die Studiounterlagen aufgenommen. Einen deutlichen thematischen Schwerpunkt in der Abfassung seines Exposés legte Dieterle – vermutlich in Anlehnung an seine bereits entstandenen Filmbiographien – auf das große künstlerische Ringen des Komponisten und die damit verbundene Isolation auf zwischenmenschlicher Ebene. Durch unglückliche Umstände und auch durch seine eigene Unnahbarkeit seiner großen Liebe Giulietta Guicciardi88 beraubt, widmet sich Beethoven ganz seiner Musik und entfremdet sich von seinem Umfeld – befördert durch seinen zunehmenden Gehörverlust, der bereits früh im Stile eines foreshadowing durch einen wiederholt auftauchenden taubstummen Geiger bezeichnet wird. Am Ende ist er allein, jedoch nicht verbittert, da es ihm gelungen ist, während seines Aufstiegs sein „eigenes Selbst“ nicht zu verlieren. Das Genie stirbt einsam in Gegenwart eines zufällig anwesenden Botenjungen, die Bedeutung seines Werkes für die Nachwelt wird im Anschluss an seinen Tod in einer musikalischen „Apotheose“ bekräftigt.89 Plante Dieterle den Fokus der Handlung eindeutig auf die persönliche Lebensgeschichte Beethovens und auf die Entstehung seiner wichtigsten Werke zu legen, hatte er allerdings nicht die Absicht, deshalb die Darstellung der politisch-historischen Hintergründe vollkommen zu vernachlässigen. Der Komponist sollte als glühender Anti-Monarchist und Sympathisant mit den Zielen der französischen Revolution gezeigt werden, seine – historisch überlieferte – Reaktion auf die Kaiserkrönung Napoleons markierte den Anfang des Exposés: Aus dem Dunkel ertoent der Beginn der III. Symphonie – sie hoert nicht eher auf, als bis es ausdruecklich erwaehnt wird. Nach dem Haupttitel sieht man an einer Wand ein Plakat, auf dem die Menschenrechte der franzoesischen Revolution zu lesen sind. Besonders gross brennen die Worte: „Frei und gleich ist der Mensch geboren und bleibt es.“ Eine Fahne flattert darueber hin mit der Inschrift: Freiheit – Gleichheit – Bruederlichkeit – die Fahne wird getragen von einer Menge jubelnden Volkes. Ploetzlich wird die Fahne hochgerissen – von einem Reiter zu Pferde. Es ist Bonaparte! Und als er mit der Fahne der Freiheit dem Lichte entgegen reitet – geraet das Volk in einen Taumel der Verzueckung. Menschen schreien – Fanfaren blasen – Beethoven aber sitzt ueber dem Manuscript der III. Symphonie gebeugt und schreibt – BUONAPARTE. Ludwig von 87 88
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Siehe zum Beispiel: Memorandum Walter MacEwens an Irving Deakin, (03.01.1937), Beethoven papers, WBA, USC. Giulietta Guicciardi (1782–1856) war eine österreichische Adlige und für eine kurze Zeit Klavierschülerin Beethovens. Zu ihrer Bedeutung für den Komponisten siehe zum Beispiel: Steblin, New Facts about Beethoven’s Beloved Piano Pupil Julie Guicciardi, in: Bonner Beethoven-Studien, Bd. 8, 89–152. Dieterles Exposé für einen Beethoven-Film, 59-seitiges Typoskript, (Februar 1936), 54–56, Beethoven papers, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) Beethoven, auf die Frontseite. Darnach sieht man wieder die Fahne der Freiheit – sie wird niedergeholt und die Proclamation, in der Bonaparte sich zum Kaiser Napoleon erklaert, wird angeschlagen. Beethoven verpackt das Manuscript der III. Symphonie, das er an Bonaparte senden will – als ploetzlich sein Freund Ries kommt – mit der Neuigkeit, dass Bonaparte Kaiser wurde. Wuetend reisst Beethoven daraufhin das Titelblatt mit der Widmung an „Buonaparte“ ab, aendert den Titel um in Symphonie Eroica: mit dem historischen Dialog anlaesslich Napoleons Thronbesteigung: „So ist der auch nur ein gewoehnlicher Mensch? Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Fuessen treten – seinem Ehrgeiz froenen – ein Tyrann werden.“ Jetzt erst verklingt die Eroica.90
Anders als das (wenige Monate später im Sommer 1936) konzipierte ZolaDrehbuch Heralds und Herczegs war das Dieterlesche Exposé jedoch nicht mit eindeutig erkennbaren und klar formulierten politischen Gegenwartsbezügen ausgestattet. Die Darstellung der politischen Überzeugungen Beethovens hatte lediglich die Funktion, seine isolierte Stellung innerhalb der Gesellschaft zu unterstreichen. Wiederholt bringt sich der Komponist durch seinen Stolz und seine unbeirrbare Konsequenz in eine gesellschaftlich und damit auch finanziell unvorteilhafte Position. Nur auf diese Weise gelingt es ihm jedoch, sich selbst treu zu bleiben; sein musikalisches Werk ist schließlich – wie das geplante Ende des Filmes zeigen sollte – über alle Grenzen und Beschränkungen hinweg unsterblich. Nach der offiziellen Einreichung des Exposés im Februar 1936 arbeitete Dieterle während der folgenden Monate in Kooperation mit dem befreundeten deutschen Autor und Journalisten Ulrich Steindorff, mit dem er bereits 1930 bei Warner Bros. an den deutschsprachigen Filmversionen gearbeitet hatte, an der Konzeption eines ausführlichen Skriptes, das im November 1936 in einer ersten 143-seitigen Rohfassung unter dem Arbeitstitel Ludwig van Beethoven. Brother of Man fertiggestellt werden konnte.91 Parallel dazu widmete sich der für das Projekt eingeplante Produzent Henry Blanke einer aufwendigen Suche nach einem kompetenten Berater, der dem Film auf musikalischem Gebiet Authentizität verleihen sollte. In mehreren Briefen wandte er sich an den österreichischen Pianisten Artur Schnabel und bat diesen, während der Dreharbeiten für etwa zehn Tage als technischer Berater und auch als Interpret der Beethovenschen Musik auf der Leinwand zu fungieren.92 90 91
92
Ebenda, (Hervorhebungen im Original; aus Gründen einer besseren Lesbarkeit wurden die im Text zahlreich vorhandenen Absätze entfernt). Ludwig van Beethoven. Brother of Man, Complete temporary script, (09.11.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Henry Blanke datierte die Fertigstellung der ersten Rohfassung bereits auf den 27. Oktober 1936. Memorandum Henry Blankes an Walter MacEwen, (03.01.1938), Beethoven papers, WBA, USC. Ferner existieren in den Studiounterlagen Hinweise darauf, dass neben Dieterle auch der Vertragsautor Milton Krims an einem Beethoven-Filmentwurf arbeitete. In welchem Umfang Krims sich dabei mit Dieterle austauschte, ist jedoch nicht zweifelsfrei zu eruieren. Memorandum John O’Steens an Finlay McDermid, (12.04.1945), Beethoven papers, WBA, USC. Brief Jacob Wilks (Leiter des story departments im Warner Bros. East Coast Office, New York) an Artur Schnabel, (12.06.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Vgl.:
1. Filmbiographien bei Warner Bros. Pictures
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Nachdem Schnabel offensichtlich seine Bedenken bezüglich der Qualität des projektierten Filmes geäußert und seine Dienste verweigert hatte, versicherte Blanke ihn der hohen künstlerischen Ansprüche Dieterles: Ich hoffe, sagen zu koennen, dass Sie wegen des kuenstlerischen Niveaus des Filmes keine Angst zu haben brauchen, denn wir haben in dem Film keinerlei Konzessionen an den Publikumsgeschmack gemacht und wegen der kuenstlerischen Ausfuehrung des Filmes glaube ich Ihnen in dem Namen DIETERLE eine gewisse Garantie geben zu koennen. […] Es ist Dieterle’s [sic!] Absicht gewisse Stuecke von Ihnen gespielt zu haben und dabei ihre Haende zu photographieren, als ob sie zu dem Schauspieler gehoeren, der Beethoven darstellt.93
Da es dem Produzenten jedoch auch mit dieser (bezüglich der angeblich fehlenden Konzessionen an den Publikumsgeschmack vielleicht ein wenig übertriebenen) „Qualitätsgarantie“ nicht gelang, Schnabel umzustimmen, begann er ab August 1936 auch andere berühmte Musiker wie Bruno Walter und – einige Zeit später – Arturo Toscanini zu kontaktieren.94 Schnell stellte sich jedoch heraus, dass auch sie Schnabels Skepsis in Bezug auf das künstlerische Niveau amerikanischer Spielfilme teilten. Alle entsprechenden Briefwechsel verliefen ergebnislos im Sande. Schließlich verfiel Blanke auf die eigentlich von Anfang an sehr naheliegende Idee, den im Warner Bros. Studio beschäftigten Komponisten Erich Wolfgang Korngold mit der Aufgabe des musikalischen Beraters zu betrauen.95 Auch über die ideale Besetzung der wichtigsten Rollen entwickelten Dieterle und Blanke bereits kurz nach der Fertigstellung des Drehbuches konkrete Vorstellungen, die Charlotte Dieterle dem Produktionsleiter Wallis schriftlich mitteilte. Aus heute nicht mehr zweifelsfrei nachzuvollziehenden Gründen hatte Dieterle von seinem ursprünglichen Wunsch einer Kooperation mit Paul Muni – zumindest zeitweise – Abstand genommen und erwog den damals in London arbeitenden österreichischen Emigranten Oskar Homolka für die Rolle des Beethoven.96 Hielt der Regisseur sicherlich
93 94
95 96
Memorandum Henry Blankes an Hal Wallis, (23.07.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Brief Henry Blankes an Artur Schnabel, (03.07.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Zur Erwägung Bruno Walters siehe: Brief Henry Blankes an Jacob Wilk, (03.08.1936), Beethoven papers, WBA, USC; Brief Jacob Wilks an Henry Blanke, (06.08.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Zu den Verhandlungen mit Toscanini im Jahre 1938 siehe: Vertraulicher Brief Jacob Wilks an Jack Warner, (02.06.1938), Beethoven papers, WBA, USC; Kolumne Louella O. Parsons, Los Angeles Examiner (11.10.1938), Beethoven papers, WBA, USC. Vgl. auch: Warners Seek Toscanini for ‚Memory of a Hero‘, in: The New York Times (11.10.1938), 21. Memorandum Henry Blankes an Walter MacEwen, (22.03.1939), Beethoven papers, WBA, USC. Brief Charlotte Dieterles an Hal Wallis, (27.10.1936), Beethoven papers, WBA, USC. Mierendorff bezeichnet – offensichtlich in Unkenntnis dieses Briefes – den Plan, die Rolle des Beethoven an Homolka zu vergeben, als eine Idee des Studios und als eine „bittere Kränkung“ für Dieterle und Muni. Mierendorff, William Dieterle, 104.
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nicht vollkommen zu Unrecht Homolka für eine Idealbesetzung, wurde diese Ansicht von Hal Wallis offensichtlich nicht geteilt. Obwohl das publicity department des Studios (gemäß seiner damaligen Praxis der kontrollierten „Gerüchte-Verbreitung“) den Namen Homolkas in einschlägigen Fachzeitschriften mit einem möglichen Beethoven-Film in Verbindung brachte, kam es nie zu einem definitiven, in den Produktionsunterlagen vermerkten Rollenangebot.97 Eine weitere ebenfalls nicht zweifelsfrei durch die Beethoven-Akte des Warner Bros. Studioarchivs beweisbare Besetzungsidee Dieterles war der deutsche Schauspieler Werner Krauss, der im Jahre 1936 zwar bereits deutliche Sympathien mit dem nationalsozialistischen Regime hegte, aber gleichzeitig noch europaweit – so zum Beispiel bei den Salzburger Festspielen – gastierte. Seinen etwa zwanzig Jahre später veröffentlichten Memoiren zufolge reiste Krauss in dieser Zeit auf Veranlassung Dieterles zu Probeaufnahmen für einen Beethoven-Film nach London: Ich war dann noch einmal in London, und zwar im Jahre 1936, auf Veranlassung von Dieterle, der schon William hieß und nicht mehr Wilhelm, und der mir aus Hollywood lange Telegramme geschickt hatte. Er wollte einen Beethoven-Film machen, und ich sollte den Beethoven spielen, aber gleichzeitig im selben Film den Napoleon – die Eroica-Sache: wo Beethoven Napoleon begegnet. Ich mußte nach London fliegen, um einen Test zu machen. Ich habe nicht gefragt, ich bin nach London geflogen und habe als Beethoven Aufnahmen gemacht. Ich hatte alle Sachen mit für das Aussehen. Sie hatten alles aufgebaut, die Treppe herunter in einem Haus der damaligen Zeit und ein Spinett – ich komme mit Hut und Mantel und Stock und werfe Hut, Stock und Mantel weg und gehe zum Spinett. Ich schlage einen Ton an, immer wieder denselben Ton, bing, bing, bing – I don’t hear anything –, und spiele so den Augenblick, wo er taub wird. – Reinhardt hat mir gesagt, er wäre nie so erschüttert gewesen, aber die Sprache wäre für Amerika nicht unterzubringen.98
Ein Hinweis darauf, dass Dieterle tatsächlich bereits längere Zeit Interesse zeigte, Krauss zu engagieren, findet sich in einem an ihn adressierten Brief Ernst Jägers (damals Chefredakteur des Film-Kurier); Jäger schrieb im November 1935 an Dieterle: [A]uf jeden Fall hat Krauss Lust – ganz offensichtlich, er erklärte zunächst: „ich kenne Dieterle als einen sehr lieben Kollegen“ – auch er hatte in Wien Sommernachtstraum noch nicht gesehen. […] Er ist aber durch alles, was er auch von Dritten über ihre Laufbahn in USA gehört hat, überzeugt, mit einem eventuellen Vertrag auch grosse künstlerische Vorteile zu erreichen.99
Scheiterte das Engagement von Krauss vielleicht wirklich – wie von ihm berichtet – bereits in der Phase der ersten Probeaufnahmen an seiner mangelhaf97 98 99
Vgl.: Ebenda. Krauss, Das Schauspiel meines Lebens, 167. Brief Ernst Jägers an William Dieterle, (datiert auf den 26. November, vermutl. 1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. Zu Jägers Emigration in die USA (1938) und zu seiner Freundschaft mit Dieterle siehe: Aurich, Zwei Pressemenschen. Ewald André Dupont und Ernst Jäger, in: Filmexil 17 (2003), 33–38.
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ten Aussprache des englischen Textes, hätte sicherlich auch seine in Hollywood bekannte enge Verbindung zu wichtigen Vertretern der nationalsozialistischen Regierung Deutschlands einem Vertragsabschluss mit den politisch engagierten Gebrüdern Warner im Wege gestanden. Der Umstand, dass Dieterle den ehemaligen Kollegen dennoch nach London kommen ließ, lässt auf seine große Verehrung für dessen berufliches Können schließen. Obwohl Dieterle im Laufe des Jahres 1936 offensichtlich große Mühe auf die Suche nach einer adäquaten Besetzung für die Rolle des Beethoven verwandte, konnte er Wallis letztendlich jedoch nicht von der Notwendigkeit überzeugen, einen externen Schauspieler zu engagieren. Vor dem Hintergrund der sehr harmonisch verlaufenden Zusammenarbeit Dieterles mit Paul Muni an der Zola-Biographie im Frühjahr 1937 entschied sich die Studioleitung, die besondere „Chemie“ zwischen den beiden Künstlern auch für das geplante Beethoven-Projekt zu nutzen – auf informellem Wege ließ man Muni ein vorläufiges Drehbuch zur Durchsicht zukommen.100 Muni, der (wie erwähnt) bereits im Anschluss an die Pasteur-Biographie sein Interesse an dem Filmstoff bekundet hatte, signalisierte seine grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme der Titelrolle – Dieterle fügte sich dem Wunsch seiner Arbeitgeber und nahm von seinen anderweitigen Besetzungsvorschlägen Abstand. Waren somit im Sommer 1937 eigentlich alle grundlegenden Voraussetzungen für einen baldigen Drehbeginn der Beethoven-Biographie geschaffen, sollten die Arbeiten jedoch schnell wieder ins Stocken geraten. Organisatorische und terminliche Komplikationen sowie eine allgemein empfundene Unsicherheit bezüglich der Publikumswirksamkeit des Drehbuches ließen das Vorhaben zugunsten anderer Produktionen in den Hintergrund treten. Erst ein knappes Jahr später erfuhr Dieterles Lieblings-Projekt durch den kreativen Beitrag eines anderen exilierten Künstlers eine Wiederbelebung. Im Mai 1938 traf der vor wenigen Monaten in die USA emigrierte Schauspieler Fritz Kortner, der nach einigen recht entmutigenden Erfahrungen im New Yorker Theaterleben nun verstärkt den Kontakt zur amerikanischen Filmindustrie suchte, in Los Angeles ein. In seinem Gepäck befand sich eine 45-seitige story-outline für eine Beethoven-Biographie, die er verschiedenen Filmschaffenden offerierte.101 Innerhalb weniger Tage gelangte das Typoskript unter dem Ar100 Memorandum Paul Nathans (Hal Wallis’ Büro) an Henry Blanke, (28.04.1937), Beethoven papers, WBA, USC; Brief des Warner Bros. Studios an Paul Muni, (03.06.1937), Muni legal files, WBA, USC. 101 Auf der Basis einschlägiger Quellen und Publikationen lässt sich nicht zweifelsfrei eruieren, welche Gründe Kortner zur Anfertigung der outline bewogen hatten. So vermutet Mierendorff, dass es sich bei dem Text um eine Auftragsarbeit für Dieterle handelte, ohne dieses jedoch mit einer konkreten Quellenangabe zu stützen. Mierendorff, William Dieterle, 104. Gegen diese Theorie sprechen allerdings mehrere Umstände. So hätte Dieterle mit der Hinzuziehung Kortners seinem eigenen in Kooperation mit Steindorff entstandenen Drehbuch Konkurrenz gemacht. Ferner hätte sich für ihn im Falle einer Ablehnung des Kortnerschen Exposés durch das Studio die moralische Verpflichtung
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beitstitel Memory of a Hero auch in die Hände Paul Munis, der es – sofort begeistert von Kortners intelligenter Herangehensweise an den Stoff – offiziell bei Warner Bros. als sein nächstes Wunschprojekt einreichte.102 Vertraglich zur grundsätzlichen Berücksichtigung solcher Story-Vorschläge Munis verpflichtet kaufte die Studioleitung umgehend alle Rechte an Kortners outline für eine vergleichsweise recht fair bemessene Summe von 10.000 Dollar.103 Konzentrierten sich Dieterle und Steindorff in ihrem Drehbuch wie bereits erwähnt in erster Linie auf die Darstellung des künstlerischen Werdegangs Beethovens in Verbindung mit seiner zunehmenden gesellschaftlichen Isolation (ausgelöst durch seinen beharrlichen Individualismus sowie durch seine Krankheit), verfügte die story-outline Fritz Kortners dagegen über einen hochaktuellen und hochbrisanten politischen Zeitbezug. Fertiggestellt im Laufe des Frühjahrs 1938 verarbeitete das Werk bereits Hitlers Annexion Österreichs – vom Autor parallelisiert mit Napoleons Einmarsch in Wien im Jahre 1805. Beethoven wird dargestellt als ein Hoffnungsträger des passiven Widerstandes gegen die Okkupation, durch seine Umwidmung der Eroica im Anschluss an Napoleons Kaiserkrönung ist er zum politischen Vorbild für seine Schüler geworden. Seine Musik bietet eine Rückzugsmöglichkeit angesichts des Jubelgeschreis, das dem Tyrannen auf den Straßen der Stadt entgegengebracht wird: From this scene we dissolve into the clamor of the streets of Vienna which are lined by a deliriously cheering crowd. […] Napoleon, after defeating the Austria army at Austerlitz and after a peace treaty the conditions of which have been mitigated by the concocted proposed mirriage [sic!] of Napoleon and the Austrian crown-princess Maria Louise, is now making his triumphant entry into Vienna, with the object of paying a visit to Francis I, his future father-in-law. Still he comes as a conqueror!
ergeben, für die Arbeit des ehemaligen (finanziell nicht sonderlich gut gestellten) Kollegen persönlich aufzukommen. Schließlich existieren sowohl in den Briefen Kortners an seine Frau Johanna als auch in der publizierten Kortner-Literatur deutliche Hinweise, dass Kortner das Exposé zunächst mehreren Filmschaffenden in Hollywood (wie zum Beispiel dem damaligen Vize-Präsidenten der RKO-Studios J. R. McDonough) offerierte, bevor es zu einem Vertragsabschluss mit Warner Bros. kam. Briefe Fritz Kortners an seine Frau Johanna, (10.05.1938 und 21.05.1938), zit. nach: Völker, Fritz Kortner, 132–134. Vgl.: Feller, Dorothy Thompson, in: Spalek/Strelka, Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Bd. 3, Teil 3, 377. Da Kortner die Rolle des Beethoven bereits selbst in einem 1927 entstandenen Film unter dem Titel Das Leben des Beethoven (Regie: Hans Otto) verkörpert hatte, wäre es gut möglich, dass er die Idee für sein Exposé aus eigenem Antrieb entwickelte. 102 Brief Paul Munis an Warner Bros., (27.05.1938), Muni legal files, WBA, USC. Vgl.: Brief Roy Obringers an Ralph Lewis, (10.11.1938), Muni legal files, WBA, USC. 103 Memorandum Walter MacEwans an Roy Obringer, (02.06.1938), Beethoven papers, WBA, USC; Memorandum John O’Steens an Finlay McDermid, (12.04.1945), Beethoven papers, WBA, USC.
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The houses are beflagged, every window decorated, people lean out of the windows, waving and cheering. One window in the attic of a house is detected by the camera to be bare of decorations. It is just being closed from the inside by a young girl, who, accompanied by the strains of the „Fidelio“ overture, then tiptoes through the room and a hallway into a back room, joining a group of pupils who reverently listen to the music which is being played by their teacher. We get the impression that Beethoven’s pupils are a kind of underground movement of passive resistance to Napoleon.104
In einer anschließenden leicht humoristisch gestalteten Szene vor dem Schloß Schönbrunn wird das opportunistische Verhalten der Bevölkerung angesichts der Okkupation charakterisiert; mögen viele Wiener Bürger zwar insgeheim Gegner Napoleons sein, überbieten sie sich dennoch gegenseitig in ihren euphorischen „Heil“-Rufen, als sich der Eroberer auf einem Balkon dem Volk präsentiert: The camera picks out a man from the crowd whose behavior is typical of the easily aroused Viennese populace: with his teeth clenched he mumbles a soliloquy against Napoleon, such as: „That bloody foreigner – that Corsican bandit – that thief -----“ „-------“ then in the same breath, without any transition, he shouts, „HEIL“, and then goes on, „That damn’ lock hiding his criminal forehead.“ „HEIL!“ „I hope somebody kills him right away.“ „Long live Napoleon!“ A policeman, having noticed that one man in the crowd is silent, approaches him, and asks belligerently, „Say where are your cheers?“ The accused answers in a whisper: „I’ve lost my voice: for hours I have been cheering Napoleon – now my brother-in-law is doing my cheering for me.“ „Anyone can say he is hoarse,“ replies the policeman, „But it must be proven – come with me.“105
Wie auch in der story-outline Dieterles und Steindorffs bleibt Beethoven seinen politischen Überzeugungen im folgenden Verlauf der Handlung treu – aus seiner deutlich zum Ausdruck gebrachten Ablehnung Napoleons erwachsen ihm schnell berufliche Nachteile. In einer äußerst wirkungsvollen Szene lässt Kortner die Antagonisten aufeinandertreffen. Im Rahmen eines großen Konzertes, auf dem die renommiertesten Künstler des österreichisch-ungarischen Reiches zu Ehren des Okkupanten spielen, dirigiert Beethoven seine Eroica. Unmittelbar nach der mit frenetischem Beifall aufgenommenen Darbietung lässt der Komponist dem Kaiser ein Notenexemplar der Symphonie mit der ursprünglichen, nun durchgestrichenen Widmung zukommen. Rasch verlässt der Düpierte seine Loge. Die Konsequenzen für Beethoven werden unmittelbar im Anschluss deutlich: die durchgestrichene Widmung auf dem Notenblatt wird überblendet in eine durchgestrichene Fidelio-Probe auf dem Pro104 Kortner, Memory of a Hero, Filmexposé, 16, Beethoven papers, WBA, USC. Am Ende erhält die Szene eine humoristisch-nachdenkliche Note: Beethoven hat sich gerade über die jubelnde Bevölkerung empört, als es an der Haustür klopft. Der Komponist öffnet die Tür und erfährt, dass auch sein kleiner Neffe ein Teil der jubelnden Menge war. Das Kind hält in einer Hand eine Fahne und in der anderen einen Luftballon mit der Aufschrift „Vive Napoleon“. Ebenda, 17. 105 Kortner, Memory of a Hero, Filmexposé, 18, Beethoven papers, WBA, USC.
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benplan des Opernhauses. Der Komponist ist fortan in Wien ein Außenseiter. Zuvor – während der Aufführung der Eroica – erhält der Kinobesucher in einer simplen, jedoch genial konzipierten Einstellung einen Einblick in Napoleons weitere Eroberungspläne in Russland. Zu den heroischen Klängen der Beethovenschen Symphonie wird die Landkarte Europas in den Händen des Usurpators zu einem Reißbrett – eine Assoziation mit Hitlers Durst nach „Lebensraum“ liegt nicht fern: Napoleon, in the Royal Box, absorbedly listening to the „Eroica“ scribbles absent-mindedly on his program. The most obsequious of his aides – Decamps, driven by curiosity – the slightest movement of the Emperor is commented upon and effusively interpreted – dares to throw a furtive glance over the deified sovereign’s shoulder which audacity does not pass unobserved by his colleague who looks questioningly at the dare-devil. The first writes on his program cautiously and passes it to his neighbor. „Sketch of Russia“ are the words he has written down. The other reads the words. And realizing their full significance, his face expresses resigned acceptance of the cold prospect. Facetiously, he turns up his coat collar and shivers. We see Napoleon’s hand continuing to sketch Russia and from the sketch we dissolve into the real Russia and show in silent sequence – only accompanied by the music of the „Eroica“ – a peaceful country. Farms, fields, peasants, cattle, steppes, all happily unaware of what is breeding in the mind of one man. The head of Napoleon is superimposed on the landscape and from his head, French troops emerge, invading the country. A wish fulfilment of Napoleon’s dreams is taking shape on the screen. In his insatiable urge for power Napoleon visualises himself heading those troops – finally capturing Moscow with flying colors – with the Kremlin’s onion-shaped Byzanthinic, dazzling cathedrals, festively decorated for his welcome, this culminating in the Czar with his picturesque, resplendent entourage, paying homage to him, Napoleon the Emperor of Emperors. Frenzied applause, gaining in volume, is heard and brings back Napoleon from his wish dream. The applause is offered to Beethoven, who has just finished the „Eroica“, the strains of which have been fully audible throughout Napoleon’s vision.106
Daran anschließend tritt im Kortnerschen Filmentwurf das Privatleben Beethovens stärker in den Vordergrund – jedoch stets überschattet von Napoleons geheimen Vorbereitungen für seinen Russlandfeldzug. In demselben Tempo, in dem sich der Himmel über Europa zu verdunkeln scheint, wird Beethovens Lebensenergie von Krankheit und Depression verzehrt. Der Künstler zieht sich zurück aufs Land und entfremdet sich zunehmend von den letzten ihm noch verbliebenen Vertrauten. Seine Taubheit – in den vorherigen Szenen bereits durch vereinzelte Hinweise angekündigt – verschlimmert sich gravierend nach einem Unfall auf einem seiner langen Spaziergänge, während der er gewöhnlich durch die Klänge der Natur Inspirationen für seine Melodien empfängt. Er passiert versehentlich einen Schießplatz, auf dem Napoleon seine neuesten Waffen testen lässt; durch den Lärm einer abgefeuerten Kanone verliert er sein Gehör.107 Der zerstörerische Einfluss des Tyrannen dringt 106 Kortner, Memory of a Hero, Filmexposé, 20–21, Beethoven papers, WBA, USC. 107 Ebenda, 20–30.
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somit auch in die letzten privaten Lebensbereiche Beethovens vor; als die Nachricht von Napoleons Triumph in Moskau den Geschwächten erreicht, schwört dieser, künftig nicht mehr zu komponieren. Erst als sich das Blatt für den Kriegsherrn wendet und seine Armeen im winterlichen Russland scheitern, beginnt Beethoven mit der Arbeit an der Neunten Symphonie. Parallel zu der Darstellung des kompositorischen Schaffensprozesses, werden in einer Montage-Sequenz die weiteren Lebensstationen Napoleons bis zu dessen Beerdigung auf St. Helena nachvollzogen. Folgen dem Sarg des ehemaligen Kaisers nur wenige, entwickelt sich der im Anschluss gezeigte Leichenzug Beethovens zu einer großen Prozession von 40.000 Menschen aller gesellschaftlichen Klassen. Begleitet wird die aufwendige Szene von den Klängen der Neunten Symphonie, die bis zum Ende des Filmes hörbar sind.108 Gelang es Fritz Kortner – nicht zuletzt durch die bestimmte Fürsprache Dieterles und Munis – sein Exposé Memory of a Hero an die Warner Bros. Studios zu verkaufen, war es ihm jedoch nicht möglich, im Anschluss daran auch den Auftrag für die Niederschrift des entsprechenden Drehbuches zu erhalten.109 Das Studio entschied sich dafür, die erfahrenen Vertragsautoren Abem Finkel und Norman Reilly Raine (sowie in einem späteren Stadium Howard Koch) mit der Abfassung eines vollkommen neuen Skriptes zu betrauen, das alle bisher entstandenen Entwürfe und Rohfassungen in sich vereinigen sollte.110 Griffen die Autoren in einigen Story-Details auf das Drehbuch Dieterles und Steindorffs zurück, entnahmen sie ihre Grundkonzeption der Handlung jedoch in erster Linie dem Kortnerschen Exposé. Sowohl die enge Verquickung der Lebenswege Beethovens und Napoleons als auch der überdeutliche politische Zeitbezug durch die Parallelisierung der unstillbaren Napoleonischen Machtgier mit Hitlers aggressiver Expansionspolitik blieben im neuen Drehbuch erhalten, das nach einigen Verzögerungen Ende September 1939 in seiner endgültigen Version vorlag.111 Die extreme Zuspitzung der politischen Lage in Europa seit dem Frühjahr 1938 verliehen der Botschaft 108 Ebenda, 45. 109 Erst etwa fünf Jahre später sollte Kortner in den Universal Studios sein erstes Drehbuch (The Strange Death of Adolf Hitler) schreiben. In diesem Film, für den Kortner auch die Idee geliefert hatte, spielte er die Rolle eines Widerstandskämpfers. Asper, Etwas Besseres als den Tod, 585–595; Horak, Anti-Nazi-Filme der deutschsprachigen Emigration von Hollywood, 254–270. 110 Eine Auflistung aller Entwürfe und Drehbuch-Rohfassungen mit dem jeweiligen Datum der Fertigstellung befindet sich in: Memorandum John O’Steens an Finlay McDermid, (12.04.1945), Beethoven papers, WBA, USC. 111 Auch in kleinen Details lehnten die Autoren Finkel und Reilley Raine ihr Drehbuch an das Kortnersche Exposé an. So behielten sie zum Beispiel die Eingangszene im Wiener Prater bei, in der Beethoven in sehr heiterer Stimmung mit seinem Neffen zu sehen ist. Beethoven, Revised Screenplay von Abem Finkel und Norman Railley Raine, (September 1939), 15. Auch die Figur einer Haushälterin Beethovens namens Frau Schnapps wurde von den Autoren übernommen. Ebenda.
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Kortners eine nachträgliche Bestätigung und eine neue Dringlichkeit. Seine in der story-outline versteckt zum Ausdruck gebrachten Ahnungen in Bezug auf Hitlers verbrecherische Kriegspläne waren längst Gewissheit geworden. Obwohl mit dem Drehbuch Finkels und Reilly Raines im Herbst 1939 eine interessante und vor allem politisch hochaktuelle Grundlage für eine weitere erfolgreiche Filmbiographie des Teams Dieterle/Muni/Blanke vorlag, sollte das Projekt ungeachtet der bereits investierten Arbeitszeit wenig später endgültig scheitern. Wie die heute noch im Studioarchiv erhaltene Personalakte Paul Munis belegt, wurden wiederholt konkrete Starttermine für die Dreharbeiten angesetzt, die jedoch alle nicht eingehalten werden konnten.112 Im Sommer 1940 entschied man sich schließlich zu einem vollständigen Verzicht auf die Produktion und versuchte den Stoff an ein anderes Studio zu verkaufen.113 Etwa zur gleichen Zeit baten Dieterle und Muni – nicht zuletzt aufgrund ihrer Enttäuschung über diesen Schritt – um die von ihnen bereits oftmals mehr oder weniger ernsthaft geforderte Auflösung ihrer Arbeitsverträge, die Jack Warner ihnen dieses Mal ohne Widerstand gewährte. Waren die Gründe für den wiederholten Produktionsstopp des Beethoven-Filmes in den Jahren von 1936 bis 1940 wohl vielschichtiger Natur und teilweise auch einfach durch Unvorhersehbarkeiten hervorgerufen, treten in den entsprechenden Studiounterlagen dennoch zwei erhebliche Probleme in den Vordergrund, die den Produktionsleiter Wallis an der Durchführbarkeit des Projekts zweifeln ließen. Eines dieser beiden Probleme bestand in der für das Studio höchst unerfreulichen Korrespondenz mit einer einflussreichen Londoner Musikkritikerin namens Lady Mabel Dunn, die nach eigenen Angaben im Jahre 1934 ein Beethoven-Filmskript aus ihrer Feder an Wallis geschickt hatte – in Verknüpfung mit dem Vorschlag, die Hauptrolle mit Edward G. Robinson zu besetzen. Obwohl Wallis im Folgenden behauptete, nie ein solches Skript erhalten zu haben, gelang es ihm nicht, sich der im Frühjahr 1936 einsetzenden Flut von Briefen Dunns erfolgreich zu erwehren, in denen sie um eine entsprechende Würdigung ihrer Idee und eine beratende Funktion bei den Dreharbeiten bat. Ferner äußerte sie auf subtile Weise den Verdacht, dass sich das Studio ihres Filmskriptes ohne eine entsprechende Vergütung zu bedienen plane; von wiederholten Verweisen der Gegenseite auf die Existenz des Die-
112 Muni legal files aus den späten dreißiger Jahren, WBA, USC. Muni erhielt 1939 bereits 60.000 Dollar Vorschuss auf seine Gage für den Film, unter anderem als Vergütung für seine Mitarbeit am Drehbuch. Brief Roy Obringers an Mike C. Levee (Munis Agent), (07.11.1939), Muni legal files, WBA, USC. Der letzte offiziell in Munis Vertrag festgesetzte Starttermin für die Dreharbeiten lag im Juli 1940. Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, (23.05.1940), Muni legal files, WBA, USC. 113 Im August 1940 versuchte man das Beethoven-Material an Metro-Goldwyn-Mayer zu verkaufen. Memorandum Henry Blankes an Walter MacEwen, (22.08.1940), Beethoven papers, WBA, USC.
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terleschen Drehbuches ließ sie sich nicht abschrecken.114 Gleichzeitig berief sich Dunn auf ihre Kontakte zu Henry Blanke, mit dem sie 1936 nach eigenen Angaben mehrfach über ihre mögliche Mitarbeit am Beethoven-Film gesprochen hatte. Blanke betonte in einem Memorandum an Wallis’ Assistent Walter MacEwen jedoch mit Nachdruck, Dunn niemals konkrete Versprechungen gemacht zu haben: „Tell Mr. Wallis that I have never made any promises or any suggestions that she could work with us on ‚BEETHOVEN‘. As long as we live, we will be bothered with Lady Dunn, so guess we have to take it, unless you have a good idea for getting rid of her – once and forever.“115 Auf eine ausführliche Schilderung des Problems durch den Leiter der studioeigenen Rechtsabteilung Roy Obringer reagierte eine Anwaltskanzlei, die Warner Bros. zu der damaligen Zeit regelmäßig konsultierte, im Januar 1937 mit einer deutlichen Warnung; ein Mitarbeiter namens Ralph Lewis schrieb: I never before ran across anyone holding a recognized social position who at the same time would affirmatively assert that social position. […] she [Dunn] appears to occupy the position she claims, – that is to say socially and in the music world, – and her prominence might make her a dangerous source of publicity. In addition, she appears to be extremely egoistical and possessed of a one track mind. Regardless of her legal rights, she might have the ability to do considerable damage.116
Auf die im Folgenden ausgesprochene Empfehlung des Anwaltes, Lady Dunn entweder vollkommen zu ignorieren und das Filmskript juristisch unanfechtbar zu gestalten, oder sie mit der Auszahlung einer „stattlichen Geldsumme“ auf die Seite des Studios zu bringen, reagierte Wallis zunächst abwartend, da sich zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Verzögerungen der Dreharbeiten ergeben hatten. Er ignorierte alle folgenden Briefe Dunns und ließ sich mehrfach verleugnen, als diese versuchte, ihn in Los Angeles aufzusuchen.117 Noch bis zum Jahr 1939 trafen in regelmäßigen Abständen schriftliche Anliegen und Offerten Dunns ein, die – so legen die Produktionsakten nahe – Wallis zumindest in gewissem Umfang vor einer Weiterführung des Beethoven-Projektes zurückschrecken ließen.118
114 Brief Roy Obringers an Ralph Lewis (Law Offices Freston&Files), (13.01.1937), Beethoven papers, WBA, USC. 115 Memorandum Henry Blankes an Walter MacEwen, (13.07.1936), Beethoven papers, WBA, USC. 116 Brief Ralph Lewis’ an Roy Obringer, (14.01.1937), Beethoven papers, WBA, USC. 117 Briefe Mabel Dunns an Jack Warner und Hal Wallis, (13.03.1936), Beethoven papers, WBA, USC. 118 Siehe zum Beispiel: Brief Steven Wilkinsons (Dunns Manager) an Henry Blanke, (30.11.1938), Beethoven papers, WBA, USC. Am 11. September 1939 schrieb Wallis in einem Memorandum an einen Studiomitarbeiter, dass er das Beethoven-Projekt aufgrund einer nicht näher benannten, höchst unerfreulichen Korrespondenz (vermutlich mit Dunn) am liebsten aufgeben würde. Memorandum Hal Wallis’ an Mr. Fellows, (11.09.1939), Beethoven papers, WBA, USC.
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Die zweite – sicherlich noch weitaus gravierendere – Problematik, die in den Produktionsunterlagen des Beethoven-Filmes hervortritt, betraf die eindeutigen politischen Implikationen des Stoffes. Wie bereits ausführlich dargelegt wurde der Komponist sowohl in dem Skript Dieterles als auch in dem (vornehmlich auf Kortner basierenden) Drehbuch der Autoren Finkel und Reilly Raine als ein vehementer Verfechter revolutionärer Ideen und Gegner der Napoleonischen Herrschaft portraitiert. Als die amerikanischen Antikommunisten unter der Führung des House Un-American Activities Committee ab 1938 vermehrt begannen, die amerikanische Filmindustrie der Verbreitung kommunistisch-umstürzlerischen Gedankengutes zu bezichtigen, schien die Umsetzung einer derartigen Thematik einem gefährlichen „Seiltanz“ gleichzukommen. Nur allzu leicht konnte die eigentliche politische Intention der Autoren – namentlich die verdeckte Anprangerung der Hitlerschen Eroberungsgier – als eine Anstiftung zum Volksaufruhr missverstanden werden. Die Kampagne der Kommunisten-Jäger gegen vergleichbare politisch engagierte Filme aus dieser Zeit wie Dieterles Blockade und Fritz Langs Fury belegt dies.119 Um einer derartigen falschen Rezeption des Beethoven-Filmes entgegenzuwirken, ordnete Wallis im Frühjahr 1940 – kurz vor dem endgültigen Scheitern des Projektes – eine erneute Überarbeitung des Drehbuches an; in einem Memorandum bat er den Autor Abem Finkel, den sogenannten „political stuff“ auf ein Minimum zu reduzieren. Finkel entgegnete sehr engagiert, dass das Thema Politik aus einer glaubwürdigen Portraitierung der Beethovenschen Lebensgeschichte nicht wegzudenken sei: I find that while politics can be reduced to a minimum there is a point beyond which we would sacrifice clarity and effectiveness by trying to avoid it simply because it is politics. The Kortner treatment and the script which is wholly based on it was [sic!] written from the point of view of Beethoven’s reactions to the times in which he lived. And since it so happened that he lived during a time of great political upheaval, any attempt to minimize or avoid the political aspects of the script beyond a certain point would result in the emasculation of its central theme and leave us with an incoherent series of unrelated episodes.120
Wäre eine entsprechende nachträgliche Überarbeitung des Drehbuches sicherlich (wie im Falle der Zola-Biographie) mit einem verstärkten Arbeitsaufwand grundsätzlich möglich gewesen, schien Wallis in diesem Falle jedoch davor zurückzuscheuen. Das Interesse der Studioleitung an der Verwirklichung eines Beethoven-Filmes – wie auch generell an der Weiterführung der Dieterleschen biographischen Reihe – hatte merklich abgenommen. Die Kündigung Dieterles im Juli 1940 sollte der Ära der großen Filmbiographien in den Warner Bros. Studios wenig später ein Ende setzen. 119 Vgl.: Mierendorff, William Dieterle, 134. Zu Dieterles Film Blockade vgl.: Kapitel III/2 (Abschn. 1) dieser Arbeit. 120 Memorandum Abem Finkels an Hal Wallis, (26.03.1940), Beethoven papers, WBA, USC.
2. „The Coming Victory of Democracy“
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2. „THE COMING VICTORY OF DEMOCRACY“ – DIETERLES ZUNEHMENDE EINBINDUNG IN DIE POLITISCH AKTIVE EMIGRATION (1938–1939) War es William Dieterle – wie bereits erwähnt – im Anschluss an die Premiere seiner Zola-Biographie im Sommer 1937 endlich gelungen, in die Gruppe der bei Warner Bros. zumeist langfristig engagierten, ausschließlich auf hoch budgetierte A-pictures spezialisierten Vertragsregisseure aufzusteigen, sollten sich daraus für ihn einige quasi systembedingte Veränderungen seines Berufsalltages ergeben. Hatte er zuvor seine kostengünstig produzierten Spielfilme in verhältnismäßig schneller Folge gedreht, entstanden nun immer häufiger längere Drehpausen, in denen er entweder in die aufwendigen Vorbereitungen des jeweils nächsten Projektes eingebunden war oder im Rahmen eines sogenannten loan-outs für ein anderes Studio arbeitete. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Auszeichnungen seiner Filmbiographien hatten Warner und Wallis sein künstlerisches Potential erkannt und zeigten sich – wie die Genese des Beethoven-Projektes belegt – zumindest grundsätzlich für seine Vorschläge offen. Durch die hohe Resonanz auf den Zola-Film und die damit verknüpften heftigen politischen Debatten im In- und Ausland erregte Dieterle das Interesse links-liberaler antifaschistischer Organisationen, die sein gewachsenes Prestige in den USA für die Durchsetzung ihrer Anliegen zu nutzen versuchten. Der Regisseur konnte vor dem Hintergrund der sich bedenklich zuspitzenden politischen Lage in Europa seine bislang praktizierte und für eine erfolgreiche Hollywoodkarriere grundsätzlich unerlässliche diplomatische Zurückhaltung gegenüber der Presse nicht länger aufrechterhalten und wurde zu einem – nun auch für die breite Öffentlichkeit deutlich wahrnehmbaren – Gegner der europäischen Diktaturen. Die entsprechenden Konsequenzen dieser Politisierung ließen nicht lange auf sich warten; nachdem Dieterle im Frühjahr 1938 auf einer antifaschistischen Großveranstaltung in Los Angeles zusammen mit Thomas Mann für einen „zukünftigen Sieg der Demokratie“ gekämpft hatte, wurde ihm durch das Auswärtige Amt Berlin jede weitere Einreise in seine ehemalige deutsche Heimat unmöglich gemacht.
Der Spanische Bürgerkrieg und der Film Blockade (1938): loan-out an den Produzenten Walter Wanger Hatte Dieterle im Sommer 1937 vor dem Hintergrund seines zunehmenden Erfolges an den Kinokassen und einer vermehrten Beachtung durch die Presse eine grundsätzliche Verbesserung seiner Arbeitsbedingungen bei Warner Bros. erwirken können, erwies sich seine neue Zuweisung in die relativ eng umsteckte Nische „europäisch-literarischer“ beziehungsweise biographischer Filmsujets jedoch auch als problematisch. Wie das durch den Regisseur sehr
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schmerzlich empfundene Scheitern des Beethoven-Projektes belegen sollte, agierte die Studioleitung in diesen Jahren während der Vorbereitung hoch budgetierter Prestigeproduktionen äußerst gewissenhaft und bisweilen sogar übervorsichtig. War ein bestimmtes Filmvorhaben mit unüberschaubaren juristischen Verstrickungen verbunden oder schien der Erfolg an den Kinokassen nicht einhundertprozentig gewährleistet, nahm man – insbesondere vor dem Hintergrund einer abermaligen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in den USA – lieber Abstand. Die Suche nach einem neuen adäquaten Stoff für das Team Dieterle/Blanke/Muni, mit dem man an das erfolgreiche Werk The Life of Emile Zola anknüpfen konnte, gestaltete sich kompliziert. Nachdem man endlich fündig geworden war, folgten langwierige Vorbereitungen. Für Dieterle ergab sich daraus eine längere Drehpause, erst im Herbst 1938 sollte er für Warner Bros. das – später eingehender untersuchte – historisch-biographische Drama Juarez beginnen. Parallel zu den aufwendigen Vorbereitungen für dieses monumentale Großprojekt, in die er zum Teil intensiv eingebunden war, arrangierte sein Agent Mike C. Levee einen auf zwei Regieaufträge beschränkten loan-out an den unabhängigen Produzenten Walter Wanger, der bereits seit geraumer Zeit mit politisch und sozial engagierten Werken wie Fritz Langs Strafvollzugsdrama You Only Live Once (1937) auf sich aufmerksam gemacht hatte.121 Auch mit den beiden projektierten Filmen unter Dieterles Regie plante der Produzent einen Tabubruch – erstmals sollten die Schrecken des seit 1936 tobenden Spanischen Bürgerkrieges auf die Kinoleinwand gebracht werden. Obwohl das Thema Spanien in den linken und liberalen Kreisen Hollywoods rege Anteilnahme fand und amerikanische Bürger in der sogenannten Abraham Lincoln Brigade auf der Seite der Republikaner gegen den faschistischen General Franco kämpften, hatte sich keines der großen Studios bislang an einen entsprechenden Film gewagt. Da die Regierung Roosevelt offiziell ihre Neutralität erklärt hatte, und eine einflussreiche Front aus Katholiken und Anti-Kommunisten alle Sympathiebekundungen und Hilfsaktionen für die – ihrer Meinung nach kommunistisch orientierte – Republik scharf verurteilte, schien eine vorsichtige Zurückhaltung ratsam.122 Auch die politisch engagierten Gebrüder Warner scheuten vor einer Stellungnahme gegen die Verbrechen Francos zurück, um einerseits den spanischen Markt nicht zu verlieren sowie andererseits nicht in das Fadenkreuz der antikommunistischen Presse zu geraten. Insbesondere der 121 Walter Wanger wurde 1894 unter dem Namen Walter Feuchtwanger in San Francisco geboren. Er war – so berichtet die Internet-Website Adrian Feuchtwangers (Großneffe des Autors Lion Feuchtwanger) – entfernt mit der berühmten Feuchtwanger-Familie verwandt. http://www.feuchtwanger.com/Family.html (Stand: 15.09.2013). 122 Eine im Februar 1938 in den USA durchgeführte Gallup-Meinungsumfrage bezüglich des Spanischen Bürgerkrieges offenbarte, dass zu der damaligen Zeit 75 Prozent der Amerikaner mit der Seite der Republikaner sympathisierten. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 146.
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Einfluss William Randolph Hearsts – so die amerikanische Filmhistorikerin Christine Ann Colgan – wurde diesbezüglich zu einem entscheidenden Faktor. Trotz der bereits dargelegten engen geschäftlichen und privaten Verbindungen Jack Warners mit Hearst attackierte dieser etliche bei Warner Bros. beschäftigte Künstler wie zum Beispiel Paul Muni, die sich offen für die Sache der Republikaner ausgesprochen hatten, als „pro-kommunistisch“; entsprechende Konsequenzen an den Kinokassen ließen nicht lange auf sich warten. Als wichtigstes Beispiel für dieses kompromisslose Vorgehen Hearsts nennt Colgan den Skandal um den Schauspieler Errol Flynn, der sich 1937 auf einer Spanienreise ohne Billigung des Studios als „inoffizieller“ Kriegsberichterstatter betätigte und einige Zeitungsartikel über „seine Sicht der Dinge“ publizierte. Im Zuge seiner Berichterstattung gab Flynn auch zu Protokoll, dass er zusammen mit den Warner-Stars James Cagney und Frederic March 1.500.000 Dollar für die Unterstützung der Republikaner gesammelt habe. Als Jack Warner von Flynns Aktivitäten erfuhr, beorderte er diesen sofort per Telegramm zurück in die USA – allerdings zu spät. Die Hearst-Presse hatte sich bereits auf Flynn „eingeschossen“ und behauptete, dass der Schauspieler mit Kommunisten in Spanien „paktiere“. Die negative Berichterstattung in der Hearst-Presse hatte ebenfalls konkrete finanzielle Folgen; Warner Bros. hatte große Probleme, den neuen Flynn-Film The Prince and the Pauper an die Kinos zu verleihen, da diese Boykott-Aktionen befürchteten. Auch James Cagney bekam aufgrund der Berichte Flynns den Zorn General Francos zu spüren; er wurde in einem persönlichen Brief informiert, dass man seine Filme in Spanien nicht mehr zu sehen wünsche.123 Der im Frühsommer 1937 gefasste Plan Walter Wangers, die Ereignisse in Spanien erstmals im Film darzustellen, bedeutete somit in vielerlei Hinsicht ein großes Wagnis für alle Beteiligten. Insbesondere das Engagement des politisch aktiven Autors John Howard Lawson für die Arbeit am Drehbuch sollte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Bereits seit Beginn der politischen Auseinandersetzungen in Spanien hatte Lawson die Anliegen der Republikaner vehement unterstützt und die Funktion des Schatzmeisters in einem medizinischen Hilfskomitee für die Spanische Republik bekleidet. Sein Engagement – sowie auch seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei der USA – sorgten dafür, dass man ihn ab Ende der dreißiger Jahre in den großen Filmstudios kaum noch beschäftigte. Später sollte er aufgrund seiner Weigerung, vor dem House Un-American Activities Committee auszusagen, als Mitglied der sogenannten Hollywood Ten in die Geschichte eingehen.124 Bereits einige 123 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 146–150. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Warner Bros. Studios bezüglich einer deutlichen Stellungnahme zum Spanischen Bürgerkrieg bestand in dem starken Antikommunismus Jack Warners, der genauso wie sein Freund Hearst die Republikaner für Kommunisten hielt. Ebenda, 146. 124 Mierendorff, William Dieterle, 105. Zur Geschichte der Hollywood Ten siehe: Kahn, Hollywood on Trial, 1948.
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Zeit vor dem Beginn der Arbeiten am Drehbuch, das Lawson in enger Zusammenarbeit mit Dieterle verfasste, erregte das Projekt die Aufmerksamkeit der Produktion Code Administration zur freiwilligen Selbstkontrolle. In einem besorgten Brief warnte Joseph Breen den Produzenten Wanger vor der „gravierenden Gefahr“, die von einer Portraitierung des Spanischen Bürgerkrieges und von einer eventuell damit verbundenen Parteinahme für eine der beiden kämpfenden Seiten ausgehe: Any material involved with, or played against, the background of the present Civil War in Spain, is, in our judgement, highly dangerous, at the present time, from a practical standpoint, as well as distribution in Europe. I take it that your plan is to steer a middle course and to play no „favorites“ in the present Civil War in Spain. But this, it seems to us, while it may minimize the difficulty which is likely to be encountered in the distribution of such picture in Europe, does not entirely remove the grave danger involved. It is well within the facts to suggest that this picture, played against the backgrounds of the Spanish Civil War, may be pretty generally booted about in Europe by those governments, which may be „for“ or „against“ the parties engaged in the war.125
Versuchten Wanger, Lawson und Dieterle die Hinweise Breens zumindest bis zu einem gewissen Grad zu berücksichtigen und die involvierten Kriegsparteien nicht durch eine direkte Benennung zu identifizieren, waren ihre Sympathien jedoch durch den Handlungsverlauf und durch die dargestellte Truppenkonstellation klar ersichtlich. Eine spanische zerbombte Hafenstadt wird durch die Republikaner gehalten – auf der Landseite von Francos Truppen umschlossen und auf der Seeseite durch deutsche und italienische U-Boote blockiert. Die verstörte, hungernde Bevölkerung erwartet sehnsüchtig ein Versorgungsschiff aus der Sowjetunion, von dessen Durchkommen das Überleben aller abhängt. Vor diesem Hintergrund verliebt sich ein junger Republikaner (Henry Fonda) in ein geheimnisvolles Mädchen (Madeleine Carroll), das gegen ihren Willen für die Faschisten spionieren muss. Der Film endet mit dem erlösenden Eintreffen des Schiffes und der Rettung der Stadt, der tagtägliche Mord an der spanischen Zivilbevölkerung geht jedoch weiter; in einem anklagenden Schlusswort fragt Fonda – direkt in die Kamera gewandt – nach dem „Gewissen der Welt“: Peace? Where can you find peace? The whole country’s a battleground. There is no peace. There is no safety for women and children. Schools and hospitals are targets. And this isn’t war, not war between soldiers. It’s not war, it’s murder. It makes no sense. The world can stop it. Where is the conscience of the world? Where is the conscience of the world?126 125 Brief Joseph Breens an Walter Wanger, (03.02.1937), Blockade file, PCA, AMPAS. Vgl. auch: Brief Joseph Breens an Walter Wanger, (04.01.1938), Blockade file, PCA, AMPAS; Brief Joseph Breens an Walter Wanger, (07.02.1938), Blockade file, PCA, AMPAS. Vgl.: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 255–256. Des Weiteren wurde Wanger während der Dreharbeiten durch die Londoner Publicity-Abteilung des verleihenden Studios United Artists informiert, dass man in Spanien und Italien schon im Vorfeld mit einem Verbot des Filmes drohte. Ebenda, 256. 126 William Dieterle (Regie), Blockade, Image Entertainment (DVD), (03.12.2002), (01:22:53–01:23:25).
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Auch die eindringliche, aufrüttelnde Darstellung des Leidens der spanischen Bevölkerung durch die Blockade und die Bombardierungen der Faschisten lief dem von Breen postulierten obersten Prinzip der politischen Neutralität Hollywoods deutlich entgegen. Wie das heute in der Deutschen Kinemathek Berlin verwahrte Regiebuch Dieterles anschaulich illustriert, hatte dieser insbesondere die Volksszenen in der zerstörten Hafenstadt akribisch vorbereitet; durch eindringliche Elendsbeschreibungen und Großaufnahmen hungernder Frauen und Kinder erhielt das sonst für ein durchschnittliches amerikanisches Publikum eher abstrakte Kriegsgeschehen ein verstörend realistisches Gesicht.127 Auf der ersten Seite formulierte der Regisseur sein ästhetisches Konzept: „Dieser Film sollte absolut nicht wie ein Film wirken, sondern wie ein Bericht eines Augenzeugen.“128 Dass Dieterle während seiner Filmarbeit jenseits des künstlerischen Auftrags auch eine große moralische Verpflichtung empfand, wird mehr als deutlich. Nun, da er in Hollywood zumindest eine gewisse Bedeutung besaß, versuchte er diese – angesichts der sich täglich verschärfenden politischen Situation in Europa – in den Dienst des Humanismus zu stellen. Der Einmarsch Hitlers in Österreich, der während der Drehzeit vom 16. Februar bis zum 26. März 1938 erfolgte, muss den politisch wachsamen und sensiblen Regisseur schwer belastet haben. In den Presseankündigungen des Filmes, der schließlich den prägnanten Titel Blockade erhielt, ließ er sich als Zentral-Europäer vorstellen, Hinweise auf seine deutsche Abstammung fehlten. Das verleihende Studio United Artists charakterisierte ihn in seinen Publicity-Storys als „Bücherwurm“ und vehementen Pazifisten, privat eng befreundet mit dem großen indischen Philosophen Krishnamurti.129 Mehr als je zuvor wurde Dieterle der antifaschistischen Emigration zugerechnet; in der linken deutsch-amerikanischen Presse bezeichnete man seine filmische Arbeit als „human“ und „im schönsten Sinne des Wortes menschlich“.130 Ein Film wie Blockade sei – so ein Autor der New Yorker Neuen Volks-Zeitung – die „schönste Rechtfertigung für die Existenz einer Industrie, die das hervor-
127 Dieterle/Lawson, The River is Blue (Arbeitstitel), 126-seitiges Drehbuch, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Bezüglich der Authentizität dieser Szenen in der zerbombten Hafenstadt gab es jedoch auch kritische Stimmen. So wirkten im fertigen Film Dieterles Studien der „leidenden Gesichter“ Spaniens auf Frank S. Nugent, Filmkritiker der New York Times, zu gestellt – ein Umstand, den er der Praxis des central casting durch ein Besetzungsbüro (anstelle einer Auswahl durch direkt in das Projekt involvierte und deshalb kompetentere Personen) zuschrieb. Frank S. Nugent, „Blockade“, Walter Wanger’s Controversial Film of the Spanish Civil War Opens at the Music Hall, in: The New York Times (17.06.1938), 25. 128 Dieterle/Lawson, The River is Blue (Arbeitstitel), 126-seitiges Drehbuch, 1, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 129 Mierendorff, William Dieterle, 109. 130 Rezension des Filmes Blockade, in: Neue Volks-Zeitung New York (06.08.1938), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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zubringen vermag“.131 Auch für die amerikanische Presse war die Botschaft des Filmes – trotz der von Breen geforderten Unterdrückung aller „Identifikationsmerkmale“ der beiden Kriegsparteien – mehr als deutlich erkennbar; so schrieb ein Autor des Life Magazine: Though he [Walter Wanger] disclaims partiality and had experts eradicate all recognizable insignia, those who know their newspapers will see in Blockade a stern indictment of General Franco’s war, a passionate polemic for the humble Spaniard fighting for Republican Spain.132
Gab es vereinzelte Stimmen, die Wangers Zugeständnisse an die Production Code Administration als Halbherzigkeit und Schwäche kritisierten133, würdigten andere Rezensenten sein Fingerspitzengefühl und seine Fähigkeit, sich auf das angeblich Wesentliche – namentlich auf die Verurteilung des Krieges im Allgemeinen – zu konzentrieren. Louella O. Parsons, Kolumnistin des antikommunistisch orientierten Hearst-Presseimperiums, das sich vehement gegen jede Verletzung der amerikanischen Neutralität bezüglich des Spanischen Bürgerkrieges ausgesprochen hatte, versuchte ihre Leser auf diesen politisch harmloseren Interpretationsansatz einzuschwören: „Blockade“, Walter Wanger’s courageous indictment against war, produced while Spain is suffering the horrors of devastating civil strive, opened yesterday. […] Making no pretense of taking sides, „Blockade“ is a definite appeal to the finer sensibilities of humanity – a plea to keep the noncombatants, the innocent babes, women and children and old people from the suffering that war must impose. No matter what your opinion of „Blockade“ […] you must admire the courage of Walter Wanger.134
Weniger versöhnlich zeigten sich im Anschluss an die Premiere des Filmes am 3. Juni 1938 diverse katholische Interessengruppen sowie auch einige Veteranenorganisationen, die – wie bereits erwähnt – schon seit den zwanziger Jahren die Funktion inoffizieller Sittenwächter über die US-Filmindustrie bekleidet hatten. Wohl nicht zuletzt inspiriert durch die Untersuchungen des House Un-American Activities Committee begannen sie schon im April 1937 gegen die „Ausbreitung kommunistisch-radikalen Gedankenguts“ auf amerikanischen Kinoleinwänden zu wettern. Durch publicity-wirksame Aktionen wie Aufführungs-Boykotte und Demonstrationen versuchte man, die kalifornische Regierung zum Erlass eines Gesetzes zur Bekämpfung filmischer Propaganda zu zwingen. Ein Sprecher der katholischen Bruderschaft Knights of 131 Ebenda. 132 Movie of the Week: Blockade, in: Life Magazine (13.06.1938), 60, zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 258. 133 So behauptete ein Rezensent der Filmfachzeitschrift Variety, dass der Film aufgrund von Wangers fehlender politischer Parteinahme keine „wirkliche Größe“ erlangen könne. Einen derartigen Film zu produzieren sei mit dem „wirkungslosen Verschießen von Platzpatronen“ zu vergleichen. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 258. 134 Louella O. Parsons, Vital Message, Thrills, Beauty in „Blockade“, in: Los Angeles Examiner (ohne Datum), zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 262.
