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German Pages 400 [410] Year 2009
Wie die Europer ihre Zukunft sehen
Ulrich Reinhardt, George T. Roos (Hg.)
Wie die Europa ¨er ihre Zukunft sehen Antworten aus 9 Lndern
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
c 2009 by Primus Verlag, Darmstadt Gedruckt auf surefreiem und alterungsbestndigem Papier Redaktion: Martina Peters (Stiftung fr Zukunftsfragen – eine Initiative von British American Tobacco, Hamburg), Kristine Althhn (Mainz) Grafiken: Satz- und Grafikstudio Stephan Meyer, Dresden Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt Titelbild: getty images Layout: Petra Bachmann,Weinheim Gestaltung und Satz: Hagedorn Kommunikation,Viernheim Printed in Germany
www.primusverlag.de ISBN:
978-3-89678-802-3
Inhalt 7 Vorwort (Ulrich Reinhardt / George T. Roos)
9 Europische Perspektiven
10 Der große Umbruch: Eine Erzhlung (John S. Ratcliffe / Paolo Ronchetti)
40 Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern: Eine Momentaufnahme (Pierre-Alain Schieb)
56 Europa 2030: Gedanken zur Pan-European Future Study (Johan Peter Paludan)
71 Europa 2030: Was knnen wir erwarten? Teil I (George T. Roos)
80 Europa 2030: Was knnen wir erwarten? Teil II (Ulrich Reinhardt)
93 Einzelanalysen fr 9 Lnder
94 Europa 2030: Die Zukunftserwartungen der Deutschen (Pero Mic´ic´ / Enno Dneke)
113 Deutschland 2030: Dstere Perspektiven und ein Lichtblick (Karlheinz Steinmller)
131 Finnland 2030: Auf dem Weg in die Zukunft (Sirkka Heinonen / Markku Wilenius)
149 Frankreich 2030: Neues Vertrauen in die Zukunft (Fabienne Goux-Baudiment)
180 Großbritannien 2030: Vorwiegend pessimistisch – keine Visionen (Wendy L. Schultz)
200 Großbritannien 2030: Pessimismus im Gewand britischen Understatements (Rohit Talwar)
222 Italien 2030: Kollektiver Pessimismus und das „Licht der Hoffnung“ (Riccardo Cinquegrani)
244 sterreich 2030: Realismus – und ein wenig Zukunftsangst (Reinhold Popp / Peter Zellmann)
268 Russland 2030: Herausforderungen an eine Nation im Umbruch (Alexander Sokolov)
283 Schweiz 2030: Zukunfts-Kulturen brauchen bersetzung (Andreas Giger)
293 Spanien 2030: Radikaler Wandel einer jungen Demokratie (Enric Bas)
313 Anhang
314 Methode und Befragungszeitraum
316 Europa in Zahlen
318 Befragungsergebnisse Alle europischen Ergebnisse Deutschland Finnland Frankreich
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Großbritannien Italien
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367 375 Schweiz 383 Spanien 391 sterreich Russland
399 Autorenspiegel
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Vorwort Ulrich Reinhardt / George T. Roos
Wissenschaftliche Forschung fhrt zu neuen Erkenntnissen und regt zum Nachdenken ber die Zukunft an. Die europische Zukunftsforschung kann dabei an eine lange Tradition anschließen: von den Auguren in Delphi ber Thomas Hobbes, Thomas Morus, JeanJacques Rousseau, Victor Hugo oder Tommaso Campanella bis zu Robert Jungk. Diese Tradition gilt es fortzufhren und Perspektiven fr das Leben von morgen zu geben. Hierbei darf nicht nur die Frage „Wie werden wir morgen leben“ im Fokus der Forschung stehen, sondern es mssen Antworten auf die Frage gefunden werden „Wie wollen wir morgen leben“. Es reicht nicht aus, wenn wir in 20 oder 30 Jahren mit Stolz behaupten knnen, wir haben schon 2008 gewusst, wie die Zukunft sich entwickelt, aber keine Frage auf die Antwort geben knnen, „weshalb habt ihr denn nichts dafr oder dagegen getan“. Dies war die Basis eines gemeinsamen Buchprojekts der Stiftung fr Zukunftsfragen – einer Initiative von British American Tobacco – und der European Futurists Conference Lucerne. Aus zehn verschiedenen Lndern konnten 20 Wissenschaftler gewonnen werden, die sich in differenzierter Weise acht Themenfeldern gewidmet haben. Die Basis ihrer Auswertung bildete eine umfassende Reprsentativbefragung, in der zeitgleich ber 11 000 Personen in den neun Lndern Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, sterreich, Russland, der Schweiz und Spanien befragt wurden. Es gibt nicht nur eine Zukunft, und die Zukunft ist kein Zufall. Sie geschieht nicht einfach. Sie wird gestaltet. Zum Beispiel von der Politik, die Weichen stellt und Rahmenbedingungen vorgibt, ber die Medien, die berichten und informieren, bis zu den Wirtschaftsunternehmen, die durch ihr Handeln und ihre Bedrfnisse ebenfalls die Zukunft mit gestalten. Vor allem aber durch die Brger selbst, die
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Vo r w o r t
durch ihr Verhalten entscheidend dazu beitragen, die Welt von morgen zu prgen. Hierbei ist keiner so naiv zu glauben, alles hnge nur von ihm selbst ab. Denn globale Probleme betreffen alle Menschen (beispielsweise der Klimawandel oder die demografische Entwicklung in einigen Lndern). Neue Herausforderungen treten neben oder an die Stelle von alten (etwa die Migration oder die Globalisierung). Die Technologie schafft ungeahnte neue Mglichkeiten und verlangt von uns einen Umgang damit (zum Beispiel die Nanooder Biotechnologie). Neue Weltmchte entstehen und prgen mit ihrer Kultur die Zukunft (z. B. Indien, China oder Brasilien). Und nicht zuletzt gibt es eine Entwicklung (mainstream), die neue gesellschaftliche Megatrends vorgibt. Dazu gehrt etwa die hhere Aufmerksamkeit gegenber Gesundheitsfragen, die Renaissance der Familie oder die gleichzeitig fortschreitende Individualisierung der Gesellschaft. Trotzdem bleibt es eine Tatsache, dass jedem Brger – als einzelnem Subjekt oder in der Gesamtheit als Gesellschaft – Gestaltungs- und Wahlmglichkeiten eines knftigen Lebens bleiben. Vorstellungen darber, wie die Zukunft sein wird, beeinflussen diesen Gestaltungswillen. Sie sind eine Vorwegnahme nicht nur der Wnsche (und Befrchtungen) an eine zuknftige Welt, sondern auch Ausdruck davon, welche Zukunftsherausforderungen bereits wahrgenommen werden und daher einer Lsung zugefhrt werden mssen. Insofern gehren Zukunftserwartungen zu den wichtigen Fragen der Zukunftsforschung. Sie treiben die Entwicklung voran und sind somit zentraler Gegenstand einer systematischen Auseinandersetzung mit der Zukunft. Nicht ohne Stolz freut es uns daher, hier eine Lcke gefllt zu haben.
Europische Perspektiven
Der große Umbruch: Eine Erzhlung John S. Ratcliffe / Paolo Ronchetti
Das 21. Jahrhundert ist eine außergewhnliche Periode. Wir leben in einer Zeit schneller Vernderungen – einer Zeit, in der neue Erkenntnisse und Technologien fr die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eine immer grßere Rolle spielen. Die Welt, und damit auch Europa, wird komplexer, wettbewerbsorientierter und strker vernetzt. Auf der einen Seite erleben wir wirtschaftliche Internationalisierung, auf der anderen kulturelle Dezentralisierung. Wir haben den Wandel von einer Industrie- zu einer Informationsund Wissensgesellschaft vollzogen. Rasche Entwicklungen sind in unterschiedlichsten Bereichen, von Gentechnik ber Werkstoffe, Energie, Computer, Automatisierungssysteme, Miniaturisierung, Medizin und Heilverfahren bis hin zu Kommunikation greifbar. Die Grenzen zwischen verschiedenen Wissensgebieten, Wirtschaftsbranchen und den gemeinntzigen Unternehmen verschwimmen. Gleichzeitig werden die Bindeglieder zwischen diesen Bereichen immer wichtiger – Netzwerke, Systeme und ganzheitliches Denken gewinnen an Bedeutung. Europa befindet sich an der Spitze dieser Entwicklung. Darber hinaus mssen sowohl auf globaler als auch auf europischer Ebene große Herausforderungen angegangen werden. Dies gilt besonders in Bezug auf Demografie, natrliche Rohstoffe, Umwelt und den Umgang miteinander. Alles in allem findet ein Wandel statt, ein regelrechter Bruch. Das Alte lst sich auf, etwas Neues entsteht.
Der große Umbruch
Worauf bezieht sich nun die „Erzhlung“ in der berschrift dieses Beitrags? Auch wenn sich Akademiker fr gewhnlich dagegen verwehren, liegt der Reiz einer Erzhlung als Darstellungsform auf der Hand. Das Geschichtenerzhlen ist im Leben eines jeden von uns allgegenwrtig. Seit Anbeginn der Zivilisation ist es eine wesentliche Ausdrucksform der kollektiven Kommunikation wie der individuellen Wahrnehmung. In Geschichten geben wir unsere Werte und Prinzipien wie unsere ngste und Probleme an die nchste Generation weiter. Eine Geschichte zu erzhlen liegt nahe und ist hoffentlich auch unterhaltsam und motivierend. Durch Geschichten knnen wir komplexen Dingen besser auf den Grund gehen, Unsicherheiten bewerten und Risiken begegnen. Geschichten knnen unsere Sicht der Dinge erweitern oder verndern, Erinnerungen wachrufen oder Reaktionen auslsen, sie knnen unsere Gefhle ansprechen oder beim Vermitteln unserer berzeugungen helfen. Und sie erfllen all diese Funktionen auf eine nicht auf Konfrontation ausgelegte Weise, die die normale Abwehrhaltung der Menschen umgeht. Vor allem aber bieten Geschichten eine Mglichkeit,Vernderungen plastisch zu machen und eine bevorzugte Version der Zukunft zu entwerfen – eine Vision.
Istanbul, Mai 2030 – Am Vorabend der Verleihung des Karlspreises Genießerisch nippt Dr. Hrrem Nurbanu nach dem Essen an ihrem Mokka und wiegt sich in der steifen Brise, die vom Marmarameer heraufweht. Sie steht auf der Veranda ihrer Villa, einem prchtigen Gebude aus der Zeit des Osmanischen Reichs, das ber der Serailspitze thront, jenem Punkt in Istanbul, der nahezu komplett von Wasser umgeben ist. Nachdenklich schweift ihr Blick ber die Kuppeln und Minarette. Das historische Stadtviertel unter ihr spiegelt den Glanz zweier vergangener Reiche. Dreißig turbulente Jahre sind seit der Jahrtausendwende vergangen, und in der Zwischenzeit hat sich die erweiterte Europische Union zu einer echten Weltmacht
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Europische Perspektiven
gemausert. Wie war es dazu gekommen? Welche Rolle hatte sie dabei gespielt? Und wer wusste, was die Zukunft bringen wrde? Das Lrmen des Partyvolkes, das unter ihr zum CankurtaranBahnhof pilgert, reißt Dr. Nurbanu aus ihren Gedanken. Außerdem ist sie nicht allein. In den lnger werdenden Schatten hinter ihr sitzt ein Besucher, Sir Terence Touchstone, ein Promi-Reporter. Als sie die Interviewanfrage dieses Journalisten, der fr seine bohrenden Fragen bekannt ist, erhielt, hatte sie bereitwillig zugesagt und ihn in ihr Haus eingeladen. Das war ihr lieber als ein Treffen auf seinem Terrain in einem Studio in Paris oder per unpersnlicher Fernverbindung mit Holografietechnik. Ihr Haus war ein ruhigerer und passenderer Ort fr einen Rckblick. Schließlich war sie bereits vor drei Jahren aus dem Amt als erste direkt gewhlte Prsidentin der erweiterten Europischen Union ausgeschieden. Doch obwohl sie sich gern an die Turbulenzen und Triumphe ihrer Karriere erinnert, luft ihr ob des bevorstehenden Interviews nun doch ein ngstlicher Schauer ber den Rcken. Doch wie auch immer: Morgen wrde sie fr ihre Verdienste fr die Europische Einigung mit dem begehrten Karlspreis ausgezeichnet werden. Touchstone, der Reporter von EuroCast, hatte ihr wie gewnscht vorab seinen Fragenkatalog zugeschickt. Die Liste hatte bei ihr ein seltsames Gefhl des Unwohlseins und der Verwirrung ausgelst – etwas, das sie in den vergangenen Monaten verstrkt sprte, als die Weltpresse ber die erbitterten Fraktionskmpfe innerhalb der Chinesischen Kommunistischen Partei berichtete. Htte sie strker dazu beitragen knnen, Brcken zu den „Neuen Mandarin“ zu bauen? Htte sie die chinesische Fhrung besser dabei untersttzen knnen, eine neue Vision fr China zu entwickeln, die nicht nur auf Geld und Macht basierte? Wahrscheinlich, denkt sie und zuckt mit den Achseln. Ohne sich ihre Zweifel anmerken zu lassen, nimmt sie gegenber von Touchstone Platz, schenkt sich Kaffee nach, und das Interview beginnt.
Der große Umbruch
Die Arbeitswelt
„Was hat Sie damals inspiriert, Ihre Karriere dem Aufbau eines strkeren, grßeren und vereinteren Europas zu widmen?“, fngt Touchstone an. „Wie Sie wissen, gehrte ich dem Team an, das 2012 erfolglos versuchte, den EU-Beitritt der Trkei auszuhandeln. Danach wurde ich Wirtschaftsministerin in Ankara. In dieser Rolle habe ich mich einige Jahre besonders damit beschftigt, trkische Arbeitspltze zu schtzen und zu frdern. Damals wurde mir klar, dass eine nachhaltige Beschftigungspolitik nur auf einer europaweiten Basis mglich war und der Schlssel zum Erreichen aller Ziele in Bezug auf Gesellschaft und Umwelt darin lag, so weit wie mglich sinnvolle Arbeit fr alle zu sichern.“ „Wie hat sich die Arbeitswelt fr die Europer seit damals verndert?“, fragt Touchstone. „Flexibilitt, Mobilitt, Anpassungsfhigkeit und Dauerhaftigkeit waren die zentralen Faktoren, um das Beschftigungsniveau zu halten. Als die Welt um 2014 aus der Zweiten Weltwirtschaftskrise hervorging, war klar, dass die Menschen ein Portfolio von Jobs wrden aufbauen mssen, das sich im Lauf der Zeit verndern und sie auch fr lngere Abschnitte ihres Lebens an verschiedene Orte fhren wrde. Sie wrden außerdem selbst Altersvorsorge treffen mssen – außer in Skandinavien, wo das sozialdemokratische Sozialversicherungssystem so solide war, dass die Rentenversicherung weiterhin von staatlicher Seite bernommen werden konnte und die Menschen weit frher in Rente gehen konnten als in den sdlicheren europischen Lndern.“ „In den Handelskriegen von damals haben Sie keine kleine Rolle gespielt.“ „Damals war ich noch recht aggressiv, weil ich mich ber das klgliche Scheitern der Entwicklungsrunde in Jakarta im Jahr 2013 gergert habe, das an den Misserfolg der Doha-Runde zuvor erinnerte. Aber spter, whrend meiner kurzen Zeit bei den reformierten Vereinten Nationen, habe ich mich mit Leib und Seele dafr eingesetzt, die gegenstzlichen Interessen der verschiedenen Sektoren in
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Europische Perspektiven
Einklang zu bringen. Mir war klar, dass die Antwort nur in einem komplexen Gleichgewicht zwischen den verschiedenen produzierenden Regionen liegen konnte, bei dem die Wettbewerbsvorteile der Einzelnen innerhalb eines allgemeinen globalen Rahmens optimiert werden konnten. Dieses Ziel wurde durch die Einigung von Lagos im Jahr 2017 weitgehend erreicht und hat zusammen mit anderen Faktoren dazu beigetragen, Europa in eine echte Wissensgesellschaft zu verwandeln.“ Wie einfach das aus heutiger Sicht alles klingt, denkt Hrrem, dabei war es damals verdammt schwierig. „Auch das Arbeitsumfeld in Europa hat sich in den vergangenen Jahrzehnten drastisch verndert“, fhrt Touchstone fort. „Sagen Sie mir doch bitte, was in Ihren Augen die Hauptursache dafr war.“ „Die Energiekosten, muss die einfache Antwort wohl lauten. Aber eine ebenso wichtige Rolle spielte die wachsende Erkenntnis zwischen 2010 und 2020, dass das herkmmliche Brogebude, wie wir es aus dem 20. Jahrhundert kannten, ausgedient hatte. Die allgegenwrtige, mchtige und zuverlssige Informationstechnologie sorgte immer wieder fr drastisch vernderte Dimensionen der rumlichen und zeitlichen Anschlussfhigkeit. Mein Mann, ein Bauunternehmer fr Gewerbeimmobilien, stellte um 2010 herum fest, dass sich der Schwerpunkt vom herkmmlichen ,Lieferketten-Ansatz‘ zu einem ,Nachfrageketten-Ansatz‘ verschob, bei dem die Nutzer einer Immobilie deutlich besser bestimmen konnten, wie die Arbeitsumgebung auszusehen hatte, damit sie ihr Geschft in Bezug auf Zeit, Qualitt und Kosten optimal fhren konnten. Daran wurden die am Produktions- und Lieferprozess beteiligten Unternehmen gemessen und entsprechend entlohnt.“ „Ist dieser Prozess abgeschlossen?“ „Ganz sicher nicht. Der Arbeitsplatz der Zukunft wird sogar noch flexibler und anpassungsfhiger sein – da haben wir sie wieder, diese Schlagwrter –, um Umstrukturierungen innerhalb von Unternehmen zu ermglichen, die Nutzungsintensitt zu optimieren, fr noch bessere und sinnvollere Interaktionen zwischen verschiedenen
Der große Umbruch
Unternehmen zu sorgen und das Wachstum neuer Unternehmen zu frdern. Außerdem sollte der Arbeitsplatz Spaß machen!“ „Das heißt, die erfolgreichsten Gebude – und wohl auch Stdte, nehme ich an – werden diejenigen sein, die den Nutzern im Lauf der Jahre auf einfache und elegante Weise immer wieder Eingriffe erlauben?“, fgt Touchstone hinzu. „Ganz genau! Ich htte es nicht besser ausdrcken knnen.“ „Aber was ist mit der Macht der großen Konzerne? Bedroht sie die Lebens- und Arbeitsqualitt in Europa?“ Hrrem denkt einen Moment lang nach und erinnert sich an die Kmpfe, die sie im Lauf der Jahre mit einigen der riesigen Weltunternehmen ausgefochten hatte, und welche Narben diese Auseinandersetzungen hinterlassen haben. „In der Arbeitswelt manifestiert sich ein Aspekt des ,großen Umbruchs‘ der Gesellschaft. Der unglaubliche Erfolg der New Economy in den vergangenen zehn Jahren hat den Unternehmen eine enorme Macht verliehen. Doch mit großer Macht ist auch große Verantwortung verbunden, manche wrden sogar sagen, noch grßere Mglichkeiten. Corporate Social Responsibility (CSR), die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen, wurde von vielen Firmen lange Zeit lediglich als Deckmantel gesehen und unterschtzt. Heute ist klar, dass der Ruf fr ein Unternehmen von hchster Bedeutung ist. Gutes Verhalten wird als einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren betrachtet. Es geht sogar noch weiter: Die meisten Chefs globaler Konzerne sind heute der berzeugung, der unternehmerische Erfolg hnge davon ab, dass soziale und umweltbezogene Faktoren ebenso in den Entscheidungsprozess auf allen Fhrungsebenen einbezogen werden wie wirtschaftliche. CSR, wie es immer so schn heißt, ist endgltig zu einem bestimmenden Faktor der gegenwrtigen Globalisierungsra geworden.“ „Sie scheinen eine unverbesserliche Optimistin zu sein, Dr. Nurbanu.“ „Optimistisch ja, aber auch wachsam“, antwortet Hrrem nachdenklich. „Es ist gefhrlich fr Unternehmen, immer noch
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Europische Perspektiven
Arbeit im Jahr 2030
Geschfte auf eine Weise zu machen, die Armut frdert und der Umwelt oder dem Wohl der Gesellschaft schadet, denn mit einem solchen Verhalten ziehen sie den Zorn der Armadas von NGOs und gesellschaftlichen Aktivisten auf sich, die Gewehr bei Fuß stehen, um Arbeiter und Verbraucher vor unternehmerischem Fehlverhalten zu schtzen.“ Arm und Reich
„Sind Sie ebenso optimistisch, wenn es um die immer noch bestehende Kluft zwischen Arm und Reich in Europa geht?“
Der große Umbruch
„Nein. Ganz sicher nicht. Aber das braucht Zeit. Die vergangenen 20 Jahre knnte man als eine Periode bezeichnen, in der der Handel ber den Krieg gesiegt hat. Seit ungefhr 2015 wurde Europa großenteils von konstantem Wirtschaftswachstum geprgt, das von den Prozessen der Globalisierung, Privatisierung und der Liberalisierung wichtiger Mrkte angetrieben war. Zu diesen Mrkten gehren unter anderem Technologie, Energie,Transport, Pharma und Finanzdienstleistungen. E-Commerce wurde integraler Bestandteil der europischen Geschftswelt, und es gab eine rasante Entwicklung in den Bereichen knstliche Intelligenz, Biomimetik, Stimm- und Sprachtechnologie und hnlichen. Europa hat bei Softwarelsungen und Biotechnologie eine weltweit fhrende Position eingenommen und den Weg bereitet fr knftige bahnbrechende Neuerungen in Medizin und Wissenschaft. Alles in allem ist Europa tatschlich wettbewerbsstrker, innovativer und flexibler aus der Zweiten Weltwirtschaftskrise hervorgegangen.“ „Aber zu welchem Preis?“, fragt ein leicht gereizter Touchstone. „Dazu komme ich jetzt. Diese wirtschaftliche Vernderung ist Grund fr enorme gesellschaftliche Bedenken. Ich glaube, die Entwicklung geht hin zu einem Europa der ,gemeinsamen Verantwortung‘, wo es nicht nur wirtschaftlichen Wohlstand, sondern auch ein entsprechendes gesellschaftliches Gleichgewicht gibt, das auf Rechtssicherheit, Markttransparenz und einer gerechten Verteilung fußt.“ „Aber was ist die grßte Herausforderung?“ „Der Wandel des ffentlichen Sektors“, sagt Hrrem ohne zu zgern. „Knnen Sie das bitte erlutern?“, fragt Touchstone. „Seit ungefhr 2020 durchluft Europa einen Prozess des tief greifenden Wandels“, beginnt Hrrem Nurbanu vorsichtig. „In einem relativ gnstigen globalen Wirtschaftsumfeld hat Europa einen Weg gefunden, seine Ideale Solidaritt und Respekt fr den Einzelnen mit technologischen Innovationen und dem Streben nach
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wirtschaftlicher Effizienz in Einklang zu bringen. Die Wurzel dieser Vernderung liegt zweifelsohne in der Umwandlung des ffentlichen Sektors, der nach fast einem Jahrzehnt ehrgeiziger Reformen ein Katalysator und Partner in der Gesellschaft wird. Das Gegenstck zu CSR, wenn Sie so wollen. Staatliche Stellen auf allen Ebenen wollen Einzelpersonen, Unternehmen und Brgervereinigungen dabei untersttzen, ihren Teil zum gesellschaftlichen Leben beizutragen. Wrdevolle ,Arbeitshilfe-‘ statt Sozialhilfeprogramme waren Anfang der 2020er-Jahre EU-weit ein guter Start in diese Richtung.“ „Dennoch – die Kluft zwischen denen, die viel haben, und denen, die nichts haben, bleibt“, insistiert Touchstone. „Das ist an sich noch kein Problem“, erwidert Hrrem. „Das Problem ist die Lebensqualitt der Armen und die Chancengleichheit, die fr alle besteht.“ „Das ist doch sicher hufig Ansichtssache?“ Hrrem lsst die Frage erst einmal im Raum stehen. Touchstone setzt neu an: „Wie gehen Sie Altersarmut und die sprlichen Renten an? Das ist doch ein ganz eigenes Problem.“ „Ich kann nur noch einmal auf die jeweilige Verantwortung staatlicher und privater Organisationen verweisen, ber die wir bereits gesprochen haben. Aber um etwas konkreter zu werden: Ich habe vor ungefhr fnf Jahren die Temasek-Gesprche mit der Sovereign Wealth Alliance for Good (SWAG) angestoßen, die meinen zuverlssigen Informationen zufolge kurz davor steht, ihre obersten sozialpolitischen Ziele fr die verschiedenen Regionen der Welt vorzustellen. In Europa drfte im Vordergrund stehen, Gelder und Initiativen zu organisieren, um genau dieses schwierige Problem anzugehen. Ich hoffe wirklich sehr, dass diese Finanzierung positiv genutzt wird und denjenigen, die in Europa von Altersarmut betroffen sind, Linderung verschafft, wenn nicht sogar eine Beseitigung des Problems bewirkt.“ „Ich schtze, die Zeit wird es zeigen“, murmelt Touchstone mrrisch. Er blttert in seinen Notizen, findet schnell zu seiner neutralen Haltung zurck und setzt seine Befragung fort.
Der große Umbruch
Verhltnis zwischen Arm und Reich im Jahr 2030
Lebenslanges Lernen?
„Sie haben erst vor Kurzem den Posten als Kanzlerin der Neuen Europischen Universitt angenommen. Das ist natrlich eine Ehre, aber sie liegt auch in Ihrem lebenslangen Interesse an Bildung und Lernen begrndet. Vielleicht knnen Sie die grundlegenden Vernderungen noch einmal skizzieren, die Sie in den vergangenen Jahrzehnten miterlebt haben, seit Sie selbst Ihren Abschluss an der Istanbul Technical University (ITU) und spter an der Business School INSEAD in Paris gemacht haben?“
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Europische Perspektiven
„Lassen Sie mich zunchst auf etwas eingehen, das auf den ersten Blick seltsam anmuten mag, das ich aber fr eine Grundvoraussetzung unserer Wissensgesellschaft halte: Kreativitt. Kreativitt ist die notwendige Vorstufe von Innovationen, und Innovationen sind der Schlssel zu Wettbewerbsfhigkeit. Seit einigen Jahrzehnten investieren Unternehmen, Staat und gemeinntzige Organisationen aller Art enorm viel, um die Menschen kreativer zu machen. Doch sie versuchen, das Problem zu lsen, ohne die eigentlichen Ursachen anzugehen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich immer strker die Erkenntnis durchgesetzt, dass jeder ber kreative Fhigkeiten verfgt, unser Bildungssystem aber – vom Kindergarten bis zur Universitt – diese kreativen Fhigkeiten an den Rand drngt und beschrnkt. Die Unternehmen mussten ein Problem lsen, das eigentlich bereits in den Schulen und Universitten begann. Ich freue mich, dass das EU-Projekt ,Out of Our Minds‘ aus dem Jahr 2020, bei dem ich – das kann ich mit Stolz sagen – auch eine kleine Rolle gespielt habe, allmhlich reichlich Frchte trgt.“ „Eine Revolution im Bildungswesen kann auch ich nur begrßen. Aber was ist mit der ,Kommerzialisierung‘ oder der ,Privatisierung‘, die sich ber die vergangenen 20 Jahre in der akademischen Welt hartnckig gehalten hat?“ „Tatsache ist, dass die Bildungseinrichtungen am Anfang des Jahrhunderts weder den Willen noch die Vision, den Scharfsinn oder die Werkzeuge hatten, um ihren eigenen Wandel herbeizufhren. Der kam erst durch externe Krfte und war hufig noch nicht einmal willkommen. Das Bildungswesen wurde in den Jahren der Rezession fr große Unternehmen immer attraktiver, als immer mehr intelligente und weitsichtige private Bildungsanbieter den herkmmlichen Universitten ernsthaft Konkurrenz machten. Die Privaten kamen mit moderner Technik, effektiven Management- und Marketinganstzen, Best Practices im Bereich der Lehrmethoden, ausgereiften Finanzierungskonzepten und nicht regulierten Beschftigungsbedingungen. 2020 war das Quasi-Monopol der Universitten Geschichte. Einige, unter anderem ich selbst, wrden sagen, das ist auch gut so.“
Der große Umbruch
„Gibt es eine bestimmte Vernderung, die Sie besonders hervorheben wrden?“ „Nun ja, ein Beispiel, das einem dabei als erstes einfllt, ist der Schwerpunkt auf der Ausbildung von ,Lebensfhigkeiten‘, die zu mehr Selbststndigkeit, Ideenreichtum und Zusammenarbeit fhren sollen. So etwas gab es frher bereits in internen Schulungsprogrammen fhrender Konzerne, wo Attribute wie Steigerung der Verantwortung, Unternehmergeist und Teamwork im Vordergrund standen. Die neue Ausrichtung bringt Generationen von Schlern und Studenten weg davon, abhngig und unselbststndig zu sein, und ermglicht es ihnen, unabhngig zu sein und sich gegenseitig aufeinander zu verlassen.“ „Tja, ich muss zugeben, dass ich Oxford kaum wiedererkenne, wenn ich es mit meiner Zeit vergleiche“, berlegt Touchstone in einem Anflug von Nostalgie. „Das geht mir mit der ITU genauso“, stimmt Hrrem zu. „Vielleicht umso mehr, weil die Vernderungen sowohl physischer als auch pdagogischer Natur sind. Heute gibt es eine neue Architektur, eine Raumplanung und Gemeinschaft. Flexibilitt und Anpassungsfhigkeit herrschen vor. Das traditionelle Klassenzimmer hat heute fast vllig ausgedient. Stattdessen gibt es eine Vielzahl von Konferenzbereichen, in denen in kleinen Gruppen unterrichtet werden kann, und Lehrersprechzimmer, in denen Mentoring und Einzelunterricht betrieben wird. Auf der einen Seite erinnert die neue Situation an einen modernen Flughafen, wo die Studenten einchecken und Aufgaben, Ressourcen und Informationen zu ihren Programmen erhalten. Auf der anderen Seite gleichen die Schulen mit ihrer Palette an Gemeinschaftseinrichtungen und -dienstleistungen eher Wissenszentren von Stdten und Gemeinden. Manche Schulen sind wie Einkaufszentren mit konkurrierenden oder sich ergnzenden Schulen aus aller Welt, die ihre Ware anbieten. Besonders begrßenswert ist vielleicht auch die Art, wie Freizeit, Erholung und gesellschaftliche Einrichtungen mit den umliegenden Gemeinden gemeinsam genutzt werden.“
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Europische Perspektiven
Bildung im Jahr 2030
„Absolut. Wahrscheinlich sind auch die Qualitt der Umgebung und der sozialen Einrichtungen von herausragender Bedeutung in einem immer hrteren Wettbewerbsumfeld, in dem die besten Schler und Lehrer gesucht und gehalten werden, oder?“ „Da stimme ich Ihnen zu, Sir Terence – und Europa hat die besten, aber auch einige der schlechtesten Beispiele.“
Der große Umbruch
Wie steht es um unsere Sicherheit?
„Lassen Sie mich auf das Thema Sicherheit kommen. Die vergangenen zwanzig Jahre wurden von den ,Ressourcenkriegen‘, wie es immer so schn heißt, geprgt. Wie unvermeidbar waren diese, und wie htten wir sie verhindern oder abschwchen knnen?“ „Ich schtze, wir haben es alle kommen sehen. Weltweit wurden die meisten Konflikte des neuen Jahrtausends wegen der schwindenden Vorrte an kostbaren Rohstoffen ausgetragen, nicht aufgrund von Ideologien. Die politischen Gegenstze von einst sind nun abgelst durch ein globales Tauziehen um l, Erdgas, Mineralien und Wasser. Und nachdem die Armeen dieser Welt die Ressourcensicherheit zum obersten Ziel erklrt haben, folgte eine weit verbreitete Instabilitt, besonders in Gebieten, wo der Wettbewerb um die wichtigsten Rohstoffe mit alten territorialen und glaubensbedingten Streitigkeiten zusammentraf. Dennoch hat Europa, wenn man einmal von den ewig schwelenden Energiekonflikten um das Kaspische Meer herum absieht, im Großen und Ganzen gewaltttige Umstrze vermieden. Aber es ist nach wie vor ein wackeliger Frieden.“ Touchstone sieht mit einem Mal sehr ernst aus. „Worin besteht dann die grßte Bedrohung fr die Sicherheit der sozialen Ordnung in Europa?“ „Kriminalitt – in all ihren Ausprgungsformen: Organisiert und nicht organisiert; gewaltttig und nicht gewaltttig; im Internet und in der realen Welt; individuell und kollektiv; von oberen und unteren Gesellschaftsschichten ausgehend und von Jung und Alt. Eines der wichtigsten Themen, mit denen sich die Regierungen in den vergangenen 25 Jahren befasst haben, und eine der grßten Herausforderungen fr das nchste Vierteljahrhundert ist die Frage, in welchem Umfang der Staat seinen Einfluss geltend machen kann oder soll, um das Verhalten der Menschen zu ndern. Wie zimperlich werden wir sein, die in den Augen vieler bermßig liberale Gesetzgebung zu ndern, die die Rechte des Einzelnen ber die der Gemeinschaft stellt und die Anfang dieses Jahrhunderts eingefhrt worden
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Europische Perspektiven
ist. Abgesehen von den klassischen Kriminalittsbereichen wie Drogen, Diebstahl, Betrug, Krperverletzung und hnlichem, deren Eindmmung trotz großer Anstrengungen und wohlgemeinter Gesetze nicht gelungen ist, stelle ich enttuscht noch weitere Anzeichen eines Kulturversagens fest: den Missbrauch von Freiheit, das Versagen der Gerichte beim Definieren und Beschrnken von Obsznitt, den krassen Verfall der ffentlichen Umgangsformen und, in Anlehnung an Gibbons, das Phnomen, dass Verrcktheit als Originalitt und berschwang als Vitalitt verkauft wird. Aber“, sagt Hrrem mit einem Lcheln, „ich klinge schon langsam wie eine bellaunige alte Frau! Obwohl ich mit meiner Meinung definitiv nicht allein bin, wie Sie wissen.“ „Wohin wird das fhren?“ „Das ist vielleicht der springende Punkt. Ich habe das Gefhl, wir nhern uns einem historischen Wendepunkt, an dem eine Bewegung entsteht, die unter einem oder mehreren populistischen Anfhrern verschiedene Gruppen in Europa zu einem moralischen Kreuzzug gegen Kriminalitt und gesellschaftliche Regellosigkeit mobilisieren wird – mit dramatischem Ausgang. Die alles entscheidende Frage wird sein, in welchem Maße diese Anfhrer und diese Gruppen tatschlich wohlwollend sind und wie demokratisch und anstndig die Ergebnisse sind.“ Touchstone rckt seine Unterlagen zurecht, hlt kurz inne und sieht Dr. Nurbanu dann direkt in die Augen. „Welche Position haben Sie denn eigentlich angesichts dieser Einschtzung in den vergangenen zehn Jahren beim Thema Datenschutz vertreten?“ „Ehrlich gesagt, Sir Terence …“, sagt sie, wohl wissend, dass dies ein schlechter Einstieg fr eine Antwort ist, „ich habe meine Haltung in den vergangenen zehn Jahren deutlich gendert. Frher war ich eine strenge Verfechterin der Rechte des Einzelnen und war strikt gegen Maßnahmen wie berwachungskameras, die Pflicht zur DNA-Registrierung, willkrliche Durchsuchungen von Personen und so weiter. Heute sehe ich die Freiheit des Einzelnen
Der große Umbruch
Sicherheit im Jahr 2030
als eine Art Tauschgeschft, einen Preis, den man fr Sicherheit bezahlt – und die Preise knnten steigen, oder?“ Verfall der Familienwerte?
„Familie war Ihnen immer wichtig“, sagt Touchstone und wendet sich in deutlich sanfterem Ton einem neuen Thema zu. „Wie reagieren Sie darauf, dass sich die Familienwerte in Europa verndert haben?“ „Die Gesellschaft hat an Stabilitt verloren, glaube ich, denn die meisten Ehen werden heute wieder geschieden. Der in Skandinavien stark verbreitete Trend, die Ehe durch einen zeitlich begrenzten zivi-
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Europische Perspektiven
len Vertrag zu ersetzen, der hauptschlich geschlossen wird, um Kinder großzuziehen, breitet sich auch in Sdeuropa immer strker aus. Ganz im Gegensatz dazu sind, wie Sie wissen, China, Indien und Japan bei einer traditionelleren Gesellschaftsordnung geblieben.“ „Ist Ehe wirklich gleichbedeutend mit Gesellschaftsordnung?“ „Sowohl die gesellschaftlichen als auch die wirtschaftlichen Kosten einer Familientrennung werden von vielen unterschtzt. Selbst wenn man einmal davon absieht, dass Familien mit einem allein erziehenden Elternteil in der Regel rmer sind, scheint es, dass Kinder solcher Familien im Durchschnitt weniger lange zur Schule gehen und strker von Arbeitslosigkeit bedroht sind als Kinder aus Familien mit beiden Elternteilen. Ich war schon immer der Meinung, dass die konventionelle Familieneinheit ein gut funktionierendes Modell ist, um Kindererziehung und Broterwerb zu kombinieren.“ „Und das Konzept der Gemeinschaft?“, fragt Touchstone nach. „Alle sagen, der Gemeinschaftssinn habe in den vergangenen 25 Jahren abgenommen, aber ich denke, er hat sich nur verndert. Heute fußen die meisten ,Gemeinschaften‘ auf nichtfamiliren und nichtregionalen Verbindungen, zum Beispiel Interessengruppen, Berufsverbnden und ehrenamtlichen Vereinen und Organisationen. Die florieren. Außerdem hat vielleicht der Verlust von Tausenden EU-Soldaten in Saudi-Arabien im Jahr 2018 bei sogenannten friedenssichernden Missionen den Wunsch verstrkt, seine Freunde und Verwandte bei sich zu haben. Natrlich bietet auch die Religion einen wichtigen Gemeinschaftssinn fr viele Menschen, und glcklicherweise sind die fundamentalistischeren Elemente des christlichen und muslimischen Glaubens nach den verheerenden Ereignissen Ostern 2023 in Berlin teilweise vershnt worden.“ „Es muss doch auch in Ihrer eigenen Familie Vernderungen gegeben haben, die Sie berrascht haben.“ „Natrlich. Ich htte nie gedacht, dass zwei meiner vier Kinder ihre Partner ber das Internet kennenlernen wrden, und ich habe ganz sicher nie gedacht, dass ich einmal an intimen Familiengesprchen ber die Wahl des Geschlechts und anderer wesentlicher Cha-
Der große Umbruch
rakteristika meiner Enkel beteiligt sein wrde. Das ist manchmal beraus bizarr.“ „In jungen Jahren haben Sie sich als Aktivistin fr die Rechte der Frau in der trkischen Gesellschaft eingesetzt. Sie mssen doch einige positive Entwicklungen miterlebt haben, was die Rolle der Frauen auf europischer Ebene betrifft, oder? Sie selbst sind doch ein gutes Beispiel!“ „Absolut. Die Frauen haben in den meisten Lebensbereichen Gleichberechtigung erreicht. Das lsst sich alles gut dokumentieren. Familie im Jahr 2030
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Europische Perspektiven
Doch was viele weitaus weniger verstehen, ist das Ausmaß, in dem die europische Gesellschaft ,feminisiert‘ wird. Das ist eine außerordentlich wichtige und grundlegende Vernderung, die enorm zu dem ,großen Umbruch‘ beitrgt, der in meinen Augen derzeit berall in Europa stattfindet.“ „Was meinen Sie damit?“ „Ganz einfach gesagt bedeutet dies, dass gesellschaftsbezogene Normen wichtiger geworden sind, zum Beispiel der Umgang mit anderen; Lebensqualitt und saubere Umwelt; Dienstleistungsorientierung; Mitgefhl und gegenseitige Abhngigkeit; Intuition und Kreativitt; Kooperation und die Bereitschaft, sich auf andere zu verlassen; die Menschen sind mehr auf Gerechtigkeit bedacht, sind frsorglicher und versuchen nicht immer, besser zu sein als andere; und die Grenzen der Geschlechterrollen in der Gesellschaft sind fließender geworden, besonders, wenn es um Machtpositionen geht. Ich war ja immer ein Fan von Margaret Thatchers Satz: ,Wenn Sie in der Politik mchten, dass etwas gesagt wird, beauftragen Sie einen Mann, wenn Sie mchten, dass etwas getan wird, lassen Sie eine Frau ran.‘ Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies meistens zutrifft.“ Umwelt
„Weit oben auf der europischen Agenda wurde in diesem Jahrhundert bislang auch das Ziel der ,Nachhaltigkeit der Umwelt‘ verfolgt. Das Thema Nachhaltigkeit drfte vielleicht die kommende ra auf hnliche Weise bestimmen, wie es die Technologie in der letzten getan hat. Woran denken Sie bei diesem offenbar allgegenwrtigen Thema zuerst?“ „Sie haben recht, diesem Thema eine so umfassende Bedeutung zuzuschreiben, denn ich glaube, eine der grßten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besteht darin, eine, wie ich es nenne ,Entspannung des Dilemmas‘ zu erreichen. Dies gilt ganz besonders fr die Umweltpolitik. Die Politiker auf allen Ebenen, die geschult sind im Lsen von Problemen, mussten sich in den vergangenen Jahrzehnten
Der große Umbruch
in der Kunst ben, intelligent und mitfhlend auf Situationen zu reagieren, in denen es keine schnellen Lsungen gibt. Wir haben damit begonnen,Werkzeuge und Prozesse zu entwickeln, um in solchen Situationen die Dilemmas der ersten, zweiten und dritten Ordnung aufzudecken. Beispiele sind der lboom im Jahr 2015, die Wasserkrise Mitte der 2020er-Jahre und die ernsten und anhaltenden berflutungen der Ksten, die wir derzeit erleben. Wir entwickeln neue Fhigkeiten: Es gilt, die Interessen verschiedener Parteien in Einklang zu bringen und Prozesse anzustoßen, die aus scheinbaren Interessenkonflikten neue Werte generieren. Die Herausforderung besteht also darin, ohne externe Effekte eine Art Entspannung der Dilemmas zu erzielen.“ „Ist die Bezeichnung ,nachhaltige Entwicklung‘ nicht ein Widerspruch in sich?“ „Das ist eine berechtigte Frage – aber nein. Vor 20 Jahren oder mehr schien es schwierig, Nachhaltigkeit und Entwicklung unter einen Hut zu bringen. Und wir neigen immer noch dazu, die Art der Umweltprobleme zu unterschtzen, ihre Komplexitt nicht richtig einzustufen und wichtige Maßnahmen hinauszuzgern. Aber die ,konomisierung‘ der Umwelt hat stark dazu beigetragen, die Ziele Nachhaltigkeit und Wachstum in Einklang zu bringen. Umweltdienstleistungen und -produkte aller Art haben sich als enorme wirtschaftliche Chance erwiesen – nicht nur in den Industrielndern, sondern in allen Regionen der Welt, wo eine neue Kategorie von Umweltunternehmern Visionen, Innovationen und Erfindungen hervorgebracht und revolutionre Geschftsmodelle eingefhrt hat.“ „Und die EU, oder heute vielmehr die erweiterte Große Europische Union – welche Rolle spielt sie dabei?“ „Die Vereinbarkeit von Wachstum und Nachhaltigkeit ist bereits seit Langem Kern der europischen Politik, und in den vergangenen 15 bis 20 Jahren wurden ideologische Bedenken in Sachen Umwelt in praktische Maßnahmen umgesetzt. Die EU, jetzt die GEU, hat eine Reihe von kosteuern und Umweltabgaben eingefhrt, um einzelnen Umweltverschmutzern ernste finanzielle Stra-
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Europische Perspektiven
fen aufzuerlegen. Die Bereitstellung von sauberer Energie wurde massiv untersttzt, und Lnder wie Deutschland, Dnemark, Norwegen und Schweden, die schon frh in die Entwicklung erneuerbarer Energien investiert haben, zhlen heute zu den wichtigsten Exporteuren von Energie innerhalb Europas und beliefern Lnder weltweit mit Umrstungstechnologie. Selbst das unselige Zwischenspiel einer von den Grnen gefhrten Regierungskoalition von 2018 bis 2020, das eine ganze Reihe an Gesetzen hervorbrachte, um den Weg hin zu nachhaltiger Entwicklung zu ebnen, war ein wichtiger Meilenstein. So idealistisch, ehrgeizig und autokratisch die Maßnahmen auch waren – und, nebenbei gesagt, von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil sie mit dem bestehenden Haushalt damals nicht finanzierbar waren und eine zeitlich unrealistische Umsetzung versprachen –, haben sie dennoch dazu beigetragen, die Einstellung der Menschen zu verndern und eine neue Richtung aufzuzeigen. Ab 2022 und der Schaffung der erweiterten Großen Europischen Union, und – auch wenn das etwas unbescheiden klingen mag – unter meiner eigenen Prsidentschaft hat die Kommission diese grundlegende Vernderung auf realistischere Weise gestaltet. Politische Initiativen, politische Prozesse und gesellschaftliche Werte wurden allesamt darauf ausgerichtet, Einzelpersonen, Unternehmen und Gemeinden zu ermuntern, den Umweltgedanken bei all ihrem Tun mit einzubeziehen. Eine wesentliche Rolle hat dabei der Einsatz einfacher und bertragbarer Technologie gespielt, gemeinsam mit dem fr jede Region typischen Know-how. So wurden die rtlichen und regionalen Ressourcen optimal genutzt, ohne dass dies auf Kosten der langfristigen Bedingungen und Reserven ging. Natrlich sind nicht alle Regionen gleichermaßen in der Lage, diese Balance zu erzielen, und dies kann zu unterschiedlichen, manchmal sogar verdrehten Ergebnissen fhren.“ Hrrem holt Luft und Touchstone setzt ein: „Aber es bleiben ernste Probleme, die die Zukunft des Planeten bedrohen?“ „Natrlich mssen auf globaler Ebene einige wichtige Themen angegangen werden, zum Beispiel in Bezug auf Demografie, natr-
Der große Umbruch
liche Rohstoffe, Klimawandel, Krankheiten, Energie, Wasser, Nahrungsmittel und der Umgang miteinander. Aber ich mchte auch daran erinnern, dass die Menschen weltweit gesnder, wohlhabender und gebildeter sind, friedlicher leben, besser vernetzt sind und lter werden. Besonders in der GEU.“ „Friedlicher? Das wrden Sie etwas anders sehen, wenn Sie in einer Nachrichtenredaktion arbeiten wrden wie ich“, sagt Touchstone jetzt wieder leicht gereizt. „Auch wenn menschliche Tragdien wie im Iran, im Kongo und in Bangladesch die Nachrichten dominieren, lebt der Großteil Umwelt im Jahr 2030
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Europische Perspektiven
der Weltbevlkerung in Frieden. Die Konflikte sind in den 2020erJahren zurckgegangen, der Dialog zwischen verschiedenen Weltanschauungen nimmt zu, Konflikte innerhalb von Lndern werden zunehmend unter internationaler Beteiligung beigelegt, und die Zahl der Flchtlinge – ein großes Problem in den ersten 25 Jahren des Jahrhunderts – sinkt. Viele andere Trends in Bereichen wie Lebenserwartung, Lese- und Schreibfhigkeit und Demokratie geben enorm viel Anlass zur Hoffnung oder enthalten zumindest ein hoffnungsvolles Element. Es findet ein echter Wandel, ein regelrechter Umbruch statt. Das Alte lst sich auf, und etwas Neues entsteht.“ „Das mag sein, aber Sie mssen doch einrumen, dass wir jetzt nicht selbstgefllig und trge werden drfen. Diese Anzeichen gibt es erst seit Kurzem, und mglicherweise sind sie nur vorbergehender Natur.“ „Ich stimme zu, dass wir uns nie auf unseren Lorbeeren ausruhen drfen, aber anders als Sie glaube ich nicht, dass diese Anzeichen wirklich so modern oder vorbergehend sind. Zwar habe auch ich manchmal pessimistische Phasen – wie vermutlich die meisten Menschen –, aber im Grunde meines Herzens bleibe ich Optimistin. Es bleibt uns doch gar nichts anderes brig, oder?“ Was kaufen wir?
Sir Terence Touchstone nickt leicht, entspannt sich etwas und fhrt mit einem Lcheln fort. „Ihre Tochter Fatma hat sich in der Erforschung des Konsumverhaltens einen Namen gemacht. Wenn wir einmal von den offensichtlichen Konsumtrends absehen, wie den steigenden Nahrungsmittelpreisen, der Vorherrschaft asiatischer Produkte bei den langlebigen Verbrauchsgtern, dem Wachstum der Freizeitbranche und dem unaufhaltsamen Wachstum der Gesundheitsdienstleistungen, welche Informationen haben Sie von Ihrer Tochter in Sachen ,Meta-Trends‘ erhalten, die die Einstellung der Verbraucher beeinflussen?“ Hrrem lacht. „Sie haben recht. In diesem Bereich bekomme ich zu Hause praktisch tglich eine Expertenmeinung. Es gibt eine
Der große Umbruch
Reihe von wiederkehrenden Trends, von denen meine Tochter erzhlt. Ich will versuchen, sie aufzuzhlen. Zunchst erweitert die vielgestaltige Anschlussfhigkeit den Geschmack der Konsumenten; Mode wird immer vielseitiger und ist immer schneller wieder out. Nach den schwierigen, rezessionsgeplagten Jahren zwischen 2009 und 2014 haben stetiges Wirtschaftswachstum und ußerst wettbewerbsfhige Preise zu einer Periode des berflusses gefhrt, in der die Menschen enorme Mengen an Gtern angehuft haben und Produktinnovationen immer wichtiger wurden. Die WellnessBewegung, die einen gesunden Lebensstil und gesundes Essen propagiert, breitet sich weiter aus und sorgt fr ein immer strkeres Wachstum bei Fitnessprodukten und Funktionsnahrung. Die Verbraucher sind gebildeter, wohlhabender und haben eine grßere Auswahl, daher sind sie anspruchsvoller geworden und weit weniger bereit, schlechte Qualitt bei Produkten oder Dienstleistungen zu akzeptieren. Außerdem geht der Trend in einer zunehmend postmaterialistischen Gesellschaft hin zu ,ethischem Konsumismus‘, bei dem Hersteller und Einzelhndler fr die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt verantwortlich gemacht werden sowie fr die Behandlung ihrer Beschftigten. Weil der Arbeitsplatz nicht mehr so sicher ist wie frher, in den meisten Familien beide Partner arbeiten, der Zeitdruck zunimmt und das Verlangen nach Erholung immer strker wird, ist ,bequem‘ ein besonders attraktives Attribut fr Konsumgter. Neu ist fr mich, was Fatma mit dem Wort ,Rampenlicht-Syndrom‘ bezeichnet: der Wunsch der Konsumenten, besonders der Neureichen, ihren Wohlstand zur Schau zu stellen oder durch die Auswahl ihrer Produkte Prestige zu erlangen. Und zu guter Letzt, auch wenn es noch viele weitere Phnomene geben muss, fllt mir noch ein, dass der Faktor ,Ablenkung‘ einen unglaublichen Einfluss hat. Die Verkufer stehen in direktem Wettbewerb mit dem Rest der Erlebniswirtschaft: Urlaub, Reise, Autos, Sport, Erholung, Freizeit, Kultur, private Dienstleistungen usw. Die Palette der Erlebnisse wird kontinuierlich breiter, d. h., die Anbieter mssen entweder Angebote bndeln und neu zusammensetzen oder hngen eben noch
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strker von einer herausragenden Verkaufspolitik ab. Unter dem Strich, sagt Fatma, muss alles individuell gestaltet, weniger Kunststoff eingesetzt und alles auf den Einzelnen zugeschnitten sein. Es geht um Lifestyle, erlebnisbezogene Produkte und natrlich um ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhltnis mit exzellentem Service nach dem Verkauf.“ „Meine Gte!“, sagt Touchstone sichtlich beeindruckt. „Na ja, denken Sie daran, dass fr mich jede Mahlzeit und jeder Einkaufsbummel wie ein Mini-Master in Konsumwissenschaft ist.“ „In einem anderen Zusammenhang, und hier kommen wir wieder zu Ihrem eigenen Fachgebiet, Dr. Nurbanu, habe ich Sie im Lauf der Jahre immer wieder ber die ,New Economics‘ reden hren. Was meinen Sie damit?“ „Ich bin zwar noch nicht ganz sicher, welche Form sie letztlich annehmen wird, oder – rckblickend – wie wir sie nennen werden, aber ich bin berzeugt, dass wir in diesem Jahrhundert eine neue Art von Wirtschaft erleben werden, die innerhalb eines neuen globalen wirtschaftlichen Rahmens entstehen wird. Dabei wird mehr Gewicht auf ,systemisches Denken‘ gelegt werden und der Ansatz wird ganzheitlicher ausfallen. Wir werden den engen Rahmen des BIP und des Marktpreismechanismus verlassen, die Dinge also, die die Wirtschaft und die Wirtschaftspolitik im ersten Viertel des Jahrhunderts so stark geprgt haben. Man knnte es eine Internalisierung externer Effekte nennen. Der große Umbruch, von dem ich so hufig spreche, setzt voraus, dass sich der Kapitalismus an sich verndert. Ich erinnere mich, dass 2008 ein irischer Wissenschaftler sagte, der Sozialismus sei gescheitert, weil er nicht zugelassen habe, dass der Preis die wirtschaftliche Wahrheit sagt. Der Kapitalismus knne scheitern, weil er nicht zulasse, dass der Preis die kologische Wahrheit sagt. Dieser Gedanke hat mich seither nicht mehr losgelassen. „Faszinierend“, sagt Touchstone, der tatschlich beeindruckt wirkt.
Der große Umbruch
Konsum im Jahr 2030
Wachsen wir zusammen?
„Zu guter Letzt mchte ich Sie bitten, auf die immer wiederkehrende Frage der Integration zu sprechen zu kommen. Der Preis, den Sie morgen erhalten, ist vor allem eine Anerkennung fr Ihre herausragenden Verdienste um die Europische Einheit. Was sind jetzt Ihre wichtigsten Gedanken?“ Etwas wehmtig denkt Hrrem Nurbanu nach und sagte dann mit fester Stimme: „Ich richte meinen Blick nicht nach hinten. Die Probleme der Immigration, die uns so lange geplagt haben, und die Schwierigkeiten mit der EU-Erweiterung – zuerst meine geliebte Trkei, dann die sdlichen Mittelmeeranrainer – liegen weitgehend hinter uns. Ich freue mich auf eine integrierte Große Europische Union mit einer neuen geistigen Haltung, die auf der Idee fußt,
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dass wir unsere menschliche Kraft frei entfalten und nicht beschrnken sollten. Wir sollten uns weit mehr auf Erfindungen, Investitionen und Kreativitt konzentrieren als auf Begrenzungen, Regulierung und Kontrolle. Auf den Traum, nicht auf den Albtraum. Auf einen Traum, in dem Wirtschaftswachstum kein Problem ist, sondern eine Lsung fr die sozialen und umweltbezogenen Gefahren, mit denen wir es zu tun haben. Politisch knnte man es am besten als ,Politik der Mglichkeiten‘ bezeichnen, die sich von einer ,Politik der Begrenzungen‘ absetzt und die tief verwurzelt ist in einer wachsIntegration im Jahr 2030
Der große Umbruch
tumsfreundlichen Agenda, die genau jene Art von Wohlstand definiert, die wir fr die Verbesserung unserer Lebensqualitt und die Lsung knftiger kologischer, ethnischer und ethischer Krisen brauchen. Es ist vor allem eine Politik, die das Eigeninteresse des Einzelnen mit dem Gemeinwohl verbindet.“ „Das klingt alles sehr edel und demokratisch, wenn ich das sagen darf, aber es gibt durchaus gravierende Probleme, die die Politik auf allen Ebenen und in allen Regionen lsen muss, wenn diese Geisteshaltung verbreitet werden soll. Welche Regierungsform halten Sie fr am besten geeignet?“ „Keine Grße, Form oder Art der Regierung ist das Allheilmittel – besonders nicht in einer Demokratie“, antwortet Hrrem, die sich allmhlich an das Kreuzverhr gewhnt hat. „Alle Regierungstypen stehen vor ganz neuen Herausforderungen, ob es nun das neoliberale Modell der USA ist, das von privaten Interessen und Marktkrften dominiert wird, oder das asiatische Modell, das auf Kollektivismus und eine zentralisierte Steuerung setzt, oder das europische Modell, das einen Ausgleich sucht zwischen Demokratie und Menschenrechten auf der einen Seite und Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit, technologischem Fortschritt und wirtschaftlicher Wettbewerbsfhigkeit auf der anderen. Lassen Sie mich versuchen, einige dieser Herausforderungen aufzuzeigen: x
Viele Merkmale der bestehenden politischen Systeme laufen einer
langfristigen Perspektive zuwider. x
Bislang hat der politische Raum auf dem geografischen Raum ba-
siert. Dies beginnt sich gerade zu ndern. x
Neue Technologien und neue Gruppierungen fhren zu einem
Spannungsverhltnis zwischen einer reprsentativen und einer direkten Demokratie. x
Wir entwickeln uns von Mehrheitsgesellschaften zu Gesellschaf-
ten vieler Minderheiten. x
Es entsteht eine virtuelle Demokratie, in der die Menschen direkt
am Entscheidungsprozess teilnehmen knnen.
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x
Wir wissen noch nicht, wie sich eine Informationsgesellschaft, in
der alle Aktivitten berwacht, gespeichert und nie vergessen werden, letztlich auswirken wird. x
Und das zunehmende Durchschnittsalter der Gesellschaft knnte
zu einem Generationenkonflikt fhren.“ „Wie lautet die Lsung?“ „Da mssen Sie bis morgen warten, wenn ich bei der Preisverleihung in meiner Rede versuchen werde, diese Frage zu beantworten. Nur so viel vorab: Der Titel meiner Rede lautet ,Kooperative Fhrung – Der Schlssel zur knftigen europischen Integration‘.“ Was nun?
„Eine allerletzte Frage: Wie sehen Ihre Zukunftsplne aus?“ „Nun ja, es ist ja schon fast ein Klischee zu sagen ,mehr Zeit mit meiner Familie verbringen‘. Aber darber hinaus will ich, auch wenn es etwas anmaßend klingen mag, einen Großteil meiner Zeit in der ffentlichkeit der Neuen Europischen Partei widmen, die noch in den Kinderschuhen steckt und deren Parole, wie Sie wissen, ,Bewusstsein, Anpassung und Aktivismus‘ lautet.“ „Ich verstehe Bewusstsein und Anpassung, aber was meinen Sie mit Aktivismus?“ „Aktivismus ist verbunden mit einer Vernderung der berzeugungen. Hoffnung ist hier Trumpf. Vor langer Zeit, im Jahr 2008, hat ein fhrender australischer Fortschritts- und Wohlstandsforscher namens Richard Eckersley eine aktivistische Haltung beschrieben als den Wunsch, einen neuen konzeptuellen Rahmen oder eine Weltanschauung zu schaffen – Geschichten, Werte, berzeugungen –, der bzw. die eine nachhaltige, gerechte Zukunft ermglicht. In den vergangenen Jahrzehnten haben Umfragen gezeigt, dass immer mehr Menschen ihre Weltanschauung, Werte und ihren Lebensstil grundlegend ndern. Sie erteilen den aktuellen Lebensgewohnheiten und Prioritten eine Absage und konzentrieren sich strker auf Beziehungen, Gemeinschaft, Spiritualitt, Natur, die Um-
Der große Umbruch
welt und kologische Nachhaltigkeit. Einige, so wie ich selbst, verbinden dies mit einer neuen Art der wirtschaftlichen Entwicklung, die durch khne und neue Investitionen ermglicht wird – durch einen neuen Kapitalismus, den Natrlichen Kapitalismus. Der wahre Reiz des Aktivismus liegt jedoch in seinem Sinn fr Mobilisierung und Mglichkeiten, in der kollektiven Identitt, der Einheit und der Untersttzung, die er bietet. Whrend meines gesamten Berufslebens wurde ich von den globalen Entwicklungen beeinflusst, die Paul Hawken in seinem wegweisenden Werk Blessed Unrest als die grßte gesellschaftliche Bewegung der Geschichte bezeichnet hat. Diese Bewegung ist nicht hierarchisch, hat kein Manifest und hngt nicht einer einzelnen Doktrin an. Sie versucht nicht, die Welt zu retten, sondern vielmehr, sie neu zu gestalten. Im bertragenen Sinne soll die Menschheit immun werden gegen politische Korruption,Wirtschaftskrankheiten und kologischen Verfall. Wenn ich mich recht erinnere, hat Hawken gesagt, die Bewegung sei nicht nur ein Netzwerk, sondern ein komplexes und sich selbst ordnendes System. Dieses System besteht aus mehr als einer Million Organisationen, die ihre Wurzeln in den Reformbewegungen aus den Bereichen Umwelt, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft haben: Forschungsinstitute, Organisationen fr gesellschaftliche Entwicklung, Brgervereinigungen, Konzerne, Netzwerke, Glaubensvereinigungen, Stiftungen und gemeinntzige Organisationen. Wir alle sind Teil davon – und wir alle tragen zu diesem grundlegenden Umbruch bei.“ „Dr. Nurbanu, vielen Dank. Es war mir wirklich ein Vergngen und ein Privileg, mit Ihnen sprechen zu drfen. Ich wnsche Ihnen fr morgen alles Gute.“ Hrrem lchelt und nickt wohlwollend. Die morgige Preisverleihung wrde fr sie sicher ein denkwrdiger Tag werden und darber hinaus ein kleiner Meilenstein in den Annalen der Europischen Geschichte. Aber wie hatte Churchill schon lange vor ihr gesagt: „Die Imperien von morgen werden Imperien des Geistes sein.“
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Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern: Eine Momentaufnahme 1 Pierre-Alain Schieb
Erhebungen und Umfragen zhlen nicht zum typischen Instrumentarium eines Zukunftsforschers; Trendanalysen, das Ermitteln maßgeblicher Faktoren, das Entwerfen von Szenarien sowie Delphi-Verfahren und Fokusgruppen schon eher. Es scheint verlockend, sich die Ergebnisse einer Umfrage unter europischen Brgern anzusehen und zu versuchen, die mglichen Auswirkungen der zum Ausdruck gebrachten Meinungen zu ermitteln. Ziel der Pan-European Future Study of European Opinion and Perceived Risks war es, die Einschtzungen der Europer zu einer Reihe von Themen abzufragen, zum Beispiel: Arbeit,Verhltnis zwischen Arm und Reich, Bildung, Umwelt, Konsum und Integration. Die Brger aus acht europischen Lndern (Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, sterreich, der Schweiz und Spanien) plus Russland, die im ersten Halbjahr 2008 befragt wurden, sollten angeben, wie es im Jahr 2030 ihrer Meinung nach in diesen Bereichen aussehen wird. Da die Umfrage ein sehr weites Feld abdeckt (der Fragebogen enthlt rund 80 Positionen), beschrnke ich meine Ausfhrungen auf die langfristigen Perspektiven zu Rentenalter, wirtschaftlichem Status der Rentner und konomischen Konsequenzen der arbeitenden Bevlkerung. Dieses Thema wird innerhalb der OECD ausgiebig diskutiert, und die Umfrage kann, auch wenn sie sich nur auf aus-
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
gewhlte europische Lnder beschrnkt, interessante Aufschlsse darber geben, wo die ffentliche Meinung derzeit steht und was dies bedeuten knnte. Der erste Teil meines Beitrags befasst sich mit den Ergebnissen zum genannten Thema den in europischen Lndern (also ohne Russland). Im zweiten Teil folgen Ausfhrungen und mgliche Erklrungen zur allgemeinen Stimmung, die die Umfrage spiegelt. Im dritten Teil werden die Ergebnisse und Kommentare schließlich in den Kontext der aktuellen lngerfristigen Aussichten von Analysten gestellt.
Beurteilen die Befragten die Rentenaussichten pessimistisch? Das Thema Rente wird in sechs Fragen behandelt, vier im Großbereich Arbeit und zwei im Bereich Verhltnis zwischen Arm und Reich. Darber hinaus sind noch eine Frage im Abschnitt Konsum und eine im Abschnitt Integration relevant. Die Prognosen fr das Jahr 2030 lauten wie folgt: Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
+
Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
+
Durch die abnehmende Bevlkerung ist Vollbeschftigung mglich.
–
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Brger weniger als 25 Stunden pro Woche.
–
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um fr ihre Altersvorsorge zu sparen.
+
Altersarmut ist ein ungelstes Problem.
+
Alltagsgter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
++
Viele europische Lnder holen Auslnder ins Land, um der eigenen beralterung entgegenzuwirken.
–
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Europische Perspektiven
Das Plus oder Minus hinter jeder dieser Aussagen gibt den Trend der Antwort wider, zeigt also den Grad der Zustimmung an. Zwar bestehen große Unterschiede zwischen den Befragten der acht Lnder, im berblick ergibt sich dennoch ein Gesamtbild, das sich wie folgt zusammenfassen lsst: Im Jahr 2030 drfte sich das Renteneintrittsalter nach hinten verschoben haben. Aus der Umfrage lsst sich ablesen, dass die Arbeitnehmer nicht freiwillig bis 75 arbeiten, sondern dass dies aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen whrend des aktiven Arbeitslebens und spter whrend der Rente zwingend erforderlich ist: Die Einkommen sind zu gering, um einen anstndigen Lebensstandard fr die sptere Rente zu sichern, denn man braucht bereits whrend der aktiven Zeit Nebenjobs, um ber die Runden zu kommen. Die Lebenshaltungskosten, selbst fr Produkte des tglichen Bedarfs, steigen immer strker. Das Problem der Altersarmut wird nicht gelst. Die beralterung der Gesellschaft geht gleichwohl nicht mit einer offeneren Einwanderungspolitik oder Innovationsund Produktivittszuwchsen einher, die es ermglichen wrden, weniger pro Woche zu arbeiten. Ohne allzu tief in die Interpretation einzusteigen, scheint es, als zeichne ein Großteil der Befragten ein relativ dsteres Bild der Rentensituation in Europa um das Jahr 2030 und der Konsequenzen, die sich daraus fr die heute Beschftigten ergeben. Die dem zugrundeliegende Erklrung scheint das Innovationstempo infrage zu stellen (nicht ausreichende Automatisierung, Nahrungsmittel sind zu teuer) und von einem gewissen Versagen der Politik auszugehen (Armutsproblematik). Daraus folgt, dass der Einzelne strker gefordert ist. Nebenbei bemerkt: Auch in anderen Teilen der Befragung zeigt sich, dass die Menschen die Fhigkeit des Staats, ein Mindesteinkommen zu sichern, sowie den technologischen Fortschritt und das Innovationstempo pessimistisch beurteilen.
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
Wie pessimistisch sind die Europer? Pessimistische oder optimistische Ansichten implizieren eine Abweichung von einem Standard. Dies kann eine tatschliche Situation sein, eine Idealvorstellung, Zukunftsaussichten auf Basis von Fakten oder ein Vergleich – zum Beispiel mit anderen Lndern. Dieser Abschnitt versucht, die zum Ausdruck gebrachten Ansichten von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Methodik
Erhebungen auf der Grundlage von Fragebgen werfen, wie gesagt, sofort einige Fragen auf. Umfang und Zusammensetzung der Probengrße sowie Kontext und Modalitten der Befragung knnen das Ergebnis verzerren. Im vorliegenden Fall ist die Formulierung der Fragen diskussionswrdig. „Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten“ kann als Suggestivfrage gewertet werden. Was wre, wenn die Frage stattdessen lauten wrde: „Die meisten Arbeitnehmer haben sich dazu entschlossen, bis zum 75. Lebensjahr zu arbeiten“? Auf weitere potenzielle Objektivittsprobleme komme ich noch zu sprechen. Unterschiede zwischen den Lndern
Obwohl der Titel die Bezeichnung „paneuropisch“ beinhaltet, wurden nicht alle europischen Lnder befragt. Und auch wenn der Gesamteindruck als pessimistisch beschrieben wird, bestehen große Unterschiede zwischen den verschiedenen europischen Lndern. Zwar ist es schwierig, homogene Lndergruppen auszumachen, aber sdeuropische Lnder wie Spanien und Italien scheinen weniger pessimistisch oder optimistischer zu sein als andere Lnder. Deutschland, Frankreich und die Schweiz wirken eher optimistisch, Großbritannien und Finnland scheinen weder besonders negativ noch besonders positiv eingestellt zu sein – obwohl sich in Großbritannien der hchste Anteil derer findet, die davon ausgehen, dass man knftig bis 75 arbeiten muss.
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Europische Perspektiven
Gruppenzusammensetzung
Die Meinungen heutiger Rentner knnen das Bild deutlich verschieben und erheblich von den Ansichten knftiger Rentner abweichen. Das lsst sich an zwei Beispielen verdeutlichen. In einer internationalen Umfrage aus dem Jahr 1997, die der OECD im Jahr 20002 vorgelegt wurde, wurden Menschen ber 65 gefragt, wie sie sich ihre ideale Arbeitssituation vorstellen. Wie Tabelle 1 zeigt, haben die Befragten in allen acht OECD-Lndern (einschließlich Kanada, Japan und USA) außer den Niederlanden angegeben, dass sie lieber einen Vollzeitjob htten, wenn sie sich ihre aktuelle Arbeitssituation aussuchen knnten. Gefragt wurde: Angenommen, Sie knnten ber Ihre aktuelle Arbeitssituation entscheiden. Welche der folgenden Mglichkeiten wrden Sie vorziehen? Andere nicht in der Liste enthaltenen Lsungen knnen nicht angeben werden. Die Ergebnisse dieser internationalen Erhebung zeigen, dass die Befragten aus vier von fnf (ohne die Niederlande) europischen Lndern damals eine deutlich positivere Einstellung dazu hatten, berufsttig zu bleiben, als die Befragten in Kanada, Japan und den USA. Das wrde der pessimistischen Grundhaltung der Europer widersprechen. Im Jahr 2005 hat eine Umfrage in Japan und anderen OECDLndern hnliche Ergebnisse 3 zutage gefrdert, was die unterschiedliche Meinung zwischen der arbeitenden Bevlkerung und Rentnern betrifft. Beim Vergleich dieser beiden Gruppen waren die arbeiten-
Tabelle 1
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
Tabelle 2
den Befragten pessimistischer in ihren Aussagen. 40 % der Rentner gaben an, ihre Rente sei „vllig ausreichend“ oder „ausreichend“, whrend nur 4 % der arbeitenden Personen solche Angaben ber ihre knftige Rente machten. Wer trgt das Risiko einer steigenden Lebenserwartung?
Eine aktuelle Studie (2007) der OECD4 hat untersucht, wie sich der enorme Unterschied zwischen den OECD-Lndern bei der Verteilung des Risikos einer steigenden Lebenserwartung auf die bertragung solcher Risiken auf den Einzelnen auswirken knnte. Die Fragestellung lohnt sich, denn vermutlich wird eine kontinuierlich steigende Lebenserwartung zu einer berlastung der Rentensysteme fhren. Die Studie hat ergeben, dass bereits zwei Drittel der OECD-Lnder Reformen auf den Weg gebracht haben, die die knftigen Renten automatisch an die Lebenserwartung koppeln. In Lndern mit den hchsten Pflichtrenten wird dieser Untersuchung zufolge am strksten dafr pldiert, solche Risiken auf den einzelnen Rentner zu bertragen. Ich konnte jedoch keine deutliche Korrelation feststellen zwischen den Meinungen, die in der paneuropischen
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Europische Perspektiven
Tabelle 3
Studie zum Punkt „Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten“ geußert wurden, und dem Risiko, das die einzelnen Rentner in den Systemen der verschiedenen Lnder zu tragen haben. Beim Vergleich von Deutschland und Italien fllt auf, dass die Risiken in Italien zweimal so hoch sind wie in Deutschland und die Italiener die Notwendigkeit, bis 75 zu arbeiten, offenbar optimistischer beurteilen als die Deutschen. Man kann vermuten, dass sich
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
in den Projektionen des Risikos, das jeder Einzelnen knftig tragen muss, keine Erklrungen zu unterschiedlichen Einstellungen verschiedener Lnder finden lassen. Lohnersatzrate?
Die Lohnersatzrate der staatlichen Rentensysteme in den OECDLndern ermglichen vielleicht eine einfachere Erklrung der unterschiedlichen Auffassungen in den verschiedenen Lndern. Auch hier beziehe ich mich auf eine OECD-Studie.5 Fr unsere Zwecke ergeben sich drei wichtige Schlussfolgerungen: a)
Die Lohnersatzraten der staatlichen Rentensysteme sind in
Europa hher als in anderen Lndern wie USA oder Japan. Dies sollte eigentlich zu einer weniger pessimistischen Einstellung fhren. b)
Die OECD-Lnder mit den niedrigsten Ersatzraten, z. B. Groß-
britannien und Deutschland, zeigen die negativsten Einstellungen. Doch Lnder wie Frankreich und die Schweiz, in denen die Lohnersatzraten hher und die Meinung ber die aktive Rolle des Staats besser sind, finden sich dennoch im sehr pessimistischen Feld. c)
Die einzigen kongruenten Ergebnisse finden sich bei Italien und
Spanien: die zeigen sich optimistischer und haben auch sehr hohe Lohnersatzraten.
Tabelle 4
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Nachdem wir versucht haben, die Ergebnisse der paneuropischen Umfrage zu analysieren, knnen wir einige Teilergebnisse festhalten: x
Die Zukunftsaussichten lassen sich aufgrund einer einzelnen Stu-
die nur schwer interpretieren, weil kein direkter Vergleich zu anderen Jahren vorliegt. x
Eine Umfrage in mehreren Lndern ist definitiv besser als eine rein
nationale Studie, aber eine OECD-weite Befragung htte noch mehr Vergleichsmglichkeiten geboten. x
Die Zusammensetzung der Stichproben und die Formulierung der
Fragen spielen eine große Rolle und mssen bei der Interpretation der Ergebnisse bercksichtigt werden. x
Betrachtet man die unterschiedlichen Sichtweisen zur Situation
der aktuellen und der knftigen Rentner, lassen sich die unterschiedlichen Meinungen der europischen Lnder schwer erklren. x
Vorsichtige Vergleiche mit nichteuropischen Lndern wie Kana-
da, USA und Japan zeigen, dass die Europer pessimistischer zu sein scheinen. Doch dies knnte an den neuen Umstnden liegen, die die Europer bewltigen mssen.
Langfristige Rentenaussichten in der OECD Die Lage in Bezug auf das Renteneintrittsalter und den wirtschaftlichen Status heutiger und knftiger Rentner hat sich in europischen und nichteuropischen OECD-Lndern in den vergangenen drei Jahrzehnten verndert. Die Abhngigkeitsrelation verschrft sich deutlich, und dies fhrt zu einer Reihe von Problemen. Ungeachtet des jeweiligen Rentensystems oder der bergnge zwischen den Systemen hat dies makro- und mikrokonomische Folgen. Zwei bestimmende Faktoren werden bis 2030 eine entscheidende Rolle spielen: das Ausmaß des wirtschaftlichen Wohlstands in den OECD-Lndern und die Auswirkungen der Reformen und der Politik.
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
Eine hhere Lebenserwartung und geringere Geburtenraten fhren in den OECD-Lndern zu einer schnellen Alterung der Gesellschaft. In einigen Fllen (Italien, Japan) ist die Vernderung angesichts der geschtzten Grße der arbeitenden Bevlkerung in den kommenden 25 Jahren sogar irreversibel, weil neue politische Maßnahmen oder eine vernderte Einstellung der Menschen erst Frchte tragen wrden, wenn jetzt und knftig geborene Babys das arbeitsfhige Alter erreichen. In anderen Fllen (Großbritannien, USA) wird der Effekt teilweise durch steigende Zuwanderung6 aufgefangen, aber insgesamt wird sich die Abhngigkeitsrelation, d. h. das Verhltnis der arbeitenden Bevlkerung zur Zahl der Rentner, deutlich verschrfen.7 Da sich die Abhngigkeitsrelation verschrft, so die gngige Meinung, werden der Rckgang der arbeitenden Bevlkerung und die steigende Nachfrage zu geringerem BIP-Wachstum fhren.
Tabelle 5
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Europische Perspektiven
Tabelle 6
Daher wird weniger Geld fr die steigenden Sozialkosten, notwendige Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung vorhanden sein. Doch die wichtigste direkte Auswirkung besteht darin, dass die finanzielle Belastung fr die meisten staatlichen Rentensysteme steigt. Drei der wichtigsten Folgen dieser Situation: a)
Die staatlich finanzierten Rentensysteme mssen reformiert
werden, um finanziell tragfhig zu bleiben oder zu werden. Dies bedeutet in der Regel geringere Renten. b)
Es mssen Finanzinstrumente fr die Altersvorsorge angeboten
werden, einschließlich privater Rentensysteme, d. h. jeder Einzelne muss whrend des Berufslebens aktiv zur eigenen Altersvorsorge beitragen. c)
Eine hhere Lebenserwartung fhrt zu einem lngeren Arbeits-
leben, und das ist eine doppelte Diskrepanz zu den bestehenden Erwartungen der aktuellen Systeme.
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
Die pessimistischen Einschtzungen der Europer lassen sich vielleicht durchaus erklren, da der Unterschied zwischen der tatschlichen Situation (fr die vorhergehende Generation und den Großteil der Babyboomer) und der knftigen Situation zu einer doppelten Diskrepanz fhren knnte: In vielen OECD-Lndern, besonders in Europa, liegt das tatschliche Renteneintrittsalter weit unter dem offiziellen Renteneintrittsalter (in OECD-Lndern sind weniger als 60 % der Menschen zwischen 50 und 64 Jahren berufsttig). Das ist die erste Diskrepanz. Durch eine Anhebung des offiziellen Rentenalters auf 67 Jahre oder durch eine Abschaffung des offiziellen Renteneintrittsalters knnte eine zweite Lcke entstehen, die es zu schließen gilt. Die Befrworter eines lngeren Arbeitslebens fhren eine Reihe von Argumenten an. Unter anderem sagen sie, es sei unfair, das aktuelle Rentenalter und das bisherige Rentenniveau beizubehalten und die nchste Generation dafr bezahlen zu lassen – besonders da 91 bis 93 % der Menschen zwischen 65 und 74 Jahren in OECDLndern gesund genug sind, um lnger arbeiten zu knnen. Wenn es darum geht, lnger zu arbeiten und neue Fhigkeiten zu erlernen, knnen natrlich zunchst die Arbeitnehmer selbst ihre Einstellung ndern, aber auch die Politik und die Arbeitsbedingungen mssen sich ndern. Es gilt, Anreize zu schaffen statt zu demotivieren. Solche ergebnisbasierten Analysen des tatschlichen langfristigen Kontexts legen den Schluss nahe, dass die Befragten der paneuropischen Zukunftsstudie aus gutem Grund Sorgen in Bezug auf das knftige Rentenalter und den knftigen Status der Rentner ußern und vllig zu Recht ber einige unmittelbare Auswirkungen auf die arbeitende Bevlkerung nachdenken. Eine Frage bleibt allerdings offen, wenn es um den Pessimismus der Europer geht: Warum scheinen die Befragten generell wenig Vertrauen in die Zukunft und in die Rolle sowie die Verantwortung des Einzelnen zu haben? Nach den Anschlgen vom 11. September wurden Amerikaner zu ihrer finanziellen Strategie fr die Rente befragt und zur Rolle, die der Staat dabei spielen sollte8 :
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Tabelle 7
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63 % waren nach dem wirtschaftlichen Abschwung (Platzen der
Internetblase) und nach den Ereignissen der vorangegangenen Monate (11. September) genauso oder noch strker von ihrer finanziellen Strategie fr die Rente berzeugt.
