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German Pages 318 [233] Year 1988
Klaus Vetter • Wilhelm von Oranien
Klaus Vetter
Wilhelm von Oranien Eine Biographie
Mit 32 Abbildungen
Akademie-Verlag Berlin 1987
T i t e l f o t o : Porträt Wilhelms v o n Oranien. G e m ä l d e v o n M . J. Miereveld.
I S B N : 3-05-000247-6 I S S N : 0082-1950
Erschienen im Akademie-Verlag Berlin, 1086 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Copyright Akademie-Verlag Berlin 1987 Lizenznummer: 202 • 100/59/87 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza Einbandgestaltung: Rolf Kunze LSV: 0238 Bestellnummer: 7546123 (2151/43) 01180
Inhalt
Prolog
7
Wilhelm von Nassau
12
Prinz von Oranien
19
Ritter des Goldenen Vlies
29
Opposition gegen Philipp II. von Spanien
42
Vivent les gueux!
55
Der Bildersturm
71
Der Weg in das Exil
87
Im Kampf gegen Alba
94
Die Wassergeusen
105
Statthalter von Holland
113
Der Tod der Brüder
129
Die „Blijde Inkomst" von Brüssel
146
Das Scheitern der Toleranz-und Ausgleichspolitik
156
Die Todeskugeln von Delft
167
Epilog
173
Stammbaum des Hauses Nassau-Dillenburg
178
Zeittafel
:
179
Auswahlbibliographie
185
Abbildungsnachweis
189
Personenregister
191 5
Prolog
Schwer gestützt auf die Schulter des jungen Edelmannes Wilhelm von Oranien, trat Kaiser Karl V. am Nachmittag des 25. Oktober 1555 vor die Generalstaaten und die höchsten Würdenträger der Niederlande. Sie hatten sich auf Geheiß des kranken Monarchen in der Großen Halle des Palastes der Herzöge von Brabant in Brüssel versammelt. In feierlicher Zeremonie übertrug Karl die Herrschaft über die niederländischen Territorien seinem Sohn Philipp. Obwohl dem gichtgeplagten Kaiser das Sprechen schwerfiel, ließ er in einer langen Rede noch einmal die wichtigsten Ereignisse seiner Regierungszeit lebendig werden und zog eine Bilanz seines politischen Wirkens. Karl von Habsburg, König von Spanien und als Karl V. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hatte den niederländischen Besitz von seinem Vater Philipp dem Schönen nach dessen Tod im Jahre 1506 geerbt. Karl war damals ein sechsjähriger Knabe gewesen. Die Niederlande bildeten zu jener Zeit durchaus noch kein fest gefugtes Staatswesen, sondern sie waren ein allein durch die Person des gemeinsamen Herrschers zusammengehaltener Komplex feudaler Territorialstaaten. Einige, wie die Grafschaft Artois und der größte Teil der Grafschaft Flandern, unterstanden der Lehnshoheit des französischen Königs, die meisten aber gehörten zum Reich. Sie besaßen eigene Verwaltungen sowie eigene Ständevertretungen — niederländisch Staaten genannt — und waren von sehr unterschiedlicher sozialökonomischer Struktur. Die Grafschaft Flandern mit den reichen Städten Ypern, Brügge und Gent zählte zu den ökonomisch entwickeltsten Gebieten Europas. Dort gab es vor allem in der Textilherstellung bereits Ansätze der kapitalistischen Produktionsweise. Das Herzogtum Brabant mit den Städten Brüssel, Löwen und Antwerpen stand Flandern nicht viel nach. Antwerpen hatte sich seit dem 15. Jahrhundert zum führenden europäischen Handelszentrum entwickelt. 7
Die nördlichen Grafschaften Holland und Seeland waren mehr auf Fischfang und Seefahrt orientiert; aber auch in ihnen vollzog sich bereits die Auflösung der feudalen Produktionsverhältnisse, ausgenommen den Norden Hollands und Friesland, wo die Bauern nie völlig in feudale Abhängigkeit gezwungen worden waren. Demgegenüber hatte die feudale Ausbeutung der Landbevölkerung in den Grafschaften Artois, Hennegau und Namur sowie in den Herzogtümern Luxemburg und Limburg harte Formen angenommen, und der Adel besaß in diesen Territorien starke Machtpositionen. Den niederländischen Länderkomplex hatten die Herzöge von Burgund seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts durch Heiraten, Erbverträge, Käufe und Kriege zusammengetragen. Der letzte Herzog aus dem Geschlecht der Valois, Karl der Kühne, fand 1477 in der Schlacht von Nancy im Kampf gegen Herzog René von Lothringen den Tod. Er hinterließ als einziges legitimes Kind seine Tochter Maria von Burgund, die mit Maximilian von Habsburg, dem Sohn des Kaisers Friedrich III., die Ehe einging. Maximilian, der 1493 selbst Kaiser wurde, verheiratete beide Kinder aus dieser Ehe, Philipp, genannt der Schöne, und Margarete, mit den spanischen Königskindern. Während der spanische Prinz früh verstarb und seine Ehe kinderlos blieb, war die Verbindung Philipps des Schönen mit Johanna von Aragon und Kastilien reich mit Kindern gesegnet, von denen die Söhne Karl und Ferdinand — geboren 1500 und 1502 — eine wichtige Rolle in der europäischen Politik spielen sollten. Karl wurde 1516 König von Spanien und nach dem Tode seines Großvaters Maximilian 1519 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die niederländische Erbschaft hatte Karl durch die Eroberung von Friesland (1524), des Herzogtums Geldern (1543) sowie durch die Aneignung der weltlichen Gebiete des Bistums Utrecht (1528) erweitert. Im Nordwestwinkel des Reiches vermochte allein das Bistum Lüttich seine Selbständigkeit zu wahren. Die Regierung über den gesamten niederländischen Besitz legte Karl nun in die Hände seines ältesten Sohnes. Erst in seinem sechsundfünfzigsten Lebensjahr stehend, glich der Kaiser einem hinfalligen Greis. Die Strapazen ständiger Feldzüge, das ungeheure Arbeitspensum, das er beim Regieren seines Weltreiches leistete, und die zügellose Hingabe an alle Lebensgenüsse, die einem Herrscher seines Ranges möglich waren, hatten seinen Körper ausgezehrt. Karl war auch innerlich müde und enttäuscht. Er hatte erkannt, daß er sein mit zäher Beharrlichkeit verfolgtes Lebensziel, ein von ihm beherrschtes Süd-, West- und Mitteleuropa umfassendes Imperium 8
Die Entstehung der habsburgischen Herrschaft über die Niederlande Kaiser Friedrich III. von Habsburg t 1493
Herzog Karl der Kühne von Burgund t 1477 Maria von Burgund t 1482
oo
Maximilian von Habsburg (seit 1519 Kaiser Maximilian I.) f 1519
Philipp der Schöne t 1506
I
Karl (1516 als Karl I. König von Spanien, 1519 als Karl V. Kaiser) t 1558
oo
Ferdinand von Aragon t 1516
oo
Isabella von Kastilien t 1504
Johanna t 1555
Ferdinand (1558 als Ferdinand I. Kaiser) t 1564
I Philipp (1556 als Philipp II. König von Spanien) t 1598
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Spanische Habsburger
österreichische Habsburger
zu schaffen, nicht erreichen konnte. Gescheitert war er vor allem an Frankreich und am Widerstand der deutschen Fürsten. Es war ihm auch nicht gelungen, die Alleingültigkeit der Lehren der katholischen Kirche als gemeinsame ideologische Grundlage seines Weltreichs zu erhalten. Die von Martin Luther ausgelöste reformatorische Bewegung hatte sich trotz der harten Verfolgung der Ketzer auch in den Niederlanden ausgebreitet. Nur mit Mühe brachte Karl seine Ansprache zu Ende. Mit stockender Stimme forderte er Philipp auf, den Kampf gegen alle Spielarten der Ketzerei fortzusetzen und schloß mit den Worten: „Ich weiß wohl, daß ich während meiner Regierungszeit große Fehler gemacht habe, sei es wegen meines jugendlichen Alters oder aus Nachlässigkeit, Unwissenheit oder anderen Gründen, aber ich kann versichern, daß 9
ich wissentlich niemals Gewalttätigkeiten, Unrecht und Rechtsverletzungen begangen habe; ist dies aber der Fall, dann geschah es nicht mit meinem Willen, sondern aus Unwissenheit. Ich bedaure dies und bitte dafür um Verzeihung." Karl, der sich wiederholt als ein Meister der Regie und eindrucksvoller Auftritte vor seinen Untertanen erwiesen hatte, ließ sich von seinen eigenen Worten und der feierlichen Versammlung zu Tränen rühren. Vielleicht spürte er auch seinen nahen Tod und ahnte, daß diese Szene seinen Abschied von der Weltpolitik einleitete. Der Geschichtsschreiber Pontus Heuterus und der englische Gesandte John Mason, die Augenzeugen waren, berichteten jedenfalls, daß der Kaiser ungehemmt wie ein Kind weinte, als er Philipp, der vor ihm niedergekniet war, seinen Segen gab. Am heftigsten schluchzte Karl, als sein Sohn zu ihm sagte: „Sire, Sie haben eine große Verantwortung auf mich geladen. Ich will mit Gottes Hilfe versuchen, mich dem Willen Eurer Majestät zu unterwerfen und die Länder annehmen, die Eure Majestät geruhten, an mich abzutreten." Nun wandte sich Philipp an die Versammlung, und das wohlwollende Mitgefühl der Ständevertreter mit dem scheidenden Landesherrn wich kühler Zurückhaltung. Kaum jemand erwartete von dem neuen Souverän Gutes. Karl war in den Niederlanden geboren und aufgewachsen. Er beherrschte die Landessprachen Fränzösisch und Niederländisch und genoß durch eine bewußt zur Schau gestellte Leutseligkeit bei einem großen Teil der Bevölkerung Popularität. Entscheidend war aber, daß er nie versucht hatte, die Herrschaftsform des spanischen Absolutismus kompromißlos auf die Niederlande zu übertragen. Philipp dagegen, obwohl mit blondem Haar und Bart äußerlich eher ein Flame oder Holländer, fühlte sich durch und durch als Spanier und stieß die lebenslustigen Niederländer durch seine „Grandezza", seine betont kalte und stolze Hoheit, ab. Jedermann wußte, daß Philipp ein fanatischer Katholik und zur gnadenlosen Verfolgung aller Andersgläubigen entschlossen war. Instinktiv fühlten fast alle Vertreter des Adels und der Städte, daß von diesem Mann eine Gefahr für ihre ständischen Rechte ausging. Eisiges Schweigen herrschte, als Philipp in schlechtem Französisch Worte der Entschuldigung für seine Unkenntnis der Landessprachen ablas. Der Bischof von Arras (niederländisch Atrecht). Antoine Perrenot de Granvelle, verlas die Ansprache Philipps an die Generalstaaten, denen der Erhalt der alten Rechte und Freiheiten zugesichert wurde. Dann erklärte Karls Schwester Maria, die für ihn als 10
Generalstatthalterin die Verwaltung der Niederlande geführt hatte, ihren Rücktritt. Damit war der feierliche Akt beendet. Wiederum auf seinen Günstling Wilhelm von Oranien gestützt, verließ Karl V. den Saal. Hinter Philipp, Maria und Granvelle folgten in feierlichem Zug die Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, unter ihnen Graf Lamoral von Egmont und Philippe de Montmorency, Graf von Hoorn. Anfang 1556 trat Karl auch die Herrschaft über Spanien, Italien und Amerika an Philipp ab. Im September verzichtete er auf die Kaiserwürde. Als seinen Nachfolger wählten die Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation seinen Bruder Ferdinand. Am 14. September 1556 stach Karl, begleitet von seiner Schwester Maria, vom seeländischen Vlissingen aus zur Fahrt nach Spanien in See; er sollte die Niederlande nicht mehr wiedersehen. In der Einsamkeit des Klosters San Yuste in Estremadura ist er am 21. September 1558 gestorben. Der Hauptakteur des eindrucksvollen Schauspiels vom 25. Oktober 1555 in der Großen Halle des Palastes der Herzöge von Brabant in Brüssel war tot. Andere aber, die gemeinsam dem scheidenden Kaiser als Staffage gedient hatten, sollten sich bald als Todfeinde im politischen Kampf gegenüberstehen.
Wilhelm von Nassau
„Anno etc. 33 uf doenstag den 24. tag aprilis hat die wolgeborene Juliana von Stolberg etc. grefin und frau zu Nassau — Katzenelnbogen und Dietz zwischen zweien und drien, doch allernechst drien uren morgen vor mittag im schloss Dillenberg ein kindlein menlichs geschlechts, das nam sol Wilhelm heissen, zur Welt geboren." Mit diesen Worten verzeichnete Graf Wilhelm von NassauDillenburg eigenhändig die Geburt seines ältesten Sohnes. Spätestens seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts waren die Grafen von Nassau in dem Gebiet östlich des Mittelrheins zwischen Main, Lahn, Sieg und Dill ansässig. Anfang des 13. Jahrhunderts war der gesamte Familienbesitz in der Hand des Grafen Heinrich II. vereint. Nach dessen Tod wurde er 1255 zwischen seinen Söhnen Walram und Otto geteilt, und dieser Zustand sollte sich als dauerhaft erweisen. Die Walramsche Linie, deren Sproß Adolf von 1292 bis 1298 deutscher König war und aus der das gegenwärtige großherzogliche Herrscherhaus von Luxemburg stammt, beherrschte fortan das Gebiet südlich der Lahn. Die Ottonische Linie dagegen nannte die Besitzungen nördlich der Lahn mit den Hauptorten Dillenburg, Herborn, Siegen, den Herrschaften zu Westerwald und Ellar, die Mark Hadamar und Bad Ems ihr eigen. Graf Otto II. (1300—1351) aus der Ottonischen Linie heiratete Adelheid, die Erbtochter der Grafschaft Vianden, die ein Lehen der Herzöge von Luxemburg war. Zu ihrem Erbe gehörten ferner St-Vith, Butgenbach und Dasburg im Herzogtum Luxemburg und die Baronie Grimbergen in Breda. Durch diese Heirat erwarb die Ottonische Linie der Nassauer erstmals Besitzansprüche im niederländischen Raum. Bedeutsamer war aber die Heirat des Enkels von Otto II., Engelbrecht I. (etwa 1380—1442) mit Johanna, der Erbtochter des reich begüterten Hauses Polanen, im Jahre 1403. Als der letzte Herr 12
von Polanen starb, fiel das Erbe an Johanna. Engelbrecht I. von Nassau kam so in den Familienbesitz der von Polanen, der in Holland, Seeland, Utrecht, Brabant, Hennegau und Lüttich verstreut war. Unter anderem gehörten dazu die Baronie von Breda mit einem Kastell, die Baronie Herstal, ein Palast in Brüssel nahe dem herzoglichen Hof und ein Palast in Mecheln. Dazu kam 1420 beim Aussterben der Familie von Engelbrechts Großmutter Adelheid die Grafschaft Vianden mit den dazugehörigen Besitzungen. Engelbrechts Sohn Johann IV. erließ für den nun recht stattlichen Besitz der Ottonischen Linie der Nassauer 1472 eine allgemeine Erbfolgeordnung. Sein ältester Sohn Engelbrecht II. erhielt die Güter in den Niederlanden, der jüngere Johann V. die in Nassau. Es galt nur die männliche Erbfolge, und beim Aussterben des Mannesstammes der einen sollte deren Besitz an die überlebende Linie fallen. Dieser Erbfall trat 1504 ein, als Engelbrecht II. kinderlos starb. Johann V., der seinen Bruder um zwölf Jahre überlebte, vereinte nun noch einmal den Gesamtbesitz der Ottonischen Linie. Als Johann V. 1516 starb, folgte ihm in den niederländischen Besitzungen sein ältester Sohn Heinrich III. (1483—1538), in Nassau-Dillenburg sein zweiter Sohn Wilhelm (1487-1559). Graf Wilhelm von Nassau-Dillenburg heiratete Walburg von Egmont aus dem holländischen Adelsgeschlecht. Walburg starb im März 1529 und hinterließ ihrem Mann zwei Töchter. Noch im selben Jahr trug sich Wilhelm mit neuen Heiratsplänen, wobei er sächsische, württembergische und lothringische Prinzessinen in die engere Wahl zog. Diese Projekte zerschlugen sich jedoch. Schließlich ging Wilhelm 1531 eine neue Ehe mit der jungen Witwe des 1529 gestorbenen Grafen Philipp von Hanau ein. Philipp von Hanau war während seiner Minderjährigkeit ein Mündel von Wilhelm von Nassau gewesen und hatte 1523 die erst siebzehnjährige Juliana von Stolberg und Wernigerode geheiratet, die in nur sechsjähriger Ehe drei Söhne und zwei Töchter gebar, von denen ein Sohn noch vor dem Vater starb. Für die 1529 verwaiste Grafschaft wurde eine vormundschaftliche Regierung eingesetzt, an deren Spitze wiederum Wilhelm von Nassau bis zur Volljährigkeit des ältesten Sohnes Philipps stand. Durch seine Verpflichtungen als Vormund lernte Wilhelm Juliana kennen und schätzen, die zwar nicht von außergewöhnlicher Schönheit, aber doch von angenehmem Äußeren war und ihn vor allem wegen ihres von tiefem sittlichem Ernst geprägten Wesens und der Hingabe an die Erziehung ihrer 13
Kinder beeindruckte. In einem zeitgenössischen Gedicht heißt es über Juliana: „Eine Frau, ehr- und lobenswert, Die Gott diesem Land beschert.. . Die ihre Kinder hat erzogen In Gottesfurcht, ist hoch zu loben, Dazu in Zucht und Ehrbarkeit, Wie man's weiß, weit und breit." Am 20. September 1531 wurde der Ehevertrag zwischen dem vierundvierzigjährigen Wilhelm von Nassau und der um neunzehn Jahre jüngeren Juliana geschlossen. Anderthalb Jahre später schenkte Juliana dem ersten Sohn Wilhelms das LeBen; der stolze Vater gab ihm seinen eigenen Namen. Die Taufe fand am 4. Mai 1533 im Schloß Dillenburg statt. Obwohl Juliana eine überzeugte Protestantin und Wilhelm selbst seit einigen Jahren stark von reformatorischem Gedankengut beeinflußt war, bestimmte er ausdrücklich, daß die Taufe nach der Zeremonie der katholischen Kirche stattfinden solle: „Das kind sol auf dem schloss in der Capellen gecristnet werden. Daselbst sol zu 8 uren ein mess mit zweien ministranten und anderen priestern ze singen angefangen, darzuschen wie gewonlich das evangelium gepredigt und des taufens halben ein geheim exhortación bescheen. Und sollent alle ding also geordnet werden, das, so erst die mess ir end hat, das kindlein mit folgender zierligheid in die capell bracht werden." Graf Wilhelm von Nassau hatte einen gewichtigen Grund, seinen innerlich wohl schon vollzogenen Übertritt zum Protestantismus bei der Taufe seines Erstgeborenen nicht zu demonstrieren. Seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts lag seine Familie mit den Landgrafen von Hessen in einem Erbschaftsstreit um die Grafschaft Katzenelnbogen. Wilhelm erhoffte sich den Beistand Kaiser Karls V. gegen seinen Rivalen Landgraf Philipp von Hessen, der neben dem Kurfürsten von Sachsen als Haupt der protestantischen deutschen Fürsten galt und einer der entschiedensten Gegner des Kaisers im Reich war. Allerdings konnte Wilhelm auf den Beistand des Kaisers nicht rechnen, wenn er sich öffentlich zum Protestantismus und damit als Gegner der politischen Bestrebungen Karls V. erklärte. Nach seinem Erstgeborenen zeugte Graf Wilhelm von Nassau mit seiner Frau Juliana noch zehn Kinder: die Söhne Johann, Ludwig, Adolf und Heinrich und sechs Töchter. Der junge Wilhelm verbrachte seine Kindheit gemeinsam mit seinen Geschwistern und Halb14
geschwistern aus den ersten Ehen seiner Eltern auf dem Schloß Dillenburg. Die Dillenburg wurde urkundlich zum ersten Mal 1255 erwähnt. Die Grafen von Nassau hatten unweit der Mündung der Dill in die Lahn auf einem steil zum Dilltal abfallenden Felsen ein Kastell zum Schutz ihrer nördlichen Besitzungen, errichtet. Am Fuße des Burgberges entstand der Marktflecken Dillenburg. Die Burg diente den Grafen stets nur als vorübergehender Aufenthaltsort. Erst Graf Wilhelm hatte sie sich zu seiner festen Residenz gewählt und seit 1526 mit ihrem Umbau begonnen. Die Befestigungsanlagen wurden verstärkt, gleichzeitig die unwohnliche alte Ritterburg zu einem Schloß mit freundlichen Gemächern und schönen Sälen umgestaltet. Der Mode folgend, ließ Graf Wilhelm auf dem Schloßhof einen von Säulen umgebenen Brunnen anlegen, dessen Becken aus sechs Röhren gespeist wurde. Im Tal der Dill entstand ein Lustgarten mit einem Irrweg, Marmorstatuen und exotischen Bäumen und Sträuchern. Auch die Wissenschaft sollte in der gräflichen Residenz nicht ganz fehlen. So richtete sich Graf Wilhelm „zur Lehre und Besserung christlichen Wesens, auch zu gemeinem Nutz und für Liebhaber aller guten Kunst" eine Bibliothek ein. In, dieser Bibliothek wollte er aber keine Bücher dulden, durch deren Lektüre jemand „zu Untaten gereizt" werden könnte, in denen „neben gutem Scheine Schlechtes stünde". Da er sich selbst nicht für gebildet genug hielt, eine richtige Auswahl zu treffen, bat er den sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich, Martin Luther zu veranlassen, ihm eine Bibliothek lateinischer und deutscher Bücher zusammenzustellen. Um die Erziehung und Bildung der Kinder kümmerte sich vor allem die Gräfin Juliana. Sie gründete auf Dillenburg eine Hofschule, in der die Kinder des gräflichen Paares aus erster und zweiter Ehe zusammen mit den Sprößlingen benachbarter Adelsfamilien unterrichtet wurden. An erster Stelle stand die religiöse Erziehung und Unterweisung in evangelischem Geist, die durch die Gräfin selbst erfolgte. Daneben erhielten die Kinder nur Unterricht in Schreiben, Lesen und Rechnen. Fremdsprachen wurden nicht gelehrt. So wuchs der junge Wilhelm im Kreise seiner Geschwister und Halbgeschwister sowie benachbarter Adelskinder in der ruhigen Abgeschiedenheit der Dillenburg auf — sozial weit über seinen bäuerlichen und bürgerlichen Altersgenossen stehend, aber weit entfernt von der glänzenden Welt des europäischen Hochadels. Er wurde von seinen Eltern darauf vorbereitet, als ältester Sohn die Nachfolge seines 15
Vaters als Graf von Nassau-Dillenburg und damit als Herrscher eines der kleinsten feudalen Territorialstaaten des Reiches anzutreten. Doch dieser vorgezeichnete Lebenslauf sollte eine jähe Wende nehmen. Ende Juli 1544 erreichte ein Böte aus den Niederlanden mit einer Nachricht die Dillenburg, durch die die gräfliche Familie in helle Aufregung versetzt wurde. Was war geschehen? Seit 1542 führte Karl V. erneut, nun schon zum vierten Mal, einen Krieg gegen König Franz I. von Frankreich, seinen mächtigsten Gegner im Kampf um die Errichtung einer feudalen europäischen Universalmonarchie unter Herrschaft der Habsburger. Im Juni 1544 war Karl im Verlauf dieses Krieges in die Champagne eingefallen. Einer seiner Befehlshaber in diesem Feldzug war René von Chalon, Prinz von Oranien, Sohn des Grafen Heinrich III. von Nassau und Herr der niederländischen Besitzungen der Ottonischen Linie der Nassauer. Am 8. Juli 1544 erschien Karls Heer vor der Stadt St-Dizier an der Marne und ging, nachdem ein Sturm mißglückt war, zur Belagerung über. Am 17. Juli traf René in einem Laufgraben vor der belagerten Stadt eine Kugel, die ihm die Schulter zerschmetterte. Tödlich verwundet, wurde er in sein Zelt getragen, wo der Kaiser Abschied von dem Sterbenden nahm. Noch nicht sechsundzwanzig Jahre alt, starb der Prinz von Oranien am 21. Juli 1544. Sein Leichnam wurde in Breda beigesetzt. Vor Beginn des Feldzuges hatte René, der keine legitimen Kinder besaß, in seinem Testament seinen Cousin Wilhelm, den nun elfjährigen Erstgeborenen des Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg, als seinen Erben eingesetzt. Mit dieser reichen Erbschaft eröffneten sich dem Hause Nassau-Dillenburg völlig neue Perspektiven; zugleich aber wurde es nun in die Konflikte der großen europäischen Politik mit einbezogen. Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, sei hier ein kleiner Exkurs" über das Fürstentum Oranien eingefügt. Das Fürstentum Orange — im deutschen Sprachgebrauch Oranien, im niederländischen Oranje genannt — lag im heutigen Südosten Frankreichs, nördlich von Avignon am westlichen Ufer der Rhone, zwischen deren Nebenflüssen Aygues und Ouvèze. Neben der Hauptstadt Orange gehörten dazu die Städte Courthézon, Joncquières, Gigondas und Vacqueyras sowie einige Dörfer und Einzelgehöfte. Das Territorium war ursprünglich eine Grafschaft des Reiches und wurde 1178 durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa zum Fürstentum erhoben. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts setzte sich der erstarkende französische Feudalstaat gegen das Reich durch. Der König von 16
Frankreich zwang den Fürsten von Oranien, sich unter seine Lehnshoheit zu begeben. Während des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England (1328—1453) lockerte sich die französische Oberherrschaft vorübergehend, doch die Versuche Kaiser Karls IV., Oranien wieder in das Reich einzugliedern, blieben eine Episode. Im Jahre 1393 starb der letzte Fürst aus dem Geschlecht der Baux ohne männliche Erben. Das Fürstentum fiel an seinen Schwiegersohn Johann I. von Chalon. Das Haus Chalon stammte von den Grafen von Burgund ab und war sowohl in dem zu Frankreich gehörenden Herzogtum Burgund als auch in der Freigrafschaft Burgund des Reiches ansässig. Im 15. Jahrhundert wurde Ludwig von Chalon vom französischen König aus der Lehnsuntertänigkeit entlassen und erhielt die volle Souveränität über das Fürstentum — er konnte sich nun „Prinz von Oranien von Gottes Gnaden" nennen und war rechtlich den großen europäischen Monarchen gleichgestellt. Am 3. August 1530 starb mit Philibert von Chalon der letzte seines Geschlechts. Schon 1520 hatte der kinderlose Philibert seine Schwester Claudia und nach deren Tod ihren Sohn René als Erben bestimmt. Claudia war mit Heinrich III. von Nassau verheiratet. Als Claudia ein Jahr später starb, hatte Philibert sein Testament geändert und seinen Neffen als Universalerben eingesetzt. Dabei hafte Philibert ursprünglich die Bedingung gestellt, daß René den Namen Chalon annehmen müsse, dann jedoch diese Klausel aufgehoben. René übernahm aber freiwillig Namen und Wappen derer von Chalon und auch ihren Wahlspruch „Je maintiendrai Chalon" (Ich werde Chalon aufrechterhalten) — das „Je maintiendrai" sollte später zum Wahlspruch der niederländischen Oranier werden. Durch Renés frühen Tod fielen nun sein reicher niederländischer Besitz und das Oranische Erbe an den elfjährigen Wilhelm von Nassau. Zum Oranischen Erbe gehörten das Fürstentum Oranien, 30 Herrschaften mit über 360 Ortschaften in der Freigrafschaft Burgund, Rechtsansprüche auf Genf, Neufchätel und Valengin. Zur Regelung der Testamentsvollstreckung eilte Graf Wilhelm von Nassau im August 1544 auf schnellstem Wege in die Niederlande. Er war natürlich hoch erfreut über den ins Haus stehenden Zuwachs an Reichtum, Macht und Ansehen, vor allem aber hoffte er, nun die nötigen Voraussetzungen zu erwerben, um den Erbschaftsstreit mit dem Landgrafen von Hessen um Katzenelnbogen für sich entscheiden zu können. Ganz zufrieden war Graf Wilhelm mit dem Testament seines Neffen jedoch nicht. Er fühlte sich zurückgesetzt, Vetter. O r a n i e n
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da er eigentlich der nächste Agnat, der nächste Verwandte des Verstorbenen im Mannesstamm war, und nicht sein Sohn Wilhelm. In Brüssel angekommen, wurde Graf Wilhelm jedoch sehr bald klar, daß überhaupt keine Chance bestand, das Testament anzufechten und seine eigene Erbfolge durchzusetzen. Ja, es schien sogar zweifelhaft, ob sein Sohn als Erbe anerkannt würde. Hohe Ratgeber Karls V. äußerten entschieden ihre Bedenken, ob es angebracht und statthaft sei, einen Erben „ketzerischer" Abkunft anzuerkennen. Dahinter verbarg sich die ganz nüchterne politische Überlegung, daß die in Opposition zum Kaiser stehenden protestantischen Landesfürsten einen erheblichen Machtzuwachs bekommen könnten. So war die Hochstimmung des Grafen Wilhelm bald verflogen, und er mußte alle Energie aufbieten und nicht unerhebliche Mittel investieren, um in zähen Verhandlungen mit dem Kaiser und dessen Schwester und Generalstatthalterin der Niederlande, Maria von Ungarn, die Anerkennung der Erbfolge seines Sohnes durchzusetzen. Im Dezember 1544 wurde schließlich der junge Wilhelm als Erbe Renés von Chalon und als Prinz von Oranien anerkannt, jedoch unter genau festgelegten Bedingungen : Graf Wilhelm von Nassau verlor faktisch jeden direkten Einfluß auf seinen Sohn, der von ihm getrennt in den Niederlanden leben und zum katholischen Glauben übertreten mußte. Für den minderjährigen Erben wurde ein Vormundschaftsrat eingesetzt, der für dessen Erziehung und die Verwaltung der Besitzungen verantwortlich war. Den entscheidenden Einfluß auf den Prinzen hatten als Vormünder zwei niederländische Adlige, die Karl V. unbedingt ergeben waren : der kaiserliche Rat und Kämmerer Johann von Merode und Claude de Bouton, Herr von Corbaron, ehemaliger Kommandant der berittenen Leibgarde des Kaisers und Oberstallmeister der Generalstatthalterin. Der junge Prinz Wilhelm von Oranien kam wahrscheinlich erst im Frühjahr 1545 in die Niederlande. In seinem Gefolge befanden sich zwei junge Adlige, Söhne der Grafen von Isenburg und von Westerburg, die ihm als Gefährten dienen und mit ihm erzogen werden sollten.
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Prinz von Oranien
Breda, auf halbem Wege zwischen Brüssel und Amsterdam im nördlichen Brabant gelegen, wurde im Frühjahr 1545 der erste Wohnsitz des jungen Prinzen von Oranien in den Niederlanden. Das alte Kastell von Breda war in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von Jan von Polanen durch einen Anbau erweitert und dann von den niederländischen Grafen von Nassau, die Breda zu ihrem Stammsitz machten, im 15. Jahrhundert ständig modernisiert worden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden neue Nebengebäude und ein Wohnturm errichtet. Graf Heinrich III. veranlaßte 1536 den völligen Umbau des Kastells zu einem Schloß, der unter Leitung des italienischen Baumeisters Thomas Vincidor aus Bologna erfolgte. Unter der Aufsicht des zum Erzieher des Prinzen bestimmten Claude de Bouton erhielt Wilhelm nun einen sehr sorgfaltigen Unterricht, vor allem in Sprachen. Er beherrschte später Latein, Französisch und Niederländisch so gut wie seine Muttersprache. Auch in den sogenannten ritterlichen Künsten — z. B. Reiten, Jagen, Fechten, Turnierkampf und Tanz — wurde er ausgebildet. Wilhelm von Oranien hat in seinen Mannesjahren erfolgreich an Turnieren teilgenommen, war sein Leben lang ein eifriger Jäger und galt als einer der besten Tänzer am Hofe Karls V. Eine gründliche Unterweisung erhielt der Prinz auch in der Geschichte der Niederlande, in deren Verwaltungsstruktur und in den Rechten und Privilegien des Adels in den einzelnen Territorien. Es wird für den Zwölfjährigen nicht leicht gewesen sein, diesem Unterricht zu folgen und die komplizierte politische Struktur der Niederlande zu verstehen; doch unnachsichtig stellten seine Erzieher gerade auf diesem Gebiet harte Forderungen, galt es doch, den nun zum niederländischen Hochadel zählenden Knaben auf eine glanzvolle politische und militärische Laufbahn im Dienste des Kaisers vorzubereiten, 2*
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wofür eine genaue Landeskenntnis eine unabdingbare Voraussetzung war. So erfuhr Wilhelm, daß der anscheinend allmächtige Kaiser, der in Spanien als absolutistischer König herrschte, in den zu seinem Familienbesitz gehörenden niederländischen Territorien keineswegs unbeschränkt und völlig nach eigenem Gutdünken regieren konnte. In allen Territorien gab es Ständevertretungen, ohne deren Zustimmung der Landesherr z. B. keine Steuer erheben konnte und keine neuen Gesetze erlassen durfte, die die althergebrachten Rechte des Adels und der Städte in Frage stellten. Bis auf Friesland, wo auch die freien Bauern in den Staaten vertreten waren, hatten nur die Adligen und die großen Städte das Recht, in den Staaten an.der Regierung des Landes mitzuwirken. Die Städte wurden zumeist von wenigen großen Kaufmannsfamilien beherrscht, den sogenannten Regenten — vergleichbar mit den deutschen Patrizierfamilien. Diese Regenten legten genau fest, welche Positionen der Vertreter ihrer Stadt in den Staaten zu vertreten hatte. Die Masse der Bevölkerung, die Bauern, Handwerker, kleinen Händler, Gesellen und Tagelöhner, war — wie in den anderen europäischen Feudalstaaten — von der ständischen Mitbestimmung ausgeschlossen. Eine wichtige Besonderheit gab es aber in den Niederlanden : Während z. B. in den französischen General- und Provinzialstaaten wie auch in den deutschen Reichs- und Landtagen der Adel und die Geistlichkeit dominierten und die Städte keine Chance hatten, ihre Ansprüche gegen die feudalen Interessen durchzusetzen, hatten in einigen niederländischen Territorien die Städte in den Staatenversammlungen gegenüber Adel und Geistlichkeit ein eindeutiges Übergewicht. In Holland war z. B. der Klerus wegen seiner geringen Bedeutung ganz aus den Staaten verschwunden. Den Staaten von Holland gehörten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts lediglich die sechs großen Städte Dordrecht, Amsterdam, Leiden, Delft, Gouda und Haarlem sowie ein Adliger als Vertreter des platten Landes an, so daß ein Stimmenverhältnis von 6:1 zugunsten der Städte bestand. Allerdings konnten die Staaten nur bei Einstimmigkeit einen verbindlichen Beschluß für das ganze Land fassen. In Flandern bestanden die Staaten aus den Vertretern der Städte Gent, Brügge und Ypern und des Bezirks „Het Vrije" (Das Freie), der alten Kastellanei von Brügge, die einen viele Orte umfassenden Gemeindeverband bildete und von siebenundzwanzig zumeist adligen Schöffen verwaltet wurde. 20
Zur Erledigung der laufenden Geschäfte hatten die Staaten besondere Beamte eingestellt, die in Holland Ländesadvokaten, in anderen Territorien Landespensionäre hießen. Die Landesadvokaten waren juristisch gebildete, über die Geschichte und die Privilegien ihres Territoriums bestens informierte und meist sehr einflußreiche Persönlichkeiten. Besonders gründlich wurde Wilhelm mit den Privilegien der Staaten von Brabant vertraut gemacht, durch die die Herrschaftsrechte des Landesherrn ganz erheblich eingeschränkt wurden. Die Staaten von Brabant bestanden aus den Vertretern der Geistlichkeit und des Adels und aus den Abgeordneten der vier „Hauptstädte" Löwen, Brüssel, 's-Hertogenbosch und Antwerpen. Auch in den Staaten von Brabant waren keine Majoritätsbeschlüsse möglich. Argwöhnisch achteten die Staaten von Brabant auf die Respektierung ihres Grundsatzdokuments, das ihnen 1356 Wenzel von Luxemburg und die brabantische Erbtochter Johanna bei ihrer Hochzeit hatten beschwören müssen. Erst nachdem der Schwur geleistet war, wurde die Herrschaft von Wenzel und Johanna anerkannt, und sie konnten in Löwen ihren „fröhlichen Einzug" (französisch joyeuse entrée, niederländisch blijde inkomst) halten, der der ständischen Charta den Namen gab. Die Joyeuse Entrée enthielt folgende Bestimmungen: Das Territorium Brabants sollte auf ewig ungeteilt und ungeschmälert bleiben; der Herzog durfte ohne die Zustimmung der Staaten keinen Angriffskrieg führen, keine Bündnisverträge schließen und keine Münzen prägen lassen ; es durften keine neuen Zölle eingeführt werden; der Herzog mußte den ungehinderten und sicheren Verkehr auf den Straßen gewährleisten; Mitglieder des herzoglichen Rates durften nur Einheimische sein; außer in geistlichen Sachen durfte kein* Brabanter von einem nichtbrabantischen Gericht verurteilt werden; der Herzog selbst wurde bei der Rechtsprechung an brabantisches Recht gebunden; bei Mord, Vergewaltigung und städtischem Aufruhr durfte der Herzog nicht von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch machen. Die Joyeuse Entrée galt auch für Limburg, das mit Brabant in Personalunion verbunden war. Eine ähnliche Bedeutung besaßen für Flandern, Holland und Namur die „Großen Privilegien", die Maria von Burgund nach dem Tode ihres Vaters hatte beschwören müssen. Seit dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts hatten sich die Generalstaaten als feste ständische Vertretungskörperschaft herausgebildet. Jedes Territorium besaß in den Generalstaaten eine Stimme. 21
Erstmals waren die Generalstaaten 1463 von dem burgundischen Herzog Philipp dem Guten zusammengerufen worden mit dem Ziel, seine Territorien näher zusammenzuführen. Tatsächlich jedoch förderte die Einrichtung der Generalstaaten das ständische Zusammengehörigkeitsgefühl gegenüber dem gemeinsamen Landesherrn und das ständische Selbstbewußtsein. Das entscheidende Recht der Generalstaaten war die Bewilligung allgemeiner Steuern für die Niederlande. Kaiser Karl V. interessierte sich persönlich für die Erfolge bei der Belehrung und Erziehung des Prinzen von Oranien; beinahe mütterliche Fürsorge ließ jedoch die Generalstatthalterin der Niederlande, Maria von Ungarn, walten. Sie holte Wilhelm mehrfach für längere Zeit an ihren Hof nach Brüssel und ließ ihn an zahlreichen Inspektionsreisen in ihrem Gefolge teilnehmen. Maria, eine jüngere Schwester Karls V., war mit König Ludwig II. von Ungarn verheiratet worden, der 1526 in der Schlacht bei Mohäcs gegen die Türken den Tod fand. Im Jahre 1531 war Maria von ihrem Bruder zur Generalstatthalterin der Niederlande ernannt worden. Mit allen fürstlichen Rechten ausgestattet und nur Karl selbst untergeben, stand sie an der Spitze von Politik, Justiz und Heer, ernannte Beamte, übte das Begnadigungsrecht aus und berief die Generalstaaten sowie die Staaten der Territorien ein. Da Brüssel, die Hauptstadt Brabants, Sitz des jeweiligen Generalstatthalters war, fungierte der Generalstatthalter zugleich als Statthalter von Brabant und war damit unmittelbarer Repräsentant des Landesherrn. In den anderen Territorien vertraten die vom Landesherrn eingesetzten Statthalter dessen Interessen. Dem Generalstatthalter standen seit 1531 drei Räte als beratende Organe zur Seite: der Staatsrat für alle wichtigen Angelegenheiten der Niederlande, der Geheime Rat für die Kontrolle der gesetzgeberischen Tätigkeit und der Finanzrat für die Verwaltung des landesherrlichen Hausbesitzes. Außerdem existierte noch der Große Rat zu Mecheln als oberster Appellationsgerichtshof, der nach dem Muster des französischen Parlaments schon 1473 eingeführt und 1531 unter Karl V. reformiert worden war. Wilhelm von Oranien war Kaiser Karl V. wahrscheinlich zum ersten Mal im August 1545 von Angesicht zu Angesicht begegnet. Von Brüssel aus zog er im Gefolge der Generalstatthalterin am 20. August in das etwa dreißig Kilometer östlich gelegene Löwen zum Empfang des aus Worms kommenden Kaisers. Zwei Tage blieb die Gesellschaft in der berühmten Universitätsstadt mit dem vielbewunderten, als Meisterwerk der Gotik geltenden Rathaus, um dann über Tervueren am 25. August nach Brüssel weiterzuziehen. 23
Im März 1549 kam Karls V. Sohn Philipp aus Spanien in die Niederlande, um sich als Nachfolger seines Vaters huldigen zu lassen. Wieder befand sich Wilhelm im Gefolge der Generalstatthalterin, als diese ihrem Neffen am 30. März bis Tervueren entgegenkam; und am 1. April ritt er hinter dem spanischen Thronfolger in Brüssel ein. Wochenlang folgte nun in den einzelnen Territorien ein Huldigungsakt dem anderen, verbunden mit ungeheurer Prachtentfaltung bei den Einzügen in die Städte, mit glänzenden Turnieren — an dem Turnier in Antwerpen Mitte September 1549 hat sich Wilhelm von Oranien nachweislich beteiligt — und mit Festtafeln, die zumeist in wilden Freß- und Saufgelagen endeten. Hatte der zwölfjährige Wilhelm bei seiner Ankunft in den Niederlanden nach der im stillen Dillenburg verbrachten Kindheit zuerst voller Scheu und Erstaunen das zügellose Treiben des niederländischen Hochadels erlebt, so war der Sechzehnjährige schon völlig damit vertraut und in ihm aufgegangen. Er war zum Herrscher über seine Untertanen und zum Dienst für seinen Lehnsherrn erzogen worden. Für ihn war es selbstverständlich und gottgewollt, daß es Herrscher und Beherrschte gab, und er war stolz darauf, daß er zu den Herrschern gehörte. Nicht daß er die Bürger und Bauern verachtete. Er wußte wohl, daß sie es waren, die für Nahrung, Kleidung und Einkünfte des Adels sorgten, und er verstand es schon in jungen Jahren gut, durch seine leutselige Art Menschen aus dem Volk für sich zu gewinnen. Doch im Grunde hatte er mit ihnen nichts gemein. Er glaubte an sein Recht, ihre Dienste und Abgaben in Anspruch zu nehmen, er fühlte sich durch Gottes Fügung als Herr, als souveräner Fürst von Oranien, rechtlich jedem Monarchen gleichgestellt. Weigerten sich die Untertanen, ihren Pflichten nachzukommen, so verstießen sie für ihn gegen die von Gott eingerichtete Ordnung und mußten bestraft werden. Dieses Weltbild war dem Jüngling völlig selbstverständlich, und über dessen Berechtigung dachte er nicht nach. Vielmehr genoß er voller Lust alles, was ihm das Leben im Kreise des niederländischen Hochadels bot. Wilhelm von Oranien tobte sich im Brüsseler Adelsleben aus — und der niederländische Adel verstand es, Feste zu feiern. Als einer seiner typischen Vertreter galt Maximilian Egmont, Graf von Buren, der spätere Schwiegervater Wilhelms von Oranien. Von ihm hieß es, er sei unmäßig in Speise und Trank, er schwöre und fluche, von der Religion spreche er ohne Scheu und Ehrfurcht, er vernachlässige ihre wesentlichen Pflichten, indem er sonntags und feiertags oft die Messe versäume und während der Fastenzeit öffent24
lieh Fleisch esse; er sei so ausschweifend, daß er die eheliche Treue nicht halte und sich nicljt einmal schäme, sich dessen in Gesellschaft offen zu rühmen. Am 21. September 1549 empfing Wilhelm selbst — als erst Sechszehnjähriger — in Breda den spanischen Thronfolger und gab am Tag darauf ein großes Festessen. Wie dabei aufgetafelt worden sein mag, soll die Bestellung des Chefkochs für ein vier Jahre später gehaltenes Gastmahl des Oraniers verdeutlichen: 30 Lammkeulen zum Einsalzen, 18 Keulen für Pasteten, 26 Rohrdommeln, 101 Trappen, 3 Reiher, 15 Schwäne, 18 Pfaue, 1 Hirsch, 51 Waldschnepfen, 163 Rebhühner, 6 Hasen, 60 Kaninchen, 362 Regenpfeifer, 198 Krickenten, 26 Puten, 35 Fasanen, 6 Birkhühner, 200 Hühner, 92 Kapaunen, 94 Enten, 4 Kälber, 1100 Flußkrebse, 33 Forellen, 50 Forellenpasteten, 8 Salmforellen, 89 geräucherte Zungen, 11 Mainzer Schinken, 33 Westfälische Schinken. Dazu große Mengen Zuckerwerk, Marzipan, Nüsse, Apfelsinen, Melonen und viele Fässer Wein. Um den Prinzen noch mehr in der Welt des niederländischen Hochadels zu verwurzeln, wurde Claude de Bouton abgelöst: Neuer Erzieher war seit dem 1. Dezember 1549 Jeröme Perrenot, Herr von Champigney, ein jüngerer Bruder des beim Kaiser sehr einflußreichen Bischofs Granvelle von Arras. Doch die Zeit der Unmündigkeit des Prinzen ging ohnehin zu Ende. Anläßlich seiner Heirat mit Anna von Buren 1551 wurde die Vormundschaftsverwaltung seiner Besitzungen aufgehoben und er selbst für mündig erklärt. Das Heiratsprojekt war schon längere Zeit betrieben worden. Maximilian Egmont, Graf von Buren, hatte Ende 1548 sterbend als seinen letzten Willen erklärt, daß seine einzige Tochter Anna die Ehe mit Wilhelm von Oranien eingehen möge. Die Vormünder und der Vater des Prinzen griffen den Heiratsplan sofort auf, brachte doch seine Verwirklichung dem Hause Nassau neuen reichen Gewinn. Zur Erbmasse von Anna von Buren gehörten die Grafschaft Buren sowie die Herrschaften Ijselstein, Leerdam, Acquoy, Cranendonk, Eindhoven und St. Maartensdijk. Am 19. Juni 1550 fand die Verlobung statt; und nachdem alle familien- und lehnsrechtlichen Regelungen getroffen waren — für Wilhelm von Oranien führte der Graf von Neuenahr die Verhandlungen mit den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Grafen von Buren — und der Kaiser die Heirat genehmigt hatte, wurde am 6. Juli 1551 der Heiratskontrakt unterzeichnet. Am 8. Juni wurde die Ehe geschlossen und a u f s c h l o ß Buren die Hochzeit gefeiert. 25
Wie fast alle Eheschließungen zwischen Adligen in dieser Zeit war es eine reine Zweckheirat. Nicht Liebe und Zuneigung zwischen den Partnern, sondern dynastische Interessen, die Aussichten auf Vergrößerung des Familienbesitzes waren ausschlaggebend für die Partnerwahl, die durch die Eltern oder die Vormünder der Kinder entschieden wurde. Die Ehe galt als Institution zur Festigung und Vergrößerung der dynastischen Macht und zur Fortpflanzung der Familie im Mannesstamm. Nicht selten bestanden unüberwindbare persönliche Abneigungen zwischen den Ehepartnern, und der eheliche Beischlaf wurde als eine lästige Verpflichtung zur Erzeugung männlicher Nachkommen vollzogen. Sehr viele Ehen gekrönter Häupter und Angehöriger des hohen und niederen Adels waren menschliche Tragödien. Heimliche Liebschaften der Frauen und kaum oder gar nicht verborgene Konkubinate der Männer waren der übliche Ersatz für die Nichterfüllung von Sehnsüchten und Gefühlen in der legitimen Verbindung. Doch hatte Wilhelm von Oranien bei seiner Verbindung mit Anna von Buren Glück. Sie brachte ihm nicht nur reichen Ländergewinn, sondern auch persönliche Erfüllung. Über Anna selbst ist nicht viel bekannt; ein Bild zeigt sie uns als eine junge Frau mit einer etwas melancholischen Anmut. Den Achtzehnjährigen erfaßte aber ganz offensichtlich bald eine echte Zuneigung zu seiner gleichaltrigen Gemahlin, wie aus vielen Briefen herauszulesen ist. Im Sommer 1552 schrieb er: „Ich bitte den Schöpfer, Dir alle Wünsche Deines Herzens zu erfüllen und mich in Deine Arme zu legen, damit ich Dir meine Huldigungen besser als durch Briefe erzeigen kann." Und in einem Brief vom 13. November 1552 aus dem Feldlager bei Arras heißt es: „Lieber heute als morgen möchte ich zu Dir kommen; ich kann Dir die Sehnsucht, die mich nach Dir erfüllt, nicht lebhaft genug ausdrücken; denn es dünkt mich, als sei ich schon ein ganzes Jahr von Dir entfernt. Ich schließe diesen Brief, indem ich den Schöpfer bitte. Dich vor allem Übel zu behüten und uns die Gnade zu verleihen, daß wir uns recht bald wiedersehen, indem ich mich zugleich von ganzem Herzen Deiner Gunst empfehle." Besonders aufschlußreich für das innige Verhältnis des Paares ist ein Brief Oraniens vom 5. Dezember 1555: „Liebe Frau! Bereits durch zwei meiner früheren Schreiben ersuche ich Dich darum, daß Du über mein Hab und Gut ganz ebenso verfügen möchtest wie über das Deinige. Wie ich Dir schon sagte, was Mein ist, ist auch Dein; auch machen mir hier so viele Dinge Kopfzerbrechen, daß ich mich nicht gut meinen eigenen Geschäften 26
widmen kann. Du bemerkst übrigens, liebe Frau, in Deinem letzten Brief, weil ich so lange nicht geschrieben habe, seiest Du in Sorge und wissest nicht, ob ich nicht auf Dich erzürnt sei: Ist denn die Freundschaft, die zwischen uns beiden besteht, nicht groß genug, um solchen Argwohn zu bannen? Kannst Du mir zutrauen, daß ich grundlos zürne? Wenn ich so lange geschwiegen habe, so war das nur deshalb, um Dir etwas Bestimmtes darüber mitteilen zu können, welches die Absichten des Königs bezüglich des Lagers sind. Ich versichere Dich, daß ich nichts anderes wünschte, als von Dir geliebt zu werden, wie ich Dich liebe, und wenn ich nicht genau wüßte, daß Du mich liebst, so würde mir nicht so leicht zumute sein, wie mir jetzt ist. Das weiß der Schöpfer, den ich bitte, uns die Gnade zu gewähren, daß wir unser ganzes Leben in dieser wahren Herzensfreundschaft leben dürfen, und von ganzem Herzen empfehle ich m^ch Deiner Gunst." „Wenn ich Dich nicht so sehr liebte, würde ich mich nicht so oft nach Dir sehnen; wollte es Gott, daß meine Wünsche in Erfüllung gingen, so würde ich diese Nacht nicht fern von Dir sein, und während ich jetzt mein Kopfkissen umarmen muß, würde ich Dich, mein Liebchen, umarmen — Dich, die ich mehr liebe, als alles andere in der Welt, und die mich, hoffe ich, ebenso heiß liebt." Beziehungsvoll scherzt der Prinz in einem Brief vom 15. Dezember 1555: „Wenn das Geld für die Soldaten da ist, so eile ich heim zu Dir, und dann wollen wir sehen, ob ,klein Annchen' mich wird zähmen können. Ich fürchte gar sehr: Ja! Freilich scheint's mir jetzt noch schwer; aber es wird wohl so kommen, wie es immer war, und sie wird den Sieg davon tragen." Anfang Dezember 1553 wurde das erste Kind von Wilhelm und Anna geboren, ein Mädchen, das den Namen Maria erhielt. Ein Jahr später, am 19. Dezember 1554, gebar Anna einen Sohn, der auf den Namen Philipp Wilhelm getauft wurde. Der Wunsch des Prinzen, mit Anna das ganze Leben in „wahrer Herzensfreundschaft" leben zu dürfen, erfüllte sich nicht. Bei seinem Aufenthalt in Frankfurt am Main empfing er am 11. März 1558 einen Brief, in dem ihm seine Frau am 27. Februar geschrieben hatte, daß sie erkrankt sei. Als Wilhelm am 20. März wieder in Breda eintraf, lag Anna im Sterben. Am 24. März war ihr Todeskampf zu Ende. Wilhelm von Oranien war tief erschüttert und verfiel selbst in eine Art Nervenfieber. Bischof Granvelle und König Philipp sprachen ihm ihr Beileid aus und suchten ihn zu trösten. Dankbar schrieb Oranien an Granvelle: „Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, indem ich die Zuneigung 27
und Freundschaft erkenne, die Sie mir beweisen. Aber weil es Gott so gefallen hat und wir uns in allem seinem heiligen Willen fügen müssen, so bitte ich ihn, daß er mir die Kraft schenke, mein Unglück in Geduld zu tragen, und daß er der Seele der Verstorbenen Ruhe gebe." Seinem Vater antwortete er auf dessen Beileidsschreiben: „Wie schwer dieser Verlust mir und meinen jungen Kindern fallen wird, kann Eure Liebe leicht bei sich ermessen. Weil es nun aber nicht zu ändern ist und weil man dem Willen des Herrn nicht in Ungeduld widerstreben darf, muß ich es dem ewigen Gott, als dem Herrscher und Gebieter aller Dinge, anheimstellen und mir an seinem gnädigen Willen genügen lassen; insonderheit muß ich mich auch damit trösten, daß er der verstorbenen Seligen die Gnade erzeigt hat, daß sie mit gutem Verstand christlich und wohl verschieden ist." Dem jungen Witwer blieb wenig Zeit, sich in Meditationen über sein Schicksal zu ergeben. Seit seiner Mündigsprechung stand er als Truppenbefehlshaber im Dienste Karls V. und später König Philipps II., und diese Aufgabe sowie politische Geschäfte forderten sein volles Engagement.
Ritter des Goldenen Vlies
Schon kurz nach seiner Hochzeit mit Anna von Buren war Wilhelm von Oranien im Juli 1551 von der Generalstatthalterin Maria von Ungarn mit der Werbung von 200 Reitern beauftragt worden. Karl V. rüstete für einen neuen, seinen fünften Krieg gegen Frankreich, der im Frühjahr 1552 losbrach und fast ausschließlich im niederländisch-französischen Grenzgebiet geführt wurde. Am 27. April 1552 wurde der gerade achtzehnjährige Oranien zum Oberst ernannt, erhielt den Befehl über zehn Kompanien Infanterie und mußte ins Feld rücken. Voller Eifer und Ehrgeiz widmete sich Oranien der neuen Aufgabe und erhielt für sein Engagement und sein Geschick bei der Werbung und Musterung seiner Truppen die Anerkennung der Generalstatthalterin. Stolz schrieb er an seine Frau: „Ich habe gestern von der Königin Briefe empfangen, so angenehmen Inhalts, wie sie je in ihrem Leben irgendwem geschrieben hat. Sie hat mir ihre große Befriedigung über meinen Eifer ausgedrückt und mich gebeten, darin stets fortzufahren; obendrein hat sie alles meinem Ermessen anheimgestellt. Ich bitte den Schöpfer, mir seine Gnade zu verleihen, daß er mich in diesem guten Ansehen erhalte." Die Motivation für die Einsatzbereitschaft entsprang sicher zum einen seinem Bestreben, sich vor der Generalstatthalterin und dem Kaiser auszuzeichnen und sich so für hohe und höchste Ämter zu empfehlen. Dabei war ohne Frage die Aussicht auf ein einträgliches Einkommen ein lockendes Ziel, denn trotz seiner reichen Besitzungen war Oranien wie fast alle Angehörigen des niederländischen Hochadels verschuldet — die luxuriöse Lebensführung, die rauschenden Feste und die prachtvollen Bauten verschlangen ungeheure Summen. Zum anderen spielten aber auch ideelle Motive eine Rolle. Als Fürst von Orange war Wilhelm zwar souverän, aber durch seine niederländischen Besitzungen war er Lehnsmann Karls V. Der Heran29
wachsende war zum Vasallendienst für seinen Landesherrn erzogen worden und fand seine persönliche Erfüllung darin, seinen Verpflichtungen als Lehnsmann gerecht zu werden, wie er es aber auch als Selbstverständlichkeit ansah, von seinem Landesherrn in seinen Besitzungen und Privilegien geschützt zu werden. Ohne sich als Befehlshaber besonders auszuzeichnen, war Oranien an den mit wechselndem Erfolg geführten Feldzügen der Jahre 1552 bis 1555 beteiligt. Daher war es offenkundig Protektion durch Karl V., als er am 22. Juli 1555 zum Oberbefehlshaber und Generalkapitän der kurz zuvor aufgestellten Maas-Armee ernannt wurde. Die MaasArmee mit einer Stärke von 18000 Mann, darunter 3000 Reiter, war erst im Mai 1555 gebildet worden. Das Oberkommando hatte der wegen seiner grausamen Kriegführung berüchtigte Maarten von Rossem erhalten. Rossem war am 7. Juni an der Pest gestorben. Als Nachfolger wurden dem Kaiser vom Staatsrat und der Generalstatthalterin bewährte Feldherren vorgeschlagen, so Graf Egmont, Graf Lalaing und Jean de Ligny, Graf von Aremberg. Karl fragte, warum man ihm nicht Wilhelm von Oranien genannt habe, und erhielt zur Antwort, daß dieser für ein so hohes und verantwortungsvolles Amt noch zu jung und unerfahren sei. Dennoch zog der Kaiser den Zweiundzwanzigjährigen den berühmten Heerführern vor. Diese Entscheidung entsprang der tiefen Zuneigung Karls zu dem hochgebildeten jungen Edelmann, dessen Entwicklung er seit dessen Übersiedlung in die Niederlande mit Interesse verfolgt und gefördert hatte und von dem er sich für die Zukunft viel versprach. Wilhelm von Oranien schien die Tradition des Hauses Nassau im treuen Dienst für die Habsburger fortzusetzen. Zudem sah der Kaiser in ihm immer den Erben Renés von Chalon, der ihm persönlich sehr nahe gestanden hatte. Wenige Monate später erfuhr Oranien erneut eine hohe Ehrung. Im Feldlager erhielt er den Befehl Karls V., sich am 19. Oktober in Brüssel einzufinden. Karl bereitete das eingangs geschilderte große Spektakulum seines Rücktritts als Landesherr der niederländischen Territorien zugunsten seines Sohnes Philipp vor. Auf die Schulter Wilhelms von Oranien gestützt, trat er dann am 25. Oktober 1555 vor die versammelten Generalstaaten und den Hochadel des Landes und demonstrierte so das besondere Vertrauensverhältnis zu seinem Schützling. Oranien war sich durchaus nicht sicher, ob er auch mit der Gunst des neuen Landesherrn rechnen durfte. So recht leiden 30
konnten sich beide, die sich in frühester Jugend kennengelernt hatten, nie. Am 26. Oktober befand sich Oranien schon wieder im Feldlager. Einen Tag später schrieb ihm Philipp, daß mit seinem Regierungsantritt zwar alle alten Anstellungen aufgehoben seien, daß er ihn aber in seinem Amt als Generalkapitän bestätige. Ein weiterer Gunstbeweis folgte am 18. November 1555 mit der Ernennung zum Mitglied des Staatsrats. In dem Ernennungsschreiben rühmte Philipp die Weisheit, Erfahrung und Umsicht Oraniens. Zugleich dankte er ihm ausdrücklich für die guten Dienste, die er bisher seinem Hause erwiesen habe. Hatte Philipp damit schon gezeigt, daß er trotz persönlicher Antipathien bemüht war, wenigstens äußerlich das gute Verhältnis seines Vaters zu einem der vornehmsten und begabtesten Angehörigen des niederländischen Hochadels zu bewahren, so bekräftigte er diese Absicht Anfang 1556 mit einer besonderen Auszeichnung. Am 16. Januar 1556 war Philipp von seinem Vater die Königswürde von Spanien übertragen worden. Drei Tage später, am 19. Januar, trafen sich in Antwerpen in der Abtei St. Michael die Ritter des Ordens des Goldenen Vlies zu ihrem 22. Kapitel, ihrer Hauptversammlung. Philipp II. war als Landesherr der niederländischen Territorien und Nachfolger der burgundischen Herzöge Haupt des Ordens. In scheuer Bewunderung verfolgten die Einwohner von Antwerpen den feierlichen Einzug der Vliesritter in die Kapelle. Die Ordensritter waren mit einem scharlachfarbenen, bis auf den Boden schleppenden Mantel bekleidet und trugen einen gleichfarbigen Hut. Jeder war mit einer Halskette aus blau emaillierten und in Gold eingefaßten Feuersteinen geschmückt, an der das Symbol des Ordens hing, ein Lamm mit goldenem Fell. Zusammen mit Ferdinand von Habsburg, Philipps Sohn Carlos, Charles de Berlaymont und dem Herzog von Aarschot wurde Wilhelm von Oranien am 27. Januar zum Mitglied des Ordens gewählt und am 30. März in feierlicher Zeremonie aufgenommen. Der Orden des Goldenden Vlies war vom burgundischen Herzog Philipp dem Guten anläßlich seiner Hochzeit mit Isabella von Portugal am 10. Januar 1430 in Brügge gegründet und dem Heiligen Andreas, dem Schutzheiligen des Hauses Burgund, geweiht worden. Bei der Gründung gehörten dem Orden vierundzwanzig, später stets dreißig Ritter an. Haupt des Ordens war der jeweils regierende Herzog von Burgund. Als Mitglieder wurden Angehörige der vornehmsten Adelsfamilien der burgundischen Territorien aufgenommen, zuweilen auch benachbarte Fürsten. Mit der Gründung des Ordens 31
versuchte Philipp der Gute, die führenden Adelsgeschlechter der nur durch seine Herrschaft in Personalunion zusammengefügten Territorien an seine Person zu binden und so allmählich unter dem Hochadel ein gesamtburgundisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu wecken, das seinen zentralistischen Bestrebungen dienlich war. Seine Nachfolger setzten diese Politik fort, und auch die Habsburger gebrauchten nach Übernahme des burgundischen Erbes den Orden in diesem Sinne. Das Statut des Ordens bestand aus vierundneunzig Artikeln, von denen die meisten die enge Verbindung des Landesherrn mit den Ordensrittern betonten. Wie der Leitspruch des Ordens besagte — „Aultre n'aray" (Ich werde keinen anderen haben) —, waren die Ordensritter dem Landesherrn zu unbedingter Treue und Gefolgschaft verpflichtet. Sie mußten Tapferkeit im Kampf zeigen und ihre ritterliche Ehre reinhalten. Dafür genossen sie eine Reihe besonderer Vorrechte. Sie durften dem Fürsten, der sie zu seinen Waffenbrüdern erhoben hatte, gebeten und ungebeten Rat erteilen, sowohl in persönlichen als auch in Regierungsangelegenheiten. Sie besaßen ein Vorzugsrecht bei der Vergabe hoher Regierungsämter, bei der Einsetzung von Statthaltern in den einzelnen Territorien, auf die Mitgliedschaft in den fürstlichen Räten und auf die höchsten Kommandostellen in der Armee. Bei Rechtsverletzungen unterstanden die Ordensritter nur dem Urteilsspruch des Ordens und durften vor kein anderes Gericht gestellt werden. Mit der Aufnahme in den Orden des Goldenen Vlies war Wilhelm von Oranien in den engsten elitären Kreis des niederländischen Hochadels aufgerückt und galt nun offiziell als einer der Vertrauten Philipps II. Er bemühte sich ehrlich, seine persönliche Abneigung gegen Philipp zu unterdrücken und auch seinem neuen Landesherrn sowohl in seinem militärischen Kommando als auch in seinen Verpflichtungen in der Verwaltung der Niederlande nach besten Kräften zu dienen. Eine äußerst mühselige und nervenaufreibende Aufgabe war für Oranien die Entlassung der Maas-Armee nach Abschluß des erfolglosen Feldzugs des Jahres 1555. Krankheiten, schlechtes Wetter und vor allem die unregelmäßigen Soldzahlungen hatten die Truppen völlig demoralisiert. Um einer allgemeinen Meuterei zuvorzukommen, blieb Philipp nichts weiter übrig, als die Armee zu verabschieden, da er kein Geld für ihren weiteren Unterhalt zur Verfügung hatte. Auch für die Zahlung des rückständigen Solds fehlten die nötigen
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Vetter, O r a n i e n
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Kaiser Karl V. Stich von F. Hogenberg.