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Columbus bekräftigte in der Hearst-Zeitung Los Angeles Examiner die angebliche Dringlichkeit derartiger Maßnahmen: „Aware of the crying need of a means of suppressing such radical attempts to force vicious propaganda upon American moviegoers, we thereupon are determined to take definite steps toward elimination of such inflammatory cinemas.“135 Der Film Blockade wurde zu einem „Paradebeispiel“ für die kommunistische Infiltration Hollywoods stilisiert; alle beteiligten Künstler diffamierte man als „unamerikanisch“.136 Auch Dieterle bezichtigte man im Bulletin, dem offiziellen Organ der Knights of Columbus, „kommunistischer Ambitionen“. Unter dem skandalisierenden Titel „Director Has Ambition to Glorify Karl Marx“ instrumentalisierte man seine allgemein bekannte und bereits seit Beginn der zwanziger Jahre existierende Affinität zur russischen Literatur und Filmkunst für eine gezielte Infragestellung seiner Loyalität zu den USA. Ein wenige Monate zuvor von Dieterle in einem Interview unvorsichtig geäußertes allgemeines Lob der russischen Film-Produktionsbedingungen wurde aus seinem Kontext gelöst und inhaltlich inkorrekt wiedergegeben; man schrieb: „His [Dieterle’s] ambition, he said, is to do a picture on the life of Karl Marx. If he cannot do it in Hollywood, he stated, he will go to Russia and make it.“137 Entgegen der vor der Premiere von Wanger verkündeten Absicht, unparteiisch zu bleiben, seien die Kriegsparteien – so hieß es weiter im Bulletin – sehr leicht zu identifizieren. Ihre Darstellung sei überdies mehr als einseitig, die Vergehen der Republikaner gegen die katholische Kirche Spaniens seien tabuisiert worden.138 Über diese Attacken in der Presse hinausgehend versuchten katholische Interessengruppen außerdem, durch massiven Druck auf lokale Behör135 Fight against Red Films Opens Here, in: Los Angeles Examiner (20.04.1937), Motion Pictures – Communistic file, Hearst Newspaper Collection, USC. Weitere an den Protesten beteiligte Gruppierungen waren die Veteranenvereinigung American Legion, die christliche Gemeinschaft der Elks, die Legion of Valor, die Veterans of Foreign Wars sowie die Daughters of the American Revolution. Break Grip of Red Films! in: Los Angeles Examiner (23.05.1937), Motion Pictures – Communistic file, Hearst Newspaper Collection, USC; K. of C. Heads Map Campaign on Red Films, in: Los Angeles Examiner (30.04.1937), Motion Pictures – Communistic file, Hearst Newspaper Collection, USC. Vgl: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 179. 136 Frank S. Nugent, Blocking „Blockade“. Walter Wanger’s Anti-War Film Brings Up Another Censorship Problem, in: The New York Times (26.06.1938), 3. Vgl. auch: Producer Defends Movie Blockade, in: The New York Times (19.06.1938), 7; K. of C. Criticizes Movie, in: The New York Times (20.06.1938), 11. 137 „Blockade“ Given Pink Pedigree, in: Knights of Columbus, Hollywood Council 2406 (1938), 9. Auch in qualitativer Hinsicht wurde der Film im Bulletin verrissen: „The entertainment value of the picture is poor. The film is stupid, the plot weak, confused, and the continuity poor; the acting is only mediocre, the photography leaves much to be desired and the staging is frequently absurd.“ Ebenda, 27. Zu Dieterles Interview über russische Produktionsbedingungen vgl.: Kapitel III/2 (Abschn. 2) dieser Arbeit. 138 „Blockade“ Given Pink Pedigree, in: Knights of Columbus, Hollywood Council 2406 (1938), 27.
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den ein offizielles Verbot des Filmes zu erwirken. Die einflussreiche Legion of Decency klassifizierte den Film als „SC“ (seperate classification), in Verbindung mit folgender Anmerkung: „Many people will regard this picture as containing foreign political propaganda in favor of one side in the present struggle in Spain.“139 Etliche liberale Beobachter der amerikanischen Filmindustrie sahen in dieser massiven Einflussnahme, die jenseits der bereits seit Langem ausgeübten moralischen Sittenwacht nun auch das Feld der Politik beschritt, eine große Bedrohung für ein in Hollywood längst überfälliges Erwachen politischen Bewusstseins. Sie äußerten die Befürchtung, dass der – unter anderem durch mutige Werke wie Dieterles Biographien – gerade erst begonnene Prozess des filmischen „Erwachsen-Werdens“ auf diese Weise leicht wieder ins Stocken geraten könne.140 Der Autor Frank S. Nugent charakterisierte in der New York Times diese bedenklichen Implikationen der Blockade-Kontroverse: Perhaps we have been wrong in blaming the Hays office and the commercially minded producers for the screen’s reluctance even to tiptoe along the jagged edges of contemporary problems. In view of the outcry against Walter Wanger’s „Blockade“, we wonder if the public is not the guilty party. […] We always have derived some small comfort from the thought that Hollywood’s fear of treating major contemporary themes was inspired by threats from abroad. […] But now we are not so firm in our faith in the tolerance of the American public. „Blockade“, of course, dealt with Spain and indirectly, therefore, touched the religious question. But the haste with which its opponents clamored for its withdrawal, for its boycott and for other punitive measures is dangerously symptomatic of a growing appetite to suppress any opinion running counter to one’s own.141
Um sich dieser durch Nugent nicht unzutreffend charakterisierten bedenklichen Herausbildung einer willkürlich ausgeübten politischen Zensur einflussreicher Interessengruppen entgegenzustellen, rief Hollywood im Juli 1938 das Freedom of the Screen Committee ins Leben – ein höchst heterogener Zusammenschluss von etwa sechzig lokalen Gruppen und Gewerkschaften, die sich im Rahmen mehrerer Versammlungen für die künstlerische Freiheit des Mediums Film aussprachen.142 Der Disput um Blockade entwickelte sich zum Hauptgegenstand engagierter Reden und Podiumsdiskussionen; Dieterle und 139 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 260. Eine derartige Klassifikation erfolgte zum ersten Mal in der Geschichte der Legion. Ebenda. 140 Legion of Decency Exposes Itself, in: Film Survey (August 1938), 1, zit. nach: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 260–261. 141 Frank S. Nugent, Blocking „Blockade“. Walter Wanger’s Anti-War Film Brings Up Another Censorship Problem, in: The New York Times (26.06.1938), 3. 142 Die weite Spanne der teilnehmenden Gruppen umfasste Organisationen wie das Council of Jewish Women, die Veterans of Foreign Wars, die Elk’s Lodge oder das American Council of American Legion, aber auch Gewerkschaften wie die Cooks and Waiters Union, die Newspaper Guild oder die Screen Writers Guild. 60 Organizations Unite for Freedom of Screen, in: Hollywood Now (22.07.1938), 3. Zur Gründung des Freedom of the Screen Committee vgl. auch: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 263–264.
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Wanger wurden wiederholt namentlich erwähnt und als wichtige Mitglieder des Komitees willkommen geheißen. Auf mehreren Spenden-Veranstaltungen, die man jeweils mit einer Vorführung des umstrittenen Filmes verband, gelang es, die finanziellen Mittel für die Entsendung von 18 Krankenwagen in das spanische Kriegsgebiet aufzubringen.143 Gestärkt durch die große ihm dargebrachte Unterstützung entwickelte sich Wanger in der darauffolgenden Zeit zu einem Vorkämpfer für die Freiheit der amerikanischen Filmindustrie, der (wie auch sein politisch engagierter Regie-Kollege John Ford) regelmäßig in der Presse in Erscheinung trat; so monierte er zum Beispiel im Februar 1939 in der New York Times das aus seiner Sicht vollkommen antiquierte, beharrliche Festhalten der Production Code Administration an der Theorie des „pure entertainment“: But slowly this world was disintegrating. […] Yet the production code, created to avoid responsibility, was still maintained as if nothing had happened. And under this code it is almost impossible to face and deal with the modern world. The industry no doubt felt uneasy about this. To justify itself it formulated the theory of pure entertainment. Democracy depends upon the easy and prompt dissemination of ideas and opinions. The motion picture is potentially one of the greatest weapons for the safeguarding of democracy. But if it is hobbled and haltered – if it cannot speak truthfully and freely where great issues are involved – then it can be a weapon turned against democracy. Democracies, unwisely fearing the power of the medium, have not allowed it to speak for democratic principles, whereas the totalitarian States, more shrewdly realizing the power of the films, have used them to the nth degree to spread their doctrines. What we who believe in our democracy would like to do is to make films that would counteract these totalitarian ideologies, and make ours more effective by using the truth that is on our side. I do not call this propaganda. I call this a necessary patriotic service.144
In der Realität gelang es jedoch auch dem sogenannten „unabhängigen Produzenten“ Wanger nicht, sich aus dem in Hollywood vorherrschenden dichten Geflecht von Abhängigkeiten zu befreien. Sein zweites für das Frühjahr 1938 geplantes Filmprojekt, das gleich im Anschluss an die Fertigstellung von Blockade ebenfalls unter der Regie Dieterles und mit einem Drehbuch John Howard Lawsons realisiert werden sollte, scheiterte bereits vor Beginn der Dreharbeiten. Das politisch hochbrisante Skript mit dem Arbeitstitel Personal History, basierend auf dem gleichnamigen autobiographischen Buch des Auslandskorrespondenten Vincent Sheean, behandelte in thematischer Anknüpfung an Blockade ebenfalls den Spanischen Bürgerkrieg sowie – darüber hinausgehend – auch die Verbrechen der Nationalsozialisten gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands.145 Führte man in der Presse Besetzungsprobleme
143 Ceplair/Englund, The Inquisition in Hollywood, 115. 144 Mr. Wanger Hails the New Era, in: The New York Times (26.02.1939), 4. 145 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 266. Mierendorff zufolge hatte ursprünglich Dieterle dem Produzenten Wanger das Buch für eine Verfilmung vorgeschlagen. Mierendorff, William Dieterle, 110.
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als Grund für den plötzlichen Abbruch der Vorbereitungen an146, entwickelten Filmhistoriker jedoch auf der Grundlage der Korrespondenz Wangers mit der Production Code Administration sowie der Aussagen des Autors Lawson eine abweichende Theorie. Offensichtlich war es der katholischen Kirche gelungen, Druck auf Wangers katholische Banker auszuüben, die diesem im Falle einer Weiterführung des Projektes mit der Ablehnung sämtlicher zukünftiger Kreditanträge gedroht hatten.147 Auch an den übrigen Filmstudios, die die Genese der Projekte Blockade und Personal History aufmerksam verfolgt und als eine Art „Testlauf“ für politisch engagierte Filme betrachtet hatten, gingen diese Erfahrungen Wangers nicht spurlos vorüber.148 Akribischer als je zuvor folgte man in den anschließenden Monaten den Empfehlungen der Production Code Administration bezüglich der Portraitierung ausländischer Nationen; von jeder weiteren Annäherung an das heikle Thema des Spanischen Bürgerkrieges wurde lange Zeit vollkommen abgesehen.149 Auch für Dieterle hatte der loan-out an Walter Wanger und der daraus resultierende Film Blockade weittragende Konsequenzen, er erregte – wie auch die übrigen Mitarbeiter des Projektes – die Aufmerksamkeit der amerikanischen Antikommunisten und des FBI, die fortan jeden seiner weiteren Schritte misstrauisch beobachteten. Handelte es sich zunächst noch nicht um ein konkretes blacklisting, war jedoch ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Politisierung seiner Person vollzogen. Ferner hatte er innerlich und – wie die Presseinterviews belegen – nun auch vermehrt nach außen deutlich wahrnehmbar begonnen, sich von seiner alten Heimat Deutschland endgültig zu lösen. Die aggressive Reaktion der deutschen Presse auf Blockade trug sicherlich dazu bei; so diffamierte die Lichtbildbühne im August 1938 unter dem Titel „Greuelfilme ohne Ende, Immer wieder Vergiftung der Weltatmosphäre“ den Film als ein unrealistisches Machwerk der „jüdisch dominierten“ amerikanischen Filmindustrie, man schrieb: „Blockade schildert den Spanischen Bürgerkrieg so, wie ihn sich der kleine Moritz in Hollywood vorstellt.“150 146 Die Filmfachzeitschrift Variety berichtete im Juni 1938, dass das Projekt aufgrund von Besetzungsproblemen eingestellt werde, da der für die Hauptrolle vorgesehene Schauspieler Henry Fonda nicht verfügbar sei. „Personal History“ Shelved by Wanger; Fonda to RKO, in: Variety (29.06.1938), Personal history file, PCA, AMPAS. 147 Brief Joseph Breens an Will Hays, (18.06.1938), Personal history file, PCA, AMPAS; Brief Joseph Breens an Walter Wanger, (21.06.1938), Personal history file, PCA, AMPAS; Lawson, Film. The Creative Process, 127. Zum Einfluss der katholischen Banker auf Wanger siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 266. 148 Zur Funktion Blockades als „Testlauf“ für Filme mit politischem Anliegen siehe: Ebenda, 262. 149 Erst im Jahre 1943 wagten sich die Paramount Studios mit der Hemingway-Verfilmung For Whom the Bell Tolls wieder an das Thema des Spanischen Bürgerkrieges heran; die Regie führte Sam Wood. 150 Greuelfilme ohne Ende, Immer wieder Vergiftung der Weltatmosphäre, in: Lichtbildbühne 189 (13.08.1938), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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Thomas Manns Vortrag „The Coming Victory of Democracy“: Dieterles folgenreiche Exponierung auf der politischen Bühne der antifaschistischen Emigration The Red menace continues to engage Hollywood. It has become known that two lots have organized espionage systems to trace communistic utterances and tendencies. One studio is reported to have hired detectives to mingle with employees and another is said to have instructed loyal members to report suspicious activities.151
Wie diese im November 1936 entstandenen Zeilen des Hollywood-Korrespondenten der New York Times Douglas W. Churchill belegen, entlud sich in dem öffentlich ausgetragenen Konflikt um Dieterles Film Blockade eine bereits seit geraumer Zeit bestehende Spannung zwischen den zunehmend einflussreichen amerikanischen Antikommunisten und linken beziehungsweise liberalen Mitarbeitern der Filmindustrie, die versuchten, einer von ihnen mehr denn je empfundenen politischen Verantwortung des Mediums Film gerecht zu werden. Unter dem Titel „Hollywood Faces the Foreign Influences“ berichtete Churchill über die umfangreichen Bemühungen der Studioleiter, ihre Filmproduktion gegen jede unerwünschte Politisierung abzuschotten und – damit natürlich den Antikommunisten direkt in die Hände spielend – alle „verdächtigen“ Aktivitäten in ihrem Einflussbereich aufzudecken. Schnell sollte sich jedoch herausstellen, dass dieses recht weitgehende Entgegenkommen der Studios keineswegs ausreichte, um antikommunistische Attacken nachhaltig abzuwehren. Bereits gut ein Jahr später erfolgte durch das USRepräsentantenhaus die Einsetzung beziehungsweise Reorganisation des House Un-American Activities Committee (HUAC), das sich unter der Leitung des texanischen Demokraten Martin Dies der Untersuchung kommunistischer Aktivitäten in den USA widmen sollte.152 Wenige Wochen nach der Übernahme seines neuen Amtes kündigte Dies eine eingehende Überprüfung der seiner Meinung nach stark kommunistisch „infiltrierten“ amerikanischen Filmindustrie an; für den September 1938 seien hearings geplant, in denen einige Mitglieder der Filmkolonie die Möglichkeit hätten, auf entsprechende Vorwürfe zu reagieren. Auf der Verdächtigen-Liste standen US-Filmgrößen 151 Douglas W. Churchill, Hollywood Faces the Foreign Influences; With Bows to the Latin, Concern About Some Others and a Hiss for the Reds, in: The New York Times (08.11.1936), X5. 152 Bereits seit der Russischen Revolution herrschte in den USA eine ausgeprägte Red Scare, die Furcht vor einem kommunistischen Umsturz der amerikanischen Demokratie, die wiederholt in der Einrichtung von Untersuchungskomitees zur Aufdeckung entsprechender „umstürzlerischer Aktivitäten“ mündete. Der unmittelbare Vorgänger des ab 1938 existierenden HUAC war das Special Committee on Un-American Activities (1934–1937) unter der Leitung John W. McCormacks und Samuel Dicksteins, das neben kommunistischen Aktivitäten auch die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda in den USA untersuchte. Zu Entwicklungsgeschichte der Red Scare in den USA siehe zum Beispiel: Schmidt, Red Scare, 2000.
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wie James Cagney, Humphrey Bogart, Franchot Tone oder Frederic March, aber auch deutschsprachige Emigranten wie Fritz Lang.153 Verlief diese erste Untersuchungswelle ab 1940 angesichts des europäischen Kriegsgeschehens zunehmend im Sande, gelang es den meisten „Verdächtigen“ jedoch nicht, sich zu diesem Zeitpunkt dauerhaft von den gegen sie vorgebrachten Anschuldigungen zu befreien; ihre Namen sollten wenige Jahre später erneut auf den Listen des HUAC erscheinen.154 Zählte Dieterle zwar nicht offiziell zu den wichtigen Zielpersonen des Komitees und hatte er sich niemals – wie zum Beispiel die Emigranten Bertolt Brecht und Hanns Eisler – in einer der berüchtigten Anhörungen für seine politischen Überzeugungen zu rechtfertigen, gelang es jedoch auch ihm nicht, allen Anfeindungen amerikanischer Antikommunisten erfolgreich aus dem Wege zu gehen. Wie bereits angedeutet war dem im Frühsommer 1938 eskalierenden Konflikt um den Film Blockade wenige Monate zuvor ein für Dieterle höchst unerfreuliches Presse-Fiasko vorausgegangen. Ermutigt durch die Leitung der Warner Bros. Studios hatte der Regisseur im Frühsommer 1937 eine Europareise angetreten, auf der er – neben einigen privaten Unternehmungen wie einem Aufenthalt in Paris und einer Kreuzfahrt nach Spitzbergen – auch Moskau und Leningrad besuchte, um ein quasi offizielles Studium der technischen Fortschritte in der sowjetischen Filmindustrie zu absolvieren.155 Im Anschluss an seine Rückkehr organisierte Warner Bros. ein kleines zwangloses Mittagessen, während dessen er im Beisein einiger Studiovertreter Interviews über seine gewonnenen Eindrücke bezüglich der Sowjetunion gab. Freimütig verlieh er seiner Sympathie für das russische Volk sowie seiner Bewunderung für dessen Errungenschaften auf dem Filmsektor Ausdruck und berichtete begeistert von den Plänen der Lenfilm-Studios eine – durch seine amerikanischen Werke inspirierte – KarlMarx-Biographie zu drehen. Gefragt nach seiner Einschätzung der aktuellen Situation in der deutschen Filmproduktion, bezeichnete er diese als „hoffnungslos“ aufgrund der permanenten Eingriffe durch die Nationalsozialisten.156 Amerika und die Sowjetunion seien die einzigen Länder, in denen es sich für den Filmmann leben ließe. Bereits kurze Zeit später musste Dieterle begreifen, dass er sich mit einigen dieser sehr ehrlich geäußerten Bemerkun153 Hollywood Stars Accused as Reds Before Grand Jury, in: The New York Times (15.08.1940), 1. 154 Zu den Untersuchungen Hollywoods durch das HUAC ab 1947 siehe zum Beispiel: Kahn, Hollywood on Trial, 1948; Muscio, Hexenjagd in Hollywood, 1982; Bentley, Thirty Years of Treason, 1971. 155 Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 158–180. Ein zuvor geplanter Besuch des Ehepaares in Deutschland wurde wieder abgesagt, da ein einflussreicher Angestellter der UFA in Berlin Dieterle vor einer möglichen Verhaftung gewarnt hatte. Mierendorff, William Dieterle, 99. 156 Louise Mitchell, The Finest Films in the World, in: Daily Worker (30.09.1937), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Dieselbe Einschätzung äußerte Dieterle auch bezüglich der italienischen Filmproduktion. Ebenda.
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gen auf ein gefährliches Terrain begeben hatte, da die Interviewer sie – je nach Belieben und politischer Ausrichtung ihrer Zeitung – verzerrten und für tendenziöse Zwecke missbrauchten. So schrieb zum Beispiel Louise Mitchell in der kommunistischen Tageszeitung Daily Worker unter der Überschrift „The Finest Films in the World. William Dieterle, America’s Foremost Director, Returns from the Soviet Union Praising Its Films Skyhigh and Eager to Direct Life of Karl Marx“, dass Dieterle persönlich an dem Karl-Marx-Stoff interessiert sei. Ferner könne er es sich durchaus vorstellen, als Filmemacher in der Sowjetunion zu leben, da dort vermutlich eine höhere künstlerische Freiheit als in Hollywood zu erreichen sei.157 Auch die konservative Zeitung New York World Telegram versuchte – allerdings mit einer anderen Wirkungsabsicht – den Regisseur zu einem kommunistisch orientierten, das eigene Nest beschmutzenden Kritiker Hollywoods zu stilisieren, der russische Filme für die besten der Welt halte.158 Die Reaktionen der rechtsgerichteten amerikanischen Presse ließen nicht lange auf sich warten, Dieterle wurde erstmals das Ziel irrationaler antikommunistischer Attacken, deren Schärfe ihn überraschte und erschütterte.159 Im November 1937 verlieh er in einem Brief an Paul Lehmann, einem in Berlin wohnenden Bekannten, seiner Empörung über die ihm zuteil gewordene Behandlung durch amerikanische Zeitungen Ausdruck. Ferner versuchte er, seine in den Interviews geäußerte Kritik an der deutschen Filmindustrie abzumildern und die zumindest verhalten praktizierte anti-nationalsozialistische Firmenpolitik der Warner Bros. Studios zu verschleiern – eine Vorgehensweise, die aus der heutigen Perspektive in Kenntnis der nachfolgenden historischen Ereignisse sowie in Kenntnis der großen Rolle Dieterles in der Flüchtlingshilfe auf den ersten Blick befremdlich wirken muss: [M]eine Eindruecke [in Russland] waren durchaus nicht nur positiver Art […] aber viele […] Zeitungsleute liessen sich leider so sehr von ihrer persoenlichen Einstellung fuehren, dass sie meine Aeusserungen willkuerlich fuer ihre eigenen tendenzioesen Zwecke missbrauchten und entstellten. […] Meine ganze Arbeit, mein Leben, mein Denken ist der Film. Unter diesem Gesichtspunkt – und nur unter diesem – muessen diese Dinge betrachtet werden, und nur so ist es auch zu beurteilen, wenn ich von Amerika und Russland als von den einzigen Laendern sprach, in denen es sich – fuer den Filmmann – leben laesst. Denn diese beiden Laender haben nicht nur den groessten Absatzmarkt fuer Filme, sondern sie sind auch beide in vieler Hinsicht noch so unerschlossen, dass darin ein grosser Reiz fuer jeden vorwaertsdenkenden Filmmenschen 157 Ebenda. 158 Russian Films Best Says Director Dieterle, in: New York World Telegram (22.09.1937), 37, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 159 Mierendorff, William Dieterle, 102–103. Auch in der deutschen Presse erfolgten antikommunistische Attacken gegen Dieterle; so vermutete die Berliner Börsen-Zeitung unter der Überschrift „Hollywood oder Komintern?“, dass der Regisseur die Finanzierung seiner geplanten Marx-Biographie aus Moskau erhalte. Streiflichter: Hollywood oder Komintern? in: Berliner Börsen-Zeitung (04.11.1937), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) liegt. Wie kann man darin eine Stellungnahme gegen Deutschland sehen? Ich habe ja auch den beiden Laendern England und Frankreich, die beide eine sehr grosse Produktion haben, nicht die filmischen Zukunftsmoeglichkeiten von Russland und Amerika zugesprochen. Ich haette bestimmt Deutschland in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen, wenn ich vorher dort gewesen waere. […] In einer so stark kolonialen Atmosphaere wie der hiesigen, in der der Klatsch die ueppigsten und kuriosesten Blueten treibt, in der persoenliche und hoechst eigennuetzige Triebe den „boesen Nachbarn“ zu allen Mitteln greifen lassen, um selbst den Froemmsten nicht in Frieden leben zu lassen, – in dieser Atmosphaere geraet man nur allzu leicht in den Zerrspiegel der Intrigue [sic!]. Ich bekomme das immer wieder zu spueren, denn die eine Seite schimpft mich Kommunist – die andere Nazi. Es bleibt die Tatsache, dass Warner Brothers in all den Jahren die ich der Firma angehoere, keinerlei Antinazi Propaganda getrieben und nicht einen einzigen Film hergestellt haben, der Deutschland direkt – oder deutschen Interessen in der Welt geschadet haette, ganz im Gegensatz zu manch anderen hiesigen Firmen. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass unsere Firma keinerlei geschaeftlichen Vorteil davon hat, da sie ja keinen Verleih in Deutschland besitzt.160
Lässt sich der Grund, der Dieterle im November 1937 dazu bewog, seine antinationalsozialistische Gesinnung wie auch die der Gebrüder Warner herunterzuspielen, nicht mehr eruieren, da die erhaltenen Quellen keine weiteren (diesbezüglich eventuell aufschlussreichen) Informationen zur Identität des Adressaten Paul Lehmann bieten, gewährt der Brief jedoch Einblick in die höchst zwiespältige Gefühlslage, in der er sich in dieser politisch turbulenten Zeit befunden haben muss. Der Umstand, dass er offenbar das Bedürfnis verspürte, sich gegenüber dem Adressaten zu rechtfertigen, deutet – ungeachtet eventueller heute unbekannter „strategischer Hintergedanken“ seinerseits – auf seine zu dem damaligen Zeitpunkt immer noch existierende Verbindung zur ehemaligen Heimat Deutschland hin. Wie Marta Mierendorff in ihrer Dieterle-Biographie zu Recht betont, entband die Annahme der amerikanischen Staatbürgerschaft im Mai 1937 den Regisseur keineswegs vollständig von Kontakten mit Deutschland – zumeist abgewickelt über das deutsche Generalkonsulat von Los Angeles unter der Leitung Dr. Georg Gysslings. Um das gute Einvernehmen mit dem Konsul so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, ließ er diesem Weihnachten 1937 sogar zwei Flaschen Whiskey zukommen.161 Sowohl Dieterle selbst als auch seine Frau hatten zahlreiche Verwandte in Deutschland, die sie von nun an nur noch mit einem durch das Konsulat ausgestellten Visum besuchen konnten. Ferner hegte der Regisseur zu diesem Zeitpunkt immer noch gewisse geschäftliche Interessen an der deutschen Filmindustrie; vehement kämpfte er um (heute leider unbekanntes) Filmmaterial, das ihm seiner Meinung nach die UFA-Studios schuldeten. Auch bestanden bei ihm eine gewisse Zeit lang noch Hoffnungen auf eine 160 Brief William Dieterles an Paul Lehmann, Berlin (Steglitz), (04.11.1937), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin, (Hervorhebungen im Original). 161 Mierendorff, William Dieterle, 98.
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Vorführung seiner amerikanischen Filmerfolge, insbesondere des Midsummer Night’s Dream, in deutschen Kinos – notfalls sogar unter Inkaufnahme großer Konzessionen. So hatte er im Herbst 1935 diesbezüglich zum Beispiel mit dem befreundeten Chefredakteur der Zeitschrift Film-Kurier Ernst Jäger korrespondiert. Jäger antwortete Dieterle, dass es sicherlich Möglichkeiten gäbe, falls man die vorhandenen Kontakte zur deutschen Filmindustrie (namentlich Jägers Freundschaft mit Leni Riefenstahl) geschickt einzusetzen wüsste.162 Die Warner Bros. Studios zeigten sich von der Idee einer Vorführung in Deutschland jedoch nicht begeistert; insbesondere nicht von der damit verbundenen Auflage, Max Reinhardts Namen aus dem Vorspann des Midsummer Night’s Dream zu streichen. Charlotte Dieterle, die die Verhandlungen mit Jäger geführt hatte, erhielt diesbezüglich einen recht deutlichen Brief des New Yorker Hauptbüros: During Mr. J. L. Warner’s stay in New York he brought to my attention the fact that you have correspondence from someone in Berlin stating that some parties are endeavoring a deal for our production ‚A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM‘ for distribution in Germany. However, they have made one of the conditions to read as follows: that we eliminate the name of Reinhardt. […] All the Continental business is done out of our Paris office, which Mr. Robert Schless has charge of. […] Mr. Schless has not given any information as to any inquiry with reference to the two pictures referred to. Of course, I might say further that should we receive a request to deal for ‚A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM‘ we would not listen nor countenance the elimination of Reinhardt’s name, in Germany or anyplace else. While the transactions are handled by Mr. Schless full details must be submitted here and no deal can be made until it has our approval.“163
Bemühte sich Dieterle noch bis zum Ende des Jahres 1937 um eine „politische Schadensbegrenzung“ im Umgang mit den amerikanischen Antikommunisten und – wie die Kontakte nach Deutschland beziehungsweise zu Gyssling belegen – sogar mit den Nationalsozialisten, sollte er jedoch bereits wenige Monate später seine Strategie der diplomatischen Zurückhaltung und problematischen Leugnung aufgeben. Vielleicht nicht zuletzt durch die Ermutigung seines Arbeitgebers Harry Warner, der am 15. Dezember 1937 seine Angestellten offiziell dazu aufforderte, politisch wachsamer zu werden und sich an der dringend notwendigen anti-nationalsozialistischen Aufklärungsarbeit zu beteiligen, begann er sich vermehrt als Mitglied der Hollywood Anti-Nazi League (HANL) zu exponieren – einer Organisation, der er vermutlich seit ihrer Gründung am 8. Juni 1936 angehört, sich jedoch bislang im Hintergrund gehalten hatte.164 Ins Leben gerufen von namhaften Persönlichkeiten der 162 Brief Ernst Jägers an William Dieterle, (26.11.1935), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 163 Brief des New Yorker Warner Bros. Büros an Charlotte Dieterle, (14.01.1936), Midsummer Night’s Dream papers, WBA, USC. 164 Während Mierendorff vermutet, dass Dieterle sich aufgrund der in Deutschland praktizierten „Sippenhaft“ anfänglich nicht in der HANL exponierte, waren seine wirklichen Beweggründe wahrscheinlich vielschichtigerer Natur. Neben der sicherlich bestehenden
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Filmindustrie und des internationalen antifaschistischen Widerstandes wie dem Drehbuchautor Donald Ogden Stewart, dem Katholiken Hubertus Prinz zu Löwenstein und dem kommunistisch orientierten Herausgeber zahlreicher politischer Schriften Otto Katz wurde die HANL für einige Jahre zu einer einflussreichen amerikanischen Volksfront-Organisation, der es gelang, Linke, Liberale und auch Konservative unter dem Dach gemeinsamer politischer Anliegen zu vereinen.165 Neben der sehr erfolgreichen Sammlung von Spenden für die Opfer des Nationalsozialismus, für den deutschen Untergrund und für die Unterstützung der spanischen Republikaner, konzentrierte sich die HANL in erster Linie auf die notwendige Aufklärung der amerikanischen Bevölkerung bezüglich der beängstigenden politischen Ereignisse in Europa – hauptsächlich mittels einer eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufenen Zeitung namens Hollywood Now, auch bekannt unter den Titeln Anti-Nazi News und News of the World. Auffällig war von Beginn an die verblüffende Exaktheit, mit der die Zeitung die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland schilderte. Ein ausgeprägter Reichtum an Details lässt auf umfangreiche Kontakte der HANL zu Anti-Faschisten im Ausland und in den später von Hitler okkupierten Gebieten schließen. So erschien zum Beispiel im April 1939 in einer Ausgabe der Zeitung eine Landkarte des faschistischen Deutschland, in der akribisch genau die Standorte von Gerichtsgefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern verzeichnet waren; Berichte über Folterungen in Dachau und Namen von nationalsozialistischen Tätern ergänzten diese Karte.166 Des Weiteren erschienen regelmäßig Berichte über diejenigen Verfolgten des Dritten Reiches, die den Weg ins rettende Exil noch nicht angetreten hatten – in der Regel verbunden mit äußerst erfolgreichen Spendenaufrufen.167 In engagierten Berichten informierte man die Leserschaft außerdem über die nationalsozialistische Unterwanderung der USA, die im Jahre 1936 Furcht um seine deutsche Verwandtschaft sorgte er sich vermutlich auch um seinen eigenen Status in den USA (wie erwähnt war er gerade erst US-Staatsbürger geworden) sowie um seine Filmkarriere, für die eine politische Zurückhaltung grundsätzlich unerlässlich war. Wohl nicht vollkommen zufällig begann sein (öffentlich sichtbares) antinationalsozialistisches Engagement zu einem Zeitpunkt, als er mit seiner Zola-Biographie den Academy Award in der Kategorie „bester Film“ gewonnen hatte und somit ein wichtiger Höhepunkt in seiner amerikanischen Karriere erreicht war. Mierendorff, William Dieterle, 98. Zu Harry Warners politischem Aufruf an seine Studio-Angestellten siehe: Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 55. 165 Zu den Biographien Stewarts, Löwensteins und Katz’ sowie zu der Geschichte der HANL siehe: Patka, Otto Katz und die Hollywood Anti-Nazi League, in: Filmexil 17 (2003), 44–65; Roden, Die Hollywood Anti-Nazi League, in: Spalek/Strelka, Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Bd. 3, Teil 4, 377. 166 Hollywood Now 13 (04.04.1939). Vgl. dazu: Täubert, Im Dienste der Volksfront. Hollywood Now, in: Asper, Wenn wir von gestern reden, 159–168. 167 Auf diese Weise wurde zum Beispiel dem Komponisten Oskar Straus die Einreise in die Vereinigten Staaten ermöglicht. Ebenda, 162.
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(befördert durch die weltweite Euphorie im Zuge der deutschen Sommerolympiade) einen bedenklichen Höhepunkt erreicht hatte. Personen und Organisationen wie zum Beispiel der German-American Bund, die man im Verdacht hatte, pro-nationalsozialistisch zu sein, wurden öffentlich angeprangert. Auch einige führende Vertreter der US-Filmindustrie erhielten aufgrund ihrer bisweilen recht „herzlichen“ Kontakte nach Deutschland eine deutliche Rüge, die gelegentlich sogar ihre Wirkung zeigte.168 So bereiteten die Studios der Regisseurin Leni Riefenstahl, die im Herbst 1938 auf einer Werbetour für ihren Olympiafilm nach Los Angeles reiste, aufgrund einer vorherigen intensiven Gegenkampagne der HANL einen kühlen Empfang.169 Durch die exzellenten Verbindungen ihrer Gründer zur Filmindustrie gelang es der HANL nach ihrer Formierung rasch, eine lange Liste einflussreicher Mitglieder, die sich wie das „Who is Who“ Hollywoods las, zu gewinnen. Neben der wichtigen Publicity-Wirkung „zugkräftiger“ Persönlichkeiten wie Charles Chaplin, Marlene Dietrich, Edward G. Robinson, Paul Muni, Boris Karloff, Lewis Milestone oder Ernst Lubitsch erwies sich insbesondere der Beitritt der Gebrüder Warner als von unschätzbarem Wert. Harry Warner, der – wie dargelegt – bereits seit 1933 um eine Aufklärung der amerikanischen Bevölkerung bezüglich der in Deutschland durch die Nationalsozialisten begangenen Verbrechen bemüht war, wurde zu einem regelmäßigen finanzkräftigen Gast auf Veranstaltungen und Spenden-Dinners, häufig begleitet von seiner Tochter Doris Warner LeRoy und deren Mann, dem Warner Bros. Vertragsregisseur Mervyn LeRoy. Ferner räumte auf sein Geheiß der studioeigene Radiosender KFWB der HANL ab Januar 1937 zweimal wöchentlich Sendezeit ein, während der ein eigens gegründetes Radio-Komitee unter der Leitung Donald Ogden Stewarts die Bevölkerung mit Sendungen wie „Four Years of Hitler“ oder „Talent in Exile“ über das nationalsozialistische Deutschland und die Situation der Emigranten informierte.170 War Jack Warner in seinem politischen Engagement aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen zumeist grundsätzlich zurückhaltend, überwand auch er im Laufe der 168 So verhinderten Proteste der HANL im September 1937 die Gründung einer gemeinsamen Produktionsfirma des amerikanischen Produzenten Hal Roach mit Benito Mussolinis Sohn Vittorio (unter dem geplanten Namen RAM: Roach and Mussolini). Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 144. Auch initiierte die HANL mehrmals Protestaktionen gegen Metro-Goldwyn-Mayer, da man dort wiederholt Kontakt zu Künstlern wie Luise Ullrich pflegte, die in Verdacht standen, mit dem Nationalsozialismus zu sympathisieren. Place Nazi Brand on Metro Import, in: Boxoffice (09.04.1938), 20. 169 In den meisten Studios verwehrte man Riefenstahl den Eintritt; eine Party, die ursprünglich zu ihren Ehren gegeben werden sollte, wurde abgesagt. Leni Riefenstahl Still Getting Film Business Brushoff, in: Variety (07.12.1938), 1; Leni Riefenstahl Dodges Studios on Southland Tour, in: Los Angeles Times (01.12.1938), 2. 170 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 160–161. Die erste Radiosendung fand am 29. Januar 1937 statt. Ebenda, 160. Zum Engagement der Gebrüder Warner in der HANL siehe: Ebenda, 157–161.
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Zeit seine – unter anderem in einem antikommunistischen „Urmisstrauen“ begründete – Furcht vor einer aktiven Mitgliedschaft in der HANL und sandte damit ein wichtiges Signal innerhalb der Filmkolonie. Politisches, namentlich anti-nationalsozialistisches Engagement wurde „salonfähig“, die HANL war quasi legitimiert und zumindest vorübergehend nur noch einer verminderten Kritik durch die Antikommunisten ausgesetzt. Das Engagement in dieser Organisation entwickelte sich eine Zeit lang zu einer Art Mode-Erscheinung; so berichtete die Journalistin Ella Winter (verheiratet mit Donald Ogden Stewart) im Januar 1938 in der Zeitschrift The New Republic: „There is hardly a tea party today or a cocktail gathering, a studio lunch table or dinner even at a producer’s house at which you do not hear agitated discussion, talk of ‚freedom‘ and ‚suppression‘, talk of tyranny and the Constitution, of war, of world economy and political theory.“171 Wirkt dieser etwas weltfremde Bericht über die politisch aufgeheizten Tee-Partys aus heutiger Sicht allenfalls wie die ersten naiv-unbeholfenen Flugversuche der neuen Hollywood-Engagierten, wurden in dieser Zeit wichtige Persönlichkeiten des Filmgeschäftes für den Antifaschismus gewonnen – viele von ihnen aufgrund einer ausdrücklichen Ermutigung durch Harry und Jack Warner. Bedurfte es im Falle Dieterles sicherlich nicht – wie bei anderen im Studio beschäftigten Kollegen – einer expliziten Aufforderung Harry Warners zum Beitritt in die Hollywood Anti-Nazi League, muss das ab 1937 stetig wachsende (stark „legitimierende“) Engagement seiner Arbeitgeber in dieser Organisation ihn jedoch in dem neuen Kurs bestärkt haben, den er ab dem Frühjahr 1938 einschlug. War er zuvor – wie dargelegt – darum bemüht gewesen, seinen Namen in der Presse nicht mit der HANL in Verbindung zu bringen, beteiligte er sich nun an einer hochgradig medienwirksamen Großveranstaltung, die den publizistischen Höhepunkt ihrer antifaschistischen Aufklärungsarbeit bilden sollte. In Zusammenarbeit mit dem bereits erwähnten Modern Forum unter der Leitung des ehemaligen Rabbis Dr. Herman Lissauer – Leiter des Warner Bros. research departments – gelang es der HANL, den Schriftsteller Thomas Mann zu einer Lesung seines weltweit beachteten Vortrages The Coming Victory of Democracy, in der er die führende Rolle der USA im Kampf gegen den Nazismus betonte, in das Los Angeles Shrine Auditorium einzuladen.172 Dieterle beteiligte sich an den umfangreichen Vorbereitungen und nahm am Vorabend der am 1. April 1938 stattfindenden Veranstaltung an einem großen Spendendinner zu Ehren Manns im Privathaus Jack Warners teil, auf dem er – so vermutet Mierendorff – erstmalig persönlich mit
171 Ella Winter, Hollywood Wakes Up, in: The New Republic (12.01.1938), 276. 172 Mann reiste mit diesem Vortrag, zumeist begleitet von seiner Tochter Erika, in der Zeit von Anfang März bis Ende April 1938 durch zahlreiche amerikanische Städte. Noch im selben Jahr publizierte der New Yorker Verlag Alfred A. Knopf erstmalig den Text.
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dem Schriftsteller zusammentraf.173 Bereits etliche Tage zuvor hatte die Presse über die exklusive Veranstaltung (100 Dollar Spendenbeitrag pro Gedeck) berichtet, auf der sich neben dem Ehepaar Dieterle zahlreiche Vertreter der politisch engagierten kulturellen Prominenz wie Alan Campbell, Dorothy Parker, William Wyler, Miriam Hopkins, Anatole Litvak, Irving Berlin, Ernst Lubitsch, Edward G. Robinson, Oscar Hammerstein, James Cagney, Jean Hersholt, William A. Seiter, John M. Stahl, Harry Joe Brown und Sally Eilers einfanden.174 Bereits im Vorfeld konstatierte die Presse die große politische Signalwirkung der Veranstaltung innerhalb der Filmindustrie; so vermutete die Zeitschrift Variety unter dem Titel „Jack Warner’s Dinner to Exiled Thos. Mann May Touch off a Militant Anti-Hitler Campaign in Hollywood“, dass sich künftig auch weitere Studioleiter nach dem Vorbild der Gebrüder Warner an der anti-nationalsozialistischen Aufklärungsarbeit beteiligen könnten.175 Ivan Spear, Kolumnist der Zeitschrift Boxoffice, betonte die große Bedeutung der Entscheidung Warners für die bereits seit geraumer Zeit heftig geführte Debatte um die konsequente Tabuisierung des weltweit zunehmenden Antisemitismus durch das kommerziell orientierte Hollywood. Mit der öffentlichen Unterstützung des „Vorzeige-Emigranten“ Thomas Mann sei eine längst überfällige deutliche Stellungnahme gegen das nationalsozialistische Deutschland vollzogen worden: It is the general believe of Hollywood that most of the Jews in the industry’s high places are of the opinion that it is advisable not to manifest any open recognition of, or opposition to, the world’s rising tide of anti-Semitism. Regardless of their personal feelings in the situation – and, certainly, they can be of only one very obvious nature – these executives thus far have apparently been of the belief that anything other than an ostrich-like attitude is ill-advised. […] Last week Jack Warner evidenced signs of breaking away from this general position by publicly sponsoring a luncheon [sic!] for […] Thomas Mann, exiled German novelist here on a lecture tour. Quite possibly the decision to produce and release a picture about […] Haym Salomon is another step in this direction. […] The Warners are deserving of another round of applause for their daring and their disregard of the cloak of hypocritical indifference which has been the too-popular garment of Hollywood’s prominent Jews in their open reactions to the issues of Nazism and to the
173 Mierendorff, William Dieterle, 108. Bereits vier Tage später, am 3. April 1938, war Mann bei Dieterle zu Gast anlässlich einer „Soirée und Film-Vorführungen“, auf der der Film The Life of Emile Zola vorgeführt wurde; ebenfalls anwesend war Paul Muni. Mann, Tagebücher 1937–1939, (Eintrag vom 04.04.1938), 203. 174 Jack Warner Will Host Thomas Mann, in: Boxoffice (19.03.1938), 18; Ivan Spear, Spearheads, in: Boxoffice (19.03.1938), 13; Jack Warner’s Dinner to Exiled Thos. Mann May Touch off a Militant Anti-Hitler Campaign in Hollywood, in: Variety (23.03.1938), 2; Place Nazi Brand on Metro Import, in: Boxoffice (09.04.1938), 20. Vgl. auch: Mann, Tagebücher 1937–1939, (Eintrag vom 01.04.1938), 201. 175 Jack Warner’s Dinner to Exiled Thos. Mann May Touch off a Militant Anti-Hitler Campaign in Hollywood, in: Variety (23.03.1938), 2.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) activities of those deserving local organizations which are fighting, with the limited weapons at their command, against its further spread.176
Auch während der Vortragsveranstaltung am darauffolgenden Abend vor mehr als 6000 Zuschauern traten die Gebrüder Warner deutlich sichtbar in Erscheinung und verliehen damit den auf dem Podium versammelten deutschsprachigen emigrierten Ehrengästen wie Bruno Frank, Max Reinhardt, Ernst Lubitsch, Joseph Schildkraut, Luise Rainer, Heinz Herald und Karl Freund eine – nicht zu unterschätzende – zusätzliche Publicity-Wirkung.177 Dieterle hatte sich bereit erklärt, die an den Vortrag anschließende Diskussion zu führen, die angesichts der ca. zwei Wochen zuvor erfolgten Besetzung Österreichs und der damit verbundenen täglich eintreffenden Hiobs-Botschaften178 naturgemäß sehr emotional geführt wurde. Neben den Autoren Bruno Frank und Sinclair Lewis ergriff Erika Mann für eine längere Zeit das Wort und bat inständig um finanzielle Hilfe für die österreichischen Flüchtlinge, die sich seit dem Einmarsch Hitlers in einer ausweglosen Notsituation befanden. Im Anschluss an die Diskussion erfolgten eine Spendensammlung und ein Phototermin, den viele Zuschauer nutzten, um Autogramme der zahlreich anwesenden Stars zu sammeln.179 War für Thomas Mann – wie seine Tagebucheintragungen aus der Exilzeit nahelegen – die Vortragsveranstaltung im Shrine Auditorium ein mittlerweile schon zur Routine gewordener Pflichttermin, dem im Laufe der folgenden Jahre noch unzählige weitere folgen würden, bedeutete der Tag für Dieterle eine wichtige Zäsur in seinem neuen Lebensabschnitt auf amerikanischem Boden. Wie sich bereits kurze Zeit später herausstellen sollte, war sein öffentliches Eintreten für die Belange des Anti-Nationalsozialismus von mehreren Seiten aufmerksam registriert worden. Werteten die amerikanischen Antikommunisten sein Bekenntnis zur „hochgradig verdächtigen“ HANL als ein weiteres willkommenes Argument in ihrem zur gleichen Zeit stattfindenden Feldzug gegen den Film Blockade, betrachteten die Nationalsozialisten sein Verhalten als einen unwiderruflichen Abbruch aller noch verbliebenen Verbindungen zur ehemaligen Heimat. Dieterle war zu einer politischen Figur geworden, die von nun an das Schicksal vieler deutscher Emigranten in den 176 Ivan Spear, Spearheads, in: Boxoffice (02.04.1938), 23. 177 Weitere US-Filmgrößen auf dem Rostrum waren Dudley Nichols (Präsident der Screen Writers Guild), Robert Montgomery (Präsident der Screen Actors Guild), Rouben Mamoulian (Vertreter der Screen Directors Guild) sowie Mack Sennett, Jack Chertok, Hermes Pan, Charles Previn. Place Nazi Brand on Metro Import, in: Boxoffice (09.04.1938), 20. 178 Am Morgen desselben Tages war man durch die Zeitschrift Hollywood Now mit neuen alarmierenden Nachrichten aus dem nationalsozialistischen Einflussbereich konfrontiert worden: Entlassung Bruno Walters als Dirigent der Wiener Staatsoper, Entfernung des Wiener Burgtheater-Direktors Hermann Röbbeling aus seinem Amt, Verschleppung Pastor Martin Niemöllers in das KZ Dachau. Mierendorff, William Dieterle, 108. 179 Hollywood Now (09.04.1938), 1.
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USA teilte – jeder seiner Schritte wurde durch die deutschen Vertretungen aufmerksam beobachtet, die das Auswärtige Amt Berlin sofort über alle „reichsfeindlichen“ Handlungen in Kenntnis setzten. Auch über den Vortrag Manns wurde durch Beobachter im Publikum ein Bericht unter dem Betreff „Hetzpropaganda Thomas Mann“ angefertigt, der dem Generalkonsul Gyssling bereits am darauffolgenden Tag vorlag: Im Rahmen des „Modern Forums“, dessen Leiter ein Jude namens H. Lissauer ist, hat hier gestern Abend im hiesigen Shrine Auditorium eine Hetzversammlung groessten Stils stattgefunden. Der Hauptredner des Abends war der fruehere deutsche Schriftsteller Thomas Mann. Ausser ihm sprachen seine Tochter Erika und der wohl juedische Schriftsteller Bruno Frank. Der fruehere deutsche Filmregisseur Wilhelm Dieterle wirkte als Versammlungsleiter. Die Kundgebung, an der etwa 5000 Zuhoerer teilnahmen, war wohl die groesste, welche hier bisher im Rahmen der gegen uns gerichteten Hetzpropaganda stattgefunden hat. Die Filmwelt war wie ueblich stark vertreten und zwar auch durch die sich in hohen Stellungen befindenden Juden, welche sich sonst im Hintergrunde zu halten pflegen. Besonders die aus Deutschland und Oesterreich stammenden Film- und Theaterjuden waren ziemlich vollzaehlig angetreten, wie Max Reinhardt, Lubitsch, Luise Rainer und viele andere.180
Ein ausführliches Sitzungsprotokoll wurde beigefügt, in dem sich der Berichterstatter neben Manns Vortrag vor allem dem Spendenaufruf Erika Manns und dem (offensichtlich hervorhebenswerten, da für amerikanische Studioleiter eher ungewöhnlichen) Auftreten Jack Warners widmete.181 Bereits am 13. April 1938 reagierte Gyssling auf die neue nun auch öffentlich deutlich wahrnehmbare Rolle, die Dieterle im Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland eingenommen hatte. Unter dem Betreff „Hetzpropaganda Wilhelm Dieterle“ informierte der Konsul die deutsche Botschaft in Washington und beantragte eine sofortige Einreise-Sichtvermerk-Sperre für den Regisseur, dem damit die bis dahin zumindest noch theoretisch bestehende Möglichkeit für weitere Deutschlandbesuche offiziell genommen war. Seinem Gesuch fügte Gyssling folgende Erläuterung bei:
180 Bericht des deutschen Konsulats Los Angeles (im Auftrag von Georg Gyssling) an die deutsche Botschaft in Washington und an das Auswärtige Amt Berlin (Kopie), (02.04.1938), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. Auch von anderen Lesungen Manns ergingen Berichte an das deutsche Konsulat in Washington; die OriginalDokumente wurden von Mierendorff entdeckt, die sie dann in Kopie an mehrere Archive auf deutschem Boden weiterreichte. Mierendorff, William Dieterle, 108 Anm. 43. 181 Warner überreichte einen Scheck über 1000 Dollar, die zuvor bei einer nicht näher benannten Veranstaltung gesammelt worden waren. Eventuell handelte es sich bei der Veranstaltung um das Spendendinner am Vortag; die vom Berichterstatter genannte Summe von 1000 Dollar scheint dafür jedoch angesichts der langen Gästeliste und dem Spenden-Mindestbetrag von 100 Dollar pro Gedeck eigentlich zu niedrig. Bericht des deutschen Konsulats Los Angeles (im Auftrag von Georg Gyssling) an die deutsche Botschaft in Washington und an das Auswärtige Amt Berlin (Kopie), (02.04.1938), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) Mit Beziehung auf den Bericht vom 2. April d. Js. […] beantrage ich die Sichtvermerkssperre gegen den frueheren deutschen Staatsangehoerigen Wilhelm Dieterle, Regisseur bei der hiesigen juedischen Filmgesellschaft Warner Brothers, der im Mai v. Js. mit seiner Frau Charlotte Dieterle die amerikanische Staatsangehoerigkeit erworben hat. Die Gruende, welche Dieterle bewogen haben, oeffentlich gegen uns aufzutreten, sind zum mindesten zum Teil in seinen Zwistigkeiten mit der UFA zu suchen. Noch vor kurzen sagte er mir, dass er, wenn die betreffende Angelegenheit nicht in seinem Sinne erledigt werden wuerde, er „keine Veranlassung mehr haben wuerde, sich der von seinen juedischen Arbeitgebern von ihm verlangten anti-deutschen Betaetigung zu enthalten“. Es handelte sich dabei um die Ueberlassung von gewissen Filmen, welche die UFA ihm abgeschlagen hatte. Diese hierdurch zum Ausdruck gelangende Gesinnung Dieterles, eines erst vor einigen Jahren hierher gekommenen Deutschen, der Deutschland seine Laufbahn verdankt, scheint mir die Verweigerung eines Einreisesichtvermerkes zu rechtfertigen, nachdem er jetzt seine Drohung wahr gemacht hat. Es waere ferner wuenschenswert, wenn die deutsche Filmindustrie, zu der Dieterle noch gewisse Beziehungen hat, von dessen Beteiligung an der gegen uns gerichteten Hetze verstaendigt werden wuerde.182
Gelang es der Dieterle-Biographin Mierendorff auch nach längeren Nachforschungen nicht, die Hintergründe des angeblichen Konfliktes mit der UFA zu erhellen183, so dass die Aussagen Gysslings diesbezüglich vielleicht vollkommen unzutreffend sind, handelt es sich bei dem Schreiben dennoch um eine höchst aufschlussreiche Quelle. Wie die – grundsätzlich natürlich mit Misstrauen zu betrachtende – Behauptung des Generalkonsuls, dass Dieterle seine „jüdischen Arbeitgeber“ als Rechtfertigung für sein anti-nationalsozialistisches Engagement vorgeschoben habe, belegt, hatte der Regisseur sich zu der damaligen Zeit auf ein bedenkliches Verwirrspiel der Selbstverleugnung mit den nazideutschen Vertretungen in den USA eingelassen. Um seine von Gyssling erwähnten letzten Beziehungen zur deutschen Filmindustrie aufrechtzuerhalten, hatte er zu lange eine „gute Miene zum bösen Spiel“ gemacht. Ein fragwürdiger politisch-ethischer Spagat war die Folge, der ihn gewiss psychologisch zunehmend belastet haben muss. Sein öffentliches Bekenntnis zu den politischen Anliegen der anti-nationalsozialistischen Emigration kam somit einem längst überfälligen Befreiungsschlag gleich – der Umstand, dass die Gebrüder Warner es ihm zum selben Zeitpunkt gleichtaten, war sicherlich eine Beruhigung, nicht aber die notwendige Vorbedingung gewesen. Die im Laufe des Jahres 1938 zunehmend größer werdende Unterstützung der Hollywood Anti-Nazi League durch prominente Vertreter des amerikanischen Filmgeschäftes sollte durch die Nationalsozialisten nicht lange unbeantwortet bleiben. Während pro-nationalsozialistische amerikanische Gruppen wie der German-American Bund vehementer denn je eine „gründli182 Bericht des deutschen Konsulats Los Angeles (im Auftrag von Georg Gyssling) an die deutsche Botschaft in Washington und an das Auswärtige Amt Berlin (Kopie), (13.04.1938), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. 183 Mierendorff, William Dieterle, 109.