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
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Gleichzeitig zeigten sich 79 % der Befragten eher nicht oder ber-
haupt nicht einverstanden mit der Aussage: „Ich kann mich darauf verlassen, dass der Staat die Kosten fr meine langfristige Versorgung bernimmt.“ Nur eine ausfhrliche, interdisziplinre Analyse knnte zur Aufklrung der tatschlichen und der vermeintlichen Unterschiede zwischen den OECD-Lndern in diesem Punkt beitragen. Und es ist nicht Sinn und Zweck dieses Aufsatzes, eine Hypothese aufzustellen. Doch man kann davon ausgehen, dass die aktuelle bergangsphase in Europa den Druck erhht, die Lasten zwischen den beteiligten Parteien anders zu verteilen – und zwar so, dass der Einzelne mehr leisten muss als in der Vergangenheit.
Fazit: Was zeigt eine Umfrage? Zwei wesentliche Schlussfolgerungen ergeben sich aus der Erhebung: 1
Eine einzelne Umfrage ist fr viele professionelle Zukunftsfor-
scher nicht das beste Instrument, um Trends, Szenarien und mgliche Ausgestaltungen der Zukunft sowie ihre Auswirkungen auf Politik und Entscheidungstrger zu ermitteln. Umfragen sind schwer zu interpretieren; viele potenzielle Verzerrungen mssen bercksichtigt werden; und ber die allgemeine Aussagekraft von Umfragen lsst sich streiten. Erhebungen wren ntzlicher, wenn sie ber einen lngeren Zeitraum hinweg wiederholt wrden und wenn sie einen Vergleich zwischen mglichst vielen Lndern ermglichten. So knnte man interpretieren, in welche Richtung sich die Ergebnisse verndern und wie schwerwiegend die Unterschiede zwischen Lndern oder Bevlkerungsgruppen sind. 2
Fakten und Botschaften: Bezglich des Renteneintrittsalters
und hnlicher Themen trgt die paneuropische Zukunftsstudie dazu bei, herauszufinden, welche Bedenken die Befragten haben, wenngleich große Unterschiede zwischen den verschiedenen Ln-
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dern bestehen. Wie bereits erwhnt, ist ein Teil der geußerten Bedenken durch Tatsachen gerechtfertigt; in anderen Fllen wird die tatschliche Situation aber auch ber- oder unterschtzt. Persnliche Interviews und offene Fragen wren natrlich hilfreich gewesen. Dennoch besteht eine mgliche Lektion fr ffentliche und private Entscheidungstrger darin, dass in diesem Bereich mehr Informationen und mehr Transparenz erforderlich sind. Eine weitere Umfrage knnte unter Umstnden zeigen, dass die meisten Europer keine klare Vorstellung vom aktuellen Rentensystem, von den bereits durchgefhrten Reformen und von den bestehenden Mglichkeiten (sowohl bei kollektiven als auch bei privaten Entscheidungen) haben. Um die These eines Informationsdefizits zu berprfen, knnte man fragen, wie viele Europer eigentlich wissen und verstehen, wie es um die geografische bertragbarkeit ihrer Rentenversicherung steht und ob und gegebenenfalls wie sie zwischen verschiedenen Rentenversicherungen wechseln knnen.
Knftiges Rentenalter in OECD-Lndern
Anmerkungen 1 Die Ansichten und Ausfhrungen in diesem Aufsatz entsprechen nicht unbedingt den Ansichten der OECD oder der OECD-Mitgliedslnder. 2 T. W. Smith, A cross-national comparison on attitudes towards work by age and labor force status, National Opinion Research Center, University of Chicago, OECD Working Paper, Excerpt from table 7, December 2000. 3 Junko Hirano, Japanese perception on retirement based on the findings of two international surveys, Nagaoka University, 2005. 4 OECD, Life-expectancy links: the quiet revolution in pension policy, 2007 and E. R. Whitehouse, Life-expectancy risk and pensions: Who bears the burden?, OECD, Social, Employment and Migration Working Papers, No. 60, 2007. 5 Pensions at a glance: public policies across OECD countries, 2007. 6 Im Rahmen des OECD International Futures Programme werden im Dezember 2008 Trends und Szenarios fr das Jahr 2030 diskutiert. Dabei wird beleuchtet, wie die knftigen Migrationsstrme in die OECD-Lnder aussehen knnten, da sich die Lage bei Angebot und Nachfrage drastisch ndern knnte. 7 Ageing and Pension System Reform, Implications for Financial Markets and Economic Policies, Financial Market Trends, Volume 2005, Supplement 1. 8 The METLIFE Survey of American Attitudes Towards Retirement: Has Anything Changed? Mature Market Institute, METLIFE, January 2002.
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Europa 2030: Gedanken zur Pan-European Future Study Johan Peter Paludan
Das „Mantra“ der Zukunftsforscher – zumindest in meinem Fall – besagt, dass es die Zukunft nicht gibt, weil die Zukunft das Ergebnis von Handlungen und Entscheidungen ist, die von diesem Moment an erst noch getroffen werden und daher nicht vorhergesagt werden knnen. Auf der anderen Seite ist es notwendig, eine Vorstellung davon zu haben, was die Zukunft bringt, denn in diesem Umfeld mssen sich ja die Entscheidungen von heute bewhren. Je weiter wir uns bei einem Versuch, die Zukunft abzubilden, von der Gegenwart entfernen, desto wahrscheinlicher werden eklatante Abweichungen. Das Jahr 2030 ist mit 22 Jahren ziemlich weit von der Gegenwart entfernt. Ich werde dann 86 Jahre alt sein – so ich berhaupt noch lebe. Sich ein Bild von Europa im Jahr 2030 zu machen, ist eine ehrgeizige Aufgabe, zum einen wegen des langfristigen Aspekts und zum anderen, weil eine derartige Prognose an sich sehr komplex ist. Die Pan-European Future Study ist wahrscheinlich die praktikabelste und wirksamste Methode dafr. Aufgrund der zunehmenden Komplexitt von Problemen und der Notwendigkeit schneller Ergebnisse wurde auch schon in anderen Bereichen auf die „Weisheit der Masse“ zurckgegriffen, d. h. statt teure, langwierige Untersuchungen und Analysen durchzufhren, fragt man diejenigen, die mit dem jeweiligen Problem zu tun haben. Beim zukunftsbezogenen Problem von Europa im Jahr 2030 ist dies noch relevanter: Wir spre-
Gedanken zur Pan-European Future Study
chen hier ber demokratische Systeme. Es wurden diejenigen befragt, die das Europa von 2030 schaffen – eine enorm große Anzahl von Menschen. Mehr als 10 000 Befragungen wurden durchgefhrt, und weil sie reprsentativ sein mssen, sagen sie eine Menge ber die Gedanken und Meinungen der Menschen aus. „Die Wahrheit ist etwas, worber wir abstimmen“ ist ein Ausspruch, der hufig verwendet wird, um die Funktionsweise einer Demokratie zu beschreiben. Das passt sehr gut zu einem Europa, von dem wir wissen, dass es aus vielen verschiedenen Demokratien besteht.
Ziel der Befragung Nun kann man sich fragen, warum es berhaupt von Interesse ist, Informationen – eine ganze Menge an Informationen – darber zu erheben, wie eine ausgewhlte Gruppe von Europern ber die Zukunft denkt. Die erste Antwort knnte lauten: aus purem Interesse. Etwas Bedeutsames ber die Zukunft zu sagen, ist extrem schwierig. Daher ist jeder Beitrag in Form von Daten ber die Zukunftserwartungen der Menschen beraus willkommen. Die zweite Antwort liegt vielleicht darin, dass solche Daten Erkenntnisse fr die knftige Entwicklung Europas liefern knnen: weitere Integration oder Auseinanderfallen? Wir haben das Scheitern der WTO-Konferenz in Doha als Anzeichen dafr gewertet, dass die Globalisierung mglicherweise ihren Hhepunkt erreicht hat und die Entwicklung infolge des schlechten wirtschaftlichen Klimas wieder rckwrtsgeht. Die Ablehnung des Lissaboner Vertrags durch die Iren kann also mglicherweise als Anzeichen dafr gewertet werden, dass die europische Integration an ihre Grenzen gestoßen ist. Ist es die langfristige wirtschaftliche Stabilitt, die zumindest bislang den Integrationsprozess (und die Globalisierung, die ja auch ein Integrationsprozess ist) am Laufen gehalten hat? Problematisch wird es, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld ndert. Sind die immer zahlreicher werdenden EU-Mitgliedsstaaten zu unterschiedlich, um den Integrationsprozess erfolgreich fortzu-
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fhren? Bei bestimmten Elementen des dnischen politischen Systems sind momentan „rebellische Tendenzen“ als Reaktion auf ein Urteil des Europischen Gerichtshofs festzustellen, das sich offenbar in die dnische Einwanderungspolitik eingemischt hat. Auf der einen Seite kann man sagen, dass das Projekt Europa bislang ein Erfolg war. Die EU ist im Lauf der Jahre gewachsen, und viele weitere Lnder mchten beitreten. Auf der andere Seite ist festzustellen: Je grßer die EU wird, desto grßer werden die Diskrepanzen. Diese Umfrage knnte der Beginn einer tiefer greifenden Untersuchung sein, wie groß die Unterschiede in den jeweiligen Lndern sind. Eine dritte Antwort knnte darin bestehen, dass uns diese Umfrage Aufschlsse ber die Gegenwart liefert. Nach Ansicht der Zukunftsforscher besteht die wahre Funktion von Zukunftsstudien darin, die Entscheidungen der Gegenwart zu untermauern. Die meisten Menschen neigen dazu, die Zukunft im Vergleich zu ihrer aktuellen Realitt zu sehen. Das erklrt vielleicht die etwas pessimistischen Vorhersagen. Die Umfrage wurde in einer Zeit durchgefhrt, die von deutlichen Preissteigerungen, sinkenden Immobilienpreisen und Endzeitvorhersagen ber eine bevorstehende Rezession geprgt ist.
Methoden der Befragung Die Auswahl der Befragten ist reprsentativ fr das jeweilige Land, in dem sie leben. Die Auswahl der Lnder ist jedoch nicht reprsentativ fr die EU oder fr Europa, ganz gleich wie man Europa definiert. Es mag undankbar erscheinen, wenn Zukunftsforscher so viele Daten an die Hand bekommen, um die Zukunft aufzuklren, und sich dann auch noch beschweren, aber es sollte schon gesagt werden, dass neben den vertretenen Lndern noch mindestens zwei Arten von Lndern htten bercksichtigt werden sollen, wenn es um ein Szenario fr das Jahr 2030 geht. Die erste Gruppe ist Osteuropa (oder Mitteleuropa, wie sich diese Lnder gern selbst nennen). Russland ist vertreten, wenngleich
Gedanken zur Pan-European Future Study
ein etwas nuancierteres Bild entstanden wre, wenn zumindest eines der ehemals kommunistischen Lnder auch mit aufgenommen worden wre. Sie sind jetzt Mitglieder der EU und beurteilen die Zukunft optimistischer als die traditionellen EU-Mitglieder. Die zweite Gruppe ist das „verwhnte“ Skandinavien und vielleicht auch die Niederlande. Reiche, kleine Lnder wie Dnemark, Norwegen und Schweden haben eine andere Sicht auf die Zukunft als der Rest von Europa. Auch wenn es narzisstisch erscheinen mag, weil ich selbst Dne bin, aber wann immer die EU die Zufriedenheit ihrer Brger misst, sind die Dnen die zufriedensten Europer. Eine franzsische Umfrage hat vor Kurzem ergeben, dass dnische Jugendliche optimistischer in die Zukunft blickten als die Jugend der anderen befragten europischen Lnder. Nur die amerikanischen Jugendlichen zeigten sich hnlich optimistisch. Mit anderen Worten: Es fehlen Beispiele fr das, was Stefan Bergheim von der Deutschen Bank „glcklicher Kapitalismus“ nennt. Man knnte meinen, dass die skandinavischen Lnder durch Finnland ausreichend vertreten sind, aber Finnland blickt auf eine andere Geschichte zurck und ist erst vor relativ kurzer Zeit zu seinem wirtschaftlichen Wohlstand gekommen. Die Zukunftserwartungen basieren in vielen Fllen auf den eigenen Erfahrungen, die die Befragten in der Vergangenheit gemacht haben. Aber es ist nicht nur wichtig, dass die Lnderauswahl nicht einseitig ist, sondern auch die Fragen mssen angemessen, przise und nicht irrefhrend sein. Betrachtet man die letzte Mglichkeit jeder Kategorie – „Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein“ –, so fllt auf, dass es im Allgemeinen nur sehr wenige gibt, die noch nicht einmal eine der Mglichkeiten fr wahrscheinlich halten. Die Ausnahme bildet Italien und in geringerem Maße sterreich, die in Bezug auf diese Frage deutlich skeptischer sind als die anderen Lnder. Es knnte daran liegen, dass diese Frage zu „zahm“ und zu offensichtlich ist. Doch das erscheint wiederum unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass 12 % aller Befragten an die Mglichkeit glauben, dass im Jahr 2030 Wetterstationen nach Bedarf Sonne,
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Regen und Schnee produzieren. Von wegen Kriege um Ressourcen in der Zukunft! Es zeugt wohl eher von einer enormen Vorstellungskraft fr die Zukunft als von einer banalen Frage. Vielleicht wollten sie dem Interviewer gegenber nur hflich sein. Und ein dritter Erklrungsversuch ist, dass es sich hier einfach um eine lebhafte Fantasie handelt. In diesem Fall knnte man wohl sagen, dass die Italiener und sterreicher weniger hflich oder weniger freundlich sind als der Rest der Befragten. Spinnt man diese primitive Argumentation weiter, dann sind Franzosen und Schweizer die fantasievollsten und freundlichsten Teilnehmer der Umfrage! Wie passt das zu Ihren aktuellen Vorurteilen ber die verschiedenen Nationalitten? Schließlich sollte in dieser Einleitung betont werden, dass die Umfrage umfangreiches Datenmaterial generiert hat und die Mglichkeit weiterer, tiefer gehender Analysen ganz klar gegeben ist. Es gibt nahezu endlos viele Mglichkeiten, die Daten weiterzuverarbeiten, um Querverbindungen als Grundlage fr interessante Themen herzustellen. Auch wenn ich kein mathematisches Genie bin, habe ich dennoch den Eindruck, dass es sehr viele Mglichkeiten gibt, das Datenmaterial zu verwenden. In Zukunft werden meine mangelnden Mathematikkenntnisse keine Rolle spielen – wenn ich nur lang genug lebe. Der Fortschritt im Bereich der Informationstechnologie deutet darauf hin, dass es in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr ntig sein wird, relevante Muster in großen Datenmengen „per Hand“ zu erkennen und auszuwerten. Diese Aufgabe wird immer leistungsfhigere Software bernehmen. Bis es so weit ist, muss eine etwas primitivere und oberflchlichere Methode ausreichen.
Wahrscheinliche Szenarien Ein allgemeines und grobes Bild davon, wie die Europer die Zukunft sehen, ergibt sich, wenn man sich ansieht, was die Befragten fr das Jahr 2030 am wahrscheinlichsten halten. „Primitiv“ deshalb, weil nicht auf die Unterschiede zwischen den neun verschiedenen Be-
Gedanken zur Pan-European Future Study
vlkerungen eingegangen wird. Außerdem werden kulturelle Unterschiede ignoriert. Auch wenn alle neun Bevlkerungsgruppen dieselben Fragen gestellt bekommen, fhren die kulturellen Unterschiede vermutlich dazu, dass die Fragen und damit auch die Antworten einen unterschiedlichen Wert haben. Was sind also die zehn wahrscheinlichsten Zukunftsszenarien der 10 000 Befragten? Ein Blick auf die elf wahrscheinlichsten liefert ein etwas beunruhigendes Bild. Elf Szenarien deshalb, weil Internetkriminalitt und der Erfolg von Frauen im Management mit 45 % gleichauf liegen. Die Wirtschaft ist eines der dominierenden Themen. Und die Erwartungen sind nicht gerade optimistisch. Die Preise fr Produkte des tglichen Bedarfs drften steigen. Das ist die wahrscheinlichste Entwicklung, die aus der Umfrage hervorgeht. Hier darf man nicht vergessen, dass die steigenden Preise fr Nahrungsmittel und Energie zum Zeitpunkt der Datenerhebung die Einschtzung der Teilnehmer mglicherweise beeinflusst haben und die Ursache fr den negativen Ausblick sein knnten. Viele gehen davon aus, dass es ntig sein wird, mehr als einem Job nachzugehen. Dies gilt fr nahezu alle Befragten, wenn auch in deutlich geringerem Maße in Italien und Russland. Hier stellt sich
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die Frage: Liegt das daran, dass diese Befragten nicht zustzlich mehr arbeiten wollen, oder weil sie meinen, dass es schwer sein drfte, einen zweiten Job zu finden, oder weil sie der Meinung sind, ein Job sollte ausreichen. Die Aussicht auf eine anstndige Rente ist gering. Die Altersarmut wird auch im Jahr 2030 noch weit verbreitet sein. Die Erwartung, bis zum Alter von 75 Jahren arbeiten zu mssen, hat es fast unter die Top 11 geschafft, und dieser Entwicklung wird besonders in Großbritannien, Deutschland und Frankreich pessimistisch entgegengeblickt. Wenn man von einer schlechten Rente ausgeht, ist es nur folgerichtig, bis 75 zu arbeiten. Das wre die traditionelle Sichtweise. Man knnte auch anders argumentieren und sagen, wenn wir lnger leben, und das ist mit Ausnahme von Russland der Fall, dann ist es nur natrlich, dass wir auch lnger arbeiten. Es wre interessant, die Einschtzungen zu folgender Hypothese zu sehen: „Es gibt kein festgesetztes Renteneintrittsalter mehr.“ Dies wre die logische Konsequenz in einer Arbeitswelt, die sich von einer Industriegesellschaft zu einer projekt- und terminorientierten Gesellschaft ohne feste Arbeitszeiten entwickelt. Vor diesem Hintergrund knnte die Aussicht, bis 75 zu arbeiten, sogar optimistisch beurteilt werden – wenngleich dies unwahrscheinlich ist. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird grßer. Im Prinzip kann man darber streiten, ob dies eine pessimistische oder eine optimistische Perspektive ist. Zukunftsforscher, zumindest diejenigen, die derselben Philosophie anhngen wie ich, wollen „professionelle Neutralitt“ wahren – ein Ziel, das theoretisch gar nicht mglich ist, aber ein sehr gutes Ideal darstellt. Nach diesem Grundsatz kann man eigentlich gar nicht sagen, ob ein grßeres wirtschaftliches Ungleichgewicht gut oder schlecht ist. Man knnte argumentieren, dass in einem System mit großen Ungleichheiten mehr Anreiz fr Entwicklung besteht als in einer gerechten, gleichberechtigten Gesellschaft. Das ist das amerikanische Modell. Man knnte aber auch dagegenhalten, dass eine faire und gleichberechtigte Gesellschaft sicherere Rahmenbedingungen schafft, und dass eine humane
Gedanken zur Pan-European Future Study
Gesellschaft die Kreativitt frdert. Das wre vielleicht das nordeuropische Modell. Da wir es mit der allgemeinen Meinung eines reprsentativen Teils der ausgewhlten Bevlkerung zu tun haben, knnen wir davon ausgehen, dass das Ergebnis sehr wahrscheinlich eher eine negative als eine positive Perspektive darstellt. In wirtschaftlicher Hinsicht knnen wir schließlich noch sagen, dass die Aussicht auf zunehmende Konflikte um Ressourcen keine rosige Zukunftsaussicht darstellt. Auch hier ist der Einfluss der aktuell steigenden Preise fr l und Rohstoffe auf den allgemeinen Ausblick festzustellen. Wir knnen davon ausgehen, dass ein Anstieg der Kriminalittsrate eine Folge des wachsenden wirtschaftlichen Ungleichgewichts ist. Nahezu ein Prozent der amerikanischen Bevlkerung sitzt im Gefngnis. Daher liegt der Schluss nahe, dass ein steigendes Ungleichgewicht auch in Europa zu einem Anstieg der Kriminalittsrate fhren wird. Internetkriminalitt und das organisierte Verbrechen sind den Schtzungen zufolge 2030 strker ausgeprgt als heute, außer in Italien und Russland. Sieht man einmal von diesen beiden Lndern ab, ist die Angst vor Kriminalitt ein sehr dominantes Thema. Angesichts der allgemeinen Vorurteile ber Kriminalitt im Allgemeinen und organisiertes Verbrechen im Speziellen in Italien und Russland scheinen wir Grund zu der Annahme zu haben, dass die dortigen Erwartungen auf Optimismus (oder ein Verleugnen der Realitt) zurckzufhren sind. Doch im Allgemeinen scheinen die Aussichten in diesem Punkt recht dster. Dass die Zukunft als bedrohlich wahrgenommen wird, der Blick auf die Vergangenheit aber milder ausfllt, ist kein unbekanntes Phnomen. Die Zukunft steht einem noch bevor, und ich erinnere Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft machen, immer daran, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese bedrohliche Zukunft Teil der guten alten Zeit ist. Der nchste Punkt auf unserer Top-11-Liste knnte als „Beziehung zwischen den Geschlechtern“ zusammengefasst werden. Die Aussicht, unverheiratet zusammenzuleben, steht weit oben in der
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Rangliste der Wahrscheinlichkeiten. Auch hier sollte man vorsichtig sein, dies als pessimistisch oder optimistisch einzustufen. Ist es die Erwartung einer weniger stabilen Familiensituation oder eher die Aussicht auf mehr Individualismus, oder knnte es eine zunehmende antiautoritre Einstellung verraten und eine Abkehr von Traditionen? Ein geschlechterspezifisches Thema ist auch die Erwartung, dass mehr Frauen in Managementpositionen zu finden sein werden. Und knapp unterhalb der Top 11 liegt die Erwartung, dass Homosexuelle heiraten und Kinder adoptieren knnen. Etwas provokativ knnte man sagen, dass die Aussichten in diesem Bereich den Wunsch nach Modernisierung oder nach einer Entwicklung hnlich der in Nordeuropa verraten. Es ist außerdem interessant, dass bei den drei eben genannten Themen Frankreich den hchsten und Italien und Russland den tiefsten Wert liefern. In puncto Langlebigkeit von Traditionen gehen die Meinungen auseinander. In Italien und Russland wird keine Modernisierung erwartet, wenn diese Bezeichnung stimmt. Schließlich findet sich auch das Thema Recycling in der Top11-Liste. Italien – vielleicht beeinflusst durch die kritische Situation in Neapel – und Russland sind in diesem Punkt nicht so optimistisch, aber die brigen Lnder haben bei der Mllverwertung hohe Erwartungen. Man knnte natrlich einwenden, dies sei kein Optimismus, sondern das realistische Erkennen einer notwendigen Entwicklung.
Unwahrscheinliche Szenarien Eine andere Methode, einen berblick ber die riesige Datenmenge zu erhalten, besteht darin, sich zu fragen: Woran glauben die Menschen nicht? Hier zeigt sich ein verwirrendes Bild. Am wenigsten wahrscheinlich ist ein Wahlsystem, bei dem die Stimme der unter 50-Jhrigen doppelt zhlt. Es wurde bereits darber gestritten, ob diese Maßnahme in demokratischen Gesellschaften ein Mittel gegen die beralterung und die „latente Senilitt“ der europischen Whlerschaft wre. Geringere Geburtenraten
Gedanken zur Pan-European Future Study
und hhere Lebenserwartung verstrken beide denselben Trend. Man knnte entweder das gesetzliche Mindestalter fr das Wahlrecht herabsetzen oder, wie hier erwhnt, die Stimme der jngeren Whler doppelt zhlen. Eine andere Mglichkeit wre es, den ber 70-Jhrigen das Wahlrecht zu entziehen. Aus der Arbeitswelt mssen wir irgendwann altersbedingt ausscheiden – warum nicht auch aus der regierenden Gesellschaft. Man kann wohl realistischerweise davon ausgehen, dass diese Aussicht hchst unwahrscheinlich ist. Bereits heute sind zu viele Menschen ber 50, als dass ein solches System auf demokratischem Wege eingefhrt werden knnte. Die Jngeren werden argumentieren, dass sie lngerfristige gesellschaftliche Interessen verfolgen als die Alten. Die werden wiederum dagegenhalten, dass sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung besser qualifiziert sind. Ein ewiger Streit. Wenn alle lnger im Arbeitsleben aktiv bleiben als frher, und davon wird ausgegangen, dann wird dieses Problem abgemildert. Diejenigen, die noch arbeiten, werden diejenigen, die nicht mehr arbeiten, nicht als große Belastung empfinden. Allerdings wird dadurch irgendwann das Problem jngerer und zunehmend ungeduldiger Beschftigter verschrft, die lnger auf Positionen im TopManagement warten mssen. Dies knnte neue Karrieremuster er-
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forderlich machen, denn heute haben Top-Manager, die ihren Posten rumen, keine Zukunft mehr im Unternehmen. Die Firmen werden ein System entwickeln mssen, das dafr sorgt, dass die Erfahrung lterer Manager nicht verloren geht, nur weil im Top-Management neue Energie gebraucht wird. Nummer zwei in der Hitparade der unwahrscheinlichsten Zukunftsaussichten sind sinkende Managementgehlter. Die Bezahlung im Top-Management steigt schon seit Jahren, nicht zuletzt in den USA, wo sich die Vergtung der Top-Manager zwischen 1970 und 2000 vom 11-Fachen auf das 530-Fache des durchschnittlichen Gehalts eines Arbeiters erhht hat. Diese Entwicklung ist auch in Europa zu beobachten, und sowohl in den USA als auch in Europa scheint man zu glauben, die Managementgehlter mssen nicht an den Unternehmenserfolg gekoppelt sein. Hier ist man versucht, ein Versagen der Marktmechanismen zu unterstellen. Die Menschen gehen nicht davon aus, dass die Managementgehlter sinken. Das passt gut zur Aussicht einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Man knnte natrlich ganz keck fragen, ob es zur Erwartung einer hheren Frauenquote im Top-Management passt. Historisch gesehen sind die Gehlter eher gefallen, wenn sich ein Berufstand auch fr Frauen geffnet hat. Auf den Pltzen 5 sowie 7 bis 10 finden sich weitere Beispiele fr den europischen Pessimismus, wie ich ihn nenne. Die Menschen gehen nicht davon aus, dass GVO (gentechnisch vernderte Organismen) die Hungersnot auf der Welt beseitigen. Dahinter stehen wahrscheinlich zwei berzeugungen: Man sollte keine GVO einsetzen und: Der Einsatz von GVO kann das Problem nicht lsen. Die erste Auffassung wird sehr wahrscheinlich mit der Zeit verschwinden – definitiv noch vor 2030. GVO stoßen u. a. bei denjenigen auf Widerstand, die immer gegen Neues sind. Und solange etwas nicht auf breite Zustimmung stßt, wird es auch vom Staat abgelehnt. Zeit, Informationen und Preissteigerungen sind ntig, damit solche Dinge angenommen werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass bei weiterhin steigenden Lebensmittelpreisen GVO schneller
Gedanken zur Pan-European Future Study
von der Allgemeinheit akzeptiert werden. Ob dadurch die Hungersnte dieser Welt gelst werden knnen, ist eine andere Frage. Einerseits wird erwartet, dass die Weltbevlkerung zunimmt, was das Problem verstrkt. Außerdem wirkt sich in diesem Zusammenhang auch die Zunahme von Biotreibstoffen negativ aus. Auf der anderen Seite sind Hungersnte eher ein Verteilungsproblem denn eine Frage der Produktionskapazitt. Die Befragten gehen nicht davon aus, dass Dienstleistungen und Beratung wichtiger werden als niedrige Preise. Die Billigmentalitt hat sich in Europa durchgesetzt. Und auch mit dem Vertrauen darauf, dass die Technologie die Probleme des Klimawandels lsen wird, ist es nicht weit her. Wre der Zeitrahmen nur auf die nchsten fnf Jahre ausgelegt gewesen, wre diese Einschtzung etwas realistischer. Aber die kommenden 22 Jahre sind ein so langer Zeitraum, dass vieles mglich ist. Daher zeigt sich in diesem Punkt wieder der grundstzliche Pessimismus der Befragten. berraschend ist der mangelnde Glaube an gleiche Bildungschancen. In diesem Punkt htte man eines der verwhnten skandinavischen Lnder gebrauchen knnen. Dort ist man der Meinung, dass gleiche Bildungschancen bereits gut umgesetzt wurden, und wenn die Frage so wie hier im Sinne von „Bildungsprogrammen“ formuliert ist, kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass dies auch stimmt. Bildung ist in Skandinavien kostenlos und es gibt darber hinaus wirtschaftliche Frderprogramme. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, aus wirtschaftlichen Grnden keine Bildung zu erhalten. In Sachen Bildungsabschluss ist die Situation allerdings immer noch unausgeglichen. Kinder von Akademikern werden selbst Akademiker, whrend Kinder aus Arbeiterfamilien meist in der Arbeiterschicht bleiben. Dies liegt aber eher am familiren Umfeld als am Bildungssystem – ein Phnomen, das fr besondere Angebote fr junge Menschen sprche, die durch ihren familiren Hintergrund mglicherweise ein „Handicap“ haben. Doch darum geht es hier ja nicht.
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Das Umfrageergebnis zeigt eine extrem pessimistische Sicht in einer Frage, die fr Europa auf viele Jahre hinaus von entscheidender Bedeutung sein wird. Wenn Europa seine relativ wohlhabende Position halten und ausbauen mchte, dann muss das Motto lauten: Bildung, Bildung, Bildung. George W. Bush hat das Gesetz „No Child Left Behind“ (Kein Kind soll auf der Strecke bleiben) auf den Weg gebracht. ber die Ergebnisse dieser Initiative lsst sich streiten, aber die Idee ist richtig. Die europische Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass jemand auf der Strecke bleibt. Die Ttigkeiten fr ungelernte Arbeiter werden knftig automatisiert oder in andere Teile der Welt verlagert, wenn dies nicht bereits geschehen ist. Man knnte das Problem natrlich auch lsen, indem man qualifizierte Arbeitskrfte aus dem Ausland rekrutiert, aber an diese Lsung glauben nur wenige. Nur 21 % haben den Punkt „Viele europische Lnder holen Auslnder ins Land, um der eigenen beralterung entgegenzuwirken“ mit Ja beantwortet. Dabei ist dies eines der wahrscheinlicheren Phnomene. Die Europer bekommen zu wenige Kinder. Kein europisches Land hat eine Geburtenrate, mit der die aktuelle Bevlkerungsstrke beibehalten werden knnte. Auch wenn es wieder narzisstisch klingt: Dnemark hat eine hhere Geburtenrate als alle an der Befragung beteiligten Lnder. Doch wenn die Europer nicht gengend Kinder zur Welt bringen und nicht an die Ausbildung ihrer Bevlkerung glauben, dann werden sie Arbeitskrfte importieren mssen. Vielleicht sollte man den letzten pessimistischen Punkt vor dem Hintergrund dieser berlegungen betrachten: Trotz schrumpfender Bevlkerung ist keine Vollbeschftigung mglich – glauben die Befragten. Auch fr diese negative Einschtzung kann es viele Grnde geben. Entweder glauben die Befragten nicht, dass die Bevlkerung tatschlich schrumpft, oder aber sie glauben, dass immer noch Menschen von außerhalb Europas zuwandern – ob kontrolliert oder nicht –, und einen Bevlkerungsrckgang verhindern. Es wird sicher nicht so weit kommen, dass manche Gegenden „menschenleer“ werden. Die Befragten knnten aber auch der Meinung sein – und hier
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kommt die pessimistische Beurteilung des Bildungswesens wieder mit ins Spiel –, dass Vollbeschftigung nicht mglich ist, weil es zu viele Menschen gibt, die fr den modernen Arbeitsmarkt nicht ausreichend qualifiziert sind. Diese Erwartung passt beraus gut zur Erwartung einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich und zu hohen Managementgehltern.
Na und? Wie bereits gesagt: Diese Analyse ist oberflchlich. Kulturelle Unterschiede fallen unter den Tisch, weil nur ein Gesamtprozentsatz der Antworten bercksichtigt wird, und das schafft unter Umstnden die Grundlage fr voreilige Schlsse. In diesem Fall muss erwhnt werden, dass einige der an der Umfrage beteiligten Lnder an einer Analyse des Weltwirtschaftsforums teilgenommen haben, die den Zusammenhang zwischen Zukunftsorientierung – gemessen an der Bereitschaft, die Befriedigung von Bedrfnissen zugunsten von Zukunftsplanung zu verschieben –, Investitionen und Wettbewerbsfhigkeit unter die Lupe genommen hat. Man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass ein deutlicher Zusammenhang besteht: je zukunftsorientierter, desto wettbewerbsfhiger. Die Ergebnisse der Lnder der Pan-European Future Study klaffen in diesem Punkt auseinander. Russland ist am wenigsten zukunftsorientiert und wirtschaftlich am schwchsten; Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland, Großbritannien und Finnland zeigen die strkste Zukunftsorientierung und sind am wettbewerbsstrksten. Die relative Position von Russland und Italien spiegelt deren Einstellung zu der Zukunft der Familie wider, obwohl diese Verbindung vielleicht nicht berbewertet werden sollte. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Antworten von der aktuellen Wirtschaftsschwche beeinflusst worden sein knnen. Es lsst sich darber streiten, wie viel die Ergebnisse ber die grundstzlichen Meinungen und Einstellungen in den ausgewhlten Teilen Europas aussagen. Das Fazit, das Forscher in der Regel ziehen,
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lautet: Es bedarf weiterer Untersuchungen. Mit anderen Worten: Die Umfrage sollte wiederholt werden. Wenn man trotz dieser Einschrnkungen eine Schlussfolgerung ziehen soll, dann ist das wohl die, dass die ausgewhlten Teile Europas die Zukunft beraus pessimistisch und skeptisch beurteilen. Die Erklrung dafr knnte natrlich darin zu suchen sein, dass die Menschen mit einer Prognose, die 22 Jahre in die Zukunft reicht, berfordert sind. Sollte die Skepsis ber die Zukunft aber grundlegender Natur sein, dann wre dies sehr besorgniserregend. Unsere Zukunftsaussichten haben großen Einfluss auf unser Verhalten, und eine derartige Skepsis kann zu Passivitt und damit zu einer sich selbst erfllenden Prophezeiung fhren. Dann sind wir beim „alten Europa“, wie Donald Rumsfeld (ehemaliger US-Verteidigungsminister, falls ihn jemand vergessen hat) es nannte. Er hatte die ußerung zwar im Zusammenhang mit Europas Haltung zum US-Einmarsch im Irak verwendet, aber im Grunde hat er sich auf das klassische Klischee der zupackenden Amerikaner und der eher dekadenten Europer bezogen. Hier kommt wieder der Forscher in mir durch: Es wre interessant zu sehen,wie Amerikaner bei dieser Umfrage antworten wrden. Wenn die Skepsis der Europer wirklich besteht, lsst sie sich anhand der globalen Wirtschaftsschwche verdeutlichen: Wir stehen mglicherweise kurz vor einer Stagnation in Europa. Das zeigt sich auch in der Haltung der Asiaten gegenber Europa. Sie blicken nostalgisch auf unseren Kontinent und betrachten ihn als Museum. Eine der bezeichnendsten Bemerkungen bei der 2007er European Futurists Conference in Luzern machte der Botschafter Singapurs auf die Frage, was Europa tun solle. „Nichts“, antwortete er. Wird Europa als globaler Vergngungspark enden, den Gste aus aller Welt besuchen, nicht zuletzt aus Asien, um zu sehen, wie es frher war, bevor sie wieder nach Hause fahren, um ihren technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt voranzutreiben? Die offensichtliche Skepsis in Europa kann uns in diese Richtung zwingen.
Europa 2030: Was knnen wir erwarten? Teil I George T. Roos
Europas Zukunft beginnt heute. Sie beginnt in Moskau und Zrich, in Rom und London, in Berlin und Madrid, in Wien, Paris und Helsinki. Wie sehen die Brger in Europa die Zukunft? Was erhoffen sie sich? Was befrchten sie? Und an welchen Zukunftsentwicklungen haben sie kein Interesse? In einer Tour d’horizon prsentieren dieses und das folgende Kapitel jeweils vier gesellschaftliche Kernbereiche der Zukunft.
Arbeit: Wir werden mehr und lnger arbeiten Der Produktionsstandort Europa wird in Zukunft unter Druck geraten. Rund die Hlfte der Schweizer (52 %), Franzosen (51 %), Deutschen (49 %), Finnen (48 %) und sterreicher (43 %) glauben, dass Gter im Jahr 2030 hauptschlich in den aufstrebenden Lndern außerhalb Europas hergestellt werden. Einzig die Englnder (32 %), Italiener (24 %), Spanier (23 %) und Russen (18 %) stehen dem Produktionsstandort Europa zuversichtlicher gegenber, wobei es sich dabei (mit Ausnahme Englands) um jene Lnder handelt, die – gemß den Schtzungen des IMF fr 2007 – ein geringeres BIP per capita und entsprechend tiefere Lohnkosten aufweisen, als die anderen untersuchten Lnder. Die hohen Lohn- und Lebenskosten belasten die Konkurrenzfhigkeit. Die Europer wissen, dass sie knftig ihre Produktivitt weiter steigern mssen, wenn sie auf dem Welt-
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markt mithalten wollen. Weitere Arbeitszeitreduktionen sind daher nicht zu erwarten. So glaubt nur jeder fnfte Befragte (19 %), dass es in Zukunft wichtiger sein wird, mehr Freizeit statt mehr Lohn zu erhalten. Selbst eine weitere Automatisierung der Arbeitsprozesse drfte nicht zu einer Arbeitszeitreduktion fhren: Nur gerade jeder fnfte Europer rechnet mit einer 25-Stunden-Woche aufgrund fortschreitender Automatisierung. Einzig bei den Finnen ergibt sich ein etwas anderes Bild: Knapp die Hlfte (48%) kann es sich vorstellen, mehr freie Zeit statt einer grßeren Lohntte zu haben. Hingegen knnen sich die Europer durchaus vorstellen, in Zukunft mehr als nur einen Arbeitgeber zu haben. Drei Viertel der Deutschen (78 %) und Schweizer (71 %) und knapp zwei Drittel der sterreicher (63 %) gehen davon aus, dass viele Erwerbsttige
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im Jahr 2030 zugleich einem Zweit- oder Nebenverdienst nachgehen werden. In Finnland (55 %) glaubt dies knapp mehr, in Spanien (48 %) und England (45 %) knapp weniger als die Hlfte. Einzig die Italiener (31 %) und Russen (34 %) glauben, auch in Zukunft werden die meisten Arbeitnehmer bei einem einzigen Arbeitgeber unter Vertrag stehen. Dass mit dem Portfolio-Working die Loyalitt zum Arbeitgeber schwindet, ist allerdings nicht zu erwarten. Zumindest glaubt nur jeder fnfte Befragte (21 %) an eine geringere Identifikation mit dem Arbeitgeber als heute. Der demografische Wandel fhrt nach den Erwartungen der Europer nicht zu einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Insbesondere deshalb, weil viele von einem zuknftig hheren Pensionsalter ausgehen. Selbst ein Rentenalter von 75 Jahren halten zwei von fnf Befragten (41 %) fr realistisch – bei den Englndern sogar zwei Drittel (64 %) und in Frankreich (56 %), Deutschland (49 %), Finnland und der Schweiz (jeweils 45 %) in etwa die Hlfte. Die Globalisierung knnte sich aus Sicht der Bevlkerung sehr rasant auf die Macht einzelner Wirtschaftsunternehmen auswirken. Knapp ein Viertel der Bevlkerung (23 %) glaubt, dass im Jahr 2030 mehr als die Hlfte aller Europer bei den zehn grßten Unternehmen angestellt sein werden. Heute beschftigen die zehn grßten europischen Konzerne lediglich 2 Mio. Arbeitnehmer. Das Szenario erscheint daher als eher unwahrscheinlich.
Arm und Reich: Die Kluft wird grßer In Zukunft ffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich in Europa weiter. Knapp drei von fnf Befragten (57 %) erwarten, dass in 2030 die Reichen in ihrem Land reicher, die Armen rmer sein werden als heute. Unter die Rder kommt die Mittelschicht, zumindest sehen dies die reicheren Lnder – mit Ausnahme Finnlands – so. Zwei Drittel der Deutschen und Schweizer (jeweils 68 %) und die Hlfte der sterreicher und Franzosen (56 % bzw. 48 %) sehen den Mittelstand bis 2030 praktisch verschwunden, whrend sich die Russen
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(18 %), Spanier und Englnder (jeweils 25 %) in dieser Hinsicht gelassener geben. Auch befrchtet die Mehrheit der Schweizer, Deutschen, Franzosen (jeweils 76 %), sterreicher (58 %), Spanier (55 %) und Englnder (50 %) eine Verarmung der lteren Wohnbevlkerung in ihren Lndern. Die Hlfte der Europer und im besonderen Maß die Franzosen (80 %) und Deutschen (75 %) befrchten denn auch, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer nicht in der Lage sein wird, gengend Geld fr die eigene Rente zu sparen. Ob die Kluft zwischen Arm und Reich Auswirkungen auf die Lebenserwartung (37%) oder die Gebrfreudigkeit (18%) haben wird, ist den befragten Europern nicht klar, oder sie verneinen gar einen Zusammenhang. Allerdings sehen die Europer die Chancengleichheit von Kindern mit akademischem Elternhintergrund und solchen von weniger gebildeten Eltern im Jahr 2030 (noch immer)
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nicht hergestellt – lediglich jeder sechste Europer (16 %) sieht dieses so. Ein minimales staatliches Existenzgeld fr jeden Brger, unabhngig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, wird in einigen Lndern Europas derzeit ffentlich diskutiert. Dass ein staatliches Grundeinkommen aber tatschlich bis 2030 umgesetzt ist, erwartet nur jeder fnfte Befragte (20 %) bis 2030. Das bedeutet, man stellt sich in Europa auf eine Verschrfung des sozialen Klimas ein, zumal nur eine verschwindend kleine Minderheit erwartet, dass etwa Lohnexzesse bei Managern bald der Vergangenheit angehren werden (10 %). Aber nicht nur innerhalb Europas ffnet sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter. Wenig optimistisch sind auch die Erwartungen bezglich einer Wohlstandsangleichung zwischen den Industrie- und Entwicklungslndern. Lediglich ein knappes Drittel glaubt an eine Annherung zwischen den Staaten der „ersten“ und „dritten“ Welt.
Familie: Internet-Dating und das Ende der traditionellen Ehe Die traditionelle Familie mit Trauschein scheint bald der Vergangenheit anzugehren. Drei von fnf Befragten (60 %) erwarten, dass im Jahr 2030 die meisten Paare ohne Trauschein zusammenleben werden. Patchwork-Familien, Alleinerziehende oder eine zunehmende Versingleung der Gesellschaft sind die Folgen – aus einer Lebenspartnerschaft wird immer hufiger eine Lebensabschnittspartnerschaft. Dabei bleibt der Wunsch nach einer Familie auch in Zukunft bestehen, wird aber hufig auf spter verschoben oder muss sich gegen die Konkurrenz von Arbeit und Freizeit behaupten. Helfen bei der Partnersuche knnte das Internet. 30 % der Europer erwarten einen Anstieg von Partnerschaften, die aus dem Internet-Dating entstehen. Hierbei zeigt sich ein geteiltes Europa: Doppelt so viele Finnen und Deutsche (jeweils 40%) und gar dreimal so viele Franzosen und Schweizer (62 % bzw. 58 %) wie Russen, Spanier (jeweils 21 %), Italiener (20 %) und Briten (19 %) knnen sich vorstellen, dass in
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Zukunft zumindest ein Drittel der Paare ber das Internet zueinandergefunden haben werden. Die Fertilittsrate wird nicht auf zwei Kinder ansteigen. Lediglich ein knappes Drittel der Befragten (32 %) gehen von durchschnittlich zwei Kindern pro Frau aus. Einzig die Franzosen sind optimistisch und dies aus gutem Grund, liegt deren Geburtenrate doch heute schon ber dem europischen Durchschnitt. Der Grund drfte u. a. darin liegen, dass eine Mehrheit nicht glaubt, dass sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fr Frauen verbessern wird. Nur ein Drittel der Brger (34 %) ist zuversichtlich, dass sich die WorkLife-Balance insbesondere fr Frauen bis 2030 verbessert. Einzig die Schweizer knnen sich mehrheitlich (64 %) diese Entwicklung vorstellen. Ob knftig homosexuelle Paare vermehrt Kinder adoptieren drfen als heute, wird in Europa unterschiedlich gesehen. Whrend
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die Franzosen (72 %), Finnen (67 %), Schweizer (66 %), Deutschen (55 %), Spanier und Englnder (jeweils 52 %) davon ausgehen, glauben die Russen (21 %), Italiener (23 %) und sterreicher (43 %) nicht an eine Zunahme dieser Familienformen. Offenbar wenig Vorstellungen haben die Europer ber das zuknftige Zusammenleben mit der wachsenden Zahl lterer und betagter Familienmitglieder. Weder knnen sie sich vorstellen, finanziell mehr fr ihre lteren Familienmitglieder in die Pflicht genommen zu werden (28 %), noch stellen sie sich vor, dass es mehr Wohngemeinschaften lterer Menschen ber 60 Jahren, als solche jngerer Menschen unter 30 Jahren geben wird (27 %). Letzteres knnen sich immerhin die Hlfte der Schweizer (49 %), aber nur 16 % der Russen vorstellen. Auch Tagessttten fr ltere Menschen – hnlich den heutigen Tagessttten fr Kinder – kann sich die Mehrheit der Europer nicht vorstellen (38 %), allerdings mit einer signifikanten Abweichung der Franzosen (71 %), der Schweizer (56 %) und der Deutschen (52 %). Vllig unvorstellbar ist den Befragten berdies, dass Maßnahmen gegen die sich abzeichnende Gerontokratie – dem Stimmenbergewicht der lteren Bevlkerung gegenber der jngeren in Abstimmungen und Wahlen – ergriffen werden. Nur gerade 9 % glauben, dass im Jahr 2030 die Stimme der unter 50-Jhrigen doppelt gezhlt wird. Das Designer-Baby, bei dem Eltern durch gentechnische Eingriffe am Embryo Geschlecht, Haarfarbe, Grße und andere Merkmale des eigenen Nachwuchses selbst bestimmen, knnen sich die Europer noch nicht vorstellen. Immerhin geht jeder vierte Europer (27 %) davon aus, dass solche Manipulationen im Jahr 2030 stattfinden werden.
Integration: Eine bleibende Herausforderung ber die Zukunft der Integration von Auslndern machen sich Deutsche, Franzosen (jeweils 57 %) und Schweizer (63 %) die meisten Sorgen: So erwarten sie aufgrund religiser und/oder ethnischer Un-
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terschiede, dass die Immigranten untereinander mehr Konflikte austragen werden als heute. Im europischen Durchschnitt erwarten 38 % eine Zunahme der Konflikte unter Immigranten – ebenfalls eine nicht zu vernachlssigende Anzahl. Die Schweiz, Deutschland (jeweils 53 %) und Frankreich (67 %) sind auch die Lnder, die mehrheitlich von einer Gettoisierung der Immigranten ausgehen. Ganz anders dagegen die Zukunftserwartungen in dieser Frage bei den Italienern (15 %) und Russen (17 %). Dass die Integration von Migranten knftig besser gelingt, glaubt die Mehrheit der Europer nicht – lediglich jeder Vierte ist hier zuversichtlich. Die meiste Zustimmung ußern die Finnen (49 %), was sicherlich auch auf die mit großem Abstand geringste Auslnderquote zurckzufhren ist. Andererseits glauben nur die Finnen mehrheitlich daran, dass in Zukunft Nichteuroper als Europer in ihr Land einwandern werden.
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Multinationale Partnerschaften werden in Zukunft zweifelsfrei einen starken Anstieg verzeichnen. Die Frage, ob in Zukunft ein Drittel der Partnerschaften multinational sein werden, beantworten genau ein Drittel der Europer mit Ja. Erneut sind es vor allem die Schweizer (70 %) und Franzosen (67 %), die diese Entwicklung erwarten. Im Unterschied zum restlichen Europa setzen die Schweiz (44 %) und Frankreich (45 %) denn auch darauf, dass die Integration durch vermehrte Bildungsanstrengungen verbessert werden kann. Dieses ist ein fast doppelt so hoher Wert wie im europischen Durchschnitt (23 %). Das restliche Europa scheint fast ratlos oder aber erkennt nicht die hohe Bedeutung der Bildung als entscheidenden Pfeiler fr eine gelungene Integrationspolitik. Auffllig ist zudem, dass die Europer keine aktive Immigrationspolitik von ihren Regierungen erwarten: Weder werden die Grenzen geschlossen, um einer allflligen Fremdenangst der einheimischen Bevlkerung zu begegnen – lediglich 18 % erwarten dies – noch wird die Immigration aktiv gefrdert, um dem demografischen Problem einer alternden Gesellschaft entgegenzuwirken (21 %).
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Europa 2030: Was knnen wir erwarten? Teil II Ulrich Reinhardt „Wer in Zukunft aufhrt zu lernen, kann ebenso gut zu leben aufhren.“ (Opaschowski, 2008, S. 449) Bildung wird im 21. Jahrhundert zu einer zentralen Ressource jeder Nation, aber auch jedes einzelnen Brgers. Die Brger Europas mssen erkennen, dass freiwillige Weiterbildung – und zwar ein Leben lang – zur Selbstverstndlichkeit wird. Das Verhltnis von Lebenszeit und Lernzeit wird neu definiert werden: Wer nicht weiterlernt, kommt auch im Leben nicht weiter. Bisher haben dies vor allem die Schweizer (52 %) und Franzosen (62 %) verstanden. In beiden Nationen sind die Einwohner mehrheitlich der Meinung, dass wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr zum Standard fr jeden Arbeitnehmer werden wird. Dagegen glaubt nur etwa jeder sechste Spanier (16 %) und auch nur jeder vierte Italiener (25 %), Russe (24 %) oder Brite (25 %) an eine solche Notwendigkeit.
Bildung: Online oder auf privater Basis Kommunikationsfhigkeit wird im 21. Jahrhundert eine Kernkompetenz sein, auf die kaum jemand verzichten kann. Europa wchst zusammen, die Grenzen fallen, zunehmend mehr Unternehmen agieren global und beschftigen Arbeitnehmer aus verschiedenen Lndern. Die Fhigkeit, wenigstens eine Fremdsprache zu beherrschen, wird in vielen Berufen vorausgesetzt, was jedoch die Bevlkerung
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mehrheitlich bisher nicht erkannt hat: Lediglich zwei von fnf Europern (40 %) sehen in Zukunft die meisten Brger zumindest zweisprachig. Dieses Ergebnis berrascht. War es in der Vergangenheit ein Markenzeichen der Europer gegenber den Asiaten und vor allem gegenber den Amerikanern, mehrere Sprachen zu verstehen und zu sprechen, droht hier die internationale Isolation. Innerhalb einzelner Bevlkerungsgruppen sind dabei große Unterschiede nachweisbar: Je hher die Bildung und das Einkommen, desto mehr Zustimmung fr die Multilingualitt. Einerseits ist dies ein Indiz fr das Erfordernis, in hher qualifizierten Berufen mehrsprachig zu sein, anderseits auch ein Nachweis fr eine weitere Spaltung innerhalb der Gesellschaft. Die Bildungsvermittlung via Fernsehen und Internet nimmt aus Sicht der Bevlkerung in den kommenden Jahrzehnten deutlich zu.
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Die besten Professoren halten dann simultan Online-Vorlesungen an verschiedenen Universitten – hieran glaubt jeder dritte Europer (33 %). Die Vorteile fr die Studenten sind hierbei offensichtlich, die Konsequenzen fr die Professoren sind dagegen noch nicht abzusehen. Dabei knnten Verlagerungen in die Forschung, Spektrumserweiterungen oder Vertiefungsmglichkeiten neue, ungeahnte Mglichkeiten fr die Universittsangestellten bedeuten, die dem europischen Forschungsraum zugutekommen wrden. Die Rolle der Medien wird in Zukunft zudem neu definiert werden mssen. Passive Berieselung nach Feierabend wird nur ein Programmbereich der Sender sein knnen. Wer sich hierauf beschrnkt, droht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Die Macht der Medien muss genutzt werden, um gerade bildungsferne Schichten zur Weiterbildung zu animieren. Immerhin mehr als jeder fnfte Brger (21 %) glaubt, dass die Medien fr ein Drittel der Bildung verantwortlich sein werden. Die Zukunft ist weiblich. Frauen stellen schon heute in vielen Lndern die Mehrzahl an Universittsabgngern oder an hheren Schulen. Die Zeiten, in denen nur wenige Mdchen weiterfhrende Schulen besuchten, gehren eindeutig der Vergangenheit an. Die Konsequenz aus einer ansteigenden weiblichen Bildungselite lsst nicht lange auf sich warten: Zunehmend mehr Frauen werden Fhrungspositionen in Unternehmen einnehmen. Hierbei zeigt sich ein zweigeteiltes Europa: In Lndern wie Finnland (74 %), der Schweiz (75 %) oder Frankreich (78 %) erwarten das drei Viertel der Befragten. In Russland (23 %) und Italien (27 %) stimmt dagegen nur etwa jeder Vierte dieser Aussage zu. Interessanterweise sind in beiden Lndern die Unterschiede zwischen Frauen und Mnnern nicht sehr signifikant. Privatschulen erfreuen sich in allen europischen Lndern einer steigenden Beliebtheit. Ob PISA-Ergebnis, steigende Kriminalitt an den staatlichen Schulen oder die Hoffnung auf bessere Frderung fr die eigenen Kinder: Wer es sich leisten kann, schickt seinen Nachwuchs nicht mehr auf die staatlichen Schulen. In Deutschland z. B. ist bereits jede dreizehnte Schule eine privat finanzierte. Fr
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die Zukunft erwarten die Europer einen deutlichen Anstieg der Privatschulen. ber ein Drittel (34 %) glaubt, dass es 2030 mehr private als staatliche Schulen geben wird. Vor allem die Russen (42 %) sehen diese Entwicklung auf ihr Land zukommen, dagegen sehen nur halb so viele Finnen (22 %) einen Boom der Privatschulen in ihrem Land. Der Gefahr einer weiteren Spaltung der Gesellschaft durch die Verbreitung von Privatschulen kann nur durch eine umfassende und permanent verbesserte Bildungspolitik begegnet werden. Die Regierungen in Europa sind aufgefordert, die Rahmenbedingungen hierfr zu stellen und sich so einer immer schneller wandelnden Welt anzupassen.
Umwelt: Wenig Hoffnung auf ein Ende des Klimawandels „In der Vergangenheit prallte eine Flut kologischer Informationen auf die Brgerinnen und Brger ein („Green Overkill“). In Zukunft sollten Umweltbotschaften in Erlebniswelten eingebaut werden, die fr Menschen positiv besetzt sind.“ (Martin Lichtl, Umwelt muss auch Spaß machen, in: PR Umwelt, Hrsg. Umweltministerium BW, Stuttgart 2005, S. 42 f.) Der Klimawandel hat vielfltige Auswirkungen: steigende Meeresspiegel, schrumpfende Gletscher, die Vergrßerung des Ozonlochs, berschwemmungen, schmelzende Pole oder Hunger- und Drreperioden. Die Hoffnungen der Europer, dem Klimawandel durch technische Entwicklungen entgegenzuwirken, sind gering. Lediglich 16 % glauben an eine entsprechende Lsung. Am ehesten knnen sich dies noch die Franzosen (24 %) vorstellen, was mglicherweise eine Reaktion auf die geplanten Schließungen smtlicher Kohlekraftwerke und dem Ausbau der Kernkraft ist, die mittlerweile vier Fnftel des franzsischen Elektrizittsbedarfs erzeugt. Hoffnung auf eine bessere Umwelt haben die Franzosen trotzdem nicht, glaubt
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doch jeder Zweite, dass die Umweltverschmutzung zur Todesursache Nummer 1 wird. In Lndern wie Großbritannien oder Deutschland wird diese Angst nur halb so hufig geußert. In einigen Lndern Europas wchst berdies das Bewusstsein, dass sauberes Wasser in Zukunft zu einem globalen Problem wird. So glaubt bereits die Majoritt der Finnen (54 %), der Franzosen (62 %) und der Schweizer (54%), dass auch in Europa sauberes Wasser bald zu einem Luxusartikel werden wird. Die Briten (23 %) teilen diese Sorge nur halb so hufig und frchten auch keine Verteuerung der Lebenshaltungskosten durch knapper werdende Ressourcen. Dagegen befrchten zwei Drittel der Deutschen (64 %), dass die Warmmiete im Jahre 2030 doppelt so hoch sein wird wie die Kaltmiete. Eine Entwicklung, die in Italien nur von 16 % erwartet wird. Die Hoffnung auf kostengnstige, regenerative Energieformen durch
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Sonne oder Wind ist fr drei von fnf Schweizern (60 %) und Franzosen (59 %) vorhanden. In Lndern wie Russland (23 %) oder Italien (24 %) glaubt dagegen nicht einmal jeder Vierte an diese Mglichkeit. Aber die Umweltsituation wird von vielen Europern auch als entwicklungsfhig gesehen. So erwartet die Hlfte (50 %) der Befragten eine Wiederverwertung des meisten Mlls. In Finnland (79 %), Frankreich (77 %) oder der Schweiz (77 %) glauben dies sogar drei Viertel der Einwohner. An eine Lsung von Hungersnten durch genetisches Essen (14 %) und die Mglichkeit, das Wetter durch meteorologisch hoch entwickelte Stationen selbst bestimmen zu knnen (12 %), glaubt etwa jeder achte bzw. jeder siebte Einwohner Europas. Am ehesten knnen sich die Russen (16 %) dieses vorstellen, wohingegen bei den Deutschen (7 %), Italienern (8 %) oder Briten (7 %) die Skepsis deutlich ausgeprgter ist. Den Metropolregionen wird eine unterschiedliche Zukunft vorhergesagt. So erwarten drei von fnf Franzosen (59 %), dass die meisten Großstdter zurck aufs Land ziehen werden, um den innerstdtischen Umwelteinflssen zu entfliehen. Stdte wie Wien, Moskau, Rom oder London dagegen werden diese Entwicklung wohl nicht erfahren: Nicht einmal jeder Dritte in diesen Lndern glaubt an eine umweltbedingte Stadtflucht.
Sicherheit: berwachungsstaat oder persnliche Freiheit „Der Televisor war gleichzeitig Empfangs- und Sendegert. Jedes von Winston verursachte Gerusch, das ber ein leises Flstern hinausging, wurde von ihm registriert. Außerdem konnte Winston, solange er in dem von der Metallplatte beherrschten Sichtfeld blieb, nicht nur gehrt, sondern auch gesehen werden. Es bestand keine natrliche Mglichkeit festzustellen, ob man in einem gegebenen Augenblick gerade berwacht wurde.“ (George Orwell, 1984, S. 6)
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Werden die Visionen Orwells aus dem Jahr 1949 Wirklichkeit? Fr die meisten Europer sind heute Kameras in Kaufhusern und Tankstellen, in Museen und Sportstadien, in Bahnhfen und Innenstdten fast selbstverstndlich. Schutz und Sicherheit scheinen wichtiger zu sein als die Sorge vor einer stndigen berwachung und die Einschrnkung des Privatlebens. Bereits ein knappes Drittel der Befragten (31 %) glaubt zumindest, dass die eigene Sicherheit in Zukunft fr viele Brger wichtiger sein wird als die eigene Privatsphre, und jeder Vierte (24 %) knnte sich auch vorstellen, 2030 einen elektronischen Chip zur Identifikation und Lokalisation zu tragen. Fr mehr als ein Drittel der Europer (35 %) wird bis zum Jahr 2030 die Technik der berwachungsmglichkeiten so weit fortgeschritten sein, dass Verbrecher dann direkt bei der Tat identifiziert werden knnen. Bei den Franzosen sind sogar fast zwei Drittel (63 %) dieser Ansicht. Und auch die Schweizer (55 %) und Finnen (55 %) glauben mehrheitlich an diese Entwicklung. Es wird deutlich: George Orwells Visionen lassen nicht mehr lange auf sich warten. Die organisierte Kriminalitt bleibt das ungelste Problem in Europa. Jeder zweite Europer (49 %) von London bis Rom, von Madrid bis Berlin, von Helsinki bis Zrich und von Wien bis Moskau nennt diese Sorge an erster Stelle. Kommen (latein-)amerikanische Verhltnisse auf uns zu? Werden auch in Europa bald ganze Straßenzge und Wohnviertel von privaten Wachdiensten kontrolliert? Und wer wird hiervon am meisten betroffen sein? Drei von vier Schweizern (73 %) frchten um ihre Sicherheit und auch zwei Drittel der Deutschen (68 %), der Finnen (67 %) und der Franzosen (63 %) teilen diese Sorge. Fast die Hlfte der Europer (45 %) erwartet zudem einen Anstieg der Internetkriminalitt. Dabei reicht das Spektrum nicht nur von Jugendschutz- ber Menschenrechts- bis hin zu Persnlichkeitsverletzungen – auch die Angst vor einem Verlust des Verbraucherschutzes, vor Manipulation oder Wahlflschungen knnte in Zukunft Wirklichkeit werden. Eine jeweils nationale Lsung dieser Probleme ist dabei sehr unwahrscheinlich und selbst die Schaffung von europischen Richtlinien und Gesetzen wrde in
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einer digital-vernetzten Welt nur wenig Aussicht auf Erfolg haben. Dieses ist eine globale Herausforderung, die nur gemeinsam gelst werden kann. Jeder dritte Europer (30 %) erwartet 2030 bei den Auslndern eine doppelt so hohe Kriminalittsrate wie bei den Einheimischen. Als Gegenmaßnahmen knnten hrtere Strafen fr kriminelle Handlungen (38 %) und der von jedem Vierten (24 %) erwartete, verbesserte Datenaustausch zwischen den einzelnen Staaten helfen. Beide Szenarien knnen sich vor allem die Franzosen (49 %) und Schweizer (49 %) vorstellen, wohingegen die Italiener (12 %) nur wenig Hoffnung in diesen Maßnahmen sehen. Weitere Sorgen der Europer sind heute noch unbekannte Auswirkungen von neuen Bio- oder Nanotechnologien, die etwa jeder vierte Euro-
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per befrchtet, und die Angst vor Kriegen und Konflikten um natrliche Ressourcen wie Gas, l oder Wasser. In etwa die Hlfte der Bevlkerung sieht dieses Szenario auf Europa zukommen. So kann die Versorgungssicherheit mit Energie und anderen Ressourcen eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft werden.
Konsum: Verteuerung von Alltagsgtern „Im neuen Zeitalter kaufen die Menschen ihre bloße Existenz in kleinen kommerziellen Segmenten. Jeder Augenblick des Lebens wird in irgendeiner Form vermarktet.“ (Jeremy Rifkin, Access. Das Verschwinden des Eigentums, Frankfurt/M. 2000, S. 15) Teures l und steigende Gaspreise, starker Euro und sinkende Konsumnachfrage, hohe Lebenshaltungskosten und neue Steuern – die Konsumenten in Europa stehen vor einer unsicheren Zukunft und wissen nicht, wie lange bzw. ob sie ihren Lebensstandard noch halten knnen. Fast zwei Drittel der Europer rechnen mit signifikant hheren Preisen fr Alltagsgter wie z. B. Lebensmittel. Vor allem die wohlhabenden Industrienationen wie England, Frankreich, Finnland oder die Schweiz erwarten eine Verteuerung – jeweils drei von vier Brgern in diesen Lndern ußern Zustimmung. In Deutschland sind es sogar vier von fnf Brgern (80 %), was nicht nur mit einer momentan abflauenden Konjunktur erklrt werden kann. Ein Ende dieser Entwicklung ist kaum abzusehen, zumal der Konjunkturzyklus nicht mehr nach bekanntem Ablauf stattfindet: In der Vergangenheit sprang zunchst die Exportwirtschaft an, darauf investierten die Firmen mehr und stellten zustzliche Mitarbeiter ein. Diese konnten wieder mehr Geld ausgeben, was den Einzelhandel frderte. Im zweiten Halbjahr 2008 greift diese Modellrechnung nicht mehr. Ob die steigende Inflation oder die schwelende Finanzmarktkrise, die Grnde sind nicht entscheidend.
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Fakt ist: Eine Rezessionsangst macht sich in Europa breit, die zu einer zunehmenden Sparmentalitt der Brger fhrt. Das Angebot an Waren ist vorhanden, der Brger aber leistet sich kein ausgiebiges Konsumverhalten mehr. Gespart wird berall: Im tglichen Leben und in der Freizeit, bei der Kleidung und dem Autokauf, fr die Altersvorsorge und die Ausbildung der Kinder. Fr die konsumtreibende Industrie bedeutet dies einen nachhaltigen Einschnitt und eine zunehmende Spaltung des Angebots. Der Großteil der Bevlkerung wird auf kostengnstige Angebote und Einsparungen in allen Bereichen zurckgreifen. Nur ein deutlich kleinerer Teil der Bevlkerung wird sich dagegen auch in Zukunft ein kostenintensives Leben leisten knnen. So erwartet lediglich ein Drittel der Befragten (32 %) zwei Autos fr die meisten Haushalte und ebenso wenige glauben, in Zukunft werde Luxus mit Zeit und Ruhe gleichgesetzt (31 %). In-
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nerhalb Europas herrschen allerdings sehr unterschiedliche Erwartungen vor. So sehen doppelt so viele Franzosen wie Deutsche mindestens zwei Automobile pro Haushalt sowie Muße als Luxusgut. Die Italiener, Russen und Spanier blicken eher skeptisch in die Zukunft der Konsummglichkeiten, wohingegen die Finnen, Schweizer und sterreicher in dieser Hinsicht optimistischer gestimmt sind. Diejenigen, die es sich leisten knnen, werden koprodukte kaufen. Dieser Aussage stimmt mehr als jeder vierte Brger zu (28 %). Bei den Franzosen sind es fast zwei Drittel (59 %), bei den sterreichern ist es dagegen nur etwa jeder Achte (13 %). hnlich skeptisch wie die Alpenrepublik sind auch die Deutschen (19 %) und Italiener (16 %), wohingegen die Mehrheit der Finnen (53 %) sich durchaus einen Trend zum kokonsum vorstellen kann. Ganz vorne liegen die Finnen beim Service- und Beratungsgedanken: Jeder Dritte (32 %) glaubt, im Jahr 2030 werde dieses wichtiger sein als der Preis – dagegen kann sich nur etwa jeder zwanzigste Italiener (6 %) dies vorstellen. Wie und wo werden die Konsumenten der Zukunft ihre Produkte beziehen? Wie werden sie bezahlen und welcher Bereich wird boomen? Die Vormachtstellung Asiens wird sich im Konsumgterbereich ausdehnen. Jeder dritte Europer erwartet, dass die meisten Produkte in Zukunft aus Asien stammen werden. Zurckhaltend sind lediglich die Russen, die wohl eher auf einen Boom der ehemaligen Sowjetrepubliken setzen bzw. selbst produzieren wollen. Das Online-Shopping wird deutlich langsamer wachsen, als oftmals angenommen: Nur etwa jeder dritte Befragte (36 %) glaubt, der Kauf von Produkten finde zuknftig meistens im Internet statt. Einem wachsenden Anteil des Online-Shopping steht offenbar die zuvor beschriebene Angst vor Internetkriminalitt im Wege. In Zukunft bleibt vieles beim Alten: Online-Einkufe finden vornehmlich in Nischenbereichen wie dem Buch-, Musik- oder Ticket-Einkauf statt. Die Befragten sehen oftmals nicht den Vorteil des Internets. Sie wollen mit allen Sinnen konsumieren, Ansprechpartner vor Ort und oftmals mehr anschauen als kaufen.
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Eine wachsende Bedeutung wird dem Gesundheitsmarkt vorhergesagt. Die sinkende Kostenbernahme durch staatliche Einrichtungen fordert schon heute mehr Eigeninitiative der Brger. Fast jeder dritte Europer (29 %) glaubt an die Bedeutung des Gesundheitsmarkts und bescheinigt diesem eine große Zukunft. Knapp die Hlfte der Schweizer (46 %) erwarten in Zukunft hhere Gesundheitskosten, ganz im Gegensatz zu den Briten (16 %), die das nicht erwarten. Die Majoritt der Eidgenossen (51 %) glaubt auch an die Zukunft des Leasings: Wer sich bestimmte Produkte nicht leisten kann, least diese. Im Durchschnitt stimmt jeder vierte Europer (24 %) dieser Aussage zu, wobei nicht nur das bekannte Autoleasing gemeint wird, sondern auch Produkte wie Fernseher und selbst Kleidung infrage kommen.
Zusammenfassung: Ein Europa, viele Europas Europa steht an einer wichtigen Kreuzung. Nur zusammen knnen die Europer einige Probleme lsen und Bedrohungen wie Terrorismus, Gewalt, Klimawandel oder die Kluft zwischen Arm und Reich bekmpfen. Jedoch sind die Sichtweisen zu den vielen Zukunftsentwicklungen in den verschiedenen Lndern unterschiedlich. Diese europische Studie hat klargemacht, dass die Zukunft nicht immer gleich gesehen wird in Europa. Welche Unterschiede konnten beobachtet werden? Was sind die Grnde dafr? Und wohin richten sich die verschiedenen europischen Lnder tatschlich? In den folgenden elf Beitrgen interpretieren Experten aus ganz Europa die Daten fr ihr Heimatland und geben Antworten auf Fragen, wie die Bevlkerung ihre Zukunft sieht.
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Literatur GfK-Nrnberg Gesellschaft fr Konsum-, Markt- und Absatzforschung e. V., Challenges of Europe 2007, Nrnberg 2007. Opaschowski, Horst W., Deutschland 2030, Gtersloh 2008. Opaschowski, Horst W., Pries, M., Reinhardt, U., Freizeitwirtschaft, Mnster 2006. Opaschowski, Horst W., Reinhardt, U.,Vision Europa, Hamburg 2007. PAN (Scientific Centre of the Polish Academy of Sciences Vienna, Austria), The Future of Europe,Wien 2007.
Einzelanalysen fr 9 Lnder
Europa 2030: Die Zukunftserwartungen der Deutschen Pero Mic´ic´ / Enno Dneke
Die Geschichte zeigt uns, dass sich Vorhersagen sehr oft als falsch erwiesen haben. Die Zukunft ist offensichtlich nicht vorhersagbar. Dennoch lohnt es sich, darber nachzudenken, wie die Zukunft aussehen knnte und welche Folgen sich daraus fr die Gesellschaft, fr das Unternehmen, in dem man arbeitet, und nicht zuletzt fr einen selbst ergeben. Wenn man ber unterschiedliche Zukunftsszenarios nachdenkt, ist es wichtig, die verschiedenen Perspektiven zu bercksichtigen, mit denen die Zukunft betrachtet werden kann. Die wichtigste Unterscheidung ist jene zwischen der aktiven und der passiven Sicht auf die Zukunft. Mit der passiven Sichtweise fragen wir danach, was die Zukunft angesichts der uns heute verfgbaren Informationen ber Trends, Technologien und andere Faktoren des Wandels wahrscheinlich bereithlt. Auch berraschende Ereignisse und Entwicklungen sind Phnomene, die wir aus einer passiven Sicht betrachten. Wir versuchen dadurch zu verstehen, wie die Zukunft wahrscheinlich aussehen wird. Mit einer aktiven Sichtweise fragen wir uns dagegen, wie wir selbst die Zukunft gestalten und den Wandel so beeinflussen knnen, dass er in eine von uns gewnschte Richtung geht. Wir versuchen, die Zukunft in ihrer Dimension der Gestaltbarkeit wahrzunehmen und zu erfassen. Diese beiden Perspektiven sind offensichtlich miteinander verknpft. Whrend unsere Erwartungen knftiger Wahr-
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scheinlichkeiten entscheidend dafr sind, wie wir heute handeln, beeinflussen und ndern unsere Taten in der Gegenwart die Wahrscheinlichkeiten mglicher Entwicklungen in der Zukunft. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf der passiven Sicht, das heißt auf den mglichen und wahrscheinlichen Entwicklung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfelds.
Die Befragung Im Juni 2008 befragte die STIFTUNG FR ZUKUNFTSFRAGEN einen reprsentativen Querschnitt der deutschen Bevlkerung ber seine Erwartungen hinsichtlich der Zukunft Europas. Der Schwerpunkt der Befragung lag auf unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfelds. Die Teilnehmer wurden gebeten, voneinander unabhngige Aussagen ber die Zukunft Europas dahin gehend zu bewerten, ob diese ihrer Meinung nach die Realitt im Jahr 2030 widerspiegelten. Die Teilnehmer wurden also zu einer passiven Sicht auf die Zukunft (siehe oben) aufgefordert, wodurch ersichtlich wurde, welche Entwicklungen die Menschen in Deutschland fr wahrscheinlich halten, unabhngig davon, welche Mglichkeiten sie fr wnschenswert halten. Dies ist natrlich keine Zukunftsvorhersage. Dennoch ist es interessant, seine eigene Sicht der Dinge mit derjenigen der Mehrheit zu vergleichen und ber die Argumente nachzudenken, die bei deren Meinungsbildung eine Rolle gespielt haben knnten. Unternehmern knnen die Ergebnisse als Maßstab bei der Analyse der Annahmen dienen, die der Firmenstrategie und den langfristigen Zielsetzungen zugrunde liegen. Wre die verfolgte Strategie in dem beschriebenen Umfeld aufrechtzuerhalten? Auf den politischen Bereich bezogen verweist die Befragung auf notwendige Vernderungen der Politik und zeigt sowohl die Hoffnungen als auch die ngste der Bevlkerung auf, die bei politischen Entscheidungen bercksichtigt werden mssen.
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Die Zukunftserwartung Bei den Deutschen gibt es in mehreren Bereichen große bereinstimmung angesichts der Frage, welche Aspekte unserer Gesellschaft sich in der Zukunft verndern und welche voraussichtlich eher konstant bleiben werden. Andererseits herrschen bei etlichen Fragen auch sehr kontroverse Meinungen. Was glaubt also die Mehrheit der Deutschen, wie Europa im Jahr 2030 aussehen wird? Was sind die kontroversen Themen? Was bedeutet das fr unsere Gegenwart? Arbeit
Im Hinblick auf das Arbeitsumfeld sind die meisten Deutschen davon berzeugt, dass im Jahr 2030 viele Angestellte Zweit- oder Nebenjobs haben werden, um ihren Lebensstandard zu verbessern.
Die Zukunftserwartungen der Deutschen
Zugleich glauben sie nicht, dass der Bevlkerungsrckgang positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird. Sie sehen keine Chance auf Vollbeschftigung. Im Hinblick auf mit der Arbeit zusammenhngende Werte erwarten die meisten wenig Vernderungen. Nur 12 % glauben, dass die Gesellschaft knftig freizeitorientierter sein wird, whrend der Rest meint, dass gute Gehlter weiterhin wichtiger als Freizeit sein werden. Eine massive Verringerung der Wochenarbeitszeit infolge der Automatisierung wrden die meisten Deutschen ebenso als berraschend empfinden, da sie eine solche Entwicklung nicht erwarten. Eine kontroverse Frage ist die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Erhhung des Rentenalters. Etwa die Hlfte der Bevlkerung glaubt, dass die meisten Menschen bis zum Alter von 75 Jahren arbeiten mssen, whrend die andere Hlfte offenbar glaubt, dass die krzlich durchgefhrten Reformen des deutschen Rentensystems (die eine Erhhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre beinhalteten) ausreichen werden, um den knftigen demografischen Wandel zu bewltigen. Was die internationale Arbeitsteilung angeht, vertreten die Deutschen unterschiedliche Meinungen darber, ob der Großteil der Industriegter in Entwicklungslndern produziert werden wird, wobei die eine Hlfte dies bejaht und die andere Hlfte dies verneint. Zusammenfassend lsst sich Folgendes sagen: Die Deutschen sind davon berzeugt, dass die meisten Menschen mehrere Jobs nebeneinander ausben mssen, um ihre guten Gehlter zu bewahren, die sie hher als Freizeit schtzen. Sie erwarten keine Vollbeschftigung und manche haben sich bereits darauf eingestellt, bis ins hhere Alter zu arbeiten. Die Deutschen haben unterschiedliche Ansichten ber die Zukunft der Arbeit. Viele betrachten den demografischen Wandel, der zu einer beralterung der Gesellschaft fhrt, als ein immer noch ungelstes Problem. Es besteht wenig Hoffnung, dass der Bevlkerungsrckgang, dessen Beginn die meisten demografischen Forschungsinstitute um das Jahr 2020 erwarten, sich positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken knnte.