3
Anna von Buren, Oraniens erste Frau. Gemälde von M. Geeraerts.
6
König Philipp I I . von Spanien. Stich von F. Hogenberg.
8
Anna von Sachsen, Oraniens zweite Frau. Anonym.
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Titelblatt einer zeitgenössischen Schrift über die Hochzeit Wilhelms von Oranien und Annas von Sachsen.
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Margarethe von Parma. Generalstatthalterin der Niederlande 1559—1567. Stich aus E. van Meteren.
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Herzog Alba. Generalstatthalter der Niederlande 1567 bis 1573. Stich aus E. van Meteren.
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Porträt der vier Brüder Oraniens. Gemälde aus dem Atelier von Wybrandt de Geest.
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Summen, und Oranien als Generalkapitän mußte die aufgebrachten und enttäuschten Söldner bewegen, sich mit Teilzahlungen zu begnügen, und sie für den ausstehenden Rest auf bessere Zeiten vertrösten. Vom November 1555 bis zum Januar 1556 zogen sich die Entlassungen hin, und immer wieder mußte Oranien in den Ring der Landsknechte treten, um die erregten Gemüter zu beruhigen. Schließlich standen nur noch die spanischen Infanteriekontigente unter der Fahne, die ja fern von ihrer Heimat nicht entlassen werden konnten. Da für deren Unterhalt nur kärgliche Mittel zur Verfügung standen, versorgten sie sich selbst durch Plünderungen von Dörfern. Hilflos schrieb Oranien an Philipp: „Ich kann dem nicht steuern und sie noch weniger dafür bestrafen; denn die Not kennt kein Gebot." Endlich wurden die Spanier als Garnison in luxemburgische Städte gelegt. Ende Januar begab sich Oranien nach Brüssel, um sein Kommando niederzulegen. Am 5. Februar schloß Philipp mit Frankreich einen auf fünf Jahre befristeten Waffenstillstand. Doch auch nach dem Niederlegen seines hohen militärischen Kommandos war Oranien voll mit den niederländischen Angelegenheiten Philipps II. beschäftigt. Sein wichtigster Auftrag bestand zunächst darin, Philipp aus der finanziellen Not zu helfen. Philipp wollte neue Steuern erheben, und die Mitglieder des Staatsrats erhielten den Auftrag, den Widerstand der Staaten gegen dieses Anliegen des Landesherrn überwinden zu helfen. Oranien sollte bei den Staaten von Brabant das Verlangen Philipps durchsetzen. Im Juli und August 1556 führte Oranien intensive Verhandlungen mit den Staaten von Brabant in Brüssel. Doch all seine Überredungskunst und schließlich auch die Drohungen, mit denen er die Steuern durchsetzen wollte, blieben wirkungslos. Oranien trat sehr energisch gegenüber den Staaten auf und forderte sogar, daß auch der Generalstatthalter (in dieser Zeit Herzog Emanuel Philibert von Savoyen) einen schärferen Ton gegenüber den Ständevertretern anschlagen müsse. Doch äußerte er auch Verständnis für die Staaten, weil das Land durch die Kriegslasten ausgeblutet sei und es wirklich schwerfalle, neue Steuern aufzubringen. Auf Anregung Oraniens verabschiedete der Staatsrat schließlich eine Remonstration, in der Philipp II. die schweren Belastungen der Niederlande vor Augen geführt wurden. Der Staatsrat empfahl Philipp, mehr Geld aus Spanien kommen zu lassen. Wenn dies nicht möglich sei, müßte Philipp die niederländischen Edelleute von ihrer Verpflichtung, die neuen Steuern durchsetzen zu helfen, entbinden, denn sonst würden diese im Lande ihr Ansehen verlieren. 3
Vetler, Oranien
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Erst im Juli 1557 konnte Oranien die Zustimmung der Staaten von Brabant zu einer neuen Steuer erreichen. Inzwischen hatte Frankreich im Januar 1557 den Waffenstillstand gebrochen. Im April 1557 verhandelte Oranien in Köln mit dem Erzbischof und Kurfürsten über eine Allianz der drei geistlichen Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz mit Philipp gegen Frankreich ohne Erfolg allerdings. Wenig später führte er in Breda im Auftrag Philipps Gespräche mit dem Herzog von Kleve, um ein Bündnis deutscher Fürsten gegen Frankreich zustande zu bringen. Schließlich zog er im August 1557 als Oberst eines Reiterregiments wieder in den Krieg, der nun vor allem in der Pikardie geführt wurde. Oranien war mit seinem Regiment an der Einnahme von St-Quentin beteiligt, bei der zahlreiche hohe französische Adlige gefangengenommen wurden — unter ihnen auch der berühmte Admiral Coligny. Zwei der Gefangenen, der Marschall von Frankreich Jacques d'Albon, Herr von St. André, und Johann Philipp, Rheingraf von Dhaun, wurden Oranien zur Verwahrung auf seinem Schloß Breda übergeben. Wilhelm von Oranien engagierte sich auch in dem langwierigen Erbschaftsstreit seiner nassauischen Familie mit den Landgrafen von Hessen um den Besitz der Grafschaften Katzenelnbogen, der im Juni 1557 auf einer Zusammenkunft in Frankfurt am Main endlich beigelegt wurde. Oranien reiste nach Frankfurt zu den abschließenden Verhandlungen, an denen sein Vater Wilhelm von Nassau, dessen Gegner Philipp von Hessen, die Kurfürsten von der Pfalz und von Trier sowie die Herzöge von Kleve und Württemberg teilnahmen. Hessen behielt Katzenelnbogen, das Haus Nassau-Dillenburg durfte aber Titel und Wappen der Grafschaften führen und bekam eine Entschädigung von 600000 Gulden. Im November 1557 wurde Oranien von ^Philipp in dringlicher Angelegenheit nach Brüssel gerufen. Wieder sollte er bei der Aufbringung neuer Gelder für den Krieg gegen Frankreich behilflich sein. Philipp II. hatte ursprünglich nur einige Abgeordnete der Generalstaaten nach Valenciennes eingeladen, um mit ihnen separat über die Bereitstellung von Geld zu verhandeln. Er mußte sich jedoch dem scharfen Protest von Brabant beugen und die vollzähligen Generalstaaten nach Brüssel berufen. Hier legten die Abgeordneten in bisher ungewohnter Schärfe ihren Standpunkt dar: Der Krieg gegen Frankreich habe nichts mit den Interessen der Niederlande zu tun, und es sei nicht recht einzusehen, warum diese ihn finanzieren sollten. Aber schließlich erklärten sich die Generalstaaten 34
nach zähen Verhandlungen doch bereit, neun Jahre lang einen festen Betrag für Philipp aufzubringen. Anfang 1558 hielt sich Oranien in Antwerpen auf. Wieder hatte er für Philipp II. finanzielle Angelegenheiten zu klären. Gegen seine und die Bürgschaft anderer Adliger nahm er für Philipp bei englischen Kaufleuten ein Darlehen von 30000 Talern auf. Unmittelbar darauf mußte er nach Frankfurt am Main reisen, wo die Kurfürsten des Reiches versammelt waren, um die offizielle Kaiserproklamation Ferdinands von Habsburg vorzunehmen. Schon 1556, bei seinem Rücktritt vom politischen Leben, hatte Karl V. seinem Bruder die Regierungsgeschäfte im Reich übertragen. Oranien hatte nun den Auftrag, die Reichsinsignien zu überbringen und zugleich vor dem Kurfürstenkollegium den förmlichen Verzicht Karls V. auf die Kaiserwürde auszusprechen. Am 14. März 1558 wurde Ferdinand I. als erwählter Kaiser proklamiert. Hier in Frankfurt empfing Oranien am 11. März den Brief seiner Frau aus Breda, in dem sie ihm ihre Erkrankung mitteilte. Nur wenige Tage danach war sie verstorben. Im Juni 1558 nahm Oranien bereits wieder als Befehlshaber einer Kompanie am nächsten Feldzug Philipps gegen Heinrich II. von Frankreich teil, der durch einen glänzenden Sieg unter Führung Egmonts bei Gravelingen am 13. Juni 1558 entschieden wurde. Beide Seiten waren durch den langen Krieg völlig erschöpft und betrieben ernsthafte Friedensverhandlungen, bei denen Oranien eine wichtige Rolle spielte. Er war es, der im Auftrag Philipps II. über seinen französischen Gefangenen St. André die ersten geheimen Kontakte zum französischen Hof aufnahm. Unter dem Vorwand, das Geld für seine Auslösung aus der Gefangenschaft aufzubringen, erhielt der Marschall auf Ehrenwort zwei Monate Urlaub nach Frankreich. Tatsächlich sollte er aber die Stimmung am französischen Hof im Hinblick auf Friedensverhandlungen sondieren. St-André hielt sein Wort. Schon Mitte August kehrte er in die Niederlande zurück und übermittelte die Verhandlungsbereitschaft des Königs von Frankreich. Am 17. Oktober 1558 wurde Waffenstillstand geschlossen, und alsbald begannen die Friedensverhandlungen, die zunächst in Lille, dann in Cercamp geführt wurden. Die Bevollmächtigten Philipps II. waren sein spanischer Minister Ruy Gómez da Silva, Fürst von Eboli, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, Antoine Perrenot, Herr von Granvelle, Bischof von Arras, der friesische Jurist und Vorsitzende des Staatsrats Ayatta Wigle van Zwichem, genannt 3*
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Viglius, und Wilhelm von Oranien. Im Februar 1559 wurden die Verhandlungen nach Cateau-Cambresis verlegt und fanden dort am 3. April 1559 mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages ihren Abschluß. Der Besitzstand an der niederländisch-französischen Grenze wurde im wesentlichen wieder so hergestellt, wie er 1552 bei Ausbruch des Krieges war. Die Verbündeten Spaniens, England und das Reich, erlitten Verluste: England mußte mit Calais seinen letzten Festlandsbesitz an Frankreich abtreten, das Reich verlor endgültig die lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun, die bereits 1552 durch Kurfürst Moritz von Sachsen an Frankreich verpfändet worden waren. Dafür verzichtete Frankreich zugunsten Spaniens auf alle italienischen Eroberungen. Der über ein halbes Jahrhundert währende Kampf um die Beherrschung Italiens war damit auf Kosten Englands und des Reiches zugunsten Spaniens und des Hauses Habsburg entschieden worden. Durch den Friedensschluß erhielt Oranien sein Fürstentum Orange zurück, das bei Beginn des Krieges von Frankreich besetzt worden war. Es gehörte zu den Gepflogenheiten der Zeit, als Garantie für die Einhaltung von Friedensschlüssen gegenseitig vornehme Geiseln auszutauschen. Auf Wunsch von Philipp II. nahmen es Alba, Egmont und Oranien auf sich, als Geiseln nach Frankreich zu gehen. Die drei verließen Brüssel am 1. Juni 1559. Ihre erste Aufgabe bestand darin, der förmlichen Vollziehung des Friedens in Paris als Zeuge beizuwohnen. Am 18. Juni beschwor Heinrich II. in der Kirche NotreDame den Friedensvertrag, der vier Tage später mit einer Hochzeit besiegelt wurde. Der zweiunddreißigjährige Philipp II. heiratete Elisabeth von Valois, die vierzehnjährige Tochter König Heinrichs II. von Frankreich. Die Vermählung wurde am 22. Juni in Paris durch Prokuration, d. h. in Abwesenheit Philipps, durch Vollmacht vollzogen. Wilhelm von Oranien hatte seit seiner Mündigkeit als militärischer Befehlshaber, in seinen Verpflichtungen als Mitglied des Staatsrats, in diplomatischen Missionen und in der Abwicklung von Finanzgeschäften für seinen Landesherrn seine Kräfte nicht geschont. Krankheiten, den Schmerz um den Tod eines Kindes und schließlich um den Verlust seiner Frau überwand er mit eiserner Energie und bemühte sich, seinen Verpflichtungen trotz persönlicher Schicksalsschläge gerecht zu werden. Doch bei alledem vergaß er nicht, sein Adelsleben in vollen Zügen zu genießen. Wilhelm von Oranien achtete sehr auf sein Äußeres und ging stets nach der letzten Mode gekleidet. Schon an seiner Erscheinung 36
konnte jeder seinen hohen Stand erkennen. Hielt er sich in Brüssel auf, so wohnte er in seinem Stadtschloß, dem Hof von Nassau, der als eins der schönsten Gebäude der Residenz galt und mit kostbarem Interieur ausgestattet war. Sein Lieblingsaufenthalt war aber das Kastell von Breda, über das ein Zeitgenosse schrieb: „Kurzum, es ist die stärkste und zugleich schönste Burg, die wir bis dahin in Deutschland sahen; wohl sahen wir solche, die schöner waren, und auch solche, die stärker waren; aber schöner und zugleich stärker sahen wir keine." In Breda hatte sich Oranien einen Tiergarten eingerichtet und hielt sich dort Pferde aus bester Zucht sowie eine Koppel englischer Jagdhunde. Liebste Zerstreuung und körperliche Übung war ihm die Jagd, wobei er die Falkenjagd bevorzugte. Aber auch an ritterlichen Turnieren und Spielen beteiligte er sich gern. Oranien war von einem glänzenden Gefolge dienender Edelleute und -pagen umgeben. Immer wieder baten ihn deutsche Fürsten um die Aufnahme junger Adliger in sein Gefolge, damit sie dort die vollendeten und zeitgemäßen Hofsitten lernen und diese dann später im Dienste ihres Landesherrn anwenden konnten. Insgesamt gehörten zum Hofstaat Oraniens 160 Personen. Besonders achtete er auf ein ausgesuchtes Küchenpersonal. Bezeichnend ist, daß Oranien, als er einmal zu Sparmaßnahmen greifen mußte, allein aus der Küche achtundzwanzig Bedienstete entließ. Die gute Küche Oraniens war weithin berühmt. Köche von vielen Fürstenhöfen wurden „zur Qualifizierung" nach Breda geschickt, und selbst Philipp II. bat Oranien einmal um die Überlassung eines Koches. Das Kastell Breda und der Hof von Nassau sahen rauschende Feste und große Eß- und Trinkgelage. Die Eß- und Trinklust Oraniens war allgemein bekannt, wobei ihm zugute kam, daß er ein sehr trinkfester Mann war — eine nicht unwichtige Eigenschaft bei den Unmengen Wein und Bier, die bei den häufigen Gelagen vertilgt wurden. Nicht selten kam es vor, daß sich jemand regelrecht zu Tode trank. Von einem solchen Fall berichtete Graf Günther von Schwarzburg, der an einem Fürstentreffen in Naumburg teilgenommen hatte, in einem Brief an Oranien: „Des Rheingraffen bruder hat sich zu Naumburg von einem trunck Malfasir den abent übel befunden. Dan ich etliche Fürsten und Gräffen zu gast gehapt, und mehr da getruncken worden dan gessen, hat ihn der schlagk also baldt gerürt und den dritten tagk verschieden, hat man ihn balsamirt in sine lande gefürt." Natürlich brauchten auch wackere Trinker wie Oranien am Tag 37
nach dem Gelage einige Zeit, um den Rausch auszuschlafen. Vielleicht hängt damit eine Gepflogenheit zusammen, die im 16. Jahrhundert, von Italien ausgehend, in vornehmen Adelskreisen aufkam und vornehmlich von den Fürsten gepflegt wurde: Man empfing am Vormittag seine Besuche im Bett liegend. Oranien hatte im Hof von Nassau ein besonders breites Bett, auf dem sich vertraute Besucher ebenfalls ausstreckten und auf dem dann zuweilen stundenlang Gespräche geführt wurden — selbstverständlich wurden dazu Speisen und ein guter Trank gereicht. Auch in bezug auf Frauen hat Oranien wahrhaftig kein Mönchsleben geführt. Es gehörte beim niederländischen Hochadel zum guten Ton, daß man neben der Ehefrau Geliebte besaß — Kaiser Karl V. hatte dies persönlich vorgelebt. Oranien erklärte 1557 bei seinem Aufenthalt in Frankfurt am Main ohne Scheu im Gespräch mit dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Württemberg, die Ehe sei dazu bestimmt, Erben zu zeugen, ansonsten wäre es keine Sünde, wenn man sich außerhalb der Ehe Konkubinen halte. Aus einem Verhältnis mit Eva Ellings, die wahrscheinlich die Tochter eines Bürgermeisters von Emmerik war, wurde Oranien im September 1559 ein Sohn geboren, der den Namen Justinus von Nassau erhielt. Oranien ließ dem Kind eine gute Erziehung angedeihen, schickte es auf die Universität Leiden und ermöglichte ihm so den späteren Zugang zu hohen Staatsämtern. Es gibt nicht wenige deutliche und versteckte Hinweise auf Liebesabenteuer von Oranien. Sehr wahrscheinlich hat er ein Verhältnis mit einer Frau von Lierde gehabt. Dann ist die Rede von einer Mademoiselle de Mandrimont und einer namentlich nicht genannten „Dame in Weiß". Granvelle schrieb später einmal, daß der Generalstatthalter Emanuel Philibert von Savoyen, bei seiner Einsetzung 1555 erst siebenundzwanzig Jahre alt, mit anderen jungen Adligen — u. a. Oranien, Egmont und Hoorn — Streifzüge durch das nächtliche Brüssel unternahm und sich mit ihnen „an schlechten und niederen Orten" aufhielt. Anderen Tages seien die Herren dann unausgeschlafen zu den Ratssitzungen gekommen. Natürlich kann dies eine Verleumdung des damals schon längst mit Oranien tödlich Verfeindeten gewesen sein; aber auch der Graf von Berlaymont erinnerte sich, daß Oranien gegenüber den „maykens" von Brüssel sehr freigiebig war. Wie auch immer, fest steht, daß Oranien sein Leben in vollen Zügen genoß und nichts ausschlug, was es ihm bot. Aber im Unterschied zu manchem Vertreter seiner Klasse lebte er nicht in den 38
Tag hinein, sondern nahm zahlreiche Verpflichtungen bei der Organisation und Sicherung des eigenartigen feudalen Staatsgebildes der Niederlande wahr. Hatte er die Geschichte der Niederlande sowie deren staatliche und gesellschaftliche Verhältnisse schon durch seine gründliche Ausbildung im Jünglingsalter gut kennengelernt, so waren diese Kenntnisse durch seine rege Teilnahme an der aktuellen Politik im Dienste Karls V. und Philipps II. noch vertieft und erweitert worden. Oranien hatte sich auch mit dem Kriegshandwerk beschäftigt und solide Kenntnisse in der Truppenführung erworben, ohne allerdings als Feldherr besonders erfolgreich gewesen zu sein. Für seine diplomatischen Missionen und für sein Engagement im Erbschaftsstreit seiner Familie mit den Landgrafen von Hessen hatte er sich notgedrungenermaßen in die verwickelten politischen Verhältnisse im Reich einzuarbeiten, um sich einen genauen Überblick über die machtpolitischen Interessen und die daraus entspringenden Kräftekonstellationen und Mächtegruppierungen zu verschaffen. Im Reich war nach der Zerschlagung des Bauernkrieges die lutherische Reformation mehr und mehr von Territorialfürsten in ihrem Interesse genutzt worden. Die zum Luthertum übergetretenen Fürsten hatten Landeskirchen aufgebaut, deren Oberhaupt sie selbst waren, sowie den Besitz der katholischen Kirche eingezogen und zu ihren Domänen gemacht. Dies geschah zuerst in Sachsen und Hessen, später in Württemberg, der Pfalz, Brandenburg, Mecklenburg, Pommern und anderen Territorien. Im Schmalkaldischen Bund hatten sich 1531 protestantische Fürsten unter Führung des Landgrafen von Hessen und des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen zusammengeschlossen, um ihre Interessen gegen Karl V. verteidigen zu können. Der Kaiser besiegte jedoch die protestantischen Fürsten im Schmalkaldischen Krieg 1546/47. Kurfürst Johann Friedrich und Landgraf Philipp gerieten in Gefangenschaft; Karl V. übertrug die sächsische Kurwürde an Herzog Moritz von Sachsen aus der Albertinischen Linie der Wettiner, der ihn im Kampf gegen den Schmalkaldischen Bund unterstützt hatte. Doch gerade der neue Kurfürst Moritz von Sachsen war es, der sich an die Spitze einer Fürstenopposition stellte, die sich gegen die Zentralisierungsbestrebungen des Kaisers richtete. Im Bündnis mit Frankreich griffen die Fürsten 1552 den Kaiser überraschend in Süddeutschland an und zwangen ihn zur Flucht. Karls Reichspolitik war gescheitert — dies war der Hintergrund für seinen Verzicht auf die Kaiserkrone im Jahre 1556. 39
Am 25. September 1555 wurde vom Reichstag zu Augsburg ein Religionsfrieden verkündet. Den protestantischen Fürsten war es gelungen, Karl V. zur Anerkennung des Status quo zu zwingen. Katholiken und Lutheraner wurden als gleichberechtigt anerkannt, nicht aber Zwinglianer, Kalvinisten und Täufer. Die Landesherren konnten entscheiden, ob ihre Untertanen der katholischen oder der lutherischen Konfession angehören müssen. Es galt der Satz „Cuius regio, eius religio" (Wessen Land, dessen Religion). Allerdings gab es einen „geistlichen Vorbehalt", nach dem geistliche Fürsten beim Übertritt in eine andere Konfession ihrer kirchlichen Würde verlustig gingen. Damit sollte die Säkularisation geistlicher Fürstentümer verhindert werden. Der Augsburger Religionsfrieden hatte zwar den Krieg, nicht aber den Streit der Fürsten um die geistlichen Gebiete beendet. Die staatliche Zersplitterung war durch die konfessionelle Teilung vertieft worden. Über die Verhältnisse im Reich erhielt Oranien ständig Informationen aus seinem Nassauer Vaterhaus, mit dem er zumindest brieflich enge Kontakte hielt. Aufschlußreich für seine familiären Beziehungen ist der Brief Oraniens an seinen Bruder Ludwig auf die Nachricht vom Tode des Vaters, der am 6. Oktober 1559 starb. Oranien hatte wegen der Krönung des neuen französischen Königs Karl IX., an der er als Geisel teilnehmen mußte, nicht zur Bestattung seines Vaters nach Dillenburg kommen können. Oranien, der nunmehr das Oberhaupt der Familie war, schrieb: „Lieber Bruder! Ich kann Dir nicht zur Genüge die Trauer schildern, mit der mich die Kunde vom Hinscheiden unseres guten Vaters, dem Gott verzeihe, erfüllt hat. Denn wir haben einen Vater verloren, dem wir alle so vielen Dank für die große Liebe und Zuneigung schulden, die er uns erzeigte. Aber da es so der Wille Gottes war, müssen wir uns darein schicken und uns bemühen, in des Verewigten Fußtapfen zu treten, damit unser Haus, das mit Gottes Hilfe immer in so gutem Leumunde und so hoher Achtung gestanden hat, nicht Schaden leide, sondern vielmehr erhöht werde, und das kann leicht erfolgen, wenn wir, seine Kinder, in guter Eintracht und Liebe leben. Ich will Dir die feste Versicherung geben, daß es dabei auf meiner Seite an nichts gebrechen soll und daß ich Euch allen stets beistehen werde, sowohl mit Rat als auch in allen anderen Stücken, in denen ich Euch nützen kann; ich bin auch gewiß, daß Ihr Eurerseits dasselbe tun werdet und daß Ihr insbesondere untereinander zur Wohlfahrt des Hauses in guter Freundschaft und Eintracht lebt und alles gemeinschaftlich mit gutem Bedacht unternehmt. Sonst 40
würde unser Haus, das stets in so gutem Ansehen stand, Schaden nehmen und herabsinken; ich meines Teils werde, wie schon gesagt, sehr gern meine Kräfte einsetzen, um Euch in allen dem zu helfen, was Euch zum Heile und unserem Hause zur Förderung gereicht. Das kannst Du in meinem Namen meinen anderen Brüdern versichern; denn gerade Du weißt ja, welche Zuneigung ich für sie hege. Sei auch unserer Frau Mutter eine Stütze; denn wir sind verpflichtet, ihr nach Kräften zu dienen und ihren Beifall zu erstreben. Darin wirst Du nur Deine Pflicht und einen Gott angenehmen Dienst verrichten, und es wird Dir dies Dein ganzes Leben lang zur Ehre gereichen." Daß diese Versicherungen keine leeren Worte waren, sondern dahinter tatsächlich die Bereitschaft stand, Gut und Blut füreinander und für die Ehre und den Bestand des Hauses Nassau einzusetzen, sollte sich schon weniger als ein Jahrzehnt später zeigen. Im europäischen Rahmen waren es vor allem folgende Punkte, die jeder Politiker bei seinen Überlegungen einzukalkulieren hatte: der Kampf von Habsburg-Spanien und Frankreich um die Beherrschung Italiens, bei dem es letztlich um die dominierende Stellung in Europa ging; die ständige Gefahr einer Ausweitung der türkischen Expansion; die Versuche Frankreichs und Englands, das Monopol von Spanien und Portugal im Handel und in der Seefahrt nach Amerika, Asien und Afrika zu unterlaufen; die Gegenreformation, die durch die Beschlüsse des Konzils von Trient (1545—1563) die verlorenen materiellen, politischen und ideologischen Positionen für die innerlich gefestigte Papstkirche zurückzugewinnen versuchte. Wilhelm von Oranien kannte sich in den politischen Beziehungen und Spannungsherden gut aus. Er hatte die persönliche Bekanntschaft zahlreicher wichtiger Persönlichkeiten seiner Zeit gemacht. Neben Philipp II., dessen engste spanische Vertraute Alba und Gömez sowie den Vertretern des niederländischen Hochadels kannte er z. B. den neuen Kaiser Ferdinand, die Könige Heinrich II. und Karl IX. von Frankreich, den Admiral Coligny, das Haupt des hugenottischen französischen Adels, und fast alle deutschen Reichsfursten. Wilhelm von Oranien war durch das Fürstentum Orange ein Souverän, er war einer der mächtigsten niederländischen Hochadligen, er galt als diplomatisches Talent, und jedermann erwartete, daß er im Dienste Philipps II. eine glänzende Karriere machen und zu höchsten Würden und Ehren gelangen würde.
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Opposition gegen Philipp II. von Spanien
Während seines Aufenthaltes als Geisel in Frankreich will Wilhelm von Oranien nach seinen eigenen Aussagen ein Erlebnis gehabt haben, das für seine weitere Entwicklung entscheidend war. Während einer Jagd im Sommer 1559 habe er mit König Heinrich II. ein vertrautes Gespräch geführt und habe von diesem fürchterliche und ihn tief aufwühlende Dinge erfahren. Doch lassen wir Oranien selbst sprechen : „Als ich in Frankreich war, hörte ich aus dem eigenen Munde König Heinrichs, daß der Herzog Alba mit ihm über die Ausrottung aller hinsichtlich der Religion Verdächtigen in Frankreich, in den Niederlanden und in der ganzen Christenheit verhandelte. Der König meinte, da ich einer der Bevollmächtigten für den Friedensvertrag war, daß ich von diesen so wichtigen Angelegenheiten Kenntnis hätte und daß ich zu derselben Partei gehörte; daher offenbarte er mir die tiefsten Pläne des Königs von Spanien und des Herzogs von Alba. Um nicht beim König in Mißachtung zu kommen, als ob man vor mir Geheimnisse habe, antwortete ich so, daß der König bei seiner Meinung verblieb. Das gab ihm Anlaß zu einer eingehenden und gründlichen Erörterung mit mir über das Projekt der Einsetzung von Inquisitoren. Ich gestehe, daß ich damals von Beileid und Mitgefühl mit so viel trefflichen Menschen ergriffen wurde, die also dem Verderben geweiht wurden, sowie überhaupt mit diesem Lande, dem ich so tief verpflichtet war und in dem man eine Inquisition einführen wollte, noch schlimmer und grausamer als die spanische. Das waren Netze, die gesponnen wurden, um darin die Großen des Landes ebensogut wie das Volk zu fangen, damit die Spanier und ihre Anhänger über diejenigen, denen sie auf andere Weise nicht beikommen konnten, Gewalt bekämen . . . Ich bekenne, daß ich damals, als ich dies gewahrte, wohl wissend, was ich tat, den Entschluß faßte, dabei zu helfen, das spanische Geschmeiß aus dem Lande zu vertreiben, und es reut mich nicht, daß ich dies getan habe." 42
Demnach wurde also Oranien durch das 1559 im Walde von Vincennes Erlebte zum unversöhnlichen Kampf gegen die Spanier inspiriert, um die niederländischen Nichtkatholiken vor dem Verderben zu bewahren. Was Oranien 1580 in seiner „Apologie", seiner Rechtfertigungsschrift gegen den von Philipp II. ausgesprochenen Bann, schrieb, hat mit der Wahrheit nicht viel zu tun. Oranien kannte sich zu gut in der Geschichte und den politischen Verhältnissen der Niederlande aus, als daß es ihm bis 1559 hätte verborgen bleiben können, daß die Ketzer seit langem in den Niederlanden hart verfolgt wurden. Schon am 21. März 1521 hatte Karl V. in Mecheln für seine niederländischen Territorien das erste Edikt gegen die Lehren Luthers erlassen. Zwei Jahre später starben in den Niederlanden die ersten lutherischen Märtyrer: Die Antwerpener Augustinermönche Heinrich Voes und Johannes van Esche wurden am 1. Juli 1523 auf dem Großen Markt von Brüssel verbrannt. Bis zum Jahre 1530 war es Karl V. gelungen, die lutherische Reformation zu unterdrücken. Ihre Führer wurden hingerichtet oder in die Emigration getrieben; die meisten ihrer Anhänger waren so eingeschüchtert, daß sie entweder Widerruf leisteten oder ebenfalls das Land verließen. Bezeichnend ist, was die Generalstatthalterin Maria von Ungarn 1533 an ihren Bruder Karl V. schrieb: Nach ihrer Meinung sollten alle Ketzer, mögen sie reuig sein oder nicht, mit solcher Strenge verfolgt werden, daß der Irrtum gänzlich vertilgt werde, wobei man nur Sorge tragen müsse, das Land nicht gänzlich zu entvölkern. Die zweite große Welle der Ketzerverfolgungen richtete sich gegen die Täuferbewegung, die sich Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre vor allem in den nördlichen Territorien unter den städtischen Mittel- und Unterschichten und den Bauern ausgebreitet hatte. Die Täufer erwarteten, daß die Errichtung eines Tausendjährigen Reiches Gottes auf Erden unmittelbar bevorstünde und ihnen die Erlösung von den Leiden dieser Welt bringen würde, in denen sie ein Werk des Satans sahen. Eine radikale Strömung der Täufer wollte das Reich Gottes in einem bewaffneten Aufstand selbst errichten. Nach der Niederwerfung eines Täuferaufstandes in Amsterdam im Frühjahr 1534 und des Täuferreiches von Münster in Westfalen im Jahre 1535 erwarteten die Täufer nur noch passiv die Wiederkehr Christi. Die feudalen Obrigkeiten sahen aber dennoch in der Täuferbewegung eine ernsthafte Gefährdung der bestehenden Ordnung und haben sie grausam verfolgt. In der Regierungszeit Karls V. wurden in den Niederlanden etwa 2000 Täufer hingerichtet. 43
In den vierziger Jahren begann sich in den Niederlanden der Einfluß des Kalvinismus auszubreiten. Die ersten Gemeinden gab es im Süden, im Gebiet von Tournai und Lille, aber bald griff diese reformatorische Strömung auch auf den Norden über. Sie war von dem Franzosen Jean Calvin begründet worden. Der Kalvinismus besaß im Unterschied zur päpstlichen Autokratie und zu den fürstlichen lutherischen Landeskirchen eine republikanische Kirchenorganisation. An der Spitze der Gemeinden standen Älteste (Presbyter), die von den Mitgliedern gewählt wurden. Auch der Kalvinismus verpflichtete die Menschen zum Gehorsam gegenüber den weltlichen Obrigkeiten, er sprach aber ordnungsgemäß eingesetzten Vertretungskörperschaften — z. B. Ständeversammlungen und städtischen Magistraten — das Recht und die Pflicht zu, der Willkür tyrannischer Fürsten entgegenzutreten. Das Spezifische des Kalvinismus war. die Prädestinationslehre, die Lehre von der absoluten Vorherbestimmung aller Abläufe im Leben eines Menschen durch Gott. Danach hat Gott jeden Menschen entweder zur ewigen Seligkeit oder aber zur ewigen Verdammnis bestimmt. Erfolg oder Mißerfolg im Leben galten als sichtbares Zeichen für Auserwähltheit oder Verwerfung. Jeder wahre Christ war verpflichtet, durch Arbeit, Genügsamkeit und Sittenstrenge seine Auserwähltheit unter Beweis zu stellen. Auch der Kalvinismus wurde durch Karl V. in den Niederlanden rigoros bekämpft. Zum einen, weil seine Lehren zum Teil die bestehende Ordnung in Frage stellten, vor allem aber, weil eine einheitliche katholische Kirche die entscheidende ideologische Voraussetzung für die Festigung und den Ausbau des spanischhabsburgischen Großreiches war. Insgesamt hatte Karl V. von 1521 bis 1555 zwölf Edikte (in den Niederlanden Plakkaate genannt) gegen die Ketzerei erlassen, von denen das vom 25. September 1550 als Rekapitulation aller früheren Edikte und Verordnungen besondere Bedeutung besaß. Dieses Edikt wurde umittelbar nach dem Herrschaftsantritt Philipps II. erneut verkündet und bekräftigt. Danach waren der Druck, die Verbreitung und die Lektüre von Schriften Martin Luthers, Ulrich Zwingiis, Jean Calvins und anderer Reformatoren streng verboten. Alle Zusammenkünfte und Gespräche — auch im Freundes- und Familienkreis — zur Erörterung ketzerischer Lehren waren untersagt. Niemand durfte einen Ketzer oder einen der Ketzerei auch nur Verdächtigen bewirten und beherbergen. Wer einen ihm bekannten Ketzer nicht anzeigte, sollte die gleiche Strafe erleiden wie der Ketzer selbst: Wenn sie ihre „Irrtümer" einsahen, sollten Männer mit dem Schwert gerichtet, 44
Frauen lebendig begraben werden; wenn sie in ihren „Irrtümern" verharrten, waren Männer und Frauen dem Tod auf dem Scheiterhaufen verfallen. Sämtliche Behörden waren angewiesen, diese Verfügungen in aller Strenge durchzusetzen. Schon 1552 hatten Karl V. und der Papst eine „apostolische Sonderinquisition" eingesetzt, die 1546 erweitert und reorganisiert worden war. Sie gab der Inquisiton das Recht, jeden Verdächtigen zu verhören, festzunehmen und an einem Ort ihres Gutdünkens vor Gericht zu stellen — vor allem die letzte Festlegung war ein klarer Verstoß gegen die Privilegien der meisten Territorien, nach denen es keine fremde Jurisdiktion geben durfte. All dies war Oranien im Sommer 1559 gewiß bekannt. Ebenso wußte er wahrscheinlich, daß schon 1544 beim Friedensschluß von Crepy zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich ein Abkommen über ein verschärftes und abgestimmtes Vorgehen gegen die Ketzer getroffen worden war. Es wird allgemein angenommen, daß es auch beim Friedensschluß von Cateau-Cambresis zu einer derartigen Absprache kam — und dabei zählte Oranien ja zu den Verhandlungsführern Philipps II. Die „Apologie" war eine polemische Streitschrift, und Oranien wollte mit der Schilderung des Gesprächs im Walde von Vincennes im nachhinein seiner Rebellion gegen Philipp II. einen, religiösen Anstrich geben. Zweierlei ist aber an dieser Darstellung wahr. Zum einen war Oranien religiöser Fanatismus persönlich fremd, und auch die Form der Glaubensausübung interessierte ihn kaum. Er war zweifellos ein gläubiger Christ, fühlte sich innerlich aber nicht an eine Konfession gebunden und maß Zeremonien keinen besonderen Wert bei. Auf einer Mahlzeit in Antwerpen soll er einmal erklärt haben: Es ist nicht wichtig, auf welche Weise man Gott ehrt, wichtig ist, daß man ihm wirklich dient. Die Entstehung dieser Glaubenshaltung ist nicht bis ins letzte zu klären. Ganz sicher spielte der Übertritt vom Luthertum zum Katholizismus eine Rolle, zu dem der Zwölfjährige gezwungen worden war. Auch die Integration in die Welt des niederländischen Hochadels, in der Fragen des Gottesdienstes im allgemeinen eine untergeordnete Rolle spielten, mag dazu beigetragen haben. So kann man annehmen, daß die strenge Verfolgung der Ketzer Oranien stets zuwider war, er sich jedoch zurückhielt, solange er in politischem Einvernehmen mit Karl V. und Philipp II. war. Zum anderen leitete das Jahr 1559 tatsächlich eine Wende im Verhältnis Oraniens zu Philipp II. ein. Erstmals kam es in diesem Jahr zur offenen Opposition des Prinzen gegen die niederländische Politik Philipps — aber nicht wegen der Verfolgung der Ketzer, sondern 45
wegen der Verletzung der Privilegien des niederländischen Hochadels und der niederländischen Stände. Nach dem Friedensschluß von Cateau-Cambresis begann Philipp II. mit den Vorbereitungen für seine Abreise nach Spanien. Der seit 1551 währende Krieg gegen die Türken und Finanzprobleme forderten dringend seine Anwesenheit. Außerdem hatte er auch ganz einfach Heimweh nach Spanien. Voller Sorgfalt traf er Maßnahmen für die Regierung der Niederlande in seiner Abwesenheit, "Maßnahmen, die den niederländischen Hochadel tief beunruhigten. Egmont, der als Geisel schon entlassen war, schrieb im Juli an Oranien, daß die Dinge in den Niederlanden sehr schlimm stünden. Am 19. Juli drang Hoorn in einem Brief an Oranien darauf, daß dieser beim französischen König um Urlaub bitten und unbedingt an der von Philipp einberufenen Versammlung der Vliesritter teilnehmen möge, aus mancherlei Gründen, die er dem Schreiben nicht anvertrauen wollte. Mehrere Gründe hatten die Herren in Unruhe versetzt. Es war bekannt geworden, daß Philipp eine Reihe ihm bedingungslos ergebener spanischer Beamter im Lande lassen wollte, die der neuen Generalstatthalterin Margarethe von Parma, einer unehelichen Tochter Karls V., mit Rat und Tat zur Seite stehen sollten. Ferner hatten im Staatsrat die auf Philipp eingeschworenen Mitglieder eindeutig das Übergewicht erhalten, an der Spitze der als williges Werkzeug Philipps geltende Antoine Perrenot, Herr von Granvelle und Bischof von Arras. Außerdem hatte Philipp eine Reform der Kirchenorganisation eingeleitet, die am 21. Juli 1559 durch eine päpstliche Bulle sanktioniert wurde. Danach waren die Niederlande nunmehr in achtzehn statt in vier Bistümer unterteilt, die den drei Erzbistümern Mecheln, Utrecht und Cambrai unterstanden. Granvelle wurde Erzbischof von Mecheln und als Kardinal Primas der katholischen Kirche in den Niederlanden. Die neuen Bischöfe erhielten Sitz und Stimme in den Staaten, in denen der Klerus vertreten war. Bischof sollte fortan nur werden können, wer einen theologischen Grad besaß, wodurch die meisten Adligen ausgeschlossen wurden. Realisiert wurde diese neue Kirchenorganisation zwar erst 1561, doch waren die Vorbereitungen dem Hochadel nicht unbekannt geblieben. Zu allem Übel hatte Philipp noch angeordnet, daß 3000 Mann spanische Eliteinfanterie in den Niederlanden bleiben sollten. Oranien hatte vom französischen König den erbetenen Urlaub erhalten, und nun begann Ende Juli zwischen Egmont, bei dem augenscheinlich die Initiative lag, Hoorn und Oranien ein intensiver Meinungsaustausch. Bald war man sich in der Einschätzung völlig einig: 46
Philipp II. versuchte, die Privilegien des niederländischen Adels zunächst auszuhöhlen, um sie dann zerbrechen, die Niederlande ihrer Selbständigkeit berauben und sie als nördlichen Stützpunkt völlig der spanischen Monarchie eingliedern und unterordnen zu können. Diese Politik wollten die niederländischen Großen nicht widerstandslos hinnehmen. Ihre Stimmung blieb aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen. So berichtete der französische Gesandte Sébastian de l'Ausbespine in diesen Tagen nach Paris: „Messieurs le prince d' Orange, d' Aiguemont, d' Orne . . . sonst picquez et ennuyez" (Die Herren Fürst von Oranien, von Egmont, von Hoorn sind gekränkt und verärgert). Es fiel den dreien nicht schwer, den größten Teil des niederländischen Hochadels auf ihre Meinung einzuschwören. Hatten doch bis auf die wenigen bedingungslosen Parteigänger Philipps II. alle Nachteile von den Maßnahmen Philipps zu fürchten. Durch die spanischen Ratgeber verloren sie an Einfluß auf die Generalstatthalterin. Im Staatsrat und in den anderen Räten besaßen ihre Stimmen kaum noch Gewicht. Die neue Kirchenorganisation war ohne Befragung der Stände zustande gekommen, was ein klarer Verstoß gegen die Joyeuse Entrée von Brabant und ähnliche ständische Grundsatzdokumente anderer Territorien war. Mit den neuen Bischöfen und Erzbischöfen hatte Philipp nun in vielen Staaten zuverlässige Mittelsmänner für die Wahrnehmung seiner Interessen. In Brabant z. B. galt die Geistlichkeit als vornehmster Stand, und deren Sprecher war traditionell der Abt von Afïlighem. Die Abtei Afïlighem war nun durch die Reform dem Erzbistum Mecheln zugeordnet und der Erzbischof zugleich zum Abt bestimmt worden — Erzbischof von Mecheln aber war Granvelle. So entstand die für die Stände sehr unangenehme Situation, daß der „Mann des Königs" plötzlich vornehmster Repräsentant der Staaten von Brabant war. Zudem verlor der Adel durch die Klausel, daß die Bischöfe und Domherren akademische Grade besitzen mußten, eine Möglichkeit zur Versorgung seiner Söhne. Und der Verbleib der spanischen Truppen wurde sehr wohl als Drohung Philipps vor eventuellem Widerstand gegen seine Politik begriffen. Der niederländische Adel sah sich mit einer Entscheidung konfrontiert, die im 16./17. Jahrhundert in vielen Feudalstaaten zu beobachten war: dem Versuch der Monarchen, unter Ausschaltung des städtischen Mitspracherechts eine absolutistische Herrschaft zu errichten. Wie überall stieß die absolutistische Politik auch in den Niederlanden auf die ständische Opposition des Adels, der seines politischen Mitbestimmungsrechts nicht verlustig gehen wollte. Auch 47
Karl V. hatte eine derartige Politik schon verfolgt, jedoch sehr behutsam. Die massiven Maßnahmen Philipps erschienen dem niederländischen Hochadel daher wie ein Bruch mit allem Althergebrachten. Oranien und seine Freunde fürchteten um ihren beherrschenden Einfluß in den Niederlanden und waren zugleich in ihrem Stolz und Ehrgefühl verletzt. Philipp II. hatte sich Gent als Schauplatz der letzten großen Versammlungen und Feierlichkeiten vor seiner Abreise ausgesucht. Dorthin hatte er auch die Generalstände und die Ritter des Goldenen Vlies berufen. Am 29. Juli 1559 wurde das Vlieskapitel eröffnet. Im Namen Philipps legte der Ordenskanzler drei Artikel zur Annahme vor: Die Ordensritter sollten sich verpflichten, nur unverdächtige Katholiken zu Mitgliedern zu wählen, auf ihren Besitzungen den katholischen Glauben zu schützen, alle Abweichungen zu bestrafen und, wenn irgend möglich, jeden Tag die Messe zu hören. Völlig überraschend für Philipp erhob sich heftiger Widerspruch. Was sollte diese Verpflichtung? Bedeutete sie die Unterstellung, ihr bisher nicht nachgekommen zu sein? Schließlich wurden die Artikel angenommen, aber die Debatte war ein deutliches Zeichen für den wachgewordenen Oppositionsgeist unter der Adelselite. Dieser wurde auch bei der Neuwahl von Ordensrittern deutlich, denn es wurden Mitglieder aufgenommen, gegen deren Wahl sich Philipp vorher ausdrücklich ausgesprochen hatte. Philipp plante einen geschickten Schachzug. Er wollte den Oberbefehl über die im Lande verbleibenden spanischen Truppen an Egmont und Oranien übergeben und damit das allgemeine Unbehagen über deren weitere Anwesenheit beseitigen. Zudem sollten die Häupter des niederländischen Hochadels durch die Übertragung hoher Ämter und reiche Geldgeschenke gewonnen werden. Egmont und Oranien wurden zu einem Gespräch bestellt, in dem Philipp ihnen mitteilte, daß er sie zu Oberbefehlshabern der spanischen Infanterie und zu Mitgliedern des neuen Staatsrats ausersehen habe (mit dem Amtsantritt eines neuen Generalstatthalters — in diesem Falle Margarethe von Parma — wurde auch der Staatsrat neu gebildet). Beide hatten den Plan Philipps offenbar durchschaut und lehnten ab. Sie erklärten Philipp, vollwertige Mitglieder des Staatsrats wollten sie gern sein, aber nicht bloße Werkzeuge der spanischen Ratgeber, die außerhalb des Staatsrats die eigentlichen Regierungsgeschäfte lenkten. Den Oberbefehl über die spanischen Truppen könnten sie nicht übernehmen, weil sie nichts gegen den Willen der Generalstaaten zu tun gedächten. Philipp, an Widerspruch nicht gewöhnt, 48
schäumte vor Wut. Offenbar blieben ihm Egmont und Oranien nichts schuldig, und es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. Granvelle schrieb später, die Herren hätten eine Sprache geführt, die Philipp mit Zorn erfüllt habe. Ohne Frage prallten hier unterschiedliche Charaktere und Temperamente aufeinander, doch die tiefe Ursache für diesen am 3. August 1559 ausgefochtenen Streit zwischen Philipp und seinen vornehmsten und einflußreichsten niederländischen Lehnsleuten war das Aufeinandertreffen von absolutistischen Zentralisationsbestrebungen und dem Beharren-auf feudalem ständischem Mitspracherecht. Schließlich erbaten sich Egmont und Oranien eine Bedenkzeit. Nach einer erneuten Unterredung wurde ein Kompromiß erzielt. Philipp versicherte, er habe angeordnet, daß alle wichtigen Sachen im Staatsrat verhandelt und Egmont und Oranien hinzugezogen werden müßten. Die beiden Herren erklärten sich nun einverstanden, jedoch mit der Bedingung, daß sie jederzeit aus dem Staatsrat ausscheiden dürften, wenn Philipps Versprechen nicht eingehalten werden würde. Dieser beteuerte noch einmal seine Aufrichtigkeit und bat beide, sich zuerst an ihn zu wenden, bevor sie ihr Amt eventuell niederlegen würden. Auch den Oberbefehl über die Spanier nahmen Egmont und Oranien an, nachdem Philipp zugesagt hatte, die Truppen so schnell wie möglich zurückzuziehen. Nunmehr wurden beide in den neuen Staatsrat berufen. Egmont erhielt die Statthalterschaft von Flandern und Artois und eine Dotation von 50000 Talern; Oranien bekam die Statthalterschaft von Holland, Westfriesland, Utrecht und Seeland und 40000 Taler. Auch andere Hochadlige wurden mit Ämtern und Geldgeschenken bedacht. Der Konflikt mit den Großen der Niederlande schien bereinigt. Doch das eigentliche Problem war damit nicht aus der Welt geschaffen, wie sich wenige Tage später zeigen sollte. Am 7. August wurde die Versammlung der Generalstaaten eröffnet. Philipp hatte lediglich vor, sich nach dem Beispiel seines Vaters feierlich von den Niederlanden zu verabschieden, die neue Generalstatthalterin Margarethe von Parma vorzustellen und den Generalstaaten die Grundsätze seiner zukünftigen niederländischen Politik darzulegen. Granvelle trug die Position Philipps vor, derzufolge die Stände aufgefordert wurden, neue Steuern für die Verwaltung der Niederlande und für den Unterhalt der verbleibenden spanischen Soldaten zu bewilligen. In scharfer Form wurden alle Nichtkatholiken als Gehilfen des Satans verurteilt, die es auszurotten gelte. Dabei versuchte Granvelle, den Adel und das Besitzbürgertum gegen 4
Vetter, Oranien
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die Ketzer aufzubringen, indem er erklärte: „Denn die Erfahrung lehrt, daß ein Wechsel der Religion außer dem Schaden, der dem Dienste Gottes dabei zugefügt wird, zugleich weltlichen Umsturz nach sich zieht; oft benutzen die Armen, Müßigen und Vagabunden diese Gelegenheit, um die Güter der Reichen anzutasten." Völlig unerwartet wurde Philipp eine Petition der Stände überreicht, in der fast wörtlich die Forderungen des Hochadels wieder auftauchten: Die spanischen Truppen müßten abgezogen werden; sie seien eine unerträgliche Belastung und ständige Beunruhigung der Bevölkerung. Die Niederlande sollten ausschließlich nach dem Rat inländischer Herren regiert werden. Am Schluß erklärten die Generalstaaten: „Wir haben diese Remonstranz Eurer Majestät eingereicht, um uns von aller Verantwortlichkeit zu befreien, damit, wenn in der Folgezeit Unheil hereinbricht, Eure Majestät nicht Grund noch Anlaß haben, uns die Schuld beizumessen, da wir dann wahrscheinlich nicht mehr im Stande sein werden, die Ordnung aufrechtzuerhalten." Für Philipp bestand kein Zweifel, wer den Ständen den Rücken gestärkt und sie zu dieser Eingabe ermuntert hatte. Nach einer anekdotischen Überlieferung soll er Oranien, bebend vor Zorn, zugerufen haben: „Nicht die Stände, sondern Sie, Sie, Sie!" Nach außen hin unterdrückte Philipp seinen Groll und deutete den Ständen an, daß er bereit sei, ihren Wünschen entgegenzukommen. Als er am Nachmittag des 25. August 1559 von Vlissingen aus zur Fahrt nach Spanien in See stach — er sollte nie mehr niederländischen Boden betreten —, war er sich jedoch im klaren, daß die Unterwerfung der Stände und der Aristokratie der Niederlande zu seinen nächsten Aufgaben gehören müsse. Oranien machte sich über die wahren Absichten Philipps keine Illusionen. Er wußte, daß der entscheidende Kampf zur Bewahrung der Privilegien des Hochadels und der ständischen Rechte gegen die zentralistischen Bestrebungen Philipps unmittelbar bevorstand, und er traf seine Vorbereitungen für diese Auseinandersetzung. Vor allem versuchte er, sich Rückhalt bei den protestantischen deutschen Fürsten zu verschaffen, und diesem Ziel dienten auch seine Heiratspläne. Nach dem Tod seiner Frau hatte Oranien zahlreiche amouröse Abenteuer und hielt sich mehrere Mätressen. Um das Ansehen des Hauses Nassau zu wahren und möglichst noch durch eine gute Partie zu mehren, drängte seine Familie wiederholt auf eine Wiederverheiratung und schlug ihm mehrere deutsche Prinzessinen vor. Doch Oranien hatte seine eigenen Vorstellungen, die ganz seinen politischen Zielen untergeordnet waren. Zunächst bemühte er sich um Renata, die Tochter 50
der Herzogin Christine von Lothringen. Als dieses Projekt an der Ablehnung Christines scheiterte, richtete Oranien seine Augen auf Anna von Sachsen. Anna war die Tochter des 1553 verstorbenen Kurfürsten Moritz von Sachsen, die Nichte des nunmehr regierenden Kurfürsten August und die Enkelin des Landgrafen Philipp von Hessen. Sachsen und Hessen waren die Anführer der Opposition gegen Kaiser Karl V. gewesen, und Oranien versprach sich durch eine Verbindung mit diesen mächtigen Fürstenhäusern Unterstützung für seinen Widerstand gegen Philipp II. Außerdem hatte Anna eine Mitgift von 100000 Talern. So störte es ihn auch wenig, als er vernahm, daß Anna ziemlich häßlich von Angesicht, etwas verwachsen sowie äußerst launisch sei. Oraniens Bruder Ludwig und Graf Günther von Schwarzburg, dem dessen Schwester Katharina versprochen war, unternahmen um die Wende 1559/60 die ersten Schritte der Werbung am Dresdener Hof. Kurfürst August zeigte sich nicht abgeneigt. Zwar hatte er gewisse Bedenken wegen der katholischen Konfession Oraniens, doch diese schienen nicht unüberwindbar. Auf die ersten positiven Nachrichten aus Dresden hin bat Oranien Philipp II. als seinen Landesherrn um die Heiratserlaubnis. Philipp übergab Granvelle die Sache zur Entscheidungsvorbereitung, und dieser erhob schwere Bedenken. Der kluge Politiker hatte offenbar die Absichten erkannt, die Oranien mit der sächsischen Heirat verfolgte, auch wenn er vordergründig vor allem Vorbehalte gegen die lutherische Konfession Annas geltend machte. Aber auch auf der anderen Seite stieß Oranien auf Widerstand. Kurfürst August hatte mit Landgraf Philipp 1556 vereinbart, Anna nur in gegenseitigem Einvernehmen zu verheiraten, und Philipp verweigerte vor allem aus religiösen Gründen seine Zustimmung zur Heirat mit Oranien. Ein weiteres Argument formulierte Philipp in einem Brief an Oranien vom 2. März 1561 : „Ferner ist unnsz auch unverborgen, das E. L. allbereit vonn irem erstenn Gemahl einenn Sohnn erzeugt, welcher, alsz der primogenitus, vor allenn andern seinenn brudernn, nicht allein im fürstlichenn stanndt und nahmen, sondermn auch inn der succession . . . den vortzug hatt." Oranien unternahm nun intensive Bemühungen, um Philipp II., die Generalstatthalterin und Granvelle davon zu überzeugen, daß er ein treuer Katholik sei und seine zukünftige Gemahlin für den Katholizismus gewinnen werde. Gleichzeitig versicherte er gegenüber August von Sachsen und Philipp von Hessen, daß er im Herzen immer ein Lutheraner geblieben sei. Schon in dem Schreiben, mit dem er Phi4'
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lipp II. um die Zustimmung zur Heirat gebeten hatte, erklärte Oranien, was die Glaubensfrage anginge, so dürfe der König versichert sein, daß ihm nichts mehr am Herzen liege als die „wahre katholische Religion". Gegenüber Margarethe von Parma gab er im März 1560 die konkrete Zusicherung, daß Kurfürst August im Falle der Heirat mit dem Übertritt Annas zum Katholizismus einverstanden sei. Unter keinen Umständen werde er seiner künftigen Frau gestatten, anders denn als wahre Katholikin zu leben. Auch gegenüber Granvelle beteuerte er im Oktober 1560: Sein eigenes Gewissen würde ihn die Heirat mit Anna nur schließen lassen, wenn seine zukünftige Frau als Katholikin leben wolle. Den Vormündern seiner als Braut Auserkorenen gegenüber vertrat Oranien gleichzeitig eine ganz andere Position, so daß Kurfürst August den Landgrafen Philipp von Hessen im Mai 1560 über seine Gespräche mit Oraniens Beauftragtem Günther von Schwarzburg wie folgt informierte: „Dan obwol s. 1. die wäre religion in iren landen noch zur zeit öffentlich nicht predigen lassen dorfte, so were s. 1. derselben hertzlich geneigt. Es sollte auch dem freulein ir gewissen in religionssachen frei gelassen, ir auch ein evangelischer predicant und der rechte gebrauch der sacrament in iren zimmer unverhindert gestatte werden." Der Gesandte Oraniens, Magister Wilhelm Knüttel, erklärte Ende Dezember 1560 gegenüber Philipp von Hessen: „Wer zu verwundern, das man dem printz zumessen wolt, als wer er der babtistischen religion, da er doch in der waren christlichen religion auferzogen, auch seine eitern, brueder und schwestern eben derselbigen religion gewesen und noch weren. Und obwol der printz als ein herr des ordens von vlöss bisweilen in die mess ginge, auch nicht öffentlich predigen liess, so wer er gleichwol in seinem hertzen der waren religion geneigt." Mit diesem Doppelspiel erreichte Oranien schließlich sein Ziel. Philipp von Hessen blieb zwar bei seiner ablehnenden Haltung, doch Kurfürst August ignorierte dessen Protest gegen den Bruch der Abmachung von 1556 und stimmte dem Ehevertrag schließlich zu, der am 2. Juni 1561 von den Beauftragten Oraniens, Heinrich von Wildberg und Wilhelm Knüttel, im kurfürstlichen Hoflager zu Torgau geschlossen wurde. Die Heirat wurde für den 24. August 1561 in Leipzig festgesetzt. Oranien traf sich mit den von ihm geladenen Gästen am 20. August in Nordhausen. Zu diesen gehörten u. a. der Kurfürst und Erzbischof von Köln, die Herzöge von Jülich und Lüneburg, seine vier Brüder und aus seinem niederländischen Bekanntenkreis Egmont, 52
Hoorn, der Marquis von Bergen, Jan IV. van Glymes und Heinrich von Brederode. Als Gesandter Philipps II. fungierte Hoorns Bruder Floris de Montmorency, Baron de Montigny. Mit einem über 1000 Pferde starken Hochzeitsgeleit nahm Oranien seinen Weg über die Goldene Aue in Richtung Leipzig. Kurfürst August kam ihm bis Merseburg entgegen, und am Sonntag, dem 24. August, ritt Oranien zwischen den Kurfürsten August von Sachsen und Joachim II. von Brandenburg in Leipzig ein. Im Geleit des Kurfürsten von Sachsen befanden sich auch der Herzog von Mecklenburg und der Gesandte des Königs von Dänemark. Philipp von Hessen blieb grollend der Hochzeit fern. Im Treppenhaus des Rathauses wurde Oranien durch Anna begrüßt. Es kam sodann zu einer Unterredung in kleinem Kreise. Der sächsische Rat Doktor Ulrich Mordeisen verlas ein Papier, das zu unterschreiben sich Oranien bei den Verhandlungen mit Kurfürst August geweigert hatte. Danach sollte Oranien seiner Frau die Lektüre evangelischer Schriften, den Empfang des Abendmahls außerhalb der Niederlande und bei drohendem Ableben auch im Hause gestatten. Selbst jetzt blieb Oranien vorsichtig und unterschrieb nichts. Er erklärte lediglich: „Gnädiger Kurfürst, ich erinnere mich wohl dieses Schreibens, und alle diese Punkte, die Doktor Mordeisen verlesen hat, waren darin enthalten. Ich verspreche Euer Gnaden, daß ich das alles halten will, wie es einem Fürsten gebührt." Über den Akt wurde ein Protokoll aufgenommen, und alle Anwesenden verpflichteten sich im Interesse Oraniens zu strengster Geheimhaltung. Danach fand um fünf Uhr nachmittags im großen Festsaal des Rathauses die Vermählung statt. Getraut wurde das Paar von Doktor Johann Pfeffinger, lutherischer Superintendent und Pfarrer der St. Nikolaikirche. Nun folgte das offizielle Beilager. Das Paar nahm in einem vergoldeten Prunkbett Platz, und Markgraf Johann von Küstrin übergab Anna im Namen des Kurfürsten August förmlich an Oranien, wobei er diesen noch einmal ermahnte, seine Gattin zu lieben und sie „bei der erkannten Wahrheit des heiligen Evangelii und beim rechten Brauche und Genüsse der hochwürdigen Sakramente unverhindert bleiben zu lassen." Es folgten nun ein Festmahl und ein Ball, bis schließlich das Paar zur Brautkammer geleitet wurde. A m Morgen des 25. August unternahmen die Neuvermählten ihren ersten Kirchgang in die Nikolaikirche, wo Doktor Pfeffinger über die Heiligkeit der Ehe predigte. Dem feierlichen Kirchgang schloß sich ein zweites Festmahl im Rathaus an. Es folgten vier Tage mit ausgedehnten Vergnügungen. Leipzig prangte im Festschmuck. Neben den
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Leipziger Stadtsoldaten waren über 200 Bewaffnete aus benachbarten Städten zum Schutz der Hochzeitsgäste aufgeboten worden. Dazu kamen noch 600 Mann Bürgerwache aus den verschiedenen Leipziger Stadtvierteln. Jeden Tag fand ein Turnier mit unterschiedlichen Kampfarten statt, bei denen sich besonders Kurfürst August auszeichnen konnte. Bei diesen Vergnügungen war Oranien ganz in seinem Element. Er selbst veranstaltete am Abend des letzten Hochzeitstages ein niederländisches Maskenspiel, das großes Aufsehen erregte. Hingerissen von den Freuden des ausgedehnten Festes, offenbarte Oranien der bigotten sächsischen Kurfürstin seine Gleichgültigkeit gegenüber förmlichen religiösen Übungen. Als die Kurfürstin ihn noch einmal bat, Anna zu Gottesfurcht und christlicher Lebensweise anzuhalten, soll Oranien erwidert haben, „daß er die Prinzessin nicht mit solchen melancholischen Dingen bemühen wolle, sondern, daß sie statt der heiligen Schrift den Amadis von Gallien und dergleichen kurzweilige Bücher, die de amore traktierten, wolle lesen und statt Strickens und Nähens eine Galliarde wolle tanzen lernen lassen und dergleichen Kourtoisie mehr, wie solche etwa des Landes bräuchlich und wohl anständig". Anfang September verließ Oranien mit seiner Frau Leipzig und begab sich zunächst nach Dillenburg, wo eine Nachfeier stattfand. Über Mainz und 's-Hertogenbosch ging es dann nach Breda, wo Magistrat und Bürgerschaft bei dem Einzug am 4. Oktober einen Willkommensgruß entrichteten. In Breda versammelte sich fast vollzählig der niederländische Freundeskreis Oraniens; noch mehrere Tage lang wurden gewaltige Eß- und Trinkgelage abgehalten. Skrupellos und zielstrebig hatte Oranien sein Ziel erreicht und verwandtschaftliche Bindungen zu mächtigen protestantischen deutschen Fürsten hergestellt, die er für die kommenden Auseinandersetzungen mit Philipp II. als wichtigen Rückhalt ansah. Als die Hochzeit in Leipzig gefeiert wurde, war Oranien schon klar, daß der offene Bruch unmittelbar bevorstand. Er selbst hatte einen entscheidenden Schritt getan.