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che Säuberung“ der Filmmetropole von „jüdisch-bolschewistischen Einflüssen“ forderten184, kündigte die deutsche Regierung weitere Einfuhrbeschränkungen für US-Filme an.185 Nachdem Informanten aufkeimende Gerüchte, dass Hollywood neue anti-nationalsozialistische Spielfilme plane, in das Dritte Reich weitergeleitet hatten, nahm Hitler am 30. Januar 1939 in einer Rede vor dem Reichstag auf die „gigantische, jüdische Propagandamaschinerie“ Bezug, die durch Presse, Radio und Filme versuche, Deutschland zu diffamieren. Auf Anti-Nazi-Filme aus Amerika werde Deutschland mit antisemitischen Filmen reagieren, die man – so Hitler – bestimmt in vielen Ländern schätzen werde.186 Dieterle als Schlüsselfigur der Exilantenhilfe Handelte es sich bei Dieterles Loslösung von der ehemaligen deutschen Heimat – wie soeben dargelegt – um einen recht schmerzhaften und nicht immer vollkommen gradlinig verlaufenden Prozess, war dieser jedoch im April 1938 durch seine deutliche politische Exponierung im Zusammenhang mit der Thomas-Mann-Vortragsveranstaltung und durch seinen kontrovers diskutierten Spielfilm Blockade endgültig abgeschlossen. Aufgrund seiner sogenannten „hetzerischen Betätigung“ und der nachfolgenden Intervention Gysslings war ihm von nun an jede Einreise nach Deutschland verwehrt, seine noch sporadisch bestehenden Kontakte zur dortigen Filmindustrie waren abgebrochen. Befreit von den letzten eventuell noch empfundenen Verpflichtungen zur diplomatischen Rücksichtnahme widmete sich der Regisseur dem anti-nationalsozialistischen Kampf, der bald – wie zu zeigen sein wird – auch in seiner künstlerischen Tätigkeit für die Warner Bros. Studios neue Dimensionen annehmen sollte. In seinem Privatleben intensivierten sich die Kontakte zu der nach dem Anschluss Österreichs sowie schließlich nach dem Fall Frankreichs rasch größer werdenden deutschsprachigen Emigrantenkolonie von Los Angeles; aufgrund seiner ehemaligen Bedeutung in der Theaterszene der Weimarer Republik und seiner umfassenden literarischen Interessen wurde der Regisseur nicht nur zu den Zusammenkünften emigrierter Filmleute, sondern auch zu den „exklusiveren“ Treffen großer Literaten wie Lion Feuchtwanger, Thomas Mann, Franz Werfel und Bertolt Brecht regelmäßig geladen. Neben einer wohl aufrichtigen Sympathie für den herzlichen Pfälzer versprach sich die emigrierte literarische Prominenz von dem Kontakt zu Dieterle ebenfalls 184 Zur Reaktion des German-American Bund auf die Aktionen der HANL siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 252–253. 185 Reich Curbs Our Films, in: The New York Times (24.01.1939), 17; Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 159. 186 Otto D. Tolischus, Hitler Demands Colonies, Riches for Japan and Italy. Tells U. S. Not to Meddle, in: The New York Times (31.01.1939), 1.
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ein Standbein in der amerikanischen Filmindustrie. Kaum ein deutschsprachiger Filmschaffender – mit Ausnahme selbstverständlich von Ernst Lubitsch – hatte dort gegen Ende der dreißiger Jahre einen vergleichbaren Status erlangt. Wie die Dieterle-Biographin Marta Mierendorff jedoch im Rahmen ihrer Beschäftigung mit dem Regisseur herausfand, gelang es ihm nicht, einem dieser exilierten Autoren zu einer langfristigen geschäftlichen Verbindung mit Hollywood zu verhelfen. Sein Scheitern kann als symptomatisch für die äußerst geringe Bereitschaft der Studios gelten, sich auf „literarische Experimente“ mit unsicherem Ausgang einzulassen. Insbesondere Thomas Mann, mit dem Dieterle – wie bereits erwähnt – ab dem Frühjahr 1938 regelmäßig zusammentraf, hegte etliche Jahre lang die Hoffnung, durch die Vermittlung des Regisseurs die Filmrechte für eines seiner Werke verkaufen zu können. Der Schriftsteller stand dem Medium Film grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber und äußerte sich in seinen Tagebüchern positiv über die Vorführungen, zu denen das Ehepaar Dieterle ihn in ihr Privathaus einlud.187 Mit großem Interesse ließ er sich die herausragenden Werke der biographischen Reihe vorführen und bezeichnete sie als „Ehre der Industrie“.188 Der anfängliche Optimismus bezüglich eines Vertragsabschlusses mit Hollywood, den er noch 1941 an den Tag legte189, sollte sich jedoch bald in zunehmende Enttäuschung wandeln. Nachdem Dieterle mehr als zehn Jahre lang versucht hatte, Interessenten für die Filmrechte an Manns 1943 fertiggestellter Tetralogie Joseph und seine Brüder zu gewinnen, erhielt er 1953 von den Columbia Studios den Auftrag, einen Film über dasselbe Sujet auf der Grundlage der Bibel zu drehen. Sämtliche Bemühungen, den Studioleiter Harry Cohn von einem Erwerb des Mann-Werkes zu überzeugen, scheiterten. Als der Schriftsteller von dem Projekt erfuhr, zeigte er sich erbost, da er aufgrund des geplanten Filmes alle Chancen auf eine spätere Verfilmung seines Romans als zerstört betrachtete. In leichter Verkennung des negativen Einflusses, den die Untersuchungen des HUAC und des FBI zu diesem Zeitpunkt bereits auf Dieterles Karriere (wie auch auf seine eigene Stellung in den USA) ausgeübt hatten, schrieb er in einem Brief an seine Tochter Erika, dass man doch zumindest einige Motive oder Figuren für die kleine Summe von 20.000 oder 30.000 Dollar hätte erwerben können.190 Dieterle drückte dem Schriftsteller in einem persön187 Zu Dieterles Filmvorführungen für Mann siehe zum Beispiel: Mann, Tagebücher 1937– 1939, (Eintrag vom 04.04.1938), 203. 188 Ebenda, (Eintrag vom 06.04.1939), 386. 189 So schrieb Mann zum Beispiel am 11. Juli 1941 in seinem Tagebuch über die Möglichkeit, zusammen mit Dieterle seinen damals kurz vor der Fertigstellung stehenden Roman Joseph und seine Brüder nach dem Krieg zu verfilmen: „Mit Dieterle über die Verfilmung des ‚Joseph‘ nach dem Kriege. Über diesen optimistisch.“ Mann, Tagebücher 1940–1943, (Eintrag vom 13.09.1941), 320. 190 Brief Thomas Manns an Erika Mann, (15.11.1954), in: Mann, Thomas Mann, Briefe 1948–1955 und Nachlese, 345.
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lichen Brief sein großes Bedauern aus – wie auch schon unzählige Male zuvor hatte er sich dem Wunsch eines Studioleiters unterordnen müssen.191 Ähnlich glücklos verlief die berufliche Kooperation Dieterles mit Bertolt Brecht, der – wie bereits erwähnt – die biographische Reihe des Regisseurs für eines der wertvollsten Produkte der amerikanischen Filmindustrie hielt.192 Berichtete Brecht in seinem Arbeitsjournal, den Tagebüchern aus seiner Exilzeit, nur sehr sporadisch über den Kontakt zu Dieterle, ist jedoch davon auszugehen, dass dieser regelmäßig stattgefunden hat und weitaus enger war als es die Aufzeichnungen Brechts zunächst vermuten lassen. Der Regisseur und vor allem seine Frau Charlotte hatten im Jahre 1941 eine überaus wichtige Rolle bei der Einreise der Familie Brecht in die USA gespielt. Mit der Unterstützung Lion Feuchtwangers und der damals erfolgreichen Schauspielerin Luise Rainer hatten sie die notwendigen Affidavits sowie einen erheblichen Teil der Reisekosten organisiert; Dieterles Wohnsitz in Los Angeles wurde in den Einreiseformularen als erste Anlaufstelle genannt. Aufgrund der damaligen Stellung Dieterles als erfolgreicher Regisseur und Inhaber der amerikanischen Staatsbürgerschaft hielten es alle Beteiligten offensichtlich für ratsam, Dieterles Adresse in den Papieren anzugeben. Brechts bezogen allerdings gleich nach ihrer Ankunft in Los Angeles ein Haus im Stadtteil Santa Monica, das Marta Feuchtwanger zusammen mit einigen Freunden für sie gemietet hatte.193 Bereits wenige Monate nach der Ankunft Brechts begann man, über eine künstlerische Kooperation nachzudenken. Dieterle, der zu der damaligen Zeit als unabhängiger Regisseur in den RKO-Studios arbeitete, konsultierte Brecht bezüglich der Rettung einer durch den Eingriff der Produktionsfirma und der Banken verstümmelten Filmstory mit dem Titel Syncopation und ermutigte den Schriftsteller ferner, ein eigenes Drehbuch-Exposé zu verfassen.194 Von Anfang an räumte Brecht dem projektierten Werk, einem Portrait 191 Briefwechsel zwischen William Dieterle und Thomas Mann, (Januar/Februar 1954), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Siehe auch: Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 86–87. Auch einige andere gemeinsame Vorhaben waren nicht zu realisieren; so fand sich im Mai 1940 in der Exilzeitung Aufbau folgende Notiz: „Wilhelm Dieterle hat Warner Bros. vorgeschlagen, ein Drehbuch von Thomas Mann und Clarence K. Streit zu erwerben, das auf Streits Buch „Union Now“ basiert. Das Buch behandelt Streits Projekt einer internationalen Vereinigung aller demokratischen Staaten.“ Wie wir hören, in: Aufbau (17.05.1940), 8. Mittlerweile wurde jedoch eindeutig Klaus Manns Urheberschaft für das entsprechende Film-Exposé festgestellt; wie es zu der fehlerhaften Pressenotiz kam, ist unklar. Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 86. Ferner versuchte Dieterle 1941 vergeblich, Mann den Auftrag für eine filmische Bearbeitung eines Luther-Stoffes zu sichern. Ebenda, 87. 192 Bertolt Brecht, Wilhelm Dieterles Galerie großer bürgerlicher Figuren, Typoskript, ca. 1944–1947, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 193 Fuegi, Brecht & Co, 567. 194 Zum Filmprojekt Syncopation siehe: Brecht, Arbeitsjournal, (Eintrag vom 24.03.1942), 394. Vgl. außerdem: Kapitel III/5 (Abschn. 2) dieser Arbeit.
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der letzten Lebenstage Julius Caesars, jedoch nur geringe Erfolgsaussichten im kommerzialisierten Hollywood ein: dieterle fragt immerzu nach dem filmstoff CAESARS LETZTE TAGE, den ich ihm einmal erzählt habe. ich skizziere ihn für ihn, obwohl keine chance besteht. die industrie macht keine kostümfilme. sie scheut die nachthemden, in welche die meininger alle römer kleideten. in wirklichkeit könnte man die tuniken dunkel färben und ihnen einen eleganten schnitt verleihen. das volk kann hosen tragen und blusen. das publikum würde sich sowas sicher ansehen, da ja jetzt der sinn für historie und große politik geweckt ist. aber vor dem publikum stehen seine besitzer, die filmverleiher und theaterbesitzer, welche das publikum „kennen“. jeder weiß, daß sie das krebsübel sind. es ist ein gutes beispiel für scheindemokratie, das.195
Wie von Brecht zutreffend eingeschätzt konnte Dieterle in der US-Filmindustrie der frühen vierziger Jahre keine Interessenten für den Filmstoff finden. Der Autor begann eine für ihn höchst unbefriedigende Zusammenarbeit mit dem emigrierten Regisseur Fritz Lang, der – so zumindest Brecht – durch das kommerzielle Hollywood bereits gänzlich korrumpiert worden war.196 Sollten sich auch in den folgenden Jahren die gemeinsamen Ideen Dieterles und Brechts, wie zum Beispiel ein Umerziehungs-Film für deutsche Kriegsgefangene in den USA197, nicht realisieren lassen, blieb ihr privater Kontakt jedoch noch fast drei Jahrzehnte lang bestehen. Zwischen Brechts Ehefrau Helene Weigel und Charlotte Dieterle entwickelte sich eine enge Freundschaft, die sich in einer umfangreichen Korrespondenz niederschlug.198 Nach Brechts Remigration über die Schweiz nach Berlin schickte das Ehepaar Dieterle zahlreiche Hilfspakete an das im Jahre 1949 gegründete Berliner Ensemble, für die sich Weigel in herzlichen Briefen bedankte.199 Im Jahre 1969 – Dieterle lebte bereits seit gut zehn Jahren wieder in Deutschland und war kürzlich Witwer geworden – bedankte sich der mittlerweile in materiell recht beschränkten Verhältnissen lebende Regisseur seinerseits bei Helene Weigel. 195 Brecht, Arbeitsjournal, (Eintrag vom 08.04.1942), 407, (Kleinschreibung im Original). Zum Projekt Caesars letzte Tage siehe auch: Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 91. 196 Zu Brechts Einschätzung Fritz Langs siehe zum Beispiel: Brecht, Arbeitsjournal, (Eintrag vom 05.07.1942), 486. Lang war bereits im Sommer 1934 auf Einladung des Produzenten David O. Selznick nach Los Angeles gekommen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten gelang ihm etwa zwei Jahre später mit seinem Film Fury – einer ungewöhnlich deutlichen Anprangerung der Lynchjustiz – der Durchbruch in der amerikanischen Filmindustrie. 197 Zu dem geplanten Film unter dem Titel Was bekam des Soldaten Weib siehe zum Beispiel: Brecht, Arbeitsjournal, (Eintrag vom 03.04.1945), 735. 198 Teile dieser Korrespondenz befinden sich in der William Dieterle KorrespondenzMappe der Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC sowie im Dieterle Nachlass der Kinemathek Berlin. 199 Siehe zum Beispiel: Brief Helene Weigels an Charlotte Dieterle, (24.10.1950), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 92.
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Ohne ihre finanzielle Hilfe, so schrieb Dieterle, sei der Einsatz eines Herzschrittmachers nicht möglich gewesen.200 Die Erfahrungen, die Dieterle mit den Werken Manns und Brechts auf dem Hollywooder Skriptmarkt sammelte, sollten sich mit den literarischen Stoffen anderer befreundeter Exilautoren wiederholen. In der Regel bemühte er sich vergeblich, das Interesse der Studios zu wecken. In einem 1982 publizierten Aufsatz über Dieterles herausragende Bedeutung für die literarische Emigration resümiert die Exilforscherin Marta Mierendorff: Der mit Angeboten von exilierten Schriftstellern überschüttete Regisseur ließ über die Ein- und Ausgänge Buch führen. Aus einigen erhaltenen Seiten der Buchführung geht hervor, daß er Material, welches er für aussichtsreich hielt, an Kollegen, Agenten, Studios oder den „Playmarket“ weitergab. Ab und zu erwarb er einiges für sich selbst, manchmal aus echtem Interesse, in anderen Fällen als verkleidetes Almosen. In den Jahren 1940 bis 1941 gingen u. a. von folgenden Exilautoren Stoffe ein, teils direkt, teils über Agenten oder Buchhandlungen: Günter Anders, Paul Dessau, Hugo Döblin, Kurt R. Großmann-Gilbert, Julius Hay, Kurt Juhn, Gina Kaus, Peter Martin Lampel, Willy Schlamm (PS. S. Walsh), Berthold Viertel, Friedrich Wolf und Paul Zech. […] Von Georg Fröschel kaufte er die Filmrechte für dessen einziges Theaterstück Gerechtigkeit für Holubek, […]. Von Ludwig Marcuse kaufte er „etwas“ für 10 Dollar, womit – wie in ähnlichen Fällen – der Almosencharakter nur mühsam verdeckt wurde.201
Lediglich dem befreundeten Autor Bruno Frank konnte Dieterle im Jahre 1939 einen größeren Auftrag zur Adaption des Victor-Hugo-Romans Der Glöckner von Notre Dame verschaffen. Im Rahmen eines loan-out an die RKO-Studios führte Dieterle bei der aufwendigen Großproduktion die Regie und konnte – nicht zuletzt durch Franks einfühlsame Drehbuchgestaltung – einen weiteren großen Erfolg in seiner amerikanischen Laufbahn erringen. Ferner entwickelte sich zwischen den Dieterles und dem Ehepaar Frank eine enge Kooperation in der ab 1938 immer aufwendiger (und aufreibender) werdenden Exilantenhilfe. Unmittelbar nach seiner Ankunft in Los Angeles stellte sich Frank der Hollywood Anti-Nazi League zur Verfügung, während seine Frau Liesl sich von Charlotte Dieterle im Rahmen der Flüchtlingshilfe in die Methoden des amerikanischen Fundraising einweisen ließ. Gemeinsam übernahmen die beiden Frauen die Hauptarbeitslast im European Film Fund, einer am 5. November 1938 auf Initiative des Filmagenten Paul Kohner ins Leben gerufenen Einrichtung, in der die bislang von Einzelpersonen geleistete finanzielle Unterstützung europäischer Emigranten koordiniert (und auch steuer-
200 Brief William Dieterles an Helene Weigel, (26.12.1969), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 201 Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 93–94. Im Falle Franz Werfels gelang es Dieterle zweimal, einen recht lukrativen Vertragsabschluss zu vermitteln – im Jahre 1938 der Verkauf der Filmrechte an dem Theaterstück Juarez und Maximilian an die Warner Bros. Studios und 1942 der Verkauf der Filmrechte an dem erfolgreichen Roman Das Lied von Bernadette an 20th Century Fox.
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lich absetzbar) wurde.202 Ferner befasste man sich mit der Organisation von Überfahrten in die USA sowie mit der Beschaffung von Visa und Affidavits. Entwickelte sich die neue Einrichtung in ihrem ersten Jahr noch recht langsam, erlangte sie nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges jedoch rasch größere Dimensionen. Finanziell erfolgreiche deutschsprachige Emigranten wie Ernst Lubitsch, Marlene Dietrich, Peter Lorre, Joe Pasternak, Otto Preminger, Erich Maria Remarque, William Wyler, Billy Wilder und Gottfried Reinhardt trafen die Vereinbarung, jeweils ein Prozent ihres Einkommens, in der Realität oft auch mehr, an den Film Fund abzuführen und so viele Bürgschaften wie möglich zu übernehmen.203 Auf diese Weise unterstützte der Fund während seines zehnjährigen Bestehens insgesamt etwa 250 Exilanten mit Geldzuwendungen unterschiedlicher Höhe, einige von ihnen – wie zum Beispiel den Autor Alfred Döblin – über einen Zeitraum von etlichen Jahren.204 Die heute in der Deutschen Kinemathek Berlin verwahrten Unterlagen der Paul Kohner Talent Agency – eine der wichtigsten Sammlungen zum Thema Filmexil – sowie der private Nachlass Dieterles geben Auskunft über die außergewöhnliche Bedeutung des Ehepaares Dieterle für das Gelingen unzähliger lebensrettender Hilfsaktionen.205 Wurde Dieterle in den Jahren nach 1938 zu einer wichtigen finanziellen Stütze des European Film Fund, tätigte er jedoch noch weitaus größere Ausgaben für private Hilfszahlungen an Freunde und Bekannte, die – wie bereits dargelegt – oftmals Tausende von Dollar als Darlehen erhielten, die sie nur in
202 Wie Mierendorff in ihren Dieterle-Publikationen herausstellt, bewältigte Charlotte Dieterle in ihrer Funktion als Vize-Präsidentin des European Film Fund den größten Teil der dort anfallenden Arbeit – ein Verdienst, das in der Forschungsliteratur häufig Paul Kohner, der laut dem offiziellen Briefkopf der Organisation ebenfalls die Funktion eines Vize-Präsidenten bekleidete, zugeschrieben wird. Ebenda, 84. Zur (übermäßigen) Betonung von Kohners Rolle im Film Fund vgl. zum Beispiel: Johnson, Der European Film Fund und die Exilschriftsteller in Hollywood, in: Spalek/Strelka, Deutsche Exilliteratur seit 1933, Bd. 1, Teil 1, 137. 203 So übernahm zum Beispiel Paul Kohner persönlich etwa sechzig Bürgschaften. Ebenda, 136. 204 Zur Entwicklungsgeschichte des European Film Fund, den regelmäßigen Spendern und Spenden-Empfängern siehe: Asper, Etwas Besseres als den Tod, 237–249. 205 Bezüglich der ersten Jahre des European Film Fund nach seiner Gründung im November 1938 besteht eine äußerst diffizile Quellenlage; ein großer Teil des entsprechenden Materials ist entweder verloren gegangen oder auf die privaten Nachlässe der ehemaligen Mitarbeiter verteilt. In den Akten der Paul Kohner Talent Agency, die als offizieller Sitz des Film Fund diente, existieren kaum Unterlagen, die vor 1948 (dem Zeitpunkt der Bildung einer neuen Körperschaft) datiert sind. Johnson, Der European Film Fund und die Exilschriftsteller in Hollywood, in: Spalek/Strelka, Deutsche Exilliteratur seit 1933, Bd. 1, Teil 1, 135–136. Die im privaten Nachlass Dieterles enthaltene Korrespondenz Charlotte Dieterles enthält dagegen umfangreiche Informationen zu ihrer Tätigkeit im Film Fund.
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den seltensten Fällen vollständig zurückzahlen konnten.206 Ferner versuchte der Regisseur, neu eingetroffenen emigrierten Schauspielern, die gegen Ende der dreißiger Jahre allein schon aufgrund ihrer großen Anzahl kaum Chancen auf ein Engagement in den USA hatten, durch eine erste Rolle über ihre größte Not hinwegzuhelfen und ihnen weitere Türen zu öffnen. Da ihm dies im Rahmen seiner Tätigkeit für die Filmstudios nur sehr begrenzt möglich war, rief er im Frühjahr 1939 das englischsprachige Exiltheater „The Continental Players“ ins Leben. Durch eine geschickte Kooperation mit den antifaschistischen Hilfsorganisationen gelang es Charlotte Dieterle, die in New York mittellos gestrandeten Emigranten Ernst Deutsch, Christiane Grautoff-Toller, Alexander Granach, Norbert Schiller, Hermine Sterler und Gerhard Schäfer kostengünstig nach Hollywood zu holen und dort mit einem kleinen Vorschuss auf ihre zukünftigen Gagen unterzubringen. Elli Silbermann, eine ehemalige Berliner UFA-Angestellte, übernahm den Bürobetrieb; alle kaufmännischen und technischen Positionen wurden mit Emigranten besetzt. Neben Dieterle, der in der Unternehmung das größte finanzielle Risiko trug, leistete Harry Warner einen nennenswerten Beitrag zur Deckung der Kosten – ein Indiz für das gute Verhältnis, das sich mittlerweile zwischen dem Studioleiter und dem Vertragsregisseur unter dem Vorzeichen gemeinsamer politischer Anliegen gebildet hatte.207 Die erste Premiere der „Continental Players“, eine Wilhelm-TellInszenierung des emigrierten Regisseurs Leopold Jessner, fand am 25. Mai 1939 im angemieteten El Capitan Theatre am Hollywood Boulevard statt. Der studioeigene Warner-Radiosender KFWB berichtete live von der Veranstaltung, als Sprecher fungierte der Produzent Walter Wanger. Die Hauptrollen des Stückes waren wie folgt besetzt: Leo Reuss (Wilhelm Tell), Alexander Granach (Stauffacher), Christiane Grautoff-Toller (Hedwig Tell), Ernst Deutsch (Geßler); der emigrierte Filmarchitekt Rudi Feld gestaltete das Bühnenbild und die Kostüme, ein neunköpfiges Orchester unter der Leitung Ingolf Dahls spielte die eigens für die Produktion komponierte Musik Ernst Tochs. In seiner Inszenierung gelangen Jessner – wie die antifaschistische Kulturzeitschrift The Hollywood Tribune berichtete – zahlreiche Anspielungen auf die nationalsozialistische Schreckensherrschaft, die angesichts des 206 Im Jahre 1947 erstellte Dieterles Sekretärin eine Liste der damaligen Schuldner; darauf waren unter anderem folgende Namen verzeichnet: Willi Schlamm, Alois Schardt, Werner Heymann, Alfred Zeisler, Lien Deyers und Oskar Fischinger. Typoskript, (19.06.1947), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Zu weiteren Hilfsaktionen Dieterles, zum Beispiel für den Autor Friedrich Wolf, siehe: Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 81–100. 207 Zu den Förderern des Projektes gehörten außerdem Thomas Mann und Erich Krewett vom Deutsch-Amerikanischen Kulturverband; als Mitglieder des „Ehrenausschusses“ wurden der Erzbischof von Los Angeles John Joseph Cantwell sowie der damalige Präsident der University of Southern California Prof. Rufus B. von KleinSmid angeführt. Die Preise für die Eintrittskarten lagen zwischen 2.20 Dollar und 55 Cent. The Continental Players Have a Message for America, in: The Hollywood Tribune 5, 15.
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gemeinsamen Schicksals der Darsteller als Vertriebene des NS-Regimes besonders real und bedrückend wirkten: From the opening scene, when the storm troopers of the Austrian tyrant embark upon a pogrom of the fourteenth century variety, the parallel with present-day conditions in totalitarian countries is established. In the next, when the fear of spies well-nigh stifles the last frantic grasp for freedom, the comparison becomes still more profound, especially as it is followed by a medieval counterpart of the contemporary concentration camp – including forced-labor chain gangs. […] Each single development in the course of the ten scenes is a classical illustration of what is happening today, the play’s significance is greatly heightened by the fact that the story of William Tell took place many centuries ago. And when the Swiss are finally relieved of their cruel oppressor, it appears to be a happy omen. […] The entire performance is the more impressive since every actor has actually lived his part in real life; each single one is a fugitive from Nazi „Kultur“. Like survivors of a storm during which each one had to keep afloat somehow or perish, they have now been reunited many thousands of miles from the scene of disaster. Many of these actors worked together in the same theatre for years and their common schooling and experiences made it possible for Professor Jessner to mold them into a homogenous group.208
Bereits nach der dritten Aufführung wurde die Tell-Inszenierung der „Continental Players“ jedoch wieder abgesetzt.209 Nachdem sich die anfängliche Euphorie aller Beteiligten gelegt hatte, stellte sich rasch heraus, dass ein längerfristiger erfolgreicher Spielbetrieb auf amerikanischem Boden wohl dem Bereich der Utopie zugeordnet werden musste. Die Gründe für den Misserfolg des Projektes lagen einerseits in der mangelnden Eignung des Stückes für das US-Publikum und an der zur damaligen Zeit bereits fremd und antiquiert wirkenden Inszenierung Jessners – die ästhetisch stark an dessen berühmte Berliner Tell-Inszenierung von 1919 angelehnt war – sowie andererseits an der mangelhaften Aussprache des englischen Textes durch die Darsteller. Wie der exilierte Schauspieler und Theaterregisseur Walter Wicclair bei einem Probenbesuch beobachtete, lernten die zumeist erst seit kurzer Zeit in den USA lebenden Emigranten die Dialoge teilweise nur phonetisch.210 Ungeachtet dessen war Hollywood durch die Inszenierung auf sie aufmerksam geworden: Die frisch aus New York Eingetroffenen Ernst Deutsch, Hermine Sterler, Norbert Schiller und Alexander Granach fanden Zugang zum amerikanischen Filmgeschäft, in dem sie fortan in kleineren Akzentrollen tätig waren. So bezeichnete Dieterle seine „Continental Players“ im Juni 1939 in einem Brief an einen Bekannten trotz der finanziellen Verluste als einen „großen künstlerischen Erfolg“; er schrieb: Dank fuer Ihre Gratulation zur Tell-Auffuehrung. Leider ist das Projekt wieder begraben worden, da das Publikum nicht genuegend Interesse zeigte und somit ein finanzieller 208 Ebenda. 209 Ursprünglich waren zwanzig Vorstellungen in Hollywood geplant, gefolgt von einer Tournee über San Francisco in Richtung New York. Ebenda. 210 Schnauber, Deutschsprachige Künstler in Hollywood, 87–88.
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Misserfolg trotz des grossen kuenstlerischen Erfolges sich ergab. Nun man wird wieder einmal etwas anderes anfangen muessen.211
Ähnlich glücklos verlief im selben Jahr auch eine andere von Dieterle privat finanzierte Hilfsaktion – die antifaschistische Wochenzeitung The Hollywood Tribune, die – wie der soeben zitierte euphorische Bericht über die „Continental Players“ nahelegt – den Regisseur zwar mit einer guten Publicity, nicht jedoch mit wirtschaftlichem Profit versorgte. Der Herausgeber des Blattes, Dieterles alter Freund aus Berliner Tagen Ewald André Dupont, hatte nach seiner Emigration 1933 in Hollywood mehrere filmische Misserfolge und studiointerne Konflikte erlebt, die einige Jahre später bei Warner Bros. ihren traurigen Höhepunkt in einem handfesten Skandal fanden. Nachdem Dieterle bereits im Herbst 1935 einen ersten Versuch unternommen hatte, dem Freund einen Regieauftrag zu vermitteln, der dann jedoch aufgrund von Jack Warners Skepsis bezüglich der angeblichen „Aufsässigkeit“ Duponts scheiterte212, konnte er ihm 1939 die Regie des Gangsterfilmes Hell’s Kitchen vermitteln. Während der Dreharbeiten kam es jedoch zu einem Streit des Regisseurs mit einem Mitglied der jugendlichen Dead End Kids, die zu dieser Zeit eine ganze Reihe von Filmen für das Studio drehten; Dupont gab dem Schauspieler eine Ohrfeige und wurde danach fristlos entlassen. Wie auch in anderen Fällen genügte diese eine Begebenheit, um den Regisseur im amerikanischen Filmgeschäft zu einer persona non grata werden zu lassen; eine andere Verdienstmöglichkeit musste gefunden werden. Dupont entwickelte die Idee einer Kulturzeitschrift, die sich – wie die Zeitung Hollywood Now – der antifaschistischen Aufklärungsarbeit widmen und zu einem wichtigen Forum für exilierte Autoren werden sollte. Dieterle erkannte das Potential einer derartigen Unternehmung und beteiligte sich mit 26.000 Dollar an den Gründungskosten. Neben prominenten amerikanischen Autoren, die gelegentlich für die Tribune schrieben, gehörten der exilierte ehemalige Sportjournalist Rolf Nürnberg und der (erst 1938 emigrierte) einstige Chefredakteur des Film-Kurier Ernst Jäger zu den ständigen Mitarbeitern. Gleich in der ersten Ausgabe der Zeitung, die am 28. April 1939 erschien, verdeutlichte Dupont dem Leser seine Zielvorstellungen: THE HOLLYWOOD TRIBUNE is a magazine of fact and opinion. It will tell the news and the problems of the motion picture industry. It will tell the news and the problems of the world. The Hollywood scene we present will not be the fan’s ideal, nor will it be the dreamer-under-the-pepper-tree’s wish-fulfilment. It will be Hollywood and Los Angeles as they are today, as towns, as homes of large industries, as important American cultural 211 Brief William Dieterles an Dr. Karl Rosenfelder-Ritter, (16.06.1939), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 212 Memorandum Jack Warners an Hal Wallis, (16.12.1935), Dieterle legal files, WBA, USC. Das Vertragsangebot an Dupont beinhaltete den Regieauftrag für einen Film ab Februar 1936 (eine sechswöchige Tätigkeit für insgesamt 3000 Dollar) sowie eine Option auf eine Vertragsverlängerung mit steigendem Gehalt. Ebenda. Zu Duponts Emigrantenschicksal siehe: Asper, Etwas Besseres als den Tod, 89–101.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) centres. THE HOLLYWOOD TRIBUNE will endorse and express the policy of protection of America’s democracy, antipathy toward Fascism, Naziism, personal dictatorship. By weighing Fascism in the scales of truth, THE HOLLYWOOD TRIBUNE hopes to make clearer to the American people where the danger lies in their own country. The columns of THE HOLLYWOOD TRIBUNE will be open to all writers who have something to say and can say it, to pictures and politics, to defence and dissent. Above all, THE HOLLYWOOD TRIBUNE will seek to inspire the motion picture industry with a courage and believe in its own power for good, which it must develop if it is to help fight for progress and liberty.213
Wie diese Ankündigung Duponts nahelegt, konzentrierte sich die Zeitung in erster Linie auf politische und gesellschaftliche Themen wie die Ereignisse in den faschistischen Staaten Europas, die Aktivitäten ihrer Sympathisanten in den USA, Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und der amerikanischen Filmindustrie sowie den zunehmenden Antisemitismus in Hollywood. Im Rezensionsteil wurden politische Filme wie der erste Anti-Nazi Film der Warner Bros. Studios Confessions of a Nazi Spy oder John Fords Steinbeck-Verfilmung The Grapes of Wrath besprochen. Künstlerische Unternehmungen der deutschsprachigen Emigration – insbesondere natürlich die des „Sponsors“ Dieterle – wurden ausführlich behandelt. So gab Dupont gleich in der ersten Ausgabe der Hollywood Tribune einige positive Kritiken, die Dieterles damals soeben uraufgeführter Film Juarez erhalten hatte, wieder.214 Des Weiteren wurde einige Wochen später die katholische Zeitschrift The Tidings, das offizielle Organ der Erzdiözese von Los Angeles, aufgrund antisemitischer Äußerungen in Zusammenhang mit dem Film angeprangert. Die Zeitschrift hatte in einer Rezension des Filmes mehrfach die jüdische Herkunft der Hauptdarsteller Paul Muni und John Garfield betont und außerdem Dieterle als einen „nicht-christlichen eingeschworenen Marxisten“ diffamiert. Die Tribune verlangte eine öffentliche Stellungnahme des Erzbischofs zu der Frage, warum sein offizielles Blatt Antisemitismus verbreite, obwohl es doch rassische und religiöse Antagonismen eigentlich bekämpfen solle.215 Die etwas markschreierisch angekündigte Hauptattraktion des ersten (und einzigen) Erscheinungsjahres der Tribune bildete die humoristisch im Stile der Fortsetzungsromane gestaltete, elfteilige Serie „How Leni Riefenstahl Became Hitlers Girlfriend“ von Ernst Jäger, der – wie eine Einleitung die Leser informierte – Riefenstahl bereits seit 1925 persönlich kannte und sich nun, nachdem ihre langjährige geschäftliche Verbindung in einem Eklat geendet hatte, endlich „frei fühle“, die „wahren Umstände der seltsamen Romanze“ zwischen Hitler und der Regisseurin zu enthüllen.216 Ließ die Story den Autor 213 The Hollywood Tribune 1.1, 2. 214 Ebenda, 19. 215 Anthony Stanislaus Mc Carthy, Anti-Semitism in the Name of Catholic Faith. Vicious Attacks on Dieterle and „Juarez“, in: The Hollywood Tribune 1.9, 3. 216 Ernst Jäger (SPD-Mitglied und mit einer Jüdin verheiratet) wurde 1935 als Chefredakteur des Film-Kurier entlassen, nachdem er in einem Artikel die künstlerischen Leistun-
2. „The Coming Victory of Democracy“
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deutlich in den Bereich des wenig fundierten Skandaljournalismus abgleiten, enthielt sie jedoch keine intimen oder gar pornographischen Details, wie Riefenstahl später behaupten sollte.217 Jäger schilderte die Regisseurin vielmehr als eine ehrgeizige Karrieristin und eine glühende Anhängerin Hitlers – psychologische Beobachtungen, die wohl nicht von der Hand zu weisen waren. Das Ende der Geschichte bildete ein Bericht über die konsequente Zurückweisung, die Riefenstahl auf ihrem Hollywood-Besuch im Herbst 1938 erfahren hatte. Zuversichtlich – wie Thomas Mann – einem „zukünftigen Sieg der Demokratie“ entgegenblickend schrieb Jäger: „Perhaps it was this message she [Riefenstahl] carried back to the apostles of hate: that the symbol of Nazism, though clothed in propaganda, charm and cunning, had failed under the penetrating light of Democracy.“218 Doch auch auf amerikanischem Boden machte sich Duponts Hollywood Tribune bereits binnen weniger Monate etliche Feinde. Ohne die politischen Rücksichtnahmen, die sonst allerorten zum gesellschaftlichen Konsens geworden waren, attackierte der Emigrant die katholische Kirche, das FBI, die Ölgesellschaften, große Hollywoodstudios und die Hearst-Presse. In einer bitterbösen Glosse demaskierte er Anfang September 1939 die bedenkliche Weltfremdheit des amerikanischen „Filmadels“, repräsentiert durch die Klatsch-Kolumnistin Louella O. Parsons. Diese hatte einige Tage zuvor im Los Angeles Examiner berichtet, wie die Nachricht vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Premiere des MGM-Filmes The Women empfindlich „gestört“ hatte. Dupont schrieb: [W]e skip merrily to the premiere of THE WOMEN. Everybody’s there and not more than fifty autographs have been collected when the newsboys again come along shouting „War“. The reaction of the gay crowd of producers, directors, writers, stars etc., was terrific. In Louella’s own words, the crowd was „CRUSHED“. She devotes some space to the event: „Papers went like hotcakes, and it was a sight to see the crowd, dressed to the teeth, stopping to read the latest bulletins.“ Think of it: All those people dressed to the teeth, reading bulletins, and at a premiere. I agree with you, Louella. It must have been an experience. […] Fine that war, as viewed through Miss Parson’s typically phony Hollywood peepers, involves no such things as mass evacuations of women and children and the extinction of countless human lives. It is splendid that we in Hollywood needn’t be concerned with such problems as elemental heartache and the simple sort of human misery. Do you suppose that beneath the lovely gowns at the premiere of THE WOMEN there were any honest hearts that wanted seclusion? Do you suppose that beneath the plastered hair in gen Max Reinhardts hervorgehoben hatte; ferner wollte man ihn zur Scheidung zwingen. Da Jäger sich weigerte, war er fortan ohne Aussicht auf eine Beschäftigung und auf die Fürsprache seiner Bekannten Leni Riefenstahl angewiesen, die ihn gelegentlich engagierte. Als er 1938 mit Riefenstahl als ihr business manager in die USA reiste, eröffnete er ihr seine Pläne, zu emigrieren. Riefenstahl reagierte, so Jäger, mit der Androhung „schärfster Repressalien“ im Falle seiner Rückkehr nach Deutschland. The Hollywood Tribune 1.1, 14. 217 Asper, Etwas Besseres als den Tod, 94. 218 The Hollywood Tribune 1.12, 14.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) the Trocadero there were any fundamentally decent minds at work? There must have been, but it’s hard to believe. Isn’t it Louella? Or would you know?219
Angesichts der Schärfe, mit der Dupont höchst unangenehme Wahrheiten zu formulieren pflegte, ist es vielleicht nicht weiter verwunderlich, dass die Herausgabe seiner Hollywood Tribune bereits nach einem halben Jahr im September 1939 aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung und zu geringer Verkaufszahlen wieder eingestellt werden musste. Der glücklose Dupont hatte danach bei Dieterle hohe Schulden, die im Laufe der kommenden Jahre aufgrund weiterer gescheiterter Unternehmungen noch anwachsen sollten. Dennoch hielt Dieterle seinem alten Freund die Treue und unterstützte ihn bis zu seinem Lebensende im Jahre 1956. Die 21 erschienenen Ausgaben der Hollywood Tribune ließ er sich als Erinnerung in Leder binden, sie befinden sich heute in seinem privaten Nachlass in der Deutschen Kinemathek Berlin. Musste Dieterles Finanzierung der Hollywood Tribune auf zeitgenössische Beobachter vielleicht wie ein unbedeutendes Abenteuer eines Filmregisseurs im Berufszweig des Journalismus gewirkt haben, blieb die lediglich sechs Monate währende Episode jedoch nicht ohne eine nachhaltige Wirkung auf seine weitere politische Selbstfindung. Ermutigt durch Duponts schonungslose Aufrichtigkeit betätigte sich Dieterle in den folgenden Jahren vermehrt selbst als Autor und verfasste zahllose publizistische Arbeiten, die seine Auseinandersetzung mit zentralen Fragen der Politik, der Ethik und der Kultur widerspiegelten.220 3. ALLIANZ FÜR DIE DEMOKRATIE – ZUSAMMENARBEIT MIT WOLFGANG REINHARDT UND PAUL MUNI AM GROSSPROJEKT JUAREZ (1939) Hatten die Gebrüder Warner mit ihrer öffentlichen Unterstützung der Hollywood Anti-Nazi League – insbesondere im Zusammenhang mit Thomas Manns Vortragsveranstaltung am 1. April 1938 – eine deutliche Stellung bezüglich der europäischen Diktaturen eingenommen, sollte auch in ihrer Spielfilmproduktion mit einiger zeitlicher Verzögerung eine Emanzipation von der strikten Vorgabe der Production Code Administration zur Schonung ausländischer und somit auch nationalsozialistischer Empfindlichkeiten vollzogen werden. Unter einer erhöhten Geheimhaltungsstufe begann man die Vorbereitungen für den Spionagethriller Confessions of A Nazi Spy, der nach der Ur219 Hollywood Follies of ’39. Louella’s Saga of Glamour and War: Bulletins for Tails and Décolletés, Table-Hopping and Troc-ing, in: The Hollywood Tribune 1.20, 12. 220 Etliche Typoskripte dieser Artikel befinden sich heute in Dieterles privatem Nachlass in der Kinemathek Berlin. Ferner publizierte Mierendorff einige von ihnen im Anhang ihrer Biographie. Mierendorff, William Dieterle, 259–313.
3. Allianz für die Demokratie
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aufführung im April 1939 (als erster seiner Art) das Genre des Anti-NaziFilms begründen sollte. Wie so oft in der Geschichte des Studios hatte das aktuelle politische Tagesgeschehen die Vorlage für den Filmstoff geliefert. Im Februar 1938 verkündete der damalige Leiter des FBI J. Edgar Hoover, dass es seiner Behörde gelungen war, einen landesweit operierenden nationalsozialistischen Spionagering zu sprengen, der in Verbindung mit der deutschamerikanischen Vereinigung German-American Bund gestanden hatte. Deutschstämmige Spione – vornehmlich in amerikanischen Rüstungsbetrieben tätige Ingenieure – hatten über einen ausgedehnten Zeitraum wichtige Informationen über militärische und strategische Einrichtungen an das Dritte Reich weitergeleitet. Durch umfangreiche Geständnisse und Denunziationen innerhalb des Rings war es dem Bundesgericht schließlich gelungen, 18 Personen zu verhaften und einen Teil von ihnen vor Gericht zu stellen.221 Der FBI-Agent Leon G. Turrou, dem die Aufdeckung des Spionagenetzes in erster Linie zu verdanken war, kündigte am 21. Juni 1938 in der Zeitung New York Post unter dem Titel „Nazi Spies in America“ eine große mehrteilige Artikelserie an, für die sich die Warner Bros. Studios bereits zwei Tage später die Filmrechte sicherten.222 Wie zu erwarten war, stieß das Projekt sowohl bei der Production Code Administration als auch bei der stets wachsamen deutschen Botschaft von Los Angeles auf heftigen Widerstand – die turbulente Produktionsgeschichte ist heute in zahlreichen Untersuchungen amerikanischer Filmhistoriker dokumentiert.223 Aufgrund des außergewöhnlich heiklen Charakters der Unternehmung fanden die Vorbereitungen für die Dreharbeiten während der Sommermonate des Jahres 1938 unter absoluter Geheimhaltung statt. Keinesfalls wollte man die Regierung und das FBI, die eine Gefährdung des im Herbst 1938 stattfindenden Spionageprozesses durch Turrous „Mitteilungsbedürfnis“ fürchteten, gegen das Studio aufbringen. Erst am 21. November 1938 – der Prozess näherte sich bereits seinem Ende – wurde das Projekt unter dem Arbeitstitel Storm over America publik gemacht. In einer Rede vor Mitgliedern des Vereins Ancient Order of Hibernians legte Harry Warner im März 1939 kurz nach der Beendigung der Dreharbeiten die neue Firmenpolitik der Warner Bros. Studios dar; weder durch Drohungen noch Bitten sei das Studio künftig von der Erfüllung seiner patriotischen Pflicht abzuhalten:
221 Wilhelm, Bewegung oder Verein? 277–278. 222 Turrou, Ace G-Man, Resigns to Tell Spy Story in the Post, in: New York Post (21.06.1938), 1, Confessions of a Nazi Spy papers, WBA, USC. Der Preis für die Filmrechte betrug 25.000 Dollar; ferner fungierte Turrou als technischer Berater während der Dreharbeiten. Agreement between Leon G. Turrou and Warner Bros. Pictures, (23.06.1938), Confessions of a Nazi Spy papers, WBA, USC. 223 Siehe zum Beispiel: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 305–347; Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 96–137; Ross, Confessions of a Nazi Spy, in: Kaplan/ Blakley, Warner’s War, 48–60.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) The Old World has been slipping more and more into the greedy grasp of dictators, autocrats, tyrants and terrorists. Whole populations have had their territorial status changed, their methods of government altered, at the whim of one single madman. […] Every possible effort has been made to plant the seed of autocracy, of dictatorship, of totalitarianism, of anti-religious feeling right here in our own free United States of America. […] It has long seemed to me that the motion picture can be used as one of the most effectual means of exposing the plots against the United States, and of glorifying and sustaining our love of country and pride in its institutions. […] And so our producing company is making right now a picture [Confessions of a Nazi Spy] revealing the astonishing length to which the Nazi spies have gone in America. We are making this – and we will make more like it, no doubt, when occasion arises. We have disregarded, and we will disregard, threats and pleas intended to dissuade us from our purpose. We have defied, and we will continue to defy, any elements that may try to turn us from our loyal and sincere purpose of serving America.224
Für die Gruppe der im Studio beschäftigten deutschsprachigen Künstler um William Dieterle bedeutete dieser weitere Schritt der Gebrüder Warner auf dem Wege zur politischen Emanzipation ihrer Filmproduktion eine erhebliche Ausdehnung ihrer Handlungsmöglichkeiten. Waren – wie ausführlich dargelegt – zuvor etliche Bemühungen um eine Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus durch die Studioleitung vereitelt worden, herrschte dort nun diesbezüglich eine erhöhte Aufgeschlossenheit. Dieses veränderte Klima sollte auch den Entstehungshintergrund der im Frühjahr 1939 ungefähr zeitgleich mit Confessions of a Nazi Spy uraufgeführten, historisch-biographischen Großproduktion Juarez entscheidend prägen. Ein Filmdrehbuch als politisches Ideendrama War es Dieterle mit seinem Filmerfolg The Life of Emile Zola im Sommer 1937 gelungen, eine grundlegende Verbesserung seiner Arbeitsumstände in den Warner Bros. Studios zu erreichen, zog seine neue Spezialisierung auf kostenintensive A-Produktionen mit zumeist historischem Hintergrund – wie dargelegt – eine erhebliche Verlängerung seiner Drehpausen zwischen den einzelnen Filmen nach sich, in denen er entweder mit Recherchen und Vorbereitungen beschäftigt war oder an eine andere Firma ausgeliehen wurde. So sollte er erst im November 1938 die Dreharbeiten zu seinem nächsten WarnerProjekt Juarez beginnen, das mit einer Vorlaufzeit von insgesamt 14 Monaten und Gesamtkosten von 1.251.062 Dollar225 zu einer der aufwendigsten Unter224 Rede Harry Warners vor den Mitgliedern der Ancient Order of Hibernians (Verein amerikanischer Bürger irischer Abstammung), (17.03.1939), Harry M. Warner Speeches and Interviews file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 225 Budget-Auflistung für den Film Juarez, (14.04.1939), Juarez papers, WBA, USC. Neben einer genauen Aufschlüsselung der Ausgaben für die Ausstattung des Filmes gibt
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nehmungen des Studios in der Dekade wurde. War es dem Regisseur durch seinen zwischenzeitlichen loan-out an den unabhängigen Produzenten Walter Wanger nicht möglich gewesen, sich kontinuierlich in alle Aspekte der Vorbereitungen einzubringen, hatte er an der ursprünglichen Idee zu dem Film jedoch einen maßgeblichen Anteil. Während der laufenden Dreharbeiten zum Midsummer Night’s Dream im Jahre 1935 hatte er mit Max Reinhardt und Henry Blanke über potentielle weitere Filmprojekte nachgedacht und kurzfristig den Plan entwickelt, die Geschichte des glücklosen österreichischen Monarchen Maximilian von Habsburg (Kaiser von Mexiko) und seiner Frau Charlotte zu verfilmen.226 Das Konzept nahm jedoch nie konkrete Gestalt an und wurde zugunsten anderer – bereits dargelegter – Unternehmungen einstweilen fallengelassen. Erst als man im Sommer 1937 nach einem neuen angemessenen Projekt für das Erfolgsteam Dieterle/Blanke/Muni suchte, kam Blanke auf den zuvor erwogenen Stoff um Maximilian und Charlotte zurück. Anders als noch in den Gesprächen mit Reinhardt, in denen man eher eine tragische Liebesgeschichte im Sinn hatte, zeichnete sich nun jedoch – vor dem Hintergrund des großen Erfolges mit The Life of Emile Zola und gemäß der Hollywood-Produktionsmaxime der fortwährenden Bemühung einträglicher Erfolgsrezepte – eine andere Herangehensweise ab. Man entwickelte die Idee, den Stoff als eine weitere Filmbiographie zu konzipieren und den Fokus der Handlung von Maximilian auf dessen langjährigen politischen Kontrahenten Benito Juárez (ein potentieller Part für Paul Muni) zu verlegen.227 Dieser war im Jahre 1861 zum Präsidenten von Mexiko gewählt geworden und hatte das Land mit umfangreichen Reformen, die in Enteignungen von Großgrundbesitzern und der Säkularisierung kirchlicher Besitztümer resultierten, reorganisiert. Aufgrund eines drohenden Staatsbankrottes unterbrach Juárez außerdem die Rückzahlung der Auslandsschulden durch die Erklärung eines befristeten Moratoriums; die wichtigsten Gläubigerländer Spanien, Großbritannien und Frankreich reagierten darauf mit einer militärischen Intervention. Zogen Spanien und Großbritannien ihre Truppen rasch wieder zurück, nutzte der französische Hof unter Napoleon III. die eskalierende Situation für einen Versuch, Mexiko unter französische Kontrolle zu bringen. In dem Wissen, dass die USA aufgrund des dort entbrannten Bürgerkrieges untätig bleiben würden, drängte Napoleon III. die Regierung Juárez ins Exil und initiierte nach der Durchführung eines manipulierten Plebiszits die Ernennung des Österreichers Maximilian von Habsburg zum Kaiser Mexikos. Es folgte ein erdas Dokument ebenfalls Auskunft über die Gehälter der beteiligten Künstler: William Dieterle – 46.376 Dollar, Henry Blanke – 16.600 Dollar, Paul Muni – 112.500 Dollar, Bette Davis – 35.000 Dollar, Brian Aherne – 40.000 Dollar. Ebenda. 226 Harold Turney, Developing the Idea. Film Guide to Warner Bros. Picture Juarez, Juarez papers, WBA, USC; Memorandum Walter MacEwens an Roy Obringer, (11.04.1939), Juarez papers, WBA, USC. 227 Ebenda.
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bitterter dreijähriger Bürgerkrieg, an dessen Ende der siegreiche Präsident Juárez die französischen Truppen in die Flucht schlug und den von Napoleon III. im Stich gelassenen Kaiser Maximilian zum Tode verurteilte. Um während der Konzeption eines entsprechenden Drehbuches über eine kompetente (deutschsprachige) Kontaktperson im story department zu verfügen, beschloss Blanke im August 1937, Wolfgang Reinhardt in das Projekt zu involvieren. Der älteste Sohn Max Reinhardts war 1935 in die USA emigriert und hatte im Zuge der geschäftlichen Liaison seines Vaters mit Warner Bros. eine Anstellung als Drehbuchautor im Studio erlangen können.228 Innerhalb weniger Monate entstand unter Reinhardts Ägide eine 141-seitige story-outline, die trotz ihres vorläufigen und eher deskriptiven Charakters bereits das große Potential des Stoffes offenbarte.229 Die zu dem damaligen Zeitpunkt mehr als siebzig Jahre zurückliegenden Ereignisse um Juárez und Maximilian – so erkannte Reinhardt – konnten in der geplanten Verfilmung große Aktualität und höchste politische Brisanz erlangen. Der Freiheitskampf eines demokratisch gewählten Präsidenten gegen einen gewaltsam an die Macht gekommenen Monarchen – die Marionette einer korrupten und kriegsgewinnlerischen dritten Partei – wies überdeutliche Analogien zu den aktuellen politischen Ereignissen der dreißiger Jahre auf. Durch diesen Stoff hatte man die Möglichkeit, ein eindringliches Plädoyer für die Demokratie zu schaffen, das die europäischen Diktaturen unter Mussolini und Hitler zwar nicht konkret beim Namen nannte, aber doch keinen Zweifel an ihrer Verurteilung ließ. Enthusiastisch erläuterte Reinhardt im November 1937 in einem Memorandum an Blanke:
228 Leider lässt sich auf der Grundlage der Personalakte Reinhardts nicht der exakte Beginn seines Arbeitsverhältnisses mit Warner Bros. eruieren. Reinhardt legal files, WBA, USC. Asper geht davon aus, dass Reinhardt bereits während der Vorbereitungen zum Midsummer Night’s Dream vom Studio engagiert wurde. Asper, Etwas Besseres als den Tod, 525. Da in den Produktionsunterlagen diesbezüglich jedoch kein Hinweis existiert, ist davon auszugehen, dass es sich bei Reinhardts Mitwirkung – falls sie existierte – nicht um eine offizielle Tätigkeit handelte. Erst im Zusammenhang mit dem Film Juarez sollte der Emigrant seinen ersten screen credit als Autor erlangen. Bereits ein Jahr später wechselte er bei Warner Bros. in den Berufszweig des Produzenten anlässlich der Dieterle-Filmbiographie Dr. Ehrlich’s Magic Bullet; danach folgten in großen Abständen noch drei weitere Warner-Filme, in denen Reinhardt ebenfalls als Produzent fungierte: My Love Came Back (1940), Male Animal (1942) sowie Three Strangers (1946). 229 Bei dieser von dem Vertragsautor Aeneas McKenzie erstellten outline handelte es sich noch nicht wirklich um eine dramatische Story, sondern eher um eine Auswertung der Recherchearbeit, die zu diesem Zeitpunkt bereits geleistet worden war. Ein Exemplar dieser outline mit einem erläuternden Vorwort Reinhardts befindet sich in der William Dieterle Collection, Cinematic Arts Library, USC.
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[Die Story] kann hoechst interessant werden, wenn ein guter Writer, der Sinn für politische Zusammenhaenge hat, die Analogie der damaligen Zustaende mit den Geschehnissen von heute in dramatischer, unterhaltender Weise herausarbeitet. Der Dialog, soweit er politisch und ideologisch ist, darf nur Schlagworte aus unseren Tageszeitungen enthalten: jedes Kind muss erkennen, dass Napoleon mit seiner mexicanischen [sic!] Intervention niemand anderes ist als Mussolini plus Hitler mit ihrem Abenteuer in Spanien.230
Der Produzent zeigte sich für diesen mutigen Ansatz sofort empfänglich, beauftragte Wolfgang Reinhardt mit dem Entwurf eines entsprechenden Drehbuches und stellte ihm mit dem jungen erfolgversprechenden Autor John Huston einen englischsprachigen Kollegen zur Seite. Um die Autoren mit den erforderlichen historischen Hintergrundinformationen zu versorgen, begann das research department unter Herman Lissauer mit einer bislang in der Studiogeschichte einzigartigen Materialsuche. Man ließ sich Bücher und Dokumente aus österreichischen, französischen, spanischen sowie mexikanischen Archiven kommen und kaufte die Materialien des New Yorker Professors Jesse John Dossick, einem Experten auf dem Forschungsgebiet der lateinamerikanischen Geschichte, der damals an der ersten englischsprachigen Biographie über Benito Juárez arbeitete.231 Die Informationen wurden wie immer in einer sogenannten research bible zusammengefasst, die im Falle von Juarez – so Lissauer – jedoch einen bislang noch nie erreichten Umfang annahm: From the research point of view it was the most extensive and difficult assignment our department has ever received. I think this is mainly due to the fact that the story contains five nations as a background for the action: Austria, the Italian palace of Maximilian in Miramar, the palaces and cathedrals of Belgium, the Tuileries and the surroundings of Napoleon III in France, and finally, the Mexican scene. […] This information we collected in our „bible“, which in the case of „Juarez“ was larger and more comprehensive than any we have ever made. It ran into nine volumes of material.232
Ferner erwarb man die Filmrechte an zwei literarischen Bearbeitungen des Themas: an einem im Amerika publizierten historischen Roman Bertita Hardings unter dem Titel The Phantom Crown sowie an Franz Werfels 1924 entstandenem Theaterstück Juarez und Maximilian, das einen reichhaltigen Fundus an aussagekräftigen dramatischen Situationen bot, auf die die Drehbuchautoren zurückgreifen konnten. War der über die Paul Kohner Talent Agency abgewickelte Geschäftsabschluss mit den Warner Bros. Studios im Herbst 1938 für den soeben aus Wien nach Südfrankreich emigrierten Werfel sicherlich eine willkommene erste Verbindung nach Hollywood233, beinhaltete er 230 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Henry Blanke, (24.11.1937), Juarez papers, WBA, USC, (Hervorhebung im Original). 231 Brief Jesse John Dossicks an Jack Warner, (20.01.1938), Juarez papers, WBA, USC. 232 Interview mit Herman Lissauer, in: Harold Turney, Film Guide to Warner Bros. Picture Juarez, Juarez papers, WBA, USC. 233 Werfel erhielt für die Filmrechte 6000 Dollar. Telegramm Paul Kohners an Walter MacEwen, (17.10.1938), Juarez papers, WBA, USC. Vgl.: Photokopie des Vertrages
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jedoch auch einen „Wermutstropfen“. Bevor das Studio die Filmrechte erwerben konnte, hatte es eine Abfindung an den 1938 „arisierten“ österreichischen Verlag Zsolnay, den ursprünglichen Rechteinhaber, zu entrichten. Werfel, der im Falle einer Zahlung an Zsolnay mit seinem Rücktritt von der Vereinbarung gedroht hatte, wurde „vertröstet“ und über den weiteren Verlauf der Dinge im Unklaren gelassen. Das Studio zahlte – so belegen die Produktionsakten – die von Zsolnay verlangten zwanzig Prozent des an Werfel gezahlten Betrages (1200 Dollar) ohne das Wissen des Autors. Der in New York tätige Rechtsberater des Studios Morris Ebenstein schrieb in einem Memorandum an Henry Blanke: I am, therefore, trying to work out some secret way of closing the transaction so that as far as Werfel is concerned we have dealt only with him and the guild and have paid them the total sum of $6000. Through some indirect source we will pay Zsolnay $1200 so that they will think they have been included in the deal. The deal will cost us $7200, but we can see no way out of this.234
Konnten Reinhardt und Huston somit während der Abfassung der ersten Drehbuchversionen auf eine außergewöhnlich große Menge an Quellen und Vorlagen zurückgreifen, stießen sie jedoch bei der Konstruktion der Handlung rasch auf ein grundlegendes strukturelles Problem bezüglich der beiden Hauptfiguren Juárez und Maximilian, das Reinhardt in einem Memorandum an Blanke erläuterte: Die Schwierigkeit war, zwei Personen in dramatische Beziehung zueinander zu setzen, die historisch nachweislich nie miteinander in Kontakt gekommen sind. Zuerst versuchten wir zur Fiction [sic!] unsere Zuflucht zu nehmen, erkannten aber bald, dass, um der im „Zola“ als Conditio sine qua non aufrecht erhaltenen „inneren Wahrheit“ gerecht zu werden, nichts Erspriessliches mit Erfindungen erreicht werden konnte. So blieb kein anderer Ausweg, als anstelle der nicht vorhandenen direkten Beziehungen rein geistige zu setzen. Unter Werfels Einfluss wurde die Quintessenz der vorliegenden Story somit eine geistige Auseinandersetzung zwischen Maximilian und Juarez, dem Habsburger und dem Indianer, zwischen Gottesgnadentum und Republik, zwischen einem phantasievollen Idealisten und einem logischen Realisten, einer weichen Seele und einem stahlharten Intellekt.235
Das Problem der dramatischen Verbindung der beiden Protagonisten – dem Franz Werfel in seinem Stück ausgewichen war, indem er Juarez nicht auftreten ließ – sollte demnach durch eine bewusste Betonung ihrer kulturellen, ideologischen und psychologischen Gegensätze gelöst werden. An die Stelle des im damaligen Hollywoodfilm sonst eher üblichen dramaturgischen Konzeptes der straight continuity, der aufeinander aufbauenden Szenen, sollte eine kontrazwischen Werfel und den Warner Bros. Studios, (10.12.1938), Feuchtwanger Memorial Library, Felix Guggenheim Papers, USC. 234 Brief Morris Ebensteins an Henry Blanke, (28.10.1938), Juarez papers, WBA, USC. 235 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Henry Blanke, (24.11.1937), Juarez papers, WBA, USC.