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Im Allgemeinen erwarten die Deutschen, dass sie in Zukunft eher mehr als weniger arbeiten werden. Auch wenn Freizeit hoch geschtzt wird, frchten die Deutschen, ihren Lebensstandard zu verlieren. Die meisten sind offenbar bereit, mehrere Jobs nebeneinander auszuben, um dies zu verhindern. Zumindest meinen sie, dass dies im Jahr 2030 die Regel sein wird. In diesen Erwartungen spiegeln sich die Auswirkungen einiger grßerer langfristiger sozialer Trends und politischer Faktoren wider. Das Problem der beralterung der Gesellschaft ist in Deutschland seit Lotzes Buch Volkstod – die kommende Vergreisung aus dem Jahr 1932 bekannt. Ein entsprechendes Problembewusstsein scheint nun endlich auch allgemeine Verbreitung zu finden. Das Problem wird durch die Staatsschulden weiter verstrkt. Beide Faktoren zusammen fhren dazu, dass die sozialen Sicherungssysteme in der bisherigen Form nicht aufrechterhalten werden knnen. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, mehr und lnger zu arbeiten, auch ein Ausdruck von grßerer Flexibilitt und Unternehmergeist in der deutschen Gesellschaft. Im Hinblick auf die Arbeitszeiten knnten diese Trends ausgeglichen werden durch eine zunehmende Individualisierung in der Gesellschaft, eine strkere Konzentration auf die Gesundheit sowie eine Work-Life-Balance, durch die die Freizeit eine grßere Bedeutung gewinnen knnte. Fr die Mehrheit der Deutschen scheinen jedoch finanzielle Einschrnkungen und die Angst vor Altersarmut ein vorherrschender Faktor zu sein, der eine Selbstverwirklichung in freizeitorientierten Aktivitten zu einem Modell fr eine privilegierte Minderheit werden lsst. Verhltnis zwischen Arm und Reich
Die Deutschen haben klare Vorstellungen davon, wie das Verhltnis zwischen Arm und Reich in der Zukunft aussehen wird. Sie erwarten eine sehr viel grßere soziale Ungleichheit, die dazu fhren wird, dass sich die Schere zwischen Reichen und Armen weiter ffnet. Sie rechnen damit, dass die Mittelschicht verschwinden wird und viele Menschen nicht mehr in der Lage sein werden, Altersvorsorge zu betreiben, was zu einem ungelsten Problem der Altersarmut fh-
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ren wrde. Nach Ansicht der meisten Deutschen wird sich diese Kluft durch Maßnahmen der Regierung nicht wesentlich verkleinern lassen. Weder werde die Regierung ein Mindesteinkommen fr jeden Brger garantieren noch werde das Bildungswesen Kindern aus rmeren Familien eine gleichwertige Bildung gewhrleisten. Darber hinaus glauben die Deutschen nicht, dass die ungleiche Verteilung des Reichtums auf internationaler Ebene abnehmen wird. Nur jeder sechste Deutsche rechnet mit einer Verkleinerung der Kluft zwischen den Entwicklungslndern und den entwickelten Lndern. Die Tatsache, dass eine Vergrßerung der Wohlstandsschere innerhalb der Gesellschaft erwartet wird, ist ein Spiegelbild der Entwicklungen der letzten Jahre. Die Mittelschicht, die bis zum heutigen Tag stets das Rckgrat der deutschen Gesellschaft war, scheint zu verschwinden. Es berrascht kaum, dass die Deutschen viele Probleme sehen, die sich aus diesem Trend ergeben. Sie sehen, dass sich sowohl eine reiche Oberschicht als auch eine arme Unterschicht herausgebildet hat, und sie befrchten, dass die Menschen aus der Unterschicht Schwierigkeiten haben werden, selbststndig ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da der demografische Wandel zwangslufig zu einem hheren Maß an Eigenverantwortlichkeit in den sozialen Sicherungssystemen fhrt, knnten Menschen aus den rmeren Schichten der Gesellschaft nicht in der Lage sein, Ersparnisse fr die Altersvorsorge zurckzulegen. Dieses Problem knnte sich zunehmend verschrfen, wenn die Preise fr Waren des tglichen Bedarfs weiter steigen (siehe Konsum). Der Staat wird den gegenwrtigen Umverteilungsapparat knftig nicht mehr am Laufen halten knnen. Stattdessen wird die wachsende Schuldenlast dazu fhren, dass der Staat in Zukunft immer handlungsunfhiger wird. Schon heute machen Zinszahlungen einen Großteil des Staatshaushaltes aus. Da es keine Anzeichen fr eine wirkliche Haushaltskonsolidierung gibt, sind positive Vernderungen in dieser Hinsicht relativ unwahrscheinlich. Zudem werden die staatlichen Aufgaben in Zukunft eher zunehmen. Die ber-
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alterung der Gesellschaft fhrt zu einer Kostenexplosion in den Rentensystemen. Zustzlich fhrt der technische Fortschritt in der Medizin zu neuen, vorwiegend teuren, Behandlungsverfahren und damit zu einer Belastung des Gesundheitssystems. Die Politiker mssen Wege zur Finanzierung von Bildungsprogrammen finden, mit denen Chancengleichheit fr alle Kinder hergestellt wird (siehe Bildung). Die Deutschen rechnen nicht damit, dass bis zum Jahr 2030 eine Lsung fr diese Herausforderungen gefunden wird. Daher ist es umso wichtiger, Reformen umzusetzen, die die sozialen Sicherungssysteme nachhaltig und gerecht gestalten. Der Pessimismus der Deutschen im Hinblick auf die internationale Wohlstandsschere zwischen Entwicklungs- und Schwellenlndern auf der einen und den Industriestaaten auf der anderen Seite kann als typisch deutsche Denkweise beschrieben werden. Viele Entwicklungslnder konnten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gegenber der industrialisierten Welt aufholen. Besonders in Ostund Sdasien sind bedeutende Fortschritte zu verzeichnen. Es ist zwar noch immer eine Kluft vorhanden, aber sie wird von Jahr zu Jahr geringer. In anderen Teilen der Welt, insbesondere in großen Teilen Afrikas, ist die Entwicklung weniger positiv. Mglicherweise beziehen die Deutschen sich darauf, wenn sie bezweifeln, dass die Entwicklungslnder aufholen knnen. Sie sehen keine Anzeichen dafr, dass sich diese rmsten Lnder schnell genug entwickeln knnten, um mit den Industrielndern Schritt zu halten. Bildung
Wie die Zukunft der Bildung aussehen wird, ist ußerst umstritten. Etwa die Hlfte der Bevlkerung glaubt, dass ein Viertel der jungen Angestellten in Berufen arbeiten wird, die es im Jahr 2008 noch gar nicht gibt. 60 % gehen davon aus, dass der Anteil von Frauen in Fhrungspositionen wachsen wird. Dennoch glaubt nur eine Minderheit an signifikante Vernderungen im Bildungssystem oder bei den Bildungsmethoden. Die wahrscheinlichste (oder am wenigsten unwahrscheinliche) Vernderung wre aus Sicht der deutschen f-
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fentlichkeit ein System, mit dem besondere Fhigkeiten bei Kindern frh entdeckt und vom Kindergartenalter an entwickelt werden. An die Einfhrung eines solchen Systems glauben jedoch nur zwei Fnftel der Befragten. Etwa ebenso viele glauben, dass Online-Vorlesungen an verschiedenen Universitten gleichzeitig stattfinden werden. Weniger als ein Drittel der Befragten glaubt daran, dass Privatschulen in Deutschland vorherrschen oder die Medien eine wichtige Rolle in der Bildung spielen werden. Schließlich erwartet die Mehrheit der Deutschen nicht, dass das Lernen knftig von grßerer Eigeninitiative geprgt sein wird. Nur ein Fnftel der Befragten geht davon aus, dass die informelle Bildung (wie z. B. Persnlichkeitsentwicklung) einen hheren Stellenwert einnehmen wird als die formale Bildung (wie z. B. die Schulbildung). Die Mehrzahl der Befragten rechnet auch nicht damit, dass mindestens ein Weiterbildungskurs pro Jahr als Standard fr Arbeitnehmer gelten wird.
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Mit dem Entstehen neuer Berufe sieht rund die Hlfte der Bevlkerung implizit auch die Notwendigkeit grßerer Vernderungen im Bildungsbedarf. Dafr spricht auch der immer schnellere Wandel, der durch technischen Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie, durch zunehmende Mobilitt und das Internet sowie durch einen wachsenden Wettbewerb in den meisten Mrkten gefrdert wird. Neue Technologien, Mrkte und Geschftsmodelle frdern das Entstehen neuer Berufe. Gleichwohl ist die Mehrheit der Befragten nicht davon berzeugt, dass ein Bedarf fr mehr Initiative im Hinblick auf Bildung und Persnlichkeitsentwicklung besteht. Vernderungen im Bildungssystem sind unvermeidlich. Da sich der Wandel in allen Bereichen, angefangen bei der Gesellschaft ber die Wirtschaft bis hin zur Technik, beschleunigt, gewinnen sowohl das fortwhrende und lebenslange Lernen als auch die Persnlichkeitsentwicklung eine zentrale Bedeutung fr jeden Einzelnen. Die Hlfte der Bevlkerung erwartet, dass im Jahr 2030 ein Drittel der jungen Angestellten in Berufen arbeiten wird, die es heute noch gar nicht gibt. Dies bedeutet, dass auch bestehende Berufe einen grßeren Wandel erfahren werden und einige sogar ganz verschwinden knnten. Eine kontinuierliche Persnlichkeitsentwicklung und regelmßige Fortbildungen werden die Regel sein. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Erwartungen der Deutschen berraschend. Die Bevlkerung scheint das, was nahezu unvermeidlich ist, zu ignorieren oder zu verdrngen. Sicherheit
Zwei Drittel der Deutschen glauben, dass die organisierte Kriminalitt in allen europischen Lndern ein großes Problem sein wird. Zudem glauben sie an einen starken Anstieg der Internetkriminalitt. Sogar kriegshnliche Konflikte um natrliche Ressourcen wie l, Gas und Trinkwasser halten die meisten Deutschen nicht fr unrealistisch. Immerhin glauben 57 %, dass diese im Jahr 2030 an der Tagesordnung sein werden. Die Erwartungen lassen sich so zusam-
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menfassen, dass die europischen Gesellschaften in Zukunft weniger sicher sein werden, als sie es heute sind. Wird dies einen Wertewandel dahin gehend bewirken, dass die Sicherheit einen hheren Stellenwert als die Privatsphre bekommt? Dies wird nach Meinung der Deutschen nicht der Fall sein. Nur ein Drittel glaubt, dass ein solcher Wertewandel in der Gesellschaft stattfinden wird. Die meisten Deutschen erwarten auch nicht, dass bei der Verbrechensprvention und bei Ermittlungen massiv Gebrauch von innovativen Technologien gemacht wird. Die Einfhrung von berwachungssystemen, mit deren Hilfe sich Kriminelle unmittelbar der Tat berfhren lassen, wird nur von 37 % der Befragten erwartet, whrend fast zwei Drittel davon berzeugt scheinen, dass die Systeme diese Aufgabe nicht erfllen knnen oder dass sie nicht angewandt werden. Der Schutz der Privatsphre bleibt wichtig. Ebenso wird bezweifelt, dass ein mglicher europischer oder internationaler Datenaustausch, der zu einer schnelleren Aufklrung von Verbrechen fhren knnte, eine große Rolle spielen wird. Schließlich wird die Verwendung von implantierten Chips fr Lokalisierungs- und Identifizierungszwecke als die am wenigsten wahrscheinliche Sicherheitsmaßnahme angesehen; nur 20 % rechnen mit einer entsprechenden Entwicklung. Andererseits glauben zwei Fnftel der Deutschen, dass eine strengere Ahndung von Verbrechen mit einem hheren Strafmaß die Regel sein wird. In der Einwanderungspolitik muss bercksichtigt werden, dass viele Deutsche (ca. 40 %) davon berzeugt sind, dass die Kriminalittsraten bei Auslndern und Einwanderern doppelt so hoch sein werden wie bei Einheimischen. Diese Erwartung an sich stellt bereits ein Hindernis fr die Integration von Auslndern dar. Die Ergebnisse zeigen, dass die Deutschen im Hinblick auf einen mglichen Anstieg der organisierten Kriminalitt und der von der „digitalen Welt“ ausgehenden Bedrohungen besorgt sind. Sie glauben jedoch nicht, dass dadurch die Bedeutung der Privatsphre geringer werden wird. Maßnahmen zur Erhhung der Sicherheit in der Gesellschaft sollten daher auch immer die Privatsphre
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bercksichtigen. Massive Eingriffe wie die Implantierung von Chips zum Zweck der Identifikation und Lokalisierung von Personen werden als unwahrscheinlich angesehen, da die meisten Menschen wohl kaum bereit wren, eine Kontrolle in diesem Ausmaß zu akzeptieren. Biometrische Systeme, Informationstechnologie, Satellitennavigation, Sensortechnologie, „Tracking & Tracing“-Systeme sowie knstliche Intelligenz und Mustererkennung knnten theoretisch miteinander verbunden werden, um hoch entwickelte berwachungssysteme zu schaffen. Mit diesen knnten die Brger im ffentlichen und privaten Bereich weitgehend berwacht werden, die Daten knnten automatisch ausgewertet und potenzielle Bedrohungen erkannt werden. Familie
Mehr als zwei Drittel der Deutschen erwarten, dass im Jahr 2030 die meisten Paare nicht verheiratet sein werden. Zugleich glauben 40 %, dass jede dritte Partnerschaft, ehehnliche Gemeinschaft oder Ehe durch Internet-Dating-Netzwerke geknpft wird. Einige Deutsche erwarten neue Arten von Pflegeeinrichtungen, um die grßere Anzahl alter Menschen zu betreuen. Etwa 50 % der Befragten knnen sich vorstellen, dass Tagespflegezentren fr Alte und zahlreiche Formen von Wohngemeinschaften von lteren Standard sein werden. Im Hinblick auf Kinder erwarten die Deutschen keinen neuen Babyboom. Nur ein Fnftel der Befragten glaubt an eine durchschnittliche Geburtenrate von zwei Kindern pro Frau. Die Befragten sehen auch keine Durchbrche in der Biotechnologie, die es mglich machen wrden, das Geschlecht, die Haarfarbe und die Grße von Kindern bei knstlichen Befruchtungen festzulegen. Drei Viertel der Deutschen rechnen nicht damit, dass diese Mglichkeit im Jahr 2030 besteht. Die beschriebenen Vernderungen sind stark von der beralterung der Gesellschaft und langfristigen Trends wie Individualisierung, Frauenemanzipation und einer offeneren und toleranteren Gesellschaft beeinflusst. Dies sind die treibenden Krfte des Bedeu-
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tungsverlustes der „traditionellen Familie“. Sie lassen auch neue innovative Anstze wie Tagespflege fr ltere zu. Konzepte wie dieses werden der Allgemeinheit knftig wahrscheinlich akzeptabler erscheinen, es hat aber nicht den Anschein, als wrden sie bereits in den nchsten Jahren zu einem Alltagsphnomen werden. Diese Annahme wird dadurch bestrkt, dass es keine Anzeichen fr einen Wertewandel gibt, der einen neuen Babyboom auslsen knnte. Selbst wenn die Frauen wieder mehr Kinder bekmen, wrde dies wahrscheinlich keine signifikante und nachhaltige Wirkung auf die seit Jahrzehnten bestehenden demografischen Trends haben. Umwelt
Mehr als 60 % der Deutschen rechnen mit einem so starken Anstieg der Energiepreise, dass die Nebenkosten fr eine Wohnung so hoch wie die Miete selbst sein werden. Zugleich glaubt jeder zweite Deutsche, dass die Hlfte des Energiebedarfs durch Sonnen- und Windenergie gedeckt werden wird, aber 90 % glauben nicht, dass es bis zum Jahr 2030 eine „technologische Lsung“ fr den Klimawandel geben wird. Wetterkontrollsysteme mit meteorologischen Stationen, die je nach Wunsch Regen, Sonne oder Schnee erzeugen, werden von der großen Mehrheit nicht als eine realistische Entwicklung, sondern eher als Science-Fiction betrachtet. Die Deutschen glauben auch nicht, dass genmanipulierte Nahrungsmittel das Problem des Hungers in der Welt lsen werden. Nur ein Zehntel glaubt, dass der Hunger knftig kein Problem darstellen wird. Im Gegenteil rechnet fast die Hlfte der Deutschen damit, dass in den Entwicklungslndern viele Menschen verhungern werden, da anstelle von Nahrungspflanzen zunehmend Pflanzen zur Erzeugung von regenerativen Energien angebaut werden. Menschen neigen dazu, gegenwrtige Probleme zu berschtzen und sie auf die Zukunft zu projizieren. Die Deutschen sind sehr pessimistisch, was die knftige Umweltverschmutzung angeht. Sauberes Trinkwasser wird ihrer Meinung nach sogar in Europa ein Luxusgut sein und Umweltver-
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schmutzung knnte die Haupttodesursache sein. Auch wenn diese ngste vielleicht bertrieben sind, sollten die Stimmen der ußerst pessimistischen Minderheit doch nicht berhrt werden. Trinkwassermangel ist ein weltweites und sogar in Europa bedeutsames Problem. Die internationale Zusammenarbeit gestaltet sich in diesem Bereich besonders schwierig, da die Interessen der einzelnen Lnder oft dem globalen Interesse gegenberstehen. Trotz gewisser Fortschritte bleibt Umweltverschmutzung ein zentrales Problem in den meisten Entwicklungslndern und in einigen Industrielndern. Die Ergebnisse dieses Teils der Befragung sind von der momentanen großen Medienaufmerksamkeit fr dieses Thema geprgt. Der Klimawandel und die steigenden Energiepreise erhielten kurz vor und whrend der Umfrage ein enormes Medienecho. Allerdings ist ein Anstieg der Energiepreise langfristig unvermeidlich. Die Vorrte an fossilen Brennstoffen sind begrenzt, whrend die Nachfrage im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung stndig zuzunehmen scheint. Der Klimawandel wird heute von den meisten Wissenschaftlern als eine Tatsache betrachtet. In jngster Zeit ist das Bewusstsein fr dieses Problem sowie fr die damit mglicherweise verbundenen negativen Folgen entscheidend gewachsen. Es besteht also Hoffnung, dass eine Lsung gefunden werden knnte. Der Klimawandel als solcher wird sich wohl kaum aufhalten lassen, aber der Versuch, durch die Reduzierung von Treibhausgasen sein Tempo zu verringern, und die Erarbeitung von Anpassungsstrategien im Hinblick auf die mglichen Folgen knnten Erfolg versprechend sein. Konsum
Die Deutschen sind davon berzeugt, dass im Jahr 2030 Waren des tglichen Bedarfs, z. B. Lebensmittel, sehr viel teurer als heute sein werden. Im Hinblick auf Produktionsmethoden und Vernderungen im Verbraucherverhalten gibt es jedoch weniger bereinstimmung. Die Frage, ob die Hlfte aller Produkte aus Asien kommen wird, beantworten 50 % der Befragten mit Ja. Andererseits glauben nur wenige Deutsche, dass Lebensmittel knftig vorwiegend im Inland pro-
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duziert werden. Gleichzeitig knnte der Online-Handel zunehmen, aber nur etwas ber ein Drittel der Deutschen ist davon berzeugt, dass die „meisten Produkte“ im Jahr 2030 auf diesem Weg gekauft werden. Daher hat der Einzelhandel nach wie vor einen großen Stellenwert fr sie. Die Mehrheit der Befragten glaubt nicht an einen Wandel des Verbraucherverhaltens. Sie glauben nicht an eine Welt, in der Zeit und Ruhe die wahren Luxusgter sind, Service und Beratung wichtiger als ein gnstiger Preis sind, die meisten Menschen umweltfreundliche Produkte kaufen und die Verbraucher den grßten Teil ihres Geldes im Gesundheitssektor ausgeben. Nur ein Drittel meint, dass ein Großteil der Verbraucherausgaben diesem Sektor zugeordnet sein wird. Das Verbraucherverhalten wird nach Meinung der Deutschen weitgehend unverndert bleiben. Die Mehrheit kann sich nicht vorstellen, dass Zeit und Ruhe einen grßeren Stellenwert haben werden. Ein Drittel glaubt gleichwohl, dass diese Werte die Luxusgter der Zukunft darstellen werden. Wahrscheinlich sind das diejenigen Menschen, die bereits das zunehmende Tempo des Wandels und die steigende Komplexitt in allen Bereichen erfahren. Daher suchen sie eine Entschleunigung ihres Lebens. Aus diesem Grund werden Werte wie Ruhe und Zeit auch knftig ußerst wichtig fr einen wesentlichen Teil der Gesellschaft sein und sollten nicht vernachlssigt werden. Diese Menschen werden ihren Bedarf an Komfort ußern sowie zeitsparende, benutzerfreundliche Produkte und Dienstleistungen nachfragen. Das gilt auch fr umweltfreundliche („grne“) Produkte. Die wachsende Bedeutung des Gesundheitssektors bei den Verbraucherausgaben ist ebenso plausibel. Technische Innovationen und ein zunehmender Trend zu einer gesnderen Lebensweise untersttzen diese Hypothese. Integration
Die Integration von Auslndern ist ein anderes umstrittenes Thema in Deutschland. Abgesehen von der Projektion einer kleinen Mehr-
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heit, dass die meisten Einwanderer zusammen mit anderen Einwanderern in bestimmten Stadtteilen wohnen werden, erwartet nur eine Minderheit der Befragten – allerdings eine relativ große –, dass die meisten der anderen Prognosen in der Umfrage eintreffen werden. ber zwei Drittel erwarten nicht, dass Glaube und Religion in der Einwanderungspolitik der Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Gleichzeitig ußern sich ebenso viele Befragte optimistisch dahin gehend, dass die Integration nicht nur mit gebildeten Einwanderern funktionieren wird. Sie erwarten allerdings auch nicht, dass sich die Integration knftig einfacher gestalten wird. Schließlich erwarten die Deutschen nicht, dass Europa seine Grenzen gegenber Nichteuropern schließen wird, um den ngsten der Menschen entgegenzuwirken. Obwohl die Frderung der Einwanderung als ein Mittel gegen die beralterung der Gesellschaft allgemein diskutiert wird, glauben drei Viertel der Deutschen nicht, dass man diesen Weg in den europischen Lndern in grßerem Umfang beschreiten wird. Aus den Erwartungen ergeben sich einige mgliche Herausforderungen fr die Einwanderungspolitik der Zukunft. Mehr als die Hlfte der Bevlkerung erwartet, dass Einwanderer knftig vorwiegend mit anderen Einwanderern zusammenleben werden, und nur ein Fnftel glaubt an eine bessere Integration der Einwanderer in der Zukunft – es bestehen also erhebliche Zweifel hinsichtlich der Frage, ob Auslnder erfolgreich in die europischen Gesellschaften integriert werden knnen. Einwanderungspolitik und Integrationsinitiativen mssen also neu bewertet werden. Es ist wichtig, dass Politiker der Integration ein hohes Maß an Aufmerksamkeit widmen, insbesondere wenn diese als Gegenmaßnahme zur beralterung der Gesellschaft dienen soll. Zwei Fnftel der Befragten glauben, dass 2030 mehr Einwanderer aus Entwicklungslndern als aus der EU kommen werden. Sollten sie recht behalten, knnte sich die Integration aufgrund zunehmender kultureller Unterschiede noch schwieriger gestalten.
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Zusammenfassung
Die Deutschen erwarten eine Welt, die von einer grßeren Komplexitt und Vielfalt geprgt ist, beispielsweise durch das Entstehen neuer Berufe, einen Rckgang der traditionellen Familien und neue Formen der Altenbetreuung. Auch im Hinblick auf die Integration von Auslndern sehen sie sich knftigen Herausforderungen gegenberstehen. Steigende Preise fr Energie und Waren des tglichen Bedarfs werden es erforderlich machen, mehr und lnger zu arbeiten. Viele Menschen werden Zweit- oder Nebenjobs haben. Gleichzeitig glauben die Deutschen nicht, dass Vollbeschftigung erreichbar ist. Dieser Gegensatz wird zu großer sozialer Ungleichheit und zu einem Schrumpfen der Mittelschicht fhren. Da es eine starke Beschrnkung der Staatsausgaben geben wird, knnte auch das Bildungssystem betroffen sein. Es ist daher mglich, dass noch weniger gleiche Bildungschancen fr Arme und Reiche bestehen, als dies heute schon der Fall ist. Angesichts einer zunehmenden Komplexitt und eines sich beschleunigenden Wandels werden bei denjenigen, die ber entsprechende finanzielle Mittel verfgen, Ruhe, Service und Beratung einen hohen Stellenwert einnehmen. Diese Kriterien werden fr Kauf- und Konsumentscheidungen wesentlich sein. Auch wenn organisierte Kriminalitt und Internetkriminalitt wichtige Problembereiche darstellen, wird Sicherheit in der Zukunft wahrscheinlich nicht zu den wichtigsten gesellschaftlichen Werten zhlen. Stattdessen wird darauf zu achten sein, dass zwischen allen neuen Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz der Privatsphre ein ausgeglichenes Verhltnis besteht. Auf globaler Ebene sehen die Deutschen keine unmittelbaren Lsungen fr große Probleme wie den Klimawandel oder den Hunger in der Welt.
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Konsequenzen Die beschriebenen Zukunftsszenarien verweisen auf verschiedene Herausforderungen fr die europische Gesellschaft. Die wachsende soziale Ungleichheit und das Verschwinden der Mittelschicht sind mgliche Ursachen fr Konflikte. Durch den Anstieg der Preise, der Menschen mit niedrigen Einkommen besonders stark trifft, wird das Problem verschrft. Eine Hauptursache fr die soziale Ungleichheit sind die unterschiedlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Durch das Entstehen neuer und das Verschwinden alter Berufe ergibt sich in einigen Bereichen ein Mangel an qualifizierten Arbeitskrften, dem auf der anderen Seite ein berangebot von Arbeitssuchenden entgegensteht, deren Qualifikationen nicht mehr bentigt werden. Daher kann der sozialen Ungleichheit nicht mit einem Sozialsystem begegnet werden, bei dem die Umverteilung von Geld im Mittelpunkt steht. Eine gerechte Gesellschaft zeichnet sich nicht durch eine gleiche Verteilung von Einkommen und Vermgen aus, sondern durch Chancengleichheit. Daher mssen die Unqualifizierten (oder die nicht dem Bedarf am Arbeitsmarkt entsprechend Qualifizierten) Mglichkeiten zur Weiterbildung bekommen. Die „Entrepreneurisierung“ der Arbeitswelt, die sich durch deutlich mehr Eigeninitiative auszeichnet und fr die heute viel mehr Arbeitnehmer offen sind als noch vor einigen Jahren, wird gefrdert werden. In diesem Zusammenhang kann das Bildungssystem eine wichtige Rolle spielen. Angesichts des sich beschleunigenden Wandels und der zunehmenden Komplexitt unserer Lebenswelt werden Lern- und Anpassungsfhigkeit knftig die entscheidenden Kompetenzen sein. Wissen ist die einzige Ressource, die durch Gebrauch zunimmt. Das weltweit verfgbare Wissen verdoppelt sich daher in immer krzeren Zeitabstnden. Whrend die Menge des Wissens geradezu explodiert, veraltet es gleichzeitig immer schneller. Der Erwerb von Wissen kann oft mit den rasanten Entwicklungen nicht Schritt halten. Lebenslanges Lernen und „das Wissen ber das rich-
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tige Wissen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort“ werden zu entscheidenden Faktoren im Wettbewerb. Im Hinblick darauf knnte die Tatsache, dass nur ein Fnftel der Deutschen der Persnlichkeitsentwicklung grßere Bedeutung zumisst als der formalen Schulbildung, als Warnzeichen gesehen werden. Es scheint, dass hier noch immer viel berzeugungsarbeit zu leisten ist. Andererseits erkennen die Deutschen durchaus einige Herausforderungen, die ihnen bevorstehen knnten. Da sie sich der zunehmenden beralterung der europischen Gesellschaften bewusst sind, scheinen sie zur Annahme von Zweit- und Nebenjobs bereit zu sein, um Rcklagen fr den Ruhestand bilden zu knnen. Viele erwarten auch, bis zu einem hheren Alter zu arbeiten. Die Deutschen sind sehr besorgt wegen steigender Preise fr Energie und Waren des tglichen Bedarfs. Auch wenn dieses Ergebnis durchaus von starken kurzfristigen Preissteigerungen im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Befragung beeinflusst sein knnte, gibt es doch mehrere Trends und Entwicklungen, die diese Annahme sttzen. Infolge der bereits erwhnten Fortschritte in den Entwicklungslndern hat sich auch ein zunehmender Bedarf an vielen Gtern, von Weizen bis l, ergeben, der die Preise nach oben treibt. Die weltweite Knappheit von l und Trinkwasser verstrkt diesen Trend. Um ihm entgegenzuwirken, muss ein sparsamerer Umgang mit den natrlichen Ressourcen forciert werden. Insbesondere Energiesparmaßnahmen fhren zu signifikanten Vernderungen. Darber hinaus muss mehr Forschung bei lsubstituten sowie bei neuen Technologien fr die Trinkwassergewinnung und Energieerzeugung stattfinden, und es mssen effizientere Produktionsmethoden in der Landwirtschaft entwickelt werden. Fortschritte in Entwicklungslndern sind bei den Deutschen ein umstrittenes Thema. Nur sehr wenige glauben, dass sich die Kluft zwischen Entwicklungs- und Industrielndern wesentlich verringern wird. Andererseits glaubt fast die Hlfte der Befragten, dass die Produktion von Gtern vorwiegend in Entwicklungslndern stattfinden wird. Wenn die Industrialisierung jedoch in den Entwick-
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lungs- und Schwellenlndern fortschreitet (und es gibt kaum Anzeichen dafr, dass dies nicht der Fall sein wird), wird der Lebensstandard auf jeden Fall steigen. Das grßte Potenzial fr Wirtschaftswachstum und neue Mrkte liegt zurzeit in Asien. Doch sogar Afrika knnte eine Chance haben, wenn die notwendigen Wirtschaftsreformen durchgefhrt und Probleme wie Korruption, Markenpiraterie und mangelnde Rechtssicherheit gelst wrden. Ein Vorbild fr die Entwicklung ist China. Das Durchschnittseinkommen pro Kopf hat sich dort in den letzten 20 Jahren mehr als vervierfacht. Auch wenn das Durchschnittseinkommen, gemessen an der Kaufkraft, in den Vereinigten Staaten immer noch 5-mal hher ist als in China, war es vor 20 Jahren noch 13-mal so hoch. Die Wirtschaftsreformen und die ffnung des Binnenmarktes, die in den 1970er-Jahren begannen, legten den Grundstein fr diesen Aufschwung. Weniger entwickelte Lnder knnten sich an solchen Entwicklungen ein Beispiel nehmen und entsprechende Strategien anwenden, die auf die Bedingungen des jeweiligen Landes abgestimmt sind, um so einen hnlichen Erfolg zu erzielen. Natrlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Wohlstandsschere zwischen den reichsten und rmsten Lndern bis 2030 geschlossen wird, aber eine Verringerung der Kluft ist durchaus mglich. Im Allgemeinen scheint die Sicht der Deutschen auf die Zukunft Europas vorsichtig optimistisch zu sein. Auch wenn sie viele Herausforderungen auf sich zukommen sehen, glauben die Deutschen, diese bestehen zu knnen, wenn die richtigen Maßnahmen getroffen werden.
Deutschland 2030: Dstere Perspektiven und ein Lichtblick Karlheinz Steinmller
Zukunftsbilder sind wirkmchtig. Die Hoffnungen und die Befrchtungen der Menschen, ihre Erwartungen und Wnsche bestimmen mit, wie die Zukunft sein wird. Denn in ihnen drcken sich zum einen Wahrnehmungen der Zukunft aus, zum anderen geben sie dem Handeln eine Richtung. Die Politik wie auch die Unternehmen reagieren auf diese Wnsche und Erwartungen, auf das, was die Brger als Risiken, was sie als Chancen sehen. Dennoch sind Bevlkerungsbefragungen kein Instrument, mit dem sich die Zukunft vorhersagen ließe. Zwar spiegeln sich in ihnen auf die Zukunft gerichtete Befrchtungen und Hoffnungen, individuelle und gesellschaftliche Erwartungen. Doch diese Erwartungen wurzeln fest in der Gegenwart, sie sind bisweilen sogar bloßer Reflex auf tagesaktuelle Themen. Zudem fngt eine Umfrage die in einer Gesellschaft verbreiteten Zukunftsbilder in all ihrer Widersprchlichkeit ein: Die Erwartungen klaffen weit auseinander, die Wnsche laufen auf Unterschiedliches hinaus, die Befrchtungen differieren. Aber selbst die individuellen Zukunftsbilder sind alles andere als geschlossene, in sich stimmige Entwrfe, keine konsistenten Szenarien. Sie bestehen vielmehr aus Fragmenten, Erwartungen zu Einzelfragen oder separaten Problemen, die fr sich genommen plausibel erscheinen, sich jedoch nicht unbedingt in ein Gesamtbild fgen mssen. Beispiel Energie: ber die Hlfte der Befragten erwartet einen Durchbruch bei der Nutzung von alternativen Energiequellen
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bis 2030. Fast eine Zweidrittelmehrheit frchtet aber zugleich, dass die Kaltmiete von den Energiekosten bertroffen wird. Mindestens ein Sechstel erwartet also beides zugleich. Dabei passen beide Erwartungen allenfalls zusammen, wenn man weiterhin sehr hohe Gestehungskosten bei den „erneuerbaren Energien“ voraussetzt. Latente Inkonsistenzen – wie hier beim Beispiel Energie – mindern jedoch den Wert der Umfrage nicht. Im Gegenteil! Sie belegen vielmehr, dass auch bei den Zukunftsbildern ein Kampf um die Zukunft stattfindet – hnlich den Auseinandersetzungen, die die großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen fhren, um in ihren jeweiligen Handlungsfeldern die Zukunft in ihrem Sinne zu gestalten. So gesehen vermittelt eine Umfrage keine Prognosen, sondern einen Zugang zu den Konflikten um die Zukunft. Dieser Artikel beleuchtet die hauptschlichen Ergebnisse in den acht Themenfeldern und geht zum Schluss auf einige bergeordnete Aspekte ein.
Arbeit Die Zukunft der Arbeit ist in Deutschland ein heiß debattiertes Feld. Das wird auch an den Umfrageergebnissen deutlich. Eher negative Erwartungen – bei Arbeitszeit und Job-Sicherheit – dominieren deutlich. Entlastungen, Arbeitzeitverkrzung usw. erwartet nur eine kleine Minderheit. Eine klare Majoritt von fast drei Vierteln nimmt an, dass im Jahr 2030 die meisten Beschftigten neben ihrer Hauptarbeit einem Zweit- oder Nebenjob nachgehen. Und zwar offensichtlich nicht zum Vergngen, sondern aus rein wirtschaftlichen Grnden, wie dies die Antworten aus dem Fragencluster „Verhltnis zwischen Arm und Reich“ vermuten lassen. Geteilt sind die Meinungen jedoch darber, ob eine Berufsttigkeit bis zum 75. Lebensjahr zum Regelfall wird. Immerhin knapp die Hlfte (49,3 %) hlt diese extreme Verlngerung des Arbeitslebens fr realistisch. Ebenso geht eine knappe Hlfte der Be-
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fragten (48,5 %) davon aus, dass bis 2030 die Gterproduktion vorwiegend in Entwicklungslndern stattfindet. Der latente Widerspruch, der zwischen einer Produktionsverlagerung in die Dritte Welt und mehr geleisteten Lebens-Arbeitsstunden hierzulande besteht, scheint in den Ergebnissen keinen Niederschlag zu finden. Im Schnitt schauen die Menschen im besten arbeitsfhigen Alter etwas pessimistischer in die Zukunft. Bei ihnen ist die Erwartung, dass Zweitjobs zum Regelfall werden oder die Lebensarbeitszeit deutlich verlngert wird, um einige Prozente strker ausgeprgt. Bei den Beschftigten erwarten 82,6 %, dass im Jahr 2030 Zweitund Nebenjobs zum normalen Arbeitsleben gehren werden. Dagegen befrchten nur wenige, dass die heute beobachtbaren Fusionen und Allianzen zu Supermonopolen fhren. Nur etwa ein Fnftel der Befragten erwartet, dass im Jahr 2030 die zehn grßten europischen Unternehmen ber die Hlfte der europischen Arbeitskrfte beschftigen. Signifikant mehr ltere Menschen (28,4 % der 60- bis 69-Jhrigen) erwarten, dass derart extreme Konzentrationsprozesse eintreten. Smtliche vom Tenor her eher optimistische Aussagen ber die Zukunft der Arbeit werden mit großer Mehrheit abgelehnt. Nur jeder Achte nimmt an, dass in Zukunft Freizeit wichtiger sein wird als ein gutes Gehalt. Damit findet eine These, die ber Jahrzehnte hinweg von vielen Zukunftsforschern vorgebracht wurde, nur einen sehr geringen Widerhall in der Bevlkerung. Auch auf eine Verkrzung der Arbeitszeit durch Automation hoffen nur wenige (13,9 %). Angesichts der zunehmenden Globalisierung von Unternehmen und des verstrkten Austauschs mit dem Ausland usw., scheint es fast befremdlich, dass nur etwa jeder Siebte erwartet, dass in Zukunft praktisch jeder Arbeitnehmer wenigstens einmal fr eine Zeitlang im Ausland gearbeitet hat. Interessanterweise sind die Ergebnisse in Baden-Wrttemberg deutlich hher (23,7 %). Man kann dies so interpretieren, dass die sehr agilen Unternehmen im Sden der Republik, darunter manche „verborgene Weltmarktfhrer“, schon heute engere Kontakte ins Ausland haben und die
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Globalisierung der Arbeit dort verstrkt von den Beschftigten wahrgenommen wird.
Verhltnis zwischen Arm und Reich Im Fragenkomplex zu dem Verhltnis zwischen Reich und Arm spiegeln sich wie in keinem anderen die ngste der deutschen Bevlkerung vor wirtschaftlichem und sozialem Abstieg. ber drei Viertel der Befragten erwarten: x
dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaf-
fen wird, x
dass im Jahr 2030 die Altersarmut ein ungelstes Problem sein
wird, x
dass viele Beschftigte nicht genug verdienen werden, um etwas
fr das Alter zurckzulegen, x
dass Alltagsprodukte, speziell Lebensmittel, entschieden teurer
werden. Auch die hohen Energiepreise werden in dem Zusammenhang als ein soziales Problem gesehen: 64 % nehmen an, dass die Warmmiete doppelt so hoch wie die Kaltmiete sein wird. Und immerhin knapp 70 % glauben, dass bis 2030 die Mittelschicht vollstndig verschwunden sein wird. Thesen, die auf eine Verminderung der sozialen Unterschiede hindeuten, werden dagegen mit ebenso deutlicher Mehrheit abgelehnt: x
Nur jeder Neunte erwartet, dass die Einkommen der Top-Mana-
ger abnehmen werden. x
Nur jeder Fnfte ist davon berzeugt, dass im Jahr 2030 die
Regierung ein Mindesteinkommen fr alle – unabhngig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw. – garantieren wird. x
Nur jeder Sechste glaubt, dass die Kluft zwischen den Industrie-
lndern und den Entwicklungslndern geringer wird.
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Es berrascht wenig, dass sich die direkt im persnlichen Leben mit einem Problem konfrontierten Menschen extremer ußern. Beim Beispiel Altersarmut sehen die lteren die Zukunft generell dsterer als die Jngeren. Whrend 68,7 % der 20- bis 29-Jhrigen erwarten, dass die Altersarmut 2030 ein ungelstes Problem ist, nehmen dies 84,1 % der 60- bis 69-Jhrigen an. Ebenso sind die Zustimmungswerte fr die Thesen, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrßert, die Mittelschicht verschwindet oder die Menschen nicht genug Einkommen haben, um etwas frs Alter zurckzulegen, positiv mit dem Alter korreliert. Die erwarteten wachsenden sozialen Unterschiede mssten sich in vielen Bereichen auswirken. Eine Hypothese besteht darin, dass Kinder zu einem Luxusgut werden, das sich nur Menschen mit hherem Einkommen „leisten“ knnen. Dies glauben jedoch
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nur 13,5 % der Befragten, wobei die Zustimmung bezeichnenderweise unter Studenten markant hher – bei 22 % – liegt. Eine gravierende Folge der sozialen Spaltung wird jedoch von einer klaren Mehrheit gesehen: 57 % gehen davon aus, dass die Lebenserwartung von begterten Menschen im Jahr 2030 deutlich hher sein wird als die von armen.
Bildung Lediglich eine einzige Aussage aus dem Thesenkomplex zu Bildungsfragen fand mehrheitlich Zustimmung: Im Jahr 2030 werden nach Einschtzung von 60,2 % der Befragten immer mehr hoch qualifizierte Frauen fhrende Positionen im Management einnehmen. Dagegen werden insbesondere diejenigen Aussagen, die auf eine grundstzliche Umgestaltung des deutschen Bildungssystems hindeuten, von einer z. T. berwltigenden Mehrheit abgelehnt. Man traut dem im fderalen Kompetenzgerangel festgefahrenen Bildungssystem mehrheitlich wenig Vernderungsfhigkeit zu. Man kann die Werte jedoch auch gegen den Strich interpretieren: Immerhin ein knappes Drittel hlt es fr wahrscheinlich, dass es in Zukunft mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Deutschland geben wird. In den neuen Bundeslndern erwartet dies sogar fast die Hlfte der Befragten! Hier im Osten ist das Schulsystem – nicht zuletzt wegen der dramatischen demografischen Entwicklung – schon heute einer viel hheren Dynamik ausgesetzt als in den westlichen Bundeslndern. Der Einfluss der elektronischen Medien wchst, aber von einer totalen Virtualisierung der Bildung werden wir auch 2030 noch weit entfernt sein. Online-Vorlesungen, die simultan von den besten Professoren unterschiedlicher Universitten gehalten werden, erwarten immerhin 40,2 % der Befragten. Nur die heutigen Studenten sind mit ganzen 37,6 % merkwrdigerweise skeptischer. Im Gegensatz dazu findet die These unter den Hochschulabsolventen sogar mehrheitlich Zustimmung (53 %).
Deutschland
Die hheren Anforderungen der Arbeitswelt spiegeln sich in mehreren Thesen. Eine Mehrheit finden sie jedoch nicht. x
Immerhin 40,6 % der Befragten halten fr realistisch, dass im Jahr
2030 schon im Kindergarten nach Talenten gesucht wird und diese systematisch entwickelt werden. x
Nur ein Drittel nimmt an, dass 2030 die Beschftigten in der Regel
eine Weiterbildung pro Jahr erhalten. x
Lediglich jeder Vierte erwartet, dass im Jahr 2030 Talentscouts
bereits in der Grundschule nach Nachwuchs fr die Großunternehmen suchen. Auffllig sind die Unterschiede der Zukunftserwartungen von Menschen mit geringerem formalen Bildungsabschluss und Universittsabsolventen. Whrend die ersteren die Thesen zu Vernderungen im Bildungssystem durchweg skeptischer sehen, finden sie unter Akademikern eine weitaus hhere, wenn auch nie mehrheitliche Zustimmung.
Sicherheit Sicherheit ist ein Angstthema. ber zwei Drittel sind sich einig, dass das organisierte Verbrechen im Jahr 2030 ein massives Problem fr Europa darstellt und speziell die Internetkriminalitt stark zunehmen wird. Ebenfalls etwa zwei Drittel erwarten zugleich aber nicht, dass ein besserer innereuropischer Datenaustausch oder eine verstrkte sicherheitstechnische berwachung (mit berwachungscomputern) einen Sicherheitsgewinn bringen werden. Offensichtlich traut man dem Staat nicht zu, die Probleme mit der Kriminalitt in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen. Aber dennoch nimmt nur eine Minderheit von knapp einem Drittel an, dass fr die Menschen des Jahres 2030 Sicherheit wichtiger sein wird als der Schutz der Privatsphre. So tief, um Brgerrechte auszuhebeln, dringen also die ngste nicht durch. Zu diesem Befund passt auch, dass die Meinun-
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gen darber, ob es zu verschrften Strafen kommen wird, durchaus geteilt sind. Es berrascht wenig, dass etwas mehr ltere Brger als jngere in der organisierten Kriminalitt ein massives Zukunftsproblem sehen. Quasi spiegelbildlich erwarten etwas mehr jngere, dass die Internetkriminalitt anwchst. Beide Formen von Kriminalitt werden von Besserverdienenden und Menschen mit hherem Bildungsabschluss strker als vom Durchschnitt als ein im Jahr 2030 virulentes Problem betrachtet.
Familie Dass sich die Partner- und Familienbeziehungen ndern, ist inzwischen ein Gemeinplatz geworden. Nach den Umfrageergebnissen scheint im Jahr 2030 die traditionelle Ehe ein Auslaufmodell zu sein. Etwa 70 % stimmen der Aussage zu, dass dann die meisten Paare ohne Trauschein zusammenleben werden; in den neuen Bundeslndern sind es sogar ber 80 %. Zugleich nimmt ber die Hlfte an, dass gleichgeschlechtliche Paare praktisch denselben rechtlichen Status erlangen wie heterosexuelle: Sie werden heiraten drfen und auch Kinder adoptieren knnen. Wie aber verluft die Partnersuche? Aktuell boomen InternetDating-Brsen und Partner-Portale. Doch die Befragten zeigen sich hier skeptisch. Auch die abgeschwchte Aussage, dass im Jahr 2030 ein Drittel aller Paare ber das Internet zueinanderfinden, wird nur von etwa 40 % bejaht. Doch dieser Durchschnittswert ber alle Altersgruppen ist nur bedingt aussagekrftig. Unter den Jngeren, den heute 14- bis 19-Jhrigen, also in der ersten „digitalen Generation“, stimmt eine Mehrheit von 55,2 % der Aussage zu. Die nun heranwachsende Generation nutzt schon heute das neue Medium zur Partnersuche und wird dies in Zukunft noch verstrkt tun. Allen Hoffnungen auf einen deutlichen Wiederanstieg der Geburtenrate wird dagegen von den Befragten eine klare Absage erteilt. Nicht einmal jeder Fnfte erwartet, dass im Jahr 2030 die Frauen im
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Schnitt zwei Kinder haben werden. Zum Vergleich: Aktuell haben die Frauen in Deutschland im Durchschnitt 1,3 Kinder. Die jngere Generation schaut auch in dieser Hinsicht etwas optimistischer in die Zukunft. 26,9 % der 14- bis 19-Jhrigen und ein fast ebenso hoher Anteil der Studenten stimmen der Aussage zu. Unter Heranwachsenden von 14 bis 17 Jahren betrgt der Zustimmungswert sogar 33,5 %. Hier beeinflusst offensichtlich der eigene Kinderwunsch, das persnlich erwartete Familienleben die Perspektive. Am anderen Ende des Lebensweges steht die Frage nach Unterbringung und Pflege. Dass es einmal mehr Wohngemeinschaften von Senioren als von jngeren Menschen geben wird, erwartet die knappe Hlfte aller Befragten. Etwa ebenso viele gehen davon aus, dass es im Jahr 2030 Tagessttten fr Senioren, hnlich den Kindertagessttten geben wird. Unter den 60- bis 69-Jhrigen glauben dies sogar ber 60 %. Eine besondere Problemgruppe sind die heute ber 80-jhrigen Mnner. Im Gegensatz zu den Seniorinnen erwarten von ihnen deutlich mehr als der Durchschnitt der Befragen, dass man Tagessttten (84,2 % Zustimmung) und Wohngemeinschaften (70 %) fr Senioren einrichten wird.
Umwelt Die aktuelle Entwicklung von l-, Gas- und Benzinpreisen spiegelt sich deutlich in der Aussage, die die hchste Zustimmung findet: Fast zwei Drittel der Befragten befrchten, dass fr Mieter die Energiekosten auf die Hhe der Kaltmiete ansteigen werden. Zugleich nimmt etwas mehr als die Hlfte an, dass im Jahr 2030 Sonnenund Windenergie mehr als die Hlfte der Energieproduktion ausmachen werden. Junge Leute ußern sich dabei etwas optimistischer, ltere sind skeptischer. Auf den latenten Widerspruch zwischen beiden Aussagen wurde bereits hingewiesen. Die sehr hohe Zustimmung zur These, dass unsere Energieversorgung bis 2030 auf die berwiegende Nutzung von Wind und Sonne umgestellt wird, ist auch insofern bemerkenswert, als die Formulierung der These weit
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ber die Ziele der Bundesregierung hinausgeht und als beinahe utopisch angesehen werden kann – selbst wenn man sie nicht auf die gesamte Primrenergie, sondern nur auf die Stromerzeugung bezieht. In derartigen hohen Zustimmungsquoten spiegeln sich folglich aktuelle Debatten und undifferenzierte, oft auch von Seiten der Politik verbreitete Zukunftshoffnungen. Das Ergebnis, das ja eine technische Lsung unserer Energieprobleme impliziert, kontrastiert außerdem sehr deutlich die Skepsis der Umfrageteilnehmer bezglich einer technischen Lsung der Klimaprobleme. Nur 11,5 % erwarten dies bis 2030. Ebenso gering sind die Erwartungen, die an eine Lsung der Hungerproblematik durch transgene Lebensmittel geknpft werden – wiederum nur 11,5 % Zustimmung. Eine deutliche Mehrheit erwartet Kriege um Ressourcen wie Erdl, Erdgas oder Wasser. Die alte, fast schon kli-
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scheehafte Zukunftsvision, dass das Wetter gezielter beeinflusst werden wird, stßt dagegen auf fast einhellige Ablehnung. In einigen der Antworten drcken sich auch die Erfolge von mittlerweile ber drei Jahrzehnten Umweltpolitik aus. Dass im Jahr 2030 Umweltverschmutzung die Haupttodesursache sein wird, befrchten nur (oder immerhin!) 27,3 % der Befragten. Die knappe Mehrheit ist zudem der Ansicht, dass im Jahr 2030 der meiste Mll recycelt wird, was je nach Definition schon heute geschieht (bei Einschluss der „thermischen Entsorgung“, sprich Mllverbrennung). Auch die Einsicht, dass Wasser immer mehr zum kostbaren Gut wird, hat sich allmhlich im ffentlichen Bewusstsein verankert, abzulesen an knapp 40 % Zustimmung zur entsprechenden These. Alles in allem spiegeln die Erwartungen im Bereich der Umwelt recht genau aktuelle Diskussionen um Klima und Energie und das gewachsene Umweltbewusstsein wider.
Konsum Inflationsngste prgen die Konsumerwartungen. Vier von fnf Befragten erwarten, dass alltgliche Produkte im Jahr 2030 deutlich teurer sein werden als heute. Ein sogar noch etwas hherer Anteil der Befragten lehnt in guter bereinstimmung damit die These ab, dass Service und Beratung wichtiger werden wrden als ein niedriger Preis. Dazu passt ebenfalls, dass umweltfreundlichen Produkten auch fr das Jahr 2030 nur geringe Chancen eingerumt werden. Lediglich 18,5 % erwarten, dass die meisten Menschen sich auf „grne“ Produkte umorientieren werden, und noch weniger nehmen an, dass 2030 die meisten Lebensmittel im eigenen Land produziert werden. Dieser Anteil von etwas weniger als einem Fnftel entspricht mglicherweise dem Potenzial der LOHAS (Menschen, die dem Lifestyle of Health and Sustainability anhngen). Diese sind, wie hhere Zustimmungswerte nahelegen, eher unter den besser Ausgebildeten und den Besserverdienenden zu suchen. Die Kluft zwischen dem hohen Umweltbewusstsein der Deutschen und einem
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weitaus weniger ausgeprgten Umwelthandeln ist aus zahlreichen einschlgigen Studien bekannt. Nach den Erwartungen der Befragten wird sich diese Kluft auch bis 2030 nicht schließen. In den letzten Jahren hat das Online-Shopping betrchtlich zugenommen, und der Trend setzt sich fort. Allerdings nimmt nur knapp ein Drittel an, dass im Jahr 2030 der grßte Teil des Konsums ber das Internet gettigt wird. Doch wieder einmal sagt dieser Durchschnittswert wenig aus. Etwa die Hlfte der heute 14- bis 19-Jhrigen – also der Kinder des digitalen Zeitalters – setzt auf Internet-Einkufe, whrend sich von den heutigen Rentnern nur ein Viertel eine „Virtualisierung“ des Kaufverhaltens vorstellen kann. Die mittlere Generation des Jahres 2030 wird viel online shoppen. hnlich hoch bzw. niedrig ist die Zustimmungsrate zur These, dass im Jahr 2030 die meisten Produkte gemietet und nicht gekauft werden. In den Augen von etwa einem Drittel der Befragten – quer
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durch alle Altersgruppen und Berufe – wird sich das Konzept, dass Nutzung doch wichtiger als Besitz sein wird, durchsetzen. Alles in allem sprechen die Ergebnisse zum Komplex Konsum dafr, dass eine materialistische Sichtweise vorherrschen wird: Der Preis ist weiterhin wichtiger als der Service oder ein gutes Umweltgewissen. Und Luxus heißt weiterhin „viel konsumieren“.
Integration Integration bleibt ein Problemfeld. Nicht einmal ein Fnftel der Befragten erwartet, dass im Jahr 2030 die Integration der Einwanderer leichter erfolgen wird als heute. ber die Hlfte nimmt dagegen an, dass die Migranten sich – wie heute – mehrheitlich in spezifischen Wohnquartieren ansiedeln werden und dass es weiterhin Konflikte zwischen bestimmten Einwanderergruppen geben wird. Passend dazu werden nach Ansicht der Befragten Ehen oder andere Partnerbeziehungen ber ethnische oder nationale Grenzen hinweg nach wie vor eher die Ausnahme bilden. Selbst die abgeschwchte These, dass in Europa 2030 ein Drittel der Beziehungen multiethnisch bzw. multinational sein werden, findet mehrheitlich Ablehnung. Bedenkt man, dass in manchen deutschen Großstdten heute schon die Hlfte der Jugendlichen aus Einwandererfamilien stammt, erscheint dies reichlich konservativ und verheißt wenig Gutes fr das Miteinander der Bevlkerungsgruppen. Aber woher werden die Einwanderer kommen? Eine knappe Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die meisten Migranten aus anderen EU-Lndern stammen werden. So gesehen sollte es eigentlich fr die meisten Einwanderer kein großes Problem sein, sich erfolgreich zu integrieren. Doch nicht EU-Brger, sondern Migranten aus anderen Kulturkreisen bestimmen heute – und nach den Ergebnissen der Befragung auch noch 2030 – das Bild. Immerhin stimmt hoffnungsvoll, dass Thesen, die Barrieren thematisieren, von der Mehrheit abgelehnt werden. Trotz aller medial hochgepeitschten Diskussionen um Islam und Islamismus nehmen
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nur 30,8 % an, dass Glauben und Religion eine wichtige Rolle in der Immigrationspolitik spielen werden. Und nur jeder Sechste erwartet, dass Europa seine Grenzen fr außereuropische Migranten schließen wird.
Technik: Skepsis, aber keine Ablehnung Manche Zusammenhnge erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Legt man die Befragungsergebnisse zu den acht Themenfeldern nebeneinander, zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede, beispielsweise in der Einstellung zur Technik. Durch alle Felder zieht sich eine tiefe Skepsis gegenber rein technischen Lsungen. Etwa nur jeder Siebte bis Achte erwartet: x
dass die Arbeitszeit dank Automation verkrzt wird,
x
dass sich technische Lsungen fr das Klimaproblem finden lassen
und x
dass transgene Pflanzen helfen knnen, den Hunger in der Welt zu
beseitigen. Weniger verbreitet ist die Skepsis gegenber neuen, teilweise umstrittenen Anwendungen der Informations- und Kommunikationstechnologien. So erwartet nur etwa jeder Dritte, dass tragbare Gerte bzw. Handys mit Simultanbersetzung die Kommunikation erleichtern oder dass berwachungscomputer viele Kriminelle bei der Tat identifizieren werden. Und nur etwa jeder Vierte stimmt den Thesen zu, dass im Jahr 2030 bei der knstlichen Befruchtung Geschlecht, Haarfarbe oder Grße des Kindes gewhlt werden knnen oder dass die Menschen Chips tragen, die Identifikation und Ortsbestimmung ermglichen. Auch die eindeutig negative These, dass sich 2030 Bio- oder Nanotechnologien als sehr riskant herausstellen werden, findet nur bei jedem vierten Befragten Zustimmung. In der Summe ist zwar eine Menge Skepsis gegenber neuen Technologien vorhanden, doch die vielfach behauptete Furcht der
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Deutschen vor ihnen lsst sich in den Befragungsergebnissen nicht ausmachen.
Auffllige regionale Unterschiede Knapp 20 Jahre nach der Wiedervereinigung bestehen bei den Zukunftserwartungen immer noch deutliche Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundeslndern. Im Osten ist man beispielsweise neuen Schulmodellen gegenber aufgeschlossener, man betrachtet die Ehe noch mehr als im Westen als ein Auslaufmodell, und man sieht generell bei sozialen Fragen – der Lage in der Region entsprechend – deutlich dsterer in die Zukunft. So erwarten 65 % der Einwohner von Sachsen-Anhalt, dass die meisten Beschftigten bis zum 75. Lebensjahr werden arbeiten mssen – im Gegensatz zu Schleswig-Holstein, wo es nur 35,2 % sind. Interessant ist jedoch, dass es auch ein Nord-Sd-Geflle bzw. markante Unterschiede innerhalb der alten Bundeslnder gibt. Bei Arbeit und sozialen Fragen, bei Sicherheitsproblemen und auch Demografie erscheint Baden-Wrttemberg als das Land der Optimisten mit deutlich hheren Zustimmungswerten zu positiven Thesen und deutlich geringeren zu negativen. Spiegelbildlich dazu sieht man im Stadtstaat Hamburg pessimistischer als der Durchschnitt der Deutschen in die Zukunft. Lediglich bei Fragen der Integration sind die Hamburger optimistischer.
Das soziale Negativszenario Nimmt man die Aussagen zu den Themenkomplexen Arbeit und Verhltnis von Arm und Reich zusammen, ergibt sich ein ausgeprgtes Negativszenario, fast schon ein Horrorbild. Es wird von etwa drei Vierteln der Bevlkerung geteilt. Die bergroße Mehrheit erwartet, dass sozialer Abstieg, Altersarmut und explodierende Kosten fr Lebensmittel und Energie die Lebenswelt des Jahres 2030 prgen werden. Die Reichen werden reicher, die Armen rmer, ohne dass
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der Staat in einem nennenswerten Maße – etwa durch Mindestlhne oder Beschneidung von Managergehltern – gegensteuert. Zweitund Nebenjobs sind unter diesen Bedingungen an der Tagesordnung, dennoch verdienen viele Menschen nicht genug, um etwas fr das Alter zurcklegen oder sich eine gute Gesundheitsversorgung leisten zu knnen. Viele Menschen, vor allem solche in den mittleren Lebensjahren, malen sich aus, bis ins hohe Alter – weit ber das heutige angehobene Renteneintrittsalter hinaus – arbeiten zu mssen. Charakteristisch ist, dass sich die Sozialngste durch alle Schichten ziehen, von ihrer Verbreitung her nur in geringem Maße von Bildung, Einkommen, Familienstand und anderen Merkmalen abhngen: Der Pessimismus hat alle angesteckt. Lediglich bei den jungen Menschen ist diese generelle Eintrbung des Zukunftsbildes etwas weniger vorhanden.
Ein Hoffnungszeichen: Die jungen digitalen Europer Die heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden in gut 20 Jahren in der Mitte des Lebens stehen und als Generation – hoffentlich – den Ton angeben. Schon allein deshalb verlohnt ein spezieller Blick auf die Erwartungen, mit denen sie in die Zukunft gehen. Wie bereits bemerkt, sieht die junge Generation die sozialen Probleme etwas weniger pessimistisch als ltere Menschen. Allerdings gewinnt eine positive Sicht nie die Mehrheit. Beispielsweise stimmen 63,4 % der heute 20- bis 29-Jhrigen der These zu, dass bis 2030 die Mittelschicht verschwindet – im Bevlkerungsdurchschnitt sind es 68,3 %. Bei der Meinungsmacht der lteren, die die sozialpolitischen Diskurse in den Medien und in der Familie bestimmen, ist dies eine durchaus bemerkenswerte Differenz. hnliche Unterschiede zeigen sich in den Bereichen von Arbeit und Bildung. Whrend etwas weniger als die Hlfte der Gesamtbevlkerung erwartet, dass im Jahr 2030 die meisten Europer
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zwei Sprachen sprechen, ist es unter den 20- bis 29-Jhrigen mehr als die Hlfte. Dasselbe trifft fr die These zu, dass 2030 ein Viertel aller jungen Beschftigten in Berufen ttig sein wird, die es heute noch nicht gibt. Dieses Muster zieht sich auch durch alle Fragen, die mit den neuen digitalen Medien zu tun haben. Gleich ob bei Online-Vorlesungen, Internet-Einkufen, Online-Dating-Brsen, berall ist die Zustimmung der jungen Erwachsenen um einige Prozente hher als im Schnitt der Bevlkerung. Nicht zuletzt zeigt sich diese positivere Einstellung in den Thesen zu multiethnischen Partnerschaften, zu Frauen in gehobenen Positionen oder zu einer leichteren Integration von Migranten. Kurzum: Die jungen Menschen erwarten eine andere, etwas bessere, etwas strker digitalisierte, etwas europischere, etwas offenere Zukunft als die lteren. ber Ursachen und Wirkungen kann hier nur spekuliert werden. Man mag den Grund fr die Unterschiede in dem Optimismus der Jugend sehen, der sich mit den Jahren abschwcht. Man kann aber auch hoffen, dass die Generation, die mit digitalen Medien, einem Europa fast ohne Grenzen und mit gleichaltrigen Migranten groß geworden ist, auf Dauer ein optimistischeres Zukunftsbild entwickelt als die Generation ihrer Eltern.
Ein vorlufiges Fazit Die Umfrage ergibt ein detailreiches, aber durchaus fragmentiertes und partiell widersprchliches Bild. Insgesamt besttigt die Abfrage von Zukunftserwartungen zahlreiche Erkenntnisse aus Umfragen zu heutigen Einstellungen und Meinungen, etwa was die Furcht vor sozialem Abstieg, die Skepsis gegenber technischen Lsungen oder auch die Mentalittsunterschiede von alten und neuen Bundeslndern anbelangt. Die Mehrheit blickt mit bestenfalls gemischten Gefhlen in die Zukunft. Die Bundesrepublik ist ein reiches Land mit einem gut ausgebauten Sozialsystem und einem hohen Wohlstandsniveau:
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Da sind – vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Globalisierung – die ngste vor einer Verschlechterung groß. Die Umfrage zeigt deutlich, wie stark der Sog der negativen Erwartungen ist. Htte man Zukunftsforscher befragt, htten sich wahrscheinlich in manchen Punkten gravierend andere Resultate ergeben. Die Zukunft ist offen, noch nicht geschrieben. Skepsis gegenber einem berschuss an Optimismus, aber auch gegen zu viel Schwarzmalerei ist daher angebracht. Vor allem brauchen Zukunftsdebatten mehr Realismus. Es wre zu wnschen, dass die Umfrage einen Anstoß gibt, sich in der ffentlichkeit jenseits von Larmoyanz und Zweckeuphorie intensiv ber heutige Herausforderungen, knftige Probleme und mgliche Lsungswege auseinanderzusetzen. Langfristig knnte man hoffen, dass aus der Umfrage heraus analog zum Euro-Barometer ein europisches Zukunftsbarometer entwickelt wird, das es erlaubt, Trends in den Erwartungen zu identifizieren.
Finnland 2030: Auf dem Weg in die Zukunft Sirkka Heinonen / Markku Wilenius
Finnland ist eine zukunftsorientierte Nation, die stets versucht, Trends und Vernderungen in der Welt wahr- und insbesondere auch vorwegzunehmen. Dies zeigt sich auf staatlicher Ebene, an den Universitten, in der Wirtschaft und in gesellschaftlichen Organisationen. Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre begann man systematisch,Vorhersagen zur Entwicklung der Gesellschaft, zu aufkommenden Problemen, Risiken und Chancen zu erarbeiten. In Finnland gibt es also bereits eine 30-jhrige Tradition, sich mit Zukunftsfragen auseinanderzusetzen. Natrlich haben sich im Laufe dieser Zeit Maß, Intensitt, Art und Schwerpunkt der Zukunftsforschung stark verndert. Der Grund fr die Zukunftsorientierung mag sich teilweise auch aus dem starken berlebenswillen der Finnen erklren. Historisch wie geopolitisch bedingt war Finnland ber Jahrhunderte gezwungen, berlebenstechniken und -strategien zum berwinden von Hindernissen sowie eine Fhigkeit zum vorausschauenden Denken zu entwickeln. Nur so war ein diplomatischer Umgang mit den Nachbarstaaten mglich, nur so ließ sich der eigene soziokonomische und technologische Fortschritt frdern. Im Jahr 1980 wurde die Finnische Gesellschaft fr Zukunftsstudien gegrndet, die durch das Vorantreiben der Zukunftsforschung die langfristige Entwicklung der finnischen Gesellschaft sicherstellen soll. Die Institution sorgt fr eine Vernetzung zukunftsorientierter Protagonisten aus dem ffentlichen und privaten Sektor
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sowie aus Nichtregierungsorganisationen. 1992 formierte sich dann an der Wirtschaftsakademie in Turku das Finnische Zentrum fr Zukunftsforschung. Dieser Fachbereich fr Zukunftsforschung, Bildung und Entwicklung arbeitet auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene und entwickelt Visionen zu Umwelt- und Gesellschaftstrends. 1993 nahm der weltweit einzigartige Zukunftsausschuss des finnischen Parlaments seine Arbeit auf. Der Ausschuss besteht aus 17 Abgeordneten aus verschiedenen Parteien. Die Regierung legt dem Parlament sogenannte Zukunftsberichte ber Finnlands langfristige Entwicklungsmglichkeiten vor, und der Ausschuss nimmt dann Stellung zu den darin entworfenen Strategien (PMOF 2007). Seit 1996 ist der Zukunftsausschuss auch fr die Technologiebewertung zustndig. Im Jahr 2000 wurde er als dauerhafte staatliche Einrichtung anerkannt. 1998 wurde die Finnische Zukunftsakademie als nationaler Verbund aus 17 Universitten gegrndet. Die Akademie verfolgt das Ziel, interdisziplinre wissenschaftliche Programme, Bildungs- und Forschungsprogramme in Zukunftsstudien zu untersttzen. Der Premierminister hat krzlich ebenfalls ein Prognosenetzwerk gegrndet, das alle Ministerien einbindet mit dem Ziel, zukunftsorientierte Anstze fest in die politische Arbeit zu integrieren. 2006 hat der finnische Innovationsfonds (Sitra) ein weiteres nationales Prognosenetzwerk ins Leben gerufen. Dieses soll mithilfe von Arbeitsgruppen, in denen verschiedene Interessenvertreter zusammenkommen, zuknftige Herausforderungen sowie mgliche Chancen fr die finnische Gesellschaft ermitteln. Sitra steht im Kontakt mit einer breiten ffentlichkeit, um die Zukunftsvorstellungen sowohl der finnischen Brger als auch der verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen zu erkunden. Das Finnland von morgen ist insofern demokratisch geprgt, als viele Kreise, von Regierung und Wirtschaft bis hin zum einzelnen Brger, die Entwicklung beobachten und an der Diskussion der Zukunftsvorstellungen beteiligt sind. Neben diesen Entwicklungen fanden in den vergangenen 15 Jahren auch das hervorragende finnische Bildungssystem, das
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Hightech-Know-how der Wirtschaft und das ernsthafte Bemhen des Landes um Nachhaltigkeit große Anerkennung. Da die meisten Mega-Trends der nchsten 20 Jahre einerseits auf zunehmenden Ressourcenmangel und andererseits auf die wachsende Bedeutung des sogenannten Humankapitals als entscheidende Wohlstandsquelle hindeuten, gehen wir davon aus, dass Lnder, die sich fr diese Herausforderungen besonders rsten, im Jahr 2030 Spitzenpltze einnehmen werden.
Die zuknftige Bedeutung von Arbeit Beim Analysieren der Aussagen zum Thema Arbeit haben wir zwei grßere Trends festgestellt: Zum einen wird Arbeit bis 2030 eine neue Bedeutung erhalten; sie wird nicht mehr die eine, sichere Existenzgrundlage bilden – falls dies je der Fall war. Viele Menschen werden statt nur einer Ttigkeit einem Zweit- oder Nebenjob nachgehen, um ihr Auskommen zu sichern. Mehr als die Hlfte der Befragten stimmt dieser Prognose zu, wobei Mnner und Frauen einhelliger Meinung sind. Zum anderen sieht fast die Hlfte der Befragten die Identifikation oder das Einverstndnis mit dem Arbeitgeber schwinden. Dies ist ein klarer Paradigmenwechsel: weg von Loyalitt und Einsatz fr den Arbeitgeber, wie sie noch aus der lutherischen Arbeitsethik stammen, hin zu einem eher individuell ausgerichteten Modell, das dem einzelnen Arbeitnehmer die Schlsselrolle fr seine Arbeitsleistungen und Berufsentscheidungen zuerkennt. Diese Ermchtigung der Arbeitnehmer stimmt berein mit der Ansicht, dass Freizeit wichtiger ist als eine gute Bezahlung – eine Ansicht, die in Finnland wiederum fast 50 % der Befragten teilen. Die Arbeit gewinnt fr die Arbeitnehmer an Bedeutung; bestimmte Werte oder bspw. auch Umweltleistungen von Unternehmen mssen immer mehr mit denen der Arbeitnehmer bereinstimmen. Erwhnenswert ist auch der Pessimismus gegenber der Aussage, die meisten Menschen werden aufgrund der Automatisierung weniger als 25 Stunden pro Woche arbeiten. Weniger als ein Viertel
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glaubt an eine Verringerung der Arbeitsstunden durch Rationalisierung. Vor allem die 15- bis 19-Jhrigen gehen von einer solchen Arbeitszeitverkrzung aus. Allerdings ist die Meinung, dass das Renteneintrittsalter angehoben wird, ebenso stark vertreten: 45 % glauben, die meisten Arbeitnehmer mssen in Zukunft bis zum 75. Lebensjahr arbeiten. Insgesamt scheinen die Befragten von betrchtlichen Vernderungen im Arbeitsleben auszugehen. Sie erwarten, dass bedeutend mehr kleinere Firmen Arbeitspltze bereitstellen werden, und sind der festen berzeugung, dass das Personalmanagement fr Unternehmen eine Schlsselfunktion gewinnen wird. Weiterhin nimmt die Hlfte der Befragten an, dass 2030 die meisten Produktionsjobs in den Entwicklungslndern geleistet werden. Es wird also weiterhin von einem starken Globalisierungstrend der europischen Gesell-
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schaft ausgegangen. Interessant ist hier die Frage, in welchen Bereichen die Menschen in Europa noch arbeiten sollen, da nun nicht nur die Gterproduktion, sondern auch Dienstleistungen zunehmend aus den Lndern des Nordens und Westens ausgelagert sein werden.
Wachsende Kluft zwischen Arm und Reich Viele der Befragten in Finnland meinen, die Kluft zwischen Arm und Reich wird in Finnland grßer werden. 70 % teilen diese Ansicht und befrchten außerdem, dass das Einkommensniveau zu niedrig sein wird, um genug Rcklagen fr den Ruhestand zu bilden. Obwohl fast ein Drittel der Befragten schtzt, dass die Regierung allen Menschen, unabhngig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw., Mindesteinkommen garantieren wird, nimmt fast jeder Zweite an, dass Altersarmut ein ungelstes Problem bleibt. Es scheint einen Zusammenhang zwischen Bildungsniveaus und Vertrauen in das ffentliche System zu geben: Die gebildeteren Befragten glauben umso strker, dass die finnische Regierung diese Probleme berwinden wird. Hinsichtlich der Einkommen von Top-Managern wird davon ausgegangen, dass sich diese bis 2030 nicht wirklich verringern werden. Der vehementen These, die Mittelschicht werde nahezu verschwunden sein, stimmen weniger als ein Viertel der Befragten zu. Dies mag teilweise daran liegen, dass Finnland nie eine echte Klassengesellschaft war. Dank Demokratie, gleicher Grundausbildung und Gesundheitssystem knnte man Finnland insgesamt vielleicht als einzige große Mittelschicht bezeichnen. Dies wird auch daran deutlich, dass es keinerlei Zustimmung zu der Aussage gibt, die Anzahl der Kinder hnge davon ab, wie viel die Eltern sich leisten knnen. berraschend ist hingegen, dass fast ein Viertel der Befragten meinen, die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungslndern wird kleiner werden. Dies knnte an dem fortschreitenden Siegeszug der Digitalisierung in den Entwicklungslndern liegen, der zwangslufig fr bessere Lebensverhltnisse sorgt.
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Wissen ist immer noch Macht Beim Themenkomplex Bildung 2030 erhielt die Aussage, dass immer mehr hoch qualifizierte Frauen Fhrungspositionen bernehmen werden, die grßte Zustimmung. Mehr als die Hlfte der Befragten nimmt an, dass die meisten Europer mindestens zwei Sprachen fließend sprechen und die besten Professoren Online-Vorlesungen an verschiedenen Universitten gleichzeitig halten werden. Die Strke des ffentlichen Schulsystems in Finnland zeigt sich daran, dass nur ein Fnftel der Befragten fr 2030 von einer hheren Anzahl an Privatschulen im Vergleich zur ffentlichen Alternative ausgeht. Die Notwendigkeit, ein Leben lang zu lernen und sich weiterzuentwickeln, wird die Arbeitswelt erobern, und mindestens eine Weiterbildung pro Jahr wird nach Meinung von ber 40 % der Befragten fr jeden Arbeitnehmer selbstverstndlich sein. Die Finnen sehen außerdem vllig neue Berufe entstehen: Fast die Hlfte meint, ein Viertel der jungen Arbeitnehmer wird in Berufen arbeiten, die es 2008 noch nicht gegeben hat. Fast ein Drittel glaubt, die informelle Bildung (z. B. Persnlichkeitsentwicklung) wird wichtiger sein als die formale (z. B. Schulwissen). Dies stimmt auch mit den oben beschriebenen Einschtzungen zum Thema Arbeit berein. Die offizielle Bindung an einen Arbeitgeber wird weniger wichtig sein als die Zufriedenheit der Arbeitnehmer und Sinnhaftigkeit der Arbeit. Fast ein Viertel der finnischen Befragten glaubt, dass die Medien fr ein Drittel der Bildung verantwortlich sein und hierfr spezielle Bildungsprogramme senden werden. Dementsprechend werden sich nicht nur Form und Art der Inhalte ndern, sondern auch die Plattformen und Anbieter von Bildung breiter gefchert sein als heutzutage. Schulen und Universitten werden bei der Gestaltung einer toleranten und zivilisierten Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielen. Wie Martin (2006) betont, knnte der Bildung ganz bewusst eine zentrale Funktion fr die Erhhung der Lebensqualitt zuerkannt werden. Eine ebensolche Rolle knnte Bildung erhalten, wenn sie die Tr zu anderen Kulturen
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ffnet und das Verstndnis unter den verschiedenen Gesellschaften frdert. Im Allgemeinen zeigen die Ergebnisse, dass Frauen strker an die Vorteile neuer Bildungswege glauben als Mnner. Dies ist nicht allzu berraschend, wenn man bedenkt, dass Frauen auch, was ihre Rolle in der Arbeitswelt angeht, zuversichtlicher sind als Mnner. Je mehr Macht die Frauen erlangen, desto strker werden sich in den postindustriellen Gesellschaften die Formen von Bildung verndern.
Die Balance von Sicherheit und Privatsphre Als fortschrittliche Informationsgesellschaft wissen die Finnen durchaus, wie die Kehrseite der Medaille aussieht. Fast 80 % der Befragten befrchten, dass die Kriminalitt im Internet stark zunehmen
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wird, und 70 % halten das organisierte Verbrechen fr ein großes Problem in allen Lndern Europas. Die Finnen empfinden berwachungscomputer als ntzlich, wenn es darum geht, Kriminelle der Tat zu berfhren. Dies ist auch nachvollziehbar, da diese Technologie tatschlich bereits bei der Aufklrung einiger Verbrechen geholfen hat. Die Befragten stren sich auch nicht an der Vorstellung, dass viele Menschen einen Chip zur Identifikation und Lokalisierung tragen werden. Genau die Hlfte der Befragten gibt an, vielen Brgern sei Sicherheit wichtiger als ihre eigene Privatsphre. Nur ein Drittel glaubt, dass neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie 2030 gefhrlicher sein werden als 2008 angenommen. Dem Projekt FinnSight 2015 zufolge wird die globale Risikovorsorge in Zukunft noch wesentlich wichtiger werden. Bessere Kontrollen und Prognosen sind notwendig, um die Risiken fr Wirtschaft, Umwelt, Energie, Infrastruktur und Gesundheit zu begrenzen. Gefrdert werden muss die Anwendung globalen Wissens und kulturellen Know-hows in Forschung und Innovation. Glenn et al. (2008) betonen außerdem, dass die Beschleunigung und Globalisierung der Wissenschaften enorme Risiken in sich bergen und wachsende ethische Probleme aufwerfen. Sie schlagen ein kollektives globales, intelligentes Managementsystem vor, das wissenschaftliche und technologische Fortschritte verfolgt, deren Konsequenzen vorhersagt und mgliche Perspektiven so dokumentiert, dass Politik und ffentlichkeit die Folgen neuer Technologien ermessen knnen. Die Umfrage zeigt, dass die Befragten allgemein (zu fast zwei Dritteln) und insbesondere diejenigen mit Kindern mgliche Konflikte um natrliche Rohstoffe als Bedrohung betrachten. Dies gibt mglicherweise Grund zu der Annahme, dass sich zuknftig ein Großteil der internationalen Bemhungen und Aktivitten der Lsung derartiger Konflikte widmen wird.
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Familie auf Nachfrage Das traditionelle Familienmodell wird flexibler und offener werden, was die Geschlechterverteilung bei Paaren anbetrifft. 67 % der Befragten meinen, dass es neben XY-Paaren auch XX- oder YY-Paare geben wird; gleichgeschlechtliche Paare werden also heiraten und Kinder adoptieren drfen. Wohl auch deswegen, weil der Alltag der Finnen gewhnlich stark vom Internet bestimmt wird, sind sich 40 % der Befragten sicher, dass jede dritte Partnerschaft ber Internet-Dating-Netzwerke zustande kommen wird. Der Gedanke an Designer-Babys scheint weder abwegig, noch wird er ethisch abgelehnt, jedenfalls erwartet fast ein Drittel der Befragten, dass im Jahr 2030 Geschlecht, Haarfarbe und Krpergrße von Kindern bei knstlicher Befruchtung frei gewhlt werden knnen. Diese Aussage lsst jedoch keine weiteren Schlsse zum Thema Genmanipulation zu. Bei der Frage zur alternden Bevlkerung werden innovative Maßnahmen wie Tagessttten fr Senioren, analog zu den Kindertagessttten, befrwortet. Und tatschlich ist die sogenannte Sandwich-Generation, die sich gleichzeitig um ihre kleinen Kinder und um die alternden Eltern kmmern muss, bereit, neue Strategien ins Auge zu fassen, um mit den Herausforderungen von Arbeit und Familienleben umzugehen. Vielleicht wird es in grßeren Brokomplexen Einrichtungen geben, in denen man sich um Kinder und ihre Großeltern gleichzeitig kmmert. Dieses Thema knnte sogar zu einem Merkmal der sozialen Verantwortung von Unternehmen und damit in deren Aufgabenbereiche integriert werden. Wie bereits bei den Aussagen zum Thema Arbeit deutlich wurde, sind der Einsatz fr den Arbeitgeber oder die Identifikation mit ihm nicht sehr stark ausgeprgt, es sei denn, die Werte beider Seiten stimmen miteinander berein. Die Hlfte der Befragten glaubt, dass Frauen in der Lage sein werden, Arbeit und Familie gut miteinander zu vereinbaren. Interessanterweise lsst sich beobachten, dass die Befragten aus einer Familie mit zwei Kindern dies als etwas weniger machbar ansehen als diejenigen aus Familien mit nur einem Kind oder mit drei
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oder mehr Kindern. Außerdem glauben Singles wesentlich weniger an die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie als Verheiratete. Beide Themen – die alternde Bevlkerung und die Schwierigkeit, Arbeit und Privatleben miteinander zu vereinbaren – gelten auch als problematisch im Hinblick auf die finanzielle Situation und die allgemeine Zufriedenheit im Jahre 2030, obwohl sich die Arbeit ihrer Form, Art und Organisation nach bis dahin dramatisch ndern knnte. Die Frage nach der Zukunft der Familie ist ußerst interessant. Einerseits scheint es einen Trend weg von der herkmmlichen Kernfamilie zu geben, andererseits ist der Wunsch trotz aller Individualisierungstendenzen groß,Teil der Gemeinschaft zu sein. Aufgrund des demografischen Wandels der westlichen Gesellschaften werden wir in den nchsten 20 Jahren neue Anstze zur Bekmpfung des wahren Leidens unserer Zeit erleben: das Gefhl der Einsamkeit. In einem positiven Szenario wird dem Wert, Teil einer Gemeinschaft zu sein, mehr Bedeutung beigemessen werden, mit dem Ergebnis, dass neue gesundheitsfrdernde Dienstleistungen sowie Basisaktivitten eingefhrt werden fr Menschen, die neue Lebensstile entwickeln, die ihnen ein gutes Leben ermglichen.
„Can you see the blue sky?“ Der Klimawandel ist die grßte Herausforderung unserer Zeit. Nach Martin (2006) stellt der Klimawandel eine grßere Bedrohung unserer Zukunft dar als der Terrorismus. Wenn wir schnell handeln, lsst sich eine desastrse Entwicklung auf vielerlei Weise verhindern. Um dem Klimawandel entgegenzutreten, wre eine globale Strategie erforderlich. Im Informationszeitalter hat dies besondere Dringlichkeit, da 50 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr in Entwicklungslndern entsorgt werden (Glenn et al. 2008). Allerdings handeln wir momentan nicht konsequent genug. Zum Beispiel knnten Fernreisen und Kohle besteuert und eine City-Maut eingefhrt werden. Die Umfrageergebnisse belegen ein ziemlich hohes Umweltbewusstsein und zu einem gewissen Grad sogar Optimismus. Unter
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allen Aussagen der Umfrage erhielt die grßte Zustimmung die, dass im Jahre 2030 der meiste Mll wiederverwertet werden wird. Kostspieligkeit und Verfgbarkeit von Energie und sauberem Trinkwasser gehren ebenfalls zu diesem globalen Thema. Mehr als die Hlfte der Befragten nimmt an, dass sauberes Trinkwasser in Europa ein Luxusgut sein wird. Es gibt keinen wirklichen Technologie-Optimismus: Weniger als 15 % der Befragten glauben, dass sich der Klimawandel dank technischer Entwicklungen lsen lassen wird. Genauso wenige Befragte gehen davon aus, dass genmanipulierte Lebensmittel das Hungerproblem lsen werden. Fast die Hlfte der Befragten meint, ein großer Teil der Bevlkerung in Entwicklungslndern wird hungern, weil mehr Pflanzen fr regenerative Energien als fr die Lebensmittelversorgung angebaut werden. Die Welt verbraucht nun bereits seit fnf Jahren mehr Lebensmittel, als produziert werden. Steigende Preise fr Grundnahrungsmittel fhren in vielen Lndern langsam zu politischer Instabilitt und zu Aufstnden. Damit wird die Nutzung der Anbaugebiete zur Herstellung von Kraftstoff statt von Nahrungsmitteln weltweit zu einem ernsthaften ethischen Problem. Die Energieerzeugung muss auf erneuerbare Energien verlagert werden. 43 % der Befragten erwarten, dass Sonnen- und Windenergie ber die Hlfte der Gesamtenergie erzeugen werden. Zu bemerken ist allerdings, dass einige Lnder besser fr diese alternativen Energieformen geeignet sind als andere. Aufgrund der rauen Klimabedingungen und der geringeren Sonneneinstrahlung steht Finnland beim Einsatz und Betrieb von Solaranlagen vor großen Herausforderungen. Nur ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass Umweltverschmutzung die hufigste Todesursache sein wird. Dies kann daran liegen, dass die Luftverschmutzung verglichen mit anderen Industrielndern nicht besonders groß ist. Diese Ergebnisse decken sich mit dem Projekt FinnSight 2015, das die außerordentliche Wichtigkeit der Themen Energie und Umwelt fr die gesamte Welt betont und die Notwendigkeit unterstreicht, in die Entwicklung und Nutzung neuer Energieproduktionsmglichkeiten, in ein nachhaltiges
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Umweltmanagement und in umwelttechnologische Innovationen zu investieren. Es scheint allgemeine Skepsis zu bestehen hinsichtlich der Fhigkeit des globalen Regulierungssystems, sich an die Erfordernisse anzupassen. Wenn mehr als die Hlfte der Befragten glaubt, dass in 20 Jahren Trinkwasser in Europa nicht so leicht verfgbar sein wird, weist dies in Kombination mit der durch die Ergebnisse belegten Annahme, dass in sdlichen Lnder aufgrund unseres Energiebedarfs gehungert werden muss, auf ein eher pessimistisches Bild von der Zukunft. Die Jngeren scheinen hierbei etwas weniger pessimistisch zu sein als die lteren.