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Vivent les gueux !
Am 23. Juli 1561, kurz vor seinem Aufbruch zur Leipziger Hochzeit, richtete Oranien einen Brief an Philipp II., dem sich Egmont durch eine kurze Erklärung anschloß. Dieser Brief brachte die Unruhe und die Spannungen im niederländischen Hochadel zum Ausdruck und leitete eine neue Phase der Auseinandersetzung mit den absolutistischen Zentralisationsbestrebungen ein. Verbittert schrieb Oranien, daß alle Welt sich über die Bedeutungslosigkeit der Staatsratsmitglieder lustig mache. Er erinnerte Philipp an die Situation bei dessen Abreise aus den Niederlanden im August 1559 und an das Versprechen, daß alle wichtigen Sachen im Staatsrat beraten werden würden. Seitdem sei er wiederholt in den Staatsrat gerufen worden, um über Sachen zu entscheiden, die im Grunde keine oder nur geringe Bedeutung gehabt hätten. Von wichtigen Entscheidungen seien er und Egmont jedoch stets ausgeschlossen worden. Vom Lande würden sie aber für diese Entscheidungen mit verantwortlich gemacht. Es folgte eine scharfe Anklage gegen die Regierung der Niederlande, wobei nicht die Generalstatthalterin Margarethe von Parma direkt angegriffen, sondern der Hauptstoß gegen Granvelk und Viglius gerichtet wurde. Der aus Friesland stammende Rechtsgelehrte Viglius, eigentlich Ayatta Wigle van Zwichem, gehörte seit 1553 dem Staatsrat an und bekleidete andere hohe Ämter. Er galt neben Granvelle als zuverlässige Vertrauensperson Philipps im Staatsrat. Oranien schloß seinen Brief mit einem Ultimatum: Entweder sollte Philipp den Befehl geben, daß sein Versprechen von 1559 strikt befolgt wird, oder er solle die niederländischen Herren aus dem Staatsrat entlassen. Im Grunde war dieser Brief eine offene Kampfansage an Philipp, wenn auch die direkte Konfrontation vermieden und nur mit Worten die „schlechten Ratgeber" Philipps angegriffen wurden. Das erste Ziel der niederländischen Hochadligen bestand darin, den über55
mächtig gewordenen Granvélle, der im Februar 1561 vom Papst die Kardinalswürde erhalten hatte, zu Fall zu bringen. Neben dem Ausschluß von den wichtigsten Staatsgeschäften waren es vor allem zwei Dinge, die die Gemüter der Herren erhitzten: Erstens wurde 1561 die schon 1559 in die Wege geleitete Neustrukturierung der Kirchenorganisation realisiert, und zweitens verdichteten sich die Gerüchte, daß Philipp II. von den Niederlanden aus zugunsten der katholischen Partei und des Königs in die Auseinandersetzungen zwischen hugenottischem und katholischem Adel in Frankreich eingreifen wollte. Dies hätte mit Sicherheit eine erneute Stationierung spanischer Truppen in den Niederlanden bedeutet. Für Granvelle und die Generalstatthalterin wurde es immer deutlicher, daß Oranien der Kopf der hochadligen Opposition war. Oranien war auch der Wortführer, als im Mai 1562 vom Staatsrat und von den Vliesrittern die Entsendung niederländischer Hilfstruppen für den französischen König abgelehnt wurde. Die Vliesritter faßten in Oraniens Brüsseler Residenz, dem Hof von Nassau, den Beschluß, Hoorns Bruder, Baron de Montigny, nach Madrid zu senden, um Philipp persönlich über die Unzufriedenheit im Lande zu informieren. Als Montigny im November 1562 aus Spanien zurückkam, überbrachte er keine formelle Antwort des Königs, sondern lediglich das vage Versprechen, daß Philipp eventuell in die Niederlande kommen werde, um an Ort und Stelle mit den Herren über deren Beschwerden zu beraten. Die Mission Montignys war ein Mißerfolg, jedoch in anderer Hinsicht war die Versammlung der Vliesritter im Mai 1562 in Oraniens Residenz von außerordentlicher Bedeutung: Mit ihr war die sogenannte Liga geboren, ein loser Zusammenschluß des niederländischen Hochadels zur Durchsetzung seiner Interessen, dem außer Berlaymont auch alle Statthalter angehörten und dessen führende Persönlichkeiten Oranien, Egmont und Hoorn waren. Diese Liga des niederländischen Hochadels wurde vorübergehend zum Interessenvertreter der gesamten Niederlande, denn abgesehen von einer kleinen Zahl kollaborierender Adliger, Geistlicher und Beamter befanden sich — aus unterschiedlichen Motiven — alle Klassen und Schichten in Opposition zum spanischen Regime. Der Adel wandte sich vor allem gegen die zunehmende Unterminierung seines ständischen Mitspracherechts, gegen seine drohende politische Entmachtung und gegen den Verlust einträglicher Ämter an die Gefolgsleute Philipps II. Das Großbürgertum stand in Opposition zur Wirtschaftspolitik Philipps II. Philipp hatte 1557 den Staatsbankrott, seine Zahlungs56
Unfähigkeit gegenüber seinen Gläubigen, erklärt, wodurch auch viele niederländische Bankiers und Großkaufleute hohe Verluste erlitten. Die Manufakturunternehmer und Verleger waren durch die seit 1560 erhobene hohe Einfuhrsteuer auf die aus Spanien kommende Wolle betroffen. Schließlich hatte Philipp den Handel mit seinen Kolonien zum spanischen Monopol erklärt und damit die niederländischen Kaufleute von diesem Teil des Welthandels ausgeschlossen. Dazu kam noch, daß Philipp, nachdem er sich vergeblich um die Hand der englischen Königin Elisabeth bemüht hatte, seit 1558-eine englandfeindliche Politik betrieb. Der Handel mit England war aber von existentieller Bedeutung für das niederländische Wirtschaftsleben, zumindest in den gewerblich entwickelten Territorien. In der politischen Opposition des Großbürgertums gab es zwei Richtungen. Dem Patriziat und den Großkaufleuten, die den traditionellen Fernhandel beherrschten, ging es um die Verteidigung ihrer städtischen Herrschaftsrechte und ständischen Privilegien. Sie befanden sich nicht in prinzipieller Opposition zum Feudalstaat, sondern es ging ihnen wie dem Adel um die Abwehr der Angriffe des spanischen Absolutismus auf feudalständische Freiheiten, die allerdings für die Sicherung der Interessen der Großkaufleute von erheblicher Bedeutung waren. Eine zweite Richtung der großbürgerlichen Opposition wurde von der schon kapitalistisch wirtschaftenden bürgerlichen Schicht getragen. Ihr Betätigungsfeld verlangte einen größeren Rahmen, als ihn die einzelne privilegierte Stadt bot. Diese Richtung war darauf aus, einen nationalen Markt zu gewinnen. Daher versuchte sie, Einfluß auf die Regierung der gesamten Niederlande zu gewinnen. Da die niederländischen Regierungsorgane aber unter Karl V. systematisch und behutsam, unter Philipp II. offen und brutal in Instrumente der spanischen absolutistischen Feudalmonarchie verwandelt wurden, geriet auch diese großbürgerliche Schicht in Opposition. Sie hatte es nicht mit einem absolutistischen Staat zu tun, der die Entwicklung eines nationalen Marktes und damit der Bourgeoisie förderte — wie es in England der Fall war —, sondern der Absolutismus trat in den Niederlanden in Gestalt eines fremden Feudalstaates auf, der sie nur als Finanzquelle und militärischen Stützpunkt betrachtete. Die Handwerker und Bauern wurden durch die immer wiederkehrenden Steuerforderungen belastet. Sie empörten sich vor allem über die Verwendung ihres Geldes für Kriege, die allein im Interesse Spaniens geführt wurden. Stark angewachsen waren in den Niederlanden die städtischen plebejischen Schichten und die Zahl der Armen auf dem Lande, die einen gefahrlichen Zündstoff für die Herrschenden 57
darstellten. Zu diesen aus wirtschaftlichen und politischen Ursachen resultierenden Widersprüchen kamen noch die religiösen Konflikte, die durch die Ketzerverfolgungen eine dramatische Zuspitzung erfuhren. Wilhelm von Oranien waren diese Zusammenhänge natürlich nicht bewußt, aber er sah sehr wohl, daß das ganze Land in Bewegung geraten war. Es war nicht nur ein Druckmittel, wenn er gegenüber Philipp immer wieder betonte, daß es zu einer nicht mehr zu steuernden Volkserhebung kommen könne, wenn sich das Regime in den Niederlanden nicht ändern würde. Ihm blieb nicht verborgen, daß sich das Volk immer häufiger und offener gegen Restriktionsmaßnahmen der Spanier empörte und zuweilen auch schon gewaltsamen Widerstand leistete. Zu Beginn der sechziger Jahre brachen häufiger als sonst lokal begrenzte Unruhen in Städten und auf dem platten Lande aus. Bei den öffentlichen Hinrichtungen von Ketzern kam es immer wieder zu Sympathiekundgebungen für die Verurteilten, und es gab wiederholt Versuche, Hinrichtungen zu verhindern. In Valenciennes verjagte 1561 die aufgebrachte Volksmenge Wachsoldaten, Henker und Magistrat und rettete zwei Ketzer vor der Hinrichtung. Am 11. März 1563 richtete Oranien zusammen mit Egmont und Hoorn erneut ein Schreiben an Philipp II. Die drei protestierten gegen die Willkürherrschaft Granvelles, die das Land in Unruhe versetze und in den Untergang führe. Wieder verfolgten sie die gleiche Taktik : Sie äußerten kein Wort direkt gegen Philipp, bekundeten vielmehr ihre unerschütterliche Treue und Ergebenheit gegenüber ihrem Landesherrn und richteten ihre Kritik ausschließlich gegen Granvelle und dessen Mitarbeiter. Ausdrücklich beteuerten sie, daß sie in der Religionsfrage ihre Pflicht als treue Katholiken stets erfüllen würden. Sie hoben sogar hervor, daß ohne die Religionstreue der hohen Herren, des Adels und anderer vornehmer Leute die Provinzen noch viel unruhiger wären. Philipp antwortete am 6. Juni : Was Granvelle anginge, so habe er keine Veranlassung, mit dessen Amtsführung unzufrieden zu sein. Er würde zu gegebener Zeit selbst in die Niederlande kommen, um nach dem Rechten zu sehen. Inzwischen sollte einer der Herren nach Spanien kommen, da im Gespräch doch mehr zu klären sei, als in dem umständlichen Briefwechsel. Die Reaktion der drei Herren in ihrem Schreiben vom 29. Juli war deutlich. Sie kämen alle drei gern nach Spanien, aber die Unruhe in ihren Provinzen würde ihre längere Abwesenheit nicht zulassen. Erneut erhoben sie scharfe Vorwürfe gegen Granvelle und erklärten 58
kategorisch: Wenn ihre berechtigte Klage über ihre faktische Ausschaltung im Staatsrat nicht gehört werde und Granvelle im Amt bliebe, würden sie fortan dem Staatsrat fernbleiben, um nicht mitschuldig an der den Niederlanden drohenden Katastrophe zu werden. Sie fügten ihrem Schreiben eine Liste mit Beweissstücken für die steigende Unruhe und den wachsenden Ungehorsam des Volkes bei. Oranien hielt seine deutschen Verwandten und potentiellen Verbündeten über die Entwicklung in den Niederlanden selbst oder über seinen Bruder Ludwig von Nassau, der sich sehr häufig in den Niederlanden aufhielt und einer seiner treuesten Mitstreiter war, auf dem laufenden. So schrieb Oranien am 1. August 1563 einen Brief an Philipp von Hessen, in dem er über seinen gemeinsam mit Egmont und Hoorn gefaßten Entschluß informierte, nicht mehr an den Sitzungen des Staatsrates teilzunehmen. Dies sei geschehen „sonderlich aber derhalbendieweil, unterm gemeinen nhamen des Radts, viell grosser und wichtiger sachen hinder uns hero, sonder unsern mitwissen, und auch wieder unsern willen, gehandlet und bevolhen werden; und gleichwoll wir bey jederman den nahmen haben muessen das wir, als diejenige so mit im rath sein, dasselbig handien und in's werck brengen helffen: so wir doch kheiniges wegs bedacht seien, solichs auff uns zu beruhen lassen, dieweill es uns sämptlich zuw sondern schimpf und nachtheill gereiche." Ludwig von Nassau berichtete in einem Schreiben vom 8. Juli 1563 an Landgraf Wilhelm, den Sohn Philipps von Hessen, über die wachsende Opposition des niederländischen Hochadels gegen Granvelle. Er informierte über eine Zusammenkunft der Liga bei Brüssel, „umb miteil und wege zu suchen wie sie des Cardinais, als eines der alle schelmerey und tyranney in dissen landen ein anstiffter ist, mögen queit (los) werden". Weiter hieß es, die „Herrn seindt in gutter wacht dan sy trawen dem roten gesellen nit mehr dan ime gebuert". Den deutschen protestantischen Fürsten kam die Zuspitzung der Situation in den Niederlanden zum Teil nicht ungelegen, wie man dem Begleitschreiben entnehmen kann, mit dem Wilhelm von Hessen den Brief Ludwigs am 15. Juli an seinen Vater schickte: „Es seind gleichwol grosse zeitungen, und geben mir die hoffnunge es sollen die grose potentaten mit iren eigenen Untertanen so viel zu schaffen bekommen dasz sie uns zu reformieren vergessen werden." Seit August 1563 blieben Oranien, Egmont und Hoorn tatsächlich dem Staatsrat fern, auch gegen den ausdrücklichen Befehl, den Philipp II. ihnen erteilte. Philipp merkte offenbar allmählich, daß der geschlossene Widerstand der Herren mit Granvelle als seinem ver59
längerten Arm nicht zu überwinden war und daß er nach anderen Mitteln und Wegen suchen mußte, um seine absolutistische Herrschaft in den Niederlanden etablieren zu können. Eine gewaltsame Unterwerfung war ihm zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Seit 1551 befand sich Spanien im Kriegszustand mit der Türkei. Jahrelang war es nur zu kleineren Geplänkeln gekommen, bis sich Philipp 1560 entschloß, die Stadt Tripolis zu erobern, die die Malteserritter zu Beginn des Krieges an die Türkei verloren hatten. Die großangelegte Expedition endete mit einer katastrophalen Niederlage. Die Türken erbeuteten siebenundzwanzig spanische Galeeren und machten ungefähr 10000 Gefangene. Kaum waren diese Verluste annähernd ersetzt, als Philipp 1562 in einem schweren Sturm weitere fünfundzwanzig Galeeren verlor. Im Jahre 1563 unternahmen die Türken einen schweren Angriff auf den spanischen Außenposten Oran in Nordafrika. In dieser Situation war es Philipp nicht möglich, sich auch noch in den Niederlanden militärisch zu engagieren, und er entschloß sich, seinen getreuen Diener fallen zu lassen, um der Opposition der Liga erst einmal die Spitze zu nehmen. Philipp ließ Granvelle wissen, daß er die Niederlande für einige Zeit verlassen müsse, um seine kranke Mutter in Burgund zu besuchen. Granvelle verstand sehr wohl die Zusammenhänge und reiste am 13. März 1564 ab. Oraniens Freude war grenzenlos. Der Sieg über Granvelle wurde von ihm mit Egmont, Hoorn und anderen Vertrauten und Freunden ausgiebig gefeiert. Nunmehr waren sie guten Mutes, auch ihre eigentlichen politischen Ziele durchsetzen zu können. Seit dem 18. März 1564 erschien Oranien wieder in den Ratssitzungen und nahm seine Geschäfte als Statthalter mit doppeltem Eifer wahr. Auch sein Familienleben schien auf den ersten Blick harmonisch zu sein. Anna von Sachsen gebar in schöner Regelmäßigkeit Kinder: am 31. Dezember 1562 ein Mädchen, das wenige Tage nach der Geburt starb, am 15. November 1563 eine Tochter Anna und am 18. Dezember 1564 einen Sohn Moritz. Die Taufe des Sohnes am 3. Februar 1565 in Breda wurde zu einem rauschenden Fest. Paten waren u. a. Kurfürst August von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, die sich aber vertreten ließen; Philipp, weil er an Podagra litt, und August, weil seine Frau vor der Entbindung stand. Trotz der evangelischen Paten wurde Moritz, der schon Anfang März 1566 starb, katholisch getauft. Die Festtafel bestand aus vier Gängen, von denen der erste einundzwanzig, der zweite siebenundzwanzig, der dritte siebzehn und der vierte achtundzwanzig Gerichte enthielt. Die Ehe Oraniens mit Anna von Sachsen war zwar fruchtbar, doch 60
machte ihm seine Frau das häusliche Zusammenleben durch ihre Launenhaftigkeit, Streitsucht und Unbeherrschtheit zunehmend zur Hölle. Oraniens Schwester Katharina von Schwarzburg schrieb im Sommer 1564 in einem Brief an ihren Bruder Ludwig von Nassau: „Es wird je länger, je ärger mit der Perschohnen, und noch allerlei, welches ich nicht schreiben darf." Granvelle erhielt mit Datum vom 22. Juni 1565 von einem seiner Vertrauten folgende Mitteilung über Oranien: „Sein häusliches Leid ist so arg und so allgemein bekannt, daß jedermann davon spricht. Seine Frau flucht dem Geschlechte, in das sie versetzt wurde, da sie doch den Sohn eines Königs hätte haben können." Kurfürst August von Sachsen empfand es als eine Schande für sein Haus, daß die Skandalszenen in Oraniens Ehe Gesprächsstoff in den niederländischen und deutschen Adelshäusern waren. Für ihn gab es keinen Zweifel daran, daß seine Nichte die Schuld an den Zerwürfnissen traf, wußte er doch nur zu gut, daß sie von Jugend auf „zum Zorne geneigt" und „von Natur etwas hitzig und heftiger" war. August schickte im Mai 1565 seinen Marschall von Loeser in die Niederlande, um eine Beilegung des ständigen Ehekrachs zu bewirken. Vor allem sollte Loeser die Prinzessin auffordern, ihr Verhalten umgehend zu ändern und ihr mitteilen, daß man in Dresden sehr wohl wisse, daß sie die Anstifterin des Unfriedens sei. Falls Anna kein Einsehen hätte, sollte Loeser erklären, daß der Kurfürst für die Folgen, die sich aus ihrem Verhalten ergeben könnten, nicht einstehen und sie ihrem Schicksal überlassen würde. Loeser nahm seinen Weg über Kassel, wo er die Landgrafen Philipp und Wilhelm über seine Mission informieren sollte. Um seinen kranken Vater nicht aufzuregen, verschwieg ihm Wilhelm die Angelegenheit. Er selbst gab Loeser ein Handschreiben mit, in dem er seine Nichte „allerlei vetterlich und freundlich" aufforderte, sie solle sich des Kurfürsten und seine Ermahnung „zu Gemüt fassen und sich zu allen Gebühr und Bescheidenheit weisen lassen". Loeser kam Ende Juni 1565 in Brüssel an, wo sich Oranien zu dieser Zeit mit seiner Familie aufhielt. Anna wollte sich zunächst herausreden, gestand aber schließlich auf die eindringlichen Vorhaltungen Loesers hin ihre Schuld ein und gelobte Besserung. An den Kurfürsten schrieb sie einen demütigen Brief und dankte für die Ermahnungen, die sie strikt befolgen wolle. Lieber wolle sie tot sein, als ihren Verwandten und Freunden weiterhin Schande zu bereiten. Oranien, dem nichts ungelegener sein konnte als eine Trübung des Verhältnisses zu den beiden mächtigen Verwandten seiner Frau, versicherte dem Kurfür61
sten ebenfalls schriftlich, er wolle alles tun, um die häusliche Eintracht wieder herzustellen und zu erhalten. Vorübergehend hielt sich Anna an ihre Versprechungen, doch schon bald ließ sie wieder in Gegenwart anderer „solche Schelmenworte" über Oranien fallen, „daß sich jedermann verwunderte". Die unglückliche Ehe mit Anna war der Grund, daß Oraniens Bekenntnis auch nach wie vor mißtrauisch beobachtet wurde: einerseits durch Philipp II., andererseits durch die Verwandten seiner Frau. Oranien blieb bei dem schon bekannten Doppelspiel. Gegenüber Philipp II. und der Generalstatthalterin bekannte er sich als unerschütterlicher Katholik. Als er wieder einmal von einer Verdächtigung erfuhr, brachte er diese selbst im Staatsrat vor der Generalstatthalterin zur Sprache und erklärte diese Unterstellung als eine abgefeimte Lüge. Er sei ein wahrer Katholik und werde als solcher leben und sterben, allen Bösewichtern zum Trotz, die Verleumdungen gegen ihn verbreiteten, um beim König sein Ansehen zu beeinträchtigen. Wahrscheinlich hatte Philipp II. auch Lockspitzel auf ihn angesetzt. So äußerte sich ein Mann aus der Schweiz namens Lullin im Frühjahr 1565 vor Oranien und Egmont in ketzerischer Weise. Oranien hatte den Mann aber rasch durchschaut und betonte ebenso wie Egmont entrüstet seine katholische Gesinnung. Als sich Lullin unter vier Augen Oranien gegenüber noch einmal in gleicher provokatorischer Weise äußerte, entgegnete Oranien, er werde niemals vom katholischen Glauben abweichen, und wenn Lullin ihn weiter mit solch lästerlichen Reden beleidige, werde er ihm das Haus verbieten. Gegenüber seiner Nassauischen Familie sowie August von Sachsen und Philipp von Hessen bekräftigte Oranien demgegenüber immer wieder, daß er insgeheim ein guter Lutheraner sei und es bei den gegebenen Umständen nur nicht wagen dürfe, seine Gesinnung öffentlich zu bekunden, da es ihm sonst an Leib und Gut schaden könne. Dabei verwies er auch auf sein Fürstentum Orange, das er unweigerlich verlieren würde, wenn er sich offen als Lutheraner bekenne. Der Prinz von Oranien zählte zu den souveränen Herrschern Europas und stand in der feudalen Hierarchie formal mit Königen und dem Kaiser auf einer Stufe, doch die reale Machtstellung Oraniens in seinem Fürstentum war sehr unsicher. Er selbst war sein Leben lang niemals in Orange. Ein Gouverneur und das Parlament führten fast unabhängig von ihm die Regierung. Schon in den vierziger Jahren hatten Luthertum und Kalvinismus in Orange Anhänger ge62
funden. Seit dem Frühjahr 1560 wurde in der Hauptstadt Orange kalvinistisch gepredigt. Hugenotten aus Frankreich fanden in Orange Zuflucht, was zu diplomatischen und militärischen Verwicklungen mit Frankreich führte. Ein kalvinistischer Bildersturm in den Städten Orange, Courthezon und Joncquieres führte zur Vertreibung des Klerus und zur religiösen Herrschaft des Kalvinismus. Orange wurde schließlich in die Auseinandersetzungen zwischen hugenottischem und katholischem Adel Frankreichs um die Macht verwickelt. Seine Lage zwischen der vorwiegend hugenottischen Dauphine, der katholischen Provence und dem päpstlichen Gebiet um Avignon machte das Fürstentum wiederholt zum Schlachtfeld. Die Bevölkerung hatte unter den wechselnden Eroberungen schwer zu leiden. Nach dem Erlaß des Toleranzedikts von Amboise in Frankreich wollte Oranien ebenfalls durch ein Toleranzedikt, das er am 26. August 1563 erließ, den religiösen Auseinandersetzungen in seinem Fürstentum ein Ende bereiten. Er erlaubte beiden Konfessionen die freie Religionsausübung und wies ihnen bestimmte Kirchen zu. Zugleich bestätigte er den Kalvinisten St. Auban, den die Hugenotten als Statthalter eingesetzt hatten, in seinem Amt mit der Verpflichtung,' das Toleranzedikt strikt durchzusetzen. Der Papst protestierte heftig und verlangte die Absetzung von St. Auban und die Vertreibung aller Kalvinisten aus dem Fürstentum; sonst würde Oranien den Zorn Gottes heraufbeschwören und ihn, den Papst, zwingen, selber den Katholizismus in Orange wiederherzustellen. Oranien habe sich dann die Folgen selber zuzuschreiben. Dies war eine deutliche Drohung, das Fürstentum Oranien zu entreißen und dem angrenzenden päpstlichen Territorium um Avignon zuzuordnen. Oranien gab den Drohungen nach. Er entließ St. Auban und sicherte die Rückkehr des katholischen Klerus. Im übrigen aber wurden beide Konfessionen gleichberechtigt geduldet. Tatsächlich gelang es Oranien, sein Fürstentum mit der Durchsetzung des Toleranzprinzips vorübergehend zu befrieden. Dieser Erfolg ermunterte ihn, ähnliches in den Niederlanden zu versuchen. Dem lagen sowohl seine innere Überzeugung als auch politische Motive zugrunde. Da Oranien die Form der Religionsausübung im Grunde gleichgültig ließ, waren ihm religiöser Hader und erst recht die Verfolgung und grausame Bestrafung von Andersgläubigen zuwider. Aber auch für die Erreichung seiner politischen Ziele sah er die Ketzerverfolgung nur als störend an. Ihm ging es um die Sicherung der ständischen, feudal-staatlichen Ordnung sowohl gegen die absolutistischen Bestrebungen Philipps II. als auch 63
gegen Volksbewegungen. Darum war ihm daran gelegen, durch die Beilegung religiösen Haders eine wichtige Voraussetzung für eine einheitliche antispanische Front in den Niederlanden zu schaffen und durch Aufhebung der Ketzerverfolgungen, von denen besonders das einfache Volk betroffen war, dessen wachsende Unruhe einzudämmen. Ende 1564 wurde im Staatsrat die allgemeine Unruhe im Lande besprochen. Als Ursachen erkannte man die schlechte Finanzlage, die dringende Notwendigkeit einer Verwaltungsreform und die religiösen Spannungen. Egmont schlug vor, einen Abgesandten an Philipp II. zu schicken, der über den gefahrlichen Zustand der Niederlande berichten und den König dringend bitten sollte, zur Klärung der Situation selbst in die Niederlande zu kommen. Lamoral, Graf von Egmont, tat sich in diesen Beratungen besonders hervor und wurde wohl darum auch auserkoren, die Gesandtschaft nach Spanien zu übernehmen. Egmont, zu dieser Zeit zweiundvierzig Jahre alt, entstammte einem der ältesten und angesehensten Adelsgeschlechter Hollands und war einer der begütertsten Hochadligen der Niederlande. Von seinem Reichtum kündeten Paläste in Brüssel, Gent, Mecheln, Brügge und Arras. Verheiratet war er mit der Schwester des Kurfürsten von der Pfalz. Egmont hatte sich in den französischen Kriegen der Habsburger als Feldherr ausgezeichnet. Er war Statthalter von Flandern und Artois. Staatsmännisches Geschick besaß er allerdings kaum. Seine Sucht nach Anerkennung durch Höherstehende und seine Popularitätshascherei machten ihn blind für diplomatische Winkelzüge und für geschickte Politiker leicht lenkbar. Granvelle charakterisierte ihn nicht unzutreffend als einen „Freund des Dunstes". Egmont war überzeugter Katholik, aber wie die meisten niederländischen Hochadligen berührte ihn die Form der Religionsausübung nicht sehr tief. Am Silvestertag des »Jahres 1564 beriet der Staatsrat über die Instruktion für Egmont. Viglius verlas einen Entwurf, nach dem der Hauptzweck der Mission darin bestehen sollte, den König zur sofortigen Reise in die Niederlande zu bewegen. Schon in den vorangegangenen Sitzungen hatte dieser es als unsinnig bezeichnet, vom König eine Änderung der Ketzerplakkaate zu verlangen. Die Ratsmitglieder stimmten diesem Entwurf nacheinander zu, und er schien schon fast angenommen, als Oranien das Wort ergriff und eine programmatische, mehrere Stunden dauernde Rede hielt. Mit energischen Worten setzte Oranien auseinander, daß es an der Zeit sei, den König rückhaltlos über die Lage zu informieren, denn
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das Land könne unmöglich länger in dem gegenwärtigen Zustand bleiben. In fast allen Nachbarländern hätten sich die religiösen Verhältnisse geändert, und es sei ein aussichtsloses Unterfangen, das alte religiöse System mit Gewalt als das allein zulässige erhalten zu wollen. Es müsse dem König klar und deutlich gesagt werden, daß es unmöglich sei, die gegenreformatorischen Beschlüsse des Konzils von Trient allein in den Niederlanden konsequent auszuführen, wenn selbst die benachbarten katholischen Fürsten davon kaum etwas wissen wollten. Daher müsse man die Ketzerplakkaate in den Niederlanden abschaffen. Er selbst würde fest zum katholischen Glauben stehen, könne es aber nicht gutheißen, daß Fürsten Gewissenszwang auf ihre Untertanen ausüben und ihnen die Freiheit des Glaubens und des Gottesdienstes rauben. Schließlich müsse man Philipp auch um Verwaltungsreformen bitten — einmal im Justizwesen, vor allem aber in der Arbeit der drei höchsten Räte, unter denen es ständig Kompetenzstreitigkeiten gäbe. Nach seiner Meinung müsse man den Finanzrat und den Geheimen Rat dem Staatsrat unterstellen und letzteren durch fähige Männer verstärken, die Ansehen beim Volk hätten. Dies war nur ein geschickter Schachzug Oraniens, denn die Erfüllung dieser Forderung hätte eine Zurückdrängung des Einflusses der Philipp ergebenen Berufsbeamten bedeutet, aus denen der Finanzrat und der Geheime Rat fast ausschließlich bestanden. Viglius geriet über die Rede Oraniens so in Erregung, daß er am Neujahrsmorgen beim Aufstehen einen Schlaganfall erlitt. Er mußte das Bett hüten und konnte an den Sitzungen des Staatsrates vorerst nicht teilnehmen. Die Instruktion Egmonts wurde nun nach den Vorschlägen Oraniens, wenn auch im Ton gemäßigt, überarbeitet. Am 18. Januar 1565 brach Egmont auf dem Landweg nach Spanien auf und traf Ende Februar/Anfang März in Madrid ein. Philipp II. empfing ihn äußerst liebenswürdig und hörte sich an, was Egmont ihm im Auftrag des Staatsrates vortrug, ohne sich allerdings zu grundsätzlichen Fragen zu äußern. Er erklärte lediglich, daß er alle vorgetragenen Probleme gründlich bedenken werde. Als Egmont, erfreut über die zuvorkommende Behandlung durch den spanischen König, am 6. April 1565 die Rückreise antrat, hatte er im Grunde gar nichts erreicht. Er selbst war sich dessen aber überhaupt nicht bewußt. Er hatte sich durch die von Philipp zur Schau gestellte Freundlichkeit vollkommen täuschen lassen und war fest davon überzeugt, daß dieser den Intentionen des Staatsrates folgen würde. Entsprechend fiel der Bericht Egmonts am 5. Mai im Staatsrat 5
Vetter, Oranien
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aus. Die Debatte darüber wurde wegen der Abwesenheit Oraniens verschoben, doch unter den Herren breitete sich Zuversicht aus. Egmont fühlte sich als Mann der Stunde, als Vertrauensperson Philipps bei der Vorbereitung der politischen Wende und entwickelte rege Aktivitäten. Wegen seines Übereifers begann man bereits zu spotten: „Er spricht, wie wenn er der König von Spanien wäre." Auch die Statthalterin war zufrieden über den Lauf der Dinge und sprach ihrem Halbbruder ihren Dank für sein kluges Entgegenkommen aus, das zur Befriedigung des Landes führen würde. Zu einer ersten Ernüchterung kam es, als Oranien Ende Mai aus Amsterdam nach Brüssel zurückkehrte und nun der Bericht Egmonts genau geprüft wurde. Bei kritischer Betrachtung zeigte sich, daß Egmont überhaupt keine Vollmachten, ja nicht einmal eine eindeutige Antwort Philipps mitgebracht hatte. Zudem trafen Ende Mai/Anfang Juni mehrere Depeschen Philipps in Brüssel ein, aus denen man unschwer erkennen konnte, daß Philipp nicht daran dachte, seine Politik in den Niederlanden auch nur kritisch zu überprüfen. Egmont mußte sich schwere Vorhaltungen gefallen lassen, vor allem von Oranien, der ihm vorwarf, er habe bei Philipp zwar für sein persönliches Ansehen geworben, aber nicht den Auftrag des Staatsrates ordentlich erledigt. Auch Margarethe war bestürzt und bat den König fast flehentlich wenigstens um eine Milderung der Ketzerplakkaate. Die endgültige und bestimmte Willenserklärung Philipps II. kam am 5. November 1565 mit drei Schreiben, die er am 17. und 20. Oktober 1565 aus dem Park von Segovia nach Brüssel gesandt hatte. Diese „Depeschen aus Segovia" zerschlugen alle Hoffnungen des oppositionellen Hochadels auf ein Einlenken Philipps. Der Monarch erklärte, daß es ihm nie in den Sinn gekommen sei und nie in den Sinn kommen werde, die Ketzerverfolgungen zu mildern. Zur erbetenen Reorganisation der Staatsbehörden äußerte er sich nicht endgültig. Der Staatsrat wurde zwar erweitert, aber zum Ärger der Opposition durch Philippe de Croy, Herzog von Aarschot, der ein Anhänger Granvelles war. Die Liga beschloß eine Politik passiven Widerstands. Die hohen Herren drohten, sich von allen Geschäften zurückzuziehen, wenn Philipp die scharfen Ketzerverfolgungen wirklich weiter durchsetzen sollte. Während die Liga für einen Moment wie gelähmt schien, wurden nunmehr Angehörige des niederen Adels politisch aktiv. Der niedere Adel lebte zumeist auf dem platten Lande und hatte durch die pa66
triarchalischen Herrschaftsverhältnisse enge Kontakte mit der Dorfbevölkerung. Er erlebte weitaus direkter und intensiver als der Hochadel die wachsende Unzufriedenheit des gemeinen Mannes, und es war zu einem großen Teil die Sorge vor einem Volksaufstand, der seine Existenz in Frage stellen würde, die den niederen Adel auf einen Abbau der Spannungen drängen ließ. Dazu kam, daß der niedere Adel durch den allmählichen Ausbau der Zentralregierung und die Verstärkung des landesherrlichen Beamtenapparates in seinen lokalen Herrschafts- und Gerichtsrechten eingeschränkt worden war. Auch dieser Zusammenstoß von alter feudaler Partikulargewalt und feudalen Zentralisationsbestrebungen trieb erhebliche Teile des Adels in die Opposition. Da diese Adligen auch eine ideologische Rechtfertigung für ihr Auftreten gegen den Landesherrn suchten, näherten sich nicht wenige dem Kalvinismus an, der den Widerstand von Obrigkeiten gegen ungerechte und tyrannische Fürsten als rechtmäßig erklärte. Anfang Dezember 1565 trafen sich etwa zwanzig kalvinistisch gesinnte Adlige im Hause des Grafen Culemborg in Brüssel und beschlossen, sich gegen die Inquisition und die Ketzerplakkaate zur Wehr zu setzen. Kurz vor Weihnachten fand eine zweite Versammlung statt, auf der der Entwurf einer programmatischen Schrift, der „Kompromiß", vorgelegt und beraten wurde. Während der Beratungen erschienen auch Ludwig von Nassau und Heinrich von Brederode, ein enger Vertrauter Wilhelms von Oranien; sie nahmen für kurze Zeit an der Versammlung teil. Nachdem man den Entwurf verbessert und schließlich gutgeheißen hatte, wurden sieben Exemplare in Reinschrift angefertigt und von allen Anwesenden unterschrieben. Damit war die Gründungsurkunde, der „Kompromiß", verabschiedet, nach der der Adelsbund bald allgemein benannt wurde. Auch Ludwig von Nassau und Heinrich von Brederode wurden nach Abschluß der Versammlung aufgesucht und um ihre Unterschrift gebeten. Ludwig wollte zunächst nicht unterzeichnen, da er landesfremd war, unterschrieb dann jedoch mit Brederode die sieben Exemplare. Der Beitritt Ludwigs war für den Bund wichtig, da er bei der Werbung neuer Mitglieder über Ludwig auf eine Beziehung zu Wilhelm von Oranien verweisen konnte. Alle Mitglieder des „ K o m p r o m i ß " waren verpflichtet, geheime Agitation für den Bund zu treiben, um neue Mitglieder zu gewinnen. Die protestantischen Gründungsmitglieder mußten versuchen, die Masse des katholischen Adels für sich zu gewinnen, und sie vermieden daher jegliche religiöse Propaganda. Die von ihnen 5*
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im „Komromiß" formulierten Ziele lagen auch im Interesse der Katholiken. Mit dem Beitritt in den Bund verpflichteten sich die Mitglieder, wie es in der Gründungsurkunde heißt, dagegen zu kämpfen, „daß die Inquisition in irgendwelcher Gestalt angenommen und eingeführt werde, sei es offen oder verhüllt, unter welchem Vorwande und Deckmantel es auch immer sein möge, sei es unter Namen oder Gestalt der Inquisition, Visitation, Plakate oder sonst irgendwie, sondern sie ganz zu vertilgen und auszurotten als die Mutter und die Ursache jeder Unordnung und Ungerechtigkeit". Der Bund sollte lebenslang gelten, und die Mitglieder geboten, einander mit „Gut und Blut als Brüder und treue Gefährten" beizustehen. Es kann als sicher gelten, daß Oranien über die Konstituierung des Adelsbundes von Anfang an bestens informiert war. Durch seinen Bruder Ludwig — seinen Hauptinformanten — nahm er auch Einfluß auf die Leitung des Bundes und versuchte vor allem, den Bund von gewaltsamen Aktionen abzuhalten. Oranien war daran gelegen, die Liga des Hochadels und den „Kompromiß" zu vereinen, um gegen Philipp II. eine breite Oppositionsfront zu haben. Ihm war jedoch klar, daß ein allzu aggressives Auftreten des zudem noch kalvinistisch geprägten Bundes den größten Teil der katholischen Herren der Liga abstoßen würde. Ende Februar 1566 bereitete Oranien die Zusammenführung der Liga und des „Kompromiß" vor. Bisher war den Herren der Liga die Existenz des „Kompromiß" und die Verbindung Oraniens zu diesem verborgen geblieben. Unter dem Vorwand einer Abschiedsfeier für seinen in das Reich zurückkehrenden Schwager Günther von Schwarzburg lud Oranien die Herren der Liga zum 12. März auf das Schloß des Grafen von Hoogstraten ein. Neben Oranien und dem Gastgeber erschienen zu dem Festbankett Egmont, Hoorn, Bergen, Montigny und Charles de Brimeu, Graf von Meghen. Am nächsten Morgen tauchten kurz vor der Abreise ein Dutzend Mitglieder des Adelsbundes auf, informierten die Herren über die Existenz und die Ziele ihrer Vereinigung und forderten die Liga zum Zusammengehen auf. Oranien, der das Ganze inszeniert hatte, setzte sich mit warmen Worten für ein Zusammengehen ein. Das Land sei vom Bürgerkrieg bedroht, und das einzige Mittel, diesen abzuwehren, sehe er darin, daß die hohen Herren als Träger wichtiger Ämter und Ritter des Goldenen Vlies die Sache in ihre Hände nähmen. In dieser Situation spaltete sich die Liga. Während Oranien am weitesten ging und bereit war, sich an die Spitze einer Front des gesamten niederländischen Adels zu stellen, um seine politischen Ziele zu errei68
chen, zeigten Hoorn, Bergen und Montigny wohlwollende Zurückhaltung, während Egmont und Meghen ein Zusammengehen mit dem „Kompromiß" rundweg ablehnten, da eine derartige Verschwörung nicht mit ihrem Philipp II. geleisteten Eid zu vereinbaren sei. So entschied sich der Adelsbund — mit ausdrücklicher Billigung Oraniens, der jedoch im Hintergrund bleiben wollte — selbständig in Aktion zu treten. Es wurde beschlossen, der Generalstatthalterin eine Petition zu überreichen, die bereits in den ersten Märztagen in Breda von Johann van Marnix im Entwurf vorgelegt und von Ludwig von Nassau überarbeitet worden war. Ihr Hauptinhalt war die Bitte, die Generalstatthalterin möge unverzüglich bei Philipp II. darauf dringen, die strengen Ketzerplakkaate aufzuheben, in Zukunft neue Edikte nur mit Rat und Zustimmung der Generalstaaten zu erlassen und für die Zwischenzeit die Plakkaate und die Inquisition zu suspendieren. Die Petition schloß mit den Worten: „Wir haben uns unserer Pflicht durch diese unsere Erklärung entledigt; wir sind von nun an vor Gott und den Menschen entlastet. Wenn in der Folgezeit Gefahren, Unordnung, Aufstand, Aufruhr oder Blutvergießen deshalb über das Land kommen, weil nicht zur rechten Zeit Abhilfe geschaffen worden ist, so kann uns nicht der Makel angeheftet werden, daß wir ein so offen sichtbares Unheil verhehlt haben; dafür rufen wir Gott, den König und unser Gewissen zu Zeugen an, daß wir gehandelt haben, wie es guten und loyalen Dienern und treuen Vasallen des Königs geziemt, ohne die Grenzen unserer Pflicht verletzt zu haben; mit um so größerem Rechte bitten wir daher, daß Eure Hoheit es hören wolle, ehe es zu spät ist. Und das wird gut sein." Um möglichst viel Aufsehen zu erregen und ihrer Aktion schnellen Eingang in die öffentliche Meinung zu verschaffen, machte der „Kompromiß" die Überreichung seiner Bittschrift zu einem großen Schauspiel. Am 1. April 1566 versammelten sich die Mitglieder in Lier, einer nordöstlich von Brüssel gelegenen Stadt, und ritten von dort am 3. April in einem langen Zug, bewaffnet, aber ohne Harnisch, in Brüssel ein. Gegen Mittag des 5. April gingen die etwa 300 Adligen zu Fuß und in langer Reihe, zu zweit geordnet, zum Palast der Statthalterin. Schon diese Demonstration hatte den gewünschten Effekt: Tausende Einwohner säumten die Straßen und jubelten den Adligen als Verteidigern der Freiheit des Landes zu. Heinrich von Brederode übergab der Generalstatthalterin die Bittschrift, und diese sicherte eine sorgfaltige Prüfung und schnellen Bescheid zu. 69
Margarethe von Parma kannte die Stimmung in der niederländischen Bevölkerung und wußte auch, daß Mitglieder des hohen Adels und aus ihrer nächsten Nähe Mitglieder des Staatsrates zumindest mit dem niederen Adel sympathisierten. Ihr war klar, daß der „Kompromiß" mit seiner Petition bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung der Niederlande Zustimmung finden würde, und sie wagte es in dieser Situation nicht, ihn bis zum Eintreffen genauer Verhaltensregeln Philipps hinzuhalten, zumal sie ebenfalls eine Milderung der Ketzerplakkaate als unabdingbar für die Befriedigung des Landes ansah. Am 6. April ließ Margarethe den Bund wissen, daß sie bereit sei, seiner Bitte zu entsprechen. Sie wolle mit dem Staatsrat, den Statthaltern und den Rittern des Goldenen Vlies eine Moderation der Plakkaate entwerfen und dann Philipp zur Genehmigung vorlegen. Sie habe nicht das Recht, die Plakkaate einfach aufzuheben, werde aber bis zum Eintreffen der Antwort Philipps den Inquisitoren und weltlichen Behörden Zurückhaltung bei der Verfolgung und Behandlung von Ketzern auferlegen. Der „Kompromiß" hatte tatsächlich mit seiner spektakulären Aktion vorerst die Durchführung der Oktoberdepeschen Phillips verhindern können. Seine Mitglieder jubelten und feierten ihren Sieg mit einem gewaltigen Eß- und Trinkgelage im Palast des Grafen Culemborg, das ein ganz besonderes Gepräge hatte, weil alle mit einem Bettelsack um den Hals erschienen. Dieser Maskerade lag folgendes zugrunde: Als die Mitglieder des Bundes von der Generalstatthalterin empfangen wurden, soll der unbedingt königstreue Graf Berlaymont verächtlich ausgerufen haben: „Sieh da, welche Bettler, welch bettelhaftes Gesindel!" Die Adligen griffen das französische Wort für Bettler — gueux — auf und machten es zu ihrem Ehrennamen. Brederode brachte bei dem Gelage einen Trinkspruch aus, in dem er erklärte, er wolle fortan den Bettelsack und einen hölzernen Trinknapf als Ehrenzeichen tragen und rief: „Vivent les gueux!" — Es leben die Bettler. Das französische „gueux" wurde von den Niederländisch Sprechenden aufgenommen und zu „geus" umgeformt. Bald wurden alle Angehörigen der antispanischen Opposition gueux oder Geusen genannt. Der Adelsbund ließ Medaillen aus Gold prägen, von denen jedes Mitglied eine trug. Auf der einen Seite befand sich ein Brustbild Philipps, auf der anderen sah man zwei miteinander verschlungene Hände und darüber einen Bettelsack mit der Inschrift: „Treu bis zum Bettelsack."