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punktische Erzähl-Technik treten, die den Konflikt zwischen unterschiedlichen Ideologien betonte. Dass sich das Drehbuch damit von allen bewährten Erfolgsformeln entfernte, nahm Reinhardt wissentlich in Kauf: „Ich bin mir bewusst, dass diese Linie für ein Motion Picture ungewoehnlich, vielleicht sogar zu hoch gegriffen ist. Aber haette man vom ‚Zola‘ vor knapp zwei Jahren nicht dasselbe gesagt?“236 Sollte dieses von Reinhardt und Huston intendierte revolutionäre Grundkonzept eines filmischen „Ideendramas“ im fertigen Film tatsächlich weitgehend verwirklicht werden und ihn damit zu einem damals recht außergewöhnlichen Produkt der Traumfabrik machen, erfolgten dennoch vor Beginn der Dreharbeiten etliche Modifikationen der Story, die die Autoren als eine unverzeihliche Abwertung ihres Werkes empfanden. Entgegen der bei weniger ambitionierten Filmen üblichen Produktionsroutine, die hochbezahlten Regisseure und Schauspieler zwecks Kostensenkung erst in einem späten Stadium in die Filmprojekte zu integrieren, wurden Dieterle und Muni aufgrund ihres Erfolges mit der Zola-Biographie in diesem Falle bereits früh dazu aufgefordert, ihren Beitrag an der Entstehung des Drehbuches zu leisten. Insbesondere der politisch wachsame Muni zeigte sich an dem Stoff sehr interessiert und lieferte etliche Vorschläge, die aufgrund seines mittlerweile großen Einflusses im Studio zumeist berücksichtigt wurden.237 Als jedoch auch Dieterle sich anschickte, einige Änderungswünsche zu formulieren, die in erster Linie auf eine – seiner Meinung nach notwendige – Erhöhung des Tempos der Handlung abzielten, reagierte Reinhardt mit einem empörten Brief an Blanke, der heute als ein höchst seltener und aufschlussreicher Einblick in den Arbeitsalltag exilierter Filmkünstler bei Warner Bros. gelten kann. Der Emigrant Reinhardt – wohl zweifellos begabt, bislang jedoch ohne sichtbaren kommerziellen Erfolg in Hollywood – wehrte sich vehement gegen die Eingriffe des erfahrenen Filmmannes Dieterle, der Konzessionen an den Publikumsgeschmack als Bedingung für sein berufliches Überleben in den USA erkannt hatte. Mit einem politisch engagierten Film, so wusste der Regisseur, der aufgrund eines zu experimentellen Charakters in leeren Kinosälen gespielt wurde, konnte man die Welt nicht verändern. Reinhardt begann seinen Brief mit einem konkreten Beispiel für die „unsensiblen“ Eingriffe Dieterles und schrieb im Folgenden: Der Eingriff, der hier vorgenommen worden ist, ist Typisch [sic!] fuer alle Dieterleschen Aenderungsvorschlaege: Zugunsten eines angeblich notwendigen D-Zugtempos wird der wohlbalancierte Rhythmus des ganzen Stuecks veraendert, wird der mood der ein236 Ebenda. Vgl. auch: Brief Wolfgang Reinhardts an Henry Blanke, (02.11.1938), Juarez papers, WBA, USC. 237 Noch bis zum Frühjahr 1938 hatte die Studioleitung allerdings gezögert, die Rolle des Juárez mit Paul Muni zu besetzen. Man befürchtete, dass es die mexikanische Bevölkerung (aufgrund des auch dort rapide zunehmenden Antisemitismus) nicht gerne sähe, wenn ein jüdischer Schauspieler ihren Nationalhelden portraitieren würde. Brief Thomas F. Littles an Jacob Wilk, (07.03.1938), Juarez papers, WBA, USC; Brief Jacob Wilks an Hal B. Wallis, (09.03.1938), Juarez papers, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) zelnen Scene zerstoert, werden alle schoenen, kleinen touches eleminiert [sic!]. […] Was macht dieses Script grossartig? Dass es ungewoehnlich ist. Nun siehst Du untaetig zu, wie alles Ungewoehnliche, das es von anderen Filmstories unterscheidet, in das gewoehnliche alte Schema hineingepresst wird […]. Es ist ein fundamentaler Irrweg dieses Buch, so wie es nun einmal konzipiert wurde, auf action und fast continuity stellen zu wollen. […] Es ist unmoeglich ideologische Auseinandersetzungen im Tempo des Pasteurfilms abrollen zu lassen. Die unvermeidliche Konsequenz der jetzt gemachten Eingriffe ist die, dass langsame, wortreiche, theoretisierende Scenen inmitten einer hochpulsigen schnell vorwaerts getriebenen action stehen werden und folglich nicht anders als als Aufenthalte und didaktische Exkurse empfunden werden koennen.238
In einem unmissverständlichen Appell forderte Reinhardt den associate producer Blanke dazu auf, Dieterles Eingriffen ein Ende zu setzen, mit denen er sich einer unverzeihlichen Missachtung des Drehbuches und vor allem des überragenden Talentes John Hustons schuldig mache: Jetzt aber beobachte ich zum ersten Mal, seit ich Dich kenne, dass Du nicht das Beste willst, ja dass Du Deine Hand dazu bietest etwas Gutes, etwas kuenstlerisch Hochwertiges o h n e N o t in billiges Kino zu verwandeln. […] Hier ist der Punkt wo ein Producer von Urteil ein Machtwort zu sprechen hat.239
Lässt Reinhardts engagiertes Eintreten für ein unkonventionelles Skript und den jungen John Huston, der wirklich eine bemerkenswerte Karriere vor sich hatte, aus heutiger Sicht spontane Zweifel an der Notwendigkeit der Dieterleschen Eingriffe aufkommen, stellte sich jedoch nach der Premiere rasch heraus, dass der fertige Film tatsächlich an dem von Dieterle monierten fehlenden Tempo kranken sollte. Das Werk erfüllte – wie zu zeigen sein wird – vollends seine Bestimmung als politisch engagiertes Plädoyer für die Demokratie und als Zeitdokument; es gelang ihm jedoch nicht, darüber hinaus auch die filmhistorische Bedeutung eines zeitlosen Klassikers zu erlangen. Handelte es sich bei dem Film Juarez, der schließlich im April 1939 in die Kinos kommen sollte, um ein vieldiskutiertes, international wahrgenommenes „Politikum“, sollte auch die insgesamt fast zwei Jahre dauernde Vorbereitung bereits eine ähnlich wichtige Bedeutung erlangen. In einer Zeit, in der die faschistischen Staaten Europas einen zunehmenden Einfluss auf Lateinamerika gewannen, versuchte der US-Präsident Roosevelt unter Besinnung auf die Monroe Doktrin (die eine Nichteinmischung Europas in die Belange der Westlichen Hemisphäre postulierte) eine bindende Allianz Nord- und Südamerikas zu knüpfen und auf diese Weise ein Bollwerk gegen europäische Eingriffe zu errichten. Aus diesem Grund wurde die sogenannte Good Neighbor Policy, die Freundschaftspflege mit Lateinamerika, zu einem wichtigen Anliegen in der aktuellen Tagespolitik.240 In Unterstützung dieses politischen 238 Brief Wolfgang Reinhardts an Henry Blanke, (02.11.1938), Juarez papers, WBA, USC. 239 Ebenda, (Hervorhebungen im Original). 240 Zu Roosevelts Good Neighbor Policy und zu der Rolle, die die US-Filmindustrie dabei einnehmen sollte, siehe: Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Ju-
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Kurses der US-Administration – wie dargelegt waren die Gebrüder Warner enthusiastische Anhänger Roosevelts – war das Studio während der Vorbereitung des Filmes sehr darauf bedacht, die Empfindlichkeiten der mexikanischen Bevölkerung angesichts der Portraitierung ihres wichtigen Nationalhelden Juárez nicht zu verletzen. Blanke trat in einen engen Briefkontakt mit dem Warner Bros. Vertreter in Mexiko Pedro Hurtado, den er im Laufe der Produktion regelmäßig bezüglich des Drehbuches und der Figurenkonzeption konsultierte.241 Außerdem begaben sich Blanke, Dieterle und Muni im August 1938 zusammen mit dem Produktionsleiter Wallis auf eine sechswöchige Forschungsreise nach Mexiko, während der sie insgesamt 15 Städte und Dörfer aufsuchten, die eine wichtige Rolle in Juárez’ Leben gespielt hatten.242 Neben der Sichtung wertvoller Archivalien des Nationalmuseums und dem Einblick in Dokumente von Privatpersonen führte man Gespräche mit zwei Veteranen, die an der Seite von Juárez gegen Maximilian gekämpft hatten, sowie mit den Gebrüdern Prida, den Urenkeln des Nationalhelden. Eine zusätzliche politische Signifikanz erhielt der Aufenthalt durch das Angebot des Präsidenten Lázaro Cárdenas, als offizieller Gastgeber der Gruppe in Mexiko City zu fungieren.243 Eine auf amerikanischer wie mexikanischer Seite gleichermaßen ausgedehnte Berichterstattung in der Presse rundete die diplomatisch geschickte „Goodwill-Aktion“ ab. Dieses intensive Werben der Warner Bros. Studios um die mexikanische Unterstützung des Projektes wurde begleitet von regelmäßigen Konferenzen mit der Production Code Administration; unter dem Eindruck der immensen Zensurschwierigkeiten im Zusammenhang mit The Life of Emile Zola war man nicht dazu bereit, überflüssige Risiken einzugehen. Konflikte mit den in- und ausländischen Zensurbehörden, die, wie dargelegt, katastrophale wirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen konnten, sollten im Vorfeld weitgehend ausgeschlossen werden. Der Leiter der PCA-Zweigstelle in Los Angeles, Joseph Breen, warnte die Gebrüder Warner jedoch davor, dass unvorhergesehene Konflikte im Falle eines derartig arez (Warner Bros. Screenplay Series), 9–11; Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 290– 292; George Gercke, Pan-American Pictures, in: The New York Times (18.12.1938), 6. 241 Siehe zum Beispiel: Brief Henry Blankes an Pedro Hurtado, (19.12.1938), Juarez papers, WBA, USC; Brief Pedro Hurtados an Henry Blanke, (02.01.1939), Juarez papers, WBA, USC. 242 Besucht wurden zum Beispiel sein Geburtsort Oaxaca sowie Guanajuato und Guadalajara, temporäre Regierungssitze des Präsidenten. Excavating Juarez from the Ruins, in: The New York Times (23.04.1939), 126; Touring Mexico in Research, in: Harold Turney, Film Guide to Warner Bros. Picture Juarez, Juarez papers, WBA, USC. 243 Mex Prez Plays Host to WB Scouting Party, in: Variety (31.08.1938), 22. Vanderwood vermutet, dass Cárdenas mit dieser Einladung gezielt das angespannte Verhältnis zu den USA verbessern wollte, da er kurz zuvor die amerikanischen Ölgesellschaften auf mexikanischem Boden nationalisiert und damit ein Öl-Einfuhrboykott der US-Regierung ausgelöst hatte. Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 32.
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kontroversen Filmstoffes wohl kaum auszuschließen seien. Generell reagiere man im Ausland zunehmend ablehnend auf Filme, die in irgendeiner Form revolutionäre Bewegungen portraitierten. Auch die – der politischen Aussagekraft des Filmes zwangsläufig geschuldete – negative Portraitierung Frankreichs wurde von Breen als hochproblematisch gewertet. Das ohnehin sehr angespannte Verhältnis Hollywoods zur französischen Regierung werde durch den Film Juarez sicherlich nicht verbessert.244 Blanke war durch diese negativen Prognosen jedoch in seiner Zuversicht bezüglich des Projektes nicht zu erschüttern, enthusiastisch schrieb er während der Dreharbeiten an Pedro Hurtado: „I guarantee to you right now that, from what I have seen of the picture cut to date, it will be an immense thing, and that it will overshadow ‚Zola‘ and ‚Pasteur‘ as its subject is more timely than anything done heretofore.“245 Konnte der Film Juarez – entgegen der Hoffnung Blankes – die beiden vorherigen Werke The Story of Louis Pasteur und The Life of Emile Zola bezüglich seiner Popularität nicht in den Schatten stellen, war er jedoch in der Tat an politischer Aktualität kaum zu übertreffen. Es entstand ein auch heute noch beeindruckendes Ideendrama, durchzogen von intelligent konstruierten Dialogen, die dem Zuschauer in sehr pädagogischer Weise die Überlegenheit der demokratischen Staatsform demonstrierten. Die Protagonisten sind weniger lebendig gezeichnete Figuren, als vielmehr Allegorisierungen dreier politischer Systeme: Demokratie (repräsentiert durch Juárez), Monarchie (verkörpert durch Maximilian von Habsburg) und Diktatur (allegorisiert durch Napoleon III.). Insbesondere in der Figur Napoleons III., glänzend portraitiert durch den englischen Darsteller Claude Rains, manifestiert sich ein überdeutlicher Zeitbezug zur weltpolitischen Landschaft der dreißiger Jahre; der französische Monarch wird gezeichnet als eine Personifizierung aller Mussolinis und Hitlers der damaligen weltpolitischen Bühne. Er ist egozentrisch, eitel und rassistisch, verfügt beliebig über Menschenleben und echauffiert sich angesichts der Erwähnung demokratischer Ideale. Seine Regierungsweise fußt auf einem Grundprinzip diktatorischer Unterwerfung, das Juárez im Folgenden vor seinen Gefolgsleuten anschaulich darlegt: Palacio: I am [concerned] about the Indians believing Maximilian to be a god. Mexico was first conquered because its people believed a European to be a God. Juarez: That is the inevitable course of tyranny, from Caesar to Napoleon. Tyrants always make their appearance in that guise Palacio, because to exist they must, like Gods, be the objects of the people’s blind faith; a faith which enslaves rather than uplifts. And when a people is sufficiently weakened, only then does the despot dare unmask himself, 244 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 284. In der Tat zeigte sich der französische Konsul in Los Angeles J. J. Viala bereits während der Dreharbeiten zu Juarez besorgt über die negative Portraitierung Frankreichs. Brief J. J. Vialas an Joseph Breen, (20.01.1939), Juarez papers, WBA, USC. 245 Brief Henry Blankes an Pedro Hurtado, (12.01.1939), Juarez papers, WBA, USC.
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but it is too late, for then the people are slaves. It is our task to strip the cloak of godliness from him and show him to the Mexican people for what he really is.246
Gemäß seiner in diesen Zeilen zum Ausdruck kommenden Überzeugung, dass die Herrschaft eines einzelnen Mannes unweigerlich auf einer irrationalen Vergöttlichung basiert und mit der Versklavung der Bevölkerung einhergeht, differenziert Juárez nicht zwischen einer Diktatur und einer Monarchie. Er betrachtet Napoleon III. wie auch Maximilian von Habsburg (Brian Aherne) in gleichem Maße als Feinde Mexikos – obwohl sich schon zu Beginn des Filmes, kurze Zeit nach der Krönung Maximilians, herausstellt, dass dieser mit durchaus wohlmeinenden Intentionen handelt. So schrieb Henry Blanke in einem Brief an Pedro Hurtado bezüglich der Konzeption dieser Figur: „[He is] a tool in the hands of Napoleon, yet [he] means well and defends his Monarchistic [sic!] principles.“247 Die große Güte, Geduld und Kompromissbereitschaft des Kaisers sowie der liebevolle Umgang mit seiner Frau Charlotte (gespielt von Bette Davis) verwirrten etliche Kritiker, die die negativen Aspekte einer Monarchie unter Maximilian nicht genügend herausgearbeitet sahen. Sie waren vielmehr höchst irritiert von der Herzlichkeit Maximilians und der analytischen, sachlichen Distanziertheit des Präsidenten Juárez. Wirkt der Präsident in den meisten Szenen abweisend, kühl und sogar kalkulierend, wird Maximilian als ein Mann portraitiert, der zum Wohle Mexikos alles, sogar sein Leben, zu opfern bereit ist. Seine Versöhnungsversuche mit dem Volk sowie mit Juárez wirken aufrichtig und verschaffen ihm die Sympathie des Publikums – die von den Autoren intendierte politische Aussage des Filmes scheint konterkariert. Viel zu dieser Verwirrung trug eine Dialogpassage bei, in der Maximilian selbst behauptet, dass seine politischen Ziele eigentlich mit denen des Präsidenten identisch seien. Er besucht einen Kriegsgefangenen namens Porfirio Diaz (John Garfield), einen der besten Generäle der Republik, im Gefängnis und versucht, ihm die Gefahren der demokratischen Staatsform zu erläutern: Max.: Then all that lies between us is a word, General Diaz, for otherwise Benito Juarez and I are in accord. […] Only a word – democracy. I agree with Benito Juarez that in theory it is the ideal system; but in practice government by the people can become the rule of a mob … a mob which follows whatever demagogue will promise most. From such as these, General Diaz, only a monarch can protect the state. Diaz: Why a monarch more than a president? Max.: Because a president is a politician and must answer to his party. But a king is above factions and parties. A president may be poor and therefore open to temptation. But a king, having everything, desires nothing. A greater obligation rests upon him than upon those of lesser birth … the obligation to defend his own honor, which is the honor of his ancestors and the honor of his posterity as well.248 246 Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 95–96. 247 Brief Henry Blankes an Pedro Hurtado, (19.12.1938), Juarez papers, WBA, USC. 248 Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 140–141.
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Werden diese Ausführungen des Kaisers in einer anschließenden Szene zwar analysiert und argumentativ entkräftet, hinterlassen sie dennoch einen gewissen positiven Eindruck, der durch die folgende Handlung nicht vollkommen neutralisiert wird. Maximilian entlässt General Diaz aus der Gefangenschaft und schickt ihn mit einer Botschaft zu Juárez; dieser solle Ministerpräsident werden in einer mexikanischen Monarchie, beruhend jedoch auf den von Juárez entworfenen republikanischen Prinzipien. Nur das Wort „Demokratie“ gelte es bei der beiderseitigen Annäherung zu überwinden. Juárez lehnt das Versöhnungsangebot allerdings kategorisch ab und erläutert Diaz im Anschluss seine Beweggründe. Wie in einer griechischen Katharsis oder – so ein Kritiker des Kansas City Star – wie in einer „etwas trockenen Schulstunde“249 erkennt Diaz die große Bedeutung des Wortes „Demokratie“: Juarez: Maximiliano says only a word stands between him and me. Only the word democracy. Porfirio, what does it mean this, this word? Diaz: Democracy? Why, it means liberty; liberty for a man to say what he thinks. To worship as he believes. It means equal opportunity. Juarez: No. No, that cannot be its meaning, Porfirio. Maximiliano offers us all these things without democracy. What is it then that he would withhold from us? Diaz: Er, only the right to rule ourselves. Juarez: Then that must be the meaning of the word, Porfirio. The right to rule ourselves. The right of every man to rule himself and the nation in which he lives. And since no man rules himself into bondage, therefore liberty flows from it as water from the hills. […] I say to entrust one’s fate to a superior individual is to betray the very spirit of liberty. The spirit by which each man may raise himself to that level of human dignity where no man is the superior of any other. Where even the lowliest is uplifted to the worth of his manhood and is able to rule with wisdom, justice and tolerance toward all men. Should I not know it, Porfirio? Am I not of the lowliest? Diaz: I was a fool, Señor Juarez. Juarez: Only a word, democracy, may stand between Maximiliano von Habsburg and myself, but it is an unbridgeable gulf. We represent irreconcilable principles, one or the other of which must perish. You see, Porfirio, when a monarch misrules, he changes the people; when a presidente misrules, the people change him.250
Triumphierte am Ende des Filmes letztendlich das von Juárez vertretene Prinzip der demokratischen Staatsform, empfanden etliche Kritiker diesen Triumph des Präsidenten eher als rhetorisch, denn als moralisch-emotional. Der Epilog des Filmes – die Erschießung Maximilians – hinterließ ein Gefühl der Beklemmung, das der Autor Reinhardt bereits vor Beginn der Dreharbeiten antizipiert hatte, aber das seiner Meinung nach durch die Spielweise des Darstellers „neutralisiert“ werden konnte: „[H]is [Maximilian’s] serenity would do so much to neutralize the possible resentment of the audience against Juárez. […] there is the danger point of our picture!“251 Ein kanadischer Kritiker 249 Review of Juarez, in: The Kansas City Star (04.06.1939), Juarez papers, WBA, USC. 250 Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 149–150. 251 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Henry Blanke, (15.11.1938), Juarez papers, WBA, USC.
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spitzte die Problematik äußerst treffend zu: „Here […] you have a story in which most of the sympathy is directed toward the character who should be the villain of the piece, while the villain is the hero.“252 Der eigentliche Bösewicht des Filmes, Napoleon III., blieb eine Randfigur, der Schwerpunkt der Geschichte lag auf dem Antagonismus zweier tragisch verfeindeter Männer, die sich nie begegneten und dennoch bis in den Tod bekämpfen mussten. Durch die Hinrichtung Maximilians erhielt der Sieg der Demokratie einen „schalen Beigeschmack“ – auch die von den Drehbuchautoren frei erfundene Entschuldigung des Präsidenten am Sarge des Kaisers konnte dem nicht abhelfen.253 Diesem Diskurs über die politisch-historische Bewertung dreier Staatsformen wurden zusätzliche, die aktuelle Weltpolitik des Jahres 1939 betreffende Themenfelder beigefügt – so zum Beispiel die bereits erwähnte Good Neighbor Policy zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko, die schon bei den Vorbereitungen des Projektes eine große Bedeutung eingenommen hatte. Der fertige Film unterstützte dieses Anliegen durch eine starke Parallelisierung des mexikanischen Präsidenten mit Abraham Lincoln. Man fügte mehrere Szenen ein, in denen deutlich wird, dass die beiden Staatsmänner in engem Briefkontakt stehen und Juárez den Politiker Lincoln und damit die amerikanische Demokratie als sein Vorbild betrachtet. Während seiner Flucht vor Maximilians Truppen von Unterschlupf zu Unterschlupf trägt Juárez ein Bildnis Lincolns immer bei sich; in etlichen Szenen sieht man es im Hintergrund an der Wand hängen. Auch im Hinblick auf Maske und Kostüm lehnte man die Figur Juárez stark an Abraham Lincoln an, Henry Blanke schrieb diesbezüglich an Pedro Hurtado: „[W]e tried to show ‚Juarez‘ as a ‚Mexican Lincoln‘ – stoic, and almost silent, facing a terrible struggle, and explain to the audience at the same time the ideology of democracy.“254 Durch die starke Bewunderung des mexikanischen Präsidenten für die amerikanische Demokratie schrieben die Autoren den USA eine wichtige Beschützerfunktion zu – eine Rolle, in die auch Roosevelt sich im Laufe der dreißiger Jahre angesichts der drohenden faschistischen Unterwanderung Südamerikas zunehmend gedrängt sah.255 Auch auf die Appeasement-Politik der europäischen Demokra252 Roly Young, Rambling with Roly, in: Toronto Globe and Mail (01.06.1939), Juarez papers, WBA, USC. 253 Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 37. Da viele Mexikaner diese Entschuldigung ihres Volkshelden bei einem ausländischen Eindringling als empörend empfanden und schon vor der Premiere in Mexiko City vehement dagegen protestierten, löschte das Studio in allen für Mexiko bestimmten Verleihkopien an dieser Stelle des Filmes die Tonspur. Man sah, wie Paul Munis Mund die Wörter „Forgive me!“ formte, zu hören war jedoch nichts. Ebenda. 254 Brief Henry Blankes an Pedro Hurtado, (19.12.1938), Juarez papers, WBA, USC. 255 Vgl.: Woll, The Dilemma of Juarez, in: Film and History 5.1 (Februar 1975), 17. Die Parallelisierung Juárez – Lincoln wurde auch vom publicity department des Studios in seiner Werbekampagne für den Film betont. Wiederholt gab es Pressemitteilungen, in
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tien bei der Unterzeichnung des Münchener Abkommens im September 1938 wurde im Film deutlich verwiesen. In einer flammenden Rede prangert Juárez die untätige Neutralität Großbritanniens angesichts des französischen Einmarsches in Mexiko an. Er lehnt die Bitte eines britischen Diplomaten um die Begnadigung Maximilians ab und fragt anklagend nach der Gnade, die dem mexikanischen Volk hätte zuteil werden müssen: Minister: [M]y colleagues and I have requested this audience to beseech you, in the name of humanity and of heaven, to grant a Christian clemency toward the person of Maximilian von Habsburg. Juarez: […] Did any of the monarchs of your European civilization whom Your Excellencies represent appeal to Napoleon the Third in the name of Christian clemency to stop the slaughter of innocent Mexicans? Minister: My government’s expressed policy of neutrality and non-intervention precluded any action whatsoever in Mexican affairs. Juarez: Your Excellencies make use of a jargon which was designed to conceal the principle which motivates your European civilization: a civilization which permits the oppression of the weak by the strong; wherein each great power in turn inflicts its will upon some weaker nation. By what right, señores, do the great powers of Europe invade the lands of simple people? […] The world must know the fate of any usurper who sets his foot upon this soil! The world must know that Mexico is for Mexicans, and not a spoil for the butchering, exploiting powers of your European civilization.256
Durch die Ablehnung des Gnadengesuches verleiht Juárez der Hinrichtung Maximilians die Bedeutung eines wichtigen Exempels: Jede europäische Macht wird für die Verletzung der Freiheit und Unabhängigkeit der Westlichen Hemisphäre einen hohen Preis zahlen. Nicht wenige zeitgenössische Rezipienten sahen in diesen Worten eine deutliche Drohung an Hitler.257 Die Rezeption des Filmes als „politische Waffe“ des Antifaschismus Auch die zu Beginn des Jahres 1939 im Warner Bros. publicity department verstärkt anlaufende Pressekampagne zur Vermarktung des Filmes Juarez wurde durch das Leitmotiv des hochbrisanten Zeitbezuges bestimmt; der Umstand, dass das Studio eine politische Botschaft an das Publikum zu übermitdenen Juárez als der „mexikanische Lincoln“ bezeichnet wurde. Siehe zum Beispiel: Foreword, Juarez Pressbook, 3, Juarez papers, WBA, USC; Short Biography of Benito Pablo Juarez, press release, Juarez papers, WBA, USC. 256 Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 239–240. 257 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 295. Ein weiteres wichtiges Anliegen des Filmes war die Verurteilung von Rassismus. Der Vizepräsident der Republik Alejandro Uradi versucht, Juárez aufgrund seiner indianischen Herkunft abzusetzen. Er will den Präsidenten mit dem Argument, dass ein mexikanischer Präsident „reinen europäischen Blutes“ bessere Chancen im Kampf gegen Maximilian habe, zum Rücktritt zwingen. Juárez kann Uradis Umsturzversuch jedoch vereiteln. Ebenda, 297.
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teln wünschte, wurde nicht mehr – wie noch wenige Jahre zuvor im Falle der Biographie The Life of Emile Zola – sorgsam verschleiert. Allerorten verkündete man vielmehr stolz, dem Medium Film endlich seine volle Bedeutung im modernen demokratischen Amerika zugewiesen zu haben. So betonte der Studioleiter Jack Warner in einer persönlichen Pressemitteilung: Its [the film’s] central and all important theme is democracy, and there is no need for me to point out how vital to the world is the necessity of keeping alive the still-surviving democracies, beginning of course, with our own United States of America. Intense patriotism is the most valuable asset a democracy can have. As picture-makers we have tried, and will continue to try, to inspire patriotism by means of the screen.258
Gemäß der großen Bedeutung, die man auch schon während der Vorbreitung des Projektes der Verbesserung der mexikanisch-amerikanischen Beziehungen beigemessen hatte, versuchte das Studio, die enge politische und historische Verquickung beider Länder bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu betonen. Im sogenannten pressbook, einer eigens für den Film zusammengestellten Pressemappe, versammelte man neben allgemeinen Hintergrundinformationen zur Produktionsgeschichte und den beteiligten Künstlern etliche Artikel, die auf die Notwendigkeit einer Stärkung der Westlichen Hemisphäre gegen Eingriffe europäischer Mächte verwiesen: Against this remarkable background is told a story that is important not only in the history of Mexico but also in the annals of the United States, for it concerns the only largescale attempt ever made by a European power to flout the Monroe Doctrine, a declaration of American policy which recent world events have endowed with increasing significance as the keystone of the defense of democracy all over the Western Hemisphere.259
Die Premiere des Filmes, die am 25. April 1939 gleichzeitig in New York und in Los Angeles stattfand, wurde ebenfalls als eine offizielle Demonstration der Rooseveltschen Good Neighbor Policy inszeniert. In einem eigens gecharterten Zug brachte man etliche auf amerikanischem Boden lebende Repräsentanten der mexikanischen Regierung nach New York, wo sie ihrer großen Bewunderung des Filmes vor der internationalen Presse Ausdruck verliehen. Ausführliche Berichte über die Veranstaltung wurden per Kurzwelle in mehrere Länder Lateinamerikas übermittelt.260 Den Untersuchungen des amerikanischen Filmhistorikers Paul J. Vanderwood zufolge konnte der Film Juarez die hochgesteckten Erwartungen des Studios bezüglich seiner Rezep258 Jack Warner, untitled press release, Jack L. Warner file, Jack L. Warner papers, WBA, USC. Eine Zeit lang überlegte Warner sogar, den Film offiziell Roosevelt zu widmen. Memorandum Jack Warners an Henry Blanke, (12.01.1939), Juarez papers, WBA, USC. Er entschied sich aber aus ungeklärten Gründen dagegen. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 294. Vgl. auch: Ebenda, 458. 259 Juarez with Muni, Davis, Set for Gala Premiere at Strand, Juarez Pressbook, 9, Juarez papers, WBA, USC. 260 Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 457.
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tion in Lateinamerika jedoch bei Weitem nicht erfüllen, die dortige Resonanz war bestenfalls als „durchwachsen“ zu bezeichnen.261 So empfand die mexikanische Presse das Werk größtenteils als eine naive und in einigen Aspekten auch anmaßende Portraitierung mexikanisch-amerikanischer Geschichte, konzipiert allein zu dem Zweck, den Mexikanern die bittere „Gringo-Pille“ schmackhafter zu machen. In der Stilisierung europäischer Usurpatoren zur größten Gefahr für die Unabhängigkeit Mexikos – so schrieb ein Kritiker der Tageszeitung Excélsior – werde lediglich von dem Umstand abgelenkt, dass die wahre „imperialistische Bedrohung“ von den Vereinigten Staaten selbst ausgehe.262 Auch die Filmrezensenten US-amerikanischer Tageszeitungen waren sich in ihrer Beurteilung des Filmes nicht einig. Begrüßte man generell das mutige Eintreten des Studios für eine klare politische Linie bezüglich der stetig wachsenden Bedrohung durch die europäischen Diktaturen, empfand man den Film von einer rein künstlerischen Warte aus betrachtet jedoch als höchst unausgeglichen. Neben der bereits erwähnten Kritik an der missglückten, die politische Aussage des Drehbuches konterkarierenden Sympathielenkung bezüglich der Hauptfiguren bezeichnete man die von Reinhardt entwickelte (und vehement verteidigte) kontrapunktische Struktur des „ideologischen Dramas“ als ungeeignet für den Kinosaal.263 Ferner habe diese Struktur – so der renommierte Kritiker der New York Times Frank S. Nugent – den Regisseur Dieterle vermutlich zu einer statischen Kameraführung und einer „bühnenhaften“ Inszenierung verleitet: William Dieterle, who ordinarily directs so well, has been guilty in this instance of a surprisingly static camera, of stage technique rather than cinematic. […] he has taken advantage of the remarkable stage presence of the Messrs. Muni, Aherne, Garfield and Rains to mount them, recurrently, on metaphoric soap boxes for purposes of declamation. Although it is quite true that they speak well and have ringing lines to utter, we regretted finding Juarez so constantly instructing his aides, Maximilian addressing his advisers, Napoleon his ministers. The picture seems one long dissolve from council chamber to council chamber […].264
261 Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 36–41. Die großen Hoffnungen des Studios bezüglich der Rezeption und der Einspielergebnisse des Filmes in Lateinamerika werden durch die Tatsache belegt, dass man bereits vor der Premiere Pressemitteilungen über weitere LateinamerikaFilme herausgab. So plante man zum Beispiel einen Film über den Freiheitskämpfer Simon Bolivar (gespielt von Errol Flynn). Flynn to Play Role of So. American Hero, in: Boxoffice (22.04.1939), 26H. Aufgrund der zurückhaltenden Reaktion Lateinamerikas auf Juarez wurde das Projekt gestoppt. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 459. 262 Vanderwood, Einführung, in: Huston/MacKenzie/Reinhardt, Juarez (Warner Bros. Screenplay Series), 37. 263 Juarez Review, in: Kansas City Star (04.06.1939), Juarez papers, WBA, USC. 264 Frank S. Nugent, The Screen in Review; The Warners Look Through the Past to the Present in Juarez, in: The New York Times (26.04.1939), 27.
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Erhielt der Film Juarez von den Rezensenten der einheimischen wie auch der ausländischen Presse somit allenfalls ein halbherzig ausgesprochenes Lob, reagierte man hingegen in den links-liberalen Kreisen der antifaschistischen „Volksfront“ Hollywoods sowie in den Reihen der deutschsprachigen Emigration euphorisch. Das Werk wurde als ein deutliches Indiz dafür betrachtet, dass die amerikanische Filmindustrie endlich auf dem Wege sei, die Grenzen ihrer politischen Selbstzensur neu zu definieren und die Pflichten des Mediums Film angesichts der aktuellen weltweiten Gefährdung der Demokratie wahrzunehmen. So schrieb der emigrierte Autor Karl Jakob Hirsch in der Exilzeitschrift Neue Volkszeitung New York: Der Regisseur […] hat hier ein Filmkunstwerk geschaffen, dessen Wirkung mit der Zeit wachsen und es zu einem Dokument machen wird, das in der Filmgeschichte einzig ist. […] Der Film „Juarez“ ist kein Unterhaltungsfilm, kein bequemer und äußerlich erregender Film, er ist einer der ersten und besten Beiträge zum Kapitel: „Der Film als politische Waffe.“ Hier wird Demokratie nicht nur gepredigt, hier wird aufgezeigt, wie ein zur Freiheit entschlossenes Volk nicht aufzuhalten ist auf seinem Marsche zur Demokratie. […] Dieterle hat klar erkannt was die Aufgaben des Films von heute sind.265
Hatten die Gebrüder Warner mit ihren Filmen Juarez und Confessions of a Nazi Spy, die in den entsprechenden Publicity-Kampagnen des Studios häufig in einem Atemzug genannt wurden, im Frühjahr 1939 einen entscheidenden Schritt auf ihrem Wege zur politischen Emanzipation innerhalb einer von unzähligen Rücksichtnahmen beschränkten Filmindustrie vollzogen, sollten sie jedoch rasch mit den entsprechenden Konsequenzen konfrontiert werden. Während Dieterles Film – wie dargelegt – als ein begrüßenswertes Plädoyer für die Demokratie gefeiert wurde, betrachtete man Confessions of a Nazi Spy vielerorts als ein marktschreierisch konzipiertes Propagandamachwerk, das versuche, die USA in einen eventuell bevorstehenden Krieg in Europa zu involvieren. Das Studio erhielt eine Vielzahl antisemitisch eingefärbter Zuschriften „empörter“ Bürger, die darauf verwiesen, dass es nicht in ihrem Interesse liege, eine jüdische Kampagne gegen Hitler zu unterstützen.266 In den Augen der amerikanischen Isolationisten hatten sich die Gebrüder Warner zu einem willfährigen Werkzeug Roosevelts gemacht, der bereits seit geraumer Zeit in öffentlichen Ansprachen wie der sogenannten „Quarantäne-Rede“ versuchte, die US-Bevölkerung auf einen (notfalls auch bewaffneten) Kampf gegen den Nationalsozialismus einzuschwören.267 In zahlreichen Presseerklärungen ließ das Studio in den Wochen nach der Premiere der beiden Filme am 25. und 28. April 1939 verlauten, dass es ungeachtet aller Drohungen und Gegenaktionen den mit Juarez und Confessions of a Nazi Spy eingeschlagenen Kurs bei265 Joe Gassner (Karl Jakob Hirsch), Es geht uns an, in: Neue Volkszeitung New York (29.04.1939), Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R. 266 Crank letters, Confessions of a Nazi Spy papers, WBA, USC. Vgl.: Ross, Confessions of a Nazi Spy, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 57. 267 Zur Quarantäne-Rede siehe zum Beispiel: Junker, Kampf um die Weltmacht, 79–82.
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behalten wolle. So gab Jack Warner im Juni 1939 zu Protokoll, dass weitere Produktionen „politisch-kontroverser Natur“ bereits in Vorbereitung seien – wie zum Beispiel ein Skript mit dem Arbeitstitel The Bishop Who Walked with God, das Portrait eines deutschen evangelischen Geistlichen, dessen Kampf um Religionsfreiheit in einem Konzentrationslager endet.268 Wie die in den Warner Bros. Archives verwahrten Studiounterlagen offenbaren, handelte es sich bei diesem schließlich nicht realisierten Vorhaben um eine Filmbiographie des deutschen Pastors Martin Niemöller, die seit einigen Monaten als weiteres Projekt des künstlerischen Teams um Dieterle erwogen worden war. Unmittelbar nach dem Ende der Dreharbeiten zu Juarez im Februar 1939 begannen die intensiveren Vorbereitungen unter der Leitung Wolfgang Reinhardts, der aus heute ungeklärten Gründen die Aufgabe des Produzenten von Blanke übernommen hatte.269 Bereits während der Erstellung der ersten Drehbuchentwürfe durch den Vertragsautor Quentin Reynolds entwickelte Reinhardt ein – eng an den Film Juarez angelegtes – Konzept für die Gestaltung der Story, das er in einem Memorandum an Wallis ausführlich darlegte. Genauso wie Benito Juárez die Demokratie, sollte die Figur Niemöller (dargestellt durch Paul Muni) das Prinzip der Religionsfreiheit verkörpern, die Misshandlungen an ihm durch die Nationalsozialisten somit zu einer Misshandlung der Religion an sich werden. Durch diese Vorgehensweise, so hoffte Reinhardt, könne man in den demokratischen Staaten die große Gruppe der gläubigen Christen, die sich bislang bezüglich des Antisemitismus indifferent oder sogar sympathisierend verhalten hatten, von der Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes zum Erhalt ihrer eigenen Glaubensprinzipien überzeugen: Generally speaking, this is certainly an inopportune time to glorify a member of the German nation. If, however, this step is undertaken, it should be animated by a definitely political purpose. By „political purpose“ I do not mean simply an attack upon the national socialist regime as it is enunciated daily in hundreds of protest meetings in front of thousands of already convinced anti-Nazis, but the type of treatment that would convert the greatest possible number of would-be sympathizers, or even pronounced adherents of the Nazi-idea to the opposite side. […] we might find in the great body of religious idealists the most fertile soil for the sowing of militant resistance against fascism. […] The apathy, or indeed, even sympathy, which church circles have manifested towards the phenomenon of anti-semitism up to now, can be effectively jolted by a picture about Niemoeller which will bring them face to face with all these truths. In order to achieve that end, the central point of the story must be the clash between the authoritarian state and the church in Germany. We must see where and how the dictators interfere with religious life.270 268 Warner Bros. to Continue Policy of Producing Controversial Films, publicity release, Jack L. Warner file, Jack L. Warner papers, WBA, USC. 269 Noch im Januar 1939 nannte Warner Henry Blanke als den zuständigen Produzenten. Memorandum Jack Warners an Hal Wallis, (13.01.1939), The Bishop Who Walked with God papers, WBA, USC. 270 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Hal Wallis, (18.03.1939), The Bishop Who Walked with God papers, WBA, USC.
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Bereits nach wenigen Wochen wurde das Fortschreiten des Projektes jedoch durch erhebliche juristische Komplikationen behindert; die studioeigene New Yorker Rechtsabteilung erinnerte den Produktionsleiter Wallis daran, dass sich sowohl der damals im KZ Sachsenhausen inhaftierte Niemöller als auch seine in Deutschland lebende Frau mit ihrer Porträtierung im Film schriftlich einverstanden erklären mussten.271 Die kurzzeitig entwickelte, recht absurde Idee, die notwendige Unterschrift des Pastors durch einen Beauftragten einzuholen, der ihn im KZ aufsuchen sollte, wurde schnell wieder fallengelassen.272 Als die noch in Deutschland befindlichen Familienangehörigen Niemöllers von dem geplanten Projekt erfuhren, informierten sie aus Furcht vor einer Verhaftung die deutschen Behörden und erklärten, unter keinen Umständen mit Warner Bros. zu kooperieren. Dennoch plante Jack Warner zunächst, die Arbeiten an dem Drehbuch unter Verwendung fiktiver Namen und einer leicht verfremdeten Handlung fortzuführen.273 Schließlich wurden die ursprünglich für den Sommer 1939 angesetzten Dreharbeiten jedoch abgesagt. Neben den heftigen Protesten, die der Film Confessions of a Nazi Spy ausgelöst hatte und die entgegen anderslautenden Beteuerungen selbstverständlich nicht spurlos an den Gebrüdern Warner vorübergegangen waren, vermuten Filmhistoriker den Grund für das Scheitern des Projektes in erster Line in den enttäuschenden Kasseneinnahmen, die das Studio im Zusammenhang mit diesem ersten offenen Anti-Nazi-Film zu verzeichnen hatte. Es stellte sich heraus, dass die amerikanische Bevölkerung trotz der „reißerischen“ Werbekampagne und der skandalisierenden Berichterstattung über die Produktion wenig Neugier in Bezug auf das Thema Nationalsozialismus entwickelte.274 Obwohl Dieterles künstlerisch anspruchsvoller Film Juarez qualitativ keinesfalls mit dem Propagandastreifen Confessions of a Nazi Spy zu vergleichen war, sollte er an den Kinokassen jedoch zumindest bis zu einem gewissen Grad sein Schicksal teilen. War der Film im ersten Jahr nach seiner Uraufführung noch auf der Liste der erfolgreichsten Produktionen zu finden, sanken die Einnahmen in der darauffolgenden Zeit rapide. Aufgrund seiner zahlreichen Bezugnahmen auf die internationale politische Landschaft der Jahre 1938 und 1939 verlor er außerhalb dieses zeitlichen Kontextes einen großen Teil seiner Relevanz und Attraktivität. Bereits wenige Monate nach der Uraufführung sollte der Beginn des Zweiten Weltkrieges etliche seiner Anliegen 271 Brief Morris Ebensteins an Hal Wallis, (05.04.1939), The Bishop Who Walked with God papers, WBA, USC. 272 Ebenda. 273 Telegramm Walter MacEwens an Jack Warner und Hal Wallis, (05.05.1939), The Bishop Who Walked with God papers, WBA, USC; Telegramm Hal Wallis’ an Jacob Wilk und Morris Ebenstein, (17.04.1939), The Bishop Who Walked with God papers, WBA, USC. 274 Zur Genese des Filmprojektes The Bishop Who Walked with God siehe: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 446–451; Asper, Etwas Besseres als den Tod, 528–529.
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wie zum Beispiel die Verurteilung der britischen und französischen Appeasement-Politik obsolet werden lassen. Anders als die zeitloseren Klassiker The Story of Louis Pasteur und The Life of Emile Zola wurde Juarez zu einem vergessenen Werk, das auch heute wohl nur unter Filmfreunden aufgrund einer guten Regie, hervorragender schauspielerischer Leistungen und einer gelungenen Musik Erich Wolfgang Korngolds den Ruf eines „Geheimtipps“ genießt.275 Für Dieterle bedeutete die erfolgreiche Bewältigung dieser höchst aufwendigen Regieaufgabe gleichwohl eine weitere Festigung seiner Stellung in den Warner Bros. Studios. Trotz einiger widriger Umstände wie einer Schlechtwetterperiode während der Außenaufnahmen und einer unter den Hauptdarstellern grassierenden Grippe gelang es dem Regisseur, einen riesigen Produktionsapparat zu kontrollieren – eine Leistung, die von seinen Arbeitgebern durch eine zuvorkommende Behandlung während der Dreharbeiten und eine weitere Erhöhung seiner Gage honoriert wurde.276 Mit einem wöchentlichen Verdienst von 2500 Dollar, der nach einem Jahr sogar noch auf 3000 Dollar steigen sollte, war er auf dem Weg, in die Gruppe der Spitzenverdiener Hollywoods aufzusteigen.277 Die von Dieterle lange ersehnte Erweiterung seiner künstlerischen Freiheit blieb allerdings nach wie vor ein unerfüllter Wunsch. Kurz vor dem Beginn der Dreharbeiten zu Juarez war sein Vertrag durch das Studio um weitere zwei Jahre verlängert worden – etliche Konditionen, die er in den vorherigen Verhandlungen eigentlich als „untragbar“ bezeichnet hatte, blieben unverändert bestehen, während seine eigenen Vorstellungen nicht berücksichtigt wurden. In einem Brief an den Produktionsleiter Wallis hatte er diese bereits einige Monate zuvor darzulegen versucht. Neben dem bereits mehrfach geforderten Mitspracherecht bei der Auswahl seiner Projekte und dem Wunsch der offiziellen Deklarierung seiner Filme als „Dieterle Productions“ erstrebte er eine Zusicherung des Studios, künftig nur noch unter dem befreundeten Produzenten Blanke arbeiten zu müssen. Konnte das Studio aus rein organisatorischen Gründen vielleicht nur schwerlich auf die letzte Forderung eingehen, wären die anderen Anliegen theoretisch durchaus realisierbar gewesen. Wie Dieterle dem Produktionsleiter in seinem 275 Zu Korngolds Musik für den Film Juarez siehe: Carroll, The Last Prodigy, 280–282. 276 Die Dreharbeiten zu Juarez begannen am 17. November 1938 und wurden am 6. Februar 1939 mit einer Verzögerung von 17 Tagen gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan beendet. Daily Production and Progress Report, (06.02.1939), Juarez papers, WBA, USC. Wegen des großen finanziellen Risikos, das mit der Produktion verbunden war, war man sehr darauf bedacht, Dieterle kleinere Wünsche im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu erfüllen. So erlaubte man ihm zum Beispiel, am Filmset regelmäßig Gäste zu empfangen. Der unit manager Al Alleborn schrieb diesbezüglich an Henry Blanke: „You and I both know that we want to keep Dieterle happy, […] and I am doing everything to give him things he requests.“ Memorandum Al Alleborns an Henry Blanke, (23.11.1938), Juarez papers, WBA, USC. 277 Offizielle Mitteilung des Studios an William Dieterle, (unterzeichnet von dem Leiter der Rechtsabteilung Roy Obringer), (07.10.1938), WBA, USC.
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Schreiben ausführlich darlegte, hatten andere Regisseure vergleichbare Privilegien in den vergangenen Jahren bereits genossen: You […] convinced me that no director on the lot has and will have a „Production“ credit – and about the other points you told me that I would work only with Blanke and never have to direct a picture I didn’t like --- so believing you I signed the new contract. You went away on a vacation, and my first assignment was „The great O’Malley“. In spite of the fact that I didn’t like it and Blanke was not supervisor, I made the picture, hoping you would come back and all would be alright. „Another Dawn“ was my next assignment and I don’t have to tell you again how much I disliked the story, but I made the picture for your sake. In the meantime, newcomers like Mr. Litvak and later Mr. Wyler, received „Production“ credit, which was denied to me. And pictures like „Tovarich“ and „Robin Hood“ were given to others, in spite of having been promised to me on the occasion when Mr. Warner, for family’s sake, had to take „Anthony Adverse“ away from me. The same happened when I was hurriedly called back from my vacation – after the Zola picture. After many months of waiting I was offered „White Banners“, whereas Mr. Wyler, loaned from an outside lot, directed „Jezebel“. […] Now as for the rest of this contract – I beg you to consider the understanding between you and me, upon which I decided to stay on the Warner lot: please do find means and ways that the unpleasant things of the past do not happen again – or else let us part as good friends.278
Einige der Wünsche Dieterles, so zum Beispiel keine Gangsterfilme oder die ihm sehr verhassten Scheidungskomödien mehr drehen zu müssen, sollten sich in den verbleibenden zwei Jahren bis zu dem Ende seiner Laufbahn in den Warner Bros. Studios tatsächlich erfüllen; die von ihm ersehnte grundlegende Aufwertung seiner Stellung als Vertragsregisseur war in den dort bestehenden Strukturen jedoch nicht zu verwirklichen. Wallis – der seinerseits im Studio um eine größere Unabhängigkeit von Jack Warner kämpfte und diese letztendlich nie erreichte – blieb in allen Fragen die maßgebliche Instanz. 4. KAMPF FÜR DAS „ANDERE DEUTSCHLAND“ – DIETERLES POLITISCHE UND KÜNSTLERISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM BEGINN DES ZWEITEN WELTKRIEGES (1939–1940) Hatte die Gruppe deutschsprachiger Filmkünstler um William Dieterle im Frühsommer 1939 durch die juristischen Verwicklungen im Zusammenhang mit der geplanten Biographie Martin Niemöllers eine hervorragende Möglichkeit zur Anprangerung der nationalsozialistischen Rassen- und Religionspolitik verloren, sollte sie schon wenige Monate später eine neue Chance erhalten. Die Warner Bros. Studioleitung entschied sich, anstelle des NiemöllerProjektes den bereits seit einiger Zeit existierenden Plan für eine Biographie des deutsch-jüdischen Arztes, Bakteriologen und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich (1854–1915) zu reaktivieren. Bis zum Beginn der Dreharbeiten Ende Oktober 1939 wurde Dieterle für eine Verfilmung von Victor Hugos Roman Der 278 Brief William Dieterles an Hal Wallis, (21.07.1938), Dieterle legal files, WBA, USC.
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Glöckner von Notre Dame an die RKO-Studios ausgeliehen. Das mit einem Budget von knapp zwei Millionen Dollar höchst aufwendig konzipierte Projekt wurde für den Regisseur in manchen Bereichen zu einer neuen Herausforderung; insbesondere hinsichtlich der Kulissen und der Statisterie war er mit bislang unbekannten Ausmaßen konfrontiert. Auf dem Gelände der RKORanch im San Fernando Valley wurde von über dreihundert Architekten und Handwerkern ein Filmset errichtet, das in der Geschichte Hollywoods seinesgleichen suchte; der Nachbau der Kathedrale von Notre Dame ragte so weit in die Höhe, dass Warnlichter für den überfliegenden Luftverkehr installiert werden mussten.279 Für das Drehbuch war durch Dieterles Fürsprache der emigrierte Autor Bruno Frank engagiert worden, der die sozialkritischen Aspekte des Hugoschen Werkes hervorhob – Humanismus und Fortschritt kämpfen gegen Aberglauben und Kirchenmacht. Durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges, der in den Zeitraum der Dreharbeiten vom 5. Juli bis zum 2. Oktober 1939 fiel, erhielt das Werk eine zusätzliche Signalfunktion für die Gegenwart. Quasimodos Leiden unter der Folter wurden – so schrieb Dieterle später – zu den Leiden der unterdrückten, versklavten Menschheit unter der „Bestialität der anachronistischen Kriege“.280 Auch in einigen anderen Bereichen der Produktion konnte der Regisseur bei dem zu Konzessionen an das künstlerische Personal grundsätzlich bereiten Produzenten Pandro S. Berman ein Engagement emigrierter Künstler erreichen; so gestalteten die Choreographen Ernst und Maria Matray die Tanzszenen, der Komponist Ernst Toch arbeitete zusammen mit Alfred Newman an der Musik, und etliche Schauspieler wie Siegfried Arno, Curt Bois und Giesela Werbezirk erhielten kleinere Rollen. Ferner wurden durch die Vermittlung des German Jewish Club of 1933 einige mittellose Emigranten in die große Menge der Statisten aufgenommen.281 Blieb der von Dieterle und Frank intendierte Gegenwartsbezug des Filmes im Anschluss an seine Premiere am 23. Dezember 1939 von den Rezensenten zwar weitgehend unbeachtet, erhielten die künstlerischen und filmtechnischen Aspekte der Produktion großes Lob. Insbesondere die darstellerische Leistung des Hauptdarstellers Charles Laughton erlangte höchste Anerkennung – auch heute ist die Wirkung seiner Interpretation der Rolle des Quasimodo ungebrochen. Obwohl der Film in späteren Jahren von Dieterle persönlich nicht unbedingt als eines seiner wichtigsten Werke der dreißiger Jahre genannt wurde und er in diesem Zusammenhang seinen Warner-Filmbiographien anscheinend den Vorzug gab282, sollte er auf lange Sicht jedoch am besten im Gedächtnis des Publikums bleiben. Im Hinblick auf den heutigen 279 Mierendorff, William Dieterle, 123. 280 Brief William Dieterles an Elsa Lancaster (Charles Laughtons Witwe), (1968), zit. nach: Ebenda, 126. 281 Ebenda, 123. 282 Siehe zum Beispiel: Interview Ewald André Duponts mit William Dieterle für die Columbia Publishing Corporation, (geführt vermutlich 1940), Typoskript, Dieterle Nach-
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Bekanntheitsgrad muss The Hunchback of Notre Dame wahrscheinlich als der erfolgreichste Film des Regisseurs gelten. Unmittelbar im Anschluss an die kräftezehrenden Dreharbeiten in den RKO-Studios kehrte Dieterle im Oktober 1939 zu Warner Bros. zurück, um dort seine Filmbiographie Paul Ehrlichs zu beginnen. Das Projekt hatte mittlerweile durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges an Signifikanz gewonnen; die von den beteiligten emigrierten Künstlern intendierte Betonung der Existenz eines „anderen Deutschland“ des Humanismus und der Wissenschaften schien wichtiger als je zuvor. Plädoyer für Wissenschaft und Humanismus mit einer Biographie des Mediziners Paul Ehrlich: Dr. Ehrlich’s Magic Bullet (1940) Sollte die Filmbiographie des deutsch-jüdischen Mediziners Paul Ehrlich nach ihrer Premiere am 23. Februar 1940 insbesondere in den Reihen der Emigration als ein hochaktuelles, richtungweisendes Zeitdokument gefeiert werden, war die ursprüngliche Idee zu dem Projekt bereits einige Jahre zuvor von der Gruppe deutschsprachiger Künstler um Dieterle entwickelt worden. Auf ihrer Suche nach einem geeigneten Stoff, mit dem man an den großen Prestigeerfolg The Life of Emile Zola anknüpfen konnte, prüften die Autoren Heinz Herald und Wolfgang Reinhardt schon ab dem Sommer 1937 im Auftrag des Produzenten Blanke etliche Lebensläufe berühmter Wissenschaftler auf ihr Potential für eine dramatisch wirkungsvolle Filmbiographie.283 Verliefen die Recherchen zunächst noch wenig erfolgreich, so dass sie einstweilen zugunsten der Arbeit am Drehbuch für Juarez in den Hintergrund traten, sollten sie im Juli 1938 durch einen Außenstehenden eine Wiederbelebung erfahren. Blanke erhielt einen Brief des New Yorker Autors Norman Burnstine, der seit geraumer Zeit das Exposé einer Paul-Ehrlich-Biographie an eines der großen Hollywoodstudios zu verkaufen versuchte. Von Beginn an malte sich Burnstine – als gläubiger Jude selbst schon mehrfach das Opfer rassistischer Anfeindungen – den geplanten Film als die seiner Meinung nach dringend erforderliche deutliche Stellungnahme Hollywoods gegen den Antisemitismus aus.284 Mit diesem einzigartigen Filmstoff, so schrieb er an Blanke, sei lass, Kinemathek Berlin; William Dieterle, Hollywood am Kreuzweg. Geht es zu Ende mit Hollywoods Intelligenz? Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 283 Auch andere Filmstudios erwogen zu dieser Zeit ähnliche Stoffe. Report on Dr. Ehrlich von Finlay McDermid, (27.10.1941), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 284 Burnstine war in Los Angeles von College-Studenten mit antisemitischen Parolen beschimpft worden. Brief Norman Burnstines an Henry Blanke, (27.07.1938), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Vgl.: Giovacchini, Hollywood Modernism, 116. Nicht zuletzt aus diesem Grund änderte er im Oktober 1939 seinen Namen in Norman Burnside. Brief Norman Burnstines an Walter MacEwen, (10.10.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC.