Verbrauchsgter werden grn und digital Es wird geschtzt, dass alltgliche Gter 2030 bedeutend teurer sein werden. Grne Mrkte scheinen sich schnell zu entwickeln, wenn man die Ansicht von ber 50 % der finnischen Befragten teilt, dass die meisten Menschen umweltfreundliche Produkte kaufen werden. Dies spiegelt zwei große Trends wider: Umweltbewusstsein und wachsendes Interesse der Verbraucher an Gesundheits- und Fitnessthemen. Andererseits stimmen nur 27 % der Befragten der Aussage zu, dass der grßte Teil der Konsumausgaben in den Gesundheitsbereich gehen wird. Fast jeder Zweite glaubt, dass die Konsumenten ihre Kufe berwiegend online ttigen werden. Demzufolge wird das Transportaufkommen steigen, da die Annahme vorherrscht, mehr als die Hlfte aller Produkte werden aus Asien kommen. Die Digitalisierung mag Einkauf und Handel erleichtern, aber in vielen Fllen knnten sich die Transportwege dadurch sogar verlngern, was wegen der Treibgas-Emissionen nicht ohne Folgen fr die Umwelt bliebe. Die Abhngigkeit vom Pkw besteht fort – 43 % glauben, dass auf einen Haushalt mindestens zwei Autos kommen werden. In Finnland, das muss hier ergnzt werden, haben viele Haushalte auch zwei Wohnungen, wodurch das Verkehrsaufkommen grßer ist. Der Konsum, selbst eine Kulturform, knnte die Kultur auf
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viel umfassendere Weise betreffen. Er wird vielleicht irgendwann eine kritische inflationre Grenze berschreiten, um sich dann aber nicht mehr von Quantitts-, sondern von Qualittsaspekten leiten zu lassen. Entsprechend setzen auch 37 % der Befragten Luxus mit Zeit und Ruhe gleich. Der Trend zum sogenannten entschleunigten Leben – von Slow Food und Slow Design ber Slow Housing und Slow Cities bis zu Slow Sport und Slow Travel – im Zusammenspiel mit einem allgemeinen „Herunterschalten“ und dem Trend zu kologischer Nachhaltigkeit knnte die Verbraucherkultur revolutionieren. Dies hngt mit dem Konzept der kulturellen Kompetenz zusammen, die gemß FinnSight 2015 eine der Hauptleistungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Entwicklung ist. Deswegen ist es wichtig, den Pfeiler der kulturellen Kompetenz weiter zu strken. Konsumkultur kann als Teil einer solchen kulturellen Kompetenz angesehen werden. Ausgeprgtes Konsumverhalten, das eine hohe Lebensqualitt ermglichen knnte, luft laut Martin (2006) Gefahr, eine angespannte, berarbeitete und „mediensatte“ Gesellschaft zu etablieren. Dies ist allerdings kein Verschulden der Technologie, denn dieselbe Medien- und Digitaltechnik knnte auch zu einer hoch entwickelten Zivilisation fhren. Insgesamt gehen die Befragten offenbar davon aus, dass sich die vorhandenen Trends ohne gravierende nderungen fortsetzen werden. So erkennen wir auf der einen Seite, dass immer mehr Wohlstand zu immer mehr Konsum fhrt. Auf der anderen Seite machen sich immer weniger Menschen Illusionen hinsichtlich der Werthaltigkeit eines konsumorientierten Lebensstils. Das wahre schwache Signal, das die Umfrageergebnisse senden, mag berraschen: Wenn nur 20 % der Befragten glauben, dass die meisten Lebensmittel im Inland erzeugt werden, so bleibt wenig Grund zu der Annahme, dass Ressourcenknappheit, Klimawandel und andere soziale Bedrohungen unsere Konsum- und Produktionsmuster fundamental verndern werden.
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Integration oder Untergang Informations- und Wissensgesellschaften basieren auf einer funktionierenden Kommunikation. 2030 wird diese Kommunikation durch tragbare Gerte und Telefone vereinfacht werden, die simultan bersetzen knnen, jedenfalls nach der Auffassung von ber 50 % der Befragten in Finnland. Dass die Technik eines Tages automatische Simultanbersetzungen liefern kann, wird seit Anfang der 1970erJahre weltweit erwartet. Vor allem in Japan wurden dafr große Investitionen bereitgestellt. Obwohl diese bersetzungstechnologie inzwischen bis zu einem gewissen Grad entwickelt wurde, scheinen die Erwartungen ein wenig zu optimistisch zu sein. Ungefhr die Hlfte der Befragten geht davon aus, dass 2030 mehr Einwanderer aus Entwicklungslndern als aus EU-Staaten nach Finnland kommen werden. Dies ist aufgrund der kulturellen Unterschiede mit einigen Problemen und Herausforderungen fr eine reibungslose Integration verbunden. Dennoch glaubt wiederum die Hlfte der Befragten, dass die Integration von Einwanderern etwas einfacher werden wird. Dies ist eine sehr optimistische Ansicht, die ignoriert, dass der Zustrom von Einwanderern von außerhalb der EU weiter zunehmen knnte. Bereits in den 2010er-Jahren werden sich die globale Wirtschaft, die politische Landschaft und die Sicherheitslage aufgrund des voranschreitenden Klimawandels und der hheren Energie- und Lebensmittelpreise vollkommen anders darstellen als heute, weshalb auch das Einwanderungsthema grundlegend anders gelagert sein drfte. Schon heute ist absehbar, dass in vielen Lndern – v. a. Afrikas und Asiens – Trockenheit, sinkender Grundwasserspiegel, Unterernhrung und die langfristige Abnahme der globalen Lebensmittelproduktion als Katalysator fr politische Krisen und auch bewaffnete Konflikte fungieren werden. In deren Folge werden sich hunderte Millionen von Menschen auf den Weg machen, um in Europa bessere Lebensmglichkeiten zu suchen. Die Befragungsergebnisse scheinen sich mehr auf die derzeitige Situation zu beziehen als auf die Zukunft und von daher kein rea-
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listisches Bild von den wirklichen Problemen auf globaler Ebene zu entwerfen. Gleichzeitig gestehen die Befragten ein, dass es aufgrund kultureller Unterschiede Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen wie Afrikanern und Moslems geben knnte. Die Integration kann nur langsam vorangehen, da nach Auffassung von 44 % der Befragten die meisten Auslnder unter sich in verschiedenen Stadtteilen wohnen werden. Diese Entwicklung ist tatschlich sehr wahrscheinlich, gibt es doch in allen entwickelten Lndern eine starke Tendenz unter den Einwanderern, sich in den Wohngegenden niederzulassen, in denen bereits ihre Landsleute leben, was zu einer fortgesetzten Segregation gefhrt hat. Fast 46 % der Befragten schtzen, dass im Jahr 2030 in Europa ein Drittel aller Partnerschaften und Ehen multinational oder multikulturell sein wird, eine Zahl, die im Vergleich
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zu den ber lngere Zeit gesammelten Daten aus anderen Lndern hoch erscheint. Analog zur Segregation beim Wohnort neigen Einwanderer auch bei der Wahl des Ehepartners sehr stark zu Menschen mit demselben kulturellen Hintergrund oder derselben Herkunft. In Finnland ist die Kenntnis der finnischen Sprache eine entscheidende Voraussetzung dafr, die Fremdheit und Segregation von Einwanderern zu mildern und eine bessere Eingliederung in die Gesellschaft zu ermglichen. Mehr als 44 % der Befragten stehen der Zuwanderung positiv gegenber, da sie in ihr ein Mittel gegen die beralterung der finnischen Bevlkerung sehen. Dennoch wird die Wandlung Finnlands zu einer wahrhaft multikulturellen Gesellschaft eine betrchtliche Herausforderung darstellen.
Fazit Systematisch ber die Zukunft nachzudenken ist seit Urzeiten ein hchst menschliches Verhalten. Immer schon wollten Menschen wissen, was die Zukunft fr sie bringen wrde. In unserer schnelllebigen, verflachenden heutigen Welt sichern Vorhersagen Staaten einen strategischen Vorteil und bringen Unternehmen und anderen Organisationen Wettbewerbsvorteile. Zukunftsforschung heißt, unterschiedlichste Anzeichen fr Vernderung proaktiv zu bestimmen und zu deuten: Das beginnt bei Megatrends, fhrt weiter ber Moden und Umbrche und reicht bis zu vagen und schwachen Indikatoren. Zukunftsforschung nutzt die Erfahrungen und Daten frherer Epochen und reichert sie an mit dem aktuellen Wissen aus Wirtschaft, Politik, Kultur,Technik usw. Das Ziel der Zukunftsforschung ist es, auf dieser Grundlage Voraussagen darber zu machen, wohin sich die Welt bewegt, worauf wir zusteuern – mit der Mglichkeit, ber alternative Entwicklungswege nachzudenken. Historiker wie Zukunftsforscher behandeln dasselbe Zeitkontinuum, das in der grauen Vorzeit beginnt und weiterluft bis in die Zukunft. Beide Disziplinen haben einen gemeinsamen Fixpunkt: die Gegenwart. Dennoch darf die Zukunft nicht als lineare Extrapolation der Vergangen-
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heit ber das Jetzt hinaus angesehen werden. Relevant ist die Zukunftsforschung deswegen, weil sie uns in unserer unbestndigen Welt die Vielzahl an Mglichkeiten fr das Kommende zeigen kann. Es geht darum, die Zukunft gestalten zu knnen; es ließe sich auch von einer Art Zukunftsintelligenz sprechen, die zu diesem Zweck bestimmte Verfahren einsetzt. Zu dieser Art von systematischer Vorausschau gehrt nicht nur, die Zukunftsvorstellungen von Leuten aus der Praxis einzubinden, sondern auch – und dies ist ebenfalls von grßter Wichtigkeit und hchstem Interesse – den Blick der Brger kennenzulernen. Hieraus entsteht eine Grundlage fr stete Dialoge zwischen Behrden, Bildungseinrichtungen, Unternehmen,Verbnden und Brgern. Diese bilden eine kollektive Basis, deren permanenter Dialog Prognosewissen schafft. Ansichten und Meinungen zu verschiedenen Aussagen ber die Zukunft sind hierbei wie Signale, die uns Anlass zu Hoffnungen und ngsten hinsichtlich der zuknftigen Entwicklung geben. Dies leitet unser Engagement fr eine bessere Zukunft und gibt uns Mut weiterzumachen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen in Finnland die anstehenden Vernderungen vor allem als Fortfhrung der bisherigen Entwicklungen ansehen. Der Zerfall des Arbeitslebens setzt sich in dieser Sicht ebenso fort, wie auch die Reichen immer reicher werden und alte Menschen zunehmend Schwierigkeiten haben werden, ber die Runden zu kommen. Gleichzeitig erkennen die wahrhaft bildungsglubigen Finnen dem Lernen eine Schlsselrolle fr den Arbeitsmarkt zu. Auch alle anderen Arten des Lernens außerhalb der Schule sind nach ihrer Ansicht fr die Entwicklung des Einzelnen ntzlich. In wenigen Worten: Wenn mehr als die Hlfte der Befragten glaubt, dass sich Finnland ber Europas Grenzen hinaus fr die Globalisierung ffnen und die Mehrheit der Einwanderer aus anderen Lndern der Welt stammen wird, dann zeigt uns dies, dass sich das Finnland, in dem wir 2030 leben werden, von unserem heutigen Land stark unterscheidet. Auf diese Weise knnte die evolutionre Entwicklung, von der die meisten heute ausgehen, schließlich doch in eine Revolution mnden.
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Literatur FinnSight 2015. The Outlook for Science, Technology and Society, Helsinki 2006. Glenn, Jerome, Ted Gordon und Elizabeth Florescu, State of the Future 2008, mit CD-ROM, Washington 2008. Martin, James, The Meaning of the 21st Century. A Vital Blueprint for Ensuring Our Future, London 2006. PMOF = Prime Minister’s Office Report, Improving the Government Foresight Reporting Procedure. Summary, Prime Minister’s Office: Publications 1/2007, Helsinki 2007.
Frankreich 2030: Neues Vertrauen in die Zukunft Fabienne Goux-Baudiment
Anlsslich der dritten European Futurists Conference beschloss der Veranstalter, das Scientific Committee, ein Buch ber die Zukunftsvisionen der Brger der einzelnen europischen Lnder im Jahr 2030 herauszugeben. Welche Schlsse lassen sich aus den Ergebnissen dieser Studie ziehen? Zum einen, dass es extrem schwierig ist, sich das Leben in der Zukunft vorzustellen. Die Antworten der meisten Befragten bestehen im Wesentlichen aus einer Extrapolation ihrer gegenwrtigen Erfahrungen und Gefhle. Nur wenige beantworten die Fragen objektiv, also auf der Basis einer vorgegebenen Zukunftssituation, wie Zukunftsforscher sie anhand der vorherrschenden Trends prognostizieren knnen. Dass wir Schwierigkeiten haben, uns unsere Zukunft vorzustellen, hat seine Wurzeln in den unergrndbaren Tiefen des menschlichen Daseins. Die Zukunft wirft unterbewusste ngste auf: die Angst, seine Familie zu verlieren (besonders, wenn erwachsene Kinder das Elternhaus verlassen), die Angst, seinen gesellschaftlichen Status zu verlieren (Arbeitslosigkeit, berufliche Verantwortung usw.), die Angst vor unschnen berraschungen, die das Leben vielleicht bereithlt usw. Sich die Zukunft vorzustellen, ist eine Sache der Persnlichkeit – spontanes Vertrauen in das Leben haben, angeborener Optimismus –, aber auch eine des Lernens. Es gibt verschiedene Methoden, Zukunftsvorstellungen zu entwickeln, die teils sehr populr sind, wie das Lesen von Science-Fiction-Romanen oder Geschich-
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ten aus Parallelwelten (Uchronia), und teils anspruchsvoller sind, wie das Erstellen von Zukunftsszenarien oder Planungen. Darber hinaus hngen Zukunftsvisionen generell oft vom kulturellen Umfeld ab – einige Kulturen sind eher vergangenheits- und andere eher zukunftsorientiert – und nicht so sehr vom Alter, wie man annehmen knnte. Junge Menschen knnen grßere Schwierigkeiten haben, sich in der Zukunft zu sehen, was ihnen ziemlich gleichgltig ist, als viel ltere Menschen, die neugieriger sind. Und schließlich kann sich das Zukunftsbild innerhalb eines Landes im Laufe der Zeit verndern: Die 1960er- und 1970er-Jahre zum Beispiel schufen in Frankreich eine eher zukunftsorientierte Stimmung, whrend in den 1980erund 1990er-Jahren ein eher dsteres Zukunftsbild vorherrschte. Zum anderen liefern uns die Ergebnisse keine Informationen ber die Zukunft, sondern ber die gegenwrtige Situation. Sie geben Aufschluss ber die Einstellung einer bestimmten Bevlkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer zuknftigen Situation aus einem pessimistischen oder optimistischen Blickwinkel heraus. Es ist interessant, die Einstellungen verschiedener Lnder zu vergleichen und dabei unterschiedliche Wahrnehmungen oder kulturelle Gewohnheiten zu entdecken; aber auch Vernderungen innerhalb eines Landes, die im Laufe der Zeit entstanden sind, knnen vielsagend sein. Die European Values Survey, die seit 1980 regelmßig durchgefhrt wird, 1 gibt beispielsweise Aufschluss ber Vernderungen der Wertvorstellungen und des Sozialverhaltens der Menschen. Auch ein Vergleich der Ergebnisse der im Jahr 2000 von der CSA bei den Franzosen durchgefhrten Umfrage im Hinblick auf die Zukunft (s. Anhang S. 174 ff.) mit den Ergebnissen der paneuropischen Studie, auf der diese Arbeit basiert, kann hchst aufschlussreiche Informationen liefern. Zustzlich geben uns diese Ergebnisse konkrete Hinweise auf das tatschliche Wissensniveau einer Bevlkerung: falsche Behauptungen, die statistischen oder qualitativen (Umfrage-)Daten widersprechen, sind in der Regel ein Zeichen fr irrationales Verhalten (d. h. ohne Bezug zu vorhandenen Daten), unabhngig davon, ob sie auf falschen (kollektiven oder persnlichen) vorgefass-
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ten Ideen basieren oder einfach nur Ausdruck des Pessimismus oder Optimismus des Einzelnen sind. Der Grad an richtigen Annahmen hingegen liefert nicht nur Informationen ber das Bildungsniveau eines Landes, sondern auch ber die Qualitt der von den Medien verbreiteten Informationen, die aktuell die wichtigste Rolle spielen. Deshalb werden in diesem Kapitel die gewonnenen Ergebnisse aus Frankreich nicht nur analysiert, sondern es soll auch versucht werden zu erklren, wie diese Ergebnisse zustande kamen. Obwohl sehr detaillierte Daten in Bezug auf Altersgruppe, Geschlecht, Grße des Haushalts, Grße der Gemeinde, auf die Regionen Frankreichs, den beruflichen Status und Familienstand usw. vorliegen, kann auf diese Unterscheidungen nicht zu sehr eingegangen werden. Hier soll das Gesamtbild betrachtet und ein ganzheitliches Bild einer Bevlkerung nachgezeichnet werden, wie sie proportional reprsentiert war (Abb. 1)2 . Dazu wurden aus den acht abgefragten Bereichen, um Frankreich im Jahr 2030 zu beschreiben, die drei Bereiche ausgewhlt, die am geeignetsten schienen, das sozio-konomische Umfeld im Jahr 2030 darzustellen: Arbeit, Verhltnis zwischen Arm und Reich und Bildung. Weshalb diese Auswahl? Weil hierdurch ein systematischer Ansatz ermglicht wird, bei dem Bildung ins Zentrum der sozio-konomischen Entwicklungsfaktoren gesetzt wird: Der Bildungsgrad ist der Schlssel zu einem Arbeitseinkommen, welches wiederum den heutigen und zuknftigen Lebensstandard bestimmt und entscheidend ist fr die Solidaritt innerhalb der Familie, die oft generationsbergreifend ist.
Arbeit In diesem Bereich haben wir zwei unterschiedliche Themen identifiziert. Zum einen das Thema Globalisierung, das in den Aussagen 3, 4 und 5 (von oben nach unten gelesen) behandelt wird. Das zweite Thema ist die Verarmung (Aussagen 1, 2, 7, 9 und 10). Die Antworten zu den Punkten 6 und 8 werden hier im dritten Unterkapitel bercksichtigt.
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Abbildung 1: Zusammensetzung der reprsentativen Stichprobe der Bevlkerung Frankreichs im Mai 2008
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Die Auswirkungen der Globalisierung
Die Globalisierung ist noch nicht abgeschlossen. Drei Aspekte verdeutlichen dies. Der erste Aspekt betrifft die Arbeitsteilung zwischen reichen Lndern und Entwicklungslndern: Was eine zunehmende Produktion in Entwicklungslndern betrifft, gehen die Meinungen der befragten Franzosen auseinander. Manche sind sich ganz sicher, dass die Verlagerung von Arbeitspltzen weitergehen wird und arbeitsintensive Industrien so Schritt fr Schritt in Niedriglohnlnder abwandern werden, wohingegen andere eine Beschleunigung des umgekehrten Trends vorhersagen, der in manchen Sektoren zugunsten der besser qualifizierten Arbeitskrfte in Industrienationen sichtbar ist. Doch welchen Bildungsstand werden Arbeitskrfte in Entwicklungslndern im Jahr 2030 haben?
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Der zweite Aspekt, der hier Bercksichtigung findet, ist die zunehmende Konzentration der Unternehmen. 57 % der Befragten glauben nicht, dass die zehn grßten europischen Unternehmen mehr als 50 % der Arbeitnehmer in Europa beschftigen werden. Warum? Weil sie kein Vertrauen in die Strke dieser Unternehmen und ihre Fhigkeit weiter zu wachsen haben oder weil sie erwarten, dass die Unternehmen von nichteuropischen Unternehmen aufgekauft werden? Weil sie befrchten, dass diese Firmen außerhalb Europas (bspw. in stlichen Lndern, die keine Mitglieder der Europischen Union sind) nach Arbeitskrften suchen? Oder weil diese Arbeitnehmer eher von auslndischen Firmen beschftigt werden, wie es zum Beispiel bei Toyota in der Region Nord-Pas de Calais der Fall ist? Der letzte Aspekt betrifft die Idee, dass jeder Arbeitnehmer in Vollbeschftigung mindestens einmal im Ausland gearbeitet haben wird: 64 % der Befragten bezweifeln, dass dies zwischen heute und 2030 eintreffen wird. Der Grund dafr ist nicht nur, dass die Franzosen heimatbezogener sind als die Niederlnder, Englnder oder Deutschen – was sich auf ihre geografische Mobilitt auswirkt –, sondern auch, dass nur ein kleiner Prozentsatz der franzsischen Arbeitnehmer bei internationalen Konzernen beschftigt ist, die sie zum Arbeiten ins Ausland schicken knnten (ungefhr 20 %). Insgesamt scheinen die Franzosen deshalb relativ wenig optimistisch, dass Europa oder Frankreich von der Globalisierung profitieren knnte. Die Risiken der Verarmung
Dieser Punkt erklrt wohl in gewissem Maße Pessimismus ber den wirtschaftlichen Status in 2030. Die hchsten Prozentstze betreffen die Ansicht, dass Vollbeschftigung trotz fallender Bevlkerungszahlen nicht mglich sein wird (81 %), viele Arbeitnehmer einen Zweitjob haben werden (74 %) und die meisten von ihnen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten mssen, um ihre Rente zu finanzieren (56 %). Hieran lassen sich drei vordringlichste Sorgen der Franzosen
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sehr deutlich ablesen: das Sinken der Kaufkraft – was als strukturelles Problem angesehen wird, das bis 2030 anhalten wird; die Arbeitnehmer, die nicht zu vermitteln sind und somit den Sozialstaat erheblich belasten; und das Rententhema, das ohne eine tief greifende Reform des Systems zwangslufig von Tag zu Tag dringlicher wird. All diese Faktoren zusammen schren die Angst vor einer wachsenden Verarmung der Menschen. Gleichzeitig lehnen die Franzosen den „Mythos Metropolis“ 3 ab: 71 % glauben nicht, dass die Arbeitszeit in Zukunft durch Automatisierung auf 25 Stunden pro Woche gesenkt werden kann, und 78 % bezweifeln, dass ihr Arbeitgeber ihr Gehalt zuknftig fr die Wohnung, Lebensmittel, Rentenbeitrge und Taschengeld einsetzen wird. Dieses Konzept ist vielleicht fr eine Kultur, die nach wie vor fest im alltglichen Pragmatismus verwurzelt ist, zu unwirklich oder umgekehrt zu vergangenheitsorientiert fr eine Bevlkerung, die sich noch gut an die Attribute der Dienerschaft erinnern kann. Nach der 40-Stunden-Woche im Jahr 1951, gefolgt von der 39-Stunden-Woche im Jahr 1982 und der 35-Stunden-Woche 2000 verstehen die Franzosen vielleicht zum einen, dass es nicht mglich ist, zum jetzigen Zeitpunkt bei gleicher Produktivitt pro Stunde weniger als in anderen Lndern zu arbeiten und dabei die gleiche Produktivitt pro Stunde zu erzielen und ausreichend wettbewerbsfhig zu sein, und zum anderen, dass das aktuelle Rentensystem – entweder durch Umverteilung oder Kapitalisierung – unweigerlich erfordert, die Arbeitszeit auszuweiten. In diesem Fall ziehen sie es vielleicht vor, mehr Stunden pro Woche zu arbeiten als spter in Rente zu gehen (bspw. mit 70 statt erst mit 75). Hier ist es wichtig zu erwhnen, dass das Wirtschaftswachstum in Frankreich im Wesentlichen von der Inlandsnachfrage (Verbrauch der Haushalte, Investitionen und Staatsausgaben) abhngig ist, was den direkten Zusammenhang zwischen sinkender Kaufkraft, einem stagnierenden Arbeitsmarkt und Wachstum erklrt. Insbesondere nachdem die Immobilienkrise in den USA gezeigt hat, wie gefhrlich die berschuldung privater Haushalte ist. Das Wirtschafts-
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Die franzsische Wirtschaft: Diskontinuitt und Kontinuitt zwischen 1959 und 2006
Vor der lkrise im Jahr 1974 war das Wirtschaftsleben in Frankreich geprgt von starkem, stetigem Wachstum, das auf einer dynamischen Nachfrage der Haushalte und Unternehmensinvestitionen beruhte. Von diesem Zeitpunkt an schwchte sich das Wachstum in Frankreich ab und war strkeren Schwankungen unterlegen. Seit den frhen 1990er-Jahren hat sich der Anteil des Arbeitsentgelts am Wertzuwachs der Unternehmen auf einem niedrigeren Niveau als in den 1960er-Jahren eingependelt. Es blieb bis Mitte der 1970er-Jahre konstant und stieg dann bis Mitte der 1980er, bevor es anfing zu fallen. Vernderungen in der Kaufkraft, die seit Mitte der 1970er-Jahre weniger dynamisch ist, haben Auswirkungen auf den Konsum der privaten Haushalte. Der Prozentsatz der Unternehmensinvestitionen fllt seit den frhen 1960er-Jahren, die Gewinnspannen aber haben sich erholt. Trotz des Anstiegs der Pflichtabgaben und -steuern stieg der Finanzierungsbedarf der ffentlichen Hand zwischen den frhen 1960er-Jahren und Mitte der 1990er weltweit an. Quelle: Jacques Bournay, Pierre-Alain Pionnier, Concepts, Methods and Evaluation of National Accounts Division, INSEE (franzsisches Nationales Institut fr Statistik und Wirtschaftsforschung)
wachstum in Deutschland hingegen wird hauptschlich von der Nachfrage aus dem Ausland gesteuert, was zweifelsohne die Wahrnehmung der Deutschen von ihrer wirtschaftlichen Zukunft verndert. Generell waren die Befragten der Auffassung, die wirtschaftliche Situation der Arbeitnehmer wrde sich zwischen heute und 2030 bei einer stagnierenden Wirtschaftslage in Frankreich weiter verschlechtern. Somit werden sie mehr arbeiten und versuchen mssen, mehr Geld zu verdienen.
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Gngige Meinungen
Schließlich ergaben die Antworten auf die letzten beiden Aussagen in diesem Fragenblock interessante Ergebnisse. Seit Langem wird immer wieder behauptet, die Franzosen wrden dem Wert Arbeit keine Bedeutung mehr beimessen oder keine Verbundenheit mehr
CSA-Umfrage: Franzsische Arbeitnehmer und ihre Unternehmen
H ohe Sympathiewerte fr Unternehmen und Arbeitgeber: Im Gegensatz zu dem, was hufig ber die Kluft zwischen den Franzosen und der Unternehmenswelt erzhlt wird, genießen franzsische Unternehmen sehr hohe Sympathiewerte in der ffentlichkeit. 79 % der befragten Arbeitnehmer aus dem ffentlichen und privaten Sektor sagen, sie haben eine gute Meinung von franzsischen Unternehmen im Allgemeinen. Nur 18 % haben eine schlechte. Wenn wir vom Allgemeinen zum Konkreten bergehen, d. h. zu ihren eigenen Unternehmen, stoßen wir auf eine berwltigende Mehrheit. Fast 9 von 10 befragten Arbeitnehmern geben an, ihre Meinung von ihrem Unternehmen sei gut, 31 % betonen, ihr Unternehmen sehr zu schtzen. Ein hohes Maß an Mitarbeiterverbundenheit mit dem Unternehmen: Entgegen der gngigen Meinung scheinen sich die befragten Arbeitnehmer mit ihren Unternehmen verbunden zu fhlen. 81 % von ihnen sagen, sie verspren eine Verbundenheit, auch wenn nur 22 % sich sehr verbunden fhlen. Betrachtet man die Antworten im Detail, so wird deutlich, dass sich die Arbeitnehmer im ffentlichen Sektor mehr mit ihren Unternehmen verbunden fhlen (87 %, darunter 31 % sehr verbunden) als die Arbeitnehmer im privaten Sektor (80 %, davon 21 % sehr verbunden). Ferner ist ersichtlich, dass die Verbundenheit mit der Firma mit dem Alter steigt (78 % fr unter 35 -jhrige Arbeitnehmer, 81 % fr Arbeitnehmer zwischen 35 und 49 und 88 % fr Arbeitnehmer zwischen 50 und 64 Jahren). Dabei hngt das Maß der Mitarbeiterverbundenheit nicht von der Grße des jeweiligen Unternehmens ab.
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Das Unternehmen, ein Ort der Erfllung, wo sich Arbeitnehmer insgesamt wohlfhlen: Fast drei Viertel der befragten Arbeitnehmer geben an, mit ihrem Unternehmen zufrieden zu sein. 63 % schwrmen sogar regelrecht. Wenn man die Antworten im Detail betrachtet, kann man hier sehen, dass diese positive Meinung vom Unternehmen strker bei Arbeitnehmern kleinerer Unternehmen (weniger als 10 Arbeitnehmer: 80 % Zufriedenheit gegenber 69 % fr Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern) und im privaten Sektor (Enthusiasmus: 64 % fr den privaten Sektor im Vergleich zu 55 % fr den ffentlichen Sektor) vorherrscht. Im Gegensatz dazu geben nur sehr wenige an, negative Gefhle gegenber ihrem Unternehmen zu haben: 25 % fhlen sich frustriert (34 % der Arbeitnehmer im ffentlichen Sektor) und 15 % (gegenber 84 %) haben keine echte Meinung. Quelle: CSA, 2003 (http://www.csa-fr.com/dataset/data2003/opi20030522c.htm)
mit dem Unternehmen verspren, fr das sie arbeiten (im Gegensatz zu den Amerikanern, zum Beispiel). Doch nur 32 % der Franzosen gaben an, dass die Identifizierung oder Empathie mit ihren Arbeitnehmern 2030 niedrig sein wird; dementsprechend glauben 68 %, dass sich diese Vermutung nicht bewahrheiten wird. Die folgenden Informationen einer CSA-Umfrage von 2003 besttigen diese Vermutung, vorausgesetzt es treten zwischen heute und 2030 keine Vernderungen ein. Eine andere gngige Meinung, vielleicht wegen der 35-Stunden-Woche lautet: Fr die Franzosen ist Freizeit wichtiger als ein gutes Gehalt. Dem stimmen nur 30 % zu. Der Wunsch nach mehr Freizeit steigt mit dem Alter und erreicht bei den ber 70-Jhrigen 35 %, whrend dieser Wert bei den 20- bis 29-Jhrigen nur bei 22 % liegt. Auch diese Ergebnisse werden, wie im Folgenden dargestellt, von bestehenden Umfragen gesttzt. Somit sehen wir eine Extrapolation auf 2030.
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Ein besseres Gehalt zhlt mehr als Freizeit
S echs Jahre nach Einfhrung der 35 -Stunden-Woche und vor dem Hintergrund wachsender Probleme bei der Kaufkraft zieht eine Mehrheit der Franzosen, wenn sie zwischen Freizeit und Geld entscheiden mssten, Letzteres vor. Bei den Erwerbsttigen bevorzugen 57 % ein hheres Gehalt und 39 % eine Reduzierung der Arbeitszeit. Hier gibt es einen geschlechtsspezifischen Unterschied: 60 % der arbeitenden Mnner whlen mehr Geld, whrend es bei den Frauen nur 54 % sind. Auch das Alter spielt eine Rolle: 74 % der 15 - bis 24 -Jhrigen bevorzugen ebenfalls eine bessere Bezahlung. Arbeitnehmer ber 50 Jahren scheinen – anders als die jungen – bei dieser Frage geteilter Meinung zu sein: 51 % whlen ein hheres Gehalt und 42 % eine Verringerung ihrer Arbeitszeit. Hinsichtlich unterschiedlicher Wahrnehmungen in den einzelnen Sektoren heben sich Beamte und Angestellte des ffentlichen Dienstes von anderen Arbeitnehmern ab. 62 % wollen lieber ein besseres Gehalt als eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit. Dieser Anteil sinkt auf 57 % fr Arbeitnehmer in privatwirtschaftlichen Unternehmen und auf 53 % fr Arbeitnehmer in staatlichen Unternehmen. Es lassen sich auch regionale Unterschiede feststellen: Im Elsass und in der Auvergne ist die Bevlkerung in diesem Punkt geteilter Meinung (im Elsass favorisieren 49 % eine Verringerung der Arbeitszeit und 51 % eine bessere Bezahlung, 50:50 in der Auvergne). In anderen Regionen, wie in Poitou-Charentes, Provence-Alpes-Cte d’Azur und Midi Pyrnes, bevorzugen berdurchschnittlich viele Befragte ein besseres Gehalt (79 %, 66 % und 65 %). Brice Teinturier Quelle: TNS-SOFRES-Studie, Les Franais et le temps libre, 2006
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Verhltnis zwischen Arm und Reich Die in diesem Fragenkomplex auftauchenden Themen sind das Ende des sozialistischen Traums, das Scheitern des sozialen Aufstiegs und die Verbindung zwischen Geburtenquote und Einkommen. Selbst wenn das amerikanische Modell gezeigt hat, dass Kapitalismus und sozialer Aufstieg nebeneinander existieren knnen, waren Sozialismus und sozialer Aufstieg im franzsischen Modell stets eng miteinander verknpft, whrend der Kapitalismus fr ein elitres System und Klassensystem steht („Erst der Adel, dann das Brgertum“). Das Ende des sozialistischen Traums
Die hier analysierten Ergebnisse stimmen exakt mit den politischen Entwicklungen der franzsischen Gesellschaft berein. Sie zeigen das Ende des sozialistischen Traums: Die erwartete und schwer in
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den Griff zu bekommende Verarmung der Rentner, die immer grßer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, die sich auch auf die Gesundheit auswirkt (die Lebenserwartung der Reichsten ist hher als die der rmsten), 4 die Beibehaltung (wenn nicht sogar Steigerung) der hohen Gehlter fr Top-Manager und die Unfhigkeit des Staates, ein Grundeinkommen fr alle zu garantieren, zeichnen ein Bild von Frankreich im Jahr 2030, in dem „grenzenloser“ Kapitalismus – gemß dem amerikanischen Modell, wie es die Franzosen wahrnehmen – gegen die Hoffnungen sozialer Solidaritt mit dem Sozialstaat als Schlichter gewonnen hat. Diese Ernchterung wird auch in den Gefhlen der Befragten deutlich. Nur 36 % glauben nach wie vor, dass Bildungsprogramme Kindern aus Durchschnittsfamilien die gleichen Bildungschancen bieten werden wie Kindern aus Familien der Bildungsschicht. Laut einer Studie des CREDOC (Forschungszentrum fr die Untersuchung und Beobachtung der Lebensverhltnisse), 5 ist das Interesse an privaten Bildungseinrichtungen (das seit 2000 stetig steigt) zum einen in dem Bemhen begrndet, seine Kinder gut betreut zu wissen, die Vermittlung von moralischen Werten zu sichern und ein enges Verhltnis mit Lehrern zu haben. Zum anderen resultiert dieses Interesse bei 33 % der Eltern aus ihrer Enttuschung gegenber ffentlichen Einrichtungen. Die Grnde dafr sind Streiks, hufiges Fehlen der Lehrkrfte, die Beschrnkung der freien Schulwahl, riesige Einrichtungen und Dogmatismus, ganz zu schweigen von dem, was einige als Anpassung nach unten bezeichnen. Scheitern des sozialen Aufstiegs
Im brigen ist es interessant zu sehen, dass die Befragten sehr geteilter Meinung sind (48 % gegen 53 %), wenn es darum geht, ob die Mittelschicht mglicherweise bis zum Jahr 2030 verschwinden wird. Die 48 % der Befragten, die ein Verschwinden der Mittelschicht befrchten, sind entweder von Natur aus Pessimisten oder Menschen, die von den aktuellen Entwicklungen enttuscht und berzeugt sind, das Siegen des individualistischen Kapitalismus
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fhre unweigerlich zum Untergang der Gesellschaft: „Wir schauen ohnmchtig zu, wie die franzsische Mittelschicht verarmt. (…) Es sieht nicht gut aus fr die franzsische Mittelschicht: Rezession, Abnahme der Kaufkraft, Arbeitslosigkeit, mangelnde Sicherheit, sinkende Immobilienpreise, Kreditbeschrnkungen, sinkendes Niveau der ffentlichen Bildung usw. Das franzsische Bruttoinlandsprodukt (gesamtes Vermgen, das von allen Franzosen erwirtschaftet wird) jedoch steigt weiter, aber weder die Mittelschicht noch die Arbeiterschicht profitieren davon.“6 Diese Vision spiegelt wider, was als „Sanduhr-Effekt“ 7 bekannt ist: Die Mittelschicht verliert ihre Substanz dadurch, dass ein Teil verarmt, whrend der andere Teil reicher wird und in die Oberschicht aufsteigt. Somit gleicht der soziale Aufstieg der rmsten Gesellschaftsschichten in die reichsten Schichten nicht mehr lnger einer Pyramide, sondern einer Sanduhr. Diese Wahrnehmung beruht hufig auf dem fehlenden sozialen Aufstieg, denn Umfragen zeigen, dass die heutigen Generationen es schwieriger finden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, als ihre Eltern. Der Grund fr diese Strung wird immer hufiger in den Mngeln des Bildungssystems gesucht, das den neuen Generationen nicht mehr die notwendigen Hilfsmittel an die Hand geben kann, um gesellschaftlich voranzukommen. Das erklrt auch die große bereinstimmung bei den Antworten auf die beiden Fragen. Bestimmt das Einkommen die Geburtenquote?
Diese generelle Enttuschung ber das franzsische Sozialmodell, wie es sich seit der Franzsischen Revolution zu definieren versucht – hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Freiheit und dem Bemhen um Solidaritt –, kann schließlich vielleicht erklren, warum nur 30 % der Befragten einen Zusammenhang zwischen der Geburtenquote und der Hhe des Einkommens bei den Franzosen sehen: Optimismus oder Pessimismus scheinen in Frankreich, einem von Idealismus geprgten Land im Gegensatz zum deutschen
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I n den 1970er-Jahren ging in Frankreich eine Welle des sozialen Aufstiegs zu Ende. Die „Babyboomer“, die in den 1940er-Jahren (…) geboren waren, nutzten den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg und das wachsende Angebot an mittleren und hohen Einkommen, um einen besseren sozialen Status als ihre Eltern zu erreichen. Und diese Generation steht seitdem an der Spitze der sozialen Pyramide. In den frhen 1980er-Jahren wurden die hchsten Positionen im Schnitt von 35 - bis 39-Jhrigen besetzt. 20 Jahre spter finden sich die 35 - bis 39-Jhrigen am unteren Ende der sozialen Struktur wieder – dominiert von den 55 - bis 59-Jhrigen. Die Generation derjenigen, die in den 1960erJahren geboren wurden, mussten mit der Wirtschaftskrise, mit Massenarbeitslosigkeit als strukturellem Problem der Wirtschaft und weniger gnstigen Entwicklungen in der Gesellschaftsstruktur kmpfen. (…) Die Aussichten auf sozialen Aufstieg sind generell geringer. Fr Menschen aus der Arbeiterschicht wird es immer schwieriger, einen hheren sozialen Status als ihre Eltern zu erreichen, und Mitte der 2000erJahre ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder eines Arbeiters in Frankreich den Aufstieg aus der Arbeiterschicht schaffen, nicht hher als in den 1970er-Jahren. Fr Kinder aus wohlhabenderen Familien sind die Risiken des sozialen Abstiegs viel hher geworden: Mehr als ein Viertel der Kinder von Managern, die Ende der 1960er-Jahre geboren wurden, hat heute mit ber 40 Jahren einen Job als Arbeiter oder Angestellter. Insgesamt scheint die Chancengleichheit abgenommen zu haben. Die Schere zwischen Kindern von Managern und denen von Arbeitern verringerte sich in Bezug auf den Zugang zu Fhrungspositionen zwischen den 1944 –1948- und 1964 –1968-Generationen langsam, doch die Chancen, Manager zu werden, haben sich fr Kinder aller sozialen Schichten verschlechtert. Fr die Kinder aus der Arbeiterschicht ist praktisch kein sozialer Aufstieg mglich, whrend diejenigen aus „bessergestellten“ Familien immer hufiger einen sozialen Abstieg hinnehmen mssen. Auszug aus: Camille Peugny, Quand l’ascenseur social descend: les consquences individuelles et collectives du dclassement social, Observatoire des Ingalits, 2007.
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oder angelschsischen Pragmatismus, weitaus bessere Anreize fr Kinder zu sein als Geld. Hier werden die beiden großen demografischen Theorien deutlich, die sich gegenseitig widersprechen. Die erste stellt einen Zusammenhang zwischen Lebensstandard und Geburtenquote her, wie in Alfred Sauvys Analyse ber die Zeitgenssische demografische Revolution oder bei der Analyse von Josu de Castros, die er in seiner Geopolitik des Hungers darlegt.8 Die zweite streitet einen Zusammenhang zwischen Geburtenrate und materiellen Umstnden ab, wie bei Notesteins Theorie des „demografischen bergangs“ (bei der es von selbst eine Entwicklung hin zu einem natrlichen Bevlkerungsgleichgewicht gibt), whrend wir heute ganz natrlich in ein Gleichgewicht mit niedrigen Sterbe- und niedrigen Geburtenraten bergehen. Obwohl die statistischen Daten Kurven hervorbringen, die in den USA und Frankreich eine mgliche Korrelation zwischen Einkommensniveau und Geburtenquote zeigen, gibt es in Frankreich Anhaltspunkte dafr, dass diese Korrelation auch als direkter Zusammenhang zwischen dem Gemtszustand potenzieller Eltern und der tatschlichen Geburtenquote interpretiert werden knnte. Tatschlich zeigen Daten des INED (franzsisches Institut fr demografische Studien) zum Beispiel, dass am Ende einer Periode kontinuierlichen Wirtschaftsabschwungs die Fertilittsrate (Total Fertility Rate) 1977 wieder anfing zu steigen, bevor sie 1983 im Anschluss an eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen des spten 20. Jahrhunderts (1982) wieder einbrach. 9 Nach einer Periode relativer Stabilitt gab es 1993 und 1994 nach der Krise im Jahr 1992 einen erneuten Einbruch. Seit 1995 aber steigt die Kurve wieder stetig an und auch die schlechten Ergebnisse von 2002 haben keinen negativen Einfluss, so als ob der erneuerte Optimismus am Anfang des neuen Jahrhunderts keinen Schaden genommen htte. Diese Antworten knnten schlussendlich vermuten lassen, dass das franzsische Sozialmodell mit dem Wohlfahrtsstaat als Grundstein als unfhig angesehen wird, die gegenwrtigen und zuknftigen
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Herausforderungen zu meistern. Oder die Antworten spiegeln vielmehr einfach die Tatsache wider, dass die Franzosen die Unfhigkeit der Brokraten, Technokraten oder der politischen Klasse leid sind, das Modell umzusetzen, und nicht, dass sie das Modell an sich ablehnen. Das Thema des Grundeinkommens fr alle, das seit den 1970er-Jahren debattiert wird, ist ein gutes Beispiel. 10 Es schien, als ob die Franzosen am Anfang dieses neuen Jahrhunderts den Pragmatismus dem Idealismus vorgezogen htten: Sie glauben nicht mehr lnger an eine Verbesserung der Kluft zwischen Arm und Reich, sie haben Angst vor der Armut, die sie sehr wahrscheinlich im Alter treffen wird, doch gleichzeitig war die Fertilittsrate noch nie so hoch (1,96) seit 1975 – ein Zeichen gestiegenen materiellen oder mentalen Wohlstands.
Bildung Die befragten Franzosen haben ganz deutlich die Bedeutung der Bildung erkannt. Hier zeichnen sich zwei Themenblcke ab: zum einen Fragen, die sich auf das Bildungssystem beziehen, und zum anderen Aspekte des sozio-professionellen Umfelds, die die sozialkonomische Beschreibung Frankreichs im Jahr 2030 abrunden. Vernderungen im Bildungssystem
Eine Analyse der Antworten zeigt in erster Linie, dass ein System, das wir als amerikanisches System fr Frankreich im Jahr 2030 beschreiben knnten, abgelehnt wird: Mehr private als ffentliche Schulen, informelle Bildung wird wichtiger sein als formale Bildung und die Suche nach jungen Talenten beginnt bereits in der Grundschule. Trotz der Ablehnung des ffentlichen Schulsystems in Frankreich – immer mehr Eltern schicken ihre Kinder, wie wir oben gesehen haben, auf private Schulen – glauben mehr als 60 % der Franzosen nicht, dass private Bildungseinrichtungen das ffentliche Schulsystem bis 2030 ersetzt haben werden. Liegt dies daran, dass sie
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nach wie vor an dem ffentliche Schulsystem, dem Erbe des Jules Ferry, dem Vater der unentgeltlichen, konfessionslosen Schulpflicht, hngen? Oder glauben sie nicht daran, dass der Staat, der die Entwicklung der privaten Schulen unter Vertrag kontrolliert, eine derartige Expansion erlauben wird? Oder vielleicht halten sie ein derartiges Wachstum zwischen heute und 2030 nicht fr mglich, da private Schulen (einschließlich Primarstufe, Mittelstufe und Sekundarstufe) zurzeit (2006–2007) nur 13,23 % aller Schulen ausmachen, was einem Anstieg um 0,04 % seit dem Schuljahr 2004–2005 entspricht? 11 Oder vielleicht ist es ihnen diesmal wirklich gelungen, sich ins Jahr 2030 zu versetzen, und sie stellen sich vor, dass eine grundlegende Vernderung stattgefunden hat und das ffentliche Bildungssystem wieder zu einer Quelle nationalen Stolzes geworden ist?
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Wahrscheinlich veranlasst dieselbe Argumentation die Befragten dazu anzunehmen, dass die formale Bildung 2030 nach wie vor wichtiger sein wird als die informelle (63,6 %). Fr dieses Ergebnis gibt es unterschiedliche Interpretationen. Aus Sicht des US-amerikanischen Ansatzes knnen wir sehen, dass Frankreich sein Bildungssystem in hohem Maße heilig ist, als Quelle der Modernisierung des Landes (im 19. Jahrhundert), der Entstehung der Mittelschicht (20. Jahrhundert) und der Integration von Brgern mit Migrationshintergrund (20./21. Jahrhundert). Inhalt und Form des Lehrens sind deshalb außergewhnlich formal, ganz im Gegensatz zum US-amerikanischen System, das flexibler und weitaus offener fr weniger „intellektuelle“ Fcher wie Kunst, Entdeckungen und Erfindungen, Experimentieren ist und einen ganzheitlichen Ansatz einem rein analytischen vorzieht; in diesem System ist Spielen sogar ein anerkanntes Lerninstrument, auch in der Oberstufe, was sich sehr stark von der franzsischen Denkweise unterscheidet. Aus Sicht der Wissensgesellschaft knnten Fragen ber die Relevanz einer Vision aufgeworfen werden, nicht nur fr 2030, sondern auch fr die heutige Zeit, die der formalen Bildung ein hohes Maß an Bedeutung beimisst. Denn Bildung spielt heute in allen Bereichen eine wichtige Rolle, nicht nur in der Schule. Darber hinaus sind die neuen Generationen nicht mehr bereit,Wissen anzunehmen, das heute wenig Bezug zum wirklichen Leben zu haben als auch schnell berholt zu sein scheint und auf eine Weise vermittelt wird, die die Schler nicht mehr motiviert. Deshalb eignen sie sich ihr Wissen durch andere Quellen an, sogar unbewusst und praxisbezogener. Es wre wahrscheinlich sinnvoller, sie zum Denken anzuregen, anstatt sie mit Informationen zu berhufen; es sollten Lehrmethoden entwickelt werden, die auf die neuen Generationen abgestimmt sind und ihren Wunsch zu lernen frdern,wie der beispielhafte Wettbewerb Cultures of the Imagination (COTI) in den Vereinigten Staaten.12 Doch diese Vision kann auch aus einer anderen Perspektive betrachtet werden: Abschlusszeugnisse als absolutes Muss. Das franzsische Bildungssystem basiert auf dem Erfolg in Prfungen:
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das frhere „Certificat d’Etude“ (Abschlusszeugnis in der Grundschule), das „Brevet des Coll ges“ (entspricht in etwa der deutschen Mittleren Reife) und das „Baccalaurat“ (Abitur). Das bedeutet, ein Diplom als Bescheinigung ber erfolgreiches Lernen kann nur im Zuge eines formalen Beurteilungssystems ausgestellt werden. Ein Diplom ist heutzutage die einzige Mglichkeit, beruflich erfolgreich zu sein. Unabhngig von der Bedeutung, die der persnlichen Entfaltung durch informelle Bildung beigemessen wird, hat die formale Bildung aus dieser Perspektive immer Vorrang, weil sie die notwendigen Zeugnisse liefert. Letztlich kann man auch einen eher soziologischen Ansatz whlen und sich fragen, ob diese Antwort nicht auf der sogenannten „Vernachlssigung elterlicher Pflichten“ beruht, weil Eltern zu beschftigt sind oder die Lehrplne nicht kennen, keine Zeit oder keine Lust haben, sich um die schulische Bildung ihrer Kinder zu kmmern, oder vielleicht durch das Verhalten der Lehrer selbst entmutigt sind, die denken, nur sie allein wren in der Lage, Schlern etwas beizubringen. Das bedeutet, die fundamentale Rolle der Eltern bei der Erziehung der Kinder zu vergessen, ja sogar zu verleugnen, bei der es nicht nur darum geht, bei den Hausaufgaben zu helfen, sondern vielmehr darum, Wissen, Vorgehensweisen und Intelligenz weiterzugeben. 13 Vielleicht ging es mit dem franzsischen Bildungssystem bergab, weil die Bedeutung der informellen Bildung verloren gegangen ist und so die Schule mit Aufgaben belastet wurde, die nicht in ihrer Verantwortung liegen und die sie nicht erfllen kann. Diese Antwort muss auch in Zusammenhang mit den 43 % der Befragten gesehen werden, die glauben, die Medien werden 2030 fr ein Drittel der Bildung verantwortlich sein und spezielle Bildungsprogramme ausstrahlen. Aus der Art der Fragestellung geht klar hervor, dass es auch hier um die formale Bildung geht. Sollte dies 2030 eintreten, wrden wir den Trend der 1970er-Jahre – die Anfnge der Massenbildung – wieder aufleben lassen mit Bildungsprogrammen wie sie das CNAM (franzsische Hochschule fr Technik und Naturwissenschaften) damals ausprobierte. Die Mehrheit der Befragten
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(57 %) jedoch glaubt nicht, dass dies eintreten wird, was wahrscheinlich an der immer schlechter werdenden Qualitt der TV-Programme und auch der zeitgemßeren Lsung fr Fernunterricht ber das Internet liegt. Und schließlich die letzte Komponente dieses abgelehnten USAnsatzes, bei dem private Bildungseinrichtungen eine so große Rolle spielen und der autodidaktische Selfmademan glorifiziert wird: Großkonzerne suchen bereits in der Grundschule nach talentiertem Nachwuchs. Nur 30 % der Befragten glauben, dass dies eintreten knnte. Aber wenn wir bedenken, wie weit diese Praktik von der franzsischen Kultur entfernt ist, ist dieser Prozentsatz erstaunlich hoch. Doch findet diese Vorgehensweise im Sport immer strkere Verbreitung, wo hochrangige Clubs bereits unter den Jngsten nach Ausnahmetalenten suchen. In einer Zeit, in der der individuelle Wettbewerb zu einer globalen Angelegenheit wird, 14 die Anforderungen der Arbeitgeber steigen und Großkonzerne mehr Ressourcen auf Personalbeschaffung und -entwicklung verwenden, wre es deshalb nur eine logische Konsequenz, dass sich die Suche nach jungen Talenten bis 2030 weiterentwickelt. Ob es allerdings gerechtfertigt ist, damit bereits in der Grundschule zu beginnen, ist eine andere Frage. Abgesehen davon, dass diese These abgelehnt wird, was vermuten lsst, dass das franzsische Bildungssystem im Jahr 2030 immer noch das gleiche sein und nicht dem Einfluss der Amerikanisierung zum Opfer gefallen sein wird, werden zwei Aspekte aufgeworfen, die seine Modernisierung widerspiegeln: Ein Aspekt betrifft die Kindergrten und der andere die Universittsausbildung. Knapp ber die Hlfte der Befragten ist der Meinung, ein System zur Erkennung besonderer Fhigkeiten bei Kindern sei bereits ab dem Kindergarten vorteilhaft fr ihre Entwicklung. Da es keine fundierten Daten zu diesem Thema gibt (eine Talentsuche nach frhreifen Kindern z. B. ist noch nicht sehr weit verbreitet), verließen sich die Befragten auch hier auf ihren natrlichen Optimismus oder Pessimismus. Der geringe Vorsprung der Optimisten ist somit ermutigend.
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Ebenso denken 61 % der Befragten, dass die angesehensten Dozenten ihre Vorlesungen 2030 online gleichzeitig an mehreren Universitten halten werden. In der Realitt ist dies technisch bereits mglich, doch nach wie vor ein kostenintensives Unterfangen in Bezug auf die verwendete Technologie, da Videokonferenzen umfangreiche Hardware erfordern und die bertragung teuer ist. Doch es ist absolut machbar, auch weit frher als 2030, dass ein Dozent seine Vorlesung vor einem physisch leeren, aber virtuell vollen Saal mit Fernstudenten hlt. Dies wre ein weiterer Beitrag zum derzeitigen Wandel der Universitten in ihrem Bestreben nach Leistung, Internationalisierung und Kostensenkung. 15 Die Antworten bezglich Vernderungen im Bildungssystem zwischen heute und 2030 machen den Wunsch deutlich, das Bildungssystem im franzsischen Stil, das fest in den republikanischen Werten verankert ist und sich deutlich vom US-amerikanischen Ansatz unterscheidet, beizubehalten, allerdings verbunden mit Modernisierung und Verbesserung. Diese Vision stimmt mit der entschlossen optimistischen Sichtweise eines sozio-professionellen Umfelds berein, das besser fr die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet ist. Sozio-professionelles Umfeld
Das sozio-professionelle Umfeld in Frankreich im Jahr 2030 ist durch vier herausragende Merkmale gekennzeichnet. Erstens werden laut 78 % der Befragten immer mehr hochqualifizierte Frauen Top-Managementpositionen bekleiden. Diese Entwicklung stimmt berein mit dem in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Trend. Sie scheint auch die logische Konsequenz einer strkeren Gleichbehandlung von Mann und Frau zu sein, teils aufgrund der weit verbreiteten gemeinsamen Erziehung von Jungen und Mdchen, einem strkeren Bedrfnis von Frauen, Karriere zu machen – entweder aus der finanziellen Not heraus (allein erziehende Mtter, Pflege der Eltern usw.) oder angeregt durch geringere familire Einschrnkungen (Ausbau huslicher Dienstleistungen,
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gute Kinderbetreuungssysteme usw.) – und dem sehr jungen, aber weit verbreiteten Trend unter Mdchen, bessere Schulnoten und Universittsabschlsse zu erzielen. Ein weiterer Aspekt dieser Situation bezieht sich auf die Erziehung und die Globalisierung: Im Jahr 2030 werden die meisten Europer mindestens zwei Sprachen fließend sprechen. In der Realitt ist dies bereits heute der Fall, insbesondere in Lndern, die eine hnliche Kultur haben wie Deutschland, die Beneluxstaaten, Dnemark und die skandinavischen Lnder, die Schweiz und Grenzregionen. In Frankreich ist eine Fremdsprache fr Kinder ab der Grundschule verpflichtend. Doch eine Sprache zu lernen, ist das eine; der aktive Gebrauch das andere. Eine Fremdsprache fließend zu beherrschen, impliziert zumindest in Frankreich einen deutlichen sozio-kulturellen Wandel: Bcher und Filme mssten in anderen Sprachen verfgbar sein, auslndische Fernsehkanle mssten empfangen werden knnen und angesehen werden, auf nationalen Kanlen mssten bestimmte Programme ausgestrahlt werden, auslndische Begriffe mssten vermehrt in Werbetexten auftauchen, wie wir es beispielsweise in der Trkei oder Italien bereits sehen knnen, und die Lehrmethoden fr Fremdsprachen an den Schulen mssten verndert werden. In diesem Zusammenhang sollte die beraus positive Rolle von Online-Spielen anerkannt werden, deren Kommunikationssprache Englisch ist und die dadurch eine ganze Generation, berwiegend Jungen, zwingen, diese Sprache anzuwenden. Und auch NetworkingWebsites wie Facebook sind sehr ntzlich, denn sie bieten den Mdchen dieser Generation die Gelegenheit, ihr Englisch anzuwenden. Notfalls knnte der aktive Gebrauch des Englischen auch dadurch verbessert werden, dass die Sprache verstrkt im beruflichen Umfeld zum Einsatz kommt, doch hiervon werden sicherlich weniger Menschen betroffen sein, wie es sich bei den Auswirkungen der Globalisierung schon gezeigt hat. Als Nchstes spielt Weiterbildung eine bedeutende Rolle im sozio-professionellen Umfeld: 62 % der Befragten denken, dass mindestens eine fundierte Weiterbildungsmaßnahme pro Jahr fr jeden
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Arbeitnehmer im Jahr 2030 selbstverstndlich sein wird. Die Frage des lebenslangen Lernens ist in Frankreich in den letzten Jahrzehnten so oft diskutiert worden, dass es vielleicht berrascht, dass nur 62 % der Befragten diese Frage positiv beantwortet haben. Warum sind die restlichen 38 % nicht dieser Meinung? Wenn wir dieses Thema aus dem Blickwinkel heraus betrachten, dass viele Arbeitnehmer einen Zweitjob haben werden, oder bestehende Daten ber Stress am Arbeitsplatz bercksichtigen, knnte dieses Ergebnis so interpretiert werden, dass die Franzosen keine Zeit haben werden, an Weiterbildungen teilzunehmen oder zumindest nicht jedes Jahr und nicht auf fundierte Art und Weise. Nicht zuletzt denken 59 % der Befragten, dass ein Viertel der jungen Arbeitnehmer 2030 in Berufen sein wird, die es 2008 noch nicht gibt. Diese Antwort zeugt von einem gewissen Grad an Offenheit gegenber der Zukunft, dass sie nicht einfach nur „nichts Besonderes“ sein wird, sondern etwas Neues bringt. Dieser Optimismus ist auch insofern realistisch, als in den letzten Jahrzehnten eine ganze Menge Jobs entstanden und verschwunden sind, grßtenteils aufgrund des technologischen Fortschritts. Aktuelle Forschungen im Bereich Innovation zeigen, dass derartige Fortschritte an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Forschungsfeldern wie Biologie und Computerwissenschaften (Bioinformatik), der Lebensmittel- und der Pharmaindustrie (Functional Food), der Chemie- und der Textilindustrie (Intelligente Textilien) usw. stattfinden werden und mit ihnen die neuen Berufe entstehen werden (auf diese Weise entstand z. B. der Beruf des Grafikdesigners). 16 Durch die Anwendung neuer Technologien werden zudem neue Fhigkeiten gebraucht werden, wie beispielsweise die eines Exobiologen, der Leben auf anderen Planeten untersuchen kann, oder von Nanotechnologen. Die sozio-professionelle Situation der Zukunft scheint also ziemlich vielversprechend zu werden: Die Gleichberechtigung von Mann und Frau setzt sich strker durch, die meisten Erwerbsttigen sprechen zwei Sprachen fließend und nehmen an Weiterbildungsmaßnahmen teil und es entstehen viele neue Berufe.
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Schlussfolgerung Die drei untersuchten Felder bringen unterschiedliche Visionen der Welt hervor. Die Arbeitswelt ist dominiert von ausgeprgtem Pessimismus: sinkende Kaufkraft, die Notwendigkeit mehr zu arbeiten, die Unfhigkeit Frankreichs, seinen Platz in einer globalisierten Welt zu finden, die Last der Renten. 2030 wird gnzlich von dieser Verschlechterung – oder bestenfalls dieser Stagnation – geprgt sein. Das Verhltnis zwischen Arm und Reich scheint im Jahr 2030 allgemein betrachtet sehr wahrscheinlich von zwei unterschiedlichen Faktoren abzuhngen: von einer breiter werdenden Kluft, sowohl in Frankreich als auch im Ausland, wodurch die Existenz der Mittelschicht in Gefahr sein knnte; und von einem Wohlfahrtsstaat, der seine Verantwortung nicht mehr lnger bernimmt und nicht mehr lnger das Funktionieren des sozialen Aufstiegs sicherstellt. Eine Vision, die eher klar als pessimistisch ist und sich logisch in die oben genannte Vision der Arbeitswelt eingliedert. Im Bereich der Bildung und des sozio-professionellen Umfelds herrscht grundlegender Optimismus. Der Wandel aus den beiden vorherigen Welten wird garantiert durch die Geburtenquote in Frankreich, deren Hhe uns weit mehr verrt als Umfragen ber Vertrauen in die Zukunft. Fr diese Kinder wnschen sich die Franzosen ein Bildungssystem, das nach wie vor auf republikanischen Werten beruht, aber effizienter ist und in der Lage, den Kindern einen Platz in einer faireren Arbeitswelt zu geben (Gleichberechtigung), in der Arbeitnehmer zweisprachig sind und sich kontinuierlich weiterbilden und bereit sind, neue Berufe auszuben. Fr die befragten Menschen wird Frankreich im Jahr 2030 weder das Paradies noch die Hlle auf Erden sein, sondern ein altes, sehr wirkliches Land, dessen treibende Kraft das Vertrauen seiner Bewohner in die Zukunft sein wird und ihre Fhigkeit, wieder fr sich selbst zu sorgen, wenn der Staat dazu nicht mehr lnger in der Lage ist.
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Anhang: „Zukunft ist jetzt“ Jacqueline Remy, 19.10.2000, L’Express No. 2572 Die fr den franzsischen Wirtschafts- und Sozialrat durchgefhrte Studie spricht fr sich: Fr die Mehrheit der Franzosen beginnt das Morgen schon heute. Und sie wollen ihre Zukunft aktiv selbst gestalten. Wie soll unsere Zukunft aussehen? Wer soll Vernderungen herbeifhren? Welche Werte und Schwerpunkte sollen im Vordergrund stehen? Im Vorfeld des am 18. und 19. Oktober im Palais d’Ilna in Paris stattfindenden ersten Fachkongresses zum Thema Zukunft beauftragte der Wirtschafts- und Sozialrat das Meinungsforschungsinstitut CSA und Ernst & Young, eine Umfrage in Frankreich durchzufhren, bei der die Franzosen nach ihren ngsten, Erwartungen und Hoffnungen befragt wurden. Die Ergebnisse, die exklusiv und detailliert im L’Express erschienen sind, sind berraschend und beunruhigend zugleich: Die Zukunft ist nicht mehr die, die sie einmal war. In den 1950er-Jahren war die Zukunft das Jahr 2000, ein etwas bengstigender Ausblick auf eine anonyme Welt mit berdrehten Humanoiden, die von Robotern und fliegenden Maschinen umgeben waren. Fnfzig Jahre spter ist die Zukunft in den Augen der Franzosen immer noch das Jahr 2000 – das Jetzt – und kein fiktives 2050 oder auch nur 2020. Je hher die Qualifizierung der Befragten (65 %), umso kategorischer ihre Aussage: Die Zukunft ist jetzt. Warum weigern sich die Franzosen bei dieser leicht metaphysischen Frage zu trumen, in die Zukunft zu blicken, durch ihr Fernglas zu sehen? Es knnte an mangelndem Interesse, Pessimismus oder an einer extremen Klarheit liegen. Wenn man nicht mehr an die von den Gttern versprochene Ewigkeit glaubt und sich nicht mehr mit der Menschheit als Ganzes identifiziert, wenn man der Meinung ist, selbst fr sein Schicksal verantwortlich zu sein, dann ist das, was in weiter Ferne liegt, nur noch von spekulativem Interes-
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se. Es ist fr jeden einfacher, Zukunft nur im Hinblick auf das zu betrachten, was einem selbst auf dieser Welt widerfahren wird oder bestenfalls seinen Kindern. Es ist eine Frage des Glaubens. Der Kultur. Oder einfach der Einstellung: Letztlich ist es so, als ob die Franzosen sich entschieden htten, ihre Zukunft selbst zu gestalten, ihren Part darin zu bernehmen und sie zu formen. Sie haben das starke Gefhl, dass sich heutzutage alles schnell verndert und „die Gegenwart mit der Zukunft schwanger geht“, wie Leibnitz es sagte, und die Geburt jederzeit bevorstehe. Sie knnen die Zukunft bereits an ihren Fenstern sehen und sind bereit dafr. Diese gelassene Einstellung ist bemerkenswert angesichts der Vernderungen, vor denen die Welt wahrscheinlich steht. Die von der CSA befragten Franzosen haben keine Angst vor der Zukunft. Sie sind im Gegenteil außergewhnlich enthusiastisch. Dieser Enthusiasmus offenbart einen relativ neu entdeckten Optimismus angesichts der Tatsache, dass die Franzosen noch vor zwei Jahren durch ihre Hoffnungslosigkeit auffielen und bei Umfragen zur Stimmung in Europa ganz unten auf der Liste standen. Je mehr die Franzosen das Gefhl haben, ihre Zukunft zu kontrollieren, umso weniger Angst haben sie vor ihr. Je mehr sie den Eindruck haben, von Vernderung dominiert zu sein, umso mehr misstrauen sie ihr. Je hher ihre intellektuellen, sozialen oder finanziellen Mittel sind, die Vernderungen, die eintreten werden, lenken zu knnen, umso optimistischer sind sie. Und da es leichter ist, das zu kontrollieren, was in unmittelbarer Reichweite ist, akzeptieren sie Vernderungen in ihrem direkten Umfeld bereitwilliger als solche, die die nationale oder weltweite Gemeinschaft beeinflussen. Vorausgesetzt diese Vernderungen finden die Zustimmung der Brger, oder, falls das nicht mglich ist, die ihrer gewhlten Vertreter. Das liegt daran, und zeigt eine gewisse Bescheidenheit, dass zwei Drittel der Franzosen, obwohl sie das Gefhl haben, die Zukunft sei jetzt, keinen Anspruch auf ihr Urheberrecht erheben: Nur 32 % sehen sich bei diesen Vernderungen als „Akteure“. Das hngt zu einem gewissen Grad vom Alter der Befragten ab: 43 %
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der 18- bis 24-Jhrigen sehen sich selbst aktiv beteiligt und dieser Anteil sinkt mit zunehmendem Alter der Befragten und beluft sich bei den ber 65-Jhrigen nur noch auf 16 %. Aber auch Geld, sozialer Status, Qualifikationen und manchmal das Geschlecht – mit anderen Worten Macht – bestimmen die Einstellung. 69 % der Menschen, die der Meinung sind, eine Rolle bei der Vernderung der Welt zu spielen, stehen der Zukunft optimistisch gegenber (im Vergleich zu durchschnittlich 56 %). Bei der Identifizierung der pessimistischsten Franzosen stoßen wir auf diejenigen, die ihrer Meinung nach dazu verdammt sind, die Entwicklung als Beobachter zu verfolgen: diejenigen ohne Qualifikationen, diejenigen, die am strksten benachteiligt sind, aber auch, wie Stphane Roz s, Forschungsleiter bei CSA, erklrt, Arbeiter, weil sie einen niedrigeren Status haben, Hausfrauen, die keine sozialen Netzwerke haben und durch ihre wenig schmeichelhafte Darstellung in den Medien geschwcht sind. Vernderung? Okay, aber welche? Die Franzosen sprechen sich mit großer Mehrheit fr das Gesellschaftsleben, den ffentlichen Verkehr, Privatautos und die Entwicklung des Internets aus. Es spielt keine Rolle, dass Autos die Luft verschmutzen und den ffentlichen Verkehr behindern; es spielt keine Rolle, dass nur 4,5 % der Bevlkerung einen Internetzugang haben. Die Franzosen untersttzen hier zwei Dinge: erstens, alles, was eine soziale Bindung herstellt, und zweitens, alles, was sie fr sich selbst whlen knnen. Umgekehrt wird alles, was sich ihrem Einfluss oder ihrer Kontrolle entzieht, misstrauisch beugt. Die Befragten lehnten vier Faktoren fr Vernderung ganz klar ab, die sie als schdlich betrachteten: die Entwicklung Europas „wie sie sich gegenwrtig darstellt“, die Umweltsituation, die wirtschaftliche Globalisierung und die Rolle der Politiker auf nationaler Ebene – wobei Letztere auf lokaler Ebene noch als ertrglich angesehen werden (50 % der Befragten ußerten sich positiv). Internet, Biotechnologie, Transport: Die Zeichen fr die Zukunft werden positiv gewertet, aber die Franzosen wollen ein paar
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Orientierungshilfen auf dem Weg. Auf Wiedersehen Ungewissheit, Mobilitt und Flexibilitt. „Meine eigene kleine Firma“ ist kein Stoff fr Trume mehr. Die Menschen wollen einen Arbeitgeber, mglichst eine Vollzeitstelle in einem großen, eher sozial als wirtschaftlich ausgerichteten Unternehmen, wenn mglich mit einer realen Vergtung. 38 % der Angestellten im privaten Sektor bevorzugen den ffentlichen Sektor. Umgekehrt bevorzugen 30 % der Angestellten im ffentlichen Dienst den privaten Sektor. Die Jungen sind nur unwesentlich abenteuerlustiger als der Durchschnitt, abgesehen von einem Punkt: 45 % der 18- bis 24-Jhrigen mchten ihr eigener Chef sein. Dagegen gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Mnnern: Frauen legen mehr Wert auf Sicherheit. Mit zwei Ausnahmen: Sie bevorzugen Teilzeitarbeit und sie grnden fter als Mnner (42 % gegenber 34 %) neue Unternehmen. Die Menschen wnschen sich eine idyllische Zukunft mit ihrem eigenen Haus, Blumen, Feuer im Kamin, einem Auto vor dem Haus und Geschften, deren Eigentmer man kennt – lediglich Manager (19 %) zeigten ein gewisses Interesse am E-Business. Die Menschen wollen in der Tat eine Zukunft wie aus einem alten Fotoalbum mit neuer Technologie. Die Hlfte der Pariser mchte auf dem Land leben und sagt, dass sie bereit ist, das heilige Auto abzuschaffen, das fr Manager und Akademiker nicht mehr als Statussymbol bentigt wird. Außerdem zhlt Geld nicht mehr zu den Werten, die in den Augen der Franzosen in der Gesellschaft von morgen vorrangig sein sollten, ebenso wenig wie Vergngen,Wettbewerb oder sogar Religiositt oder Engagement. Wo liegen die Prioritten dann? Toleranz, Freiheit, Solidaritt und Arbeit, aber besonders Ehrlichkeit und, an erster Stelle, die Familie. Die Zeiten des Freibriefs sind vorbei
Vernderung, nicht irgendwie und nicht zu schnell, wir haben keine Eile. Zwei Drittel der Franzosen wnschen sich, dass Vernderungen langsam im Laufe der Zeit entstehen. Diejenigen mit der geringsten Qualifikation und die Jngsten wiederum wollen, dass die Dinge
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schnell ins Rollen kommen. Seltsamerweise sind es gerade die am wenigsten in die Gesellschaft integrierten Menschen, die dazu bereit sind, sich den neuen Technologien zu beugen. Die große Mehrheit der Franzosen ist der Meinung, dass sich diese neuen Werkzeuge an die Gesellschaft anpassen mssen und nicht umgekehrt. Aber wer ist „die Gesellschaft“? Auf keinen Fall die Regierungen. Nur einer von drei Franzosen denkt, dass die politischen Entscheidungstrger das Spiel bestimmen sollten. Das ist eine alarmierende Niederlage fr die Politiker. Denn wenn sich eine Gesellschaft nicht vom Wind der Vernderung mitreißen lassen will und Minister und Staatschefs nicht die Fhrung bernehmen sollen, wem sollen dann die Schlssel fr die Zukunft bergeben werden? Die schlichte und scharfe Antwort der Befragten sollte den Wirtschafts- und Sozialrat zum Nachdenken bringen, wenn er sich auf die Zukunft vorbereiten will: auf keinen Fall religisen Fhrern, Technokraten, Journalisten, Finanzexperten oder Gewerkschaftern. Obwohl sie zu den Denkern unserer Zeit gehren, ist niemand von ihnen befugt, die Zukunft vorzubreiten, die wir uns wnschen. Etwas aufgeklrter werden Unternehmenschefs und Wissenschaftler als wichtige Weichensteller angesehen. Aber um die Zukunft zu kreieren, vertrauen die Franzosen nur auf die Brger (51 %), das heißt auf sich selbst, mglicherweise untersttzt durch gewhlte Vertreter (28 %), die von ihrer Stimme abhngig sind. Die Brger wollen eindeutig Verantwortung fr die Durchsetzung „ihrer“ Vernderungen bei den Politikern bernehmen: Die Zeiten des Freibriefs sind vorbei. Also ein Ja zur sofortigen Zukunft. Aber Vernderungen, wenn ich sie will, wann ich sie will und wie ich sie will.
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Anmerkungen 1 Vgl. Hl ne Riffault, Association pour la Recherche sur les Systmes de Valeurs (ARVAL), EVS (European Values Survey), 1981 und 1990; und Hl ne Riffault, Les Valeurs des Franais. Evolution de 1980 2000, Paris 1999. 2 Der Autor dieses Kapitels ist nicht verantwortlich fr die Stichprobenauswahl der Befragten oder die gestellten Fragen. 3 Vgl. Fritz Langs Film, in dem der eine Teil der Gesellschaft durch die Automatisierung Freiheit erfhrt, die Arbeiter, die absolut abhngig von ihren Arbeitgebern sind, im Gegenzug aber versklavt werden. 4 Zur Kontroverse hinsichtlich dieser grßer werdenden Kluft, siehe Jean-Claude Lefort, L’OMC a-t-elle perdu le Sud ? – Pour une conomie internationale quitable assurant le dveloppement des pays pauvres, Document d’Information No. 2750, Journaux Officiels, Paris 2000; Angus Maddison, L’Þconomie mondiale – Une perspective millnaire, OCDE, Paris 2001; Roland Granier, L’cart croissant entre pays riches et pauvres: un autre mythe socialiste, in: Le Qubcois Libre, Nr. 127, 16. August 2003, Montral; Christian Morrisson, Ingalits, pauvret et mondialisation, Commentaire, Nr. 100,Winter 2002–2003, S. 819f., Paris. 5 Delphine Chauffaut, Christine Olm, Marie-Odile Simon, L’enseignement libre: choix de conviction mais aussi de pragmatisme, CREDOC, Consommation & Modes de Vie, Nr. 183, April 2005. 6 „La longue agonie de la classe moyenne fran aise ... n’est pas finie“, Agora Vox, 25. August 2008. Siehe auch Louis Chauvel, Les classes moyennes la drive, Paris 2006. 7 Alain Lipietz, La socit en sablier, Paris 1996. 8 Alfred Sauvy, Bien-tre et population, Paris 1945; Josu de Castro, Gographie de la Faim, Paris 1964; Frank W. Notestein, Population, The Long View, in: Theodore W. Schultz (Hg.), Food for the World, Chicago 1945. 9 http://www.ined.fr/fr/pop_chiffres/france/naissances_fecondite/evolution_ fecondite/ 10 Yannick Vanderborght, Philippe van Parijs, L’allocation universelle, Paris 2005. 11 L’ducation nationale en chiffes, 2004–2005 und 2006–2007, franzsisches Bildungsministerium. 12 Siehe http://www.contact-conference.com/archive/educoti.html 13 Hier definiert als die Fhigkeit, die Bedeutung eines Objekts oder den Kontext zu verstehen – eine Entwicklung, die bei sehr kleinen Kindern beobachtet werden kann. 14 Siehe Globalisation 3.0 nach Thomas L. Friedman, The World is Flat, New York, 2. berarb. Aufl., 2007. 15 Fabienne Goux-Baudiment, Universitas versus University, Beitrag zum Global Human Resources Forum, Seoul (Korea), 25. Oktober 2007. 16 Fabienne Goux-Baudiment, Christopher Jones, Inventing the future, in: P. Corsi, H. Christofol, S. Richir, H. Samier, Innovation Engineering: The power of intangible networks, London 2005, S. 3–24.
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Großbritannien 2030: Vorwiegend pessimistisch – keine Visionen Wendy L. Schultz
Die aktuelle Herausforderung unserer Zeit liegt darin,Visionen von der Zukunft zu entwickeln, die von einem neuen Einfluss-Optimismus inspiriert sind, der uns aus der Lethargie unseres gegenwrtigen Essenz-Pessimismus herausholen kann.1 In Fred Polaks monumentalem Werk ber Zivilisationen und Visionen der Zukunft wurde eine neue Weitsicht gefordert: Er verkndete die Notwendigkeit eines frischen und ausgewogeneren westlichen Blicks auf die Welt, die Wiederverzauberung unserer Welt und einen neuen Sinn fr Effizienz bei der Schaffung einer optimistischen Zukunft. Dies ist das wichtigste Ziel und der Schwerpunkt von Zukunftsforschung: die Welt – und nicht nur die westliche Welt – zu einem Dialog ber die mgliche und wnschenswerte Zukunft einzuladen, um eine transformative Vision einer positiven Zukunft fr die Menschheit und den Planeten zu schaffen und zu verknden. Wie der Disvovery Channel es in seinem neuesten mitreißenden Werbespot ausdrckt: „Die Welt ist einfach beeindruckend; ich liebe die ganze Welt – es ist ein so großartiger Ort.“2 An diesem großartigen Ort gibt es verschiedenste Ausprgungen von Vergangenheit, Gegenwart und mglicher Zukunft. Als Erstes mssen wir unsere Annahmen und unsere Weltsicht berprfen, um unser allzu selbstgeflliges Verstndnis dieser Vielfalt durcheinanderzubringen. Dieses Durcheinanderbringen unserer Annahmen wird
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Turbulenzen auslsen, einen dynamischen Ort schaffen, an dem wir uns transformative Verhaltensmuster vorstellen und diese verknden knnen – oder, um Sarkar3 mit Polak zu verbinden, an dem wir „Microvita“ von Einfluss-Optimismus erzeugen und frdern knnen. Dieses Projekt begrndet einen Dialog innerhalb der europischen Lnder ber Annahmen und Mglichkeiten sowie die Zukunft fr Europa bis ins Jahr 2030, wie sie im jeweiligen Land als wnschenswert gesehen wird. Denken Sie beim Lesen daran, welche Herausforderungen die Ergebnisse darstellen im Hinblick auf die zu schaffende Vision fr eine positive Zukunft in Europa und in der Welt.