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Der Bildersturm
Die Nachricht vom Erfolg des „Kompromiß" bei der Generalstatthalterin verbreitete sich mit Windeseile in den Niederlanden und im Ausland. Die Kalvinisten glaubten nun, freie Bahn für die Ausübung und Verbreitung ihrer Konfession zu haben, und in Scharen kamen kalvinistische Emigranten aus Frankreich, der Schweiz, England und deutschen Territorialstaaten in ihre Heimat zurück. Obwohl auf die Teilnahme an kalvinistischen Gottesdiensten noch immer die Todesstrafe stand, verließen die kalvinistischen Gemeinden den Untergrund. Oft versammelten sich die Gläubigen auf freiem Feld außerhalb der Städte und Dörfer und lauschten den Worten der Prediger. Zu diesen „Heckenpredigten" kamen meist mehrere tausend Menschen zusammen. Viele Teilnehmer waren bewaffnet, um sich gegen überraschende Angriffe von Regierungstruppen zur Wehr setzen zu können. Die Kalvinisten forderten nicht mehr nur Gewissensfreiheit, sondern völlig freie Religionsausübung, und sie deuteten an, daß sie willens waren, sich dieses Recht mit Gewalt zu verschaffen. Ihr Auftreten wurde zunehmend aggressiver und militanter. Die Forderung nach Religionsfreiheit vermischte sich mit sozialer Unzufriedenheit vor allem der unteren Volksschichten, deren Lage sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert hatte. Vor allem durch den ungeheuren Edelmetallzustrom aus den spanischen Kolonien in Amerika war es zu einem rapiden Preisanstieg, zu einer regelrechten Preisrevolution gekommen, unter der die auf Lohnarbeit Angewiesenen besonders litten. Ihre geringen Lohnerhöhungen waren weit hinter dem Anstieg für agrarische und gewerbliche Produkte zurückgeblieben. Darüber hinaus kam es durch Mißernten und durch eine erschwerte Getreidezufuhr infolge politischer Konflikte im Ostseeraum zur Verknappung wichtiger Lebensmittel, und wieder mußten die unteren Bevölkerungsschichten im „Hungerjahr" 1566 besonders leiden. 71
Aber auch in den städtischen Mittelschichten bis hin zum Großbürgertum wuchs die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen. Das spanische Monopol im Kolonialhandel stellte eine zunehmende Belastung dar und ließ den bürgerlichen Widerstandsgeist gegen das spanische Regime anwachsen. Die Geldabwertung führte zu Störungen im europäischen Handel, die fremden Kaufleute blieben den niederländischen Märkten fern, was zu schlimmen Folgen für Handel und Gewerbe führte. Da die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung fast völlig durch die explosionsartig steigenden Preise für die Grundnahrungsmittel abgeschöpft wurde, sank die Nachfrage nach Gebrauchsgütern. Zwangsläufig kam es zu Produktionseinschränkungen, was für Handwerker, Verleger, Manufakturunternehmer, Händler und Kaufleute zu Gewinnverlusten, für Gesellen und Arbeiter zu Arbeitslosigkeit führte. Die Bedrohung ihres einmal erreichten Lebens- und Einkommensniveaus ließ viele Angehörige der Mittelschichten, aber auch Großbürger nach den Ursachen fragen, und nicht wenige sahen sie in der überkommenen hierarchischen gesellschaftlichen Ordnung, die dem freien Spiel der unternehmerischen Kräfte zu wenig Raum ließ. Diese Ordnung wurde aber durch die katholische Kirche als unumstößlich, jede Auflehnung dagegen als schwere Sünde dargestellt. Daher wandten sich zunehmend bürgerliche Kräfte vom Katholizismus ab und suchten eine religiöse Alternative, die sie im Kalvinismus fanden. Dieses Zusammentreffen von politischen, sozialökonomischen und religiösen Spannungen hatte im Frühjahr 1566 eine explosive gesellschaftliche Situation entstehen lassen. Oranien war über diese Entwicklung erschrocken. Bestand doch sein Ziel darin, die religiösen Streitigkeiten zu überwinden, um das Volk zu beruhigen und die politischen Kräfte des Landes als einheitliche Front für die Bewahrung der alten feudalen Privilegien und ständischen Freiheiten einen zu können. Andererseits wollte er Philipp mit der Durchsetzung seiner Toleranzpolitik beweisen, daß der niederländische Hochadel sehr wohl in der Lage war, die Niederlande selbst und ohne massive spanische Einmischung zu regieren und die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse aufrechtzuerhalten. Nun mußte er erleben, daß die Kalvinisten in die Offensive gingen, es sogar verstanden, ihre Anhänger in die Magistrate der Städte zu lancieren und sich dabei auf eine Volksbewegung stützen konnten, von der man nicht wußte, wohin sie führen würde. Oranien war nicht gewillt, diese Entwicklung hinzunehmen, die seine weitgespannten politischen Pläne zu zerschlagen drohte. 72
Neben Westflandern war Antwerpen das Zentrum der kalvinistischen Bewegung. Am 26. Juni 1566 erließ die Generalstatthalterin ein Edikt gegen das Zusammenströmen der Kalvinisten in der Stadt. Gleichsam als Antwort faßte das Antwerpener Konsistorium, das zentrale Organ der kalvinistischen Gemeinden, den Beschluß, die Predigten nicht mehr versteckt, sondern offen zu halten. In einer Petition an Bürgermeister und Schöffen schrieb das Konsistorium, schon seit einigen Jahren hätten sich die Bürger wahren Glaubens von dem katholischen Götzendienst ferngehalten. Aus Gehorsam gegen die städtische Obrigkeit hätten sie nur im geheimen das wahre Wort Gottes gepredigt und gehört. Nun aber sei die Zahl der Gläubigen derart gewachsen, daß sie ihre Gottesdienste unmöglich weiter im verborgenen halten könnten, und daher baten sie um die Zuweisung eines Platzes für den Bau einer kalvinistischen Kirche. Der Zulauf zu den kalvinistischen Predigten, die meist in dem Wäldchen von Berchem und in dem sogenannten Burgerhout (Bürgerholz) vor den Toren Antwerpens gehalten wurden, wuchs im Juni und Juli 1566 kontinuierlich an. Es kamen fast regelmäßig 15000 bis 16000 Menschen zusammen. Nach einem sicher übertriebenen Bericht sollen es einmal sogar 30000 gewesen sein. Unter den Teilnehmern waren zahlreiche maskierte Bewaffnete, und meist umgab ein Trupp von mehreren hundert Reitern als eine Art Leibwache die Prediger, die mitunter am Schluß des Gottesdienstes im Triumphzug in die Stadt zurückgeleitet wurden. Als sich das Gerücht verbreitete, die Generalstatthalterin plane einen Handstreich, um Truppen in der Stadt zu stationieren und mit Waffengewalt gegen die Kalvinisten vorgehen zu können, ritt Brederode am 5. Juli mit weiteren Mitgliedern des „Kompromiß" und 150 Reitern in die Stadt ein, alle in Grau, der Geusenfarbe, gekleidet. Der Adelsbund betrachtete Antwerpen mit seinen starken kalvinistischen Gemeinden als wichtigsten Stützpunkt in den zu erwartenden militärischen Auseinandersetzungen mit dem spanischen Regime und wollte einer Besetzung der Stadt durch Regierungstruppen zuvorkommen. Als sich vor seinem Quartier, dem Gasthof „Zum Roten Löwen", während der Abendmahlzeit eine große Menschenmenge versammelte, trat Brederode ans Fenster und hielt eine kurze Ansprache: „Bürger von Antwerpen, ich bin gekommen, um euch mit Einsetzung von Gut und Blut zu schützen und zu verteidigen gegen die Inquisition und die Plakkaate des Königs. Ich hoffe, daß ihr euch mit mir in der Verfolgung eines so edlen Zieles verbinden werdet. 73
Wenn dem so ist, so mögen diejenigen unter euch, die unter meinem Banner marschieren wollen, um ihre Freiheit zu erobern, Zeugnis dafür ablegen, indem sie den Arm erheben, während ich auf ihre Gesundheit trinke!" Oranien war in Antwerpen als Burggraf der Vertreter der Generalstatthalterin und setzte nun alles daran, in der Stadt die scharfen konfessionellen Auseinandersetzungen zu beenden. Am 13. Juli ritt Oranien von Brüssel nach Antwerpen. Brederode eilte ihm mit einem Reitertrupp entgegen, dem sich zahlreiche Bürger anschlössen, und begrüßte ihn mit einem donnernden „Vivent les gueux", das ihm auch bei seinem Einzug in die Stadt begeistert entgegenschlug. Oranien war dies gar nicht recht. Ihm war daran gelegen, ausgleichend in der Stadt zu wirken, Ruhe und Ordnung zu stiften, um Philipp II. am Beispiel Antwerpens beweisen zu können, daß dessen Politik der allmählichen Ausschaltung der Niederländer und der religiösen Repressalien falsch war und an den Rand der Katastrophe geführt hatte, die nur noch durch den Hochadel als dem berufenen Sachwalter des Landesherrn abzuwenden war. Daher war ihm jegliche öffentliche Sympathiekundgebung durch den radikalen „Kompromiß" und die kalvinistischen Bürger äußerst unangenehm. Auch wegen seiner deutschen lutheranischen Verwandten wollte Oranien den Eindruck vermeiden, daß er mit den Kalvinisten gemeinsame Sache machen würde. Oranien gab sich in der Stadt ganz öffentlich als guter Katholik. Er ging in die Kirche, sicherte dem Klerus seinen Schutz gegen eventuelle kalvinistische Übergriffe zu und ermunterte Geistliche, die wegen der spannungsgeladenen Atmosphäre die Stadt verlassen hatten, zur Rückkehr. Die lutheranische Gemeinde der Stadt — die bedeutendste in den Niederlanden überhaupt — erfuhr von ihm ganz offensichtlich eine günstigere Behandlung als die Kalvinisten, bei denen sich eine zunehmende Enttäuschung über Oranien breitmachte. Statt der erhofften Parteinahme für ihre Gemeinden erlebten sie nun, wie Oranien mit großem Kraftaufwand „seine Toleranzpolitik" in der Stadt durchzusetzen suchte. Tatsächlich brachte Oranien am 17. Juli einen Kompromiß zustande, der oberflächlich und kurzzeitig eine Beruhigung in der Stadt bewirkte. Bis zur Einberufung der Generalstaaten und den dann gefaßten Beschlüssen sollte zwar keine Glaubensverfolgung stattfinden, die öffentlichen kalvinistischen Predigten wurden aber verboten und die Teilnahme an ihnen unter Strafe gestellt. Daß diese Kompromißlösung tatsächlich nur eine oberflächliche Be74
friedung gebracht hatte, zeigte sich wenig später. Als am 19. Juli Regierungstruppen vor der Stadt auftauchten, brach ein ungeheurer Tumult aus. Die Kalvinisten fühlten sich bedroht, bewaffneten sich und verschanzten sich auf dem Platz, wo sie ihre Gottesdienste abhielten. Sie mißtrauten der Toleranzpolitik Oraniens und waren entschlossen, sich der Verfolgung mit Gewalt zu widersetzen. Oraniens Politik der Vermittlung und des Ausgleichs wurde von der revolutionären Entwicklung überrollt. Im Juni/Juli 1566 erhielt die antispanische Opposition eine neue Qualität durch das sich anbahnende Bündnis zwischen dem „Kompromiß" und den kalvinistischen Konsistorien. Im Unterschied zu den Herren der Liga hatten die radikalen Führer des Kleinadels erkannt, daß zur Durchsetzung ihrer Interessen gegen die spanische absolutistische Monarchie eine bewaffnete Auseinandersetzung unumgänglich war. Auch die Konsistorien kamen zu der Erkenntnis, daß es ohne Gewaltanwendung nicht abgehen würde, und nahmen Kontakte zum „Kompromiß" auf. Sie sagten dem Adelsbund Geld für Söldnerwerbungen zu, wenn dieser den militärischen Schutz der kalvinistischen Gemeinden übernehmen würde. Dabei bestanden die Konsistorien darauf, daß ein gemeinsames Kontrollorgan aus je sechs Bürgern und Adligen eingerichtet wurde. Auf diese Weise beteiligte sich die Bourgeoisie an der politischen Führung der Bewegung, die bisher allein beim Adel gelegen hatte. Oranien kam nun in eine schwierige Situation. Denn blieb er weiter bei seiner reservierten Haltung gegenüber den Kalvinisten, so lief er Gefahr, die Unterstützung durch die Konsistorien und auch durch den Adelsbund völlig zu verlieren. Entschied er sich für ein Zusammengehen, würden sich die Liga und die deutschen protestantischen Fürsten von ihm distanzieren. Die Liga hatte für ihn nicht mehr viel Gewicht, da sie im Grunde seit dem Auftreten des „Kompromiß" im Frühjahr 1566 auseinandergefallen war. Einen entscheidenden Rückhalt sah Oranien aber nach wie vor in den deutschen Fürsten. Daher versuchte er, sowohl die Konsistorien als auch den „Kompromiß" dem Luthertum anzunähern und sie damit für die deutschen protestantischen Fürsten bündnisfahig zu machen. Ludwig von Nassau hielt im Auftrag Oraniens die deutschen Verwandten über die Entwicklung in den Niederlanden auf dem laufenden. Seine Briefe spiegeln recht deutlich die Probleme wider, mit denen sich Oranien konfrontiert sah. Sie zeigen auch, daß beide Brüder die revolutionäre Gefahr, die von den kalvinistischen Gemein-
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den ausging, deutlich erkannt hatten. So schrieb Ludwig an seinen Bruder Johann von Nassau am 15. August 1566: „Dan uf der einen seiten trachten die papisten nach unserem leib und guet, uff der andern so ist zue besorgen dasz der gemein mann under dem schein der religion und des predigens, dermassen den zaum nemen wirt, das es entlich zu einen uffruer gerathen muesz, dann sie kurtzumb ihres kopfs hinausz wollen, wie dan des gemeinen büffels geprauch ist und alwegen gewesen ist . . . Es stehet dieser ort wunderbarlich, denn Calvinismus reisset an allen orten mit gewalt ein, weisz in der warheit nicht wie man inen wehren mag; wo mann den gewalt fuer die handt nimpt, so wirt ein grausame bluetsteurtzung darausz ervolgen undt die wäre religion wenig gefordertt; soll man sie dann auch also fortfahren lassen, so werden sie nicht allein ire religion, sondern auch einen grossen ungehorsam unnder dem gemeinen mann einfueren, wie man teglichs ahn inen spueret. In summa, es kann oder mag ohne bluetstuertzung nicht abgehen, dann sich alle sachen darnach anlassen. Gott wolle dann disz landt mit seinen gnedigen äugen ansehen." Trotz aller bestehenden inneren Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten schien es, als würde sich im Juni/Juli 1566 ein antiabsolutistischer Block aus wenigen Vertretern des oppositionellen Hochadels, großen Teilen des Kleinadels, der Handels- und Manufakturbourgeoisie, des Kleinbürgertums und den kalvinistischen Predigern mit einer Massenbasis in den städtischen plebejischen Schichten bilden. In dem Maße, wie bürgerlich-kalvinistische Kräfte Einfluß gewannen, differenzierte sich der oppositionelle Hoch- und Kleinadel. Die Liga löste sich faktisch auf. Der „Kompromiß" verlor den größten Teil seiner katholischen Mitglieder, was jedoch dazu führte, daß der verbliebene kalvinistische Kern des Adelsbundes weitaus radikaler auftrat. In die zähen und langwierigen Verhandlungen zwischen Oranien und den zerstrittenen Herren der Liga, Oranien und dem „Kompromiß", dem „Kompromiß" mit den Konsistorien und aller mit der Generalstatthalterin platzte eine Nachricht, die sie in helle Aufregung und höchste Unruhe versetzte. Am 10. August 1566 hatte der Hutmacher und kalvinistische Prediger Sebastian Matte, der im Mai aus dem englischen Exil zurückgekehrt war, vor dem Kloster St-Laurence in Steenvoorde (Westflandern) eine zündende Ansprache gehalten. Kaum hatte Matte geendet, brach aus seinen Zuhörern eine Gruppe von etwa zwanzig Leuten in das Kloster ein und zerstörte unter Leitung des ehemaligen Augustiner76
mönches Jacob de Buzere alle Heiligenbilder. Am 13. August erfuhr das Kloster St-Antoine, vor der Stadt Bailleul gelegen, das gleiche Schicksal, und am 14. August wurden in Poperinge in den Kirchen alle Bilder und Skulpturen vernichtet. Von Westflandern breitete sich die Bildervernichtung wie ein Sturmwind über zwölf der siebzehn niederländischen Territorien aus, erfaßte am 16. August Ypern, am 20. August Antwerpen, am 22. August Gent und Middelburg, am 23. August Tournai, Mecheln und Amsterdam, am 24. August Delft und Utrecht, am 25 August Den Haag und Leiden, am 2. September Alkmaar, am 6. September das friesische Leeuwarden und am 18. September Groningen. Überall wurden die Bilder zerrissen oder verbrannt, die Statuen und Skulpturen umgestürzt und zertrümmert, Kelche und anderes Kirchengerät zerschlagen und Priestergewänder zerrissen. An der Spitze der zunächst spontanen, dann aber ganz offensichtlich durch kalvinistische Konsistorien organisierten Bewegung standen zumeist Prediger, die von einer bewaffneten Gruppe begleitet wurden. Die kalvinistischen Bilderstürmer achteten streng darauf, daß es nicht zu Gewalttätigkeiten gegen Priester, Mönche oder katholische Gläubige kam. Natürlich konnten sie nicht verhindern, daß sozial völlig entwurzelte Angehörige der untersten städtischen Schichten die Aktionen zu Plünderungen nutzten. Wiederholt wurden jedoch auf frischer Tat ertappte Plünderer durch die Bilderstürmer hingerichtet. Die Masse der Bilderstürmer waren Handwerker, Handwerksgesellen, Manufakturarbeiter und Tagelöhner. Aber auch Vertreter der bürgerlichen Oberschicht waren an den Aktionen beteiligt. In einigen Städten lag die Führung sogar in deren Händen, und verschiedentlich verstanden es diese kalvinistischen Großbürger, den Bildersturm über die rein antikirchliche Bewegung hinauszuführen, den alten Magistrat zu stürzen und eine neue, von ihnen beherrschte Stadtobrigkeit zu bilden. Vereinzelt kam es auch vor, daß kalvinistische Kleinadlige den Bildersturm in ihren Dörfern selbst leiteten. Der Bildersturm war Ausdruck der schweren inneren Widersprüche, die in den Niederlanden aufgebrochen waren. Seine Ursache war der unstillbare Haß eines großen Teils der Bevölkerung auf die katholische Kirche, die deutlich als Träger der Inquisition und Stütze des verhaßten spanischen Regimes empfunden wurde. Die Zerstörung der Heiligendarstellungen sollte die Vernichtung des Katholizismus und die Aufrichtung der kalvinistischen Kirchengemeinschaft symbolisieren. Da die katholische Kirche und das spanische Regime aber miteinander verknüpft waren und die Vernichtung der Kirche nur 77
mit gleichzeitiger Beseitigung der spanischen Fremdherrschaft möglich war, besaß der Bildersturm auch eine deutlich politische Stoßrichtung. Der Bildersturm setzte Kräfte in Bewegung, die fähig gewesen wären, die spanische Fremdherrschaft zu zerschlagen und günstigere Entwicklungsbedingungen für die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu schaffen. Vorübergehend waren die alten Obrigkeiten wie gelähmt, und die Aufständischen hatten die meisten großen Städte, die Lebenszentren der Niederlande, in ihren Händen. Doch es fehlte das notwendige Zusammenspiel und die einheitliche politische Führung. Der radikale Ausbruch des Volkszorns gegen die katholische Kirche führte dazu, daß die oppositionellen Kräfte des Adels endgültig auseinanderfielen. Die meisten Herren der Liga wechselten wieder bedingungslos in das spanientreue Lager. Auch Oranien, Egmont und Hoorn waren entsetzt. Was da geschehen war, rüttelte an den Grundfesten der bestehenden Ordnung. Das Volk hatte es gewagt, sich aus eigenem Antrieb zu erheben und für seine Interessen zu kämpfen. In dieser Situation siegte auch bei Oranien das Solidaritätsgefühl der herrschenden Klasse über die Versuchung, sich an die Spitze dieser Massenbewegung zu stellen und sie für den ständischen Kampf gegen den Absolutismus zu nutzen. Der „Kompromiß" hatte zwar die vorübergehende Schwächung der Generalstatthälterin genutzt, um ihr Zugeständnis abzuringen, dann ordneten sich aber die meisten seiner Mitglieder klassenbewußt in die feudale Front gegen den Volksaufstand ein. Am 23. August schloß der „Kompromiß" einen Akkord mit Margarethe, der am 25. August verkündet wurde: Die Generalstatthalterin versprach die freie Ausübung kalvinistischer Predigten in den Orten, in denen sie bereits stattgefunden hatten, bis der König mit dem Rat der Generalstände Endgültiges beschließen würde. In etwas unklaren Formulierungen wurde den Mitgliedern des Adelsbundes sodann ein Generalpardon für ihre bisherige oppositionelle Haltung zugesagt. Dagegen erklärte der Bund, alles in seinen Kräften stehende zu tun, um das Volk zu beruhigen und zur Niederlegung der Waffen zu bewegen, der Schändung der Klöster und Kirchen zu wehren, die Geistlichen und Beamten zu schützen und die Ausweitung der kalvinistischen Predigten zu verhindern. Schließlich stellten die Deputierten des Bundes einen Revers aus, daß sie sich als gehorsame Vasallen Philipps verhalten würden. Für die Dauer des ihnen gewährten Pardons sollte der Bund keine 78
Geltung mehr haben — im Grunde war dies eine Selbstauflösung des „Kompromiß". Wie die anderen Statthalter ging Oranien nach dem ersten Schrekken in den ihm unterstehenden Gebieten mit Energie und Konsequenz an die Unterdrückung der Bildersturmbewegung. Am 26. August begab sich Oranien zunächst nach Antwerpen, wo er sogleich ein abschreckendes Beispiel statuierte. Am Morgen des 28. August ließ er in seiner Gegenwart auf dem Markt drei Bilderstürmer durch den Strang hinrichten, drei wurden verbrannt und andere verhaftet. Er ließ öffentlich verkünden, daß fortan Bilderstürmerei, Störungen des katholischen Gottesdienstes und Beleidigung von Priestern unnachsichtig mit der Todesstrafe geahndet werden würden. Nachdem er auf diese rigorose Art und Weise die Unruhe in der Stadt eingedämmt hatte, handelte er einen Kompromiß zwischen Katholiken, Kalvinisten und Lutheranern aus, in dem die Unverletzlichkeit des katholischen Gottesdienstes garantiert, aber auch den Kalvinisten und den Lutheranern die Religionsausübung in der Stadt garantiert wurde. Damit ging Oranien über den Akkord hinaus, aber es gelang ihm, die Ruhe in Antwerpen herzustellen. Und darauf kam es ihm an: zu beweisen, daß mit mehr Toleranz in Glaubensfragen die Niederlande befriedet werden könnten und daß niemand berufener für die Befriedung und Regierung des Landes nach der alten ständischen Ordnung sei als der niederländische Hochadel. Oranien wurde wegen des Antwerpener Kompromisses im Staatsrat von Berlaymont, Viglius und dem Grafen Mansfeld, aber auch von Egmont kritisiert, weil er die protestantischen Gottesdienste in der Stadt zugelassen hatte. Die Generalstatthalterin Margarethe tadelte ihn in einem Brief und betonte, daß sie den Akkord so verstanden habe, daß Predigten nur außerhalb der Städte und zudem nur Predigten und keine regelrechten Gottesdienste der Kalvinisten stattfinden dürften. In einem Brief an Hoogstraten, der Oranien bekannt wurde, schrieb Margarethe sogar, Oranien habe in Antwerpen seine Verpflichtungen gegenüber Gott und seinem Landesherrn verletzt. Während Hoorn mit unverkennbarer Sympathie für die Kalvinisten in Tournai ähnlich wie Oranien in Antwerpen durch Verhandlungen und mit Kompromissen den Akkord durchzusetzen versuchte, warf Egmont den Bildersturm in Flandern mit äußerster Härte nieder. In der Nähe des Städtchens Grammond ließ sein Beauftragter Bekerzeel z. B. am 2. September 1566 an einem über zwei Bäume 79
gelegten Balken dreißig Bilderstürmer zugleich aufhängen. Mit brutaler Gewalt und einigen Zugeständnissen an die Protestanten gelang es der herrschenden Klasse bis zum Ende des Jahres 1566, der revolutionären Volksbewegung Herr zu werden. Der Bildersturm, mit dem die niederländische frühbürgerliche Revolution begann, wurde niedergeworfen. Nur die Städte Tournai und Valenciennes, in denen die kalvinistischen Konsistorien die Macht übernommen hatten, widersetzten sich allen Verhandlungsangeboten und Gewaltandrohungen. Nachdem der Volksaufstand im wesentlichen niedergeschlagen worden war, häuften sich Signale, die Oranien deutlich machten, daß Philipp II. die Opposition des niederländischen Adels nunmehr mit Gewalt brechen wollte, daß er ein Strafgericht gegen den widerspenstigen hohen und niederen Adel plante. Vor allem beunruhigten Oranien die umfangreichen Truppenwerbungen, die die Generalstatthalterin im Auftrag des Königs in den Niederlanden vorbereitete. Von den verschiedensten Seiten gingen ihm Warnungen zu, vor Philipp auf der Hut zu sein. Im September 1566 verdichteten sich auch die Gerüchte, daß Philipp II. im März oder April des nächsten Jahres mit einem großen Heer gegen die Niederlande ziehen wolle. In dieser Situation verfestigte sich bei Oranien der Entschluß, sich mit Gewalt der Unterwerfung der Niederlande unter das absolutistische Regime Philipps zu widersetzen. Als eine Möglichkeit hatte er den gewaltsamen Widerstand schon lange ins Kalkül gezogen und sich bemüht, unter den protestantischen Reichsfürsten potentielle Verbündete zu finden. Letztlich hatte diesem Zweck auch schon seine unglückliche Heirat mit Anna von Sachsen gedient. Im Herbst 1566 sah Oranien deutlich, daß es für den oppositionellen Adel nur noch zwei Möglichkeiten gab: Völlige Unterwerfung auf Gnade und Ungnade oder offener Kampf für die Bewahrung der feudalen ständischen Privilegien und hochadligen Herrschaftsrechte. Oranien rang sich zu dem Entschluß durch, sich nicht zu beugen und nicht kampflos das Feld zu räumen. Zusammen mit seinem Bruder Ludwig arbeitete er einen Plan aus, der zum Ziel hatte, daß Oranien, Egmont und Hoorn die Generalstatthalterin absetzen und selbst als Triumvirat die Regierung in den Niederlanden übernehmen sollten, „als treue Diener des Königs, als Protektoren des Adels und des Vaterlandes und auch des ganzen Volkes", wie es in dem Entwurf eines Aufrufs hieß, den wahrscheinlich Ludwig von Nassau erarbeitet hatte und mit dem sich Oranien, Egmont und Hoorn nach den Vorstellungen Oraniens 80
an die Öffentlichkeit wenden und ihren Staatsstreich begründen sollten. Der Entwurf schloß mit den Worten: „Daher müssen wir unser Vertrauen auf Gott setzen, welcher die Herzen durchforscht; wir bezeugen, daß wir diese Protektion nicht auf uns nehmen aus Ehrgeiz und Selbstsucht, sondern nur für den Dienst Gottes und die Erhaltung unseres Landes. Wir wollen immer treue Diener des Königs und seiner Nachfolger bleiben, Gut und Blut jederzeit für ihn einsetzen, wofern er uns für seine geborenen Vasallen erachtet, uns vertraut und nicht gestattet, daß wir tyrannisiert und in Knechtschaft gehalten werden. Denn lieber wollen wir für den Schutz und die Freiheit unseres Vaterlandes sterben, als leben mit allen Reichtümern und Gnadengaben, die man uns bewilligt, indem man uns dabei unter solche Tyrannei beugt, wie sie in einigen anderen Reichen und Ländern des Königs besteht. Wir begnügen uns gern mit einem einfachen und ruhigen Dasein, ohne nach irdischen Ehren zu streben, und wir hoffen, daß dereinst jedermann erkennen wird, daß nicht der Ehrgeiz unsere Handlungen regiert, wie unsere Widersacher uns vorwerfen, welche darnach trachten, uns also bei allen Fürsten und Machthabern der Christenheit Haß zu erwecken." Mit diesen Worten sollte von vornherein der Vorwurf der Rebellion gegen den rechtmäßigen Landesherrn entkräftet werden: Nicht der oppositionelle Adel beging einen Treuebruch, sondern der Landesherr, da er die verbrieften Rechte seiner Lehnsleute schändete. Wenn der Landesherr das traditionelle Lehnsverhältnis achte, so gebühre ihm unbedingte Treue und Gehorsam; verletze er aber weiter einseitig das Lehnsverhältnis, so begehe er einen Treuebruch, und seine Vasallen hätten das Recht, für die Wiederherstellung der rechtmäßigen Lehnsverhältnisse die Waffen zu erheben. Oranien beschwor Egmont und Hoorn, sich nicht „nach und nach das Gras unter den Füßen hinwegmähen zu lassen und so lange zu zaudern, bis keine Rettung mehr vorhanden" sei. Am 3. Oktober 1566 trafen sich Oranien, Egmont und Hoorn in dem zwischen Brüssel, Antwerpen und Gent gelegenen Städtchen Dendermonde zu der entscheidenden Unterredung, an der auch Ludwig von Nassau und Hoogstraten teilnahmen. Oranien überließ in vorsichtiger Zurückhaltung seinem Bruder das Wort, und dieser schilderte eindringlich die Gefahr, die ihnen drohte. Nach den sich immer mehr verdichtenden Nachrichten scheine es sicher zu sein, daß Philipp die Absicht habe, Oranien, Egmont und Hoorn den Prozeß zu machen und sie hinrichten zu lassen. Daher müsse man ernsthaft daran denken, sich 6
Vetter, Oranien
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zu stärken, um Philipp, wenn er mit Heeresmacht in die Niederlande kommen solle, bewaffnet entgegentreten zu können. Egmont war zunächst tief betroffen von den gefahrlichen Nachrichten, doch er schenkte ihnen letztlich keinen Glauben. Er war gerade bei der Generalstatthalterin zu einem Gespräch gewesen, und diese hatte ihm versichert, daß Philipp demnächst die Generalstände einberufen werde und alle Unstimmigkeiten durch ordentliche Verhandlungen aus der Welt geschafft werden würden. Egmont vertraute den Worten von Margarethe und war sich sicher, daß Philipp von der Loyalität des Hochadels durch dessen Einsatz bei der Niederwerfung des Bildersturms überzeugt worden war und daß sie von ihm nichts Ernsthaftes zu befürchten hätten. Daher lehnte er Vorbereitungen für den bewaffneten Widerstand gegen Philipp strikt ab. Damit war Oraniens Plan gescheitert, denn Hoorn war nicht bereit, ohne Egmont den entscheidenden Schritt zu tun. Hoorn zog sich nach diesem Treffen fast völlig aus dem politischen Leben zurück. Nun war auch der Kern der ehemaligen Liga des Hochadels auseinandergefallen: Egmont war im Grunde zur völligen Unterwerfung bereit, Hoorn verharrte in Passivität; nur Oranien war weiter zu aktivem Widerstand entschlossen. Aber noch eine zweite Enttäuschung mußte Oranien hinnehmen, und zwar durch die protestantischen Reichsfürsten, auf die er so große Hoffnungen gesetzt hatte. Mitte September 1566 hatte sich Graf Ludwig von Wittgenstein, ein Vertrauter Oraniens, auf eine Reise nach Hessen und Kursachsen begeben, wo er um Unterstützung für den Kampf gegen Philipp II. werben sollte. Wittgenstein hielt sich strikt an die ihm von Oranien schriftlich erteilte Instruktion und betonte zunächst an beiden Höfen eindringlich, daß Oranien nichts mit dem kalvinistischen Bildersturm zu tun habe und daß er nach wie vor ein treuer Anhänger der „wahren Religion", d. h. des Luthertums, sei. Sodann schilderte Wittgenstein die sich in Spanien zusammenbrauende Gefahr und bat die Landgrafen Philipp und Wilhelm von Hessen ebenso wie Kurfürst August von Sachsen, alle religionsverwandten deutschen Fürsten zu bewegen, in einer gemeinsamen Note von Philipp die Respektierung der alten Freiheiten der Niederlande zu fordern. Für den Fall, daß sich Philipp II. davon nicht beeindrucken lassen würde, trug Oranien in der Instruktion Wittgenstein die Bitte um Rat auf, „welcher gestalt, was massen und wie weit sich diese lände, der reinen religion halben, mit der kegenwehr wieder solchen gefährlichen überzugk einzulassen und sich demselbigen ohn Verletzung irer Privilegien und freiheiten, auch ayden und pflichten, widerlegen könthen". 82
Die Nachrichten, die Oranien von Wittgenstein über den Erfolg seiner Mission erhielt, waren entmutigend. Die Fürsten waren bereit, sich auf diplomatischem Wege beim Kaiser Maximilian II. und bei Philipp II. für die Sache Oraniens einzusetzen, gaben aber eindeutig zu verstehen, daß sie sich nicht militärisch in den Niederlanden engagieren würden, schon gar nicht, solange es um den Schutz von Kalvinisten ging. Kurfürst August empfahl Oranien, Philipp II. um Zulassung der lutherischen Lehre zu ersuchen, diesem aber ansonsten „schuldigen Gehorsam" zu leisten. Sollte der spanische König wider Erwarten mit Gewalt das Evangelium ausrotten wollen, so werde ihn Gottes Strafe treffen, und Gott werde auch dem Prinzen beistehen. Als im Spätherbst 1566 offenkundig wurde, daß die Generalstatthalterin im Auftrag Philipps II. Vorbereitungen zur militärischen Unterwerfung jeglicher Opposition in den Niederlanden traf, entschlossen sich Teile des kalvinistischen Bürgertums und des radikalen kalvinistischen Kleinadels zum bewaffneten Kampf gegen das spanische Regime. Ende November/Anfang Dezember 1566 tagte in Antwerpen eine kalvinistische Synode, an der Vertreter der Konsistorien aus fast allen Provinzen teilnahmen. Die Synode beriet über die Frage, „ob im Niederlande ein Teil der Vasallen in Verbindung mit einem Teil der Untertanen mit Waffengewalt sich ihrer Obrigkeit widersetzen darf, falls diese die Privilegien bricht und nicht beachtet, indem sie Unrecht oder offene Gewalt übt?" Die Versammelten erklärten sich grundsätzlich für die Berechtigung des Widerstands und beschlossen die Aufstellung von Truppen, deren Oberbefehl Oranien angetragen werden sollte, wenn dieser sich öffentlich zum Kalvinismus bekennen würde. Gleichzeitig wurden die kalvinistischen Kleinadligen zum Zusammengehen aufgefordert. Oranien lehnte das Angebot aus den bekannten Gründen ab, bezog aber auch nicht eindeutig Stellung gegen die militärischen Vorbereitungen der Kalvinisten. Die offenen Auseinandersetzungen begannen im Südwesten der Niederlande. Die Städte Tournai und Valenciennes, in denen die alten Magistrate faktisch ausgeschaltet waren und die kalvinistischen Gemeinden die Macht ausübten, widersetzten sich der Forderung zur Unterwerfung, die Margarethe ausgesprochen hatte. Arend Dirckzoon Vos schrieb in diesen spannungsgeladenen Wochen sein berühmtes Geusenlied, das die kampfentschlossene Stimmung der Kalvinisten wiedergibt:
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„Slaet opten trommele, van dirredomdeyne Slaet opten trommele, van dirredomdoes, Slaet opten trommele, van dirredomedyne, Vive le Geus is nu de loes. Vive le Geus, wilt christelick leven, Vive le Geus, hout frayen moet, Vive le Geus, hoed u voor sneven, Vive le Geus, edel Christen bloed."* In Westflandern stellten kalvinistische Konsistorien und kalvinistische Kleinadlige Truppen auf, die Mitte Dezember eine Stärke von 1500 Mann erreichten. Eine Abteilung der kalvinistischen Streitmacht wollte Valenciennes, das seit dem 17. Dezember von Einheiten der Generalstatthatterin belagert war, zu Hilfe kommen, wurde jedoch am 27. Dezember bei dem in der Nähe von Lille gelegenen Dorf Wattrelos von dem spanientreuen Statthalter von Lille Maximilien Vilain, Seigneur de Rassenghien, vernichtend geschlagen. Einen Tag später erlitt auch die kalvinistische Hauptmacht bei dem Städtchen Lannoy, ebenfalls in der Nähe von Lille, eine Niederlage; 600 Geusen wurden getötet, der Rest ergriff die Flucht. Angesichts dieser Niederlagen ergab sich Tournai. Die kalvinistischen Führer, deren man habhaft werden konnte, wurden gehenkt, die Bürgerschaft wurde entwaffnet und der Katholizismus wieder zur einzig rechtmäßigen Konfession erklärt. Inzwischen waren auch im Norden kalvinistische Truppen aufgestellt worden, als deren Kommandeur der Adelsbund und die im „Compromis des Marchands" verschworenen kalvinistischen Käufleute Heinrich von Brederode bestimmt hatten. Brederode begab sich am 27. Januar 1567 nach Breda, um noch einmal zu versuchen, Wilhelm von Oranien als Bundesgenossen zu gewinnen — doch vergeblich. Oranien war nicht zur offenen Unterstützung der Kalvinisten bereit, denn dies hätte die offene Rebellion gegen Philipp II. bedeutet, vor der er aber ohne eine Front des niederländischen Hochadels und * Schlagt auf die Trommel, van dirredomdeyne, Schlagt auf die Trommel, van dirredomdol, Schlagt auf die Trommel, van dirredomdeyne, Es lebe der Geuse, ist nun die Parol. Es Es Es Es 84
lebe der lebe der lebe der lebe der
Geuse, lebt christlich alle, Geuse, behaltet guten Mut, Geuse, hüte Dich vorm Falle, Geuse, edles Christenblut.
ohne militärische Unterstützung der deutschen protestantischen Fürsten zurückschreckte. Durch eine deutliche Parteinahme für die Kalvinisten hätte Oranien zudem mit Sicherheit jeglichen Rückhalt bei den lutherischen Herrschern von Kursachsen und Hessen verloren. Aus dieser Konstellation erklärt sich auch vor allem Oraniens Verhalten in den dramatischen Ereignissen vor und in Antwerpen Mitte März 1567. Bei dem Dorf Oosterweel, dicht bei Antwerpen gelegen, befand sich ein Feldlager der kalvinistischen Truppen unter dem Kommando von Johann van Marnix, Herr von Toulouse. Am frühen Morgen des 13. März bemerkten die Wachposten den Anmarsch einer größeren militärischen Einheit. Im Lager brach Jubel aus, meinte man doch, eine schon lange erwartete Verstärkung unter Ludwig von Nassau würde sich nähern. Erst in unmittelbarer Nähe erhoben die Anmarschierenden ihre Banner und gaben sich als Heeresmacht der Generalstatthalterin unter dem Kommando von Philippe de Lannoy, Seigneur de Beauvoir, zu erkennen. Im Geusenheer brach eine heillose Panik aus, die von den Söldnern Beauvoirs erbarmungslos genutzt wurde. Sie gaben kein Pardon und machten die Kalvinisten — einschließlich ihres Führers — bis auf den letzten Mann nieder. Von den Mauern Antwerpens war das furchtbare Gemetzel gut zu beobachten. Die Kalvinisten der Stadt waren zur Unterstützung des Geusenheeres entschlossen. Sie versammelten sich bewaffnet und wollten aus dem Roten Tor ausbrechen. Wilhelm von Oranien, als Burggraf militärischer Befehlshaber der Stadt, hatte jedoch alle Tore schließen lassen und verhinderte, daß die Kalvinisten ihren bedrängten Gesinnungsgenossen zu Hilfe eilen konnten. Während vor den Mauern die Geusenkrieger niedergemetzelt wurden, spielten sich in der Stadt dramatische Szenen ab. Mehrfach setzten die Kalvinisten zum Sturm auf die Tore an, und immer wieder stellte Oranien sich ihnen entgegen, wobei er wiederholt in höchster Lebensgefahr schwebte. So setzte ihm ein Tuchscherer seine Büchse auf die Brust und schrie: „Du ehrloser und schelmischer Verräter hast das Spiel angezettelt und bist schuld daran, daß unsere Brüder da draußen massakriert und ermordet werden." Andere Kalvinisten riefen ihm zu, er habe sie erst zum Tanze geführt und lasse sie nun im Dreck stecken. Noch tagelang herrschte in der Stadt hochgradige Erregung. Die Kalvinisten verlangten die Übergabe des Rathauses und die Auslieferung der Stadtschlüssel und wollten gemeinsam mit der lutherischen Gemeinde das Stadtregime übernehmen. Doch die Lutheraner, meist wohlhabende Kaufleute, zum Teil Ausländer, befürchteten eine 85
weitere Radikalisierung des Aufstandes und stellten sich mit den Katholiken gegen die Kalvinisten. Am 14. März standen sich 20000 bewaffnete Einwohner kampfbereit gegenüber, wobei die Kalvinisten ein geringes Übergewicht besaßen. Oranien war bis zur körperlichen Erschöpfung um die Dämpfung der Unruhe und einen Ausgleich bemüht, den er schließlich am 15. März zustande brachte. Die Kalvinisten wurden an der militärischen Sicherung Antwerpens beteiligt und erhielten das Versprechen, daß der Magistrat ohne Zustimmung der ganzen Gemeinde keine Garnison aufnehmen würde. Oranien war erleichtert. Am 17. März schrieb er einem Verwandten, er fühlte sich nach diesen furchtbaren Tagen wie neu geboren. Es war ihm noch einmal gelungen, bei hochgradiger Zuspitzung der gesellschaftlichen Widersprüche in der bedeutendsten Stadt der Niederlande seine Politik des Ausgleichs, des Offenhaltens aller Möglichkeiten in der Auseinandersetzung mit dem spanischen Absolutismus durchzusetzen. Doch um welchen Preis? Es erschienen Flugblätter, auf denen Oranien als Mann mit zwei Gesichtern karikiert wurde, die Hände nach beiden Seiten hin offenhaltend. Immer wieder gab es empörte Menschenansammlungen vor seinem Antwerpener Quartier, wurden Beschimpfungen und Morddrohungen gegen ihn ausgestoßen. Wilhelm von Oranien, lange Zeit Integrationsfigur und gleichsam Symbol des Kampfes gegen die spanische Fremdherrschaft, hatte bei den Kalvinisten jegliches Ansehen verloren. Am 24. März 1567 ergab sich Valenciennes der unter Philippe de St. Aldegonde, Baron de Noircarmes, stehenden Belagerungsarmee. Dämit war der letzte Stützpunkt der Kalvinisten gefallen. In ihrem ersten Anlauf hatte die niederländische frühbürgerliche Revolution eine Niederlage erlitten.
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Der Weg in das Exil
Anfang März 1567 war Wilhelm von Oranien wie die anderen niederländischen Hochadligen von der Generalstatthalterin Margarethe von Parma aufgefordert worden, seinen Treueid auf Philipp II. zu erneuern. Während die anderen Hochadligen — Hoorn allerdings erst nach langem Zögern — dieser Aufforderung nachkamen, lehnte Oranien ab. Er schrieb am 6. März an Margarethe, ein neuer Treueid würde bedeuten, daß er den alten nicht gehalten habe, und diesem Vorwurf wolle er sich nicht aussetzen. Daher sei er entschlossen, von allen seinen Ämtern zurückzutreten, bis Philipp II. selbst in die Niederlande kommen und über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens an Ort und Stelle urteilen würde. Margarethe weigerte sich, die Demission anzunehmen, und beauftragte Egmont und Graf Ernst von Mansfeld, Oranien zu erneuter Eidesleistung zu bewegen. Da Oranien es ablehnte, nach Brüssel zu kommen, weil er um seine persönliche Sicherheit fürchtete, trafen sich die drei Herren am 2. oder 3. April 1567 im Dorf Willebroek in der Nähe von Mecheln. Oranien blieb bei seiner Verweigerung des geforderten Eides und gab damit zu erkennen, daß er nicht bereit war, seine oppositionelle Haltung gegenüber der absolutistischen Politik Philipps II. aufzugeben. Mit dieser Entscheidung gab es für Oranien nur noch zwei Möglichkeiten: entweder im Lande zu bleiben mit der Gewißheit, über kurz oder lang als Rebell gegen den Landesherrn verurteilt zu werden, oder sich dem Zugriff Philipps zu entziehen und sich ins Exil zu begeben. In zeitgenössischen Schriften findet sich eine anekdotenhafte Beschreibung des Abschieds von Oranien und Egmont nach den Gesprächen in Willebroek, die das spätere Geschehen vorwegnimmt. Danach soll Egmont gesagt haben: „Lebe wohl, Fürst ohne Land"; worauf Oranien entgegnete: „Lebe wohl, Graf ohne Kopf." Soviel scheint sicher: Schon vor dem Treffen in Willebroek hatte 87
sich Oranien für die Flucht entschieden. Was blieb ihm auch übrig, wenn er sich nicht unterwerfen und nicht als Märtyrer untergehen wollte? Die Fronde des Hochadels war zerfallen, von den deutschen protestantischen Fürsten hatte er wohl moralischen Zuspruch, aber keine wirksame Hilfe erfahren, die Volkserhebung des Bildersturms hatte er verabscheut und mit unterdrückt, die kalvinistischen Konsistorien und den radikalen Kleinadel hatte er verprellt und sogar zu deren militärischer Niederlage beigetragen. Die Enttäuschung der kalvinistischen Bevölkerung gibt ein Geusenlied wieder: „Want onse hope die hadden wy ghestelt, Op Heeren en Vorsten groot van staten, Ende ooch hier op der cooplieden gheldt, Maar alle dese hebben ons nu verlaten, Dan t'is loon nae werck; want al ons praten Was van Oraengiens gheweldt en Breeros macht, Dus is't wel weert, dat men ons belacht."* Ganz sicher hat Oranien einen entscheidenden Fehler begangen, als er sich nicht an die Spitze des kalvinistischen Bürger- und Kleinadelaufstandes stellte, um mit dessen Hilfe seine politischen Ziele zu erreichen. Die entscheidende Ursache dafür muß man wohl in den Grenzen sehen, die dem politischen Denken des Oraniers durch seinen Klassenstandpunkt als Angehöriger des Hochadels gesetzt waren. Er vertraute nicht der Kraft der nationalen Befreiungsbewegung eines Volkes und konnte sich nicht vorstellen, daß ohne eine Fronde des Hochadels und ohne die Hilfe anderer Potentaten ein siegreicher Kampf gegen Philipp II. möglich war. Sicher spielte auch eine Rolle, daß ihm die demokratische Organisation der Kalvinisten und deren eigenmächtige Erhebung gegen feudale Obrigkeiten zutiefst zuwider waren. Schließlich fiel es Oranien wahrscheinlich auch schwer, mit den Traditionen seiner Familie zu brechen, die fast ein Jahrhundert im treuen Dienst für die Habsburger gestanden hatte. Neben der immer deutlicher werdenden Stärkung des spanischen Regimes in den Niederlanden hatte Oranien noch einen gewichtigen
* Denn unsere Hoffnung, die hatten wir gestellt Auf die Herren und Fürsten von hohem Rang Und auch auf der Kaufleute Geld. Aber all' diese ließen uns nun allein, Das ist der Lohn der Arbeit, denn unser Reden war insgemein Nur von Oraniens Gewalt und Brederodes Macht, Das ist nun wohl wert, daß man über uns lacht.
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Beweggrund für seinen Entschluß, das Land zu verlassen und damit Leib und Leben zu retten: Er besaß sichere Nachricht, daß Philipp II. demnächst ein größeres spanisches Truppenkontingent in die Niederlande entsenden würde. Schon im Frühjahr 1566 hatte sich Philipp II. zu einem scharfen Vorgehen gegen die niederländische Opposition entschlossen, jedoch die ständige Bedrohung durch die im westlichen Mittelmeer kreuzende türkische Flotte ließ es ihm nicht geraten erscheinen, den Mittelmeerraum zugunsten einer Strafexpedition gegen die Niederlande militärisch zu schwächen. Solange die türkischen Absichten nicht deutlich zu erkennen waren, mußte Spanien bereit sein, alle Mittelmeerküsten seiner Territorien gegen einen plötzlichen türkischen Angriff verteidigen zu können, wodurch die verfügbaren spanischen Streitkräfte restlos gebunden waren. Aus dieser Situation erklärt sich die Hinhaltetaktik, deren sich Philipp II. 1566 gegenüber den Niederlanden bediente. Als der spanische König am 3. September 1566 durch einen Eilkurier die Nachricht vom Bildersturm erhielt, lag er schwer fieberkrank danieder. Erst am 22. September konnte er im spanischen Staatsrat das niederländische Problem erörtern. Die übereinstimmende Meinung war, daß die Herrschaft Philipps und des Katholizismus als allein zugelassener Konfession jetzt nur noch mit Gewalt hergestellt werden können. Ein rasches und entschlossenes Vorgehen hielt man auch für nötig, damit der Aufstand der Niederlande im spanischen Imperium nicht Schule machen könne. Schon im Juni hatte Granvelle aus Rom gewarnt: „Ganz Italien spricht schon davon, daß, wenn die Unruhen in den Niederlanden nicht aufhören, Mailand und Neapel bald folgen werden." War man sich im Staatsrat über die Notwendigkeit des gewaltsamen Vorgehens gegen die „Rebellen" einig, so gab es Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise, hinter denen auch die Rivalität zwischen Philipps wichtigsten politischen Beratern stand. Während Ruy Gömez da Silva, Fürst von Eboli, nur zu dem allernotwendigsten militärischen Einsatz riet, um dann von einer Position der Stärke die Niederlande auch mit bestimmten Zugeständnissen zu befrieden, erklärte sich Don Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, für eine rasche, energische und schreckenerregende Aktion gegen alle, die die unumschränkte Autorität des Königs und der katholischen Kirche in Frage gestellt hatten. Der König entschied sich schließlich für Albas Rat, und im November 1566 begannen die Vorbereitungen für die große Strafexpedition gegen die Niederlande. Am 21. November wurde Alba als Generalkapitän der zu for89
mierenden niederländischen Armee bestellt. Da sich die Konzentration der Truppeneinheiten in Oberitalien bis Mitte Dezember hinzog, der französische König den Durchzug durch sein Gebiet nicht gewährte und der Marsch über die Alpen im Winter zu beschwerlich und gefahrlich war, wurde der Beginn der Aktion auf das Frühjahr 1567 verschoben. Im Frühjahr 1567 wurde Philipp II. auch durch die außenpolitische Situation zum entscheidenden Schlag ermutigt. Nach dem Tode von Sultan Suleiman II. im September 1566 war es in der türkischen Armee zu Meutereien und in einigen türkischen Provinzen zu Aufständen gegen Suleimans Nachfolger Selim II. gekommen, so daß die Türkei zu Offensivhandlungen schwerlich in der Lage war. Am 17. April 1567 verabschiedete sich Alba in Aranjuez von Philipp II., am 31. Mai traf er bei den in der Lombardei konzentrierten 10000 Mann spanischer Elitetruppen ein, zu denen noch ein deutsches Infanterieregiment kam. Mit dieser Heeresmacht brach Alba am 18. Juni in die etwa 1100 Kilometer entfernten Niederlande auf, deren Grenze er am 3. August bei Thionville erreichte. Erst nachdem er sich gründlich über die Lage hatte informieren lassen, marschierte er weiter in Richtung Brüssel, wo er am 22. August seinen Einzug hielt. Die Generalstatthalterin fühlte sich durch die Mission Albas brüskiert und sah darin eine Nichtanerkennung ihrer Verdienste bei der Niederwerfung der Unruhen. Vergeblich hatte sie ihrem Halbbruder wiederholt klarzumachen versucht, daß in den Niederlanden keine spanischen Truppen mehr benötigt würden und daß deren Ankunft nur neue Zuspitzungen zur Folge haben könnten. Alba ließ Margarethe keinen Augenblick im Zweifel, daß er nunmehr der eigentliche Vertreter Philipps sei, mit dem Auftrag, durch die schonungslose Verfolgung und Bestrafung aller Aufrührer die Territorien für immer zu befrieden. Margarethe zog die Konsequenzen und bat Philipp II. um ihren Abschied, den sie auch erhielt. Nachdem sie noch Alba als ihren Nachfolger im Amt des Generalstatthalters vereidigt hatte, verließ sie am 30. Dezember 1567 Brüssel und begab sich nach Italien. Alba setzte am 5. September einen Sondergerichtshof ein, den „Rat der Unriihen", auch Blutrat genannt, dessen Aufgabe die Aburteilung aller „Rebellen" war. Insgesamt wurden etwa 1000 Personen vom Blutrat zu Tode verurteilt und hingerichtet; etwa 9000 Niederländer, die sich der Verhaftung entziehen konnten, wurden in Abwesenheit verurteilt, ihr Vermögen wurde konfisziert. Wenigstens 60000 Menschen flüchteten aus den Niederlanden, die meisten nach England, 90
Frankreich und in das Reich, Unter dem schrecklichen Druck waren die Niederlande wie gelähmt. Alba schien recht zu behalten: Der konterrevolutionäre Terror erstickte jeden Widerstand. Wilhelm von Oranien war dem spanischen Unterdrückungsfeldzug frühzeitig ausgewichen. Am 11. April 1567 hatte er mit seiner Leibgarde Antwerpen verlassen und sich nach Breda begeben. Dort traf er sich mit seinem Sohn Philipp Wilhelm, der seit Februar 1566 Student an der Universität Löwen war. Oranien bestimmte, daß sein Sohn in Löwen bleiben sollte. Sehr wahrscheinlich wollte er auf diese Weise seinen niederländischen Besitz sichern, denn Philipp Wilhelm war katholisch erzogen, Katholik geblieben, und Philipp II. konnte dem noch nicht einmal Dreizehnjährigen keinerlei Vergehen vorwerfen. Von Breda aus schrieb Oranien ausführliche Abschiedsbriefe an Egmont, Hoorn, Margarethe von Parma und auch an Philipp II., in denen er hervorhob, daß er sich strikt an die Landesgesetze gehalten habe und sich keines Vergehens bewußt sei. Ausdrücklich betonte er seine Treue zu Philipp II. als seinem angestammten Landesherrn. Er sei aber zunehmend Verleumdungen durch schlechte Berater Philipps ausgesetzt und wolle nicht unter deren Knute leben. Er könne nicht zusehen, wie die schönen Niederlande ruiniert würden, und noch viel weniger wolle er dabei mitwirken; daher ziehe er sich für einige Zeit zurück. Den Brief an Philipp schloß er mit der Versicherung, er wolle mit Gottes Hilfe ein treuer Vasall bis zum letzten Atemzuge bleiben. Oraniens Absicht ist leicht zu durchschauen: Er wollte unbedingt verschleiern, daß seine „Abreise" in Wahrheit eine Flucht war, und er wollte von vornherein jeden Vorwurf der Rebellion gegen seinen Landesherrn entkräften. Als sich Regierungstruppen unter Meghem und Noircarmes von Norden und Süden her Breda näherten, mußte Oranien seinen Aufbruch ins Exil beschleunigen. Am 22. April verließ er Breda und begab sich über Grave, Kleve und Köln in sein väterliches Stammland, die von seinem Bruder als Graf Johann VI. regierte Grafschaft Nassau-Dillenburg. Anfang Mai erreichte Oranien Nassauisches Territorium und blieb zunächst in Siegen. Ende des Monats ließ er sich dann mit einem Hofstaat von etwa 100 Personen in Dillenburg nieder. Der einst so lebenslustige Grandseigneur befand sich in pessimistischer, ja verzweifelter Stimmung. Mit seinen politischen Plänen war er völlig gescheitert. Um sein Leben zu retten, hatte er aus dem Land fliehen müssen, in dem er höchste Ämter bekleidet und dessen Selbst91
regierung durch den einheimischen Hochadel er gegen die absolutistischen Zentralisierungsbestrebungen des spanischen Königs hatte durchsetzen wollen. Seine reichen niederländischen Besitzungen befanden sich in den Händen seiner Gegner, und er konnte aus ihnen keine Einkünfte mehr beziehen. Zudem wurden die deutschen Fürsten noch zurückhaltender, als Alba in die Niederlande einmarschiert war und energisch deutlich machte, daß er jede militärische Einmischung oder Bedrohung beantworten würde. Sie wollten um keinen Preis Anlaß für einen militärischen Konflikt mit Spanien bieten. Die Vorsicht von August von Sachsen ging so weit, daß er sich weigerte, Oranien zu einem Besuch in Dresden zu empfangen. Als Oranien ihm am 26. November 1567 schrieb, daß er eventuell Hilfe von den französischen Hugenotten gegen Alba erhalten könne, reagierte August in ähnlicher Weise: Diese Sache sei „wichtig, gros, geverlich und bedencklich". Oranien solle aber besser ruhig bleiben und sich um eine Aussöhnung mit Philipp II. bemühen. Hinzu kamen ständige Zerwürfnisse mit Anna von Sachsen. Diese hatte ihm am 15. November 1563 eine Tochter Anna geboren und brachte am 14. November in Dillenburg einen auf den Namen Moritz getauften Sohn zur Welt (eine Tochter und ein Sohn waren 1562 bzw. 1564 kurz nach der Geburt gestorben), machte ihm aber mit ihrer krankhaften Streitsucht das Zusammenleben nach wie vor zur Hölle. Im Unterschied zu Heinrich von Brederode, der die Niederlande kämpfend verlassen hatte, und, kaum im Reich angekommen, sofort Truppen für die Fortsetzung des Kampfes aufzustellen versuchte, schien Oranien zu resignieren und sich in sein Schicksal zu ergeben. Als Landgraf Wilhelm von Hessen mitteilte, daß Margarethe von Parma eine Abordnung deutscher Fürsten mit der Fürbitte für die niederländischen Oppositionellen schnöde abgewiesen hatte, antwortete ihm Oranien am 21. Mai 1567: „So müssen wir's auch dabey beruhen lassen und die dinge dem lieben Gott und der Zeit bevehelen." Weiter schrieb er, der Allmächtige wird denen, „die sich ires gewissens zwisschent beschwert finden, soviel trosts und gnade verlenen, das sie der Zeitt mit Geduld erwarten mögen". Im Dezember 1567 deutete er an, daß er bereit wäre, bei Philipp II. um Gnade zu bitten. Und im Januar 1568 schrieb er entmutigt an August von Sachsen, es sei das größte Unglück, sich von seinen Freunden im Stich gelassen zu sehen. Auch aus den Niederlanden kamen schlimme Nachrichten. Wie er es befürchtet hatte, wurden Hoorn und Egmont am 9. September 1567 gleichzeitig mit dem Antwerpener Bürgermeister Antoon van Stralen verhaftet. 92
Oranien versuchte, in geistigen Meditationen seine Ruhe zu finden. Er bekannte sich nunmehr offen zum Luthertum, wobei als sicher gelten kann, daß es ihm dabei, nachdem der offene Bruch mit Philipp vollzogen war, vor allem auch um die Gunst der lutherischen Fürsten ging. Am 13. Juni 1567 bat er Wilhelm von Hessen, ihm den Pfarrer Nikolaus Zell zu seiner Unterweisung in der lutherischen Lehre für einige Zeit nach Dillenburg zu schicken: „Wir wollen von Herzen gern zu Stärkung und Bestätigung unseres Gemütes und Gewissens die Zeit, die wir allhier und außerhalb unserer niederländischen Grafschaften und Herrschaften verbleiben, in und mit Lesung und Auslegung der heiligen göttlichen Schriften anlegen und zubringen. Denn wir tragen zu solchen unsern christlichen Eifer, ohne Ruhm zu melden, eine sonderliche Affektion." Wilhelm von Hessen entsprach der Bitte und wünschte dem Oranier, er möge in diesem christlichen Vorhaben „fortfahren, beständiglich verbleiben und die rechte wahre Erkenntnis Christi und seines seligmachenden Wortes erlangen". Doch Oranien versank nicht für immer in Resignation. Nach einer Zeit der Besinnung erwachte seine Kämpfernatur wieder, und etwa seit Februar 1568 begann er mit Vorbereitungen für einen regelrechten Feldzug gegen Alba.
Im Kampf gegen Alba
Den letzten Anstoß für das Wiederaufleben des Kampfeswillens des Oraniers gaben drei gegen ihn gerichtete Aktionen in den Niederlanden. Am 24. Januar 1568 verkündete nach einem Trompetensignal der königliche Herold François de Knibbere um elf Uhr im Vorhof des Statthalter-Palastes zu Brüssel eine Proklamation Philipps II. vom 19. Januar, in der Oranien hochverräterische Absichten und Aktivitäten gegen seinen Landesherrn vorgeworfen wurden. Oranien und seine Mit verschworenen hätten die Herrschaft in den Niederlanden in ihre Hände bringen wollen und die Ausbreitung der Ketzerei gefördert. Oranien möge sich daher spätestens am 11. März bei Strafe ewiger Verbannung und des Verlustes seiner Güter vor dem Rat der Unruhen verantworten. Die Proklamation wurde gleichzeitig an den Schlössern und Hauptkirchen der Provinzen angeschlagen sowie an den Papst und eine Reihe deutscher Fürsten gesandt. Am 14. Februar wurde Oraniens ältester Sohn Philipp Wilhelm gegen die akademischen Gesetze und den Einspruch des Senats aus der Universität Löwen entführt und nach Spanien gebracht. Am 19. Februar wurde das Kastell in Breda, die traditionelle nassauische Residenz in den Niederlanden, von 400 spanischen Soldaten besetzt. Zunächst versuchte Oranien, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in der Öffentlichkeit zu entkräften. Er tat dies in zwei Propagandaschriften vom 3. März, den sogenannten Antworten, und schließlich im April mit der „Großen Justifikation" (La Justification du Prince d'Orange etc. contre les faulx blasmes que ses caluminiateurs luy taschent imposer), die auch in einer deutschen, niederländischen, spanischen und englischen Ausgabe erschien. An der Formulierung und der Publikation waren sein Rat Doktor Johann Meixner, der französische Publizist Hubert Languet sowie der ehemalige Antwerpener Stadtpensionär (Juristischer Berater des Magistrats) Jacob van Wesembeke beteiligt. 94
Der wesentliche Inhalt der drei Verteidigungsschriften Oraniens bestand in folgendem: Vor einem rechtmäßigen Richter würde er sich verantworten, aber nicht vor Alba und seinem „Rat der Unruhen". Er sei Ritter des Goldenen Vlies, und nur die Ordensversammlung könne über ihn urteilen, auf keinen Fall Alba. Dabei erinnerte er auch an die „Joyeuse Entrée" und andere Grundsatzdokumente der niederländischen Territorien, gegen die Alba laufend verstoße. Seinen Widerstand gegen die Ketzerplakkaate und die Inquisition bezeichnete Oranien als Dienst am Landesherrn und am Volk. Wenn es ihm als Schuld angerechnet werde, sich der Inquisition widersetzt zu haben, so wolle er diese Schuld bekennen — aber das sei Kampf für die Freiheit, für die wahre Religion und ftir den Erhalt der überkommenen Privilegien gewesen. Philipp sei über die niederländischen Ereignisse und vor allem über seine Aktivitäten falsch informiert worden, sonst hätte er sich nicht zur Errichtung des Schreckensregimes Albas entschlossen. Natürlich wußte Oranien genau, daß Philipp II. bestens über die Opposition gegen seine absolutistischen Bestrebungen informiert war. Doch mit diesem Propagandandatrick versuchte Oranien sowohl seine bisherigen Aktivitäten als auch seine künftigen Kriegshandlungen zu rechtfertigen. Diese These — der König ist von Natur gut, aber er wird von schlechten Ratgebern und Dienern betrogen, und nur gegen letztere richtet sich der Kampf — wurde fortan über ein Jahrzehnt zum Leitmotiv der politischen Propaganda Oraniens. Dieses Leitmotiv fand auch in der ersten Strophe des wohl berühmtesten Geusenliedes, des „Wilhelmus", seinen Niederschlag, das wahrscheinlich 1568 entstand und heute die Nationalhymne des Königreichs der Niederlande ist : „Wilhelmus van Nassouwe Ben ick van Duytschen bloet, Den Vaderlant ghetrouwe Blijf ick tot inden doet : Een Prince van Oraengien Ben ick vrij onverveerd, Den Coninck van Hispaengien Heb ick altijt gheert."* (Übersetzung s. S. 96) Wahrscheinlich gleichzeitig mit seinem Propagandafeldzug begann Oranien mit den Vorbereitungen für ein militärisches Unternehmen gegen Alba. Die Verbissenheit, mit der er sich fortan dem Kampf gegen die „spanische Tyrannei" widmete, entsprang vor allem der Überzeugung, daß ihm persönlich großes Unrecht geschehen sei. 95
Im Vordergrund stand also das dynastische Interesse, den verlorengegangenen Familienbesitz wieder zu erobern und das Ansehen seines Hauses wiederherzustellen. Das ursprüngliche Ziel seiner Opposition, die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der feudalen Ständeordnung unter Vorherrschaft des niederländischen Hochadels, verlor er dabei allerdings nie aus den Augen. Im Frühjahr 1568 entwickelte Oranien in Dillenburg eine fieberhafte Geschäftigkeit bei der Suche nach Geldquellen und Verbündeten für den geplanten Feldzug gegen Alba. Die größte Stütze waren ihm dabei seine Brüder, vor allem die Nächstgeborenen Johann und Ludwig. Die Sache Oraniens wurde zur Sache des ganzen Hauses NassauDillenburg, wobei die eigenen dynastischen Interessen durch die Ausstrahlungskraft und die Autorität Oraniens, der ja auch das Familienoberhaupt war, noch verstärkt wurde. Johann war seit dem Tode seines Vaters 1559 als Johann VI. regierender Graf von Nassau-Dillenburg und stellte die Mittel seiner Reichsgrafschaft bedingungslos für den Kampf Oraniens zur Verfügung, der ja auch im Interesse der gesamten Familie für den reichen niederländischen Besitz geführt wurde. Natürlich waren die Möglichkeiten des Reichsgrafen, dessen Territorium nur etwa 1600 km 2 umfaßte, begrenzt, aber immerhin konnten durch seine Hilfe allein von 1568 bis 1572 ungefähr 400000 Gulden aufgebracht werden. Zudem wurden alle Nassauer Lehnsmänner zu Diensten aufgefordert, und das Land mußte den angeworbenen Söldnern Verpflegung und Unterkunft gewähren. Ein besonders inniges Verhältnis bestand zwischen Wilhelm und seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Ludwig. Ludwig von Nassau war schon 1556 als Achtzehnjähriger von Oranien an seinen Hof geholt worden und widmete sich seitdem fast ausschließlich dem Dienst an seinem Bruder, wobei er sowohl als Diplomat als auch als Feldherr erfolgreich war, Zeitgenossen schilderten Ludwig von Nassau als einen gutaussehenden, lebenslustigen, kontaktfreudigen und gefühls* Wilhelmus von Nassaue Bin ich von deutschem Blut. Dem Vaterland getreue, Bleib ich bis in den Tod : Ein Prinz von Oranien Bin ich, ganz unverwehrt. Den König von Hispanien Hab' allzeit ich geehrt.