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Warner Bros. endlich in der Lage, alle Versäumnisse im Zusammenhang mit der Zola-Biographie nachzuholen und die bislang im Film praktizierte stereotype Darstellung jüdischer Figuren zu durchbrechen: Continued unemployment, continued unrest, continued Nazi propaganda, continued Ford-financed Father Coughlin propaganda are nudging the American masses toward the pit of fascism and anti-semitism in its sadistic stages. The newspapers do nothing about it. The radio ignores the trend. In fact, radio and newspapers give vent to continued anti-democratic utterance. The movies do little about it. […] If producers in Hollywood merely ignored the Jews, it would be better than what they have been doing. But ninety-five out of a hundred portrayals of Jews on the screen show pawn brokers, corner delicatessen dealers, low comics like Eddie Cantor, Willie Howard, Sammy Cohen. Why cant [sic!] we have pictures in which more representative Jews are shown – people of distinction and charm, physicians, chemists, engineers, artists, writers, musicians, etc, instead of buffoons who appeal to the lowest prejudices? […] In Zola you made a great picture but the Jewish question was handled pianissimo. […] You told me you wanted a story for Paul Muni. Why not the life of Ehrlich – and in the picture instead of minimizing Ehrlich’s Jewish traits, put them in boldly and honestly […]. And I would hit hard the anti-semitism that hampered Ehrlich. […] The life of Ehrlich should be dramatized so that even the most rabid anti-semite would say, „Admitting that all the Jews are as bad as I think they are, they must be saved if they can give us a guy like Ehrlich once in a while.“285
Blanke erkannte schnell das große Potential der Story für eine wirkungsvolle Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus und nutzte seinen mittlerweile durch seine Leistungen im Zusammenhang mit den Dieterleschen Filmbiographien stark gewachsenen Einfluss auf die Studioleitung zugunsten des Projektes; Warner engagierte Burnstine für die Erstellung eines Drehbuches und stellte ihm als Co-Autor Heinz Herald zur Seite. Da Blanke zum damaligen Zeitpunkt durch die Vorbereitungen des Filmes Juarez stark beansprucht war, schlug er Wolfgang Reinhardt als associate producer vor – ein großer Karrieresprung für den erst kurze Zeit als Autor im Studio beschäftigten Emigranten. Den Intentionen Burnstines entsprechend legten die im Herbst 1938 verfassten frühen Entwicklungsstufen des Drehbuches einen deutlichen Fokus auf die jüdische Religion Paul Ehrlichs und auf die antisemitischen Ressentiments, denen er Zeit seines Lebens in deutschen Universitäten begegnet war. Bereits zu Beginn der Handlung etablierte man die Figur eines Kollegen namens Dr. Wolfert, der wiederholt mit antisemitischen Äußerungen seiner Eifersucht auf die großen beruflichen Errungenschaften Ehrlichs Ausdruck verleiht. So sagt er zum Beispiel bezüglich der Finanzierung, die Ehrlich für seine medizinischen Experimente benötigt: „If money is to be wasted on Talmudic Experiments, let it be Jewish money.“286 In einem aussagekräftigen 285 Brief Norman Burnstines an Henry Blanke, (27.07.1938), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 286 Dr. Ehrlich, Treatment Norman Burnstines, First draft, (08.10.1938), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC.
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Epilog wollten die Autoren außerdem darstellen, wie die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung das Andenken des im Jahre 1915 verstorbenen Wissenschaftlers beschmutzen und seinen Namen aus der Geschichtsschreibung verbannen. Sie konzipierten eine Reihe von Szenen, beginnend mit den Ehrungen, die Ehrlich nach seinem Tode zunächst noch erfährt. Es sollte gezeigt werden, wie man eine Straße nach ihm benennt und seine Büste mit der Inschrift „Germany will never forget you“ in seiner ehemaligen Wirkungsstätte aufstellt. Heinz Herald skizzierte die daran anschließenden Ereignisse: In 1933 the Nazis tear down the signs on Ehrlich Street. They storm the Speyer Haus [where there is a room dedicated to Ehrlich’s memory], throwing stones and shouting imprecations. Kolle [Ehrlich’s former teacher], now head of the Ehrlich Institute, tells Feingold [Ehrlich’s brilliant Jewish assistant] – on the track of something important in cancer – the Institute and Germany no longer need him. Feingold leaves. In front of the crowd of Nazis, Kolle tears down the bas relief of Ehrlich. It lies on the floor, a crack running diagonally through the inscription, „Germany will never forget you.“287
Als sich das Studio nach dem Scheitern der Niemöller-Biographie ab August 1939 jedoch ernsthaft mit der Verwirklichung des Projektes zu befassen begann, schlug es rasch eine andere Richtung ein – beeinflusst durch dasselbe komplexe Zusammenspiel unterschiedlichster Rücksichtnahmen, das auch schon die Produktionsgeschichte der Zola-Biographie nachhaltig geprägt hatte. Unter dem Druck einer skeptischen Studioleitung, die vor dem Hintergrund der bislang gesammelten Erfahrungen wohl nicht ganz zu Unrecht erhebliche Zensurschwierigkeiten im Ausland und heftige Widerstände im Inland antizipierte, kam Wolfgang Reinhardt nach einer Rücksprache mit Blanke zu dem Schluss, auf den anti-nationalsozialistischen Epilog zu verzichten und das Thema Antisemitismus entgegen den ursprünglichen Intentionen Burnstines in den Hintergrund zu stellen.288 Eine Annäherung des Grundkonzeptes der Handlung an die vorangegangene Louis-Pasteur-Biographie – die Verteidigung einer innovativen wissenschaftlichen Idee gegen Bigotterie und verknöcherte Vorurteile – sollte einen Publikumserfolg garantieren und das Studio vor dem Vorwurf der Verbreitung „jüdischer, kriegstreiberischer Propaganda“ bewahren. Ferner hoffte Reinhardt, durch diese Umorientierung das Niveau des Filmes anzuheben und somit alle Assoziationen mit dem Anti-Nazi-Film Confessions of a Nazi Spy, der sich bereits als ein mit 287 Heinz Herald, The Story of Dr. Ehrlich’s Magic Bullet Treatment, in: Memorandum Wolfgang Reinhardts an Hal Wallis, (22.11.1938), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC; Dr. Ehrlich, Screenplay von Norman Burnstine und Heinz Herald, (21.03.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 288 Brief Wolfgang Reinhardts an das Arbitration Committee der Screenwriters Guild, (08.12.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC; Report on Dr. Ehrlich von Finlay McDermid, (27.10.1941), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC; Memorandum Finlay McDermids an Roy Obringer, (07.11.1941), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC.
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großen Unannehmlichkeiten verbundenes, kommerziell wenig erfolgreiches Experiment herausgestellt hatte, zu unterbinden.289 Der Produzent engagierte den Autor John Huston, mit dem er am Drehbuch des Filmes Juarez zusammengearbeitet und in dessen Talent er (wie dargelegt) großes Vertrauen entwickelt hatte, für die entsprechenden Veränderungen am Skript. Als Burnstine, der zu diesem Zeitpunkt bereits einer anderen Produktion zugeteilt war, von diesen Vorgängen erfuhr, fühlte er sich übergangen und reagierte erbost. In seinen Augen hatte das Studio seine jahrelangen Bemühungen um das Projekt in einem Handstreich gegenstandslos gemacht; er schrieb an den Produktionsleiter Hal B. Wallis: To my mind the proposed elimination of the ending of the Ehrlich script is as preposterous as would be a re-write of the drama of Christ in which the crucifixion were omitted or a rewrite of Joan of Arc in which the burning at the stake were omitted. […] The Ehrlich script without the Nazi ending remains another Pasteur script, different diseases, different details but essentially the fight of a scientific mind against general ignorance. The thing that distinguishes Ehrlich from Pasteur is […] that Ehrlich was a Jew and Pasteur was not. The difference of being a Jew and not being a Jew in a country like Germany especially may be inconsequential to John Huston who told me flatly that to his mind general ignorance and greed in regard to disease and health were far more important problems than anti-semitism and fascism, provided that he, Huston, even knew what fascism was. But on such inconsequentials Hitler destroyed the Jews in Germany and built an empire which bids fair to spread over the entire world.290
Wie von Burnstine moniert spielte der große Einfluss der jüdischen Religion auf das Leben Paul Ehrlichs in der endgültigen Version des Drehbuches kaum mehr eine Rolle. Lediglich eine kleine für ein uninformiertes Publikum leicht zu überhörende Dialogpassage am Beginn des Filmes verwies auf den Umstand, dass der Mediziner während seiner wissenschaftlichen Tätigkeit einer rassistischen Diskriminierung ausgesetzt war. Sein Kollege Dr. Wolfert beschwert sich über die innovativen Behandlungsmethoden Ehrlichs und schließt mit den Worten: „I have nothing against Dr. Ehrlich personally, although I must confess to a certain feeling against people of his faith in our profession.“291 Über die Ächtung des großen Wissenschaftlers im nationalsozialistischen Deutschland schwieg sich das überarbeitete Drehbuch vollkommen aus – eine standardisierte, leicht „verkitscht“ wirkende Sterbeszene beendete nun die Handlung. Wie auch im Falle der vorangehenden Filmbiographien unter der Regie Dieterles verwandte das Studio in den Monaten vor dem Beginn der Drehar289 Brief Wolfgang Reinhardts an das Arbitration Committee der Screenwriters Guild, (08.12.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 290 Brief Norman Burnstines an Hal Wallis, (21.08.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 291 The Story of Dr. Ehrlich’s Magic Bullet dialogue transcript, reel 1-B, 2. Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Vgl.: Brief Joseph Breens an Will H. Hays, (15.04.1940), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet file, PCA, AMPAS.
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beiten am 23. Oktober 1939 viel Mühe auf die vorbereitende Recherche bezüglich der Lebens- und Arbeitsbedingungen Paul Ehrlichs. Die größtmögliche historische Authentizität war zu einem Markenzeichen der biographischen Reihe geworden, das man in den Publicity-Kampagnen vermarktete.292 Um auch im Falle der Ehrlich-Biographie repräsentative Quellen anführen zu können, kontaktierte das Studio neben der ehemaligen Sekretärin Ehrlichs Martha Marquardt293 auch die beiden Töchter und die Enkel des Mediziners, die zum damaligen Zeitpunkt in der Schweiz beziehungsweise in den USA lebten. Zum wichtigsten (wenn auch im Umgang recht schwierigen) Ansprechpartner der Autoren wurde der in New York wohnhafte Enkelsohn Günther Schwerin, der ihre Arbeiten mit der Bereitstellung zahlreicher Dokumente und einer ausführlichen Kommentierung des Drehbuches begleitete.294 Eine verzögernde Komplikation in der Vermarktung des Projektes ergab sich durch den Umstand, dass sich Hedwig Ehrlich, die Witwe des Mediziners, zu der damaligen Zeit noch in Frankfurt befand und mit den nationalsozialistischen Behörden um ihre Ausreisegenehmigung rang. Erst als die 75-Jährige im Februar 1939 – unter anderem mit Hilfe einer in den USA initiierten Spendenaktion – sicher in die Schweiz gelangt war, durfte die Kooperation der Familie Ehrlich mit den Warner Bros. Studios publik gemacht werden.295 292 Siehe dazu: Elsaesser, Film History as Social History, in: Wide Angle 8.2 (1986), 23. 293 Man kaufte von Marquardt, die zu der damaligen Zeit relativ verarmt in Paris lebte, für 500 Dollar die Filmrechte an ihrer 1924 erschienenen Paul-Ehrlich-Biographie Paul Ehrlich als Mensch und Arbeiter. Erinnerungen aus dreizehn Jahren seines Lebens (1902–1915). Ferner bat das Studio Marquardt gegen ein Honorar von weiteren 500 Dollar, Photos und Dokumente aus Ehrlichs Leben bereitzustellen und weitere Informationen, die nicht in ihrer Biographie enthalten waren, schriftlich zusammenzufassen. Korrespondenz des Studios mit Martha Marquardt, Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 294 Vertrag zwischen Warner Bros. und der Familie Ehrlich, (29.09.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Eine Bestandsliste der Materialien, die die Ehrlich-Erben dem Studio leihweise überließen, ist in den Produktionsunterlagen vorhanden. 295 Es gelang Schwerin, für seine Großmutter eine Vergütung von 42.500 Dollar für ihre Persönlichkeitsrechte und die Bereitstellung ihrer Photographien und Dokumente auszuhandeln. Memorandum Roy Obringers an Hal Wallis, (21.12.1942), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Warner zahlte diese Summe höchst ungern; er schrieb an Wallis: „I just wish we could cut out the mother in the script and tell them to go to hell.“ Memorandum Jack Warners an Hal Wallis, (29.08.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Eine derartige Zahlung an Hinterbliebene portraitierter Persönlichkeiten war bislang noch nicht geleistet worden; so hatten zum Beispiel die Familien Pasteurs, Zolas und Dreyfus’ nichts erhalten. Memorandum Heinz Heralds an Roy Obringer, (28.07.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Auch Wolfgang Reinhardt demonstrierte gegenüber dem Leiter des story departments seine Missbilligung und bezweifelte die Notwendigkeit der diversen Spendenaktionen für Hedwig Ehrlich. Es gäbe Hinweise, dass diese keinesfalls notwendig seien, da es den Ehrlichs gelungen sei, einen beträchtlichen Teil ihres großen Vermögens aus Deutschland zu retten. Memorandum Wolfgang Reinhardts an Jacob Wilk, (13.07.1939), Dr. Ehrlich’s Ma-
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Eine Überraschung für alle am Projekt Beteiligten war die erst zu einem relativ späten Zeitpunkt getroffene Entscheidung Jack Warners, die Rolle des Paul Ehrlich nicht mit Muni, sondern mit dem Charakterdarsteller Edward G. Robinson zu besetzen, der seit 1931 für das Studio im Rollenfach des Gangsters tätig war und bereits lange einer Chance auf eine Erweiterung seines Repertoires entgegenfieberte. Wurde als offizieller Grund für diesen Schritt des Studioleiters eine terminliche Kollision mit Munis Verpflichtungen am New Yorker Broadway genannt, lag die wahre Motivation wohl eher in dem Bedürfnis Warners, den selbstbewussten Schauspieler durch die Bevorzugung eines Konkurrenten in die Schranken zu weisen. Während der Dreharbeiten zu dem Film Juarez war es mehrfach zu Konflikten gekommen, als Muni sein vertraglich festgelegtes Recht auf eine umfangreiche Mitsprache in allen Bereichen der Produktion in Anspruch nehmen wollte. Auf eine Weigerung des Studios, ihm den Rohschnitt des Filmes vorzuführen, hatte der Schauspieler mit der Hinzuziehung seiner Anwälte reagiert.296 Mit einer Gage von weit über 100.000 Dollar pro Film und einem Status, der dem eines Co-Produzenten gleichkam, war Muni für die Warner Bros. Studios zu einem schwer kontrollierbaren „Prestigeobjekt“ geworden, das man sich nicht mehr lange leisten wollte – eine baldige Beendigung seines Engagements zeichnete sich ab.297 Für Dieterle bedeutete der Wechsel des Hauptdarstellers eine Umstellung, die jedoch auch mit neuen Chancen verknüpft war. Sollte der Regisseur in späteren Aufzeichnungen und Interviews zwar des Öfteren behaupten, den eigenwilligen und hochgradig perfektionistischen Muni während der Dreharbeiten seiner Filmbiographien stets unter Kontrolle gehabt zu haben298, existieren jedoch – wie bereits erwähnt – in den Studiounterlagen zahlreiche Hinweise, dass dies keinesfalls immer der Fall gewesen sein kann. So riss sich der aufgebrachte Schauspieler zum Beispiel am Filmset von The Life of Emile Zola in Anwesenheit von dreihundert Personen die Maske vom Gesicht, da sie nicht (wie sonst üblich) vom Leiter des make-up department Perc Westmore persönlich aufgetragen worden war.299 Mit dem Schauspieler Robinson, der zu dem damaligen Zeitpunkt – anders als Muni – den Höhepunkt seiner Karriere noch nicht erreicht hatte, erhielt Dieterle einen fähigen und künstlerisch
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gic Bullet papers, WBA, USC. Auch Wallis bezweifelte die Notwendigkeit der finanziellen Hilfe und bezeichnete Schwerin außerdem als einen „unangenehmen Verhandlungspartner“. Wallis/Higham, Starmaker, 65–67. Brief von Paul Munis Anwaltskanzlei „Swarts and Tannenbaum“ an die Warner Bros. Studios, (25.04.1939), Muni legal files, WBA, USC. Zu Munis vertraglich festgelegten Privilegien während der Produktion seiner Filme siehe: Memorandum Roy Obringers an Jack Warner, (13.07.1939), Muni legal files, WBA, USC. Dieterle/Breunig, Der Kampf um die Story, 132; Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 124. Memorandum Hal Wallis’ an Perc Westmore, (30.03.1937), The Life of Emile Zola papers, WBA, USC.
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flexiblen Kollegen, mit dem er ausgezeichnet kooperierte. Durch sein natürliches Spiel erhielt die Figur Paul Ehrlich ein großes Maß an Aufrichtigkeit und menschlicher Wärme, das angesichts des naturwissenschaftlich orientierten Sujets dringend erforderlich war.300 Sollte Lion Feuchtwanger im Jahre 1944 Dieterles Filme aufgrund ihrer „unbedingten Ehrlichkeit der Gesinnung“ loben, geschah dies sicherlich auch unter dem Eindruck der darstellerischen Leistung Robinsons.301 Auch in den durchweg positiven, teilweise euphorischen Pressereaktionen auf den Film, der am 23. Februar 1940 unter dem Titel Dr. Ehrlich’s Magic Bullet in die Kinos kam, wurde die künstlerisch außergewöhnlich fruchtbare Kooperation Dieterles und Robinsons hoch gelobt, beide hätten – so schrieb zum Beispiel der Hollywood Reporter – mit dem Werk den Höhepunkt in ihren bisherigen Karrieren erreicht: [T]his picture unquestionably marks the turning point in the career of Edward G. Robinson, who herein essays a role utterly different from anything he has done before and gives a performance so superb that it ranks with the finest portraits in screen history. […] This is William Dieterle’s finest directorial effort to date, one which must be reckoned with when the 1940 Academy awards are considered. His flexibility and versatility were never so well demonstrated, and many of his touches bear the mark of sheer genius.302
Zahlreiche medizinische Institutionen wie die Los Angeles County Medical Association sprachen Dieterle ihr Lob für seine Erinnerung an die Verdienste Ehrlichs aus und attestierten dem Film einen hohen pädagogischen Wert.303 Vielerorts wurde er als ein Indiz dafür gewertet, dass sich die USA in einer Zeit, in der die geistige Freiheit Europas zunehmend dem Machthunger der Diktatoren zum Opfer fiel, zum Bewahrer des europäischen kulturellen Erbes entwickelten. So schrieb ein Autor der Baseler Nationalzeitung im Oktober 1941: So paradox es klingen mag und so fremd uns amerikanische Mentalität in vielem ist, die Vereinigten Staaten erfüllen heute eine europäische Mission. Was in den letzten Jahren, Schritt für Schritt, gleichzeitig mit dem Verlust der politischen Freiheit zahlreicher Länder verlorenging, die geistige Freiheit, die Toleranz und das Menschenverbindende 300 Wallis war lange Zeit besorgt, dass es dem fertigen Film an menschlicher Wärme fehlen könnte. Noch am 19. Mai 1939 verlangte er von Reinhardt, sich mit Blankes Hilfe noch einmal dieser Problematik zu widmen. Brief Hal Wallis’ an Wolfgang Reinhardt, (19.05.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 301 William Dieterle – eine Würdigung von Lion Feuchtwanger, (Oktober 1944), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. 302 „Magic Bullet“ Magnificent; Robinson, Dieterle Score, in: The Hollywood Reporter (02.02.1940), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Vgl. auch: Sammlung von Kritiken zum Ehrlich-Film, Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 303 Dieterle erhielt im Februar 1941 eine Ehren-Plakette für „the film industry’s most outstanding contribution in 1940 to the interests of medical science“. Telegramm William Dieterles an George Baehr, Hotel Waldorf Astoria, New York, (11.10.1941), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) zwischen den Nationen, Amerika bringt dieses köstliche Gut des alten Europas übers Meer zurück, es zeigt uns, daß es diesen seit der griechischen Antike gehäuften Schatz wohlverwahrt. Und das erfüllt uns alte Europäer mit Zuversicht: denn wo sonst könnte die Leistung des Nobelpreisträgers Paul Ehrlich für die Wissenschaft, für die Menschheit gewürdigt werden, wo dürfte Zola noch sein „j’accuse“ donnern?304
Bezeichnete man den Film Dr. Ehrlich’s Magic Bullet sicherlich nicht zu Unrecht als eine wirkungsvolle Erinnerung an das „andere Deutschland“ der Emigration, versäumten jedoch nahezu alle Rezensenten den eigentlich notwendigen Hinweis auf das abermalige Versagen der Gebrüder Warner, ihrer Verurteilung des Antisemitismus endlich auch in der Spielfilmproduktion Ausdruck zu verleihen. Lediglich die französische Tageszeitung Paris-Soir veröffentlichte einen Artikel des britischen Politikers Sir Alfred Duff Cooper – vehementer Gegner des britischen Appeasement während der Münchner Konferenz und 1940/1941 kurzzeitig Minister of Information unter Winston Churchill. Cooper zeigte sich über den Umstand, dass man Ehrlichs Religion im Film weitgehend verschwieg, verblüfft und diagnostizierte einen beunruhigenden Trend in der amerikanischen Filmpolitik. Durch die Vielzahl an Tabus und die strenge Selbstzensur, die sich Hollywood aus verschiedentlichen Gründen auferlegte, sah er in letzter Konsequenz das amerikanische Grundrecht der Redefreiheit gefährdet: To my great surprise during the entire film the fact that Ehrlich was a Jew was not mentioned. It has not been said that for this reason the Nazi government prevented the celebration of his 80th anniversary nor that, since his death, they have forced themselves in Germany to suppress memory of him and that some of the pseudo-scientists of the Nazi regime have even tried to cast doubt on the value of his discoveries. When I asked the reason for these omissions I received the answer that it had been deemed undesirable to cite facts which might be taxed as being propaganda. America is today one of the few countries where freedom of speech is enjoyed. But there exists a great danger. The creation of a series of tabooed subjects, based on the terror of propaganda may finish by curtailing that liberty. If […] producers of films and stage plays begin being afraid of provoking public opinion, public opinion itself is in danger of becoming as formidable a tyrant as any dictator.305
Die Befürchtung Duff Coopers, dass sich Hollywood aufgrund seiner chronischen Gefallsucht auf dem Wege in die Unfreiheit befinde, konnte man in der Production Code Administration erwartungsgemäß nicht teilen. Joseph Breen begrüßte in einem Brief an einen seiner Mitarbeiter ausdrücklich die abermalige Tabuisierung des Antisemitismus in der Ehrlich-Biographie und bezeichnete diese als ausgesprochen „weise“. Nur durch den Verzicht auf direkte Attacken gegen die deutsche Regierung hätten es die Warner Bros. Studios vermieden, mit dem Vorwurf der Propaganda und der „Kriegstreiberei“ konfron304 Rezension Dr. Ehrlich’s Magic Bullet, in: Baseler Nationalzeitung (26.10.1941), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 135. 305 Alfred Duff Cooper, The United States Risk Losing Freedom of Speech Because of Fear of Propaganda, in: Paris-Soir (17.03.1940), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet file, PCA, AMPAS.
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tiert zu werden.306 Erst im Laufe der darauffolgenden Monate sollte sich diese über Jahre unbewegliche Haltung der PCA bezüglich einer Kritik am nationalsozialistischen Deutschland langsam wandeln. Beginnend im August 1940 mit einem Verbot aller Filme der Firma Metro-Goldwyn-Mayer, beendete Hitler schrittweise auch die letzten noch bestehenden Geschäftsbeziehungen mit der amerikanischen Filmindustrie. Am 9. März 1941 berichtete die New York Times schließlich von einem Gesamtverbot aller US-Spielfilme in Deutschland und in den besetzten Gebieten aus Gründen der „nationalsozialistischen Ehre“ und des „Selbstschutzes“.307 Obwohl die Gebrüder Warner sowie die an der Ehrlich-Produktion beteiligten Künstler sich sicherlich der Unzulänglichkeit des Filmes in Bezug auf das Thema Antisemitismus bewusst waren und diese in gewisser Weise auch bedauerten, hatten sie dennoch bereits vor der Premiere das Gefühl, einen außergewöhnlichen Höhepunkt in der biographischen Reihe erreicht zu haben, den man in der Zukunft nur schwer übertreffen konnte. Stolz zitierte Dieterle damals in mehreren Briefen das große Lob, dass ihm Harry Warner im Anschluss an die Preview am 2. Februar 1940 persönlich ausgesprochen hatte: „And if this picture would never make a nickel – I am proud of it!“308 Etliche Mitglieder der deutschsprachigen Kolonie Hollywoods gratulierten dem Regisseur zu seiner überragenden Leistung; nicht wenige von ihnen – so zum Beispiel Paul Kohner – hielten Dr. Ehrlich’s Magic Bullet für seinen bislang besten Film.309 Die New Yorker Exilzeitschrift Aufbau berichtete von einem „neuen Meisterwerk“ Dieterles; man schrieb: „Dr. Ehrlich’s Magic Bullet. Das Leben dieses grossen, beharrlichen, jüdischen Gelehrten wird zu einem atemberaubenden Erlebnis. Vollendet in der Atmosphäre, der Regie, der Darstellung.“310 Albert Bassermanns Hollywooddebüt in der Rolle des Robert Koch im Film Dr. Ehrlich’s Magic Bullet (1940) Wurde Dieterles Filmbiographie Dr. Ehrlich’s Magic Bullet von zahlreichen Mitgliedern der deutschsprachigen Kolonie Hollywoods als sein bislang bestes Werk bezeichnet, so lag dies sicherlich in einem nicht unerheblichen Umfang an dem großen Beitrag, den exilierte Schauspieler zur Schaffung seines 306 Brief Joseph Breens an Harold L. Smith, Mitarbeiter der PCA in Paris, (15.04.1940), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet file, PCA, AMPAS. 307 Nazis Ban More U. S. Films, in: The New York Times (15.08.1940), 2; Nazi Says ‚Honor‘ Dictates Film Ban, in: The New York Times (09.03.1941), 18. 308 Brief William Dieterles an einen Mr. Wilkerson, undatiertes Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 309 Telegramm Paul Kohners an William Dieterle, (02.02.1940), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 310 Filme, in: Aufbau 6.13 (29.03.1940), 9.
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hochgradig authentischen Lokalkolorits geleistet hatten. Insbesondere die Darstellung des Mediziners Robert Koch durch den damals erst seit wenigen Monaten in den USA lebenden Albert Bassermann wurde vielfach als der Höhepunkt der Produktion gefeiert. Der große Bühnenstar konnte zum Zeitpunkt seiner Emigration auf eine erfüllte Theater- und Filmkarriere im gesamten deutschsprachigen Raum zurückblicken. Er hatte in den Jahren von 1887 bis 1933 auf allen wichtigen Bühnen gespielt, war jahrelang Mitglied des profilierten Max Reinhardt Ensembles gewesen und trug seit 1911 den IfflandRing. Bei zahlreichen Engagements im deutschen Stummfilm hatte er unter Richard Oswald, Ernst Lubitsch und Leopold Jessner gearbeitet. Als seine zumeist mit ihm auf der Bühne stehende jüdische Frau Else Schiff-Bassermann nach der nationalsozialistischen Machtergreifung ein Arbeitsverbot erhielt, verließ er die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger und emigrierte zunächst in die Schweiz, später – im April 1939 – weiter in die USA. Die Chancen des bei seiner Ankunft 73-jährigen Schauspielers für eine erfolgreiche zweite Karriere im amerikanischen Theater oder Film standen alles andere als günstig; nur mühsam erlernte er die englische Sprache, ein starker Akzent blieb Zeit seines Lebens erhalten. Dennoch bot der deutschsprachige Agent Paul Kohner Bassermann bereits wenige Tage nach seiner Ankunft in New York Hilfe bei einer eventuell geplanten Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit an – ein längerfristig unvermeidbarer Schritt, da das ursprüngliche Bassermannsche Vermögen durch die Inflation und die widrigen Umstände der Emigration nahezu aufgezehrt war.311 Kohners Brief bildete den Auftakt zu einer jahrelangen von starken Gegensätzen geprägten beruflichen Verbindung zwischen Schauspieler und Agent, die erst 1952 mit Bassermanns Tod enden sollte. Der größte zwischen den Vertragspartnern bestehende Konflikt, der sich leitmotivisch durch ihre heute in der Deutschen Kinemathek Berlin verwahrte Korrespondenz zieht, lag in der Unfähigkeit Bassermanns begründet, seinen Bedeutungsverlust im Exil zu akzeptieren oder – zunächst – auch nur im Ansatz zu erkennen. Bereits die Antwort auf Kohners ersten Brief lässt dies deutlich werden: Es müsste eben ein Film für mich gemacht werden, wo mein fremder Akzent und derjenige meiner Frau nicht stört. Wenn es Ihnen gelingt, was Gutes für uns durchzusetzen, so würde ich mich Ihrer werten Vermittlung selbstverständlich gerne bedienen. – Ohne eine feste Unterlage hat es natürlich keinen Zweck nach Hollywood zu kommen.312
Auf Kohners Einwand, dass ein persönliches Erscheinen und Werben für die eigene Person in den Filmstudios für einen Vertragsabschluss unerlässlich sei, 311 Das Ehepaar Bassermann verfügte bei seiner Ankunft in New York lediglich über 800 Mark Bargeld. Klapdor, Sein eigener Herr und Knecht, in: Filmexil 12 (Schauspieler im Exil), 8. 312 Brief Albert Bassermanns an Paul Kohner, (30.04.1939), Akten der Paul Kohner Talent Agency, Kinemathek Berlin.
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reagierte Bassermann zunächst in Verkennung der zu überwindenden Hürden ablehnend; lediglich ein definitives Rollenangebot für ihn und seine Frau – ohne die er auch im Exil nicht arbeiten wollte – sei ein hinreichender Grund für einen Ortswechsel. Sollte sich Bassermann bereits einige Wochen später eines Besseren besinnen, änderte sich an seinen grundsätzlichen Erwartungen, die er in Bezug auf Kohner hegte, nichts. Auch noch Jahre später sollte er seinen Agenten für das Ausbleiben von Hauptrollen verantwortlich machen; so schrieb er im Oktober 1943: Ich komme nicht vorwärts mit Ihnen. Nicht als ob ich nicht genug zu tun hätte; aber es sind immer dieselben Supporting-Parts, die ich spielen muß. Stoessel und Szakall spielen in ihrem Fach bedeutendere Rollen als ich. Es kommt für mich kein Leading Part, und das kann nur an Ihnen liegen. Es kommt mir so vor, als ob Sie lediglich darauf warten, daß der eine oder andere Producer oder Director den Wunsch hat, mich in seinem Film zu beschäftigen, aber daß Sie selbst nie die Initiative ergreifen. […] Alles in allem: ich glaube, Sie arbeiten nicht richtig für mich, sonst müßten wir schon weiter sein.313
Konnte Bassermann ein gewisses Misstrauen bezüglich Kohners Fähigkeiten als Agent offensichtlich nur schwer unterdrücken, war dessen Arbeit von einer objektiven Warte aus betrachtet eigentlich als äußerst erfolgreich zu bezeichnen. Wie Bassermanns Verweis auf die emigrierten Schauspieler Ludwig Stössel und Szöke Sakall nahelegt, die aufgrund ihres deutschsprachigen Hintergrundes quasi seine unmittelbare Konkurrenz in Hollywood bildeten, existierte dort nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ein harter Wettbewerb um die wenigen sogenannten Akzentrollen. Gelang es vielen Emigranten nie, einer Festlegung auf die Mitwirkung in zweitklassigen Anti-Nazi-Filmen zu entkommen, konnte Bassermann mit der Hilfe Kohners eine Reihe durchaus interessanter Engagements erlangen, die im November 1939 mit der Rolle des Robert Koch in Dieterles Ehrlich-Biographie beginnen sollte. Wie auch Kohner empfand Dieterle eine tiefe Verehrung für den ehemaligen Bühnenkollegen und Mentor, verbunden mit dem Wunsch, ihm ungeachtet seiner fehlenden Englischkenntnisse einen Einstieg in Hollywood zu ermöglichen. Der Regisseur stellte den Kontakt zu den Warner Bros. Studios her und gab ihm die Möglichkeit, seinen Text phonetisch zu lernen.314 Trotz dieses großen 313 Brief Albert Bassermanns an Paul Kohner, (21.10.1943), Akten der Paul Kohner Talent Agency, Kinemathek Berlin. 314 Bassermann unterzeichnete am 28. Oktober 1939 einen sogenannten Screen Actors Guild Minimum Contract for Free Lance Players, in dem ein wöchentliches Gehalt von 1000 Dollar festgesetzt war, verbunden mit der Garantie einer Beschäftigungszeit von mindestens einer Woche. Sein Gesamtverdienst für den Film betrug schließlich 1833,33 Dollar. Albert Bassermanns Screen Actors Guild Minimum Contract for Free Lance Players, (19.10.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. Für einen bit part, eine kleine Filmrolle, war Bassermanns Bezahlung durchaus großzügig bemessen, vor allem da es sich um sein erstes Engagement in Hollywood handelte und er kaum Englisch sprach. So erhielt zum Beispiel die emigrierte Schauspielerin Hermine Sterler
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sprachlichen „Handicaps“ gelang es dem charismatischen Darsteller sofort, alle am Projekt beteiligten Künstler und sogar das technische Personal zu beeindrucken und – so heißt es in zahlreichen Anekdoten – einen außergewöhnlichen „Wirbel“ im Studio zu verursachen.315 Von den publizistisch tätigen Mitgliedern der deutschsprachigen Emigration wurde Bassermanns Debüt als hochverdienter Triumph eines großen Künstlers gefeiert – seine immense Bedeutung im kollektiven Bewusstsein des Exils wird deutlich. Dem Regisseur Dieterle zollte man uneingeschränkten Respekt für seinen Mut und seine künstlerische Weitsicht, dem Schauspieler eine Chance in Hollywood gegeben zu haben; so schrieb Rolf Nürnberg im Aufbau: Viele haben geglaubt, dass der grösste deutsche Schauspieler, Albert Bassermann, seinen Ruf in der neuen Welt nicht rechtfertigen, sein Künstlertum nicht legitimieren würde. […] Aber es gibt Gottseidank immer noch Menschen, in denen solche Zweifel nicht auftauchen, die einen Künstler auch dann für einen Künstler halten, wenn die Umstände gegen ihn sprechen, und die ihm dann durch ihre Unbeirrbarkeit zum Siege verhelfen. William Dieterle, auch ein Deutscher, der es trotz verlockendster Angebote abgelehnt hat, dorthin zurückzukehren, wo man einen Bassermann nicht haben will, holte sich […] den grossen Emigranten und Schauspieler herbei, und er gab ihm in dem Ehrlich-Film die Rolle des Dr. Koch. Und die Firma, die den Film herstellte, die mutigen Warners, für die Dieterle auch „Pasteur“, „Zola“ und „Juarez“ inszeniert hat und die „Confessions of a Nazi Spy“ produziert haben, billigte Dieterles Wahl. Sie hatte es nicht zu bereuen, denn die Leistung Bassermanns wurde ein Sensationserfolg, grösser als es seine glühendsten Anhänger erwarten konnten.316
Scheint der von Nürnberg gewählte Begriff des „Sensationserfolges“ vielleicht angesichts der nur einige wenige kleinere Auftritte umfassenden Rolle Bassermanns im fertigen Film etwas gewagt, gelang es dem Schauspieler immerhin, die Aufmerksamkeit amerikanischer Rezensenten und das Interesse Jack Warners an der Aushandlung eines längerfristigen Engagements zu wecken – ein Umstand, der sich bald als ausgesprochen wichtig für sein weiteres Schicksal erweisen sollte. Bereits kurze Zeit nach den Dreharbeiten zur Ehrlich-Biographie erfuhren die Einwanderungsbehörden von Bassermanns beruflichen Aktivitäten in Los Angeles und drohten dem Ehepaar, das mit einem in der Schweiz ausgestellten Besuchervisum ohne Arbeitserlaubnis in die USA eingereist war, mit einer sofortigen Ausweisung.317 Kohner gelang es mit Hilfe des großen Einflusses der Production Code Administration dies zulediglich 400 Dollar für die Rolle der Assistentin Ehrlichs. Hermine Sterlers Screen Actors Guild Minimum Contract for Free Lance Players, (14.11.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 315 Siehe zum Beispiel: Kohner, Der Zauberer vom Sunset Boulevard, 203–204. 316 Rolf Nürnberg, Albert Bassermann triumphiert im Ehrlich-Film in Hollywood, in: Aufbau 6.7 (16.02.1940), 7. Vgl.: Bassermanns neue Rolle, in: Aufbau 6.13 (29.03.1940), 9. 317 Mit ihren Besuchervisa war es den Bassermanns zunächst möglich, drei Monate in den USA zu bleiben. Als diese Frist verstrichen war, gelang es ihnen mit der Unterstützung der Warner Bros. Studios, eine Verlängerung um einige Monate zu erreichen. Brief Fritz
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nächst zu verhindern; eine weitere Verlängerung des Besuchervisums war aufgrund dieser Komplikationen aber unwahrscheinlich geworden, ein neues Engagement stand außer Frage.318 Dieterle beauftragte seinen Anwalt Ronald Button, der mittlerweile durch die Tätigkeit für das private Hilfsbüro des Regisseurs zu einem Experten für Einwanderungsformalitäten geworden war, mit der Organisation einer Reise des Ehepaares Bassermann nach Mexiko, während der man ein neues Visum mit Arbeitserlaubnis beantragte. Der dafür notwendige Nachweis der „Unabkömmlichkeit“ beider Schauspieler in den USA wurde von den Warner Bros. Studios an das Einwanderungsbüro von El Paso (Texas) gesandt.319 Nach der Rückkehr der Bassermanns von ihrer Mexiko-Reise, deren Kosten das Studio einstweilen übernommen hatte320, stellte sich jedoch schnell heraus, dass das gegenüber den Behörden bekundete Interesse an einem Engagement Else Bassermann nicht einbezog. Wie die in den Warner Bros. Archives verwahrte Personalakte Bassermanns offenbart, betrachtete man sein Bedürfnis, nur zusammen mit seiner Frau zu arbeiten, als eine Belastung, derer man sich schnellstmöglich zu entledigen hatte. Man fasste den Vorsatz, Bassermanns Wunsch zunächst zu akzeptieren und seiner Frau einen Minimalvertrag zu offerieren, diesen dann aber bald wieder aufzulösen. Ein Mitarbeiter des casting departments namens Steve Trilling erläuterte die Vorteile dieser Vorgehensweise in einem Brief an Hal Wallis: There is one situation which might help make a better deal if you are interested going into it. Basserman is an Aryan married to a Jewess, Elsa Basserman, who is a wellknown European actress, and it was because of her he was forced into voluntary exile. There is a very strong attachment between them and it was always a condition before he would
Kellers (Paul Kohner Agency) an Steve Trilling (casting department der Warner Bros. Studios), (25.01.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. 318 Brief der Production Code Administration an Roy Obringer, (27.01.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. 319 Brief der Warner Bros. Studios an N. D. Collaer, Chief Inspector of Immigration in El Paso, Texas, (06.03.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. Den Bassermanns wurde daraufhin die erneute Einreise in die USA genehmigt, in Verbindung mit einer Aufenthaltsgenehmigung bis zum 25. November 1940. Bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft begann Dieterles Anwalt Ronald Button mit den Formalitäten für eine Verlängerung dieser Frist. Brief Roy Obringers an Mitchell Rawson (Warner Bros. publicity department), (22.03.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. 320 Die Kosten von insgesamt 3000 Dollar für die Einwanderung der Bassermanns (Mexiko-Reise, Gehalt Ronald Buttons etc.) wurden von Warner Bros. übernommen. Bassermann hatte sich vor Antritt der Reise jedoch verpflichtet, im Falle einer erfolgreichen Beantragung der Arbeitserlaubnis die Hälfte des Betrages in wöchentlichen Raten von 200 Dollar an das Studio zurückzuzahlen. Memorandum Roy Obringers an C. H. Wilder, (28.02.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. Das Studio hoffte ferner, dass sich die „Investition“ in den Schauspieler durch lukrative loan-outs an andere Studios rasch bezahlt machen werde. Memorandum Steve Trillings an Jack Warner und Hal Wallis, (10.06.1940), Bassermann legal files, WBA, USC.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) go into his European plays that she had a part in it. Kohner has suggested therefore that if we could give his wife a contract on the basis of $100.00 weekly he would be willing to go after Basserman on the original salary – $500.00 weekly the first 6 months and $600.00 the second six months and thought he could put it over with the inducement that they both be working together. We could then use her as we saw fit for small parts or bits. I am not keen about this sort of deal BUT we could make it as a separate contract and if we did not find it feasible later on we could then drop her after the first year and only retain him on a long term contract.321
Wie der am 23. März 1940 unterzeichnete Vertrag Bassermanns mit dem Studio belegt, ging der Produktionsleiter Wallis auf den Vorschlag Trillings ein; dem Schauspieler wurde ein wöchentliches Gehalt von 500 Dollar zugesichert, während seine Frau – jedes Mal wenn er drehte – weitere 100 Dollar erhalten sollte, unabhängig davon, ob sie arbeitete oder nicht.322 Der Umstand, dass man einen derartigen für Hollywood vollkommen untypischen Handel abschloss, kann sicherlich als Beleg für den großen Eindruck gelten, den Bassermann mit seiner kurzen Rolle im Ehrlich-Film bei Warner Bros. hinterlassen haben muss. Ähnlich wie schon im Falle Max Reinhardts hatte man sich – durch die Vermittlung Dieterles – die Dienste einer großen Persönlichkeit der europäischen Bühne gesichert. Anders als bei der Produktion des Midsummer Night’s Dream im Jahre 1934/1935, während der die Studioleitung zu größtmöglichen Konzessionen an Reinhardt und seine deutschsprachigen Mitarbeiter bereit gewesen war, erreichte ihr flexibles Entgegenkommen in Bezug auf Bassermann jedoch schnell seine Grenzen. Bereits wenige Tage nach der Unterzeichnung des Vertrages kam es zu einem ersten Konflikt bezüglich der nächsten für den Schauspieler vorgesehenen Rolle in einem Football-Film unter dem Titel Knute Rockne All American, die dieser als „zu unbedeutend“ empfand; er schrieb in einem Brief an das Studio: It would be a pity to diminish the impression I made as „Dr. Koch“ by now playing a minor important part. And this „Dr. Nieuwland“ in „Knute Rockne“ is far not so efficient as „Dr. Koch“. I could not do with this Kast [sic!] very much. It would be neither in your nor in my interest for the future. Please do not give me this part that vanishes in the big and for many people certainly very interesting picture. Let us wait for a better opportunity.323
Zur Inkaufnahme eines unnötig langen Wartens auf eine „bessere Möglichkeit“ war das Studio jedoch nicht bereit. Bassermann hatte in dem unliebsamen Film mitzuwirken und wurde in den darauffolgenden Monaten in schnel321 Memorandum Steve Trillings an Hal Wallis, (23.01.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. 322 Memorandum Hal Wallis’ an Steve Trilling, (24.01.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. Else Bassermann erhielt in den kommenden Jahren in den Warner Bros. Studios jedoch lediglich eine (sehr kleine) Rolle an der Seite ihres Mannes in dem AntiNazi-Film Desperate Journey (1942). 323 Brief Albert Bassermanns an Warner Bros., (01.04.1940), Bassermann legal files, WBA, USC.
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ler Folge für ähnliche Projekte an andere Firmen ausgeliehen; schnellstmöglich sollten der große Aufwand und die Ausgaben in Verbindung mit seiner Einwanderung über Mexiko kompensiert werden.324 Lediglich die Rolle eines holländischen Diplomaten in Alfred Hitchcocks Film Foreign Correspondent – produziert von Walter Wanger – bildete in dieser Zeit einen Lichtblick, sie brachte dem Schauspieler eine Nominierung für den Academy Award in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“ ein. Als sich mit Dieterles Kündigung bei Warner Bros. im Juli 1940 in den Augen Bassermanns jede Hoffnung auf eine weitere anspruchsvolle Rolle zerschlagen hatte, bat er um die Auflösung seines Vertrages.325 Obwohl er noch nicht lange im Studio beschäftigt war, spürte er deutlich den sich abzeichnenden Klimawandel – Prestigeproduktionen im Stile der Ehrlich-Biographie würde es wohl fortan nur noch selten geben. Widerwillig entsprach Jack Warner dem Wunsch Bassermanns; einen Versuch Kohners, eine Abfindung für seinen Klienten auszuhandeln, wehrte der Studioleiter – erzürnt über dessen große „Undankbarkeit“ für die geleistete Hilfe bei der Immigration – vehement ab.326 Sollte Bassermann in den darauffolgenden Jahren dank der ausgezeichneten Verbindungen Kohners eine durchaus solide zweite Karriere im amerikanischen Film mit kleinen, jedoch gut bezahlten Engagements gelingen, war es ihm erst sehr spät möglich, ein weiteres Mal mit Dieterle zu arbeiten.327 Aufgrund seines Alters und seines ausgeprägten deutschen Akzentes blieb das Spektrum seiner Rollen hochgradig eingeschränkt; als sich Dieterle nach der Beendigung der biographischen Reihe bei Warner Bros. vollkommen neuen Stoffen ohne direkte thematische Anlehnung an den europäischen Kulturkreis zuwandte, schien sich für den Schauspieler nichts Geeignetes mehr finden zu lassen. Bassermann hoffte lange auf eine neue Zusammenarbeit und auf eine vielleicht damit verbundene Chance auf den ersehnten „Leading Part“ – ein in 324 Memorandum Steve Trillings an Jack Warner und Hal Wallis, (10.06.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. Neben den loan-outs spielte Bassermann im Mai 1940 auch noch einmal unter Dieterles Regie in dessen letzter Filmbiographie für Warner Bros. mit dem Titel A Dispatch from Reuter’s. Seine Rolle in diesem Film war jedoch wenig anspruchsvoll. Vgl.: Kapitel III/5 (Abschn. 1) dieser Arbeit. 325 Telegramm Albert Bassermanns an Jack Warner, (29.08.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. Während seiner Vertragslaufzeit vom 23. März 1940 bis zum 8. August 1940 verdiente Bassermann in den Warner Bros. Studios insgesamt 8916,66 Dollar. Brief der Warner Bros. Studios (To Whom it May Concern), (07.01.1941), Bassermann legal files, WBA, USC. 326 Telegramm Jack Warners an Paul Kohner, (05.09.1940), Bassermann legal files, WBA, USC. In den darauffolgenden Jahren arbeitete Bassermann als freischaffender Schauspieler für verschiedene Studios; so unter anderem auch wieder für Warner Bros. in den Filmen Desperate Journey (1942) und Rhapsody in Blue (1945). 327 Erst im Jahre 1946 spielten Bassermann und seine Frau Else kleine Nebenrollen in Dieterles antifaschistischem Drama The Searching Wind. Die Kritiken für den Film waren durchwachsen; etliche Rezensenten hielten seine politische Botschaft für verspätet. Mierendorff, William Dieterle, 161.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
den damaligen Rahmenbedingungen leider wohl illusorischer Wunsch, den auch sein Freund Dieterle ihm nicht erfüllen konnte. So zeigte sich Bassermann sehr enttäuscht, als der Regisseur im Jahre 1941 unter dem Banner seiner neu gegründeten Firma William Dieterle Productions den thematisch an den Faust-Stoff angelehnten, allerdings im amerikanischen Farmer-Milieu des frühen 19. Jahrhunderts angesiedelten Film The Devil and Daniel Webster drehte und den Part des Teufels mit dem knapp zwanzig Jahre jüngeren Charakterdarsteller Walter Huston besetzte: Umso schmerzlicher hat es mich beruehrt, dass sie mich bei der Rolle des Teufels uebergangen haben. Dieser Teufel ist vollkommen zeitlos: er kann jung, er kann uralt sein. Und er ist der Fremde! – Es wuerde sicher einen gewissen Reiz ausgemacht haben, wenn er einen kleinen Akzent gehabt haette. Alle Bedingungen waren da, die mich fuer diese Rolle praedestiniert haetten. Und sie haben sie an Huston gegeben. Er war sicher prachtvoll! Aber er ist beruehmt hier in Amerika – Er hat es nicht mehr noetig. Aber ich habe es noetig, hier zu zeigen, was ich kann, und hier waere die Gelegenheit gewesen, hier haetten sie an mich denken muessen, nachdem sie mir den ersten break ermoeglicht haben, was ich Ihnen nie vergessen werde. Aber diese Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder. Schade!!!328
Die beginnende Überwachung Dieterles durch das FBI Wurde Dieterle – wie soeben dargelegt – im Anschluss an die Premiere seines Werkes Dr. Ehrlich’s Magic Bullet im Februar 1940 insbesondere in den Reihen der Emigration für seine wirkungsvolle Nutzung des Mediums Film zur Bekräftigung der Existenz eines „anderen Deutschland“ hoch gelobt, verspürte er seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges das dringende Bedürfnis, auch jenseits seiner künstlerischen Tätigkeit seiner heftiger denn je empfundenen Verachtung für das Dritte Reich mit einer öffentlich wahrnehmbaren Geste Ausdruck zu verleihen. Der de facto schon im Frühjahr 1938 vollzogenen Loslösung von Deutschland durch die Exponierung in der Hollywood Anti-Nazi League sollte nun ein offiziell erklärter Bruch mit der ehemaligen Heimat folgen. Der Regisseur verfasste mehrere Entwürfe eines offenen Briefes an Hitler, der einen plastischen Eindruck seiner Gefühlslage angesichts des deutschen Überfalls auf Polen vermittelt:
328 Brief Albert Bassermanns an William Dieterle, (21.11.1941), Marta Mierendorff Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. Auch in einem Brief an seinen Agenten Paul Kohner bezeichnete Bassermann den Schauspieler Walter Huston als seine unmittelbare Konkurrenz und implizierte ferner, dass Kohner sich in einem Interessenkonflikt befinde, da auch Huston zu seinen Klienten zähle. Brief Albert Bassermanns an Paul Kohner, (21.10.1943), Akten der Paul Kohner Talent Agency, Kinemathek Berlin.
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Als amerikanischer Buerger, rein deutscher Geburt, protestiere ich gegen diesen Krieg mit dem Sie, Herr Hitler, eine friedliebende Welt ueberfallen haben. Ich protestiere dagegen, dass Sie das Land Beethovens, Goethes und Kants in grauenvolle Barbarei zurueckfuehren. Ich protestiere dagegen, dass Sie deutsches Wissen, deutsches Genie methodisch zu Mord und Zerstoerung, anstatt zu weltzivilisatorischem Aufbau verwenden. Ich protestiere dagegen, dass Sie deutsche Soldaten mit der Luege in den Tod schicken dieser Krieg wuerde fuer Recht und Freiheit des deutschen Volkes gefuehrt. Ich protestiere dagegen, dass Sie, Herr Hitler, Millionen hinschlachten, die Heimat friedlicher Menschen, die Staetten hoher Kultur vorsaetzlich vernichten nur um ihrer Machtgier zu froehnen und die Weltherrschaft des Nazismus zu begruenden. Weltherrschaft des Nazismus bedeutet Versklavung des freien Menschen, bedeutet Weltherrschaft der Ehrlosigkeit und der Brutalitaet, Verbrecher als oberste Richter, Verbrecher als Weltpolizei. Deutschland das ohne Sie gross und angesehen war in der Welt, wird kuenftig das Kainszeichen Ihres Namens tragen.329
Aus heute nicht mehr zweifelsfrei zu eruierenden Gründen verzichtete Dieterle jedoch auf die Publikation des Briefes, die vermutlich gegen Ende des Jahres 1939 in der Zeitschrift Hollywood Now erfolgen sollte; eventuell – so der Filmwissenschaftler Hervé Dumont – hatte man ihn angesichts eines derart offenen Angriffs auf Hitler vor Repressalien gegen seine noch in Deutschland lebende Verwandtschaft gewarnt.330 Im Juni 1940 – unmittelbar nach dem Fall Frankreichs – fühlte sich der Regisseur allerdings zu derartigen Rücksichtnahmen offensichtlich nicht mehr in der Lage. Mit der Hilfe Ewald André Duponts, der nach dem Scheitern der Hollywood Tribune eine Zeit lang als Dieterles Publicity-Agent tätig war331, ließ er der Presse die Information zukommen, dass er gegen sein früheres Heimatland aktiv Stellung genommen und einen Krankenwagen für das Rote Kreuz zur Verwendung durch die Alliierten gestiftet habe. Eine von Dieterle formulierte Erläuterung seines Handelns wurde der Meldung beigefügt, in der er sich – anders als noch in dem Entwurf für den offenen Brief an Hitler – nicht so sehr auf das nationalsozialistische Deutschland, sondern in erster Linie auf die Rolle Amerikas als Hüter der Demokratie konzentrierte: 329 Offener Brief William Dieterles an Adolf Hitler, Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Der Brief ist in mehreren unter anderem auch handschriftlich und in englischer Sprache abgefassten Versionen erhalten; welche dieser Versionen als endgültige Fassung für die Publikation vorgesehen war, ist leider nicht ersichtlich. 330 Dumont, William Dieterle, 138 Anm. 11. 331 Dupont übte seine Tätigkeit als Publicity-Agent ab dem Herbst 1939 unter dem Dach der Columbia Publishing Corporation aus, des Verlagshauses, das zuvor auch seine Zeitschrift The Hollywood Tribune verlegt hatte. Zu seinen – unter anderem durch die Vermittlung Dieterles – gewonnenen Klienten zählten auch Fritz Lang, Fritz Kortner, Albert Bassermann, Vicky Baum und Thomas Mann. Dupont versorgte die amerikanische Presse sehr gewissenhaft und regelmäßig mit Publicity-Material bezüglich seiner Klienten; der Umstand, dass er jedoch keinen Einfluss auf die Veröffentlichung der Artikel hatte, führte zu einer baldigen Unzufriedenheit seiner Kundschaft und damit für Dupont zu einem abermaligen erzwungenen Berufswechsel. Asper, Etwas Besseres als den Tod, 95.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) I can think of Germany no longer as being the nation which once I loved. I see it only as the most terrible and despicable menace ever to have confronted humanity. I speak now as an American, who has undying gratitude for the liberty and opportunity this great democracy has bestowed upon an adopted son. […] There is no place for the slightest division of sentiment when the very principle of democracy face [sic!] a menace that, unfortunately, has come out of the land in which I was born. We must declare ourselves! In the name of humanity we must declare ourselves! As this threat to our ideals and liberties grows we must prove that old ties are severed – that we recognize that this nation is an indissoluble unit, whose viewpoint is not hatred, whose ideals are, as they always were, bound to the highest of human rights and the essential liberties of men. […] I hope that every citizen, and especially those of German origin, will do, as I am trying to do, everything in his power to prove that our undivided sentiment, our every energy, our last resource, is ready to be offered in preserving the ideals which this country has cherished from its very beginning.332
Der in dieser Erklärung deutlich hervortretende Anspruch an deutsche Emigranten, die emotionalen Verbindungen zur alten Heimat zu lösen und eine „ungeteilte Loyalität“ gegenüber den USA unter Beweis zu stellen, wurde in den darauffolgenden Jahren zu einem Leitmotiv in Dieterles Interviews und Publikationen. Wie auch viele andere Mitglieder der deutschsprachigen Kolonie Hollywoods sah er sich einem gewissen Erklärungsbedarf oder vielmehr Rechtfertigungszwang ausgesetzt, der einen regelmäßigen Verweis auf den bereits geleisteten Beitrag zum Erhalt der Demokratie nach sich zu ziehen schien. Oftmals berief er sich auf die hohe politische Aussagekraft seiner Filmbiographien, die der beste Beweis für seinen bereits seit Langem geführten Kampf um „Respekt für das menschliche Leben, Toleranz, Freiheit und Gerechtigkeit“ seien.333 In einem unveröffentlichten im Jahre 1940 mit seinem Freund Dupont geführten Interview benannte er die Gefahr, die ihn (wie viele Exilanten) zu derartigen Bekenntnissen trieb – nur allzu leicht konnte man in der politisch hochgradig aufgeladenen Atmosphäre, die in den USA angesichts ihres sich langsam abzeichnenden Eintrittes in den Zweiten Weltkrieg herrschte, für einen nationalsozialistischen Spion, ein sogenanntes Mitglied der Fünften Kolonne, gehalten werden.334 Er äußerte jedoch gleichzeitig
332 Typoskript, (in 13 leicht unterschiedlichen Versionen vorliegend), (Juni 1940), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. Ferner meldete die Exilzeitung Aufbau im August 1940: „William Dieterle, Warner Bros. grosser Filmregisseur, stiftete einen Ambulanz-Wagen für das amerikanische Rote Kreuz. Hierbei erklärte er sich scharf und mutig gegen das deutsche Nazitum, das nichts zu tun hätte mit dem Lande Goethes, Kants und Beethovens von früher.“ Wie Wir hören, in: Aufbau 6.31 (02.08.1940), 10. 333 Interview Ewald André Duponts mit William Dieterle für die Columbia Publishing Corporation, (vermutlich 1940), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 334 Die ursprünglich aus dem Spanischen Bürgerkrieg stammende Bezeichnung der Fünften Kolonne galt als Synonym für staatszersetzende Aktivitäten feindlicher politischer Spionage. Ein faschistischer spanischer General hatte – so eine Meldung der New York Times vom 16. Oktober 1936 – behauptet, er nähme Madrid mit vier Kolonnen von au-
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seine Zuversicht, dass eine aufrichtig empfundene Liebe für die neue Heimat ein hinreichender Schutz vor unangenehmen Missverständnissen sei: When you ask me what we can do to avoid being mistaken for 5th columnists, I answer you – do nothing, nothing at all – live quietly your daily life, that’s the best way to differ from them. The 5th columnists for Naziism or any other ism must be active in many ways that will sooner or later betray them. The German-American who really loves his adopted country needs not fear being mistaken for a 5th columnist.335
Vertraute Dieterle – wie diese Äußerung belegt – noch 1940 auf die Fähigkeit der amerikanischen Bevölkerung, der in gewissem Umfang durchaus bestehenden Gefahr einer nationalsozialistischen Unterwanderung rational zu begegnen, gab es jedoch bereits deutliche Anzeichen für das Gegenteil. Befördert durch den großen Schock, den Hitlers rasante Eroberung der Beneluxländer, Frankreichs und Norwegens hinterlassen hatte, entwickelte sich eine omnipräsente Furcht vor Agenten des Dritten Reiches, die – nach dem Vorbild des Norwegers Vidkun Quisling – einen Sturz der US-Regierung vorbereiteten. Etliche Publikationen wie Hermann Rauschnings (wenig authentische) Gespräche mit Hitler und Curt Riess’ Total Espionage beschäftigten sich mit dem Thema der Fünften Kolonne, das im Mai 1940 auch von Roosevelt in einer Radioansprache aufgegriffen wurde: Today’s threat to our national security is not a matter of military weapons alone. We know of (new) other methods, new methods of attack. The Trojan Horse. The Fifth Column that betrays a nation unprepared for treachery. Spies, saboteurs and traitors are the actors in this new strategy. With all of these we must and will deal vigorously.336
Die hier zum Ausdruck kommende Furcht vor der Zersetzung der USA durch Sympathisanten feindlicher Regime bot einer sich ständig steigernden isolationistischen Abwehrhaltung Nahrung. Alles Fremde und alle Fremden gerieten in den Verdacht, die Sicherheit der Nation zu gefährden – nicht zuletzt befördert durch den Hitler-Stalin-Pakt schien in den Köpfen der Amerikaner die schon immer unscharfe Trennungslinie zwischen der Gefahr von „links“ und der Gefahr von „rechts“ zu verwischen. Das diffuse Feindbild des soge-
ßen und einer fünften von innen ein. Horak, Anti-Nazi-Filme der deutschsprachigen Emigration von Hollywood, 103. 335 Interview Ewald André Duponts mit William Dieterle für die Columbia Publishing Corporation, (vermutlich 1940), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 336 On National Defense. Radio Address of the President, Delivered from the White House, (26.05.1940), Fireside Chats of Franklin D. Roosevelt, Franklin D. Roosevelt Presidential Library and Museum. http://docs.fdrlibrary.marist.edu/052640.html (Stand: 15.09.2013). Auch in Dieterles Umfeld war das Thema der NS-Spionage in dieser Zeit allgegenwärtig; so warnte Harry Warner am 5. Juni 1940 in einer Rede vor seinen Mitarbeitern vor „subversiven Gruppierungen“, die allerorten versuchten, die USA zu schwächen und zu einer „leichten Beute für Hitler“ zu machen. Ross, Confessions of a Nazi Spy, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 58.