Die Studie Anfang Juni 2008 beauftragte die STIFTUNG FR ZUKUNFTSFRAGEN in Hamburg das Unternehmen Gfk Marktforschung in Nrnberg mit der Durchfhrung einer zukunftsbezogenen Umfrage in Großbritannien. Diese Umfrage und die anschließende Auswertung sind Teil eines bergreifenden „Europa 2030“-Projekts, in dem herausgefunden werden soll, welche Entwicklung die ffentlichkeit in Europa ber die nchsten zwei Jahrzehnte in acht ausgewiesenen Bereichen fr wahrscheinlich hlt. Die Befragten sollten sich bei jedem Themenbereich dahin gehend ußern, ob zehn themenbezogene Aussagen im Jahr 2030 aus ihrer Sicht zutreffend seien. Sie hatten auch die Mglichkeit, bei jedem Thema die Option „Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein“ zu whlen. Die Ergebnisse wurden einerseits als prozentualer Anteil aller Befragten, der glaubte, dass eine Aussage im Jahr 2030 zutreffen wrde, und andererseits aufgeschlsselt nach Geschlecht und Altersgruppen (16–34 Jahre; 35–54 Jahre und ber 55-Jhrige) dargestellt. Mithilfe dieser Aufschlsselung lassen sich einige Hinweise, wenn auch nicht in eindeutiger und abschließender Form finden, auf deren Grundlage errtert werden kann, inwieweit die unterschiedli-
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che Sicht unserer mglichen Zukunft durch das Geschlecht und das Alter bestimmt ist. Die Gfk Marktforschung whlte eine reprsentative Zielgruppe von 1000 Mnnern und Frauen ber 16 Jahren aus der britischen Bevlkerung aus. 964 vollstndig ausgefllte Fragebgen kamen zur Auswertung. Die Interviewer benutzten einen durchstrukturierten formalen Fragebogen, der keine Abweichung in der Reihenfolge oder Formulierung der einzelnen Fragen zuließ, und alle Teilnehmer wurden persnlich befragt. Die kompletten Daten sind verfgbar; die folgende Zusammenfassung stellt nur einige wesentliche Erkenntnisse heraus.
Ergebnis Die Ergebnisse zeigen einen großen Pessimismus im Hinblick auf die Fhigkeit Großbritanniens, angesichts der tief greifenden Herausforderungen der nchsten beiden Jahrzehnte den Wandel positiv zu gestalten. Viele der Aussagen in der Umfrage bringen ngste oder Sorgen zum Ausdruck. Nur wenige Aussagen werden von einer berwltigenden Mehrheit als „zutreffend im Jahr 2030“ betrachtet. Bei vielen Aussagen zeigt sich ein Verhltnis von 50 : 50 oder 60 : 40 hinsichtlich Zustimmung und Ablehnung. Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der Interpretation von Umkehr-Antworten – wenn eine negative Aussage als unwahrscheinlich eingeschtzt wird, bedeutet das nicht, dass die entsprechende positive Aussage deshalb als wahrscheinlich eingeschtzt wird. Das Konzept schwacher Indikatoren lsst darauf schließen, dass die 25 % der Befragten, die mit „zutreffend im Jahr 2030“ antworten, in einigen Fllen den bevorstehenden Wandel vielleicht einfach nur vor der breiten Masse erkennen. Unter diesen Vorbehalten werden in den folgenden Abschnitten die Antworten in jedem Themenbereich besprochen, wobei Verbindungen zwischen Themen, wo es passend erscheint, herausgearbeitet werden. Den themenbezogenen Errterungen folgt eine ber-
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greifende Zusammenfassung, in der die Verbindungen zwischen den Themen hergestellt werden. Arbeit
Die Menschen in Großbritannien sind eindeutig besorgt im Hinblick auf ihre Finanzen und die Aufrechterhaltung der Liquiditt im Alter: 64 % glauben, dass im Jahr 2030 die meisten Arbeitnehmer bis zu ihrem 75. Lebensjahr arbeiten mssen. Das stellt eine erhebliche Abweichung von dem heute gltigen gesetzlichen Renteneintrittsalter von 65 Jahren dar (das bis zum Jahr 2011 neu geregelt werden soll). Hier scheint beim Thema Arbeit die grßte Gewissheit zu herrschen. Vielleicht rechnen auch deshalb 45 % der Befragten damit, dass viele Menschen im Jahr 2030 Zweit- und Nebenjobs haben werden. Noch interessanter sind die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Sichtweisen im Hinblick auf die Frage, ob Zweitjobs in Zukunft allgemein blich sein werden: Whrend 39 % der Mnner dies fr zutreffend halten, sind es bei den befragten Frauen bereits ber 50 %, die mit einer allgemeinen Verbreitung von Nebenjobs in der Zukunft rechnen. Diese Sichtweise ist unter Umstnden davon beeinflusst, dass von einer zunehmenden Ungleichbehandlung der Geschlechter beim Lohn und beim Rentenniveau ausgegangen wird. Weniger als ein Drittel der Befragten glaubt, dass eine der anderen Aussagen zutreffend wre. In Bezug auf die Globalisierung der Produktion hlt es nur weniger als ein Drittel fr wahrscheinlich, dass die Entwicklungslnder den grßten Teil der weltweiten Gtermenge herstellen werden. Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt glaubt nur etwa ein Fnftel der Befragten, dass die grßten europischen Unternehmen die Mehrheit der Arbeitskrfte beschftigen werden. Die meisten Menschen scheinen also – so eine eher optimistische Interpretation dieser Ergebnisse – zu glauben, dass auch im Jahr 2030 ein Großteil der Waren noch immer in den entwickelten Lndern hergestellt wird und dass kleine und mittlere Unternehmen in ganz Europa Arbeitspltze in der Produktion bieten werden. Darber hinaus wird Firmentreue fr die Arbeitnehmer wahrscheinlich auch
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knftig eine Rolle spielen – weniger als ein Fnftel der Befragten kann sich in Bezug auf das Jahr 2030 eine geringe Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrer Firma vorstellen. Im Allgemeinen sind die Befragten offenbar der Meinung, dass sich die Arbeitskultur in Großbritannien kaum verndern wird. Vier Fnftel oder mehr der Befragten knnen sich nicht vorstellen, dass Freizeit knftig wichtiger als ein gutes Gehalt sein wird, dass Sachleistungen wie fr Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld an die Stelle eines regulren Gehalts treten wird, dass infolge der Automatisierung die Wochenarbeitszeit auf weniger als 25 Stunden sinken wird oder dass infolge eines starken Einflusses der Globalisierung sogar auf rtliche Firmen jeder Vollzeitangestellte wenigstens einmal im Leben im Ausland arbeiten wird. Den einzigen Hinweis darauf, dass einige Befragte einen mglichen Wandel der Arbeitskultur erkannt haben, liefern die Antworten der ber 55-Jhrigen. In dieser Altersgruppe glaubt ber ein Viertel, dass die Automatisierung eine Verkrzung der Wochenarbeitszeit bringen wird – dies ist eben jene Altersgruppe, die die Vernderungen in der Industrie durch den Einsatz von Automatisierungstechnik erlebt hat. Im Gegensatz dazu glaubt nur ein Zehntel der 16- bis 34-Jhrigen, dass die Automatisierung eine Verkrzung der Wochenarbeitszeit mit sich bringen wird. Woher kommt dieser Unterschied? Denken diejenigen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, an die mit der industriellen Automatisierung einhergehende grßere Effizienz, whrend die Altersgruppe, die gerade neu ins Berufsleben eingestiegen ist, davon ausgeht, dass die Computerisierung des Arbeitsplatzes letztendlich nur lngere Arbeitszeiten vor dem Bildschirm mit sich bringt? Ist die allgemeine Zurckhaltung, wenn es darum geht, einen mglichen Wandel im Hinblick auf den Arbeitsplatz anzuerkennen, ein Zeichen dafr, dass sich die Menschen Sorgen ber ihr Einkommen in einer unsicheren globalen Wirtschaft machen?
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Verhltnis zwischen Arm und Reich
Angesichts der bereits erwhnten Annahme, dass knftig die Notwendigkeit zu arbeiten keineswegs geringer sein wird als heute, berrascht es nicht, dass fast zwei Drittel der Befragten aus Großbritannien mit einem weiteren Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich in ihrem Land rechnen. Darber hinaus glaubt die Hlfte der Befragten, dass das Problem der Altersarmut nicht gelst werden wird, insbesondere angesichts der Tatsache, dass geringe Lhne in vielen Fllen keine Rcklagen fr die Altersvorsorge erlauben. Ebenso wenig berraschend geht die Hlfte der Befragten davon aus, dass viele Arbeitnehmer Zweitjobs haben werden. Junge Leute sind insofern etwas weniger pessimistisch, als sie – im Gegensatz zu ber 55 % der ber 55-Jhrigen – nur zu 40 % annehmen, dass Altersarmut im Jahr 2030 noch immer ein Problem sein wird. Die Lebensphase, in der sich die Befragten befinden, scheint die Einschtzung in diesem Punkt also deutlich zu beeinflussen. Die meisten rechnen damit, dass die Menschen in den obersten Einkommensklassen auch knftig vom Wirtschaftswachstum unverhltnismßig stark profitieren werden – nur 7 % meinen, das Einkommen von Top-Managern wird im Jahr 2030 geringer sein als heute, und fast ein Viertel der Befragten ist so pessimistisch zu behaupten, dass die Ungleichheit bei den Gehltern keineswegs abnehmen wird, sondern im Gegenteil die Mittelschicht tatschlich verschwinden knnte. Dieser Pessimismus erstreckt sich auch auf die Weltwirtschaft – nur ein Fnftel der Befragten kann sich vorstellen, dass die Wohlstandsschere zwischen Reich und Arm im Jahr 2030 geschlossen sein wird. Großbritannien knnte ein Land der glcklichen, gesunden und langlebigen Reichen auf der einen Seite und der verzweifelten, berarbeiteten Armen auf der anderen Seite werden: 40 % der Befragten denken, dass die Reichen eine viel hhere Lebenserwartung als die Armen haben werden. Die Ergebnisse der Befragung lassen insgesamt auf einen tiefen Pessimismus beziehungsweise große Zweifel dahin gehend schließen, dass effiziente staatliche Maßnah-
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men zur Bekmpfung der Armut und allgemein im Bereich der Sozialpolitik ergriffen werden. Nur 17 % bzw. 15 % glauben, der Staat knne im Jahr 2030 ein Grundeinkommen garantieren oder fr gleiche Bildungschancen sorgen. Tatschlich gibt es nur wenige Bereiche, in denen Optimismus herrscht – im Hinblick auf Kinder scheint dieser jedoch zu bestehen: 85 % der Befragten denken nicht, dass im Jahr 2030 derjenige, der mehr Geld verdient, sich entsprechend mehr Kinder „leisten“ kann. Dies knnte eine optimistische Einschtzung in Bezug auf das Kindergeld und eine staatliche Untersttzung fr die Bildung von Kindern bedeuten. (Eine andere mgliche Interpretation wre: Es bestehen sogar Zweifel daran, dass sich Besserverdienende Kinder leisten knnen.) Interessanterweise tendieren die lteren Befragten eher zu der Meinung, dass sich die globale Armutsschere bis ins
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Jahr 2030 zunehmend schließen wird – mglicherweise weil sie bisher in einer Epoche weltweiten Wohlstandswachstums gelebt haben. Bildung
Die Menschen rechnen offenbar nicht damit, dass sich im Bildungswesen ein schneller Wandel vollziehen wird, auch wenn sich erste Vernderungen bereits abzeichnen. Weniger als ein Viertel der Befragten hlt es fr wahrscheinlich, dass es im Jahr 2030 mehr Privatschulen (freie Schulen) als ffentliche Schulen in Großbritannien geben wird. Ebenso wenige meinen, dass es ein System der Begabtenfrderung bereits im Kindergartenalter geben wird oder die Medien ein Drittel des Bildungsangebots abdecken, indem sie zu diesem Zweck spezielle Programme senden. Im Hinblick auf die Bedeutung der Bildung fr Arbeitnehmer glaubt nur ein Viertel der Befragten an eine aggressivere Personalrekrutierung vonseiten der Unternehmen, bei der große Firmen Talentscouts bereits in die Grundschulen schicken werden, um Ausschau nach potenziellem neuem Personal zu halten. Ebenso wenig halten die meisten eine jhrliche Fortbildung als Standard in allen Firmen fr wahrscheinlich. ber zwei Drittel der Befragten glauben nicht, dass es im Bildungswesen oder auf dem Arbeitsmarkt, auf den die Schler durch Bildung vorbereitet werden sollen, zu Vernderungen kommen wird. Innerhalb der Gruppe, die an Vernderungen glaubt, lassen sich jedoch interessante Abweichungen feststellen. Ein Drittel der Befragten sind der Meinung, Online-Vorlesungen der besten Professoren von verschiedenen Universitten werden zuknftig simultan im Internet fr Studenten verfgbar sein. Ebenso glaubt ein Drittel, dass 25 % der Jobs im Jahr 2030 zu Berufsfeldern gehren werden, die es heute noch gar nicht gibt. Es gibt jedoch Abweichungen zwischen den jngsten und den ltesten Befragten in der Einschtzung dieser beiden Aussagen: Online-Bildung halten 35 % der jngsten Befragten fr realistisch, dagegen nur 29 % der ltesten Befragten; die lteren wiederum halten neue Berufsfelder eher fr wahrscheinlich. In beiden Fllen knnten diese Antworten von entsprechenden
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Erfahrungen beeinflusst sein: Die jngere Generation kennt auch das Fernstudium, die ltere Generation hat bereits erlebt, dass vllig neue Berufe geschaffen wurden. Positiv zu verzeichnen ist, dass etwa die Hlfte der Befragten fr das Jahr 2030 mit mehr hoch qualifizierten Frauen in Fhrungspositionen rechnet. Fast die Hlfte nimmt auch an, dass die Menschen bessere Sprachkenntnisse haben werden und die meisten Europer – vielleicht als Antwort auf die Wettbewerbsanforderungen in einer zunehmend globalisierten Welt – mindestens zwei Sprachen fließend sprechen werden. Sicherheit
Beim Thema Sicherheit gibt es bei den Antworten einen besonders hohen Anteil von Zustimmung. ber die Hlfte der Befragten glaubt an eine starke Verbreitung von organisierter Kriminalitt und von Internetkriminalitt. Ebenso glaubt mehr als die Hlfte, dass Kriege wegen natrlicher Ressourcen wie l, Gas oder Wasser alltglich sein werden. Das Jahr 2030 wird aus Sicht der Befragten von Kriminalitt und Konflikten geprgt sein. Aber nur etwa ein Fnftel meint, dass von der Bio- und der Nanotechnologie grßere Gefahren als erwartet ausgehen werden. Auf der persnlichen Ebene drngt die Sorge um die Sicherheit das Bedrfnis nach Schutz der Privatsphre in den Hintergrund, und diese Sorge ist es auch, die den Blick auf die Anderen bestimmt, in diesem Fall auf die rtlichen Gemeinschaften von Immigranten: ber ein Drittel glaubt, die Sicherheit werde einen hheren Stellenwert als der Schutz der Privatsphre haben und Einwanderer werden doppelt so viele Verbrechen wie Einheimische begehen. Im Jahr 2008 ist Großbritannien bereits das Land mit der hchsten Anzahl von berwachungskameras in der ganzen Welt. Die von den Befragten geußerten Bedenken im Hinblick auf die ffentliche Sicherheit beeinflussen mglicherweise auch andere Annahmen: Fast ein Drittel der Befragten glaubt an den Einsatz digitaler berwachungssysteme, mit denen viele Verbrecher bereits un-
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mittelbar beim Verben der Tat identifiziert werden knnen. Zu einem berwachungsnetzwerk knnten durchaus Mikrochips gehren, die Personen zum Zweck der Identifizierung und Lokalisierung implantiert werden. Etwa ein Viertel der Befragten war auch der Meinung, dass im Jahr 2030 zur Abschreckung strengere Strafen fr Verbrechen verhngt werden. Wenn man sich diesem Szenario aus zwei Richtungen nhert, kann man erkennen, dass einerseits zwar die Hlfte der Menschen eine Zunahme von Kriminalitt und Konflikten sieht und ein Drittel mit mehr berwachung sowie einer weltweiten Vernetzung des staatlichen Polizeiwesens zur Bekmpfung dieser Probleme rechnet, andererseits aber auch das Gegenteil zutrifft: Die Hlfte der Befragten glaubt nicht an eine Zunahme von Kriminalitt und Konflikten. Zwei Drittel lehnen die Annahme ab, dass die Sicherheit wichtiger als die Privatsphre sein wird, und glauben nicht an eine doppelt so hohe Kriminalittsrate bei Auslndern im Vergleich zu Einheimischen; zudem halten zwei Drittel weder die Implantierung von Mikrochips bei Personen fr eine geeignete Reaktion auf Bedenken hinsichtlich der persnlichen Sicherheit, noch rechnen sie damit, dass sich mit verschrften berwachungsmaßnahmen mehr Kriminelle auf frischer Tat berfhren lassen. Leider liefert die Tatsache, dass diese Aussagen fr das Jahr 2030 nicht als zutreffend eingeschtzt werden, kaum einen Hinweis darauf, welche Arten von Sicherheitsstrategien und Konfliktlsungen die Menschen im Hinblick auf die nchsten beiden Jahrzehnte als wahrscheinlich betrachten. Familie
Fast alle Befragten lehnen die Vorstellung ab, die Whlerstimmen im Jahr 2030 unterschiedlich zu gewichten, damit die Interessen der jugendlichen Minderheit in der Gesellschaft angemessen vertreten werden. Fast zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass im Jahr 2030 die meisten Paare in Großbritannien ohne Trauschein zusam-
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menleben werden – das wre die Fortsetzung eines starken Trends, der hier bereits seit Jahrzehnten besteht. Im Hinblick auf zwei andere Aussagen ber die Ehe gibt es je nach Altersgruppe jedoch unterschiedliche Ansichten. 54 % der 16- bis 34-Jhrigen und 60 % der 35- bis 55-Jhrigen glauben, dass gleichgeschlechtliche Paare im Jahr 2030 standesamtlich heiraten und Kinder adoptieren knnen; bei den ber 50-Jhrigen rechnen damit nur 42 %. Homosexualitt wurde in Großbritannien erst 1967 legalisiert und die ltesten Befragten wurden vor dieser Legalisierung erzogen und sozialisiert. Ein hnlicher altersspezifischer Unterschied besteht zwischen den Einschtzungen der ber 55-Jhrigen und denen der beiden jngeren Altersgruppen im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus Internet-Bekanntschaften Ehen und ehehnliche Gemeinschaften ergeben: Nur 14 % der ltesten
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stimmen dem zu – gegenber etwas mehr als einem Fnftel der Befragten in der jngsten und in der mittleren Altersgruppe. Damit werden die Thesen jener Zukunftsexperten stark infrage gestellt, die behaupten, dass „SecondLife“ in den kommenden Jahrzehnten fr alle das erste Leben sein wird. Nur ein Drittel der Befragten meint, dass werdende Eltern im Jahr 2030 Genmanipulationen bei Embryonen durchfhren lassen, um das Geschlecht, die Haarfarbe oder andere krperliche Merkmale von Kindern zu bestimmen. Es ist unklar, ob 60 % diese Vorstellung aufgrund ethischer Bedenken verwerfen oder weil sie nicht an die technische Machbarkeit glauben. Angesichts der Haltung, die die ffentlichkeit in Großbritannien gegenber der Gentechnik in anderen Bereichen einnimmt, wird sie wahrscheinlich vor allem aufgrund philosophischer berlegungen beschrnkt werden. Auch in puncto Genmanipulation bei Embryonen gibt es wieder sehr viel weniger Stimmen der lteren Befragten (nur ein Fnftel der ber 55-Jhrigen) gegenber einem hheren Anteil bei der mittleren und der jngsten Altersgruppe (jeweils ein Drittel), die diese Aussage fr zutreffend hlt. Im Hinblick auf die Anzahl von Kindern gibt es eine grßere bereinstimmung bei den verschiedenen Altersgruppen: In allen Altersgruppen glaubt nur ein Drittel der Befragten, dass die durchschnittliche Geburtenrate zwei Kinder pro Frau betragen wird. Wieder geht aus der Befragung nicht hervor, ob die Mehrheit diese Aussage ablehnt, weil sie von einer hheren oder einer niedrigeren Geburtenrate ausgeht. Die Frauen werden jedoch unabhngig von der Anzahl ihrer Kinder im Jahr 2030 immer noch berlastet sein: Etwa 75 % der Befragten lehnen die Aussage ab, dass Frauen es im Sinne einer Work-Life-Balance leicht haben werden, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Beim Thema Altenbetreuung nimmt die Zahl der Befragten, die fr das Jahr 2030 mit einer wachsenden Anzahl an Tagessttten fr ltere rechnen, entsprechend der Altersgruppe zu: Etwas ber ein Viertel der 16- bis 34-Jhrigen hlt dies fr zutreffend, whrend es
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bei den 35- bis 55-Jhrigen etwas mehr als ein Drittel und bei den ber 55-Jhrigen bereits nahezu die Hlfte sind. Es scheint besorgniserregend, dass offenbar fast zwei Drittel der Bevlkerung in Großbritannien trotz der beralterung der Gesellschaft nicht mit der Schaffung von zustzlichen Tagessttten fr ltere rechnen. Die meisten Befragten denken nicht, dass im Jahr 2030 mehr ber 60-Jhrige in Wohngemeinschaften leben werden als unter 30-Jhrige, aber unter den Befragten, die dies fr wahrscheinlich halten, sind nur 15 % der 16- bis 34-Jhrigen und immerhin 30 % der ber 55-Jhrigen. Diese Ergebnisse sind insbesondere beunruhigend, da ber zwei Drittel der Befragten nicht glauben, dass die Familien die Verantwortung fr die Altersrenten ihrer Eltern und Großeltern bernehmen werden. Die Rentner im Jahr 2030 werden also, so wie es aussieht, weder Untersttzung durch den Staat noch durch die Familie erfahren. Umwelt
Nur wenige Befragte erwarten einen grßeren Wandel hinsichtlich des Umweltproblems, was die allgemeinen Wertvorstellungen diesbezglich sowie den Umgang mit dem Problem in Politik und Wirtschaft angeht. Fast zwei Drittel der Befragten rechnen allerdings mit einem annhernd vollstndigen Mllrecycling im Jahr 2030. Bis zu einem gewissen Grad wird auch das schnelle Wachstum der Windenergie und anderer regenerativer Energien zur Kenntnis genommen; immerhin gehen etwa zwei Fnftel der Befragten davon aus, dass im Jahr 2030 ber die Hlfte der Energieproduktion aus Wind- und Sonnenenergie stammen wird. Vielleicht glauben aus diesem Grund auch zwei Drittel der Befragten nicht, dass die Warmmiete doppelt so hoch wie die Kaltmiete sein wird. Insgesamt scheinen die Menschen davon auszugehen, dass die Umweltbedingungen gnstig sein werden: ber drei Viertel glauben an ein ausreichendes Trinkwasserangebot und an eine saubere, weitgehend unverschmutzte Umwelt – weniger als ein Viertel denkt, dass die Umweltverschmutzung im Jahr 2030 die Haupttodesursache sein
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knnte. Nur ein Drittel glaubt, dass die Menschen im Jahr 2030 mglicherweise von den Stdten aufs Land ziehen, um schdlichen Umwelteinflssen in den urbanen Zentren zu entgehen. Nur sehr wenige glauben, dass es in der Welt keinen Hunger mehr geben wird, das Problem des Klimawandels gelst werden wird oder die Menschen in der Lage sein werden, bestimmte Wetterphnomene zu kontrollieren. Obwohl nicht mit einem Ende von Hungersnten gerechnet wird, glaubt nur weniger als ein Viertel der Befragten, dass Menschen in den Entwicklungslndern verhungern werden, weil die Landwirtschaft weniger Pflanzen und zur Nahrungsversorgung als fr regenerative Energien anbauen wird. Konsum
Das einzige Ergebnis, bei dem eine große bereinstimmung der Meinungen herrscht, fllt in den Bereich Konsum: 73 % der Befragten sind davon berzeugt, dass Alltagsgter wie Lebensmittel im Jahr 2030 deutlich teurer sein werden – wenn man nur die Stimmen der ber 50-Jhrigen betrachtet, sind es sogar 79 %. Die Wirtschaft wurde „amazonisiert“; mehr als die Hlfte der befragten Einwohner Großbritanniens denkt, dass die meisten Konsumgter zuknftig im Internet gekauft werden – vielleicht auch deshalb, weil 80 % der Befragten im Hinblick auf das Jahr 2030 von einem hheren Stellenwert gnstiger Preise gegenber Service und Beratung ausgehen, was zu der erwarteten Preissteigerung gut passt. Dennoch werden die Menschen immer noch Konsumgter kaufen; nur ein Fnftel der Befragten rechnet damit, dass das Leasing in Zukunft berwiegen wird. Nur ein Drittel der Befragten nimmt an, 2030 werden ber die Hlfte der Konsumgter aus Asien kommen, was mit der ebenfalls geußerten Einschtzung bereinstimmt, dass ein Großteil der Gter nach wie vor in den entwickelten Lndern produziert werden wird. Andererseits erwarten ber 85 %, dass die meisten Lebensmittel, die in Großbritannien auf den Markt kommen werden, Importware sind. Was den Wandel von Lebensstilen und persnlichen Zie-
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len betrifft, glaubt nur ein Fnftel der Befragten, dass im Jahr 2030 Luxus eher gleichbedeutend mit Zeit und Ruhe als mit materiellen Gtern sein wird. Noch weniger rechnen mit einem Schwerpunkt der Verbraucherausgaben im Gesundheitssektor. Etwas mehr als ein Viertel der befragten Briten erwartet, dass die meisten Menschen im Jahr 2030 umweltfreundliche Produkte kaufen und ber 40 % meinen, die meisten Haushalte werden im Jahr 2030 mindestens zwei Autos besitzen. Die Befragten gehen also auch fr die Zukunft von einer Konsumorientierung der Verbraucher in Großbritannien aus, wobei sich aus ihrer Sicht im Unterschied zu heute der Kauf von Waren noch sehr viel strker auf das Internet verlagern wird. Integration
Bei den Fragen zum sozialen Zusammenhalt und zur Integration halten 85 % der Befragten es einerseits fr unwahrscheinlich, dass Europa seine Grenzen vollstndig gegenber Immigranten abriegeln wird, andererseits glauben sie aber auch nicht, dass Europa die Einwanderung frdern wird, um der beralterung der Gesellschaft und einem Mangel an Arbeitskrften entgegenzuwirken. 85 % lehnen auch die Vorstellung ab, dass im Jahr 2030 die Integration ausschließlich mit gebildeten Immigranten gelingen knnte, was ein positiver Blick auf die Zukunft ist. Allerdings sind nur 27 % der Ansicht, die Integration von Einwanderern knne sich im Jahr 2030 tatschlich einfacher als heute gestalten. Nur ein Drittel rechnet damit, dass tragbare Gerte und Telefone mit Simultanbersetzung die Kommunikation erleichtern werden. Nur 43 % der Befragten glauben, auch im Jahr 2030 werden Einwanderer immer noch in eigenen Stadtteilen leben, und nur 43 % gehen davon aus, dass zwischen verschiedenen Immigrantengruppen in der britischen Gesellschaft Konflikte ausbrechen werden. Die Tatsache, dass fast 60 % mit einer besseren Einbeziehung und Integration der Auslnder und mit weniger Konflikten rechnen, ist als positiver Ausblick fr die rtlichen Gemeinschaften zu werten. Allerdings sind die Befragten in Großbritannien weniger optimis-
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tisch hinsichtlich der Integration auf der individuellen Ebene – nur ein Viertel der Befragten nimmt an, ein Drittel der Partnerschaften und Ehen in Europa wird im Jahr 2030 multikulturell sein. Drei Viertel der Befragten lehnen die Vorstellung ab, Glaube und Religion werden in der Immigrationspolitik des Jahres 2030 eine wichtige Rolle spielen. 60 % glauben nicht, dass mehr Einwanderer aus Entwicklungslndern als aus der EU kommen werden. Insgesamt lassen diese beiden Annahmen vermutlich darauf schließen, dass die Einwohner Großbritanniens einen Trend von wirtschaftlich bedingter Immigration prognostizieren.
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Zusammenfassung Eine Hauptangst der britischen Befragten besteht darin, dass es der Wirtschaft in Zukunft an loyalen Arbeitnehmern fehlen wird: Die Schere zwischen Arm und Reich wird sich weiter ffnen, die Gehlter werden nicht ausreichen, um Rcklagen fr die Altersvorsorge zu bilden, die Altersarmut wird zunehmen – oder die Work-Life-Balance wird leiden, da sich die Menschen aus Grnden der Altersvorsorge gezwungen sehen, Zusatzjobs anzunehmen. Nur wenige halten das Bildungswesen fr dynamisch genug, um neue Fertigkeiten zu vermitteln und die Arbeitskrfte so zu aktivieren, dass sich daraus ein allgemeiner Einkommenszuwachs und eine grßere konomische Stabilitt fr die Mittelschicht ergibt. Die Menschen machen sich vor allem Sorgen ber eine Zunahme von Kriminalitt und Konflikten sowie eine entsprechende Verschrfung von berwachungsmaßnahmen. Es wird mit einer Ausweitung der organisierten Kriminalitt, auch im Internetbereich, gerechnet sowie mit dem Ausbruch von Konflikten wegen natrlicher Ressourcen bis hin zu Kriegen wegen l oder Wasser. Einige vermuten, vor allem Auslnder werden Verbrechen begehen, und sind eher bereit, digitale berwachung hinzunehmen – sowohl extern als auch in Form von implantierten Mikrochips –, wovon sie sich eine Verminderung ihrer ngste und ihres Argwohns versprechen. Beim Familienleben in Großbritannien wird sich der gegenwrtige Prozess der Skularisierung langsam, aber sicher fortsetzen: So wird der momentan starke Trend zu Single-Haushalten oder Haushalten mit unverheirateten Paaren weiter anhalten. Es wird keinen radikalen Wandel hin zu alternativen Lebensstilen geben, also beispielsweise keine Legalisierung der Homo-Ehe, keine vorwiegende Eheanbahnung ber das Internet und keine Genmanipulation bei Embryonen. Fortsetzen wird sich aber nach Ansicht der Befragten die Doppelbelastung der Frauen durch Familie und Beruf und ebenso die besorgniserregende demografische Entwicklung mit einer Zunahme der Bevlkerung im Rentenalter. Letztere wird weder von
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staatlicher Seite angemessen untersttzt werden noch von der jungen Generation, die selbst ber zu wenig finanzielle Mittel verfgt. Whrend die Befragten fr das Jahr 2030 offenbar einen Bewusstseinswandel in Bezug auf die Umwelt erwarten – vor allem ein vollstndiges Mllrecycling – wird es gleichwohl nur ganz vereinzelt grundlegende Vernderungen in Richtung Nachhaltigkeit geben, wobei ein kleiner Fortschritt bei der Entwicklung regenerativer Energien gesehen wird. Grßtenteils scheinen die Menschen das Vorhandensein von natrlichen Ressourcen und von gesunden Umweltbedingungen als Selbstverstndlichkeit vorauszusetzen. Im Hinblick auf die großen Herausforderungen – weltweiter Klimawandel und Hunger – sind die Einwohner Großbritanniens allerdings nicht optimistisch, dass es in den nchsten 20 Jahren diesbezglich Lsungen geben wird. Die Verbraucher werden knftig Internet-Experten sein und den Online-Handel fr die Schnppchenjagd nutzen, whrend das wirtschaftliche Umfeld von steigenden Preisen fr Konsumgter gekennzeichnet ist. Die meisten dieser Waren werden aus aller Welt kommen, aber nicht unbedingt vorwiegend aus Asien. Insgesamt scheinen die Befragten in Großbritannien zu glauben, dass zwei Jahrzehnte eine zu kurze Zeit sind, um einen signifikanten Wertewandel im Sinne einer Abkehr vom Materialismus – mit seiner geringen Wertschtzung von umweltfreundlichen Produkten, Gesundheit und Service – oder eine Neuinterpretation des Begriffs Luxus im Sinne von Spiritualitt oder Wellness erwarten zu knnen. Der Kampf um Integration und sozialen Zusammenhalt wird anhalten, wobei mit einer im Wesentlichen konstanten Immigrationspolitik gerechnet wird, die eine Zunahme der Einwanderung weder bekmpft noch frdert. Die meisten nehmen an, dass wirtschaftliche berlegungen bei der Immigrationspolitik eine grßere Rolle spielen werden als der Glaube. Eine knappe Mehrheit meint, dass die Immigrantengemeinschaften im Jahr 2030 besser in die Gemeinschaften der Einheimischen in Großbritannien integriert sein werden und es zu weniger Spannungen und Konflikten kommen wird.
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Konsequenzen In welchem Maße sind diese Ergebnisse vom Geschlecht oder vom Alter des Befragten beeinflusst? In welchem Maße sind sie davon geprgt, dass die Befragten gerade einen Konjunkturabschwung erleben, den der Finanzminister Alistair Darling als den schlimmsten seit 60 Jahren bezeichnet hat?4 Die Ergebnisse der Befragung scheinen eher die schlimmsten Zukunftsngste der Bevlkerung widerzuspiegeln, als dass neue Mglichkeiten gesehen wrden oder Hoffnungen zum Ausdruck kmen. Ist dieser Mangel an positiven Visionen nun tatschlich ein Zeichen von Pessimismus? Oder ist er vielmehr auf fehlendes Wissen ber Innovationen, Paradigmenwechsel und neue, visionre Weltsichten zurckzufhren, die in den nchsten zwei Jahrzehnten die Entwicklungsmglichkeiten der Menschheit und des Planeten grundlegend verndern knnten, wenn wir nur in der Lage sind, die sich damit bietenden Chancen zu erkennen und zu ergreifen? Als Zukunftsforscher mssen wir die Frage klren, welches relative psychologische Gewicht ngste und negative Annahmen ber die Zukunft haben: Wiegen sie schwerer als positive Annahmen? Viele werden sagen, dass negative Bilder der Zukunft im Sinne einer „SelfDefeating Prophecy“ ntzlich seien: Sie animieren die Menschen dazu, Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Aber knnen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich negative Erwartungen erfllen, eine ebenso positive Zukunft schaffen wie transformative Maßnahmen, mit denen die Visionen einer Gemeinschaft in die Realitt umgesetzt werden sollen? Mit dieser Befragung wurde ein interessanter Ausgangspunkt gesetzt, um Annahmen ber die Zukunft in Europa zu betrachten und unterschiedliche Annahmen innerhalb der verschiedenen Kulturen Europas miteinander zu vergleichen. Der grßte Nutzen der Befragung wird darin liegen, dass sie sowohl einen interkulturellen als auch einen zeitlichen Vergleich ermglicht: Die Ergebnisse sind nicht nur aussagekrftiger, sondern auch ntzlicher, wenn sie in regel-
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mßigen Zeitabstnden erhoben werden, um verfolgen zu knnen, wie verschiedene Vorstellungsmuster, Wertvorstellungen und Weltsichten in Bezug auf die Zukunft entstehen und vergehen. Falls Interesse an einer Fortsetzung dieses Projekts bestnde und finanzielle Mittel dafr bereitgestellt wrden, knnten wir im Jahr 2030 von dem Luxus einer solchen bestimmte Zeitabschnitte umfassenden Datenbank profitieren. Bis dahin werden die vorliegenden Ergebnisse uns als Hinweis auf jene Bereiche dienen, wo wir als Einwohner Großbritanniens und Europas besonderen Herausforderungen gegenberstehen, bei denen es sowohl darum geht, die Mglichkeiten des Wandels anzuerkennen, als auch darum, Visionen von einem positiven Wandel zu entwickeln.
Anmerkungen 1 Fred. L. Polak, Kapitel II „The Image of the Future and the Actual Future“, in: The Image of the Future: Enlightening the Past, Orientating the Present, Forecasting the Future, Band 1: The Promised Land, Source of Living Culture, New York 1961, S. 52. 2 Discovery Channel, I Love the Whole World, abgerufen am 30. August 2008 unter: http://www.youtube.com/watch?v=at_f98qOGY0. 3 Sohail Inayatullah, Microvita and Social Evolution, in: New Renaissance, Band 10, Nr. 2, Ausgabe 33, 2001. 4 Nicholas Watt. Economy at 60-year low, says Darling. And it will get worse. The Guardian (elektronische Fassung), abgerufen am 30. August 2008 unter: http://www.guardian.co.uk/politics/2008/aug/30/economy.alistairdarling.
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Großbritannien 2030: Pessimismus im Gewand britischen Understatements Rohit Talwar
In diesem Kapitel werden die Aussagen der Befragten in Großbritannien zu den acht Bereichen der europischen Studie im Einzelnen betrachtet. Anschließend wird das Gesamtbild der Antworten bewertet.
Arbeit Gegenstand dieses Abschnitts sind drei zentrale Dimensionen von Arbeit: der Zustand der Wirtschaft, Alter und Rente sowie Fragen der Beschftigung. Wirtschaft
Trotz der weit verbreiteten Erwartung, dass die durchschnittlichen Gehlter im Westen frhestens 2050 unter denen in den Entwicklungslndern liegen werden, glauben nur 32 % der Befragten, dass die Gterproduktion bis 2030 berwiegend dort erbracht werden wird. Zurckgefhrt werden knnte dies auf die Annahme eines wachsenden Protektionismus einzelner Wirtschaftsnationen, einer Rckverlagerung der Produktion ins Inland zur Verringerung der Umweltbelastungen, auf Qualittsaspekte, auf den Druck von Aktionren oder auf eine Kombination dieser Grnde. Nur 10 % glauben, dass aufgrund der abnehmenden Bevlkerungszahl Vollbeschf-
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tigung mglich sein wird. Dies liegt entweder daran, dass Vollbeschftigung nicht als realistische Mglichkeit betrachtet wird, der wahrscheinlichere Grund ist jedoch die Erwartung, dass die britische Bevlkerung nicht schrumpfen, sondern wachsen wird, und zwar aktuellen Schtzungen zufolge von heute rund 61 Millionen auf 67 Millionen bis 2050.1 Alter und Renten
Die Ergebnisse zeigen, dass man sich immer strker der steigenden Lebenserwartung bewusst wird wie auch der Notwendigkeit, den Ruhestand langfristig zu planen. Immerhin 64 % aller Befragten und 67 % der Frauen erwarten, dass bis 2030 die meisten Beschftigten bis zum Alter von 75 Jahren arbeiten mssen. Heute liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Großbritannien bei unge-
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fhr 78,9 Jahren (76,4 fr Mnner und 81,5 fr Frauen); sie steigt um etwa fnf Monate pro Jahr. 2 Einige Versicherungsstatistiker behaupten, dass unter 50-Jhrige eine 90 %ige Chance haben, 100 Jahre alt zu werden. Fortschritte in der Genetik verleiten manche Experten gar dazu, von einer Lebenserwartung von 120 bis 150 Jahren bis 2030 zu sprechen. Die große Frage ist, wie sich die Gesellschaft der lngeren Lebenszeit anpasst: Was geschieht in Familienstrukturen, in denen 90-jhrige Kinder noch fr 110-jhrige Eltern verantwortlich sind? Wie wirkt sich ein lngeres Leben auf Ressourcenbedarf und Preise aus? Und wie gehen Unternehmen damit um, dass sie vier oder fnf Generationen am Arbeitsplatz beschftigen, die jeweils ihre eigenen Prferenzen und Arbeitseinstellungen haben, unterschiedlich kommunizieren, die Technik unterschiedlich einsetzen und Familie und Beruf auf jeweils eigene Weise ausbalancieren? Beschftigung
So, wie die verschiedenen Aussagen zur Beschftigung bewertet werden, scheinen die Befragten nicht alle Voraussagen zur Entwicklung in Europa zu kennen. Sie sehen zwar die Anzeichen, ziehen aus ihnen jedoch keine Schlussfolgerungen. Schwach ausgeprgt sind sowohl die Befrchtungen, dass Großbritannien einen nachhaltigen Schaden aus der aktuellen konomischen Misere davontragen wird, wie auch die Erwartungen, dass der Wohlstand in den Entwicklungslndern langfristig steigt. So vermuten beispielsweise trotz der Zweifel bezglich der Altersvorsorge nur 45 % aller Befragten, dass viele Arbeitnehmer einen Zweit- oder Nebenjob haben werden, obwohl bei dieser Einschtzung ein großer Unterschied zwischen weiblichen (51 %) und mnnlichen Befragten (39 %) besteht. 21 % gehen davon aus, dass die zehn grßten europischen Firmen Arbeitgeber von mehr als der Hlfte der europischen Beschftigten sein werden. Dies deutet darauf hin, dass man nicht von einer vollstndigen Fusion in allen Bereichen ausgeht. Dabei ist der Anteil bei den 35- bis 54-Jhrigen (26 %) deutlich grßer
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als bei den 16- bis 34-Jhrigen (16 %), was die Bereitschaft oder gar den Wunsch Letzterer unterstreicht, in einem kleinen Unternehmen zu arbeiten oder sich selbststndig zu machen. Nur wenige meinen, dass die Rationalisierung zu krzerer Arbeitszeit fhren wird – nur 17 % aller Befragten und nur 10 % der 16- bis 34-Jhrigen stimmen der Aussage zu, dass durch Automatisierung die meisten Menschen weniger als 25 Stunden in der Woche arbeiten werden. Die ber 55-Jhrigen sind diesbezglich etwas optimistischer (26 %). Dennoch erwarten die meisten, dass die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhalten bleibt, wobei nur 19 % von einer geringen Identifikation mit dem Arbeitgeber ausgehen. Auch bei den Kernwerten der Beschftigten, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder den Vergtungssystemen werden nur geringe nderungen erwartet. Nur 18 % nehmen an, dass den Arbeitnehmern bis 2030 Freizeit wichtiger sein wird als ein gutes Gehalt. Aber der Prozentsatz steigt mit dem Alter: Stimmen bei den 16- bis 34-Jhrigen nur 15 % der Aussage zu, so sind es bei den 35- bis 54-Jhrigen schon 19 % und bei den ber 55-Jhrigen 21 %. Obwohl das Entstehen neuer Mrkte und die kontinuierliche Globalisierung in den Medien stets prsent sind, glauben nur 11 %, dass bis 2030 jeder Arbeitnehmer mindestens einmal im Ausland gearbeitet haben wird. Auf die Frage zur Vergtung antworteten nur 8 %, dass viele Arbeitnehmer statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld erhalten werden.
Verhltnis zwischen Arm und Reich In diesem Abschnitt geht es um Art und Verteilung persnlichen Wohlstands in Großbritannien und um das Ausmaß globaler Ungleichheit.
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Persnlicher Wohlstand
Obwohl fast zwei Drittel der Befragten (61 %) denken, dass die Kluft zwischen Arm und Reich in Großbritannien grßer werden wird, verbinden sie Lebenserwartung nicht notwendigerweise mit Einkommen oder Wohlstand. Daher erwarten nur 40 % bei reichen Menschen eine deutlich hhere Lebenserwartung als bei armen. Nur 25 % denken, dass die Mittelschicht in Großbritannien verschwinden wird. Interessanterweise ist laut Schtzung des Brookings Institute die Mittelschicht in armen Lndern die am schnellsten wachsende Bevlkerungsschicht weltweit. Whrend die Weltbevlkerung in den nchsten zwlf Jahren um rund eine Milliarde Menschen wachsen wird, vergrßert sich deren Mittelschicht sogar um bis zu 1,8 Milliarden – allein in China um 600 Millionen. Der Prognose zufolge wird die globale Mittelschicht bis 2020 so stark gewachsen sein, dass sie gegenber den heutigen 30 % dann 52 % der Weltbevlkerung ausmachen wird. Die Mittelschicht wird sich in armen Lndern fast verdoppeln, da die Wirtschaft dort ununterbrochen wchst und die Menschen so ber die Armutsgrenze bringt.3 Diesen Vorhersagen zufolge kann die Hlfte der indischen Bevlkerung innerhalb weniger Jahrzehnte der Mittelschicht angehren, und die indische Kaufkraft pro Person wird von 2149 USD im Jahr 1999 auf 5653 USD bis 2020 steigen – und auf 16 500 bis 2040.4 Eine der grßten Aufgaben der Gesellschaft wird die zu erwartende Not lterer Menschen sein. Wenn zwei Drittel davon ausgehen, bis zum 75. Lebensjahr arbeiten zu mssen, ist es nicht berraschend, dass 55 % glauben, viele Arbeitnehmer werden nicht genug verdienen, um fr den Ruhestand vorzusorgen. Die Hlfte der Befragten nimmt an, dass Altersarmut ein ungelstes Problem bleiben wird. Angesichts sinkender Geburtenraten, steigender Lebenserwartung und des wachsenden Einflusses der ber 50-Jhrigen bei politischen Wahlen wre es fr die Regierung gefhrlich, diese Bevlkerungsgruppe zu ignorieren.
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Globale Ungleichheit
Die Befragten in Großbritannien scheinen kaum beeinflusst zu sein von der Diskussion ber das Wachstum der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China), der Vermutung, das BIP Chinas knnte das der USA bis 2015 bertreffen, und dem zunehmenden Interesse an den Next Eleven (N-11), also den elf Staaten, die dank eines wirtschaftlichen Aufschwungs weltweit agierenden Investoren vielversprechende Aussichten bieten (Bangladesch, gypten, Indonesien, der Iran, Sdkorea, Mexiko, Nigeria, Pakistan, die Philippinen, die Trkei und Vietnam) und bis 2025 zu den Top Twenty gehren knnten.5 Trotzdem glauben nur 20 %, dass sich die Kluft zwischen Industriestaaten und Entwicklungslndern bis 2030 verringert haben wird. Umverteilung des Wohlstands
Die Antworten deuten auf einen harten Kern konservativer Befragter hin, der gegenber heute nur geringe wirkliche Vernderungen der Einkommens- und Chancenverteilung erwartet. Nur 7 % gehen von sinkenden Gehltern der Top-Manager aus, und lediglich 17 % glauben, dass der Staat ein Mindesteinkommen unabhngig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw. garantieren wird. Jedoch ist unklar, ob die Menschen dies meinen, weil sie bezweifeln, dass die Politik diesen Themen Prioritt beimisst, oder weil sie der Ansicht sind, dass fr diese Untersttzungsmaßnahmen keine finanziellen Mittel bereitstehen. Nur 15 % glauben, dass in Großbritannien Kinder aus einfachen Verhltnissen durch bildungspolitische Programme die gleichen Bildungschancen erhalten wie Kinder aus Akademikerfamilien. Wiederum nur 15 % glauben zudem, dass sich die Briten 2030 umso mehr Kinder „leisten“ werden, je hher das Einkommen ist.
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Bildung In diesem Abschnitt werden Art und Struktur des Bildungssystems sowie die Auswirkungen individueller Entwicklungsmglichkeiten beleuchtet. Das Bildungssystem
Im Allgemeinen erwartet die Mehrheit der britischen Befragten bis 2030 nur einen geringen Wandel im Bildungssystem und nur wenig Fortschritt bei den Bildungsmethoden. Die optimistischste Antwort betrifft die Folgen, die die besseren Bildungschancen von Frauen nach sich ziehen, so die Mglichkeit, die „glserne Decke“ zu durchbrechen und Fhrungspositionen zu erreichen. Allerdings sind die Aussichten fr Großbritannien weiterhin trb, da nur 47 % der Meinung sind, dass bis 2030 mehr und mehr hoch qualifizierte Frauen Fhrungspositionen im Management bernehmen werden. Fremdsprachen waren fr Briten schon immer eine Barriere, und nur 44 % glauben, dass die meisten Europer bis 2030 zwei Sprachen fließend sprechen werden. Dies knnte in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft fr die Briten zu einem großen Problem werden. Es ist wahrscheinlich, dass sie bis 2030 genauso gut fr einen Arbeitgeber in China, Indien oder im Mittleren Osten arbeiten knnten wie fr einen in Europa oder den USA. Trotz der lauten Forderungen nach einer Bildungsreform und der bernahme bewhrter Anstze wie Online-Vorlesungen, beschleunigtem Lernen, Sonderunterricht und Begabtenprogrammen hat die Mehrheit der britischen Befragten keine großen Hoffnungen, dass diese Maßnahmen einen wirklichen Einfluss auf das heutige Bildungssystem haben werden. Und obwohl die Angebote der Online-Bildung weltweit – insbesondere in Asien – drastisch zunehmen, glauben nur 33 %, dass die besten Professoren zuknftig Online-Vorlesungen an verschiedenen Universitten gleichzeitig halten werden.
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Zwar wurden in den letzten Jahren immer mehr Kinder in schulgeldpflichtigen Schulen eingeschult, dennoch glaubt weniger als ein Viertel (24 %), dass es in Großbritannien mehr private als staatliche Schulen geben wird. Wenige Befragte erwarten eine bessere Frderung der Begabtesten und nur 23 % glauben, dass ein System zur Erkennung von besonderen Fhigkeiten viele Kinder schon ab dem Kindergarten frdern wird. Des Weiteren erwarten nur wenige der Befragten eine große Verschiebung hinsichtlich der „Anbieter“: Lediglich 18 % meinen, dass die Medien fr ein Drittel der Bildung verantwortlich sein werden und dazu spezielle Bildungsprogramme senden. Die Mehrheit erwartet, dass das bestehende Schulsystem auch weiterhin fr die Bildung verantwortlich bleiben wird. Tatschlich meinen nur 19 %, dass der informelle Bildungsbereich (z. B. Persnlichkeitsentwicklung) wichtiger als der formelle Bildungsbereich (z. B. Schulwissen) werden wird. Bildung und Chancen
In den letzten Jahren haben sich neue Berufsbilder wie Webdesigner, Informationsarchitekten, Nanotechnologen und Kulturkuratoren verstrkt entwickelt. Dennoch glauben nur 30 % der Befragten in Großbritannien, dass ein Viertel der jungen Arbeitnehmer in Berufen arbeiten wird, die es 2008 noch gar nicht gibt. Interessanterweise ist diese Zahl unter den 16- bis 34-Jhrigen sogar noch geringer (22 %) als in der Gruppe der ber 55-Jhrigen (36 %). Außerdem erwarten nur 26 %, dass sich Talentscouts großer Unternehmen schon in den Grundschulen nach dem Nachwuchs umsehen werden. In der Praxis gibt es bereits jetzt einen großen Einfluss der Wirtschaft auf das Schulsystem: Intel beispielsweise investiert mehr als 100 Millionen USD jhrlich, um vier Millionen Lehrern in 35 Lndern beizubringen, wie man Technologie in Lehrplne integrieren kann.6 Obwohl 70 % des Schtzwertes der ffentlichen Unternehmen auf deren Talentpool und geistigem Eigentum beruhen, erwarten nur wenige Befragte in Großbritannien – trotz der Phrase, die Mitarbeiter seien das Kapital eines Unternehmens –, dass sich dies in steigen-
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den Investitionen fr Aus- und Weiterbildung niederschlagen wird. Nur 25 % glauben, dass pro Jahr mindestens eine Weiterbildung fr jeden Arbeitnehmer selbstverstndlich sein wird.
Sicherheit Da sich in Studien wie dieser die Befragten zu bestimmten Themen eine Meinung bilden mssen, entsteht der Eindruck, dass die Mehrheit mglicherweise aktuelle Probleme in das Jahr 2030 extrapoliert. Bedrohungsempfinden
56 % aller Befragten denken, dass organisiertes Verbrechen ein großes Problem sein wird, wobei diese Befrchtung 66 % der ber 55-Jhrigen ußern, aber nur 41 % der 16- bis 34-Jhrigen. hnlich sieht es bei den 56 % aus, die meinen, dass Internetkriminalitt bis dahin stark zugenommen haben wird. Im Vergleich zu der am strksten besorgten Gruppe der 35- bis 54-Jhrigen (60 %) war der Anteil der 16- bis 34-Jhrigen (49 %) geringer. In der Realitt aber knnten wir bis 2030 schon bei der Internetversion Web 3.0, 4.0 oder 5.0 angelangt sein, und alles knnte ganz anders aussehen als heute: Sicherlich wird es sehr viel mehr Einschrnkungen geben, sprich berwachung und Kontrolle der Internetnutzung. Die Umfrage wurde vor dem Einmarsch Russlands in Georgien im August 2008 durchgefhrt, durch den Befrchtungen bezglich ressourcenbedingter Konflikte weltweit bestrkt wurden. Man kann sich vorstellen, dass die Antworten auf die nchste Frage anders ausgefallen wren, wenn die Befragung whrend des Krieges oder danach erfolgt wre. 53 % der Teilnehmer glauben, dass 2030 kriegshnliche Konflikte um natrliche Ressourcen wie l, Gas und Wasser ausgetragen werden. Angesichts der in der britischen Untersuchung „Stern-Report 2007“ beschriebenen Probleme infolge des Klimawandel und des dadurch bedingten akuten Wassermangels fr ein Sechstel der Weltbevlkerung scheint Wasser potenziell die Schlsselressource schlechthin fr zuknftige Konflikte zu sein.7
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Zum Thema Innenpolitik bekunden nur 31 % – entgegen den medialen Schwerpunkten und dem Mythos, Migranten seien der Grund fr wachsende Kriminalitt –, dass die Kriminalittsrate von Auslndern / Migranten bis 2030 doppelt so hoch sein wird wie bei den Einheimischen. In der gesamten Umfrage zeigt die Mehrheit der britischen Befragten relativ geringe Erwartungen an den naturwissenschaftlichen und technologischen Fortschritt – dies gilt gleichermaßen fr das wahrgenommene Gefhrdungspotenzial dieses Fortschritts. Nur 22 % sind der Auffassung, neue Technologien wie die Bio- oder Nanotechnologie knnten sich als gefhrlicher erweisen als 2008 angenommen. Persnliche Sicherheit
Die Vorhersagen fr den Zeitraum 2020 bis 2030 zeigen eine Welt, die strker staatlich kontrolliert ist und den Einzelnen intensiver berwacht, in der es dafr aber weniger Kriminalitt, einen hheren Grad an brgerlicher Ordnung und mehr innenpolitische Sicherheit gibt. Tatschlich hlt die Mehrheit der britischen Befragten persnliche Freiheit und Privatsphre fr wichtiger als Sicherheitsangelegenheiten, den oben stehenden Ansichten zum Trotz: Nur 32 % sind der Meinung, dass bis 2030 Sicherheit fr viele Menschen wichtiger sein wird als die eigene Privatsphre. hnlich sehen es die 31 %, die sich vorstellen knnen, dass viele Menschen einen Chip zur Identifikation und Lokalisierung tragen werden. Der Anteil ist bei den 16- bis 34-Jhrigen mit 36 % hher und bei den ber 55-Jhrigen mit 25 % niedriger als der Durchschnitt. Dies legt nahe, dass zuknftige Generationen solche Mittel eher akzeptieren werden – mglicherweise, weil ihrer Meinung nach ein solcher Chip die Funktionen von Kreditkarte, Reisepass, Portemonnaie, Personalausweis und Krankenakte bernehmen knnte.
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Prvention und Aufklrung
Auch hier erwartet die Mehrheit nur sehr begrenzt Fortschritte bei der Verbrechensprvention und der Festnahme und Abschreckung von Ttern und Rckfallttern. Nur 32 % glauben, dass berwachungskameras Straftter direkt bei der Tat identifizieren knnen. Und noch weniger Befragte (19 %) meinen, dass der europische beziehungsweise internationale Datenaustausch helfen wird, Straftaten schneller aufzuklren, sodass sich die Menschen sicherer fhlen werden als 2008. Zudem erwarten nur 27 %, dass der Staat kriminelle Handlungen strker bestrafen wird. Zwar gibt es in der Erhebung keine spezielle Frage hierzu, aber beim Lesen der Abschnitte kommt ein interessanter Gedanke auf, nmlich dass ltere, rmere Brger, die sich ihr Leben als Rentner nicht leisten knnen, zunehmend Straftaten begehen werden. Niedrige Aufklrungsraten und die Tatsache, dass ein berlasteter Staat weder finanzielle Mglichkeiten und Ressourcen hat noch bereit ist, jeden Fall zu verfolgen, auch wenn der Schuldige schon gefasst ist, mgen Menschen bei einer Risikoabschtzung dazu ermutigen, in grßerem Umfang Gesetze zu brechen.
Familie Die sich verndernden sozialen Strukturen sowie die Konsequenzen fr den Einzelnen und die Gesellschaft stehen im Mittelpunkt dieses Abschnitts. Familienstrukturen
Eines der berraschendsten Ergebnisse ist der vermutete Rckgang der Eheschließungen, obwohl die Anzahl der Scheidungen derzeit sinkt und die Ehe in ihren unterschiedlichen Formen seit Jahrhunderten besteht. 63 % aller Befragten und 66 % der 16- bis 34-Jhrigen und 35- bis 54-Jhrigen nehmen an, dass bis 2030 die meisten Paare unverheiratet zusammenleben werden. Die Grnde dafr sind unklar. Handelt es sich nur um eine Modeerscheinung oder liegt es
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am sinkenden Einfluss der Religion auf die Gesellschaft oder an dem Druck, Arbeits- und Privatleben in ein ausgewogenes Verhltnis zu bringen, an einer spteren Familiengrndung, an der sinkenden Bereitschaft, sich festzulegen, oder an einer kalkulierten konomischen Entscheidung. Trotz der sich ndernden sozialen Strukturen und des Drucks, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, sowie der wachsenden Beliebtheit von Social-Networking-Communities, die laut Schtzungen bis Ende 2008 387 Millionen und bis 2012 eine Milliarde User haben werden, 8 erwarten nur 19 % der Befragten, dass jede dritte Partnerschaft / Lebensgemeinschaft / Ehe aus einem Internet-Dating-Netzwerk hervorgeht. Die Mehrheit von 52 % glaubt, dass gleichgeschlechtliche Paare knftig heiraten und Kinder adoptieren knnen. Interessant ist, dass die befragten Frauen (56 %) offensichtlich liberaler sind als die Mnner (47 %). Nur 34 % der Befragten erwarten, dass Frauen im Durchschnitt zwei Kinder bekommen werden, ein grßerer Teil geht von einem geringeren Durchschnitt aus. Die Grnde hierfr sind mglicherweise dieselben wie bei den sinkenden Eheschließungen. Von denjenigen, die selbst Kinder haben, glauben nur 30 %, dass man bis 2030 durch knstliche Befruchtung das Geschlecht, die Haarfarbe und die Grße des Nachwuchses vorbestimmen kann. Wird die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf bei anderen Fragen indirekt angesprochen, so ist sie einmal explizites Thema: Allerdings glauben nur 26 %, dass es vielen Frauen mglich sein wird, beides miteinander zu vereinbaren. Sind es auch mehr Frauen (28 %) als Mnner (23 %), so verweist dies in Verbindung mit den Antworten zu Frauen in Fhrungspositionen auf eine zurckhaltende Einschtzung der Frage, ob die Gesellschaft mnnerdominierte Strukturen, Wertvorstellungen und herrschende Denkmuster durchbrechen kann. Herausforderung Alter
In den nchsten 20 bis 30 Jahren werden die beralterung der Gesellschaft und deren Umgang damit immer wichtiger werden. Der grßte Anstieg der Lebenserwartung, den es je gegeben hat, setzt
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Rentensystem, Gesundheits- und Wohnversorgung sowie Familienstrukturen unter Druck. Die Zahl der lteren Whler nimmt immer mehr zu, sodass die Regierung Ressourcen aus anderen Bereichen der Gesellschaft umverteilt und insbesondere von Kindern und jungen Leuten abzieht. Zwar werden das Problem des lterwerdens und die daraus erwachsende Herausforderung an das Rentensystem den vorangegangenen Antworten zufolge erkannt, jedoch erwartet die Mehrheit der britischen Befragten nicht, dass es zu Entwicklungen kommt, die dieser wesentlichen Vernderung der Gesellschaftsstruktur entsprechen. Nur 37 % meinen, dass es aufgrund der alternden Gesellschaft mehr Tagessttten fr ltere Brger (analog zu den Kindertagessttten) geben wird. Diejenigen, die sich in der Gruppe der ber 55-Jhrigen dem Ruhestand nhern, erwarten dies mit 46 % eher als die 16- bis 34-Jhrigen (28 %). Trotz der erwhnten Probleme, die mit der Finanzierung des Ruhestands einhergehen, erwarten nur 32 %, dass Familienmitglieder fr die Renten der hochbetagten Eltern oder Großeltern die finanzielle Verantwortung tragen werden. Wie Ruhestndler Notlagen finanzieren knnten, ist unklar, aber nur 24 % meinen, dass finanzielle Not oder der Wunsch nach Gesellschaft dazu fhren werden, dass mehr Menschen ber 60 Jahre Wohngemeinschaften grnden als unter 30-Jhrige. Interessant wre es zu erfahren, wie sich die Mehrheit vorstellt, wo die ber 60-Jhrigen leben werden. Sollen sie bei ihren Kindern und Enkelkindern untergebracht werden oder in Seniorenheimen – und wenn ja, wer wrde dies finanzieren? Angesichts der wachsenden Whlermacht der ber 50-Jhrigen ist die Tatsache interessant, dass eine sehr große Mehrheit der britischen Befragten nicht daran glaubt, dass hier etwas unternommen wird. Lediglich 7 % sind der Meinung, dass bis 2030 durch die große Anzahl von lteren Brgern und die gleichzeitige Bercksichtigung der Interessen von jungen Brgern die Stimmen der unter 50-Jhrigen bei Wahlen doppelt zhlen werden.
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Umwelt Die Umwelt wird durch das Bevlkerungswachstum und ein hheres Konsumniveau aufgrund steigenden Wohlstands zunehmend belastet. Nach UN-Hochrechnungen wird die Weltbevlkerung von heute 6,6 Milliarden bis 2025 auf 8 Milliarden und bis 2050 auf 9,2 Milliarden Menschen wachsen.9 Zunehmend werden Hunderte von Millionen Menschen in Schwellenlndern mehr verdienen und lnger leben, was den Lebensmittelkonsum und den Bedarf an Trinkwasser und Energie stark ankurbelt und so weiteren Druck auf die natrlichen Ressourcen ausbt. Dem Bericht Living Planet des WWF (World Wide Fund for Nature) zufolge werden die Menschen die natrlichen Ressourcen der Erde sehr schnell aufbrauchen. Behalten wir das derzeitige Konsumlevel bei, bentigen wir in den nchsten 40 Jahren laut Schtzungen des WWF die Rohstoffmenge
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zweier Planeten. Wrde der weltweite Konsum auf europisches Niveau steigen, wren drei Planeten, beim Anstieg auf amerikanisches Niveau fnf Planeten ntig.10 Gleichzeitig ist der ffentlichkeit das Risiko eines gefhrlichen Klimawandels bewusst. Immer noch wird unter Wissenschaftlern, Politikern und konomen eine energische Debatte darber gefhrt, was diesen Wandel verursacht und wie man ihm begegnen kann. Immer strker hat diese von Menschen verursachte Klimavernderung fr Regierungen, Organisationen und Brger moralisch, kologisch, politisch und konomisch Prioritt. Die derzeitigen Kohlendioxid- und Methangaskonzentrationen in der Atmosphre sind die hchsten seit 650 000 Jahren. Ein 5- bis 10 %iger Anstieg der Windgeschwindigkeiten von Orkanen verbunden mit steigenden Meerestemperaturen wird bis 2017 in den USA zu schtzungsweise doppelt so hohen jhrlichen Schadensausgleichskosten fhren (bis zu 150 Milliarden USD).11 Laut dem britischen Stern-Report von 2007 ber den wirtschaftlichen Einfluss des Klimawandels msste unverzglich ein Prozent des globalen BIP zur Bekmpfung des Klimawandels eingesetzt werden. Denn wenn nicht gehandelt wird, knnten aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels auftretende Fluten bis zu 100 Millionen Menschen vertreiben. Gleichzeitig knnten Drren zu Klimaflchtlingen im zwei- bis sogar dreistelligen Millionenbereich fhren und schmelzende Gletscher bewirken, dass ein Sechstel der Weltbevlkerung unter Wasserknappheit leidet. Als mgliche Folgen der globalen Erwrmung knnten die weltweite Lebensmittelproduktion bis 2020 um 20 % und die Einnahmen aus der Landwirtschaft um 16 % sinken.12 Dem Stern-Report zufolge knnten die wirtschaftlichen Auswirkungen eines unverminderten Klimawandels die Weltgemeinschaft pro Jahr 5 % des BIP kosten. Wrde man dagegen einen CO2-armen Weg einschlagen, so ein Argument des Berichtes, knnte die weltweite Wirtschaft mglicherweise sogar einen Profit von bis zu 2,5 Trillionen USD pro Jahr erzielen. Bis 2050 knnte der
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Markt fr CO2-arme Technologien mindestens 500 Milliarden USD wert sein.13 Technische Lsungen und Verhaltensempfehlungen
Obschon man sich der Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstils und der Gefahren des Klimawandels bewusst ist, hoffen von den Befragten in Großbritannien nur wenige darauf, dass sich die Herausforderungen technisch lsen lassen. Optimismus gibt es nur hinsichtlich des Verhaltens – hier erwarten 64 %, dass bis 2030 der meiste Mll recycelt wird. Dagegen glauben nur 39 %, dass Sonnenund Windenergie ber die Hlfte des Energiebedarfs decken werden, und nur 13 %, dass das Problem des Klimawandels durch technische Entwicklungen gelst sein wird. Noch geringer ist die Zahl derer, die an radikalere Durchbrche glauben – nur 7 % knnen sich vorstellen, dass Wetterstationen entwickelt werden knnten, die Regen, Sonne und Schnee berall dort entstehen lassen, wo es gewnscht wird. Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen
Die Mehrheit der britischen Befragten scheint außerdem zu glauben, dass die Risiken bertrieben werden. Nur 32 % meinen, dass durch die hohen Energiepreise die Warmmiete fr eine Wohnung doppelt so hoch sein wird wie die Kaltmiete. Trotz steter Warnungen fr berflutungsgebiete und trotz des Umstandes, dass das Hab und Gut in bestimmten Gegenden, Drfern und Stdten nicht versicherbar ist, erwarten nur wenige, dass die Umwelt bei Entscheidungen zur Lebensfhrung, wie beispielsweise der Wahl des Wohnorts, eine Rolle spielen wird. Nur 30 % glauben, dass mehr Menschen außerhalb von großen Stdten leben werden, um der Umweltbelastung in den Innenstdten zu entkommen. berzeugt davon, dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser in Europa solche Bedeutung gewinnt, dass es knftig als Luxus betrachtet wird, sind nur 23 %. Ein hnlicher Prozentsatz (22 %) meint, dass Umweltverschmutzung die Todesursache Nummer eins
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sein wird, und ebenfalls nur 23 % erwarten, dass ein großer Teil der Bevlkerung in Entwicklungslndern Hunger leiden muss, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen fr regenerative Energie als fr die Nahrungsversorgung angebaut werden. Nicht zuletzt drckt sich das mangelnde Vertrauen in Wissenschaft und Technik in mageren 11 % Zustimmung zu der Aussage aus, dass Hunger dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem sein wird.
Konsum Nach gleichem Antwortmuster wie in allen bisherigen Kategorien erwarten die britischen Befragten entscheidende Vernderungen weder in Bezug auf Produktionssysteme und Konsummuster noch hinsichtlich der Einflsse auf das Kaufverhalten. Aber es gibt zwei auffllige Ausnahmen: 73 % sind der Meinung, dass Alltagsgter (z. B. Lebensmittel) deutlich teurer werden, und 53 % denken, dass die meisten Konsumgter im Internet gekauft werden. Kaufverhalten
42 % der britischen Befragten gehen davon aus, dass die meisten Haushalte weiterhin mindestens zwei Autos haben werden. Sie meinen also, dass sich hinsichtlich der Automobilitt nichts ndern wird, was interessant ist angesichts des Ressourcenverbrauches. Aktuell kommen in Großbritannien auf 1000 Einwohner rund 545 Autos, im Vergleich dazu sind es in Indien etwa zehn Autos pro 1000 Einwohner – bei insgesamt 1,15 Milliarden Brgern. 14 Wrden in Indien britische Verhltnisse herrschen, so gbe es dort mehr als 615 Millionen Autos auf den Straßen – eine schier unvorstellbare Zahl und undenkbare Vorstellung. Nichtsdestoweniger hat die Markteinfhrung des indischen Autos Tata Nano, dem mit 2500 USD preisgnstigsten Auto der Welt,15 die Ansprche der Verbraucher hinsichtlich dessen, was sie sich leisten knnen, erhht und das Auto als Massenphnomen in unvorhergesehenem Ausmaß denkbar gemacht.
Großbritannien
Obwohl das Thema Nachhaltigkeit den Schwerpunkt bildete, erwarten nur 28 %, dass die meisten Menschen koprodukte kaufen werden. Luxus scheint die Mehrheit eher mit Markenimage, Qualitt, Preis und Funktionalitt gleichzusetzen als mit eher geistigen Werten wie Zeit und Ruhe (20 %). Trotz der Debatte ber Gesundheitskosten und hhere Lebenserwartung sowie der Sorge um Volksgesundheit und Lebensgewohnheiten (Stichwort Fettleibigkeit) glauben nur 16 %, dass der Großteil der Konsumausgaben in den Gesundheitsbereich fließen werden. Und nur 13 % meinen, Service und Beratung werden wichtiger sein als ein gnstiger Preis. Produktherkunft
Es scheint, als gbe es in den mehrheitlich gegebenen Ausknften zur Produktherkunft einen inneren Widerspruch: Einerseits nehmen nur 34 % an, dass mehr als die Hlfte aller Produkte aus Asien kommen werden. Dies mag mit der Vermutung zusammenhngen, die Produktion knne sich in andere Niedrigkostenlnder, beispielsweise nach Afrika, verschieben. Umweltfaktoren und die Absicht, Transportwege zu verkrzen, spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Denkbar auch, dass der Wunsch besteht, Produkte vor Ort zu beziehen und die einheimische Produktion zu untersttzen. Ein Grund knnte zudem in der Hoffnung auf schnelle Fortschritte in der Produktionstechnik liegen: Es knnten kleine, wirtschaftlich rentable Fabriken mit geringem CO2-Ausstoß entstehen, die den Bedarf der lokalen Mrkte decken. Allerdings scheinen diese Zusammenhnge nicht auf die Lebensmittelproduktion zuzutreffen – hier sind nur 13 % davon berzeugt, dass die meisten Lebensmittel im eigenen Land hergestellt werden.
Integration Auch wenn das Thema Migration in Großbritannien zurzeit ein „heißes Eisen“ ist und die konomischen und sozialen Auswirkungen debattiert werden, legen die Aussagen der Mehrheit der briti-
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schen Befragten nahe, dass sie weder bei der Einwanderungspolitik noch beim Verhalten von Migranten bis 2030 entscheidende Vernderungen erwarten. Indes wird Migration fr kommende Regierungen tatschlich ein politisches Kernthema werden mssen. Aktuellen Schtzungen zufolge wird das Gros des fr Großbritannien erwarteten Bevlkerungswachstums von sechs Millionen Menschen durch EU-Binnenmigration verursacht werden. Zusammen mit der deutlich hheren Geburtenrate einiger Migrantengruppen wird dies die ethnische Zusammensetzung der britischen Bevlkerung stark verndern. In der Befragung haben insgesamt 40 % der Aussage zugestimmt, es werden mehr Einwanderer aus Entwicklungslndern als aus EU-Lndern ins Land kommen. Migrationspolitik
27 % der Befragten stimmen zu, dass Glaube und Religion eine wichtige Rolle in der Migrationspolitik spielen werden. Nur wenige erwarten, dass es drastische Maßnahmen zur Frderung oder Verhinderung von Migration geben wird: Nur 16 % meinen, dass Europa seine Grenzen fr Nichteuroper schließen wird, um den ngsten der Bevlkerung Rechnung zu tragen. Ebenfalls nur 16 % glauben, dass viele europische Lnder Auslnder ins Land holen werden, um der eigenen beralterung entgegenzuwirken. Integration von Auslndern
Insgesamt glauben nur 27 %, dass die Integration von Auslndern in Zukunft einfacher wird. Obwohl Auslnder bislang vor allem in Gegenden gezogen sind, in denen viele ihrer Landsleute leben, wird dies nicht fr die Zukunft erwartet. Nur 43 % meinen, dass die meisten Auslnder unter sich in bestimmten Stadtteilen wohnen werden. Die 16- bis 34-Jhrigen sehen die Integration mit 36 % am optimistischsten. Die ber 55-Jhrigen sind mit 51 % am wenigsten optimistisch, was sich aber daraus erklren mag, dass sie ihre Zukunftssicht aus den Erfahrungen der Vergangenheit fortschreiben. Durch die kulturelle Vielfalt, so vermuten 43 % aller Befragten, wird es zu Konflik-
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ten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Trken) kommen – dies erwarten jedoch nur 35 % der 16- bis 34-Jhrigen, aber immerhin 47 % der 35- bis 54-Jhrigen. Auf sozialer und kultureller Ebene wird wirkliche Integration nur in geringem Maße fr wahrscheinlich gehalten: Lediglich 25 % glauben, dass in Europa ein Drittel der Partnerschaften multinational / multikulturell sein werden. Ein gutes Drittel (34 %) erwartet, dass tragbare technische Gerte und Telefone mit Simultanbersetzung die Kommunikation erleichtern werden. Weitere 16 % sind der Ansicht, dass die Integration in den meisten europischen Lndern nur bei gebildeten Einwanderern funktionieren wird. Hoffentlich ist dies ein Anzeichen dafr, dass die Mehrheit glaubt, Integration kann bei Migranten aller Bildungsstufen erfolgreich sein.
Fazit Insgesamt betrachtet zeigen die Antworten aus Großbritannien ein relativ ernchterndes Bild. Die Mehrheit sieht in der Globalisierung nur wenige Tendenzen, von denen die sogenannte Dritte Welt profitieren wird oder die im eigenen Land zu Vollbeschftigung fhren knnen. Die zunehmende beralterung bringt nach Ansicht vieler Befragter mit sich, dass man bis zum 75. Lebensjahr arbeiten muss, wobei die Hlfte der Befragten mit finanziellen Engpssen rechnet und nur ein Drittel meint, dass dann die Familie einspringen und helfen wird. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird den Antworten zufolge grßer, aber es gibt nur wenig Zuversicht, dass sich in der Beschaffenheit der Arbeit oder bei den Motivations- und Vergtungssystemen viel ndern wird. Es gibt auch beim Bildungssystem nur geringe Erwartungen hinsichtlich Strukturvernderungen oder einer deutlichen Zunahme von Online-Bildung, Begabtenfrderung, Privatschulen und neuen Bildungsmglichkeiten. Einige wenige meinen, es wrde mehr in Arbeitsplatzbeschaffung und Ausbildung investiert werden. Die Mehrheit sorgt sich um organisiertes Verbrechen, Internetkriminalitt und
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zwischenstaatliche Konflikte wegen natrlicher Ressourcen. Dennoch will die Mehrheit ihre persnliche Freiheit und Privatsphre nicht fr einen hheren Grad an Sicherheit aufgeben. Es gibt zudem nur wenig Hoffnung, dass es bei Verbrechensprvention und Aufklrungsmethoden zu deutlichen Fortschritten kommt. Beim Thema Familie werden mehrheitlich ein Rckgang der Eheschließungen, die Zunahme gleichgeschlechtlicher Ehen sowie eine geringere Anzahl an Frauen mit mindestens zwei Kindern erwartet. Die Problematik der alternden Gesellschaft wird zwar wahrgenommen, doch glauben nur wenige der Befragten, dass sich Politik und Verhalten entscheidend ndern werden, um sich den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Im Bereich Umwelt wird von zunehmendem Recycling ausgegangen, aber es gibt nur eine schwache allgemeine Hoffnung, dass die Herausforderungen, die der Klimawandel und die Energie- und Lebensmittelversorgung der Bevlkerung mit sich bringen, bewltigt werden knnen. Es besteht allerdings auch der Eindruck, dass das Gefahrenpotenzial von Umweltschdigung und Umweltverschmutzung oder Hunger bertrieben sein knnte. Die Mehrheit glaubt, dass der Konsum von Basisgtern wie beispielsweise Lebensmitteln deutlich steigt und die meisten Konsumgter online gekauft werden. Es gibt jedoch nur wenig Zuversicht, dass sich das Kaufverhalten zugunsten umweltfreundlicher Produkte ndern wird. Die Mehrheit erwartet interessanterweise, dass die meisten Grundnahrungsmittel importiert werden, der Großteil der Konsumgter aber vor Ort hergestellt wird. In Hinblick auf Integration sind die Erwartungen gering, dass es in der Migrationspolitik oder bei der Eingliederung von Auslndern in die soziale Gemeinschaft einen wirklichen Fortschritt geben wird. Im Allgemeinen halten es die britischen Befragten in den meisten Bereichen fr eher unwahrscheinlich, dass es bei der Bewltigung der Alltagsprobleme einen wirklichen Fortschritt geben wird. Dabei gibt besonders die Divergenz zwischen Regierungspolitik und ffentlicher Erwartung im Bereich Wissenschaft und Technik Anlass zu
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großer Sorge: Zurzeit verlsst sich die britische Regierung sehr stark darauf, den vielseitigen Herausforderungen von Umwelt, Klimawandel, Kriminalitt, Hunger und Bildungsanforderungen mittels technischer Lsungen beikommen zu knnen. Die Befragung zeigt aber, dass nur eine Minderheit glaubt,Technik knne dies tatschlich leisten. Viele der Antworten sind „typisch britisch“: Anstehende Probleme werden unterbewertet, zugleich sind die Erwartungen bezglich Wandel und Fortschritt nur gering. Im Glauben an die Zukunft kann man nur hoffen, dass die britische Gesellschaft und die Regierung ihr Bewusstsein fr die Vernderungen schrfen, mit denen wir konfrontiert sind, und zugleich begreifen, dass viele Lsungen in unserer eigenen Hand liegen.
Anmerkungen 1 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/uk.html sowie http://www.un.org/esa/population/unpop.htm cited in http://www.brusselsjournal.com/node/1982 2 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/uk.html 3 http://www.investopedia.com/articles/07/global_trends.asp sowie http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=4166 4 http://www.theglobalist.com/DBWeb/StoryId.aspx?StoryId=2195 5 http://en.wikipedia.org/wiki/Next_Eleven 6 http://www.microsoft.com/education/schooloffuture.mspx 7 http://news.bbc.co.uk/1/hi/business/6096084.stm 8 http://www.strategyanalytics.net/default.aspx?mod=ReportAbstractViewer &a0=3688 9 http://www.un.org/popin/data.html 10 http://www.naturalnews.com/020873.html 11 http://www.dailymail.co.uk/pages/live/articles/news/news.html?in_article_id =413451&in_page_id=1770 12 http://news.bbc.co.uk/1/hi/business/6096084.stm 13 http://news.bbc.co.uk/1/hi/business/6096084.stm 14 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html 15 http://news.bbc.co.uk/2/hi/business/7180396.stm
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Italien 2030: Kollektiver Pessimismus und das „Licht der Hoffnung“ Riccardo Cinquegrani
In diesem Kapitel geht es darum, eine Art Zukunftsbild von Italien im Jahr 2030 zu entwerfen. Wie die Zukunft der italienischen Gesellschaft aussehen knnte, wird anhand von acht verschiedenen Themenbereichen analysiert. Mithilfe dieser Analyse sollen die entscheidenden Fragen der Zukunft herausgearbeitet und der Versuch unternommen werden, Antworten darauf zu finden. Jeder Themenkomplex umfasst ein breites Spektrum an Ideen und Inhalten, so berhrt bspw. Integration zugleich Aspekte der Zukunft der EU und der Außenpolitik, das Thema Arbeit die Rolle von Robotik und Automation fr unser tgliches Leben, whrend die Kategorien Verhltnis zwischen Arm und Reich und „Familie“ Probleme aufgreifen, die mit der sogenannten alternden Gesellschaft einhergehen. Ziel dieser Studie ist es, eine Vielzahl gesellschaftlicher Einflussfaktoren abzudecken, doch einige wichtige Aspekte, wie die Rolle der Forschungspolitik, die zunehmende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologie fr die Verbreitung von Informationen, der steigende Stellenwert der Biotechnologie, der Einsatz von neuen Materialien im Herstellungsbereich (Viren in der Textilindustrie, ultraleichte Komponenten aus der Luftfahrt in der Automobilindustrie), 1 wurden in den Fragebgen der Umfrage nicht ausdrcklich erwhnt. Wahrscheinlich ist ein Teil der Befragten deshalb der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Themenblcke und die ihnen zugeordneten Aussagen zum Ankreuzen nicht detailliert
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genug sind, um ein Bild der italienischen Gesellschaft im Jahr 2030 zeichnen zu knnen.