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starken Mann, der schnell Sympathien gewann und sich in politischen Verhandlungen durch Wendigkeit, Flexibilität aber auch Durchsetzungsvermögen auszeichnete. Ludwig war es vor allem, der seinem Bruder beim Aufspüren von Finanzquellen außerhalb des Familienkreises und von Verbündeten behilflich war. Das Finanzproblem bereitete Oranien große Sorgen. Von den deutschen Fürsten stellten schließlich nur der kalvinistische Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz 100000 Taler und Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel 30000 Gulden zur Verfügung (Hessen war nach dem Tode von Landgraf Philipp 1567 in mehrere Nachfolgestaaten geteilt worden, deren wichtigste Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt waren). Bei Kurfürst August von Sachsen stießen Oraniens Bitten auf taube Ohren. Dagegen schenkte ihm sein alter niederländischer Kampfgefährte Antoine de Lalaing, Graf von Hoogstraten, der sich ebenfalls im Exil befand, 30000 Gulden. Im April erhielt Oranien schließlich von emigrierten kalvinistischen Kaufleuten der Niederlande eine Summe von über 10000 Gulden. Nach eigenen Angaben brachte Oranien selbst für den Feldzug von 1568 aus seinem aus den Niederlanden geretteten Vermögen 500000 Gulden auf und machte bei verschiedenen Bankiers Schulden in derselben Höhe. Das diplomatische Netz, das Oranien zur Gewinnung von Bündnispartnern spann, war sehr großflächig; aber Erfolg war ihm kaum beschieden. Die Haltung der deutschen protestantischen Fürsten blieb unverändert. Vergeblich waren seine Bemühungen, Königin Elisabeth von England zu einer antispanischen Allianz zu bewegen. Und auch die Versuche, über den am türkischen Hof einflußreichen jüdischen Bankier Joseph Naci, den Oranien als junger Mann in Brüssel kennengelernt hatte, Sultan Selim II. im Krieg gegen Spanien zu aktivieren, schlugen fehl. Erfolgreicher waren dagegen die Verhandlungen mit den französischen Hugenotten, die durch die Unterstützung Oraniens Philipp II. als Bündnispartner des französischen Königs und der katholischen Adelspartei in Frankreich zu schwächen suchten. In einem Vertragsentwurf, von dem allerdings nicht feststeht, ob er ratifiziert wurde, versprachen sich 1568 Wilhelm von Oranien auf der einen sowie die Hugenottenführer Prinz Ludwig von Conde und Admiral Gaspard de Coligny gegenseitige militärische Hilfe. Der Feldzugsplan Oraniens enthielt die Grundidee eines Angriffs von drei Seiten. Ludwig von Nassau sollte in, dem von Alba nur schwach gesicherten äußersten Norden der Niederlande einfallen, eine Hugenottenabteilung von Nordfrankreich aus in Artois einrücken und schließlich Hoogstraten den Hauptangriff auf Brabant führen. 7
Vetter, Oranien
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Außerdem war mit Hilfe des Lütticher Patriziers Andries Bourlotte ein Mordanschlag auf Alba geplant, der mit einem Handstreich der oppositionellen Truppen auf Brüssel einhergehen sollte, die man unauffällig im sogenannten Zonienwald südlich der Stadt konzentrieren wollte. Oranien wollte sich mit einer besonderen Armee in Reserve halten. Überdies rechnete Oranien mit einer allgemeinen Erhebung der niederländischen Bevölkerung bei den ersten Nachrichten vom Beginn des Kampfes. Dieser Plan schien nicht ohne Chancen zu sein. Doch bei der Ausführung zeigte es sich, daß Oranien bestenfalls eine kaum mittelmäßige militärische Begabung war. Es gelang ihm nicht, die Vorbereitungen zum gleichzeitigen Losschlagen, das für die Woche vor Ostern vorgesehen war (11. bis 18. April), rechtzeitig abzuschließen, wobei allerdings die finanziellen Schwierigkeiten eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Anstatt nun den Beginn des Feldzugs zu verschieben, begann Oranien seinen Krieg mit aufeinanderfolgenden Einzelaktionen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Der Anschlag auf Brüssel und Alba mißglückte. Oraniens Hofmarschall Jean de Montigny, Seigneur de Villers, der für den erkrankten Hoogstraten das Heer gegen Brabant führte, erlitt am 25. April bei Dalhem eine vernichtende Niederlage und geriet in Gefangenschaft. Die hugenottischen Hilfstruppen wurden von den überlegenen Kräften Albas schnell aus Artois vertrieben und dann bei St-Valéry durch Einheiten des französischen Königs aufgerieben. Nur Ludwig von Nassau erzielte Anfangserfolge. Er fiel am 24. April 1568 in Friesland ein und schlug am 23. Mai beim Kloster Heiligerlee in der Nähe von Windschoten eine von Alba entsandte Heeresabteilung unter dem Grafen Aremberg. In der Schlacht verloren Aremberg und Oraniens dritter Bruder Adolf von Nassau das Leben. Ludwig besetzte nun die Stadt Delfzijl an der Ems, wo er eine Kriegsflotte organisierte, um das von ihm belagerte Groningen, das sein fester Stützpunkt werden sollte, von der Nordsee abzuschneiden. Mit der Flotte wollte er auch eine Verbindung zu den kalvinistischen Exilgemeinden in England herstellen, auf deren Unterstützung Oranien hoffte. Diese See- oder Wassergeusen, wie sie bald genannt wurden, schlugen am 15. Juli eine Flotte Albas in die Flucht. Alba, der bei weiteren Erfolgen Ludwigs einen Prestigeverlust und eine Belebung der Widerstandskraft der Niederländer befürchtete, hatte schon nach der Niederlage von Heiligerlee beschlossen, selbst gegen Ludwig zu Felde zu ziehen. Vorher wollte er aber demonstrativ seine Macht zur Schau stellen und den Niederländern zeigen, daß er fest gewillt 98
war, ohne Rücksicht auf bestehende Landesgesetze und Privilegien jeden zu vernichten, der dem Willen seines Königs nicht widerspruchslos gehorchte. Alba war keineswegs der primitive und blutrünstige Sadist, als den ihn die apologetische oraniengesinnte niederländische Geschichtsschreibung oft hingestellt hat, sondern ein talentierter feudaler Konterrevolutionär. Der 1508 Geborene war in einer spanisch-katholischen adligen Familientradition aufgewachsen und erzogen worden, die durch den Geist der Reconquista, des harten und erbarmungslosen Kampfes der Spanier gegen die Fremdherrschaft der arabischen Mauren, geprägt war. Alba verabscheute jede religiöse Duldsamkeit gegenüber Andersgläubigen, in denen er Geschöpfe des Satans erblickte. Selbst voller Adelsstolz, verachtete er ein Land wie die Niederlande, in dem das Bürgertum entscheidenden politischen Einfluß hatte. Auch von seiner asketischen Lebensweise her war ihm die lärmende Fröhlichkeit der Niederländer ein Greuel. Alba war in die Niederlande gekommen, um Rebellen zu züchtigen, die in seinen Augen kein Erbarmen verdienten. Er hatte den Auftrag, mit Gewalt und Terror eine politische Ordnung zu vernichten, die mit der absolutistischen Herrschaft seines Königs unvereinbar war, und dafür setzte er seine umfangreichen Kenntnisse und sein Feldherrntalent ein. Voller Stolz übernahm er die persönliche Verantwortung für das durch ihn vergossene Blut und ließ niemals auch nur die geringste Anwandlung von Gewissensbissen erkennen. Typisch für ihn sind seine Worte: „Es ist unendlich besser, mit Hilfe des Krieges für Gott und den König ein Reich in verarmtem und sogar zugrunde gerichtetem Zustand zu behaupten, als es, ohne solchen Krieg, für den Satan und dessen Anhänger, die Ketzer, unversehrt zu besitzen." Am 28. Mai 1568 ließ Alba das Palais Culemborg, in dem 1566 der „Kompromiß" sein Freudenfest gefeiert hatte und der Kampfruf „Vivent les gueux!" zuerst ertönt war, dem Erdboden gleichmachen. Am 1. Juni wurden auf seinen Befehl erstmals achtzehn Adlige auf dem Großen Markt von Brüssel hingerichtet, einen Tag später verloren Villers und van Stralen an gleicher Stelle ihr Leben. Als Höhepunkt seiner Machtdemonstration ließ Alba die Ritter des Goldenen Vlies Egmont und Hoom am 5. Juni hinrichten. Nach diesen Zeichen der Nichtachtung aller ständischen Landesrechte und des Triumphes der absolutistischen Herrschaft seines Königs zog Alba gegen Ludwig von Nassau, dessen Truppen am 21. Juni bei Jemmingen, heute Jemgun, fast restlos niedergemacht wurden. Nur wenige konnten sich, wie Ludwig selbst, 7"
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schwimmend an das andere Ufer der an dieser Stelle fast drei Kilometer breiten Ems retten. Erst jetzt entschloß sich Oranien selbst zum Eingreifen und marschierte Ende September 1568 mit einer fast 30000 Mann starken Armee an der Grenze zu den Niederlanden auf. Vor Beginn des Feldzuges hatte er noch einmal eine rege Propagandatätigkeit entfacht, um die Niederländer zum Aufstand gegen Alba zu bewegen. Am 20. Juli erschien die „Erklärung und Kundgebung" (Verclaringhe ende Uutshcrifft des Duerluchtighden Hoochgeborenen Vorsten ende Heeren, Heer Willem, Prince van Oranien etc. ende zijner Excellentien nootsackelichen Defensie teghen den Duca de Alba ende zijner grouwelicke Tyrannie), die wahrscheinlich von Wesembeke verfaßt wurde. In dieser Schrift appellierte Oranien an alle Menschen, gleich welcher Nationalität oder welchen Standes, sich dem Kampf gegen Albas Tyrannei anzuschließen, mit dessen Opfern selbst die Türken und Heiden Mitleid hätten. Nach verschiedenen anderen Streitschriften folgte am 1. September die „Warnung des Prinzen von Oranien" (Waerschouwinge des Princen van Oraengien aen de Inghesetenen ende Ondersaten der Con. Maj. in den Nederlanden). In markanten Worten rief darin Oranien alle Stände der Niederlande zum Beistand im bevorstehenden Kampf auf und verkündete als dessen Devise: „Pro lege, rege, grege" (Für das Gesetz, den König, das Volk). Schließlich erließ er am 14./ 15. September einen Aufruf „An alle Hauptleute und Soldaten der Niederlande", der die Niederländer im Solde Albas mahnte, für ihr Vaterland einzustehen, statt es zu zerstören. Anfang Oktober 1568 eröffnete Oranien den Feldzug, der für ihn zu einer Katastrophe werden und ihn zum Tiefpunkt seines Lebens führen sollte. Alba war Oranien zahlenmäßig unterlegen, da er in den größeren Städten Garnisonen belassen mußte. Er wußte jedoch, daß sein Gegner keinerlei finanzielle Reserven besaß und sein großes Heer unmöglich längere Zeit unter Sold halten konnte. Daher wich Alba jeder Entscheidungsschlacht geschickt aus, ließ alle Vorräte auf Oraniens Marschroute vernichten, so daß dessen Söldner bald nicht mehr ordentlich verpflegt werden konnten, und beunruhigte seinen Gegner durch ständiges Manövrieren und kleinere Scharmützel. Kam Oranien wirklich einmal in eine günstige Situation, wie gleich zu Beginn des Feldzugs, als er in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober durch ein plötzliches und geschicktes Übersetzen über die Maas bei Stokkem Alba überraschte und in einige Verlegenheit brachte, so vergab er seine Chancen durch zu langes Zögern und Zaudern vor einem entscheidenden Angriff. 100
Albas Spekulation ging voll auf. Schon bald machten sich Auflösungserscheinungen im Heer Oraniens bemerkbar, die sich nach einem ungeschickt geführten Übergang über die Gete im Angesicht des Gegners, bei dem Oranien am 20. Oktober 1500 Mann verlor, noch verstärkten. Doch Oraniens Hoffnung auf einen Aufstand in den Niederlanden erfüllte sich nicht. Dafür gab es verschiedene Ursachen. Zum einen hatte der konterrevolutionäre Terror Albas Wirkung gezeigt. Die aktivsten Widerstandskämpfer waren geflohen, eingekerkert oder hingerichtet worden. Bei den im Lande verbliebenen Kalvinisten war die zwielichtige Haltung Oraniens im Frühjahr 1567 noch nicht ververgessen, und die Masse der Bevölkerung gab Oranien als Feldherrn gegen Alba keine Chance und befürchtete im Falle einer Niederlage um so härtere Verfolgung und Bedrückung. Als Geld und Verpflegung ausblieben, begann Oraniens zusammengewürfelte Söldnertruppe zu rauben und zu plündern, so daß der einfache Mann bald unter den „Befreiern" fast mehr zu leiden hatte als unter Albas Elitetruppen. So ging der Feldzug nicht in eine allgemeine Erhebung der Niederlande gegen das spanische Terrorregime über, sondern blieb ein dynastischer Privatkrieg Oraniens, dessen Situation immer schwieriger wurde. Die großen Städte hielten ihre Tore verschlossen, und Oranien konnte keinen festen Stützpunkt finden. Sein Angriff auf Tienen wurde abgeschlagen. Anfang November marschierte Oranien in das Fürstbistum Lüttich. Er wollte versuchen, die Hauptstadt zu stürmen und dort ein sicheres Winterquartier zu nehmen. Bei schlechtem Herbstwetter wurde der Marsch zu einer fast unerträglichen Strapaze, und der Sturm auf Lüttich endete mit einem Mißerfolg. Es zeugt von der Konzeptionslosigkeit Oraniens, daß dieser nun mit seinem der Meuterei nahen Heer nach Frankreich zog, wohl in der Hoffnung, von den Hugenotten Verstärkung und Rückhalt zu bekommen. In Nordfrankreich wurde er aber Mitte November von königlichen Truppen abgeblockt und verharrte nun wochenlang tatenlos. Seine Landsknechte blieben nur noch beisammen, weil sie sich den rückständigen Sold nicht entgehen lassen wollten, den sie immer ungestümer forderten. Mehrere Offiziere wurden bei Meutereien umgebracht, darunter auch Nicolas van Hammes, ehemals Wappenherold und radikales Mitglied des „Kompromiß". Einen weiteren schweren Verlust erlitt Oranien, als am 12. Dezember 1568 sein alter Freund und Mitstreiter Hoogstraten an den Folgen einer Verwundung, die er beim Gefecht an der Gete erlitten hatte, starb. Inzwischen war ein strenger Winter hereingebrochen, der die Not der schlecht verpflegten und auf Bezahlung wartenden Söldner noch 101
größer werden, ließ. Im Januar 1569 zog Oranien mit insgesamt noch 8000 Mann, die einer plündernden Räuberbande glichen, in das Elsaß. Vergeblich versuchte er, in Straßburg Geld aufzutreiben. Schließlich mußte er im Februar vor der allgemeinen Meuterei seiner nun endgültig auf ihrer Besoldung bestehenden Landesknechte über den Rhein flüchten und erreichte über Heidelberg das heimatliche Dillenburg. Oraniens Feldzug war schmählich gescheitert, sein Ansehen in den Niederlanden weiter gesunken, vor allem auch wegen der Leiden, die seine zuchtlose Soldateska über die Bevölkerung gebracht hatte. Für Alba war Oranien nur noch „ein toter Mann". Der Generalstatthalter kostete seinen Triumph aus und ließ sich aus den bei Jemmingen erbeuteten Kanonen sein eigenes Standbild gießen und in Brüssel aufstellen. Es zeigte ihn, wie er eine Gestalt mit zwei Köpfen und vier Armen niedertritt und trug die in Latein verfaßte Inschrift: „Dies ist Ferdinando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, Regent des spanischen Königs, in Belgien zu Ehren aufgerichtet, weil er den Aufruhr niedergeworfen, die Rebellen vertrieben, die Religion wieder aufgerichtet, die Gerechtigkeit gefördert und den Provinzen den Frieden gefestigt hat". Doch Alba hatte die Charakterstärke Oraniens unterschätzt. Einmal zum Kampf entschlossen, gab dieser trotz aller Widrigkeiten nicht auf. Angesichts seiner verzweifelten persönlichen Situation ringt diese Beharrlichkeit Oraniens Achtung ab. Sein ältester Sohn befand sich in den Händen seiner Feinde. Viele alte Freunde hatte er durch den Tod verloren — auch Heinrich von Brederode war im Februar 1568 plötzlich gestorben. In dem gescheiterten Feldzug hatte er fast sein gesamtes Vermögen eingebüßt, war mit hohen Schulden belastet und hatte auch die finanziellen Möglichkeiten seiner Familie erschöpft. Vor zwei Jahren noch der vornehmste und reichste niederländische Edelmann, war Oranien nun ein gehetzter Flüchtling, der sich sowohl vor den Anschlägen Albas als auch vor den Nachstellungen seiner um ihren Sold betrogenen Landsknechte und den immer energischer werdenden Forderungen seiner Gläubiger selbst in Dillenburg nicht mehr sicher fühlte und bei seinem Schwager Günther von Schwarzburg in Arnstadt und Sondershausen heimlichen Unterschlupf suchte. Bezeichnend für die jämmerliche Lage Oraniens in dieser Zeit ist die Tatsache, daß er seinen Bruder Johann Ende Januar 1570 bitten mußte, ihm Beinkleider zu überlassen. Er habe nur noch zwei Paar, von denen eins zur Reparatur beim Schneider sei. Auch seine Eheprobleme belasteten Oranien nach wie vor. Anna hatte im August 1568 nach dem Aufbruch Oraniens zu seinem Feldzug 102
Dillenburg verlassen und war nach Köln gegangen. Dort gebar sie am 10. April 1569 eine Tochter Emilia. Nach seiner schweren Niederlage bat Oranien in fast unterwürfigem Ton, daß Anna zu ihm zurückkommen möge, denn „il n'y a chose au monde qui donne plus de consolation que de se voir consoler par sa femme" (es gibt auf der Welt keinen größeren Trost, als sich durch seine Frau getröstet zu sehen) — doch Anna lehnte brüsk ab. Anna ließ sich in ihren Angelegenheiten durch den mit seiner Familie nach Köln geflüchteten Antwerpener Rechtsgelehrten und AltschöfFen Jan Rubens beraten, den Vater des berühmten Malers Peter Paul Rubens. Mit diesem unternahm sie im Mai 1570 eine Reise nach Kassel, Marburg und Siegen, während der sich eine Liebesbeziehung zwischen beiden entwickelte. Anna wurde von Rubens schwanger und gebar am 22. August 1571 eine Tochter, die den Namen Christine erhielt. Rubens war schon Anfang Mai 1571 von Johann von Nassau verhaftet und wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt worden, wurde jedoch später begnadigt. Anna verfiel nun zunehmend der Trunksucht und geistigen Verwirrung und mußte in festem Gewahrsam gehalten werden, in dem sie 1577 starb. Ihre Kinder blieben in Dillenburg, auch die kleine Christine, wo sie von der Großmutter Juliana von Stolberg erzogen wurde. Nach dem Scheitern seines Versuches, Alba mit eigenen Kräften zu besiegen, und der endgültigen Erkenntnis, daß von den deutschen protestantischen Fürsten keine wirksame Hilfe zu erwarten war, setzte Oranien alle Hoffnung auf die finanzielle und militärische Unterstützung seitens der Hugenotten und Englands, dessen Widersprüche zu Spanien sich zuspitzten und 1569 in einen Handelskrieg mündeten. Schon Ende März 1569 gingen Oranien, Ludwig von Nassau und der jüngste der Brüder, der neunzehnjährige Heinrich von Nassau, nach Frankreich und kämpften unter Conde und Coligny in den Reihen der Hugenotten. Ludwig wurde schließlich sogar stellvertretender Oberbefehlshaber der gesamten Hugenottenarmee. Für diese guten Dienste blieb die Belohnung im Frieden von St-Germain nicht aus, den die Hugenotten am 8. August 1570 mit König Karl IX. schlössen : Oranien erhielt sein Fürstentum Orange zurück, das vom französischen König besetzt worden war, ebenso seine anderen in Frankreich gelegenen Besitzungen. Ludwig bekam eine Pension zugesprochen. Nach dem Friedensschluß schmiedete Oranien neue Pläne für einen Krieg gegen Alba, dessen diplomatische Vorbereitungen in Frankreich vor allem Ludwig von Nassau besorgte, der am französischen 103
Hof und bei den Hugenottenführern hohes Ansehen genoß. Das große Ziel des oranischen Plans war ein Bündnis Englands mit Frankreich gegen Spanien, an dem man zu partizipieren hoffte. Doch Königin Elisabeth blieb reserviert. Sie befürchtete bei der Vertreibung der Spanier einen übermächtigen Einfluß Frankreichs in den Niederlanden, und ein starkes Frankreich, verbündet mit den wirtschaftlich so bedeutenden Niederlanden, schien ihr gefährlicher als die Anwesenheit von Truppen des weit entfernten Spanien. Nunmehr richteten Oranien und Ludwig ihre Kriegsplanung ganz auf ein Zusammengehen mit Frankreich aus. Mit französischer Hilfe sollten einige Städte an der Westgrenze der Niederlande erobert werden. Zugleich hatten die Wassergeusen die Aufgabe, Angriffe auf die niederländische Küste zu führen und einige Häfen einzunehmen. Während durch diese Aktion spanische Truppen gebunden waren, wollte Oranien mit einem noch anzuwerbenden Heer vom Reich aus in Brabant einfallen, in raschem Zugriff Antwerpen und Brüssel erobern und so die Entscheidung herbeiführen. Mitten in diese „Planspiele" hinein platzte die Nachricht, daß die Wassergeusen am 1. April 1572 die kleine holländische Stadt Den Briel eingenommen hatten.
Die Wassergeusen
Die von Ludwig von Nassau im Mai 1568 in Delfzijl organisierte Kriegsflotte von fünfzehn Schiffen mit etwa 700 Mann Besatzung, deren wichtigste Führerpersönlichkeit zunächst der aus Dokkum stammende Seeman Jan Abels war, blieb auch nach der Niederlage von Jemmingen beisammen. Was sollten die Wassergeusen auch anderes tun? Sie hatten die Waffen gegen Alba erhoben, und der Tod war ihnen sicher, wenn sie in seine Hände fallen würden. Da boten ihnen ihre Schiffe und das Meer, auf dem sie sich auskannten, noch die größte Sicherheit. Da sie auf dem Lande keine Stützpunkte hatten, waren sie gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch Piraterie zu sichern. Die Wassergeusen erhielten bald Zustrom aus allen Provinzen und allen Bevölkerungsschichten der Niederlande. Nach der geographischen Herkunft standen allerdings Friesland und Holland an erster Stelle, nach der sozialen Herkunft kamen etwa zehn Prozent aus dem Adel und dem begüterten Bürgertum, neunzig Prozent waren Seeleute, Handwerker oder gehörten anderen unteren sozialen Schichten an. Es kamen kalvinistische Handwerker und Kaufleute, die oft nur mit knapper Not ihr nacktes Leben vor den Schergen Albas hatten retten können; es kamen nicht wenige ehemalige Mitglieder des „Kompromiß" des Kleinadels, von denen einige den Feldzug Oraniens von 1568 mitgemacht hatten und die bei den Geusen die einzige Möglichkeit sahen, den Kampf fortzusetzen; und es kamen auch Arbeitslose und ihrer Existenz Beraubte, die, allein von ökonomischen Motiven getrieben, sich von den Geusen anwerben ließen. Natürlich liefen den Geusen, denen jeder entschlossene Kämpfer willkommmen war, auch sozial völlig entwurzelte Menschen zu, Diebe, Vagabunden und Räuber. Schließlich gab es auf den Geusenschiffen auch zum Mitmachen gezwungene Seeleute, denn die Besatzung eines gekaperten Schiffes 105
stand in der Regel vor der Wahl, sich den Geusen anzuschließen oder ohne Erbarmen auf hoher See über Bord geworfen zu werden. Die Atmosphäre in der Geusenflotte, die zeitweise mehr als fünfzig Schiffe stark war, wurde jedoch von einem Kern von überzeugten Widerstandskämpfern gegen das spanische Regime bestimmt, die bei unterschiedlicher sozialer Herkunft und unterschiedlichen sozialen und politischen Interessen durch einen unstillbaren Haß gegen Alba, die katholische Kirche und die niederländischen Kollaborateure Albas erfüllt waren. Priester und Mönche, die in ihre Hände fielen, hatten das Schlimmste zu befürchten. Sie waren Vertreter der katholischen Kirche, der ideologischen Hauptstütze der verhaßten spanischen Fremdherrschaft, und verdienten in den Augen der Geusen kein Erbarmen. Die Wassergeusen waren zwar keine ernsthafte Gefahr für Alba, sie stellten aber mit ihren überraschenden und kühnen Partisanenaktionen an der Nordseeküste und auf der See eine ständige Beunruhigung für die Spanier dar und unterbanden zeitweise völlig deren Schiffsverbindungen. Sicher nicht bewußt, sondern instinktiv befolgten die Geusen den Grundsatz, daß dem konterrevolutionären Terror revolutionärer Terror entgegengesetzt werden muß, wenn eine Revolution siegreich sein soll. Mit den Wassergeusen hatte eine Kerntruppe der niederländischen frühbürgerlichen Revolution den Kampfplatz betreten. Sie war entsprechend den unausgereiften sozialen Verhältnissen sehr heterogen zusammengesetzt, jedoch eine entschlossen handelnde und vor nichts zurückschreckende revolutionäre Kraft. Oranien bediente sich zwar der Wassergeusen im Kampf gegen die Spanier, stellte den Kapitänen Kaperbriefe aus und nahm gern seinen Anteil an der Beute entgegen, doch wahrte er offiziell Distanz zu diesen nicht in den Rahmen der feudalen Kriegführung passenden Partisanenkämpfern. Ähnlich verhielt er sich gegenüber den Waldgeusen, die schon seit 1567 vor allem in Westflandern einen Partisanenkampf gegen Alba führten. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, diese „wilden Geusen" als seinen wesentlichen Rückhalt anzusehen. Es bedurfte schon des nachhaltigen Zuredens der Hugenottenführer Conde und Coligny, die mit den von La Rochelle ausgehenden Kaperfahrten sehr erfolgreich gewesen waren, ehe Oranien die Geusen fest in seine Kriegsplanung einschloß. Oranien wollte jedoch die Wassergeusen zu einer regelrechten Kriegsflotte unter dem Oberbefehl Ludwigs von Nassau umwandeln, und da zeigte es sich, daß auch die Geusen auf Distanz zu Oranien standen — sicherlich aus unterschiedlichen Gründen. Einige betrach106
teten die Piraterie als ihr eigentliches Anliegen und wollten sich nicht zu Marinesoldaten umfunktionieren lassen. Die radikalen Kalvinisten hatten nach wie vor kein rechtes Vertrauen zu Oranien, und manche Geusenkapitäne waren persönlich gekränkt, wenn sie sich dem Kommando bisher gleichrangiger Mitkämpfer unterstellen sollten. So gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Oranien und dem Geusenadmiral Andrien de Bergues, Herr von Dolhain, der keine Befehlsautorität über sich anerkennen wollte und im Sommer 1570 die Geusenflotte verließ. Guislain de Fiennes, Herr von Lumbres, bekam nun von Oranien den Auftrag, aus den Geschwadern der Wassergeusen eine wohlgeordnete Kriegsflotte zu bilden — und scheiterte völlig. Die kampferfahrenen Geusenkapitäne wie Jan Abels, Barthold Entens van Mentheda und Lancelot von Brederode, ein Halbbruder Heinrichs von Brederode, nahmen den ihnen vorgesetzten Admiral überhaupt nicht ernst und ignorierten seine Anordnungen. Zu den eigentlichen Autoritäten unter den Wassergeusen schwangen sich zwei Angehörige des Kleinadels auf, die erst im Herbst 1571 zu den Geusen gestoßen waren: Willem von der Marek, Herr von Lumey, und der aus Den Briel stammende Willem Blois van Treslong. Während des Handelskrieges mit Spanien hatte Elisabeth von England den Wassergeusen wohlwollend die englischen Häfen geöffnet, zumal die englischen Kaufleute mit deren Beutegut vorteilhafte Geschäfte machen konnten. Im September 1571 entschloß sich Elisabeth jedoch zu einem mehr spanienfreundlichen Kurs und konnte nun die spanischen Proteste gegen die Gewährung des Unterschlupfs für die Wassergeusen nicht mehr unbeachtet lassen. Die englischen Häfen wurden den Geusenschiffen verschlossen, und diese mußten sich notgedrungen nach anderen Stützpunkten umsehen. Sicher war es kein Zufall, der die Geusenflotte am 1. April 1572 vor Den Briel trieb. Treslong hatte schon Ende Oktober 1571 und dann immer wieder darauf gedrängt, sich seiner Heimatstadt zu bemächtigen. Der Volkswitz hatte sogleich begriffen, daß die Einnahme von Den Briel durch die Wassergeusen am 1. April 1572 weitreichende Folgen haben konnte. Ein Flugblatt mit einer Karikatur ging um, die zeigte, wie ein Geusenkapitän Alba die Brille (Den Briel) von der Nase stahl, und bald war der Spottvers in aller Munde: „Den ersten dag van april Verloor duc d'Alva zijn bril."* * Am 1. April verlor Herzog Alba seine Brill'.
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Als Alba dagegen die Nachricht von der Besetzung Den Briels überbracht wurde, soll er gleichgültig mit den Schultern gezuckt und gesagt haben, „das ist nichts Besonderes". Oranien wiederum versetzte die Botschaft in Wut: Durch das eigenmächtige Vorprellen der Wassergeusen war sein ausgeklügelter Plan eines koordinierten Vorgehens gegen Alba geplatzt, denn es war für ihn wie für seinen großen Gegner keine Frage, daß die Spanier ohne Mühe das Häuflein der Wassergeusen zerschlagen würden, womit dann ein Stein in Oraniens taktischem Gebäude fehlte. Doch beide Adelsherren unterlagen einem großen Irrtum und bewiesen mit ihrer Fehleinschätzung, daß sie die Wandlungen der gesellschaftlichen Situation in den Niederlanden seit 1568 nicht richtig erkannt hatten. Nach dem Sieg über Oranien im Feldzug von 1568 war Alba darangegangen, das wichtigste Recht feudaler Stände, das Steuerbewilligungsrecht, abzubauen. Alba wollte eine ständige Steuer einführen, die Philipp II. in finanziellen Angelegenheiten für immer von den Ständen unabhängig machen sollte. Im März 1569 berief er die Generalstände nach Brüssel ein und verlangte von ihnen die Zustimmung für drei neue Steuern: eine einmalige Abgabe in Höhe von ein Prozent des Wertes aller beweglichen und unbeweglichen Güter (100. Pfennig), eine Abgabe von fünf Prozent bei allen künftigen Verkäufen von Immobilien (20. Pfennig) und eine Abgabe von zehn Prozent auf den Verkauf von allen anderen Waren (10. Pfennig). Mit dem 100. Pfennig erklärten sich die Staaten einverstanden. Die Steuer brachte Alba 3628507 Gulden ein. Die beiden anderen Steuerforderungen wurden jedoch rundweg abgelehnt. Die Staaten hatten genau erkannt, daß sie mit deren Einführung ihr wichtigstes politisches Recht verlieren und die absolutistischen Bestrebungen Philipps nicht mehr aufzuhalten sein würden. Als Alba mit Gewaltanwendung drohte, boten sie als Ersatz ein Hilfsgeld von 4 Millionen Gulden an, die innerhalb von zwei Jahren aufgebracht werden sollten. Alba akzeptierte dieses Angebot, aber nur als Interimslösung. Als die Stände auch 1571 noch bei ihrer Verweigerung blieben, brach Alba die geltende feudalständische Verfassung kurzerhand und erklärte am 31. Juli 1571, daß am folgenden Tag auch ohne ständische Zustimmung mit der Einführung der beiden Steuern begonnen werde. Jeder Geschäftsabschluß sollte in einem gesonderten Register festgehalten, von Steuerschätzern geprüft und dann die jeweilige Besteuerung festgesetzt werden. Doch nunmehr gingen die niederländischen Handels- und Gewerbetreibenden zum passiven Widerstand über. Die Läden fast aller 108
kleinen Händler und Krämer blieben geschlossen, Exportkaufleute machten Kaufverträge rückgängig, Manufakturen und handwerkliche Produzenten, Fischer und Bauern blieben ohne Aufträge und Absatz. Bald lagen Handel, Gewerbe und landwirtschaftliche Produktion danieder, war das Wirtschaftsleben zerrüttet, nahm die Arbeitslosigkeit immer größere Ausmaße an. Die Unzufriedenheit in allen Bevölkerungsschichten wuchs. Selbst unter den seit 1567 loyalen oder spanienfreundlichen Hochadligen und Patriziern machte sich wieder Unmut breit, regten sich erneut oppositionelle Gedanken. Zu dieser Zerrüttung des Landes infolge Albas Steuerpolitik kamen noch die Auswirkungen des sehr harten Winters 1571/72, des Handelskrieges Englands gegen Spanien und der Getreidemißernte von 1571. Auch die Kaperfahrten der Geusenflotte beeinträchtigten das niederländische Wirtschaftsleben zunehmend. Am 24. März 1572 schrieb der Generalvikar der Diözese Mecheln an Kardinal Granvelle: „Das Volk ist so aufgebracht, daß die Rede davon ist, unseren Fürsten gegen einen anderen auszuwechseln, ganz gleich, welches seine Religion, ein Akt, der das Land in einen langen Krieg stürzen würde, welcher den Tod sehr vieler Menschen mit sich brächte . . . Bittere Armut herrscht allenthalben . . . die Geldverleiher schließen ihre Türen, weil sie kein Geld mehr haben; all ihr Bargeld ist schon an die Leute verliehen. In Holland hat jedermann zuerst seine besten Möbel und Kleider versetzt, dann die Anker und das Tafelwerk der Schiffe und Boote verpfändet, etwas bisher noch nie Dagewesenes. Es hat manche Städte und Dörfer gegeben, wo man keine Bettler fand; jetzt haben sich dieselben in manchen Orten auf sechs- oder siebenhundert vermehrt, die meisten von ihnen sind Seeleute und Fischer. Die Magistrate haben ihnen die letzten Tage ein wenig Brot und Geld geben müssen, sonst wäre es zum Aufruhr gekommen." Immer häufiger tauchten trotz der strengen Strafandrohungen auch wieder antispanische und vor allem gegen Alba gerichtete Flugblätter auf; so in Gent das „Gentsch Vaderonze", eine Parodie auf das christliche Gebet, die dem Haß auf Alba Ausdruck verlieh: „Gentsch Vaderonze Heische duvel, die tot Brüssel syt, Uwen naem ende faem sy vermaledyt, U ryck vergae sonder respyt, Want heeft geduyrt te langen tyd. Uwen willen sal nict gewerden, 109
Nog in hemel nog op erden: Ghy beneempt ons huyden ons dagelicx broot, WyfF ende kynderen hebben 't groote noot: Ghy en vergeeft niemant syn schult, want ghy met haet ende nyt syt vervult: Ghy en laet niemant ogetempteert, Alle dese landen ghy perturbeert. O hemelschen vader, die in den hemel syt, Maeckt ons desen heischen duvel quyt, met synen bloedigen, valschen raet, Daer hy meede handelt alle quaet, En syn spaens chrychsvolk allegaer, 'T welck leeft of sy des duvels waer. Amen!"* So herrschte im Lande eine explosive Spannung, als die Wassergeusen Den Briel überfielen. In dieser revolutionären Situation hatte eine sonst vielleicht wirkungslose Aktion Signalcharakter. Die etwa 600 Mann starken Wassergeusen bekamen gleich nach dem Bekanntwerden ihres erfolgreichen Handstreichs starken Zulauf aus der Bevölkerung der Umgebung. Bis zum 6. April waren es schon 200Ö Bewaffnete, die einen Angriff des von Philipp II. eingesetzten holländischen Statthalters Maximilian de Henin, Graf Bossu, zurückschlagen konnten. Am 14. April vertrieb die see-
* Vater unser von Gent Teufel unser, der Du zu Brüssel haust, Verflucht sei Dein Name, vor dem uns graust; Von uns Dein Reich sich wende Zu lang ersehntem Ende; Dein Wille mag nie erfüllet werden, Wie nicht im Himmel, so nicht auf Erden. Du nimmst uns heute unser täglich Brot, Weiber und Kinder leiden viel Not. Keinem erläßt Du seine Schuld, Drum bewahr' uns alle vor Deiner Huld. Stets wirst Du uns in Versuchung führen, So lang diese Lande Dein Wüten spüren. Himmlischer Vater, der über uns thront, Mach, daß dieser Teufel uns verschont Samt seinem falschen, blutigen Rat, Der stets nur Böses itn Sinne hat, Und schick' seine spanische Kriegermeute Zurück in die Hölle, dem Satan zur Beute. Amen!
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ländische Stadt Vlissingen ihre spanische Garnison und schloß sich am 22. April den Wassergeusen an. Dies eröffnete den Geusen völlig neue Aussichten, denn Den Briel war ein unbedeutendes Städtchen und Vlissingen ein befestigter Ort, der die Scheidemündung und damit den Wasserweg nach Antwerpen beherrschte. Dabei hielt der Zustrom von kampfbereiten Männern zu den Wassergeusen an; vor allem waren es Fischer und Seeleute aus Holland und Seeland, aber sie kamen auch aus anderen Territorien, und darüber hinaus schickten die kalvinistischen Gemeinden in England, Frankreich und dem Reich Verstärkungen. Morillon schrieb am 13. April: „Aus Borgerhoutte, einer Vorstadt Antwerpens, sind auf einmal mehr als 170 Männer aufgebrochen, die sich aus Tournai und Valenciennes dorthin begeben hatten, weil es an jenen Orten keine Arbeit gab. Sie sind dorthin (nach Den Briel — K. V.) gezogen, um auf Abenteuer auszugehen, so daß man ebensoviel von unseren eigenen Leuten wie von den Feinden zu befürchten hat." Getragen von einer Welle der Sympathie, vor allem der mittleren und unteren Schichten der Stadtbevölkerung, errangen die Wassergeusen schnell neue Erfolge. Am 29. April nahmen sie Arnemuiden ein, eine Marinebasis der Regierung, am 4. Mai Veere mit einem reichen Waffenarsenal. In Enkhuizen an der Zuidersee erhob sich am 21. Mai die Bevölkerung gegen den albahörigen Magistrat und trat zu den Geusen über. Von Ende Mai bis Ende Juli 1572 schlössen sich die meisten Städte in Holland und Seeland den Aufständischen an, nur Amsterdam in Holland und Middelburg in Seeland waren als bedeutendere Plätze noch „königstreu". Die Wassergeusen organisierten in den holländischen und seeländischen Städten eine zweite Bildersturmbewegung, die die Einrichtungen von katholischen Kirchen zerschlug und dem Kalvinismus als herrschender Konfession den Weg ebnete. Im Sommer 1572 war in Holland und Seeland die ideologische Hauptstütze der feudalabsolutistischen spanischen Fremdherrschaft als Institution vernichtet. Gleichzeitig erfolgte eine Umgestaltung der weltlichen Machtverhältnisse in den Städten. Die an der Macht befindlichen Räte waren zumeist 1567 durch spanientreue Mitglieder verstärkt oder völlig neu eingesetzt worden. Diese Räte wurden durch eine Volksbewegung mit der bewaffneten Macht der Wassergeusen als Rückhalt gestürzt. An ihre Stelle traten städtische Machtorgane, die sich vorwiegend aus Vertretern der kalvinistisch gesinnten bürgerlichen Oberschicht zusammensetzten. In einigen Fällen kam es auch zu einer gewissen Demo111
kratisierung durch die Aufnahme von Zunftvertretern in die Räte. Am 15. Juli fand auf Initiative von Dordrecht in der einladenden Stadt eine Versammlung der Staaten von Holland statt. Diese Staatenversammlung von Dordrecht war ein revolutionärer Akt, denn die Vertreter der aufständischen Städte versammelten sich nicht durch die Einberufung des feudalen Landesherrn, wie es die bis dahin geltende Ordnung vorschrieb, sondern aus eigener Machtvollkommenheit. Die alte feudale Ständeorganisation blieb der Form nach bestehen — abgesehen davon, daß nicht mehr nur die traditionellen sechs Städte vertreten waren, sondern sich der Kreis erweitert hatte —, sie hatte jedoch einen neuen Inhalt erhalten und war zu einer Institution bürgerlicher Machtausübung geworden. Mit der Eroberung Den Briels durch die Wassergeusen hatte am 1. April 1572 eine neue Etappe der niederländischen frühbürgerlichen Revolution begonnen. Die Revolution siegte im Frühjahr und Sommer 1572 im Norden und schuf ein bürgerliches Staatsgebilde.
Statthalter von Holland
Bei der Vorbereitung einer erneuten Invasion gegen Alba hatte Oranien aufs engste mit der französischen Hugenottenpartei zusammengewirkt, die ihrerseits hoffte, durch die Vertreibung der Spanier aus den Niederlanden und die Installierung eines ihnen freundlich gesinnten Regimes im nordöstlichen Nachbarland ihre Position in Frankreich zu stärken. Die Hugenotten suchten ihre endgültige Anerkennung und Aussöhnung mit dem König, die durch die Hochzeit eines ihrer Führer, Heinrich von Navarra, mit der Schwester des Königs Karl IX., Marguerite, besiegelt werden sollte. Nach der Hochzeit wollte man dann den König zu einer Kriegserklärung an Philipp II. bewegen. In langwierigen diplomatischen Verhandlungen war es im Frühjahr 1572 gelungen, die Zustimmung Elisabeths von England zu einer antispanischen Front zu erreichen. Vergeblich bemühte sich die oranisch-hugenottische Partei allerdings um die Beteiligung des Großherzogs von Toskana, des Königs von Schweden und des türkischen Sultans an dem geplanten Krieg gegen Spanien. Letzterer hatte in der Seeschlacht im Golf von Lepanto am 7. Oktober 1571 durch eine gemeinsame Flotte von Spanien, Venedig, Genua, Savoyen und einigen italienischen Kleinstaaten eine vernichtende Niederlage erlitten, die ihn für längere Zeit zu Offensivhandlungen unfähig machte. Der präzisierte Kriegsplan Oraniens sah nun folgendermaßen aus: Graf Hermann van den Berg, ein Schwager Oraniens, sollte im Nordosten, Ludwig von Nassau gleichzeitig im Süden in die Niederlande einfallen. Nach der Kriegserklärung des französischen Königs würde sich dann ein weiterer Angriff hugenottischer Truppen unter Coligny und der Einmarsch von Oranien in Brabant anschließen. Schließlich war vorgesehen, daß sich eine hugenottische Flotte von La Rochelle aus mit den Wassergeusen und möglichst auch mit 8
Vetter, Oranien
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englischen Schiffen vereinen und die Küsten von Holland und Seeland angreifen sollte. Die Wut Oraniens über den Alleingang der Wassergeusen wich schnell nüchterner Überlegung, als er sah, daß immer mehr Städte Hollands und Seelands von Alba abfielen. Schon nach dem Anschluß von Vlissingen an die Wassergeusen kam Oranien nach einer Beratung mit Ludwig von Nassau zu dem Schluß, die entstandene Lage für den Beginn seines zweiten Krieges gegen Alba zu nutzen. Eigentlich wäre es logisch gewesen, die aufständischen Territorien Holland und Seeland als sichere Ausgangsbasis zu nutzen und die Planung dementsprechend zu ändern, zumal die Staatenversammlung von Dordrecht Oranien zum Statthalter von Holland gewählt hatte. Doch Oranien, befangen im Denken feudaler Kriegführung, war zu diesem Schritt nicht fähig. Er vertraute trotz der schmerzlichen Erfahrungen von 1568 immer noch allein auf die Söldnerarmeen und seine feudale Bündnispolitik, statt sich auf die Kraft eines Volksaufstands zu stützen. Zunächst schien Oraniens Strategie aufzugehen. Gestützt auf die innerstädtische Opposition, konnte Ludwig von Nassau ohne Widerstand mit nur 1500 Mann am 24. Mai die Hauptstadt des Hennegau Möns (niederländisch Bergen) besetzen. Gleichzeitig nahm eine hugenottisch-niederländische Truppe unter François de la Noue Valenciennes ein, dessen Zitadelle jedoch von den Spaniern gehalten wurde. Van den Berg drang wie vorgesehen in Geldern ein, das nur eine sehr schwache spanische Besatzung hatte, nahm Zutphen und hatte innerhalb von sechs Wochen fast ganz Overijssel und Drenthe sowie einen großen Teil Frieslands in seinen Händen. Allerdings kam Berg zugute, daß er ähnlich wie die Wassergeusen von Alba nicht recht ernst genommen wurde. Dieser hatte fast alle seine Streitkräfte aus dem Nordosten abgezogen, um den von ihm erwarteten Hauptschlägen von Coligny und Oranien begegnen zu können. Auch um Möns legte er zunächst nur einen lockeren Belagerungsring, Valenciennes war von seinen Leuten allerdings zurückerobert worden. Coligny und der französische König stellten zunächst eine Streitmacht von 6000 Mann zur Unterstützung von Möns zur Verfügung, die unter Führung von Jean de Hangest, Seigneur des Genlis, eines Vetters von Coligny und des hingerichteten Hoorn, am 12. Juli zehn Kilometer südlich der belagerten Stadt bei St-Ghislain jedoch in einen spanischen Hinterhalt geriet und völlig aufgerieben wurde. Dabei wurden die Spanier übrigens von niederländischen Bauern der 114
Umgebung unterstützt, die nach den jahrhundertelangen Konflikten mit Frankreich, unter denen sie und ihre Vorfahren schwer gelitten hatten, in den Franzosen ihre Hauptfeinde und, befangen in patriarchalisch-religiösem Denken, in den Hugenotten ihre Glaubensfeinde sahen. Inzwischen hatte Oranien ein Heer von rund 20000 Mann geworben. Um das nötige Geld zusammenzubringen, mußte er aus seinem Familienbesitz Juwelen, Silbergeschirr, Teppiche und Kunstschätze verpfänden und wieder auf die Unterstützung seines Bruders Johann zurückgreifen. Als er seine Streitmacht vom 5. bis 7. Juli bei Essen an der Ruhr konzentrierte, war er durchaus optimistisch. Am 8. Juli 1572 brach er sein Lager ab, setzte bei Duisburg über den Rhein und drang in die Niederlande ein. Der Feldzug begann erfolgreich mit der Eroberung von Roermond am 23. Juli. In Roermond erhielt Oranien die Nachricht von der Niederlage Genlis bei St-Ghislain, die ihn derart verunsicherte, daß er untätig verharrte und auf das geplante Eingreifen Frankreichs wartete. Schon jetzt wurde die Bezahlung seiner Söldner wieder zum Problem. Er hatte mühsam die Mittel für die Anwerbung zusammengebracht, besaß nun aber keine Reserven mehr für die regelmäßige Soldzahlung. Erst Mitte August traf eine Hilfssumme der Staaten von Holland ein, so daß sich die Stimmung in seinem Lager wieder besserte. Doch statt der Nachricht von der französischen Kriegserklärung erreichte Oranien die Schreckensbotschaft von der Bartholomäusnacht. König Karl IX. war im Frühjahr 1572 von Coligny und Ludwig von Nassau von den Vorteilen einer antispanischen Koalition überzeugt worden, die ihm auch territorialen Gewinn in Aussicht stellte: Im Falle eines Sieges sollten Flandern und Artois an Frankreich, Holland und Seeland an England fallen. Doch er hatte seine endgültige Entscheidung so lange wie möglich hinausgezögert, zumal die katholische Adelsfraktion, die ihn bisher gegen die Hugenotten unterstützt hatte, prospanisch eingestellt war. Inzwischen zeigte es sich, daß Elisabeth von England nicht daran dachte, ernsthaft gegen Spanien vorzugehen. Dann kam die schmähliche Niederlage von StGhislain, durch die die Position der Hugenotten geschwächt wurde. Diese Situation schien dem König geeignet, sich der hugenottischen Fraktion des Hochadels zu entledigen, und er begann, wahrscheinlich unter der Regie seiner Mutter Katharina von Medici, mit den Vorbereitungen zu einem politischen Massenmord. Am 18. August 1572 fand die Vermählung Heinrichs von Navarra 8*
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mit Prinzessin Marguerite statt. Zu der Hochzeit, mit der die Aussöhnung des Königs mit den Hugenotten besiegelt und gefeiert werden sollte, waren fast alle hugenottischen Führer mit ihrem Gefolge nach Paris gekommen. Zum Schein gab der König Coligny die Erlaubnis, Alba am 25. August anzugreifen. Doch in der Nacht vor dem Tag des Heiligen Bartholomäus, der Nacht vom 23. auf den 24. August 1572, erging sein Befehl zur Ermordung aller Hugenotten. Etwa 2000 Hugenotten, darunter Coligny, wurden allein in Paris in der Bartholomäusnacht umgebracht. Insgesamt forderte das Blutbad in Frankreich 30000 Opfer. Als Oranien die Nachricht von der Bartholomäusnacht erhielt, hatte er, bereits im Vertrauen auf das baldige Eingreifen Colignys nach der navarrischen Hochzeit, am 27. August die Maas überquert und war in Brabant eingedrungen. Die schlimme Botschaft erschütterte ihn tief. Er hatte viele gute Freunde verloren und blieb auf sich allein gestellt. Doch für ein Zurück war es zu spät. Oranien entschloß sich zum Marsch auf Möns, um seinen Bruder aus dem Belagerungsring zu befreien. Bald besserte sich auch seine Stimmung, denn ohne große Mühe fielen ihm die Städte Weert, Diest, Tienen, Löwen, Nivelle und Dendermonde zu. Mecheln und Oudenaarde baten ausdrücklich um eine oranische Besatzung. Doch dann kam plötzlich der völlige Zusammenbruch. Oranien war schon in der Nähe von Möns angelangt, als am 11. September der spanische Oberst Julian Romero mit nur 1200 Mann einen nächtlichen Überfall auf sein Lager verübte und unter seinen Söldnern eine heillose Panik auslöste. Oranien war nicht in der Lage, seine mehr als zehnfach überlegene Streitmacht zu ordnen und entrann dem Chaos nur mit Mühe. Am 21. September mußte Ludwig von Nassau in Möns kapitulieren. Er erhielt von . Alba einen ehrenhaften Abzug unter Waffen. Damit war auch der zweite Kriegszug Oraniens gegen Alba kläglich gescheitert. Kurfürst August von Sachsen und Landgraf Wilhelm von Hessen boten ihm an, mit seiner Familie nach Erfurt zu kommen, wo sie für seinen Lebensunterhalt sorgen wollten. Doch Oranien gab nicht auf. Er war zur Fortsetzung des Kampfes entschlossen und besann sich nun auf die einzigen Bundesgenossen, die ihm noch verblieben waren, die bürgerlich-kalvinistischen Staaten von Holland. Am 18. Oktober 1572 schrieb Oranien an seinen Bruder Johann, er habe beschlossen, sich nach Holland und Seeland zu begeben und seine Angelegenheiten dort, so gut es geht, wahrzu-
nehmen, bis diese Territorien zu seinem Grab werden würden. Es war eine Ironie der Geschichte, daß ausgerechnet Holland und Seeland, die Oranien an England hatte abtreten wollen, zu seinem letzten Rückhalt wurden. Als die Staaten von Holland am 15. Juli 1572 in Dordrecht zusammentraten, stand durchaus noch nicht fest, ob sie Wilhelm von Oranien als ihren Statthalter benennen würden. An der Versammlung nahm auch ein Vertreter des Geusenadmirals Lumey teil, der mit der Eroberung von Den Briel die Befreiung von Holland und Seeland eingeleitet und den Sieg der neuen Ordnung militärisch gesichert hatte. Lumey ließ sich selbst schon „Gouverneur und Statthalter von Holland" nennen und erwartete die Bestätigimg dieser Würde durch die Staaten. Am 19. Juli jedoch erschien Philipp van Marnix, Herr von Sint Aldegonde, im Auftrag von Oranien in Dordrecht und forderte dessen Anerkennung als Statthalter. Philipp van Marnix hatte wie sein Bruder, der am 13. März 1567 bei Oosterweel gefallene Herr von Toulouse, zu den radikalen kalvinistischen Unterzeichnern des „Kompromiß" gehört. War sein Bruder mehr militärisch engagiert, so zählte der 1540 geborene Philipp zu den theoretischen Köpfen dieses Adelsbundes. In seiner 1566 verfaßten Schrift „Van den beeiden affgeworpen in de Nederlanden" (Von den in den Niederlanden gestürzten Bildern) verteidigte er die Bilderstürme und nahm gegen den lutherischen Grundsatz Stellung, daß allein der Landesherr das Recht zur Kirchenreform habe. Der Schreckensherrschaft Albas entzog er sich durch die Flucht und wurde 1568 vom Blutrat für ewig verbannt und seiner Güter für verlustig erklärt. Im Exil schrieb Marnix seine scharfe antipäpstliche Streitschrift „De Byencorf der H. Roomsche Kercke" (Der Bienenkorb der Heiligen Römischen Kirche), die er 1569 vollendete. Marnix hatte schon seit 1568 persönliche Kontakte zu Oranien, trat 1571 fest in dessen Dienste und wurde schnell zu einem der wichtigsten Mitarbeiter des Prinzen. Der hochbegabte und tiefreligiöse Mann erledigte zahlreiche diplomatische Missionen für Oranien und besorgte einen großen Teil von dessen Schriftverkehr, darunter auch ganz persönliche Briefe. Es gelang Marnix in Dordrecht, die Ansprüche Oraniens durchzusetzen. Diesen Erfolg verdankte er nicht in erster Linie seiner überlegenen Beredsamkeit und geistigen Schärfe gegenüber dem Vertreter Lumeys, sondern weil den Abgesandten der Ratsmitglieder von Dordrecht, Gorcum, Oudewater, Gouda, Leiden, Haarlem, 117
Alkmaar, Hoorn, Enkhuizen, Medemblik, Edam und Monnickendam, die mit dem Repräsentanten der holländischen Ritterschaft die Staatenversammlung von Dordrecht bildeten, der gemäßigte Oranien genehmer war als der kompromißlose Draufgänger Lumey. Auch die neuen Ratsmitglieder, die „Regenten", gehörten in der überwiegenden Mehrheit der städtischen Oberschicht an. Bei weitem nicht alle waren eifernde Kalvinisten; nicht wenige hatten sich nur aus Opportunismus, unter dem Druck der revolutionären Veränderungen, zu der neuen Konfession bekannt. Ihr wichtigstes Ziel bestand darin, die neu gewonnene Machtposition fest zu etablieren und sowohl gegenüber der Konterrevolution Albas als auch gegen radikaldemokratische städtische Volksbewegungen zu verteidigen. Für die Realisierung dieser Interessen schien den neuen Regenten, die sich schnell zu einer in sich geschlossenen bürgerlicharistokratischen Führungsschicht formierten, Oranien der rechte Mann zu sein. Auch die Staatenversammlung von Dordrecht wollte sich nicht dem Vorwurf des Treuebruchs am Landesherrn aussetzen, und so erkannte sie Oranien ausdrücklich als Stellvertreter Philipps II. an, und zwar in den Funktionen, in die er von diesem eingesetzt worden war und die er bis 1567 ausgeübt hatte, als „generalen gouverneur ende lieutnant des Coninx over Hollandt, Zeelandt, Vrieslandt ende Sticht Uytrecht, alzoo hij vooren geweest en gekommiteert door de koning" (als Generalstatthalter und Leutnant des Königs über Holland, Seeland, Friesland und das Stift Utrecht, wie er vorher durch den König eingesetzt war), der in Abwesenheit des Königs die Pflicht hat, das Land gegen Unterdrückung zu schützen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, Oranien habe damit eine fast unbeschränkte Autorität erhalten, da der Souverän, als dessen Vertreter er theoretisch fungierte, ihm in der Realität keine Befehle und Anordnungen erteilen konnte. Tatsächlich hatte jedoch eine Machtverschiebung zugunsten der — nun bürgerlichen — Stände stattgefunden. Oranien verdankte seine Position den Staaten von Holland, in denen die Regenten der Städte, die sich als der eigentliche Souverän betrachteten, das Sagen hatten. Der Repräsentant des holländischen Adels spielte nur eine untergeordnete Rolle. Ohne die Zustimmung der Staaten war Oranien zu keiner wichtigen politischen Handlung fähig, denn als er im Oktober 1572 nach Holland kam, wo das St. Agathakloster zu Delft sein bevorzugter Wohnsitz wurde, war er ein militärisch geschlagener und fast mittel118
loser Mann, der auf die Finanzkraft der neuen Herren von Holland angewiesen war. Mit der Übernahme der Statthalterwürde von Holland wurde Wilhelm von Oranien eigentlich erst zu einer Persönlichkeit von historischer Bedeutung. Bisher war er nicht mehr als ein gegen den Absolutismus frondierender Hochadliger, der sich von anderen Angehörigen seiner Klasse nur durch seine Intelligenz, Charakterstärke und Hartnäckigkeit abhob, der im Unterschied zu ihnen bereit war, eher Gut und Blut zu opfern, als seine feudalen Privilegien aufzugeben. Nunmehr trat er an die Spitze eines in der Revolution geborenen bürgerlichen Staatswesens. Subjektiv hatte Oranien niemals die Beseitigung der feudalen Gesellschaftsordnung im Sinn. Sein Ziel war nach wie vor ein feudaler Ständestaat, in dem der Hochadel die entscheidenden Positionen besitzen sollte. Im Kampf um dieses Ziel waren ihm aber die aufständischen Territorien als einzig sicherer Bundesgenosse geblieben, und Oranien verbündete sich mit dem kalvinistischen Bürgertum, mit dem ihn die gemeinsame Gegnerschaft gegen das spanische Regime unter Alba einte. Die Regenten hofften ihrerseits, durch die Übertragung der Statthalterwürde an Oranien ihre internationale Position zu verbessern und die politischen Fähigkeiten und Verbindungen des Prinzen zur Sicherung ihrer soeben errungenen Macht nutzen zu können. Freilich barg diese Partnerschaft auf Grund der unterschiedlichen sozialen und politischen Ausgangspositionen Konflikte in sich, die von Anfang an spürbar waren. War Oranien ständig bemüht, seine Handlungsfreiheit gegenüber den Staaten zu erhalten und schloß dessen politische Zielstellung die gesamten Niederlande ein, so waren die Staaten nicht geneigt, ihren Statthalter in die Rolle eines souveränen Fürsten wachsen zu lassen. Diese Konflikte äußerten sich auch in der Religionsfrage. Der Kalvinismus war für die in Holland und Seeland siegreiche Fraktion des Bürgertums nicht nur Kampfideologie, sondern die entstehende kalvinistische Kirchenorganisation wurde für sie auch zu einem wirksamen Machtinstrument. Die ersten Keimformen der kalvinistischen Kirche bildeten sich bereits im Kommunikationssystem der Exilgemeinden mit den Untergrundgemeinden in den Niederlanden, den „Kirchen unter dem Kreuz". Nach mehreren Anläufen zu zusammenfassenden Organisationsformen tagte vom 4. bis 14. Oktober 1571 in Wesel eine erste allgemeine Synode der niederländischen Kalvinisten; allerdings ohne die Vertreter 119
der englischen Gemeinden, die nicht rechtzeitig hatten benachrichtigt werden können und daher zu spät eintrafen. Die Synode verabschiedete ein Schlußdokument mit dreiundfünfzig Artikeln über Glaubenslehre, Disziplin und Organisationsform der niederländischen reformierten Kirche. Es wurden drei Kirchenprovinzen (England, Deutschland und die Niederlande) gebildet, die in Kreissynoden untergliedert waren. Jede Provinz wurde verpflichtet, sich mit den anderen über alles, „was die Förderung und Erhaltung der Kirchen im allgemeinen und jeder einzelnen im besonderen betrifft", abzustimmen. Diese straffe Organisation war eine wesentliche Voraussetzung für das schnelle und erfolgreiche Agieren des kalvinistischen Bürgertums im revolutionären Umbruch in Holland und Seeland im Frühjahr 1572. Nach dem Sieg der Revolution in den beiden Nordprovinzen wurde die „Kirche unter dem Kreuz" zur Staatskirche, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung noch katholisch war. Die Organisation wurde weiter ausgebaut. Die Gemeinden wählten ihre Ältesten; zumeist Regenten, die so auch über die Kirchengemeinde ihre Interessen durchsetzen konnten. Von den Ältesten wurden die Prediger und Lehrer ernannt, die Armenunterstützung und die Waisenhäuser verwaltet. Älteste und Pfarrer mehrerer Gemeinden bildeten ein Konsistorium, dessen wichtigste Aufgabe die Kontrolle der Moral und der Reinheit des Glaubens in den Gemeinden war. Darüber standen die Kreissynoden, dann die zweimal jährlich tagenden Provinzialsynoden und schließlich als höchstes Gremium die nationalen Synoden der Niederlande, für deren Zusammenkünfte es keinen festen Rhythmus gab. Oraniens Hinwendung und öffentliches Bekenntnis zum Luthertum im Jahre 1567 war nur eine kurze, vor allem politisch motivierte Episode geblieben. Mit der Erkenntnis, daß von den lutherischen Fürsten j^eine Unterstützung zu erwarten war, erlosch auch sein Interesse an deren Konfession. Schon 1569 hörte man ihn über den engen Horizont der lutherischen Geistlichen spotten. Wie stets ordnete Oranien die Form der Religionsausübung seinen politischen Interessen unter und näherte sich seit 1569 dem Kalvinismus an, der Konfession seiner hugenottischen Verbündeten, auf die er so große Hoffnungen setzte. Sicher spielte dabei nicht nur politisches Nützlichkeitsdenken eine Rolle. Man muß bedenken, daß Oranien seit dieser Zeit fast nur noch von Kalvinisten umgeben war. Sein Lieblingsbruder Ludwig war Kalvinist geworden, seine wichtigsten Berater und Mitarbeiter waren kalvinistische niederländische Emigranten: Philipp 120
van Mamix, Jacob van Wesembeke, der Prediger Petrus Dathenus, der Älteste der Emigrantengemeinde in Wese, Peter der Reiche, aus Gent und der Dichter Dirk Volkertszoon Coornhert, um nur einige zu nennen. Die Hugenottenführer Coligny und Conde waren seine politischen Freunde, und er hatte gute Beziehungen mit den hugenottischen Theoretikern und Diplomaten Philippe de Mornay, Seigneur de Plessis, Hubert Languet und Theodor Beza. Nunmehr war er selbst oberster Beamter eines kalvinistischen republikanischen Staatswesens. So waren es sowohl seine politischen Erwägungen als auch die langjährige Vertrautheit mit der kalvinistischen Gedankenwelt, die Oranien 1573 seinen Übertritt zum Kalvinismus vollziehen ließen. In den Kirchenakten der Gemeinde von Dordrecht ist zu lesen: „Den 13 sten Decembris soe is de gemeente het Nachtmael door Joannen Lippium wederom angedient ende het getal der communicanten is aldoen geweest 536. Ten selbigen dage heeft die Princelijcke Excellentie met ons het broodt gebroken." (Am 13. Dezember hat die Gemeinde wiederum das Abendmahl durch Johann Lippius empfangen, und die Zahl der Kommunikanten betrug 536. Am selben Tag hat die Prinzliche Exzellenz mit uns das Brot gebrochen.) Oranien war nun Kalvinist, doch er blieb bei seiner Toleranzpolitik gegenüber Andersgläubigen, sowohl aus innerer Überzeugung als auch aus Einsicht in die politische Notwendigkeit. Wenn er seine die gesamten Niederlande umfassende politische Zielstellung verwirklichen wollte, durfte er nicht durch kalvinistischen Missionseifer den katholischen Adel und das katholische Patriziat außerhalb Hollands und Seelands verprellen und mußte religiöse Toleranz walten lassen. Aus dieser Konstellation ergab sich ein Grundproblem der oranischen Politik der folgenden Jahre: das Lavieren zwischen Kalvinisten, die seine einzige sichere Stütze waren, katholischem Adel und Patriziat in den südlichen Territorien. An dem Versuch, bürgerliche Revolutionäre und feudalständische Oppositionelle auf Dauer in einer Front zu vereinen, mußte Oranien schließlich scheitern. Zunächst war er jedoch seit seiner Ankunft in Holland im Oktober 1572 vollauf mit der politischen und militärischen Sicherung der aufständischen Territorien beschäftigt. Die Ausschaltung der radikalen revolutionären Kräfte, der Wassergeusen, aus dem politischen Leben erledigte Oranien in kurzer Zeit und zur vollen Zufriedenheit der großbürgerlichen, kalvinistischen Regenten. Zunächst erklärte er alle bisher von ihm für die Geusenkapitäne ausgestellten Kaperbriefe für ungültig. Neue Kapitäne wurden von ihm fortan nur noch mit Zustimmung der Seestädte eingesetzt. Lumey und Bar121