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nannten „Communazi“ entstand – Ausdruck einer irrationalen Xenophobie, mit der viele deutschsprachige Exilanten zu kämpfen hatten. Lediglich vor diesem Hintergrund werden die bizarren Vorgänge im Zusammenhang mit Dieterles einsetzender Überwachung durch das FBI im Sommer 1940 zumindest ansatzweise erklärbar, wenn auch nicht logisch nachvollziehbar. War der Regisseur – wie dargelegt – seit Langem als politisch eher links stehend bekannt und ab dem Frühjahr 1938 deshalb vermehrt das Opfer antikommunistischer Angriffe geworden, stand er nun plötzlich unter dem Verdacht, ein Agent des Dritten Reiches zu sein. Seine offene Stellungnahme gegen Hitler wurde als ein Lippenbekenntnis beziehungsweise ein taktisches Manöver zum Erhalt seiner Hollywoodkarriere betrachtet, sein (dem FBI sicherlich bekanntes) aufopferungsvolles Engagement in der Flüchtlingshilfe schien in diesem Zusammenhang vernachlässigbar. Im Jahre 1989 gelang der Exilforscherin Marta Mierendorff die Einsicht in die Dieterle-Dossiers des FBI, die über die näheren Umstände der absurden Verdächtigungen Auskunft geben. Offensichtlich war der Behörde im August 1940 von offizieller Stelle mitgeteilt worden, dass in der deutschen Presse Berichte kursierten, denen zufolge Dieterle nach Berlin zurückgekehrt sei, um sich dem Dritten Reich anzudienen. Konnte diese Information schnell als Propaganda-Falschmeldung entlarvt werden, da sich der Regisseur zu dem Zeitpunkt in den USA aufhielt, wurden die Untersuchungen dennoch nicht eingestellt. Mit gleicher Post war der Behörde ein Hinweis zugegangen, demzufolge Dieterles Haus in Los Angeles ein „Nazi-Nest“ sei – die US-Botschaft in Berlin hatte diesbezüglich einen anonymen Brief erhalten.337 Der Leiter des FBI J. Edgar Hoover beauftragte daraufhin im Oktober 1940 einen Spezialagenten vor Ort mit der Überwachung des Ehepaares Dieterle zum Zwecke der Aufdeckung eventueller Spionage-Aktivitäten. Ferner sollte festgestellt werden, ob es sich bei dem Regisseur wirklich um einen Sympathisanten mit dem Dritten Reich oder vielleicht um einen verdeckten Kommunisten handle. Anderen dem FBI vorliegenden Hinweisen zufolge – so schrieb Hoover an den Agenten – solle er nämlich die größte „radikale Bibliothek“ Kaliforniens besitzen.338 Die Austauschbarkeit der damaligen politischen Feindbilder beziehungsweise ihre Subsummierung unter dem Schlagwort der „Un-American Activities“, das durch die fragwürdigen publizistischen Aktivitäten des HUAC-Vorsitzenden Martin Dies in aller Munde war, wird evident.339
337 Nach Mierendorff unterliegen die näheren Umstände dieser Denunziation dem Datenschutz. Mierendorff, William Dieterle, 245. 338 Ebenda, 246. 339 So veröffentlichte Dies zum Beispiel im Februar 1940 unter dem Titel „The Reds in Hollywood“ seine neuesten „Untersuchungsergebnisse“ bezüglich der kommunistischen Unterwanderung der amerikanischen Filmindustrie. Er gab an, dass mehr als 42 prominente Vertreter des Filmgeschäftes der Kommunistischen Partei der USA angehörten bezie-
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Konnten die vollkommen haltlosen Vorwürfe, die das Ehepaar Dieterle der nationalsozialistischen Spionage bezichtigten, von dem zuständigen Spezialagenten binnen weniger Wochen mit einem verhältnismäßig geringen Rechercheaufwand entkräftet werden, sollte sich der Verdacht der verdeckten kommunistischen Aktivitäten als ausgesprochen langlebig erweisen. In einem Bericht an Hoover vom Dezember 1940 wurde der Regisseur als ein „radikaler Anführer“ innerhalb der Filmkolonie, ein heftiger Anti-Nazi mit kommunistischen Tendenzen, charakterisiert.340 Es folgte eine Überwachung beider Dieterles, die mit Unterbrechungen und wechselnden Einstufungen ihrer „Gefährlichkeit“ bis zu ihrer Remigration nach Deutschland im Jahre 1958 weitergeführt wurde. Die in dieser langen Zeitspanne entstandene, insgesamt 589 Seiten umfassende FBI-Akte verfügt – so Mierendorff – trotz der zahlreich enthaltenen ungerechtfertigten Verdächtigungen und Falschmeldungen über einen ausgesprochen hohen Wert für die Exilforschung, da sie beide Dieterles deutlich als Schlüsselfiguren des Exils ausweist und die umfänglichen Kontakte des Regisseurs zu Exilanten im In- und Ausland sowie seine künstlerischen, politischen und sozialen Aktivitäten dokumentiert.341 Insbesondere die Untersuchung der Einbindung Dieterles in den vom FBI als sogenannte „deutsche Gruppe“ bezeichneten Emigranten-Zirkel um Bertolt Brecht, Helene Weigel, Hanns Eisler, Lion Feuchtwanger, Max Horkheimer und Friedrich Pollock vermittelt interessante Einblicke in seine Lebensumstände während der vierziger Jahre. Zahlreiche Überwachungsprotokolle der regelmäßigen privaten Zusammenkünfte, die in Dieterles Haus stattfanden, belegen den engen Kontakt, den der Regisseur zu diesen zentralen Persönlichkeiten des Exils pflegte. Wie bereits erwähnt verband ihn vor allem mit Brecht eine Freundschaft, die – das wird durch die FBI-Akten bekräftigt – weitaus enger war, als man auf der Grundlage des Brechtschen Arbeitsjournals anzunehmen geneigt ist. Als der Autor im Oktober 1947 zusammen mit 18 Beschäftigten der amerikanischen Filmindustrie durch das House Un-American Activities Committee zu den berüchtigten Washingtoner Anhörungen vorgeladen wurde342, hatte dies auch direkte Auswirkungen auf die Überwachung der Dieterles. Aufhungsweise mit ihr sympathisierten oder Kontakt zu „undemokratischen Organisationen“ hätten. Martin Dies, The Reds in Hollywood, in: Liberty (17.02.1940), 47–50. 340 Mierendorff, William Dieterle, 245. 341 Ebenda. 342 Diese 18 Mitarbeiter der US-Filmindustrie waren: Alvah Bessie, Herbert Biberman, Lester Cole, Richard Collins, Edward Dmytryk, Gordon Kahn, Howard Koch, Ring Lardner Jr., John Howard Lawson, Albert Maltz, Lewis Milestone, Samuel Ornitz, Larry Parks, Irving Pichel, Robert Rossen, Waldo Salt, Adrian Scott und Dalton Trumbo. Zehn von ihnen verweigerten die Aussage bezüglich ihrer Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei und gingen als die „Hollywood Ten“ in die Geschichte ein. Dieterle war mit einigen dieser sogenannten unfriendly witnesses während seiner beruflichen Tätigkeit in Berührung gekommen, so hatte er zum Beispiel 1938 mit dem Autor John Howard Lawson an seinem Film Blockade zusammengearbeitet.
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grund ihres freundschaftlichen Engagements, mit dem sie den Autor während der schweren Zeit unterstützten, wurden sie danach nicht mehr nur durch Agenten in Los Angeles, sondern auch von Spitzeln in San Francisco, San Diego, New York und etlichen anderen Orten beobachtet.343 Auch das Engagement der Dieterles in dem Committee for Justice for Hanns Eisler, das sich im Oktober 1947 als eine Reaktion auf die öffentliche Demütigung des Komponisten durch das HUAC formierte, blieb durch das FBI nicht unbemerkt. Akribisch dokumentierte man ihre Rolle in der Protestbewegung, die in sehr scharfem Ton die intimidierenden und menschenverachtenden Praktiken amerikanischer Kommunistenjäger anprangerte; so schrieb zum Beispiel Lion Feuchtwanger in einem Entwurf für ein Protestschreiben: In den Berichten ueber die Verhandlungen des Committee for the Investigation of Un-American Activities im Falle des Komponisten Hanns Eisler wurde mehrmals seine Musik als minderwertig bezeichnet, hergestellt lediglich zur Unterhaltung und zu politischen Zwecken. Wir Unterzeichneten wuenschen zu erklaeren, dass Hanns Eisler ein ernsthafter Musiker ist, der eine Reihe hochwertiger Kompositionen und wichtige Beitraege zur Theorie der Musik geschaffen hat. Der Taetigkeit dieses Musikers hat sich kein Land zu schaemen. […] Das Komité sucht sich zu seinen Opfern vor allem Kuenstler, Schriftsteller und Wissenschaftler aus. Das Komité und seine Auftraggeber suchen Kuenstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, die ihnen nicht zu Munde reden, mundtot zu machen. Das Komité droht, diese Unehrerbietigen entweder aus dem Lande zu treiben oder sie um Amt und Brot zu bringen. Die Unterzeichneten sind empoert ueber die unwuerdige Art, wie das Unamerikanische Komité den großen Musiker Hanns Eisler behandelt hat, dessen kuenstlerische Taetigkeit den Vereinigten Staaten nur genutzt hat. Sie verlangen, dass der Verfolgung der Kuenstler, Schriftsteller und Wissenschaftler durch das Unamerikanische Komité ein Ende gemacht werde.344
Wie diese Zeilen Feuchtwangers belegen, traten zumindest die finanziell abgesicherten Mitglieder der „deutschen Gruppe“ der Bedrohung durch das HUAC und das FBI zunächst noch relativ selbstbewusst entgegen. Empfand man die ausgedehnten Untersuchungen in der Hollywooder Filmindustrie zwar als eine Verletzung der Grundrechte, existierte bei vielen noch der Glaube an die Stärke der amerikanischen Verfassung. Dies – so vermutet Mierendorff – war wohl auch der Grund dafür, dass das Ehepaar Dieterle in priva343 Mierendorff, William Dieterle, 245. 344 Typoskript, Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. In der Tat war Eisler durch das HUAC gedemütigt worden; man hatte ihm während seiner Anhörung wiederholt das Wort abgeschnitten und einige seiner Arbeiten als „filth“ bezeichnet. Bentley, Thirty Years of Treason, 73–107. Das Committee for Justice for Hanns Eisler organisierte etliche Meetings und Protestaktionen; namhafte Persönlichkeiten des Exils wie Thomas Mann und Albert Einstein unterzeichneten Petitionen, die um eine Aufhebung des drohenden Deportationsbeschlusses ersuchten. Die Bemühungen blieben jedoch zwecklos. Im Februar 1948 ordnete das Justizministerium die „formelle Ausweisung“ Eislers und seiner Frau Lou an. Im März 1948 folgte das Ehepaar dieser Aufforderung und verließ mit einem tschechoslowakischen Visum das Land. Schebera, Hanns Eisler, 209.
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ten Lebensbereichen wie der Korrespondenz mit Freunden zunächst verhältnismäßig wenig politische Zurückhaltung übte und sich des wahren Ausmaßes ihrer Überwachung durch das FBI wohl lange nicht bewusst wurde: „Bei den Dieterles […] lassen sich weder in ihren Äußerungen noch in ihren Handlungen irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen ausmachen; offenbar geriet ihr Glaube an die Unantastbarkeit der amerikanischen Verfassung und an die Kraft der Demokratie erst sehr spät – angesichts persönlich erlebter Gesinnungsverfolgung – ins Wanken.“345 Erst als das HUAC im Frühjahr des Jahres 1951 mit einer zweiten Welle von Anhörungen in Hollywood begann, erkannte Dieterle langsam das Ausmaß der Probleme, die ihm in Zukunft aus seiner Stigmatisierung als „radikaler Anführer“ erwachsen würden. Hatte sich anlässlich der ersten Attacke der Antikommunisten auf die amerikanische Filmindustrie noch vielerorts heftiger Protest geregt, der sich in der Gründung von Organisationen wie dem Committee for the First Amendment346 niederschlug, schien nur wenige Jahre später sämtlicher Widerstand gebrochen. Der Ausbruch des Koreakrieges im Sommer 1950 leistete den politischen Anliegen des HUAC erheblichen Vorschub: Auch unverbesserliche Optimisten konnten nun nicht mehr leugnen, dass sich die Welt auf dem Vormarsch in den Kalten Krieg befand. Für die Innenpolitik der USA bedeutete dies die endgültige Legitimation der antikommunistischen Hexenjagd; jedes Mittel schien fortan in der Bekämpfung „subversiver Elemente“ legitim – die Ära McCarthy hatte begonnen. Der „linke Flügel“ Hollywoods konnte diesem politischen Druck nicht standhalten; der Widerstand der „Hollywood Ten“ verlief im Sande, etliche Protagonisten der ehemaligen antifaschistischen „Volksfront“ wie zum Beispiel der Drehbuchautor Donald Ogden Stewart verließen das Land – wohl wissend, dass ihre Laufbahn in der amerikanischen Filmindustrie zu Ende war.347 Diejenigen, die ihre Karriere fortsetzen wollten, waren zur Kooperation mit dem HUAC gezwungen. Sie kündigten den ehemaligen politischen Weggefährten, die in das Visier der Antikommunisten geraten waren, die Freundschaft und versuchten, sich um jeden Preis rein zu waschen. Etliche beschlossen, vor dem HUAC als friendly witness aufzutreten, bereitwillig auf alle Fragen zu antworten und sich gegen eventuelle Vorwürfe zu verteidigen. Auch der Schauspieler Edward G. Robinson entschied sich zum 345 Mierendorff, William Dieterle, 249. Leider finden sich hier keine Informationen bezüglich des genauen Zeitpunktes, an dem der Regisseur sich seiner FBI-Überwachung bewusst wurde oder zumindest einen ersten Verdacht hegte. 346 Zur Geschichte des Committees for the First Amendment siehe zum Beispiel: Kahn, Hollywood on Trial, 1948; Muscio, Hexenjagd in Hollywood, 1982. 347 Stewart, während der dreißiger Jahre eine Galionsfigur der Hollywood Anti-Nazi League, war von der Leitung der Metro-Goldwyn-Mayer-Studios aufgefordert worden, Namen von kommunistischen Mitstreitern preiszugeben. Da er dazu nicht bereit war, dem Schicksal der „Hollywood Ten“ jedoch entgehen wollte, verließ er die USA. Ceplair/Englund, The Inquisition in Hollywood, 363.
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Beispiel für diese Vorgehensweise. In den dreißiger Jahren hatte er sich äußerst aktiv an der antifaschistischen Aufklärungsarbeit der Hollywood AntiNazi League beteiligt und diverse freundschaftliche Kontakte zu Linken unterhalten; obwohl er politisch eindeutig als liberal eingestuft werden konnte, war seine Karriere zu Beginn der fünfziger Jahre aufgrund diverser Kommunismus-Vorwürfe merklich stagniert.348 Kam für Dieterle eine öffentliche „Reinwaschung“ im Stile Robinsons nicht in Frage, obwohl ihm amerikanische Freunde wie zum Beispiel der Produzent Charles L. Glett im Jahre 1950 explizit dazu rieten349, hatte auch er sich zumindest „hinter den Kulissen“ für seine politischen Überzeugungen wiederholt zu rechtfertigen. Immer häufiger wurde er während der kommenden Jahre durch bürokratische Schikanen wie den zeitweiligen Entzug seines Reisepasses in seiner Freiheit eingeschränkt. In einem Brief an das Ehepaar Korngold in Wien schrieb er im März 1951, in seiner Korrespondenz bezüglich des Themas Politik mittlerweile schon zurückhaltender: „Glaubt mir, es ist nicht mehr schoen hier aus vielen Gruenden, die aufzufuehren zu weit gehen wuerde.“350 War das Ende seines Erfolges in Hollywood ab Mitte der fünfziger Jahre sicherlich auf eine Reihe ganz vielschichtiger Gründe zurückzuführen, machte Dieterle persönlich aus einer rückblickenden Perspektive in erster Linie die Gesinnungsverfolgung durch die Antikommunisten verantwortlich. So erwiderte er kurz vor seinem Lebensende in einem Interview auf die Frage, warum er die USA im Jahre 1958 verlassen hatte: That’s simple. I just couldn’t get work. My last American picture ELEPHANT WALK (Paramount, 1954) was held up for four months while the State Department decided to give me a passport so I could go to Ceylon and do the picture. You see, I was branded a „premature anti-fascist“ because my wife and I had worked throughout the thirties to get people out of Germany, and we helped Bert Brecht and many other members of the Hollywood refugee colony. Though I was never to my knowledge on any blacklist, I must have been on some kind of a grey list because I couldn’t get any work.351
348 Zur Aussage Robinsons vor dem HUAC siehe: Ebenda, 364–365. Vgl. außerdem: Bentley, Thirty Years of Treason, 495–498. 349 Brief Charles L. Gletts an William Dieterle, (29.12.1950), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 183. Auch die andere Möglichkeit zur Vermeidung einer Vorladung durch das HUAC, die freiwillige schriftliche Beantwortung aller Fragen mit der Unterstützung eines Anwaltes, kam für Dieterle nicht in Frage. Diese „Chance“ wurde zum Beispiel von dem politisch ebenfalls als liberal einzustufenden Regisseur Fritz Lang wahrgenommen. Ebenda, 183–184. 350 Brief William Dieterles an das Ehepaar Korngold (Wien), (13.03.1951), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 351 Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 112.
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5. AUFBRUCH DER WARNER BROS. STUDIOS IN DIE KRIEGSPRODUKTION: DIETERLE VERLÄSST DAS STUDIO (1940) 5. Aufbruch der Warner Bros. Studios in die Kriegsproduktion Befand sich William Dieterle – wie soeben dargelegt – im Frühjahr 1940 angesichts der täglich aus Europa eintreffenden Hiobsbotschaften in einer Phase höchster Anspannung, die sich schließlich in seinem öffentlich erklärten Bruch mit der alten Heimat Deutschland entlud, sollte sich zur gleichen Zeit auch seine berufliche Situation bei Warner Bros. in einem für ihn offensichtlich inakzeptablen Umfang verschlechtern. Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach seiner Ankunft in den USA verließ der Regisseur am 24. Juli 1940 das Studio.352 Löste seine Entscheidung angesichts seines jüngsten künstlerischen Triumphes mit dem Film Dr. Ehrlich’s Magic Bullet bei etlichen außenstehenden Beobachtern sicherlich eine große Überraschung und vielleicht auch einiges Bedauern angesichts des unvermeidlich damit verbundenen Endes der biographischen Reihe aus, hatte sich dieser Schritt jedoch seit Langem abgezeichnet. Bereits über einen Zeitraum von mehreren Jahren hatte sich Dieterle – wie in dieser Untersuchung ausführlich erläutert – trotz seiner filmischen Erfolge nach beruflicher Unabhängigkeit gesehnt. Die enge Einbindung in das Produktionssystem der Warner Bros. Studios war zunächst eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Akkulturation in seiner neuen Heimat gewesen, nun fürchtete er sich vermehrt vor ihren gefährlichen „Begleiterscheinungen“. In einem heute in seinem Nachlass verwahrten undatierten Entwurf für einen Artikel versuchte er diese zu erläutern: In my opinion: the weekly salary for motion picture directors is of bad influence. It guarantees him his future, and causes sluggishness in his artistic ambitions. Once you are under the spell of these highfigned checks of Hollywood you loose your real sight – you get a sort of colorblind – you see easy colors only. And an artist should see not only the colors of the rainbow […] how else can he make the unseen, hidden things visible? So in a way my decision was a kind of selfprotection – a rescue if you like – but it was not the only cause.353
Gewagter Sprung in die Unabhängigkeit – die Kündigung bei Warner Bros. Pictures Gelang der Gruppe deutschsprachiger Filmkünstler um William Dieterle im Februar 1940 mit der Premiere des Filmes Dr. Ehrlich’s Magic Bullet ihr bislang wohl größter künstlerischer Triumph, der ihr die Hochachtung der Kritik 352 Das Ehepaar Dieterle war am 26. Juli 1930 in den USA eingetroffen. William Dieterles Reisepass aus den 1930er Jahren, Dieterle Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin. 353 Hypothetical interview, (undatiert), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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und die Dankbarkeit der Warner Bros. Studioleitung einbrachte, wurde allen Beteiligten jedoch zur gleichen Zeit schmerzlich bewusst, dass die biographische Reihe damit ihren unübertrefflichen Höhepunkt erreicht hatte. Eine gewisse Ermüdung bezüglich ihrer mittlerweile recht abgenutzten Strukturen war einigen Rezensenten – trotz des großen Lobes für den Film – deutlich anzumerken. Parallel zu Dieterles Werken bei Warner Bros. waren auch in anderen großen Hollywoodstudios etliche Biographien entstanden, so dass sich langsam ein „Sättigungsgefühl“ bezüglich des immerfort bemühten dramaturgischen Konzeptes – ein Mann kämpft gegen allgemeine Borniertheit für die Verwirklichung seiner Idee – einstellte. Als die Studioleitung Dieterle im Anschluss an die Dreharbeiten zum Ehrlich-Film Vorschläge für weitere Biographien wie zum Beispiel Benjamin Franklin und The Life of Freud unterbreitete, fühlte er sich in eine unvorteilhafte Festlegung getrieben. Beteuerte Wallis zwar zur gleichen Zeit gegenüber der New York Times, dass man keine der Warner Bros. Filmbiographien lediglich aus dem Grund gedreht habe, einfach noch eine weitere Biographie vorweisen zu können, schien dies nun jedoch zuzutreffen.354 Wahllos schien man nach filmreifen Lebensgeschichten zu suchen, während der Dieterle und Muni eigentlich am Herzen liegende Beethoven-Film von Jack Warner mit der Behauptung, dass niemand einen Film über einen blinden [sic!] Komponisten sehen wolle, immer wieder hinausgezögert wurde.355 Wie bereits einige Male zuvor bat der Regisseur um die Auflösung seines (noch offiziell bis zum 1. Mai 1941 laufenden) Vertrages und verlieh – anders als zuvor – seiner Bitte mit dem Angebot, dem Studio eine Entschädigung von 50.000 Dollar zu zahlen, Nachdruck.356 Warner lehnte Dieterles Offerte jedoch ab und teilte ihm einen weiteren biographischen Stoff zu: die Lebensgeschichte des Barons Paul Julius von Reuter (1816–1899), des Begründers der Nachrichtenagentur Reuters Telegraphic Comp. Incorporated. Obwohl Dieterle und Blanke, der bei diesem Film wieder als associate producer fungierte, während der Arbeiten am Drehbuch versuchten, das Studio zu einem Verlassen der ausgetretenen Pfade der biographischen Reihe zu bewegen, bediente sich der zuständige Autor Milton Krims wiederum des altbewährten Konzeptes der beruflichen Erfolgsgeschichte. Es sollte gezeigt werden, wie Reuter – zunächst von allen belächelt – aus den bescheidenen Anfängen einer kleinen Brieftaubenpost ein großes Imperium 354 Bosley Crowther, The Myth of the Trend, Hal B. Wallis of Warner Brothers Points Out the Facts of the Matter, in: The New York Times (03.03.1940), 129. 355 Dumont, William Dieterle, 148. Ferner erwogen Dieterle und Muni in dieser Zeit eine Verfilmung der Lebensgeschichte Vincent Van Goghs nach Irving Stones Roman Lust for Life. Die Production Code Administration hatte jedoch ernste Bedenken geäußert, dass der Stoff zu „schmutzig“ sei. Ebenda. Zu einer Verfilmung des Romans kam es erst 1956 durch Metro-Goldwyn-Mayer; die Hauptrolle spielte Kirk Douglas, Regie führte Vincente Minnelli. 356 Ebenda, 145.
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schuf; Krims schrieb an Wallis: „I would like to see the strange little man in Aachen tinkering with his pigeons and his idea, lonely and laughed at. He’s really not a very practical man […] but he is persistent because he has faith in his idea.“357 Darüber hinaus legte der Autor großen Wert auf die Ausarbeitung der obligatorischen Romanze zwischen Reuter und seiner späteren Frau Ida, die ihm bei dem Aufbau seiner Firma beistand. Die Darstellung des „journalistischen Feuers“, das Reuter Zeit seines Lebens antrieb, blieb bei dieser Schwerpunktlegung hingegen auf der Strecke. So monierte der emigrierte Schauspieler Richard Révy, den Dieterle im Mai 1940 um eine informelle Begutachtung des Drehbuches gebeten hatte, dass die Figur Reuter nicht wie ein wirklicher „News-Man“ wirke, trotz ihres Ausspruches: „News is the blood in my veins“, sondern eher dem Typus des Wissenschaftlers aus den vorherigen Filmbiographien entspreche.358 Ferner bemängelte Révy das zeitweilige Abgleiten der Handlung in den Bereich des Kitsches: „Erste Eindrücke: das Liebes u. Ehepaar Reuter-Ida ein bissel süßlich – die Tauben-Post ist auch mehr sentimentalisiert als interessant gemacht“.359 Das eigentliche Potential der Story, die Betonung der Nachrichtenfreiheit als Fundament der Demokratie, werde dagegen nicht voll ausgeschöpft: „Ausgezeichnet das Grundthema (das nur schon früher angeschlagen werden könnte): Der Wille zur Wahrheit als unabdingbare Voraussetzung der News Agency. Hier kann man die Gegenwart packen, die große Lügen-Maschine „Propaganda“ brandmarken.“360 Auf der Grundlage der Produktionsunterlagen des Filmes kann jedoch vermutet werden, dass das Studio im Falle der Reuter-Biographie nicht bereit war, allzu kostenaufwendige und zeitraubende Umarbeitungen des Drehbuches, die eventuell eine Behebung der von Révy konstatierten Mängel bedeutet hätten, zu gestatten. Hatte Wallis dem Projekt zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert und damit eine bevorzugte Behandlung eingeräumt361, wa357 Memorandum Milton Krims’ an Hal Wallis, (01.08.1939), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 358 Brief Richard Révys an William Dieterle, (12.05.1940), William Dieterle Collection, Cinematic Arts Library, USC. Auch Blanke war sich der Mängel in der Charakterisierung Reuters bewusst. Er hatte bereits im August 1939 den Autor (und ehemaligen Journalisten) Heinz Herald beauftragt, seine früheren Kontakte zur europäischen Journalisten-Szene zu aktivieren, um verwertbare Informationen über Reuters Persönlichkeit und Familienleben zu beschaffen. Memorandum Heinz Heralds an Henry Blanke, (08.08.1939), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 359 Brief Richard Révys an William Dieterle, (12.05.1940), William Dieterle Collection, Cinematic Arts Library, USC, (Hervorhebung im Original). 360 Ebenda, (Hervorhebungen im Original). 361 Wallis hatte während der Arbeiten am Drehbuch aus London (wo er sich gelegentlich geschäftlich aufhielt) an das Studio telegraphiert: „REUTER SCRIPT […] TO BE GIVEN FINEST TREATMENT LIKE ZOLA PASTEUR.“ Brief F. V. Royces an Hal Wallis, (27.02.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC.
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ren ihm vonseiten der Studioleitung jedoch klare finanzielle Grenzen gesetzt worden. Wie der amerikanische Filmwissenschaftler Michael E. Birdwell in seiner 1999 erschienenen Untersuchung des Kampfes der Warner Bros. Studios gegen den Nationalsozialismus betonte, begannen die politisch weitsichtigen Gebrüder Warner bereits wenige Tage nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit der Vorbereitung ihres Studios auf die Kriegsproduktion.362 Hofften große Teile der amerikanischen Bevölkerung noch auf eine anhaltende Neutralität der USA, hielten sie einen Eingriff in den europäischen Konflikt längerfristig für unabwendbar.363 Eventuelle kriegsbedingte Rationierungen antizipierend intensivierten sie ihren schon seit der Gründung der Firma energisch geführten Kampf gegen die Vergeudung wichtiger Rohstoffe und planten erhebliche Einsparungen im Produktionsablauf. Die Budgets aller in Vorbereitung befindlichen Filme wurden gekürzt, aufwendige Prestigeproduktionen wurden – wenn möglich – bis auf weiteres aufgeschoben. Angesichts der sich überschlagenden Ereignisse auf dem europäischen Kriegsschauplatz im Frühjahr 1940 wurde die Notwendigkeit dieser Maßnahmen evident; niemand konnte voraussehen, welche Teile des europäischen Absatzmarktes der amerikanischen Filmindustrie künftig noch offenstehen würden. Sogar ein Verlust des wichtigsten Abnehmers Großbritannien schien nach dem raschen Fall Frankreichs nicht mehr vollkommen ausgeschlossen.364 Für die projektierte Reuter-Biographie bedeutete diese Sparpolitik den Verzicht auf übermäßig teure Schauspieler; Dieterles und Blankes Wunsch, die weibliche Hauptrolle der Ida Reuter mit Ingrid Bergman, Geraldine Fitzgerald, Greer Garson, Margaret Sullivan, Sylvia Sidney oder Luise Rainer zu besetzen365, lehnte das Studio ab und engagierte stattdessen die in ihrer Darstellung etwas hausbacken wirkende Edna Best. Auch den zeitweilig erwogenen Plan, Paul Muni die Rolle des Nachrichtenmannes zu offerieren und damit das Erfolgsteam Dieterle/Blanke/Muni wieder zu vereinen, verwarf man aus Kostengründen.366 Wie bereits erwähnt, hatte sich der anspruchsvolle 362 Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 128. So sagte Jack Warner am 13. September 1939 eine geplante Reise nach New York mit der Begründung ab, dass er durch die gegenwärtig durchgeführte Umstrukturierung des Studios nicht abkömmlich sei. Brief Jack Warners an Joe Hazen, (13.09.1939), Joe Hazen correspondence file, (1938–1939), Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC. 363 Die Gebrüder Warner schrieben ab September 1939 diesbezüglich sogar mehrere Briefe und Telegramme an Roosevelt. Hokett, Waging Warners’ War, in: Kaplan/Blakley, Warner’s War, 16. Vgl. auch: Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 483–529. 364 Rigid Economy Program Grips Studio; WB, 20th-Fox Lead, in: Boxoffice (25.05.1940), 23. 365 Memorandum Henry Blankes an Steve Trilling (casting department), (30.04.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 366 Noch im August 1939 zog man Paul Muni für die Rolle Reuters in Erwägung. Brief Samuel Sax’ (Warner Bros.) an die Firma Reuters in London, (21.08.1939), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC.
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Schauspieler zu dem damaligen Zeitpunkt ein außergewöhnlich großes Mitspracherecht an seinen Projekten erkämpft, das zumeist zu umfangreichen Veränderungen am Drehbuch führte. Im Falle des eher mittelmäßigen ReuterSkriptes – so wurde Wallis von dem Vertragsautor Abem Finkel gewarnt – seien Munis Einwände sicherlich erheblich: However, I would venture to guess that if the script were submitted to Muni he would reply with the usual „maybe if“, and then the fun would begin. I imagine that he would readily admit that the story had the necessary scope and stature, but would object mainly to the way the character of „Reuter“ was conceived and written. He would say that he was a prop figure who makes pompously heroic speeches. He would be unmoved by the plea that the script attempted to tell the story of an idea, rather than of a man. Then would come the painful process patching and mending in an attempt to adjust to divergent points of view, with the consequent danger of failing to accomplish either. […] the line of least resistance would be to give it to Eddie Robinson, for whom the script as it now stands would be more suitable.367
Finkels Rat folgend entschied sich Wallis für den „Weg des geringsten Widerstandes“ und beauftragte Edward G. Robinson mit der Rolle des Reuter, nachdem Muni sie, wie vorhergesehen, abgelehnt hatte. Bereits einige Monate später, im Juli 1940, sollte es zum endgültigen Bruch des Studios mit Muni kommen; der Schauspieler hatte – erbost über einen weiteren missliebigen Gangster-Part und über Warners Verzögerungstaktiken bezüglich des Beethoven-Filmes – die Auflösung seines Vertrages gefordert, die ihm umgehend gewährt wurde. Angesichts der erforderlichen Sparmaßnahmen war man nicht unglücklich, den kostspieligen Star loszuwerden; in seiner Autobiographie schrieb Wallis unterkühlt: „Finally, it became too difficult to find material for Muni because he would only play very important historical characters or roles with social significance. After he left us, his career was never the same, and sadly, he was reduced to playing in very inferior pictures later in his life.“368 Auch die vom 11. Mai bis zum 22. Juni 1940 stattfindenden Dreharbeiten an der Reuter-Biographie standen im Zeichen der rigiden Sparmaßnahmen des Studios. Auf eine von Blanke eingereichte Kostenaufstellung für die Filmsets und Dekorationen mit einem eingeplanten Gesamtbetrag von 53.000 Dollar reagierte Wallis ablehnend und forderte ungehalten diverse Kürzungen beziehungsweise die Wiederverwendung bereits bestehender Konstruktionen vorangegangener Produktionen; er schrieb an den associate producer: „I could go right down the line, item by item, and show you other sets that could 367 Memorandum Abem Finkels an Hal Wallis, (18.12.1939), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 368 Wallis/Higham, Starmaker, 64. Munis Arbeitsvertrag wurde am 17. Juli 1940 aufgelöst. Release Paul Muni, (18.07.1940), Muni legal files, WBA, USC. Wie die New York Times am 20. Juli 1940 berichtete, hätte der Schauspieler gemäß seines Vertrages noch in sieben weiteren Filmen mit einer jeweiligen Gage von 125.000 Dollar mitwirken sollen. Screen News Here and in Hollywood. Paul Muni and William Dieterle Leave Warners, in: The New York Times (20.07.1940), 9.
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be eliminated or cut down, but I am going to give you the opportunity of making the cuts first and then checking with me on Monday morning with a revised budget.“369 Als der Produktionsleiter kurz nach der Beendigung der Dreharbeiten erfuhr, dass einige seiner angeordneten Einsparungen bezüglich der für den Film benötigten Möbel missachtet worden waren, verlieh er seinem Ärger in einem Brief an den production manager Tennant C. Wright Ausdruck: I am getting damned good and sore about these things, for with the cry of economy and the attempt to cheat and doing things for small amounts of money, it is impossible for us to achieve our goal if after specific instructions of this kind are issued, art directors will still go ahead and make drawings and attempt to have special furniture built. […] Things are tough enough and I am putting in too many hours trying to cut corners in scripts and pictures only to have other people follow through in back of me and put everything back that I take out.370
Dieterle, der seinerzeit während der Dreharbeiten zu den deutschsprachigen Filmversionen die Arbeit unter großem Zeitdruck und mit begrenzten finanziellen Mitteln gelernt hatte, beherzigte die verordnete Sparpolitik und beendete den – ihm ohnehin wenig am Herzen liegenden – Film früher als geplant und sogar mit vermindertem Kostenaufwand; Wallis bedankte sich dafür bei ihm schriftlich.371 Wie zuvor von dem Regisseur befürchtet, waren die Rezensionen des schließlich unter dem Titel A Dispatch from Reuter’s uraufgeführten Filmes lediglich durchwachsen. Bezeichnete man das Werk bezüglich seiner Regie und der darstellerischen Leistungen als durchaus solide und qualitätvolle Arbeit, wurde jedoch deutlich, dass das Studio die filmbiographische Erfolgsformel nun endgültig überstrapaziert hatte. Einem Vergleich mit den vorangegangenen Errungenschaften der Gruppe um Dieterle konnte A Dispatch from Reuter’s aufgrund der sentimentalisierten Story und dem ungenügend herausgearbeiteten Gegenwartsbezug nicht standhalten. Als Dieterle Anfang Juli 1940 von einem kurzen Urlaub im Yellowstone Park, den er im Anschluss an die Dreharbeiten zu A Dispatch from Reuter’s genommen hatte, in die Warner Bros. Studios zurückkehrte, erreichte ihn die Nachricht, dass Paul Munis Kündigung soeben akzeptiert worden war. Ermutigt durch den geringen Widerstand, den Jack Warner dem Begehren Munis 369 Memorandum Hal Wallis’ an Henry Blanke, William Dieterle und Tennant C. Wright, (03.05.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 370 Memorandum Hal Wallis’ an Tennant C. Wright, (01.07.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. Der set designer Anton Grot hatte für eine Szene einen speziellen Tisch mit Stuhl bauen lassen, obwohl Wallis angeordnet hatte, auf die Bestände im studioeigenen Fundus zurückzugreifen. Ebenda. 371 Memorandum Hal Wallis’ an William Dieterle, (18.10.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. Dieterle war es gelungen, die Dreharbeiten fünf Tage früher zu beenden als im Drehplan vorgesehen. Daily production and progress reports, A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC.
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offenbar entgegengesetzt hatte, beschloss der Regisseur, ebenfalls sein Glück zu versuchen und ein weiteres Mal um eine vorzeitige Auflösung seines Vertrages zu bitten. Anders als zuvor – und vielleicht für Dieterle auch ein wenig überraschend – stimmte der Studioleiter zu. Ein zehnjähriges Arbeitsverhältnis hatte von einem Tag auf den anderen sein Ende gefunden. Obwohl Dieterles Gründe für seine Kündigung vielschichtiger Natur und nur bedingt identisch mit denen Munis waren, stellte die Presse jedoch eine enge Verbindung her. Man berichtete ausführlich über Munis Wunsch, lediglich in Prestigeproduktionen mitzuwirken, die sich das Studio – angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage – nun nicht mehr leisten könne. Ferner hätten seine Eingriffe in die Drehbücher seiner Filme zumeist ihrer Attraktivität an den Kinokassen geschadet; Profite habe man mit Muni bereits seit Längerem nicht mehr erzielt. Dieterle wurde zumeist in einem kurzen Passus als ein weiteres unrentables „Prestigeobjekt“ angeführt (mittlerweile betrug sein wöchentliches Gehalt 3000 Dollar), dessen man sich gleichzeitig „entledigt“ hatte. So berichtete die New York Times unter dem Titel Profits vs. Prestige: When Warner Brothers, who always know their rights and stand on them, let Paul Muni and William Dieterle, star and director of „The Story of Louis Pasteur“, „The Life of Emile Zola“ and „Juarez“ tear up their contract this week, the event signified a decided change of policy regarding the prestige picture, necessitated by economy. […] Muni has long had the privilege of rejecting scripts or demanding their revision. Half the „Juarez“ scenario was rewritten because he felt that the title character, which he played, was under-emphasized. His position has been that of a prestige star, and he has expected and received reverent attention not because of his box-office value but because of his artistic reputation. But with domestic film business lagging and foreign markets closed, art has become too expensive an investment for the studio unless it is popular, so rather than engage in a losing tug-of-war with the actor about concessions to mass taste, the Warners parted with him. Dieterle’s long-standing request for his release was granted the same day […].372
Naturgemäß fühlte sich Dieterle, der im Laufe seiner zehnjährigen Laufbahn in den Warners Bros. Studios keinesfalls ausschließlich Prestigeproduktionen gedreht, sondern seine Fähigkeiten als zuverlässige Kraft für Routinearbeiten vielfach unter Beweis gestellt hatte, durch diese Berichterstattung als Regisseur nur unzureichend charakterisiert. Er verteidigte sich mit der zutreffenden Feststellung, dass er – anders als Muni – seine Projekte nie frei hatte wählen können und somit für eventuelle Kassenverluste nicht direkt verantwortlich zu machen sei. Ferner sei der Vorwurf, dass er mit „zu viel Kunst zu wenig Gewinne“ erzielt habe, aufgrund unabhängiger Erhebungen nicht haltbar. In einer offiziellen Abschiedserklärung versuchte er – nicht ohne grundsätzliche Dankbarkeit für die ihm vom Studio eingeräumten beruflichen Chancen – einige unzutreffende Behauptungen richtigzustellen: 372 Thomas Brady, Profits vs. Prestige. Muni and Dieterle Part with Warners, in: The New York Times (28.07.1940), 95.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) Leaving Warner Brothers I wish to express my deepest appreciation to the staff and personnel of the studio to all who ever worked with me for the past ten years in the making of pictures. Ten years are an important stretch in a man’s life, and in my ten years at Warner Brothers I was allowed to enjoy more satisfaction than during any other period of my career. […] According to the Hollywood Reporter, the studio was willing to release me from my contract because my pictures „represented too much art and too little box office.“ The charge that my pictures contained too much art, I gladly accept. I do not believe that, in art, there is such a thing as too much art. The terms of my contract did not provide any influence on story selection so the box office appeal of the stories assigned to me was not within my jurisdiction. However the Box office diggest [sic!] of 1940 shows among the 25 top directors of money making pictures my name on the fourth place i. e. the first of the Warner Brothers directors.373
Bezeichnete Dieterle gegenüber Außenstehenden seine Kündigung bei Warner Bros. im Juli 1940 in erster Linie als einen Ausbruch aus dem zu eng gewordenen Rahmen der Studioproduktion und eine Schutzmaßnahme vor einer gewissen künstlerischen Bequemlichkeit, handelte es sich bei diesem Schritt keinesfalls ausschließlich um einen Akt der beruflichen Selbstbefreiung. Wie seine heute im Studioarchiv verwahrte Personalakte nahelegt, hatten sich die bereits seit Langem kontinuierlich aufflammenden Konflikte zwischen ihm beziehungsweise seiner Frau Charlotte – die noch immer seine Geschäfte führte – und der Studioleitung in einem Umfang zugespitzt, der alle Beteiligten zunehmend belastete. Immer häufiger kam es zu Meinungsverschiedenheiten bezüglich der vertraglich festgelegten Rechte und Pflichten Dieterles, der – in den Augen Jack Warners – mit jedem weiteren filmischen Erfolg „aufsässiger“ zu werden schien. So hatte zum Beispiel sein loan-out an die RKO-Studios im Sommer 1939 für The Hunchback of Notre Dame zu einer Eskalation geführt. Aufgrund einiger Verzögerungen während der Dreharbeiten war es dem Regisseur nicht gelungen, den Film rechtzeitig fertigzustellen und plangemäß in die Warner Bros. Studios zurückzukehren, um dort seine Ehrlich-Biographie zu beginnen. Da er es vehement abgelehnt hatte, die Vollendung des Hunchback einem Kollegen zu überlassen374, musste Wallis seine Pläne um drei Wochen verschieben – eine Maßnahme, die das Studio über 17.000 Dollar kostete.375 Auch der sich im Laufe der dreißiger Jahre intensivierende Hang Dieterles zur Astrologie wurde – so vermutet Mierendorff – der Studioleitung zunehmend lästig.376 Beeinflusst durch seine Frau Charlotte 373 10 J. of WB, Abschiedserklärung Dieterles von den Warner Bros. Studios, Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 374 Memorandum Roy Obringers an Hal Wallis, (26.08.1939), Dieterle correspondence, WBA, USC. 375 Der Aufschub der Dreharbeiten kostete 17.412,92 Dollar. Memorandum Roy Obringers an Hal Wallis, (03.10.1939), William Dieterle correspondence, WBA, USC. Vgl. auch: Memorandum Hal Wallis’ an Roy Obringer, (13.10.1939), William Dieterle correspondence, WBA, USC. 376 Mierendorff, William Dieterle, 138.
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unterwarf sich der Regisseur mehr und mehr dem Diktat der Sterne, die in seinen Augen über Erfolg oder Misserfolg eines Projektes entschieden. Hatte er sich zuvor noch damit begnügt, den Drehbeginn eines Filmes auf einen bestimmten Zeitpunkt zu legen, an dem eine angeblich günstige Konstellation vorlag, schien ihm dies in späteren Jahren nicht mehr ausreichend. Fortan wurde auch in Detailfragen seine Reaktion von der Astrologie bestimmt; so vermutete Wolfgang Reinhardt im Dezember 1939 hinter einem besonders heftigen Einspruch Dieterles gegen eine Änderung im Drehplan eine „astrologische Angelegenheit“: I talked to Dieterle about shooting the scene with the lawyer and Althoff before the trial. Dieterle said he couldn’t do it, as he would collapse after tomorrow night and that he couldn’t stay a minute longer on his feet. From the violence with which he reacted to this suggestion, I suspect that there is some astrological issue involved. I’ll try to discuss this again with him tomorrow morning and maybe if we can arrange it for a different day than Friday he might be more amendable.377
Schließlich führte auch eine erhebliche Verschlechterung der finanziellen Situation des Ehepaares Dieterle im Frühjahr 1940 zu Konflikten mit der Studioleitung. So geht aus einigen Studio-Memoranden dieser Zeit hervor, dass der Regisseur aufgrund seines umfangreichen Engagements in der Flüchtlingshilfe sowie aufgrund seiner gescheiterten Unternehmungen („Continental Players“, Hollywood Tribune) mehreren Banken höhere Summen schuldete. Die Gebrüder Warner hatten für ihn bürgen müssen und führten bis auf weiteres einen Betrag von 500 Dollar von seinem wöchentlichen Gehalt für die Tilgung ab.378 Als man Dieterle im Februar 1940 in einen dreimonatigen unbezahlten lay-off schicken wollte, versuchte er dieses mit einem Brief an Wallis zu verhindern. Die Behauptung, dass er nicht aus finanziellen Erwägungen protestiere, sondern die Zeit der Untätigkeit als eine Bestrafung empfinde, verhüllte nur ungenügend seine wahren Beweggründe – trotz seines Spitzengehaltes war er in eine Situation geraten, in der er arbeiten musste.379 Hatten die soeben skizzierten Stimmungen und Verstimmungen, die in den Monaten nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Dieterles Ar377 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Hal Wallis, (06.12.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 378 Memorandum Roy Obringers an Harry Warner, (15.04.1940), William Dieterle correspondence, WBA, USC. Auch in den Forschungsmaterialien Mierendorffs finden sich Hinweise, dass Dieterle im Frühjahr 1940 gravierende finanzielle Probleme hatte. Mierendorff Sammlung, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC. 379 Brief William Dieterles an Hal Wallis, (13.02.1940), Dieterle legal files, WBA, USC. Wie bereits dargelegt, handelte es sich bei den dreimonatigen unbezahlten lay-offs um eine in Hollywood übliche Praxis, von der alle höher bezahlten Mitarbeiter – so auch Dieterle bei Warner Bros. – regelmäßig betroffen waren. Dieterle hatte nach seiner Kündigung im Juli 1940 noch über einen längeren Zeitraum Probleme, seine Schulden zu begleichen, so dass er von der Rechtsabteilung der Warner Bros. Studios mehrfach schriftlich ermahnt wurde. Dieterle legal files, WBA, USC.
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beitsalltag prägten, sicherlich eine belastende Intensität angenommen, kann man – vor allem angesichts seiner angespannten finanziellen Situation – dennoch nur schwer nachvollziehen, warum es dem Regisseur gerade ab diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht mehr möglich war, seine Tätigkeit in den Warner Bros. Studios fortzuführen, und er bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit um die Auflösung seines Vertrages bat, bis sie ihm schließlich gewährt wurde.380 Obwohl, wie dargelegt, in den Studiounterlagen und in den autobiographischen Skizzen Dieterles zahlreiche Hinweise existieren, denen zufolge er bereits seit Jahren ein größeres Mitspracherecht bei der Produktion seiner Filme erstrebte, hatte er sich doch immer wieder – trotz mehrfach ausgesprochener Kündigungs-Drohungen – in seine Rolle als Vertragsregisseur gefügt. Juristische Streitigkeiten über unliebsame Drehbücher, Versäumnisse in der Publicity seiner Filme (Midsummer Night’s Dream) oder loan-outs und layoffs waren beigelegt worden; auf ähnliche Probleme – das musste Dieterle klar sein – wäre er in anderen Studios ebenfalls gestoßen. Auch das Ende der biographischen Filmreihe hätte nicht zwangsläufig das Ende seiner Laufbahn bei Warner Bros. bedeuten müssen. Wie die Studiounterlagen nahelegen, hatte man ihm im Juli 1940 bereits ein durchaus attraktives neues Projekt zugeteilt: das maritime Abenteuer-Spektakel Captain Horatio Hornblower mit einem Drehbuch John Hustons nach einer elfteiligen, international erfolgreichen Romanreihe Cecil Scott Foresters. Als Produzent fungierte Wolfgang Reinhardt, für die Hauptrollen hatte man Laurence Olivier und Vivien Leigh vorgesehen, die damals zu den gefragtesten Schauspielern Hollywoods gehörten.381 Lag die Story auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt auf Dieterles Linie, hätte das Projekt für ihn jedoch sicherlich die Chance bedeutet, der Festlegung auf Biographien zu entkommen, ohne in das von ihm so gehasste Betätigungsfeld der „Gangsterfilme und Scheidungskomödien“ ausweichen zu müssen.382 In einer Zeit, in der man in Hollywood aufgrund des drohenden (und teilweise auch schon erfolgten) Verlustes der europäischen Absatzmärkte auf alle zusätzlichen Ausgaben verzichtete, Prestigeproduktionen absagte und auch vor Entlassungen nicht zurückschreckte383, bezeugte dieser Regieauf380 Auch Mierendorff und Dumont gelingt es in ihren Publikationen über Dieterle nicht, die Gründe für seine Kündigung bei Warner Bros. schlüssig und in einem ausreichenden Umfang herauszuarbeiten. Beide widmen dem Ereignis lediglich wenige Sätze. Mierendorff, William Dieterle, 138; Dumont, William Dieterle, 148. 381 Ebenda. Nach Dieterles Ausscheiden wurde das Projekt zu den Akten gelegt und erst 1952 unter der Regie Raul Walshs mit Gregory Peck in der Hauptrolle verfilmt. 382 Wie dargelegt hatte Dieterle bereits im Jahre 1938 versucht, eine Klausel in seinen Arbeitsvertrag aufnehmen zu lassen, die ihn vor sogenannten „gangster- or Reno pictures“ bewahren sollte. Brief William Dieterles an Hal Wallis, (21.07.1938), Dieterle legal files, WBA, USC. Siehe Kapitel III/3 (Abschn. 2) dieser Arbeit. 383 So entließen die Warner Bros. Studios Zeitungsberichten zufolge in den Wochen nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges zwischen 370 und 500 Angestellte. Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 493.
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trag zweifellos das Vertrauen, das die Leitung der Warner Bros. Studios nach wie vor in Dieterles Fähigkeiten setzte. Zieht man diese Arbeits- und Lebensumstände des Regisseurs im Frühsommer 1940 in Betracht, drängt sich – zumindest aus einer heutigen Perspektive betrachtet – die Frage auf, ob es sich bei seinem erneuten (und dieses Mal erfolgreichen) Kündigungs-Begehren nicht mehr um einen spontanen, emotional motivierten Schritt als um eine sorgfältig durchdachte Entscheidung handelte. Sicherlich vermutet der Filmhistoriker Hervé Dumont nicht ganz zu Unrecht, dass Dieterle mit Warners plötzlicher Zustimmung nicht gerechnet hatte und von ihr ziemlich überrascht war.384 Die Frage, ob er sich vielleicht sogar eine gegenteilige Reaktion des Studioleiters erhofft hatte und mit seiner Bitte um die Auflösung seines Vertrages lediglich – wie zuvor des Öfteren geschehen – ein Zeichen des Protestes (vielleicht über das endgültige Scheitern der Beethoven-Biographie) setzen wollte, fällt wohl in den Bereich der Spekulation. Durch mehrere Quellen eindeutig belegbar ist hingegen der Umstand, dass sich das Arbeitsklima in den Warner Bros. Studios nicht nur für Dieterle – aufgrund der soeben dargelegten Spannungen – sondern auch generell für die dort beschäftigten deutschsprachigen emigrierten Filmkünstler im Frühsommer 1940 gravierend verschlechtert hatte. Hatten die Gebrüder Warner in den Jahren vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges eine wichtige (quasi legitimierende) Funktion in der Aufklärungsarbeit der Hollywood Anti-Nazi League bekleidet, begann ihr prinzipiell lobenswertes politisches Engagement nun etwas seltsame und irrationale Blüten zu treiben. Unmittelbar nachdem Roosevelt – wie erwähnt – am 26. Mai 1940 in einer Radioansprache offiziell vor der Gefahr durch die Fünfte Kolonne gewarnt hatte, begann Harry Warner einen aggressiven Feldzug gegen die „nationalsozialistische Unterwanderung“ der US-Filmindustrie und sicherte dem FBI jede nur erdenkliche Hilfe bei der Enttarnung „subversiver Elemente“ zu. In einer neunzigminütigen Rede vor ca. 6000 seiner Angestellten forderte er diese dazu auf, „verdächtige Aktivitäten“ auf dem Studiogelände sofort zu melden; er bekräftigte: We don’t want anybody employed by our company who belongs to any bunds! Communistic, fascistic or any other Un-American organization. […] I don’t want to get into politics, but I can see it is taking place so I can say it very freely. I would like to see a law passed that any and all members of Un-American organizations, especially those sponsored and paid for by enemy foreign powers would have their citizenship revoked and be deported to their own native lands, or the land in whose hidden employ they are. […] we will never be strong enough to see this ideal [of peace] realized until we have ejected from our midst, those enemies who are boring from within, who are undermining our national security and who are planning to sabotage our great country.385
384 Dumont, William Dieterle, 148. 385 Harry Warner, United We Survive, Divided We Fall, pamphlet, Harry M. Warner speeches and interviews file, Harry M. Warner papers, Jack L. Warner Collection, Cinematic Arts Library, USC.
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War Warners Anweisung selbstverständlich nicht direkt auf die im Studio beschäftigte Gruppe deutschsprachiger Angestellter um Dieterle zu beziehen, nährte sie jedoch die Gefühle der irrationalen Xenophobie, die wenige Wochen später auch in der FBI-Überwachung des Regisseurs eine bestimmende Rolle spielen sollten. Ferner berichtete die Presse Ende Mai 1940, dass Jack Warner seinen Angestellten offiziell verboten habe, auf dem Studiogelände deutsch zu sprechen – eine Weisung, die Assoziationen mit der antideutschen Hysterie vieler Amerikaner während des Ersten Weltkrieges hervorruft.386 Existieren keine eindeutigen Hinweise bezüglich der Konsequenz, mit der diese Anordnung im Arbeitsalltag wirklich umgesetzt wurde, lässt sich jedoch erahnen, welchen Einfluss sie auf Emigranten wie Albert Bassermann hatte, die es vor allem im Umgang mit Dieterle und Blanke gewohnt waren, am Filmset ihre Muttersprache benutzen zu können. Erste Auswirkungen dieser neuen „Studiopolitik“ auf Dieterles Arbeit stellten sich schnell ein; der Regisseur hatte geplant, in seine Reuter-Biographie einige deutsche Volkslieder einzubauen – gesungen von Bassermann, der eine kleine Rolle im Film spielte.387 Obwohl der associate producer Blanke sich mit der Idee einverstanden erklärt hatte und alle entsprechenden Vorbereitungen schon getroffen waren, wurde sie von Wallis schließlich nicht genehmigt; vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation in Europa fürchtete dieser eine negative Reaktion des amerikanischen Publikums.388 Aus ähnlichen Erwägungen hatte der Produktionsleiter bereits während der Dreharbeiten zu dem Film Dr. Ehrlichs Magic Bullet den associate producer Wolfgang Reinhardt von seinem Vorhaben abgehalten, den Filmsets mit Bildern von Kaiser Wilhelm II. oder Bismarck mehr „Lokalkolorit“ zu verleihen.389 Wallis schrieb an Reinhardt: It is true that we are making the picture „DR. EHRLICH“ with a German locale, but I don’t think it is advisable to continually remind the audience of the fact by showing pictures of the KAISER or BISMARCK. I would try to keep from showing anything like this, for obvious reasons, even though our story does not take place at the present time.390 386 Sh! Not Here! in: Variety (29.05.1940), 2; Douglas W. Churchill, Trouble at Home, Too, in: The New York Times (02.06.1940), 3. Vgl: Birdwell, Das andere Hollywood der dreißiger Jahre, 128; Colgan, Warner Brothers’ Crusade, 501. 387 Ein deutsches Liederheft, in dem Dieterle einige in Frage kommende Lieder gekennzeichnet hatte, befindet sich in: William Dieterle Collection, Cinematic Arts Library, USC. Bassermann sollte seinen Gesang auf einer Gitarre begleiten und zu diesem Zweck die notwendigen Griffe einstudieren. Memorandum Henry Blankes an Leo F. Forbstein (Leiter des Warner Bros. music department), (10.05.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 388 Memorandum Al Alleborns an Tennant C. Wright, (21.05.1940), A Dispatch from Reuter’s papers, WBA, USC. 389 Memorandum Wolfgang Reinhardts an Hal Wallis, (17.10.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC. 390 Memorandum Hal Wallis’ an Wolfgang Reinhardt, (17.10.1939), Dr. Ehrlich’s Magic Bullet papers, WBA, USC.