Die Hauptanliegen der italienischen Befragten Ein sinnvoller Weg zur Einordnung der gewonnenen Ergebnisse ist die Bestimmung der Top 12, d. h. der zwlf wichtigsten Aussagen, die die Befragten unabhngig vom bergeordneten Thema am hufigsten angekreuzt haben.2 Abbildung 1 gibt diese Aussagen wieder, gewichtet nach dem Prozentsatz der positiven Antworten. Die Grafik macht zwei Dinge deutlich: a) Man kann die Top 12 anhand der unterschiedlichen Prozentstze in drei unterschiedliche Gruppen einteilen; b) Eine Aussage, nmlich „2030 werden in Italien die meisten Paare zusammenleben, ohne verheiratet zu sein“, scheint signifikant wahrscheinlicher zu sein als alle anderen. Sicherlich entwirft die zweite Aussage kein revolutionres Bild von der Zukunft Italiens, da dieser Status der Lebensgemeinschaft bereits heute fr einen betrchtlichen Teil der Paare gilt. 3 Allerdings sollte man mindestens zwei Aspekte beachten: Erstens trat in Italien das Gesetz, das die Rechtmßigkeit von Trennung und Scheidung verfgte, 1974 im Anschluss an ein Referendum in Kraft, das die ffentliche Meinung in zwei Lager spaltete; zweitens wurde der herkmmlichen Familie lange Zeit ein Wert beigemessen, den man als grundlegend fr die italienische Gesellschaft erachtete. Wenn man das obige Ergebnis also vor dem Hintergrund dieser Zusatzinformationen betrachtet, kann man annehmen, dass sich die italienische Gesellschaft hin zu einem neuen Familienmodell entwickelt, das nicht mehr unbedingt eine Heirat voraussetzt.4 Die Liste der Top 12 betrachtet, lauten die einzelnen Aussagen und die drei vorgeschlagenen Kategorien wie folgt:
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Abbildung 1
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1)
Partnerschaft
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein. (51 %) 2)
„Money’s too tight to mention“ – Geldknappheit
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist grßer geworden.
(39 %)
Alltagsgter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
(38 %)
Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten. 3)
(38 %)
Instabilitt: Hoffnungen und ngste
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
(33 %)
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um fr ihre Altersvorsorge zu sparen.
(32 %)
Der meiste Mll wird wiederverwertet.
(32 %)
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
(32 %)
Organisierte Kriminalitt ist in allen Lndern Europas ein großes Problem.
(32 %)
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
(31 %)
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
(31 %)
Die meisten Europer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
(31 %)
Obwohl die erste Gruppe einen extrem privaten Bereich betrifft, markiert sie zugleich eine Entwicklung, die einen Wandel der Gesellschaft und der Lebensformen in Italien ankndigt. Die Zustimmung eines hohen Prozentsatzes der Befragten (die Zustimmungsquote hebt sich deutlich von anderen ab) und die tief greifenden Auswirkungen, die dieser Aspekt fr die italienische Gesellschaft mit sich bringt, scheinen die Bedeutung der Aussage noch zu unterstreichen. Zwei wesentliche Faktoren machen die Besonderheit Italiens aus: eine starke Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern sowie ein Sozialstaat, der junge Menschen nur sehr begrenzt direkt untersttzt. Genau diese Merkmale sind dafr verantwortlich, dass das Zusam-
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menleben ohne Trauschein in Italien eher wenig verbreitet ist. 5 In Anbetracht dessen, dass sich die staatlichen Hilfeleistungen fr junge Paare kaum verbessern drften, wird sich dieser Wandel aus einer Neuordnung der Rollen und Verhltnisse innerhalb der Familien ergeben. Die zweite Gruppe (rund 38 %) wurde mit „Money’s too tight to mention“ berschrieben (dem Titel eines ironischen und zugleich bitteren Songs der Popband Simply Red), da alle drei Aussagen mit der Notwendigkeit zu tun haben, Geld zu verdienen – insbesondere fr ltere Menschen. Vor allem Aussagen wie „Alltagsgter sind deutlich teurer“ und „Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten“ scheinen sich selbst zu erklren: Unabhngig davon, ob die Grnde dafr unklar oder vollkommen verstndlich sind, haben die meisten Befragten das Gefhl, dass das Leben, vor allem fr ber 75-Jhrige, sehr schwierig werden wird. Die Befriedigung elementarer Bedrfnisse wird zum Alltagsproblem. Dies wird fr einen großen Teil der Gesellschaft gelten, doch keineswegs fr alle, denn „die Kluft zwischen Arm und Reich wird grßer“. Dieses Phnomen zeigt erneut, dass sich die Struktur unserer Gesellschaft unter demografischen Gesichtpunkten grundlegend verndert. Die Vorstellung einer alternden Gesellschaft spiegelt „eine gesellschaftliche Entwicklung zu hherer Lebenserwartung und einer sinkenden oder weiterhin niedrigen Geburtenrate, die eine vernderte Struktur der Bevlkerung nach sich zieht mit einem immer grßeren Anteil alter Menschen gegenber dem Anteil an Kindern und Jungendlichen sowie an Menschen im arbeitsfhigen Alter“. 6 In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwhnen, dass die italienische ffentlichkeit bereits seit zehn Jahren von der Frage, welche Form von Sozialstaat in Zukunft die richtige ist, sowie von der Medienkampagne ber eine mgliche Reform des Rentensystems beherrscht ist und sich daran die nchsten 20 Jahre voraussichtlich nichts ndern wird. Man kann die Aussagen in dieser Gruppe bis zu einem gewissen Grad als Ergebnis einer „kollektiven Prognose“
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ansehen, denn mehr als ein Drittel der Befragten ist der Ansicht, dass eine Fortsetzung der aktuellen Entwicklungen ber die nchsten 20 Jahre aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich bestimmter Gter (v. a. der Lebensmittel) und Sozialleistungen (v. a. der Gesundheitsversorgung) sowie deren Verfgbarkeit die Nachhaltigkeit und Qualitt des Lebens bedrohen wrde. Die dritte Gruppe ist weniger homogen: Acht Aussagen mit weniger als zwei Prozentpunkten Abweichung untereinander deuten auf eine Konzentration von Konzepten mit unterschiedlichen Bedeutungen hin. In diesem Zusammenhang erscheint die Bildung von Kategorien und Untergruppen sinnvoll. x
Instabilitt und ngste: Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein
Luxus; Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um fr ihre Altersvorsorge zu sparen; Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1; Organisierte Kriminalitt ist in allen Lndern Europas ein großes Problem; Eine Mittelschicht gibt es kaum noch. Diese Aussagen knnten einfach als Ausdruck eines kollektiven Pessimismus klassifiziert werden. Doch wenn wir die Umfrageergebnisse genauer analysieren, sehen wir, dass die fnf Aussagen in vier unterschiedliche Themenblcke fallen (Verhltnis zwischen Arm und Reich, Arbeit, Umwelt und Sicherheit); es geht nicht einfach um Angst oder Unbehagen in vielerlei Hinsicht, sondern hier scheint sich eher eine Art gesellschaftlicher Schock zu artikulieren. x
Hoffnungen: Der meiste Mll wird wiederverwertet; Viele Arbeit-
nehmer haben Zweit- und Nebenjobs; Die meisten Europer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend. Diese Gruppe lsst vermuten, dass das Italien des Jahres 2030 durch technologische Effizienz (in Bezug auf Mllrecycling) und soziale Instabilitt (laut oben genannter Aussagen haben die Menschen nicht freiwillig, sondern notgedrungen einen Zweitjob) gekennzeichnet ist. Die Zukunftshoffnungen der Italiener reflektieren folgende Herausforderungen: die Suche nach nachhaltigen Modellen fr wirt-
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Abbildung 2
schaftliches Wachstum, die Umsetzung von Maßnahmen zur Frderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie der Methodentransfer durch interkulturellen Dialog (in dieser Hinsicht erweist sich die Mglichkeit, dass die Mehrheit der EU-Brger zwei Sprachen fließend sprechen wird, als logisch). Eine Analyse der Top-12 Aussagen unter Bercksichtigung der jeweiligen Themenblcke macht die Prioritten deutlich. Das Verhltnis zwischen Arm und Reich und Umwelt sind die beiden Themen, die sich unter den Top 12-Aussagen am hufigsten wiederfinden. Umgekehrt spielen Bildung (12. Platz) und „Integration“ nur eine marginale Rolle fr die Beschreibung der italienischen Gesellschaft des Jahres 2030. Das letztgenannte Thema fllt sogar aus der Liste, da die am hufigsten angekreuzte Aussage, „Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell“, nur auf einen Wert von 26,9 % kommt. Kurioserweise korrespondiert dieses Thema mit dem Thema Ehe und Familie, das, wenn auch im Zusammenhang mit einem anderen Themenblock, ganz
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oben auf der Liste rangiert. Alles in allem ergibt sich ein Bild, das an ein Caravaggio-Gemlde erinnert – als Mischung aus chiaro / scuri, dem Licht der Hoffnung und vage gerechtfertigten rationalen Befrchtungen (Karamessini, 2008).7 Thema im Detail: Arbeit
Wie Þmile Durkheim bemerkte, ist Zeit ein soziales Konstrukt, das den Rhythmus des kollektiven Lebens widerspiegelt. Zeit ist kein gleichfrmiger Strom: Stunden, Tage und Wochen variieren von Person zu Person, und von einem statistischen Standpunkt aus betrachtet variiert Zeit von einer sozialen Gruppe zur anderen, je nach Geschlecht, Alter, Beschftigungsstatus, Anzahl und Alter der Kinder usw. Uhren und Kalender dienen der Menschheit als Orientierung, seit sich im 14. Jahrhundert urbanes Leben entwickelte und sich spter mit der industriellen Revolution die Arbeit auf bestimmte Arbeitspltze (Fabriken, Bros usw.) konzentrierte; sie war nicht unbedingt wichtig im Zusammenhang mit atmosphrischen, religisen oder Wettereignissen, sondern ntig zur Planung des sozialen Lebens – als Teil des kollektiven Rhythmus, der von der Ordnung der Gesellschaft, der Arbeit und den Institutionen, in denen die Menschen lebten, beeinflusst wurde (Sorokin und Berger, 1939).8 blicherweise bildet Zeit das Hauptkriterium fr die Bemessung des Wertes von Arbeit. Allerdings orientiert sich seit einiger Zeit – und in Zukunft womglich noch verstrkt – die Hhe des Lohns mehr an der Qualitt der Arbeit oder am Erfolg einer speziellen Maßnahme oder eines speziellen Projektes als am Arbeitsquantum, das in Zeiteinheiten gemessen wird. Diese Art von Verschiebung knnte eine der mglichen Erklrungen dafr sein, dass 15 % der Befragten die Aussage „Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein“ angekreuzt haben. Der Umfrage zufolge wird der italienische Arbeitsmarkt des Jahres 2030 folgende Merkmale aufweisen:
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x
Die meisten Arbeitnehmer mssen bis zum 75. Lebensjahr arbei-
ten (38 %); x
Viele Arbeitnehmer haben einen Zweit- oder Nebenjob (31 %);
x
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungs-
lndern statt (24 %). Vor allem der Nordwesten des Landes ist fest davon berzeugt, dass diese Aussagen zutreffen werden (fnf bis zehn Prozentpunkte mehr als der landesweite Durchschnitt bei diesen drei Aussagen); Stdte mit ber 100 000 Einwohnern scheinen die Globalisierung als Entwicklung zu begreifen, die dazu fhrt, dass Waren hauptschlich in Entwicklungslndern hergestellt werden. Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und einem Nettoeinkommen von hchstens 1050 Euro halten es fr weniger wahrscheinlich als andere, dass Arbeitnehmer bis 75 Jahre arbeiten mssen (30 % bzw. 17 %, bei einem landesweiten Durchschnitt von 38 %). Rund ein Fnftel der jngsten Befragten (14 bis 34 Jahre) ist davon berzeugt, dass „die meisten Brger durch die Automatisierung weniger als 25 Stunden pro Woche arbeiten mssen“, und ber 20 % der ltesten Personen (ber 80 Jahre) glauben, dass „viele Arbeitnehmer einen Zweitoder Nebenjob haben werden“. Somit scheint es bei diesen drei Fragen keine großen Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Altersgruppen zu geben. Zu bemerken ist abschließend auch, dass kein einziger Mann ber 55 Jahre findet, dass „Freizeit fr Arbeitnehmer wichtiger ist als ein gutes Gehalt“. Ist dies kulturell begrndet oder ein Anzeichen der zuvor erwhnten Zukunftsngste? Thema im Detail: Verhltnis zwischen Arm und Reich
Dieses Thema umfasst zwei miteinander verbundene Aspekte: Desorientierung und das Aufkommen eines weit verbreiteten Egoismus. Italien ist ein Land, in dem von jeher die Mittelschicht stark ausgeprgt war, dennoch sehen 31 % der Befragten diesen Teil der Gesellschaft bis 2030 dahinschwinden. Als logische Konsequenz wird die folgende Frage aufgeworfen: „Was geschieht mit diesen Men-
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schen?“ Den Ergebnissen zufolge werden die meisten von ihnen verarmen. Mehr noch, wie von 39 % der Befragten bejaht: „Die Kluft zwischen Arm und Reich wird in Italien grßer“; dieser Aussage stimmen insbesondere 44 % der Personen zwischen 40 und 49 Jahren sowie 41 % der Personen zwischen 50 und 59 Jahren zu. 2030 ist diese Gruppe 62 bis 81 Jahre alt. Wenn wir uns zudem vergegenwrtigen, dass 32 % der Befragten glauben, dass „viele Arbeitnehmer nicht genug verdienen werden, um Geld fr ihre Altersvorsorge zu sparen“, wird der Sinn dieser Ergebnisse klar: Die sogenannte „neue arme Schicht“ werden die Alten bilden. Die Desorientierung korrespondiert auch mit zwei anderen strukturellen Merkmalen der italienischen Gesellschaft: dem Familiennetzwerk, in dem Eltern und manchmal auch Großeltern (dank ihrer Rente) die jngste Generation untersttzen knnen, sowie einem spezifischen Entwicklungsmodell, das nach dem Zweiten Weltkrieg galt und auf folgender simplen Annahme beruhte: „Meine Kinder werden ihren gesellschaftlichen Status verbessern und deren Kinder werden dasselbe tun.“ Diese Vorstellung bedeutet, dass es den Menschen immer besser gehen wird, wobei die Menschen am unteren Ende der Leiter immer weniger von dieser Entwicklung profitieren. Das Resultat ist die Entstehung und Erstarkung einer breiten Mittelschicht. Die Tatsache, dass „Altersarmut ein ungelstes Problem sein wird“ (29 %), hngt zudem mit dem zweiten hier erwhnten Merkmal zusammen: der Herausbildung von fatalistischem Verhalten. Dies ergibt sich aus der geringen Bedeutung, die der Aussage „Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungslndern hat sich verkleinert“ (13 %), beigemessen wird, sowie aus den jeweils 8 % Zustimmung zu den Aussagen „Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhngig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.“ und „Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhltnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien“. Mit anderen Worten: Die Zukunft scheint schlicht und einfach etwas zu sein, was passieren wird. Diesen drei Aussagen (die als Impuls zur Frderung des gesellschaftli-
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chen Zusammenhalts betrachtet werden knnten) wird kein Vertrauen geschenkt. In einer Demokratie stimmen die Brger ab und entscheiden ber die ffentliche Politik und Strategie. Die Zeit zum Handeln ist gekommen, doch scheint es den Italienern in dieser Schlacht an jedweder Waffe zu mangeln: Sie mssen nur darauf warten, dass irgendetwas geschieht, whrend sie lter werden. Dieses Bild scheint besser auf die Menschen in den Großstdten (ber 100 000 Einwohner) als auf die Bewohner kleiner Stdte und Drfer (mit bis zu 5000 Einwohnern) zu passen. Das hat nichts mit Optimismus oder Pessimismus oder dem Gegensatz zwischen Industrialisierung und dem Leben in einer eher „humanen Umgebung“ zu tun, sondern zeigt nur ein strker radikalisiertes und strukturiertes Gesellschaftsmodell: In Kleinstdten unterhalten die meisten Familien enge Beziehungen zueinander, und die Pflege der Solidargemeinschaft wird als natrliche Aufgabe begriffen. Insgesamt liegt der Schlssel in der Wahrnehmung dessen, was Armut ist, und in der Bestndigkeit von prgenden kulturellen Leistungen in unserem Gesellschaftsmodell: Diese Vermutung wird untersttzt, wenn man einige Fragen zu folgenden erhobenen Daten stellt: x
Warum glauben nur 20 % der Erwerbsttigen mit einem Einkom-
men von bis zu 1050 Euro (gegenber 37 % mit bis zu 2401 Euro), dass „viele Arbeitnehmer nicht genug verdienen, um fr ihre Altersvorsorge zu sparen“? x
Warum glauben nur 24 % der Erwerbsttigen mit einem Einkom-
men von bis zu 1050 Euro (gegenber 48 % mit bis zu 2401 Euro), dass „die Kluft zwischen Arm und Reich in Italien grßer werden wird“? x
Warum glauben nur 24 % der Erwerbsttigen mit einem Einkom-
men von bis zu 1050 Euro (gegenber 40 % mit bis zu 2401 Euro), dass „Altersarmut ein ungelstes Problem sein wird“? x
Warum glauben nur 4 % der Erwerbsttigen mit einem Einkom-
men von bis zu 1050 Euro (gegenber 20 % mit bis zu 2401 Euro), dass „keine dieser Aussagen eingetroffen sein wird“?
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Eine mgliche Antwort ist eine getrbte Wahrnehmung der Realitt bei Teilen der Mittelschicht. Diese Menschen fhlen sich bereits arm! Die Folge ist, dass ihre Vision der ihrer Eltern widerspricht. Eine Art Paradigmenwechsel findet statt: Die Zukunft wird fr die kommenden Generationen keine bessere mehr sein. Thema im Detail: Bildung
Generell wird Bildung als eine der fruchtbarsten Zukunftsinvestitionen berhaupt betrachtet. Jedes Land oder jede Region mit dem Anspruch auf Fortschritt baut Schulen, qualifiziert Lehrer und definiert Programme fr Universitten. Die Funktion von Bildung hat wesentlich mit Wissen zu tun, und dieser Punkt ist fr Europa besonders wichtig. „Die Notwendigkeit, eine strkere Transparenz auf den europischen Arbeitsmrkten zu schaffen, das Wissensniveau der Menschen zu verbessern und Fehlentwicklungen bei der Verteilung von Wissen vorzubeugen, machen es unabdingbar, Informationen ber die zuknftige Wissens- und Kompetenzentwicklung zu sammeln. Relevante Erkenntnisse knnten helfen, die in europischen Beschftigungs- und Weiterbildungsstrategien gesetzten Ziele zu erreichen, und sind essenziell fr die Entwicklung einer europischen Wissensgesellschaft. Neue und sich verndernde Qualifikationsprofile sind eine Herausforderung fr die Politik, um weitergehende soziale und wirtschaftliche Ziele der Kohsion und der Wettbewerbsfhigkeit in der Europischen Union zu erreichen.“ 9 Italien scheint an Bildungsinvestitionen eher wenig interessiert. Wenn man sich die im ersten Kapitel vorgestellte Top 12-Liste in Erinnerung ruft, so bezog sich einzig die Aussage „Die meisten Europer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend“ auf dieses Thema, wobei diese allerdings am Ende der Liste stand. Diese Situation passt zu den bisherigen Erkenntnissen: Es fehlt das Interesse daran, in die Zukunft zu investieren; es besteht kein Vertrauen in die Mglichkeiten des E-Learning (nur 18 % der Befragten bejahen den Satz „Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitten gehalten“); es gibt keinen Kon-
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sens ber eine gerechtere Verteilung des Wissens mithilfe der Medien (lediglich 13 % stimmten der Aussage zu „Die Medien verantworten ein Drittel der Bildung und senden dazu spezielle Programme“); es wird nicht fr wahrscheinlich gehalten, dass Strategien und Instrumente aus anderen Bereichen (wie Sport) auch in der Bildung eingesetzt werden (8 % bzw. 12 % glauben, dass „Talentscouts den Nachwuchs fr Großkonzerne schon in der Grundschule suchen werden“ und „ein System zur Erkennung von besonderen Fhigkeiten viele Kinder schon ab dem Kindergarten frdern wird“). Diese berlegungen werden von zwei weiteren bezeichnenden Ergebnissen gesttzt: 17 % der Befragten sind der Meinung, dass „keine dieser Aussagen eingetroffen sein wird“, und es sieht so aus, als wrden Arbeitnehmerinnen nicht an die Mglichkeit glauben, dass „immer mehr besser qualifizierte Frauen Fhrungspositionen bernehmen“. Zwar sind Frauen ber 55 Jahre ziemlich berzeugt, dass der Prozess der Emanzipation die Anzahl der Frauen in fhrenden Positionen erhhen wird (56 %), doch nehmen die Prozentzahlen proportional zum Alter der Befragten deutlich ab (36 % fr Arbeitnehmerinnen zwischen 35 und 54 Jahren, 21 % fr 14- bis 34-Jhrige). Bildung, geringes Vertrauen in das Potenzial von Informations- und Telekommunikationstechnologien, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, das Unvermgen, die mgliche Zukunft in wenigstens einer der angebotenen Aussagen zu erkennen – all diese Punkte beschreiben eine Reihe alarmierender schwacher Signale, bei denen das Problem nicht nur in der Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart liegt. Es gibt keinen klar vorgezeichneten Entwicklungsweg; fr eine alternde Gesellschaft, die mit der Bewltigung aktueller Probleme statt mit der Planung knftiger Chancen beschftigt ist, ist Bildung nicht lnger eine Strke. Welche Zukunft hat diese Gesellschaft im Zeitalter der Globalisierung? Wie wird Italien mit anderen Lndern und Gesellschaftssystemen konkurrieren knnen? Wenn man Italien mit Australien vergleicht und 2030 als Zeithorizont whlt, kann man aus diversen wissenschaftlichen Publikationen einige Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen gewinnen: „2030
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wird der Klimawandel wahrscheinlich sprbare Auswirkungen auf die australische Wollindustrie haben, hauptschlich wegen der Folgen fr Viehfutter und Wasservorrte, fr die Ertragskraft und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft und die Gesundheit des Viehs, aber auch durch den strkeren Wettbewerb mit anderen Sektoren, speziell dem Ackerbau. Art und Umfang dieser Auswirkungen wird zwischen den Wolle erzeugenden Regionen variieren, je nachdem wie diese im Einzelfall vom Klimawandel betroffen sind.“10 Wahrscheinlich wird das australische Bildungssystem mit adquaten Forschungsinitiativen bis 2030 mgliche Lsungen erkundet haben, whrend Italien (immer noch) versuchen wird, strukturelle Probleme wie Renten und Sozialstaatsmodelle in den Griff zu bekommen. Thema im Detail: Sicherheit
Die Sicherheit unserer Gesellschaft im Jahr 2030 beruht mehr oder weniger auf einer Theorie der globalen oder regionalen Sicherheit. Tatschlich erhalten die Aussagen „Organisierte Kriminalitt ist in allen Lndern Europas ein großes Problem“ (31,7 %) und „Es gibt kriegerische Auseinandersetzungen um natrliche Rohstoffe wie l, Gas oder Wasser“ (28 %) die grßte Zustimmung. Angesichts der bestehenden Probleme mit der organisierten Kriminalitt in Italien ist zu betonen, dass aus der ersten Aussage ein gewisser Sinn fr Verantwortung spricht: Sie stieß in Norditalien (32 %) und Sditalien (31 %) auf hnliche Resonanz. Junge Leute, speziell im Alter von 14 bis 19 Jahren (38 %), sind davon berzeugt, dass der Bedarf an natrlichen Ressourcen zu Unruhen und Konflikten in den internationalen Staatenbeziehungen fhren wird. Auf der anderen Seite scheinen sich ber 70-jhrige Italiener vor allem ber den Zusammenhang zwischen auslndischen Zuwanderern und der Kriminalittsrate Sorgen zu machen; faktisch betrachten 25 % die folgende Aussage als richtig: „Die Auslnderkriminalittsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.“ Diese Meinung teilen 32 % der Menschen in Großstdten (mit mehr als 100 000 Einwohnern), die auch „Sicherheit fr wichtiger halten als die eigene Privatsphre“
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(28 %). Zudem stimmen 31 % der Befragten der Aussage zu, dass „die Strafen fr kriminelle Handlungen hher sein werden als heute“. Erneut (wie schon im Zusammenhang mit den Unterschieden zwischen Arm und Reich) teilt sich Italien hier in zwei große Lager. Allerdings handelt es sich nicht mehr um einen Nord-Sd-, sondern um einen Großstadt-Kleinstadt-Kontrast. So halten nur 15 % der Kleinstadtbewohner (bis zu 5000 Einwohner) ihre Sicherheit fr wichtiger als ihre Privatsphre (sie fhlen sich sicher und knnen sich nicht vorstellen, dass sich daran etwas ndern wird) und rechnen von daher nicht damit, dass sich die Strafen verschrfen werden (nur 16 %). Auch Zuwanderer werden, anders als in Großstdten, nicht als Bedrohung gesehen, da die sozialen Beziehungen hier strker davon geprgt sind, dass jeder jeden kennt. Wie beim Thema Bildung ist auch bezglich der Sicherheit nur wenig Vertrauen in Informations- und Kommunikationstechnologien vorhanden: Lediglich 12 % der Befragten glauben, dass „ein europischer / internationaler Datenaustausch eine schnellere Aufklrung von Verbrechen ermglichen und man sich sicherer als heute fhlen wird“, und beinahe 20 % denken, dass „die Kriminalitt im Internet sehr stark zugenommen haben wird“. Alles in allem wird das organisierte Verbrechen 2030 ber ein ausgeklgeltes Machtsystem gebieten; es wird das Internet und andere Technologieformen zum eigenen Vorteil nutzen und dadurch den gesamten Kontinent mit seinen Aktivitten infiltrieren. In diesem Kampf werden der Gesellschaft nur wenig Waffen zur Verfgung stehen, auch wenn festzustellen ist, dass 49 % der ber 55-jhrigen Arbeitnehmerinnen davon berzeugt sind, dass der Einsatz von „berwachungscomputern, die viele Straftter direkt bei der Tat identifizieren“, eine denkbare Lsung sein wird. Thema im Detail: Familie
Den Umfrageergebnissen zufolge werden in Italien 2030 „die meisten Paare zusammenleben, ohne verheiratet zu sein“, eine Generation wird gleichzeitig fr ihre Eltern und ihre Kinder finanziell verant-
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wortlich sein, gleichgeschlechtliche Paare werden Kinder adoptieren drfen und die Dienstleistungsangebote fr ltere Brger werden erheblich zugenommen haben (Tagessttten fr Senioren analog der Kindertagessttten). Diese Entwicklung wrde das Ende der herkmmlichen Familie bedeuten und scheint schon aus einem ganz bestimmten Grund nicht tragfhig: Es ist hchst unwahrscheinlich, dass der Sozialstaat all diese Leistungen fr alte Menschen bereitstellen kann. Dies knnte auch die Erklrung fr ein spezielles Ergebnis sein: 16,9 % der ber 70-Jhrigen sind der Ansicht, dass „keine dieser Aussagen eingetroffen sein wird“, offenbar weil diese Gruppe besser als alle anderen weiß, was es heißt, Mitglied einer alternden Gesellschaft zu sein. Auch in diesem Bereich wird erneut ein Geflle zwischen Klein- und Großstdten deutlich (mit ber 12 % Abweichung bei vier Aussagen). Zustzlich ist hier ein Kontrast zwischen dem Nordwesten und dem Sden des Landes erkennbar. Ehestand und Monatsnettoeinkommen scheinen demgegenber von untergeordneter Bedeutung zu sein. Auch der Bildungsgrad hat offenbar wenig Auswirkung auf die Einschtzung der Befragten zu den verschiedenen Aussagen.
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Die italienische Familie des Jahres 2030 wird sich von der unterscheiden, die wir heute kennen. Sie wird offener und weniger traditionell sein. Hierbei muss jedoch bercksichtigt werden, dass die Familie in Italien nicht nur eine soziale Institution, sondern zugleich einen kulturellen Wert darstellt. Die versteckte Botschaft hinter der Tatsache, dass ber 11 % der Befragten keiner der Aussagen zustimmen, ist wahrscheinlich, dass Italien zwei unruhige Jahrzehnte erleben wird, in denen die Familien die Institutionen bei der Bereitstellung sozialer Leistungen untersttzen mssen, wann immer dies mglich ist. Doch ist dies nachhaltig machbar? Drei Themen in Krze: Umwelt, Konsum und Integration
Aufgrund der Globalisierung und anderer Faktoren, wie der Notwendigkeit, internationale Maßnahmen zur Festlegung von gemeinsamen Strategien fr den Umweltschutz oder den Austausch von Waren, Gtern und Dienstleistungen umzusetzen, ist es mglich, eine spezielle Wechselbeziehung zwischen den Themen Umwelt, Konsum und Integration herzustellen. Eine Gesamtanalyse aller Umfrageergebnisse dieser drei Themen erscheint sinnvoll, da es fr die einzelnen Staaten unmglich oder zumindest weniger aussichtsreich ist, ohne irgendeine Form der Kooperation mit anderen EU-Staaten Maßnahmen auf den betreffenden Gebieten zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund kann gesagt werden, dass die Italiener ihre Zukunft in Bezug auf das Thema Umwelt ziemlich negativ sehen. „Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus“ (33 %), „Der meiste Mll wird wiederverwertet“ (32 %) und „Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1“ (32 %) sind die drei relevantesten Aussagen. Zwei davon knnten zur Beschreibung eines negativen Szenarios herangezogen werden, wobei insbesondere die Wechselwirkung zwischen dem gehuften Auftreten bestimmter Krankheiten, die mit spezifischen Umweltsituationen einhergehen, wissenschaftlich erwiesen zu sein scheint. „Die internationale Organisation fr Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer – IARC) sagt einen explosionsartigen Anstieg der Krebserkrankungen voraus. In einer Verf-
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fentlichung zum Weltkrebstag (4. Februar 2008) heißt es: ,Es ist zu erwarten, dass 2030 20 bis 25 Millionen Menschen an Krebs erkranken und 13 bis 16 Millionen Menschen jhrlich an dieser Krankheit sterben werden.‘ Im Vergleich dazu gehen verschiedene Schtzungen fr 2000 von 10,4 Millionen diagnostizierten Neuerkrankungen weltweit und 6,5 Millionen Todesfllen durch Krebs aus.“11 Umweltpolitik sttzt sich in der Regel auf langfristige Prognosen. Diese beruhen zudem auf den bestmglichen Voraussagen ber zuknftige gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Trends. Mitunter werden Sensibilittsanalysen durchgefhrt, um die Wirkbeziehungen bei mglichen Schwankungen innerhalb dieser Trends zu untersuchen. Wenn die Zukunft aber in keiner Weise dem entspricht, was angenommen wurde, drften die umgesetzten Maßnahmen fr den Umweltschutz nicht sehr effizient sein. Dieses Gefhl der Desorientierung kommt auch (wie bereits festgestellt) in den Ergebnissen zum Thema Konsum zum Ausdruck. Hier waren die am hufigsten bejahten Aussagen „Alltagsgter sind deutlich teurer“ (38 %) und „Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos“ (26 %). Letzteres wird besonders wichtig, wenn man die Ergebnisse zum Thema Umwelt mit heranzieht: „Das Transportwesen ist hauptschlicher Abnehmer von CO2-haltigen Kraftstoffen, und die Einhaltung der im Kyoto-Protokoll und an anderen Stellen festgelegten Ziele erfordert, dass die EU und die Regierungen der Mitgliedslnder ihren CO2-Ausstoß in allen Bereichen senken, einschließlich des Transportwesens. Obwohl 2030 noch in weiter Ferne scheint, muss jetzt gehandelt werden, damit die Ziele fr die CO2-Reduzierung erreicht werden knnen. CO2-Effizienz ist im Verkehrsbereich aller Wahrscheinlichkeit nach sehr schwer zu erreichen, wenn man das Verkehrsaufkommen auf derzeitigem Niveau belassen mchte. Ein fundamentaler Umbau der Verkehrsmittel und ein Umdenken bei der Stadtplanung sind unerlsslich.“ 12 Zur Erreichung dieses Ziels wird es auch ntig sein, die Politik der verschiedenen Staaten zu harmonisieren – ein Prozess, der grundlegende Integration voraussetzt. In diesem Zusammenhang ist fest-
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zustellen, dass keine der Aussagen zum Thema Integration 30 % Zustimmung erhlt, weshalb auch keine einzige Aussage auf der Top 12-Liste auftaucht. Trotzdem sind die Italiener davon berzeugt, dass „ein Drittel aller Partnerschaften in Europa multinational/multikulturell sein werden“ (27 %), und dieses Ergebnis bedeutet zugleich, dass der Prozess der Integration heute, 50 Jahre nachdem Einwanderung in den meisten europischen Lndern zu einem Massenphnomen geworden ist, in eine neue Phase eingetreten ist. Seit Ende der 1970er-Jahre gilt fr alle großen Lnder Nordeuropas, was fr ihre sdeuropischen Partner seit Ende der 1980er-Jahre ebenfalls zu einem Thema wurde: Sie sind Einwanderungslnder und mssen politische Vorkehrungen treffen, um die Integration der Einwanderer zu frdern. Dank zahlreicher Debatten und Studien whrend der letzten zehn Jahre wissen wir heute ein wenig mehr ber die langsamen Fortschritte bei der gesellschaftlichen Integration unterschiedlicher Einwanderergruppen. Kaum hatte man jedoch mit der Analyse der Vernderungen in der sozio-demografischen und wirtschaftlichen Stellung der Einwanderer begonnen, erschien ein neues Thema auf der sozialen und politischen Tagesordnung: das Management der Vielfalt. Das Heranwachsen einer zweiten Generation, also der Nachkommen der Einwanderer, hat in den Einwanderungslndern zu neuen Verhltnissen gefhrt, die der weiteren Analyse bedrfen. Um unser Verstndnis von Integration auf lange Sicht zu verbessern, mssen die Sozialwissenschaften, insbesondere die Demografie, die Beobachtung und Analyse der sozio-konomischen Situation und Entwicklung dieser zweiten Generation vorantreiben. Welche Formen von Integration erfhrt diese zweite Generation im Vergleich zur Elterngeneration und zu den Brgern des Landes, in dem sie lebt? Gleichen ihre Positionen, Verhaltensweisen und Karrieren denen der Elterngeneration, oder nhert sie sich den Einheimischen gleichen Alters an, ganz wie es die Theorie der Integration vorsieht? Wird die italienische Gesellschaft im Jahr 2030 durch „die kulturelle Vielfalt und die daraus resultierenden Konflikte zwischen einzelnen Gruppen“ (22,3 %) geprgt sein, oder wird sie sich vielmehr
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als Schmelztiegel fr Rassen, Kulturen und religise berzeugungen erweisen?
Einige abschließende Bemerkungen „Bis 2030 wird die Anzahl alter Menschen in ganz Europa rapide steigen.“ Wie wir wissen, nimmt das Risiko krperlicher und geistigseelischer Beeintrchtigung mit fortschreitendem Alter zu, sodass hufig tgliche Betreuung ntig ist. Da die europische Bevlkerung immer lter wird, ist auch davon auszugehen, dass der Bedarf an Pflegeleistungen steigen wird. Allerdings hngt dieser Bedarf stark davon ab, in welchem huslichen Umfeld ein lterer Mensch lebt. Allgemeiner gesprochen: Wichtig ist sein Ehestand und seine Familiensituation. Der Lebenspartner und die Familie kmmern sich bei Krankheit und Invaliditt besonders um die Pflege (Chappell 1991; Walker et al. 1993). Vernderte Lebensumstnde bei lteren Menschen haben deshalb starke politische Auswirkungen, denn sie berhren die Balance zwischen offiziellem und privatem Pflegeeinsatz. Nicht minder wichtig sind die Folgen fr das individuelle Wohlbefinden.“ 13 Die Studie zeigt eindeutig, dass die alternde Gesellschaft das zentrale Thema ist, wenn es um Zukunftsvisionen fr ein Italien im Jahr 2030 geht: Eine Neuordnung der Sozialstruktur basierend auf der Solidaritt durch familire Netzwerke wird erforderlich sein. Der Sozialstaat wird durch hohe Ausgaben fr Alters- und Gesundheitsversorgung belastet werden, und die technologischen Entwicklungen werden nicht so bedeutend sein, dass die Probleme, die Umwelt und Sicherheit aufwerfen, dadurch aufgefangen oder gelst werden knnten. Obwohl es ntig sein wird, im Jahr 2030 ein stabiles internationales Beziehungssystem etabliert zu haben, werden supranationale Institutionen,Verfahren oder Strategien eher als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen. Bildung ist keine lohnende Investition fr die Zukunft mehr, die Wissensgesellschaft scheint ein oktroyiertes Projekt zu sein, das zum Scheitern verurteilt ist. Das Zukunftsbild wird von Instabilitt und ngsten beherrscht:
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An erster Stelle rangiert die Angst vor Armut, gefolgt von der Angst vor schwindenden natrlichen Ressourcen und in einigen Fllen auch der Angst vor Zuwanderung. In allen Themenblcken geben mehr als 10 % der Befragten an, dass keine der Aussagen zutreffen wird. Vielleicht sind die Menschen hinter diesen fehlenden Aussagen in mancher Hinsicht die versteckten Reprsentanten der Hoffnung in einem Umfeld des sozialen Zusammenhalts.
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Anmerkungen 1 Antonio De Nardo, Il lampione, Bericht ber das Seminar „The research and innovation day“ in Rom am 6. Mrz 2008, Notiziario dell’Ordine degli Ingegneri di Roma, Rom, Juni 2008. 2 In dieser Liste wurden alle Aussagen bercksichtigt, bei denen die Zustimmungsquote bei ber 30 % lag. 3 P. Di Giulio, A. Rosina, Intergenerational family ties and the diffusion of cohabitation in Italy, Demographic Research, Bd. 16, 2007, Artikel 14, S. 441–468, Online-Verffentlichung vom 25. Mai 2007. 4 Ebd. 5 Ebd. 6 The Danish Council for Strategic Research, The aging society 2030, Report by the Steering Group for the strategic foresight on the ageing society 2030, Kopenhagen 2006. 7 M. Karamessini, Continuity and change in European Social model, International Labour Review, Bd. 147, 2008, Nr. 1, S. 43–70. 8 ISTAT, Istituto Nazionale di Statistica,Time use in daily life, Argomenti Nr. 35, Rom 2008. 9 CEDEFOP (The European Centre for the Development of Vocational Training), Future skill needs in Europe, medium term forecast, Luxemburg 2008, S, 1. 10 K. J. Harle, S. M. Howden, L. P. Hunt, M. Dunlop, The potential impact of climate change on the Australian wool industry by 2030, Agricultural Systems 93, 2007, S. 61–89. 11 IARC Annual World Cancer data, zit. in: News, European Journal of Cancer 44, 2008, S. 631–635. 12 R. Hickman, Baniste, D., Looking over the horizon: Transport and reduced CO2 emissions in the UK by 2030, Transport Policy 14, 2007, S. 377–387. 13 J. Gaymu, P. Ekamper, G. Beets, Future trends in health and marital status: effects on the structure of living arrangements of older Europeans in 2030, European Journal of Ageing, Nr. 5, 2008, S. 5–17.
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sterreich 2030: Realismus – und ein wenig Zukunftsangst Reinhold Popp / Peter Zellmann
Unter Zukunftsforschung verstehen wir (mit Kreibich) die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit mglichen, wahrscheinlichen und wnschenswerten Zukunftsentwicklungen („Zuknften“) und Gestaltungsoptionen sowie ihren komplexen Voraussetzungen in Vergangenheit und Gegenwart. Im Gegensatz zu jenen Trend-Gurus, die mit der Vorhersage spektakulrer Ereignisse vor allem den Unterhaltungswert der Zeitgeist-Magazine steigern, weiß also die wissenschaftliche Zukunftsforschung, dass die Zukunft fest in unserer Geschichte und Gegenwart verwurzelt ist. Diese tiefen Wurzeln finden sich in unseren Gewohnheiten, in unseren Vorstellungen vom menschlichen Zusammenleben, in den Strukturen und Funktionen gesellschaftlicher und staatlicher Institutionen sowie in den Organisationsformen der Wirtschaft. Wissenschaftliche Zukunftsforschung weiß auch, dass es gar nicht mglich ist, die Zukunft vorherzusagen, weil es nmlich die Zukunft gar nicht gibt! In Wahrheit gibt es nur „Zuknfte“, also mehrere Szenarien, wie sich unsere Gesellschaft in der Zukunft entwickeln knnte. Welche Szenarien realisiert werden, hngt weniger von den Erkenntnissen der Wissenschaft als vielmehr von der Gestaltungskraft gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Interessengruppen ab.
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Zukunftsgestaltung entwickelt sich in der permanent wirkenden Dynamik zwischen den beharrenden und innovativen Krften einer Gesellschaft. Innovation erzeugt freilich Unsicherheit, Angst und Widerstnde, sodass sich Neues in der Regel nur sehr langsam durchsetzt. Obwohl fr viele Zukunftsforscher und jedenfalls fr die Medien verstndlicherweise die sehr unwahrscheinlichen und berraschenden Ereignisse (Wild Cards) oder gar die von Weltuntergangsstimmung geprgten Szenarien besonders spannend sind, erweisen sich im Nachhinein meist jene eher langweiligen Szenarien als realistisch, die nicht von revolutionren Entwicklungssprngen, sondern von vorsichtigen Reformen ausgehen. Offensichtlich entspricht dieser vorsichtige Blick auf die Zukunft auch den Sichtweisen der fr die vorliegende Studie reprsentativ befragten sterreicherinnen und sterreicher. Die Antworten skizzieren ein Bild des sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens in zwei Jahrzehnten, das sich als Zwischenstand einer langsamen Verstrkung oder Abschwchung bereits heute erkennbarer Trends und Tendenzen versteht und sich so vom heutigen Leben in sterreich nicht fundamental unterscheidet. Die wahrscheinlich wichtigste Verstrkung von heute erkennbaren Trends besteht in der nahezu lckenlosen Beeinflussung der Lebensbereiche Arbeit und Freizeit durch neue Medien und das Internet, wobei die sozialwissenschaftliche Zukunftsforschung derzeit noch wenig konkretes Wissen ber die komplexen Auswirkungen auf die Alltagsgestaltung und das Zusammenleben der Menschen zur Verfgung stellen kann. Zusammenfassend betrachtet ist der berwiegende Teil der zukunftsbezogenen Meinungen und Annahmen der Befragten auch mit den wissenschaftsbasierten Zukunftsbildern der beiden Autoren des vorliegenden Beitrags annhernd kompatibel. Bei einem kleineren Teil von Fragen entwerfen die Befragten jedoch eher unwahrscheinliche Zukunftsbilder. Dies trifft vor allem auf solche Themen zu, die besonders stark von Zukunftsngsten be-
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einflusst sind (wie z. B. die Problemkreise Integration und Sicherheit) oder die von sehr starr strukturierten Rahmenbedingungen und entsprechend strukturkonservativen mentalen Prgungen ausgehen (wie z. B. der Problemkreis Bildung). Allgemein ist noch festzustellen, dass die sterreicherInnen mit nur zwei Ausnahmen bei Detailfragen stets im Durchschnitt des internationalen Antwortenspektrums liegen, sich also mit einigem Stolz durchaus als „europa-reprsentativ“ bezeichnen drfen. hnlich „europa-typisch“ prsentieren sich nur noch die Spanier. Die beiden sterreichischen Ausnahmen betreffen zum einen die Hoffnung auf eine bessere Integration der Immigranten (nur 17 % Zustimmung des Eintreffens dieser Entwicklung bei einer Streuung in den brigen Lndern von 18 % in Italien bis 49 % in der Schweiz). Zum anderen ist die Erwartung einer sich verringernden Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungslndern hierzulande mit nur 9 % Zustimmung geringer als anderswo. Das Lnderspektrum reicht bei dieser Frage von hnlich pessimistischen 13 % in Italien bis zu 16 % in Deutschland.
berwiegend realistische Zukunftsbilder Zunchst sollen nun einige Beispiele fr realistische Blicke der sterreicherInnen auf 2030 im Detail betrachtet werden: Beispiel 1: Mehr Freizeit statt Lohn?
Realistischerweise hlt es nur ein sehr kleiner Prozentsatz (14 %) der befragten sterreicherinnen und sterreicher fr wahrscheinlich, dass 2030 Freizeit fr Arbeitnehmer wichtiger sein wird als ein gutes Gehalt. Denn die berwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer hat – hnlich wie heute – voraussichtlich auch 2030 keinen ausreichenden finanziellen Spielraum fr diese Entscheidung. Sehr wohl wird bei einer privilegierten Minderheit der sozial abgesicherten und gut verdienenden Vollzeitbeschftigten – hnlich
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wie heute – die Prferenz fr den Verzicht auf einen Teil des Gehalts zugunsten von außerberuflicher Lebensqualitt strker vertreten sein. Fr diese Zielgruppe wird Arbeit 2030 noch deutlich intensiver und psychisch belastender als heute. Die Antworten sind allerdings nur begrenzt aussagekrftig, da in der Frage nicht przisiert wurde, was unter einem „guten Gehalt“ zu verstehen ist. Um etwaige Missverstndnisse auszuschließen, soll noch festgehalten werden, dass in der Frage nicht „Freizeit und Arbeit / Beruf“, sondern „Freizeit und (gutes) Gehalt“ gegenbergestellt wurden. Wenn nmlich – wie auch bei diversen reprsentativen Befragungen durch die Autoren dieses Beitrags – nach der Bewertung der wichtigsten Lebensbereiche der sterreicherinnen und sterreicher gefragt wurde bzw. wird, erweisen sich Beruf und Freizeit seit vielen Jahren als gleichwertig. Dies weist auf eine stabile Tendenz zur Harmonisierung der Lebensbereiche Arbeit und Freizeit hin (Work-Life-Balance). Beispiel 2: Taschengeld und Naturalien statt Arbeitslohn?
Die wenig attraktiv erscheinende Zukunftsvision, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2030 statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlung in die Rentenkasse und ein Taschengeld erhalten knnten, ist zu Recht nur fr eine kleine Minderheit (9 %) der befragten sterreicherinnen und sterreicher wahrscheinlich. Die Bezahlung des Arbeitslohns in Form von Taschengeld und Naturalien ist nmlich mit Blick auf den in sterreich nachhaltig wirksamen Einfluss sozialpartnerschaftlich ausgehandelter arbeitsrechtlicher Standards in lngerfristiger Perspektive nicht zu erwarten. Jenseits des Arbeitsmarkts knnte sich jedoch bis 2030 – insbesondere fr die weniger privilegierte Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – neben dem existenzsichernden und stark flexibilisierten primr-konomischen Bereich des Berufslebens immer strker ein Typus von Arbeit entwickeln, der als sekundr-
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konomisch bezeichnet werden kann: In diesen Bereich – in der Grauzone zwischen Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit – wrden u. a. die Erfllung diverser handwerklicher oder kaufmnnischer Funktionen auf der Basis von unentgeltlichen Gegenleistungen oder von geringer Bezahlung ebenso fallen wie die Mithilfe bei der Selbstorganisation von Einrichtungen und Angeboten der Sozialund Kulturarbeit sowie die Erfllung einfacher pflegerischer und haushaltstechnischer Betreuungsfunktionen im Verwandten- und Bekanntenkreis. Beispiel 3: Senkung der Wochenarbeitszeit?
Realistischerweise hlt es nur ein sehr kleiner Prozentsatz (12 %) der Befragten fr wahrscheinlich, dass aufgrund der Automatisierung
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der Arbeitswelt die meisten Brger im Jahr 2030 weniger als 25 Stunden pro Woche arbeiten. Tatschlich ist eine nennenswerte Reduktion der heute geltenden Regelarbeitszeit (38 bis 40 Stunden pro Woche) fr Vollbeschftigte mittelfristig nicht zu erwarten. Dies hngt vor allem mit der großen Bedeutung des Dienstleistungssektors zusammen. Schon heute sind in sterreich etwa 70 % der Arbeitnehmer im weiten Spektrum der Dienstleistungsberufe ttig. Tendenz steigend! Besonders zukunftstrchtig erscheinen folgende sieben Typen von Dienstleistungen: x
Technische Dienstleistungen (also jene vielfltigen Dienstleis-
tungsberufe, die nur in Verbindung mit der gewerblichen bzw. industriellen Produktion existieren); x
Bank- und Finanzdienstleistungen;
x
Handel;
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Marketing,Werbung und ffentlichkeitsarbeit;
x
Bildung & Wissensmanagement (vielfltige Dienstleistungen weit
ber den schulischen Sektor hinaus) sowie Forschung & Entwicklung; x
Freizeit- und Tourismuswirtschaft
In diesem Dienstleistungssegment arbeiten (nach Vollzeitquivalenten) schon derzeit etwa ein Fnftel bzw. faktisch (unter Bercksichtigung der Teilzeitbeschftigungen) etwa ein Viertel der sterreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Tendenz steigend; x
Sozial- und Gesundheitswesen
Automatisierungsprozesse beeinflussen zwar auch die quantitative und qualitative Entwicklung der Dienstleistungsberufe (z. B. durch elektronisch untersttzte Selbstbedienungsmodelle), fhren jedoch in deutlich geringerem Ausmaß zum Verlust von Arbeitspltzen als im Produktionssektor. Dies gilt naturgemß in besonderer Weise fr die persnlichen Dienstleistungen.
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Beispiel 4: Die Kluft zwischen Arm und Reich
Zwei Drittel (67 %) der Befragten sind fest davon berzeugt, dass 2030 die Kluft zwischen Arm und Reich in sterreich noch grßer sein wird als heute. Wenn man das Bild der Kluft nicht berstrapaziert, ist diese Einschtzung ebenso realistisch wie die von immerhin 58 % der befragten sterreicherinnen und sterreichern geteilte Meinung, dass Altersarmut auch 2030 ein ungelstes Problem darstellen wird, sowie die von 56 % der Befragten deklarierte Ansicht, dass viele sterreichische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht genug verdienen, um fr eine (ber die gesetzlich geregelte Pension hinaus reichende) Zusatz-Rente zu sparen. Grundstzlich ist die Frage der Armut zunchst eine Frage der Definition. Von Armut wird heute nach europischer Konvention gesprochen, wenn 60 % des Medianeinkommens eines Landes nicht erreicht werden. (Dies bedeutet brigens auch, dass bei steigendem Medianeinkommen die Armutsgrenze steigt, bei sinkenden Medianeinkommen die Armutsgrenze sinkt.) In der ffentlichen und verffentlichten Meinung wird hufig die sogenannte Altersarmut als gesondertes Problem im Bereich der gesamten Armutsproblematik betrachtet. Genau genommen gibt es jedoch keine Altersarmut an sich, sondern vor allem ein erschreckend hohes Armutsrisiko bei lteren Frauen. Im Segment der (berwiegend aus lteren Menschen bestehenden) Single-Haushalte befindet sich nmlich nur etwa ein Fnftel der Mnner, jedoch die Hlfte (!) der Frauen im untersten Einkommens-Viertel. Haushalte mit zwei lteren Personen sind deutlich weniger armutsgefhrdet. Die Altersarmut wird daher auch in Zukunft weiblich sein, weil sich die schlechteren Einkommen von Frauen in der Rente fortsetzen. Da Frauen tendenziell zu den Gewinnerinnen der zuknftigen Arbeitswelt gehren werden, wird sich der Anteil der armutsgefhrdeten alten Frauen bis 2030 etwas verringern. Dennoch werden mindestens ein Drittel der lteren Frauen an der Armutsgrenze bleiben und somit von Altersarmut betroffen sein.
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In Anbetracht des steigenden politischen Stellenwerts des bis 2030 rasant anwachsenden Whlerpotenzials lterer Menschen ist es allerdings sehr wahrscheinlich, dass diese Problematik auch 2030 durch Sozialleistungen (einer Mindestsicherung im Sinne von Ausgleichszahlungen) abgeschwcht wird. Sinngemß lsst sich diese politische Logik auch auf die Hhe der Renten und Pensionen im Jahr 2030 anwenden. Auf diese Weise wird das untere Einkommensdrittel, das mangels entsprechender Einkommensverhltnisse in der beruflich aktiven Lebensphase keine Mglichkeit zum Aufbau einer privat finanzierten Zusatz-Altersrente hatte, vom Modell der Mindestsicherung profitieren. Dass der sterreichische Staat 2030 – weit ber die Mindestsicherung fr armutsgefhrdete Menschen hinaus – allen Brgerinnen und Brgern, unabhngig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw. ein Mindesteinkommen garantieren wird, nehmen nur 21 % der Befragten an. Das auch in den grßeren Parteien sterreichs sowie bei den Sozialpartnern politisch umstrittene Modell der minimalen Existenzsicherung „Minimex“ (Opaschowski) trifft daher derzeit noch nicht auf eine allzu große Erwartungshaltung. Die Realisierung wird wohl bis deutlich nach 2030 warten mssen. Beispiel 5: Wohnen 2030 die meisten Auslnder unter sich?
Die Konzentration der auslndischen Bevlkerung in gewissen Stadtgebieten wird auch mit Blick auf 2030 von knapp der Hlfte (47 %) der befragten sterreicherinnen und sterreicher fr wahrscheinlich gehalten. Dieses im Fachausdruck als Segregation bezeichnete Phnomen ist in sterreich zwar nicht so stark ausgeprgt wie etwa in den Großstdten Frankreichs oder Deutschlands, spielt aber durchaus auch hierzulande – vor allem in der einzigen wirklichen Großstadt der Alpenrepublik, nmlich in Wien – eine beachtliche Rolle. Segregation ist in sterreich nur zum kleineren Teil politisch motiviert; sie entsteht berwiegend deshalb, weil sich wirtschaftlich
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schwache Migrantinnen und Migranten in Vierteln mit eher niederen Wohnkosten ansiedeln. Die zuknftige Aufgabe der Politik wre es, strker als heute geeignete Maßnahmen gegen die Marginalisierung oder Abschottung der betroffenen Bevlkerungsgruppen zu setzen. Sofern derartige Maßnahmen nachhaltig wirken, bietet eine sozial vertrglich gestaltete Segregationskultur fr Migrantinnen und Migranten auch die Chance, sich eigenstndige ethnische Strukturen aufzubauen und davon auch konomisch zu profitieren. (So brauchen z. B. trkische Bcker trkische Kunden). Beispiel 6: Die Gesundheitskosten im Jahr 2030
Nur etwas mehr als ein Viertel (28 %) der befragten sterreicherinnen und sterreicher nehmen an, dass 2030 die meisten Konsumausgaben im Gesundheitsbereich gettigt werden. Laut der aktuellsten zur Verfgung stehenden Konsumerhebung (2005) gibt der durchschnittliche sterreichische Haushalt 3,1 % seines Budgets fr die Gesundheit aus. Differenziertere Aussagen sind mithilfe des von der OECD konzipierten „System of Health Accounts“ (SHA) zu machen. SHA ist ein System von umfassenden, konsistenten und international vergleichbaren Gesundheitskosten, das mit der Neuberechnung der Zeitspanne 1997 bis 2004 auch in sterreich eingefhrt wurde. Die Gesundheitskosten nach SHA setzen sich aus den laufenden Gesundheitsausgaben und den Investitionen im Gesundheitsbereich zusammen. 2004 wurden in sterreich ca. 23 Mrd. Euro fr Gesundheit ausgegeben. Im Durchschnitt sind die Gesundheitsausgaben um 3,3 % im Jahr gestiegen, was auf eine kontinuierliche Erhhung aller Einzelpositionen der ffentlichen wie privaten Ausgaben im Bereich Gesundheit zurckzufhren ist. Alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Trendanalysen deuten also auf eine schrittweise Steigerung sowohl der ffentlichen als auch der privaten Gesundheitsausgaben hin. Bei einer Fortschreibung der bisherigen Steigerungsraten wrden sich
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die statistischen Gesundheitskosten eines privaten Haushalts von 3,1 % im Jahr 2005 auf hchstens 5,7 bis 6 % im Jahr 2030 erhhen. Somit haben die befragten sterreicherinnen und sterreicher recht, wenn sie es fr unrealistisch halten, dass 2030 der Großteil der Konsumausgaben fr den Gesundheitsbereich ausgegeben wird. Beispiel 7: Steigt die Geburtenrate?
Nur 19 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher geben sich der Illusion hin, dass Frauen 2030 im Durchschnitt zwei Kinder haben werden. 2001 lebten in 2,2 Millionen sterreichischen Familien 2,4 Millionen Kinder. Das entspricht einer durchschnittlichen Kinderzahl von 1,1. 2006 ist die durchschnittliche Kinderzahl auf 1,07 gesunken. Die mittlere Prognose von Statistik Austria geht davon aus, dass die durchschnittliche Kinderzahl in sterreichs Familien bis 2030 auf 0,95 sinken wird. Dies hngt statistisch vor allem damit zusammen, dass die Zahl der Haushalte ohne Kinder (vor allem wegen der gesellschaftlichen Alterung) von 833 000 im Jahr 2006 auf 1,08 Millionen im Jahr 2030 stark zunehmen wird. Insgesamt wird die Zahl der Familien ohne Kinder von derzeit 36,8 auf etwa 45 % im Jahr 2030 anwachsen. Laut dieser Prognose wird brigens die durchschnittliche Kinderzahl in Familien mit Kindern von 2006 (1,7 Kinder) bis 2030 (1,75) sogar leicht steigen.
Weitere realistische Erwartungen Nur knapp ein Viertel der Befragten (24 %) glaubt daran, dass 2030 die zehn grßten europischen Unternehmen ber die Hlfte aller Arbeitnehmer in Europa beschftigen werden. Mit Blick auf die Unternehmensstruktur sterreichs ist diese Einschtzung berechtigt. Offensichtlich haben die meisten sterreichischen Brgerinnen und Brger nur wenig Vertrauen in eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik. Denn nur 12 % der Befragten glauben, dass 2030 aufgrund
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der abnehmenden Bevlkerung Vollbeschftigung mglich ist. Fast zwei Drittel der Befragten (63 %) befrchten, dass in mittelfristiger Zukunft viele Arbeitnehmer Zweit- und Nebenjobs ausben mssen, um berleben zu knnen. Wenn diese ngste vor dem Hintergrund der sehr wahrscheinlich fortschreitenden Flexibilisierung des Arbeitsmarkts auch berzogen erscheinen, mssten sie doch Politik und Wirtschaft sehr zu denken geben. Die befragten sterreicherinnen und sterreicher sehen keine Anzeichen fr etwas hnliches wie einen „Welt-Marshall-Plan“ (Rademacher), also fr ein weltweit wirksames Entwicklungskonzept gegen die Armut, von dem brigens gerade sterreich nach dem Zweiten Weltkrieg so nachhaltig profitiert hat. Wie in der Einleitung bereits erwhnt: Nur 9,3 % nehmen an, dass sich die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungslndern bis 2030 nennenswert verkleinern wird. Leider spricht vieles fr die Richtigkeit dieser Einschtzung, sofern Entwicklungslnder nicht mit Schwellenlndern verwechselt werden. Denn Schwellenlndern wie z. B. China, Indien oder Malaysia wird – nach Schtzungen von Deutsche Bank Research – ein jhrliches Wachstum des Bruttoinlandprodukts von mindestens 5 % vorausgesagt. (Im Vergleich dazu erreichen z. B. die USA voraussichtlich nur 2,5 % BIP-Zuwachs pro Jahr.) 40 % der Befragten gehen realistischerweise davon aus, dass die Lebenserwartung von reichen Brgern weit ber der von armen Brgern liegt. Privatschulen haben in sterreich nur in Form der konfessionellen (berwiegend rmisch-katholischen) Schulen eine gewisse Tradition. Diese Schulen werden zwar von kirchlichen Organisationen privat getragen, jedoch nahezu vollstndig staatlich finanziert. Die Finanzierungsbedingungen fr nicht-konfessionelle Privatschulen sind in sterreich deutlich schlechter. Realistischerweise meint nur knapp ein Viertel (24 %) der Befragten, dass es 2030 in sterreich mehr private als staatliche Schulen geben wird. Dass Talentscouts 2030 den Nachwuchs fr Großkonzerne schon in der Grundschule suchen, kommt den Befragten offensicht-
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lich einigermaßen utopisch vor. Nur 20 % wollen sich diese bildungsethisch bedenkliche Form der Begabungsdiagnostik als realistische Zukunftsvision vorstellen. Fast die Hlfte der Befragten (48 %) stimmt der Aussage zu, dass bis 2030 immer besser qualifizierte Frauen mehr Fhrungspositionen bernehmen werden. In Anbetracht der hohen Wahrscheinlichkeit dieser Entwicklung wre durchaus eine noch hhere Zustimmung zu erwarten gewesen. „Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natrliche Rohstoffe wie l, Gas oder Wasser statt.“ Wenn die Bemhungen um eine Welt-Energiepolitik nicht verstrkt werden, ist diese von 46 % der Befragten geteilte Einschtzung nicht unrealistisch. Im Bereich der multinational organisierten Kriminalitt ist ein Zuwachs in allen Lndern Europas sehr wahrscheinlich. Dies wird auch von 58 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher angenommen. Diese Form von Kriminalitt darf allerdings nicht mit dem weniger wahrscheinlichen Anstieg der Kriminalitt von in sterreich lebenden Auslndern („Auslnderkriminalitt“) verwechselt werden. (Siehe dazu weiter unten im vorliegenden Beitrag.) Wahrscheinlich ist dagegen der Zuwachs der Kriminalitt im World Wide Web, allein schon deshalb, weil auch das Ausmaß der Verwendung des Internet noch deutlich ansteigen wird. Diese Annahme wird von 54 % der Befragten geteilt. „Familienangehrige tragen die finanzielle Verantwortung fr die Rente der eigenen Eltern / Großeltern“. Immerhin hlt mehr als ein Viertel der Befragten (27 %) diesen Rckfall in Zeiten ohne Sozialversicherung fr wahrscheinlich. Der berwiegende Teil der Befragten setzt auch in der Zukunft auf Absicherung aus den Rentenkassen, um die es in sterreich nicht so schlecht bestellt ist, wie dies Medienberichte gelegentlich suggerieren. „Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Grße von Kindern kann bei knstlicher Befruchtung gewhlt werden.“ Dem wird 2030 aus biotechnischer Sicht wohl nichts entgegenstehen. Nur 22 % der Befragten glauben jedoch – wahrscheinlich zu Recht –
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daran, dass in 22 Jahren die diesbezglichen medizin-ethischen Bedenken ausgerumt und die gesetzlichen Verbote aufgehoben sein werden. Mehr als zwei Drittel der sterreicherinnen und sterreicher (68 %) erwarten einen fortschreitenden Bedeutungsverlust der traditionellen Ehe. („Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.“) Alle vorliegenden Daten und Trends entsprechen dieser Einschtzung. Erstaunlich wenige Befragte (nur 31 %) glauben an zuknftig bessere Rahmenbedingungen fr die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance). Diese Daten verweisen auf dringenden Handlungsbedarf in den Bereichen der Berufs-, Wirtschafts- und Familienpolitik! Nur 28 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher halten es fr wahrscheinlich, dass es 2030 mehr Wohngemeinschaften mit ber 60-Jhrigen als mit unter 30-Jhrigen gibt. Alle einschlgigen Daten sprechen dafr, dass diese Wohnform fr ltere Menschen auch 2030 ein sehr bersichtliches Minderheitenprogramm sein wird. Denn die allermeisten Seniorinnen und Senioren wnschen sich die gewohnten Lebensrume auch im Alter, wenn auch – bei Bedarf – mit jederzeit abrufbarer individueller Betreuung. „Durch die große Anzahl von lteren Brgern und der gleichzeitigen Bercksichtigung der Interessen von jungen Brgern zhlen die Stimmen der unter 50-Jhrigen bei Wahlen doppelt.“ Diese Entwicklung wre verfassungsrechtlich mehr als bedenklich und wird daher auch nur von 8 % der Befragten fr mglich gehalten. Wahrscheinlich zu Recht glauben nur sehr wenige Befragte an die ausschließlich technische Lsung des Klimaproblems: 11 % erwarten, dass 2030 „das Problem des Klimawandels aufgrund technischer Entwicklungen gelst werden konnte“, und nur 8 % sind der Meinung: „Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewnscht wird.“ „Der meiste Mll wird wiederverwertet.“ Diese Einschtzung ist zwar richtig. Bedenkt man, dass dieser Status der Mllverwertung
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in sterreich eigentlich schon jetzt erreicht ist, sind 44 % Zustimmung fr diese Aussage jedoch erstaunlich wenig. Mehr als ein Viertel der befragten sterreicherinnen und sterreicher (28 %) glaubt, dass 2030 die meisten Konsumgter im Internet gekauft werden. Der Mehrheit erscheint es zu Recht wenig realistisch, dass in 22 Jahren der berwiegende Teil aller Einkufe ber E-Commerce erledigt wird. Mit deutlichen Zuwachsraten muss allerdings durchaus gerechnet werden. Denn in der Zukunft werden nicht nur die Konsumgewohnheiten oder die kulturellen Ausdrucksformen, sondern auch die Lebensbedingungen in Wohnung und Wohnumfeld noch strker als heute von einer umfassenden Medienprsenz geprgt sein. Eine zentrale Funktion im breiten Spektrum der informationsund unterhaltungsorientierten Dienstleistungsangebote wird den sogenannten Neuen Medien – und in diesem Zusammenhang eben auch den verschiedenen Ausprgungsformen von E-Commerce – zukommen. Die damit verbundene Mglichkeit, mithilfe des Internet nicht nur eine Vielzahl von Informationen abzurufen, sondern auch eine Reihe geschftlicher Erledigungen (wie Zahlungen, Bestellungen ...) durchzufhren, ohne den Wohnbereich verlassen zu mssen, wird brigens den Trend zum Rckzug ins Private noch erheblich verstrken. Ob die Identifikation mit dem Arbeitgeber 2030 wirklich geringer sein wird als heute, lsst sich aus wissenschaftlicher Sicht schwer einschtzen. Dies wird vor allem davon abhngen, wie die Arbeitgeber auf die Bedrfnislagen der Arbeitnehmer knftig reagieren werden. Dass nur 29 % der Befragten eine negative Entwicklung fr wahrscheinlich halten, darf sterreichs Unternehmer allerdings grundstzlich beruhigen.
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Zukunftsngste und Vorurteile Nur in wenigen Bereichen lassen sich die Zukunftsbilder der sterreicherinnen und sterreicher aus der Sicht der zukunftsbezogenen Forschung nicht besttigen. Dabei handelt es sich offensichtlich um Themenfelder, die in besonderer Weise Zukunftsngste mobilisieren und / oder besonders fest verankerte Sichtweisen infrage stellen. Auch fr diese Fehleinschtzungen sollen im Folgenden einige Beispiele prsentiert werden. Beispiel 1: Steigt das Rentenalter bis 2030 wirklich auf 75?
Erstaunlicherweise halten es immerhin 43 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher fr wahrscheinlich, dass 2030 die meisten Arbeitnehmer bis zum 75. Lebensjahr arbeiten mssen. Bis 2030 geht es jedoch in sterreich weniger um die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters, sondern vielmehr um die Erhhung des Pensionsantrittsalters. Denn das gesetzliche Rentenalter der sterreichischen Mnner ist derzeit 65, das der sterreichischen Frauen 60. Das reale Rentenantrittsalter liegt bekanntlich deutlich unterhalb diesen Marken. Frhestens 2050 ist in sterreich mit einem Pensionsalter von 70 Jahren sowohl fr Frauen als auch fr Mnner zu rechnen. Das in der ffentlichen und verffentlichten Meinung viel zu wenig beachtete eigentliche Zukunftsproblem besteht allerdings weniger im Bereich der Renten bzw. Pensionen, sondern vor allem im Hinblick auf den lngeren produktiven Verbleib der Beschftigten im Erwerbsleben. Im Sinne der Leitlinie fr Wachstum und Beschftigung der Europischen Kommission (2005) soll in der Alterskohorte der 55- bis 64-Jhrigen bis 2010 eine europaweite Beschftigungsquote von 50 % erreicht werden. sterreich wird dieses Ziel weit verfehlen und wahrscheinlich nur 43 bis 44 % erreichen. Der Notwendigkeit der Ausdehnung der individuellen Lebensarbeitszeit steht jedoch die mangelnde Bereitschaft vieler Firmen zur Anstellung lterer Arbeitnehmer sowie das Scheitern einer wachsen-
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den Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an den kontinuierlich steigenden beruflich bedingten Belastungen (beschleunigte und komplexer werdende Arbeitsablufe, wachsender Zeitdruck, neue Gesundheitsrisiken als Folge vernderter Lebens- und Arbeitsbedingungen, berforderung durch schrumpfende Halbwertszeit fachlicher Qualifikationen usw.) gegenber. Die Herausforderungen fr Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bestehen also darin, sowohl die Rahmenbedingungen als auch die individuelle Bereitschaft fr den lngeren Verbleib lterer Frauen und Mnner in der Erwerbsarbeit zu verbessern. Insgesamt geht es jedoch im Sinne eines zukunftsorientierten betrieblichen Generationen-Managements um alle Altersgruppen sowie letztlich auch weit ber das berufliche Leben hinaus um Work-Life-Balance, oder besser: um eine optimierte Lebensplanung im Spannungsfeld zwischen Beruf und Freizeit. Beispiel 2: Verschwindet die Mittelschicht bis 2030 wirklich?
Deutlich mehr als die Hlfte (56 %) der befragten sterreicherinnen und sterreicher geht davon aus, dass es 2030 eine sogenannte Mittelschicht nicht mehr geben wird. Diese mglicherweise von sozialen Abstiegsngsten einiger Befragter motivierte Meinung kann aus Expertensicht nicht besttigt werden. Die Antworten sind allerdings zu relativieren, da in der Fragestellung der Begriff der Mittelschicht nicht konkretisiert wird. Wenn wir (zugegeben stark vereinfachend) diesen Begriff ausschließlich konomisch ber ein Netto-Haushaltseinkommen von 1500 bis 3000 Euro pro Monat definieren, zhlt derzeit etwa die Hlfte der sterreicherInnen zu einer sehr breiten Mittelschicht. Das untere Einkommensdrittel muss sich mit weniger als 1500 Euro netto pro Monat begngen und kann damit nur sehr eingeschrnkt von den Segnungen der Konsumgesellschaft profitieren. Den Haushalten im oberen Fnftel der sterreichischen Bevlkerung steht ein Netto-Einkommen von mehr als 3000 Euro pro Monat zur Verfgung.
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Allem Anschein nach werden sich bis 2030 die obersten und die untersten Rnder der Mittelschicht in Richtung Ober- bzw. Unterschicht bewegen. Knapp die Hlfte der sterreicherinnen und sterreicher wird jedoch auch 2030 einen der begehrten Pltze in der Mittelschicht einnehmen. Beispiel 3: Sind 2030 wirklich ein Drittel aller Partnerschaften binational?
Nur 30 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher nehmen an, dass 2030 ein Drittel aller Partnerschaften in Europa binational sein werden. Mit Blick auf die einschlgige Datenlage ist allerdings dieser Wert – jedenfalls in sterreich – bereits heute erreicht. Der Anteil binationaler Eheschließungen stieg in sterreich in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an, wobei verlssliche Daten nur bis 2005 vorliegen: 1998 (13,9 %), 1999 (15,1 %), 2000 (16,3 %), 2001 (20,9 %), 2002 (23,8 %), 2005 (25,7 %). Aller Voraussicht nach ist mit weiteren Steigerungsraten zu rechnen, allerdings nicht im gleichen Ausmaß und mit mglichen Schwankungen. 2005 wurden in sterreich 39 153 Ehen geschlossen, davon 10 075 binational. Das entspricht 25,7 %. Beispiel 4: Verdoppelt sich die Auslnderkriminalitt?
Immerhin 43 % der sterreicherinnen und sterreicher sind der Meinung, dass 2030 die Auslnderkriminalittsrate doppelt so hoch sein wird wie die von Einheimischen. Dies ist aus Expertensicht sehr unwahrscheinlich. Die Kriminalitt von Auslndern ist bei der in sterreich wohnenden auslndischen Bevlkerung nur marginal hher als bei sterreichern. In Statistiken zur sogenannten Auslnderkriminalitt werden aber auch jene Personen einbezogen, die als Touristen oder Illegale im Land sind. Der Schluss, dass in sterreich lebende Auslnder
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krimineller sind als sterreicher, ist daher empirisch nicht nachvollziehbar. Nahezu alle namhaften Kriminologen sind der berzeugung, dass Herkunft und Religion auch zuknftig keine Determinanten fr Kriminalitt sein werden, sondern soziale und konomische Faktoren den Ausschlag geben. Die einschlgigen Untersuchungszeitrume zeigen, dass es im Bereich der Auslnderkriminalitt zwar Schwankungen, jedoch keinen eindeutigen Aufwrts- oder Abwrtstrend gibt. Fr die Zukunft kann man davon ausgehen, dass sich die Kriminalitt von in sterreich lebenden Auslndern prozentual nicht nennenswert erhhen wird. Die Kriminalitt unter Asylwerbern ist brigens von 2006 auf 2007 um 20 % zurckgegangen und hat sich im bisherigen Verlauf des Jahres 2008 noch einmal vermindert. Die Kriminalitt von in sterreich lebenden Auslndern ist allerdings von den Auswirkungen der – wahrscheinlich bis 2030 steigenden – international organisierten Kriminalitt auch im Kleinstaat sterreich klar zu unterscheiden. Beispiel 5: Wandert die Sachgtererzeugung wirklich aus sterreich ab?
Beachtliche 43 % der sterreicherinnen und sterreicher halten es fr sehr wahrscheinlich, dass die Herstellung von Waren 2030 zum Großteil in Entwicklungslndern stattfindet. Diese Meinung ist offensichtlich von erheblichen ngsten vor dem Bedeutungsverlust des Wirtschaftsstandorts sterreich geprgt, hlt jedoch einer realittsbezogenen Betrachtung nicht stand. Seit 1990 ist nmlich die Sachgterproduktion zu Marktpreisen in sterreich real (also unter Bercksichtigung der Teuerung) mit 161 % strker gewachsen als das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) – also die Gesamtheit aller Gter und Dienstleistungen zu Marktpreisen (149 %). Das zeigt zunchst, dass die Bedeutung der Sachgterproduktion (von Wurst bis Baumaschinen) insgesamt nicht abnimmt, sondern in ihrer Bedeutung unverndert hoch ist.
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Die einschlgigen Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass sowohl der Import als auch der Export von Waren im Zuge der weiter fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung zunehmen werden: Bei einfachen Produktionen (z. B. Textilien, einfache Gebrauchsgter) wird der Importanteil steigen, bei komplexeren Produktionen (die auch teurer sind) wird der Exportanteil weiter wachsen. Immer weniger komplexe Produkte (z. B. Maschinen) werden zur Gnze aus sterreich kommen, in manchen werden sterreichische Teile oder wird sterreichisches Know-how stecken. Die Vorstellung, dass 2030 Sachgter zum Großteil aus dem Ausland importiert werden mssen, ist daher (in dieser undifferenzierten Form) nicht wahrscheinlich. In Anbetracht ihrer Bedeutung fr die Zukunft der europischen Gesellschaft wird den nun folgenden Beispielen in diesem Beitrag etwas mehr Platz gewidmet. Beispiel 6: Braucht sterreich wirklich mehr Tagessttten fr SeniorInnen?
Immerhin 41 % der befragten sterreicherinnen und sterreicher nehmen an, dass bis 2030 aufgrund des steigenden Durchschnittsalters der Gesellschaft mehr und mehr Tagessttten fr Seniorinnen und Senioren (analog zu Kindertagessttten) erffnet werden. Freilich wre zunchst zu klren, was im Detail die jeweils Befragten darunter verstehen. Aus Expertensicht ist dies – jedenfalls in der mit Kindertagessttten vergleichbaren Form als eine Art Betreuungssttte – nicht sehr wahrscheinlich. Die diesbezglichen Zukunftsvorstellungen der Befragten basieren offensichtlich auf traditionellen und 2030 (hoffentlich) weitgehend berwundenen Altersbildern. Jenseits defizitorientierter Altersbilder umfasst nmlich der Lebensabschnitt ab 50 (in Anlehnung an H. Opaschowski) drei verschiedene Generationen bzw. Altersstufen:
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Die 50-plus-Generation oder die „jungen Alten“, also die 50- bis
64-Jhrigen; fr sie gilt: Sie werden beruflich noch gebraucht; letzte Gelegenheit fr die Umstellung auf einen ganzheitlichen Lebensstil. x
Die 65-plus-Generation oder die „lteren Alten“, also die 65- bis
79-Jhrigen: Wer es geschafft hat, einen ganzheitlichen Lebensstil auszuprgen, genießt in dieser Altersstufe eine bisher nicht gekannte Freiheit. x
Die 80-plus-Generation oder die „Hochbetagten“, also die ber
80-Jhrigen: Sie haben das statistische Zeitbudget bereits berschritten und knnen sich ber geschenkte Lebenszeit freuen. Die Bevlkerungsgruppe der Hochbetagten wird von Frauen dominiert. Abgesehen vom gemeinsamen Merkmal des Alterns bzw. lterwerdens unterscheiden sich diese drei Senioren-Generationen hinsichtlich ihres Interessens- und Aktivittsspektrums deutlich voneinander. brigens sind die sozial- und gesundheitspolitischen Probleme des Alterns, die meist mit dem Begriff der Pflegebedrftigkeit gekennzeichnet werden, genauer betrachtet vor allem der Generation der Hochbetagten zuzuordnen. In der ffentlichen und verffentlichten Meinung wird jedoch oft allzu undifferenziert die gesamte nachberufliche Lebensphase mit diesem Problem gleichgesetzt. Richtig ist, dass 2030 im Alterssegment der 80-plus-Generation ein im Vergleich zur heutigen Situation erhhter Pflegebedarf auftreten wird. In diesem Sinne wird der Bedarf an Zentren, die der Tagesbetreuung von hochaltrigen und pflegebedrftigen Menschen sowie der Beratung und Untersttzung pflegender Angehriger dienen, steigen. Dieser Typus sozialer Infrastruktur lsst sich freilich mit Kindertagessttten nicht vergleichen. Bei den beiden jngeren Senioren-Generationen der 50- bis 65-Jhrigen sowie der 66- bis 80-Jhrigen wird sich der Bedarf an altersspezifisch organisierten Betreuungseinrichtungen in quantitativer Hinsicht kaum wesentlich erhhen. In qualitativer Hinsicht gibt
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es allerdings einen erheblichen Innovationsbedarf: Die Entwicklung geht hier nmlich in eine intergenerative und multifunktionale Richtung. In der Vergangenheit wurde soziale & soziokulturelle Infrastruktur allzu umstandslos nach Zielgruppen (z. B. Kinder, Jugend, Senioren …) und Funktionen (z. B. Soziales, Kultur, Bildung, Sport …) getrennt, allzu oft auch abgeleitet von den Zustndigkeiten jeweiliger Ressorts, Abteilungen und mter. In Zukunft wird der intergenerative Aspekt der Planung und Gestaltung von soziokultureller Infrastruktur, also die Frderung der intensiveren Kommunikation und Kooperation der Generationen, strker bercksichtigt werden (mssen). Wahrscheinlich gelingt dies besser auf der Basis von multifunktionalen Infrastrukturkonzepten, in die auch unsere Schulbauten einbezogen werden mssten, die an viel zu vielen Stunden eines Jahres ungenutzt bleiben und außerdem allzu monofunktional geplant sind. Die Versumnisse in den 1980er- und 1990er-Jahren in sterreich (und in diesem Zusammenhang auch die mangelnde Beachtung diesbezglicher Modellprojekte, z. B. TSA-Wien) rchen sich jetzt brigens auch bei der sinnvollen Realisierung ganztgiger Schulformen. Beispiel 7: Sind die sterreicherInnen in Bildungsfragen zukunftsfhig?
Nur 18 % der Befragten halten es fr mglich, dass im Jahr 2030 informelle Bildung wichtiger sein wird als die formale Bildung. Offensichtlich glaubt die große Mehrheit der befragten sterreicherinnen und sterreicher nicht an die Durchsetzbarkeit eines Bildungssystems, das – mit Blick auf die Herausforderungen des lebenslangen Lernens – strker auf informellen bzw. selbst organisierten Lernprozessen aufbaut. Die meisten Befragten erwarten fr 2030 die Fortsetzung der Dominanz formaler Bildung in schulischen Organisationsformen. Ein Lernen ohne Lehrer scheint also fr viele schwer umsetzbar zu sein.
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Ein Ergebnis aus der Zeitbudgetforschung belegt jedoch, dass selbst jene privilegierte Personengruppe, die ber den Pflichtschulabschluss (Lehrabschluss) hinaus noch hhere Schulen und Hochschulen besucht, hchstens 3 bis 4 % der Lebenszeit schulisch organisierten Lernprozessen widmet. Obwohl sich dies die meisten sterreichischen Whlerinnen und Whler nicht vorstellen knnen, msste sich eine dem lebenslangen Lernen verpflichtete Bildungspolitik und Bildungsplanung zuknftig verstrkt auf das weite Spektrum der außerschulischen Lernfelder beziehen, z. B. auf die Bildungsfunktion der Medien sowie auf das immer strker individualisierte und modularisierte Bildungsangebot im World Wide Web. Auch diese Herausforderung wird brigens von den befragten sterreicherinnen und sterreichern nur unzureichend wahr- bzw.
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angenommen. Denn nur 15 % der Befragten gehen davon aus, dass 2030 die konventionellen Medien fr ein Drittel der Bildung verantwortlich sein werden und dazu spezielle Programme senden. Nur 29 % knnen sich vorstellen, dass in zwei Jahrzehnten Online-Vorlesungen von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitten gehalten werden. Allem Anschein nach stehen sptestens 2030 die ersten halbwegs funktionierenden elektronischen Dolmetsch-Programme zur Verfgung. Mit deren Hilfe wird die direkte bersetzung einfacher gesprochener Texte in die wichtigsten Sprachen mglich sein. Dies wird nicht nur den herkmmlichen Sprachunterricht, sondern auch die globale Kommunikation erheblich verndern. Auch diese mediale Bildungsinnovation wird jedoch nur von 30 % der sterreicherinnen und sterreicher fr wahrscheinlich gehalten. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass das sowieso schon vielfach unterprivilegierte untere Einkommens- und Bildungsdrittel sich 2030 auch im Bereich der Nutzung der Neuen Medien als signifikant benachteiligt erweisen wird. Des Weiteren sollte das soziale Ungleichheitsproblem bezglich der Nutzung der Kommunikationstechnologien im Spannungsfeld zwischen Jung und Alt nicht unterschtzt werden. Das sterreichische Schulsystem ist insgesamt wenig durchlssig und stabilisiert tendenziell das Bildungsniveau der Herkunftsfamilien der Schlerinnen und Schler. Da die befragten sterreicherinnen und sterreicher in den kommenden zwei Jahrzehnten keine grßeren nderungen ihres Bildungssystems fr mglich halten, erwarten konsequenterweise nur 13 % der Befragten, dass bis 2030 Kinder aus einfachen Verhltnissen die gleichen Bildungschancen haben werden wie Kinder aus Akademikerfamilien. Soziale Mobilitt, die vor allem durch die bessere Qualifizierung bisher bildungsferner Bevlkerungsgruppen zu erreichen ist, wre allerdings eine der wichtigsten Voraussetzungen fr die internationale Wettbewerbsfhigkeit sterreichs. Eine wesentliche Maßnahme zur Erreichung dieses Ziels wre brigens die flchen-
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deckende Einfhrung von entwicklungspsychologisch geeigneten Bildungsprogrammen im Kleinkindalter. Obwohl die Vorverlegung der Schulpflicht in sterreich – vorerst in Form eines verpflichtenden Kindergartenjahres – bereits in den kommenden Jahren sehr wahrscheinlich ist und 2030 lngst Realitt sein wird, erwarten fr 2030 nur 25 % der Befragten, dass dem Kindergarten sterreichweit die Aufgabe zukommen wird, die besonderen Fhigkeiten und Begabungen der Kinder zu erkennen und daraus pdagogische Frderungsprogramme abzuleiten. Im Hinblick auf die fr die Zukunft sterreichs unverzichtbare Reform des Bildungswesens gibt es fr die Bildungswissenschaft, die Medien und vor allem fr die Bildungspolitik offensichtlich noch viel zu tun! Erstaunlich optimistisch sind die sterreicherinnen und sterreicher bei der Einschtzung der Fremdsprachenkenntnisse. Immerhin nimmt fast die Hlfte der Befragten (48 %) an, dass 2030 die meisten Europer mindestens zwei Sprachen fließend (!) sprechen werden. Dieser Status ist jedoch mit Blick auf die demografischen Strukturen in allen EU-Lndern und auf die spezifische Situation in den neuen EU-Lndern frhestens 2050 zu erwarten. Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf jene Zukunftssorgen der sterreicherinnen und sterreicher, die ber die hier ausfhrlich behandelten Themen hinaus quantitativ ins Gewicht fallen: x
Teuerung: „Alltagsgter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer“
(64 %). x
Wasser: „Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus“ (49 %).
x
Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen: „Durch die kulturel-
le Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Trken)“ (48 %).
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Russland 2030: Herausforderungen an eine Nation im Umbruch Alexander Sokolov
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der schweren Wirtschaftskrise in den 1990er-Jahren brachte Russland umfassende wirtschaftliche und institutionelle Reformen auf den Weg, die zu einem radikalen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft fhrten. Auslndische Besucher, die die Mglichkeit haben, das Land in fnf bis zehn Jahren erneut zu besuchen, werden große Vernderungen bemerken. Russland hat den Status einer Marktwirtschaft und ist international kreditwrdig. Eine Anzahl wichtiger soziokonomischer Indikatoren spiegeln die positiven Vernderungen wider. Das jhrliche BIP ist von 2002 bis 2007 um ungefhr 7 % gestiegen. Die nationale Wirtschaft hat sich der Welt geffnet: Mit einem Anteil des Außenhandels von 45 % am BIP zhlt Russland zu den wichtigsten Exporteuren unter den Industrienationen (obwohl hierfr zum grßten Teil der Export von l und Bodenschtzen verantwortlich ist). 2008 wurde Russland gemessen am BIP-Volumen zur sechstgrßten Wirtschaftsnation der Welt (nach Kaufkraftparitt) und lag um 10 % ber dem Niveau des Krisenjahres 1991. Die Struktur der nationalen Wirtschaft passt sich an die Marktbedrfnisse an. Die Stabilitt der Makrokonomie des Landes wird durch internationale Reserven erzielt, die sich auf mehr als 600 Milliarden US-Dollar belaufen (Stand Mitte 2008). Immer mehr russische Unternehmen knnen auf nationaler und internationaler Ebene dem Wettbewerb standhalten; der Wert
Russland
russischer Unternehmen berschritt 2007 100 % des BIP. Der russische Aktienmarkt hat sich zu einem effizienten Instrument zum Einwerben von Investitionsgeldern (bspw. von der Bevlkerung) und zu einem Motor fr Wirtschaftswachstum entwickelt. Der Lebensstandard der Bevlkerung gleicht sich dem anderer Industrielnder an, obwohl nach wie vor sehr große Unterschiede herrschen.
Zukunftsaussichten: Ein Blick von innen Gemß dem vom russischen Wirtschaftsministerium herausgegebenen und vielerorts diskutierten Plan zur langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung wird das Land in den nchsten 10 bis 15 Jahren mit etlichen Herausforderungen konfrontiert werden. 1 Zuallererst ist hier der wachsende globale Wettbewerb zu nennen, der sich nicht nur auf die traditionellen Mrkte fr Waren und Kapital, sondern auch auf Fhrungssysteme und Humanressourcen bezieht. Weitere Herausforderungen sind die bevorstehende technologische Revolution und die zunehmende Bedeutung von Innovation sowie insbesondere die Entwicklung des „Humanfaktors“, die zulasten traditioneller Faktoren des Wirtschaftswachstums gehen. Schwindende natrliche Ressourcen und die steigenden Kosten fr Arbeit, Energie und l werden große Entwicklungsprojekte in Zukunft unmglich machen. Dies ist der richtige Zeitpunkt, um Innovationen anzustoßen und qualifizierte Arbeitskrfte und die Mglichkeiten von Wissenschaft und Technik intensiv zu nutzen. Zur berwindung fortschrittshemmender Barrieren mssen verschiedene makrokonomische, institutionelle und soziale Probleme gelst werden. Dazu zhlen die hohe Inflationsrate, das soziale Ungleichgewicht, Korruption und Kriminalitt, die schlechte Organisation der Unternehmen und die schwach ausgeprgte Unternehmenskultur, unsichere Eigentumsrechte, ungengend entwickelte Netzwerke zwischen Unternehmen, Spezialisten und Bildungseinrichtungen sowie eine unzureichende Wettbewerbsfhigkeit.
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Diese und weitere Themen werden aus den Ergebnissen der Befragung zum Europa des Jahres 2030 ersichtlich.
Erkenntnisse aus der Befragung Arbeit
Der Zerfall der Sowjetunion und der bergang zu einer Marktwirtschaft hat die Arbeitswelt in Russland dramatisch verndert. Einerseits wurden Beschrnkungen fr unternehmerische Ttigkeiten aufgehoben und die meisten Unternehmen privatisiert, was einen effizienteren Einsatz des Faktors Arbeit ermglichte. Andererseits verschwanden zugleich die meisten Garantien, die fr ein relativ komfortables Rentenalter sorgten.2 Dies hat dazu gefhrt, dass ein Großteil der erwerbsttigen Bevlkerung (unabhngig von Alter, Bildungsstand, Familienstand, Wohnort usw.) den Fokus heute auf die aktive Arbeit richtet und sich nicht mehr auf Hilfeleistungen seitens des Staates fr die Zukunft (nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben) verlsst. 3 Gleichzeitig sind die Gehlter in den meisten Regionen Russlands nicht so hoch, dass die Menschen Rcklagen fr das Alter bilden knnen. Zudem ist auch die Inflationsrate nach wie vor relativ hoch, und die Lohnerhhungen gleichen den Preisanstieg nicht immer aus. Ein Drittel der Befragten glaubt, dass dieser Trend bis 2030 anhalten wird und viele Arbeitnehmer einen Zweit- oder Nebenjob haben werden. Dieser Prozentsatz ist fr Moskau etwas geringer (27,6 %), was sich auf Unterschiede beim mittleren Einkommen zwischen Moskau und anderen Regionen zurckfhren lsst (nhere Details zu Unterschieden bei den Antworten von Befragten aus Moskau und anderen Regionen werden weiter unten aufgefhrt). Ein großer Teil der Bevlkerung (23 %) ist der Meinung, dass er in Zukunft bis zum 75. Lebensjahr arbeiten muss, was auch mit den schlechten staatlichen Sozialleistungen zu tun hat. Dieser Prozentsatz ist bei lteren Brgern und Familien mit Kindern hher.
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Freizeit ist nicht wichtiger als ein gutes Gehalt. Ausnahme bilden hier die Schichten mit hherem Nettoeinkommen, die besser Qualifizierten und die Bewohner Moskaus (wobei sich diese Bevlkerungsgruppen stark berlappen). Hier gibt es einen klaren Trend hin zu mehr Freizeit statt zu mehr Einkommen. Laut einer durch das All-Russia Centre for Studying of Public Opinion (VCIOM) 4 durchgefhrten Umfrage ist jeder Zweite in der Kategorie der 25- bis 34-Jhrigen bereit, mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen – ohne gesicherte Perspektive fr das Alter.
Verhltnis zwischen Arm und Reich Die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Russland ist eines der Hauptprobleme der Regierung. Das Verhltnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommen der reichsten 10 % und der rmsten 10 % der Bevlkerung lag im Jahr 2007 bei 16,8, im Jahr 2006 bei 15,3 und im Jahr 2005 bei 14,9. Der Prozentsatz der Bevlkerung mit einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums betrgt immer noch ungefhr 15 %.5 Mehr als 40 % der Befragten vermuten, dass diese Schere bis 2030 weiter auseinandergehen wird. Dieser Anteil liegt fr alle Altersgruppen bei ber 30 % und ist extrem hoch (58 %) bei Familien mit drei und mehr Kindern. Eines der wichtigsten Warnsignale fr die russischen Behrden ist die große Anzahl an Menschen (und je lter die Menschen, umso grßer die Anzahl), die der Meinung ist, dass Altersarmut im Jahr 2030 nach wie vor ein Problem darstellen wird. Gleichzeitig sind nur wenige Menschen der Meinung, dass Wohlstand und Reichtum eine hhere Lebenserwartung mit sich bringen oder dazu fhren werden, dass sich die Menschen mehr Kinder „leisten“ knnen. Was die anderen Aspekte dieses Befragungsthemas betrifft, wird sich nach Ansicht der meisten Russen die Lcke zwischen Industrienationen und Entwicklungslndern nicht schließen, das Gehaltsniveau der Top-Manager wird weiter steigen und die Existenz der Mittelschicht nicht bedroht sein.
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Bildung Das Thema Bildung gibt fast allen Familien in Russland Anlass zur Sorge. Es wird sowohl in den Medien als auch innerhalb der Familien intensiv diskutiert. Alle russischen Bildungsreformen der jngsten Vergangenheit hatten zum Ziel, das nach wie vor bestehende System aus Sowjetzeiten an die Gegebenheiten der Marktwirtschaft anzupassen. Die aktuellen „Nationalen Priorittenprogramme“, entstanden unter der gide des Prsidenten, waren ein Beitrag zu diesem Prozess. Alle weiterfhrenden Schulen verfgen jetzt ber InternetAnschluss, Lehrer erhalten bessere Gehlter und einige Dutzend der besten Universitten erhielten neue Computer und Laborausrstungen. Doch die meisten Probleme sind dadurch nicht behoben. Die landesweiten Tests, die fr alle Absolventen von weiterfhrenden Schulen eingefhrt wurden, haben gezeigt, dass das Bildungsniveau abnimmt, sogar in traditionell starken Bereichen wie Mathematik und Physik. Der Beitritt zum Bologna-Prozess hat im Universittsbereich nach wie vor zahlreiche Gegner und findet auch bei den Unternehmen wenig Verstndnis. Gut ausgebildete Menschen betrachten Bildung als einen der wichtigsten Werte berhaupt. Deshalb glauben der Befragung zufolge auch nur sehr wenige Russen, dass Kinder aus einfachen Verhltnissen den gleichen Zugang zur Bildung haben werden wie Kinder aus Akademikerfamilien. Gleichzeitig denkt mehr als ein Drittel der Befragten, dass sich das Tempo der Vernderungen am Arbeitsmarkt weiter beschleunigen wird („Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat“). Lebenslanges Lernen („Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist fr jeden Arbeitnehmer selbstverstndlich“ – 24 % der Befragten) wird genauso ntig sein wie ein frhes Erkennen zuknftiger Spezialisten schon ab dem Kindergarten (27 %). Ein berraschend großer Teil der Befragten (fast 50 %) sagt den privaten Schulen eine positive Zukunft voraus, obwohl ihr Anteil in Russland heute sehr niedrig ist.
Russland
Online-Vorlesungen werden von jngeren Menschen (26 %) als vielversprechende Lehrmethode angesehen, whrend Schulungen ber Massenmedien und informelle Bildung skeptischer beurteilt werden (12 % bzw. 16 %).
Sicherheit Innerhalb der letzten drei Jahre befand sich jeder vierte Russe, Mnner wie Frauen, in einer Situation, die eine Gefahr fr seine oder ihre persnliche Sicherheit darstellte. 6 Mehr als 40 % der Unternehmer nennen Korruption als Kernproblem der Geschftsttigkeit. 7 Trotzdem konzentrieren sich viele Russen bei ihrer Einschtzung zuknftiger Sicherheitsaspekte eher auf die Makroebene als auf persnliche Gegebenheiten und Probleme. Das wichtigste Sicherheitsthema der Zukunft sind laut 38 % der russischen Befragten potenzielle „kriegerische Auseinandersetzungen um natrliche Ressourcen wie l, Gas oder Wasser“ (dieses Land besitzt enorme Vorrte an l, Gas und Metallerzen sowie die weltweit grßten Trinkwasservorkommen). Ein anderes wichtiges Anliegen ist die organisierte Kriminalitt (35 %). Zwischen 27 % und 30 % glauben, dass im Jahr 2030 „neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie gefhrlicher als angenommen“ sein werden und die „Kriminalitt im Internet sehr stark zugenommen“ haben wird, aber auch, dass „berwachungscomputer viele Straftter direkt bei der Tat identifizieren“ werden. Ein Drittel der Befragten erwartet hhere Strafen fr kriminelle Handlungen, ein etwas geringerer Prozentsatz der Befragten hingegen glaubt, dass „fr viele Bewohner Sicherheit wichtiger sein wird als die eigene Privatsphre.“ Gleichzeitig sehen die meisten Russen Auslnderkriminalitt fr die Zukunft nicht als große Gefahr an (mit Ausnahme der Metropole Moskau).
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Familie Whrend der Zeit des Wandels hat sich Russland nicht nur zu einer Marktwirtschaft entwickelt. Auch die Vernderungen in den Familienstrukturen waren enorm. Noch vor 20 Jahren konnten sich nur sehr wenige Menschen vorstellen, als Familie zusammenzuleben, ohne offiziell verheiratet zu sein, geschweige denn, dann Kinder zu haben. Dies ist bereits heute keine Seltenheit mehr, und ungefhr 45 % der russischen Befragten (und 57 % der Haushalte mit drei und mehr Kindern!) glauben, dass im Jahr 2030 „die meisten Paare zusammenleben werden, ohne verheiratet zu sein“. Diese Annahme ist sowohl wirtschaftlich als auch politisch begrndet. Die Menschen sind unabhngiger geworden, ihre moralischen Verpflichtungen werden heute strker von persnlichen und kulturellen Werten gelenkt und nicht mehr von staatlichen Vorschriften. Die Bevlkerung (mit Ausnahme der lteren Generation) wird toleranter gegenber Lebensformen, die frher als inakzeptabel galten. Mehr als 20 % der Befragten denken, dass bis 2030 „gleichgeschlechtliche Paare heiraten und Kinder adoptieren“ drfen. Ungefhr 28 % der mnnlichen Befragten und 36 % der weiblichen Befragten sind der Meinung, dass Frauen im Durchschnitt zwei Kinder haben werden und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (WorkLife-Balance) fr viele Frauen mglich sein wird. Es besteht die Gefahr, dass die finanzielle Untersttzung der lteren durch die jngeren Familienmitglieder schwinden wird – nur 18 % der Befragten glauben, dass „Familienangehrige die finanzielle Verantwortung fr die Rente der eigenen Eltern / Großeltern tragen werden“; bei Jngeren betrgt diese Zahl knapp 10 %. Doch die ltere Generation kann sicher sein, bei Wahlen nicht ihrer Stimme beraubt oder sonst wie beeintrchtigt zu werden. Fast jeder dritte Jugendliche befrchtet, dass es in der Gesellschaft der Zukunft schwieriger sein wird, einen Partner zu finden, und stimmt der Aussage zu, dass jede dritte Partnerschaft ber Internet-Dating-Netzwerke entstehen wird.
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Umwelt Sauberer Luft und sauberem Wasser wurde in den letzten Jahrzehnten weltweit zunehmende Bedeutung beigemessen. Russland mit seinen riesigen Wldern, Seen und Flssen – Naturschutzgebieten als Erbe aus Sowjetzeiten – hat enorme Umweltprobleme. An vorderster Stelle zu nennen sind hier die mit Nuklearabfall verseuchten Gebiete im Uralgebirge und in der Umgebung von Tschernobyl, Industrieansiedlungen mit intensivem Kohlebergbau sowie große Httenwerke und Chemieanlagen. In manchen Fllen berschreitet der Grad der Verseuchung die kologischen Normen um mehr als das Zehnfache. Viele Stdte haben Probleme mit der Wasserversorgung. Whrend des bergangs zur Marktwirtschaft und der Phase der Massenprivatisierungen tauchten neue Probleme auf: die unkontrollierte Bebauung ehemals geschtzter Gebiete mit extravaganten Husern, der enorme Anstieg des Verkehrsaufkommens in den Stdten8 und die intensive Nutzung alter, umweltschdlicher Technologien durch lokale Industrien. Laut ffentlichen Umfragen ist die Umwelt eine der gefhrlichsten Bedrohungen fr die Menschen, gleich nach Drogen, Alkoholismus und Terrorismus. Die Bereitstellung von sauberem Wasser wird als wichtigste technologische Herausforderung fr die Zukunft genannt.9 Die Europa-Studie 2030 besttigt die oben genannten Sorgen. Fast die Hlfte der Befragten glaubt, „sauberes Trinkwasser wird ein Luxusgut in Europa sein“. Bei Familien mit drei oder mehr Kindern sind es sogar fast 60 %. Die zweitgrßte Sorge sind die Auswirkungen der Verschmutzung – ungefhr 40 % geben an, dass Umweltverschmutzung die hufigste Todesursache sein wird (und auch hier fast 60 % bei kinderreichen Familien). Ein Drittel der Befragten ist sich einig, dass ein berwiegender Teil des Mlls recycelt wird, doch viele sind sehr skeptisch, was die Effizienz zuknftiger Technologien angeht (nur 10 bis 23 % der
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Menschen glauben, dass bis 2030 „die Probleme des Klimawandels gelst sein werden“, „Wetterstationen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen lassen werden, wo es gewnscht wird“ oder „Sonne- und Windenergie mehr als die Hlfte der Energie erzeugen werden“).
Konsum Alltagsgter bleiben fr die Russen ein wichtiges Thema. Mehr als die Hlfte der gesamten Stichprobe und 56 bis 58 % der Menschen mit zwei oder drei Kindern prognostizieren, dass Produkte des tglichen Bedarfs (z. B. Nahrungsmittel) im Jahr 2030 signifikant teurer sein werden. Ein anderes großes Thema sind die Kosten, die fr die Gesundheit aufgewendet werden – jeder dritte Befragte gibt an, dass der grßte Teil der Konsumausgaben in den Gesundheitssektor fließen wird. Jngere Menschen sind optimistischer, was die zuknftigen Konsummglichkeiten betrifft (mindestens zwei Autos pro Haushalt, die meisten Brger kaufen koprodukte), obwohl dieser Anteil noch ziemlich bescheiden ist (25 bis 31 %). Sie sind außerdem technikorientierter (30 % gehen davon aus, dass die meisten Konsumgter ber das Internet gekauft werden). Zeit und Ruhe werden nach Ansicht von 21 % der Befragten zuknftig als Luxus betrachtet werden, aber dieser Anteil steigt bis auf 36 % bei den Befragten in Moskau (die in der Regel hrter als der Durchschnitt arbeiten). Jeder Vierte denkt, dass die meisten Lebensmittel in ihrem eigenen Land hergestellt werden, wohingegen ein kleiner Anteil (18 %) davon ausgeht, dass mehr als die Hlfte aller Produkte aus Asien kommen wird.
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Integration Trotz aller Vernderungen bleibt Russland ein Land, das von der Außenwelt eher isoliert ist. Laut verschiedener Meinungsumfragen 10 kommt es fr die Hlfte der Russen gar nicht erst infrage, ins Ausland zu gehen, whrend immerhin 25 % ihren Urlaub im Ausland verbringen oder einen Kurztrip unternehmen wrden, nur 9 % fr eine gewisse Zeit zum Arbeiten ins Ausland gehen und lediglich 4 % dort studieren wrden. Sogar in der Kategorie der Besserqualifizierten, die die grßte Bereitschaft zur Mobilitt aufweist, wrden nur 13 % gern im Ausland arbeiten wollen. Dieser Trend spiegelt sich auch im sehr geringen Anteil (9 %) der Befragten, die davon ausgehen, dass bis 2030 die meisten Menschen wenigstens einmal in ihrem Leben im Ausland gearbeitet haben werden. Der Anteil ist bei den Jngeren allerdings etwas hher. Gleichzeitig ist Russland Einwanderern gegenber relativ offen und tolerant. Nur rund 25 % der Befragten meinen, dass „die Integration von Auslndern leichter wird“, aber viel weniger meinen, dass bis 2030 „Glaube und Religion eine große Rolle bei der Einwanderungspolitik spielen wird“, „die meisten Einwanderer unter sich in bestimmten Stadtteilen wohnen werden“ und „in den meisten europischen Lndern die Integration nur bei gebildeten Einwanderern funktionieren wird.“ Die Russen glauben weder, dass „ein Drittel aller Partnerschaften in Europa multinational / multikulturell sein werden“, noch, dass „viele europische Lnder Auslnder ins Land holen werden, um der eigenen beralterung entgegenzuwirken“.
Russlandspezifische Merkmale Die Befragung wirft viele interessante Aspekte auf, was das Verhltnis Moskaus zu den anderen russischen Regionen betrifft. Viele Zukunftstrends, insbesondere sofern sie die technologische Entwick-
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lung betreffen, zeigen signifikante Unterschiede zwischen Moskau und dem Rest des Landes. Dafr gibt es viele Grnde. Moskau ist schon immer das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Landes gewesen; dort befinden sich die besten Universitten und Forschungszentren, und dort leben die besser gebildeten Russen, denn schon immer zog es die kreativsten Menschen aller Landesteile in die Metropole mit all ihren großen Mglichkeiten. Hier feiern neue Technologien noch vor allen anderen Stdten im großen Stile Premiere: mobile Kommunikation, das Internet, neue medizinische Systeme, Supermarktketten, ausgefallene Geschfte – alles Neue taucht zuerst in Moskau auf, um danach weitere Großstdte und schließlich alle anderen Orte zu erobern. Auch fr neue Ideen fhrt der Weg zuerst nach Moskau, der Stadt mit den vielen auslndischen Unternehmen, regelmßigen Ausstellungen und anderen Events, deren Bewohner zu einem Großteil ins Ausland reisen und Englisch sprechen. Dabei ist der wichtigste Faktor das Geld, das sich in dieser Stadt konzentriert (siehe Abb. 1). Whrend der letzten Jahrzehnte lieferten viele regionale Meinungsumfragen zu langfristigen Trends hnliche Zahlen wie bestimmte Umfragen, die Jahre zuvor in Moskau durchgefhrt worden waren. Insofern ist es manchmal hilfreich, zur Identifizierung von Trends die Unterschiede zu analysieren, die zwischen den Antworten der Befragten aus der Hauptstadt und denen der Befragten aus den Regionen bestehen. In Tabelle 1 sind einige Antworten aus Moskau und von Befragten aus dem brigen Zentralrussland, also eher armen Verwaltungsbezirken (Oblasten) um die Metropole herum (mit einem regionalen BIP, das etwa fnfmal geringer ist als das von Moskau) zusammengefasst. Die dargestellten Zahlen zeigen eine optimistischere Haltung der Brger von Moskau zu wirtschaftsbezogenen Themen. Viele von ihnen messen der Freizeit und Ruhe eine große Bedeutung bei, sie haben eine strkere Affinitt zu dem Konsummodell, das sich in den Industriestaaten herausbildet (koprodukte, Bedeutung von
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Abbildung 1: Regionales BIP pro Kopf pro Wirtschaftsregion Russlands (in Kaufkraftparitt, 2006)
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Antwortenvergleich zwischen Moskau und Zentralrussland (Anteil der positiven Antworten, in Prozent) Frage
Regionales BIP pro Kopf, Kaufkraftparität Rubel, 2006
Zentralrussland (ohne Moskau)
Moskau
100,7
493,2
8,5
18,1
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
16,4
30,1
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
13,3
28,6
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
32,2
27,5
39,9
29,8
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
10,7
22,4
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Russland.
44,8
29,6
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
19,3
31,6
12,9
23,3
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
17,6
29,8
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
13,0
21,9
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
13,3
25,7
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
14,0
28,3
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
11,7
21,0
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
16,5
26,2
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
12,4
19,4
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
10,2
18,8
12,2
24,8
Thema Arbeit Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
Thema Verhältnis zwischen Arm und Reich Altersarmut ist ein ungelöstes Problem. Thema Bildung
Thema Sicherheit Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation. Thema Familie
Thema Umwelt
Thema Konsum
Thema Integration In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Tabelle 1
Russland
Dienstleistungen usw.) und sind weniger betroffen von der Armutsproblematik im Alter. Die Einwohner von Moskau knnen traditionelle Familienwerte („Familienangehrige tragen die finanzielle Verantwortung fr die Rente der eigenen Eltern“) besser mit der Toleranz gegenber unkonventionellen Entwicklungen vereinbaren („Gleichgeschlechtliche Paare drfen heiraten und Kinder adoptieren“). Die Bewohner Zentralrusslands sind weniger optimistisch, was die zuknftige Rolle neuer Technologien bei der Lsung von Umweltproblemen und die Verwendung der Technologien im alltglichen Leben betrifft („Viele Brger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation“). Die gleiche Zurckhaltung zeigt sich beim Thema Bildung („Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitten gehalten“).
Schlussfolgerung Die Ergebnisse der Studie prsentieren Russland als ein Land, das nach wie vor isoliert vom Rest Europas ist und noch viele Zge der alten Sowjetrepublik erkennen lsst. Zugleich entwickelt sich die Gesellschaft rasch in Richtung der europischen Werte. Sicherheits- und Umweltthemen wird eine hhere Bedeutung beigemessen als frher, die Kluft zwischen Arm und Reich existiert nach wie vor, Wirtschaftsprobleme (Altersarmut, Alltagsgter usw.) werden in naher Zukunft nicht gelst werden. Gleichzeitig wird die russische Bevlkerung offener und toleranter. Die jngere Generation sowie die Bewohner Moskaus und anderer besser entwickelter Regionen haben eine optimistischere Einstellung zu den Auswirkungen neuer Technologien. Das Leben im Jahr 2030 wird wahrscheinlich nicht so aussehen, wie es die Befragten beschrieben haben. Die Menschen und die Regierung knnen es besser machen. Die Menschen mssen besser ausgebildet, gesnder und reicher sein, mit einer lngeren Lebenserwartung inmitten einer freundlichen und sicheren Umwelt. Lassen Sie uns alle dafr tun, was wir knnen.
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Anmerkungen 1 http://www.economy.gov.ru/wps/wcm/myconnect/economylib/mert/welcome/ pressservice/eventschronicle/doc1217949648141 2 Jedem Arbeitnehmer, der mindestens 25 Jahre lang gearbeitet hatte bis zum Rentenalter (55 Jahre fr Frauen, 60 Jahre fr Mnner), wurde eine Rente garantiert, die ziemlich hoch war und einen ordentlichen Lebensstandard garantierte. Die Rente wurde auf Grundlage des Durchschnittseinkommens berechnet und war fr viele Arbeitnehmer-Kategorien (wie Industriearbeiter, Lehrer und viele andere) mit den Gehltern jngerer Arbeitnehmer vergleichbar. 3 Die durchschnittliche Rente in Russland im Juli 2008 betrug 4395 Rubel (ungefhr 120 Euro) im Monat. 4 Siehe http://wciom.ru/arkhiv/tematicheskii-arkhiv/item/single/ 10232.html?no_cache=1&cHash=ea07cc46a3 5 Siehe Demoscope Weekly, #321–322, Februar 2008, Institute of Demography, Higher School of Economics, Moscow. 6 Siehe http://wciom.ru/arkhiv/tematicheskii-arkhiv/item/single/ 3441.html?no_cache=1&cHash=67c9920b40 7 Siehe http://wciom.ru/arkhiv/tematicheskii-arkhiv/item/single/ 9720.html?no_cache=1&cHash=0c27086006 8 Die Zahl der zugelassenen Autos in Moskau steigt jedes Jahr um 150 000 und wird 2015 die 5 Millionen berschritten haben. 9 Eine Meinungsumfrage der Higher School of Economics, 2008. 10 http://wciom.ru/arkhiv/tematicheskii-arkhiv/item/single/10448.html? no_cache=1&cHash=0106699671
Schweiz 2030: Zukunfts-Kulturen brauchen bersetzung Andreas Giger
Es ist nicht ganz einfach, die Umfrageergebnisse der Studie zu achtzig Szenarios aus neun Lndern (plus dem gewichteten europischen Durchschnitt) auf einen Blick so zu vergleichen, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten sichtbar werden. Konzentriert man sich auf die jeweils unterste Zeile („Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein“), fllt aber auf, dass die Werte aus der Schweiz hier immer zu den tiefsten gehren. Die Addition belegt: Tatschlich wird die Meinung, keine der Aussagen treffe zu, von den Schweizerinnen und Schweizern sechsmal weniger gewhlt als vom europischen Durchschnitt. Bei dem Vergleich einzelner Aussagen stellt man fest, dass die Werte aus der Schweiz durchweg hher liegen als der Durchschnitt. Nur Frankreich scheint sich in hnlichen Hhen zu bewegen, whrend die Werte in Russland und Italien offenbar immer sehr tief sind.
Erstaunliche Anomalien Addiert man einmal alle achthundert Einzelwerte, um zu ermitteln, von wie viel Prozent der Befragten eine einzelne Aussage im Durchschnitt aller achtzig Szenarios bejaht wird, erzielt man ein verblffendes Ergebnis: Gewisse Unterschiede in der Auskunftsfreudigkeit gibt es immer wieder. Aber dass die durchschnittliche Zustimmung pro
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Aussage beim Spitzenreiter dieser Rangliste zweieinhalbmal so hoch liegt wie beim Letzten und beim Zweiten immer noch doppelt so hoch wie beim Zweitletzten, ist doch sehr ungewhnlich. Da muss etwas dahinter stecken. Aber was? Unterschiedlich ausgeprgter Zukunfts-Optimismus oder -Pessimismus kann es nicht sein, gelten doch die unterschiedlichen Zustimmungsraten sowohl optimistischen als auch pessimistischen Vorhersagen. In den verschiedenen Lndern wird die Wahrscheinlichkeit von Szenarios unabhngig vom Inhalt unterschiedlich beurteilt.
Kalte Spuren Knnten unterschiedliche intellektuelle Fhigkeiten dahinterstecken? Sicher, es braucht Vorstellungsvermgen, um Fragen nach der Zukunft beantworten zu knnen. Doch dass diese Fhigkeit in den einzelnen Lndern derart unterschiedlich ausgeprgt sein knnte, erscheint denn doch als ußerst unwahrscheinlich.
Schweiz
Auf der intellektuellen Ebene finden wir also kein Erklrungsmuster. Das kann im Grunde nicht sehr erstaunen, geht es doch bei den Fragen, wie wahrscheinlich bestimmte Szenarios im Jahr 2030 eingetroffen sein werden, nicht wirklich um die Zukunft, sondern um unsere heutigen Zukunfts-Bilder. Und dabei geht es nicht um khle rationale Abwgungen, sondern um Gefhle. Genauer: um ngste und Hoffnungen. Wenn wir das Eintreffen eines Szenarios vorhersagen, drcken wir damit aus, dass wir diese Entwicklung herbeisehnen oder befrchten. Nicht mehr und nicht weniger. Die Zukunft lst in uns allen ngste und Hoffnungen aus, also Gefhle. Knnte es also sein, dass die großen Unterschiede in der durchschnittlichen Zustimmung auf unterschiedliche Gefhlssensibilitten in Sachen Zukunft zurckzufhren sind? Allerdings hat bisher niemand den Italienern vorgeworfen, besonders gefhlsarm zu sein. Oder den Schweizern und Finnen besonderen Gefhlsreichtum unterstellt. Doch die einen liegen am Schluss der Rangliste, die anderen im Spitzentrio. Auch diese Spur also fhrt uns nicht weiter. Es wre ja auch seltsam, wenn eine anthropologische Grundkonstante so unterschiedlich auf einzelne Lnder und damit Kulturen verteilt wre. Allerdings wurde bei dieser Befragung nicht nach der persnlichen Zukunft, sondern nach der Zukunft der ganzen Gesellschaft gefragt.
Das Individuum und das Ganze In einer vom Autor dieses Beitrags krzlich durchgefhrten Befragung in der Schweiz ging es auch um Zukunftsaussichten. Gefragt wurde unter anderem, wie sich wohl in den nchsten Jahrzehnten die eigene Lebensqualitt entwickeln wrde – und wie die durchschnittliche Lebensqualitt der ganzen Schweiz. Die persnliche Prognose ergab einen leichten Anstieg, jene fr die ganze Schweiz wies deutlich bergab. In einer anderen Befragung des Autors vor ein paar Jahren wurde gefragt, wie sich verschiedene zuknftige Entwicklungen
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und Trends wohl auf das eigene Leben auswirken wrden – und wie auf das Ganze. Auch bei dieser Befragung ergaben sich betrchtliche Unterschiede. Das Phnomen ist nicht neu: Die eigene Situation und die eigenen Aussichten werden oft anders eingeschtzt als die allgemeine Lage. Anders gesagt: Die generellen Zukunftsaussichten wirken sich nicht eins zu eins auf die persnliche Zukunft aus. Knnte es aber sein, dass sich dieser Abstand in manchen Kulturen zu einer wahren Kluft auswchst? Dann wrde in solchen Kulturen der Einfluss der generellen Zukunft auf die eigene als ziemlich unbedeutend erachtet werden. Die Bedeutung der Zukunft des Ganzen wre dann gering. Sie wre dem Individuum letztlich gar egal. Was dazu fhrt, dass man sich keine großen Gedanken darber macht und im Zweifelsfall lieber Nein sagt. Ist die durchschnittliche Bejahung aller Szenarios also ein Maßstab dafr, wie wichtig einer Kultur, einem Land, die Zukunft des Ganzen ist – und damit natrlich dafr, welche Bedeutung berhaupt dem Ganzen eingerumt wird? Mit dieser Hypothese machen die beiden extremen Pole in der Rangliste pltzlich Sinn: Whrend in Italien darber diskutiert wird, Kunstdenkmler wie das Kolosseum zu privatisieren, wre diese Idee in Frankreich vllig undenkbar. Eine kleine Illustration fr die Unterschiede zwischen den beiden Kulturen. In Frankreich stehen die Nation, die Gesellschaft, das Ganze im Zentrum, das Individuum bezieht einen wesentlichen Teil seiner Identitt aus der Teilhabe an diesem Kollektiv. Ganz anders in Italien, wo sich das Individuum im Wesentlichen am Ganzen, am Staat zu bereichern scheint. Wen kmmert es da, wie die Welt als Ganzes in ber zwanzig Jahren aussehen wird? Umgekehrt die Lage in Frankreich: Wenn die eigene Identitt so stark mit dem Ganzen verbunden ist, macht man sich Gedanken ber die Zukunft dieses Ganzen. Und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich bestimmte Szenarios vorstellen kann.
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Ist das die Erklrung fr die großen Unterschiede bei der durchschnittlichen Zustimmung? Wre dem so, msste diese Hypothese auch eine Erklrung fr den zweitletzten und den zweiten Platz liefern. Und in diesem Beitrag geht es um die Schweiz. Wie steht es also dort mit dem Verhltnis zum Ganzen?
Fragile Gemeinschaft Hier muss man zunchst differenzieren: Das Ganze ist weder gleichzusetzen mit dem Staat noch identisch mit Nation – eine mit der Idee der „grande nation“ der Franzosen vergleichbare Vorstellung gibt es in der Schweiz nicht. Das Wort Kollektiv ist in der freiheitsliebenden Schweiz ohnehin verpnt, und der Begriff der Gesellschaft ist wie berall etwas zu abgehoben, um Allgemeingut zu sein. Der Begriff, der in der Schweiz am ehesten als Ausdruck fr das Ganze akzeptiert wird, heißt deshalb Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft steht hoch im Kurs. Nicht, weil sie sich aus der Zugehrigkeit zu einer Nation oder einem Sprachraum gleichsam automatisch ergbe, sondern im Gegenteil, weil sie so fragil ist. Eigentlich eine historische Anomalie, vereinigt die Schweiz doch die drei Ecken des deutschen, franzsischen und italienischen Kulturraums zu einem einzigen Land, einmalig in Europa, und deshalb latent auch immer gefhrdet, jedenfalls im Selbstverstndnis dieses Landes. Eine derart fragile Gemeinschaft neigt fast zwangslufig dazu, Konflikte mglichst zu vermeiden. Der Aufstieg der SVP (Schweizerische Volkspartei) unter Christoph Blocher auf der politischen Bhne hat deshalb viele Menschen geradezu verstrt, weil mit dem rde angemeldeten Anspruch, die Tradition der Schweiz zu verteidigen, gerade deren wertvollste Errungenschaft in Gefahr gert, nmlich die Fhigkeit, immer wieder einen Konsens oder doch wenigstens einen Kompromiss zu finden, was wiederum einen minimalen Respekt zwischen politischen Gegnern voraussetzt, und den Willen, Konflikte einzudmmen.
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Trotzdem bleibt die Sehnsucht nach einer mglichst konfliktfreien und harmonischen Gemeinschaft ein Grundelement der schweizerischen Mentalitt. Und dazu gehrt, gleichsam als Spiegel, eine starke Angst vor Konflikten. Das Thema Konflikte weckt hierzulande Hoffnungen. Und noch mehr ngste.
Zukunfts- ngste ... In der schon erwhnten aktuellen Umfrage ber die Zukunftsperspektiven der Schweiz im nchsten Jahrzehnt wurde dem Land eine durchaus erfreuliche wirtschaftliche Perspektive zugestanden. Dagegen sah man die Zukunft des sozialen Zusammenhalts in der Schweiz eher dster – ein deutliches Anzeichen fr vorhandene ngste vor dem Zerbrechen der fragilen Gemeinschaft. In der diesem Buch zugrunde liegende Befragung besttigt sich dieses Bild. Selbst wenn wir bercksichtigen, dass in der Schweiz ohnehin alle Szenarios fr wesentlich wahrscheinlicher gehalten werden als im europischen Durchschnitt, zeigt sich bei vielen Szenarios, die Konflikte betreffen, dass die Befragten aus der Schweiz noch weit berdurchschnittlicher zustimmen, sprich, dass sie davor weit mehr Angst haben als der Rest Europas. Das gilt fr die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich und fr das Verschwinden der Mittelschicht. Es gilt aber auch fr Altersarmut als ungelstes Problem und fr die abnehmende Fhigkeit vieler Arbeitnehmer, genug fr das Alter zu sparen. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet in einem Land mit einer anerkannt guten Lsung der Altersvorsorge die ngste vor einem Versagen derselben weitaus strker sind als in Lndern, die von schweizerischen Standards nur trumen knnen. Wie so oft haben ngste nur bedingt mit der realen Situation zu tun. Doch die Folgen, die ein solches Versagen der Gemeinschaft htte, sind fr Schweizerinnen und Schweizer offenbar so furchtbar, dass der bloße Gedanke daran Angst und Schrecken auslst.
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Ausgeprgt sind in der Schweiz auch die ngste vor anderen Konflikten. Weit berdurchschnittlich grassiert die Angst vor zunehmender organisierter Kriminalitt und Kriminalitt im Internet, aber auch vor Konflikten zwischen Kulturen und Religionen. Nirgendwo sonst wird so hufig die Befrchtung geußert, die Auslnderkriminalitt werde doppelt so hoch sein wie jene der Einheimischen – und die Integration funktioniere ohnehin nur bei besser gebildeten Auslndern. Und dazu kommt eine auf den ersten Blick skurril anmutende Befrchtung, die aber ebenso von der Angst vor Auflsung der Gemeinschaft kndet: In keinem anderen Land wird so hufig dem Szenario zugestimmt „Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.“
... und Zukunfts-Vertrauen Wo viel Not ist, ist das Rettende bekanntlich nah, und so frchten sich die Schweizerinnen und Schweizer nicht nur weitaus strker als ihre Miteuroper vor der Gefhrdung ihrer Gemeinschaft durch Konflikte, sondern sie zeigen auch ausgeprgtere Hoffnungen. Beispiele fr diese Tendenz finden sich in unterschiedlichen Feldern. So glaubt man in der Schweiz viel strker als anderswo, dass in zwei Jahrzehnten der meiste Mll wiederverwertet wird und der Anteil erneuerbarer Energien massiv ansteigt. Man vertraut strker darauf, dass sich demografische Probleme lsen lassen (Tagessttten fr Senioren) oder Weiterbildung im Erwachsenenalter selbstverstndlich wird. Vertrauen in die eigenen Fhigkeiten zeigt sich im Glauben an das Szenario, Persnlichkeitsentwicklung werde wichtiger als formale Bildung, Vertrauen in die Fhigkeiten der Gemeinschaft beim Glauben daran, es wrden neue Methoden zur Frherkennung von Talenten entwickelt werden. Interessant ist, dass bei den Hoffnungen der Schweizerinnen und Schweizer in Richtung Zukunft die Technik, speziell die digitale, eine, verglichen mit dem brigen Europa, gewichtige Rolle spielt. Man traut ihr in der Schweiz weitaus strker als anderswo zu, wert-
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volle Beitrge zur Kriminalittsbekmpfung (berwachungscomputer, Datenaustausch), zur Bildung (Online-Vorlesungen), zur Gterversorgung (Online-Shopping), ja sogar zur Paarfindung (DatingNetzwerke) zu leisten. berraschend auch, dass ausgerechnet in dem Land, das seinen Frauen lange das Wahl- und Stimmrecht vorenthielt, das Vertrauen in die weitere Entfaltung der weiblichen Emanzipation weitaus ausgeprgter ist als im europischen Durchschnitt. Man glaubt hier an ein verstrktes Aufrcken von Frauen in Fhrungspositionen und an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und man glaubt auch an das weitere Vorrcken der liberalen Positionen, wenn es um das Zwischenmenschliche geht: an die Dominanz unverheirateter Paare, an Heirat und Adoptionsmglichkeit fr gleichgeschlechtliche Paare und an einen massiven Anstieg multinationaler oder gar multikultureller Partnerschaften. All das hngt ebenfalls mit der spezifisch schweizerischen Form von Gemeinschaft zusammen: Eine fragile Gemeinschaft unterschiedlicher Kulturen auf engem Raum berlebt nicht ohne ein gehriges Maß an gegenseitiger Toleranz. Leben und leben lassen. Nicht unbedingt miteinander. Aber eben doch ohne grßere Reibungsverluste nebeneinander.
Die Entdeckung der Zukunfts-Kulturen Damit drfte die Hypothese besttigt sein: In der Schweiz ist das Ganze in Form der Gemeinschaft so wichtig, dass der Gedanke an deren Zukunft weitaus mehr ngste und Hoffnungen produziert als etwa in Russland oder Italien. Bei einem Vergleich, der eigentlich nur unterschiedliche inhaltliche Erwartungen an die Zukunft zeigen sollte, haben wir etwas weitaus tiefer Greifendes entdeckt: unterschiedliche Zukunfts-Kulturen. Diese unterscheiden sich weniger in einzelnen inhaltlichen Erwartungen, sondern vielmehr im Grad der persnlichen Betroffenheit durch die Zukunft (des Ganzen) und damit auch in der Strke der Auseinandersetzung mit dieser Zukunft.
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Die Existenz derart unterschiedlicher Zukunfts-Kulturen innerhalb Europas ist nicht ganz unproblematisch. Zum Wesen einer Kultur gehrt, dass deren Angehrige die Grundlagen ihrer Kultur fr so selbstverstndlich halten, dass sie sie nie hinterfragen, sondern im Gegenteil annehmen, dieselben Grundlagen seien auch allen anderen Kulturen selbstverstndlich. Wenn dem nicht so ist, wie hier in unserem Fall der unterschiedlichen Bedeutung der Zukunft des Ganzen, sind Missverstndnisse vorprogrammiert. Wenn also der unerlssliche Dialog innerhalb Europas ber die gemeinsame Zukunft unseres Kontinents nicht jh enden soll, ehe er richtig begonnen hat, weil die unterschiedlichen Zukunfts-Kulturen zu weit auseinanderliegen, braucht es zwischen ihnen eine bersetzung.
bersetzungskunst Die hohe Kunst des bersetzens verdient unsere volle Hochachtung. Dass bersetzen mehr ist als eine mechanische Eins-zu-Eins-bertragung, sieht man an jeder zweiten Gebrauchsanleitung und an den seltsamen Texten, die bersetzungscomputer noch immer produzieren. Gute bersetzer bewegen sich vielmehr in zwei Sprachwelten, ohne sich mit der einen oder anderen zu identifizieren. Stattdessen versuchen sie mit ausgeprgtem Bewusstsein dafr, wie sehr eine Sprachkultur die Bedeutung von Wrtern oder Stzen prgt, der einen Welt so viel wie mglich von der anderen zu vermitteln, wohl wissend, dass dies immer ein unvollkommenes Werk bleiben muss. Das verlangt von den bersetzern enorme Aufmerksamkeit und Konzentration, gibt ihnen aber auch etwas zurck. Indem sie sich nmlich in zwei oder mehr Welten gleichermaßen bewegen und sich darin auskennen, erhalten sie die Gelegenheit, das fr sie Beste aus allen Welten auszuwhlen und zu einer persnlichen Mischung zu verbinden. Die Rolle des bersetzers verschafft also zustzliche Spielrume bei der Entwicklung der eigenen Identitt.
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Die mehrsprachige Schweiz kennt sich in der bersetzungskunst aus. Kein Wunder erscheint das Szenario, wonach im Jahr 2030 die meisten Europer zwei Sprachen fließend sprechen, in der Schweiz weitaus plausibler als anderswo. Und dass automatische bersetzungsgerte den Dialog zwischen den Sprachkulturen erleichtern werden, erhofft sich in der Schweiz eine satte Mehrheit – in Großbritannien dagegen sind es ganze vier Prozent ... Mir scheint, der Schweiz stnde eine neue Herausforderung bevor, nmlich zwischen den unterschiedlichen Zukunfts-Kulturen Europas zu bersetzen. Sie hat dazu, um mir einen Anflug von Patriotismus zu erlauben, hervorragende Voraussetzungen. Doch um die Euphorie auch gleich wieder gut schweizerisch zu dmpfen: Sie weiß es noch nicht.
Spanien 2030: Radikaler Wandel einer jungen Demokratie Enric Bas
Es ist ganz offensichtlich, dass in diesem historischen Moment des bergangs von der spten Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft bzw. zur fortgeschrittenen Technologiegesellschaft verschiedenste Befrchtungen hinsichtlich der Zukunft bestehen. Dieses Thema ist explizit oder implizit in den Sozialwissenschaften seit Ende der 1970er-Jahre prsent. Die Vernderungen in der Weltwirtschaft, die Neugestaltung der Mrkte, der Produktions- und Distributionsprozesse sowie des Arbeitsmarktes, die Notwendigkeit der Anpassung von Firmen an technische Innovationen, die Probleme und Chancen im Zusammenhang mit der Immigration, kologische Nachhaltigkeit, die Gefahren des Terrorismus und der sozialen Instabilitt, der Einfluss der Biotechnologie auf die Gesundheit und Lebenserwartung, die Auswirkungen der virtuellen Realitt auf die menschliche Interaktion und den Sozialisierungsprozess der Gesellschaftsmitglieder usw. – all diese Themen werden momentan aus einer zukunftsorientierten Perspektive in Forschungsprojekten, Untersuchungen von Beratungsfirmen und anderen Verffentlichungen eingehend behandelt. Das Beschreiben und Verstehen des gegenwrtigen Stands der Dinge scheint jedoch keine hinreichende Grundlage zu bieten, um Entscheidungen treffen und Prventionsmaßnahmen und / oder Strategieplne entwickeln zu knnen; andererseits wird das Management alternativer Zukunftsszenarios unter Anwendung eines voraus-
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schauenden Ansatzes zwar noch zaghaft, aber in zunehmendem Maße zu einer wichtigen Aufgabe sowohl in der ffentlichen Verwaltung als auch in der Privatwirtschaft. Es besteht ein zunehmendes Interesse, Prognosewerkzeuge und ntzliche Grundlagen fr Entscheidungen zu entwickeln. Dieses Interesse hngt eng zusammen mit der allgemein anerkannten Notwendigkeit, mit einer ganzen Reihe von Prognosemethoden – von Trendvorhersagen bis zur Analyse schwacher Indikatoren – ein Gegengewicht zu der Unsicherheit zu schaffen, die dem Wandel und der Komplexitt innewohnt. Daher ist heute in allen wissensbasierten Disziplinen (Soziologie, Wirtschaftswissenschaft, ffentliches Gesundheitswesen, Psychologie, kologie usw.) kaum noch eine Studie ohne „zukunftsorientierte“ Aspekte zu finden. Allgemein wird die Bedeutung des Weitblicks sehr betont, und zwar auf Grundlage der Annahme, dass es einer Vision der Zukunft bedrfe, um gegenwrtige Aufgaben zu bewltigen. Sogar in jenen Disziplinen, die sich, wie Archologie oder Geschichtswissenschaft, der Erforschung der Vergangenheit widmen, gibt es Bestrebungen, eine Deutung der Vergangenheit mit dem Verstndnis der Gegenwart und einer gewissen Zukunftsvision in Einklang zu bringen. Dieser Trend, dem Blick in die Zukunft und zukunftsorientierten Anstzen in der Forschung und im Management grßere Bedeutung beizumessen, ist in der „Grundlagenforschung“ (die von Universitten und Forschungseinrichtungen im Rahmen ffentlicher Programme oder innerhalb von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprogrammen geleistet wird) ebenso festzustellen wie in der „angewandten Forschung“ (die von ffentlichen oder privaten Beratungsfirmen im Auftrag bestimmter Kunden geleistet wird). Sowohl im ffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft scheint ein deutlich wachsendes Interesse an Zukunftsprognosen zu bestehen. In Bezug auf das Interesse im ffentlichen Sektor gengt ein Blick auf das Siebte Europische Rahmenprogramm fr Forschung und technologische Entwicklung der EU: Auch wenn es keine spezi-
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fische Fokussierung auf „angewandte Zukunftsforschung“ enthlt, besteht seitens der Europischen Kommission doch ein implizites Interesse, zukunftsorientierte Studien zu frdern, was sich leicht aus den vielfachen Forderungen nach Forschung, Entwicklung und Innovation ersehen lsst. Ebenso ist bei den meisten großen Beratungsfirmen, wie PricewaterhouseCoopers, die Zukunftsforschung ein integraler Bestandteil ihrer Forschungs- und Beratungsarbeit sowohl fr Firmen als auch fr den Staat; auf diese Weise tauchen Zukunftsszenarios immer fter auch in den Abschlussberichten auf, die diese Beratungsfirmen fr Kunden erstellen. Darber hinaus weitet sich das starke Interesse an Zukunftsfragen auch auf die ffentlichkeit ganz allgemein aus: Die Zukunft ist ein immer wiederkehrendes Thema in der „Populrkultur“ der Massenmedien, angefangen bei populren Bchern (wie Tipping Point von Malcolm Gladwell, das ein Bestseller wurde und damit an den Erfolg von Naisbitts Megatrends aus den 1980er-Jahren anknpfte) bis hin zu Wochenmagazinen, in denen zahllose Pseudostudien zu Zukunftstrends in der Technologie, in der Mode und im Hinblick auf Lebensstile zu finden sind. Es liegt an der dem Entscheidungsprozess inhrenten Unsicherheit und Komplexitt, dass beschreibende Anstze auf Grundlage bloßer Evidenz oder Prognosen auf Grundlage einer kurzfristigen Analyse den Entscheidungstrgern sowie der ffentlichkeit offenbar nicht ausreichen. Jeder scheint irgendeine Zusatzinformation darber zu brauchen, „wie die Zukunft sein knnte“, auch wenn es sich dabei nur um eine vorlufige Mutmaßung handelt. Die Geschwindigkeit, die typisch fr technologischen Wandel ist, sowie die vielfachen, vielschichtigen und tief greifenden Auswirkungen, die dieser Wandel auf wesentliche Aspekte sowohl des gesellschaftlichen Lebens (die wirtschaftlichen Beziehungen, das Wertesystem, das Alltagsleben einschließlich aller Bereiche: Beziehungen, Arbeit, Emotionen, Bildung usw.) als auch der Unternehmenswelt (Management, Kunden, Produkte) hat, lst ein schwindelerregendes Gefhl der Unsicherheit aus. Dies fhrt zu einem wach-
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senden Interesse an Zukunftsvisionen als Instrument zur Bewltigung der gegenwrtigen Herausforderungen.
Die flchtige Gesellschaft Seit Daniel Bell vor 40 Jahren darauf hinwies, dass innerhalb der kapitalistischen Industriegesellschaft ein struktureller Wandel in Richtung einer postindustriellen Ordnung stattfinde, haben viele Autoren es unternommen, diesen Wandel genauer zu beschreiben bzw. dem Kind einen treffenden Namen zu geben: Kybernetische Gesellschaft, Risikogesellschaft, Erlebnisgesellschaft, Multioptionsgesellschaft, Informationsgesellschaft, bergangsgesellschaft, Wissensgesellschaft, Netzwerkgesellschaft usw. Einzelpersonen und Organisationen haben versucht, den konstanten Wandel, der ihnen durch den technischen Fortschritt direkt oder indirekt aufgezwungen wird, zu begreifen und sich ihm anzupassen. Dieser Wandel bedingt eine vernderte gesellschaftliche Realitt, die von einer neuen Idee der Zeitlichkeit gekennzeichnet ist: Eine „vorbergehende Zeit“ nennt Manuel Castells das in seinem Buch The Information Age. Der Zeitbegriff des Industriezeitalters (linear, unumkehrbar, messbar und voraussagbar) verschwindet angesichts neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Laut Castells mssen wir nur den globalen Kapitalumlauf betrachten, um die Verdichtung von Zeit und Raum zu verstehen, die durch den technologischen Wandel bewirkt wird. Zuflligkeit – also das Fehlen vorhersehbarer Zyklen, die auf dem fr die Industriegesellschaft typischen Zeitbegriff basieren – ist folglich ein „neuer“ Faktor fr das Verstndnis und die Verfasstheit gesellschaftlicher Realitt im Allgemeinen und des gesellschaftlichen Wandels im Besonderen. Die neue Realitt, die vor allem durch Unsicherheit gekennzeichnet ist, verlangt andere Anstze, wie zum Beispiel Zukunftsprognosen, die weit entfernt sind von dem radikalen Positivismus, der das 20. Jahrhundert durchzog.
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Eine Aufgeschlossenheit gegenber qualitativen Anstzen taucht erstmals in der ffentlichen Verwaltung in den 1950er-Jahren auf: RAND Co. war das erste „ffentliche“ Unternehmen – ein Thinktank –, das auf der Grundlage von qualitativen Daten fr Zukunftsprognosen an der Entwicklung innovativer Modelle und Methoden arbeitete. Der lschock der 1970er-Jahre und die sich daran anschließende lkrise waren der Wendepunkt, der die großen Unternehmen dazu brachte, qualitative Anstze zu verfolgen, um die Prognoseverfahren zu untersttzen, die ursprnglich nur auf quantitativen, multivariablen Modellen basierten. The Art of Long View. Planning for the Future in an Uncertain World (1997), das Buch des frheren Shell-Managers Peter Schwartz, zeigt deutlich diesen Prozess des „Verlusts der Unschuld“ hinsichtlich der Verwendung quantitativer Vorhersagen. Das Versagen der traditionellen Prognosemodelle – die im Einklang mit der damals vorherrschenden positivistischen Besessenheit auf quantitativen Daten beruhten – hat gezeigt, dass die theoretischen und methodischen Grundlagen, die blicherweise fr Vorhersagen von Zukunftsszenarios verwendet wurden, berdacht werden mssen. Whrend der letzten Jahrzehnte gab es sowohl in theoretischer als auch in methodischer Hinsicht beachtliche Bemhungen, das Verstndnis des gesellschaftlichen Wandels zu verbessern. Man suchte die Hauptcharakteristika der „neuen Realitt“ zu identifizieren und zu analysieren. Zygmunt Bauman prgte einen neuen Begriff zu ihrer Definition: „flchtige Moderne“. Er setzt sich damit ab von Anthony Giddens Begriff der „Sptmoderne“. Ebenso von der „Zweiten Moderne“ Ulrich Becks wie von der „Surmodernit“ George Balandiers beeinflusst, entwirft Bauman eine erfrischend andere Vision. Sein Begriff betrifft sowohl das Kontinuierliche oder „Feste“ (das sich „verflchtigt“, indem es sich auflst oder seine traditionellen Zge verliert) als auch das von Natur aus Unbestndige (das nicht mehr in einen „festen“ Zustand zurckkehren kann).
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Bauman begrndet damit einen konsistenten Diskurs ber eine Gesellschaft, deren Beziehungen auf individueller wie auf institutioneller Ebene immer schon im Entstehen das Verfallsdatum eingeschrieben ist; eine Gesellschaft, in der die Menschen nurmehr eine Art „Rckstand“ darstellen oder ihr Leben im Unberechenbaren verschwenden. Dies ist ein Gedanke, den in gewisser Weise schon der Soziologe Richard Sennett, Professor an der London School of Economics, in seinem Buch The Corrosion of Character (dt.: Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus) vorwegnimmt. Eines der Hauptcharakteristika der „flchtigen Gesellschaft“ wre – sowohl auf kollektiver als auch auf individueller Ebene – der Verlust der Wurzeln aufgrund des permanenten bergangszustands und der permanenten Unsicherheit: der Verlust struktureller Bezge, die sowohl im gesellschaftlichen wie im persnlichen Leben als Garant von Verlsslichkeit, Kontinuitt und Stabilitt (nach Vorstellung der industriellen Gesellschaft) dienen knnten.
Ein kurzer berblick ber die spanische Gesellschaft Seit Spanien in den spten 1970er-Jahren eine Demokratie wurde, hat die spanische Gesellschaft eine beeindruckende soziale und wirtschaftliche Entwicklung erfahren, die sich leicht auf allen Ebenen ausmachen lsst. Zwar prognostizieren einige Vorhersagen fr Spanien nun das Ende des „Goldenen Zeitalters“ (ein krzlich verffentlichter Bericht von PricewaterhouseCoopers schlussfolgerte, dass das Bruttosozialprodukt Spaniens bis 2050 jhrlich um nur 2,3 % wachsen und Spanien dann zusammen mit Korea nur auf Platz 15 der am strksten entwickelten Industrielnder rangieren werde), doch gegenwrtig ist Spanien noch immer die achtgrßte Wirtschaftsnation der Welt. Spaniens solide Demokratie, seine Einbindung in die wichtigsten internationalen Organisationen, die in der heutigen Weltpolitik eine zentrale Rolle spielen (NATO, UN, EU), sowie die hohe Produk-
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tivitt in einigen Wirtschaftssektoren haben entscheidend zur positiven Entwicklung der aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Situation des Landes beigetragen. Die spanische Gesellschaft unterscheidet sich daher nicht wesentlich von den meisten entwickelten Lndern. Die Entwicklung der Lebensstile, der Wertvorstellungen und politischen Haltungen, des Konsums, des Arbeitsmarkts, der Bildung und anderer Aspekte, die die spanische Gesellschaft kennzeichnen, hat denselben Lauf genommen wie in anderen Industrielndern. Allerdings weist die spanische Gesellschaft einige Besonderheiten auf, die im Folgenden untersucht werden sollen. Trotz dieser Aspekte hat die spanische Gesellschaft den erwhnten Prozess der „Auflsung“ durchgemacht, der als ein Hauptcharakteristikum der „neuen Gesellschaft“ gelten kann und vorwiegend fr die entwickelten Lndern typisch ist. Die alten Strukturen, die jahrzehntelang das Rckgrat der spanischen Gesellschaft bildeten, ndern sich trotz eines gewissen Widerstands definitiv in schnellem Tempo und auf radikale Weise. Und dieser Wandel zeigt sich auf vielen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens: Familie, Arbeit, Bildung, innere Sicherheit, Umwelt,Werte, Konsum usw. Die Zukunft der Arbeit
Als Erstes vermitteln die Daten der Studie den Eindruck, dass die Spanier die Zukunft der Arbeit pessimistisch sehen. Etwa die Hlfte der Befragten meint, dass viele Arbeitnehmer im Jahr 2030 Zweitoder Nebenjobs haben werden; die Spanier gehen also letztendlich davon aus, dass ein Gehalt aus nur einem Job nicht ausreichen wird, wenn sie den bereits erreichten Lebensstandard halten wollen, und dass sie deshalb mehr arbeiten mssen, um sich knftig auf demselben Wohlstandsniveau wie heute bewegen zu knnen. Zudem glauben etwa 40 %, dass das Arbeitsleben knftig bis zum 75. Lebensjahr ausgedehnt werden wird. Dieses hohe Rentenalter wird wahrscheinlich eine Folge der niedrigen Gehlter sein (bei einem frheren Rentenalter drfte es knftig kaum mglich
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sein, den bisherigen Lebensstandard zu halten) sowie der mittelfristig wahrscheinlich unvermeidlichen Krise des Sozialstaates, die dazu fhren wird, dass staatliche Rentenzahlungen schlichtweg utopisch sind. Der Pessimismus im Hinblick auf Vollbeschftigung ist offensichtlich: Nur etwa 10 % der Befragten halten eine solche fr wahrscheinlich, obwohl dies eines der wichtigsten Versprechen der gegenwrtigen Regierung in der letzten Wahl war. hnlich sieht es bei der Frage aus, ob es aufgrund der Automatisierung zu einer Verkrzung der Arbeitszeit kommen wird: Nur 20 % halten eine Arbeitszeitverkrzung auf 25 Wochenstunden fr mglich. Der Kontext, in dem die Befragung stattfand, stimmte per se wenig optimistisch: Im Juni 2008 (zurzeit der Befragung) stieg die Arbeitslosigkeit um etwa 1,5 %. Zum ersten Mal seit 1996 war damit die Arbeitslosigkeit im Juni gestiegen – einem Monat, in dem sie normalerweise niedrig ist. Es handelt sich dabei keineswegs um isolierte Daten. Die Arbeitslosigkeit war in nur einem Jahr von etwa 8 % auf etwa 10 % gestiegen, und auch die Aussichten fr die unmittelbare Zukunft sind nicht gut: Etwa eine Million Arbeitnehmer knnten im Jahr 2008 ihre Jobs verlieren. Sowohl strukturelle als auch konjunkturelle Faktoren haben diese Krisensituation in der spanischen Gesellschaft ausgelst: vor allem die weltweite Verteuerung des ls, der Anstieg des Euribors in der Euro-Zone sowie die schlechte Lage in Wirtschaftssektoren wie der Bauindustrie, die traditionellerweise das Rckgrat der spanischen Wirtschaft bilden. Der dramatische Rckgang bei Neubauten und die Krise auf dem Immobilienmarkt, die sich parallel zur amerikanischen Immobilienkrise entwickelte, haben einen Prozess in Gang gesetzt, dessen Ende noch nicht absehbar ist. Der Niedergang dieses Sektors zieht auch die damit verbundenen Branchen in Mitleidenschaft, die in Spanien whrend des letzten Jahrzehnts die meisten Arbeitspltze stellten. (In den letzten drei Jahren war die Bauindustrie der Hauptarbeitgeber.)
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Hinzu kommt, dass die meisten Einwanderer, die in den letzten Jahren nach Spanien kamen – sie sollten eigentlich mit ihren Steuern den Sozialstaat aufrechterhalten und in der Zukunft fr die Renten der Spanier aufkommen – in der Bauindustrie oder in Zulieferindustrien ttig waren. Die Aussichten sind daher, zumindest kurzfristig, ußerst bedrckend. Die ffentlichkeit merkt, dass es auf dem Arbeitsmarkt einen Strukturwandel geben wird. Die Spanier haben die erste Stufe der „Auflsung“ der traditionellen Arbeit in den letzten zehn Jahren relativ gut bewltigt: Immer mehr feste Stellen verschwanden, whrend flexible und befristete Beschftigungsverhltnisse einen berproportionalen Zuwachs verzeichneten. Das war mglich, weil der Sozialstaat gut funktionierte, die Wirtschaft florierte und die Familie als soziale Institution noch immer eine wesentliche Untersttzung im Alltagsleben bot – trotz der an europischen Standards gemessen niedrigen Gehlter. Doch der Wandel wird sich knftig zunehmend verschrfen: Die Globalisierung hat viele traditionelle Basissektoren (Tourismus, Schuhherstellung, Mbel, Spielzeug, Keramik usw.) stark in Mitleidenschaft gezogen, sodass diese nun in dem neuen wirtschaftlichen Umfeld ums berleben kmpfen mssen; der traditionelle Familienbegriff unterliegt einem rasanten Wandel, und die Familie verliert ihre traditionelle Bedeutung eines erweiterten Netzwerks der gegenseitigen Untersttzung; die Einwanderung, die ursprnglich als Rettung gesehen wurde, knnte sich zunehmend als Problem erweisen, wenn die gegenwrtige Entwicklung weitergeht; mittelfristig knnte die Existenz des Sozialstaats gefhrdet sein. All diese Vernderungen werden sich auf die Zukunft der Arbeit auswirken, sowohl in quantitativer Hinsicht (Schaffung oder Abbau von Arbeitspltzen) als auch unter qualitativen Gesichtspunkten (Wochenarbeitszeit, Gehlter, Urlaub, Arbeitsvertrge usw.).
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Die Zukunft des Sozialstaats – oder die (Um-)Verteilung des Wohlstands
Auch bei diesem Thema berwiegen die negativen Einschtzungen. Gut die Hlfte der befragten Spanier denkt, dass Altersarmut im Jahr 2030 ein ungelstes Problem sein wird. Ein etwa ebenso großer Teil der Befragten hlt es fr schwierig, wenn nicht sogar unmglich, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer eine Rente zu fairen Konditionen beziehen wird, und rechnet in Spanien mit einem weiteren Auseinanderklaffen der Wohlstandsschere zwischen Arm und Reich. Letzteres wird durch die Tatsache untermauert, dass nur etwa 15 % an einen Rckgang des Einkommens von Top-Managern und an ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen fr jeden Brger glauben. Diese Einschtzung kann auch auf globale Ebene bertragen werden: Nur etwa 17 % knnen sich vorstellen, dass die Kluft zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungslndern kleiner wird. Dies scheint im Gegensatz zu dem Fakt zu stehen, dass nur 25 % der Befragten von einem beinahe vollstndigen Verschwinden der Mittelschicht ausgehen. Wenn wir uns jedoch die verschiedenen Umfragen, die whrend der letzten 20 Jahre in Spanien durchgefhrt wurden, genauer ansehen, werden wir feststellen, dass die Einkommensgrenzen (und das berufliche Niveau oder das Bildungsniveau) derjenigen Spanier, die sich zur Mittelschicht zhlen, sehr weit gefasst sind. Bei einer kritischen Betrachtung dieser Umfragen lsst sich feststellen, dass sich sowohl Menschen mit einem Jahreseinkommen von 6000 Euro als auch solche mit einem Jahreseinkommen von 120 000 Euro als Teil der Mittelschicht betrachten. Dasselbe gilt fr Arbeitnehmer im gering qualifizierten Bereich und fr Top-Manager – beziehungsweise fr Menschen ohne Qualifikation und solche mit Promotion. Dieses Phnomen knnte auf eine anthropologische und kulturelle Ebene zurckzufhren sein; nicht zu vergessen das schnelle Wirtschaftswachstum und die gesellschaftliche Entwicklung der
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letzten Jahrzehnte in Spanien, ganz zu schweigen von der relativ kurzen demokratischen Tradition, die mglicherweise den Begriff der „Gleichheit“ pervertiert hat. Durch die Konsumfixierung, den allgemeinen Zugang zu hherer Bildung, die Finanzwirtschaft, den Sozialstaat und – wieder einmal – die Familie als Netzwerk gegenseitiger Untersttzung wurde gleichsam Tabula rasa gemacht und die Bedeutung des Begriffs Mittelschicht in einen illusionren Bereich verschoben. So fhlen sich diejenigen mit einem niedrigen Bildungsstand und / oder einem geringen Einkommen durch ihre Verbraucherhaltung als Teil der Mittelschicht. (Es ist als ein kulturelles Problem zu werten, dass derjenige, der eine Armani-Brille trgt oder einen BMW fhrt – auch wenn diese Dinge per Kreditkarte gekauft oder vom Vater bezahlt wurden –, wie ein „Gewinner“ aussieht und sich auch so fhlt.)
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Diejenigen mit hohem Bildungsgrad und / oder hohem Einkommen mssen sich mit der Gemeinschaft solidarisch erklren (auch dies ein kulturelles Phnomen), indem sie ihren wahren Status verbergen. Auf diese Weise fhlt sich jeder als Teil der Mittelschicht oder definiert sich sogar als solcher. Allerdings: Als Folge der Finanzkrise, die das Ende einer langen Periode des Wirtschaftwachstums und des Wohlstands kennzeichnet, und durch den Niedergang der Familie und den damit verbundenen Verlust an persnlicher Untersttzung knnte dieses Selbstbild in einigen Jahren ganz anders aussehen. Der Schluss erscheint durchaus naheliegend, dass die Umfrage in gewisser Hinsicht eine Hinwendung zu einer pessimistischeren Grundhaltung widerspiegelt. Die Zukunft der Bildung
Es gibt eine deutliche Zustimmung bei mehr als der Hlfte der Befragten hinsichtlich der Aussage, dass Frauen knftig strker in Fhrungspositionen, insbesondere im Management, vertreten sein werden. Dieser Trend wird, zumindest in Spanien, durch das Zusammenwirken mehrerer Entwicklungen ermglicht: Frauen sind im Studium hufig erfolgreicher als Mnner; gesetzliche Bestimmungen tragen dazu bei, Arbeit und Familienleben in Einklang zu bringen; und Frauen zeigen oft ein grßeres Einfhlungsvermgen bei der Arbeit, was nicht nur ihre Integration in Teams und Firmen erleichtert, sondern auch ihre Fhrungsqualitten positiv ergnzt. Etwa 30 % der Befragten rechnen mit dem Entstehen neuer Berufe, die nichts mit den uns heute bekannten zu tun haben und jungen Arbeitnehmern ein ganz neues Arbeitsumfeld erffnen werden. Etwa ebenso viele sehen es als Tatsache an, dass renommierte Professoren im Jahr 2030 Online-Vorlesungen halten werden. Diese Ergebnisse zeigen uns – zusammen mit dem Umstand, dass etwa 20 % eine Frhfrderung begabter Kinder ab dem Kindergartenalter und einen Anteil der Medien von etwa 30 % am Bildungswesen fr wahrscheinlich halten –, dass es immerhin eine gewisse, wenn auch
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nicht allzu große Anzahl von kritisch denkenden Menschen in der spanischen Bevlkerung gibt, die mit einem tief greifenden Wandel bei der Bildung rechnen. Bildung wird in Spanien seit fast 40 Jahren als Grundrecht betrachtet. Durch die sozialen Unterschiede und die bis in die spten 1970er-Jahre nicht vorhandene Demokratie war Bildung allerdings lange Zeit ein Luxusgut, das nur wenigen zugnglich war. Daher wurde Bildung fr alle angestrebt, wenn dies auch einen Qualittsverlust mit sich brachte. Mittlerweile hat die Qualitt der Bildung sich auf allen Ebenen verbessert, aber der freie Zugang zu Bildungseinrichtungen wird immer noch hher bewertet als das Leistungsprinzip. In der Praxis bedeutet dies, dass, zumindest im Bereich der Hochschulbildung, das Prinzip der Chancengleichheit (das mit einem Mangel an Ressourcen zusammenhngt, aber auch mit persnlichen Leistungen und Fhigkeiten zu tun hat) durch eine Art von Gleichheit ersetzt wurde, die eher kubanischen als schwedischen Prinzipien entspricht. Ohne hier moralische oder politische Fragen aufwerfen zu wollen, muss doch die Tatsache betont werden, dass dieses Verstndnis hherer Bildung zu abwegigen Entwicklungen gefhrt hat: Zum einen entspricht das Bildungsangebot weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht den Anforderungen des Arbeitsmarktes, zum anderen sehen sich immer mehr teilweise sogar promovierte Hochschulabsolventen gezwungen, zur Deckung ihres Lebensunterhaltes Ttigkeiten auszuben, fr die sie berqualifiziert sind. Darber hinaus wirkt sich die berfllung der hheren Bildungseinrichtungen auch negativ auf die Lehre aus. Die Vernderungen, die durch den Bologna-Prozess eingefhrt wurden, sollen einige der genannten Probleme lsen. Die Zurckhaltung von Studenten und Institutionen erschwert jedoch diesen Prozess. Noch immer werden der Arbeitsmarkt und die Bildung als zwei separate Bereiche betrachtet, und diese Sicht knnte mittelfristig insofern ein Problem darstellen, als sie sich unter Umstnden negativ auf die Karrierechancen knftiger Akademiker auf einem globalen Arbeitsmarkt auswirken wird.
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Die Ergebnisse der PISA-Studie 2006 zeigten ein besorgniserregendes Szenario fr das spanische Bildungswesen. Absolventen, denen es deutlich an Sprachkenntnissen und anderen Schlsselqualifikationen mangelt, knnten einen schlechten Stand im Wettbewerb haben. Die Situation wird weiter verschrft durch die Tatsache, dass zu wenig ffentliche Mittel fr Forschung, Entwicklung und Innovation zur Verfgung stehen – Spanien liegt bei ffentlichen Investitionen unter dem europischen Durchschnitt. Die Zukunft der Sicherheit
Auch wenn die Wirtschaft krzlich auf der Liste der Hauptsorgen an die erste Stelle gerckt ist, rangiert die Frage nach der ffentlichen Sicherheit weiter unter den ersten drei Themen, die die Spanier besonders beschftigen. Die Madrider Zuganschlge vom 11. Mrz 2004 haben im kollektiven Bewusstsein der Spanier eine tiefe Angst vor dem Terrorismus und ganz allgemein eine verstrkte Auseinandersetzung mit der Sicherheitsproblematik bewirkt. Etwas abgemildert wurde diese Angst nur dadurch, dass seit den Anschlgen eine gewisse Zeit vergangen ist und sich die Wirtschaftsprobleme des Landes strker in den Vordergrund geschoben haben. In Spanien gibt es eine stndig wachsende Besorgnis im Hinblick auf organisierte Kriminalitt. Diese Besorgnis ist hauptschlich darauf zurckzufhren, dass die Brger diese nicht als etwas betrachten, das „irgendwo da draußen“ passiert, sondern als Problem, das ihr Alltagsleben unmittelbar beeintrchtigt. Das knnte der Grund sein, warum etwa 50 % der Befragten frchten, dass die organisierte Kriminalitt im Jahr 2030 in Europa ein großes Problem sein wird. Es gibt eine hnliche Besorgnis im Hinblick auf zunehmende Internet-Kriminalitt und Kriege infolge von Verteilungskmpfen bei knappen natrlichen Ressourcen; beide Probleme sind momentan im Bewusstsein der ffentlichkeit sehr prsent. In Bezug auf die soziale Stabilitt ist es besorgniserregend, dass 36 % der Befragten Einwanderer und Auslnder als potenziellen Risikofaktor fr die Entwicklung der Kriminalittsrate betrachten.
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Ein hnlich großer Prozentsatz meint, dass Computerberwachung einen entscheidenden Beitrag zur Verbrechensbekmpfung leisten wird. Beide Auffassungen knnten – zusammen mit der Tatsache, dass ber 30 % nicht nur die Sicherheit fr wichtiger als den Schutz der Privatsphre halten, sondern auch die Verwendung von Mikrochips zur Personenidentifikation vorstellbar finden – als schwache Indikatoren fr eine mgliche soziale und politische Akzeptanz gegenber einer knftigen Politik der sozialen Kontrolle gewertet werden. In naher Zukunft knnten sich im Hinblick auf die ffentliche Sicherheit vor allem folgende Probleme ergeben: eine Gefhrdung der sozialen Stabilitt, eine Art Krise der Demokratie, eine vllige Verzerrung (oder „Auflsung“) der jetzigen Grundlagen des Sozialsystems und die Entstehung eines „Big Brother“-Staates in Spanien, Europa und den meisten der entwickelten Lnder. Die Zukunft der Familie
Bezogen auf smtliche Themen der Studie erhielt eine Aussage die grßte Zustimmung: 61 % glauben, dass im Jahr 2030 die meisten Paare ohne Trauschein zusammenleben werden. Viel Zustimmung gab es auch zu einer anderen Aussage des Themenkreises Familie: Etwa 50 % der Befragten sind der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare in Zukunft das Recht haben sollten, zu heiraten und Kinder zu adoptieren. Diese beiden wesentlichen Punkte lassen darauf schließen, dass in dem traditionellen Muster der spanischen Familie ein radikaler Wandel stattgefunden hat. Das Zukunftsbild der Brger ist im Zusammenhang mit der gegenwrtigen Realitt zu sehen: Heutzutage ist es in Spanien vllig normal, dass Paare ohne Trauschein zusammenleben; ebenso erlaubt es das Gesetz, dass Homosexuelle eine Ehe schließen und Kinder adoptieren. Dies ist insofern sehr interessant, als diese – in kultureller Hinsicht – radikalen Vernderungen (insbesondere was die rechtliche Gleichstellung der Homosexuellen angeht) offenbar nicht als vorlufig angesehen, sondern als dauerhafter Wandel empfunden werden. Daraus knnen wir die Schlussfolge-
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rung ziehen, dass sich die Auffassung darber, was Familie bedeutet – oder bedeuten sollte –, in Spanien grundlegend gewandelt hat. Hinsichtlich der brigen Punkte sind zwei Aussagen besonders hervorzuheben, bei denen eine Zustimmung von ber 25 % der Befragten zu verzeichnen war: erstens die Annahme, dass ber 60-Jhrige knftig Wohngemeinschaften bilden werden (und dass es sogar mehr Wohngemeinschaften von ber 60-Jhrigen als von 30- bis 40-Jhrigen geben wird); zweitens die Annahme, dass Familienmitglieder ihre Eltern finanziell untersttzen werden. Beides lsst ebenfalls auf eine vernderte Sicht der typischen spanischen Familienstrukturen schließen: Die Alten werden nicht mehr – wie bisher blich – zu Hause wohnen bleiben; anstatt wie gewohnt ihren Kindern Geld zu geben, werden sie knftig umgekehrt von diesen finanziell untersttzt werden. Das erste Verhaltensmuster scheint dabei sehr viel wahrscheinlicher als das zweite. Das zweite erscheint mglich, wenn man den gegenwrtigen Trend in die Zukunft projiziert. Dabei wird aber nicht bercksichtigt, dass es auch ein Alternativszenario geben knnte, in dem die Alten mglicherweise – zum ersten Mal in der spanischen Geschichte – ber eine strkere Finanzkraft und wirtschaftliche Soliditt als die Generation ihrer Kinder verfgen. Tatsache ist, dass die Familie, die in Spanien sowie in anderen Lndern mit einem vom Katholizismus geprgten kulturellen Hintergrund (wie beispielsweise Italien) immer das Rckgrat der Gesellschaft bildete, zunehmend aufweicht (das heißt, ihr Erscheinungsbild nimmt vielerlei Formen an und verndert sich). Die traditionelle Familie lst sich in dem neuen gesellschaftlichen Umfeld auf und wird voraussichtlich die soziale Bedeutung, die sie in der Vergangenheit hatte, endgltig verlieren. Die Zukunft der Umwelt
In der spanischen Gesellschaft ist beim Thema Nachhaltigkeit eine hnliche Sensibilitt zu beobachten wie in anderen entwickelten Lndern. Zwar hat der Umweltschutzgedanke in Spanien erst relativ
Spanien
spt Einzug gehalten, und mglicherweise hat nachhaltiges Handeln – sowohl im ffentlichen als auch im privaten Bereich – nicht so viele wirksame Aktionen gezeitigt und keine so lange Tradition begrndet wie in anderen Lndern. Doch lsst sich in der ffentlichen Meinung ein zunehmendes allgemeines Interesse am Thema Nachhaltigkeit feststellen. Diese Sensibilitt spiegelt sich in den Meinungsußerungen der Befragten wider: ber ein Drittel (zwischen 35 und 57 %) der Bevlkerung scheint von der Notwendigkeit des Mllrecyclings, des Schutzes der Trinkwasservorrte sowie der Energiegewinnung aus Sonne und Wind berzeugt zu sein. Tatschlich wird es als unvermeidlich angesehen, bis 2030 den Weg der Nachhaltigkeit zu beschreiten, obwohl nur etwa 12 % glauben, dass das Problem des Klimawandels durch technische Entwicklungen gelst werden kann. Trotzdem ist im Hinblick auf all diese berzeugungen, zumindest was Spanien angeht, Skepsis angebracht. Nachhaltigkeit und kologie sind mehr zu einem Modetrend geworden, als dass sie eine konkrete Realitt darstellen, die im Bewusstsein der Bevlkerungsmehrheit verankert ist. Das ffentliche Bewusstsein ist noch nicht wirklich von einer Kultur der Nachhaltigkeit geprgt. Der Mangel an grundlegendem Wissen und an Informationen zu diesem Thema, die rein symbolischen Maßnahmen, die von der Regierung ergriffen werden, der Kostenaufwand sowie die Schwierigkeiten, die mit Recycling und / oder der Nutzung von alternativen Energien einhergehen, sind der Entwicklung und Verbreitung eines ernst zu nehmenden Bewusstseins eher abtrglich. Die Zukunft des Konsums
Wenn man sich die Ergebnisse der Befragung anschaut, kann man leicht zu dem Schluss kommen, dass die Spanier die Zukunft wohl nur als Fortsetzung der gegenwrtigen Trends begreifen. Die Aussichten fr den Konsum scheinen nur die gegenwrtige Realitt und die aktuellen Ereignisse in Spanien widerzuspiegeln.
309
310
Einzelanalysen fr 9 Lnder
Mehr als die Hlfte der Befragten rechnet damit, dass Alltagsgter bis zum Jahr 2030 teurer werden (eine entsprechende Entwicklung konnte man whrend der letzten sechs Monate Tag fr Tag erleben). Tatschlich hat der Preis absolute Prioritt: Nur etwa 15 % denken, Service und Beratung knnten wichtiger sein als ein niedriger Preis. Diese Einschtzung knnte auch der Grund dafr sein, dass etwa 20 % (das ist zwar kein allgemein vorherrschender Trend, aber immerhin ein nicht unbedeutender schwacher Indikator) davon ausgehen, dass die meisten Lebensmittel im Inland produziert werden – was als sehr interessante und neue Entwicklung einzuschtzen ist. Trotz der steigenden Preise – und trotz des vorher erwhnten Pessimismus im Hinblick auf die Arbeitswelt – meint paradoxerweise fast die Hlfte (44 %), dass die meisten Haushalte mindestens zwei Autos besitzen werden, was ein Zeichen des Wohlstands wre. Einmal mehr wird die Gegenwart auf die Zukunft projiziert: Alles wird so bleiben, wie es heute ist. Abschließend soll noch ein anderer wesentlicher Punkt hervorgehoben werden: Etwa 35 % der Befragten (also jeder Dritte) glauben, dass die meisten Konsumgter (Autos, Fernseher, Kleidung) im Jahr 2030 nicht mehr gekauft, sondern geleast werden. Diese Einschtzung ist insofern sehr interessant, als sie von den Brgern eines Landes kommt, in dem das Eigentum als heilig betrachtet wird: Whrend es in den meisten europischen Lndern jahrzehntelang blich war, einen Haushalt ber die Anmietung einer Wohnung zu grnden, wird in Spanien bis zum heutigen Tag nur relativ wenig gemietet, zumal das Mieten teuer ist. Jeder Spanier mchte ein Haus, ein Auto, einen Fernseher usw. als sein Eigentum besitzen. Wie bereits dargelegt, hat der Konsum in den letzten Jahren eine zentrale Rolle in der spanischen Gesellschaft gespielt: Dinge zu besitzen war gleichbedeutend mit gesellschaftlichem Erfolg, was zu einer extremen Konsumorientierung in der spanischen Gesellschaft fhrte – einer Gesellschaft, in der die ffentliche Dimension (und die Art und Weise, wie der Einzelne sich gegenber der Gemein-
Spanien
schaft prsentiert) den Schlssel zum Verstndnis des individuellen Verhaltens darstellt. Traditionellerweise waren die Spanier im Gegensatz zu anderen Europern immer sehr zurckhaltend, wenn es darum ging, Konsumgter auf andere Weise als durch Kauf zu erwerben. Daher handelt es sich hier um einen sehr interessanten Sinneswandel, der auf einen grundlegenden kulturellen Wandel schließen lsst. Die Zukunft der Integration
In letzter Zeit war Spanien eines der Haupteinwanderungslnder, wenn nicht sogar das Einwanderungsland in Europa schlechthin. Die meisten Immigranten kommen aus Lateinamerika und Afrika – im einen Falle wegen der tiefen gemeinsamen kulturellen Wurzeln, im anderen wegen der geografischen Nhe. Die Flexibilitt, die der
311
312
Einzelanalysen fr 9 Lnder
Staat in den letzten Jahren bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen fr Einwanderer zeigte, wirkte sozusagen als Lockmittel und machte Spanien fr viele lateinamerikanische und afrikanische Einwanderer zum beliebtesten Zielland in ganz Europa. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der aus Europa stammenden Einwanderer relativ gering. Fast 40 % der Befragten glauben, dass sich dieser Trend bis ins Jahr 2030 fortsetzen wird. Die Ursache dafr drfte sein, dass viele Menschen (etwa 25 %) die Immigration als Gegengewicht zur beralterung der Gesellschaft und folglich auch als Mittel zur Rettung des Sozialstaates betrachten. Abschließend ist noch hervorzuheben, dass bei den Themen der Umfrage, die im Zusammenhang mit der Integration stehen, eine relative Skepsis hinsichtlich einer mglichen Verbesserung des Integrationsprozesses zum Ausdruck kommt (nur etwa 30 % denken, dass sich die Integration einfacher gestalten wird – diese Zahl ist aber wohl zu niedrig angesichts der Tatsache, dass es hier um einen Zeitraum geht, der 22 Jahre weit in die Zukunft reicht). Aus diesem Grund ist zu befrchten, dass es einen rassistischen Keim in der Gesellschaft gibt, der bei einer ungnstigen Wirtschaftsentwicklung und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit wiederaufleben knnte. Optimismus ist jedoch ganz allgemein die vorherrschende Haltung bei diesem Themenkomplex: Jeder Vierte denkt, dass Ehen beziehungsweise ehehnliche Gemeinschaften oder Partnerschaften zwischen multinationalen oder multikulturellen Paaren im Jahr 2030 normal sein werden. Zurckhaltung zeigen die Befragten gegenber dem Gedanken, Europa knne sich zu einer gegen Nichteuroper abgeschotteten Festung entwickeln: Nur etwa 20 % betrachten dies als eine reale Mglichkeit. (Seltsamerweise ist gerade dieses Szenario laut Zukunftsexperten, die mit der Delphi-Methode arbeiten, ußerst wahrscheinlich.)
Anhang
Methode und Befragungszeitraum Die Methode der Werteforschung der STIFTUNG FR ZUKUNFTSFRAGEN – Einer Initiative von British American Tobacco ist wissenschaftlich abgesichert und fundiert. Die Daten beruhen auf einer reprsentativen Zufallsstichprobe der Gesamtheit aller Privathaushalte. Fr die Durchfhrung der Untersuchung wurden die Fragen in einer Mehrthemenbefragung geschaltet. Solche Untersuchungen stellen bewhrte Methoden der Marktforschung dar. In regelmßigen Abstnden werden dabei bevlkerungsreprsentative Stichproben gezogen und befragt, wobei die Auskunftspersonen jedes Mal neu ausgewhlt werden und Paneleffekte daher ausgeschlossen sind. Im Rahmen des GfK EURO BUSSESr wurden die Interviews face-to-face, also persnlich im Haushalt des Probanden durchgefhrt. Die Befragung erfolgte in Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, sterreich, der Schweiz und Spanien mittels CAPI (Computer Assisted Personel Interviews) und in Russland per PAPI (Paper & Pencil). Die Befragungen wurden vom Kooperationsinstitut GfK geleitet und kontrolliert. Alle Interviews wurden beim Rcklauf geprft. Systematische Fehler wurden durch Maschinenkontrolle ausgeschlossen. Anzahl und Reprsentanz: Russland 2100 Personen ab 16 Jahren, Großbritannien 1000 Personen ab 16 Jahren, Deutschland 2000 Personen ab 14 Jahren, Italien 1000 Personen ab 14 Jahren, alle brigen Lnder jeweils 1000 Personen ab 15 Jahren
Methode und Befragungszeitraum
Zeitraum der Befragung:
Juni – Juli 2008
Kooperationsinstitut:
GfK Marktforschung
Darstellung Weicht eine Addition der Prozentwerte geringfgig von 100 ab, so ist das auf Rundungsdifferenzen zurckzufhren. Bei grßeren Abweichungen ist zu beachten, dass auch Mehrfachnennungen mglich waren und das Ergebnis somit den Wert 100 bersteigt.
315
Deutschland
-0,02
42,6
1,39
82,0
75,8
88,9
Bevölkerungsanteil über 65 Jahre in %
Bevölkerungswachstum %
Durchschnittsalter
Fertilität
Lebenserwartung (Frauen)
Lebenserwartung (Männer)
Urbanisierung in %
603
6 200
Computer je 1000 Einwohner
Elektrizitätsverbrauch (kWh) je Einwohner
(Fortsetzung)
3,73
Ärzte je 1000 Einwohner
INFRASTRUKTUR
14,1
19,5
Bevölkerung 0–14 Jahre in %
82,4
15 408
533
3,21
84,7
75,0
82,2
1,73
41,3
0,14
16,2
17,1
5,2
1,0
Frankreich 7 424
386
3,68
76,4
76,1
83,5
1,84
39,1
0,35
16,4
18,3
60,9
5,8
5 853
496
1,82
89,3
76,1
81,1
1,66
39,3
0,28
15,7
17,5
60,6
5,7
1,0
Großbritannien
Bevölkerung in Millionen
Finnland 0,0
5 302
313
6,14
67,7
76,9
82,9
1,28
42,2
0,04
19,7
13,8
58,1
4,6
1,3
Italien
2,2
8 158
503
2,28
66,9
76,2
82,1
1,36
40,9
0,09
17,1
15,4
8,2
11,9
0,9
Österreich
8,8
5 684
129
4,85
73,3
60,5
74,1
1,28
38,4
-0,35
14,5
14,2
142,9
20,2
0,4
Russland
0,7
7 809
758
3,57
67,8
77,7
83,5
1,43
40,1
0,43
15,6
16,3
7,5
20,5
0,4
Schweiz
Ausländerquote in %
6 064
312
3,57
77,2
76,3
83,2
1,28
39,9
-0,13
17,8
14,4
40,4
9,3
2,1
Spanien
Analphabeten in % (Bev. über 14 Jahre)
SOZIALSTRUKTUR
Die höchsten und niedrigsten Werte sind jeweils hervorgehoben.
Europa in Zahlen
316
Anhang
743
679
842
573
947
670
Fernsehgeräte je 1000 Einwohner
Internetnutzer je 1000 Einwohner
Mobiltelefone je 1000 Einwohner
Pkw je 1000 Einwohner
Rundfunkgeräte je 1000 Einwohner
Telefonanschlüsse je 1000 Einwohner
9,7
Anteil der Landwirtschaft am BIP (%)
Arbeitslosigkeit in %
18 726
42 283
Verteidigungsausgaben (in Mio. $)
1 304
Staatshaushalt – Einnahmen (in Mrd. $)
Staatsverschuldung ($) je Einwohner
1 453
Staatshaushalt – Ausgaben (in Mrd. $)
1,9
Inflationsrate (%)
0,87
882
Import (in Mrd. $)
Kaufkraft eines US-$
105
1193
36 646
Gold und Währungsreserven (in Mrd. $)
Export (in Mrd. $)
BIP je Einwohner in $
3 886
0,9
Anteil der Dienstleistungen am BIP (%)
Auslandsverschuldung (in Mrd. $)
29,4
69,7
Anteil der Industrie am BIP (%)
WIRTSCHAFTSDATEN
11,9
Erdölverbrauch (Barrel pro Jahr je Einwohner)
Europa in Zahlen (Fortsetzung)
2 724
14 190
104
103
0,84
0,8
64
12
74
38 249
222
8,1
3,0
67,6
29,4
556
1623
472
887
688
778
15,6
45 000
22 171
1 137
1 189
0,91
1,9
540
74
508
33 901
2 908
9,6
2,2
75,8
22,0
578
922
500
708
425
649
12,7
52 887
16 525
929
984
0,86
2,0
522
49
413
36 240
7 297
4,6
0,6
75,2
24,2
585
1407
465
869
437
661
10,6
33 086
32 556
803
903
1,03
2,1
405
67
408
29 542
964
7,5
2,0
67,7
30,3
517
889
605
979
418
527
11,9
2 518
24 701
148
153
0,92
2,5
132
11
143
37 033
547
5,5
1,7
67,1
31,2
491
749
507
913
630
568
11,45
52 448
476
217
162
2,59
12,2
157
268
291
4 673
146
6,8
5,1
56,1
38,8
262
435
170
277
150
467
7,4
4 011
24 146
140
145
0,70
1,4
150
55
167
46 978
864
3,9
k.A.
k.A.
k.A.
759
970
526
955
512
645
13,2
12 584
10 957
486
492
0,98
3,7
294
22
214
27 810
1 093
8,8
3,8
66,1
30,1
440
436
516
955
384
725
14,24
Methode und Befragungszeitraum 317
Befragungsergebnisse
21 20 19 16 15
13
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung. 8
23
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
31
Gewichteter Durchschnitt
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Deutschland 4
12
14
17
12
14
39
24
48
49
Finnland
41
5
14
19
27
48
25
37
25
48
45
Frankreich 3
22
36
19
29
29
32
43
51
56
6
8
11
10
18
17
19
21
32
64
45
Großbritannien
74
15
11
7
13
14
14
9
9
24
38
31
Italien
55
12
9
18
12
14
12
29
24
43
43
63
Österreich
78
13
12
9
20
20
24
12
20
18
23
34
Russland
50
2
14
29
26
28
19
42
34
52
45
71
Schweiz
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
11
14
17
12
22
22
20
23
23
37
48
Spanien
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Europa 319
37 35 31 20
18
16
10 5
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die xxx (Volksbezeichnung einsetzen, z. B. Deutschen).
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gewichteter Durchschnitt 49
Deutschland
52
2
11
15
14
21
16
68
57
75
76
Finnland
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
2
14
37
31
31
25
24
53
56
48
Frankreich
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
2
19
36
30
33
39
48
62
80
76
Großbritannien 5
7
15
15
17
20
25
40
55
50
61
12
11
8
4
8
13
31
19
32
29
39
Italien
75
9
8
13
10
21
9
56
40
56
58
67
Österreich
71
6
7
12
22
21
17
18
20
23
38
42
Russland
82
1
29
28
22
29
25
68
49
69
76
75
Schweiz
57
7
11
17
17
14
17
25
38
52
55
49
Spanien
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in xxx (Land einsetzen, z. B. Deutschland) größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
320
Befragungsergebnisse
33
31
30
22
21
18
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen). 8
34
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in xxx (Land einsetzen, z. B. Deutschland).
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
38
Gewichteter Durchschnitt
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Deutschland 6
22
24
25
41
36
40
32
49
48
Finnland
40
3
31
23
44
37
41
54
22
45
63
Frankreich
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
4
36
43
30
51
62
61
38
59
68
Großbritannien 7
19
18
26
23
25
33
24
30
44
47
17
10
13
8
12
25
18
25
24
31
27
Italien
78
16
18
15
20
25
34
29
24
37
48
48
Österreich
74
8
12
16
23
27
24
23
42
34
22
23
Russland
60
1
31
32
41
49
52
56
38
51
71
75
Schweiz
45
10
16
19
17
22
16
30
28
34
49
54
Spanien
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Europa 321
35 31 30 27
24
24
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation. 5
38
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
45
Gewichteter Durchschnitt
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
Deutschland 2
23
35
28
43
32
38
43
67
57
Finnland
47
2
45
31
33
36
50
55
40
79
65
Frankreich
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
3
47
49
49
35
47
63
59
64
67
Großbritannien 3
31
19
22
31
32
32
27
56
53
56
12
16
12
13
26
21
18
26
20
28
32
Italien
63
9
19
29
22
43
28
27
38
54
46
58
Österreich
67
5
15
14
28
17
28
31
34
29
38
35
Russland
68
1
34
49
40
54
36
55
58
77
65
73
Schweiz
49
7
26
20
22
37
31
33
37
45
42
47
Spanien
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
322
Befragungsergebnisse
Gewichteter Durchschnitt 27
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
6
27
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
28
Jede dritte Partnerschaft entsteht über InternetDating-Netzwerke.
9
30
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
34 32
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-LifeBalance) ist für viele Frauen möglich.
38
Deutschland
42
3
8
47
25
38
40
20
41
52
55
Finnland
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
3
8
27
30
21
40
46
51
49
67
Frankreich
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
2
13
38
43
41
62
65
56
71
72
Großbritannien 4
7
24
30
32
19
34
26
37
52
63
12
5
19
17
23
20
12
14
21
23
51
Italien
82
10
8
28
22
27
27
19
31
41
43
68
Österreich
68
8
10
16
20
18
21
32
32
24
21
45
Russland
70
1
11
49
38
32
58
40
64
56
66
77
Schweiz
60
8
10
29
36
26
21
35
29
36
52
61
Spanien
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Europa 323
34
34
26
16 14 12
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird. 6
37
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
38
Gewichteter Durchschnitt
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Deutschland
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
3
7
12
12
43
37
27
52
64
Finnland 4
11
14
14
48
31
33
43
41
54
1
14
15
24
53
59
50
59
56
62
77
Frankreich
79
6
7
11
13
23
30
22
39
32
23
64
Großbritannien
39
11
8
9
13
9
28
32
24
16
33
32
Italien
55
11
8
11
11
32
30
29
34
46
49
44
Österreich
42
7
16
17
18
12
27
39
23
29
45
34
Russland
50
1
11
16
17
41
46
44
60
55
54
77
Schweiz
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
6
13
13
12
21
33
31
36
30
44
57
Spanien
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
324
Befragungsergebnisse
31 29 28 24 19 16
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis. 5
32
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
34
Gewichteter Durchschnitt
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Deutschland 2
15
13
35
19
33
34
27
47
36
Finnland
36
3
32
22
22
53
27
37
44
45
48
Frankreich
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
2
31
31
42
59
44
68
57
62
69
Großbritannien 3
13
13
19
28
16
20
42
34
53
73
13
6
11
12
16
20
25
26
20
16
38
Italien
77
10
14
16
31
13
28
32
36
39
28
64
Österreich
75
6
13
24
17
24
32
21
19
18
23
49
Russland
80
0
30
20
51
35
46
55
42
55
56
77
Schweiz
61
6
16
20
19
28
20
28
44
36
35
53
Spanien
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Europa 325
34 31 26 25 23
21
18 10
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gewichteter Durchschnitt 35
Deutschland
35
5
16
26
29
20
31
37
39
43
53
Finnland
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach xxx (Land einsetzen, z. B. Deutschland) ein.
5
12
44
35
49
41
54
46
54
44
Frankreich
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
3
36
37
45
36
42
67
67
45
65
Großbritannien 7
16
16
16
27
27
34
25
40
43
43
16
12
12
14
18
20
20
27
26
15
22
Italien
57
11
19
25
30
17
39
30
30
37
47
48
Österreich
49
16
15
15
17
22
19
24
24
27
17
20
Russland
57
2
21
30
44
38
46
58
70
42
53
63
Schweiz
38
8
20
24
20
32
17
37
26
38
36
39
Spanien
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
326
Befragungsergebnisse
24 17 14 14 12
12
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
4
39
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
48
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 49
Frauen
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
4
11
12
14
14
16
22
38
48
49
Männer 3
13
13
15
15
18
26
40
49
50
78
4
12
13
15
14
15
22
40
49
49
77
14–34 Jahre
79
2
12
12
13
14
17
26
39
51
51
80
35–54 Jahre
78
5
11
12
14
15
19
24
40
46
52
78
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
Deutschland 327
68 57 21 16
15
14 11
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Deutschen.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
2
75
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
76
Gesamtbevölkerung
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
Frauen
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
2
12
13
15
15
21
56
68
75
78
Männer 2
11
14
14
17
22
58
69
75
75
82
3
10
14
17
14
22
51
64
72
68
80
14–34 Jahre
83
1
11
15
13
18
19
60
72
77
76
84
35–54 Jahre
83
2
12
12
15
16
23
59
68
76
83
84
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Deutschland größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
328
Befragungsergebnisse
40 36 32 25 24 22
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Deutschland.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
6
41
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
48
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
Gesamtbevölkerung 49
Frauen 6
22
23
22
34
34
40
40
48
48
5
22
24
28
29
38
41
41
47
50
59
Männer
62
6
21
25
24
32
35
42
38
50
49
59
14–34 Jahre
60
5
22
24
26
34
37
45
42
47
46
63
35–54 Jahre
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
7
22
23
25
29
35
34
41
47
51
58
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
Deutschland 329
43 43 38 35 32 28 23
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
2
57
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
67
Gesamtbevölkerung
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Frauen
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
3
22
29
34
35
37
44
43
56
65
Männer 2
24
26
30
35
38
43
44
58
69
69
3
25
24
27
34
39
45
36
53
70
65
14–34 Jahre
67
2
25
30
33
34
36
44
45
57
69
69
35–54 Jahre
68
2
21
28
34
38
38
42
47
60
63
69
55+ Jahre
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
330
Befragungsergebnisse
40 38 25 20
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
3
41
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
47
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
8
52
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
55
Gesamtbevölkerung
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
3
8
20
25
37
40
43
48
53
55
Männer 3
9
20
26
40
41
38
47
52
54
72
3
8
20
27
38
48
42
39
46
61
74
14–34 Jahre
68
3
8
21
31
44
42
41
49
52
56
69
35–54 Jahre
70
3
9
18
19
33
32
40
52
57
48
68
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
Deutschland 331
27 12 12
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
3
37
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
39
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
7
43
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
52
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Gesamtbevölkerung 55
Frauen
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
3
7
10
11
28
37
39
45
52
52
Männer 3
7
13
12
27
36
39
41
52
57
63
3
7
14
14
26
36
33
37
57
58
59
14–34 Jahre
65
2
8
12
11
28
36
41
43
52
54
67
35–54 Jahre
64
3
6
10
10
28
38
40
48
48
52
64
55+ Jahre
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
332
Befragungsergebnisse
34 33 27 19 15 13
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
2
35
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
36
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Gesamtbevölkerung 47
Frauen
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
3
12
13
22
28
33
33
35
36
46
Männer 2
13
17
15
26
33
35
35
36
49
80
2
10
12
20
28
30
35
33
47
50
79
14–34 Jahre
79
2
13
13
18
28
32
39
37
38
48
79
35–54 Jahre
80
3
14
19
18
27
36
29
34
26
45
80
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
Deutschland 333
37 31 29 26 20 16
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
5
39
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
43
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Deutschland ein.
Gesamtbevölkerung 53
Frauen
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
6
14
18
23
29
31
37
38
43
53
Männer 4
17
21
30
28
31
38
40
43
53
56
5
14
22
21
25
28
40
43
38
49
53
14–34 Jahre
58
4
16
19
25
31
31
36
40
44
55
57
35–54 Jahre
57
6
16
19
31
30
33
37
34
45
53
59
55+ Jahre
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Deutschland
334
Befragungsergebnisse
37 27 25 25 19
14
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
5
45
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
48
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 48
Frauen
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
4
13
21
26
26
31
36
50
46
50
Männer 5
15
17
24
25
24
37
40
50
46
52
6
10
18
22
21
17
39
49
48
43
44
15–34 Jahre
59
3
17
15
25
26
30
35
50
47
54
55
35–54 Jahre
55
5
15
23
27
28
35
37
36
49
47
66
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
Finnland 335
37
31 31 25 24 14
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Finnen.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
2
48
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
53
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Gesamtbevölkerung 56
Frauen 2
14
25
25
28
32
39
52
50
56
1
14
24
25
33
30
34
44
56
55
70
Männer
71
3
9
21
25
37
28
42
38
47
52
67
15–34 Jahre
71
0
12
26
22
30
31
35
50
62
60
72
35–54 Jahre
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
2
20
26
27
25
34
33
57
50
55
72
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Finnland größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
336
Befragungsergebnisse
45 44 41 37 31 23 22
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Finnland.
3
54
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
63
Gesamtbevölkerung
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Frauen
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
3
22
24
31
39
46
40
50
56
66
Männer 3
23
22
31
36
36
47
39
53
61
70
3
16
21
27
31
35
35
33
48
60
69
15–34 Jahre
77
2
22
22
32
38
43
44
48
60
62
77
35–54 Jahre
74
4
29
27
34
43
46
51
51
54
68
74
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
Finnland 337
55 50 45 40 36 33 31
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
2
65
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
67
Gesamtbevölkerung
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Frauen
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
2
30
36
31
38
43
55
55
62
69
Männer 2
33
29
40
42
46
45
54
67
65
78
2
30
31
32
44
40
40
50
63
54
82
15–34 Jahre
79
2
33
34
36
40
43
56
52
66
70
80
35–54 Jahre
79
3
31
32
39
37
51
53
62
64
76
74
55+ Jahre
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
338
Befragungsergebnisse
67 51 49 46 40 30 27 21
8
3
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
2
8
23
29
30
43
51
53
53
71
Männer 3
8
19
25
30
38
41
45
48
64
62
3
6
20
19
27
43
46
42
50
73
70
15–34 Jahre
73
2
6
24
30
36
45
42
55
49
72
63
35–54 Jahre
68
3
11
20
31
27
33
50
51
53
58
70
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
Finnland 339
43 41 33 31 14 14 11
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
4
48
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
54
Gesamtbevölkerung
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Frauen
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
3
9
13
14
33
36
44
47
48
57
Männer 4
12
15
15
28
30
38
39
47
51
79
4
13
16
14
27
27
38
46
43
47
76
15–34 Jahre
80
3
8
12
13
33
37
43
44
48
57
81
35–54 Jahre
79
3
11
13
16
33
34
41
40
51
58
80
55+ Jahre
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
340
Befragungsergebnisse
44 37 32 27 22 22
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
3
45
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
48
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Gesamtbevölkerung 53
Frauen
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
2
22
21
29
35
41
50
37
52
55
Männer 3
22
24
25
30
33
37
52
45
51
73
4
21
15
23
25
32
39
48
51
48
75
15–34 Jahre
76
1
19
26
24
33
43
45
41
49
55
79
35–54 Jahre
75
3
27
26
33
38
36
46
44
46
55
70
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
Finnland 341
46 44 44 41 35 12
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
5
49
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
49
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Gesamtbevölkerung 54
Frauen 5
10
36
45
40
46
51
47
48
55
4
14
35
37
47
42
40
51
50
52
53
Männer
55
6
8
32
35
41
37
42
44
50
50
52
15–34 Jahre
54
2
15
36
36
44
49
48
53
49
51
57
35–54 Jahre
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Deutschland ein.
6
12
39
52
46
47
48
49
48
60
53
55+ Jahre
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Finnland
342
Befragungsergebnisse
36 32 29 29
22
19
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
3
43
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
51
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 56
Frauen
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
2
18
21
27
27
31
35
42
47
59
Männer 4
20
22
30
31
34
36
45
55
51
74
1
19
21
24
34
32
35
43
53
62
75
15–34 Jahre
74
2
19
25
28
25
32
30
46
49
60
74
35–54 Jahre
74
6
19
19
33
28
33
42
41
50
45
73
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
Frankreich 343
48 39
36
33 30 19
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Franzosen.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
2
62
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
75
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Frankreich größer geworden.
Gesamtbevölkerung 76
Frauen
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
2
20
28
31
33
35
48
62
75
74
Männer 2
18
33
36
39
44
48
62
75
77
79
1
22
38
38
40
39
48
61
73
76
84
15–34 Jahre
81
2
18
31
32
32
36
47
62
78
74
80
35–54 Jahre
80
2
18
23
31
36
42
48
63
74
77
78
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
344
Befragungsergebnisse
59 51 43 38 36 30
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Frankreich.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
4
61
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
62
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Gesamtbevölkerung 68
Frauen
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
4
25
34
35
41
51
61
57
59
65
Männer 3
36
39
42
44
51
57
65
65
71
81
2
26
34
41
43
50
62
69
62
70
81
15–34 Jahre
75
3
26
40
34
40
48
55
58
61
65
76
35–54 Jahre
78
6
38
36
40
45
55
61
56
62
68
78
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
Frankreich 345
59 49 49 47 47 35
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
3
63
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
63
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Gesamtbevölkerung 64
Frauen
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
3
30
44
46
45
48
58
60
60
62
Männer 2
41
50
49
53
50
60
65
66
66
66
1
29
50
45
50
55
62
60
69
68
73
15–34 Jahre
68
2
34
44
44
48
47
61
61
62
62
63
35–54 Jahre
67
4
43
47
53
48
45
54
67
60
62
65
55+ Jahre
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
346
Befragungsergebnisse
62 56 43 41 38
13
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
2
65
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
71
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Gesamtbevölkerung 72
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
2
12
38
43
42
53
63
64
69
71
Männer 3
14
38
40
44
59
61
65
73
72
82
1
12
37
47
49
59
66
65
73
80
91
15–34 Jahre
83
2
13
44
45
44
54
63
62
69
73
76
35–54 Jahre
82
4
14
33
33
37
55
58
67
70
62
81
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
Frankreich 347
56
53
50 24 15 14
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
1
59
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
59
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Gesamtbevölkerung 62
Frauen
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
2
13
14
23
51
50
55
60
61
61
Männer 1
14
16
25
50
57
56
57
57
64
77
1
17
13
22
42
53
60
60
58
52
78
15–34 Jahre
77
1
11
14
24
52
56
56
58
62
66
75
35–54 Jahre
77
2
14
18
26
56
51
51
58
58
68
77
55+ Jahre
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
348
Befragungsergebnisse
59 57 44 42 31 31
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
2
62
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
68
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Gesamtbevölkerung 69
Frauen
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
2
27
30
37
45
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56
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Männer 2
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33
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63
67
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79
1
26
28
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45
58
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76
84
15–34 Jahre
76
1
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42
57
61
61
70
65
74
35–54 Jahre
77
3
35
34
41
45
56
61
59
61
66
75
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
Frankreich 349
65 57 45 45 42 37 36 36 3
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Frankreich ein.
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 67
Frauen
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
4
32
34
33
41
42
40
55
60
67
Männer 2
39
38
41
43
48
50
59
70
67
69
2
40
33
33
38
45
43
54
64
72
70
15–34 Jahre
66
2
36
35
39
39
43
40
54
61
68
69
35–54 Jahre
67
5
31
39
38
49
45
51
63
69
61
64
55+ Jahre
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Frankreich
350
Befragungsergebnisse
17 11 10
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
6
18
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
19
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
8
21
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
32
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 45
Frauen
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
5
9
11
12
17
18
18
22
30
51
Männer 8
8
9
10
17
19
20
20
35
39
60
7
10
11
15
10
15
18
16
28
44
64
16–34 Jahre
67
5
9
11
9
15
19
22
26
33
48
66
35–54 Jahre
64
7
6
9
11
26
21
17
22
36
43
62
55+ Jahre
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
Großbritannien 351
17
15
15
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Briten.
5
20
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
25
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
7
40
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
50
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
Gesamtbevölkerung 55
Frauen
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
5
7
18
18
18
16
23
39
49
57
Männer 4
7
13
12
16
24
26
42
51
52
62
6
6
19
14
19
15
26
34
40
50
57
16–34 Jahre
60
2
7
16
15
16
20
23
43
53
60
62
35–54 Jahre
61
7
9
12
17
16
25
25
44
55
55
62
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Großbritannien größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
352
Befragungsergebnisse
26 25 24 23 19 18
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Großbritannien.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
7
30
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
33
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Gesamtbevölkerung 44
Frauen
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
7
18
19
26
27
25
24
34
33
45
Männer 7
18
19
20
22
25
28
25
34
42
48
5
15
22
20
28
25
24
22
35
42
45
16–34 Jahre
47
7
18
21
25
21
23
29
30
37
43
46
35–54 Jahre
47
10
21
14
24
24
27
25
36
29
46
51
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
Großbritannien 353
32 31 31 27 22 19
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
3
32
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
53
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Gesamtbevölkerung 56
Frauen
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
4
19
21
25
31
32
32
34
50
56
Männer 3
20
23
29
31
31
32
31
56
56
55
4
16
23
27
36
28
31
29
48
49
41
16–34 Jahre
57
2
18
20
27
32
34
31
34
57
60
60
35–54 Jahre
56
5
24
22
27
25
32
33
35
55
58
66
55+ Jahre
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
354
Befragungsergebnisse
26 24 19
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
4
30
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
32
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
7
34
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
37
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Gesamtbevölkerung 52
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
4
8
18
26
28
32
35
35
40
56
Männer 5
6
19
23
23
27
30
33
35
47
64
5
6
21
15
26
32
28
33
28
54
66
16–34 Jahre
63
3
6
21
27
26
36
37
32
37
60
66
35–54 Jahre
63
6
9
14
30
25
22
31
36
46
42
58
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
Großbritannien 355
22 13 11
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
6
23
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
23
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
7
30
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
32
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Gesamtbevölkerung 39
Frauen
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
5
8
11
14
24
24
26
33
32
41
Männer 8
6
12
13
19
22
21
27
31
36
61
5
5
8
16
23
19
24
31
30
36
65
16–34 Jahre
66
5
8
11
11
20
23
21
33
38
39
60
35–54 Jahre
64
8
9
14
13
22
26
25
26
27
41
66
55+ Jahre
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
356
Befragungsergebnisse
28 20 19 16 13 13
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
3
34
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
42
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Gesamtbevölkerung 53
Frauen
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
2
14
15
18
19
21
31
31
45
53
Männer 3
11
10
14
19
19
25
36
38
54
71
3
10
12
15
22
16
31
27
41
55
69
16–34 Jahre
76
1
12
11
18
19
22
28
35
43
56
72
35–54 Jahre
73
4
16
16
16
15
21
27
39
41
49
79
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
Großbritannien 357
27 27 25 16 16 16
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
7
34
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
40
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Großbritannien ein.
Gesamtbevölkerung 43
Frauen
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
7
14
14
16
30
27
25
34
43
40
Männer 7
18
18
16
21
26
30
33
37
46
44
7
12
9
12
26
31
29
34
37
35
36
16–34 Jahre
42
5
16
17
15
25
28
22
36
41
47
42
35–54 Jahre
43
9
18
21
20
25
21
31
31
43
47
51
55+ Jahre
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Großbritannien
358
Befragungsergebnisse
15
7
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
9
11
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
13
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
14
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
9
14
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
24
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 31
Frauen
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
15
6
6
9
11
11
11
14
24
30
Männer 16
7
11
9
11
14
17
15
23
31
40
13
7
11
10
12
12
18
14
27
27
43
14–34 Jahre
36
14
7
9
10
9
13
13
18
24
34
35
35–54 Jahre
38
18
5
6
8
12
13
12
10
21
30
37
55+ Jahre
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
Italien 359
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
12
4
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Italiener.
11
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
8
13
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
8
19
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
29
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
31
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Gesamtbevölkerung 32
Frauen
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
12
3
8
9
10
12
19
30
29
29
Männer 12
4
7
7
12
15
20
28
33
36
38
11
5
12
8
12
16
19
25
36
31
39
14–34 Jahre
39
12
4
7
6
12
14
20
32
31
35
40
35–54 Jahre
39
12
3
6
10
10
11
19
29
26
31
38
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Italien größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
360
Befragungsergebnisse
24 18 13 12 10 8
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
17
25
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Italien.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
25
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Gesamtbevölkerung 27
Frauen
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
18
7
11
11
12
16
23
21
25
28
Männer 15
9
9
13
14
20
25
28
26
26
31
16
9
10
8
14
22
20
23
30
26
31
14–34 Jahre
30
16
9
7
14
14
21
28
25
22
33
35
35–54 Jahre
31
18
8
13
13
11
12
24
25
24
22
26
55+ Jahre
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
Italien 361
26 26 21 20 18 16 13 12 12
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 28
Frauen
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
11
11
11
15
17
20
23
27
24
25
Männer 14
13
15
16
19
20
19
24
28
31
32
13
10
16
18
24
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28
26
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32
14–34 Jahre
32
11
16
12
17
18
21
23
23
27
31
33
35–54 Jahre
32
13
9
11
13
13
16
19
26
25
29
30
55+ Jahre
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
362
Befragungsergebnisse
20 19 17 14 12
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
12
5
21
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
23
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
Gesamtbevölkerung 23
Frauen
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
10
6
9
15
18
16
22
21
23
21
Männer 13
5
14
14
16
21
18
22
22
25
52
10
5
14
16
18
18
22
21
26
22
52
14–34 Jahre
51
11
7
10
14
16
19
22
24
26
23
56
35–54 Jahre
51
14
5
11
14
17
19
16
20
18
23
47
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
Italien 363
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
11
8
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
13
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
9
16
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
24
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
9
28
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
32
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Gesamtbevölkerung 32
Frauen
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
12
7
6
10
12
15
23
29
33
32
Männer 11
9
11
9
13
17
24
27
31
33
35
10
13
8
9
14
17
24
29
31
34
33
14–34 Jahre
30
11
7
9
11
12
16
24
31
36
37
34
35–54 Jahre
33
13
5
9
9
12
16
24
24
29
26
31
55+ Jahre
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
364
Befragungsergebnisse
20 16 16 12 11
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
13
6
20
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
25
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Gesamtbevölkerung 26
Frauen
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
12
5
11
11
16
17
19
19
24
27
Männer 13
7
11
14
16
16
20
22
27
25
39
14
5
11
12
18
21
21
20
23
25
36
14–34 Jahre
38
11
9
8
15
16
18
21
19
28
27
41
35–54 Jahre
38
13
3
12
10
15
11
17
22
25
25
38
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
Italien 365
22 20 20 18 15 14 12 12 16
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 26
Frauen
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Italien ein.
15
11
12
12
13
17
19
19
21
27
Männer 17
12
12
16
17
20
21
21
24
24
24
16
11
14
17
15
23
23
22
23
23
25
14–34 Jahre
29
13
15
14
15
15
21
17
18
24
25
32
35–54 Jahre
27
17
9
10
10
15
13
20
19
20
29
24
55+ Jahre
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Italien
366
Befragungsergebnisse
24 18 14 12 12
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
12
9
29
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
43
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Gesamtbevölkerung 43
Frauen
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
14
9
11
13
14
18
22
27
43
44
Männer 10
10
13
12
14
19
25
31
43
43
63
9
11
14
11
16
19
21
28
46
48
61
15–34 Jahre
63
10
10
13
14
15
18
28
31
42
47
67
35–54 Jahre
63
17
8
9
12
11
18
22
26
41
34
59
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
sterreich 367
9
10
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Österreicher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
13
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
8
21
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
40
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
9
56
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
56
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
Gesamtbevölkerung 58
Frauen
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
8
8
10
10
13
22
40
55
57
60
Männer 9
8
9
10
13
20
41
56
55
56
67
9
9
10
13
14
20
37
59
55
52
61
15–34 Jahre
67
7
8
9
9
12
21
43
59
59
64
71
35–54 Jahre
67
10
8
8
8
14
21
40
48
54
57
68
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Österreich größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
368
Befragungsergebnisse
37 34 29 25 24 20 18 15 16
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Österreich.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 48
Frauen
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
17
14
16
18
25
24
29
34
38
50
Männer 15
16
20
23
24
27
29
35
37
45
49
14
18
17
19
25
26
35
28
36
47
52
15–34 Jahre
48
11
13
20
24
30
24
29
39
39
51
53
35–54 Jahre
48
23
15
17
18
17
26
22
34
36
44
40
55+ Jahre
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
sterreich 369
38 29 28 27 22 19
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
9
43
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
46
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Gesamtbevölkerung 54
Frauen
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
9
19
21
26
28
28
36
42
46
54
Männer 9
20
23
29
29
31
39
43
47
55
61
6
24
19
27
26
29
42
39
46
60
55
15–34 Jahre
55
9
21
27
30
29
32
39
42
45
57
60
35–54 Jahre
58
12
12
19
24
30
27
32
47
48
46
58
55+ Jahre
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
370
Befragungsergebnisse
28 27 27 22 19
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
10
8
31
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
41
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Gesamtbevölkerung 43
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
10
7
21
24
30
26
28
33
41
46
Männer 10
9
17
20
24
29
27
29
41
41
66
8
7
23
24
28
37
27
32
38
49
67
15–34 Jahre
69
8
7
20
22
29
31
33
29
44
45
69
35–54 Jahre
68
14
10
14
20
24
15
22
32
40
37
66
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
sterreich 371
32
30 29 11 11
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
11
8
34
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
44
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Gesamtbevölkerung 46
Frauen
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
10
8
12
10
28
28
33
35
42
48
Männer 11
7
11
13
29
31
30
34
47
45
48
10
8
13
11
30
31
33
33
43
48
44
15–34 Jahre
50
9
9
11
13
31
27
33
40
46
46
53
35–54 Jahre
49
13
6
10
9
24
31
29
30
44
44
50
55+ Jahre
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
372
Befragungsergebnisse
36 32 31 28 28 16 14 13 10
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 39
Frauen
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
10
14
11
16
25
30
29
31
35
39
Männer 9
12
17
16
31
27
33
32
38
39
63
9
15
9
13
39
26
32
31
34
37
66
15–34 Jahre
65
9
13
18
17
29
31
38
37
39
40
65
35–54 Jahre
64
11
13
13
18
17
27
22
26
36
38
62
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
sterreich 373
39 37 30 30 30 25 19 17 11
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Österreich ein.
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 47
Frauen
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
12
16
20
22
28
30
28
39
38
46
Männer 11
17
18
27
31
31
33
35
40
48
48
9
19
19
23
25
34
34
41
37
43
45
15–34 Jahre
48
10
17
20
24
32
32
31
34
43
51
50
35–54 Jahre
48
15
15
19
27
31
24
27
37
37
47
48
55+ Jahre
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Österreich
374
Befragungsergebnisse
20 20 18 12
12
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
13
9
20
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
23
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
Gesamtbevölkerung 24
Frauen
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
12
10
13
11
16
21
20
21
23
23
Männer 14
9
10
13
19
19
20
19
22
25
33
12
12
13
12
19
17
22
22
19
27
32
16–34 Jahre
36
12
8
11
13
18
21
20
21
24
25
36
35–54 Jahre
34
16
6
11
11
16
23
17
16
28
18
36
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
Russland 375
18 17
12
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
6
20
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
21
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
7
22
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Russen.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
23
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
Gesamtbevölkerung 38
Frauen
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
6
7
11
15
17
19
22
24
23
41
Männer 7
6
13
18
18
21
20
20
22
35
42
7
6
14
18
17
21
22
27
22
33
36
16–34 Jahre
42
5
9
12
17
20
21
23
21
23
38
46
35–54 Jahre
42
7
4
9
14
14
18
17
17
23
47
47
55+ Jahre
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Russland größer geworden.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
376
Befragungsergebnisse
23 23 23 22 16 12
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
8
24
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
27
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Gesamtbevölkerung 34
Frauen
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
8
12
18
23
24
26
25
26
29
35
Männer 9
12
14
21
22
19
22
23
24
34
42
5
15
18
25
25
21
26
27
28
38
41
16–34 Jahre
43
7
12
16
22
22
25
24
23
27
34
44
35–54 Jahre
42
15
8
13
18
19
23
18
22
23
30
41
55+ Jahre
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Russland.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
Russland 377
29 28 28 17 15 14
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
5
31
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
34
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Gesamtbevölkerung 35
Frauen
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
6
15
15
17
28
30
30
31
35
33
Männer 5
13
16
17
27
26
27
31
33
37
40
5
14
18
14
29
29
33
33
34
30
36
16–34 Jahre
36
4
15
16
18
29
26
29
33
37
37
39
35–54 Jahre
38
8
13
11
18
24
28
22
25
31
39
40
55+ Jahre
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
378
Befragungsergebnisse
21 21 20 18 16
10
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
8
24
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
32
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Gesamtbevölkerung 32
Frauen
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
5
11
15
17
22
22
23
24
36
37
Männer 10
9
16
18
18
20
19
23
28
27
44
7
9
13
16
24
23
26
24
33
31
46
16–34 Jahre
46
8
9
15
22
20
21
21
21
34
34
47
35–54 Jahre
45
8
12
20
14
12
16
13
27
29
32
39
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
Russland 379
27 23 18 17 16
12
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
7
29
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
34
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Gesamtbevölkerung 39
Frauen
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
7
12
15
17
16
22
29
30
35
39
Männer 7
11
18
17
19
25
25
27
34
39
44
6
10
16
19
21
27
27
25
36
39
41
16–34 Jahre
46
6
11
17
16
18
22
29
30
35
39
48
35–54 Jahre
45
8
15
15
15
12
18
24
33
31
40
46
55+ Jahre
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
380
Befragungsergebnisse
23 21 19 18 17 13
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
6
24
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
24
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Gesamtbevölkerung 32
Frauen
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
6
13
17
16
20
22
21
25
26
32
Männer 6
13
17
20
18
20
25
22
21
31
48
6
15
17
19
25
23
27
21
28
28
46
16–34 Jahre
50
5
14
17
19
17
23
23
25
24
33
52
35–54 Jahre
49
8
11
17
16
15
17
15
25
18
36
49
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
Russland 381
24 24 22 20 19 17 17 15 15 16
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Frauen
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
16
14
16
17
18
20
21
22
24
26
Männer 15
16
15
16
17
18
20
23
23
23
30
13
15
14
17
19
18
18
22
27
25
26
16–34 Jahre
25
16
18
14
17
18
21
22
24
25
25
28
35–54 Jahre
27
18
11
19
16
14
18
23
20
17
22
26
55+ Jahre
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Russland ein.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Russland
382
Befragungsergebnisse
34 29 28 26 19
14
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
2
42
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
45
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
Gesamtbevölkerung 52
Frauen
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
2
15
19
28
28
29
35
38
45
52
Männer 2
14
19
24
28
28
34
45
44
52
72
1
15
20
23
25
28
32
40
44
51
67
15–34 Jahre
71
2
14
18
27
30
28
34
43
47
54
77
35–54 Jahre
71
4
14
20
28
30
29
37
43
42
50
68
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
Schweiz 383
49 29 29
28
25 22
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Schweizer.
1
68
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
69
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
Gesamtbevölkerung 75
Frauen
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in der Schweiz größer geworden.
1
23
24
29
30
29
48
68
70
73
Männer 1
22
26
26
28
30
50
69
68
77
78
1
21
24
26
28
22
43
64
63
72
74
15–34 Jahre
74
1
25
24
27
30
32
53
73
71
76
76
35–54 Jahre
76
1
20
29
30
29
34
49
65
73
76
79
55+ Jahre
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
384
Befragungsergebnisse
51 49 41 38 32 31
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in der Schweiz.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
1
52
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
56
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Gesamtbevölkerung 71
Frauen
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
1
30
33
39
41
49
52
51
53
72
Männer 1
32
30
37
41
48
50
53
58
71
75
1
31
29
39
40
43
48
47
57
70
71
15–34 Jahre
74
1
29
33
39
42
51
52
53
55
71
75
35–54 Jahre
75
1
33
33
35
40
52
54
56
55
73
79
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
Schweiz 385
55 54 49 40 36 34
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
1
58
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
65
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Gesamtbevölkerung 73
Frauen
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
1
31
37
39
50
54
55
57
61
73
Männer 1
37
36
41
49
55
54
58
69
73
80
1
33
33
38
41
51
53
57
60
67
71
15–34 Jahre
74
0
34
35
40
54
55
56
59
67
76
81
35–54 Jahre
77
1
35
44
43
53
58
55
56
67
77
77
55+ Jahre
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
386
Befragungsergebnisse
56 49 40 38 32
11
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
1
58
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
64
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Gesamtbevölkerung 66
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
0
10
33
39
45
48
55
60
66
67
Männer 1
11
32
36
36
50
56
56
62
65
78
-
11
29
38
38
41
48
61
61
64
79
15–34 Jahre
76
0
10
36
39
40
53
58
60
68
70
77
35–54 Jahre
77
3
12
30
34
45
52
61
50
61
61
74
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
Schweiz 387
46 44
41
17 16 11
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
1
54
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
55
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Gesamtbevölkerung 60
Frauen
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
1
10
15
16
39
42
47
56
55
61
Männer -
12
18
17
43
47
45
53
55
58
77
0
12
19
21
35
40
43
48
50
55
72
15–34 Jahre
76
1
10
15
15
43
46
48
57
60
64
81
35–54 Jahre
77
-
11
14
14
46
47
46
58
52
58
76
55+ Jahre
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
388
Befragungsergebnisse
51 46 42 35 30 20
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
0
55
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
55
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Gesamtbevölkerung 56
Frauen
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
0
20
30
35
45
45
51
54
55
56
Männer 0
19
30
34
40
47
51
55
55
56
78
0
14
26
29
42
39
47
56
50
60
73
15–34 Jahre
76
1
23
29
36
42
47
54
53
57
59
79
35–54 Jahre
77
0
21
37
39
43
52
50
55
58
45
79
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
Schweiz 389
46 44 42 38 30 21
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten in die Schweiz ein.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
2
53
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
58
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Gesamtbevölkerung 63
Frauen
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
3
18
32
39
42
41
46
50
58
63
Männer 2
24
27
37
41
47
46
56
58
62
70
3
20
22
36
35
37
39
47
55
58
68
15–34 Jahre
71
2
23
32
39
44
46
47
54
59
65
72
35–54 Jahre
70
2
19
35
37
47
52
54
60
61
66
71
55+ Jahre
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell.
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Schweiz
390
Befragungsergebnisse
23 23 22 22 20 17
14
12 11
Die Herstellung von Waren findet zum Großteil in Entwicklungsländern statt.
Die zehn größten europäischen Unternehmen beschäftigen über die Hälfte aller Arbeitnehmer in Europa.
Freizeit ist für Arbeitnehmer wichtiger als ein gutes Gehalt.
Durch die Automatisierung arbeiten die meisten Bürger weniger als 25 Stunden pro Woche.
Die Identifikation mit dem Arbeitgeber ist gering.
Jeder Arbeitnehmer in Vollbeschäftigung hat mindestens einmal im Ausland gearbeitet.
Viele Arbeitnehmer erhalten statt eines Gehalts eine Wohnung, Lebensmittel, Einzahlungen in die Rentenkasse und ein Taschengeld zur freien Verfügung.
Durch die abnehmende Bevölkerung ist Vollbeschäftigung möglich.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 37
Frauen
Die meisten Arbeitnehmer müssen bis zum 75. Lebensjahr arbeiten.
10
11
11
18
18
22
22
21
21
38
Männer 13
13
16
16
21
22
22
25
26
36
48
10
13
17
20
24
23
24
25
25
36
50
15–34 Jahre
48
9
12
14
18
25
22
25
26
28
40
49
35–54 Jahre
48
15
10
10
14
10
20
17
18
16
34
45
55+ Jahre
Viele Arbeitnehmer haben Zweit- und Nebenjobs.
Arbeit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
Spanien 391
25 17
17
17 14 11
Eine Mittelschicht gibt es kaum noch.
Die Kluft zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern hat sich verkleinert.
Durch bildungspolitische Programme erhalten Kinder aus einfachen Verhältnissen die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus Akademikerfamilien.
Je höher das Einkommen ist, desto mehr Kinder „leisten“ sich die Spanier.
Der Staat garantiert allen ein Mindesteinkommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft usw.
Das Einkommen von Top-Managern hat sich verringert.
7
38
Die Lebenserwartung von reichen Bürgern liegt weit über der von armen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
49
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Spanien größer geworden.
Gesamtbevölkerung 52
Frauen
Viele Arbeitnehmer verdienen nicht genug, um für ihre Altersvorsorge zu sparen.
7
13
15
17
16
18
26
37
47
51
Männer 7
9
14
17
18
17
24
38
51
53
53
7
12
16
21
19
20
23
38
50
50
50
15–34 Jahre
57
6
15
15
20
18
20
29
39
51
52
54
35–54 Jahre
55
8
6
13
10
14
12
24
36
47
54
60
55+ Jahre
Altersarmut ist ein ungelöstes Problem.
Verhältnis zwischen Arm und Reich Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
392
Befragungsergebnisse
34 30 28 22 19 17 16 16 10
Ein Viertel der jungen Arbeitnehmer arbeitet in Berufen, die es 2008 noch nicht gegeben hat.
Online-Vorlesungen werden von den besten Professoren gleichzeitig an verschiedenen Universitäten gehalten.
Es gibt mehr Privatschulen als staatliche Schulen in Spanien.
Ein System zur Erkennung von besonderen Fähigkeiten fördert viele Kinder schon ab dem Kindergarten.
Die konventionellen Medien als Informationsvermittler sind für ein Drittel der Bildung verantwortlich und senden dazu spezielle Programme.
Talentscouts suchen den Nachwuchs für Großkonzerne schon in der Grundschule.
Wenigstens eine Weiterbildung pro Jahr ist für jeden Arbeitnehmer selbstverständlich.
Informelle Bildung (z. B. Persönlichkeitsentwicklung) ist wichtiger als formale Bildung (z. B. Schulwissen).
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
Gesamtbevölkerung 49
Frauen
Die meisten Europäer sprechen mindestens zwei Sprachen fließend.
8
14
13
15
18
24
28
26
32
48
Männer 12
18
20
18
20
19
29
33
35
50
52
5
18
19
18
20
25
32
39
37
53
54
15–34 Jahre
56
8
21
22
18
22
24
27
33
36
52
60
35–54 Jahre
54
17
8
9
14
16
17
26
16
28
41
49
55+ Jahre
Immer mehr besser qualifizierte Frauen übernehmen Führungspositionen.
Bildung Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
Spanien 393
37 33 31 26 22 20
Die Ausländerkriminalitätsrate ist doppelt so hoch wie die von Einheimischen.
Überwachungscomputer identifizieren viele Straftäter direkt bei der Tat.
Für viele Bewohner ist Sicherheit wichtiger als die eigene Privatsphäre.
Viele Bürger tragen einen Chip zur Identifizierung und Lokalisation.
Neue Technologien wie Bio- oder Nanotechnologie sind gefährlicher als 2008 angenommen.
Ein europäischer / internationaler Datenaustausch ermöglicht eine schnellere Aufklärung von Verbrechen; man fühlt sich sicherer als heute.
7
37
Die Strafen für kriminelle Handlungen sind höher.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
42
Kriegerische Auseinandersetzungen finden um natürliche Rohstoffe wie Öl, Gas oder Wasser statt.
Gesamtbevölkerung 45
Frauen
Die Kriminalität im Internet hat sehr stark zugenommen.
8
17
18
21
31
31
38
39
41
43
Männer 6
24
27
31
30
34
35
35
43
46
51
5
25
28
31
31
35
33
35
46
48
45
15–34 Jahre
44
5
22
26
28
36
37
38
35
47
50
53
35–54 Jahre
47
10
14
13
18
25
24
39
40
32
36
43
55+ Jahre
Organisierte Kriminalität ist in allen Ländern Europas ein großes Problem.
Sicherheit Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
394
Befragungsergebnisse
35 29 29 26 21
10
Frauen haben im Durchschnitt zwei Kinder.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance) ist für viele Frauen möglich.
Es gibt mehr Wohngemeinschaften mit über 60-Jährigen als mit unter 30-Jährigen.
Familienangehörige tragen die finanzielle Verantwortung für die Rente der eigenen Eltern / Großeltern.
Jede dritte Partnerschaft entsteht über Internet-Dating-Netzwerke.
Durch die große Anzahl von älteren Bürgern und der gleichzeitigen Berücksichtigung der Interessen von jungen Bürgern zählen die Stimmen der unter 50-Jährigen bei Wahlen doppelt.
8
36
Das Geschlecht, die Haarfarbe und die Größe von Kindern kann bei künstlicher Befruchtung gewählt werden.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
36
Aufgrund der älter werdenden Gesellschaft werden mehr und mehr Tagesstätten für Senioren eröffnet (analog zu Kindertagesstätten).
Gesamtbevölkerung 52
Frauen
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten und Kinder adoptieren.
8
10
19
25
30
29
36
37
37
54
Männer 8
10
22
27
28
29
34
34
35
49
61
7
11
27
30
25
31
33
44
37
56
59
15–34 Jahre
61
6
9
23
26
31
33
38
35
39
51
60
35–54 Jahre
61
11
11
12
21
30
23
34
27
33
47
63
55+ Jahre
Die meisten Paare leben zusammen, ohne verheiratet zu sein.
Familie Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
Spanien 395
31 30
21
13 13 12
Umweltverschmutzung ist die Todesursache Nummer 1.
Durch hohe Energiepreise ist die Warmmiete für eine Wohnung doppelt so hoch wie die Kaltmiete.
Ein Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern leidet an Hunger, weil in der Landwirtschaft mehr Pflanzen für regenerative Energie als für die Nahrungsversorgung angebaut werden.
Wetterstationen lassen Regen, Sonne oder Schnee dort entstehen, wo es gewünscht wird.
Hunger ist dank genmanipulierter Lebensmittel kein Problem.
Das Problem des Klimawandels konnte aufgrund technischer Entwicklungen gelöst werden.
6
33
Mehr Menschen leben außerhalb von großen Städten, um der Umweltbelastung in den Innenstädten zu entkommen.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
36
Sonnen- und Windenergie erzeugen über die Hälfte der Energie.
Gesamtbevölkerung 44
Frauen
Sauberes Trinkwasser ist in Europa ein Luxus.
6
13
10
14
19
28
30
31
34
45
Männer 6
12
16
13
23
33
31
36
39
43
55
4
14
17
14
23
33
30
35
40
41
61
15–34 Jahre
59
5
14
13
13
23
32
35
37
40
46
57
35–54 Jahre
57
11
9
9
13
17
26
26
28
29
46
54
55+ Jahre
Der meiste Müll wird wiederverwertet.
Umwelt Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
396
Befragungsergebnisse
28 28 20 20 19 16
Luxus ist gleich Zeit und Ruhe.
Die meisten Bürger kaufen Ökoprodukte.
Die meisten Konsumausgaben werden im Gesundheitsbereich getätigt.
Die meisten Lebensmittel werden im eigenen Land hergestellt.
Die meisten Konsumgüter (Auto, TV, Kleidung) werden geleast und nicht gekauft.
Service und Beratung sind wichtiger als ein günstiger Preis.
6
35
Die meisten Konsumgüter werden online (über das Internet) gekauft.
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
36
Mehr als die Hälfte der Produkte kommt aus Asien.
Gesamtbevölkerung 44
Frauen
Die meisten Haushalte haben mindestens zwei Autos.
7
15
18
21
19
26
28
34
34
42
Männer 5
18
20
18
21
30
29
36
37
47
54
5
18
22
21
20
31
33
43
39
46
54
15–34 Jahre
52
4
20
18
18
21
31
32
38
37
49
54
35–54 Jahre
53
9
10
16
20
20
22
19
23
30
38
52
55+ Jahre
Alltagsgüter (z. B. Lebensmittel) sind deutlich teurer.
Konsum Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
Spanien 397
36 32 26 24 20 20 17
Die meisten Ausländer wohnen unter sich in bestimmten Stadtteilen.
Die Integration von Ausländern ist einfacher.
Ein Drittel aller Partnerschaften in Europa sind multinational / multikulturell
Viele europäische Länder holen Ausländer ins Land, um der eigenen Überalterung entgegenzuwirken.
In den meisten europäischen Ländern funktioniert die Integration nur bei gebildeten Einwanderern.
Um der Angst der Bevölkerung entgegenzuwirken, hat Europa seine Grenzen für Nichteuropäer geschlossen.
Glaube und Religion spielen bei der Einwanderungspolitik eine große Rolle.
8
37
Keine dieser Aussagen wird eingetroffen sein.
38
Gesamtbevölkerung
Tragbare Geräte und Telefone mit Simultanübersetzung erleichtern die Kommunikation.
Frauen
Es wandern mehr Einwanderer aus Entwicklungsländern als aus EU-Staaten nach Spanien ein.
9
18
19
19
23
25
31
36
34
38
Männer 7
16
20
20
26
28
33
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40
38
43
6
16
20
25
26
27
37
38
43
38
38
15–34 Jahre
36
5
19
20
21
27
33
35
39
43
42
44
35–54 Jahre
39
14
17
18
13
19
18
22
31
23
34
37
55+ Jahre
Durch die kulturelle Vielfalt kommt es zu Konflikten zwischen einzelnen Gruppen (z. B. Moslems, Afrikanern, Türken).
Integration Frage: Was glauben Sie, welche der folgenden Aussagen werden bis zum Jahr 2030 eingetroffen sein?
Spanien
398
Befragungsergebnisse
Autorenspiegel Bas, Enric Prof. Dr. Enric Bas ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Seit 1999 ist er Professor fr Sozialwissenschaftliche Prognosen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultt der Universitt von Alicante. Seine Hauptforschungsgebiete sind: IC-Technologien, Sozialer Wandel und Kommunikation, Zukunftsprognosen und Regionalentwicklung, Zukunftsprognosen und Sicherheitsfragen sowie Methodenlehre der Zukunftsforschung. Social Foresight, Faculty of Economics, University of Alicante Director, ETC – The Laboratory of Applied Foresight, University of Alicante (Carretera San Vicente del Raspeig s/n – 03690 San Vicente del Raspeig – Alicante) E-Mail: [email protected]
Cinquegrani, Riccardo Prof. Dr. Riccardo Cinquegrani, geb. 1971, lehrt seit 2003 an der Fakultt fr Sozialwissenschaften der Pontificia Universit Gregoriana in Rom. Er ist Mitglied des European Regional Foresight College und des Italian Node des Millenium Project. Publikationen u. a.: Linking people to pixel, next steps in EU democracy and power, in: Democracy and Futures, (2006), Foresight, a strategic tool for local (and global?) development, (2005), Decision Making, futures studies
400
Anhang
and local development, in: Science, research and competitiveness, (2004). Gregoriana University, Rome (Piazza della Pilotta, 4 – 00187 Rome, Italy) E-Mail: [email protected]
Dneke, Enno Enno Dneke ist Projektleiter bei der FutureManagementGroup AG. Sein Schwerpunkt liegt auf Projekten in den Bereichen Mobilitt und Logistik. Daneben leitet er die Kompetenzfelder Zukunftsstudien und Wissensnetze der FutureManagementGroup AG. Enno Dneke ist Diplom-Betriebswirt in International Business mit Schwerpunkt Ostasien. FutureManager, FutureManagementGroup AG (Wallufer Straße 31, D–65343 Eltville) E-Mail: [email protected]
Giger, Andreas Dr. Andreas Giger, geb. 1951, selbststndiger Zukunfts-Philosoph, forscht, bert und publiziert zu den Konsequenzen mittel- und lngerfristiger Zukunftsentwicklungen (Megatrends) fr Gesellschaft und Unternehmen. Inhaltliche aktuelle Schwerpunkte sind die Themen Werte-Wandel, Megatrend Reife (aging society), Lebensgestaltung (Soft Indiviualismus), der Simplify-Trend sowie Lebensqualitt. (Bhl 123 – Landgasthof Hirschen, CH–9044 Wald AR) www.gigerheimat.ch E-Mail: [email protected]
Autorenspiegel
Goux-Baudiment, Fabienne Fabienne Goux-Baudiment ist Grnderin (1994) und Geschftsfhrerin von proGective, einer Beratungsfirma mit Schwerpunkt Zukunftsforschung, -studien und -beratung. Seit 1995 lehrte sie Zukunftsstudien am Institut fr Wissenschaft und Technologie fr Ingenieure an der Universitt von Angers (Frankreich). In den Jahren 2005 bis 2009 war sie Prsidentin der World Futures Studies Federation. Autorin vieler Publikationen, insbesondere ber territoriale Prognosen. Director, proGective (private Research Center for Future Studies) (16, rue Mouton-Duvernet, 75014 Paris) Wissenschaftliches Mitglied der WFS und APF E-Mail: [email protected]
Heinonen, Sirkka Dr. Sirkka Heinonen, geb. 1953 in Helsinki, arbeitet als Chief Research Scientist am VTT Technischen Forschungszentrum von Finnland und leitet dort u. a. das Technology Futures Forum (www.vtt.fi/ tff). Als Dozentin in der Zukunftsforschung sind ihre Forschungsschwerpunkte die Informationsgesellschaft, nachhaltige Entwicklung, Teleprsenz, Philosophie der Technologie, Technologie und Lebensstil, Zukunftsstudien,Technologieprognosen und die Zukunft der Stdte. Chief Research Scientist,VTT (P.O. Box 1000, 02044 VTT, Finnland) E-Mail: [email protected]
401
402
Anhang
Mic´ic´, Pero Dr. Pero Mic´ic´ ist Prsident des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. International bekannt als Experte fr Zukunftsmanagement, ist er Vorstand der FutureManagementGroup AG und Leiter des Institute for FutureManagement in Eltville, Deutschland seit 1991. Pero Mic´ic´ studierte Wirtschaftswissenschaften und Zukunftsforschung in Deutschland, Großbritannien und den USA. Weltweit bert er fhrende Unternehmen im Hinblick auf die systematische Ausarbeitung und Analyse von Zukunftsszenarios und die Integration von FutureManagement in den Managementprozess. Gndungsmitglied der APF und Mitglied der WFS. Vorstand, FutureManagementGroup AG (Wallufer Straße 3a, D–65343 Eltville) E-Mail: [email protected]
Paludan, Johan Peter Johan Peter Paludan ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Er leitet das Copenhagen Institute for Future Studies (CIFS). Dort hat er sich seit seiner Mitarbeit 1976 mit den meisten Aspekten von Zukunftsforschung auseinandergesetzt; in den letzten Jahren untersttzte er v. a. Unternehmen bei der Entwicklung von Szenarioprozessen. Director, Copenhagen Institute for Future Studies (Instituttet for Fremtidsforskning, Nørre Farimagsgade 65,·1364 København K) E-Mail: [email protected]
Autorenspiegel
Popp, Reinhold Prof. Dr. Reinhold Popp ist Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums fr Zukunftsstudien an der Fachhochschule Salzburg-Urstein (www.fh-salzburg.ac.at), zurzeit das einzige in sterreich, das in eine Universitt eingebunden ist. Reinhold Popp ist außerdem Kuratoriumsmitglied des „Netzwerk Zukunftsforschung“ und Koordinator des Postgraduiertennetzwerks „Zukunft – Bildung – Lebensqualitt“ in Zusammenarbeit mit der Fakultt fr Erziehungswissenschaft an der Universitt Innsbruck. Leiter, Zentrum fr Zukunftsstudien, FH-Campus Salzburg-Urstein (Urstein-Sd I, A–5412 Puch/Salzburg) E-Mail: [email protected]
Ratcliffe, John S. Prof. John S. Ratcliffe ist staatlich geprfter Gutachter mit ber 35 Jahren Erfahrung als Berater wie auch als Wissenschaftler im Immobilienbereich. Der Leiter und Dekan der Faculty of the Built Environment am Dublin Institute of Technology engagiert sich fr die Frderung inter- und multidisziplinrer Aktivitten im Bereich der Stadtentwicklung und Regionalplanung. Mit seinen Arbeiten zu den Themen „Imagineering Cities“ und „Property Prospectives“ will er Wissenschaftler und Praktiker gleichermaßen fr neu zu entwickelnde Strategien fr eine nachhaltige Zukunftssicherung begeistern. Director, Dean, Faculty of the Built Environment, Dublin Institute of Technology (Bolton Street, Dublin I) Grnder,Vorstand Futures Academy, Dublin Institute of Technology E-Mail: [email protected]
403
404
Anhang
Reinhardt, Ulrich Dr. Ulrich Reinhardt, geb. 1970, ist geschftsfhrendes Vorstandsmitglied der Stiftung fr Zukunftsfragen – einer Initiative von British American Tobacco (ehemals BAT Freizeit-Forschungsinstitut). Seine Forschungsschwerpunkte in der Stiftung liegen im Bereich des gesellschaftliches Wandels, der Medien- und Mobilittsforschung sowie des Freizeit-, Konsum- und Tourismusverhaltens. Er ist Autor zahlreicher Publikationen, darunter: Edutainment – Bildung macht Spaß (2005), Freizeitwirtschaft – Die Leitkonomie der Zukunft (2006), Alterstrume – Illusion und Wirklichkeit (2007) und Vision Europa – von der Wirtschafts- zur Wertegemeinschaft (2008). Reinhardt ist Mitglied in unterschiedlichen Beraterkreisen im Inund Ausland und Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitten und Hochschulen. Vorstand, Stiftung fr Zukunftsfragen – Eine Initiative von British American Tobacco (Alsterufer 4, 20354 Hamburg) E-Mail: [email protected]
Ronchetti, Paolo Paolo Ronchetti, B. Sc. Economics and Business (Universit degli Studi di Bergamo, Italien), M. Sc. Sustainable Development (Dublin Institute of Technology, Ireland) ist Wissenschaftler an The Futures Academy. Zuvor war er als Manager in der Privatwirtschaft ttig. Seine Forschungsinteressen reichen von der Zukunft nachhaltiger Stadtentwicklung bis zum strategischen Management von Firmen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Futures Academy (Bolton Street, Dublin I) E-Mail: [email protected]
Autorenspiegel
Roos, George T. George T. Roos ist Initiator und Leiter der European Futurists Conference Lucerne. Roos grndete ferner das ROOS Bro fr kulturelle Innovation, ein privates Institut fr Zukunftsstudien. Zuletzt entwickelte er im Auftrag von SWISSFUTURE – Schweizerische Vereinigung fr Zukunftsforschung einige Szenarios ber Wertewandel in den nchsten 20 Jahren. Grnder, ROOS Bro fr kulturelle Innovation (Vonmattstraße 31, Postfach 7738, CH-6000 Luzern 7) Vorstandsmitglied, SWISSFUTURE – Schweizerische Vereinigung fr Zukunftsforschung Mitgrnder,Vorstandsmitglied, ENTERPRISE –Stiftung fr Unternehmergeist in Wirtschaft und Gesellschaft E-Mail: [email protected]
Schieb, Pierre-Alain Dr. Pierre-Alain Schieb ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Er ist Berater im Beratungsausschuss des Generalsekretrs der OECD und leitet das International Futures Network sowie die OECD Future Projects, darunter die aktuellen Projekte „Die Kommerzialisierung des Weltraums und die Entwicklung von Weltrauminfrastrukturen“, „Risikomanagement in ausgewhlten OECD-Lndern“ und „Globale Infrastrukturanforderungen“. Pierre-Alain Schieb hat einen Ph. D. in Managementwissenschaft der Universit de Provence, einen Doctor of Business Administration in Economics and Business Administration der Universit d’Aix en Provence und einen M. Sc. in Quantitativem Marketing der University of Sherbrooke. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Counselor, OECD Advisory Unit on Multidisciplinary Issues (International Futures Programme) (OECD – 2, rue Andr Pascal, F–75775 Paris Cedex 16, France) E-Mail: [email protected]
405
406
Anhang
Schultz, Wendy L. Dr. Wendy L. Schultz ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Sie ist Leiterin von Infinite Futures – Foresight Research, Training and Facilitation mit ber 20-jhriger Erfahrung in der Zukunftsforschung und Ttigkeiten u. a. in Honolulu, Helsinki, Brisbane und Budapest. Schwerpunkte ihrer aktuellen wissenschaftlichen Arbeit sind u. a. die Zukunft von Mikrosensoren und RFID als Werkzeug, Spielzeug und Bedrohung; die Zukunft des Lernens und der hheren Bildung; die Zukunft des Weltraums und der Unterwasserforschung („The Catalog of Tomorrow“); die Zukunft von Bibliotheken, Archiven und Medien. Director, Infinite Futures – Foresight Training and Facilitation (c/o J.B. Lewis Wolfson College, Linton Road, Oxford OX2 6UD, United Kingdom) E-Mail: [email protected]
Sokolov, Alexander Dr. Alexander Sokolov ist Stellvertretender Leiter am Institute for Statistical Studies and Economics of Knowledge an der Higher School of Economics (HSE), Moskau, sowie Leiter des HSE Foresight Center. Seit 1997 war Sokolov Projektleiter in mehreren Projekten der Zukunftsforschung in Russland, zuletzt: „Nationales Wissenschafts- und Technologie-Delphi: 2025“ (2007–2008). Sein Expertenwissen brachte er auch in verschiedene internationale Projekte der EU und der UNIDO (United Nations Industrial Development Organization) ein. Deputy Director, Institute for Statistical Studies and Economics of Knowledge, Higher School of Economics (HSE), Moscow Director, HSE Foresight Center (101000 Moskva, Mqsnickaq, 20) E-Mail: [email protected]
Autorenspiegel
Steinmller, Karlheinz Dr. Karlheinz Steinmller ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Er ist wissenschaftlicher Leiter und Mitgrnder der Z_punkt GmbH – The Foresight Company in Essen und Berlin. Seit 1991 ist er auf dem Gebiet der Zukunftsforschung ttig und fhrt diesbezgliche Studien fr die ffentliche Verwaltung, fr die Europische Kommission und große Unternehmen durch. Seine Spezialgebiete sind Innovationen in Unternehmen und Gesellschaft, Technologieprognosen und Technologiebewertung sowie Szenarioentwicklung. Steinmller hat ein Physikdiplom der Humboldt-Universitt Berlin und einen Abschluss in Philosophie. Er war in der Modellerstellung und Simulation kologischer Systeme ttig und ist Ko-Autor von Science-Fiction-Romanen und -Kurzgeschichten. Wissenschaftlicher Leiter, Mitgrnder, Z_punkt GmbH – The Foresight Company (Z_punkt GmbH, Manfred-von-Richthofen-Straße 9, 12101 Berlin) E-Mail: [email protected]
Talwar, Rohit Rohit Talwar ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. Er ist der CEO einer Forschungs- und Beratungsfirma, die sich auf Zukunftsforschung und strategische Innovation spezialisiert hat. Er selbst beschftigt sich mit den Themen Zukunftsforschung, Strategie, Innovation und Wandel. Talwar war beratend ttig bei dem krzlich verffentlichten Programm des Verteidigungsministeriums Strategic Trends 2030. Zurzeit fhrt er ein Zukunftsforschungsprogramm fr die Regierung Großbritanniens durch. Autor des Buches Achieving Transformation and Renewal in Financial Services und der BBC-Videoserie Re-engineering the Business. Director, Fast Future, 3 Chudleigh Road, London NW 6 7 AH England E-Mail: [email protected]
407
408
Anhang
Wilenius, Markku Prof. Dr. Markku Wilenius ist Mitglied des Beirats der European Futurists Conference Lucerne. 2007 wurde er zum Senior Vice President im Group Development der Allianz Group ernannt. Darber hinaus ist er Professor fr Zukunftsstudien im Finland Futures Resarch Centre an der Turku School of Economics und Dozent an der Universitt von Helsinki. Seine Fachgebiete in Forschung und Entwicklung sind v. a.: Gesellschaftsentwicklung und Entwicklungsprognosen; visionres und strategisches Management von Firmen; nachhaltige Entwicklung. Seit Frhjahr 2005 leitet er das Forschungsprojekt „Management von kreativem Wissenskapital“. Im Jahr 2002 wurde er Mitglied des Club of Rome. Professor, Finland Futures Research Centre Turku School of Economics (Rehtorinpellonkatu 3, FI–20500 Turku, Finland) Member, The Finnish Association for the Club of Rome (P.O. Box 450, Fin–00101 Helsinki, Finland) E-Mail: [email protected]
Zellmann, Peter Prof. Mag. Peter Zellmann ist Leiter des Instituts fr Freizeit- und Tourismusforschung (IFT) in Wien und verffentlicht jhrlich einen Freizeitmonitor und eine Tourismusanalyse fr sterreich. Sein Interesse an Zukunftsforschung spiegelt sich in zwei Bchern wider: Die Zukunftsgesellschaft (2005, zusammen mit H. Opaschowski) und Die Zukunftsfallen (2007). Leiter, Institut fr Freizeit- und Tourismusforschung (Stiege 1/ 1. Stock, Schnbrunnerstr. 222–228, 1120 Wien) E-Mail: [email protected]