thold Entens, die nicht bereit waren, sich den Staaten unterzuordnen, wurden verhaftet. Zwar ließ sie Oranien nach einiger Zeit wieder frei, sie haben aber keine bedeutende Rolle mehr gespielt. Die meisten anderen Geusenkapitäne — nicht wenige fanden übrigens im Kampf gegen Alba den Tod — wurden als örtliche Kommandanten über Holland und Seeland verteilt, waren voneinander isoliert, standen unter scharfer Kontrolle der Regenten und hatten keinen Einfluß mehr auf die Gestaltung der politischen Verhältnisse. Innerhalb eines Jahres entledigten sich die Regenten auf diese Weise der radikalen revolutionären Kraft, deren entschlossenen revolutionären Aktionen sie ihren Machtantritt zu verdanken hatten. Inzwischen drohte der gerade geborenen bürgerlichen Ordnung eine tödliche Gefahr durch den siegreichen Vormarsch der feudalabsolutistischen spanischen Konterrevolution. Alba faßte nach dem Sieg über Oranien seine gesamte Streitmacht zu einem Marsch in nördlicher Richtung zusammen, um die Aufständischen in einer Art Blitzkrieg zu unterwerfen. Zunächst sollten die zu Oranien übergetretenen brabantischen Städte wieder zur Räson gebracht werden. Das Grundprinzip seines Vorgehens hat Alba selbst mit folgenden Worten umrissen: „Diesen Unruhen muß ohne alle Instrumente der Gnade, Milde, Unterhandlungen oder Gespräche mit Waffengewalt ein Ende bereitet werden, bis jeder Widerstand gebrochen ist. Dann wird die Zeit zum Verhandeln gekommen sein." Am 2. Oktober 1572 erschien Albas Streitmacht vor Mecheln. Obwohl die Bürger die Tore öffneten und in langer Prozession unter frommen Gesängen und, angeführt von Priestern, den Spaniern in demutsvoller Haltung entgegenzogen, um so ihre Unterwerfung zu demonstrieren, ließ Alba die Stadt drei Tage lang plündern. Viele Männer wurden erschlagen, Hunderte von Frauen und Mädchen vergewaltigt. Dieses grausame Strafgericht über Mecheln hatte Alba nicht in wilder sadistischer Lust verhängt, sondern es war Bestandteil seiner in kühler Überlegung erdachten Taktik, durch gezielten Terror gegen jeweils eine Stadt eines Territoriums die anderen einzuschüchtern und zur Unterwerfung zu bringen. In Brabant hatte der konterrevolutionäre Terror Erfolg: Nach Albas barbarischem Auftreten in Mecheln unterwarfen sich alle anderen aufständischen Städte. Nun zog Alba weiter nach Norden. Am 12. November erlitt Zutphen das gleiche Schicksal wie Mecheln, nur daß die spanische Soldateska 122
hier noch grausamer wütete. Alba hatte seinem Sohn Don Fadrique, der die Aktion gegen Zutphen leitete, den Befehl gegeben, alle Häuser niederzubrennen und nicht einen Menschen am Leben zu lassen. Don Fadrique führte den Befehl aus, so gut er es vermochte. Zeitgenössische Chronisten berichteten, daß die Soldaten, als sie des Totschlagens und Henkens müde waren, 500 Einwohner paarweise rücklings zusammenbanden und wie junge Hunde in der Ijssel ertränkten. Wieder ging Albas Rechnung auf: Nach der Schreckensnachricht von Zutphen ergaben sich alle Städte in Geldern und Overijssel. Nichts schien die schreckliche spanische Kriegsmaschinerie aufhalten zu können, und nun sollte Holland, das Kerngebiet der Aufständischen, an die Reihe kommen. Auch hier wollte Alba wieder mit einem abschreckenden Beispiel die anderen Städte einschüchtern und zur Kapitulation bringen. Seine Wahl war auf Naarden gefallen, eine kleine Stadt an der Zuidersee. Wieder verrichtete Don Fadrique sein blutiges Handwerk mit tödlicher Präzision. Alle Bewohner Naardens wurden am 2. Dezember umgebracht, die Stadt völlig eingeäschert. Zufrieden berichtete Alba an Philipp II., er habe in Naarden „keiner Mutter Sohn mehr am Leben gelassen". Doch in Holland blieb der erwartete Effekt aus. Als Alba über das königstreue Amsterdam vor Haarlem zog, eine der größten und schönsten Städte Hollands, traf er auf tapferen Widerstand. Am 10. Dezember 1572 begann die Belagerung. Alle Versuche der Spanier, die Stadt zu stürmen, wurden abgewiesen, zum Teil, mit großen Verlusten für die Angreifer. Don Fadrique, der auch hier für seinen Vater, der sich in Nijmegen niedergelassen hatte, das Kommando führte, wollte die Belagerung abbrechen. Doch Alba blieb eisenhart bei dem einmal gefaßten Entschluß. Dem Kurier Fadriques beschied er: „Sagt Don Fadrique, wenn er nicht entschlossen sei, in der Belagerung auszuharren, bis Haarlem genommen ist, so werde ich ihn nicht länger als meinen Sohn betrachten. Fällt er in der Belagerung, so werde ich selbst mich ins Lager begeben und sie fortsetzen, und wenn wir beide gefallen sind, so wird meine Frau, die Herzogin, aus Spanien kommen und das gleiche tun." Die Spanier gaben die Versuche, Haarlem im Sturm zu nehmen, auf und schlössen einen festen Belagerungsring, um die Stadt auszuhungern. Sieben Monate hielt Haarlem stand, und selbst Alba konnte den Verteidigern seine grimmige Anerkennung nicht versagen. Er hatte einst überheblich die Holländer als „Menschen von Butter", untauglich zum Kampfe, bezeichnet und mußte nun 123
eingestehen, daß sie schwerer zu bändigen waren als „Menschen von Eisen". Doch was die Spanier mit den Waffen nicht vermochten, erreichten sie mit dem Hunger. Bald gab es in Haarlem nicht einmal mehr Hunde, Katzen, Ratten, Mäuse und Unkraut zum Verzehren. Am 12. Juli 1573 mußte die Stadt kapitulieren. Der größte Teil der Garnison wurde exekutiert, darunter auch der Geusenkapitän Lancelot van Brederode. Gegenüber den Bürgern ließ Alba ganz überraschend „Milde" walten: Es wurden „nur" fünf aus ihren Reihen hingerichtet, und von der Plünderung konnten sie sich mit 240000 Gulden freikaufen. Doch die Lage der Sieger war nicht sehr günstig. Die Belagerung von Haarlem hatte sie selbst etwa 10000 Mann gekostet — ein sehr hoher Blutzoll für eine Stadt, denn der Sieg über Haarlem war kein Sieg über Holland. Der kluge Beobachter Granvelle sah in der langen und verlustreichen Belagerung einen möglichen Wendepunkt. Auch Albas designierter Nachfolger, Don Juan de la Cerda, Herzog von Medina Celi, der schon in den Niederlanden weilte und Alba nach der Niederschlagung des Aufstands ablösen sollte, war ähnlicher Auffassung. Er schrieb in einem Bericht nach Spanien: „Die Dinge hier sind nun an einen Punkt gelangt, wo sie entweder ein rasches Ende erfahren müssen oder sich noch über eine sehr lange Zeit hinziehen werden. Meiner Meinung nach hängt alles davon ab, zu welchem weiteren Vorgehen in Holland man sich entscheiden wird, denn dort gibt es viele Städte, die zur Unterwerfung gezwungen werden müssen." Ein teils in demagogischer Weise lockendes, teils drohendes Zirkularscheiben Albas an die aufständischen holländischen Städte blieb wirkungslos, keine dachte an Kapitulation. In diesem Schreiben hieß es: „Es ist Euch wohl bekannt, daß der König aber und abermals seine Bereitwilligkeit erklärt hat, Seine verlorenen Kinder, wie groß auch ihre Sünden seien, mit offenen Armen wieder aufzunehmen. Seine Majestät versichert Euch aufs neue, daß Eure Missetaten, so schwer sie immer gewesen sein mögen, in der Fülle der königlichen Gnade vergeben und vergessen sein sollen, wenn Ihr bereut und beizeiten in seine Arme zurückkehrt. Trotz allem, was Ihr getan, verlangt Seine Majestät noch immer, gleich einer Henne, die nach ihren Kücklein ruft, Euch alle unter ihrem mütterlichen Fittich zu versammeln. Der König warnt Euch hierdurch noch einmal, daß Ihr Euch von freien Stücken in seine Königliche Hand gebt und nicht seinen Zorn, Seine Wut und Grausamkeit und den Anmarsch Seines Heeres erwartet. Aber wenn Ihr dieses Anerbieten der Gnade mißach124
tet und wie bisher mit tauben Ohren aufnehmt, dann warnen wir Euch im voraus, daß keine Strenge, keine Grausamkeit so groß sein wird, daß Ihr sie nicht erwarten dürftet. Dann wird Euch Verwüstung, Hunger und Schwert dergestalt treffen, daß von dem, was gegenwärtig blüht und besteht, auch keine Spur mehr bleibe; sondern Seine Majestät wird das Land ganz und gar verheeren und die Bevölkerung ausrotten und es sodann mit Fremden wieder bevölkern; da in keinem anderen Falle Seine Majestät dem Willen Gottes und Seiner Majestät gehorcht zu sehen würde hoffen dürfen." Am 21. August 1573 begann die Belagerung von Alkmaar — und dabei sollte sich Alba die Zähne ausbeißen. Alba hatte schon Schwierigkeiten gehabt, sein Heer nach Norden in Bewegung zu setzen, denn wegen ausbleibenden Solds war eine Meuterei ausgebrochen. Nur mit Mühe hatte er durch Abschlagzahlungen den Gehorsam wieder herstellen können. Die Ereignisse in Alkmaar vor dem Beginn der Belagerung sind ein Beispiel für den Polarisierungsprozeß, der sich während des auf Leben und Tod geführten Kampfes gegen die Spanier in den holländischen Städten vollzog. Die kampfentschlossenen radikalen Kalvinisten unter den Regenten setzten sich mit Hilfe der gut organisierten und schlagkräftigen kalvinistischen Minderheit durch und festigten durch den Sieg über die Konterrevolution ihre Herrschaft, obwohl zu dieser Zeit noch fast neunzig Prozent der Bevölkerung katholisch waren. Eine Vorhut der Spanier war fast gleichzeitig mit einer von Oranien entsandten Hilfstruppe unter dem ehemaligen Geusenkapitän Jacob Cabeljauw vor Alkmaar angekommen. Die einen standen vor dem Kennemer Tor, die anderen vor dem Friesentor. Der Magistrat beriet im Beisein des Stadthauptmanns Nicolaas Ruychaver, auch ein ehemaliger Wassergeuse, über Verteidigung oder Kapitulation, konnte sich aber nicht zu einer Entscheidung durchringen. Der zeitgenössische Chronist Pieter Bor schildert in lebendigen Worten, wie ein entschlossener Regent sich an die Spitze kampfentschlossener Einwohner stellte und ohne Beschluß des Magistrats, gewissermaßen auf „außerparlamentarischem Wege", vollendete Tatsachen schuf. „Sie waren so verwirrt, daß sie sich nicht entschließen konnten. Die Bürgerschaft lief in großer Menge vor das Stadthaus und wartete auf die Entscheidung des Magistrats. Als dies lange dauerte, sagte Ruychaver: ,Es ist nun nicht mehr Zeit, länger zu beraten, sagt kurz, was ihr tun oder lassen wollt.' 125
Darauf sagte Floris van Teylingen, einer der Bürgermeister: ,Ich will mit dem Prinzen und den Bürgern leben und sterben', und ist mit dem Hauptmann sogleich aus dem Stadthaus gegangen. Da liefen viele Bürger mit dem Stadtzimmermann Meerten Pietersen van der Mey mit Beilen und Vorschlaghämmern zu dem Friesentor, schlugen es auf und ließen das Volk des Prinzen von Oranien hinein, und zugleich wurde das Kennemer Tor geöffnet, von dem aus seine Leute einen Ausfall gegen die Spanier machten." In den ersten Wochen der Belagerung von Alkmaar gab es nur kleinere Scharmützel unter den Wällen. Am 18. September 1573 wollte Alba die Entscheidung erzwingen. Nach einer zwölfstündigen Kanonade befahl Don Fadrique den Sturmangriff, gleichzeitig am Friesentor und dem sogenannten Roten Turm. Doch die Spanier stießen auf erbitterten Widerstand. Außer der Garnison von Truppen der Staaten standen alle waffenfähigen Männer Alkmaars zur Verteidigung bereit, unterstützt von Frauen und Kindern. Alle wußten, was sie bei der Eroberung der Stadt erwarten würde, und so kämpften sie mit dem Mut der Verzweiflung. Geschütz- und Musketensalven schlugen den Stürmenden entgegen, heißes Wasser, siedendes Öl, flüssiges Pech, geschmolzenes Blei und ungelöschter Kalk regneten auf sie nieder. Nach drei vergeblichen Sturmversuchen innerhalb von vier Stunden und einem Verlust von etwa 1000 Mann mußte Fadrique den Angriff abbrechen. Von den Verteidigern hatten dreizehn Einwohner und vierundzwanzig Mann der Garnison ihr Leben lassen müssen. Am nächsten Tag sollte nach einer Kanonade von 700 Schuß wieder gestürmt werden, doch die Truppen verweigerten den Befehl und waren auch nicht zum Vorgehen zu bewegen, als mehrere Söldner von Offizieren niedergestoßen wurden. Inzwischen hatte Dietrich Sonoy, Stellvertreter Oraniens für Nordholland, Deiche durchstechen und Schleusen öffnen lassen. Die das Land allmählich überflutenden und stetig steigenden Wassermassen brachten die Spanier, unter denen es auch schon wieder Meutereien wegen fehlender Soldzahlungen gab, in eine gefahrliche Situation. Nicht nur die deutschen Landsknechte im Heere Albas, auch die einst so schlagkräftige und disziplinierte spanische Eliteinfanterie waren völlig demoralisiert. Um einer allgemeinen Meuterei und dem Auseinanderlaufen der 16000 Mann starken Belagerungsarmee vorzubeugen, entschloß sich Alba am 8. Oktober 1573 zum Abbruch der Belagerung. Diese erste große Schlappe der Spanier unter der persönlichen 126
Verantwortung des anscheinend unbesiegbaren Alba hatte weitreichende Folgen. Sie hob den Mut und die Einsatzbereitschaft der Aufständischen unermeßlich, und sie verstärkte die Opposition in den südlichen Niederlanden. Es war Alba nicht gelungen, in einer kurzen und eindrucksvollen Aktion die Aufständischen niederzuwerfeti. t r hatte wohl schnelle Anfangserfolge erreicht, konnte aber das revolutionäre Zentrum Holland nicht erschüttern. Die Niederlage Albas machte Philipp II. klar, daß ihm im Norden der Niederlande ein ernst zu nehmender Gegner erwachsen war und daß er allein mit brutalem Terror und militärischer Gewalt nicht Herr der Lage werden würde. Am 15. Oktober 1573 wurde Alba als Generalstatthalter der Niederlande abgelöst und durch den etwas geschmeidigeren Don Luis de Requesens ersetzt, der bis dahin Statthalter Philipps II. in Mailand war. Zweifellos wurde der Sieg der Aufständischen durch die internationale Situation und die Finanznot Philipps II. begünstigt. Philipp II. hatte sich für 1572 zu einer neuen Offensive gegen die Türken entschlossen, für die er alle verfügbaren Mittel und Truppen einsetzen wollte. Dieser Entschluß war auch die Ursache dafür gewesen, daß er gegenüber Alba auf der Einführung des 10. und 20. Pfennig bestanden hatte — er brauchte das Geld aus den Niederlanden. Doch er erreichte ein völlig anderes Ergebnis. Durch den Versuch, die beiden Steuern einzuführen, wurde der Beginn der zweiten Etappe der niederländischen Revolution ganz wesentlich forciert. Anstatt daß nun Geld nach Spanien floß, kostete der konterrevolutionäre Kriegszug Albas ungeheure Summen, und Alba mußte finanzielle Unterstützung aus Spanien verlangen. So brachte die Schatzkammer Kastiliens 1572/73 für Philipps Mittelmeerflotte 2565000 Dukaten auf und mußte gleichzeitig für das Heer Albas in den Niederlanden 3589000 Dukaten zahlen. Dennoch genügten diese Mittel nicht. Da aber die Möglichkeiten Philipps erschöpft waren, konnten die spanischen Söldner in den Niederlanden nicht bezahlt werden und wurden dadurch zunehmend demoralisiert. Auch die geographischen Besonderheiten Hollands und Seelands hatten den Sieg über die Spanier erleichtert: die Inselwelt Seelands und Westhollands, die ausgedehnten Binnengewässer, die Deltamündungen von Rhein und Maas, das Gewirr des in Jahrhunderten gewachsenen Graben- und Deichsystems. Doch ohne den Opfermut der Bürger und die Kampfentschlossenheit und Überzeugungskraft der kalvinistischen Regenten wäre der Sieg nicht möglich gewesen. Daneben hatte Wilhelm von Oranien als Statthalter und militärischer 127
Oberbefehlshaber einen beträchtlichen Anteil an der erfolgreichen Verteidigung der revolutionären Territorien. Als Führer angreifender feudaler Söldnerheere hatte Oranien völlig versagt, doch bei der Organisation und Leitung der Verteidigung wuchsen seine persönlichen Eigenschaften zu starken Führungsqualitäten: Umsicht, Hartnäckigkeit, Findigkeit, diplomatisches Geschick, Durchsetzungsvermögen, agitatorische Überzeugungskraft und mitreißende persönliche Einsatzbereitschaft. „Helft Euch selbst, so hilft Euch Gott" — dieser Oranien zugesprochene Satz war bald in aller Munde und fand Eingang in ein „Geusenlied", das die Popularität, die sich Oranien seit dem Herbst 1572 wieder errungen hatte, zum Ausdruck bringt: „Helpt nu uzelf, zo helpt u God Uit der tyrannen band en slot, Benauwde Nederlanden. Gij draagt den bast al om uw strot Rept fluks uw vrome handen. O Nederland, gij zijt belaan. Dood ende leven voor u staan: Dient den tyran van Spanjen, Of volgt, om hem te wederstaan, Den Prinse van Oranjen."*
* Helft Euch nun selbst, so hilft Euch Gott Aus der Tyrannen Zwang und Not, Bedrängte Niederlande. Ihr tragt den Strang schon um den Hals, Rührt schnell drum Eure Hände. Oh, Niederland, Du bist beladen, Tod und das Leben vor Dir stehn: Dien' dem Tyrannen von Spanien Oder folg', um ihm zu widerstehn, Dem Prinzen von Oranien. 128
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Charlotte de Bourbon, Oraniens dritte Frau. Gemälde von Daniel van den Queeckborn.
Der Tod der Brüder
Mitte April 1574 wartete Wilhelm von Oranien in Bommel (nördlich von 's-Hertogenbosch, am Waal gelegen) unruhig auf seine Brüder Ludwig und Heinrich von Nassau, die mit Truppenverstärkungen zu ihm stoßen sollten. Am 17. April erreichten ihn Gerüchte über eine verlorene Schlacht, zumindest seien viele fliehende Franzosen gesehen worden. Verunsichert schickte Oranien am 17. und 18. April Briefe an seine Brüder, in denen er sie um eine Nachricht über den Verlauf des Marsches, um Aufklärung über die Gerüchte von einer Schlacht mit den Spaniern und um Mitteilungen über ihr persönliches Wohlbefinden bat. Als er keine Antwort erhielt, schrieb er am 21. April voll nagender Ungewißheit: „Ich befinde mich in allergrößter Sorge, da ich weder Nachrichten noch Antwort von Euch habe." Die Nachrichten über eine Schlacht würden sich verdichten, aber von den Brüdern sei nichts zu hören. Er bat sie, ihn mit einer schnellen Antwort von seiner Unruhe zu befreien. Schließlich wurden die Vermutungen über eine Niederlage der Nassauer durch eine Mitteilung Johanns von Nassau zur Gewißheit. Johann hatte seine Brüder begleitet, war aber zufällig wenige Tage vor der Schlacht nach Köln geritten, um sich dort um finanzielle Unterstützungen zu bemühen. Über das Schicksal von Ludwig und Heinrich hatte Oranien aber Anfang Mai noch keine sichere Nachricht, doch es war nun zu befürchten, daß sie den Tod gefunden hatten. Oranien war tief erschüttert. Ludwig war ihm stets ein guter Bruder und fast zwei Jahrzehnte ein treuer Freund und unentbehrlicher Helfer gewesen. Für den über siebzehn Jahre jüngeren Heinrich hatte Oranien zeitweise, nach dem Tod des Vaters, Erziehungspflichten wahrgenommen. Doch im bitteren Schmerz zeigte sich wiederum die Charakterstärke Oraniens; für ihn gab es keine Resignation, kein Aufgeben. Am 7. Mai 1572 schrieb er an Johann: „Und wenn wir gleichviel alle sterben mögen und wenn das ganze arme Volk massa9
Vetter, Oranien
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kriert und vertrieben wird, wir müssen immer den festen Glauben haben, daß Gott die Seinen niemals verläßt." Es sollten noch Tage vergehen, bis Oranien über die genauen Umstände der Schlacht informiert war und es keine Zweifel mehr an dem Tod von Ludwig und Heinrich gab. Was war geschehen? Auch nach der Abwehr Albas ging der Kampf um den Bestand der neuen Ordnung im Norden weiter. Die Spanier hatten in Amsterdam einen Stützpunkt, hielten Haarlem besetzt und belagerten seit dem 31. Oktober 1573 Leiden. Die Truppen Oraniens hatten dagegen Middelburg auf der Insel Walcheren eingeschlossen, um die wichtigste seeländische Stadt endlich dem spanischen Regime zu entreißen. Trotz des heldenhaften Kampfes der aufständischen Holländer und Seeländer war Oranien immer noch davon überzeugt, daß nur ein regulärer Feldzug die Entscheidung bringen könnte. Schon im Herbst 1573 hatte er daher einen neuen Feldzugplan entworfen und seine Brüder um dessen schnelle Ausführung gebeten. Sie sollten mit einer möglichst großen Söldnerarmee in den Osten der unter spanischem Regime stehenden Territorien einfallen und versuchen, das bedeutende Maastricht in Limburg zu nehmen. Wenn dies nicht gelänge, sollten sie über die Maas setzen, nach Norden marschieren und sich mit den Truppen Oraniens vereinen. Gemeinsam wollte man dann versuchen, Leiden zu entsetzen und die Spanier aus Holland zu vertreiben. Während Johann sich bei seinen deutschen Freunden um finanzielle Hilfe für die Söldnerwerbung bemühte, ging Ludwig nach Frankreich, wo Karl IX. beträchtliche Geldmittel zur Verfügung stellte — nach nicht ganz sicheren Quellen bis zu 200000 Gulden monatlich. Nach der Bartholomäusnacht hatte es eine Kursänderung am französischen Hof gegeben. Man wollte nach der hugenottischen nun die von Spanien gestützte katholische antiabsolutistische Hochadelsopposition unter Heinrich von Guise ausschalten. Daher war Karl IX. jede Schwächung Spaniens recht, und Ludwig von Nassau fand bei ihm offene Ohren. So war es den Brüdern möglich, im Reich ein Heer von 1000 Reitern und 6000 Mann Fußvolk zu Serben. Dann nutzte Ludwig geschickt eine günstige Gelegenheit zur weiteren Verstärkung. Der Bruder Karls IX., Heinrich von Anjou, war zum König von Polen gewählt worden, und auf dem Marsch zu seinem Reich hatte ihn eine starke Eskorte begleitet. Ludwig konnte davon 2000 deutsche und französische Reiter bewegen, in das nassauische Heer einzutreten. Unter Begleitung seiner Brüder Johann und Heinrich sowie Christoph von der Pfalz, eines Sohnes des kalvinistischen 130
Kurfürsten Friedrich III., setzte Ludwig mit seinen 9000 Mann Ende Februar 1574 in einem heftigen Schneeschauer über den Rhein und marschierte auf Maastricht. Doch der Feldzug begann mit Mißerfolgen. Noch vor Erreichen der Stadt waren 1000 Mann desertiert. Maastricht konnte nicht genommen werden. Requesens hatte zu seiner Verteidigung ein besonderes Truppenkontingent unter Sancho d'Avila gebildet und die Garnison rechtzeitig verstärken lassen. Zudem machte starkes Treibeis ein Überqueren der Maas für Ludwig unmöglich. Ludwig marschierte nun am 21. März am rechten Ufer die Maas abwärts, um sich, wie für diesen Fall geplant, mit Oranien zu vereinen. Avila folgte ihm auf der anderen Seite des Flusses in einem Parallelmarsch, wobei er laufend Verstärkungen erhielt. Schließlich ließ Requesens am 21. März sogar die Belagerung von Leiden abbrechen und unterstellte Avila die gesamte Belagerungsarmee. Ludwig geriet in eine kritische Situation, zumal schon wieder Meutereien seiner mit der Bezahlung unzufriedenen Söldner auftraten. Als Ludwig am 13. April bei dem Dorfe Mook sein Lager aufschlug, ließ Avila weitermarschieren, setzte unterhalb von Mook über die Maas und stellte sich Ludwig entgegen, um dessen Vereinigung mit Oranien zu verhindern. Bei Tagesanbruch des 14. April 1574 begann die Schlacht. Ludwig warf mit seiner zahlenmäßig überlegenen Reiterei die gegnerische Kavallerie nieder; doch entschieden wurde das Treffen durch das spanische Fußvolk. Als die Niederlage bereits sicher war, unternahm Ludwig mit seinem Bruder Heinrich, Christoph von der Pfalz und einer kleinen Reiterschar einen letzten, verzweifelten Angriff. Getreu seinem Wahlspruch „Plutôt mort que vaincu, généreux sang des Nassau" (Lieber tot als besiegt, edles Blut von Nassau) suchte er den Tod in der Schlacht. Die Brüder und ihr Freund wurden zuletzt beim Anreiten zu ihrer Attacke gesehen und verloren sich dann im Kampfgetümmel, das mit einem erbarmungslosen Niedermetzeln der Unterlegenen endete. Mindestens 4000 Söldner der Nassauer blieben auf dem Schlachtfeld. Wie Ludwig und Heinrich starben, ist nicht bekannt. Nicht einmal ihre Leichen konnten identifiziert werden. Wahrscheinlich waren sie niedergehauen und nach der Schlacht ihrer kostbaren Kleidung und Rüstung beraubt worden, so daß man ihre entstellten Leichname nicht erkennen konnte. Auch der dritte Feldzugsplan Oraniens war gescheitert. Der einzige Teilerfolg war die Unterbrechung der Belagerung von Leiden, die jedoch von den Spaniern nach ihrem Sieg auf der Mooker Heide 9*
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wieder aufgenommen wurde. Seit dem 26. Mai war der Belagerungsring wieder fest geschlossen. Erfolgreich waren die Aufständischen dagegen vor Middelburg, das am 19. Februar 1574 kapitulieren mußte. Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatte die seeländische Flotte unter ihrem Admiral Louis de Boisot, die zu einem großen Teil aus den Wassergeusen hervorgegangen war. Nach dem Fall von Middelburg war Seeland bis auf Goes fest in der Hand der Aufständischen, und nunmehr fand auch hier eine Institutionalisierung der neuen Machtverhältnisse statt. In den Magistraten der Städte herrschten kalvinistische Regenten. Die Staaten von Seeland erhielten neue Organisationsformen. Der Abt von Middelburg verlor natürlich seinen Sitz, der Adel war durch seinen vornehmsten Angehörigen vertreten, den Herrn von Maartensdijk, wobei festgelegt wurde, daß dessen Rechte im Falle der Verhinderung durch seinen Vater wahrgenommen werden konnten — Herr von Maartensdijk war niemand anders als Oraniens nach Spanien verschleppter Sohn Philipp Wilhelm. Von den Städten erhielten Middelburg, Vlissingen, Zierikzee und Veere Sitz und Stimme in den Staaten. Da Oranien das Marquisat von Veere und Vlissingen erwarb, verfügte er faktisch über drei der fünf Stimmen der Staaten von Seeland. Leiden hielt der Belagerung durch die Spanier mutig stand. Doch im August 1574 gingen die Lebensmittelvorräte zu Ende, und in der Stadt brach eine Hungersnot aus, der immer mehr Einwohner zum Opfer fielen. Ein Teil der Bürgerschaft wurde wankelmütig und forderte die Kapitulation, zumal der spanische Befehlshaber Valdez eine milde Behandlung versprach. Die kalvinistischen Führungskräfte und ihre Anhänger blieben aber unbeugsam, an ihrer Spitze der Bürgermeister Pieter Adriaens van der Werff, der aus dem Kleinbürgertum stammte und durch den revolutionären Umbruch 1572 in den Magistrat gekommen war. Mehrfach hat van der Werff mit seinem persönlichen Einsatz und seiner feurigen Beredsamkeit Unruhen gegen das revolutionäre Stadtregime unterdrückt und verzweifelte Einwohner zu neuem Widerstand angefeuert. Als ein Haufen vor Hunger halb Wahnsinniger ihn auf der Straße anfiel und mit Vorwürfen und Drohungen zur Aufgabe zwingen wollte, hielt er entgegen: „Ich kann nicht mehr als einmal sterben, sei es nun durch eure Hand, durch die des Feindes oder durch Gottes Hand. Mein eigenes Schicksal ist mir gleichgültig, nicht so das Schicksal der Stadt, die meiner Sorge anvertraut ist. Eure Drohungen schrecken mich nicht. Hier ist mein Schwert; 132
stoßt es in meine Brust und teilt mein Fleisch unter Euch, aber erwartet keine Übergabe, solange ich am Leben bin." Wieder machten sich die Holländer das Wasser zu ihrem Bundesgenossen, ein Element, das so oft zu ihren furchtbarsten Feinden zählte und dem sie mühsam ein Stück Land nach dem anderen abgerungen hatten. Unter der Parole „Liever bedorven dan verloren land" (Lieber verdorbenes als verlorenes Land) wurden am 3. August 1574 aufs neue Deiche durchstochen und Schleusen geöffnet. Die Wassermassen sollten das Land überfluten, damit die Flotte der Aufständischen an Leiden heranfahren und Entsatz bringen konnte. Doch die Schiffe blieben vor der „Landscheiding", einem starken Deich zur Sicherung Leidens, stecken. Zwar gelang es, auch diesen Deich zu durchstechen, doch die nun einsetzende Überflutung war nicht hoch genug. Die Annäherung der Flotte hatte aber die Kampfmoral der Leidener gestärkt, von deren Standfestigkeit in den Chroniken wahre Wunderdinge berichtet werden. Dem Hohn der Belagerer über die Hungersnot wurden von den Mauern Worte wilden Trotzes entgegengeschleudert: „Ihr schimpft uns Hunde- und Katzenfresser, und ihr habt recht; wißt denn, so lange ihr noch Hunde in unseren Mauern bellen und Katzen mauen hört, daß die Stadt sich nicht ergibt. Und wenn Stiles verzehrt ist, wollen wir uns jeder den linken Arm abschneiden und essen, und uns mit dem rechten weiter wehren. Wenn Gott uns auch alle Hilfe versagt, so wollen wir euch doch nicht hereinlassen, eher wollen wir mit eigenen Händen Feuer an unsere Häuser legen, und uns, Männer, Weiber und Kinder, zusammen mit unserer Stadt verbrennen." Am 29. September drückte ein kräftiger Nordweststurm das Meerwasser in die Maas, und die Überflutung stieg kräftig. In der Nacht vom 1. zum 2. Oktober konnte die Flotte unmittelbar an Leiden heranfahren. Valdez ließ im Dunkel der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1574 heimlich die Schanzen räumen und gab die Belagerung auf. Während der entscheidenden Wochen des Ringens um Leiden war Oranien körperlich zusammengebrochen und lag schwerkrank in Delft danieder, gepflegt von seinem Arzt Pieter van Foreest. Die jahrelangen geistigen und körperlichen Strapazen, die Demütigungen der Emigration, die Zerrüttung des häuslichen Friedens, der Schmerz um den Verlust seiner Brüder und vieler guter Freunde und Kampfgefährten — all das hatte an seinen Kräften gezehrt. Schon seit Monaten litt er an Malariaanfällen, nun kam am 10. August eine Gallenerkrankung hinzu, die ihn fast drei Wochen lang an das Bett 133
fesselte. Ende August gab es erste Anzeichen der Besserung, aber es dauerte noch mehrere Wochen, bis er wieder voll bei Kräften war. Als Oranien am 3. Oktober gegen zwei Uhr nachmittags in Delft die Nachricht von der Entsetzung Leidens empfing, nahm er gerade an einem Gottesdienst teil. Nach der Predigt gab er dem Geistlichen die Freudenbotschaft, der sie von der Kanzel verlas. Dann vereinte sich die ganze Gemeinde zu einem Dankgebet. Am 4. Oktober begab sich Oranien in das befreite Leiden. Nach einem Dankgottesdienst in der St. Pieterskerk machte er sich sofort an die Organisation eines Hilfsdienstes für die leidgeprüfte Stadt und setzte eine neue Stadtverwaltung ein, wobei die Regenten, die wenig Standfestigkeit gezeigt hatten, aus dem Magistrat ausscheiden mußten. Leiden erhielt zum Dank eine jährliche Handelsmesse von zehn Tagen ohne Zölle und Taxen zugesprochen. Auf Vorschlag Oraniens beschlossen die Staaten von Holland, zur Belohnung für die Standfestigkeit der Stadt darüber hinaus in Leiden eine Universität zu gründen, deren Hauptaufgabe die Ausbildung kalvinistischer Geistlicher sein sollte. Am 5. Februar 1575 wurde die Universität Leiden, die als Domizil das ehemalige Kloster der Heiligen Barbara erhalten hatte, in einer feierlichen Zeremonie eröffnet. Da immer noch sorgsam an der Fiktion der Landesherrschaft Philipps II. festgehalten wurde, ließ man in der Gründungsurkunde Philipp als den Stifter der Universität eintragen. Vielleicht spielte auch ein Schuß gewollte Ironie mit, daß man Philipp den Leidenern eine Anerkennung für den erfolgreichen Widerstand gegen seine Truppen aussprechen ließ. Der entscheidende Beweggrund war aber das Bemühen, sich vor jeglichem Vorwurf der Rebellion gegen den Landesherrn zu bewahren. Die Staaten und Oranien hielten daran fest: Nicht gegen Philipp kämpfen wir, der an sich gut ist und nur schlecht informiert wird, sondern gegen seine schlechten Diener in den Niederlanden. Mit der erfolgreichen Verteidigung von Holland und Seeland wuchsen die Autorität und die Popularität Oraniens, der gleichsam zur Symbolfigur des siegreichen Kampfes gegen die Spanier wurde. Diese Erhöhung des Ansehens seiner Persönlichkeit nutzte Oranien geschickt zur Verbesserung seiner Position gegenüber den Staaten. Am 4. Juni 1575 schlössen die Staaten von Holland und Seeland ein erstes Unionsabkommen, das am 25. April 1576 von einer Kommission beider Staaten erweitert und im Juni durch die Regenten der 134
Städte bestätigt wurde. Die Territorien schafften die Zölle innerhalb ihrer gemeinsamen Grenzen ab, verpflichteten sich zur Zusammenarbeit in der Rechtspflege und beschlossen eine Steuererhebung nach den gleichen Grundsätzen. Oranien erhielt für die Dauer des Krieges die oberste Gewalt in allen Verteidigungsangelegenheiten der Territorien zugesprochen. Er bekam das Recht, alle Offiziere zu ernennen, Garnisonen in die Städte zu legen oder abzuziehen, Vergehen gegen die Kriegsgesetze zu bestrafen und über die von den Staaten bewilligten Gelder nach seinem Ermessen zu verfügen. Im Namen Philipps II. sollte er auf die Einhaltung der Landesgesetze und die Rechtspflege achten und auf Vorschlag der Staaten die Gerichtsbeamten einsetzen sowie nach der Verfassung der Städte die Magistrate bilden. Schließlich hatte er die Aufgabe, die Ausübung der kalvinistischen Konfession zu schützen und die der „römischen Religion" zu verhindern, ohne jedoch Nachforschungen nach dem persönlichen Bekenntnis zu betreiben. Oranien erreichte in dem Religionsartikel noch eine Änderung. Er setzte durch, daß nicht der „römischen Religion" die Ausübung versagt wurde, sondern „solcher Religion, die dem Evangelium widerstreite". Dies war nicht eine bloße Formulierungsfrage, sondern damit ließ sich Oranien für die Zukunft Möglichkeiten für eine Toleranzpolitik gegenüber dem Katholizismus offen. Oranien zur Seite wurde ein Beratungsorgan gestellt, der „Landraad". Er bestand aus neun Mitgliedern, die der Statthalter aus Kandidaten auswählen konnte, die ihm von den vereinigten Staaten von Holland und Seeland vorgeschlagen wurden. Die größere Bewegungsfreiheit, die Oranien nunmehr besaß, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß er gegen die Regenten, von deren finanziellen Zuwendungen er abhängig war, nichts unternehmen konnte. Die von den Regenten beherrschten Staaten begannen die Rolle eines bürgerlichen Parlaments zu spielen, Oranien war im Grunde eine Art konstitutioneller Fürst geworden. Auch im Familienleben Oraniens begann 1574/75 ein neuer Abschnitt — der äußerlich weit über seine Jahre gealterte Zweiundvierzigjährige ging wieder auf Freiersfüßen. Die Auserwählte war Charlotte de Bourbon, die er bei einem kurzen Aufenthalt am Hofe des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz in Heidelberg kennengelernt hatte. Charlotte entstammte einer Seitenlinie des französischen Königshauses. Ihr Vater, Louis de Bourbon, Herzog von Montpensier, war ein fanatischer Vertreter der katholischen Adelspartei in Frankreich. Er hatte Charlotte schon kurz nach ihrer Geburt im Jahre 135
1546 für das Kloster bestimmt. Dies war für gewöhnlich das Schicksal jüngerer Adelstöchter, da sie auf diese Weise den Familienbesitz nicht mit dem Brautschatz belasteten. So wurde Charlotte schon seit frühester Kindheit von ihrer Tante erzogen, die Äbtissin des Klosters Jouarre war. Doch das ungewöhnlich charakterstarke Mädchen wollte sich nicht mit dem ihm vorbestimmten Lebensweg abfinden. Sie leistete heftigen, aber vergeblichen Widerstand, als sie mit dreizehn Jahren zur Äbtissin des Klosters Jouarre geweiht wurde. Heimlich beschäftigte sie sich mit kalvinistischem Gedankengut und pflegte im verborgenen Kontakte mit kalvinistischen Predigern. Mit Hilfe hugenottischer Freunde, vor allem des Predigers d'Averley, floh sie im Februar 1572 mit drei Nonnen aus dem Kloster. Zuerst ging sie nach Sedan, wo sie bei ihrer bereits heimlich zum Kalvinismus übergetretenen ältesten Schwester Françoise Unterschlupf fand. Von dort floh sie weiter nach Heidelberg und suchte Zuflucht bei Kurfürst Friedrich III. Die junge Frau muß auf Oranien bei der kurzen Begegnung einen tiefen Eindruck hinterlassen haben, denn ein Vermögen brachte sie ihm nicht ein, und es war nicht vorauszusehen, daß eine Heirat mit der von ihrem Vater Verstoßenen politisch von Vorteil sein könnte. Anfang 1575 schickte Oranien Philipp van Marnix als Brautwerber nach Heidelberg. Er gab ihm einen Brief mit, in dem er sich in einfachen Worten vorstellte : Er sei nicht mehr jung, habe das zweiundvierzigste Jahr schon erreicht, habe kein Vermögen, sondern sei schwer mit Schulden und Hypotheken auf seine Besitzungen belastet. Charlotte zögerte keinen Augenblick und machte ihre Zustimmung lediglich vom Einverständnis ihrer Beschützer, des kurfürstlichen Ehepaares, abhängig: „Ich will mich in meiner Antwort durch den Herrn Kurfürsten und die Frau Kurfürstin leiten lassen; aber was mich angeht, so kann ich mich durch Euren Wunsch nur geehrt fühlen und das Begehren aussprechen, Euch mit allen Kräften zu dienen, die der Herr mir verleihen wird." Nachdem Oranien das Jawort hatte, mußte er erst noch die öffentliche Trennung von Anna von Sachsen vollziehen, und damit verärgerte er August von Sachsen und Wilhelm von Hessen. Bisher war der Ehebruch Annas geheimgehalten worden, aber bei der Scheidung, für die Oranien ja Argumente vorbringen mußte, drang er zwangsläufig an die Öffentlichkeit; die beiden Fürsten sahen das Ansehen ihrer Häuser beeinträchtigt. Wütend schrieb Wilhelm an August: „Können wahrlich bei uns nicht befinden, quo 136
consilio (durch welchen Ratschluß) der Prinz oder auch der nasenweise Aldegonda und wehr mehr dazu geholfen, diese hendell angefangen. Nam si pietatem (denn was die Frömmigkeit angeht) ist zu besorgen, dass in betrachtung dass sie eine Frantzösin und eine nonne, darzu eine verlaufene nonne, darvon auch allerley gesagt worden, weichermaßen sie ire castitet (Keuschheit) in ihrem Closter verhalten, er, der Printz, sich wol aus der pfutschen ins meer setzen möchte. Si formam (was die äußere Gestalt angeht), ist nicht zu glauben, dass ihn dieselbige darzu gereitzt, sinttemal er sonder zweivell, wo er sie ansehen, dero ehr erschreckenn als sich erfrewen wirdtt. Si spem prolis (was die Hoffnung auf Nachkommen betrifft), hat warlich der Printz nach itziger seiner gelegenheit erben nurt zu viell, solte wünschen, wenn er bei vernunfft were, er hette weder weib oder kinder. Si amicitiam (was die Freundschaft angeht), so können wir nicht glauben, dieweil ihr eigner Vatter sich mit so beschwerliche bedrauwungen jegen sie vernehmen lassen, dass er grossen danck bey ihm und auch seinen verwantten erlangen, und damit die injurias (Schäden) die er dem König zu Franckreich als dessen stambs sie ist, mit verherung seiner Landt und Leuth zugefuegt, ausleschen werde. Darumb können wir nicht bedencken, was ihme diese hendell antzufangen und viell seiner freunde, deren freundschaft ihme doch bis dahero nicht übell angestanden, vorn köpf zu stossen, verursacht habe." Die Heirat Oraniens mit Charlotte de Bourbon wurde sogar im August 1575 Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen deutscher Fürsten auf dem Reichstag zu Regensburg. Johann von Nassau warnte seinen Bruder eindringlich vor dieser Ehe, die ihn die Freundschaft der Verwandten Annas kosten würde. Johann war auch nicht bereit, ihm aus seinem Archiv Abschriften des Beweismaterials für Annas Ehebruch zur Verfügung zu stellen. Doch Oranien ließ sich in seinem Entschluß nicht beirren. Was August von Sachsen und Wilhelm von Hessen anging, so schrieb er an Johann: „Ich kann Euch versichern, daß es stets meine Art war, mich weder um Drohungen noch Vorstellungen zu kümmern, wo ich in meiner eigenen Sache und mit ruhigem Gewissen handle. Fürwahr, hätte ich mich von fürstlichen Drohworten schrecken lassen wollen, so würde ich mich nie in so viele gefährliche Unternehmungen, gegen den Willen des Königs und den Rat vieler Verwandter und Freunde, gewagt haben." Oranien holte Gutachten von fünf kalvinistischen Predigern ein, die sämtlich die Rechtmäßigkeit der Trennung von Anna und einer 137
neuen Eheschließung bestätigten. Damit stand der Eheschließung mit Charlotte de Bourbon nichts mehr im Wege. Ende 1575 wurde Anna von ihren Verwandten aus der Obhut der Nassauer zurückgeholt und durch Kurfürst August „eng verwahrt". Die geisteskranke Frau wurde in eine finstere Kammer des kurfürstlichen Schlosses eingesperrt. Wie August an Wilhelm schrieb, ließ er einen Geistlichen anstellen, „der sie teglich durch ein fensterlein do ir die speys und tranck gereicht werde, Irer begangenen sünde mit Vleiss erinnere". Anna starb am 18. Dezember 1577 und wurde im wettinischen Erbbegräbnis in Meißen beigesetzt. Charlotte de Bourbon wurde von Marnix nach Holland geleitet. Da die Reise auf kürzestem Wege über Land zu unsicher schien, führte ein Umweg die Braut zunächst nach Emden. Dort erwarteten sie zwei Kriegsschiffe, die sie nach Den Briel brachten, wo am 12. Juni 1575 die Trauung vollzogen wurde. Sehr wahrscheinlich war diese Heirat Oraniens aus Neigung erfolgt. Es war allerdings wohl weniger ein Liebesrausch, wie er ihn bei Anna von Buren erlebt hatte, sondern dem von seinen politischen und militärischen Geschäften täglich hart geforderten Mann ging es darum, einen Partner zu finden, der ihm Trost in Niederlagen und Kraft für neue Zerreißproben gab. Oranien brauchte seine Wahl nicht zu bereuen. Charlotte identifizierte sich voll mit ihrem Mann und nahm mit Hingabe an seinem unruhigen Leben teil, stets bemüht, ihm wenigstens in der Familie einen Ruhepunkt zu schenken — in einer schnell wachsenden Familie, denn in der knapp siebenjährigen Ehe hat Charlotte sechs Töchter geboren : Louise Juliana am 31. März 1576 in Dordrecht, Elisabeth am 26. März 1577 in Middelburg, Catharina Belgia am 31. Juli 1578 in Antwerpen, Flandrina am 18. August 1579 in Antwerpen, Brabantina am 17. September 1580 in Antwerpen und Emilia Antwerpiana am 9. September 1581 in Antwerpen. Mit seinem neuen Eheglück schien auch der politische Stern Oraniens wieder aufzugehen. Oranien erhielt von seinen Gewährsleuten und Spionen in den königstreuen Territorien Nachrichten über Ereignisse, die sein politisches Endziel näherzurücken schienen. Im Süden waren die Steuerverweigerung und der passive Widerstand der Bevölkerung 1572 zwar nicht in den offenen Aufstand übergegangen, doch das Anwachsen der antispanischen Stimmung war unverkennbar. Selbst in den Kreisen des Hochadels regte sich wieder gemäßigter oppositioneller Geist. Als statt einer schnellen Polizeiaktion der spanische Feldzug gegen die aufständischen Territorien zu einem langwierigen 138
und kostspieligen Krieg wurde, den die königstreuen Territorien mittragen mußten, wurde immer häufiger die Forderung erhoben, mit den Aufständischen Verhandlungen über eine friedliche Regelung anzuknüpfen. Dahinter stand beim Adel und beim Patriziat der Städte auch die Befürchtung vor einer neuen Volkserhebung, diesmal provoziert durch zunehmende Raub- und Plünderungszüge meuternder spanischer Truppen, die zum Teil jahrelang nicht ihren vollen Sold erhalten hatten. Obwohl Philipp II. 1574 mit 3737000 Gulden mehr als doppelt soviel Geld in die Niederlande geschickt hatte als in den Jahren 1572/73 zusammen, reichte diese für damalige Zeiten ungeheure Summe niqjit aus. Das niederländische Heer Philipps war im Frühjahr 1574 über 86000 Mann stark, und für deren ordnungsgemäßen Unterhalt waren monatlich etwa 1200000 Gulden nötig; das war mehr, als Philipp aus Spanien und den amerikanischen Kolonien zusammengenommen an Einkünften hatte. Dabei gab es für Philipp nicht nur einen Kriegsschauplatz. Im September 1574 wurde die türkische Flotte wieder aktiv und eroberte Tunis sowie die über dieser Stadt gelegene, strategisch wichtige spanische Festung La Goletta. Unter diesen Umständen war auch Philipp schließlich zu Verhandlungen bereit und ermächtigte Requesens, erste Schritte einzuleiten. Requesens beauftragte den angesehenen Löwener Professor Albertus Leoninus, der einst Oraniens Rechtsberater gewesen war, und den ehemaligen Ratspensionär von Middelburg, Hugo Bonte, Kontakte zu Wilhelm von Oranien aufzunehmen. Nach langen Vorgesprächen begannen schließlich am 3. März 1575 in Breda Friedensverhandlungen zwischen Vertretern des Generalstatthalters und der Staaten von Holland und Seeland. Die Staaten waren bereit, sich der theoretisch nie bestrittenen Herrschaft Philipps II. auch faktisch wieder unterzuordnen, wenn die Ausländer aus niederländischen Regierungsämtern entlassen, die spanischen Truppen abgezogen und die Regierung der Territorien nur nach Beratung mit den Generalstaaten erfolgen würde. Die Verhandlungsführer von Requesens erklärten, daß die Spanier als Untertanen des gemeinsamen Herrschers zwar nicht als Fremdlinge betrachtet werden könnten, daß Philipp aber sicher bereit sei, sie nach Herstellung der Ruhe aus den Niederlanden abzuziehen. Ihre „Verhandlungsangebote" waren: Amnestie, Rückerstattung des konfiszierten Besitzes und Bestätigung der Privilegien für die katholischen Aufständischen und diejenigen, die zum Katholizismus übertreten würden; alleinige Ausübung des katholischen Gottesdienstes; eine Frist von sechs Monaten 139
für Protestanten, innerhalb derer sie auswandern, und von acht bis zehn Jahren, innerhalb derer sie ihren Besitz verkaufen könnten. Diese Forderungen zu akzeptieren, hätte für die neuen Herren von Holland und Seeland bedeutet, die Macht wieder aus den Händen zu geben, woran sie natürlich nicht dachten. Am 13. Juli 1575 wurde der „Friedenshandel zu Breda" ergebnislos abgebrochen. Der von beiden Seiten mit erbarmungsloser Härte geführte Krieg ging weiter, und Requesens konnte mit der Besetzung von Schouwen und Duiveland und der Einschließung von Zierikzee Teilerfolge erzielen. Doch die Zeit arbeitete für die Aufständischen —. die finanzielle Lage Philipps II. wurde immer prekärer, und die Opposition in den südlichen Territorien wuchs. Oranien hatte diese Entwicklung erahnt, erhofft und nach Kräften gefördert. Schon während der Belagerung von Leiden schrieb er an Johann von Nassau: „Wenn die von jedermann in Stich gelassenen Einwohner hier trotz allem durchhalten, wie sie es bis jetzt getan haben . . ., wird es die Spanier halb Spanien an Menschen und Material kosten, ehe sie mit uns fertig sind." Am 1. September 1575 mußte Philipp II. verkünden, daß alle Zinszahlungen auf seine Schulden vorläufig eingestellt würden. Im Grunde erklärte er damit den Staatsbankrott. Der Bankrott traf zwar in erster Linie große spanische Bankhäuser, hatte aber auch schlimme Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben in den Niederlanden. Requesens schrieb im November 1575 ahnungsvoll an seinen Bruder, der Staatsbankrott habe der Börse von Antwerpen einen solchen Schlag versetzt, „daß niemand bei ihr mehr für kreditwürdig gehalten wird. Ich kann nicht einen Pfennig auftreiben noch eine Möglichkeit sehen, wie der König Geld hierherschicken könnte . . . Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird der ganze militärische Apparat so rasch auseinanderfallen, daß ich höchstwahrscheinlich keine Zeit mehr haben werde, dich davon in Kenntnis zu setzen." Der Staatsbankrott war auch der letzte Anstoß für die sich wieder formierende Adelsopposition, nunmehr aktiv zu werden. Sie konzentrierte sich um Philippe de Croy, Herzog von Aarschot. In den sechziger Jahren war Aarschot als treuer Anhänger Granvelles und Gegner Oraniens und der Liga aufgetreten. Aarschot hatte später aber mit wachsendem Unmut gesehen, daß die spanischen Beamten übermächtig wurden und daß er und Berlaymont als Vertreter des einheimischen Hochadels kaum etwas zu sagen hatten. Der Staatsrat wurde von dem Spanier Gerönimo de Roda beherrscht. Aarschot 140
selbst war ein geistig etwas schwerfalliger und politisch wenig gebildeter Mann. U m ihn hatte sich aber eine Gruppe Adliger geschart und ihn zum Sprecher gemacht, deren Ziel dem Oraniens sehr nahe kam : Herstellung der alten Konstitution der Niederlande und Abzug der spanischen Truppen. Zu dieser Gruppe gehörten Aarschots Halbbruder, Marquis de Havré, die Brüder Emmanuel Philibert und Philippe de Lalaing, der Statthalter von Flandern Jan de Croy, Graf von Roeulx, und der Bruder des Kardinals Granvelle, Frédéric Perrenot de Granvelle, Baron de Champagney. Nach dem Scheitern der Verhandlungen von Breda stachelte Aarschot die Staaten von Brabant, deren Mitglied er war, zu hartnäckigem Widerstand gegen die Bewilligung von Geldern an, mit dem Ziel, die Wiederaufnahme der Gespräche zu erzwingen. Am frühen Morgen des 5. März 1576 starb der Generalstatthalter Requesens. Wenige Stunden später trat der Staatsrat zusammen und beschloß nach mehrtägigen Beratungen, bis zum Eintreffen eines Nachfolgers für den Verstorbenen selbst die Regierungsbefugnisse wahrzunehmen. Philipp II. benannte als neuen Generalstatthalter seinen Halbbruder Don Juan d'Austria, den Karl V. während des Reichtages zu Regensburg 1546 mit der Wäscherin Barbara Blumberger, der Tochter eines Sattlers, gezeugt hatte. Don Juan, der Held der Seeschlacht von Lepanto, traf jedoch erst im November 1576 in den Niederlanden ein. Da der Staatsrat im Grunde handlungsunfähig war Viglius war inzwischen vergreist, Berlaymont, der ein starker Trinker war, schlief in den Sitzungen zumeist seinen Rausch aus, Aarschot, Assonleville, Arnold Sasbout und Maximilien Vilain, Seigneur de Rassenghien, verstanden wenig von den Regierungsgeschäften — nutzten die Staatenversammlungen der Territorien dieses Machtvakuum aus und schwangen sich selbst zur Regierung auf, wobei die Staaten von Brabant die zentrale Rolle spielten. Im Juli 1576 erreichte die oppositionelle Bewegung in den südlichen Territorien eine neue Qualität durch antispanische Aktionen der städtischen Bevölkerung, die durch Greueltaten meuternder spanischer Truppen ausgelöst wurden. Schon nach ihrem Sieg auf der Mooker Heide hatten spanische Regimenter gemeutert und Brabant mit Plünderungen heimgesucht. Am 2. Juli 1576 kapitulierte Zierikzee. Die siegreichen spanischen Soldaten verlangten nun endlich die Auszahlung ihres Soldes, den sie noch für zwei Jahre, einige Kavallerieeinheiten sogar nöch für sechs Jahre zu bekommen hatten. Als ihre Kommandeure die leeren Kassen vorzeigten, fielen sie in Brabant ein, um die Soldrückstände von der Regierung in Brüssel zu erpressen. Bei ih141
rer Annäherung Brüssel bewaffnete sich die Bürgerschaft, schloß die Tore und besetzte die Mauern. Die Meuterer schwenkten darauf ab und nahmen am 25. Juli das nordwestlich von Brüssel gelegene Aalst ein, das sie plünderten und zu ihrem Stützpunkt machten. In Brüssel kam es in den folgenden Wochen fast täglich zu antispanischen Kundgebungen, Straßenaufläufen und Tumulten. Das Haus von Roda wurde geplündert, einer seiner Diener erschlagen. Roda mußte sich wie andere hohe spanische Beamte in das Palais des Generalstatthalters retten, von wo er später in die von spanischen Truppen belegte Zitadelle von Antwerpen floh. Am 4. September 1576 steigerte sich die allgemeine Unruhe in Brüssel zu einem offenen Aufstand, dessen Kern die auf Handwerkszünften basierende Stadtmiliz war. Durch eine bewaffnete Abteilung wurde der Staatsrat während einer Sitzung verhaftet. Unter dem Druck der antispanischen Volksbewegung riefen einen Tag später die Staaten von Brabant die anderen Staaten — Holland und Seeland ausgenommen — zu einer gemeinsamen Beratung auf. Faktisch wurden damit unter Negierung des bisher gültigen alleinigen Berufungsrechts des gemeinsamen Landesherrn die Generalstaaten einberufen. Es vollzog sich also ein ähnlicher Vorgang wie 1572 in Holland. Jedoch im Unterschied zu der bürgerlich-revolutionären Staatenversammlung von Dordrecht dominierte bei der Versammlung der Generalstaaten vom September 1576 ständisch-feudales Oppositionsdenken. Ziel der Beratung sollte sein: die Beruhigung des Landes, der Abzug der spanischen Truppen, die Wiederherstellung der alten Privilegien. Die Generalstaaten schickten am 17. Oktober einen Brief an Philipp II., in dem sie ihr Verhalten zu rechtfertigen suchten. Schuld an dem Verfall der Territorien, am Aufstand Hollands und Seelands, am Sieg der Ketzerei in diesen Territorien und Ursache der gegenwärtigen Unruhe sei die Zwangsherrschaft der Stellvertreter Philipps und die Nichtbeachtung des Rates der Staaten. Es sei Zeit, die Leiden zu beenden, daher seien sie entschlossen, die Beruhigung des Landes selbst in die Hand zu nehmen. Sie versicherten dem König, daß er für sie nach wie vor ihr höchster Gebieter und angestammter Fürst sei, der sicher selbst die Not gelindert hätte, wenn sie ihm nicht verheimlicht worden wäre. Jetzt sei vor allem nötig, daß er den Abzug der spanischen Soldaten anordne, da es sonst unmöglich wäre, die Territorien zu befrieden und die öffentliche Ruhe herzustellen. In der Religionsfrage bekundeten die Generalstaaten ihre unerschütterliche Treue zum Katholizismus. 142
Oranien triumphierte - dies war, sieht man vom religiösen Bekenntnis ab, fast wörtlich seine Argumentation. Seit dem Wiederaufleben der oppositionellen Bewegung in den südlichen Territorien hatte er sich nach Kräften bemüht, die antispanische Stimmung zu schüren. In fast allen bedeutenden Städten Brabants und Flanderns hatte er seine Gewährsmänner, die für ihn versuchten, die Oppositionsbewegung voranzutreiben und zum bewaffneten Kampf überzuleiten. Sein Patenkind Willem van Hoorn, Herr von Heze, spornte Oranien am 1. August 1576 in einem Brief an, den Widerstand gegen die Spanier zu erhöhen. Er solle seinen Einfluß in den Staaten geltend machen und die Auffassung durchsetzen, daß Freiheit von der Bedrückung und Frieden nur mit der Gewalt der Waffen zu erreichen seien. Als die Staaten von Brabant Söldner zum Schutz vor den meuternden Spaniern anwarben, wurde Willem van Hoorn Kommandeur des Fußvolkes. Sein Unteroberst Jacob van Glymes zählte ebenfalls zu den Vertrauten Oraniens. Unter seinem Kommando erfolgte die Verhaftung des Staatsrates am 4. September. Politische Parteigänger Oraniens in den Staaten von Brabant waren u. a. der Prälat der St. Gertrudenabtei zu Löwen Jan van der Linden und der Prälat von Villers Frans de Vleeschouwere. Doch die Verbindungen Oraniens beschränkten sich nicht auf seine ehemaligen Adelsfreunde und Vertreter des Patriziats, sondern er pflegte auch Kontakte zu den städtischen Mittelschichten, den Handwerkern und kleinen Händlern, unter denen sich zahlreiche heimliche Kalvinisten befanden. In Brüssel gehörten zu seinen Vertrauten Hendrik de Bloeyere, einer der radikalsten Kapitäne der Stadtmiliz, sowie die kalvinistischen Advokaten Liesfeldt, van Huegen und van der Einde. Ein ganzes Netz von Verbindungen hatte Oranien nach Gent gesponnen, wo es eine starke kalvinistische Gruppierung gab. Von besonderer Bedeutung war für ihn der Genter Schöffe Jan von Hembyze. Diese Verbindungen sind ein Beweis für die Fähigkeit Oraniens, politische Erfahrungen kritisch zu verarbeiten und dabei zu Schlußfolgerungen zu kommen, die zuweilen auch den Handlungsrahmen der meisten Angehörigen seiner Klasse sprengten.In den stürmischen Jahren 1566/67 stand er einem Zusammengehen mit der bürgerlichen kalvinistischen Oberschicht äußerst reserviert gegenüber. Nunmehr suchte er ganz bewußt Kontakt zum kalvinistischen Kleinbürgertum, an das sich auch Angehörige der plebejischen Unterschichten angeschlossen hatten. Oranien nutzte die revolutionären Potenzen ihm fremder Klassen und Schichten aus, um seine völlig andersgearteten politischen Ziele zu erreichen — daß dies 143
sehr erfolgreich sein konnte, hatte ihn das Beispiel von Holland und Seeland gelehrt. Aber die radikalen kleinbürgerlichen Kalvinisten nutzten auch die Popularität des Repräsentanten der aufständischen Territorien für die Ausweitung und Festigung ihrer Bewegung. Oranien hatte es in den südlichen Territorien mit sehr ungleichen Bündnispartnern zu tun — hier die ständisch-deudale Opposition, dort die auf revolutionäre Umgestaltung der bestehenden Machtverhältnisse drängenden kleinbürgerlichen kalvinistischen Kräfte. Diese Konstellation zwang ihn zu ständigem Lavieren. Er wußte, daß die dem Katholizismus anhängenden Hochadligen und patrizischen Opponenten mit dem kalvinistischen „Gepöbel" nichts zu tun haben wollten, ja sich in ihrer Machtposition durch ihn — mit Recht — bedroht fühlten. Andererseits warnten ihn die radikalen Kalvinisten immer wieder vor einer zu engen Anlehnung an Hochadel. Die Kalvinisten erwarteten zudem von ihrem Glaubensbruder Oranien missionarischen Eifer, den dieser aber unmöglich zeigen konnte, wenn er die katholische feudalständische Opposition und die katholische Bevölkerungsmehrheit der südlichen Territorien nicht gegen sich aufbringen wollte. Oranien versuchte seine Verbündeten politisch durch die Betonung des gemeinsamen Interesses an der Beseitigung der spanischen Fremdherrschaft zusammenzuhalten; die religiösen Differenzen wollte er mit einer Toleranzpolitik überbrücken, die beide Konfessionen als gleichberechtigt anerkannte. Vorübergehend schien er mit dieser Taktik Erfolg zu haben. Am 19. Oktober 1576 begannen in Gent Verhandlungen der Generalstaaten mit Holland und Seeland. Innerhalb der Generalstaaten hatte es starke Bedenken gegen die Kontaktaufnahme mit den „Rebellen" gegeben — aber man brauchte die Mitwirkung dieser beiden Territorien, die die großen Flußmündungen beherrschten, um der Spanier Herr zu werden. In drei Punkten waren sich die Abgesandten beider Seiten schnell einig: schnelle Entfernung der Spanier, Wiederherstellung der alten Privilegien und Schaffung eines dauerhaften Friedens. Differenzen ergaben sich in der Religionsfrage. Die Vertreter von Holland und Seeland forderten als Vorbedingung für ein Zusammengehen und die spätere Friedensordnung die ausschließliche Rechtmäßigkeit der Ausübung des kalvinistischen Gottesdienstes in ihren Territorien, wogegen die Vertreter der Generalstaaten starken Widerspruch erhoben. Angesichts der Volksstimmung, die auf eine Verständigung der Niederländer gegen die Fremdherrschaft drängte, erklärten sie sich aber schließlich einverstanden, sicher mit dem Hintergedanken, bei passender Ge144
legenheit eine Revision durchzusetzen. Am 31. Oktober ging ein Eilbote nach Brüssel ab, um die Generalstaaten über das Verhandlungsergebnis zu informieren. In diesem Gremium, das ununterbrochen im Brüsseler Rathaus tagte, war der Widerspruch gegen den Religionsartikel so scharf, daß ein Scheitern des geplanten Abkommens unvermeidlich schien. Da trat ein Ereignis ein, was einen neuen Ausbruch des Volkszorns hervorrief und die Generalstaaten zur Zustimmung zwang.
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Vetter, Oranien
Die „Blijde Inkomst" von Brüssel
Unter dem Druck der Volksstimmung hatte der Staatsrat am 27. Juli 1576 ein Edikt erlassen, das im Namen Philipps II. meuternde spanische Soldaten für vogelfrei erklärte. Jedermann erhielt das Recht, sie zu erschlagen, wo auch immer sie zu treffen seien; jedermann war es bei Strafe verboten, ihnen Nahrung und Unterkunft zu gewähren. Die Staaten von Brabant nahmen im August Truppen gegen die Meuterer in Sold, und schließlich stellten die Generalstaaten ein Heer auf, zu dessen Führern auch Philipp von Egmont, der Sohn des hingerichteten Grafen Egmont, gehörte. Am 22. September dehnten die Generalstaaten das Edikt vom 27. Juli auf das gesamte spanische Heer in den Niederlanden aus, ganz gleich, ob es sich um Meuterer handelte oder nicht. Die Truppen der Generalstaaten begannen mit der Belagerung der von den Spaniern besetzten Zitadellen von Gent, Utrecht, Valenciennes und Antwerpen; in Gent wurden sie durch Hilfskräfte unterstützt, die Oranien auf Bitten des flandrischen Statthalters Roeulx entsandt hatte. Die Zitadelle von Antwerpen hatte die stärkste spanische Garnison. Zu dieser stießen am Morgen des 4. November 1576 noch die Meuterer aus Aalst, die von Sancho d'Avila, dem Kommandanten der Zitadelle, als willkommene Verstärkung begrüßt wurden. Gegen elf Uhr machten die Spanier mit ihrer gesamten Macht — die Angaben schwanken zwischen 3000 und 5000 Mann — einen Ausfall in die Stadt. Obwohl zahlenmäßig etwa gleichstark, wurde der Kern des bunt zusammengewürfelten und schlecht geführten Staatenheeres im ersten Anlauf in die Flucht geschlagen. Einige deutsche Landsknechtshaufen gingen sogar zu den Spaniern über. Der verzweifelte Widerstand der Bürgerwehr und der Reste des Staatenheeres konnte allerdings erst in den Abendstunden gebrochen werden. Schon während des Kampfes begann eine der schrecklichsten Mord- und Raubszenen des 16. Jahrhunderts. Statt des stolzen Schlachtrufs 146
der Spanier „San Jago! España!" (St. Jakob! Spanien!) hörte man bald nur noch Anfeuerungen zu Raub und Mord und Wehgeschrei durch die Straßen und Gassen schallen: „A sangre! A carne! A fuego! A sacco!" (Blut! Mord! Feuer! Beute!). Eine schaurige Beleuchtung bot dem schrecklichen Geschehen ein Brand, der von den Spaniern gelegt worden war und große Teile der Innenstadt vernichtete. Sehr wahrscheinlich war der Angriff von vornherein mit dem Ziel begonnen worden, Antwerpen, eine der reichsten europäischen Städte, auszuplündern und so einen Ersatz für die ausbleibenden Soldzahlungen zu schaffen. Bis zum 6. November tobte die „spanische Furie" durch Antwerpen, dessen Schicksal der amerikanische Historiker John Lothrop Motley eindrucksvoll schilderte: „Die Soldateska hatte bei dem Unternehmen ein bestimmtes, einfaches, praktisches Ziel im Auge und ging mit einer Offenheit und Direktheit darauf los, die ihresgleichen sucht. Nicht Blutdurst, Wut, Rache oder Wollust waren ihre Triebfeder, sondern Gier nach Gold. Sie hatten ihr Indien endlich erobert, seine Goldminen lagen vor ihnen, und jedes Schwert sollte einen Schacht eröffnen. Das Schlemmen und Schänden duldete den Verzug, das Morden war Nebensache. Erst galt es, sich in Besitz der Schätze Antwerpens zu setzen. Um Gold zu erpressen, wurden Kinder in ihrer Mütter Armen niedergestochen, junge Frauen vor ihrer Männer Augen zu Tode gepeitscht. Zum Kummer der Sieger hatte die Feuersbrunst, die weiter als beabsichtigt in dén reichsten Quartieren der Stallt um sich griff, große Massen wertvollen Eigentums verzehrt. Doch war noch vieles übrig geblieben. Die Barkassen der Kaufleute, das Gold, das Silber, die Edelsteine, die Sammet- und Seidenstoffe, die Spitzen und dergleichen kostbare und leicht transportable Waren, waren in kürzester Frist in den Händen der Plünderer. So weit war die Prozedur leicht und einfach. Die baren Geldvorräte und Kostbarkeiten der Privatleute aufzuspüren, war schwieriger. Durchweg mußte die Folter aushelfen. War schließlich alles gegeben und schien die Summe zu gering, so wurden die Eigentümer für ihre Armut oder ihre vorausgesetzte Hartnäckigkeit der brutalsten Züchtigung unterworfen." Nach drei Tagen und Nächten Brandschatzung, Plünderung, Schändung und Mord war von dem Glanz der europäischen Handelsmetropole nicht mehr viel zu erkennen. Etwa 1000 Gebäude, darunter das prachtvolle Rathaus, waren niedergebrannt. Fast 8000 Einwohner und Soldaten des Staatenheeres lagen erschlagen in den Straßen, Häusern und Ruinen, unter ihnen der Bürgermeister van der Mere 10*
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und die Senatoren Lancelot van Urselen und Nicolaus van Boekholt. Die Spanier raubten fast zwei Millionen Taler in bar, den Wert des Schmucks, der Waren und des Hausgeräts nicht gerechnet. Der Gesamtschaden der Stadt wird auf vierundzwanzig Millionen Gulden geschätzt. Beim Plündern, Foltern und Morden hatten die Spanier keinen Unterschied zwischen arm und reich, jung und alt, Katholiken und Kalvinisten, fremden Kaufleuten und Einheimischen gemacht. Sie selbst hatten nur etwa 200 Mann verloren. Die Nachricht von der „spanischen Furie" löste überall in den Niederlanden eine Welle des Hasses und der Solidarität mit der leidgeprüften Stadt Antwerpen aus. In Brüssel versammelte sich auf dem Großen Markt eine erregte Menschenmenge und drohte, die Abgeordneten der Generalstaaten niederzumetzeln, wenn sie den Genter Abmachungen nicht zustimmen sollten. Häufig gab es laute Sympathiekundgebungen für Wilhelm von Oranien, der als Held des Kampfes gegen die spanische Plage gefeiert wurde. Fast gleichzeitig mit der Schreckensbotschaft aus Antwerpen war in Brüssel ein Brief Oraniens an die Generalstaaten eingetroffen. Die Gewährsleute Oraniens sorgten dafür, daß sein Inhalt schnell bekannt wurde. Der Brief war ein agitatorisches Meisterstück. Auf die trennende Religionsfrage ging Oranien überhaupt nicht ein. Um so dringlicher mahnte er dagegen alle wahren Patrioten der Niederlande zu Eintracht, Festigkeit und Wachsamkeit. Wenn Holland und Seeland allein schon den Spaniern so zu schaffen gemacht hätten, was wäre erst möglich, wenn alle siebzehn Territorien wie ein Mann stünden? Es sei nun nötig, daß Prälaten, Äbte, Mönche, hoher und niederer Adel, Bürger, Bauern, kurz, alle Niederländer einen Willen zeigten und mit einer Stimme redeten. Eine solche Manifestation werde auch Philipp II. beeindrucken und die auswärtigen Freunde zu wirksamer Hilfe ermuntern, mit der sie gezögert hätten, solange Zwietracht in den Niederlanden herrschte und die Bewegung gegen die Spanier „eine bloße Schilderhebung, ein Pöbelaufruhr schien, wie sie — gleich den Wellen der See — entstehen und alsobald wieder vergehen". Die spanienfreundlichen und katholisch-reaktionären Kräfte wagten es angesichts der erregten öffentlichen Meinung nicht, den Ergebnissen der Genter Verhandlungen länger ihre Zustimmung zu versagen. So wurde am 8. November 1576 in Gent das Abkommen zwischen Holland und Seeland auf der einen und den Generalstaaten auf der anderen Seite unterzeichnet und von einem Erker des Rathauses herab feierlich verkündet. Die „Pazifikation von Gent" war ein Friedens- und Beistandspakt der Generalstaaten mit den beiden 148
aufständischen Territorien. Seine wichtigsten Festlegungen lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen: gemeinsames Vorgehen gegen die spanischen Truppen; Aufhebung der Edikte gegen die Ketzer und Freilassung aller aus religiösen oder politischen Gründen Inhaftierten; Anerkennung des Kalvinismus als herrschende Konfession in Holland und Seeland, aber mit der ausdrücklichen Festlegung, daß die religiöse Frage endgültig erst durch eine künftige Versammlung der Generalstaaten geklärt wird; Verpflichtung Hollands und Seelands, außerhalb ihrer Grenzen nichts gegen den Katholizismus zu unternehmen; Anerkennung Oraniens als Statthalter von Holland und Seeland. Die Genter Pazifikation war ein Kompromiß auf sehr gemäßigter Basis, der weder den radikalen kalvinistischen Flügel noch die katholisch-feudalen Kräfte befriedigte und den zukünftigen Bruch schon in sich barg. Früher oder, später mußte es auf dem Gebiet der Generalstaaten zu einer Auseinandersetzung zwischen revolutionärer und feudaler Gruppierung kommen. Zunächst schuf die Genter Pazifikation jedoch günstigere Bedingungen für die Revolution in Nord und Süd. Die Isolierung von Holland und Seeland war teilweise überwunden, der Bestand der bürgerlichen Herrschaft nicht mehr unmittelbar gefährdet. Im Süden war der konterrevolutionäre Terror weitgehend eingedämmt, und die revolutionären Kräfte hatten ein freieres Betätigungsfeld gewonnen. Viele Kalvinisten kehrten nun aus der Emigration zurück und verstärkten die revolutionäre Bewegung. Für Oranien war mit der Genter Pazifikation ein wichtiger Schritt getan. Er hoffte, damit eine gute Ausgangsposition für die Durchsetzung seiner religiösen Toleranzpolitik zu haben, die er als entscheidend für die Vereinigung aller Niederländer gegen die absolutistische Fremdherrschaft und für die Erreichung seines politischen Endziels ansah. Inzwischen war aber Don Juan d'Austria in den Niederlanden angekommen, um sein Amt als Generalstatthalter anzutreten. Seit dem 3. November hielt er sich in Luxemburg auf. Oranien wußte genau, daß die Anerkennung Don Juans durch die Generalstaaten alle seine Pläne zum Scheitern bringen könnte, und er entwickelte eine fieberhafte Aktivität, um dies zu verhindern. Dabei war für ihn erschwerend, daß er selbst nicht an den Sitzungen der Generalstaaten teilnehmen konnte. So mußte sich Oranien darauf beschränken, über seine Anhänger in den Generalstaaten, die allerdings in der Minderheit waren, und durch Briefe und Denkschriften Einfluß auf die Beschlüsse zu nehmen. 149
Oranien suchte vor allem Mißtrauen gegen die geschmeidige, entgegenkommende und Kompromisse nicht ausschließende Art der Verhandlungsführung von Don Juan zu erwecken. Immer wieder betonte er, daß Don Juan, einmal als Generalstatthalter anerkannt, sehr bald seine oberflächlich zur Schau getragene Freundlichkeit abstreifen und dann seine eigentlichen, für die Freiheiten und Privilegien der Niederlande tödlichen Absichten offen zutage treten würden. Am 30. November 1576 schrieb er aus Middelburg an die Generalstaaten: „Antwerpen, einst so mächtig und blühend, jetzt die elendste Stadt der Christenheit, ging unter, weil sie gewagt hatte, den Truppen des Königs die Tore zu verschließen. Ihr dürft Euch darauf verlassen, daß Euch allen ein ähnlicher Lohn zugedacht ist. Wir freilich mögen das Vergangene vergessen, aber Fürsten vergessen niemals, solange ihnen die Mittel zur Rache nicht fehlen. Ihr Instinkt schon lehrt sie, mit List ihrem Ziele nachzugehen, wenn die Gewalt nicht ausreicht. Sie pfeifen den Vögeln, die sie fangen wollen. An Versprechungen und Vorspiegelungen werden sie es niemals fehlen lassen." Oranien machte sogar den Vorschlag, sich Don Juans zu bemächtigen. Dann habe man eine Geisel, mit der man von Philipp II. die eigenen politischen Forderungen abringen und dem Lande viel Blut ersparen könne. Doch Oranien und seine Anhänger konnten sich in den Generalstaaten nicht durchsetzen. Don Juan gelang es in geschickter Verhandlungsführung, am 12. Februar 1577 ein Abkommen mit den Generalstaaten zu schließen, das sogenannte Ewige Edikt. Darin sicherte er die Anerkennung der Genter Pazifikation und den Abzug aller fremden Truppen zu; als Gegenleistung versprachen die Generalstaaten, Don Juan nach dem Abzug der Spanier als Generalstatthalter anzuerkennen und „auf jegliche Weise und überall die katholische Religion" zu bewahren. Ferner übernahmen sie die Zahlung der Soldrückstände an die deutschen und niederländischen Söldner in spanischem Dienst und erklärten sich bereit, nach der Bezahlung der Söldner ihr Amt niederzulegen, damit Don Juan eine neue Ständeversammlung einberufen könne, „in der Form, die sie bei der Abdankung Kaiser Karls hatte". Tatsächlich ließ Don Juan am 28. April 1577 die spanischen Truppen in Richtung Italien abrücken — immerhin blieben aber noch etwa 10000 deutsche Landsknechte zu seiner Verfügung. Am 1. Mai zog er in Brüssel ein, und am 6. Mai legte er seinen Eid als Generalstatthalter ab, in dem er schwor, das „Ewige Edikt" strikt einzuhalten und die Bräuche der Niederlande zu 150
achten. Die Generalstaaten hatten ihren Frieden mit dem Generalstatthalter Philipps II. gemacht. Für Oranien waren das „Ewige Edikt" und die Anerkennung Don Juans durch die Generalstaaten ein schwerer Schlag, der auch nicht durch seine Erfolge im Norden kompensiert werden konnte. Der revolutionäre Norden — Holland und Seeland — interessierte Oranien nach wie vor eigentlich nur deshalb, weil er ihm die einzige sichere Stütze bot. Seine politischen Pläne waren aber auf die gesamten Niederlande gerichtet, und daher hatten die wirtschaftlich und politisch führenden Territorien Flandern und Brabant für ihn einen viel größeren Stellenwert. Oranien ließ sich auch von dem erneuten Rückschlag nicht beirren. Zwei Verbündete waren ihm im Süden geblieben: Einmal gab es in den Generalstaaten eine konsequente antispanische Minderheit, welche die religiöse Frage als zweitrangig nach der politischen ansah und bei der sich zunehmend der Gedanke festsetzte, die Oberhoheit Philipps II. ganz abzuschütteln. Zum anderen verstärkte sich die antispanische Volksbewegung. Vor allem in Brüssel bildete sich eine Gruppierung von „Bürger-Patrioten", die auf einen konsequenten antispanischen Kurs der Generalstaaten drängte und öffentliche Propaganda für Oranien betrieb. Don Juan versuchte vergeblich, Oranien zum Einlenken und zur Anerkennung des „Ewigen Edikts" zu bewegen. Diese Verweigerung brachte den Generalstatthalter in eine schwierige Lage, denn sie zwang ihn, den Krieg gegen Holland und Seeland wieder aufzunehmen. Ihm war aber klar, daß er dafür die Unterstützung der Generalstaaten nicht bekommen würde. Don Juan suchte den Ausweg in einer Art Staatsstreich. Er verließ Brüssel unter dem Vorwand, sich dort bei der erhitzten antispanischen Volksstimmung nicht mehr sicher zu fühlen, bemächtigte sich dann überraschend am 24. Juli 1577 der Zitadelle von Namur und besetzte die Festungen Marienbourg und Charlemonte. Am 1. August versuchte er vergeblich, in einem Handstreich Antwerpen einzunehmen, und am 10. August rief er die spanischen Truppen zurück. Sein erklärtes Ziel war, eine von den Generalstaaten unabhängige Position zu erlangen und dann mit Gewalt das spanische Regime durchzusetzen. Neben dem Auftrag, den er von Philipp II. erhalten hatte, spielte dabei noch ein abenteuerlicher persönlicher Plan eine Rolle. Er wollte eine Expedition gegen England starten, Maria Stuart aus der Gefangenschaft befreien, Königin Elisabeth entthronen und dann nach einer Heirat mit Maria Stuart König von 151
England werden. Für die Realisierung dieses Vorhabens sollten ihm die Niederlande als Operationsbasis dienen; das war aber nur möglich, wenn er ohne die Generalstaaten agieren konnte. Der Handstreich Don Juans hatte weitreichende Folgen. Er diskreditierte die gemäßigten konservativen Kräfte, die bisher in den Generalstaaten tonangebend waren und die stets den offenen Bruch mit Spanien hatten vermeiden wollen. Zugleich schwoll die antispanische Volksbewegung stark an und gewann nun auch im Süden revolutionäre Züge. Zunächst stand sie weitgehend unter dem Einfluß und der Führung Oraniens, der sich nicht mit dieser Bewegung identifizierte, aber erkannt hatte, daß sie eine wichtige Voraussetzung für den Sieg über die Spanier war. Mit zunehmender Revolutionierung entglitt die Volksbewegung später der Kontrolle Oraniens, doch zunächst verhalf sie ihm zum politischen Höhepunkt seines Lebens. Die Bevölkerung von Brüssel hatte kein Vertrauen mehr zu den Generalstaaten, den Staaten von Brabant und dem Magistrat und nahm angesichts der Bedrohung durch Don Juan den Schutz der Stadt selbst in die Hand. Die neun Zunftverbände (Nationen) wählten ein „Komitee der Achtzehn", bestehend aus zwei Vertretern jeder Zunft, dem die Organisation der Verteidigung der Stadt und ihrer Umgebung übertragen wurde. Da die Verteidigungsmaßnahmen sich aber nicht allein auf die Aufstellung einer Bürgermiliz beschränken konnten, griff das Komitee bald in fast alle Angelegenheiten des städtischen Lebens ein. Die Tendenz seiner Politik wurde schon bei seiner ersten Verordnung klar : Wohlhabende Bürger mußten eine Extrasteuer entrichten, die zur Bezahlung der Leute diente, die Arbeiten zur Verstärkung der Stadtbefestigungen verrichteten. Das „Komitee der Achtzehn" wurde zu einem revolutionären Machtorgan, und in Brüssel entstand eine Art Doppelherrschaft, wobei der Magistrat gegenüber dem Komitee immer mehr an realer Macht einbüßte. Gestützt auf das „Komitee der Achtzehn" und den Druck der Volksbewegung, gab die radikalere Minderheit in den Generalstaaten zunehmend den Ton an. Diese Minderheit setzte am 6. September 1577 durch, daß die Generalstaaten eine Abordnung zu Oranien entsandten, die ihn bat, nach Brüssel zu kommen, um als Angehöriger des Staatsrates (!) mit den Generalstaaten über die Landesangelegenheiten zu beraten. Oranien war gerade von einer Inspektions- und Propagandareise durch Nordholland zurückgekommen. Er hatte alles getan, um seine Popularität zu erhöhen, leutselige Gespräche mit einfachen Menschen 152
auf der Straße oder in Schankstuben geführt, Teilnahme an den Sorgen und Leiden des Volkes gezeigt, Trost, Mut und Zuversicht zugesprochen und schnell die Herzen gewonnen. Der Besuch wurde zu einer prooranischen Volksdemonstration. Nach dem Bericht des Chronisten Bor hielten ihn die Einwohner „nach Gott für den einzigen Erlöser von all ihrem Elend und glaubten, daß er sie aus der Sklaverei der Spanier und Fremdlinge erlöst hätte: Das gemeine Volk im Noorderquartier nannte ihn nicht anders als Vater Wilhelm, sie sprachen und riefen zueinander, Vater Wilhelm ist gekommen, und das mit solcher Gemütsbewegung, daß man die Freude in ihren Herzen erkennen konnte; was er sagte, wurde als wahr befunden". Ohne Frage taten diese Sympathiekundgebungen Oranien wohl, und er stellte auch in Rechnung, daß sie für seine Position gegenüber den Staaten von Holland und Seeland nützlich waren, doch galt sein Hauptinteresse auch während dieser Wochen der Entwicklung im Süden. Für Oranien muß die Einladung durch die Generalstaaten daher ein Ereignis höchsten Glücks gewesen sein. Vor zehn Jahren hatte er aus Brabant in das Exil fliehen müssen, nun baten ihn die Generalstaaten um seine Rückkehr, weil sie ohne ihn das Land nicht befrieden konnten. Mit der Einladung hatten die Generalstaaten versucht, Oranien zu Zugeständnissen zu bewegen. Ganz unverfänglich und in verklausulierten Formulierungen baten sie ihn, er möge garantieren, daß er und die Staaten von Holland und Seeland an der Pazifikation von Gent festhalten würden. Ferner sollte Oranien in Holland und Seeland die Ausübung der katholischen Konfession gestatten und versprechen, die Verbreitung des Kalvinismus in den anderen Provinzen nicht zu unterstützen und zu gestatten. Oranien war zu klug, um in diese Falle zu gehen. Er verbarg geschickt seine unermeßliche Freude über die Einladung und antwortete sehr zurückhaltend. Die Einladung nahm er überhaupt nur mit dem Vorbehalt an, daß die Staaten von Holland und Seeland damit einverstanden wären. Die strikte Einhaltung der Genter Pazifikation sagte er zu, doch die Ausübung des katholischen Gottesdienstes könne er nicht gestatten, da dies von der Entscheidung der Staaten von Holland und Seeland abhängig sei, und diese hätten sich in der Genter Pazifikation in der Religionsfrage bis zur endgültigen Regelung durch eine freie Versammlung der Generalstaaten den Status quo ausbedungen. Auf die letzte Forderung der Generalstaaten antwortete er schließlich, er sei bereit, entsprechend den Festlegungen der Genter 153
Pazifikation keine Störung der öffentlichen Ruhe oder des katholischen Gottesdienstes außerhalb Hollands und Seelands zuzulassen. Dies war sehr geschickt formuliert, denn Oranien hatte damit nicht erklärt, daß er gegen den kalvinistischen Gottesdienst in den anderen Territorien auftreten werde. Die Vertreter der General Staaten waren aber mit diesen Antworten zufrieden, und die Reise Oraniens nach Brüssel wurde vorbereitet. Zunächst beriet die Staatenversammlung von Holland und Seeland über die Annahme oder Nichtannahme der Einladung. Nach längerer Diskussion erklärten die Staaten schließlich „hoewel ongeyrne" (obwohl ungern) ihr Einverständnis mit der Reise Oraniens in den Süden. Die Staaten hatten vor allem Bedenken, daß sich Oranien zu stark im Süden engagieren und dabei die besonderen Interessen von Holland und Seeland aus den Augen verlieren würde — eine durchaus berechtigte Besorgnis. Ebenso machte man sich in der Familie Oraniens, die sich mit ihm seit einiger Zeit in Geertruidenberg aufhielt — auch die Kinder aus den früheren Ehen waren mit Johann von Nassau dorthin gekommen —, wegen der bevorstehenden Reise Sorgen. Charlotte de Bourbon konnte sich denken, daß sie jetzt noch öfter mit den Kindern allein sein würde, wenn sich das politische Betätigungsfeld Oraniens erweiterte. Schon im Februar 1577 hatte sie gegenüber ihrem Bruder geklagt, daß „Monsieur le Prince" ständig mit einer großen Zahl von politischen Geschäften belastet sei und er kaum einmal Zeit zur Entspannung habe. Sie fürchtete aber auch ernsthaft um das Leben ihres Mannes und wurde von düsteren Vorahnungen geplagt. Immer wieder mußte sie daran denken, daß in Brüssel die Häupter von Egmont und Hoorn gefallen waren. Ihr war auch nicht unbekannt, daß es schon verschiedentlich Anschläge auf das Leben von Oranien gegeben hatte. Wie leicht hätte es ein fanatischer Mörder bei dem geplanten großen Empfang in Antwerpen und Brüssel, getarnt in der zu erwartenden dichten Menschenmenge, an sein blutiges Werk zu gehen. Auch die Staaten von Holland und Seeland sahen die Gefahr eines Anschlages auf das Leben und die Freiheit ihres Statthalters und verordneten für die Dauer seiner Abwesenheit tägliche Gebete für ihn in allen Kirchen des Landes. Gegen Mittag des 17. September 1577 begab sich Oranien auf den Weg nach Süden, begleitet von seiner Frau, seinem Bruder und Marnix. Zuerst ging es mit einem Schiff bis Oudenbosch, von dort dann zu Pferd nach Antwerpen. Am Abend des 18. September bereitete ihm Antwerpen einen festlichen Empfang. Drei Tage lang 154
wurde die Rückkehr des Burggrafen der Stadt gefeiert. Die Enttäuschung über das Verhalten Oraniens im Frühjahr 1567 war vergessen; ihm wurde als dem anerkannten Führer des Kampfes gegen die spanische Fremdherrschaft gehuldigt. Bei aller Freude über das glänzende Willkommen blieb Oranien nicht unberührt von der schrecklichen Zerstörung Antwerpens, das er als eine der schönsten und prachtvollsten Städte in Erinnerung hatte. Nach fünf Tagen zog Oranien per Schiff auf der „Neuen Fahrt" weiter nach Brüssel. Bis Willebroek folgte ihm ein Geleit der Bürgerschaft Antwerpens, dann wurde er von einer Abordnung der Generalstaaten willkommen geheißen. Was nun folgte, die Begrüßung und der Einzug in Brüssel, war tatsächlich eine Joyeuse Entrée, eine Blijde Inkomst, ein fröhlicher Einzug. Die Einwohner von Brüssel bildeten am Kanal ein kilometerlanges Spalier. Johann Baptista Houwaert schrieb über die Begeisterung des Volkes, daß einige „zur Erde auf ihr Knie fielen, einige weinten vor Glück, daß ihnen die Tränen über die Wangen und den Busen liefen". Ein anderer Augenzeuge, der englische Gesandte W. Davison, berichtete: „Einen vom Himmel gestiegenen Engel hätte man nicht anders begrüßen können." Frauen sanken vor Oranien auf die Knie, „gleichsam als ob Gott selber die Stadt durchschritte". Der 23. September 1577 war der stolzeste Tag im Leben Oraniens, der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Sein Ziel, das er länger als ein Jahrzehnt angestrebt hatte, schien erreicht: durch eine Politik des Ausgleichs und der religiösen Toleranz die gegensätzlichen Interesse» in den Niederlanden zu überwinden, alle Niederländer im Kampf gegen Spanien zu vereinen. Nun kam es für ihn darauf an, diese Einheit zu erhalten und die spanische Fremdherrschaft mit vereinter Kraft endgültig abzuschütteln. Dann sah sein Plan vor, die faktische Souveränität auf die Generalstaaten und die Regierungsgewalt auf den Staatsrat zu übertragen, während die nominelle Oberhoheit ein noch zu wählender Fürst erhalten sollte. Für einen bestimmten Herrscher hatte er sich noch nicht entschieden, aber er neigte zu einem Sproß des französischen Königshauses. Doch fest stand für ihn, daß es nicht mehr Philipp II. sein konnte. Oranien wurde aber schon wenige Wochen nach seiner prachtvollen Joyeuse Entrée ernüchtert. Er mußte die Erfahrung machen, daß sich soziale Gegensätze und daraus entspringende politische Meinungsverschiedenheiten auf die Dauer nicht durch nationales Pathos und gesteigerten Patriotismus überlagern lassen. 155
Das Scheitern der Toleranz- und Ausgleichspolitik
Einen Tag nach seiner Ankunft in Brüssel nahm Oranien schon an der Sitzung der Generalstaaten teil und setzte seine ganze Autorität und Beredsamkeit ein, um die Aussöhnung mit Don Juan im letzten Moment zu verhindern. Seit Anfang August verhandelten die Generalstaaten mit dem Vertreter Philipps II. Am 26. August hatten sie ihm die Bedingungen genannt, unter denen sie ihn trotz seines Staatsstreichversuchs wieder anerkennen wollten. Er sollte alle Truppen aus seinem Dienst entlassen, alle ausländischen Offiziere und Beamten verabschieden, in Zukunft nur noch in Abstimmung mit dem Staatsrat regieren und alle in diesem Gremium mit Stimmenmehrheit gefaßten Beschlüsse vollziehen. Nur die im Staatsrat ausgefertigten Dekrete und Anordnungen sollten bindend sein. Für Don Juan waren diese Bedingungen nicht mit den Auftrag zu vereinbaren, den er von Philipp II. erhalten hatte. Er vermied aber eine scharfe Ablehnung und verfolgte zunächst eine Hinhaltetaktik. Nachdem er von der Einladung Oraniens durch die Generalstaaten gehört hatte, nahm er den Vertragsentwurf jedoch mit einigen unbedeutenden Änderungen an. Zu diesem Schritt entschloß er sich, weil er völlig richtig nach der Ankunft Oraniens in Brüssel eine Stärkung der antispanischen Minderheit in den Generalstaaten fürchtete. Am Vormittag des 23. September 1577, also wenige Stunden vor der Joyeuse Entrée Oraniens, hatte die gemäßigte Mehrheit der Generalstaaten den Beschluß über die Sanktionierung des Vertrags mit Don Juan und über dessen Anerkennung als Generalstatthalter durchgesetzt. Als am 24. September lediglich noch über Modalitäten des Vertragsvollzuges befunden werden sollte, griff Oranien in die Beratungen ein und konnte eine weitere Grundsatzdebatte erwirken. Er erreichte mit seinen Anhängern die Verabschiedung eines Vertragsentwurfs, der Forderungen enthielt, die für den Generalstatt156
halter völlig unannehmbar waren. Damit war der Bruch mit Don Juan vollzogen. Einen starken Rückhalt hatte Oranien bei diesen stürmischen Auseinandersetzungen im Brüsseler „Komitee der Achtzehn", das die Generalstaaten zu einem energischen und offensiven Vorgehen gegen Don Juan drängte. In einer Eingabe verlangte das Komitee die Belagerung von Namur, die Aushebung jedes zehnten Mannes für ein patriotisches Volksheer, die Besetzung aller Beamtenstellen mit „wohlgesinnten und redlichen" Patrioten, den Ausschluß aller „bei dem Feind beliebten" Personen aus den General Staaten, die Wahl von je zwei patriotischen Adligen und Rechtsgelehrten aus jeder Provinz, die dann den Staatsrat, den Geheimen Rat und den Finanzrat neu konstituieren sollten, und schließlich die Gewinnung ausländischer Bündnispartner für den Kampf gegen Spanien. Im Grunde war dies ein Programm zur Umgestaltung der Machtverhältnisse und zur Führung eines revolutionären Angriffskrieges gegen die feudalen Obrigkeiten. Oranien konnte sich seines Triumphes nicht lange freuen. In der Sitzung der Generalstaaten am 9. Oktober 1577 verkündete plötzlich Aarschot, daß die Niederlande einen neuen Generalstatthalter hätten, nämlich Erzherzog Matthias von Österreich, den Bruder Kaiser Rudolfs II. Oranien wurde von dieser Mitteilung nicht völlig überrascht. Er hatte Informationen bekommen, daß sich die katholische Adelsfraktion um Aarschot schon seit längerem um einen Kandidaten ihrer Wahl für das Generalstatthalteramt bemühte, der für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen mit Don Juan bereitstehen sollte. Damit wollte die gemäßigte katholische Adelsopposition verhindern, daß Oranien selbst oder ein von Oranien erkorener Nachfolger das oberste Regierungsamt der Niederlande erhielt. Dieses Komplott war eine ernste Herausforderung Oraniens durch den südniederländischen Adel, der zwar den Bruch mit Don Juan vollzogen hatte, aber nicht bereit war, sich Oranien oder gar der radikalen Volksbewegung anzuschließen. Oranien trieb nun ein sehr geschicktes Doppelspiel. Zum einen versuchte er, seine Machtposition in dem für ihn wichtigen Brabant weiter auszubauen, zum anderen verblüffte er seine Gegner damit, daß er sich nicht frontal gegen Matthias wandte, sondern den neuen Generalstatthalter nutzte, um sich selbst in eine zentrale Position zu manövrieren. Dabei spielte er sein diplomatisches Talent, seine politischen Erfahrungen, sein Geschick im Intrigenspiel, seine persönliche Autorität und 157
seine rednerische Überzeugungskraft voll aus. Dennoch hätte er sich aber schwerlich ohne die Unterstützung der radikalen Volksbewegung durchsetzen können, die permanenten Druck auf die Staatenvertretungen ausübte und in entscheidenden Situationen Oranien mit revolutionärer Gewalt zu Hilfe kam. Traditionsgemäß hatte das zentrale Territorium Brabant keinen Statthalter, da in Brüssel der Generalstatthalter residierte und diese Funktion mit wahrnahm. Oranien wollte sich aber gerade in dem politisch wie wirtschaftlich überaus bedeutenden Brabant eine entscheidende Position sichern. Er erinnerte sich, daß es vor der habsburgischen Herrschaft in Brabant das Amt eines Ruwaard, eines Stellvertreters des Herzogs bei längerer Abwesenheit oder Regierungsunfähigkeit, gegeben hatte. Durch seine Gewährsleute brachte er nun das ihm wohlgesonnene Brüsseler „Komitee der Achtzehn" dazu, von den Staaten von Brabant seine Einsetzung als Ruwaard zu verlangen. Als die Staaten dies ablehnten, drang am 18. Oktober eine Volksmenge in den Sitzungssaal und erzwang die Ernennung Oraniens. Vier Tage später wurde der Beschluß der Staaten von Brabant in den Generalstaaten beraten. Auch hier wurde der heftige Widerstand der antioranischen Gruppierung durch einen Akt revolutionärer Gewalt gebrochen. Wiederum drang eine Volksmenge in den Versammlungsraum ein und brachte mit ihrer drohenden Haltung die Gegner Oraniens zum Nachgeben. Am 22. Oktober 1577 wurde Oranien von den Generalstaaten als Ruwaard von Brabant anerkannt, allerdings zunächst nur bis zum Amtsantritt des neuen Generalstatthalters. Die antioranische Gruppierung versuchte, mit der Einsetzung Aarschots als Statthalter von Flandern ein Gegengewicht zu schaffen. Die Gruppe um Aarschot wollte ihre Niederlage so schnell wie möglich revidieren. Aarschot begab sich am 24. Oktober nach Gent und stachelte die führenden Köpfe der Geistlichkeit und des Adels von Flandern zu einer Protestbewegung gegen die Ernennung des Kalvinisten Wilhelm von Oranien zum ersten Mann in Brabant auf. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte sich Aarschot allerdings für seine Aktion nicht aussuchen können. Oranien hatte gerade die Generalstaaten dazu gebracht, Gent die Privilegien zurückzugeben, die es 1540 wegen einer Rebellion gegen Karl V. verloren hatte. Nun kam Aarschot und wollte Stimmung gegen den Retter und Helden der Stadt machen. Schon bei seiner Ankunft wurde er von einer wütenden Menge mit Schmährufen empfangen. In den Staaten von Flandern, die in Gent tagten, besaß die gemäßigte katholische Adelsopposition allerdings eine Mehrheit, und dort wurden von Vertretern des Klerus 158
und des Adels offene Drohungen gegen die Volksbewegung ausgesprochen. Aarschot soll, in Anspielung auf die Wiederherstellung der Privilegien Gents und auf die Hinrichtung aufständischer Bürger im Jahre 1540, gegenüber einem ihrer Führer geäußert haben: „Freibriefe hin, Freibriefe her. Ihr sollt bald erfahren, daß man Euch noch immer stumm zu machen versteht wie einstmals — den Strick um den Hals! Das sage ich Euch!" Angesichts dieser konterrevolutionären Entwicklung in Gent holte die Volksbewegung zu einem revolutionären Gegenschlag aus. Zu ihren radikalsten Führern gehörten der kalvinistische Schöffe Jan van Hembyze und der verarmte Adlige François de la Kéthulle, Herr van Rijhove, ebenfalls ein Kalvinist. Sie faßten den Plan, Aarschot und seine einflußreichsten Anhänger sowie spanienfreundliche Persönlichkeiten der Stadt gefangen zu setzen. Die Aktion wurde für den 28. Oktober 1577 verabredet. Einen Tag vorher ritt Rijhove heimlich nach Antwerpen, um die Mitwirkung und Unterstützung Oraniens zu erlangen. Oranien spielte nun auch mit den Genter Radikalen sein Spiel. Auf keinen Fall wollte er als Mittäter an dem Anschlag bekannt werden, da dies seine mühsam errungene Position in den südlichen Staaten gefährdet hätte, die er ja mit dem katholischen Adel und nicht gegen ihn ausbauen wollte. Andererseits konnte eine Warnung vor antioranischen Aktionen durch eine Verhaftung seiner Widersacher nicht schaden. Mochten diese ruhig spüren, daß er in der Volksbewegung einen Verbündeten besaß, den er gegebenenfalls ins Feld führen könnte. Schließlich ergab sich für ihn die große Chance, nach der Verhaftung versöhnend aufzutreten, die Freilassung der Gefangenen zu betreiben und damit die Wirksamkeit und Nützlichkeit seiner Toleranz- und Ausgleichspolitik zu demonstrieren. Nach den Überlieferungen des Chronisten van Meteren und des Geschichtsschreibers des 17. Jahrhunderts Pieter Corneliszoon Hooft schilderte van Rijhove die kritische Situation in Gent, worauf Oranien fragte: „Und was wißt ihr für Rat dazu?" Rijhove antwortete: „Keinen besseren, als den Herzog mit seinen Bischöfen, Räten und Herren, das ganze Nest zumal, beim Kragen zu fassen und zur Stadt hinauszuwerfen." Als Oranien auf die Gefahr und die Tragweite des Anschlages hinwies, entgegnete Rijhove: „Ich kenne kein anderes Mittel, ich will lieber sterben wie ein Mann, als in ewiger Sklaverei leben. Gerne setze ich mein Leben daran, wo des Vaterlands Wohl auf dem Spiele steht." Als sich Oranien erkundigte, was denn für Kräfte zur Verfügung stünden, erklärte Rijhove bestimmt : „Wenn ich von Eurer Exzellenz keine Hilfe erhalte, so werde ich die Bürgerschaft aufrufen. Ich werde sie 159
dazu bringen, sich zum Kampfe für ihre alten Freiheiten zu erheben." Oranien meinte schließlich, er müsse die Sache erst einmal überschlafen. Als am anderen Morgen Rijhove Oraniens Frage, ob er das Unternehmen auch ohne seine Hilfe wagen würde, energisch bejahte, zuckte Oranien die Achseln, sagte kein Wort mehr, schien zu träumen und seinen Gesprächspartner nicht mehr wahrzunehmen. Diese Taktik der Zurückhaltung in Entscheidungsfragen, um sich für die Zukunft alle Möglichkeiten offen zu lassen, wandte Oranien öfter an, was ihm auch den Beinamen „der Schweiger" einbrachte. Rijhove verabschiedete sich enttäuscht und ging. Kurz vor dessen Aufbruch erschien Marnix in seinem Quartier und teilte ihm mit, Oranien werde über das Unternehmen, falls es gelänge, durchaus nicht böse sein, wenn er es auch nicht offen unterstützen wolle. „Es lebe, wer Sieger bleibt!" rief Marnix beim Abschied dem Genter zu. Am 28. Oktober um vier Uhr nachmittags traf Rijhove wieder in Gent ein und ermunterte seine Mitverschworenen zum Handeln: „Es ist Wachsamkeit vonnöten, wenn wir jetzo schlafen, so wird man uns morgen tot in unseren Betten finden. Laßt uns das Eisen schmieden, solange es warm ist, laßt uns die spanische Inquisition ein für allemal in die Hölle zurückjagen, von wo sie gekommen ist." Die Mehrheit der Einwohner folgte den radikalen Verschwörern, und in der Nacht verhafteten bewaffnete Bürger Aarschot und die übrigen Führer der katholischen Gemäßigten in den Staaten von Flandern. Unter den Verhafteten waren Maximilien Vilain, Baron von Rassenghien, und Jacob Hessels, ehemals Mitglied des Blutrates. Später wurden auch die beiden Bischöfe Remigius Driutius von Brügge und Martinus Rijthovius von Ypern festgenommen. Die Genter Radikalen beließen es nicht bei der Zerschlagung des sich formierenden konterrevolutionären Zentrums, sondern betrieben die revolutionäre Umgestaltung der Machtverhältnisse in der Stadt. Zunächst bildeten sie am 30. Oktober eine neue Stadtmiliz von 300 Mann, die nicht wie üblich aus Angehörigen der wohlhabenden Bürgerschaft, sondern vorwiegend aus Lohnarbeitern bestand. Am 1. November konstituierte sich nach dem Brüsseler Vorbild ein „Komitee der Achtzehn" als revolutionäres Machtorgan. Oranien kam die Genter Aktion zunächst sehr gelegen. Ihm war klar, daß er bei einem Bruch mit Matthias die katholische Adelspartei zum Äußersten getrieben hätte — vielleicht sogar wieder in die Arme von Don Juan. Erkannte er aber Matthias an, waren seine Gegner beschwichtigt, und es kam dann nur noch darauf an, sich des neuen 160
Vetter, Oranien
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Louise de Coligny, Oraniens vierte Frau. Gemälde von M. J . van Miereveld.
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Wilhelm von Oranien. Stich von F. Hogenberg.
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Generalstatthalters so weit als möglich zu versichern. Nachdem nun mit Aarschot der Protektor von Matthias vorübergehend ausgeschaltet war, fiel es Oranien nicht schwer, den jungen Habsburger in seinen Bann zu ziehen und ihn, ohne daß er es recht merkte, zu seinem Werkzeug zu machen. Zunächst konnte Oranien die Generalstaaten dazu bewegen, die Machtbefugnisse von Matthias möglichst weitgehend einzuschränken. Dies fiel ihm nicht schwer, da auch die katholischen Gemäßigten ihre ständischen Privilegien gern weiter ausdehnen wollten. Am 8. Dezember 1577 ersuchten die Generalstaaten Erzherzog Matthias um die Übernahme der Regierung in den Niederlanden „bis auf weiteres und unter Vorbehalt der Genehmigung seiner Katholischen Majestät". Gleichzeitig wurden ihm Bedingungen auferlegt, die ihn zu einer bloßen Repräsentationsfigur machten. Matthias mußte sich verpflichten, den Ratschlägen eines von den Generalstaaten eingesetzten Komitees zu folgen und bei Friedensschluß, Kriegserklärung, Bündnisschluß und Steuererhebung immer die Genehmigung der Generalstaaten einzuholen. Die Generalstaaten und die Staaten der Territorien sollten sich künftig nach eigenem Gutdünken versammeln und ihre Statthalter selbst ernennen können. Als nächstes veranlaßte Oranien die Generalstaaten, ihre gegenseitige Solidarität zu bekräftigen. Am 10. Dezember 1577 wurde die „Engere Union" unterzeichnet, auch „Zweite Union von Brüssel" genannt, da es schon im Januar 1577 eine „Union" zur Sicherung der Genter Pazifikation gegeben hatte. Die Staaten erklärten Don Juan zum Feind des Volkes und verpflichteten sich, füreinander und miteinander im Kampf gegen Spanien zu stehen. In dem Dokument konnte Oranien auch seine Toleranzpolitik verankern, denn die Staaten erklärten sich zur gegenseitigen „religiösen Duldung" bereit. Schließlich setzte Oranien durch, daß er von den Generalstaaten nicht nur endgültig als Ruwaard von Brabant bestätigt, sondern auch noch zum Generalleutnant und Stellvertreter von Matthias berufen wurde. Die Mehrheit der Staaten weigerte sich zunächst, Oranien mit dieser Doppelfunktion zu betrauen. Da trat noch einmal das „Komitee der Achtzehn" von Brüssel in Aktion und organisierte eine bedrohliche Protestbewegung der Bevölkerung. Diesem Druck fügte sich die gemäßigte Mehrheit der Generalstaaten und beschloß am 8. Januar 1578, Oranien in beiden Funktionen anzuerkennen. Am 20. Januar 1578 schwor Matthias, die Niederlande im Namen Philipps II. mit Oranien als seinem Stellvertreter und ersten Berater unter den vorgegebenen Bedingungen zu regieren. Oranien hatte das Ziel erreicht, 11 Vetter, Oranien
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das er seit Beginn der sechziger Jahre verfolgte: Alle niederländischen Territorien waren in einem ständisch regierten Staat vereint, in dem er entscheidenden Einfluß besaß. Als Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht, als Ruwaard von Brabant und als Stellvertreter des jungen und politisch unerfahrenen Generalstatthalters stand er faktisch an der Spitze der Niederlande. Jedoch blieb Oranien wenig Zeit, seinen Erfolg zu feiern, denn er sah sich mit ernsten Problemen konfrontiert. Da war zunächst die Bedrohung durch die Spanier, mit denen sich die Generalstaaten faktisch seit Dezember 1577 im Kriegszustand befanden. Sodann bereitete ihm der von ihm immer wieder verwünschte Partikularismus Sorgen, der sich vordergründig in konfessionellem Streit der kalvinistischen und katholischen Territorien äußerte, der aber seine entscheidende Ursache in Gegensätzen zwischen der bürgerlich-republikanischen Ordnung in Holland und Seeland und den ständisch-feudalen Verhältnissen im Süden hatte. Dazu kam die Radikalisierung der Volksbewegung in Gent und Brüssel, die der Kontrolle Oraniens entglitt. Kleinbürgerlich-demokratische Kräfte ergriffen die Macht und erstrebten eine grundsätzliche Umgestaltung der bestehenden sozialen, politischen und religiösen Verhältnisse. Ein weiteres Problem war für Oranien die Suche ausländischer Bündnispartner für den Kampf gegen Spanien. Nach langem Überlegen hatte sich Oranien für ein Zusammengehen mit Frankreich entschlossen. Nach der Thronbesteigung des neuen französischen Königs Heinrich III. wurde dessen Bruder, Herzog François von Alençon, 1574 Herzog von Anjou, und in diesem sah Oranien den künftigen Generalstatthalter und womöglich Souverän der Niederlande. Eine Anlehnung an das katholische französische Königshaus stieß in den Niederlanden aber auf heftige Vorbehalte : bei weiten Bevölkerungskreisen wegen der jahrhundertelangen Kriege mit Frankreich, bei den Kalvinisten wegen der Religionsfrage, bei den Gemäßigten wegen ihres Festhaltens an Philipp II. von Spanien als Landesherrn. Mit großer Kraftanstrengung versuchte Oranien das ganze Jahr 1578 hindurch, dieser Probleme Herr zu werden. Doch er scheiterte. Das vergebliche Ringen um die Durchsetzung seiner politischen Konzeption beweist, daß bestimmte historische Situationen große Persönlichkeiten hervorbringen und diese erfolgreich agieren können, solange sie den objektiven Erfordernissen entsprechen ; daß Persönlichkeiten auch den konkreten historischen Verlauf beeinflussen, aber niemals den grundlegenden Gang der gesellschaftlichen Entwicklung ändern 162
können, mögen sie noch so begabt, willensstark und mit politischer Macht ausgestattet sein. Der erste schwere Schlag kam für Oranien schon am 31. Januar 1578: Das Heer der Generalstaaten wurde bei Gembloux nördlich von Namur durch Truppen Don Juans vernichtend geschlagen. Am 13. Februar nahmen die Spanier Löwen ein, nur etwa zwanzig Kilometer östlich von Brüssel gelegen. Matthias, Oranien, der Staatsrat und die Generalstaaten flüchteten nach Antwerpen, das stärker befestigt war als Brüssel. Obwohl die Staaten durch Johann Casimir von der Pfalz, einen Bruder des Kurfürsten, militärisch unterstützt wurden, hielt der Siegeszug der Spanier an. Die kleinbürgerlich-demokratischen Kräfte wollten den konterrevolutionären Vormarsch nicht passiv hinnehmen, und die Genter Radikalen begannen einen revolutionären Volkskrieg gegen das katholischgemäßigte, zum Teil spanienfreundliche Patriziat anderer flandrischer Städte. Die Genter Bürgerwehr besetzte am 16. Februar 1578 überraschend Oudenaarde, setzte den alten Rat ab und übergab die Macht an ein neu gebildetes prokalvinistisches „Komitee der Achtzehn". Am 6. März geschah das gleiche in Kortrijk, am 15. März in Hülst, am 20. März in Brügge und am 20. Juli in Ypern. Auch in Ronse und Veurne wurden revolutionäre Machtorgane geschaffen. Überall war die Machtübernahme durch kleinbürgerlich-demokratische Kräfte mit einem Bildersturm und der Wiedereinführung des kalvinistischen Gottesdienstes verbunden. Schon am 15. März war in Arras ein Aufstand ausgebrochen, in dessen Ergebnis der Magistrat von spanienfreundlichen Mitgliedern gesäubert und einem „Komitee der Fünfzehn" unterstellt wurde, das vorwiegend aus kalvinistischen Mitgliedern der Stadtmiliz bestand. Auch hier war der kalvinistische Gottesdienst eingeführt worden. Diese revolutionäre Bewegung war in der Tendenz eindeutig auf die Schaffung einer bürgerlichen Republik gerichtet. In Gent wurde das am deutlichsten sichtbar. Die Genter Radikalen zerschlugen bei ihren Städtebesetzungen die katholische Kirchenorganisation. Kirchenbesitz wurde beschlagnahmt und billig verkauft; der Erlös wurde zum Unterhalt der Truppen und zur Unterstützung der Armen verwandt. Die Genter schreckten auch nicht vor revolutionärem Terror zurück: Im Herbst 1578 wurden Hessels und Jan de Wiesch, beide willige Werkzeuge der Spanier, hingerichtet. Ganz offensichtlich strebten die Genter Radikalen die revolutionäre Umgestaltung aller flandrischen Städte und deren Vereinigung in einem revolutionären Volkskrieg an. ii
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Oranien versuchte, die radikalen Kalvinisten durch die Anbahnung eines neuen „Religionsfriedens" zu beruhigen, der den Süden für den Kalvinismus öffnete, während Holland und Seeland dem Katholizismus verschlossen blieben. Gleichzeitig wandte er sich scharf gegen den „Privatkrieg" der Genter, da er die mühsam geschaffene Einheit der Niederlande unterminierte. Oranien konnte zwar in Gent vorübergehend die Anerkennung des Religionsfriedens durchsetzen, jedoch führte seine Haltung zur zunehmenden Abkühlung seiner Beziehungen zu den radikalen Kalvinisten, die sich schließlich von ihm distanzierten. Sie waren nicht gewillt, ihre kleinbürgerlich-demokratischen Zielsetzungen aufzugeben und sich der Ausgleichspolitik Oraniens unterzuordnen, die auf ein Zudecken der sozialen, politischen und religiösen Gegensätze zielte. Der kalvinistische Geistliche Peter Dathenus, ein langjähriger treuer Anhänger und Ratgeber Oraniens, predigte nun gegen den einst von ihm Verehrten und erklärte öffentlich, daß dieser die Religion wie die Kleider wechsle und nicht wirklich religiös sei, sondern Staatsgeschäfte und Nutzen zu seinen Göttern mache. Die revolutionäre Offensive der Genter Radikalen erschreckte den Adel in den südlichen Territorien. Er sah seine Herrschaftsrechte bedroht und suchte Anlehnung bei der Macht, die ihm den Bestand der feudalen Ordnung am sichersten garantierte: bei Spanien. Ein weiterer Grund für die zunehmende Annäherung eines großen Teils des Adels an Spanien waren die militärischen Erfolge, die der neue Generalstatthalter Alexander Farnese, Prinz von Parma, errang. Der hochbegabte Feldherr, ein Sohn der ehemaligen Generalstatthalterin Margarethe von Parma, war von Philipp II. nach dem Tod von Don Juan (1. Oktober 1578) mit der Leitung der niederländischen Angelegenheiten betraut worden. Schon seit Anfang 1578 hatten der Bischof von Arras Matthäus Moulart und der Abt von St-Vaast Johannes Sarrazier unter dem südniederländischen Adel eine Bewegung zum Wiederanschluß an Spanien organisiert. Bald erklärten adlige Kommandeure des Staatenheeres offen, nicht mehr weiter gegen die Spanier kämpfen zu wollen. Als erster vollzog diesen Schritt der Kommandant von Gravelingen, Valentin de Pardieu, Seigneur de La Motte. Der Baron de Montigny begann im Oktober 1578 mit seinen Staatentruppen einen Feldzug gegen die Genter. Am 21. Oktober eroberten konterrevolutionäre Truppen Arras, verhafteten das „Komitee der Fünfzehn" und ließen neun „Haupträdelsführer" hinrichten. Die konterrevolutionäre Bewegung der Malcontents (Unzufriede164
nen) — ihre Vertreter wurden von den Patrioten verächtlich „Paternosterknechte" genannt — gipfelte am 6. Januar 1579 in der Gründung einer Union der vom Adel beherrschten Staaten von Artois und Hennegau in der Abtei St-Vaast, die in der Nähe von Arras liegt. Diese Union von Arras, der wenig später Douai beitrat, nahm am 21. Februar Kontakte zu Farnese auf und erkannte am 17. Mai 1579 im Vertrag von Arras die unbeschränkte Autorität Philipps II. an. Schon vorher hatten am 6. April die malcontenten Kommandeure des Staatenheeres im Vertrag von Mont St-Eloi ihren Verrat besiegelt und ihre 7000 Mann starken Truppen der Armee Farneses eingegliedert. Als Antwort auf die Union von Arras schlössen Vertreter der Staaten von Geldern, Holland, Seeland, Utrecht und Groningen (nicht der Stadt, sondern nur der „Ommelanden") am 23. Januar 1579 die Union von Utrecht, der später Friesland, Overijssel und die Städte Antwerpen, Brügge und Ypern beitraten. Beim Zustandekommen der Union von Utrecht spielte neben dem Utrechter Landesadvokaten Floris Thin der Bruder Oraniens eine wichtige Rolle. Der Landtag von Geldern hatte Johann von Nassau 1578 zum Statthalter gewählt. Johann verfolgte durchaus keine uneigennützigen Pläne, sondern er hatte vor, die Union enger an das Reich zu binden und damit die Position des Kalvinismus, zu dem er 1577 übergetreten war, und der kleinen Teritorialstaaten gegenüber den großen Fürstentümern zu stärken. Als Johann von Nassau die Union nicht seinen politischen Plänen unterordnen konnte, gab er 1580 sein Statthalteramt von Geldern auf. Oranien war zunächst wenig erbaut vom Zustandekommen der Union von Utrecht, da er immer noch seine gesamtniederländischen Pläne verfolgte. Doch was blieb ihm übrig, als sich dem Zwang der Tatsachen zu beugen? Mit der Bildung der Unionen von Arras und Utrecht hatten sich das spanischgesinnte, vom katholischen Adel beherrschte und das patriotische, vom kalvinistischen Großbürgertum beherrschte Lager klar voneinander abgegrenzt. Mit der Union von Utrecht war der Grund für die Entstehung eines eigenständigen Staatswesens im Norden der Niederlande, der ersten bürgerlichen Republik der Weltgeschichte, gelegt. Der Traum Oraniens von den einheitlichen Niederlanden unter Führung des Hochadels war ausgeträumt. Am 26. Juli 1581 vollzogen die Generalstaaten, als die sich die in der Union von Utrecht vereinten Territorien verstanden, einen folgerichtigen Schritt: König Philipp II. von Spanien wurde von ihnen als
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Landesherr abgesetzt. Die theoretische Begründung für die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes wurzelte in Auffassungen der mittelalterlichen ständisch-feudalen Tradition, in bürgerlich-kalvinistischem Gedankengut und in Theorien der französischen Monarchomachen, die, vom Kalvinismus ausgehend, eine hugenottische Staatsauffassung im Interesse des frondierenden Hochadels entwickelt hatten. In dem „Plakkaat van Verlatinge" (Lossagungsedikt), das sehr wahrscheinlich ideologischen Einfluß auf die Unabhängigkeitserklärung der USA hatte, erklären die Generalstaaten: „Es ist allgemein bekannt, daß ein Landesfürst von Gott als Haupt über seine Untertanen gesetzt ist, um diese zu beschirmen und zu bewahren vor aller Ungerechtigkeit, Schaden und Gewalt, wie ein Hirte seine Schafe hütet, und daß die Untertanen von Gott nicht zum Besten des Fürsten geschaffen wurden, um ihm in allem, was er befiehlt, sei es gottesfürchtig oder nicht gottesfürchtig, gerecht oder ungerecht, untertänig zu sein und ihm als Sklaven zu dienen; sondern der Fürst ist um der Untertanen willen geschaffen, ohne welche es keinen Fürsten gibt, um dieselben mit Recht und Ursache zu regieren und zu verteidigen, und sie lieb zu haben wie ein Vater seine Kinder und ein Hirte seine Schafe, der Leib und Leben einsetzt, um sie zu bewahren. Wenn er dies nicht tut, sondern, statt seine Untertanen zu beschirmen, versucht, sie zu unterdrücken, übermäßig zu belasten, sie ihrer alten Freiheiten, Privilegien und Gewohnheitsrechte zu berauben und sie als Sklaven zu behandeln, muß man ihn nicht als Fürsten, sondern als Tyrannen betrachten. Dann steht es seinen Untertanen frei, ihn nicht mehr als Fürsten anzuerkennen — vor allem nachdem dies in den Staaten des Landes bedacht wurde —, sondern ihn zu verlassen und an seiner Stelle einen anderen Souverän zu ihrem Schutz zu wählen."
Die Todeskugeln von Delft
Die letzten Lebensjahre Oraniens waren Jahre des politischen Mißerfolgs und schwerer persönlicher Schicksalsschläge. Am 15. März 1580 hatte Philipp II. den Bann gegen Oranien ausgesprochen. Oranien wurde als der „Anführer, Verursacher und Beförderer der Unruhen", als die „Pest der Christenheit", als „verräterischer und boshafter Feind" Philipps und des Landes gebrandmarkt und außerhalb des Gesetzes gestellt. Jedermann erhielt das Recht, ihn zu töten. Dem Mörder wurde eine hohe finanzielle Belohnung, die Vergebung aller von ihm eventuell begangenen Verbrechen und der Adelstitel versprochen. Alle Anhänger Oraniens, die ihn nicht innerhalb eines Monats verließen, wurden mit schweren Strafen und dem Verlust aller Güter und Titel bedroht. Der Bann zeigte durchaus Wirkungen. Viele schon schwankende Anhänger verließen den Geächteten. Vor allem Adlige fürchteten im Falle der Niederlage um ihre Besitzungen und Privilegien. Oranien selbst schwebte nunmehr stündlich in Lebensgefahr, denn er mußte außer politisch motivierten Attentätern auch die gesamte europäische Verbrecherwelt fürchten. Oranien antwortete auf den Bann mit einer Streitschrift, der „Apologie oft (oder) Verantwoordige des Doerluchtighen ende Hooghgheborenen Vorsts ende Herren, Herren Wilhelms van Godes Ghenaden Prince van Orangien", die im Februar 1581 in Antwerpen erschien. Die Apologie war eine polemische Rechtfertigung des politischen Kampfes von Oranien und gleichzeitig eine öffentliche Schmähung Philipps, der des Mordes an seinem Sohn Carlos, des Ehebruchs und des Inzestes bezichtigt wurde. Die Apologie trug Oranien scharfe Kritik der deutschen Fürsten ein, da er, um Philipp zu treffen, auch dessen Vorfahren und das ganze Haus Habsburg beschimpft und damit auch Kaiser und Reich beleidigt hatte. Wilhelm von Hessen riet Oranien sogar, sich beim Kaiser öffentlich zu entschuldigen. 167
Das Gefühl der Vereinsamung, das Oranien nun zuweilen überkam, wurde noch genährt durch den Tod seiner Mutter am 15. Juni 1580, die er tief verehrt hatte und die ihm immer wieder mit einfachen Worten mütterlichen Trost und Ermunterung zugesprochen hatte. Weitere Schicksalsschläge waren für ihn das Überlaufen des Statthalters von Groningen, George de Lalaing, Baron von Rennenburg, der Rücktritt seines Bruders als Statthalter von Geldern und die Gefangennahme seines ihm treu ergebenen Mitarbeiters und Feldherrn François de la Noue durch die Spanier. Einen Teilerfolg konnte Oranien noch erringen. Es gelang ihm, sein außenpolitisches Konzept der Anlehnung an Frankreich gegen harten Widerstand in den Generalstaaten durchzusetzen. François von Anjou, der Bruder des französischen Königs, wurde als neuer Fürst der niederländischen Territorien anerkannt, allerdings als ein Fürst, der durch die ihm auferlegten ständischen Beschränkungen zu selbständigen politischen Handlungen unfähig war. Die Souveränität lag allein bei den Staaten. Am 29. Oktober verließ Matthias die Niederlande, und im Februar 1582 trat Anjou seine Herrschaft an. Holland, Seeland und Utrecht hatten sich allerdings ausbedungen, daß Oranien ihr Statthalter bliebe und daß sie das Recht hätten, ihn als Landesfürsten wählen zu dürfen. Am Abend des 18. März 1582 sollte in Antwerpen der Geburtstag Anjous mit einem großen Fest begangen werden, zu dem auch Oranien geladen war. Oranien nahm an diesem Tag sein Mittagsmahl gemeinsam mit seinem Sohn Moritz, zwei Neffen, einigen Adligen und zwei französischen Herren in seinem Hause in der Nähe der Zitadelle ein. Als er nach der Mahlzeit das Speisezimmer verlassen wollte, trat ein junger Mann von kleiner Statur und blasser Gesichtsfarbe aus einer Gruppe von Dienern hervor, offensichtlich, um eine Bittschrift zu übergeben. Als Oranien nach dem Papier griff, zog der Unbekannte eine Pistole und feuerte aus nächster Nähe auf Oranien, dessen Bart- und Haupthaar versengt wurde. Die Kugel drang unter dem rechten Ohr in den Hals, durchschlug den Gaumen und fuhr durch die linke Kinnlade wieder hinaus. Oranien fiel durch den Schuß nicht zu Boden, war aber für einen Moment wie betäubt und fühlte durch den Schock keinen Schmerz. Dann spürte er, daß er ernsthaft verwundet war, sah, daß seine Leibwache den Attentäter umbrachte, und rief : „Tötet ihn nicht, ich vergebe ihm meinen Tod!" Als man ihn in seine Schlafkammer führte, soll er zu den Franzosen gesagt haben : „Ah, que son Altesse perd un fidèle serviteur" (Ach, welch treuen Diener verliert Seine Hoheit). 168
Der Leichnam des Attentäters wurde auf dem Marktplatz auf einem Podest zur Schau gestellt, um die Identität zu ermitteln. Der Attentäter wurde als Gehilfe des spanischen Kaufmanns Gaspar d' Anastro erkannt; sein Name war Juan Jaureguy. Durch aufgefundene Papiere und Verhöre eines zweiten Gehilfen des nach Frankreich geflohenen d' Anastro, Antonio de Venero, und des Mönchs Antonius Zimmermann, war dann bald der ganze Hergang ermittelt. Dem schwer verschuldeten Kaufmann waren aus Spanien für den Mord an Oranien zu der ausgesetzten Geldprämie noch zusätzliche 80000 Dukaten versprochen worden. Da er selbst zu feige war, versuchte d'Anastro seine beiden Gehilfen zu dem Anschlag zu überreden. Jaureguy erklärte sich schließlich bereit und schritt zur Tat, nachdem er von seinem Beichtvater Zimmermann ermuntert worden war und Beichte, Messe und die Sakramente empfangen hatte. Venero und Zimmermann wurden am 28. März 1582 vor dem Antwerpener Rathaus erwürgt und dann gevierteilt. Es schien anfangs, als sollte Oranien von der schweren Verwundung schnell genesen, doch nach vierzehn Tagen brach die Halswunde in einem heftigen Blutsturz auf, und die Blutung konnte nicht mehr gestillt werden. Die Briefe von Oraniens Tochter Maria an ihren Onkel Johann von Nassau vermitteln Einzelheiten über die dramatische Situation. Nach Marias Worten war Oranien so geschwächt, daß jeder meinte, „das meher (mijnheer) sterben soll". Oranien selbst sagte, „es is nou mit mir gedan". Da die Wunde nicht fest genug verbunden werden konnte, weil man sonst den Patienten erdrosselt hätte, kam Anjous Leibarzt Botalli auf einen glücklichen Einfall: Diener, die sich unablässig ablösten, hielten einen Daumen auf die Wunde, die sich nach bangen Tagen tatsächlich wieder schloß. Charlotte de Bourbon und Oraniens Schwester Katharina pflegten den Verletzten aufopferungsvoll. Maria meinte, Johann wäre erschrocken, wenn er „meher itzet sehen mucht, wy er sich geändert hot und mager ist worden; es ist nor hout und bein an im". Die Genesung machte dann aber doch rasche Fortschritte, und am 2. Mai konnte Oranien schon an einem Dankgottesdienst teilnehmen. Er war gerettet, doch seine Frau Charlotte de Bourbon lag im Sterben. Das unstete Leben an der Seite Oraniens, die ständige Angst um dessen Leib und Leben, die Geburt der sechs Töchter zwischen 1576 und 1581 hatten ihre Gesundheit völlig untergraben. Die heftige Erschütterung durch das Attentat, die langen Nachtwachen am Krankenlager, der Wechsel zwischen Furcht und Hoffnung und eine erneute Schwangerschaft waren zu viel für ihre schwache Konstitution. 169
Sie fiel in ein schweres Fieber und zog sich eine Lungenentzündung zu, der sie am 5. Mai 1582 erlag. Oranien war tief betrübt; er hatte seine „Zuflucht in Leid und N o t " verloren. Anjou war nicht gewillt, sich mit seiner bedeutungslosen Stellung abzufinden. Er faßte den Plan, seine Truppen heimlich zu verstärken und einige Städte, vor allem Antwerpen, in seine Gewalt zu bringen. Von einer Position der Stärke wollte er dann von den Generalstaaten eine Erweiterung seiner Befugnisse erpressen. Am 16. Januar 1583 unternahm Anjou überraschend einen Angriff auf Antwerpen. Nach der Überrumpelung einer Torwache ergossen sich fast 4000 französische Söldner mit wildem Geschrei in die Stadt: „Ville gagnée! Vive la messe! Vive le duc d'Anjou!" (Eroberte Stadt! Es lebe die Messe! Es lebe der Herzog von Anjou!). Erst als die Franzosen zu plündern begannen, begriffen die Einwohner, daß es sich um einen Überfall handelte. Doch es brach keine Panik aus wie bei der „spanischen Furie". Die Antwerpener formierten sich schnell zu entschlossenem Widerstand und schlugen die Franzosen in die Flucht, die über 1500 Tote und zahlreiche Gefangene zurücklassen mußten, die Einwohner hatten dagegen nur etwa 100 Gefallene zu beklagen. Die „französische Furie" ließ den Haß auf Frankreich erneut ausbrechen und belastete auch Oranien, der sich völlig mit Anjou identifiziert hatte. Dennoch bestand Oranien darauf, an Anjou als Landesherrn festzuhalten. Seine Popularität in der Bevölkerung sank rapide. Wiederholt gab es in Antwerpen Tumulte gegen Oranien. Einmal drang eine bewaffnete Menge sogar in seine Wohnung ein und beschimpfte ihn als Franzosenfreund. Doch Oranien blieb starr bei seinem politischen Konzept, und tatsächlich gelang es ihm, die Generalstaaten im März 1583 wenigstens zu einem vorläufigen Akkord mit Anjou zu bewegen. Während der sich zäh hinschleppenden Verhandlungen über eine endgültige Übereinkunft verließ Anjou im Juli 1583 die Niederlande, in die er nie mehr zurückkehren sollte. Eine erneute „französische Heirat" Oraniens war in dieser Situation nicht dazu angetan, sein Ansehen zu fördern. Schon 1582 hatte er erste Kontakte zu Louise de Coligny, der Tochter des berühmten Hugenottenführers, angeknüpft. Louise hatte 1571 als Sechzehnjährige Charles de Téligny, einen politischen Vertrauten ihres Vaters, geheiratet. In der Bartholomäusnacht waren Vater und Mann vor ihren Augen umgebracht worden, sie selbst hatte nur mit knapper Mühe ihr Leben retten können. Ohne viel Prunk wurde am 12. April 1583 in Antwerpen die Ehe geschlossen. Oranien hoffte, mit dieser Verbindung die Beziehungen zu Frankreich zu festigen; doch die Ge170
neralstaaten waren dagegen, und in Antwerpen kursierten Schmähschriften gegen die französische Politik und gegen Oranien. Inzwischen hatte Farnese weitere militärische Erfolge errungen. Schon seit dem Januar 1583 wurde Ypern belagert, das sich schließlich am 7. April 1584 ergeben mußte. Am 23. April 1583 verloren die Generalstaaten Eindhoven, wenig später besetzten die Spanier Hoogstraten, Rosendaal, Diest, Zichem und Lier. Antwerpen geriet in eine bedrohliche Situation. Oranien verließ am 22. Juli fluchtartig die Stadt und nahm seinen Wohnsitz wieder in Delft. Das letzte Lebensjahr Oraniens verging in Verhandlungen mit den Generalstaaten über einen neuen Akkord mit Anjou sowie über die ihm angetragene Generalstatthalterschaft und in Verhandlungen mit den Staaten von Holland, Seeland und Utrecht über die Verleihung der Grafenwürde an ihn. Zu den wenigen freudigen Ereignissen gehörten die Geburt seines Sohnes Friedrich Heinrich am 29. Januar und dessen Taufe am 12. Juni 1584. Am 8. Juli 1584 — inzwischen war seit dem 20. Mai auch Brügge in der Hand von Farnese, und Antwerpen wurde belagert — empfing Oranien in seiner Delfter Wohnung im Agathenkloster einen Sonderbotschafter, der ihm die Nachricht vom Tode Anjous am 10. Juni überbrachte. Der Bote war ein junger Mann namens François Guion, der als verfolgter Protestant aus Bésançon vor einigen Wochen Oraniens Schutz und Hilfe gesucht und auch erhalten hatte. In Wahrheit war dieser kleine und magere siebenundzwanzigjährige Mann aber Balthazar Gérard aus Burgund, ein fanatischer Katholik, der sich schon in frühester Jugend geschworen hatte, Oranien umzubringen. Er hatte im Frühjahr 1584 Kontakte zu Farnese aufgenommen und war zu seinem Vorhaben ermuntert worden. Am 10. Juli 1584 begab sich Oranien mit seiner Familie und dem Bürgermeister von Leeuwarden zum Mittagsmahl in das Speisezimmer im Erdgeschoß des ehemaligen Klosters. Vor der Tür trat Gérard an ihn heran und bat ihn um einen Reisepaß. Louise de Coligny bemerkte die innere Nervosität und Anspannung des Mannes. Mißtrauen erfaßte sie, denn sie wußte, daß nach dem Attentat von Jaureguy mehrere Anschläge auf das Leben ihres Mannes nur knapp gescheitert waren. Oranien beruhigte seine Frau und gab einem seiner Sekretäre den Auftrag, den erbetenen Paß auszufertigen. Um zwei Uhr wurde das Mittagsmahl beendet. Oranien stieg gemächlich die Treppe zum Obergeschoß hinauf, als plötzlich Gérard aus einer Nische hervortrat und aus einem halben Meter Entfernung eine mit drei Kugeln geladene Pistole auf die Brust Oraniens abfeuerte. 171
Zu Tode getroffen, sank Oranien in die Arme seines Stallmeisters Jacob von Maldern und soll ausgerufen haben : „Mon Dieu, aie pitié de mon âme et de ce pauvre peuple" (Mein Gott, erbarme Dich meiner Seele und dieses armen Volkes). Seine Schwester Katharina von Schwarzburg fragte ihn, ob er seine Seele Jesus Christus anbefehle, worauf er mit einem schwachen „Ja" antwortete. Nach kurzem Todeskampf starb Wilhelm von Oranien auf einer provisorischen Lagerstatt im Speisezimmer. Gérard wurde festgenommen und unter schrecklichen Folterungen verhört. Gegen den Mörder wurde ein furchtbares Todesurtëil verhängt, das der Chronist van Meteren wie folgt wiedergibt: „Das er nemblich auff ein Geruest (so vor dem Rathauß soll auffgericht werden) gefuehrt: daselbst ihm erst die rechte Handt/mit welcher er diese Verraehterische unnd Moerderische that vollbracht/mit einem glueenden Eysen geschruempffet und abgebrandt/demnach sechsmal mit glueenden Zangen an underscheydtlichen oertern deß Leibs/als Armen/Beynen/und andern fleischichten Gliedern gepetzet/oder gerissen/und dann also lebendig in viertheil von unten auff beginnet geviertheilt/sein Bauch auffgeschnitten/sein untrews Hertz herauß genommen/und in sein des Mörders Angesicht dreymal geschlagen werden/alsdan der Kopff abgehawen/die vier theil des Coerpers von einander geschnitten/auf die vier Bolwerck der Statt als der Haechtpforten/Oestpforten/Ketelpforten und Waterpforten gehenckt/der Kopf aber auff den Schulthurn/hinter obgemeltes Herrn Printzen Losament/an einen Pfal gestecket werden." Am 14. Juli 1584 wurde das Urteil in Delft peinlich genau vollstreckt, wobei Gérard die unmenschlichen Qualen mit großer Standhaftigkeit ertrug. Der Leichnam Oraniens wurde am 3. August 1584 in der Neuen Kirche von Delft beigesetzt.
Epilog
„War eines geraden wolgestalteten Leibs/etwas mittelmaessige lenge ubertreffend/braun von farben/Haar unnd Barth/eines fast schmalen langelechten und mageren Gesichts/aber von Leib was voelliger und feister/sein Natur und innerlich gemueth betreffent/kan ein jeder unpartheylicher auß seinem Leben/Wandel und Thaten leichtlich Judicieren." Mit diesen Worten schloß Emmanuel van Meteren seinen Bericht über die Ermordung und Beisetzung Oraniens. Unparteiliche Urteile über Oranien hat es aber nie gegeben. Was Friedrich Schiller im Prolog zu „Wallensteins Lager" sagte, trifft auch für Oranien zu: „Von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte." Schon bei den Zeitgenossen finden sich extreme Gegensätze in der Einschätzung seiner Persönlichkeit. Für prospanische Schreiber war er eine „Ausgeburt der Hölle", ein „teuflischer Fuchs", ein „Krösus mit unersättlicher Begierde", ein Unruhestifter, hinter dessen Worten von der Freiheit des Volkes, von Gerechtigkeit, Religion und Privilegien, hinter dessen freundlichem Umgang mit den einfachen Menschen sich nichts verbarg als persönliche Herrschsucht. Kalvinistische Schreiber Hollands stellten ihn dagegen als eine lichte Heldengestalt dar, als ein Mensch ohne Fehl und Tadel mit hehrem Trachten und Treiben, der sich ganz für die Freiheit des Vaterlandes und den wahren Glauben aufopferte und zum Begründer der niederländischen Unabhängigkeit, zum „Vater des Vaterlands" wurde. Über den Streit zwischen der oranisch gesinnten Statthalterpartei und der vom Patriziat getragenen Regentenpartei im 17./18. Jahrhundert, den Religionskampf im 19. Jahrhundert bis zu den Auseinandersetzungen um die großniederländische Idee im 20. Jahrundert war das Urteil bürgerlicher Historiker über Oranien immer vom politischen Standpunkt der Autoren geprägt. G. W. Plechanow hat in seiner Schrift „Über die Rolle der Persön173
lichkeit in der Geschichte" in markanter Kürze die marxistische Auffassung über Möglichkeiten und Grenzen des Einflusses starker Persönlichkeiten auf den Gang der Geschichte formuliert: „Die Charaktereigenschaften der Persönlichkeit sind nur dann, dort und nur insofern ein .Faktor' der gesellschaftlichen Entwicklung, wann, wo und inwiefern die gesellschaftlichen Beziehungen ihnen erlauben, es zu sein . . . Einflußreiche Persönlichkeiten können dank den Besonderheiten ihres Verstandes und Charakters das individuelle Gepräge der Geschehnisse und einige ihrer besonderen Folgen ändern, sie können aber ihre allgemeine Richtung nicht ändern, die durch andere Kräfte bestimmt wird . . . Ein großer Mann ist nicht dadurch groß, daß seine persönlichen Besonderheiten den großen geschichtlichen Geschehnissen ein individuelles Gepräge verleihen, sondern dadurch, daß er Besonderheiten besitzt, die ihn am fähigsten machen, den großen gesellschaftlichen Bedürfnissen seiner Zeit zu dienen, die unter dem Einfluß der allgemeinen und besonderen Ursachen entstanden sind." Von dieser Grundposition ausgehend, kann man Oranien nur gerecht werden, wenn man sein Wirken in das Ereignis einordnet, mit dem es untrennbar verbunden war, in die niederländische frühbürgerliche Revolution, die erste siegreiche bürgerliche Revolution der Weltgeschichte. Die Revolution begann 15b6 mit dem Bildersturm und der Rebellion des mit kalvinistischen Konsistorien verbündeten Kleinadels, die bis zum Frühjahr 1567 blutig niedergeworfen wurden. Es folgte 1567 bis 1572 eine „Pause der Revolution", eine Zeit der Herrschaft des konterrevolutionären Terrors unter Alba. Die zweite Etappe der Revolution reichte von 1572 bis 1576. Sie begann mit der Einnahme von Den Briel durch die Wassergeusen, dem Signal für den Aufstand im Norden, der zur Errichtung eines bürgerlichen Staatswesens in Holland und Seeland führte. In der Genter Pazifikation von 1576 errang die bürgerliche Ordnung im Norden die Anerkennung durch die Staaten der südlichen Territorien. Die dritte Etappe der Revolution von 1576 bis 1588 ist durch den Sieg der Konterrevolution im Süden und durch die Entstehung der ersten bürgerlichen Republik der Weltgeschichte im Norden gekennzeichnet. Das entscheidende Ereignis war die staatliche Spaltung im Jahre 1579 durch die Bildung der Unionen von Arras und Utrecht. Die Jahre 1581 (Lossagung von Philipp II.) und 1588 (Verzicht auf die Wahl eines neuen Fürsten) markieren wichtige Stationen auf dem Weg zur bürgerlich-republikanischen Ordnung. Die besonderen politischen, ökonomischen und sozialen Verhält174
nisse der Niederlande in der Mitte des 16. Jahrhunderts führten dazu, daß Wilhelm von Oranien, ein Angehöriger des niederländischen Hochadels, zu einer der führenden Persönlichkeiten der Revolution reifen konnte. Obwohl sich seine ursprünglichen persönlichen Ziele, vor allem die Verteidigung seiner ständisch-feudalen Privilegien gegen die Zentralisationsbestrebungen des spanischen Absolutismus, durchaus von den Interessen der Masse der Bevölkerung unterschieden, wurde er zu einer Symbolfigur des Volkskampfes gegen die spanische Fremdherrschaft. Wie war das möglich? Diese Entwicklung eines Angehörigen der herrschenden Feudalklasse zur führenden Persönlichkeit einer bürgerlichen Revolution hatte vor allem zwei objektive Voraussetzungen. Zum einen ist sie aus der sozialen Unreife der bürgerlichen Kräfte zu erklären, die noch nicht in der Lage waren, allein Hegemon der Revolution zu sein und aus ihren eigenen Reihen noch keine Persönlichkeit mit den Führungsqualitäten eines Oranien hervorbringen konnten. Die niederländische Revolution fand vor dem Beginn der Manufakturperiode statt, und die Bourgeoisie hatte sich noch nicht als Klasse konstituiert — daher auch die Bezeichnung frühbürgerliche Revolution. Zum anderen spielte der ständische Widerstand gegen die absolutistische Politik bei der Herausbildung einer revolutionären Situation und in der Revolution selbst eine entscheidende Rolle und wurde anfangs wesentlich vom Hochadel getragen. Die ständische Opposition war aber in den Niederlanden auch von vornherein zu einem guten Teil bürgerliche Opposition, da in einigen wichtigen Staaten das bürgerliche Element vorherrschte. In dem Maße, wie die antifeudalen Kräfte der Oppositionsbewegung an Gewicht gewannen und die Bewegung radikaler wurde, zerbröckelte die Front des oppositionellen Hochadels. Schließlich war Oranien der einzige Repräsentant des Hochadels, der im offenen Widerstand gegen die Politik Philipps II. verharrte. Auch Oranien lehnte zunächst ein Zusammengehen mit dem kalvinistischen Bürgertum und den revolutionären Volksmassen ab und versuchte, mit der Unterstützung deutscher Fürsten und anderer auswärtiger Mächte auf feudale Weise die Meinungsverschiedenheiten mit seinem Landesherrn auszutragen. Die Unterstützung durch andere Feudalmächte blieb jedoch wegen der gesamteuropäischen politischen Konstellation gering, und Oranien, der sich zudem als schlechter Feldherr erwies, erlitt mit seinen Söldnerheeren schmähliche Niederlagen. Schließlich blieben ihm das radikale kalvinistische Bürgertum und die revolutionären Volksmassen als einzige potentielle Verbündete. Er mußte erkennen, daß er seine Ziele nur im Zusammen175
gehen mit ihnen erreichen konnte und versuchte, sich an ihre Spitze zu stellen. Oranien tat damit einen entscheidenden Schritt, der ihn — ohne daß er sich dessen bewußt war — die Grenzen feudaler Klasseninteressen überwinden ließ. Da der Kampf gegen die Spanier und die bürgerliche Revolution in der konkreten historischen Situation der Niederlande Mitte des 16. Jahrhunderts eine untrennbare Einheit bildeten, verhalf das Wirken Oraniens der Revolution zu partiellen Siegen — zuweilen gegen seine ursprünglichen Absichten. Aus dieser Sachlage sind auch die Grenzen Oraniens und die erheblichen Schwankungen in seiner Politik zu erklären. Zweifellos hängt es mit einer Reihe besonderer Charaktereigenschaften und persönlicher Eigenheiten zusammen, daß gerade Oranien diese Rolle spielen konnte. Er war von tiefem Adelsstolz im allgemeinen und von Stolz auf die Traditionen seiner Familie im besonderen beseelt. Die Zentralisationspolitik Philipps II. und den Terror Albas empfand er als persönliche Beleidigung und als Verletzung des Besitzes und des Ansehens seiner Familie, die er sühnen und zugleich alle Privilegien und Besitzungen wieder gewinnen wollte. Oranien war ein Mann mit starker Willenskraft, der ein einmal als richtig erkanntes Ziel so schnell nicht wieder aufgab, sondern sich mit aller Energie und seiner ganzen Persönlichkeit — auch unter den widrigsten Umständen — dafür einsetzte, es zu erreichen. Im Unterschied zu anderen Hochadligen war er nicht .zur Unterwerfung bereit, sondern willens, mit militärischer Gewalt für sein Recht und seine Ehre zu kämpfen. Oranien war aller religiöser Fanatismus zuwider. Sein Eintreten für religiöse Toleranz und religiösen Ausgleich war die Voraussetzung dafür, daß er vorübergehend zur Zentralfigur aller antispanischen Kräfte werden konnte. Schließlich war Oranien, der einen wachen Geist besaß, in seinem politisch-ideologischen Denken durchaus lernfähig. Als ihm das kalvinistische Bürgertum als einzige Stütze verblieb und er jahrelang fast nur von revolutionären Kalvinisten umgeben war, nahm er vieles von deren Gedankengut auf und gelangte auch zu neuen Einsichten und Urteilen über das einfache Volk, ohne jedoch seine grundsätzlichen Positionen aufzugeben. Im Jahre 1576 wähnte sich Oranien seinem Ziele nahe: den von spanischer Fremdherrschaft befreiten, religiös toleranten, bei entscheidendem Einfluß des Hochadels ständisch regierten Niederlanden. Doch die Politik des sozialen und religiösen Ausgleichs scheiterte sowohl am Drängen der revolutionären Kalvinisten auf Weiterfüh176
rung der Revolution als auch am Widerstand der Konterrevolutionäre. Am Ende seines Lebens war Oranien politisch gescheitert, sein im Grunde rückwärts gewandtes Programm war von dem revolutionären Geschehen überrollt worden. Allerdings: Trotz aller Schwankungen und allen Zaudems — vor allem in Phasen der Radikalisierung der Revolution — Oranien wurde nie zum Verräter am antispanischen Befreiungskampf. Er hat Gut und Blut in diesem Kampf eingesetzt und verloren.
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Vetter, Oranien
Stammbaum des Hauses Nassau-Dillenburg
Trutwin (um 1100) Dudo (urffl 100)
unbekannt
Gräfin v. Arnstein
Ruprecht (um 1154) WaJam 1.(1146-1198) Heinrich n. (1251) Ottol. (1289/90)
Walram D. (1220-1276)
unbekannt
I Adolf (1292-1298 König)
I
I Otto D. (um 1300-1350/51) Adelheid von Vianden
Walramsche Linie
Johann I. (um 1339—1416) Engelbrecht I. (um 1380-1442) Johanna von Polanen Johann 1^^0410-1475)
Heinrich O. (1414-1450)
Engelbrecht n. (1451-1504)
Johann V. (1455-1516)
Heinrichm. (1483-1538) Claudia von ChalonOranien
r
Rene von Chalon-Oranien (1519-1544)
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^
Wilhelmin. (1487-1559) Walburg von Egmont Juliana von Stolberg
i
i
w
Wilhelm Johann Ludwig Adolf Heinrich
Zeittafel
24. April 1533
3. August 1544
Frühjahr 1545 1545-1563
1546/47
25. September 1550 8. Juli 1551 März 1552
27. April 1552 9. Dezember 1553 19. Dezember 1554 22. Juli 1555
12*
Wilhelm von Oranien wird in Dillenburg als ältester Sohn des Grafen Wilhelm III. von Nassau-Dillenburg geboren. Tod des René von Chalon-Oranien. Der junge Wilhelm von Nassau erbt die Besitzungen seines Cousins. Übersiedlung Wilhelms von Oranien in die Niederlande. Konzil von Trient zur inneren Festigung der katholischen Kirche und zur Offensive gegen den Protestantismus. Schmalkaldischer Krieg Kaiser Karls V. gegen den Schmalkaldischen Bund protestantischer Reichsfürsten. Großes Edikt Karls V. zur Verfolgung der Ketzer in den Niederlanden. Eheschließung Wilhelms von Oranien mit Anna von Buren. Beginn eines Aufstandes protestantischer Fürsten gegen Kaiser Karl V. Karl muß im Passauer Vertrag die Duldung des Protestantismus bis zum nächsten Reichstag zusagen. Oranien tritt als Oberst in den Kriegsdienst für Kaiser Karl V. Geburt von Oraniens Tochter Maria. Geburt von Oraniens Sohn Philipp Wilhelm Kaiser Karl V. ernennt Oranien zum Generalkapitän und Oberbefehlshaber der Maas-Armee. 179
25. September 1555
25. Oktober 1555
18. November 1555 15. Januar 1556 30. März 1556 14. März 1558 24. März 1558 21. September 1558 3. April 1559
1. Juni 1559 Juli 1559
25. August 1559 September 1559 6. Oktober 1559 1561 1561/62 24. August 1561 Mai 1562
180
Verkündung des Religionsfriedens durch den Reichstag von Augsburg. Gleichberechtigte Anerkennung der Lutheraner. Der Landesherr bestimmt die Konfession seiner Untertanen. Rücktritt Karls V. als Landesherr der niederländischen Territorien zugunsten seines Sohnes Philipp. Philipp beruft Oranien in den Staatsrat. Karl übergibt die Herrschaft in Spanien an seinen Sohn Philipp II. Oranien wird Ritter des Ordens des Goldenen Vlies. Kaiserproklamation Ferdinands I., des jüngeren Bruders Karls V. Tod von Oraniens Frau Anna von Buren. Tod Karls V. Der Frieden von Cateau-Cambresis beendet die „Italienkriege" zwischen Spanien und Frankreich. Oranien geht als Geisel mit Alba und Egmont nach Frankreich. Beginn des offenen Widerstandes des niederländischen Hochadels gegen die absolutistischen Zentralisierungsbestrebungen Philipps II. Abreise Philipps II. aus den Niederlanden. Geburt eines unehelichen Sohnes Oraniens durch Eva Ellings. Tod von Oraniens Vater Graf Wilhelm III. von Nassau-Dillenburg. Neuordnung der Kirchenstruktur in den Niederlanden. Beginn des Volkswiderstands gegen die spanische Unterdrückungspolitik. Eheschließung Oraniens mit Anna von Sachsen. Bildung der Liga des niederländischen Hochadels zur Durchsetzung seiner ständischen Interessen gegen den spanischen Absolutismus.
Protestschreiben Oraniens, Egmonts und Hoorns wegen der Willkürherrschaft Granvelles. Geburt von Oraniens Tochter Anna. 15. November 1563 Abreise Granvelles aus den Niederlanden 13. März 1564 nach seiner Abberufung durch Philipp II. Tod Kaiser Ferdinands I. Sein Nachfolger 25. Juli 1564 wird Maximilian II. (1564-1576). Oranien verkündet in einer Rede im Staats31. Dezember 1564 rat sein antiabsolutistisches Programm. Gründung einer Vereinigung des niederlänDezember 1565 dischen Kleinadels („Kompromiß") zum Kampf gegen die Politik des spanischen Absolutismus. Übergabe einer Bittschrift des „Kompro5. April 1566 miß" an die Generalstatthalterin Margarethe von Parma. Ausbruch des Bildersturms. Beginn der nie10. August 1566 derländischen frühbürgerlichen Revolution. Niederschlagung des Aufstandes des KleinDezember 1566— adels. März 1567 Oranien geht in das Exil nach Dillenburg. 22. April 1567 Einmarsch Albas in die Niederlande. 3. August 1567 Alba setzt den „Rat der Unruhen" als Son5. September 1567 dergerichtshof zur Bekämpfung des niederländischen Widerstands ein. 14. November 1567 Geburt von Oraniens Sohn Moritz. April—Dezember 1568 Ein Kriegszug Oraniens gegen Alba scheitert kläglich. 11. März 1563
23. Mai 1568
Tod von Oraniens Bruder Adolf von Nassau in der Schlacht bei Heiligerlee.
5. Juni 1568
Hinrichtung von Egmont und Hoorn in Brüssel. Geburt von Oraniens Tochter Emilia. Beginn einer Liebesbeziehung zwischen Oraniens Frau Anna von Sachsen und Jan Rubens, aus der am 22. 8i 1571 eine Tochter hervorging.
10. April 1569 Mai 1570
1. April 1572
13
Vetter, Oranien
Eroberung Den Briels durch die Wassergeusen. 181
Mai —September 1572 23./24. August 1572
20. Juli 1572 2. Oktober 1572 12. November 1572
10. Dezember 1572 12. Juli 1573 21. August 1573 8. Oktober 1573 15. Oktober 1573 31. Oktober 1573 13. Dezember 1573 14. April 1574
2. Oktober 1574 8. Februar 1575 4. Juni 1575
12. Juni 1575 5. März 1576 13. März 1576 12. Oktober 1576
182
Zweiter mißlungener Feldzug Oraniens gegen Alba. Bartholomäusnacht — Massenmord an Anhängern der hugenottischen Adelspartei in Frankreich. Die Staatenversammlung von Holland in Dordrecht ernennt Oranien zum Statthalter. Plünderung Mechelns durch Albas Truppen. Plünderung und Niederbrennung Zutphens, Ermordung fast aller Einwohner durch Truppen Albas. Beginn der Belagerung Haarlems durch Truppen Albas. Kapitulation Haarlems. Beginn der Belagerung Alkmaars durch Truppen Albas. Abbruch der Belagerung Alkmaars. Ablösung Albas als Generalstatthalter. Sein Nachfolger wird Luis de Requesens. Beginn der Belagerung Leidens durch die Spanier. öffentlicher Übertritt Oraniens zum Kalvinismus. Niederlage der oranischen Truppen in der Schlacht auf der Mooker Heide. Oraniens Brüder Ludwig und Heinrich von Nassau finden den Tod. Entsetzung Leidens. Gründung der Universität Leiden. Unionsabkommen zwischen Holland und Seeland, das am 25. April 1576 bekräftigt und erweitert wird. Eheschließung Oraniens mit Charlotte de Bourbon. Tod des Generalstatthalters Requesens. Sein Nachfolger wird Juan d'Austria. Geburt von Oraniens Tochter Louise Juliana. Tod Kaiser Maximilians II. Sein Nachfolger wird Rudolf II. (1576-1612).
6. November 1576
8. November 1576
26. März 1577 August 1577 23. September 1577 28. Oktober 1577
20. Januar 1578
16. Februar 1578 31. Juli 1578 6. Januar 1579 23. Januar 1579
18. August 1579 15. März 1580 15. Juni 1580 17. September 1580 26. Juli 1581 9. September 1581 18. März 1582 5. Mai 1582 16. Januar 1583 13*
Überfall der spanischen Garnison auf Antwerpen. Plünderung und Brandschatzung der Stadt (spanische Furie). Friedens- und Beistandspakt zwischen Holland und Seeland und den Generalstaaten (Genter Pazifikation). Geburt von Oraniens Tochter Elisabeth. Entstehung eines revolutionären Machtorgans in Brüssel (Komitee der Achtzehn). Triumphaler Einzug Oraniens in Brüssel. Verhaftung konterrevolutionärer Adelsvertreter durch die Genter Radikalen. Bildung eines Komitees der Achtzehn in Gent. Erzherzog Matthias von Österreich leistet den Eid als Generalstatthalter. Oranien wird sein Stellvertreter und als Ruwaard von Brabant bestätigt. Beginn einer revolutionären Offensive der Genter Radikalen. Geburt von Oraniens Tochter Catharina Belgia. Gründung der konterrevolutionären Union von Arras. Gründung der Union von Utrecht. Entstehung des ersten bürgerlichen Staates der Weltgeschichte. Geburt von Oraniens Tochter Flandrina. Bannspruch Philipps II. gegen Oranien. Tod von Juliana von Stolberg, der Mutter Oraniens. Geburt von Oraniens Tochter Brabantina. Lossagung der Generalstaaten von der Landeshoheit Philipps II. Geburt von Oraniens Tochter Emilia Antwerpiana. Schwere Verwundung Oraniens durch Juan Jaureguy. Tod von Oraniens Frau Charlotte de Bourbon. Mißlungener Staatsstreich von Franz von Anjou (französische Furie in Antwerpen). 183
12. April 1583 29. Januar 1584 10. Juli 1584 3. August 1584
Eheschließung Oraniens mit Louise de Coligny. Geburt von Oraniens Sohn Friedrich Heinrich. Ermordung Oraniens durch Balthazar Gérard in Delft. Beisetzung Oraniens in der Neuen Kirche zu Delft.
Auswahlbibliographie
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Abkürzungsverzeichnis BMGN Bijdragen en mededelingen betreffende de geschiedenis der Nederlanden JGF Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
Abbildungsnachweis
Deutsche Staatsbibliothek, DDR — 1080 Berlin G. Braun/F. Hogenberg, Beschreibung und Contrafactur der vornembsten Stät der Welt, Köln 1574: Abb. 7 F. Hogenberg, Kupferwerk 1535—1610, o. O., o. J. Abb. 2, 4, 5, 6,11, 13, 16, 17, 18, 19, 21, 23, 24, 27, 29, 30, 31, 32 M. Merian, Topographia, Bd. 9: Abb. 1 M. Merian, Topographia, Bd. 16: Abb. 12, 22, 25, 26 Universitätsbibliothek Leipzig Abb. 9 (Flugschrift) E. van Meteren, Historia . . . aller fürnehmen Kriegshändel . . . so sich in Niederdeutschland zugetragen haben, o. O., 1597: Abb. 10, 14 Oranje-Nassau-Museum Titelfoto
Delft:
Sammlung Stichting Historische Verzamelingen van het Huis OranjeNassau s'-Gravenhagen: Abb. 3, 20 Rijksmuseum-Stichting Abb. 8, 15
Amsterdam:
Rijksmuseum Mauritshuis Den Haag: Abb. 28
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Personenregister
Aarschot, Philippe de Croy, Herzog von 31, 66, 140f„ 157ff. Abels, Jan 105,107 Adelheid von Vianden 12 f. Adolf von Nassau, König 12 Adolf von Nassau 14, 98, 181 Alba, Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von 35f„ 41 f., 89ff„ 97ff, 105 ff., 113f., 116 f., 119, 122 ff., 130, 181 f. Amadius von Gallien 54 Anastro, Gaspard d' 169 Anjou, François, Herzog von (bis 1574 Herzog von Alençon) 162,168,170f., 183 Anna von Buren 25 ff., 29, 138, 179 f. Anna von Oranien 60, 92, 181 Anna von Sachsen 51 ff., 60ff., 80, 92, 102f„ 136ÍT., 180 f. Aremberg, Jean de Ligny, Graf von 30 Assonleville 141 August, Kurfürst von Sachsen 51 ff., 60ff„ 82, 92,97, 116, 136ff. Ausbespine, Sébastien de 1' 47 Averley, d' 136 Avila, Sancho d' 131,146 Beauvoir, Philippe de Lannoy, Seigneur de 85 Bekerzeel 79 Berg, Hermann, Graf von 113 Bergen, Jan IV. van Glymes, Marquis von 53,68 f.
Berlaymont, Charles, Graf von 31, 38, 70, 79, 140f. Beza, Theodor 121 Bloeyere, Hendrik de 143 Boekholt, Nicolaus van 148 Boisot, Louis de 132 Bonte, Hugo 139 Bor, Pieter 125,153 Bossu, Maximilian de Henin, Graf von 110 Botalli 169 Bourlotte, Andries 98 Brabantina von Oranien 138, 183 Brederode, Heinrich von 53, 67, 69 f., 73 f., 84, 92, 102, 107 Brederode, Lancelot von 107, 124 Buzere, Jacob de 77
Cabeljauw, Jacob 125 Calvin, Jean 44 Carlos von Spanien 31, 167 Catharina Belgia 138,183 Charlotte de Bourbon 135 ff, 154, 169,182 f. Christine, Herzogin von Lothringen 51 Christine, uneheliche Tochter Annas von Sachsen 103 Christoph von der Pfalz 130 f. Claudia von Chalon 17 Coligny, Gaspard de 34, 41, 97, 103, 106, 113ff, 121
Condé, Ludwig von
97, 103, 106,
121
Coornhert, Dirk Volkertszoon 121 Corbaron, Claude de Bouton, Herr von 18,25 Culembourg, Floris, Graf von 67, 70 Dathenus, Peter 104,121 Davison, W. 155 Dolhain, Andries de Bergues, Herr von 107 Driutius, Remigius 160 Eboli, Ruy Gömez da Silva, Fürst von 35,41,89 Egmont, Lamoral, Graf von 11, 30, 36, 38, 46ff., 52, 55f., 58ff., 62, 64 ff., 68 f., 78 ff., 82,"87,91 f., 99,154, 181 Egmont, Philipp von 146 Einde, van der 143 Elisabeth, Königin von England 57, 104, 107, 113, 115, 151 Elisabeth von Oranien 138, 183 Elisabeth von Frankreich 36 Ellings, Eva 38 Emanuel Philipp, Herzog von Savoyen 33, 38 Emilia von Oranien 181 Emilia Antwerpiana von Oranien 138, 183 Engelbrecht 1., Graf von Nassau 12f. Engelbrecht II., Graf von Nassau 13 Entens van Mentheda, Barthold 107, 121 f. Esche, Johannes van 43 Fadrique, Sohn Albas 123, 126 Farnese, Alexander, Prinz von Parma 164f. Ferdinand I., Kaiser 8, 11, 31, 35, 180,181 Flandrina von Oranien 138, 183 Foreest, Pieter van 133 Françoise de Bourbon 136
192
Franz I., König von Frankreich 16, 45 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 16 Friedrich III., Kaiser 8 Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz 131,135 Friedrich Heinrich non Oranien 171, 184
Genlis, Jean de Hangest, Seigneur de 114,115 Gérard, Balthazar 171 f., 184 Glymes, Jacob van 143 Granvelle, Antoine Perrenot, Herr von 10f., 25, 28, 35, 38, 46f., 49, 51 f., 55f„ 58, 60f., 64, 89, 109, 124, 181 Granvelle, Frédéric Perrenot de, Baron de Champigney 141 Hammes, Nicolas van 101 Havré, Marquis de 141 Heinrich II., König von Frankreich 35, 36, 42 Heinrich III., König von Frankreich (bis 1574 Herzog von Anjou) 130, 162 Heinrich II., Graf von Nassau 12 Heinrich III., Graf von Nassau 13, 16f„ 19 Heinrich von Nassau 14, 103, 113, 115, 129 ff., 182 Hembyze, Jan van 143,159 Hessels, Jacob 160,163 Heze, Willem van Hoorn, Herr von 143 Hooft, Pieter Corneliszoon 159 Hoogstraten, Antoine de Lalaing, Graf von 68,79,97,101 Hoorn, Philippe de Montmorency, Graf von 11, 38, 46f., 53, 56, 58ff., 60, 68f., 78ff., 82, 87, 91 f., 99, 114, 154,181 Houwaert, Johann Baptista 155 Huegen, van 143
Isabella von Portugal
31
Jaureguy, Juan 169,183 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 53 Johann IV., Graf von Nassau 13 Johann V., Graf von Nassau 13 Johann VI., Graf von Nassau 14, 76, 91, 96, 102, 115f„ 129f„ 1*37, 140, 154, 165, 169 Johann I. von Chalon 17 Johann von Aragon und Kastilien 8 Johann, Markgraf von Küstrin 53 Johann von Luxemburg 21 Johann von Polanen 12 f. Johann Casimir von der Pfalz 163 Johann Friedrich, Kurfürst von Sachsen 15,39 Johann Philipp, Rheingraf von Dhaun 34 Juan d' Austria 141, 149ff„ 156, 160, 163f., 182 Juliana von Stolberg 12ff., 168, 183 Justinus von Nassau 38 Karl IV., Kaiser 17 Karl V., Kaiser 7fT., 16, 18fT„ 23ff., 28 fT., 35, 38 ff., 43 ff., 48, 51, 57, 141, 150, 158, 179f. Karl IX., König von Frankreich 40 f., 103, 113, 115, 130 Karl der Kühne, Herzog von Burgund 8 Katharina von Medici 115 Katharina von Schwarzburg 51, 61, 169, 172 Knibbere, François de 94 Knüttel, Wilhelm 52 Lalaing, Emmanuel Philibert de Lalaing, Karl, Herzog von 30 Lalaing, Philippe de 141 Languet, Hubert 94,121 Leoninas, Albertus 139 Lierde, Frau von 38
141
Liesfeldt 143 Linden, Jan van der 143 Lippius, Johann 121 Loeser 61 Louise de Coligny 170f., 184 Louise Juliana von Oranien 138, 182 Ludwig II., König von Ungarn 23 Ludwig von Chalon, Prinz von Oranien 17 Ludwig von Nassau 14,40,51,59,61, 67, 69, 75f., 80, 85, 96fT., 103ff„ 113ff., 120, 129 ff., 182 Lullin 62 Lumbres, Guislain de Fiennes, Herr von 107 Lumey, Willem van der Marek, Herr von 107,117f„ 121 Luther, Martin 9, 15, 44 Maldern, Jacob von 172 Mandrimont, Mademoiselle de 38 Mansfeld, Ernst, Graf von 79, 87 Margarethe von Parma 46, 48 f., 52, 55, 62, 66, 69ff., 73f„ 78ff„ 83, 84, 85, 87, 90ff., 164, 181 Margarethe von Savoyen 8 Marguerite von Valois 113, 116 Maria, Herzogin von Burgund 8, 21 Maria von Ungarn 10f., 18, 23, 29, 43 Maria von Oranien 27, 169, 179 Maria Stuart 151 Marnix, Johann van, Herr von Toulouse 69,85,117 Marnix, Philipp van, Herr von Sint Aldegonde 117, 120f., 136, 138, 154,160 Mason, John 10 Matte, Sebastian 76 Matthias, Erzherzog von Österreich 157, 160f„ 163, 168, 183 Maximilian I., Kaiser 8 Maximilian II., Kaiser 83, 181 f. Maximilian Egmont, Graf von Buren 24 f. 193
Medina Celi, Don Juan de la Cerda, Herzog von 124 Meghen, Charles de Brimeu, Graf von 68 f., 91 Meixner, Johann 94 Mere, van der 147 Merode, Johann von 18 Meteren, Emanuel van 159, 172 Mey, Meerten Pietersen van der 126 Montigny, Floris de Montmorency, Baron de 53, 56, 68f„ 164 Montpensier, Louis Bourbon, Herzog von 135 Mordeisen, Ulrich 53 Morillon 111 Moritz, Kurfürst von Sachsen 36, 39, 51 Moritz von Oranien 60, 92, 168, 181 Motley, John Lothrop 147 Motte, Valentin de Pardieu, Seigneur delà 164 Moulart, Matthäus 164 Naci, Joseph 97 Neuenahr, Graf von 25 Noircarmes, Philippe de St. Aldegonde, Baron de 86,91 Noue, François de la 114, 168 Otto I., Graf von Nassau 12 Otto II., Graf von Nassau 12 Perrenot, Jeröme, Herr von Champigney 25 Peter der Reiche 121 Pfeflïnger, Johann 53 Philibert von Chalon, Prinz von Oranien 17 Philipp II., König von Spanien 7,9ff., 24f., 28, 30ff., 39, 41 ff., 60, 62ff„ 68 ff., 72, 74, 78, 80, 82, 83, 84, 87 ff., 97, 108, 110, 118, 123, 127, 134f., 139 ff., 146, 148, 150 f., 155ff., 161 f., 164f„ 167, 175 f., 180f., 183
194
Philipp der Gute, Herzog von Burgund 23, 31 f. Philipp der Schöne 7, 8 Philipp, Landgraf von Hessen 14, 34, 51 ff., 59ff., 82,97 Philipp, Graf von Hanau 13 Philipp Wilhelm von Oranien 27, 91, 94, 102, 132, 179 Plechanow, G. W. 173 Plessis, Philippe de Mornay, Seigneur de 121 Pontus Heuterus 10 Rassenghien, Maximilien Vilain, Seigneur de 84,141,160 Renata von Lothringen 50 René von Chalon, Prinz von Oranien 16fT., 30, 179 René, Herzog von Lothringen 8 Rennenburg, George de Lalaing, Baron von 168 Requesens, Don Luis de 127, 131, 139ff., 182 Rijhove, François de la Kéthulle, Herr van 159 f. Rijthovius, Martinus 160 Roda, Geronimo 140,142 Roeulx, Jan de Croy, Graf von 141, 146 Romero, Julian 116 Rossem, Maarten van 30 Rubens, Jan 103,181 Rubens, Peter Paul 103 Rudolf II., Kaiser 157,182 Ruychaver, Nicolaas 125 Sarrazier, Johannes 164 Sasbout, Arnold 141 Schiller, Friedrich 173 Schwarzburg, Günther, Graf von 37, 51 f., 68 Selim II., türkischer Sultan 90, 97 Sonoy, Dietrich 126 St. André, Jaques d' Albon, Herr von 34 f.
St. Auban 63 Straten, Antoon van 92, 99 Suleiman II., türkischer Sultan Téligny, Charles de 170 Teylingen, Floris van 126 Thin, Floris 165 Treslong, Willem Blois van Urselen, Lancelot van
Voes, Heinrich 43 Vos, Arend Dirckzoon
83
90
107
148
Valdez 132 Venero, Antonio de 169 Viglius, eigentlich Ayatta Wigle van Zwichem 35 f., 55, 64f., 79, 141 Villers, Jean de Montigny, Seigneur de 98 f. Vincidor, Thomas 19 Vleeschouwere, Frans de 143
Walburg von Egmont 13 Walram, Graf von Nassau 12 Wenzel, Herzog von Luxemburg 21 Wesembeke, Jacob van 94, 121 Werff, Pieter Adriaens van der 132 Wildberg, Heinrich von 52 Wiesch, Jan de 163 Wilhelm III., Graf von Nassau-Dillenburg 12 ff., 28,34,40, 179 f. Wilhelm, Landgraf von Hessen-Kassel 59, 61, 82, 92f„ 97, 116, 137f., 167 Wittgenstein, Ludwig, Graf von 82
Zell, Nikolaus 93 Zimmermann, Anthonius
169
I I
s
FC; Ve
Die Niederlande Kirchliche 1 / / A Provinzen, Utrechter (Vereinigte
Jahrhundert
Besitzungen die sich 1579 in der Union zusammenschlössen Provinzen)
1
Stadt
2 3
Fries land (152*) Overifssel und Drenthe Hollana (1433)' 5 Seeland (1433) 7 Brabant (1430) 9 Flandern (1384) 11 Wallonisch-Flandern Tournai (1385) 14 Namur (1429) 18 Luxemburg (1451)
6 8 10 12 13 15 17
im 16.
und Land
Groningen