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Lässt sich aufgrund des erhaltenen Quellenmaterials sowie aufgrund einschlägiger Memoiren und Oral Histories leider nicht eruieren, welche Haltung die deutschsprachigen Künstler um Dieterle persönlich bezüglich der Weisungen Harry und Jack Warners einnahmen, oder ob sie grundsätzlich dazu bereit waren, im Umgang untereinander auf die deutsche Sprache zu verzichten, ist jedoch davon auszugehen, dass ihnen die daraus resultierende Verschlechterung ihres Arbeitsklimas bewusst gewesen sein muss. Hatte das Studio noch vor fünf Jahren in etlichen humoristischen Publicity-Storys zum Midsummer Night’s Dream mit dem „deutschen Palaver“ am Filmset geworben, war dies nun nicht mehr erwünscht. Insbesondere Dieterle und Blanke, deren deutsche Herkunft ursprünglich eine „Schlüsselqualifikation“ bedeutet hatte, die für ihren beruflichen Aufstieg im Studio höchst förderlich gewesen war, müssen die neuen Bestimmungen als eine gravierende Umstellung empfunden haben. Reagierte der anpassungsfähige Blanke, der als Angestellter von Warner Bros. bereits einige Veränderungen seiner Arbeitsumstände und -orte erlebt hatte und noch bis zum Jahre 1959 im Studio bleiben sollte, jedoch sicherlich mit einer gewissen Gelassenheit auf den „Politikwechsel“, muss dieser den sensiblen Dieterle belastet und zu seinem wachsenden Gefühl der Entfremdung beigetragen haben. Trotz seiner in beruflicher Hinsicht gewiss erfolgreichen Akkulturation in den USA konnte und wollte er seine deutsche Identität nicht vollkommen abstreifen – dies belegt allein schon sein dezidiert unamerikanischer privater Lebensstil, der in zahlreichen Anekdoten verewigt ist.391 Sein Ausbruch aus den erdrückenden Strukturen der Warner Bros. Studios, in denen sich diese Identität nun langsam zu verlieren schien, ist vor diesem speziellen Hintergrund betrachtet eine logische – wenn auch nicht unbedingt von wirtschaftlichem Kalkül zeugende – Entscheidung. Dieterles weiteres Schicksal in Hollywood (1940–1958) – zwischen beruflicher Freiheit und neuen Abhängigkeiten I was very glad to talk with William Dieterle yesterday and to have him tell me that he has formed the William Dieterle Production Company and will release his product through RKO. He is incorporated at one million dollars and he is president and Robert McDonald is vice president. At RKO yesterday they were very happy at the prospect of having the man who made such great pictures as „Emile Zola“, „Louis Pasteur“ and „Juarez“ with them. Dieterle, who had many offers after he left Warners’, refused to accept any of them until he had a set-up he liked and this seems to be it. He will make two pictures a year and I have an idea the first one won’t be a biography.392
391 Mierendorff, William Dieterle, 157. 392 Kolumne Louella O. Parsons, in: Los Angeles Examiner (08.10.1940), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
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Stützt dieser Anfang Oktober 1940 entstandene Bericht der Hearst-Kolumnistin Louella O. Parsons die von Dieterle gegenüber der Presse mehrfach geäußerte Behauptung, dass es sich bei seiner Kündigung in den Warner Bros. Studios um einen längst überfälligen Akt der „künstlerischen Selbstbefreiung“ gehandelt habe, verschweigt die Autorin jedoch sorgsam – ganz nach verklärender Hollywood-Manier – die großen beruflichen Unwägbarkeiten, auf die der Regisseur künftig gefasst sein musste. Entgegen der in der schnelllebigen Filmmetropole eigentlich angezeigten Praxis, einen unbefriedigenden Arbeitsvertrag erst zu lösen, wenn ein konkretes und besseres Angebot der Konkurrenz vorliegt, hatte er Warner Bros. mit leeren Händen verlassen. Lancierte sein Agent Mike C. Levee, der auch den Schauspieler Paul Muni vertrat, zwar wenige Tage nach Dieterles Kündigung in der Presse das Gerücht, dass bereits mehrere Angebote anderer Studios für weitere Dieterle-MuniKooperationen vorlägen393, kann dies jedoch anhand der zur Verfügung stehenden Quellen nicht verifiziert werden. Lediglich ein Angebot der Firma Metro-Goldwyn-Mayer, die Dieterle als regulären Vertragsregisseur einstellen wollte, wird 1941 von seiner Frau in einem Brief erwähnt.394 Wie Parsons in ihrem Artikel nahelegt, war der Regisseur jedoch nicht bereit, sich ein weiteres Mal in ein derart streng reglementiertes Arbeitsverhältnis zu begeben. Er wählte stattdessen die – eine gewisse berufliche Eigenständigkeit verheißenden – RKO-Studios, die zu der damaligen Zeit unabhängigen Produktionsgruppen eine Existenzmöglichkeit boten, indem sie für deren Filme den Verleih und die Werbung übernahmen.395 Am 5. Oktober 1940 ließ Dieterle seine neue Gesellschaft, die William Dieterle Production Company, in das Handelsregister eintragen; die entsprechenden Aktien in einem Gesamtwert von einer Million Dollar wurden zu 51 Prozent auf Dieterle als Präsidenten sowie zu 49 Prozent auf den Produzenten Charles L. Glett und die Anwälte Robert McDonald und Ronald Button verteilt.396 Bereits während der Vorbereitung seines ersten Filmprojektes, der Verfilmung einer amerikanisierten Faust-Geschichte Stephen Vincent Benets unter dem Titel The Devil and Daniel Webster, wurden dem Regisseur jedoch die Grenzen seiner neuen beruflichen Freiheit bewusst. Neben seinen drei – mehr oder weniger fachfremden – Partnern, die sich von ihrer Investition in das Filmgeschäft schnelle Profite versprachen, bewachte vor allem der RKO-Präsident George Schaefer streng jeden seiner Schritte; für alle wichtigen Entscheidungen bedurfte es zunächst der Zustim393 Thomas Brady, Profits vs. Prestige. Muni and Dieterle Part with Warners, in: The New York Times (28.07.1940), 95. 394 Brief Charlotte Dieterles an Charles L. Glett, (04.03.1941), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 395 So entstand unter der Ägide der RKO-Studios zum Beispiel der Film Citizen Kane, gedreht im Jahre 1941 von Orson Wells’ Produktionsfirma Mercury Productions. 396 O’Dell, Sein eigener Herr? William Dieterle Production 1940–1942, in: Mierendorff, William Dieterle, 219–220.
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mung des Studios. Bestand dort grundsätzlich eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber künstlerischen Experimenten, litt man jedoch (genauso wie bei Warner Bros.) unter dem Verlust wichtiger europäischer Absatzmärkte. Ferner waren einige ambitionierte Großproduktionen der vergangenen Jahre an den Kinokassen gescheitert, so dass man sich bereits seit geraumer Zeit in den „roten Zahlen“ befand – ein kommender grundlegender Kurswechsel der Studioleitung zugunsten einer Produktion kostengünstig hergestellter, profitabler Unterhaltungsware zeichnete sich ab. Ungeachtet dieser problematischen Konstellationen gelang es Dieterle zunächst, Schaefer von seiner für das damalige Hollywoodkino höchst außergewöhnlichen künstlerischen Vision zu überzeugen. Die Story – ein verarmter neuenglischer Farmer schließt einen Teufelspakt, wird aber mit der Hilfe des rhetorisch begabten Politikers Daniel Webster vor einem „Schwurgericht der Verdammten“ freigesprochen – verband die Aufrichtigkeit und den Realismus früherer Dieterlescher Werke mit einer märchenhaft-mystischen Atmosphäre. Die surrealistischen Elemente der Handlung sollten durch verfremdet wirkende Kulissen, eine Ausleuchtung mit scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten sowie eine außergewöhnliche Musik Bernard Herrmanns betont werden.397 Plante Dieterle nicht unbedingt – wie zuvor in The Life of Emile Zola, Juarez und Dr. Ehrlich’s Magic Bullet – einen deutlich erkennbaren Gegenwartsbezug herauszuarbeiten, wollte er dem Publikum jedoch durch die Hervorhebung des Legendenhaften und Allgemeingültigen der Teufelspakt-Geschichte (ähnlich wie vielleicht Thomas Mann in seinem Roman Dr. Faustus) die Möglichkeit bieten, eigene Assoziationen mit der dämonischen Verführungskraft zeitgenössischer Diktatoren herzustellen. Bereits kurze Zeit nach dem Beginn der Arbeiten am Drehbuch begann das Studio jedoch, von seinem Recht auf Mitsprache in allen künstlerischen Fragen umfassenden Gebrauch zu machen. Dieterle hatte der außergewöhnlichen Story kommerziell erfolgsträchtige Elemente wie Humor und Romantik beizufügen, die das Produkt für ein Durchschnittspublikum attraktiver machen sollten. Das Ergebnis war, so betont die Exilwissenschaftlerin Jackie O’Dell in ihrer Untersuchung der William Dieterle Production Company, ein in seiner stilistischen Konzeption höchst inkonsequentes Werk: Einerseits hat die Existenz der unabhängigen Produktionsgruppen bei RKO Dieterles Debüt als Produzent zwar möglich gemacht, andererseits aber hat sich genau diese Konstellation auf das Schicksal des Films ausgewirkt, noch ehe dessen erste Einstellung überhaupt im Kasten war. Dieterle musste versuchen, einen absatzfähigen, marktgängigen Film zu machen; nach Lage der Dinge ergab sich aus diesem Zwang heraus jedoch eine verwirrende Mixtur aus ernsthaftem Nachdenken und einem Anflug von Albernheit. Das Resultat – je nachdem, von welcher Seite man es betrachtete – glich entweder einem Hollywood-Film, der auch künstlerische Ambitionen verfolgt, oder einem künst-
397 Herrmann erhielt für seine ungewöhnliche, auf alten Volksliedern basierende Musik einen Academy Award in der Kategorie „Beste Filmmusik“.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) lerisch ambitionierten Film, der etliche Zugeständnisse an matte Hollywood-Klischees in Kauf genommen hatte.398
Auch die von RKO initiierte Werbekampagne war auf den als erfolgsträchtig eingeschätzten Aspekt des Filmes ausgerichtet: eine in neuenglischer Szenerie stattfindende Liebesgeschichte zwischen dem teufelsbündnerischen Farmer und seiner Frau, die um die Rettung seiner Seele kämpft. Dieterles sensible Ausarbeitung der zeitlosen und allgemeingültigen Moral der Geschichte wurde übergangen – ein Versäumnis, das sich negativ auf die Akzeptanz des Werkes auswirkte. Publikum und Kritik erwarteten ein authentisches Portrait amerikanischen Farmlebens, angereichert mit Erotik und ein wenig Horror. Man hoffte, glaubwürdige, mit ihrer „Scholle“ verwurzelte Figuren in einer glaubwürdigen neuenglischen Umgebung zu sehen. Dementsprechend groß war die Verwirrung mancher Rezensenten bezüglich der surrealen Elemente des Filmes; so monierte Bosley Crowther in der New York Times, dass das Zusammentreffen wirklicher Menschen mit Gespenstern am Ende des Filmes das Publikum hinsichtlich der Logik eindeutig an seine Grenzen bringe.399 Dem Emigranten Dieterle fehle es zudem an Gespür für die spezifische Atmosphäre Neuenglands, die augenscheinliche Künstlichkeit der Schauplätze sei höchst irritierend.400 Gab es auch einige Rezensenten, die die vom Regisseur bewusst eingesetzte Verfremdung verstanden und explizit würdigten, ließen sich die RKO-Studios von der allgemein wenig enthusiastischen Reaktion auf den Film rasch entmutigen und scheuten vor weiteren Investitionen in eine angemessenere Werbekampagne zurück; das eigentlich geeignete Publikum (künstlerisch aufgeschlossene höhere Bildungsschichten) war durch die reißerische Publicity verschreckt worden und wurde nie erreicht. Auch das nächste Projekt der William Dieterle Production Company mit dem Titel Syncopation – eine Portraitierung der Geschichte des Jazz, mit der der Regisseur sein künstlerisches Spektrum erweitern und gleichzeitig ein breites Publikum ansprechen wollte – erwies sich in den gegebenen Konstellationen als eine problematische Wahl. Dem Grundthema der Entwicklung des Jazz wurde aus kommerziellen Erwägungen eine standardisierte Hollywood-Lovestory eines weißen Musiker-Ehepaares beigefügt; das Ergebnis war ein Durcheinander historischer Fakten in Verbindung mit einer unglaubwürdigen Haupthandlung. Das von Anfang an leicht unrealistische Vorhaben, in einem 80-minütigen Film einen umfassenden Einblick in die Herausbildung einer Musikrichtung zu geben und gleichzeitig mit dem üblichen boy-meets-girl-Schema den 398 O’Dell, Sein eigener Herr? William Dieterle Production 1940–1942, in: Mierendorff, William Dieterle, 234. 399 Bosley Crowther, ‚All That Money Can Buy‘ Reveals Some of the Things That Can Happen to Folklore and Legends on the Screen, in: The New York Times (19.10.1941), X5. 400 Bosley Crowther, ‚All That Money Can Buy‘, a New England Legend, at the Music Hall, in: The New York Times (17.10.1941), 27.
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Publikumsgeschmack zu bedienen, war in den Augen der Kritik vollkommen fehlgeschlagen. Ferner machte man dem Regisseur zum Vorwurf, sich an ein Themengebiet herangewagt zu haben, in dem er sich offensichtlich nicht auskannte; das Ergebnis sei – so war in der New York Times zu lesen – ein „schwerfälliger, unrhythmischer Film voll von Kitsch und stilisiertem Schein“.401 Außerdem bemängelte man den miserablen Filmschnitt, den ein Rezensent des Daily Worker mit den Experimenten eines Zweijährigen verglich, der zufällig eine achtlos liegengelassene Schere gefunden habe.402 Dieterle war – wie in Hollywood damals üblich – von den RKO-Studios nicht in die Arbeiten einbezogen worden; als er die Verleihfassung seines Filmes sah, konnte er ihn kaum wiedererkennen. Erbost über die Verstümmelung seines Werkes und über den geringen Werbeaufwand, den man bislang für seine Produktionen betrieben hatte, trennte er sich von RKO. Es hatte sich herausgestellt, dass er der ersehnten künstlerischen Freiheit durch die Gründung einer eigenen Produktionseinheit, die aber immer noch unter der Ägide eines Großstudios stand, nicht nähergekommen war. Wie auch schon zuvor bei Warner Bros. konnte er nicht selbst über die endgültige Form seiner Filme entscheiden. Anders als seine früheren Arbeitgeber verfügten die Leiter der RKOStudios jedoch nicht über das notwendige Verständnis für Dieterles spezifisches Talent und über die glückliche Hand in der optimalen Vermarktung dieses Talentes. Bereits knapp zwei Jahre nach seiner Kündigung bei Warner Bros. musste der Regisseur erkennen, dass der Produktionsleiter Wallis und vor allem sein associate producer Henry Blanke oftmals ein notwendiges Korrektiv in seinem Arbeitsalltag gewesen waren; unter ihrer Anleitung hätte er einen so ungeeigneten Stoff wie Syncopation vermutlich nicht wählen dürfen. Ferner war es unter Wallis’ Aufsicht nie zu einer linkischen Verstümmelung seiner Werke gekommen; vielmehr war es dem Produktionsleiter oftmals durch einen klugen Filmschnitt gelungen, diese vor einer gewissen Schwerfälligkeit zu bewahren, die nun von den Kritikern moniert wurde. Das streng hierarchisch aufgebaute Produktionssystem der Warner Bros. Studios, aus dem er durch seine Kündigung ausgebrochen war, hatte – so musste Dieterle erkennen – einen Rahmen gebildet, in dem er als Regisseur funktionierte und sich in Hollywood behaupten konnte; die Exilwissenschaftlerin O’Dell resümiert: Als Angestellter eines großen Studios, wie bei Warner Bros., war er [Dieterle] von den harten wirtschaftlichen Realitäten des Filmemachens weitgehend verschont worden. Dort hatte er sich auch als kluger und umsichtiger Regisseur erwiesen, der für gewöhnlich das Budget nicht überzog. Vereinfacht gesagt, wollte er in der Tat nicht mit finanziellen Details belästigt werden – und gerade durch diese Einstellung geriet er in finan401 Bosley Crowther, Two Minor Musical Items: ‚Syncopation‘ at Palace; ‚My Favorite Spy‘ With Kay Kyser at State, in: The New York Times (29.05.1942), 13. 402 Milton Meltzer, Syncopation Blows Faint Horn for Jazz Musicians, in: Daily Worker (30.05.1942), 7.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) zielle Verwicklungen, aus denen ihm Schaden erwuchs. Um hinter die finanziellen Ungereimtheiten der William Dieterle Production zu kommen, bedürfte es gewiß der Analyse eines kundigen Anwalts. Es sei nur gesagt, daß Dieterle wohl meinte, weit mehr Überblick und Kontrolle hinsichtlich der Verträge zu haben, als es tatsächlich der Fall war. Zwar trug er schließlich die finanzielle Verantwortung, von der Entscheidungsfindung jedoch konnte er ausgeschlossen werden. Letzen Endes war Dieterle ein Gefangener seiner eigenen Produktionsgesellschaft, er hatte […] tüchtig draufgezahlt.403
Hatte Dieterle die Warner Bros. Studios bereits in einer angespannten finanziellen Situation verlassen, war diese durch seinen beruflichen Fehlschlag mit der William Dieterle Production Company erheblich verschlechtert worden. Der Regisseur war im Frühjahr 1942 gezwungen, das zuvor abgelehnte Angebot der Firma Metro-Goldwyn-Mayer zu akzeptieren – dreißig Prozent seiner wöchentlichen Gage wurden zur Rückzahlung seiner Schulden sofort einbehalten.404 Obwohl er in dem Studio vor allem unter den Autoren auf einige Freunde und politische Weggefährten traf, waren ihm die dort herrschende großstädtische Atmosphäre und vor allem der harte Führungsstil des Studioleiters Louis B. Mayer sofort verhasst. Noch kurz vor seinem Tode antwortete er in einem Interview auf die Frage, ob es ihm bei MGM gefallen habe: „Not at all. Mayer was such a dictator. I’ll never forget an interview I had with him where he told me, ‚I’m the boss. You Europeans think you know, but I’m here and I know.‘“405 Galt das Studio zwar gemeinhin als die Produktionsfirma mit der besten technischen Ausstattung, hatte Dieterle das Gefühl, dass diese zum Selbstzweck verkommen war: „I think M-G-M was overrated. I showed [Cedric] Gibbons, the head architect, small period watercolors and got huge overlit monstrosities for sets.“406 In thematischer Anlehnung an Dieterles Filmbiographien bei Warner Bros., von deren Erfolg man nachträglich noch zu profitieren hoffte, beauftragte man ihn zunächst mit einer Verfilmung der Lebensgeschichte des Demokraten Andrew Johnson, der nach dem Tode Lincolns 1865 als 17. Präsident der USA vereidigt wurde. Ein Skandal um eine gravierende Geschichtsverfälschung, derer sich der Autor John L. Balderston schuldig gemacht hatte, führte nach dem Abschluss der Dreharbeiten zu einer umfassenden Revision des Filmes mit etlichen Retakes – für Dieterle, der nach dem Scheitern der eigenen Produktionsfirma auf eine unkomplizierte Routinearbeit gehofft hatte, eine nervliche Zerreißprobe.407 Der vom Studio erwartete Kassenerfolg blieb trotz der kostspieligen Änderungen jedoch aus, an der Ermüdung der Kritiker bezüglich der immerfort bemühten Erfolgsre403 O’Dell, Sein eigener Herr? William Dieterle Production 1940–1942, in: Mierendorff, William Dieterle, 239–240. 404 Ebenda, 240; Dumont, William Dieterle, 165. 405 Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 125. 406 Ebenda, 126. 407 Einen näheren Einblick in die Produktionsgeschichte des Filmes, der unter dem Titel Tennessee Johnson in die Kinos kam, gibt: Mierendorff, William Dieterle, 140–143.
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zepte biographischer Filme hatte sich nichts geändert.408 Um bei dem nächsten Projekt einen kommerziellen Misserfolg bereits im Vorfeld ausschließen zu können, entschied sich Mayer im Anschluss an die Johnson-Biographie für den opulenten Ausstattungsfilm Kismet – ein für Dieterle nicht unbekannter Stoff, da er 1930 für Warner Bros. eine deutsprachige Version gedreht hatte. Das mit drei Millionen Dollar budgetierte, in Technicolor gedrehte Orientspektakel erfüllte an den Kinokassen alle Erwartungen. Für den Regisseur sowie für den Star des Filmes Marlene Dietrich bedeutete es jedoch in künstlerischer Hinsicht eine Enttäuschung; sie erhielten zwar die für ihre Existenz in Hollywood notwendige Publicity, die Anerkennung namhafter Rezensenten oder den Beifall der deutschsprachigen Emigration konnten sie mit dem eskapistischen Unterhaltungs-Zauber jedoch nicht gewinnen.409 Im Anschluss an sein höchst unbefriedigendes Engagement in den MetroGoldwyn-Mayer-Studios begab Dieterle sich im Frühjahr 1944 in den Dienst des unabhängigen Produzenten David O. Selznick, der nach seinem großen Erfolg mit dem Film Gone With the Wind (1939) seine beruflichen Aktivitäten für einige Jahre eingeschränkt und sich auf den Verleih der bei ihm unter Vertrag stehenden Stars sowie auf die Vorentwicklung und den anschließenden Verkauf von Filmprojekten konzentriert hatte.410 Nun plante der als hochgradig kapriziös bekannte „Autokrat“ die Wiederbelebung seiner Firma Selznick International Pictures und benötigte deshalb einen zuverlässigen Regisseur wie Dieterle, der sich an die ihm zugestandenen Budgets hielt und mit Flexibilität und Geduld auf die ihm unweigerlich bevorstehenden, umfassenden Eingriffe in seine Arbeit reagierte. Kam es während der etwa drei Jahre währenden Verbindung zwischen Dieterle und Selznick zu einigen Konflikten – so war der Produzent zum Beispiel nicht bereit, auf Dieterles Hang zur Astrologie Rücksicht zu nehmen –, ging Selznicks Konzept jedoch im Wesentlichen auf. Es entstand eine Reihe kommerziell höchst erfolgreicher Filme, die zwar nicht unbedingt über politische oder soziale Ambitionen verfügten, aber in künstlerischer Hinsicht breite Anerkennung fanden. Insbesondere die 1947 entstandene Romanze Portrait of Jennie – die phantastische Geschichte eines begabten, aber noch unbekannten Malers (Joseph Cotten) und einer attraktiven, imaginären Kindfrau (Jennifer Jones) – entwickelte einen besonderen Reiz durch die interessante Durchdringung von Wirklichkeit und Traum. Dieterle verlieh der verschlungenen Story mithilfe seiner Begabung für die Darstellung mystischer Geschichten mit „philosophischem Unterton“ eine außergewöhnliche Tiefe. Litt der Regisseur – wie viele seiner bei Selznick beschäftigten Kollegen – unter den ständigen Eingriffen des Produzenten in alle Vorgänge am Filmset, erlebte er unter dessen Ägide jedoch einen neuerlichen (und auch letzten) Höhepunkt in seiner amerikani408 Ebenda, 144. 409 Zur Produktionsgeschichte von Kismet siehe: Dumont, William Dieterle, 167–168. 410 Zur Karriere des Produzenten David O. Selznick siehe zum Beispiel: Behlmer, Memo from David O. Selznick, 1972.
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schen Laufbahn. Ein weiteres Mal schien sich das Prinzip zu bewahrheiten, dass Dieterle des regulierenden Einflusses und der kreativen Mitarbeit eines starken Produzenten bedurfte, um als Regisseur zu hundert Prozent zu funktionieren.411 Dass auch Dieterle selbst sich langsam seines gewissen „Schutzbedürfnisses“ in der zunehmend unwirtlichen Umgebung Hollywoods bewusst wurde, lässt sich vielleicht aus seiner im Sommer 1947 getroffenen Entscheidung schließen, sich auf eine neuerliche Kooperation mit dem Produzenten Hal B. Wallis einzulassen, der vor einigen Jahren mit Warner Bros. gebrochen und seine eigene Produktionsgesellschaft unter dem Dach der Paramount Studios gegründet hatte. Als sich nach dem Ende der Dreharbeiten zu Portrait of Jenny herausstellte, dass Selznick seinen Vertrag aufgrund finanzieller Probleme nicht verlängern würde, bot ein Arbeitsverhältnis mit Wallis für den Regisseur offensichtlich die beste Möglichkeit zur Sicherung seiner Existenz.412 Wie bereits dargelegt, hatte sich das politische Klima in Hollywood zum damaligen Zeitpunkt durch die Untersuchungen des HUAC deutlich verschärft, auch Dieterles Name wurde nun immer häufiger im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kommunisten genannt; er spürte, dass seine amerikanische Karriere langsam in Gefahr geriet. Die Studios reagierten auf die angespannte Situation mit einem Verzicht auf alle unnötigen Risiken, mehr denn je bediente man sich abgegriffener Erfolgsformeln. Auch bei Paramount erwartete Dieterle lediglich Routinearbeit, von dem früheren Glanz der Kooperation Wallis/ Dieterle war nichts mehr übriggeblieben; der Regisseur gab in einem Interview zu Protokoll: „I was not very happy with Wallis at Paramount. I felt he used me to try to make something out of very second-rate material.“413 Immer häufiger begann das Ehepaar Dieterle in dieser Zeit über eine Rückkehr nach Deutschland nachzudenken. Im Gegensatz zu vielen Mitgliedern der deutschsprachigen Kolonie von Los Angeles, die nach dem Ende des Krieges zunächst eine abwartende Position einnahmen, hatten sie ihre ehemalige Heimat bereits im Sommer 1946 wieder aufgesucht. Erschüttert durch das große Elend begannen sie, Lebensmittelsendungen zu organisieren, durch die sie – so Mierendorff – „ohne Ansehen der Person“ neben der Verwandtschaft auch deutsche Schriftsteller und Theaterleute über Wasser hielten, die „das Dritte Reich von innen erlebt hatten“.414 Ungeachtet dessen hegte Dieterle jedoch keine Illusionen bezüglich der großen Probleme, auf die man bei dem Wiederaufbau der deutschen Filmindustrie stoßen würde. So hatte er bereits Ende 411 Eine genauere Analyse der Filme Dieterles während seiner Zeit bei Selznick findet sich in: Dumont, William Dieterle, 168–187. 412 Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 126. Selznick verkaufte den Vertrag Dieterles an die Paramount Studios für 50.000 Dollar. Mierendorff, William Dieterle, 172. 413 Flinn, William Dieterle, Interview with Tom Flinn, in: Tuska, Close Up, 126–127. 414 Mierendorff, William Dieterle, in: Daviau, Exilerlebnis, 92. Vgl. auch: Nachruf Marta Mierendorffs für William Dieterle, in: Neue Zeitung (29.12.1972), 5.
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1944 in der Exilzeitschrift Freies Deutschland konstatiert, dass man nach dem Ende des Krieges nur durch die Einsetzung eines alliierten Untersuchungsausschusses eine nachhaltige Verbannung nationalsozialistischen Gedankengutes von deutschen Leinwänden erreichen könne: Wir koennen natuerlich nicht erwarten, dass die ehemaligen Filmproduzenten des „Dritten Reiches“ jemals den Nazismus als Gangstertum betrachten werden. Deshalb erscheint es mir absolut unzulaessig, dass ein einziger der Filmmacher des heutigen deutschen Regimes die Leitung auch nur der kleinsten Filmgesellschaft behaelt. Man kann nicht jahrelang nach Hitlers Diaet leben und nicht davon vergiftet werden. Andererseits wuerde die Rueckkehr von Antinazi-Produzenten allein keine Loesung garantieren, geschweige denn hoffnungsvolle Aussichten fuer die Zukunft eines neuen Deutschland eroeffnen. Die Schuld vieler dieser Produzenten, die (vielleicht unbewusst) geholfen haben, die deutsche Republik zu untergraben, wofuer sie im Exil schrecklich bezahlten mussten, ist vor der Geschichte festgestellt. […] Ein Querschnitt durch alle Filme von der Wiege bis zum Grabe der Weimarer Republik ergibt die schlimme, die entsetzliche Tatsache, dass viele der Filmemacher in die Floete Hitlers bliesen und die Ueberlegenheit der blonden Rasse dramatisiert haben. Der Uebermensch ist lange vor 1933 ueber die deutsche Filmleinwand marschiert. […] Wie kann ein derartiges Versagen des Films in der Zukunft vermieden werden? Ein alliierter Ueberwachungsausschuss, der jedes einzelne von der Produktion geplante Manuskript genauestens ueberprueft, wuerde meiner Meinung nach die praktische Loesung eines derartig komplexen Problems darstellen. Andernfalls, wenn es jedem, dem es auf Gott weiss welchem Wege gelingt, das noetige Geld zusammenzubringen, gestattet bleiben sollte, Filme fuer rein kommerzielle Zwecke herzustellen, ohne Ruecksicht auf ihren Einfluss auf das deutsche Volk – dann wird bald wieder derselbe heroisch-patriotische Flitter auf der Leinwand erglaenzen mit seiner bekannten Wirkung auf deutsche Jungens und Maedchen, die, wie gruendlich auch immer militaerisch geschlagen, weiter versuchen werden, in ihrer Einbildung die Welt zu erobern.415
Zeigte Dieterle – wie dieser Artikel belegt – großes Interesse an der materiellen und vor allem an der moralischen Wiederherstellung der deutschen Filmindustrie nach dem Kriegsende, sollten jedoch noch einige Jahre vergehen, bevor er eine Rückkehr nach Deutschland wirklich ernsthaft in Erwägung zog; noch bestanden enge Verbindungen mit den USA, die er zu lösen nicht bereit war. Eine Sicherung des gewohnten Lebensstandards wurde jedoch zunehmend schwieriger, von dem wöchentlichen Gehalt bei Wallis/Paramount von etwa 3500 Dollar blieb nach dem Abzug aller Steuern und Unkosten kaum genügend übrig, um die notwendigsten Verpflichtungen zu erfüllen.416 Etliche Projekte in Europa, von denen sich der Regisseur einen Ausweg aus dieser Lage erhofft hatte, zerschlugen sich bereits im Anfangsstadium – lang415 William Dieterle, Und der deutsche Film? in: Freies Deutschland (Mexiko) 3.12 (November 1944), 21–22. 416 Mierendorff, William Dieterle, 172. Dieterles wöchentlicher Verdienst in den Paramount Studios betrug 3.571,42 Dollar, die Vertragslaufzeit war zunächst auf 14 Wochen festgesetzt. Vertrag William Dieterles mit Paramount, (04.03.1948), William Dieterle Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin.
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sam hatte er das Gefühl, „zwischen allen Stühlen“ zu sitzen. Desillusioniert schrieb er an den befreundeten Komponisten Erich Wolfgang Korngold: Wir kamen im September hierher zurueck nach einer recht verunglueckten und ziemlich erfolglosen Europareise. Keines der geplanten Projekte konnte realisiert werden. Wir fielen also wieder an Hal Wallis’ Busen, der mit der Zeit uns immer saeurere [sic!] Milch zu geben scheint. Entsprechend unserem Vertrag haben wir noch einen Film mit ihm zu machen, und wir hoffen nur, dass wir ihn werden machen koennen, ohne an einem Schluckauf zu ersticken. Glaubt mir, es ist nicht mehr schoen hier aus vielen Gruenden, die aufzufuehren zu weit gehen wuerde. Mit am schlimmsten ist die Teuerung, sodass es sich wirklich gar nicht lohnt, fuer die sogenannten „Riesengehaelter“ noch zu arbeiten, von denen einem die Steuer ja doch nicht viel uebrig laesst.417
Trotz der „sauren Milch“, die Dieterle von Wallis zu erwarten hatte, unterzeichnete er im Jahre 1951 bei Wallis/Paramount einen neuen SechsjahresVertrag für die Produktion von insgesamt vier Filmen sowie – parallel dazu – eine ähnlich lautende Vereinbarung mit den Columbia Studios. Anders als in den Zeiten seiner großen Erfolge stieg sein Gehalt in den kommenden Jahren jedoch nicht mehr an, sondern sank – analog zu der sinkenden Qualität seiner Filmprojekte – auf schließlich etwa 1000 Dollar in der Woche. Nach Abzug der Steuern blieben lediglich gut 600 Dollar – nach Ansicht der Dieterles zu wenig, um einen angemessenen Lebensstandard in Los Angeles aufrechtzuerhalten.418 Das Ehepaar entschied sich im Jahre 1958 zu einer Rückkehr nach Deutschland; der erhoffte Einstieg in das dortige Filmgeschäft – das entgegen der vor dem Kriegsende geäußerten Vorstellungen Dieterles keinesfalls vollkommen entnazifiziert war – gestaltete sich jedoch beschwerlich, in einem Brief an Marta Feuchtwanger berichtete Charlotte Dieterle: Das letzte Jahr, seit wir von drueben [Amerika] weg sind, ist fast unertraeglich belastet gewesen. Nicht nur beruflich, auch in jeder anderen Beziehung. Es ist gar nicht so einfach eine derart einschneidende freiwillige Umstellung durchzufuehren wie wir es letztens getan haben. So ganz freiwillig war es ja nun auch gerade wieder nicht. Die Situation in Hollywood hatte sich fuer uns alle unerfreulich geaendert und so musste eigentlich jeder, der die Moeglichkeit hatte, sich an einem anderen Platz nach Arbeit und Verdienst umsehen. Das sah hier auch recht guenstig und vielversprechend aus. Aber inzwischen haben wir erkannt und gelernt, dass die Deutschen, verglichen mit den Amerikanern, doch ganz unzuverlaessige Geschaeftsleute sind. Nicht nur in der Filmbranche. Man kann sich auf kein Wort, keine Absprache, nicht mal auf gezeichnete Vertraege verlassen.419
Bereits nach einigen wenigen, für ihn künstlerisch höchst unbefriedigenden Produktionen wie zum Beispiel dem recht trivialen Abenteuerfilm Herrin der 417 Brief William Dieterles an das Ehepaar Korngold (Wien), (13.03.1951), Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin. 418 Gehaltsabrechnungen William Dieterles von den Paramount Studios und von Columbia, (1957/1958), William Dieterle Sammlung, Archiv der Akademie der Künste, Berlin. 419 Brief Charlotte Dieterles an Marta Feuchtwanger, (12.06.1959), Marta Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC.
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Welt, den er nach einem Zerwürfnis mit dem Produzenten Artur Brauner unvollendet abbrach, schwor Dieterle dem europäischen Nachkriegs-Filmgeschäft ab, das ihm trotz umfangreicher Bemühungen seinerseits letztlich nur Enttäuschungen (und auch finanzielle Verluste) bereitet hatte.420 Er kehrte im Jahre 1961 als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zu seinen Ursprüngen auf der deutschen Bühne zurück; der Wechsel zurück in sein „angestammtes Element“ nach einer immerhin fast dreißig-jährigen Abwesenheit verlief überraschend problemlos, es schien, als hätte er es nie verlassen. Mit neuem Elan verschrieb er sich der Aufgabe, die zuvor auf sakrale und ernste Stoffe festgelegten Spiele vor der Kulisse der romanischen Stiftsruine von Grund auf zu reformieren und ihnen die Bedeutung eines „Welttheaters“ zu verleihen. Bereits im Spielplan der ersten Saison spiegelte sich dieses Vorhaben wider; er begann mit Hofmannsthals Das Große Welttheater in der Regie von Harry Buckwitz, Shakespeares Sommernachtstraum in eigener Regie, Archibald MacLeishs Spiel um Job in der Regie von Kurt Erhardt sowie die Orestie des Aischylos in der Regie von Franz Reichert. Regte sich von konservativer Seite Protest bezüglich der Erweiterung des stofflichen Spektrums, äußerten etliche Kritiker ihre Anerkennung; so schrieb Johannes Jacobi in der Zeit: William Dieterle hat den Spielplan erweitert und den Mut zum Experiment bewiesen. […] Der außerordentliche Schauplatz, das monumentale Bauwerk als mitspielender Rahmen, und das Ansehen, das Bad Hersfeld als Festspielstadt dem reinen Wortdrama in zehn Jahren erworben hat, rechtfertigen den entschlossenen Zugriff. […] Der bedeutende Schritt über den sakralen Werkkreis hinaus wurde mit dem Einzug der Komödie getan. […] Daß von jetzt an in der Stiftsruine auch einmal gelacht werden darf, entzückt manchen Kritiker.421
Insbesondere Dieterles Sommernachtstraum-Inszenierung entwickelte sich zu einem großen Publikumserfolg trotz widersprüchlicher Kritiken, die seine Inszenierungsweise, namentlich seinen bewussten Verzicht auf moderne „Mätzchen“ (wie er seiner Meinung nach sinnlose Verfremdungen nannte), als etwas altbacken empfanden.422 In jeder Spielzeit wurde das Stück, teilweise mit neuen Schauspielern, wiederholt und zog Besucher aus aller Welt an. Die Stadt Bad Hersfeld erfreute sich angesichts der steigenden Besucherzahlen erheblicher wirtschaftlicher Profite und entwickelte sich allmählich zu einem „hessischen Salzburg“. Einige Jahre später sollte ein Kritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Dieterles Zeit in Bad Hersfeld schreiben:
420 Zu Dieterles letzten Filmen in Europa siehe: Dumont, William Dieterle, 215–223. In den Jahren zwischen 1961 und 1966 arbeitete Dieterle noch gelegentlich für das deutsche Fernsehen und erzielte einige solide künstlerische Erfolge. Mierendorff, William Dieterle, 198. 421 Johannes Jacobi, Artikel über Dieterles Intendanz in Bad Hersfeld, (14.07.1961), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 199. 422 Ebenda.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940) Die Stiftsruine in Bad Hersfeld verdankt Dieterle fünf ihrer besten Jahre, die Ablösung des Starprogramms, die Befreiung des Spielplans von falscher Feierlichkeit. Der Sommernachtstraum in Dieterles versachlichter, poetischer Version gilt als der größte Erfolg, mußte Jahr für Jahr wiederholt werden. Die Weihestätte, die sich seit Jahrhunderten nur noch fragmentarisch darbot, wurde endgültig säkularisiert. Ein Schauplatz des Welttheaters.423
Im Jahre 1964 geriet Dieterle jedoch aufgrund eines geplanten Gastspiel-Austausches mit der jenseits der Zonengrenze gelegenen Stadt Weimar in das Zentrum des politischen Gerangels in der militärisch wiedererstarkten, zunehmend chauvinistisch und nationalistisch anmutenden Bundesrepublik. Das Gedankengut, das die Alliierten nach 1945 vergeblich auszurotten versucht hatten, trat nun vermehrt auch wieder offen zutage. Dem Regisseur wurde vorgeworfen, die Hersfelder Festspiele durch unangemessene Stoffe und modernes Theater „entweiht“ zu haben, ferner seien seine Inszenierungen mit ausländischen Schauspielern „überfremdet“.424 Außerdem nahm man in der Provinzstadt Anstoß an seinen politischen Ansichten – so war er zum Beispiel ein heftiger Gegner des Vietnam-Krieges – sowie an seinem angeblich „exotischen“ Lebensstil.425 Nach einer weiteren Spielzeit teilte man ihm mit, dass sein Vertrag nicht verlängert werde, obwohl man ihm dies zunächst mündlich zugesichert hatte; eine daraufhin angestrengte Klage gegen die Stadt Bad Hersfeld blieb erfolglos. Um nicht finanziell mittellos dazustehen (das Ehepaar Dieterle hatte bereits 1958 nach der Ankunft in Deutschland mit der Veräußerung von Wertgegenständen beginnen müssen), erwarb der damals 73-jährige Regisseur mithilfe eines Kredits das Tournee-Theater „Der Grüne Wagen“, bei dem er einige Jahre zuvor bereits inszeniert hatte. War der Betrieb ursprünglich einmal ein renommiertes Unternehmen und ein gutes Geschäft gewesen, befand er sich zur Zeit der Übernahme bereits im wirtschaftlichen Abschwung. In jeder Saison wurden vier Inszenierungen vorbereitet, die anschließend in siebzig bis neunzig Städten gespielt wurden – für alle Beteiligten begann ein rastloses Wanderleben. Bewährte sich Dieterle mit dem „Grünen Wagen“ in seiner ersten Spielzeit 1968/1969 auf künstlerischer Ebene, gelang es ihm jedoch nicht, seinen Betrieb ohne Subventionen, auf die er als Außenseiter und amerikanischer Staatsbürger wenig Aussicht hatte, finanziell am Leben zu erhalten. Er war gezwungen, einen Teilhaber aufzunehmen und das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Nach dem Tode Charlotte Dieterles im Sommer 1968 wurde der Regisseur – ob423 Wolfgang Drews, Eine Heldengestalt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (18.12.1972), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 211. Während seiner Tätigkeit als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele von 1961 bis 1965 boten sich Dieterle außerdem mehrere Gastinszenierungen in Basel, West-Berlin, Essen und Zürich an, mit denen er ebenfalls solide Erfolge verzeichnen konnte. Ebenda, 198–203. 424 Ebenda, 202. 425 Ebenda, 200.
5. Aufbruch der Warner Bros. Studios in die Kriegsproduktion
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wohl er kurze Zeit später noch einmal heiratete – zunehmend mutlos, das Tourneeleben entwickelte sich zu einer kaum zu bewältigenden gesundheitlichen Herausforderung. Auch die große Aufmerksamkeit, die man ihm anlässlich seines 75. Geburtstages in der deutschen Presse entgegenbrachte, sowie das auf den 20. Internationalen Filmfestspielen in West-Berlin verliehene „Filmband in Gold“ konnten die insgesamt recht bittere Bilanz seiner letzten Jahre in Deutschland kaum aufwerten. Es ist mehr als fraglich, ob man in der Bundesrepublik seine künstlerischen Leistungen und vor allem seine umfassende Hilfstätigkeit vor und auch nach 1945 jemals in ausreichendem Maße zu schätzen wusste; es gelang auf jeden Fall nicht, ihm ein wirkliches „Heimatgefühl“ zu vermitteln. Während der gesamten 14 Jahre von seiner Remigration im Jahre 1958 bis zu seinem Tod im Dezember 1972 hoffte Dieterle auf ein neues Engagement in Hollywood und hielt engen Kontakt mit seinem Freund Henry Blanke, der ihn über neue Entwicklungen auf dem Laufenden hielt. Bereits im Jahre 1964 anlässlich eines Besuches beider Dieterles in Los Angeles hatte sich jedoch gezeigt, dass es dem Regisseur zunehmend schwerfiel, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, oder sie auch nur im Ansatz nachzuvollziehen. In einem Presseinterview zeigte er sich entsetzt über die allgemeine Verrohung der Filminhalte, er konnte sich nicht vorstellen, dass das amerikanische Publikum mit der Aussicht auf „Teenager-Idole in schmutzigen T-Shirts“ in die Kinos zu locken sei.426 Dass es sich bei der Abkehr von althergebrachten Glamour-Stars zugunsten jüngerer Darsteller in „entzauberten“ Filmstorys um einen internationalen Trend handelte, mit dem man auf den Umstand reagierte, dass das durchschnittliche Kinopublikum immer jünger wurde, schien er zu übersehen. Wiederholt bat er Hal B. Wallis um eine Chance, „nach Hause“ – gemeint war Los Angeles – zurückkehren zu können, und offerierte ihm Filmprojekte wie zum Beispiel eine Biographie Albert Einsteins.427 Dieser reagierte jedoch auf alle Vorschläge des Regisseurs ausweichend, längst hatte er sein „altes Zugpferd“ durch kassensichere Neuentde426 Interview with Dieterle, in: Citizen News (24.03.1964), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 199. 427 Bereits drei Jahre nach seiner Remigration nach Deutschland bat Dieterle Wallis eindringlich um einen neuen Regieauftrag: „I want to go back ‚home‘ again. Would you have any assignment for me? Please say yes – I certainly can do as in former times a good job for you. I know it is not easy – but with some good will it can be done. Dear Hal, believe me I would not ask you for it if I would not need it very much.“ Brief William Dieterles an Hal Wallis, (18.01.1961), Hal Wallis papers, AMPAS. Nachdem Dieterle sich etwa zwei Jahre später mit dem Vorschlag für eine Einstein-Biographie erneut an Wallis gewandt hatte, antwortete dieser sehr zurückhaltend an Charlotte Dieterle: „I do wish I could express some enthusiasm for the Einstein story. I would like to do another picture with Bill [Dieterle] but I do not think this is it. It would need so much rewriting and I am afraid there is not sufficient interest on the part of audiences today for this type of biographical material.“ Brief Hal Wallis’ an Charlotte Dieterle, (12.08.1963), Hal Wallis papers, AMPAS.
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III. William Dieterle in den Warner Bros. Studios (1936–1940)
ckungen wie Dean Martin, Jerry Lewis und Elvis Presley ersetzt. Für Dieterles „type of thinking“ – so schrieb der Produzent – ließe sich im Hollywood der sechziger Jahre nur noch schwer ein geeigneter Filmstoff finden.428
428 Brief Hal Wallis’ an William Dieterle, (14.03.1961), Hal Wallis papers, AMPAS.
SCHLUSSBETRACHTUNG Vergegenwärtigt man sich die Titel, unter denen in den vergangenen Jahren Tagungen in dem Bereich der Exilforschung abgehalten wurden, wird rasch deutlich, dass das Thema der Netzwerkbildung mehr denn je im Fokus des Interesses steht.1 Es wird untersucht, inwieweit es deutschsprachigen Emigranten in den Jahren von 1933–1945 in ihren Zufluchtsländern gelang, berufliche Verbindungen untereinander zu knüpfen und sich auf diese Weise gegenseitig auf ihrem beschwerlichen Weg der Akkulturation zu unterstützen. Handelt es sich bei den entsprechenden Personen um Künstler, wird zumeist der Frage nachgegangen, ob sich ihr gemeinsamer kultureller Hintergrund, ihre politischen Anliegen und ihr gemeinsames Schicksal der Entwurzelung in ihren Werken niederschlugen. Trägt eine auf dieses Erkenntnisinteresse ausgerichtete Forschung in vielen der für eine nähere Betrachtung in Frage kommenden Exilländern und Kunstrichtungen sicherlich durchaus Früchte, erweist sie sich im Falle deutschsprachiger emigrierter Filmschaffender in Hollywood jedoch als diffizil. Aufgrund der spezifischen Strukturen des amerikanischen Studiosystems der dreißiger und vierziger Jahre, denen man – wie das Schicksal der William Dieterle Production Company belegt – selbst als unabhängiger Produzent nicht entgehen konnte, war es diesen Künstlern kaum möglich, ihre Kooperationspartner frei zu wählen und emigrierten Kollegen zu einer Anstellung zu verhelfen. Das innerhalb dieser Strukturen geschaffene filmische Produkt unterlag den Gesetzmäßigkeiten einer auf Profitmaximierung ausgerichteten Standardisierung, stets arbeitete man unter dem Druck der Banken und Aktionäre. Durch ein elaboriertes System der Selbstzensur, überwacht von der Production Code Administration, wurden die Konzessionen an den Geschmack und das Unterhaltungsbedürfnis einer universellen Zielgruppe institutionalisiert. Künstlerisch oder politisch ambitionierte beziehungsweise unangepasste Projekte wurden – das belegt zum Beispiel die Kampagne gegen Walter Wangers Spanien-Film Blockade – durch unterschiedlichste Methoden der direkten und indirekten Einflussnahme ihrer Breitenwirkung beraubt. Obwohl die Gruppe deutschsprachiger emigrierter Film1
Siehe zum Beispiel: „Netzwerke des Exils. Künstlerische Verflechtungen, Austausch und Patronage nach 1933“, Tagung des Instituts für Kunstgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, (12.–14.11.2010) sowie: „Exil und Netzwerke. Die politische und gewerkschaftliche Emigration in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs“, Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung in Berlin, (18.04.2011). Vgl. dazu auch: Steinberg, Netzwerk und Exil. Potentiale einer neuen Forschungsperspektive, in: Neuer Nachrichtenbrief der Gesellschaft für Exilforschung 36 (Dezember 2010), 15–16.
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Schlussbetrachtung
künstler, die sich im Laufe der dreißer Jahre in den Warner Bros. Studios um den Regisseur William Dieterle versammelte, ebenfalls innerhalb dieser spezifischen, oftmals erdrückenden Rahmenbedingungen arbeitete, gelang es ihr dennoch aufgrund des Zusammenwirkens einiger günstiger Faktoren, über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgreich zu kooperieren und somit – zumindest bis zu einem gewissen Umfang – ein funktionierendes Netzwerk zu bilden. Kam es in dieser Zeit gelegentlich auch in anderen Studios zu Kooperationen emigrierter Filmschaffender, sollten diese jedoch kaum dieselbe filmhistorische Bedeutung erlangen. Einer der wichtigsten begünstigenden Faktoren für die Herausbildung des Dieterleschen Netzwerkes emigrierter Filmkünstler war sicherlich der Zeitpunkt, an dem der Regisseur sich für eine Übersiedelung in die USA entschieden hatte. Nach einer erfolgreichen Laufbahn auf der deutschsprachigen Bühne und im Film der Weimarer Republik hatte er im Anschluss an die Premiere seiner ersten Filmbiographie Ludwig der Zweite, König von Bayern im Jahre 1930 erstmals die zerstörerische Kraft der völkisch-rechtsgerichteten Presse, deren unfreiwilliges Idol er lange Zeit gewesen war, am eigenen Leibe erfahren. Ein baldiger Untergang der bestehenden politischen Ordnung zeichnete sich ab, Berlin wurde – wie Lion Feuchtwanger es ausdrückte – zu einer „Stadt von zukünftigen Emigranten“.2 Dieterle entschied sich auf sein finanziell relativ gesichertes, künstlerisch jedoch zunehmend unbefriedigendes Dasein, das ihm die Beschäftigung im deutschen Heimatfilm bislang ermöglicht hatte, zu verzichten und wählte stattdessen einen Neuanfang in Hollywood. In den Warner Bros. Studios traf er auf seinen deutschen Bekannten Henry Blanke, der dort soeben seinen Aufstieg zum Produzenten begonnen hatte, und knüpfte mit diesem während der Herstellung deutschsprachiger Filmversionen eine enge berufliche und private Verbindung. Als ein hochgradig effizient arbeitendes „Erfolgsteam“ gewannen sie das Vertrauen der Gebrüder Warner, die – im Zuge ihrer konsequenten Expansionspolitik der ausgehenden zwanziger und frühen dreißiger Jahre – auf junge und flexible Mitarbeiter angewiesen waren. Dieterle gelang eine ausgesprochen zügige und erfolgreiche Akkulturation, die schließlich zu seiner Aufnahme in die Gruppe der fest angestellten Vertragsregisseure führte. Als wenig später die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen und kurze Zeit danach die ersten Emigranten in Los Angeles eintrafen, verfügte er bereits über eine relativ gesicherte Position bei Warner Bros.; seine mühsam erkämpfte Nische im Studio als Experte für deutsche beziehungsweise europäische „Angelegenheiten“ konnte man ihm auch bei wachsender Konkurrenz nicht mehr leicht streitig machen. Zu demselben Zeitpunkt stellte sich außerdem heraus, dass er 2
Lion Feuchtwanger, Ausrottung der Wissenschaft, der Kunst und des Geistes, in: Welt am Abend (21.01.1931), Lion Feuchtwanger Collection, Feuchtwanger Memorial Library, Special Collections, USC.
Schlussbetrachtung
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auch in politischer Hinsicht in den Warner Bros. Studios den geeigneten Arbeitsplatz gefunden hatte. Die Gebrüder Warner schlossen im Jahre 1934 ihre deutsche Vertretung und begannen eine unter den amerikanischen Studioleitern einzigartige anti-nationalsozialistische Aufklärungsarbeit; für Dieterle, der unmittelbar nach der Machtergreifung zu einer Schlüsselfigur in der Exilantenhilfe wurde, entwickelten sie sich in einem begrenzten Umfang zu politischen Weggefährten. Auch das im Jahre 1934 nach der vorläufigen Entspannung der wirtschaftlichen Situation durch Roosevelts New Deal einsetzende Interesse der Gebrüder Warner an einer Aufwertung der Reputation ihres Studios durch Prestige-Projekte erwies sich als ein wichtiger begünstigender Faktor für die Herausbildung des Netzwerkes deutschsprachiger Filmkünstler um William Dieterle. Nachdem Warner Bros. unter dem Produktionsleiter Darryl F. Zanuck als Spezialist für schnell produzierte headline pictures und social problem films gegolten und den Ruf eines wirtschaftlich effizienten, künstlerisch jedoch zweitklassigen Studios erworben hatte, versuchte man nun, aus dem Schatten profilierterer Großfirmen zu treten und dem Publikum vermehrt kulturell Anspruchsvolles zu bieten. Dieterles Vorschlag einer Verfilmung des Reinhardtschen Sommernachtstraumes erfolgte in diesem Zusammenhang genau zum richtigen Zeitpunkt. Beeindruckt von dem „Aufgebot der Superlative“, mit dem das Theatergenie im Sommer 1934 in der Hollywood Bowl von Los Angeles seine Zuschauer verzaubert hatte, gingen die Gebrüder Warner ein für das damalige Hollywood recht außergewöhnliches Wagnis ein. Unter Inkaufnahme eines gewissen „Kontrollverlustes“ stellten sie Reinhardt das wirtschaftliche und personelle Potential ihrer Firma für die Verwirklichung seiner künstlerischen Vision zur Verfügung. Dieterle und Blanke kam die undankbare Aufgabe zu, dem Theatermann die unvermeidlichen Notwendigkeiten der Filmproduktion nahezubringen, zwischen Kunst und Kommerz zu vermitteln. Der Erfolg, den sie dabei verzeichnen konnten, führte zu einer weiteren Festigung ihrer Position im Studio. Entwickelte sich der Midsummer Night’s Dream nicht unbedingt zu einem Kassenschlager, erfüllte er jedoch in vollem Umfang die ihm zugedachte Bedeutung eines Prestigeobjektes. Die Gebrüder Warner hatten gelernt, dass es sich in mancher Hinsicht lohnte, auf Dieterles und Blankes Vorstellung einer anspruchsvollen, künstlerisch und pädagogisch wertvollen Spielfilm-Unterhaltung einzugehen. Fortan sollten die beiden Deutschen zu einem wichtigen Bindeglied zwischen europäischer Kultur und amerikanischem Filmbusiness werden; vielleicht vermittelten sie den Gebrüdern Warner das Gefühl, mit ihrer Hilfe einen „kulturellen Obolus“ an die eigene europäisch-jüdische Herkunft entrichten zu können. Im Gegensatz zu Max Reinhardt, dem es nicht gelang, die Warner Bros. Studios ein weiteres Mal von einer seiner kostspieligen künstlerischen Visionen zu überzeugen, konnten Dieterle und Blanke bereits vor der Premiere des Midsummer Night’s Dream ein neues von ihnen selbst ausgewähltes Projekt
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Schlussbetrachtung
beginnen. Mit der Hilfe des Schauspielers Paul Muni, der bald zu einem wichtigen Kooperationspartner wurde, gewannen sie Jack Warner für die Idee einer Verfilmung der Lebensgeschichte Louis Pasteurs. Der Überraschungserfolg dieses niedrig budgetierten Werkes, in das die Studioleitung zunächst nur wenig Hoffnung gesetzt hatte, bildete die Grundlage der anschließenden Reihe biographischer Prestigeproduktionen. Gelang es den Gebrüdern Warner während der dreißiger Jahre lange Zeit nicht, ihrer dezidiert anti-nationalsozialistischen Gesinnung in einem ihrer Spielfilme offen Ausdruck zu verleihen, war ihnen durch die Arbeit der deutschsprachigen Gruppe um Dieterle immerhin die Möglichkeit einer verdeckten Stellungnahme gegen Antisemitismus (The Life of Emile Zola, Dr. Ehrlich’s Magic Bullet), imperialistische Machtgier (Juarez) und die Unterdrückung einer freien Presse (A Dispatch from Reuter’s) gegeben. Durch die Kreativität emigrierter Autoren wie Heinz Herald, Geza Herczeg und Wolfgang Reinhardt, die es verstanden, die Parallelen vergangener historischer Ereignisse mit den damals aktuellen politischen Geschehnissen in Europa herauszuarbeiten, konnten die Gebrüder Warner – das belegen die gegen sie gerichteten antisemitischen Hetzkampagnen in der deutschen Presse – ihren Standpunkt bezüglich des Dritten Reiches unmissverständlich darlegen. Die Filme Dieterles gewannen den Warner Bros. Studios (ungeachtet ihrer weitreichenden Rücksichtnahmen auf die Bestimmungen der Production Code Administration) das Ansehen der Emigration; man lobte den Mut Harry und Jack Warners, im Gegensatz zu anderen Studioleitern auf die Einnahmen aus Hitlers Einflussbereich freiwillig zu verzichten, führende Persönlichkeiten des Exils wie die Autorin und Schauspielerin Erika Mann bemühten sich um eine Zusammenarbeit.3 In Dieterles biographischer Reihe sah man das kulturelle Erbe des allmählich zugrunde gehenden freien Europas „wohlverwahrt“.4 Sie war ein Zeugnis des Kampfes für Humanismus, freie Wissenschaft und Demokratie in Zeiten einer allgemein um sich greifenden Epidemie der Rechtlosigkeit, in ihr wurde die Existenz eines „anderen Deutschland“ der Emigration evident. So konstatiert die Exilforscherin Marta Mierendorff sicherlich nicht zu Unrecht, dass Dieterle während seiner größten filmischen Erfolge von den „Zeitkonstellationen“ getragen wurde.5 Neben den allgemeinen politischen und studiogeschichtlichen Rahmenbedingungen, die im Laufe der dreißiger Jahre die Herausbildung des Dieterleschen Netzwerkes deutschsprachiger emigrierter Filmkünstler bei Warner Bros. begünstigten, existierten zu dieser Zeit im Studio jedoch auch auf künstlerischer beziehungsweise personeller Ebene bestimmte Konstellationen, die 3 4 5
Editorial, Jack Warners „Thinking“. Briefe zu einem Anti-Nazi-Filmvorspann zwischen Erika Mann und Paul Kohner (Frühjahr 1939), in: Filmexil 6 (1995), 5–7. Rezension Dr. Ehrlich’s Magic Bullet, in: Baseler Nationalzeitung (26.10.1941), zit. nach: Mierendorff, William Dieterle, 135. Notizen Marta Mierendorffs über Dieterles Regiestil, Dieterle Abteilung, Stadtarchiv Ludwigshafen a. R.
Schlussbetrachtung
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für Dieterles Karriere als Hollywoodregisseur äußerst förderlich waren. Insbesondere der Wechsel des Produktionsleiters im Jahre 1933 erwies sich für sein berufliches Vorankommen als ausgesprochen hilfreich. Hatte Dieterle mit Darryl F. Zanuck etliche Konflikte austragen müssen, da dieser seine Arbeitsweise nicht respektierte und ihn gegenüber seinen amerikanischen Kollegen benachteiligte, erkannte der Nachfolger Hal B. Wallis rasch seine Begabungen und setzte ihn für die richtigen Filmprojekte ein. Durch Wallis’ gezielte Weiterentwicklung des harten, realistischen und zuweilen auch recht sensationalistischen studiospezifischen Œeuvres eröffneten sich für den Regisseur neue Möglichkeiten. Obwohl der Produktionsleiter – genauso wie die Gebrüder Warner – nur eine einfache Schulbildung genossen hatte, zeigte er sich gegenüber niveauvollen Filmsujets jenseits der beliebten Hollywood-Erfolgsformeln grundsätzlich aufgeschlossen. Ohne seine Unterstützung hätte die deutschsprachige Gruppe um Dieterle vermutlich keines ihrer Projekte bei der Studioleitung durchsetzen können. Litt der Regisseur oftmals unter den erheblichen Eingriffen des Produktionsleiters in alle scheinbar noch so unbedeutenden Details seiner Arbeit, muss jedoch festgestellt werden, dass diese dem fertigen Werk zumeist zum Vorteil gereichten. Mit einem untrüglichen Gespür für das Medium Film gelang es Wallis oftmals, Dieterles bisweilen zutagetretende künstlerische Schwächen – eine gewisse Schwerblütigkeit und ein mangelndes Tempo – durch gezielte Hinweise während der Dreharbeiten sowie einen klugen Filmschnitt auszugleichen. Dass auch Dieterle sich dieses positiven Einflusses auf seine Arbeit irgendwann bewusst geworden sein muss, wird durch seine neuerliche Kooperation mit Wallis belegt, zu der er sich bereits wenige Jahre nach dem Verlassen der Warner Bros. Studios entschied; noch kurz vor seinem Lebensende erhoffte sich der Regisseur von Wallis eine Möglichkeit für das ersehnte Comeback. Wurde die künstlerische Aufgeschlossenheit des Produktionsleiters Wallis zu einer wichtigen Vorbedingung für Dieterles Erfolg bei Warner Bros. in den Jahren ab 1934, war er zusätzlich jedoch auf die enge Kooperation mit dem associate producer Henry Blanke angewiesen, der nach der Bewältigung der großen organisatorischen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Midsummer Night’s Dream zunehmend das Vertrauen der Studioleitung genoss und damit an beruflicher Eigenständigkeit gewann. In seiner zweigeteilten Rolle als befreundeter Kollege Dieterles, mit dem er den kulturellen Hintergrund teilte, sowie als „rechte Hand“ des Produktionsleiters Wallis, der sich auf seine Zuverlässigkeit und große Effizienz verließ, nahm er die Bedeutung eines unverzichtbaren Mediums zwischen den beiden Parteien ein. Wie die Studiounterlagen zweifelsfrei nachweisen, ging die Mehrzahl der Dieterleschen Prestigeproduktionen auf eine Anregung Blankes zurück. Wie auch Dieterle wurde Blanke von zahlreichen Autoren – darunter ab 1933 viele Emigranten – mit Filmideen überhäuft; mit einem sicheren Gespür bezüglich der im Studio existierenden Möglichkeiten für eine Verwirklichung wählte er er-
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folgversprechende Stoffe wie zum Beispiel Heinz Heralds Zola-Biographie aus. Durch Blankes Fürsprache erhielten zahlreiche aus Deutschland und Österreich geflohene Künstler wie die Autoren Geza Herczeg und Wolfgang Reinhardt oder der Schauspieler Albert Bassermann die Chance auf eine zweite Karriere in Hollywood. Machte selbstverständlich auch Dieterle seinen Einfluss im Studio zugunsten dieser Emigranten geltend, ist jedoch davon auszugehen, dass das Votum Blankes für einen Vertragsabschluss oftmals ausschlaggebend war. Anders als Dieterle, dem das in Hollywood übliche Urmisstrauen gegenüber Künstlern entgegengebracht wurde, gehörte Blanke in seiner Funktion als „verlängerter Arm“ der Studioleitung am Filmset und Wächter über das Budget der einzigen wirklich einflussreichen Berufsgruppe der Traumfabrik an – der der Produzenten. Gelang es den deutschsprachigen Filmkünstlern um William Dieterle in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre, einen engen beruflichen Zusammenhalt herauszubilden, den man tatsächlich – trotz aller durch das Studiosystem bedingten Unfreiheit – als ein funktionierendes Netzwerk bezeichnen kann, so ist das Blankes Einfluss zu verdanken. Nur durch einen Verbündeten auf der Seite der Produzenten, der ihren kulturellen Hintergrund und ihre politischen Anliegen teilte, konnten sie ihre künstlerischen Visionen zumindest in einem gewissen Umfang verwirklichen. Die große Bedeutung, die Dieterle dieser Allianz beimaß, wird durch seinen (erfolglosen) Versuch belegt, im Jahre 1938 eine Klausel in seinen Studiovertrag aufnehmen zu lassen, nach der er nur noch unter Blanke hätte arbeiten müssen. Nachdem Dieterles Netzwerk deutschsprachiger Filmkünstler bei Warner Bros. im Jahre 1940 mit der Biographie Dr. Ehrlich’s Magic Bullet einen wohl kaum noch zu übertreffenden Höhepunkt seiner „Funktionalität“ erreicht hatte, verließ der Regisseur das Studio. Obwohl einige seiner deutschsprachigen Kollegen ihre dortige Tätigkeit noch etliche Jahre weiterführen sollten, kam es nie wieder zu einer nennenswerten, über einen längeren Zeitraum andauernden Kooperation, die einen spürbaren Einfluss auf das filmische Œeuvre oder den house style des Studios hätte ausüben können. Selbstverständlich trafen wiederholt emigrierte Künstler, vor allem Schauspieler, in Filmen wie Casablanca aufeinander; nach der Beendigung der Dreharbeiten trennten sich jedoch ihre Wege. Lediglich aufgrund einiger spezifischer günstiger Konstellationen, die zu keiner anderen Zeit und an keinem anderen Ort in derselben Form entstehen sollten, war es zu der Herausbildung des Dieterleschen Netzwerkes gekommen. Die auf diese Weise entstandenen Filme – der Midsummer Night’s Dream und die anschließende biographische Reihe – nehmen somit einen besonderen Platz in der Geschichte des Filmexils ein; lediglich unter der Ägide unabhängiger Produzenten wie Arnold Pressburger (Hangmen Also Die, 1943) oder in der Produktion der Universal Studios kam es gelegentlich zu ähnlich intensiven Kooperationen emigrierter Filmkünstler. Die große politische und künstlerische Breitenwirkung der Dieterleschen
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Filme bei Warner Bros. sollte jedoch nie wieder erreicht werden. Auch Dieterle selbst gelang es während seiner weiteren Tätigkeit in Hollywood bis zu seiner Remigration im Jahre 1958 nicht, an seine Erfolge bei Warner Bros. anzuknüpfen. Nach schmerzlichen Erfahrungen mit seiner gescheiterten eigenen Produktionsfirma, deren finanzielle Verluste ihn in neue Abhängigkeiten führten, musste er erkennen, dass er für die lang ersehnte vollkommene berufliche Unabhängigkeit – die im damaligen Hollywood ohnehin eine Illusion bleiben musste – nicht geschaffen war. Ohne den Rückhalt des festen Rahmens der Warner Bros. Studios und seiner deutschsprachigen Kollegen, die seine künstlerischen Visionen verstanden, machte er einen zunehmend verlorenen Eindruck. Seine Werke schienen aus dem Gleichgewicht gekommen zu sein; er war hin- und hergeworfen zwischen ambitionierten, zumeist selbstfinanzierten Projekten, die vom Publikum nicht akzeptiert wurden, und kommerziellen Anbiederungen an den allgemeinen Geschmack, zu denen er anschließend aus wirtschaftlicher Not gezwungen war. Letztendlich stellte sich heraus, dass Dieterle am besten als Bestandteil eines festen Systems – eines Ensembles – funktionierte. Anders als Regisseure wie Fritz Lang, Alfred Hitchcock oder Orson Welles, deren Talent sich nur in Freiheit vollkommen entfaltete, war Dieterle ein „Teamworker“. Wie er selbst einmal in einem Vortrag darlegte, manifestierte sich seine künstlerische Signatur nicht unbedingt in ausgefeilten und unverwechselbaren stilistischen Finessen der Regiekunst; sie manifestierte sich in einer aufrichtigen humanistischen Gesinnung – verknüpft mit dem Bedürfnis, dem Medium Film zu einer Ausschöpfung seines wahren Potentials zu verhelfen: Yet, for those who look beneath the surface, the mark of the director will become easily apparent, however greatly his pictures may vary in type and theme. Many who have seen my pictures „Midsummer Night’s Dream“, „Pasteur“, „Florence Nightingale“, „Zola“, „Juarez“, „Hunchback“, „Dr. Ehrlich“, may not know that they were directed by the same hand, and yet, at second glance you will see there is a connecting rod discernible, evidencing an effort to lift them above the „just-entertainment“ level. A studio must cater to many tastes. The physical magnitude of its product prohibits an even high grade quality. But the director, and only the director, has the power, if he has the spirit and ability, to push motion pictures up the hill, towards the acme of educational, artistic and intellectual perfection where all honest and progressive men would like to see them.6
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William Dieterle, Lecture to the Teachers Association of California, (1940), Typoskript, Dieterle Nachlass, Kinemathek Berlin.
ANHANG FILMOGRAPHIE: WERKE WILLIAM DIETERLES IN DEN WARNER BROS. STUDIOS (1930–1940) Abkürzungen: R = Regie, P = Produzent (associate producer), B = Buch, D = Darsteller, UA = Datum der Uraufführung Der Tanz geht weiter. Eine Episode aus der Unterwelt Chicagos. (deutschsprachig) – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Heinrich Fraenkel, nach der Erzählung Those Who Dance von George Kibbe Turner. D: William Dieterle, Lissy Arna, Anton Pointner. UA: 03.11.1930 (Berlin). Länge: 78 Min. Die Maske fällt (deutschsprachig) – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Bradley King, William Conselman, nach dem Bühnenstück Sin Flood von Henning Berger. D: Lissy Arna, Anton Pointner, Karl Etlinger, Carla Bartheel, Ulrich Steindorff, Salka Viertel, Charlotte Hagenbruch. UA: 05.02.1931 (Düsseldorf). Länge: 73 Min. Dämon des Meeres (deutschsprachig) – R: Michael Curtiz, (William Dieterle). P: Henry Blanke. B: Ulrich Steindorff, nach dem Roman Moby Dick von Herman Melville und dem Manuskript von Oliver H. P. Garrett. D: William Dieterle, Lissy Arna, Carla Bartheel, John Eskridge. UA: 12.03.1931 (Berlin). Länge: 81 Min. Kismet (deutschsprachig) – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Ulrich Steindorff, Karl Etlinger, Howard Estabrook, nach dem Bühnenstück von Edward Knobloch. D: Karl Etlinger, Gustav Fröhlich, Dita Parlo, Anton Pointner, Vladimir Sokoloff. UA: 23.06.1931 (Berlin). Länge: 77 Min. Die heilige Flamme (deutschsprachig) – R: Berthold Viertel, (William Dieterle). P: Henry Blanke. B: Berthold Viertel, Heinrich Fraenkel, nach dem Bühnenstück The Sacred Flame von William Somerset Maugham. D: Gustav Fröhlich, Dita Parlo, Charlotte Hagenbruch, Anton Pointner, Vladimir Sokoloff, Salka Viertel, Hubert von Meyerinck, Hans Heinrich von Twardowski. UA: 05.05.1931 (Berlin). Länge: 86 Min. The Last Flight – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: John Monk Saunders, nach seiner Erzählung The Lady in the Red Shoes (Single Lady). D: Richard Barthelmess, David Manners, Johnny Mack Brown. UA: 19.08.1931 (New York). Länge: 80 Min. Her Majesty Love – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Henry Blanke, Joseph Jackson, nach dem Manuskript Der Liebestango und dem Drehbuch Ihre Majestät die Liebe von Rudolf Bernauer, Rudolf Oesterreicher, (Adolf Lantz). D: Marilyn Miller, Ben Lyon, W. C. Fields. UA: 25.11.1931 (New York). Länge: 75 Min. Man Wanted – R: William Dieterle. P: Hal B. Wallis. B: Charles Kenyon. D: Kay Francis, David Manners, Una Merkel. UA: 13.04.1932 (New York). Länge: 63 Min. Jewel Robbery – R: William Dieterle. P: Lucien Hubbard. B: Erwin Gelsey, Bertram Bloch, nach einem Bühnenstück von Ladislaus Fodor. D: William Powell, Kay Francis, Helen Vinson. UA: 21.07.1932 (New York). Länge: 68 Min. The Crash – R: William Dieterle. P: Ray Griffith. B: Earl Balwyn, Larry Barretto, nach The Children of Pleasure von Larry Barretto. D: George Brent, Paul Cavanagh, Ruth Chatterton, Lois Wilson, Barbara Leonard. UA: 08.09.1932 (New York). Länge: 69 Min.
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Anhang
Scarlet Dawn – R: William Dieterle. P: Hal B. Wallis. B: Niven Bush, Erwin Gelsey, nach dem Roman Revolt von Mary McCall. D: Douglas Fairbanks Jr., Nancy Carroll, Lilyan Tashman. UA: 03.11.1932 (New York). Länge: 58 Min. Lawyer Man – R: William Dieterle. P: Hal B. Wallis. B: Rian James, James Seymour, nach dem Roman von Max Trell. D: William Powell, Joan Blondell, David Landau. UA: 24.12.1932 (New York). Länge: 68 Min. Grand Slam – R: William Dieterle. P: Hal B. Wallis. B: David Boehm, Erwin Gelsey, nach dem Roman von B. Russell Herts. D: Paul Lukas, Loretta Young, Frank McHugh. UA: 21.02.1933 (New York). Länge: 67 Min. Female – R: William Dieterle, William A. Wellman, Michael Curtiz. P: Henry Blanke. B: Gene Markey, Kathyn Scola, nach einer Story von Donald Henderson Clark. D: Ruth Donnelly, Ruth Chatterton, Lois Wilson, Philip Reed, George Brent. UA: 02.11.1933 (New York). Länge: 65 Min. From Headquarters – R: William Dieterle. P: Sam Bishoff. B: Robert N. Lee, Peter Milne, nach einer Story von Robert N. Lee. D: George Brent, Margaret Lindsay, Eugene Pallette. UA: 15.11.1933 (New York). Länge: 63 Min. Fashions of 1934 – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: F. Hugh Herbert, Carl Erickson, Kathryn Scola, Gene Markey, nach der Story The Fashion Plate von Warren Duff, Harry Collins. D: William Powell, Bette Davis, Frank McHugh. UA: 18.01.1934 (New York). Länge: 80 Min. Fog Over Frisco – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Robert N. Lee, nach der Story The Five Fragments von George Dyer. D: Bette Davis, Donald Woods, Margaret Lindsey. UA: 06.06.1934 (New York). Länge: 68 Min. Doctor Monica – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Charles Kenyon, nach einem Bühnenstück von Marja Morozewicz Szczepkowska. D: Kay Francis, Warren William, Jean Muir. UA: 20.06.1934 (New York). Länge: 61 Min. Madame DuBarry – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Edward Chodorov. D: Dolores del Rio, Reginald Owen, Victor Jory. UA: 24.10.1934 (New York). Länge: 77 Min. The Firebird – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Charles Kenyon, nach einem Bühnenstück von Lajos Zilahy. D: Verree Teasdale, Ricardo Cortez, Lionel Atwill. UA: 14.11.1934 (New York). Länge: 75 Min. The Secret Bride/Concealment – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Tom Buckingham, F. Hugh Herbert, Mary McCall, nach einem Bühnenstück von Leonard Ide. D: Barbara Stanwyck, Warren William, Glenda Farrell. UA: 01.02.1935 (New York). Länge: 76 Min. A Midsummer Night’s Dream – R: William Dieterle, Max Reinhardt. P: Henry Blanke. B: Max Reinhardt, Charles Kenyon, Mary McCall, nach dem Bühnenstück von William Shakespeare. D: James Cagney, Dick Powell, Joe E. Brown, Jean Muir, Hugh Herbert, Ian Hunter. UA: 09.10.1936 (New York/London). Länge: 132 Min. Dr. Socrates – R: William Dieterle. P: Robert Lord. B: Robert Lord, nach der Story von W. R. Burnett. D: Paul Muni, Ann Dvorak, Barton MacLane. UA: 09.10.1935 (New York). Länge: 74 Min. The Story of Louis Pasteur – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Sheridan Gibney, Pierre Collings. D: Paul Muni, Josephine Hutchinson, Anita Louise. UA: 08.02.1936 (New York). Länge: 85 Min. Satan Met a Lady – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Brown Holmes, nach dem Roman The Maltese Falcon von Dashiell Hammett. D: Bette Davis, Warren William. UA: 22.07.1936 (New York). Länge: 66 Min. The White Angel – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Mordaunt Shairp, Michael Jacoby. D: Kay Francis, Ian Hunter, Donald Woods. UA: 24.06.1936 (New York). Länge: 75 Min.
Verzeichnis erwähnter Studiomitarbeiter
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The Great O’Malley – R: William Dieterle. P: Harry Joe Brown. B: Milton Krims, Ted Reed, nach The Making of O’Malley von Gerald F. Beaumont. D: Pat O’Brien, Sybil Jason, Humphrey Bogart. UA: 09.03.1937 (New York). Länge: 71 Min. Another Dawn – R: William Dieterle. P: Harry Joe Brown. B: Laird Doyle. D: Kay Francis, Errol Flynn, Ian Hunter. UA: 17.06.1937 (New York). Länge: 73 Min. The Life of Emile Zola – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Heinz Herald, Geza Herczeg, Norman Reilly Raine. D: Paul Muni, Gale Sondergaard, Joseph Schildkraut. UA: 11.08.1937 (New York). Länge: 116 Min. Juarez – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: John Huston, Wolfgang Reinhardt, Aeneas McKenzie, Abem Finkel. D: Paul Muni, Bette Davis, Brian Aherne, Claude Rains, John Garfield. UA: 25.04.1939 (New York). Länge: 130 Min. Dr. Ehrlich’s Magic Bullet – R: William Dieterle. P: Wolfgang Reinhardt. B: John Huston, Heinz Herald, Norman Burnstine. D: Edward G. Robinson, Ruth Gordon, Otto Kruger. UA: 23.02.1940 (New York). Länge: 103 Min. A Dispatch from Reuter’s – R: William Dieterle. P: Henry Blanke. B: Milton Krims, nach einer Story von Valentine Williams. D: Edward G. Robinson, Edna Best, Eddie Albert, Albert Bassermann. UA: 11.12.1940 (New York). Länge: 89 Min.
VERZEICHNIS ERWÄHNTER STUDIOMITARBEITER (NICHT-KÜNSTLERISCHES PERSONAL) Alleborn, Al Blumenstock, Mort Deakin, Irving Ebenstein, Morris Einfeld, S. Charles Hazen, Joseph Hurtado, Pedro Kauffman, Phil Koenig, William Lewis, Ralph MacEwen, Walter Morris, Sam Obringer, Roy Rodner, Harold Schaefer, William Schlesinger, Gus Schless, Robert Taplinger, Robert S. Trilling, Steve Wilder, C. H. Wilk, Jacob Wright, Tennant C. (Tenny)
Unit Manager Head of Advertising and Publicity East Story Analyst, Story Department for Warner Bros. East Coast Office (New York) Legal Advisor, Warner Bros. East Coast Office (New York) Publicity Manager, Warner Bros. East Coast Office (New York) Assistant to Harry Warner Head of Warner Bros. Office Mexico General Manager for German Distribution (bis 1933) General Studio Manager Lawyer, Law Firm Freston & Files (Legal Advisor Warner Bros. Pictures) Assistant to Hal Wallis Head of Foreign Distribution Head of Legal Department Assistant to Harry Warner, Warner Bros. East Coast Office (New York) Assistant to Jack Warner Head of Warner Bros. Office Berlin (bis 1933) Head of Warner Bros. Office Paris Publicity Director Head of Casting Department Assistant Treasurer Story Editor, Head of Story Department for Warner Bros. East Coast Office (New York) Production Manager
QUELLEN UND LITERATUR QUELLENVERZEICHNIS William Dieterle Sammlung Stadtarchiv Ludwigshafen Rottstraße 17 67061 Ludwigshafen am Rhein Teilnachlässe William Dieterle, Curtis Bernhardt, Marta Mierendorff, Ewald André Dupont, Henry Blanke Geschäftsunterlagen der Paul Kohner Agency Archiv der Deutschen Kinemathek Berlin – Museum für Film und Fernsehen Potsdamer Straße 2 10785 Berlin Teilnachlass William Dieterle Filmabteilung im Archiv der Akademie der Künste, Berlin Robert-Koch-Platz 10 D-10115 Berlin Warner Bros. Archives University of Southern California (USC) 3716 South Hope Street, Room 113 Los Angeles, CA 90007 William Dieterle Collection Jack L. Warner Collection Cinematic Arts Library University of Southern California (USC) Doheny Memorial Library, G4 3550 Trousdale Parkway Los Angeles, CA 90089-0185 Nachlässe und Teilnachlässe Lion Feuchtwanger, Marta Feuchtwanger, Heinrich Mann, Hanns Eisler, Felix Guggenheim Marta Mierendorff Collection Feuchtwanger Memorial Library Special Collections Doheny Memorial Library, 206 University of Southern California Los Angeles, CA 90089-0189 Akten der Production Code Administration der Motion Picture Association of America Teilnachlass Paul Henreid Oral History Rudi Fehr (durchgeführt von Douglas Bell, 1992–1993)
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Quellen und Literatur
Margaret Herrick Library der Academy of Motion Picture Arts and Sciences Special Collections 333 South La Cienega Boulevard Beverly Hills, California 90211 Oral History Henry Blanke (durchgeführt von Barry Steinberg, 1969) University of California, Los Angeles (UCLA) Performing Arts Special Collections Charles E. Young Research Library Los Angeles, CA 90095-1575
LITERATURVERZEICHNIS Monographien und Sammelbände Adler, Gusti, Max Reinhardt – … aber vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen, München 1980. Adler, Gusti, Max Reinhardt – sein Leben. Biographie unter Zugrundelegung seiner Notizen für eine Selbstbiographie, seiner Briefe, Reden und persönlichen Erinnerungen, Salzburg 1964. Angst-Norwik, Doris / Jane Sloan (Hg.), One-Way Ticket to Hollywood. Film Artists of Austrian and German Origin in Los Angeles. Emigration 1884–1945, Los Angeles 1987. Asper, Helmut G. (Hg.), Wenn wir von gestern reden, sprechen wir über heute und morgen. Festschrift für Marta Mierendorff zum 80. Geburtstag, Berlin 1991. Asper, Helmut G., Etwas Besseres als den Tod … Filmexil in Hollywood, Marburg 2002. Asper, Helmut G., Filmexilanten im Universal Studio, 1933–1960, Berlin 2005. Aurich, Rolf / Wolfgang Jacobsen / Cornelius Schnauber, Fritz Lang. Leben und Werk, Bilder und Dokumente 1890–1976 (begleitende Veröffentlichung zur filmhistorischen Retrospektive im Jahre 2001, Stiftung Deutsche Kinemathek und Internationale Filmfestspiele), Berlin 2001. Bahr, Ehrhard, Weimar on the Pacific. German Exile Culture in Los Angeles and the Crisis of Modernism, Berkeley/Los Angeles/London 2007. Balio, Tino, Grand Design. Hollywood as a Modern Business Enterprise, 1930–1939, New York 1993. Baxter, John, The Hollywood Exiles, London 1976. Beck, Jerry, Looney Tunes and Merrie Melodies. A Complete Illustrated Guide to the Warner Bros. Cartoons, New York 1989. Behlmer, Rudy (Hg.), Inside Warner Brothers (1935–1951), London 1987. Behlmer, Rudy (Hg.), Memo from Darryl F. Zanuck. The Golden Years at Twentieth Century-Fox, New York 1993. Behlmer, Rudy (Hg.), The Adventures of Robin Hood. Warner Brothers Screenplay Series, Madison, Wis. 1979. Behlmer, Rudy, America’s Favorite Movies. Behind the Scenes, New York 1982. Behlmer, Rudy, Behind the Scenes. The Making of The Maltese Falcon, Singin’ in the Rain …, Los Angeles 1989. Behlmer, Rudy, Film Music, New York 1989. Behlmer, Rudy, Memo from David O. Selznick, New York 1972. Behlmer, Rudy, The Cinema of Adventure, Romance & Terror. From the Archives of American Cinematographers, Hollywood, Calif. 1989.
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INDEX A Abraham Lincoln Brigade 212 Academy Award (Oscar) 188, 194, 226 (Anm. 164), 273, 281, 305 (Anm. 397) Adler, Gusti 162, 174 Adolfi, John G. 98 Adorno, Theodor W. 15 Adventures of Robin Hood (The) 147 Aherne, Brian 247 (Anm. 225), 255, 260 Alexander Hamilton 174 Alleborn, Al 264 (Anm. 276), 302 (Anm. 388) American Committe for Christian German Refugees 67, 69 (Anm. 126) American Legion 64, 217 (Anm. 135) Ancient Order of Hibernians 245, 246 (Anm. 224) Anders, Günter 237 Angel, Ernst 115 Angels with Dirty Faces 47 Angermayer, Fred 82 Anthony Adverse 146 (Anm. 212), 170 f., 197, 265 Appeasement 257, 264, 274 Ära McCarthy 15, 289 Arna, Lissy 91 Arno, Siegfried 266 Astaire, Fred 130 Austreibung (Die) 84 Auswärtiges Amt Berlin 17, 211, 231 f. B Bacon, Lloyd 98 Bad Hersfelder Festspiele 313 f. Barrymore, John 32, 119 (Anm. 133), 130 Bartheel, Carla 91 Barthelmess, Richard 103 Basch, Felix 83 Bassermann, Albert 23, 27, 78 f., 158 (Anm. 252), 163 (Anm. 271), 167, 169, 275 ff., 283, 302, 322 Beery, Wallace 130, 132 Beethoven, Ludwig van 21, 178, 197 ff., 283, 284, 292, 295, 301 Bellamy, Ralph 164
Belling, Curt 17 (Anm. 12), 194 Berger, Ludwig 78, 79 (Anm. 5) Bergman, Ingrid 294 Berkeley, Busby 42, 47 (Anm. 57), 108 ff., 117, 146, 149, 194 Berlin, Irving 229 Berman, Pandro S. 266 Bernauer, Rudolf 102 Bernhardt, Kurt (Curtis) 53 Best, Edna 294 Birchall, Frederick T. 111 f. Biro, Ludwig 88 Bishop Who Walked with God (The) 262 f. Black Fury 172 Black Legion 64 Blockade 210 ff., 230, 233, 287 (Anm. 342), 317 Blum, Léon 183 ff. Blumenstock, Mort 327 Bogart, Humphrey 46, 51, 178, 222 Bois, Curt 266 Boyer, Charles 162 Bratz, Carl 35 Brauner, Artur 313 Brecht, Bertolt 14 ff., 70, 168 (Anm. 285), 174, 222, 233, 235 ff., 287, 290 Breen, Joseph I. 72, 74, 175, 185 ff., 194, 214 ff., 253 f., 274 Brézil, Jules-Henri 85 Brown, Harry Joe 229 Brown, Joe E. 140 Buckwitz, Harry 313 Burnside (Burnstine), Norman 56, 187, 267 ff. Button, Ronald 157, 158 (Anm. 253), 163, 177, 279, 304 C Caesars letzte Tage 236 Cagney, James 27, 41, 45, 132, 134, 138, 140, 213, 222, 229 Campbell, Alan 229 Captain Blood 146 Captain Horatio Hornblower 300 Captured 61
340
Index
Cárdenas, Lázaro 253 Carroll, Madeleine 214 Casablanca 51, 322 Catchings, Waddill 31, 37 Chaplin, Charles 38, 130, 227 Charha-Film GmbH 85 ff., 97 Chatterton, Ruth 106 Churchill, Douglas W. 70 f., 221 Churchill, Winston 274 Cohn, Harry 234 Collier, Constance 164 Columbia Pictures 38, 44, 47, 234, 312 Commissariat Général aux Questions Juives (CGQJ) 184 Committee for Justice for Hanns Eisler 288 Committee for the First Amendment 289 Confessions of a Nazi Spy 48, 69, 72 (Anm. 135), 74, 242, 244 ff., 261, 263, 269, 278 Continental Players (The) 239 ff., 299 Coolidge, Calvin 40 Cooper, Gary 130 Cosmopolitan Productions 75 Cotten, Joseph 309 Coughlin, Charles 268 Crawford, Joan 130 Crosland, Alan 98 Crowther, Bosley 190, 306 Curtiz, Michael 94, 98, 105, 146 (Anm. 212), 161, 196 D d’Ennéry, Adolphe 85 Dahl, Ingolf 239 Daladier, Édouard 193 Dämon des Meeres 94 Danton 161 ff. Dantons Tod 80 f. Davidson, Paul 35 Davis, Bette 27, 41, 52, 68, 108, 159, 162, 172, 247 (Anm. 225), 255 Davis, Marion 75, 161 Dawson, Ralph 149 de Havilland, Olivia 131 f., 134 (Anm. 175), 139 Dead End Kids 241 Deakin, Irving 199 (Anm. 87) Del Ruth, Roy 98 DeMille, Cecil B. 33 Dessau, Paul 237
Deutsch, Ernst 239 f. Deval, Jacques 197 Devil and Daniel Webster (The) 282, 304 ff. Deyers, Lien 88, 239 (Anm. 206) Diaz, Porfirio 80, 255 ff. Dies, Martin 221, 286 Dieterle, Charlotte 15 f., 81, 85, 90 f., 94 (Anm. 51), 96 f., 114, 119 f., 134 (Anm. 172), 135, 156 ff., 201, 225, 232, 235 ff., 298, 312, 314, 315 (Anm. 427) Dietrich, Marlene 44, 84, 167, 227, 238, 309 Dispatch from Reuter’s (A) 281 (Anm. 324), 292 ff., 320 Disraeli 174 Döblin, Alfred 82, 238 Döblin, Hugo 237 Don Juan 36 Doorway to Hell 45 Dorsch, Käthe 83 Dr. Ehrlich’s Magic Bullet 163 (Anm. 271), 175, 248 (Anm. 228), 267 ff., 282, 291, 305, 320, 322 Dr. Socrates 170, 172 Dramatisches Theater 82 f. Drei Kameraden 73 f. Dreyfus 181 Dreyfus, Alfred 180 ff., 271 (Anm. 295) Dreyfus, Pierre 188 Dreyfus-Affäre 52, 180 ff. du Paty de Clam, Armand Mercier 184 Duff Cooper, Alfred 274 Dunn, Mabel 208 f. Dupont, Ewald André 17, 33, 84, 114, 241 ff., 283 ff. E Ebenstein, Morris 182 f., 191, 250 Edelman, Lou 53 Ehrlich, Paul 265, 267 ff. Eilers, Sally 229 Eine Stunde Glück 90 Einfeld, S. Charles 38 (Anm. 29) Einstein, Albert 151, 288 (Anm. 344), 315 Eisler, Hanns 15, 222, 287 f. Emory, Gilbert 186 Enright, Ray 98, 106 Erhardt, Kurt 313 Etlinger, Karl 91 Europäische Film-Allianz (EFA) 35 European Film Fund 16, 237 f.
Index F Fairbanks, Douglas 38, 108 Fairies of Nineteen-Thirty-Five (The) 149 Fashions of 1934 108 ff. Faust – Eine deutsche Volkssage 84 Federal Bureau of Investigation (FBI) 220, 234, 243, 245, 282, 286 ff., 301 f. Fehr, Rudi 26 (Anm. 31), 51 (Anm. 66), 57 Feld, Rudi 187 (Anm. 53), 239 Feuchtwanger, Lion 14, 15, 79, 90, 112, 169, 212 (Anm. 121), 233, 235, 273, 287, 288, 318 Feuchtwanger, Marta 15, 114, 235, 312 Fields, W. C. 103, 130, 132 Finkel, Abem 207 ff., 295 First National Pictures 37, 45, 105 Fitzgerald, Geraldine 294 Fleck, Jacob 83 Fledermaus (Die) 141 Flynn, Errol 173, 213, 260 (Anm. 261) Fonda, Henry 214, 220 (Anm. 146) Footlight Parade 42, 110 Forbstein, Leo F. 145 f., 194 Ford, Henry 39 Ford, John 44, 219, 242 Fordismus 39 Foreign Correspondent 281 Försterchristel (Die) 83 Forty-Second Street 110 Foy, Bryan 53 Francis, Kay 68, 108 Frank, Bruno 16 (Anm. 8), 230, 231, 237, 266 Fräulein Julie 83 Frederik, Petta 88 Freedom of the Screen Committee 218 Freund, Karl 164, 230 Fröschel, Georg 237 Frühlingsrauschen 88 Fuchs, Moritz 181 Fünfte Kolonne 284 f., 301 Fury 210, 236 (Anm. 196) G Gable, Clark 130 Garbo, Greta 130 Garfield, John 46, 195 (Anm. 79), 242, 255, 260 Garson, Greer 294 Gaudio, Tony 164, 190
341
Geheimnis des Abbé X (Das) 85 Geier-Wally (Die) 83 Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) 78, 276 George, Heinrich 84 German Jewish Club 266 German-American Bund 227, 232, 245 Geschlecht in Fesseln 87, 190 (Anm. 63) Gespräche mit Hitler 285 Gilles und Jeanne 82 Glett, Charles L. 290, 304 Glöckner von Notre Dame (Der) 237, 266 Goebbels, Joseph 60, 63, 66, 112 Golddiggers of 1933 (The) 149 Golddiggers of 1935 (The) 149 Goldmann, Paul 181 Good Neighbor Policy 252, 257, 259 Gottgetreu, Erich 192 f. Granach, Alexander 27, 79, 82, 84, 239 f. Grapes of Wrath (The) 242 Grautoff-Toller, Christiane 239 Great Train Robbery (The) 30 Green, Alfred E. 98 Greene, Graham 151 Griffith, David Wark 38 Große Welttheater (Das) 313 Großmann-Gilbert, Kurt R. 237 Grot, Anton 135, 194 (Anm. 77), 296 (Anm. 370) Grüne Manuela (Die) 84 Grüne Wagen (Der) 314 Gumpert, Martin 56 Günther, Agnes 85 Gyssling, Georg 73 f., 186, 224 f., 231 ff. H Haller, Ernest 136 Hammerstein, Oscar 229 Hamsun, Knut 90 Hangmen Also Die 14, 168 (Anm. 285), 322 Harlan, Otis 131 Hasenclever, Walter 79 Hauptmann, Gerhardt 79 Hawks, Howard 98 Hay, Julius 237 Hays, Will H. 36, 48 ff., 69, 71 f., 186 Hearst, William Randolph 41 (Anm. 37), 75, 160, 161, 192, 213, 216 f., 243, 304 Hedin, Sven 151
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Index
Heilige Flamme (Die) 94 (Anm. 49) Heilige und ihr Narr (Die) 85 ff. Heims, Else 80 Heindorf, Ray 146 Hell’s Kitchen 241 Henreid, Paul 26 (Anm. 31), 27, 80 (Anm. 8), 147 Her Majesty Love 102, 104 Herald, Heinz 26, 57, 162, 169, 179 ff., 198, 200, 230, 267 ff., 293 (Anm. 358), 320, 322 Herczeg, Geza 179 ff., 198, 200, 320, 322 Herodes und Mariamne 80 Herrmann, Bernard 305 Hersholt, Jean 229 Herzberg, Georg 86 High Sierra 47 Hintertreppe (Die) 83 Hirsch, Karl Jakob 192 (Anm. 70), 261 Hitchcock, Alfred 281, 323 Hitler, Adolf 59, 63, 66 ff., 72 ff., 111 f., 142, 204 ff., 210, 215, 226, 227, 230, 233, 242 f., 248 f., 254, 258, 261, 270, 275, 282 f., 285 f., 311, 320 Hitler-Stalin-Pakt 285 Hoffenstein, Samuel 162 Hoffmanns Erzählungen 161 Hollaender, Friedrich 16, 27, 115 Hollywood Anti-Nazi League (HANL) 64, 73, 187, 225 ff., 232, 237, 244, 282, 289 (Anm. 347), 290, 301 Hollywood Bowl 55, 117 ff., 130 f., 319 Hollywood Now 226, 230 (Anm. 178), 241, 283 Hollywood Ten 213, 287 (Anm. 342), 289 Hollywood Tribune (The) 17, 239, 241 ff., 283, 299 Homolka, Oskar 81, 201 f. Hoover, Herbert C. 40 f., 46 Hoover, J. Edgar 245, 286 f. Hopkins, Miriam 229 Horkheimer, Max 15, 287 House Un-American Activities Committee (HUAC) 210, 213, 216, 221 f., 234, 286 ff., 310 Howard, Leslie 161 Hubert, Ali 33 (Anm. 13), 34, 57 f. Hugo, Victor 237, 265 f. Hunchback of Notre Dame (The) 267, 298 Hurtado, Pedro 253 ff., 257
Huston, John 47, 178, 249 ff., 270, 300 Huston, Walter 130, 162, 282 I I Am a Fugitive from a Chain Gang 45, 47, 172 Ich habe im Mai von der Liebe geträumt 85 Ich lebe für Dich 88 Im Westen nichts Neues 73 Inside Nazi Germany 65 f. Islaub, Hans 78 J Jacobi, Johannes 313 Jacobs, William 53 Jacobsohn, Siegfried 79 Jäger von Fall (Der) 83 Jäger, Ernst 202, 225, 241 ff. Jannings, Emil 81 Jazz Singer (The) 37, 98 Jedermann 80 Jessner, Leopold 83, 106 (Anm. 91), 239 f., 276 Jhering, Herbert 82, 84 Johnson, Andrew 308 Johnson, Malcolm 152 Jolson, Al 37 Jones, Jennifer 309 Joseph und seine Brüder 234 Juarez 52 (Anm. 69), 175, 212, 242, 244 ff., 267 f., 270, 272, 278, 297, 303, 305, 320, 323 Juarez und Maximilian 80, 237 (Anm. 201), 249 Juárez, Benito 247 ff. Juhn, Kurt 237 Juke Girl 53 Julius Caesar 80 K Kaiser, Georg 82 Kalifornische Festspiele 117 f. Karloff, Boris 227 Kathrin (Die) 146 Katz, Otto 226 Katz, Sam 64 Kauffman, Phil 60 Kaus, Gina 237 Kayßler, Friedrich 79
Index Kibbee, Guy 132 Kismet 94, 309 Knights of Columbus 216 f. Knute Rockne All American 280 Koch, Howard 47, 207, 287 (Anm. 342) Koch, Robert 275 ff. Koenig, William 108, 110, 129, 145 Kohner, Paul 15 f., 54 (Anm. 75), 103, 154, 237 f., 249, 275 ff., 320 (Anm. 3) Koreakrieg 289 Körner, Hermine 79, 84 Korngold, Erich Wolfgang 15, 23, 27, 50, 111, 133 f., 140 ff., 148 (Anm. 220), 158 (Anm. 253), 162 (Anm. 267), 164, 167, 201, 264, 290, 312 Korngold, Luzi 134, 141 ff. Kortner, Fritz 21, 23, 27, 83, 181, 183 (Anm. 42), 197 ff., 283 (Anm. 331) Kraus, Karl 149, 154 Krauss, Werner 80 f., 202 Krims, Milton 162, 163 (Anm. 271), 200 (Anm. 91), 292 f. Krise, Teddy 146 L LaGuardia, Fiorello 151 Lampel, Peter Martin 237 Lane, Rosemary 165 Lang, Fritz 14, 32, 44, 54, 113, 115 f., 141 (Anm. 194), 168 (Anm. 285), 210, 212, 222, 236, 283 (Anm. 331), 290 (Anm. 349), 323 Last Flight (The) 98, 102, 104 Laughton, Charles 161, 162 (Anm. 267), 266 Lawson, John Howard 213 ff., 219 f., 287 (Anm. 342) Legion of Decency 48 f., 74, 218 Leigh, Vivien 300 Lenfilm-Studios 222 Leni, Paul 32, 84 LeRoy, Mervyn 98, 146 (Anm. 212), 170, 197, 227 Levee, Mike C. 173 (Anm. 12), 198, 212, 304 Levinson, Nathan 36, 194 (Anm. 77) Lewis, David 53 Lewis, Jerry 316 Lewis, Ralph 38 (Anm. 29), 209 Lewis, Sinclair 230
343
Life of Emile Zola (The) 50, 52, 57, 74, 94 (Anm. 50), 175, 178 ff., 197, 212, 229 (Anm. 173), 246, 247, 253, 254, 259, 264, 267, 272, 297, 305, 320 Lights of New York 37 Lincoln, Abraham 257, 308 Lissauer, Herman 173 f., 228, 231, 249 Little Caesar 45 Litvak, Anatole 197, 229, 265 Lloyd, Frank 98 Logan, Stanley 133, 137, 144 Lord, Robert 53 Lorre, Peter 238 Los Angeles Modern Forum 173 Louis, Joe 65 Louise, Anita 144 Löwenstein, Hubertus 226 Löwenthal, Rudi 155 Loy, Myrna 130 Lubitsch, Ernst 13, 15, 16 (Anm. 8), 32 ff., 36, 44, 53, 92, 102, 104, 130 (Anm. 161), 227, 229, 230, 231, 234, 238, 276 Luce, Henry R. 65 Ludwig der Zweite, König von Bayern 88, 318 M MacEwen, Walter 209 MacLeish, Archibald 74, 313 Mad Dog of Europe (The) 72 Maltese Falcon (The) 47, 178 Mann, Erika 67 f., 79, 230 f., 320 Mann, Heinrich 15 (Anm. 6), 27, 86 Mann, Klaus 17, 79, 235 (Anm. 191) Mann, Thomas 15, 16, 56, 113, 148, 167, 211, 221, 228 ff., 233, 234 f., 237, 239 (Anm. 207), 243, 244, 283 (Anm. 331), 288 (Anm. 344), 305 March of Time 66 March, Frederic 213, 222 Marcuse, Ludwig 15 (Anm. 6), 237 Marriage Circle (The) 34 Martin, Karlheinz 82 Maschinenstürmer (Die) 82 Maske fällt (Die) 93 (Anm. 47), 94, 96 (Anm. 58) Maté, Rudolph 164 Matray, Ernst 166, 266 Max Reinhardt Workshop for Stage, Screen and Radio 160 ff.
344
Index
May, Joe 26 (Anm. 31), 57 Mayer, Louis B. 41, 63, 308 Mayo, Archie L. 98 McDermott, William F. 192 Melville, Herman 94 Memory of a Hero 21, 201 (Anm. 94), 204 ff. Mendelssohn, Felix 118, 126 (Anm. 150), 141 ff. Mensch am Wege (Der) 84 Mercier, Auguste 184 Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) 17, 34, 35, 38, 41, 44, 53, 62, 63, 64, 73, 75, 106, 119, 130 (Anm. 161), 131 (Anm. 164), 161 (Anm. 264), 162, 163 (Anm. 271), 208 (Anm. 113), 227 (Anm. 168), 275, 289 (Anm. 347), 292 (Anm. 355), 304, 308 f. Metropolis 54 Midsummer Night’s Dream (A) 27 (Anm. 34), 55, 58, 61, 105, 111, 116 ff., 160 ff., 170, 171, 173, 176, 225, 247, 248 (Anm. 228), 280, 300, 303, 319, 321 ff. Milestone, Lewis 73, 227, 287 (Anm. 342) Mirakel (Das) 163 Mitchell, Louise 223 Moby Dick 94 Modern Christian German Martyrs 67 Mohr, Hal 136 f. Moissi, Alexander 80, 81 Monroe Doktrin 252 Morawsky, Erich 155 Morgan, Ralph 187 Morris, Sam 59 Motion Picture Producers and Distributors of America (MPPDA) 36, 48 f. Muni, Paul 16, 45, 52, 162 (Anm. 267), 164, 170 ff., 179, 182, 187 ff., 192 ff., 198, 201, 203, 204, 207, 208, 212, 213, 227, 229 (Anm. 173), 242, 244, 247, 251, 253, 257 (Anm. 253), 260, 262, 268, 272, 292, 294 ff., 304, 320 Murnau, Friedrich Wilhelm 32, 84 Müthel, Lothar 79 My Four Years in Germany 30 N National Industrial Recovery Act (NIRA) 42 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 113, 194
Nebelthau, Otto 79 New Deal 39 ff., 47, 75 (Anm. 142), 162, 319 Newman, Alfred 266 Nichols, Dudley 230 (Anm. 177) Nielsen, Asta 83 Niemöller, Martin 230 (Anm. 178), 262 ff., 269 Nijinska, Bronislava 133 f. Nugent, Frank S. 215 (Anm. 127), 218, 260 Nun’s Story (The) 58 Nürnberg, Rolf 87, 241, 278 O Obringer, Roy 38 (Anm. 29), 97, 163, 177 f., 198, 209 Oesterreicher, Rudolf 102 Old Glory Patriotic Short Film Series 196 Olivier, Laurence 300 Orestie 313 Oswald, Richard 181, 276 P Paramount Pictures 34, 38, 43, 58 (Anm. 86) Parker, Dorothy 229 Parlo, Dita 91 Parsons, Louella O. 66, 75, 160, 216, 243, 304 Pasternak, Joe 88, 238 Pasteur, Louis 46, 56, 171 ff., 203, 269, 270, 320 Paul Kohner Talent Agency 103, 238, 249 Pearl Harbor 43 Pechstein, Max 82 Personal History 219 ff. Pfarrer von Kirchfeld (Der) 83 Phantom Crown (The) 249 Pickford, Mary 33, 38 Poelzig, Hans 82 Pointer, Anton 91 Pollock, Friedrich 287 Porten, Henny 83 Portrait of Jennie 309 Powell, Dick 68, 131 Powell, William 108 Preminger, Otto 238 Pressburger, Arnold 168 (Anm. 285), 322
Index Prince and the Pauper (The) 146 (Anm. 212), 213 Production Code Administration (PCA) 20, 69, 71, 175, 185, 194, 216, 219, 220, 244, 245, 253, 274, 278, 292 (Anm. 355), 317, 320 Public Enemy (The) 45 R Radio-Keith-Orpheum (RKO) 38, 43, 72, 146, 203 (Anm. 101), 235, 237, 266 f., 298, 303 ff. Raft, George 46, 51 Raine, Norman Reilly 182, 207 ff. Rainer, Luise 230, 231, 235, 294 Rains, Claude 196, 254, 260 Rathbone, Basil 164 Rathenau, Walther 82 Rauschning, Hermann 285 Red Scare 221 (Anm. 152) Rée, Max 118, 133 Reichert, Franz 313 Reinhardt, Gottfried 27, 130 f., 132, 152 (Anm. 232), 160, 238 Reinhardt, Max 23, 27, 50, 55, 61, 78, 80 f., 91, 99, 106 (Anm. 91), 111, 112, 116 ff., 170, 174, 179, 180 (Anm. 32), 188, 198, 202, 225, 230, 231, 242 (Anm. 216), 247, 248, 276, 280, 319 Reinhardt, Wolfgang 26, 244, 248 ff., 267 ff., 299, 300, 302, 320, 322 Remarque, Erich Maria 73, 238 Reucker, Alfred 79 Reuss, Leo 239 Reuter, Paul Julius von 292 Révy, Richard 293 Riefenstahl, Leni 225, 227, 242 f. Riess, Curt 99 (Anm. 69), 285 Roaring Twenties (The) 47 Robinson, Edward G. 27, 45, 164, 208, 227, 229, 272 ff., 289 f., 295 Rodner, Harold 65 ff. Rogers, Ginger 41 Rolland, Romain 161 Rooney, Mickey 120 f., 131 f., 139, 152 Roosevelt, Franklin D. 22 (Anm. 24), 23, 40 ff., 46, 74 (Anm. 141), 75 (Anm. 142), 162, 212, 252 f., 257, 259, 261, 285, 294 (Anm. 363), 301, 319
345
S Sakall, Szöke (S. Z.) 27, 277 Salomon, Haym 195 f., 229 Salzburger Festspiele 80, 160, 202 Satan Met a Lady 178 Schaefer, George 304 f. Schaefer, William 51 Schäfer, Gerhard 239 Schenck, Joseph 63 Schildkraut, Joseph 164, 188, 194, 230 Schiller, Norbert 239 f. Schlamm, Willy 237, 239 (Anm. 206) Schlesinger, Gus 91 (Anm. 40) Schless, Robert 182 ff., 225 Schmeling, Max 65 Schmidtbonn, Wilhelm 79 Schnabel, Artur 200 f. Schöne Helena (Die) 141 Schwartzkoppen, Max von 184 Schwarzer Freitag 39 Screen Actors Guild 73, 230 (Anm. 177) Seiter, William A. 229 Seitz, Franz 83 Selznick International Pictures 309 Selznick, David O. 103, 119 (Anm. 133), 236 (Anm. 196), 309 ff. Selznick, Myron 103, 106 Sennwald, Andre 151 Shaw, G. B. 79 Sheean, Vincent 219 Sherman Antitrust Act 43 Shrine Auditorium 16, 228, 230 f. Sidney, Sylvia 294 Silbermann, Elli 239 Silva-Hegewald-Film 90 Sokoloff, Wladimir 91, 164 Sons of Liberty 196 Spanischer Bürgerkrieg 211 ff., 284 (Anm. 334) Spear, Ivan 195, 229 Spiel um Job 313 Spieler (Der) 162 f. Stahl, John M. 229 Stanwyck, Barbara 108 Stein, Lotte 84 Stein, Paul Ludwig 35 Steindorff, Ulrich 80, 200, 203 (Anm. 101), 204 ff. Sterler, Hermine 239 f., 277 (Anm. 314) Steuben Society 74
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Index
Stewart, Donald Ogden 226 ff., 289 Story of Louis Pasteur (The) 169 ff., 179, 187, 194, 199, 254, 264, 297 Stössel, Ludwig 277 Straub, Agnes 80 Straus, Oskar 226 (Anm. 167) Strindberg, August 79, 83 Sullivan, Margaret 294 Sweet Mystery of Life 179 Syncopation 235, 306 f. T Tanz geht weiter (Der) 93 Taylor, Frederick Winslow 39 Taylorismus 39 Teddington Studios 38 Theilade, Nini 131, 151 Thimig, Helene 81, 121, 141, 166 Thimig, Herman 81 Toch, Ernst 239, 266 Toller, Ernst 82 Tone, Franchot 222 Toscanini, Arturo 201 Total Espionage 285 Tovarich 197, 265 Trilling, Steve 279 f. Turrou, Leon G. 245 Twelfth Night 161 Twentieth Century Fox 17, 38, 44 (Anm. 50), 62, 63 U United Artists 38, 62, 214 (Anm. 125), 215 United Jewish Appeal 67 Universal Studios 38, 73, 87, 89 (Anm. 34), 90, 207 (Anm. 109), 322 Universum Film AG (UFA) 34 f., 59, 222 (Anm. 155), 224, 232, 239 V Viertel, Berthold 92, 94 (Anm. 49), 96 (Anm. 58), 237 Viertel, Salka 14, 27, 92, 104 Vitaphone 36 f. Vollmoeller, Karl Gustav 163 Voltaire 174
W Wachsfigurenkabinett 84 Walter, Bruno 201, 230 (Anm. 178) Wanger, Walter 211 ff., 239, 247, 281, 317 Warner LeRoy, Doris 227 Warner Sheinbaum, Betty 46 f. Warner Sperling, Cass 33 Warner, Samuel 13, 30, 36 ff. Waxman, Franz 141 Webster, Daniel 305 Weg zurück (Der) 73 Wegener, Paul 81 Weigel, Helene 236, 287 Welles, Orson 323 Wellman, William A. 98 Wenn ich König wär’ 85 Werbezirk, Giesela 266 Werfel, Franz 15, 27, 79, 80, 113, 152, 167, 233, 237 (Anm. 201), 249 f. White Angel (The) 178 (Anm. 28) Wicclair, Walter 240 Wilder, Billy 14, 238 Willard, Catherine 164 William Dieterle Production Company 303 ff. Winter, Ella 228 Wolf, Friedrich 237, 239 (Anm. 206) Women (The) 243 Wright, Tennant C. (Tenny) 53 (Anm. 74), 57, 101, 296 Wyler, William 229, 238, 265 Y You Only Live Once 212 Z Zanuck, Darryl F. 44 ff, 49, 50, 54, 94, 100, 105 ff., 172, 319, 321 Zech, Paul 237 Zelnik, Frederic 83 Zola, Émile 46, 52, 179, 180 ff., 193 Zsolnay Verlag 250 Zukor, Adolph 35, 63 Zweig, Arnold 79
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS CGQJ EFA FBI GDBA HANL HUAC MGM MPPDA NIRA NSDAP PCA RKO UFA
Commissariat Général aux Questions Juives Europäische Film-Allianz Federal Bureau of Investigation Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger Hollywood Anti-Nazi League House Un-American Activities Committee Metro-Goldwyn-Mayer Motion Picture Producers and Distributors of America National Industrial Recovery Act Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Production Code Administration Radio-Keith-Orpheum Universum Film AG
t r a n s at l a n t i s c h e h i s t o r i s c h e s t u d i e n Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington, DC
Herausgegeben von Hartmut Berghoff, Mischa Honeck, Jan Jansen und Britta Waldschmidt-Nelson.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0941–0597
43. Christopher Neumaier Dieselautos in Deutschland und den USA Zum Verhältnis von Technologie, Konsum und Politik, 1949–2005 2010. 298 S. mit 3 Abb. und 6 Grafiken, geb. ISBN 978-3-515-09694-2 44. Reinhild Kreis Orte für Amerika Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren 2012. 425 S. mit 19 Abb., geb. ISBN 978-3-515-10048-9 45. Ulrike Weckel Beschämende Bilder Deutsche Reaktionen auf alliierte Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager 2012. 672 S. mit 22 Abb. und 4 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10113-4 46. Jan Surmann Shoah-Erinnerung und Restitution Die US-Geschichtspolitik am Ende des 20. Jahrhunderts 2012. 302 S., geb. ISBN 978-3-515-10157-8 47. Rainald Becker Nordamerika aus süddeutscher Perspektive Die Neue Welt in der gelehrten Kommunikation des 18. Jahrhunderts 2012. 424 S. mit 9 Tab. und 15 Taf., geb. ISBN 978-3-515-10185-1 48. Levke Harders American Studies Disziplingeschichte und Geschlecht 2013. 341 S. mit 11 Abb. und 9 Tab.,
49.
50.
51.
52.
53.
54.
geb. ISBN 978-3-515-10457-9 Adelheid von Saldern Amerikanismus Kulturelle Abgrenzung von Europa und US-Nationalismus im frühen 20. Jahrhundert 2013. 428 S., geb. ISBN 978-3-515-10470-8 Jochen Krebber Württemberger in Nordamerika Migration von der Schwäbischen Alb im 19. Jahrhundert 2014. 317 S. mit 10 Abb., 10 Ktn. und 42 Tab., geb. ISBN 978-3-515-10605-4 Leonard Schmieding „Das ist unsere Party“ HipHop in der DDR 2014. 267 S. mit 23 Abb. und 15 Farbtafeln, geb. ISBN 978-3-515-10663-4 Anja Schäfers Mehr als Rock ’n’ Roll Der Radiosender AFN bis Mitte der sechziger Jahre 2014. 454 S. mit 13 Abb., geb. ISBN 978-3-515-10716-7 Alexander Pyrges Das Kolonialprojekt EbenEzer Formen und Mechanismen protestantischer Expansion in der atlantischen Welt des 18. Jahrhunderts 2015. 507 S., geb. ISBN 978-3-515-11013-6 Melanie Henne Training Citizenship Ethnizität und Breitensport in Chicago, 1920–1950 2015. 378 S., geb. ISBN 978-3-515-10955-0
Nach einer erfolgreichen Karriere im Kulturbetrieb der Weimarer Republik akzeptierte der deutsche Regisseur William Dieterle im Jahre 1930 ein Vertragsangebot der US-Filmgesellschaft Warner Bros. Pictures. Dort gelang ihm der Aufbau eines Netzwerkes deutschsprachiger Künstler, dem Persönlichkeiten wie Max Reinhardt und Fritz Kortner angehörten. Es entstanden außergewöhnliche Filme, die zum Kampf gegen den Nationalsozialismus und zur Repräsentation eines „anderen Deutschland“ in der Emigration beitrugen. Im Zentrum des Buches steht die bislang in der Forschung vernachlässigte Frage nach der Integration emigrierter Künstler in die institutionellen Strukturen amerikanischer Filmstudios und nach ihrem Spielraum innerhalb der erforderlichen Anpassungsleistungen an die Unternehmensphilosophie und die Produktionsstandards. Auf der Basis der Firmenunterlagen stellt Larissa Schütze die Werke Dieterles und seiner deutschsprachigen Kollegen in den historischen Kontext ihrer Produktionsbedingungen. Sie erweisen sich als Ergebnisse komplexer Entscheidungssituationen, geprägt durch das Zusammenwirken politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Faktoren im Amerika der dreißiger Jahre.
ISBN 978-3-515-10974-1
9 7 8 3 5 1 5 1 09 7 4 1
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag