Welt – Umwelt – Mitwelt 9783495999493, 9783495999486


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Geleitwort des Herausgebers
I. Artikel
Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik
Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit? on der Vulnerabilität des Menschen und der Schöpfung
A Dialogue between Islam and Ecofeminism
»What the Swallow Describes and the Hoopoe Reports«: The Iḫwān al-ṣafāʾ and the Riddle of a Shared World
Vom Himmel berührt – Die Sehnsucht des Menschen nach der Welt
II. Gespräche
1. Gespräch mit Peter Adamson
2. Gespräch mit Seyyed Hossein Nasr
III. Essay
Der vergängliche Mensch. Anmerkungen zur Würde der endlichen Geschöpflichkeit
IV. Rezensionen
Seyyed Hossein Nasr: »Man and Nature. The Spiritual Crisis in Modern Man«
Ursula Fatima Kowanda-Yassin: »Öko-Dschihad. Der grüne Islam – Beginn einer globalen Umweltbewegung«
Sara Binay/Mouhanad Khorchide (Hgg.): »Islamische Umwelttheologie. Ethik, Norm und Praxis«
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Welt – Umwelt – Mitwelt
 9783495999493, 9783495999486

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falsafa.

4/2021

Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie Yearbook for Islamic Philosophy of Religion

Ahmad Milad Karimi [Hrsg.]

Welt – Umwelt – Mitwelt

https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie

VERLAG KARL ALBER

A

https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Gefördert durch

und

Wissenschaftlicher Beirat: Mustafa Cerić (Sarajevo) Reza Hajatpour (Erlangen-Nürnberg) Hassan Hanafi (Kairo) Adnane Mokrani (Rom) Sajjad Rizvi (Exeter) Ulrich Rudolph (Zürich) Muna Tatari (Paderborn)

https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie Band 4

Welt – Umwelt – Mitwelt Unter Mitarbeit von Aise Birinci und Asmaa El Maaroufi herausgegeben von Ahmad Milad Karimi

Verlag Karl Alber Baden-Baden https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Redaktionsanschrift: Zentrum für Islamische Theologie Hammer Str. 95 48153 Münster www.falsafa.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Originalausgabe © VERLAG KARL ALBER – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2022 Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg Titelbild: javarman. Gesamtverantwortung für Druck und Herstellung bei der Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei) Printed on acid-free paper www.verlag-alber.de ISBN: 978-3-495-99948-6 (Print) ISBN: 978-3-495-99949-3 (ePDF) ISSN: 2367-1831

https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Inhalt

Ahmad Milad Karimi Geleitwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Artikel Mira Sievers Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik . . . . . Detlef Schneider-Stengel Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit? . . . . . . Von der Vulnerabilität des Menschen und der Schöpfung

13

31

Nawal Ammar A Dialogue between Islam and Ecofeminism . . . . . . . . .

71

Somma Bethany »What the Swallow Describes and the Hoopoe Reports«: The Iḫwān al-ṣafāʾ and the Riddle of a Shared World . . . . .

97

Ursula Fatima Kowanda-Yassin Vom Himmel berührt – Die Sehnsucht des Menschen nach der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

5 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Inhalt

II. Gespräche 1. Gespräch mit Peter Adamson . . . . . . . . . . . . . . . 143 (Asmaa El Maaroufi, Mansoreeh Khalilizand) 2. Gespräch mit Seyyed Hossein Nasr . . . . . . . . . . . . 161 (Raid Al Daghistani, Asmaa El Maaroufi)

III. Essay Ahmad Milad Karimi Der vergängliche Mensch. Anmerkungen zur Würde der endlichen Geschöpflichkeit . . 175

IV. Rezensionen Seyyed Hossein Nasr: »Man and Nature. The Spiritual Crisis in Modern Man« . . . . . . . . . . . . . 187 (Raid Al Daghistani) Ursula Fatima Kowanda-Yassin: »Öko-Dschihad. Der grüne Islam – Beginn einer globalen Umweltbewegung« . 195 (Erkan Binici) Sara Binay/Mouhanad Khorchide (Hgg.): »Islamische Umwelttheologie. Ethik, Norm und Praxis« . . . . . . . . . . . . . 202 (Irem Kurt) Zu den Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . 207

6 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Geleitwort des Herausgebers

Dieser vierte Band des falsafa. Jahrbuch für islamische Religionsphilosophie widmet sich dem Themenverhältnis Welt – Umwelt – Mitwelt. Die Virulenz der Themenstellung ist nicht nur vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Herausforderungen evident, sondern sie stellt zugleich einen systematischen Zusammenhang zwischen der Schöpfungsfrage, der Bewahrung und Gestaltung derselben und die Stellung des Menschen innerhalb der Welt und in Bezug auf alles Weltliche. Im islamischen Kontext wird die Welt als Schöpfung Gottes mehrfach angezeigt. Doch was bedeutet die Welt? Gibt es sie wirklich und wenn ja, wo, woraus, seit wann, aus welchem Entschluss, zu welchem Zweck und inwiefern? Und in welchem Verhältnis steht diese zu Gott und zum Menschen als ein In-der-Welt-Seiendes? Diese Verhältnisbestimmungen sind keineswegs eindeutig ablesbar, aber umso mehr vieldeutig interpretierbar. Darin besteht aber auch der Reiz der koranischen Offenbarung, die nirgends eine Weltdeutung vornimmt, aber genügend zur Deutung motiviert und zuweilen auch dazu provoziert. Es scheint so, als wäre nichts entschieden, nichts endgültig gelöst. Oder ist dies nur der Schein? Doch diese prinzipielle Offenheit der Offenbarung, keine einfältige Antwort, aber sehr wohl eine vielfältige Frage zu sein, hat früh die muslimische Gelehrtentradition herausgefordert. Emaniert die Welt notwendig aus der Wirklichkeit Gottes oder ist die Welt durch die Macht Gottes willentlich erschaffen – aus dem Nichts? In vielfacher Weise sind hierzu dezidiert kontroverse Positionen zu verzeichnen, die ab dem achten Jahrhundert eine eigene Diskurstradition im religiösen Denken des Islams abbilden. Wo stehen wir heute? Klassische und mithin bleibende Fragen der Religionsphilosophie vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Herausforderungen aufzugreifen, ist Ziel dieses Jahrbuches. Insofern sind auch die Fragen virulent. Welche Rolle spielt die Welt als Schöpfung für das Sein des Menschen? Und 7 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Geleitwort des Herausgebers

welche ontologischen und auch ethischen Konsequenzen ergeben sich aus dieser Perspektive? Denn: Wenn die Beschaffenheit der Welt als Schöpfung begriffen wird, in welcher der Mensch eines der Geschöpfe des einen Erschaffers darstellt, so muss diese Erkenntnis eine Konsequenz für den sinnhaften Zusammenhang von Welt-, Gottes- und Selbstverhältnis bedeuten. Die Welt als Schöpfung zu begreifen hieße dann, sich als Mensch – und folglich Geschöpf – als Teil dieses Schöpfungshauses zu begreifen, in dem sich die Gegenwart Gottes erkennen lässt, ist doch, wohin sich der Mensch auch wende, das Antlitz des Allumfassenden zu erkennen (vgl. Koran 2:115). Hierdurch erhebt sich Welt zu einem Ort Gottes, der an eigene Heiligkeit gewinnt. Die menschliche Zerstörung von Welt, die häufig das diesseitige Auslöschen von Schöpfung bedeutet (bspw. Artensterben), hat dann die Reduzierung von Geschaffenem durch Geschaffenes zur Folge. Doch wie lässt sich das Verhältnis von Geschöpf (hier: Mensch) zur nichtmenschlichen Schöpfung begreifen? Inwiefern kann Mensch überhaupt Welt als Um-Welt verstehen? Ist er tatsächlich lediglich von Welt und folglich von Schöpfung um-geben oder Teil von ihr – mit ihr? Oder ist dieser Begriff (Umwelt) letztlich nichts weiter als ein Indiz einer anthropozentrischen Perspektive auf Welt, der es abzuschwören gilt? Kann eben hier der Begriff der Mit-Welt als Ergänzung, oder als Alternative, vorgestellt werden? Als Begriff, der die Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit nichtmenschlicher Natur berücksichtigt wissen will? Doch welche Konsequenzen hätte nun diese Perspektive? Auch: Welche (ethischen) Implikationen lassen sich mittels kritischer Auseinandersetzung und Fruchtbarmachung der islamischen Tradition als auch neuzeitlicher Denktraditionen für diese Mitwelt gewinnen? Und welche Auswirkungen hätten diese auf ethische Herausforderungen der Jetztzeit (Klimawandel, Artenschutz, Tierwohl etc.)? Im vorliegenden Band, der erneut auf interreligiöse Öffnungen nicht verzichten will, sind zum einen schöpfungstheoretische Ansätze aufgenommen, die dezidiert unterschiedliche Zugänge zum Verständnis der Schöpfung im islamischen Kontext eröffnen. Zum anderen sind religionsphilosophische Perspektiven zu lesen, die besonders die ethische und ästhetische Bedeutung der Welt als Umwelt und geteilte Mitwelt diskutieren. Besonders anregend und aufschlussreich sind dabei erneut zwei Gespräche. Im ersten Gespräch mit Peter Adamson handelt es sich um die Bedeutung von Tieren in der arabisch-islamischen Phi8 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Geleitwort des Herausgebers

losophie und wie sich diese Bedeutung mit der Zeit gewandelt hat. Und im zweiten Gespräch mit Seyyed Hossein Nasr geht es um die Würdigung der Schöpfung, in ihrer Schönheit, ihrer Spiritualität, ihrer sakralen und profanen Bedeutung, aber auch um die ethischen Dimensionen der Schöpfung, insbesondere um die Umweltkrise. Zudem sind auch in diesem Band Rezensionen aufgenommen, die sich mit dem Themenfeld des Bandes beschäftigen. Die Vollendung des Bandes war insbesondere in diesem Jahr durch die globale Pandemie herausgefordert. Umso mehr bin ich allen Autor: innen des Bandes zu Dank verpflichtet. Insbesondere danke ich Herrn Martin Hähnel, der als Verlagsleiter des Karl Alber Verlages mit unermüdlicher Unterstützung und Geduld den Band begleitet und betreut hat. Mein großer Dank gilt meinen Mitarbeiterinnen Frau Dr. Asmaa El Maaroufi und Frau Aise Birinci, die den Band von Anfang an redaktionell betreut und mit außerordentlicher Sorgfalt zum Gelingen des Bandes beigetragen haben. Für die akribische Korrekturarbeiten danke ich Frau Martina Kaluza, die erneut eine großartige Arbeit geleistet hat. Zuletzt danke ich meinem gesamten Team, namentlich Frau Dr. Mansooreh Khalilizand, Herrn Emre Ilgaz und Herrn Dr. Raid Al Daghistani für das Mitwirken und die schöne Zusammenarbeit. Münster, im Dezember 2021

Ahmad Milad Karimi

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https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

I. Artikel

https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Mira Sievers (Berlin)

Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

Abstract The revelation of the Qur’an can be understood as an event, a dynamic process that took place over more than two decades. This also includes the gradual unfolding of a Qur’anic theology of creation, which is developed in confrontation with the world of thought, views and positions of the first hearers from the environment of the Prophet Muḥammad. With regard to contemporary questions of environmental ethics, two interconnected movements are of significance that can be observed in the attempt at a historical-critical reconstruction of these developments, and which can be understood as Qur’anic impulses: On the one hand, the movement from an understanding of man’s creatureliness, which initially emphasizes his belonging to his fellow world, to a central position within the totality of creation. On the other hand, the movement from an ambivalent view of man as a creature with a tendency to evil to that of a governor on earth who can achieve his special closeness to God precisely because of his moral decision-making ability. »Those twenty-three years between 609 and 632 of our seventh century had, indeed, been an ›event‹.« 1

1. Einleitung Kenneth Cragg beschreibt den Koran und dessen Offenbarung treffend als »Ereignis« (event). 2 Diesen Charakter müsse man verstehen, um ihm gerecht zu werden. Bereits ein kursorischer Blick in die Lite1

Cragg, K.: The Event of the Qurʾ ān. Islam in its Scripture. Oxford 1994, S. 7. Dies wird im Kontext der islamischen Theologie auch von dem türkischen Theologen Burhanettin Tatar vertreten, er spricht vom »eventful character« der Bedeutung des Korans, vgl. Tatar, B.: Relations Between Time, Space, Text and

2

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Mira Sievers

ratur zeigt, dass ein »Ereignis« durch Veränderung definiert ist, dass es einen Übergang von einem Zustand zu einem anderen Zustand bedeutet. 3 In diesem Sinne betont Cragg durch den Ereignisbegriff den dynamischen Charakter des Korans: Die Situation des Propheten Muḥammad und der Menschen in seinem direkten und indirekten Umfeld – seien sie Gegner:innen oder Anhänger:innen der Botschaft – wurde durch die Offenbarung des Korans umfassend transformiert. In diesem Sinne ist der Koran nicht als starre Schrift zu sehen, die »von einem Autor konzipiert, nach einem vorgefaßten Plan entfaltet« worden wäre, wie Angelika Neuwirth zurecht betont, 4 sondern er ist durch Dialogsituationen mit den Ersthörer:innen geprägt und hat durch sie seine spezifische Gestalt gewonnen. Als »mündliche Schrift« ist er auf außertextliche Ereignisse und Entwicklungen in seinem Umfeld bezogen, die seinen Kontext bilden. 5 Es ist dieser Kontext, an den sich der Koran unmittelbar richtet, den er kommentiert und beeinflusst hat. Im Hinblick auf unsere eigenen Bezugnahmen auf ihn bedeutet dies allerdings auch, dass sich die koranische Rede nicht direkt zu Fragen und Herausforderungen äußert, die aus unserem gegenwärtigen Kontext erwachsen. Zwar wird der Koran als lebendiger religiöser Bezugstext jeden Tag von Muslim:innen rezitiert, in Fragen des Glaubens und Handelns als Orientierung herangezogen und theologisch als Manifestation der göttlichen Rede bestimmt, doch es bleibt eine Distanz zwischen dem »alten Text« und dem »neuen Kontext«, die nicht ohne Weiteres überwunden werden kann. 6 Die Gleichzeitigkeit des musliReader. In Qurʾ ānic Hermeneutics, Frankfurter Zeitschrift für islamisch-theologische Studien. Vol. 2 (2015), S. 65–75, hier: 67. 3 Vgl. Casati, R. and Varzi, A.: Events. In: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2020 Edition). Hg. v. E. N. Zalta (ed.). Zitiert nach: https:// plato.stanford.edu/archives/sum2020/entries/events/ [07. 06. 2021]. Siehe für eine solche klassische Definition des »main type of event«: von Wright, G. H.: Norm and Action. A Logical Enquiry. London 1963, S. 28: »The event ›itself‹ is the change or transition from the state of affairs which obtains on the earlier occasion, to the state which obtains on the later occasion. We shall call the first the initial state, and the second the end-state.« 4 Neuwirth, A.: Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang. Berlin 2010, S. 25. Sie spricht stattdessen von »Verkündigung«. 5 Die Formulierung findet sich bei Kermani, N.: Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran. München 2007, S. 175. 6 Dieses Problem wird mit Blick auf die zeitgenössische türkische Koranaus-

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Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

mischen Bestrebens, »sich vom Koran angesprochen fühlen zu wollen«, ihn als direkt relevant für das eigene Leben zu erfahren, und das »historische Bewusstsein«, dass der Koran in erster Linie zu seinem eigenen Kontext spricht und sich an diesen richtet, wird von Ömer Özsoy als »Unbehagen in der Koranexegese« beschrieben. 7 Dieses Unbehagen, die Verbindung von Relevanz und Distanz, ist bei jedem Interpretationsvorhaben zu berücksichtigen. Und auch mit Blick auf gegenwärtig drängende umweltethische Fragen stellt sich diese Herausforderung: Weder spricht der Koran direkt von Problemen wie dem menschengemachten Klimawandel und dessen Folgen, dem übermäßigen Ressourcenverbrauch oder der Umweltverschmutzung, noch könnten diese Probleme überhaupt vor diesem Hintergrund thematisiert werden. Damit ist zunächst einmal eine Schwierigkeit benannt, der Akzent auf die Distanz gelegt. Dadurch soll jedoch nicht die Relevanz bestritten werden, die Möglichkeit, dass aus dem Koran gewinnbringende Impulse für umweltethisches Denken abgeleitet werden könnten. So kann gerade eine historisch-kritische Annäherung an den Koran und der Nachvollzug der koranischen Theologie dazu beitragen, umweltethische Grundfragen wie die Bestimmung des Verhältnisses des Menschen zur nicht-menschlichen Natur aus einer koranischen Perspektive zu betrachten und normative Konsequenzen daraus zu formulieren. Insbesondere die Dynamik des Korans kann eine Ergänzung zu den eher statischen Annäherungen der klassisch-islamischen systematischen Theologie (Kalām) liefern. Im Folgenden soll zunächst eine methodische Positionierung für den Umgang mit dem Koran vorgenommen werden, um dann die großen Linien der koranischen Schöpfungstheologie zu skizzieren. Zuletzt sollen davon in zweierlei Hinsicht Impulse für umweltethische Fragestellungen abgeleitet werden.

legung von Felix Körner ausgedrückt: Körner, F.: Alter Text – neuer Kontext. Koranhermeneutik in der Türkei heute. Freiburg im Breisgau 2006. 7 Özsoy, Ö.: Das Unbehagen in der Koranexegese. Den Koran in anderen Zeiten zum Sprechen bringen, in: Frankfurter Zeitschrift für islamisch-theologische Studien. Vol. 1 (2014), S. 29–68, hier S. 30.

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Mira Sievers

2. Methodische Positionierung 2.1 Koranische Theologie Mit »koranischer Theologie« ist im Folgenden sowohl der theologische Gehalt des Korans als auch dessen systematische Darstellung auf historisch-kritischer Basis gemeint. 8 Der Begriff bedeutet eine Anknüpfung an eine gewisse Tradition: Die Rede von »koranischer Theologie« ist im deutschsprachigen Raum seit dem 19. Jahrhundert bezeugt und stellte zunächst eine analoge Bildung zu »biblischer Theologie« im christlichen Kontext dar. 9 Es handelt sich also um keine direkte Übersetzung eines arabischen Begriffs. Für den Inhalt des Korans von Theologie zu sprechen, ist insofern gerechtfertigt, als dass dieser in rationaler und reflexiver Weise auf Vorstellungen des richtigen Glaubens und Handelns in seiner Umwelt Bezug nimmt, diese kommentiert, kritisiert und fortschreibt. Dabei wird das systematische Moment des Theologiebegriffs eingeklammert; der Koran formuliert nämlich keine expliziten theologischen Systeme, sondern die Theologie ist dort implizit. 10 Deren explizite und systematische Darstellung ist als wissenschaftliche Aufgabe zu verstehen. Im Kontext der islamischen Theologie an europäischen Universitäten ist das Betreiben von »koranischer Theologie« unter anderem von Nicolai Sinai vorgeschlagen worden, der sich durch sie sowohl die Aufdeckung bislang unberücksichtigter Akzente als auch den Schutz vor exegetischen Vorurteilen erhofft. 11 Letzteres erscheint angesichts 8

Die Anwendung des Begriffs »historisch-kritisch« auf die Koranforschung ist vielfach problematisiert worden. Eine klare Definition eines solchen Zugangs liefert ebenfalls Felix Körner, der sich für dessen Möglichkeit ausspricht: Körner, F.: Historisch-kritische Koranexegese? Hermeneutische Neuansätze in der Türkei. In: Krieg der Zeichen? Zur Interaktion von Religion, Politik und Kultur. Hg. v. Görge K. Hasselhoff u. Michael Meyer-Blanck. Würzburg: 2006, S. 57–74.

9

Vgl. Sievers, M.: Schöpfung zwischen Koran und Kalām. Ansätze einer Koranischen Theologie. Berlin 2019, S. 17. 10 Vgl. die analoge Feststellung für die Bibel Schmid, K.: Gibt es Theologie im Alten Testament? Zum Theologiebegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft. Zürich 2013, S. 117–119. 11 Vgl. Sinai, N.: Gottes Wort und menschliche Deutung. Überlegungen zum Verhältnis von islamischer Schriftauslegung und historischer Kritik, in: Deutung

16 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

des zu Anfang angesprochenen dynamischen Charakters des Korans besonders wichtig zu sein, damit – um eine Formulierung von Ömer Özsoy zu bemühen – der Koran heute erfolgreich zum Sprechen gebracht werden kann. 12 Ich möchte im Folgenden eine Annäherung an die koranische Theologie vorschlagen, die drei Zugänge miteinander verbindet, nämlich einen thematischen, einen chronologischen und einen kontextualisierenden Zugang.

2.2 Thematischer Zugang Mit dem thematischen Zugang ist gemeint, dass die Untersuchung theologischer Themen im gesamten Koran für das Schreiben einer koranischen Theologie leitend sein soll. Die klassisch-islamische Koranexegese war in ihren verschiedenen Ausformungen vor allem durch eine durchgängige Kommentierung der einzelnen Koranverse in der Reihenfolge ihrer kanonischen Anordnung charakterisiert. Der thematische Zugang (tafsīr mawḍūʿ ī) ist dagegen primär ein Produkt der Moderne. Methodisch vorgeschlagen wurde er von Amīn al-Ḫūlī (gest. 1966), der auch als Begründer der literaturwissenschaftlichen Koranexegese (at-tafsīr al-adabī) gilt. Ausgehend von der Feststellung, dass zentrale theologische Themen im Koran nicht systematisch angeordnet sind, wie sie beispielsweise in den Texten der Kalām-Tradition behandelt werden, zieht er folgende Konsequenz: Für ein richtiges Verständnis müsste man sich einem Thema widmen und den Koran vollständig betrachten, wobei alle relevanten Stellen miteinbezogen werden müssten. 13 Dies wird systematisch von Fazlur Rahman (gest. 1988) umgesetzt: Mit seinem Werk Major Themes of the Qurʾ an liefert er einen Versuch, den Koran umfassend auf zentrale Themen hin auszuwerten. 14 Dabei wird versucht, den Koran stets als zusammenhängendes Ganzes zu betrachten. »Hauptthemen« wie Gott, Prophetie, Offenbarung und das des Wortes – Deutung der Welt im Gespräch zwischen Islam und Christentum. Hg. v. N. Slenczka. Leipzig 2015, S. 151–71, hier S. 160–167. 12 Vgl. Özsoy: Das Unbehagen in der Koranexegese. a. a. O. S. 63 f. 13 Vgl. al-Ḫūlī, A.: Manāhiǧ taǧdīd fī n-naḥw wa-l-balāġa wa-t-tafsīr wa-l-adab. Kairo 1961, S. 304–307. 14 Vgl. Rahman, F.: Major Themes of the Qurʾ an. Chicago 2013.

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Mira Sievers

Böse werden nacheinander behandelt und der Koran jeweils in seiner Gesamtheit daraufhin untersucht. Einen im Wesentlichen thematischen Zugang zum Koran verfolgen auch Vertreter:innen der feministischen Koranexegese, am prominentesten wohl Amina Wadud (geb. 1952) und Asma Barlas (geb. 1950). Untersucht werden insbesondere die Frauen betreffende Themen, die – häufig unter Zuhilfenahme von historischer Kontextualisierung – systematisch ausgewertet werden. Im Folgenden soll am Beispiel der Schöpfung ein thematischer Zugang zur koranischen Theologie gesucht werden.

2.3 Chronologischer Zugang Ein chronologischer Zugang betrachtet nicht alle Suren und Passagen des Korans gleichzeitig (»synchron«), sondern unterscheidet nach chronologischen Perioden seiner Entstehung (»diachron«). In diesem Sinne wird mit einer chronologischen Herangehensweise ein erster Aspekt eines historisierenden Zugangs zum Koran abgedeckt, außerdem stellt sie eine notwendige Bedingung dar, um die Dynamik des Korans nachzeichnen zu können. Dass sich die kanonische Reihenfolge der Koransuren von der Chronologie ihrer Offenbarung unterscheidet, ist dabei keine moderne Erkenntnis, sondern war den muslimischen Gelehrten bereits seit der frühsten Zeit bewusst. Theologen wie Badr ad-dīn azZarkašī (gest. 794/1392) und Ǧalāl ad-dīn as-Suyūṭī (gest. 911/1505) betonen die Wichtigkeit der Unterscheidung von mekkanischen (makkī) und medinensischen (madanī) Suren, wobei die erste Gruppe vor der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina im Jahr 622 n. Chr. herabgesandt worden sein soll, die zweite danach. 15 Einzelne Gelehrte halten sogar die Unterteilung in Untergruppen innerhalb der mekkanischen Suren für wichtig. 16 Wissen zur Etablierung der genauen Chronologie der Suren findet sich in ganz verschiedenen klassischen Textgattungen wie den Koranwissenschaften, Geschichtswerken, Prophetenbiographie sowie Werken zur Abrogation (nasḫ). Von besonderer Bedeutung sind eine Reihe 15

Vgl. az-Zarkašī, B.: al-Burhān fī ʿ ulūm al-Qurʾ ān. Hg. v. Abū l-Faḍl ad-Dimyāṭī. Kairo 2006, S. 132. 16 So Ibn Ḥabīb an-Naysābūrī (gest. 406/1016), siehe Zarkašī: Burhān, S. 135.

18 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

von chronologischen Listen, die die Koransuren in der Reihenfolge ihrer Offenbarung aufzählen, die allerdings teilweise voneinander abweichen. 17 Allen diesen Texten ist gemeinsam, dass sie im Wesentlichen auf Überlieferungen beruhen. Daneben wurde es aber durchaus auch für möglich gehalten, auf Basis von Sprache, Stil und Inhalt einzelner Suren Analogieschlüsse vorzunehmen, um Meinungsverschiedenheiten aufzulösen. 18 Auf diese Tradition bauen die modernen Rekonstruktionsversuche seit dem 19. Jahrhundert auf, die vor allem von europäischen Gelehrten betrieben worden sind, allen voran Theodor Nöldeke (gest. 1930), der mit seiner 1860 erschienenen Geschichte des Qorāns ein Standardwerk geschaffen hat. 19 Im Folgenden sollen für ein Nachzeichnen der koranischen Theologie die daran anknüpfenden Bemühungen von Angelika Neuwirth (geb. 1943) und dem von ihr geleiteten Projekt Corpus Coranicum vorausgesetzt werden: Dort wird zunächst von der Unterscheidung Nöldekes von vier Perioden ausgegangen, nämlich dreier mekkanischer (früh-/mittel-/spätmekkanisch) und einer medinensischen. Diese Zuordnung und die genaue Anordnung der Suren innerhalb der Perioden in Subgruppen wird im Rahmen der Projektarbeit weiter verfeinert und ist aktuell noch nicht abgeschlossen. 20 Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass sowohl die islamische Überlieferung als auch die westlichen Rekonstruktionsversuche der Chronologie in den wesentlichen Punkten übereinstimmen und ein belastbares Gesamtbild vermitteln, so dass die heuristische Voraussetzung der Corpus Coranicum-Chronologie als durchaus repräsentativ gelten kann.

17

Für einen Vergleich fünf solcher klassischer Listen mit modernen Rekonstruktionen siehe Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām, S. 219–224. 18 Siehe zum Beispiel Zarkašī: Burhān, S. 133. 19 Nöldeke, T.: Geschichte des Qorāns. Zweite Auflage bearbeitet von Friedrich Schwally. Erster Teil. Über den Ursprung des Qorāns. Leipzig 1909. 20 Vgl. Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (2021): Chronologisch-literaturwissenschaftlicher Kommentar zum Koran. Aus: https://cor puscoranicum.de/kommentar/uebersicht [29. 07. 2021].

19 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Mira Sievers

2.4 Kontextualisierender Zugang Ein kontextualisierender Zugang zum Koran versucht diesen vor dem Hintergrund seines historischen Entstehungskontexts zu verstehen. Dabei kann sowohl der Fokus auf der geschichtlichen Epoche und deren Gedankenwelt als auch auf dem regionalen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Umfeld als auch auf dem Mikrokontext der jeweiligen Situationsbezogenheit von einzelnen Koranpassagen liegen. Entscheidend ist dabei die Annahme, dass jede Passage einen »ursprünglichen Sinn« hat. 21 Dies entspricht dem klassischen Verständnis, wie es beispielsweise von Abū Manṣūr al-Māturīdī (gest. 333/944) vertreten wird, der zwischen »Auslegung« (tafsīr) und »Interpretation« (taʾ wīl) unterscheidet. 22 Die Auslegung bezieht sich dabei auf den ursprünglichen Sinn nach dem Verständnis der Ersthörer:innen und basiert daher auf einer Rekonstruktion des Ursprungskontexts. Die Interpretation hingegen besteht in der menschlichen Anstrengung, den Koran auch in neuen Kontexten »zum Sprechen zu bringen«. Die Bedeutung der historischen Kontextualisierung ist von den bereits genannten modernen muslimischen Denker:innen Amīn alḪūlī, Fazlur Rahman und Ömer Özsoy deutlich hervorgehoben worden, wenn auch die notwendige Rekonstruktionsarbeit im Einzelfall häufig schwierig und die Überlieferungslage problematisch ist. Angelika Neuwirth hat den Fokus auf den größeren Rahmen des »Denkraums Spätantike« gelegt, der nicht nur den weiteren geographischen Kontext der Koranentstehung meint, sondern vor allem den geteilten intellektuellen Raum, in dem ein gemeinsamer Bestand an biblischem, nachbiblischem, philosophischem und juristischem Wissen im Umlauf war. 23 Zusätzlich sind auch noch im engeren Sinne speziell für die arabische Halbinsel relevante Bezugspunkte wie die altarabische Dichtung

21

Siehe zu dieser Annahme Özsoy: Das Unbehagen in der Koranexegese. a. a. O. S. 30 f. 22 Vgl. al-Māturīdī, A. M.: Taʾ wīlāt al-Qurʾ ān. Bd. 1. Hg. v. A. Vanlıoğlu. Istanbul: 2005, S. 3 f. 23 Schmidt, S. u. a.: Spätantike. Von einer Epoche zu einem Denkraum, in: Denkraum Spätantike. Reflexionen von Antiken im Umfeld des Koran. Hg. v. S. Schmidt u. a. Wiesbaden 2016, S. 1–35, hier: S. 14–22.

20 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

oder dort vorhandene rationale Formen der Welterklärung zu berücksichtigen. 24 Bei der Rekonstruktion der koranischen Theologie soll untersucht werden, inwiefern Koranpassagen Rückschlüsse auf eine Vertrautheit der Ersthörer:innen mit spätantiken, biblischen oder altarabisch-poetischen oder sonstigen Wissensbeständen zulassen und welche Konsequenzen dies (vor allem im Sinne von positiver oder negativer Intertextualität) für ihre Interpretation hat. Vorerst nur punktuell zu betrachten ist dagegen die Mikrokontextualität von Versen, die auf ihren jeweiligen Entstehungssituationen beruht. Weder sind die entsprechenden Überlieferungen ausreichend erfasst und kritisch geprüft noch wird dies für die Beschreibung der Grundstruktur koranischer Theologie notwendig sein. 25

3. Eine Skizze der koranischen Schöpfungstheologie 26 3.1 Frühmekkanische Suren Der Koran als Ganzes enthält kein einheitliches Schöpfungskonzept. Die koranischen Bezeichnungen für die Schöpfung werden vor allem mit der arabischen Wurzel ḫ-l-q ausgedrückt, die 261 Mal im Koran vorkommt. 27 Die wesentlichen Formen der Wurzel umfassen das Verb im ersten Stamm (ḫalaqa) sowie das Partizip ḫāliq und das Verbalnomen ḫalq. In der altarabischen Dichtung bezeichnet die Wurzel noch nicht primär die Schöpfung, sondern zielt vor allem auf die Form-

24

Vgl. Neuwirth, A.: Die koranische Verzauberung der Welt und ihre Entzauberung in der Geschichte. Freiburg im Breisgau 2017, S. 45. 25 Eine Erfassung der entsprechenden exegetischen Überlieferungen geschieht allerdings aktuell im Projekt Linked Open Tafsīr der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft, so dass zu hoffen ist, dass sich die Ausgangslage in absehbarer Zeit ändern könnte. 26 Es handelt sich bei diesem Unterkapitel um eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse aus Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām. a. a. O. S. 59–160. Dort finden sich auch die vollständigen Aufzählungen zu den hier lediglich exemplarisch zitierten Versen. 27 Vgl. Dukes, K. (2009–2017): Quran Dictionary – ‫ﺥ ﻝ ﻕ‬. Aus: https://corpus. quran.com/qurandictionary.jsp?q=xlq [29. 07. 2021].

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Mira Sievers

gebung in ganz unterschiedlichen Kontexten ab. 28 Die Idee der Schöpfung wird koranisch dann auch noch durch eine Reihe von weiteren Verben ausgedrückt, wie beispielsweise ǧaʿ ala, faṭara oder anšaʾ a, die allerdings in ihrer Bedeutung und Häufigkeit hinter ḫalaqa zurückstehen. Betrachtet man zunächst die ältesten Suren des Korans, also diejenigen der frühmekkanischen Periode, so wird Schöpfung (ḫalq) als dasjenige in der Gegenwart beobachtbare Handeln Gottes eingeführt, durch welches die Geschöpfe aus einem Ausgangsmaterial erschaffen werden. Als Geschöpf steht dabei vor allem der Mensch im Mittelpunkt der Schöpfungsaussagen mit dieser Wurzel (Koran 55:3; 78:8; 95:4). Gleichzeitig ist er auch der (primäre) Adressat der koranischen Rede. Insgesamt vermitteln die frühmekkanischen Suren den Eindruck, dass sie den Menschen vor allem von seiner eigenen Geschöpflichkeit überzeugen wollen, aus der er Konsequenzen für sein Glauben und Handeln ziehen soll. Die Schöpfung der weiteren Welt durch Gott wird zwar ebenfalls erwähnt, allerdings durch andere Wörter, die jeweils auf eine spezifische Art und Weise der Formung hinweisen, wie beispielsweise das »Ebnen« (saṭaḥa; Koran 88:20) der Erde oder das »Bauen« (banā; Koran 78:12) des Himmels. Die Zentralität des Menschen in den frühmekkanischen Schöpfungsaussagen und als Adressat der koranischen Rede bedeutet allerdings nicht, dass der Mensch auch im Zentrum der gesamten Schöpfung verortet wird. Dies ist beispielsweise in Koran 56:57–74 zu erkennen: 57 Wir haben euch erschaffen. Warum glaubt ihr das nicht? 58 Seht ihr denn nicht, wie euer Samen sich ergießt? 59 Erschafft ihr ihn, oder sind wir die Schöpfer? 60 Wir haben euch den Tod bestimmt, und niemand kann uns daran hindern, 61 dass wir ersetzen euresgleichen und euch in einer Weise neu erschaffen, die ihr nicht kennt. 62 Ihr wisst ja, wie die erste Schöpfung war! Warum wollt ihr euch nicht mahnen lassen? 63 Seht ihr denn nicht, was ihr da pflügt? 64 Sät ihr es aus, oder sind wir die Säer? 65 Wenn wir wollten, könnten wir es verheeren, 28

Vgl. Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām. a. a. O. S. 62–66.

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Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

so dass ihr euch darüber dauernd wundern würdet: 66 ›Siehe, wir sind hochverschuldet, 67 nein, mehr: Wir sind ausgeraubt!‹ 68 Seht ihr denn nicht das Wasser, das ihr trinkt? 69 Habt ihr es aus den Regenwolken herabgesandt, oder waren wir es? 70 Wenn wir wollten, könnten wir es bitter machen. Warum seid ihr nicht dankbar? 71 Seht ihr denn nicht das Feuer, welches ihr zum Brennen bringt? 72 Habt ihr den Baum dafür wachsen lassen – oder waren wir es? 73 Wir machten es zur Mahnung und zum Gebrauch bei Wüstenreisen. 74 Preise darum den Namen deines mächtigen Herrn! 29

In dieser Passage fällt vor allem die Parallelisierung von vier göttlichen Handlungen auf, die Erschaffung der Menschen beziehungsweise des Samens (Vers 59), die Erschaffung des Saatguts auf den Feldern (Vers 64), das Senden des Regenwassers aus den Wolken (Vers 69) und die Hervorbringung der Bäume (Vers 72). Bei allen handelt es sich um Prozesse, die für den Menschen von Interesse sind. Die zentrale Aussage der Passage scheint zu sein, dass diese natürlichen Prozesse letztlich von Gott bewirkt werden. Die Schöpfung des Menschen erscheint dabei aber nicht als besonders hervorgehobene Handlung, die anders als diese Prozesse abläuft, sondern sie steht gleichberechtigt neben dem übrigen schöpferischen Handeln Gottes. 30 Die verschiedenen von Gott geschaffenen Dinge und bewirkten Prozesse sind allesamt von seiner umfassenden Macht abhängig, genau darin sind sie auch miteinander verbunden. Die durch den Koran angesprochenen Ersthörer:innen werden immer wieder dazu aufgefordert, die Konsequenzen aus der Erkenntnis ihrer eigenen Geschöpflichkeit zu ziehen: Erstens sollen sie erkennen, dass die Welt in höchstem Maße vorteilhaft für sie eingerichtet ist und dass sie davon profitieren, was beispielsweise besonders deutlich in Koran 78 zu sehen ist. 31 Dies soll sie zu Dankbarkeit für ihre eigene 29

Übersetzung von Hartmut Bobzin. Vgl. die Diskussion dieser Deutung in Sievers, M.: A Study in Qurʾ anic Theology: Tracing the Development of Concepts of Creation Based on the Root Ḫ-L-Q, in: Islamochristiana. 43 (2017), S. 43–58, hier: S. 47–48. 31 Diese lässt sich, wie Angelika Neuwirth gezeigt hat, als Bearbeitung von Psalm 104 lesen, vgl. Neuwirth, A.: Qurʾ anic Readings of the Psalms, in: The Qurʾ ān in Context. Historical and Literary Investigations into the Qurʾ ānic Milieu. Hg. v. A. Neuwirth u. a. Leiden 2010, S. 733–78, hier: S. 740. Zur Deutung für die 30

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Existenz und deren Bedingungen führen. Zweitens wird die Schöpfung als Beginn des menschlichen Lebens auch immer wieder mit Gottes eschatologischem Handeln verbunden: Dass Gott die Menschen in der Gegenwart ein erstes Mal erschafft, verweist auf seine Fähigkeit zur erneuten Schöpfung am Tag des Jüngsten Gerichts. Und drittens sollte die Erschaffung des Menschen aus so einem unbedeutenden Ausgangsmaterial wie einem »Samentropfen« (nuṭfa; Koran 75:37) beziehungsweise einem »verächtlichen Wasser« (māʾ mahīn; Koran 77:20) als Argument gegen Hochmut verstanden werden – die Herkunft des Menschen bedeutet keine besondere Ehrung.

3.2 Mittelmekkanische Suren In den Suren der zweiten Periode, also aus der mittelmekkanischen Zeit, wird das frühmekkanische Schöpfungskonzept erweitert und vertieft. Vor allem wird der Fokus auf die volle Tragweite und das Ausmaß der Schöpfung gelegt. Es geht nicht mehr hauptsächlich um die Erschaffung des Menschen, sondern um die Schöpfung der ganzen Welt, nämlich »der Himmel und der Erde« (as-samāwāt wa-l-arḍ; Koran 15:85; 20:4; 36:81; 50:38), wie es in einer nun häufig vorkommenden Wendung heißt. Damit wird die biblische Formulierung ha-shamayim ṿe-ha-arets aufgegriffen und im Arabischen wiedergegeben. 32 Des Weiteren wird – ebenfalls entsprechend der biblischen Vorstellung und unter Bezugnahme auf nachbiblisches Material – der Blick von der fortgesetzten Schöpfung in der Gegenwart auf den Beginn der sechstägigen Urschöpfung gelenkt. 33 Gottes Schöpfungshandeln hat dort seinen Höhepunkt in der Erschaffung und Formung des ersten Menschen Adam und seiner Frau, wovon mehrfach im Rahmen der AdamIblīs-Erzählung berichtet wird (Koran 15:28–43; 20:116–123; 38:71–

Schöpfungstheologie vgl. Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām. a. a. O. S. 86–89. 32 Siehe z. B. Gen 1,1; Gen 2,1 oder Ps 115,16. 33 Zu möglichen spätantiken Intertexten siehe neben Corpus Coranicum zum Beispiel Reynolds, G. S.: Redeeming the Adam of the Qurʾ ān. In: Arabische Christen – Christen in Arabien. Hg. v. D. Kreikenbom u. a. Frankfurt am Main 2007, S. 71–83.

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85). 34 Im Unterschied zu den frühmekkanischen Suren wird die Erschaffung des Menschen nun als besonders intime und herausgehobene Handlung dargestellt, Gott erschafft den Menschen mit seinen beiden Händen (bi-yadayya; Koran 38:75) und bläst ihm von seinem Geist ein (Koran 15:29). Dies wird auch explizit als eine besondere Ehrung der Kinder Adams, also der Menschen insgesamt, gedeutet (Koran 17:70). Die in den früheren Suren unterstrichene Zugehörigkeit zu den übrigen Geschöpfen wird hierdurch in Ansätzen relativiert. Die mittelmekkanischen Suren unterstreichen, wie leicht die Schöpfung für Gott ist. Er ist durch sie nicht ermüdet und kann sie auch ein weiteres Mal erschaffen. Es wird nun betont, dass nur Gott alleine der Schöpfer sein kann, dass es also keinen weiteren Gott neben ihm gibt (Koran 23:91). Auch im Kontext der Schöpfungstheologie wird damit explizit auf die zentrale islamische Überzeugung des Eingottglaubens verwiesen. Weiterhin habe Gott alles »auf richtige Art und Weise« (bi-l-ḥaqq; Koran 15:85; 44:39) erschaffen, womit der Gedanke der midraschischen Literatur aufgegriffen wird, dass Gott die Welt entsprechend einem weisen Bauplan erschaffen hat, also in einer für den Menschen durchschau- und verstehbaren Weise. 35 Gott hat deswegen auch genauste Kenntnis über die Eigenschaften des Menschen, den er »in Eile« (min ʿ aǧal; Koran 21:37) erschaffen hat und der sich allzu oft als »klar erkennbarer Widersacher« erweist (ḫaṣīm mubīn, Koran 36:77 f.). Trotz seiner Ehrung durch Gott erscheint der Mensch in der mittelmekkanischen Diagnose als ein moralisch fragwürdiges Geschöpf.36

34

Zur Benennung und Deutung der Erzählung im Kontext der koranischen Schöpfungstheologie siehe Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām. a. a. O. S. 100–106. 35 Zu dieser Vorstellung siehe Kugel, J. L.: The Bible as It Was. Cambridge, MA: 1997, S. 13, 53–55. Zum Bezug von bi l-ḥaqq auf die Weisheit siehe auch O’Shaughnessy, T. J.: Creation and the Teaching of the Qurʾ ān. Rom 1985, S. 36 f. 36 Siehe zu dieser Deutung auch Sinai, N.: Fortschreibung und Auslegung. Wiesbaden 2009, S. 89 f.

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3.3 Spätmekkanische Entwicklungen Die spätmekkanischen Suren wenden sich noch vehementer gegen die Vorstellung, dass es Teilhaber Gottes geben könnte; im Gegenteil sei es offensichtlich, dass die von Muḥammads Gegnern verehrten falschen Gottheiten nichts in der Welt erschaffen hätten (Koran 35:40). Umgekehrt erscheint die Schöpfung als Ganzes sowie ihre einzelnen Bestandteile als Zeichen (āyāt; Koran 29:44; 30:22; 42:29) für gottesfürchtige Leute. Neben den bereits zuvor mit diesem Wort beschriebenen Versen der Offenbarung wird nun in gewisser Weise ein eigener Offenbarungscharakter der Natur betont. Weiterhin wird Gott als Schöpfer des Menschen beschrieben, der Himmel und der Erde und damit – wie es nun in Kürze heißt – als »der Schöpfer aller Dinge« (ḫāliq kull šayʾ ; Koran 13:16; 39:62; 40:62). Die Geschöpfe sind alleine von Gottes freiem Schöpfungswillen abhängig, dieser kann von den Menschen nicht beeinflusst werden, sondern ist zu akzeptieren (Koran 28:68). Der Mensch wird auch in den spätmekkanischen Suren mit negativen Eigenschaften beschrieben, die ihm durch seine Schöpfung mitgegeben sind, so beispielsweise seine Streitsüchtigkeit und Vergesslichkeit (Koran 16:4). Gleichzeitig wird mit einem bekannten Vers der Gedanke einer Hinordnung des Menschen auf den einen Gott eingeführt (fiṭra, Koran 30:30). 37 Dies lässt sich so verstehen, dass der Mensch alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, wahre Gotteserkenntnis zu erlangen und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die in Mittelmekka im Rahmen der Urschöpfung thematisierte besondere Zuwendung Gottes zum Menschen erweist sich in den spätmekkanischen Suren immer deutlicher als eine Privilegierung: Nicht nur sind die Kinder Adams geehrt, es unterstehen ihnen auch die Landtiere und die Vögel, die kosmischen Gegebenheiten insgesamt und schließlich hat Gott den Menschen »alles, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, dienstbar gemacht« (saḫḫara … mā fī ssamāwāti wa-mā fī l-arḍi ǧamīʿ an; Koran 45:13). Damit ergibt sich innerhalb der Schöpfung nun eine Form der Hierarchie, die den Menschen der übrigen Natur überordnet. Während die Schöpfung für Gott leicht ist, wird die eschatologische Neuschöpfung als »noch leichter« beschrieben (Koran 30:27). 37

Vgl. hierzu Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām, S. 130–132.

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Gott sei nicht ermattet oder überfordert (Koran 46:33), wie es möglicherweise in Auseinandersetzung mit der Vorstellung eines Ruhens Gottes nach der sechstägigen Urschöpfung heißt. Diese Macht Gottes zeigt sich auch darin, dass Gott jederzeit die Möglichkeit hätte, das Existierende zu vernichten und eine andere Schöpfung hervorzubringen (Koran 35:16 f.); alles in der Welt ist »auf eine bestimmte Frist« (aǧal musammā; Koran 30:8; 46:3) und somit in gewisser Weise vorläufig erschaffen.

3.4 Medinensische Suren In der vierten und letzten, der medinensischen Periode gibt es im Hinblick auf die koranische Schöpfungstheologie insgesamt kaum noch Entwicklungen. Im Wesentlichen wird das mekkanische Schöpfungskonzept vorausgesetzt und bildet den Hintergrund für andere Diskussionen, in denen gelegentlich darauf Bezug genommen wird. 38 Allerdings findet sich in der chronologisch letzten Version der Adam-IblīsErzählung noch eine bedeutende Akzentsetzung, indem dieser nun ein Dialog Gottes mit den Engeln vorangestellt wird: 30 »Und als Dein Herr zu den Engeln sagte: ›Ich werde auf der Erde einen Statthalter einsetzen.‹ Da sagten sie: ›Willst Du auf ihr jemanden einsetzen, der Unheil auf ihr stiftet und Blut vergießt, während wir Dich lobpreisen und Dich heiligen?‹ Er sagte: ›Ich weiß, was ihr nicht wisst.‹ 31 Und Er lehrte Adam alle Namen. Dann führte Er sie den Engeln vor und sagte: ›Tut mir die Namen von diesen kund, wenn ihr die Wahrheit sagt!‹ 32 Sie sagten: ›Preis sei Dir! Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast. Du bist der Wissende, der Weise.‹ 33 Er sagte: ›Tu ihnen ihre Namen kund.‹ Und als er ihnen ihre Namen kundgetan hatte, sagte Er: ›Habe ich euch nicht gesagt, dass ich das Verborgene der Himmel und der Erde kenne? Und ich weiß, was ihr offenlegt und was ihr verbergt.‹« 39

Die Engel reagieren mit Bedenken auf die Ankündigung Gottes, den Menschen als Statthalter einzusetzen, da sie befürchten, dass dieser Verderben (fasād) auf Erden stiften wird – eine nachvollziehbare Er38

Zum Beispiel im Kontext des koranischen Rechts wie in Koran 2:228 oder Koran 4:28, siehe Sievers: Schöpfung zwischen Koran und Kalām, S. 149 f. 39 Übersetzung von Mira Sievers.

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wartung angesichts der in früheren Suren erwähnten Neigungen des Menschen zum Bösen. Gott kündigt aber an, dies trotzdem zu tun und verweist auf ein besonderes Wissen des Menschen, welches diesen zu seiner Aufgabe befähigen würde. In dieser Erzählung wird eine talmudische Überlieferung aufgegriffen, die koranisch aber abgewandelt wird und nun eine theologische Funktion gerade im Zusammenspiel mit den früheren Versionen der Erzählung erfüllt: 40 Seit den mittelmekkanischen Suren wurde zunehmend von einer Privilegierung des Menschen innerhalb der Schöpfung gesprochen, die sich zunächst in einer besonderen Ehrung (takrīm) in der Urschöpfung zeigt, dann sogar durch die Dienstbarmachung der Welt für ihn gesteigert wurde. In einer gewissen Spannung dazu steht die immer wieder betonte moralisch ambivalente Natur des Menschen, die ihn allzu häufig zum bösen Handeln führt. 41 In den medinensischen Suren erscheint nun genau diese Freiheit zum Guten wie zum Bösen als notwendige Bedingung einer besonderen Aufgabe, die mit dem Begriff des Statthalters (ḫalīfa) bezeichnet wird und den Menschen von den Engeln unterscheidet. Zwar sollten Letztere letztlich Recht behalten, dass der Mensch auch Verderben über die Welt bringt, doch dem steht das andauernde Potenzial zur positiven Übernahme von Verantwortung gegenüber, welche gleichzeitig eine besondere Nähe zu Gott bedeutet.

40

Babylonischer Talmud, Traktat Sanhedrin, 38b, abrufbar unter: https://www. sefaria.org/Sanhedrin [29. 07. 2021]: »Rav Jehuda sagte, dass der Rav sagte: Zur Zeit, als der Heilige – gesegnet sei Er – den Menschen schaffen wollte, erschuf Er eine Gruppe von Dienstengeln. Er sagte zu ihnen: ›Wenn ihr wollt, schaffen Wir einen Menschen nach Unserem Bilde.‹ Sie sagten zu Ihm: ›Herr der Welt, was sind seine Taten?‹ Er sagte zu ihnen: ›So und so sind seine Taten.‹ Sie sagten zu Ihm (Psalm 8,5): ›Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst, was ist das Menschenkind, dass Du Dich seiner annimmst?‹ Er streckte seinen kleinen Finger zwischen sie aus und verbrannte sie, und ebenso eine zweite Gruppe und eine dritte Gruppe. Sie sagten zu Ihm: ›Herr der Welt, die Ersten, die zu Dir gesprochen haben, was haben sie beigetragen? Die ganze Welt gehört Dir. Alles, was Du mit Deiner Welt machen willst, das tue!‹« (Übersetzung von Mira Sievers.) 41 Vgl. hierzu Sinai: Fortschreibung und Auslegung. a. a. O. S. 90 f.

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Koranische Impulse für eine islamische Umweltethik

4. Koranische Impulse für eine Umweltethik in islamischer Perspektive Um auf das zu Beginn aufgeworfene Problem zurückzukommen, lässt sich nun die Frage stellen, welche Impulse die dargestellte koranische Schöpfungstheologie für umweltethische Fragen geben kann. Denn auch wenn grundsätzlich der Komplex der Schöpfung im Hinblick auf die Umweltethik nicht der einzig relevante Bereich sein kann und innerhalb der islamischen Tradition der Blick auch darüber hinausgehen sollte, scheinen die obenstehenden Ausführungen doch besonders in zwei Punkten zu relevanten Ergebnissen zu führen. Diese sollen abschließend angesprochen werden: die anthropologische Frage nach einer Hierarchie zwischen den Menschen und der nicht-menschlichen Natur auf der einen Seite und die ethische Frage nach den normativen Konsequenzen aus der Überlegenheit des Menschen über andere Geschöpfe auf der anderen Seite. Zunächst also zur Frage der Hierarchie: Es lässt sich beobachten, dass ein synchroner Blick auf die schöpfungsbezogenen Passagen im Koran in der Gesamtschau dazu zu tendieren scheint, vor allem die hierarchische Überordnung des privilegierten Geschöpfs Mensch über die nicht-menschliche Natur zu sehen. Ein diachroner Zugang hingegen – wie er oben versucht worden ist – eröffnet eine differenziertere Perspektive, die je nach chronologischer Schicht unterschiedliche Verhältnisse beschreiben wird: Im Laufe des dynamischen Offenbarungsprozesses ist es zunächst ausschließlich die Geschöpflichkeit des Menschen und dessen Zugehörigkeit zu den natürlichen Prozessen in seiner Mitwelt, die die frühen Suren betonen und akzentuieren. Die Ersthörer:innen werden angesprochen und sollen sich selbst als geschaffen erkennen; die geteilte Abhängigkeit der Geschöpfe von der umfassenden Macht Gottes bedeutet dabei zunächst eine grundlegende Gemeinsamkeit, die in mehreren frühmekkanischen Suren eine Rolle spielt. Auf dieser Grundlage erschließt sich dann die auf der Rezeption der biblischen Tradition aufbauende allmähliche Einsicht in eine besondere Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung ab der mittelmekkanischen Periode, die zunächst als eine Ehrung (takrīm) bezeichnet wird und die spätmekkanisch im Gedanken der Dienstbarmachung (tasḫīr) der Welt und schließlich medinensisch in der Statthalterschaft (ḫilāfa) des Menschen kulminiert. Diese beiden Konzepte – Dienst29 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Mira Sievers

barmachung und Statthalterschaft – sind im Hinblick auf den menschlichen Umgang mit der Natur anfällig für Missverständnisse und auch für Missbrauch und sollten gerade aus diesem Grund ethisch reflektiert werden. 42 Diese Bestandteile einer koranischen Sicht auf die Welt erschließen sich nur vor dem Hintergrund des frühmekkanisch betonten grundsätzlich gleichen Verhältnisses aller Geschöpfe gegenüber dem einen Schöpfer; eine Berücksichtigung der Offenbarungsdynamik ermöglicht es damit, die unterschiedlichen Aspekte in ein Verhältnis zu setzen. Diese Darstellung führt aber auch zu einer weiteren Frage: Gerade aus der modernen Perspektive ist es naheliegend, in der immer plausibler gewordenen Macht des Menschen über andere Geschöpfe auch eine moralische Herausforderung zu sehen. Die durch technologischen Fortschritt deutlich gestiegenen Möglichkeiten des Menschen zum Eingriff in die Natur führen auch zu größeren Folgen des menschlichen Handelns. Gerade die mekkanischen Suren diagnostizieren eine grundsätzlich ambivalente Natur des Menschen mit entgegengesetzten Neigungen, die häufig in konkreten Entscheidungen zum Bösen münden. In Verbindung mit der Situation der Gemeinde des Propheten, die in Mekka von großem Widerstand bis hin zu Unterdrückungserfahrungen geprägt war und die sich erst in Medina grundsätzlich anders darstellte, scheinen die medinensischen Suren auf ein aktives und gestaltendes Handeln hinauszuwollen. Die Neudeutung der Adam-Iblīs-Erzählung, die Einsicht in die Statthalterschaft des Menschen, durch welche die Entscheidungsfreiheit des Menschen als Vorbedingung einer bestimmten Aufgabe verstanden wird, lässt sich auch im Hinblick auf Umweltfragen als Aufruf zu einer Verantwortungsübernahme verstehen – wenngleich die Fragen nach deren konkreter Ausgestaltung damit noch nicht beantwortet sind.

42

Zu der Notwendigkeit, innerhalb der Ethik in der islamischen Theologie den Fokus auf Probleme zu legen, siehe Sievers, M.: Zu den Voraussetzungen einer islamischen Umweltethik, in: CIBEDO-Beiträge. 3 (2021), S. 113–118.

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Detlef Schneider-Stengel (Essen)

Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit? Von der Vulnerabilität des Menschen und der Schöpfung 1 Abstract Humans as finite, body-bound, thinking and feeling beings live in a world in which they are exposed to many dangers and threats. The corona pandemic in particular, but also the consequences of climate change, show how serious and deadly nature can behave. The question of how humans can live in a world that is hostile to them in many ways is always part of their – theologically speaking – creatureliness. The essay will attempt two answers to this question. The first attempt is Blumenberg’s approach to the absolutism of reality and how man can deal with it. The second attempt is based on theological vulnerability research, which reflects on the vulnerability of human beings, but also of nature, and develops a »realistic anthropology« (Heike Springhart). Subsequently, both approaches will be brought into discussion with regard to a concept of metaphorical theology. In a final step, the results will be used to identify points of contact for Christian-Islamic dialogue.

Bitte Wir werden eingetaucht und mit den Wassern der Sintflut gewaschen Wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut 1

Der Aufsatz soll der Beginn eines Gesprächs zwischen dem Ansatz von Hans Blumenberg und der zurzeit entstehenden theologischen Vulnerabilitätsforschung sein. Hier zeigen sich vielfältige produktive Anknüpfungspunkte, die der weiteren Erschließung bedürfen. Zugleich soll er ein Gesprächsangebot an die islamische Theologie sein, die gegenwärtig schöpfungstheologische Fragen in den Fokus nimmt. Von daher ist der Aufsatz ein erster Aufschlag und eine Momentaufnahme: eine work in progress.

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Detlef Schneider-Stengel

Der Wunsch nach der Landschaft diesseits der Tränengrenze taugt nicht der Wunsch den Blütenfrühling zu halten der Wunsch verschont zu bleiben taugt nicht Es taugt die Bitte dass bei Sonnenaufgang die Taube den Zweig vom Ölbaum bringe dass die Frucht so bunt wie die Blume sei dass noch die Blätter der Rose am Boden eine leuchtende Krone bilden und dass wir aus der Flut dass wir aus der Löwengrube und dem feurigen Ofen immer versehrter und immer heiler stets von neuem zu uns selbst entlassen werden. Hilde Dohmin

1. Einführung Natura sanat, natura necat – die Natur heilt, die Natur tötet. Die Coronapandemie und die Auswirkungen des Klimawandels haben gezeigt, wie schnell Vertrautes und Gewohntes wegbrechen kann, bis dahin, dass nahestehende und geliebte Menschen schwer erkranken und auch sterben oder das eigene Hab und Gut von Fluten weggespült werden. Das »Urvertrauen«, das eventuell den Alltag prägte und die gewohnten Lebenswelten bestimmte, weicht Erfahrungen von Verlust, Angst und Unsicherheit. Die Welt und die Natur, theologisch als Schöpfung verstanden, die vorher als freundlich erschienen, kippen in das Diametrale und zeigen ihre kalte und unbarmherzige Seite. Der vom Menschen gemachte Klimawandel und jetzt die Gefahr von weltweiten Pandemien in einer globalisierten Welt lassen jede Naturromantik von Menschen, die in industriellen Staaten leben, obsolet werden. Verlust, Angst und Unsicherheit erzeugen beim Menschen als endliches, leibgebundenes, fühlendes und denkendes Wesen 32 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit?

Trauer, manchmal auch Depressionen, Wut und das Gefühl der Hilflosigkeit. Trauer, Wut und Hilflosigkeit aber rufen nach Trost, nach Orientierung und nach Sinn. Philosophie und Theologie wurden in der Geschichte immer wieder angefragt, Erfahrungen von Leid und Verlust zu reflektieren, dabei neue Sinnhorizonte zu eröffnen und auch Trost zu spenden. Viele der philosophischen und theologischen Antwortversuche, die auf die genannten Erfahrungen gegeben wurden, erscheinen heute eher als Vertröstungen, als zu abgehoben, voraussetzungsreich und spekulativ oder als historisch und kulturell überholt und nicht mehr zeitgemäß. Philosophie und Theologie werden aber auch heute – neben den Natur- und Medizinwissenschaften – in Krisenzeiten nach Antworten befragt. Im Folgenden sollen zwei Antwortversuche vorgestellt werden, wie mit den negativen und tödlichen Erfahrungen, die sich aus der Kreatürlichkeit des Menschen ergeben, umgegangen werden kann. Der erste Antwortversuch ist Blumenbergs Ansatz vom Absolutismus der Wirklichkeit und der mögliche Umgang des Menschen mit ihm. Der zweite Antwortversuch rekurriert auf die theologische Vulnerabilitätsforschung, die die schöpfungsmäßige Verwundbarkeit des Menschen, aber auch der Natur reflektiert und für eine »realistische […] Anthropologie« (Heike Springhart) fruchtbar macht. Im Anschluss sollen beide Ansätze ins Gespräch gebracht werden in Hinsicht auf ein Konzept von metaphorischer Theologie. In einem letzten Schritt sollen aus den erarbeiteten Ergebnissen Anknüpfungspunkte für den christlichislamischen Dialog aufgezeigt werden.

2. Hans Blumenberg und der Absolutismus der Wirklichkeit Hans Blumenberg hat sich in seinem Werk mit der Frage auseinandergesetzt, wie es Menschen gelingen kann, in einer Welt zu leben, die ihnen in vielfältiger Weise feindlich gegenübersteht. Dieses Faktum benennt er als »Absolutismus der Wirklichkeit«. Die Schöpfung ist für ihn kein Idyll, ebenso lag ihm jede Naturromantik fern. Stattdessen ist es die Aufgabe des Menschen, trotz der Widrigkeiten sein Überleben zu sichern im Sinne seiner Selbstbehauptung. Dafür hat er zahlreiche Distanzierungsleistungen entwickelt, sowohl technischer, naturwissen33 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Detlef Schneider-Stengel

schaftlicher als auch kultureller Art. Eine dieser Distanzierungsleistungen ist der metaphorische Umgang mit der Wirklichkeit, der versucht, Angebote von Sinn, Hoffnung und auch Trost zu generieren, der gleichzeitig aber immer auch die Reichweiten dieser Angebote mitbedenkt. Im Folgenden soll Blumenbergs Metapherntheorie in ihren Grundzügen dargestellt werden. In einem zweiten Schritt soll dann gefragt werden, welche theologischen Implikationen sein Ansatz in Bezug auf das Verhältnis des Menschen zur Schöpfung birgt.

a)

Die Metapherntheorie

Blumenberg begründet sein Interesse an Metaphern anthropologisch: »Der menschliche Wirklichkeitsbezug ist indirekt, umständlich, verzögert, selektiv und vor allem metaphorisch.« 2 Dieser indirekte Weltbezug des Menschen ergibt sich für Blumenberg aus dem, was er als den »Absolutismus der Wirklichkeit« 3 bezeichnet. Die These vom »Absolutismus der Wirklichkeit« beruht auf zwei Grundannahmen, die miteinander verwoben sind. Zum einen weiß sich Blumenberg mit Gehlen einig, dass der Mensch ein Mängelwesen ist. 4 Die modernen Evolutionstheorien der menschlichen Entwicklungsgeschichte haben für den Philosophen die Annahme bestätigt, dass der Preis für ein größeres Gehirn und den aufrechten Gang die Unangepasstheit des Menschen an ökologische Nischen und Mängel hinsichtlich seiner physischen Ausstattung zur Folge hatte. Diese Unangepasstheit und Mängel muss der Mensch kompensieren, wenn er überleben will. Zum anderen erlebt der Mensch, auch aufgrund seiner Mängelnatur, die Umwelt als feindlich, sinnentleert und ihm gegenüber gleichgültig. Die Wirklichkeit stellt sich dem Menschen als total und absolut entgegen. Blumenberg betont in seiner These vom »Absolutismus der Wirklichkeit« vor allem das darin enthaltene zerstörerische Potenzial, das auf die Hoffnungen und Sehnsüchte des Menschen keine Rücksicht nimmt und ihm jederzeit den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Schon bei der Geburt erlebt der/die Einzelne kein Glücksgefühl, 2 3 4

Blumenberg, H.: Wirklichkeiten, in denen wir leben. Stuttgart 1981, S. 115. Blumenberg, H.: Arbeit am Mythos. Frankfurt a. M. 19905, S. 9. Blumenberg, H.: Beschreibung des Menschen. Frankfurt a. M. 20202, S. 238 ff.

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Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit?

sondern eher ein Trauma, weil er/sie der Wirklichkeit ausgeliefert ist. 5 Von daher erzeugt der »Absolutismus der Wirklichkeit« im Menschen ein Grundgefühl der Angst. Diese Angst, die zur anthropologischen Grundausstattung des Menschen gehört, ist für Blumenberg »Intentionalität des Bewusstseins ohne Gegenstand. Durch sie wird der ganze Horizont gleichwertig als Totalität der Richtungen, aus denen ›es herankommen kann‹.« 6 Für den Philosophen ist die Welt ein gefährlicher Ort und keine gute Schöpfung. Der Mensch hat sich aber nun Möglichkeiten geschaffen, sich vom »Absolutismus der Wirklichkeit« zu distanzieren und damit seine Angst zu depotenzieren, nämlich durch den indirekten Wirklichkeitsbezug. Eine dieser Distanzierungsleistungen ist der metaphorische Umgang mit der Wirklichkeit. Für Blumenberg sind Metaphern aber nicht nur ein Distanzierungsversuch unter vielen – Blumenberg zählt z. B. auch die modernen Naturwissenschaften und für frühere Zeiten Mythos, Religion und Metaphysik dazu –, sondern unter allen Distanzierungsversuchen der herausragendste. Daher interessiert sich der Philosoph vor allem für die Funktion von Metaphern hinsichtlich ihrer Daseins- und Wirklichkeitsbewältigung für den Menschen. Blumenberg unterscheidet mehrere Funktionen der Metaphern 7, wobei die absoluten Metaphern und die Theorie der Unbegrifflichkeit eine besondere Rolle spielen. Eine erste Funktion ist die ästhetische. Vor allem in der (klassischen) Rhetorik gelten Metaphern als Schmuck und Ornamente in einer Rede. 8 Eine zweite Funktion beinhaltet die »Übergänge von der Metapher zum Begriff« 9. Hierbei arbeitet die Metapher dem Begriff zu, bzw. ist sie eine Hilfe bei der Entstehung von Begriffen und bewegt sich im »Vorfeld der Begriffsbildung« 10. Die 5

Blumenberg: Arbeit am Mythos. a. a. O., S. 9 f. Ebd., S. 9. 7 Haeflinger, J.: Imaginationssysteme. Erkenntnistheorie, anthropologische und mentalitätshistorische Aspekte der Metaphorologie Hans Blumenbergs (Europäische Hochschulschriften, Reihe XX, Philosophie). Bern/Berlin/ Frankfurt a. M. et. al. 1996, S. 74 f. Siehe auch: Wetz, F. J.: Hans Blumenberg zur Einführung, 5., vollst. überarb. Auflage, Hamburg 2020, S. 18–22. 8 Blumenberg, H.: Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt a. M. 1998, S. 8 f. 9 Ebd., S. 117. 10 Blumenberg, H.: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigmen einer Daseinsmetapher. Frankfurt a. M. 19883, S. 77. 6

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dritte Funktion bezieht sich auf die »absolute Metapher« 11. Blumenberg setzt diese Funktion von den beiden vorher genannten ab. Während die Metapher als Schmuck oder Begriffsvorfeld ersetz- und austauschbar und gegenüber dem Begriff als deren Vorfeld defizient ist, besitzt sie als absolute Metapher eine Wertigkeit, die durch keinen Begriff substituiert und auch nicht eingeholt werden kann. Blumenberg wehrt sich vehement dagegen, die Metaphorik immer im Gegenüber der Begrifflichkeit zu sehen und ihr eine geringere Wertigkeit zuzusprechen. Der deutsche Philosoph kritisiert mit seinem Ansatz auch die Folgen aus Descartes’ Programm einer vollkommenen Klarheit und Bestimmtheit in der Philosophie, wie es in seiner Schrift »Discours de la Méthode« grundgelegt wurde: Descartes übertrug die mathematische Methodik auf die Philosophie und traute nur noch dem Begriff zu, alles logisch und wissenschaftlich zu definieren. Damit erhielt der Begriff, das begriffliche Wissen, eine Sonderstellung, und Philosophie wurde zur »Arbeit am Begriff«. 12 11

Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie. a. a. O. S. 10. Blumenberg macht am Anfang seiner Schrift »Paradigmen zu einer Metaphorologie« ein Gedankenexperiment unter der Fragestellung: Was wäre passiert, wenn sich Descartes’ Ansatz in der Philosophie vollkommen durchgesetzt hätte?: »Versuchen wir uns einmal vorzustellen, der Fortgang der Philosophie hätte sich nach dem methodischen Programm des Descartes vollzogen und wäre zu dem endgültigen Abschluss gekommen, den Descartes durchaus für erreichbar hielt. Dieser für unsere Geschichtserfahrung nur noch hypothetische ›Endzustand‹ der Philosophie wäre definiert durch die in den vier Regeln des cartesischen ›Discours de la Méthode‹ angegebenen Kriterien, insbesondere durch die in der ersten Regel geforderte Klarheit und Bestimmtheit aller in Urteilen gefassten Begebenheiten. Diesem Ideal voller Vergegenständlichung […] entspräche die Vollendung der Terminologie, die die Präsenz und Präzision der Gegebenheit in definierten Begriffen auffängt. In diesem Endzustand wäre die philosophische Sprache rein ›begrifflich‹ im strengen Sinne: alles kann definiert werden, also muss auch alles definiert werden, es gibt nichts logisch ›Vorläufiges‹ mehr, so wie es die morale provisoire nicht mehr gibt. Alle Formen und Elemente übertragender Redeweise im weitesten Sinne erwiesen sich von hier aus als vorläufig und logisch überholbar; sie hätten nur funktionale Übergangsbedeutung, in ihnen eilte der menschliche Geist seinem verantwortlichen Vollzug voraus, sie wären Ausdruck jener précipitation, die Descartes gleichfalls in der ersten Regel zu vermeiden gebietet. Zugleich aber mit der Erreichung ihres endgültigen begrifflichen Zustandes müsste die Philosophie jedes vertretbare Interesse an der Erforschung der Geschichte ihrer Begriffe verlieren. Vom Ideal einer endgültigen Terminologie her gesehen, kann ja überhaupt Begriffsgeschichte nur einen kritisch-destruktiven

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Gegen die begriffliche Dominanz in der Philosophie gab es aber auch eine Gegenbewegung, wobei Blumenberg Giambattista Vico (1668–1744) beispielhaft nennt und er seinen eigenen Ansatz auch dazu zählt. Dass es diese Gegenbewegung zurecht gibt, zeigt der Philosoph anhand seiner Theorie der absoluten Metapher. Blumenbergs Beweggrund, die Funktion von absoluten Metaphern und deren inhaltliche Fülle zu untersuchen, ist die Frage, »unter welchen Voraussetzungen Metaphern in der philosophischen Sprache Legitimität haben können« 13. Dabei zeigt sich in der Geschichte, dass es bildhafte Ausdrücke gibt, die in der Philosophie Eingang gefunden haben und heute wie oder als Begriffe gebraucht werden. Diese waren sozusagen »Restbestände […], Rudimente auf dem Weg vom Mythos zum Logos« 14. Auf der anderen Seite »können Metaphern auch Grundbestände der philosophischen Sprache sein, die sich nicht in das Eigentliche, in die Logizität zurückholen lassen.« 15 Diese Grundbestände sind die absoluten Metaphern, die in ihrer Wertigkeit über den Begriffen stehen. Blumenberg geht sogar noch weiter und behauptet, dass auch die Rudimente und Restbestände keine Begriffe sind, sondern erst von der cartesischen Methode als solche qualifiziert worden sind und weiterhin als absolute Metaphern wirken. Der Philosoph stellt sich nun die Aufgabe, diese absoluten Metaphern aufzufinden und ihre Funktion für den Menschen darzustellen. Sein Ziel formuliert Blumenberg folgendermaßen: »Der Aufweis absoluter Metaphern müsste uns wohl überhaupt veranlassen, das Verhältnis von Phantasie und Logos neu zu durchdenken, und zwar in dem Sinne, den Bereich der Phantasie nicht nur als Substrat für Transformationen ins Begriffliche zu nehmen […], sondern als eine katalysatorische Sphäre, an der sich zwar ständig die Begriffswelt bereichert, aber ohne diesen fundierenden Bestand dabei umzuwandeln und aufzuzehren.« 16 Blumenberg beginnt seinen Aufweis absoluter Metaphern in seiner Schrift »Paradigmen zu einer Metaphorologie«, wo er z. B. den Kosmos Wert haben, eine Rolle, die im Erreichen des Zieles ausgespielt wäre […].« Ebd. S. 7 f. 13 Ebd., S. 10. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Ebd., S. 11.

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als Metapher für die Sonderstellung des Menschen oder die Mechanik als Metapher für die Welt darstellt; diesen Aufweis wird er dann in vielen seiner weiteren Bücher fortsetzen. 17 Hier soll es nun nicht um die inhaltliche Füllung der absoluten Metapher gehen, sondern um ihre Funktion. Mit Kant ist sich Blumenberg einig, dass der Mensch sich bestimmte Fragen stellt, die ihm durch seine Existenz vorgegeben sind und in ihrer Beantwortung unabschließbar sind. Blumenberg greift dieses Diktum auf und schreibt: »Absolute Metaphern ›beantworten‹ jene vermeintlich naiven, prinzipiell unbeantworteten Fragen, deren Relevanz ganz einfach darin liegt, dass sie nicht eliminierbar sind, weil wir sie nicht stellen, sondern als im Daseinsgrund gestellte vorfinden.« 18 Absolute Metaphern als Antwortversuche auf existenziell wichtige Fragen haben dann Modellcharakter, denn sie bieten Orientierung für das Leben, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen haben absolute Metaphern eine theoretische Funktion. Sie sind in der Lage, die Totalität und Absolutheit der Wirklichkeit, den dem Menschen unbegrifflich und ängstigend entgegen tritt, in Bildern zu repräsentieren. Dadurch können sie das Ängstigende und Unvertraute für den Menschen sprachlich einholen und ihn damit vertraut machen. Diese Leistung der absoluten Metapher beruht auf ihrer Fähigkeit zur Transitivität. Dabei wird »die Vorleistung der Natur […] transformiert in einen Leistungsrahmen des Menschen.« 19 Absolute Metaphern als Modelle von Wirklichkeit schaffen so die Distanzierungsleistung vom Absolutismus der Wirklichkeit. Zum anderen haben sie eine pragmatische Funktion, denn sie generieren »die fundamentalen, tragenden Gewissheiten, Vermutungen, Wertungen, aus denen sich die Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten und Untätigkeiten, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten« 20 ableiten lassen. Eine absolute Metapher ist somit ein »Orientierungsmodell« 21 für den Menschen. Blu17

Als Beispiele seien hier folgende Bücher von Hans Blumenberg genannt: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. a. a. O.; Ders.: Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a. M. 1986.; Ders.: Matthäuspassion. Frankfurt a. M. 1988. und Ders.: Die Sorge geht über den Fluss. Frankfurt a. M. 1988. 18 Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. a. a. O., S. 23. 19 Ebd., S. 77. 20 Ebd., S. 25. 21 Ebd., S. 144.

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menberg charakterisiert absolute Metaphern weiterhin als »implikatives Modell« 22, weil ihnen ein »Zusammenhang von Aussagen« 23 inhärent ist, der Sinneinheiten aus sich entlässt. Blumenbergs Theorie der absoluten Metapher ist nun Philosophiekritik und Entlarvungsstrategie in einem. Er will zeigen, dass die philosophischen Begriffe und die Wirklichkeit nicht adäquat sind, sondern dass die Philosophie sich der Wirklichkeit nur indirekt nähern kann mit Hilfe der absoluten Metaphern. Aber ihre Reichweite ist begrenzt, denn sie leisten nur eine »Logisierung von Wahrscheinlichkeiten« 24 und können durch andere im Laufe der Geschichte ersetzt werden. Damit verabschiedet Blumenberg alle Konzepte von Philosophie, die einen metaphysischen Anspruch erheben. Metaphysik ist für ihn »beim Wort genommene Metaphorik« 25 und vermittelt in der Weise den falschen Eindruck eines direkten Zugangs zur Wirklichkeit. Dies ist aber theoretisch nicht leistbar und daher unerfüllbar. Nur die Metaphorik bietet die Möglichkeit, einen Zugang zur Wirklichkeit, der immer nur indirekt sein kann, zu erschließen. Von daher definiert Blumenberg auch sein Programm zur Metaphorologie und schreibt: »[D]ie Metaphorologie sucht an die Substruktur des Denkens heranzukommen, an den Untergrund, die Nährlösung der systematischen Kristallisationen, aber sie will auch fassbar machen, mit welchem ›Mut‹ sich der Geist in seinen Bildern selbst voraus ist und wie sich im Mut zur Vermutung seine Geschichte entwirft.« 26 Blumenberg zieht daraus das Fazit: »[D]er Schwund der Metaphysik ruft die Metaphorik wieder an ihren Platz.« 27 Blumenberg bleibt aber nicht bei seiner Theorie der absoluten Metapher stehen, sondern erweitert sie durch eine »Theorie der Unbegrifflichkeit« 28. Damit meint der Philosoph »die der Geschichte unseres Bewusstseins zugehörige Anstrengung, das Unsagbare selbst sprach-

22

Ebd., S. 20. Ebd., S. 20. 24 Ebd., S. 128. 25 Ebd., S. 193. 26 Ebd., S. 13. 27 Ebd., S. 193. 28 Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 75. Blumenberg, H.: Theorie der Unbegrifflichkeit. Frankfurt a. M. 20183. 23

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lich darzustellen«. 29 Blumenberg macht dahingehend den selbstkritischen Einwand, dass er sich in seiner Schrift »Paradigmen zu einer Metaphorologie« noch zu sehr darauf konzentriert hätte, das Zueinander von Metapher und Begriff zu klären, wobei die absoluten Metaphern wegen ihrer unerschöpflichen Logizität Begriffe quasi aus sich kondensieren lassen. Er will aber nun die Metaphorik herausstellen »als eine authentische Leistungsart der Erfassung von Zusammenhängen, die nicht auf den engen Kern der ›absoluten Metaphern‹ einzugrenzen ist.« 30 Die absolute Metapher ist mit dem wissenschaftlichen und daher mit dem theoretischen Zugang zur Wirklichkeit verknüpft. Aber davor steht die Lebenswelt als »Motivierungsrückhalt jeder Theorie« 31. In der Lebenswelt werden nun jene Metaphern generiert, die später in der Wissenschaft Eingang finden können. »Metaphern sind in diesem Sinne Leitfossilien einer archaischen Schicht des Prozesses der theoretischen Neugierde, die nicht deshalb anachronistisch sein muss, weil es zu der Fülle ihrer Stimulationen und Wahrheitserwartungen keinen Rückweg gibt.« 32 Die Leistung der Metaphorik auf der Lebensweltebene zeichnet sich nun dadurch aus, dass sie auf Wahrheit aus ist und Wahrheitserwartungen produziert. Auf der Ebene der Wissenschaft ist Wahrheit nicht zu erreichen, weil hier, wie schon in den »Paradigmen zu einer Metaphorologie gezeigt wurde, nur Wahrscheinlichkeiten logiziert 29

Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 84. In dem aus seinem Nachlass herausgegebenen Buch »Theorie der Unbegrifflichkeit« beschreibt Blumenberg die Aufgabe dieser Theorie folgendermaßen: »Eine Theorie der Unbegrifflichkeit hätte im weitesten Sinne die Horizonte zu rekonstruieren, aus denen theoretischen Einstellung und Begriffsbildung hervorgegangen sind, nicht nur im Interesse des besseren Verständnisses der Resultate anhand ihrer Genesis und im Hinblick auf Feststellung der durch Präszisionsforderungen eingetretenen Verluste bei der Begriffsbildung, sondern auch zur Gewinnung derjenigen zeitlichen Totalität, die entgegen allen Leichtfertigkeiten der Abschreibung nicht die geringfügigste Voraussetzung für die Selbstlokalisierung des Bewusstseins ist und an lebensweltlichen Leitfäden zurückführt auf die imaginativen Hintergründe, aus denen nicht nur etwas hervorgegangen ist, um es zurückzulassen, sondern auch noch ständige Motivationsströme nachfließen, deren Ausdörrung auch auf das übergreift, was aus ihnen hervorgeht.« (S. 100). 30 Blumenberg: Schiffbruch, S. 77. 31 Ebd. 32 Ebd.

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werden. Aber zu der anthropologischen Grundausstattung des Menschen gehört, dass er auf Wahrheit aus ist und sie sucht. »Es ist jene Wahrheit offenbar etwas, was in der Sprache der Wissenschaft selbst, durch die sie erreichbar sein soll, nicht mehr ausgesagt werden kann und wohl auch niemals ausgesagt worden ist.« 33 Auf der Lebensweltebene konstruiert sich der Mensch nun ein System von Selbstverständlich- und Fraglosigkeiten, die er als wahr und gegeben hinnimmt. 34 Die Lebenswelt als »abgeschlossenes Sinngehäuse« 35 ist die ursprünglichste Distanzierungsleistung des Menschen vom Absolutismus der Wirklichkeit mit Hilfe der Metaphorik. Auf der lebensweltlichen Ebene werden zuerst die Unbegrifflichkeit, Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit der Wirklichkeit aufgehoben und mit Sinn gefüllt. Was die Wissenschaft nicht mehr leistet, schafft nun scheinbar die Lebenswelt: Sie bietet mit ihren Fraglosigkeiten und Selbständigkeiten Wahrheit an. Blumenberg verweist für seine Konzeption auf Wittgenstein und die Mystik. Wittgenstein macht in seinem Tractatus die Feststellung: »Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.« 36 Blumenberg nimmt darauf Bezug und setzt das Wahrheitsverlangen des Menschen mit der Mystik gleich. In der Mystik wird das Unsagbare sagbar, auch wenn die Worte die Erfahrung nicht adäquat wiedergeben können. In dieser Hinsicht korreliert die Mystik mit der Theorie der Unbegrifflichkeit: »Unter dem Titel der Unbegrifflichkeit muss zumindest damit gerechnet werden, dass auch die Klasse des Unaussagbaren nicht leer ist.« 37 Blumenberg macht selbst darauf aufmerksam, dass er diesen Sachverhalt schon mit dem Paradigma »Sprengmetaphorik« 38 bezeichnet hat. In seiner Analyse der negativen Theologie Nikolaus von Cues’ 39 hat der Philosoph gezeigt, wie Cusanus mit der Metapher des Kreises versucht hat, die Unaussagbarkeit Gottes sagbar zu machen, um sie zugleich wieder zurückzunehmen. Die benutzte Metapher des Kreises ist in dem theologischen Gebäude 33

Ebd., S. 82. Blumenberg, H.: Lebenszeit und Weltzeit. Frankfurt a. M. 1986, S. 86. 35 Wetz: Hans Blumenberg zur Einführung. a. a. O., S. 148. 36 Wittgenstein, L.: Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung. Frankfurt a. M. 1963, S. 115. 37 Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 83. 38 Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie. a. a. O., S. 178. 39 Ebd., S. 178–184. 34

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des Nikolaus von Cues eine Sprengmetapher, weil in ihr die Paradoxität von Unaussagbarkeit und gleichzeitiger Logizität aufleuchtet. In der Auseinandersetzung mit dem Absolutismus der Wirklichkeit versteht sich Blumenberg als illusionsloser Aufklärer. 40 Auch wenn er die Parallelität von Mystik und seiner Theorie der Unbegrifflichkeit aufzeigt, ist er weit davon entfernt, selbst zum Mystiker zu werden. Die Mystik bezieht sich für Blumenberg nicht auf die vorfindbare Wirklichkeit, sondern auf etwas, das außerhalb davon liegt. Von daher kann sie für den gegenwärtigen Menschen keine Relevanz mehr haben, zumal der Nominalismus im Mittelalter für Blumenberg eine Glaubwürdigkeitskrise hinsichtlich der Existenz Gottes nach sich zog, die durch die Selbstbehauptung des Menschen eine Leerstelle erzeugt hat. 41 Es führt kein Weg mehr zurück zu Gott und damit auch nicht zur christlichen Theologie. Für den Philosophen ist die Wirklichkeit alles, was der Fall ist; von daher existiert auch kein Gott. Der Vergleich der Mystik mit seiner Theorie der Unbegrifflichkeit ist deshalb funktional und nicht inhaltlich; beide haben die gleiche Funktion: das Unsagbare sagbar zu machen. Weiterhin gibt es für Blumenberg auch auf der Ebene der Lebenswelt keine Wahrheit im metaphysischen Sinne, sondern hinsichtlich ihrer Funktionalität. Die Theorie der Unbegrifflichkeit geht vor allem »auf eine Bedürfnislage« 42 des Menschen ein, und zwar auf sein Bedürfnis nach Wahrheit. Sie ist damit im Sinne Arnold Gehlens eine »Rationalisierung des Mangels« 43, den der Mensch als Naturwesen schon immer hat und kompensieren muss. Die Fraglosigkeiten und Selbstverständlichkeiten der Lebenswelt als Wahrheit für die/den Einzelne/n sind dann die Kompensation dieses Mangels. Blumenbergs Theorie der Unbegrifflichkeit endet schließlich in einer funktionalen »Mystik« der Lebenswelt. Die Frage nach Wahrheit stellt sich für ihn deshalb nicht mehr, sondern die nach der Leistungsfähigkeit der Metaphorik, die vom Absolutismus der Wirklichkeit distanziert. Von daher weist Blumenberg der Philosophie die Aufgabe zu, als Metaphorologie die Leistungsfähigkeit von Metaphern hinsichtlich 40 41 42 43

Vgl. Wetz: Hans Blumenberg zur Einführung. a. a. O., S. 109–127. Vgl. Blumenberg, H.: Die Legitimität der Neuzeit. Frankfurt a. M. 19882. Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 89. Ebd., S. 89.

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ihrer Eignung und Potenz zur Distanzierung zu überprüfen. 44 Der deutsche Philosoph hat diese Aufgabe, wie oben schon erwähnt, in vielen seiner Schriften durchgeführt. Blumenberg beschreibt daher mit Berufung auf Wittgenstein »die Philosophie als beruhend auf der Bevorzugung von Gleichnissen, ohne zureichende Begründung für deren Wahl« 45. Philosophie als Metaphorologie kann dann auf der einen Seite nicht mehr beanspruchen, streng wissenschaftliche Beweisführungen zu bieten; auf der anderen Seite beruht sie aber auch nicht auf »irrationale[n] Dezisionen« 46. Dagegen baut sie auf dem »Prinzip des unzureichenden Grundes« 47 auf. Dieses Prinzip besagt, dass eine philosophische Argumentation möglich ist, aber nicht mehr in einem Sinne der streng logischen und abschließbaren Beweisführung. 48 Die Philosophie kann keine unumstößlichen Gewissheiten mehr produzieren; sie kann aber das Wahrscheinlichere vom Unwahrscheinlicheren scheiden. Philosophie als Metaphorologie erzeugt daher nur noch »argumentationsgestützte […] Plausibilitätsgenügsamkeit« 49, was aber ausreichend für die Distanzierungsleistung des Menschen vom Absolutismus der Wirklichkeit ist. Von daher bietet seine Theorie der Unbegrifflichkeit Hilfen für ihre Argumentationen an. Indem nun die Philosophie als Metaphorologie auf die »Genese« 50 dieser Theorie »zurückgeht und sie auf die Bedürfnislage hin analysiert, wird etwas bewirkt, was ich die Rationalisierung des Mangels nennen möchte. Sie 44

»Philosophie ist der Inbegriff von unbeweisbaren und unwiderlegbaren Behauptungen, die unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungsfähigkeit ausgewählt worden sind. Sie sind dann auch nichts anderes als Hypothesen, mit dem Unterschied, dass sie keine Anweisungen für mögliche Experimente oder Observationen enthalten, sondern ausschließlich etwas verstehen lassen, was uns sonst als ganz und gar Unbekanntes und Unheimliches gegenüberstehen müsste.« Blumenberg, H.: Höhlenausgänge. Frankfurt a. M. 1989, S. 22. 45 Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 88. 46 Ebd. 47 Blumenberg: Wirklichkeiten, in denen wir leben. a. a. O., S. 124. 48 Das »Prinzip des unzureichenden Grundes ist nicht zu verwechseln mit einem Postulat des Verzichts auf Gründe, wie auch ›Meinung‹ nicht das unbegründete, sondern das diffus und methodisch ungeregelte begründete Verhalten bezeichnet.« Blumenberg: Wirklichkeiten, in denen wir leben. a. a. O. S. 125. 49 Wetz: Hans Blumenberg zur Einführung. a. a. O., S. 162. 50 Blumenberg: Schiffbruch mit Zuschauer. a. a. O., S. 89.

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besteht darin, die Erwägung dessen, was wir als Erfüllung der Intentionalität des Bewusstseins leisten sollen, zu ergänzen durch die eher anthropologische Abwägung, was wir uns an Erfüllung leisten können.« 51 Für Blumenberg kann sich der Mensch nur wenig an Erfüllung leisten, weil er weder die Krone der Schöpfung ist noch die Natur beherrscht. Zugleich hat jede Form der Theologie für ihn ihre Plausibilität verloren. Gegen überzogene Sinnerwartungen und die damit verbundenen Enttäuschungspotenziale plädiert der Philosoph für Bescheidenheit. Blumenberg selbst präferiert einen aktualisierten Epikurismus, in dem die Sorge um sich selbst im Mittelpunkt steht. »Der Epikureer ist ein distanzierter Betrachter des Heils wie des Unheils in der Welt, weil er weder jenes noch dieses auf sich gerichtet sieht, so sehr er auch davon getroffen werden mag […]. Wird der Mensch trotz seiner Glücksbedürfnisse unglücklich, so war es jedenfalls nicht tiefere Absicht, so wenig wie das Glück, das ihm zufällt und im besten Falle die Heiterkeit der Schmerzlosigkeit ist.« 52 Für Blumenberg persönlich wird die Philosophie zur »Kunst der Resignation. Sie bändigt die Energie der großen Erwartungen, deren Enttäuschung zum Umschlagen in Weltzorn verführt.« 53 Sie verhilft dann dem Menschen, »sich schließlich abzufinden mit dem, was ihm zugemutet wird.« 54

b)

Welt, Mensch und Kosmos

Der Mensch hat für Blumenberg durch die Entwicklung der modernen Kosmologie gelernt, dass die Erde und damit er selbst nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist. Insgesamt hält die Neuzeit und die Moderne für den Menschen, so der Philosoph, vor allem Kränkungen bereit: Kopernikus und seine Epigonen verbannen den Menschen aus der Mitte des Kosmos, Darwin nimmt ihm die Krone der Schöpfung vom Haupt und Freud zeigt auf, dass er noch nicht einmal Herr im eigenen Haus ist, weil das Unterbewusstsein ihn im Untergrund mehr lenkt als die 51 52 53 54

Ebd. Blumenberg: Höhlenausgänge. a. a. O., S. 335. Ebd., S. 791. Ebd., S. 33.

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Vernunft. Alle Versuche, »[d]as astronomische Weltmodell mit der metaphysischen Weltüberzeugung in Einklang zu bringen« 55, haben heute ihre Plausibilität verloren. Denn die moderne Kosmologie zeigt, dass das Weltall ein kalter und lebensfeindlicher Ort ist. Blumenberg stellt nun die Frage: »Wie sieht es in dieser neuen Epoche mit der Stellung des Menschen im Kosmos aus?« 56 Der Philosoph beantwortet sie sehr lapidar: »Der Mensch ist nicht Adressat der kosmischen Veranstaltung.« 57 Für Blumenberg »nimmt [der Mensch] an den Sternen die Mitleidlosigkeit gegenüber dem Menschen wahr, die Unbeteiligtheit des Weltalls als Ärgernis.« 58 Aber auch wenn der Kosmos und die Welt nicht für den Menschen geschaffen wurden, ist er doch ein Produkt derselben bzw. ist in ihnen evolutionsgeschichtlich entstanden. Der Mensch hat für Blumenberg in dem Sinne eine Sonderstellung, weil er bisher das einzige bekannte Lebewesen ist, das nicht durch Instinkte und körperliche Ausstattung auf eine bestimmte ökologische Nische festgelegt ist. Wie beschreibt Blumenberg aber nun das Verhältnis des Menschen zur Natur, zur Welt und zum Kosmos? Wie oben schon gezeigt, ist die Existenz des Menschen durch Distanzierung geprägt. Blumenbergs Blick auf das, was theologisch »Schöpfung« heißt, ist zutiefst pessimistisch. Der »Absolutismus der Wirklichkeit« ängstigt den Menschen in einem hohen Maße, so dass er andauernd damit beschäftigt ist, sich davon zu distanzieren, weil immer und überall Gefahren drohen. Diesem Weltbezug kann der Mensch nicht entrinnen, denn er ist ihm vorgegeben. Und auch die Reaktion auf den »Absolutismus der Wirklichkeit« als Angst ist im Menschen verankert. Von daher gibt es für den Menschen nach Blu55

Blumenberg, H.: Kosmos und System. Aus der Genesis der kopernikanischen Welt, in: Studium Generale. Jg. 10 /1957, S. 61–80, hier S. 64. 56 Blumenberg, H.: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt a. M. 1981, S. 665. 57 Ebd. 58 Blumenberg, H.: Contemplator Coeli. in: Orbis Scriptus. Hgg. v. D. Tschizewskij u. D. Gerhardt. Paderborn 1966, S. 113–124, hier S. 123. Siehe auch Wetz: Hans Blumenberg zur Einführung. a. a. O., S. 94: »In zunehmendem Maße zwingt die moderne Kosmologie uns, ohne Hintergrundstützen auszuhalten, was wir nur schwer auszuhalten vermögen: nämlich für die Welt, die stumm und gleichgültig ist, völlig bedeutungslos zu sein.«

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menberg auch nie einen direkten Zugang zur Wirklichkeit, sondern immer nur einen, durch die Angst bewirkten, indirekten. Der Mensch ist zutiefst »metaphorisch«, das heißt, er ist ein Lebewesen, das durch die Distanzierungsleistungen immer Umwege, Umständlichkeiten usw. auf sich nimmt. 59 Der Mensch hat sich nun evolutionsgeschichtlich dahingehend entwickelt, dass er durch seinen aufrechten Gang ein Lebewesen ist, dass viel mehr als die Vierbeiner sieht. Gleichzeitig ist er dadurch aber sichtbarer geworden als seine tierischen Verwandten. Diese exponierte Stellung führt dazu, dass er zugleich die Gefahren und auch die Beute besser sieht, aber auch von Feinden besser wahrgenommen wird. Diese paradoxe Situation ist der Grund, dass der Mensch zum einen ein durch und durch ängstliches Wesen ist, zugleich aber präventiv agiert. Die Vorausschau hinsichtlich der Gefahren führt dazu, dass er mit Hilfe seines Verstandes und seiner Vernunft potenzielle Gefährdungen antizipieren kann und dadurch Gegenmaßnahmen ergreift, um sein Überleben zu garantieren. Diese Präventionsleistungen sind Distanzierungen: so entwickelt er Fallen und Waffen, um seine Feinde und Beutetiere nicht an sich heranzulassen. Auch das Töten der Feinde dient dazu, sein eigenes Überleben zu sichern. Im Endeffekt haben diese Distanzierungsleistungen das Überleben der Spezies Mensch gesichert, aber zu einem hohen Preis. Die andauernde Distanzierung hat zu einem Verlust der ursprünglichen Beziehung zur Natur gesorgt und zu einem ökologischen Desaster geführt. Die menschliche Verbindung zur Natur hat dermaßen gelitten, dass es eher zu einer Entfremdung gekommen ist, die eine der Hauptgründe für die ökologische Krise des 21. Jahrhunderts ist. Für Blumenberg ist Entfremdung letztendlich der Endpunkt der Entängstigungsstrategie des Menschen. Aus Angst, so kann man im Sinne Blumenbergs festhalten, hat sich der Mensch in der Weise der Natur ermächtigt, dass er über sie als Kultur herrschen will. Dabei hat er vergessen, dass Eingriffe nie ohne Folgen sind. Blumenberg beschreibt damit das Dilemma, in dem der Mensch steckt: Er kann auf Grund seiner leiblichen und psychischen Konstitution gar nicht anders, als sich gegen den Zugriff der Natur zu erwehren und zerstört sie dabei, obwohl sie seine Lebensgrundlage ist. Ralf Konersmann fasst Blumenbergs Blick auf die meta59

Blumenberg: Wirklichkeiten, in denen wir leben. a. a. O. S. 115.

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phorische und damit ambivalente Natur und Handlungsweise des Menschen kongenial in einem Satz zusammen: »Die Metapher zeigt, dass rückschauend auch der ›Kosmos‹ und die ›Schöpfung‹ als strukturell umwegige und, wenn man so will, als bis zur Unkenntlichkeit umwegige Kulturleistungen zu verstehen sind: als Kulturleistungen einer sich selbst verleugnenden, noch nicht zum Bewusstsein ihrer selbst gelangten Kultur.« 60 Auf der anderen Seite hat für Blumenberg die moderne Raumfahrt wieder die Besonderheit unserer Erde in das Gedächtnis gerufen, aber nicht mehr als die Mitte des Kosmos, wie in der Antike und im Mittelalter. Sie ist, neben den vielen Planeten und Sternen, die bis jetzt entdeckt wurden, wohl der einzige Ort im beobachtbaren Kosmos, auf dem Leben entstanden ist und das im Menschen sogar ein Bewusstsein ausgebildet hat. Von daher schreibt Blumenberg: »Ein Jahrzehnt intensiver Aufmerksamkeit auf die Astronautik hat eine hinterhältigerweise vorkopernikanische Überraschung gebracht. Die Erde hat sich als kosmische Ausnahme erwiesen.« 61 Von daher ist sie einzigartig. »Die kosmische Oase, auf der der Mensch lebt, dieses Wunder von der Ausnahme, der blaue Eigenplanet inmitten der enttäuschenden Himmelswüste ist nicht mehr auch ein Stern, sondern der einzige, der diesen Namen zu verdienen scheint.« 62 Rüdiger Zill macht auf die höchst interessante Tatsache aufmerksam, dass Blumenberg »auf die Koinzidenz hinweist, dass im selben Jahr, in dem Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betreten hat, auch das deutsche Wort ›Umweltschutz‹ geprägt wurde.« 63 Blumenberg schreibt dazu: »Nun ist die Gleichzeitigkeit von Mondbezwingung und Umweltschutzbeamtung keine beliebige Koinzidenz. Was als Sensation alle Televisionäre zu Weltanschauern machte, hatte als unerwarteten Nebeneffekt den Anblick der Erde als Himmelskörper am schwarzen Himmel dieser anderen Ödwelt, und es ist wohl keine Übertreibung zu sagen, die Totalgegenwart der Erde für die Erdbewohner – die doch aus keinem Orbitalflug bis dahin zu haben gewesen 60

Konersmann, R.: Kultur, in: Blumenberg lesen. Ein Glossar. Hg. v. R. Buch u. D. Weidner. Frankfurt a. M. 2014, S. 146–159, hier S. 158. 61 Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt, S. 787. 62 Ebd., S. 794. 63 Zill, R.: Der absolute Leser. Hans Blumenberg. Eine intellektuelle Biographie. Frankfurt a. M. 2020, S. 696.

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war – habe ein Gefühl für die Kostbarkeit dieses wie lebendig erscheinenden Planeten geweckt. Als wüssten wir erst jetzt, was wir haben, seit wir wissen, wie es auf dem Mond aussieht – und anderswo nicht besser.« 64 James Irwin, Astronaut der Apollo-Mission 15, wies ebenfalls in einem Interview darauf hin, dass gerade die moderne Raumfahrt den Blick auf die Erde verändert hat. Er sagt: »Die Raumfahrt hat uns wieder Achtung vor der Erde gelehrt. Wir begreifen, dass die Erde etwas Besonderes ist. Wir haben sie aus der Ferne gesehen, wir haben sie vom Mond aus gesehen. Wir haben erkannt, dass die Erde die einzige natürliche Heimat des Menschen ist, die wir kennen, und dass wir sie besser schützen sollten.« 65 In dem Sinne hat die Raumfahrt für Blumenberg eine aufklärerische Wirkung und führte, im Sinne Konersmanns, dazu, dass die Kultur einen Schritt zum Bewusstsein ihrer selbst und damit ihres hochambivalenten Charakters macht.

c) Die Vulnerabilität des Menschen und der Welt Blumenbergs Ausführungen zum Umweltschutz enden mit der Feststellung der Einzigartigkeit der Erde; er hat sich leider dazu nicht mehr weiter geäußert. Was er aber getan hat, ist Aufklärung im hohen Maße, was auch für die Theologie, vor allem für die Schöpfungstheologie von großer Relevanz ist. Kosmos, Natur, Schöpfung sind hochambivalent: Zum einen sind sie der Lebensraum der Menschen, der sie hervorgebracht hat, der sie mit dem versorgt, was sie zum Leben brauchen, der viele schöne und bereichernde Erfahrungen bereit hält; auf der anderen Seite können sie aber auch tödlich und schrecklich sein, sei es im Kontext kosmischer oder Natur-Katastrophen (z. B. Meteoriteneinschläge, Unwetter), sei es in Form von Krankheiten, Unfällen und vielem mehr. Die Schöpfung ist kein harmonischer Ort, sondern hat viele Facetten. In Analogie der Erfahrung des Heiligen, die Rudolf Otto als »mysterium tremendum« und »mysterium fascinans« bestimmte, ist die Erfahrung, die der Mensch mit der Schöpfung und 64

Blumenberg, H.: Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt a. M. 1997, S. 439 f. Brueton, D.: Der Mond. Mythos und Magie, Fakten und Phantasie über einen himmlischen Körper. München 1995, S. 345.

65

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als Geschöpf macht, ähnlich. Sie kann Menschen in einem hohen Ausmaß erschrecken und faszinieren. Letztendlich beschreibt Blumenberg die Schöpfung, die Natur, den Kosmos und die Menschen mit vulnerablen Kategorien. Sie sind zugleich verletzlich und verletzend, sie können zerstört werden und sind zerstörerisch. Für die Theologie zeigt sich hier ein Lernbedarf, der noch aussteht. Denn Schöpfungstheologie wird meistens als »Theologia Gloriae« konzipiert, in der alles harmonisch aufeinander abgestimmt und auf den Menschen zugeschnitten ist. Auf der anderen Seite etabliert sich seit ca. 10 Jahren eine theologische Vulnerabilitätsforschung, die in unterschiedlichen Kontexten die Ambiguität von Verletzlichkeit (Vulnerabilität) und Verletzenkönnen (Vulneranz) reflektiert und bearbeitet. Es ist interessant, dass bisher der Ansatz Blumenbergs dabei nicht zur Kenntnis genommen wurde. Im Folgenden soll nun ein kurzer Blick auf Teile der theologischen Vulnerabilitätsforschung geworfen und mit den Thesen des deutschen Philosophen ins Gespräch gebracht werden.

3. Vulnerabilität und Vulneranz im Kontext einer theologischen Anthropologie a)

Einführung

Die Theologin Hildegund Keul eröffnet ihre Studie »Schöpfung durch Verlust« mit der Feststellung, dass Vulnerabilität und Vulneranz nicht nur zur »conditio humana« gehört, sondern die gesamte Wirklichkeit durchzieht. Sie schreibt: »Dieser Diskurs hat einen weiten Begriff von Wunden und Verwundbarkeiten: sie betreffen Menschen und ihre Gemeinschaften, aber auch Systeme wie das Internet; sie betreffen Lebewesen, Organismen, Ökosysteme, aber auch Nicht-Lebendiges wie Gebäude (Wohnhäuser genauso wie Atomkraftanlagen) und andere Gegenstände. Die spezifisch menschliche Verwundbarkeit ist sehr komplex und entsteht aus der humanen Bezogenheit auf die Welt, andere Menschen, das Leben. Als conditio humana ermöglicht sie den Austausch mit Bekanntem und Fremdem, was auch immer dies sein mag.« 66 66

Keul, H.: Schöpfung durch Verlust. Vulnerabilität, Vulneranz und Selbstver-

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Vulnerabilität und Vulneranz sind für Hildegund Keul eng miteinander verzahnt, denn der Umgang mit ihnen durch die jeweiligen Gesellschaften zeigt ihre hohe Ambivalenz. »Denn einerseits zeigen Menschen und ihre Gemeinschaften im Alltag sowie in Katastrophen eine große Bereitschaft, einander in den Verwundbarkeiten des Lebens beizustehen. Andererseits aber schützen sie sich häufig selbst und das, was sie zum Eigenen zählen, indem sie zu Sicherungsmaßnahmen greifen, die Andere der Verwundung aussetzen. So entsteht ein Gewaltpotential, das vielerorts am Werk ist, auch in den Feldern globaler Biopolitik.« 67 Diese Doppelstruktur von Verletzlichkeit und Verletzbarkeit war auch schon in Blumenbergs Ansatz zu finden. Die sogenannte Vulnerabilitätsforschung hat ihre Anfänge in der Medizin und in der Armutsforschung. 68 Von dort aus hat sie sich in verschiedene Disziplinen ausgebreitet, darunter auch die Ökologie, Philosophie und Theologie. 69 Die theologische Auseinandersetzung mit dieser Thematik begann um 2011 70; gegenwärtig sind vor allem die Theologinnen Hildegund Keul und Heike Springhart die Protagonistinnen der theologischen Vulnerabilitätsforschung. Im Folgenden soll der Ansatz von Heike Springhart kurz dargestellt werden, der im Kontext der Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Schöpfung und seiner Geschöpflichkeit Vulnerabilität und Vulneranz in den Fokus stellt.

schwendung nach Georges Batailles. Würzburg 2021, S. 1. Bzgl. der menschlichen Verletzlichkeit stellt sie fest: »Die menschliche Verwundbarkeit stellt eine unerhörte Macht dar im persönlichen und politischen, sozialen und kulturellen, und nicht zuletzt im religiösen Leben. Biologische Körper sind verwundbar, aber ebenso Stadt-, Staats- und Religionskörper.« Ebd., S. 1. 67 Ebd. 68 Keul, H.: Diskursgeschichtliche Einleitung zu theologischen Vulnerabilitätsforschung. In: Keul, Hildegund (Hrsg.), Theologische Vulnerabilitätsforschung. Gesellschaftsrelevant und interdisziplinär. Stuttgart 2021, S. 7 f. 69 Ebd., S. 7 und S. 13 ff. 70 Hoyer, B.: Seelsorge auf dem Land. Räume verletzbarer Theologie (Praktische Theologie heute 119), Stuttgart 2011.

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b)

Verwundbarkeit als Kernkategorie realistischer Anthropologie 71

Heike Springharts Ausgangspunkt ist die Erfahrung, die Menschen mit Sterben, Tod und Leid machen. Diese Erfahrungen will sie mit der theologischen Anthropologie ins Gespräch bringen. Ihre Ausgangsthese lautet: »Die Konfrontation mit Sterben, Tod und Endlichkeit impliziert […] die Erfahrung, dass die sich damit ereignende harte Realität komplexer und vielschichtiger ist als dogmatisches Denken auf den Begriff bringen kann.« 72 Von daher ist es wichtig, diese Erfahrungen kritisch in das Gespräch mit der Theologie einzubringen, die sich oft weit von der Realität der Menschen entfernt und eher idealistisch argumentiert. Springhart möchte deshalb auch auf empirische Weise Theologie betreiben und von daher eine realistische Anthropologie entwickeln. »Realistische Anthropologie impliziert […] eine kritische Lesart der dogmatischen Texte vor dem Hintergrund der empirisch fassbaren Realität.« 73 Dieses Vorgehen soll dazu führen, dass die theologische Deutung der Erfahrungen der Menschen dazu angeregt wird, nicht nur auf bestimmte Traditionen zu rekurrieren, sondern eine Vielfalt heranzuziehen, die der Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Erfahrungen entspricht. Zugleich sollen diese Erfahrungen als generativer Ort von Theologie wahrgenommen werden, die abduktiv Innovationen erschließen können. »So wird die theologische Anthropologie neu in konkreten Resonanzfeldern verortet und ist charakterisiert durch eine Grundhaltung, die Dietrich Bonhoeffer als ›tiefe Diesseitigkeit‹ beschrieben hat.« 74 Der Mensch ist für Springhart in eine Welt gestellt, die, ähnlich wie es Blumenberg sieht, vor allem von Kontingenzen geprägt ist. Kreatürlich ist gerade seine Körperlichkeit dafür verantwortlich, dass er vulnerabel ist. Dazu muss sich der Mensch verhalten. Zugleich hat 71

Vgl. dazu Springhart, H.: Der verwundbare Mensch. Sterben, Tod und Endlichkeit im Horizont einer realistischen Anthropologie (Dogmatik in der Moderne 15). Tübingen 2016. Siehe auch: Springhart, H.: Vulnerabilität als Kernkategorie einer realistischen Anthropologie. Grundsätzliche Erwägungen aus Sicht der evangelischen Theologie, in: Theologische Vulnerabilitätsforschung. Hg. v. H. Keul. Stuttgart 2021, S. 199–217. 72 Springhart: Der verwundbare Mensch. a. a. O., S. 17. 73 Ebd., S. 18. 74 Ebd., S. 18 f.

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die christliche Theologie ihren Kernpunkt in der Inkarnation Gottes in Jesus Christus. Diese Kenosis macht Gott selbst vulnerabel, was ihren Höhepunkt im Kreuzestod Jesu hat. Auf der anderen Seite wird die Auferstehung Christi von Zeugen als leibliches Phänomen erfahren. In der christlichen Theologie hat es immer die Versuchung gegeben, das Leid von Menschen in Hinsicht auf die Auferstehung zu relativieren oder zu marginalisieren. Vor allem die Theologia Gloriae, die Theologie der Herrlichkeit, verweist darauf, dass die Schöpfung eigentlich perfekt ist, und dass am Ende sowieso alles gut wird. Die Kontingenzen, die Menschen als Widerfahrnisse erleben, sind im Endeffekt vernachlässigbar, weil der eschatologische Horizont auf Erlösung hinweist. Für Springhart ist eine Theologia Gloriae, vor allem nach der Shoah, keine Option mehr. Im Hinblick auf Luther und die Thesen der Heidelberger Disputation rekurriert sie für ihren Ansatz dagegen auf die Kreuzestheologie. Luther sagt dazu in der 21. These: »Der Theologe der Herrlichkeit nennt das Schlechte gut und das Gute schlecht. Der Theologe des Kreuzes nennt die Dinge, wie sie wirklich sind.« 75 Diese Form der Kreuzestheologie, die die Dinge benennt, wie sie wirklich sind, wird die Grundlage ihres Ansatzes einer realistischen Anthropologie. Von daher beschreibt sie die Entwicklung ihres theologischen Programms folgendermaßen: »Im Blick auf einen theologischen Zugang zum Sterben, aber auch zu Krankheit und Endlichkeit, geht es vor allem um die Betonung, dass es aus theologischen Gründen nötig ist, die ›Dinge, wie sie wirklich sind‹ beim Namen zu nennen. Dies entlastet von einer vorschnellen Deutung und Sinngebung der Nachtseiten der Schöpfung und öffnet den konstruktiven Raum dafür, dass es elementarer Bestandteil theologischer Anthropologie ist, diese Dimensionen auch in ihren leidhaften und schmerzlichen Seiten anzuerkennen. Dabei geht es weder um eine Spiritualisierung dieser Erfahrungen im Sinne einer Leidensmystik noch um die Reduktion einer Christologie auf das Kreuz, sondern um die Entwicklung einer kreuzestheologisch ausgerichteten Anthropologie, die sich dadurch auszeichnet, dass sie die konkreten Erfahrungen 75

Luther, M.: Heidelbergae Habita / Heidelberger Disputation (1518), in: Martin Luther. Lateinisch-Deutsche Studienausgabe. Bd. 1. Hgg. v. W. Härle, J. Schilling u. G. Wartenberg. Leipzig 2006, S. 53.

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von Sterben, Tod und Endlichkeit in der mitunter leidvollen Mehrdimensionalität sieht und so zu einem anthropologischen Realismus beiträgt.« 76 Mit Dietrich Bonhoeffer ist sich Springhart einig, dass Theologie nicht die Diesseitigkeit zugunsten einer Jenseitigkeit überspringen darf, die als Hoffnungsort das Ende allen Leidens verspricht und dabei das reale Leiden und die realen Kontingenzerfahrungen nicht ernst nimmt. Die Diesseitigkeit mit ihrer Ambivalenz und Ambiguität muss angenommen werden, ansonsten kann es keine realistische Wahrnehmung und Reflexion der Wirklichkeit, der Menschen ausgesetzt sind, geben. Die Reaktion der Menschen auf die Diesseitigkeit und Wirklichkeit darf Theologie aber auch nicht normativ vorgeben. Es darf keinen Zwang zum Glücklichsein und zur Freude geben oder zum Dogma, dass Gott schon alles fügen wird, wie in manchen christlichen Denominationen. Dagegen formuliert Springhart: »Wenn die Differenziertheit und Vielschichtigkeit der Endlichkeit des Menschen ernstgenommen werden, wird auch deutlich, dass es mitunter jenseits der endlichen Möglichkeiten des Menschen liegt, eben diese Endlichkeit zustimmend anzuerkennen und sich mit ihr zu versöhnen.« 77 Zugleich wehrt sich Springhart gegen eine harmatiologische Deutung des menschlichen Leidens, die letztendlich infralapsarisch den Menschen durch seinen Sündenfall für alles Übel und Schlechte verantwortlich macht, weil er durch seine Schuld die gute Schöpfung Gottes zu einer verderbten wurde. »Dieser hamartiologische Zugang insinuiert ein kausal orientiertes Verhältnis von Leiden, Krankheit und Sterben, das zu problematischen Kurzschlüssen führt. Dieser besteht in der Behauptung, dass die Sünde des Menschen die ›Ursache‹ der verschiedenen Konkretionen von Vulnerabilität ist […].« 78 Man kann hier ergänzen: Die Schöpfung selbst ist vulnerabel und vulnerant durch die erste Schuld des Menschen geworden. Springhart sieht Vulnerabilität aber nicht nur als Risiko, das menschliches Leben bedroht, sondern auch als Ressource. Verletzlichkeit verweist für die Theologin auf die Sozialnatur des Menschen, denn nur in Beziehung und Gemeinschaft ist er lebensfähig und kann Erfül76 77 78

Springhart: Der verwundbare Mensch, S. 187. Ebd., S. 199. Springhart: Vulnerabilität als Kernkategorie. a. a. O., S. 203.

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lung finden. Menschliches Leben muss von Beginn an geschützt werden, braucht in den ersten Lebensjahren, aber auch darüber hinaus, vertrauensvolle und wertschätzende Beziehungen. Vulnerabilität ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen eine realistische Vorstellung von sich und der Welt entwickeln, die zugleich kritisch gegen Zumutungen und Zugriffe gewendet werden kann, seien sie aus dem ökonomischen, gesellschaftlichen oder technologischen Bereich. Als »unabdingbare Ressource der Humanität« 79 zielt sie darauf, »Abschied von unmenschlichen Machbarkeitsvorstellungen« 80 zu nehmen, wie sie z. B. im Bereich der Selbstoptimierung, des Sozialkreditsystems oder des Enhancements. Letztendlich gehört Vulnerabilität zur conditio humana, weil sie keine soziale Kategorie ist, sondern ontologisch zum Menschsein gehört: Jeder Mensch als Mensch ist vulnerabel, es gibt keine unverwundbaren Menschen. Aber nicht nur Menschen sind verletzbar, sondern auch Systeme, seien es gesellschaftliche, wirtschaftliche und auch ökologische. »Die systemische Dimension der Vulnerabilität weist theologisch auf die Differenz zwischen vorfindlicher Welt und erlöster Welt hin, mithin auf die Spannung zwischen Schöpfung und Neuschöpfung […].« 81 Hieran zeigt sich auch die Spannung von Vulnerabilität und Vulneranz. Menschen sind in der Lage, Systeme zu destabilisieren und zu zerstören. Gerade die gegenwärtige ökologische Krise, die durch den menschengemachten Klimawandel und dem Raubbau an der Natur verursacht wird, zeigt, wie aggressiv und selbstzerstörerisch die Vulneranz der Menschen sein kann. Dieses Verhalten und die damit einhergehende Uneinsichtigkeit und Gewinnsucht hat für Springhart durchaus harmatiologische Qualität. Im Gegensatz zur ontologischen Vulnerabilität des Menschen zählt Springhart die gegenwärtig erlebte ökologische Verletzlichkeit und deren Folgen zur situativen Vulnerabilität, weil sie veränderbar und unumkehrbar ist, wenn früh genug eingeschritten wird. Dies ist aus verantwortungsethischer Perspektive dringend geboten, weil ansonsten die Folgen katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Flora und Fauna haben können.

79 80 81

Springhart: Der verwundbare Mensch. a. a. O., S. 211. Ebd., S. 210. Ebd., S. 212.

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Schöpfungstheologisch zeigt sich für Springhart, dass die Schöpfung selbst in der Bibel immer schon den Doppelaspekt der Vulnerabilität und Vulneranz besitzt. Sie kann zwar als Lebensraum des Menschen seine Versorgung sichern und seine Bedürfnisse stillen, sie bietet Schönheit und ist auch ein Ort, an dem Erfahrungen von Transzendenz und Geborgenheit möglich sind. Dennoch ist sie keine heile und paradiesische Angelegenheit, sondern ist auch durch Zerstörung definiert. »Wir können also mit Blick auf die Schöpfungslehre festhalten, dass die Gefährdung und Selbstgefährdung der Schöpfung von Anfang an deutlich ist. Die grundsätzliche Fragilität der Schöpfung wird auch daran deutlich, dass Leben immer auf Kosten anderen Lebens lebt […].« 82 Mit dem Prozessphilosophen Alfred North Whitehead ist sie sich aber einig, dass die Schöpfung, wenn sie vulnerabel ist, ähnlich wie die Menschen, sich prozesshaft verändern kann, und zwar »im Sinne von Verbesserungen.« 83 Die Schöpfung hat also das Potenzial, sich immer weiterzuentwickeln und damit einhergehend die Fähigkeit, immer höhere Stufen zu durchlaufen. Wenn nun Gottes sehr gute Schöpfung vulnerabel ist, besteht für Springhart auch die Frage, ob nicht Gott auch selbst vulnerabel ist. In der Inkarnation und der damit verbundenen Kenosis in Jesus Christus hat Gott gezeigt, dass er sich auf die Verletzlichkeit in dieser Welt eingelassen hat. Die Kirche hat nun die Aufgabe, sich wie Gott von dem affizieren zu lassen, was Menschen als Gutes und als Übel und Leid zustößt. Weiterhin hat sie die Aufgabe, wie auch alle Menschen, dazu beizutragen, dass Gottes Schöpfung nicht zerstört wird, sondern dafür Sorge zu tragen, dass sie als Lebensgrundlage erhalten bleibt.

4. Schöpfung, Absolutismus der Wirklichkeit und die Frage nach Gott und dem Menschen – Überlegungen zu einer metaphorischen Theologie Vergleicht man die Ansätze von Blumenberg und Springhart, so fallen einige Parallelen auf. Beide sind davon überzeugt, dass die Schöpfung bzw. die Natur und die Erde gegenüber dem Menschen vulnerant, dass 82 83

Springhart: Vulnerabilität als Kernkategorie. a. a. O., S. 211. Ebd.

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sie aber auch durch den Menschen in hohem Maße vulnerabel ist. Beide plädieren dafür, dass Schöpfung bzw. Natur und die Erde ambivalent sind, weil sie dem Menschen einen Lebensraum bieten, der ihre Existenz sichert, zugleich aber auch für ihn zerstörerisch und tödlich sein kann. Beide sehen den Menschen in der Verantwortung, die Erde bzw. die Schöpfung zu schützen, weil sie ein kosmisches Kleinod ist, auf dem sich Leben und vor allem Bewusstsein entwickeln konnte. Schließlich sehen beide die Notwendigkeit, dass Menschen, wenn sie nicht verzweifeln wollen an den Kontingenzen dieser Welt, sich Sinn erschließen müssen, der Orientierung und auch Trost bietet. Dies darf aber nicht mehr im Rekurs auf eine Theologia Gloriae oder einer Metaphysik geschehen, die die Realität der Menschen überspringt bzw. nicht oder nur marginal wahrnimmt. Beide sehen in der Natürlichkeit bzw. Geschöpflichkeit des Menschen eine Gefährdung, die sehr ernst zu nehmen ist. Beide unterscheidet aber die »Grundstimmung«, die ihren Ansatz durchzieht. Während Blumenberg eher pessimistisch ist, was den Blick auf den »Absolutismus der Wirklichkeit« und Sinnerwartungen anbelangt und für Bescheidenheit plädiert, wendet Springhart ihren Ansatz in Hinblick auf eine Prozesstheologie, die die Chance zur Höher- und Weiterentwicklung beinhaltet. Ebenfalls verweist sie auf die christliche Hoffnung der Auferstehung als eschatologischer Horizont. Insgesamt ist ihr Ansatz optimistischer, auch weil die Kreatürlichkeit des Menschen nicht nur Leid und Kontingenzen verspricht, sondern auch erfüllte Beziehungen, Lust und Freude. Es ist sehr interessant, dass die gegenwärtige theologische Vulnerabilitätsforschung noch nicht in den Dialog mit Hans Blumenberg gegangen ist. Seine Deutung der Wirklichkeit, der Natur und des Kosmos trifft sich in großen Teilen mit dem, was in dem neuen theologischen Ansatz erarbeitet wurde und wird. Auch seine Warnung vor überhöhten Sinnerwartungen wird geteilt, weil sie der Realität, wie sie ist, nicht gerecht werden. Aber auch die Wahrnehmung der Kostbarkeit und Einzigartigkeit der Schöpfung sowie der Appell, sie zu gut zu erhalten, wird in beiden Ansätzen geteilt. Und letztendlich weisen beide Konzepte darauf hin, dass Schöpfung sowohl vulnerabel als auch vulnerant ist. Schöpfung ist zwar – theologisch interpretiert – das Werk Gottes, aber sie ist trotzdem nicht harmlos und paradiesisch. 56 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Auch wenn Springhart auf die ambigue Natur der Schöpfung aufmerksam macht, wie sie in der Bibel aufgezeigt wird, fällt sie aber in die prozesstheologische und damit idealistische Falle, wenn sie eine von Gott initiierte und begleitete Höherentwicklung der Schöpfung annimmt, quasi als von Gott gewollte Gesetzlichkeit. Letztendlich zieht sie damit den Stachel aus ihrem Konzept einer realistischen Anthropologie und nimmt auch nicht mehr den Rekurs auf die Theologia Crucis ernst, wie sie Luther vertritt. Die erlebte Ambiguität und Ambivalenz der Schöpfung lässt sich nicht durch eine Prozesstheologie harmonisieren und letztendlich im Sinne einer prästabilisierten Harmonie auffangen. Ebenso ist Evolution kein gradliniger Prozess einer Höherentwicklung vom Einfachen zum Komplexen. Die erdgeschichtliche Forschung hat gezeigt, dass es immer wieder zu kosmischen oder anderen natürlichen Katastrophen auf der Erde kam, die ganze Entwicklungslinien zerstört und immer wieder zu Neuanfängen geführt haben. Von daher ist Blumenbergs Diktum vom Absolutismus der Wirklichkeit, der erst einmal ohne Sinn erscheint, ernst zu nehmen, weil er auf die damit verbundenen aporetischen Erfahrungen der Menschen Rücksicht nimmt und sie nicht sofort mit metaphysischen und/ oder theologischen Annahmen deutet. Wenn theologisch von Schöpfung gesprochen wird, muss deren ambigue Natur aufgezeigt werden. Das heißt, auf der einen Seite muss sehr deutlich werden, dass sie erhaltenswert ist und wir Menschen, jedenfalls biblisch, den Auftrag haben, sie zu hegen und zu pflegen. Seit Beginn der »Industriellen Revolution« ist dieser Auftrag – mit sehr wenigen Ausnahmen – nicht ernst- und wahrgenommen worden, teils aus Unwissenheit, teils aus ökonomischen Interessen. Aber spätestens seit dem Bericht des Club of Rome von 1972 mit dem Titel »Die Grenzen des Wachstums« 84 und den damit beginnenden Forschungen zur Ökologie unseres Planeten muss klar sein, dass es selbstzerstörerisch und in hohem Maße unethisch wäre, wenn weiterhin in dem Maße Raubbau an den Ressourcen der Erde getrieben wird. Unethisch ist es vor allem dahingehend, dass eine reiche Minderheit systematisch die klimatischen Bedingungen in Ländern zerstört, die den europäischen oder nordamerikanischen Standard nicht haben. Die mit der 84

Meadows, D.: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. München 1972.

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Zerstörung ausgelösten Klimakatastrophen und die damit verbundenen Hungersnöte, kriegerischen Verteilungskämpfe und extremistischen Radikalisierungen werden zu immensen Fluchtbewegungen führen, deren gewaltiges Ausmaß man heute nur ahnen kann. 85 Ebenfalls wird der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten zerstört, die nicht nur für das Überleben der Menschen wichtig sind, sondern ihren Eigenwert und ihre Würde haben, abgesehen von dem Leid, das ihnen angetan wird. Auf der anderen Seite darf aber nicht vergessen werden, dass Schöpfung auch vulnerant ist. Die Liste der Leiden und Katastrophen, die natürlichen und kosmischen Ursprungs sind, ist lang. Die Vulneranz der Schöpfung ist ein Stachel im Fleisch der Theologie, den man auch nicht dadurch ziehen kann, in dem gesagt wird, Gott habe die Schöpfung in Freiheit entlassen und lässt sie jetzt eigenständige und eigenmächtige Wege gehen, die auch Leid verursachen und durchaus gegen Gottes Heilswillen gerichtet sind. 86 Das Freiheitstheorem, das der Schöpfung zugeschrieben wird, soll zwei Dinge bewirken: Es entlastet erstens Gott von allem Leid, weil die Schöpfung zwar göttlichen Ursprungs ist, sie aber sich selbst durch Eigenmacht von diesem Ursprung entfernt. Damit wird ihr zweitens eine personale Qualität attestiert, denn nur bewusste Personen können freiheitlich und eigenständig handeln. Diese Argumentationslinie führt aber zu grundsätzlichen Fragen: Wie lässt sich die Eigenständigkeit der Schöpfung und die ihr zugeschriebene Personalität, die sich durch freiheitliches Handeln auszeichnet, mit dem naturwissenschaftlichen Befund in Einklang bringen, der die Steuerung des Kosmos und der Evolution durch Gesetzmäßigkeiten beschreibt, die nur wenig an Abweichungen zulassen? Wie wirkt bzw. handelt Gott in der Schöpfung und in der Geschichte, wenn er sich aus der Schöpfung zurückgezogen hat? Wie ist dann Offenbarung möglich? Und widerspricht diese Deutung nicht konkurrierenden Ansätzen, wie denen der Prozesstheologie, die eine enge Verzahnung und Wechselwirkung zwischen Gott und Schöpfung sehen? 85

Laut dem UNHCR, der UN-Flüchtlingshilfe sind gegenwärtig ca. 82,4 Millionen weltweit auf der Flucht, wobei die Zahl täglich steigt. Vgl. https://www. uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen [abgerufen am 26. 11. 2021]. 86 Siehe Ansorge, D.; Kehl, M.: Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung. Freiburg 2018, S. 351–355.

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Der katholische Theologe Magnus Striet greift im Angesicht der Coronapandemie genau diese Fragen auf und macht darauf aufmerksam, dass Theologie mit den Naturwissenschaften in den Dialog kommen muss, um zu klären, wie Gott und seine Schöpfung zusammengedacht werden können. 87 Denn es zeigt sich, dass in der Natur bzw. in der Evolution keine Teleologie und kein Ziel zu finden sind. 88 Stattdessen regiert eine Gesetzmäßigkeit, die oft eine verlässliche Voraussagekraft hat. Wenn Gott, so Striet, andauernd in die Schöpfung eingreifen würde, gäbe es die Verlässlichkeit der Naturgesetze nicht. Von daher kann man theologisch annehmen, dass Gott die Schöpfung ins Werk gesetzt hat, sich aber dann aus ihr zurückzog. »Diese Welt existiert theologisch ausgedeutet dann insofern in Gott, als er sie ihren Gesetzmäßigkeiten erhält.« 89 Von daher, so Striet, müssen wir in dieser Welt leben, »etsi deus non daretur« 90, wie es Bonhoeffer ausgedrückt hat. Auf der anderen Seite ergibt sich aber auch folgende Frage: »Bringe ich aber Gott ins Spiel und gründe meine Existenz auf den Glauben an den Schöpfergott, der die Haare auf dem Haupt eines jeden Menschen gezählt haben will, will ich mich festmachen in einem solchen Gott, einem Gott mit dem ich sterben kann –, dann lässt sich die Frage nicht mehr zurückdrängen, warum die Natur nicht ein wenig mehr Rücksicht auf den Menschen nimmt, als sie dies faktisch tut.« 91 Diese Aporie und diese Ambivalenz, die die Schöpfung und das Verhältnis von Gott und Mensch zu ihr, durchzieht, sind nicht auflösbar, sondern führen immer wieder zu Fragen und neuen Antwortversuchen. Wie sich zeigt, lässt die Vulneranz der Schöpfung die Gottesfrage wie auch die Frage nach theologischer Rede wieder akut werden. So plädiert Hildegund Keul als ein Ergebnis der theologischen Vulnerabilitätsforschung dafür, hinsichtlich der Gottesrede eine metaphorische Theologie zu entwickeln, die in poetischer Weise Gott neu und schöpferisch sowie den Signaturen der Gegenwart angemessen zur Sprache bringt, so dass Menschen mit ihren Erfahrungen daran anknüpfen können bzw. die Erfahrungen der Menschen in ihr einen Widerhall 87

Striet, M.: Theologie im Zeichen der Corona-Pandemie. Ein Essay. Ostfildern 2021. 88 Ebd., S. 106. 89 Ebd., S. 120 f. 90 Bonhoeffer, D.: Widerstand und Ergebung. Gütersloh 2002, S. 192. 91 Ebd., S. 113.

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finden. 92 Dieser Ansatz ist dahingehend interessant, weil es durch die Reaktion auf die Metapherntheorie Blumenbergs es schon in der Theologie Ansätze gab, die leider aber wenig oder kaum rezipiert worden sind. 93 Und im nordamerikanischen Raum hatten sich schon in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts Formen poetischer Theologie entwickelt, die die aktuellen Metapherntheorien reflektierten. 94 Diese Ansätze sind konform mit dem, was die gegenwärtige Vulnerabilitätsforschung als Ergebnisse erarbeitet hat. Ein kurzer Blick auf die Konzepte metaphorologischer Theologie zeigt folgendes Bild: Viele religiöse Überlieferungen, und auch die biblische, sprechen in Metaphern von der göttlichen Wirklichkeit. Ebenfalls bestätigen sie, dass der Mensch, wie Blumenberg es formuliert hat, ein zutiefst metaphorisches Wesen ist. Aus erkenntnistheoretischer Perspektive bieten Metaphern in ihrer heuristischen Funktion die Möglichkeit zur Modellbildung, die zu Innovationen führt, weil sie kognitive Instrumente sind. Auf der Handlungsebene sind Metaphern mit starken Werten und Emotionen verbunden, die ein Richtmaß für das Handeln bieten (Ethik). Weiterhin zeigt sich die kritische Funktion der Metaphern: Sie stellen Selbstverständlichkeiten in Frage und bieten Alternativen an. Von daher ist eine metaphorologische Theologie in hervorragender Weise dazu geeignet, die Ambivalenz bzgl. der Wahrnehmung der Schöpfung bzw. der Natur und des Kosmos aufzugreifen und zugleich die verantwortungsethische Perspektive in den Fokus zu nehmen, ohne den Vulneranzcharakter der Schöpfung auszublenden. Weiterhin kritisiert sie das Ungenügen, und damit ist sie sich mit der gegenwärtigen theologischen Vulnerabilitätsforschung einig, wenn sich 92

Keul, H.: Verwundbar sein. Vulnerabilität und die Kostbarkeit des Lebens. Ostfildern 2021, S. 164–173. 93 Siehe dazu beispielhaft Stoellger, P.: Metapher und Lebenswelt. Hans Blumenbergs Metaphorologie als Lebenswelthermeneutik und ihr religionsphänomenologischer Horizont. Tübingen 2000. Schneider-Stengel, D.: Christentum und Postmoderne. Zu einer Neubewertung von Theologie und Metaphysik (Religion-Geschichte-Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien Bd. 19). Münster 2002. Hartl, J.: Metaphorische Theologie. Grammatik, Pragmatik und Wahrheitsgehalt religiöser Sprache (Studien zu systematischen Theologie und Ethik Bd. 51). Münster 2008. Gilich, B.: Die Verkörperung der Theologie. Gottesrede als Metaphorologie (ReligionKulturen Bd. 8). Stuttgart 2011. 94 Siehe dazu beispielhaft Dunne, J. S.: Lebenszeit und Mythos. Nachdenken über Leben und Tod. München 1989.

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Theologie mit philosophischen oder anderen Vorgaben verbindet, die letztendlich nicht die Erfahrungsebene der Menschen treffen und damit obsolet werden sowie in wissenschaftstheoretischer Perspektive überholte Standards aufweisen. Dabei kann die Religionsphilosophie eine kritische Partnerin sein, denn sie nimmt die religiösen Modelle, und damit auch schöpfungstheologische, die – ähnlich wie Blumenbergs absolute Metaphern – das Selbst- und Weltverständnis prägen, kritisch in den Blick. Der Paradigmenwechsel hin zu einer Theologie im Kontext religiöser Metaphorologie führt dann zu folgenden positiven Konsequenzen: Das Verständnis von Wahrheit wird in der Hinsicht erweitert, dass der in den Metaphern festgehaltene emotionale Gehalt sowie die in ihnen reflektierte Erfahrungsebene und ethische Dimension in den theologischen Diskurs einbezogen und mit den Erfahrungen der Menschen zusammengebracht werden, zumal die Bedeutungsebene der Metapher Teil der Tiefenstruktur unserer Erfahrung und Psyche ist (Blumenberg: Der Mensch als metaphorisches Wesen). Ebenfalls ist eine metaphorologische Theologie in der Weise »Kritische Theorie«, dass sie sich von den starken metaphysischen und ontologischen Vorannahmen verabschiedet, die im Endeffekt (auch) zur Marginalisierung von Theologie in der gegenwärtigen Gesellschaft beigetragen haben. Von daher hat Blumenberg Recht, wenn er darauf hinweist, dass die genannten Vorannahmen heute keine Relevanz mehr haben, weil sie nicht mit den Ergebnissen der modernen Wissenschaften korrespondieren. Metaphorologische Theologie wird aber nicht auf Begriffe verzichten, sondern ein neues Verständnis von Begrifflichkeit entwickeln, und zwar nicht im Sinne der conformitas und der adäquatio, sondern im Sinne der Herausforderung und des Weiterfragens. Metapher und Begriff ständen dann in einem fruchtbaren Verhältnis zueinander, wobei der sich ändernde Zugriff auf bestimmte Metaphern auch zu einer Änderung der Begrifflichkeit führen würde. Das alttestamentliche Bilderverbot sowie der Rekurs auf Traditionen der negativen Theologie 95 wären dann die kritischen Instanzen, die einer religiösen 95

Vgl. zu neueren Ansätzen Theunissen, M.: Negative Theologie der Zeit. Frankfurt a. M. 1991. Oelmüller, W.: Negative Theologie heute. Die Lage des Menschen vor Gott. München 1999. Westerkam, D.: Via Negativa. Sprache und Methode der negativen Theologie. München 2006. Benk, A.: Gott ist nicht

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Methaphorologie verbieten, ein Bild festschreiben zu wollen, sei es von Gott oder vom Menschen. In anthropologischer Hinsicht, und damit auch im Rahmen der Kreatürlichkeit des Menschen, soll noch einmal ein Blick auf die Leistungsfähigkeit einer Theologie im Kontext religiöser Metaphorologie geworfen werden hinsichtlich der Situation des Menschen. Blumenberg hat ja dezidiert auf die Funktion der Metapher für die Distanzierungsleistung gegenüber einer Wirklichkeit aufmerksam gemacht, die dem Menschen als absolut gegenübertritt. Während der Philosoph sich auf die Funktion und Leistungsfähigkeit der Metapher hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Distanzierungsfähigkeit und damit als Entängstigungsstrategie beschränkt und die Wahrheitsfrage als unbeantwortbar bzw. als obsolet ausschließt, zeigt sich in den Ansätzen der metaphorologischen Theologie ein anderes Bild. Hier wird der religiösen bzw. im Sinne der biblischen Tradition ein »Mehrwert« 96 zugebilligt, der sich in ihrem Sinnüberschuss zeigt. Dieser wird garantiert durch die göttliche Wirklichkeit, die in den Metaphern durchscheint. Im Gegensatz zu Blumenberg geht es dann vor allem um ein Verhältnis zur Wirklichkeit, das zwar realistisch, aber nicht pessimistisch ist. Damit einhergehend hat die durch die biblische Metaphorik vermittelte Sicht der Wirklichkeit starke ethische Konsequenzen für das Handeln. 97 Die individuelle, gesellschaftliche und kreatürliche Wirklichkeit soll von selbstgemachten Zwängen, Einengungen, Missständen und begrifflichen Unterkomplexitäten befreit werden. Gleichzeitig enthält die biblische Metaphorik das Versprechen auf Heilung und Erlösung, ohne dabei die menschliche Realität im Sinne Springharts aus den Augen zu verlieren. Leider kam es in der christlichen theologischen Tradition oft zu vorschnellen und glättenden Antworten hinsichtlich der Grundfragen des Menschseins und damit verbunden auch hinsichtlich der Schöpfungstheologie. Vor allem die Neuscholastik berief sich auf angenomgut und gerecht. Zum Gottesbild der Gegenwart. Düsseldorf 2012. Baum, W.: Negativität als Denkform. Die Konstitution monotheistische Religion erklärt durch die Prolegomena zur Negativen Theologie. Paderborn 2014. 96 Lange, G.: Symbol, Metapher – und das Aufleuchten der Botschaft für alle, in: Erwachsenenbildung. 33 (1987) 1, S. 28–35. 97 Jürg Haeflinger macht zurecht aufmerksam auf die fehlende ethische Perspektive bei Blumenberg. Siehe: Haeflinger: Imaginationssysteme a. a. O.

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mene (metaphysische und ontologische) »Gewissheiten«, die aber auf einer starken Reduzierung der Wirklichkeit und auf Wünschbarkeiten beruhten. Ihre Antworten konnten dann auch nicht das einlösen, was sie versprachen. Dagegen hat eine metaphorologische Theologie keine starke, stringente und logische Beweiskraft, sondern »nur« eine plausible, aber mit dem Vorteil, ohne einen reduzierten Rückgriff auf die Wirklichkeit auszukommen. Ihre Antworten sind Antwortversuche; sie geht auf das ein, was ist und nicht auf das, was sein soll. Für ihre Antwortversuche steht sie im Dialog mit der sie umgebenden Kultur, den anderen Wissenschaften und vor allem mit Ansätzen in der Religionsphilosophie als kritische Partnerinnen. Gerade ihr dialogischer Charakter bewahrt sie vor metaphysischen Konzepten, die monokausale Antworten und Wünschbarkeiten in den Diskurs tragen. Von daher wird eine metaphorologische Theologie keine letztgültigen Antworten geben, sondern Perspektiven und Horizonte eröffnen, Prozesse anregen und initiieren, die leibliche Dimension des Menschen in die Überlegungen miteinschließen, einen ganzheitlichen Zugang zur Wirklichkeit haben, die Pluralität der Erkenntnis- und Lebenswelten achten, kritisch gegenüber sich selbst und anderen Diskursen sein, vor allem, wenn ihnen inhumane Mythen inhärent sind. Eine metaphorologische Theologie nimmt die Grenzerfahrungen des Menschseins, im Sinne der von Springhart aufgezeigten Theologia Crucis und Blumenbergs »Absolutismus der Wirklichkeit«, die vor allem in der Spät-/Postmoderne große Problemüberhänge geschaffen haben, unter anderem auch in der christlichen Theologie, sehr ernst. Gegen einen reduktiven Zugriff, aber auch gegen eine überhöhte Synthesemächtigkeit, wie sie sich z. B. in Fundamentalismen oder esoterischen Diskursen zeigt, wird eine Theologie im Kontext der religiösen Metaphorologie den erschreckenden »Absolutismus der Wirklichkeit« (Blumenberg), eine realistische Anthropologie (Springhart), die Erfahrung der Aporie (Schlette 98) und die in den Grenz- und Welterfahrungen enthaltene Erfahrung des »Nichts« 99 (Sloterdijk) festhalten und 98

Vgl. Schlette, H. R.: Mit der Aporie leben. Zur Grundlegung einer Philosophie der Religion. Frankfurt a. M. 1997. 99 Peter Sloterdijk weist darauf hin, dass die Erfahrung des »Nichts« die Urerfahrung des Menschen ist. »[D]ie Welt, zu der der Menschenankömmling kommt, ist ihrer Gegebenheit nach nichts anderes als ein Versprechen, das die älteren Welteinwohner den Neuankömmlingen machen, ein Versprechen, das der Labi-

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nicht mehr die optimistische Perspektive der (traditionellen) Theodizee. Sie wird aber auch nicht auf theologische Ersatzmythen 100 zurückgreifen können, wie es etwa Hans Jonas in seinem Bild vom werdenden Gott 101 getan hat. Gerade unter den Bedingungen der Spät-/ Postmoderne hat sich die Problematik der Aporie noch verschärft, denn es geht »ohnehin nicht mehr um das Problem der Theodizee, sondern um das Problem einer Dizee überhaupt, also um die Möglichkeit, auf irgendeine Weise zu klären, ob dem, was überhaupt ist, ir-

lität irdischer Verhältnisse wegen dazu prädestiniert ist, gebrochen zu werden. Hiermit gewinnt die Frage nach dem Nichts eine neue Form. Das Nichts kann jetzt entweder bedeuten, dass dem zur Welt Kommenden nichts versprochen wird, so dass dieser sich von seinem Dasein auch nicht viel versprechen kann, folglich die Neigung entwickelt, dorthin zurückzukehren, woher er kam, in den Schoß, in den Tod, ins monistische All-Nichts […]. Oder es deutet darauf, dass es mit den großen Versprechen, die gemacht wurden, nichts ist und dass sich von den Erwartungen an die Welt, die die Mütter wecken, in der Welt als NichtMutter nichts erfüllt […]. Das Nichts wäre folglich ein einigermaßen präziser Titel für die notorische Inkongruenz zwischen den Weltankömmlingen und den Auskunftsverhältnissen. Diese Inkongruenz wird in dem Maß spürbar, wie die Welt ihren Zureisenden nichts verspricht oder von ihren gemachten Versprechungen nichts hält. Das Unheimliche am menschlichen Zurweltkommen hat seinen Grund demnach in der Unzuverlässigkeit menschlicher Versprechungen. Entspringt diese aus individuellem Leichtsinn, aus Unverantwortlichkeit, aus den Launen der unberechenbaren Zweibeiner? Nein – sie rührt daher, dass die als Versprechen gegebene Welt in sich selbst etwas Unhaltbares oder doch nur mit Glück und Mühe zu Haltendes hat. Im Unheimlichen spricht uns die unaufhaltsame Tendenz der Versprechungen zur Unhaltbarkeit an. Darum hat unser Zurweltkommen von vornherein ein Zug ins Nichts. Zwar ist jede Geburt ein Versprechen von sich her auch ein Versprechen an die Welt, aber weil die Welt als versprochene von Unhaltbarkeit gefärbt ist, ist in jeder noch so viel versprechenden Geburt auch ein Sturz ins Unhaltbare. Man muss sogar sagen, dass jeder Geburt ein Hauch von Fehlgeburt anhaftet. Menschen kommen nicht als solide Subjekte in robuste Welten, sondern für sie geht die Welt dadurch auf, dass sie wenig danebengeboren und ins Ungegebene, Unheimliche ausgesetzt werden. Sloterdijk, P.: Eurotaoismus. Zur Kritik der politischen Kinetik. Frankfurt a. M. 1989. S. 177 f. 100 Siehe dazu Geyer, C.-F.: Metaphysik. Odds and Ends. Nordhausen 2016, S. 356. 101 Jonas, H.: Der Gottesbegriff nach Auschwitz. Eine jüdische Stimme. In: Ders.: Philosophische Untersuchungen und metaphysische Vermutungen. Frankfurt a. M. 1994, S. 190–208.

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gendeine ›letzte‹ Affirmation bzw. irgendein […] ›Sinn‹ zukommt.« 102 Von daher kann eine metaphorologische Theologie im Sinne Horkheimers »die Hoffnung« sein, »dass es bei diesem Unrecht, durch das Welt gekennzeichnet ist, nicht bleibe, dass das Unrecht nicht das letzte Wort sein möge.« 103 Sie kann dann »Seile des Versprechens, auf die sich Menschen wie Seiltänzer hinauswagen« 104, über die Welt ausspannen. Von hier aus hält sie – gegen eine Vertröstung auf das Jenseits – die Sehnsucht nach einer besseren Welt und Schöpfung und einem hilfreichen Miteinander der Menschen, Religionen und Kulturen wach. Gegen »innerweltliche Heilslehren […] wird der Gekreuzigte […] als Symbol einer Wahrheit begriffen, die ideologieresistent ist, weil sie keine wie immer geartete Macht auf diese Wahrheit berufen kann.« 105 Das Ziel wäre dann die Erarbeitung von Möglichkeiten, mit den Grenzerfahrungen bzw. mit den Erfahrungen des Nichts, der Aporie und dem Absolutismus der Wirklichkeit leben zu können, die Trost und Sinn geben können, ohne zu vertrösten. 106

5. Dialogische Anknüpfungspunkte Zum Schluss sollen einige dialogische Anknüpfungspunkte aufgezeigt werden, denn die Themen »Umwelt«, »Ökologie« und »Schöpfung« sind Themen, die gegenwärtig, so der Eindruck, alle Religionen tangiert. Hier soll der Fokus auf den christlich-islamischen Dialog gerichtet werden, wobei dies nur in relativer und angemessener Kürze geschehen kann. 107 Dabei zeigen sich folgende Befunde: 102

Schlette: Mit der Aporie leben. a. a. O., S. 54. Horkheimer, M.: Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 7 (Vorträge und Aufzeichnungen) 1949–1973, Frankfurt a. M. 1985, S. 385–404, hier S. 389. 104 Sloterdijk: Eurotaoismus. a. a. O., S. 178. 105 Geyer, C.-F.: Die Theodizee. Diskurs, Dokumentation, Transformation. Stuttgart 1992, S. 294. 106 Für Blumenberg können der Humor, die Erinnerung und die Nachdenklichkeit Trost spenden. Blumenberg selbst war ein großer Musikliebhaber; gerade in den Werken von Bach fand er persönlich Trost und Sinn. Siehe dazu: Dober, B.: Ethik des Trostes. Hans Blumenberg Kritik des Unbegrifflichen. Weilerswist 2019, S. 229–295. 107 Auf Grund des hohen Problemdrucks gibt es schon Partnerschaften und auch 103

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Von christlicher und vor allem katholischer Seite zeigt sich, dass durch die Enzyklika »Laudato Si« 108 von Papst Franziskus auf die Themen »Ökologie« und »Umweltschutz« nicht nur in der Praxis, sondern auch von Seiten der Theologie verstärkt in den Blick genommen wurden. Papst Franziskus unterstützt in seiner nachfolgenden Enzyklika »Fratelli tutti« 109 dieses Anliegen und verweist darauf, dass die gravierenden Probleme der Menschheit, darunter auch der Klimawandel und der Umweltschutz, nur durch eine Partnerschaft der Religionen gelöst werden kann. Dafür beruft er sich ausführlich auf das »Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt« 110, das er zusammen mit Großimam Ahmad Al-Tayyeb im Februar 2019 veröffentlicht hat. Seitdem nimmt die Zahl der christlich-theologischen Veröffentlichungen zu. 111 In der islamischen Theologie in Deutschland etabliert sich gegenwärtig ein eigenständiger Forschungszweig zur Umwelttheologie, zu Fragen der Ökologie, des Umweltschutzes und zu ethischen Fragen in Hinsicht auf die Bewahrung der Schöpfung. 112 Eine führende Protagonistin ist die islamische Theologin Asmaa El Maaroufi 113, die sich sehr wissenschaftliche Projekte, die sich der genannten Themen annehmen. Ebenso ist zu erwarten, dass sich in Kürze deren Zahl stetig steigen wird. Siehe z. B. https:// abrahamisches-forum.de/projekte/religionen-fuer-biologische-vielfalt/ [abgerufen am 27. 11. 2021]. 108 Papst Franziskus: Laudato si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 202). Bonn 20184. 109 Papst Franziskus: Fratelli tutti. Über die Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 227). Bonn 2020. 110 Papst Franziskus und Großimam Ahmad Al-Tayyeb: Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt (Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate, 4. Februar 2019): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 49 (2019), Nr. 7 (15. Februar 2019), S. 8. 111 Siehe beispielhaft: Mit Sorge – in Hoffnung. Zu Impulsen aus der Enzyklika Laudato si’ für eine Spiritualität im ökologischen Zeitalter. Hg. v. T. Dienberg u. S. Winter. Regensburg 2020. Vogt, M.: Christliche Umweltethik. Grundlagen und zentrale Herausforderungen. Freiburg 2021. Bartosch, U.; Meier, C.; Petermann, M.; Schieder, M.; Weyers, T. (Hrsg.): »Laudato si« im Diskurs. Stimmen zur päpstlichen Enzyklika. Münster 2021. 112 Siehe beispielhaft: Islamische Umwelttheologie. Ethik, Norm und Praxis. Hgg. v. S. Binay u. M. Khorchide. Freiburg i. Br. 2019. 113 El Maaroufi, A.: Umweltverschmutzung als religiöses Dilemma. Von der Natur als Emblem Gottes. In: Islamische Umwelttheologie. Ehik, Norm und Praxis.

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dezidiert mit diesen Fragen auseinandersetzt. Eine ihrer Hauptthesen, die sehr anschlussfähig an christlich-theologische Konzepte ist, lautet: »Insbesondere in Hinblick auf viele naturethische Fragen, die die Grundfragen der islamischen Ethik im Zeichen der Moderne tangieren, gilt es, den objektivistischen Blick auf die Natur zu hinterfragen. Auch gilt es, einen dialektischen Blick auf den Menschen, der sich fernab von der Reduzierung seines Seins auf ḫalīfa bzw. seiner Vormachtstellung auf Erden bewegen sollte, zu werfen. Denn solch ein Zugang zu ethischen Fragen wäre reduktionistisch, setzt er doch lediglich den Menschen in den Mittelpunkt, derweil die weitere Gott-preisende Schöpfung außeracht gelassen wird.« 114 In verantwortungsethischer Perspektive kann der Ansatz von Asmaa El Maaroufi sehr gut mit christlichen Entwürfen in den Dialog gebracht werden, um sich zum einen gegenseitig zu bereichern sowie voneinander zu lernen und zum anderen gemeinsam an einer der wichtigsten Fragen der Gegenwart, nämlich dem Umgang mit der Natur, zu arbeiten. Christ:innen und Muslim:innen sind wichtige zivilgesellschaftliche Akteure, die mit ihren Forschungsergebnissen und den daraus abgeleiteten Handlungsoptionen die Gesellschaft positiv prägen können. Hinsichtlich der Frage, wie Gott und Schöpfung zusammengedacht werden können trotz der Aporien und Ambivalenzen, hat Milad Karimi ein Werk 115 vorgelegt, das vielfältige Anknüpfungspunkte für den christlich-islamischen Dialog bietet. Der islamische Theologe und Professor für Kalām, Islamische Philosophie und Mystik der Universität Münster, will in seinem neuen Buch »Licht über Licht« das Verhältnis von Religion und Philosophie im islamischen Kontext für die Gegenwart bestimmen. Dabei geht er von der These aus, dass der Islam als Religion fundamental auf die Philosophie bezogen ist 116. Milad Karimi bestimmt im einleitenden und propädeutischen Teil seiner Studie den Islam als Religion des Verstandes, wobei sich die »Philosophie […] Hgg. v. S. Binay u. M. Khorchide. Freiburg i. Br. 2019, S. 68–85; Jenseits der Grenzen. Jahrbuch Theologische Zoologie. 3 (2020). Hgg. v. A. El Maaroufi, S. A. Strube u. D. Williger; El Maaroufi, A.: Ethik des Mitseins. Grundlagen einer islamisch-theologischen Tierethik. Freiburg/München 2021. 114 El Maaroufi: Umweltverschmutzung als religiöses Dilemma. a. a. O., S. 85. 115 Karimi, A. M.: Licht über Licht. Dekonstruktion des religiösen Denkens im Islam. Freiburg/München 2021. 116 Ebd., S. 45.

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als innere Notwendigkeit der Religion des Islams (zeigt).« 117 Dabei hat die Philosophie die Aufgabe, durch den Rekurs auf die Religion ihre ureigenste Aufgabe zu verwirklichen, nämlich ein »Leben in der Erkenntnis« 118 zu führen, durchaus im Sinne einer Lebenskunst. Umgekehrt rekurriert die Religion (Islam) auf die Philosophie, um sich als »Verstandesreligion« 119 zu etablieren. Die islamische Religionsphilosophie verbindet beide Ansätze miteinander; dabei – so das Programm – »soll […] nicht die Religion in der Philosophie oder die Philosophie in der Religion aufgehoben werden, sondern auf deren ineinander gehende, komplementäre und bleibende Bezogenheit aufeinander verwiesen werden.« 120 Von daher muss sich der Islam immer mit den philosophischen Traditionen der jeweiligen Zeit und Kultur auseinander setzen, in der er sich befindet. Der Islam im europäischen Kontext hat deshalb auch die Aufgabe, philosophische Ansätze aus diesem Umfeld aufzugreifen und zu reflektieren. Milad Karimi lehnt es dezidiert ab, sie als unislamisch zu qualifizieren, wie es vor allem im salafistischen Diskurs geschieht. 121 Denn die Geschichte der islamischen Philosophie und Theologie zeigt, dass deren Gesprächspartner vor allem die antiken griechischen Philosophen waren. Milad Karimi erarbeitet im zweiten großen Teil seines Buches in einem historischen Überblick Figurationen und Modelle des religiösen Denkens im Islam. Die Übersicht beginnt mit Muhammad al-Ghazali (1055/1056–1111) und endet mit Muhammad Iqbal (1877–1938) endet. Dabei zeigt sich, dass es zwar in der islamischen Geistesgeschichte verschiedene Ansätze gab, das Verhältnis von Religion und Philosophie zu denken; sie verbindet aber alle die Überzeugung, nicht absolute Wahrheiten zu transportieren, sondern sich als »Übergang« 122 zu verstehen, der jederzeit destruiert und dekonstruiert werden kann. Diesen Gedankengang führt Milad Karimi im dritten und letzten Teil weiter und erarbeitet im Rekurs vor allem auf Derrida, Kant, Schelling, Hegel, Heidegger und Scheler ein Verständnis von Religi-

117 118 119 120 121 122

Ebd., S. 143. Ebd., S. 46. Ebd. Ebd., S. 148. Ebd., S. 423. Ebd., S. 21.

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Rettung vor dem Absolutismus der Wirklichkeit?

onsphilosophie im Islam für die Gegenwart. Gegen eine Festlegung von starren Dogmen und Traditionen sowie einen funktionalistischen Missbrauch durch salafistische Diskurse betont er, dass im Islam als dekonstruktivistischer Religion Widersprüche, Polaritäten und NichtFestlegbares zusammen gedacht werden können. Ambiguitäten, kontinuierliche Übergänge und Entgegensetzungen bilden quasi die Natur dieser Religion. Milad Karimi hat in seinem Werk »Licht über Licht« eine sehr elaborierte islamische Religionsphilosophie für die Gegenwart erarbeitet. Der Autor zeigt Denkhorizonte auf, die sich den etablierten Schemata bzgl. der Bewertung und Beurteilung des Islams entziehen. Weiterhin wurde mit dem Buch ein innovativer Entwurf vorgelegt, der eine islamische Religionsphilosophie im europäischen Kontext verortet. Für den zukünftigen christlich-islamischen Dialog in Deutschland hat das Werk hohe Maßstäbe gesetzt. Milad Karimis Thesen zur Gottes-, Schöpfungs- und Offenbarungsfrage sind für christliche Theolog: innen durchaus provokativ und bedürfen einer christlichen Antwort. Gerade in Bezug auf die Frage des Verhältnisses zwischen Gott und seiner Schöpfung 123 formuliert der islamische Theologe Thesen, die die benannten Aporien und Ambivalenzen nicht auflösen 124, sondern produktiv bearbeiten. Dabei zeigen sich durchaus Parallelen zum Ansatz von Hans Blumenberg und seinen Thesen zu einer Theorie der Unbegrifflichkeit sowie zu den absoluten Metaphern und den SprengMetaphern. Aus der Beschäftigung mit dem Ansatz von Milad Karimi kann sich ein fruchtbarer christlich-islamischer Lernprozess ergeben, vor allem hinsichtlich der Frage einer metaphorologischen Theologie.

123

Ebd., S. 653–757. Milad Karimi löst die Spannungen und Ambivalenzen, die sich im Verhältnis zu Gott und seiner Schöpfung ergeben nicht auf, sondern lässt sie bestehen. So formuliert er: »Die Welt ist also zwischen Nichts und Nichts, im ›Atem des Barmherzigen‹, ohne zu sein oder nicht zu sein.« Karimi: Licht über Licht, S. 757.

124

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6. Schluss Die Frage nach der Schöpfung, der Umgang mit ihr und nach dem Verhältnis von Gott, Mensch und Schöpfung kann in Zukunft ein fruchtbares Feld des christlich-islamischen Dialogs sein. Aus christlicher Perspektive stellt sich, herausgefordert durch die Philosophie Hans Blumenbergs und durch die gegenwärtig entstehende theologische Vulnerabilitätsforschung, die Frage neu, wie in einer Welt und in einer Schöpfung, die sehr wenig Rücksicht nimmt auf die in ihr existierenden Lebewesen, Gott gedacht werden kann und wie der Mensch sich zu diesem »Absolutismus der Wirklichkeit« verhält. Hilde Dohmin hat in ihrem Gedicht »Bitte« auf poetische Weise die Frage beantwortet, wie ein Mensch, der an Gott glaubt, aber in einer Welt lebt, die ohne Gott (etsi deus non daretur) auskommen muss, die Widerfahrnisse und Schrecken produktiv verarbeiten kann. Und diese Bitte kann, muss aber nicht erfüllt werden. Von daher sind wir Menschen auch weiterhin hoffnungs-, trost- und sinnsuchende Wesen.

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Nawal H. Ammar (Glassboro, New Jersey)

A Dialogue between Islam and Ecofeminism

Abstract This article explores the compatibility between Islam and Ecofeminism. It is organized into five parts. The first part provides a bird’s eye-view of ecofeminism, its historical development, and its varied perspectives. The second part summarizes Islam’s nature affirming principles and women’s equity. The third part examines existing writings on the topic of Islam and ecofeminism. The fourth part discusses four themes where Islam agrees with ecofeminism regarding the nexus of nature-women and vulnerable groups and the oppression of nature. The final part is a summary and conclusion that describes the Muslim countries need to include perspectives such as ecofeminism in their struggle to preserve environmental integrity.

Nothing about Islamic thought or ecofeminism is definitive. Islamic thought has a rich tradition of writings and debates as well as arguments and counterarguments. Islam, as a religion, generally recommends an individualistic relationship with the Creator. With its almost 1.8 billion adherents, it is difficult to imagine that they all have the same understanding of all matters pertaining to life now and the hereafter. Scholars agree that the sources of Islam are the Qur’an or the Holy Book, Sunna or the Prophet’s traditions, Ahadith or the oral sayings attributed to the Prophet Muhammad and the Sharia (paths of human made daily actions, which include Fiqh [Jurisprudence] or Madhahib [Schools of Law]). The discussion about ecofeminism within the Islamic tradition here is based on understanding the revelation and the other sources of Islam as dynamic, relating to contemporary problems, and based on an intense relationship with the Holy Book. In this discussion, there are no claims about speaking on behalf of all Muslims, rather, the claim is based on an intellectual striving for 71 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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deeper knowledge of Islam. It is worth noting, however, that the ideas presented here will have both supporters and opponents.

1. Ecofeminism Ecofeminism is a feminist perspective informed by ecological perspectives. 1 Ecofeminism is anything but monolithic. 2 Generally speaking, it is an area of critical academic study and practice that explores the historical, social, economic, political and religious connections that impact the domination of women and the domination of nature. Ecofeminism exposes the repression of women and the environment as well as other dominated beings as interlinked and rooted in ideologies brought about by the historic era of western enlightenment where hierarchies of rational/irrational, better/worse, dominant/weak, higher/ lower were established. For ecofeminism, environmental degradation impacts all humanity and not only women. However, environmental destruction is a feminist concern because women and children are the first to suffer its consequence. 3 The system that fuels the degradation of the environment and impacts vulnerable people is one due to social, economic and political ideologies and structures (e. g. capitalism, division of labor, and family structures) that view humans as higher than nature, and that men have superior traits relative to women and other beings. 4 Ecofeminists view oppression based on gender, race and class is directly related to the exploitation and destruction of the environment. Woehrle asserts that these patterns of supremacy and subordination around gender and nat1

Eaton, H.: Ecofeminist Theologies in the Age of Climate Crisis, in: Feminist Theology. 29 (2021) 3, pp. 209–219. 2 Gaard, G.: Ecofeminism Revisited. Rejecting Essentialism and Re-Placing Species in a Material Feminist Environmentalism, in: Feminist Formations. 23 (2011) 2, pp. 26–53; Heather: Ecofeminist Theologies. 3 Oksala, J.: Feminism, Capitalism, and Ecology, in: Hypatia: A Journal of Feminist Philosophy. 33 (2018) 2, pp. 216–234. 4 Phillips, M.: Developing Ecofeminist Corporeality. Writing the Body as Activist Poetics, in: Contemporary Perspectives on Ecofeminism. Ed. by M. Phillips and N. Rumens. London 2015, pp. 57–75.

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A Dialogue between Islam and Ecofeminism

ure are also »linked to other systems of privilege and oppression such as racism or classism«. 5 When exactly ecofeminism came into being is not an issue that occupies its proponents. Mies and Shiva explain ecofeminism as »a new term for an ancient wisdom«. 6 Nevertheless, many agree that the French feminist Francoise d’Eaubonne in Le Feminisme ou la Mort (1974) coined the term »ecofeminism«. 7 Ecofeminism writings and impact continued to grow during the 1980s and 1990s. 8 The literature on ecofeminism presents it as having two positions on the relationship between nature and women. The closer/natural links between nature and women is attributed to the cultural ecofeminist perspective. According to early ecofeminist authors, 9 women are seen as having an essential and distinctive, spiritual, biological and social relationship to nature and this is a sign of women’s greater sensitivity and capacity to care for nature, a closeness that must be celebrated. 10 Women, according to this position, have a more special relationship with nature than men because of their gender roles (e. g., pregnancy, the family nurturer and historically the gatherer and provider of food). There was a group of authors who maintained that the way women are and think make them »natural […] guardians of Mother Nature’s garden« 11 The other position, materialist ecofeminism, does not oppose cultural ecofeminism per se. Rather, it claims 5

Woehrle, L. M.: Environmental/Green Cultural Shifts. Dynamics of Social Change, in: Sociology Compass. 4 (2010) 11, pp. 936–946, p. 939. 6 Mies, M., Shiva, V.: Ecofeminism. London 1993. 7 Eaubonne, F. D.: Le Féminisme ou la Mort. Paris 1974. 8 Miles, K. (2018): Ecofeminism, in: Britannica. From: https://www.britannica. com/topic/ecofeminism [19. 11. 2021]; Thompson, C.: Back to Nature? Resurrecting Ecofeminism after Poststructuralist and Third-Wave Feminisms, in: Isis. 97 (2006) 3, pp. 505–512. 9 Such as Gnandason, A.: Women, Economy, and Ecology, in: Ecotheology. Voices from the South and North. Ed. D. G. Hallman. Geneva 1994, pp. 179– 185; Griffin, S.: Ecofeminism and Meaning, in: Ecofeminism. Women, Culture, Nature. Ed. by K. J. Warren. Indiana 1997, pp. 213–226. 10 Buckingham, S. (2015): Ecofeminism, in: International Encyclopedia of the Social & Behavioral Sciences (Second Edition). From: https://www.sciencedirect. com/topics/social-sciences/ecofeminism [19. 11. 2021]; Carlassare, E.: Socialist and Cultural Ecofeminism. Allies in Resistance, in: Ethics and the Environment. 5 (2000) 1, pp. 89–106. 11 Thompson: Back to Nature?, p. 506.

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that the nature-woman nexus must be understood within historical and societal contexts, and not as an innate characteristic of being born female. 12 From this perspective, the close relationship of women to nature is socially constructed, and women’s biology plays a large role in shaping their subordination and historical oppression, »but it is not their destiny« 13. Materialist ecofeminists envisage that the way to a healthy, non-wasteful, and non-oppressive world is to change the dual anthropomorphic view of humans as separate from and dominant in nature. They are proponents of social and environmental justice by way of redistribution of wealth, reduction in consumption, anti-colonialism and equity among all creations. These subjugations can only be »disentangled together« 14, and only the transformation of all systems of privilege will prevent the destruction of nature. Ecofeminism faded for almost a decade, only to have a resurgence in ca. 2010. 15 There was a backlash on ecofeminism, 16 where it was seen as an irrelevant distraction embedded in biological determinism of reducing women to their most essentialist traits such as mothering and nurturing. 17 During this fading period, scholars avoided »guilt by association« by using terms such as »gender and the environment«, »feminist environmentalism«, »social ecofeminism« or »critical feminist eco-socialism« 18. However, there were scholars connected to the ideas of materialist ecofeminism who continued to decry the silencing of 12

Oksala, J.: Feminism, Capitalism, and Ecology; MacGregor, S.: Making Matter Great Again? Ecofeminism, New Materialism and the Everyday Turn in Environmental Politics, in: Environmental Politics. 30 (2021), pp. 41–60. 13 Buckingham: Ecofeminism. 14 Salleh, A.: Ecofeminism as Politics. Nature, Marx and the Postmodern. London 2017. 15 Carfore, K.: Ecofeminist Theology. Intersectional Justice and Plumwood’s Philosophical Animism, in: Feminist Theology. 29 (2021) 3, pp. 234–246. Gough, A., Whitehouse, H.: Centering Gender on the Agenda for Environmental Education Research, in: The Journal of Environmental Education. 50 (2019) 5–6, pp. 332–347; Thompson: Back to Nature?. 16 See Biehl, J.: Rethinking Ecofeminist Politics. Boston 1991. 17 Gruen, L.: Review: Janet Biehl. Rethinking Ecofeminist Politics, in: Hypatia. 7 (1992) 3, pp. 216–220. 18 Gaard: Ecofeminism Revisited; Gough, Whitehouse: Centering Gender; Mallory, C.: What’s in a Name? In Defense of Ecofeminism (Not Ecological Feminisms, Feminist Ecology, or Gender and the Environment), in: Ethics and the Environment. 23 (2018) 2, pp. 11–35.

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A Dialogue between Islam and Ecofeminism

ecofeminism from both the ecological and feminist literature. 19 In its recent resurgence, ecofeminism has distanced itself from essentializing the nature-woman nexus 20, affirmed using Crenshaw’s intersectionality 21, as well as clarifying the debate about religion and ecofeminism as a form of liberation theology and not repositioning theology. 22 Mellor argued that the relationship between ecofeminists and religion/spirituality was an uneasy one and brought criticism of ecofeminism as being »naïve«. 23 Religion, according to some ecofeminists, is built on the patriarchal principles that need to be transformed, and working with such a backdrop is not feasible. However, many ecofeminists came from an intersection of feminism and religion and saw transformative and liberating potential in reread versions of their religions. 24 Certainly, the writings of a number of ecofeminist theologians, such as Rosemary Radford Ruether, 25 have advanced the ecofeminist and religion project, and today it is far from »naïve«.

2. Islam, Nature and Women The ecological justice and Muslim women discussion at any level, be it academic, activist or programmatic, has been almost absent. Ali mentions Forugh Farrokhzad, an Iranian poet, who conveys a rejection of the domination of nature and women in her poetry. 26 He also mentions 19

Gough, Whitehouse: Centering Gender; MacGregor: Making Matter Great Again? 20 Gaard: Ecofeminism Revisited. 21 Crenshaw, K.: Mapping the Margins: Intersectionality, Identity Politics, and Violence against Women of Color, in: Stanford Law Review. 43 (1991) 6, pp. 1241–1299. 22 Eaton: Ecofeminist Theologies. 23 Mellor, M: Feminism and Ecology. New York City 1997. 24 Eaton: Ecofeminist Theologies; Ruether, R. R.: Integrating Ecofeminism Globalization and World Religions. Lanham 2005. 25 Ruether, R. R.: Gaia and God. An Ecofeminist Theology of Earth Healing. New York City 1994. 26 Ali, M.: Integrating Islam and Ecofeminism: A Monotheistic Approach to Earth Crisis, in: Body Memories. Goddesses of Nusantara, Rings of Fire and Narratives of Myth. Ed. by D. Candraningrum. Kuala Lumpur 2012, pp. 105– 115, p. 113.

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Nawal Ammar noting that she finds it [ecofeminism] compatible with Islamic texts »if read as being inherently ethical and egalitarian in spirit as proposed by such female scholars and activists as Asma Barlas, Fatima Mernissi, and Amina Wadud«. 27 Ali also identifies Tahira Joyner, who together with Denise Ackermann, called for »green and feminist Muslims«, and suggested change in religious language and symbols to feminize ecological concerns. 28 There is also Tahera Aftab, currently the Editor of the Pakistan Journal of Women’s Studies – Alam-e-Niswan, whose 2001 article, »Text and Practice: Women and Nature in Islam«, proposes an approach where women’s role as »›custodians of the earth‹ can be restructured, resulting in community development initiatives«. 29 The dearth of Islam’s engagement with ecofeminism does not emanate from Islam’s disregard to the health and well-being of the environment/nature nor is it based on Islam’s disregard of women’s status. Islam is an environmentally affirming religion. The large majority of Muslim scholars agree that, in Islamic theology, protecting the environment is a responsibility for which humans will be accountable before God Almighty on Judgement Day. Protecting the environment and all God’s creation for Muslims is a duty and not a choice. Islam is also respectful of women. The status of women in Islam has been of interest since the revelation of the Qurʾ an itself. While it is difficult to discuss Muslim women as if they were monolithic, it is not essentialist to note that the Qurʾ an addresses women as a group in various verses. It also addresses women in all the Qurʾ anic verses despite the bad translations most westerners read, which impose the masculine on the most genderneutral terms such as al-insan (humans), translated as man, al-nas (people), translated as men or al-nafs (self ), translated as a masculine pronoun. Space does not permit an extensive discussion about women’s position in Islam. Suffice it to say that there is great disagreement about interpreting the Qurʾ anic text vis-à-vis Muslim women’s status. Here, the discussion follows the perspective that Islam regards women as 27

Ibid., p. 112 f. Ibid., p. 114. 29 Aftab, T.: Text and Practice: Women and Nature in Islam, in: Women as Sacred Custodians of the Earth? Women, Spirituality and the Environment. Ed. by A. Low and S. Tremayne. Oxford 2001, pp. 141–158, p. 141. 28

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equal to men and with equal rights and responsibilities spiritually, socially and economically (Qurʾ an 3:195; 2:237; 49:13; 4:1; 4:32; 4:124; 7:189; 9:71; 16:97; 20:21 and 33:35).

3. Islam and Ecofeminism The reasons why Islamic scholars have not joined the ecofeminist debate is a topic worthy of future exploration. It is essential to know that while Islam does not support all ecofeminist ideas, an ongoing discourse is well-suited and will arrive at agreements on a number of issues related to the environment and humans. However, it is important, from the outset, to stress the most important Islamic departure from ecofeminism. Ecofeminist theologians, while viewed with some trepidation by ecofeminists, saw a need for religions to become engaged in »the cultural transformations around intersecting oppressions and ecological decline«. The various notions of the role of theology in cultural transformations were mostly proposed by Christian theologians. Some saw the monotheistic God as part of the eradication of the oppression 30 and others saw the very structure of monotheism and the priestly hierarchies as needing to be revisited, including the issue of the transcendent male deity. An Islam-ecofeminist dialogue will require a considerate understanding that in Islam the solution to eradicate the oppressions of nature, women and other marginalized beings/creations requires the monotheistic God (Allah) to be part of the eradication of the oppression. The issue of whether to include the monotheistic God (Allah) is not open for debate in any sphere of discussion in Islam. The first pillar of Islam, al Shahada, »there is no God but Allah,« is not a subject for deliberation for Muslims. In addition, gendering God in Islam is theologically irrelevant because God is inimitable (and not because God is male). Despite these differences, Islam parallels a number of major ecofeminism ideas and practices, although sometimes it arrives at the corresponding notions differently.

30

Keller, C.: From a Broken Web. Separation, Sexism, and Self. Boston 1986.

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4. Common Themes in Ecofeminism with Islam There are multiple themes in Islam that correspond to ecofeminism. Four major ones will be examined here: Firstly, the debasing of women is socially constructed, secondly, the unity of humanity and nature, thirdly, undoing injustices activism/engagement is a necessary proposition and finally, change rather than tweaking in the worldview is the way to reach justice and liberation for the environment, women and other marginalized groups.

4.1. The debasing of women is socially constructed God created you from one soul. Then made from it its mate […]. (Qurʾ an 39:6) The believing men and believing women are allies of one another. They enjoin what is right and forbid what is wrong and establish prayer and give charity and obey Allah and His Messenger. Allah will have mercy upon them. Verily, Allah is Almighty and Wise. (Qurʾ an 9:71) 31

Islam is in agreement with ecofeminists who see the special positioning of women with nature as a social construction and not a biological destiny. A survey of Qurʾ anic verses shows that women’s subservience to men is not advocated. The Qurʾ anic verse (4:1) clearly says »O humankind! Reverence your God who created you from a single soul, created of like nature its mate and from them twain scattered ample men and women.« The verse is clear about the equity in the creation of men and women. The Arabic statement, »created of like nature its mate,« ‫ َﻭَﺧَﻠَﻖ ِﻣْﻨَﻬﺎ َﺯ ْﻭَﺟَﻬﺎ‬does not give a gender to the »mate«. The subjugation of women in Muslim cultures today has been a social construction based on various historical patriarchies (pre-Islamic, integration of other cultures’ patriarchies during the expansion of Islam as well as colonial and post-colonial patriarchies). Most Qurʾ anic verses that are interpreted as evidence to dominate and subjugate women are just that: interpretations. For example, many interpretations of the Qurʾ an advance polygamy as permissible in Islam (Qurʾ an 4:3), but any careful reading of the text indicates that the verse starts with the permission of 31

With the exception of correcting the gendered references, this article uses The Holy Qurʾ an. Translation by Abdullah Yusuf Ali. Brentwood, Maryland 1990.

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polygamy as relating to orphaned women and ends with a cautionary remark about fairness. However, 126 verses later (in the same chapter) the ability to be fair and just to women is negated by saying, »You will never be able to treat your wives with equal fairness, however much you may desire to do so« (Qurʾ an 4:129). It is this sloppiness in reading the Qurʾ an and reducing declarations to simple generalizations that have led to the vulgarization of Islam. 32 Such an interpretation is akin to saying that the Qurʾ an in verse (4:43) cautions believers not to pray »O believers! Do not approach prayer,« overlooking the next statement which qualifies the command by saying, »while intoxicated until you are aware of what you say.« Patriarchal readings of the Qurʾ an are readings that fit a social and situational understanding rather than critical readings of the Holy Book with a historical context and symbolic meanings. 33 Both the Qurʾ an and the Prophet’s traditions clearly portray an emancipated status for women in an Islamic society. In the last half a century, discussions of Islam’s liberating view of women’s status in society have been dubbed among western scholars and societies as apologetic and by Muslim scholars, religious leaders and societies as »westernized interpretations«. When in reality, the progressive interpretations of the Qurʾ an are attempts at critical intellect based on systematic analysis. 34 These are not, – paraphrasing Abou El Fadl’s words 35 – interpretations that have become the extra-curricular activity of medical doctors and engineers who diminished it to the least common denominator rendering it a draconian tradition that exhibits little compassion or mercy. It is clear that the Qurʾ an declares that God created women and men from the same soul (4:1; 6:98; 7:189; 39:6). In these verses, the order of which gender was created first is not clear, but because the word »soul« is feminine in Arabic, the translation in one of the verses reads: 32

Abou El Fadl, K.: The Ugly Modern and the Modern Ugly. Reclaiming the Beautiful in Islam, in: The Progressive Muslim. On Justice, Gender and Pluralism. Ed. by O. Safi. London 2003, pp. 33–77. 33 Shahroor, M.: The Book and The Qur’an. A Contemporary Reading in Arabic (Al-Kitab wa ’l-Qur ’an: Qira ’a Mu ’asira). Beirut 19965. 34 Mernissi, F.: The Veil and the Male Elite. A Feminist Interpretation of Women’s Rights in Islam. New York City 1991. 35 Abou El Fadl: The Ugly Modern, p. 34.

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»It is He who created you from one soul and created from it its mate that he might dwell in security with her.ßB2ß‹ßB2ß (7:189). The »her« in this case is a linguistic construction that becomes a status indicator in translation. Men and women are equal in their worship rituals and acts as well as in their religious duties and obligations. The Qurʾ an is clear that God’s judgement is based on people’s piety and not their gender or race (49:13). However, when translated to English, the aforementioned verse (and many other verses) is constructed as though God is only addressing men. Out of 22 translations 36, 16 translate the original Arabic of »O humankind,« to either »O Men« or »Mankind«, making these verses one more linguistic construction where men (not men and women) are addressed. English translations of the Qurʾ an are full of those mistranslations. In the same way many of the interpretations and the teachings of the Qurʾ an are thwarted with silences or misrepresentations or omissions that render it patriarchal and oppressive of women. There are many other examples of Qurʾ anic mis-interpretations about divorce, the abuse of women, inheritance and witnessing the construction of women as inferior to men. These mis-interpretations are not only the result of male interpreters, but they are also born out of socio-economic systems that support and promote patriarchy and authoritarianism. However, the emerging »patriarchal un-readings« of Islamic texts show that these new readings are in agreement with ecofeminists who see the oppressed positioning of nature, women and other vulnerable groups (human or other) as a social construction by »force fields,« and not a biological destiny.

4.2. Unity of nature and humanity The creation of the heavens and the earth is far greater than the creation of humankind. But most of humankind do not know it. (Qur’an 40:57)

Ecofeminists view the role of humans as not separate from and as not dominating in nature. Islam’s cosmology of the Oneness of Allah (Tawhid) frames the understanding of nature and humans as equal and alike. Tawhid creates a dyad of God the divine creator and of all created 36

The following website lists various translations: https://www.alquranenglish. com/ [19. 11. 2021].

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by God. All the created including humans and nature are linked to the divine but are not divine. The Qurʾ an is not an anthropomorphic revelation. The created are a unified class of God’s creation and have many characteristics in common. Some of those are: all creation is a reflection of God’s sacredness and glory (Qur’an 11:115); all God’s creation is meaningful and orderly, has purpose, value, wisdom and function (Qur’an 15:19; 67:3–4); the created world is actualized to worship and obey God (Qur’an 22:18), the created have all been created from the same element, water (Qurʾ an 24:45) and God’s creation is also exemplified in Islam in terms of social structure. All that Allah has created are ›nations‹ or ›communities‹ unto themselves (Qurʾ an 6:38). In Islam, the earth was created for all living things, not only humans (Qurʾ an 55:10). The Qurʾ an does not speak of or to humans only; its 114 chapters have numerous mentions of other creatures and creations as vivid and dynamic. These include the dawn (Qurʾ an 89:1), water (Qurʾ an 23:18; 2:164), clouds (24:43), birds (Qurʾ an 67:19; 27:20), grain (Qurʾ an 2:261), the constellations (Qurʾ an Surah 85 has the title constellations), mountains (Qurʾ an 78:6–7; 16:15) and horses (Qurʾ an 17:64). Humans, however, are God’s vice-regent (Khalīfa) on earth (Qurʾ an 2:30). Several scholars 37 argue that humans were entrusted with the responsibility of Khalīfa because God offered the Trust to »the Heavens, the Earth and the Mountains«, but they »refused to shoulder the responsibility out of fear«, but humans »assumed it« (Qurʾ an 33:72). This covenant between God and humans is based on following God’s commands and respecting the divine creation. It is also based on a number of vice-regent roles on Earth including as custodians/ protectors of God’s Creation and at the same time as its users. Al-Qadi points out that the acceptance of this responsibility came with a degree of free will and a human commitment that did not come naturally from other creations of God. 38 These roles of the Khalīfa with an element of free will is the moral imperative of humanity in

37

Al Faruqi, I. R., Al Faruqi, L. I.: Cultural Atlas of Islam. London 1986; Shahroor: The Book. 38 Al-Qadi, W.: The Primordial Covenant and Human History in the Qur’an, in: Proceedings of the American Philosophical Society. 147 (2003) 4, pp. 332–338.

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Islam. 39 The idea is that humans as Khalīfa (pl. Khulafāʾ ), leaders, protectors of Earth, was not only given to Adam by God, but that God prepared Adam for the role. God prepared Adam for the responsibility of stewardship by teaching Adam (who taught Eve and their progeny) knowledge and free will to understand the difference between good and evil. 40 In the Qurʾ an, this knowledge is described in multiple ways: as wisdom (Qurʾ an 2:269), as understanding (Qurʾ an 2:114; 3:190–191) and as learning (Qurʾ an 39:9;58:11). The Qurʾ an (2:31) declares that God taught Adam the names of all things. There is a multi-layered meaning to this declaration. For our purpose the verse refers to the idea that Allah had taught Adam knowledge of everything including the names of all the Angels. This knowledge established humanities ability to enjoin good and prevent evil. Carrying out the role of Khalīfa on Earth, argues Muzakki, was a second chance for Adam and Eve – as symbolizing humans – to redeem themselves after disobeying God and approaching the forbidden tree. 41 Islam in no way indicates that Eve was the weaker of the two or that she tempted Adam to disobey God. Eating the fruit of the tree was a mistake committed by both Adam and Eve. They bear equal responsibility. It was not the original sin spoken about in Christian traditions. The descendants of Adam are not being punished for the sins of their original parents. It was a mistake that was forgiven by God and the progeny of Adam and Eve are being given a second chance. While Islam affirms the unity between humans and God’s creations (including the environment) in a different way from ecofeminism, it nevertheless agrees with the general premise that humans and the environment as interdependent and interconnected. Islam even 39

Nasr, S. H.: Islam and the Environmental Crisis, in: Spirit and Nature. Why the Environment is a Religious Issue. Ed. by S. C. Rockefeller and J. C. Elder. Boston 1992, pp. 83–108. 40 Nasution, A. H.: Quran Insight on Human Beings in the Story of Adam, in: International Journal of Latest Research in Humanities and Social Science. 3 (2020), pp. 51–60; Ammar, N. H., Gray, A.: Islamic Environmental Teachings. Compatible with Islam, in: The Wiley Blackwell Companion to Religion and Ecology. Ed. by J. Hart. Hoboken (New Jersey) 2017, pp. 301–314. 41 Muzakki, A.: Tensions of Adam and Iblis in the Qurʾ an. The Imagology Approach, in: International Journal of Applied Linguistics & English. 10 (2021) 2, pp. 56–61.

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goes as far as seeing the protection of God’s creation (the environment and the creation) a devotional duty, making it a core theological principle in Islam.

4.3. Engagement, a necessary proposition to undo injustice Goodness does not consist in turning your face towards East or West. The truly good are those who believe in God and the Last Day, in the angels, the Scripture, and the prophets; who give away some of their wealth, however much they cherish it, to their relatives, to orphans, the needy, travelers and beggars and to liberate those in debt and bondage; those who keep up the prayers and pay the prescribed alms; who keep pledges whenever they make them; who are steadfast in misfortune, adversity and times of danger. These are the ones who are true, and it is they who are aware of God. (Qurʾ an 2:178)

Ecofeminism focuses on systems of domination that create injustices and in turn impact pollution levels, the earth temperature, various life forms, waterways, ecosystems, animals and vulnerable humans. These systems of domination include patriarchy, capitalism/neoliberalism, industrialism, technological fixes, colonialism/neo-colonialism, classism and racism. These structures are »force fields that intersect with one another … to create complex interrelated and mutually reinforcing systems of oppression.« 42 The unravelling of oppressions to ecofeminists basically starts by ending the injustices. These subjugations can only be undone by advocacy and activism. 43 These ideas of ecofeminists are compatible with Islamic teachings and the Qurʾ anic text. Islam is opposed to all human behaviors that promote oppression and impede justice. According to many Muslim exegete of the Qurʾ an, justice has multiple meanings. Qureshi notes that there are four elements to Qurʾ anic Justice including equality (musāwā), moderation (tawassuṭ or iʿ tidāl), trust (amāna) and solidarity/cooperation (taʿ āwun). 44 The Qurʾ an devotes multiple verses to justice (the concept of justice appears 24 times in the Qurʾ an). Those 42

Gaard, G., Gruen, L.: Ecofeminism. Toward Global Justice and Planetary Health, in: Society and Nature. 2 (1993) 1, pp. 1–35, p. 12. 43 Salleh: Ecofeminism as Politics. 44 Qureshi, A. T.: Justice in Islam, in: Islamic Studies (The Islamic Research Institute). 21 (1982) 2, pp. 35–51.

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verses include reference to the dignity of the disabled (Qurʾ an 80:1–9), the rights of the orphans (Qurʾ an chapter 93 and 89:17–18), honesty in exchange and barter (Qurʾ an 83:1–13), condemnation of greed and hoarding of wealth (Qurʾ an 100:6–11), feeding the poor (Qurʾ an 89:17–23), just interaction (Qurʾ an 11:85), abstention from usury (Qurʾ an 2:161), distributive justice through taxation – zakat (Qurʾ an 2:267), the interaction between communities and nations (4:58), the interface between the human beings and nature (Qurʾ an 2:172; 6:141; 7:3; 20:81; 23:19; 31:20; 67:15) and just leadership (Qurʾ an 88:21– 22, 18:29, 4:58, 5:8, 16:90, 42:15 and 49:9). Protecting the vulnerable, including the environment, is a major part of the message of justice in the Qurʾ an. The message of Islam was revealed to the Prophet, an orphan who lost both of his parents (his father before his birth and his mother at the age of 6). He had a disrupted childhood and wandering early adulthood, but God granted him refuge (Qurʾ an 93:6–8). The Qurʾ an refers to orphans 23 times, and according to Khan, Qutub and Qasqas, this concept in the Qurʾ an represents a prime example of the vulnerable, marginalized, and disenfranchised in any community. 45 These elements of justice include human action and engagement and are seen as impacting the ability of humans to live a life that brings them closer to the Divine. The Qurʾ anic verse states: »[God is] the one who created life and death to test you, which of you is best in action« (67:2). There is a Qurʾ anic mandate to ›enjoin good and forbid evil.‹ There are over 200 Qurʾ anic verses that reference doing good and averting evil. The mandate is complex and intricate which, Muslim scholars historically [e. g., Al-Iṣfahāni, Ibn Taymiyya, Ibn Qudāmah and Sufyan al-Thawri] 46 and more contemporary scholars 47 have operationalized the mandate in terms of describing what these behaviors 45

Qutub, A., Khan, N., Qasqas, M.: Islam and Social Justice, in: Spirituality and Social Justice. Spirit in the Political Quest for a Just World. Ed. by N. J. Profitt and C. Baskin. Toronto 2019, pp. 131–152. 46 Mirakhor A., Askari, H.: Conceptions of Justice from Earliest History to Islam. New York City 2019. See Chapter: Earlier Muslim Scholars and Philosophers on Justice, pp. 215–239. Ibn Qudamah al-Maqdisi: Mukhtasar Minhaj al-Qasidin. Damascus 1999. 47 See Rahemtulla, S.: Qurʾ an of the Oppressed. Liberation Theology and Gender Justice in Islam. Oxford 2017.

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can be and who can command them. According to Cook, certain human characteristics should prevail for one to instruct goodness or prevent evil. 48 The scholars agree on two characteristics: knowledge (ʿ ilm) of what is commanded and forbidden, and gentleness (rifq) in commanding and forbidding. 49 To many of the scholars, the characteristic of knowledge precedes everything else in acts of ›enjoining good and forbidding evil.‹ Muslims, however, have soiled the intended message in the Qurʾ an about being »the best community ever brought forth for humankind (in that) you command the proper and forbid the improper and believe in God« (3:110). The injunction of enjoining good and forbidding evil became the subject of oppressive systematization and codification under the name ḥisba, as part of the governance of Muslim society, and neither knowledge nor kindness are part of this governance (see section five for a more detailed discussion of this issue). Regardless, one of the clearest and most quoted Sayings of the Prophet about action summarizes the importance of action to undo oppression, Whoever of you sees an evil must then change it with their hand. If unable to do so, then with their tongue. And if unable to do so, then with their heart. And that is the weakest level of faith. Sahih/Authentic. [An-Nawawīs Hadith 34, narrated by Muslim] 50

A large part of doing justice against oppression in the Qurʾ an refers to all creations and not only humans (including women). Doing justice as God’s Khalīfa is to maintain the balance of all God’s creation. Many of the Qurʾ anic verses describe the good actions, vis-à-vis God’s creation, as not to corrupt the earth (Qurʾ an 28:77; 7:56), not to be excessive (Qurʾ an 7:31; 26:151–152), to be a justly balanced community (Qurʾ an 2:143) and not to trespass or violate the well measured and balanced creation (Qurʾ an 55:7–9). Islam’s idea of action and engagement to undo oppression makes ecofeminism a compatible perspective that can be incorporated not only at the ideational level but also at a pragmatic level.

48

Cook, M.: Commanding Right and Forbidding Wrong in Islamic Thought. Cambridge 2000, p. 445. 49 Ibn Qudamah: Mukhtasar Minhaj al-Qasidin. 50 An-Nawawi: Forty Hadith. Bilingual Version. Damascus 1976, p. 110.

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4.4. The way to real justice is change and improvement, not tweaking in the worldview »My people, can you not see? What if I am acting on clear evidence from my Lord? He Himself has given me good provision: I do not want to do what I am forbidding you to do, I only want to put things right as far as I can. I cannot succeed without God’s help: I trust in Him, and always turn to Him« Quran (11:88)

The unravelling of oppressions to ecofeminists basically starts with the transformation of society. According to ecofeminism, the transformation of society by liberating women alone will only mean that new characters will assume the same old roles. The idea of the transformation to ecofeminism does not only mean a change of the guard, but that there will be a complete transformation of structures and hierarchies. The complete transformation of society is at the very essence of the Islamic message. In many ways, the main function of a Prophet is to bring change. Muhammad was a Prophet with a spiritual, social and economic reform message. 51 We have little surviving knowledge about Pre-Islamic Arabia, and our knowledge is permeated with memory loss from oral history, glorification of post-Islamic era and orientalist perspectives on Arabia as a desolate and isolated region. 52 Many agree, and the Qurʾ an mentions that Pre-Islamic Arabians were mostly polytheists, but there were also communities who followed Christianity, Judaism and Zoroastrianism. The polytheists among them worshipped multiple gods. Pre-Islamic Mecca, where Muhammad was born and received the message, was a settled tribal community. Tribal lineage was a social organizing factor that determined the status of individuals and clans. The clans’ claim upon its members was strong and was the primary solidarity for individuals. 53 Individuals outside the tribal system were vulnerable and had no protection. The Prophet Muhammad’s tribe, the Quraysh, was one of those tribes that became rich through commerce, and as consequence it became a very powerful tribe. Muhammad belonged to the Clan of Hashim and was brought 51

Watt, W. M.: Muhammad. Prophet and Statesman. Oxford 1961. Abbas, N. O.: Social Commandments in the Pre-Islamic Era. A Literary Study, in: Arab Journal of Human and Social Studies. 5 (2021) 5, pp. 2–38. Arabic text:

52

‫ ﻣﺠﻠﺔ ﺍﻟﻌﻠﻮﻡ ﺍﻹﻧﺴﺎﻧﻴﺔ ﻭ ﺍﻹﺟﺘﻤﺎﻋﻴﺔ‬.‫ ﺩﺭﺍﺳﺔ ﺃﺩﺑﻴﺔ‬:‫ﺍﻟﻮﺻﺎﻳﺎ ﺍﻻﺟﺘﻤﺎﻋﻴﺔ ﻓﻲ ﺍﻟﻌﺼﺮ ﺍﻟﺠﺎﻫﻠﻲ‬

53

Hitti, P.: History of the Arabs. London 1961, p. 27.

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to Mecca at the age of six after the death of his mother. He was first cared for by his grandfather and later by his uncle both of whom were powerful members of the Quraysh tribe. But because of his orphaned status and lack of wealth, he was marginalized and was not allowed to marry his cousin, since he could not afford to give her the life she was accustomed to live. 54 Karen Armstrong notes that commerce and religion were inextricably combined in Mecca. 55 During some months of the year, known as the Sacred Months, the Arabs would flock to Mecca and the neighboring region. 56 Many Arab tribes went on pilgrimage to Mecca where the Kaʾ ba sanctuary was reconstructed and controlled by the Quraysh tribe. By the time the Prophet Muhammad was born (570 C.E.), the commerce economy, which thrived on competition, hoarding, usury and accumulation of wealth had eroded the communal spirit and solidarity of the Meccans. 57 The gap between the poor and the rich (both among and within the tribes) lead to the exploitation and abuse of the poor. Vulnerable individuals, such as orphans, widows or members of poor and marginalized clans, were left destitute. 58 While there were many strong and empowered women in Pre-Islamic Arabia, the prevailing cultural norms were oppressive and devaluing of women. 59 Female infanticide is mentioned in the Qurʾ an as one of the atrocities enacted on new-born girls because fathers did not value their daughters as much as their sons. Women were also denied their rights in inheritance, marriage and divorce 60, indicating that women were more the subject of lust than respect. Scholars of Islam agree that Islam brought about »revolutionary changes,« to Pre-Islamic Arabia. 61 Omid Safi characterizes this revolution as »turning things over internally.« 62 These changes were sometimes successful and sometimes compromised. The changes were not 54

Armstrong, K.: Muhammad. A Biography of the Prophet. London 2001. Ibid., p. 15. 56 Ibid. 57 Ibid., p. 17. 58 Ibid. 59 Safi, O.: Memories of Muhammad. Why the Prophet Matters. New York 2009. 60 Nicholson, R. A.: A Literary History of the Arabs. Cambridge 1966, p. 88. 61 Watt: Muhammad; Armstrong: Muhammad; Safi: Memories of Muhammad. 62 Ibid., pp. 98 ff. 55

87 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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violent or compulsory. The Qurʾ an clearly indicates that the »invitation to the way of Islam«, should be through wisdom and good advice, (Qurʾ an 16:125), with kindness, (Qurʾ an 2:190), with no compulsion in religion (Qurʾ an 2:256) and peacefully (Qurʾ an 6:208). Change or reform in Islam is not restricted to religious matters only. Rather, it is a holistic concept that covers all aspects of life, including devotional, social, economic, political, and educational domains. It is also an ongoing process that Muslims need to adopt in their individual and collective capacities In addition to the various Qurʾ anic reforms (real changes) implemented by the Prophet, there was the significant change that Islam introduced, namely the declaration of Muhammad as the sealer of all Prophets (Qurʾ an 33:40). This change ushered with it (as seen by Muslims) a religion that has a post-prophetic revelation as its only reminder of their role as God’s Khalīfa who protect the perfectly calculated, ordered and balanced creations of God. Muslims cannot be forgetful of the Trust (amāna) they made with God because there will be no future Prophets to remind them of their God. Today, this postprophetic era is a transformation that no other monotheistic religion was faced with. But it is also a transformation that increases human’s responsibility in the way they carry out their role as Khalīfa. The idea of the post-prophetic revelation (i. e., the Qurʾ an) in Islam is certainly not a new one for Muslims. 63 It is actually one that is at the core of many divisions, struggles, crisis and violence in the Muslim world today. With the increased responsibility of humans in a post-prophetic era, an additional dilemma emerges; who acts as the interpreter of the Qurʾ an and the reminder of its Islamic practices? The questions about how to interpret the revelation present a long and sometimes contentious dialogue among scholars and politicians. It is difficult to provide a comprehensive discussion of the issues given the limited space available. Suffice it to say, the Qurʾ anic revelation nowhere inserts an intermediary to interpret the text or that the text must be interpreted literally. The meanings in the Qurʾ an are complex and intertwined and one should approach them to learn them and not 63

Khan, I.: The Thing-Event Distinction. A Dissertation Submitted to the Department of Philosophy. University of Illinois at Chicago 1986; Shahroor: The Book.

88 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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to make final conclusive arguments. 64 The Qurʾ an calls for the use of reason (Qurʾ an 8:22, 10:100) and knowledge (Qurʾ an 2:79; 39:9). Several scholars have explored the revelation as a post-prophet guiding method. This group of scholars argues that the revelation is a dynamic and perpetually active textual guidance, which must be read within a contemporary context. 65 Khan and Shahroor specifically argue that the revelation is the backbone of the Islamic method and that the true meaning of the Qurʾ an cannot be against reason or an observed fact. The interpretation of the guidance in the revelation, according to Arkoun, Khan, Rahman and Shahroor, is a human initiative, and it needs to take place in the context of the present situation. These scholars »all call for an intense engagement with the Quran; […] the engagement should not be overshadowed by reliance on i) traditional interpretation, ii) dependency on secondary Islamic sources, or iii) various instrumentalizations of the Quran for the sake of ideological endeavors.« 66 The current situation in Muslim countries shows a divergence from Islamic teachings about change to attain a just and equitable society (Ummah). Present day practices of some Muslim countries in the way they oppress women, apply violent punitive practices, overconsume, pollute and deny the people of the book freedom to practice their religion are not true to the post-prophetic revelation. The facts on the ground of these rulers does not fit the grace in the Qurʾ an of which the following verse is just one: Worship God alone and do not associate with Him any partners. Be kind to your parents and near of kin, to orphans, the needy, the neighbor who is related to you and the neighbor who is a stranger, the friend by your side, the wayfarer, and those whom your right hands possess. God does not love those who are arrogant and boastful. (Qurʾ an 4:36) 64

Siddiqui, M.: The Good Muslim. Reflections on Classical Islamic Law and Theology. Cambridge 2012. 65 Arkoun, M.: Islam. To Reform or to Subvert? London 2007; Khan, I. A.: An Exercise in Understanding the Qurʾ an. An Outline Study of the Last Thirty Divine Discourses (Surah 85 – Surah 114). Chicago 20132; Rahman, F.: Islamic Methodology in History. Islamabad 19953; Shahroor: The Book. 66 Azmat, T.: Understanding and Qurʾ anic Revelation. The Dynamic Hermeneutic of Irfan A. Khan. A Thesis Submitted to the Faculty of Lutheran School of Theology at Chicago. Chicago 2016, p. 132.

89 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Many Muslims are not following the example of the Prophet in transforming Islamic societies where equity among people prevails, where the vulnerable are defended and respected, where women are empowered members of the community and where God’s creation is protected. Presently many of Muslim majority leaders have also stemmed any transformative opportunity to have a close relationship with the revelation to address contemporary issues related to the oppression of the environment, women and the vulnerable. Historically, the Islamic tradition is abounding with competing exegetical writings, philosophical thesis and historic manuscripts. In the last half a century, Muslim women, in a struggle to understand their sacred text and historical tradition, have produced interpretations that un-read patriarchy. 67 In these un-readings, Muslim women authors are providing a framework for real change for other Muslim women, Islamic societies, and the environment. Unfortunately, many of these un-readings are being written by women who live in the western world (Barlas, al-Hibri, Wadud, McCloud, Ahmed, Kadiyoti, Moghissi, and Moghadam). Allegations that these women are »being westernized«, have limited the dissemination of their ideas about the real transformative potential of the post-prophetic revelation in Muslim majority countries. Regardless, both the Qurʾ an, the Prophet’s life and works, as well as the un-reading of patriarchal writings by both men and women embrace the ecofeminists idea of real change.

5. Is Ecofeminism Relevant to Muslims? It is worth noting that to many, the empowerment of women and resolving the environmental crisis in Islamic societies, involves working only within social institutions informed by religious frameworks. 68 Hence, to many scholars and leaders in the Muslim World, perspec67

Barlas, A.: »Believing Women« in Islam. Unreading Patriarchal Interpretations of the Qurʾ an. Austin 2002. 68 Samier, E., ElKaleh, E.: Towards a Model of Muslim Women’s Management Empowerment. Philosophical and Historical Evidence and Critical Approaches, in: Administrative Sciences. 11 (2021) 47, pp. 1–24. Islamic Declaration on Global Climate Change, 2015. From: https://unfccc.int/news/islamic-declarationon-climate-change [04. 02. 2022].

90 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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tives such as ecofeminism are seen as western and thus, irrelevant or hegemonic. Nevertheless, Abou El Fadl 69 notes that ideas of equity, democracy, prevention of violence against women and protecting the environment (human rights issues) are not a concern of one culture versus another. The world is not so segmented. For a long time in history, Muslims were more progressive and enlightened than Medieval Europe, and the west may have learned about some human rights issues and environmental protections from Islamic writings, Muslim scientists and libraries at that point of history. 70 Under the Abbasid period (HA 132–656/750–1258 CE) in Baghdad, different intellectual traditions became united under Muslim rule, including Greek learnings from Europe and Alexandria, as well as that of the Persians, Indians and Sumerians in the east. The House of Wisdom (a medieval house of learning and book collections), which housed a large collection of translations from various cultures, became a focal point for the pursuit of knowledge, attracting scholars and scientists from all over Europe and the Middle East. 71 Unfortunately, this history is not visible to many scholars because in AH 656/1258 CE, during the Mongol invasion of Baghdad, the collection of books and manuscripts at the House of Wisdom were thrown into the Tigris. 72 Regardless of the history of cultural exchanges between Islam and other cultures, Islam itself is a message that came to upturn the tribal lineage and local atomistic communities and replace them with a universal message (Qurʾ an 21:07; 2:136). Therefore, why are Muslims at this point in history rejecting what the Qurʾ an recommended about knowledge (Qurʾ an 39:9; 20:114) and the Prophet saying that »the learned ones are the heirs of the Prophets«? 73 The Muslim world’s environmental conditions cannot be improved by zealot reactions. There are fifty-one countries in the world in which more than 50 % of the population identify as Mus69

Abou El Fadl: The Ugly Modern. See Bokenkotter, T.: A Concise History of the Catholic Church. New York 1979. 71 Bengoechea, I. (2016): Iraq’s Golden Age. The Rise and Fall of the House of Wisdom. From: https://theculturetrip.com/middle-east/iraq/articles/iraq-s-gol den-age-the-rise-and-fall-of-the-house-of-wisdom/ [19. 11. 2021]. 72 Ibid. 73 Sahih Bukhari 3:10, in: Ali, M. M.: A Manual of Hadith. New York City 1977, p. 39. 70

91 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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lims. 74 These countries, in many ways, have more differences than similarities. Understanding that Islam is not the only force in these states and communities is important so as not to essentialize Islam. But many of the human and environmental conditions among Muslims today reflect the opposite of Islamic teachings. God’s creation is in peril and humans are failing in their devotional duty as protectors of this balanced creation socially, economically and environmentally. The level of income inequality between and among Muslim nations is alarming (Yemen’s per-capita GDP is 1.3 % [$ 1,433] of that of Qatar’s [$ 110,489]). In addition, Muslim majority and minority countries population are growing fast, leading in some places to intensifying poverty and environmental depletions. The Muslim population is projected to grow twice as fast as the overall world population between the years 2015–2060, from 1.8 billion in 2015 to 3 billion in 2060. 75 According to Ray, 76 five of the deadliest 21st century wars took place in Muslim countries. The prevailing ethos of war and conflict will continue and according to UN statistics, six out of the top ten military spenders in the world are Muslim countries (Kuwait, Jordan, Saudi Arabia, Yemen, Syria and Oman) with more than 7 % of their GDP channeled into military expenditure. 77 Fish’s research 78 found that Muslim countries have higher rates of female illiteracy compared to men, higher sex ratios (i. e., more men than women in the population), lower representation of women in governmental positions, and lower scores on the gender empowerment measures. Rahman points out that Shariʿ a family laws governing marriage, divorce, custody and inheritance, derived interpretations that date back to 8th and 9th centuries, and while not being the only cause 74

The Atlas of Islamic World Science and Innovation. Final Report (2014). From: https://royalsociety.org/topics-policy/projects/atlas-islamic-world/finalreport/ [09. 01. 2022]. 75 Human Development Report 2020. The Next Frontier. Human Development and the Anthropocene. Ed. by United Nations Development Programme. From: http://hdr.undp.org/en/2020-report [19. 11. 2021]. 76 Ray, M.: 8 Deadliest Wars of the 21st Century, in: Britannica. From: https:// www.britannica.com/list/8-deadliest-wars-of-the-21st-century [19. 11. 2021]. 77 The Atlas of Islamic World Science and Innovation. 78 Fish, M. S.: Islam and Authoritarianism, in: World Politics. 55 (2002) 1, pp. 4–37, p. 26.

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of gender disparity in the Muslim world, they nevertheless strengthen Islam’s influence over gender socialization and women’s behaviors by reifying and enforcing misinterpretations of gender roles set forth in the Qurʾ an. 79 Examples of such misinterpretations in our modern era is Saudi Arabia’s »Commission for the Promotion of Virtue and the Prevention of Vice« (also mutaween or the pious) which was curtailed in 2016. The mutaween were the religious police that acted as the executive arm of the religious scholars who were closely connected to the government. The morality codes that they upheld lacked clearly defined standards, the limits of their authority frequently violated the human rights of Saudi citizens as well as immigrants and expats living in the kingdom and discriminated against women. 80 The status of women in Muslim countries falls short of the ideals and standards set by the Qurʾ an for a post-prophetic era. The Women Peace and Security Index 81 shows that out of one hundred and eightynine countries, four Muslim countries ranked lowest when protecting women from violence. Research on the educational gender gap in Muslim countries is inconclusive. However, most researchers agree that in rich Muslim countries the education gender gap has narrowed greatly. 82 Nevertheless, the gender gap in the workplace remains large. This is especially true in the Middle East and is often referred to as the »Middle East Paradox«. Women’s Workplace Equality Index Country

79

Rahman, F.: Gender Equality in Muslim-Majority States and Shariʾ a Family Law. Is There a Link?, in: Australian Journal of Political Science. 47 (2012) 3, pp. 347–362. 80 U.S. State Department, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor: 2020 Country Reports on Human Rights Practices: Saudi Arabia. From: https://www.state.gov/reports/2020-country-reports-on-human-rights-practices/ saudi-arabia/ [19. 11. 2021]. 81 Georgetown Institute for Women, Peace and Security (2019): Women, Peace, and Security Index. From https://giwps.georgetown.edu/the-index/ [19. 11. 2021]. 82 Coffé, H., Dilli, S.: The Gender Gap in Political Participation in MuslimMajority Countries, in: International Political Science Review. 36 (2015) 5, pp. 526–544; McClendon, D., Hackett, C., Potančoková, M. et al.: Women’s Education in the Muslim World, in: Population and Development Review. 44 (2018) 2, pp. 311–342.

93 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Rankings (2020) 83 shows that out of twenty-eight Muslim countries only one ranks in the top one third of workplace equity, eight in the next tier and nineteen rank within the bottom one third. The environmental situation in Muslim countries parallels the general mal-development and unbalanced women’s status. A concerned citizen’s publication shows that Iran and Saudi Arabia are in the top ten countries with CO2 emissions in 2018. 84 In a science and innovation publication, Clarke et al. note that the majority of the Organization of Islamic Cooperation (OIC) member countries are characterized by poor environmental performance and a high level of vulnerability to climate change. They also showed that in 2017, OIC member countries, in comparison to other country groups, experienced the sharpest drop in water availability per capita (a drop of twenty three percent). Almost fifty percent (n = 26) of OIC member countries are currently experiencing some level of water stress or scarcity. 85 Today, the largest Muslim country in the world, Indonesia, is listed as the second-biggest contributor to ocean plastic after China, with some estimates suggesting it is the source of about 10 % of global plastic pollution. 86Muslims are not oblivious to the environmental crisis. A report on a survey about the climate crisis shows that the majority (51 %) of Muslim responders consider climate change to be a serious issue. 87 The »Islamic Declaration on Global Climate Change« was an important step to raise awareness of the human impact on the environment. 88 However, only 83

Women’s Workplace Equality Index (2020). From https://www.cfr.org/legalbarriers/ [19. 11. 2021]. 84 Union of Concerned Scientists (2020): Each Country’s Share of CO2 Emissions. From: https://www.ucsusa.org/resources/each-countrys-share-co2-emis sions [19. 11. 2021]. 85 The Atlas of Islamic World Science and Innovation. 86 World Economic Forum (2018): Deforestation in Indonesia dropped by 60 % in 2017, but they’re not out of the woods yet. From: https://www.weforum.org/ agenda/2018/08/deforestation-in-indonesia-dropped-by-60-in-2017 [19. 11. 2021]. 87 Skirbekk, V., Pedziwiatr K. (2018): Sustainability and Climate Change in Major Religions with a Focus on Islam. Research Paper, in: Humanitarian Academy for World Development. From: https://had-int.org/e-library/sustainability-andclimate-change/ [19. 11. 2021]. 88 Koehrsen, J.: Muslims and Climate Change. How Islam, Muslim Organizations, and Religious Leaders Influence Climate Change Perceptions and Mitiga-

94 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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one woman participated in the writing of this declaration. The Indonesian government has enlisted the help of the two largest Islamic organizations, Nahdlatul Ulama (NU) and Muhammadiyah in the country to reduce marine waste by seventy percent by 2025. 89 For the first time since the data set began in 2002, Indonesia dropped out of the top three countries in terms of tropical primary forest loss. It ranked fourth with 270, 00 hectares of loss, down seventeen percent from 2019. 90 Islamic thought and action can incorporate and are compatible with various aspects of ecofeminism. Keller’s 91 framing of the monotheistic God as part of the eradication of the oppression ensures the compatibility and potential for further dialogue, integration, research, advocacy and collaborations between Muslims and ecofeminists. Despite the differences among Muslim countries and communities, the prevailing human and environmental conditions in all of them require the incorporation of varied perspectives including ecofeminism.

6. Summary and Conclusions The present situation in many Muslim countries does not allow for much optimism. The rising heat on the Earth’s surface in most areas where Muslims are a majority is a product of intertwining and complex social, economic and political crisis. Muslims and their countries are overconsuming, polluting, not protecting their citizens from poverty, supporting a global economy that favors the rich and oppresses the poor, supporting war and violence, mistreating refugees in general and Muslim refugees in particular, and they continue to dehumanize women. While Islam may not be a contributing factor to these behaviors, it can – as Gianisa, and Le De 92 show based on interviews contion Activities, in: Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change. 12 (2021) 3, pp. 1–19. 89 World Economic Forum, 2018. 90 Butler, R. A. (2021): Global Forest Loss Increased in 2020, in: Mongabay. News and Inspiration from Nature’s Frontline. From: https://news.mongabay. com/2021/03/global-forest-loss-increases-in-2020-but-pandemics-impact [19. 11. 2021]. 91 Keller: From a Broken Web. 92 Gianisa, A., Le De, L.: The Role of Religious Beliefs and Practices in Disaster.

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ducted with religious followers and leaders – as religious beliefs and practices bond local people together and contribute to successful coping with disasters. The most important source of Islam, the Qurʾ anic verses describe the revelation as a guide, a clarifier of things, a reminder, a warning, a facilitator of deliverance, an inspiration, and an educator. These characteristics of the revelation must be used to improve our contemporary society and its crisis. Today globally, the most pressing crisis humans are facing is environmental depletion. For Muslims the halting of environmental depletion is not only an existential problem, but it is a devotional duty. Hence, Muslims have double the pressure to increase their knowledge, advocacy and action to save the environment, if for nothing else but as a devotional duty. The suggestion of using ecofeminism as a framework to read the Qurʾ an is made here as one of the many ways Muslims accelerate their effort to protect and improve the environment. Suggesting frameworks for reading the revelation is neither strange nor blasphemous in Islam. 93 These frameworks come as a way of protecting it from the irrelevant and isolationist interpretations. However, it is not a suggestion that ecofeminism is the only framework that should be included. Nevertheless, such a dialogue with ecofeminism would benefit Muslims in multiple ways. It can be applied at the individual level in all behaviors and actions be it physical, emotional, mental or religious. It can be applied at the communal level whether it is with other humans, other animals and plants. It can also be applied at the governance level, where both civil and religious leaders can see the intricate and intertwined factors leading to environmental depletion. But more importantly, this dialogue would make the Muslim world aware that the environmental crisis is neither a chemical issue or biological issue of reducing heat nor God’s Will and human destiny. This dialogue may help Muslims remember that »never does God change the condition of a people unless they change what is in themselves« (Qurʾ an 13:11).

The Case Study of 2009 Earthquake in Padang City, Indonesia, in: Disaster Prevention and Management. 27 (2018) 17, pp. 74–86. 93 Historically there have been many frameworks of reading the Qurʾ an suggested such as Ahl al-ʿ adl wa-l-tawḥīd (the Muʿ tazila) and Muslim feminists.

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Bethany Somma (Munich)

»What the Swallow Describes and the Hoopoe Reports«: The Iḫwān al-ṣafāʾ and the Riddle of a Shared World* Abstract In this contribution, I use a methodology of listening to animals to analyze the text of the Iḫwān al-ṣafāʾ ’s animal epistle, and I argue that the Iḫwān al-ṣafāʾ themselves model this methodology within their animal fable. After examining the contemporary development and use of listening to animals, I show that before and during the time of the Iḫwān al-ṣafāʾ animals were acknowledged as subjects capable of communicating with human beings. This approach, consistent with the historical situation of the text, uniquely resists anthropocentrism by including animal perspectives from the outset. Turning to Epistle 22, I argue that the text offers at least three ways in which human beings can heed animal communication, literally by listening to their voices, metaphorically by heeding their behavior, and by studying their lives. I then argue that the Iḫwān indeed thought that human beings ought to listen, by presenting animals as eloquent and by having animals excoriate human beings for their ignorance. Finally, in conversation with contemporary work on disability and animality, I connect the above points to the text’s revelations on the harm done to both human beings and animals owing to the former’s refusal to engage with their own animality.

Epistle 22 of the Baṣran collective Iḫwān al-ṣafāʾ ’s encyclopedic compilation of Rasāʾ il, dedicated to animals, has long frustrated attempts at interpretation. Presenting a fictional trial in which animals bring human beings to the court of the jinn over claims of mistreatment, the * This article has been written under the aegis of the project »Animals in Philosophy of the Islamic World,« which has received funding from the European Research Council (ERC) under the European Union’s Horizon 2020 research and innovation programme (grant agreement no. 786762). I would also like to thank Peter Adamson for his feedback on earlier drafts of this paper and the IslamAnimals research team for their lively discussion of the Iḫwān al-ṣafāʾ ’s 22nd epistle.

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Bethany Somma

epistle offers a breathtaking criticism of human behavior. In this respect, the epistle would appear to be a paradigmatic example of how to navigate a shared world in a morally upright way. Although throughout the epistle animals appear to be equal to—or even better than— human beings in various respects, the final chapter presents human beings as ultimately superior to animals in a morally meaningful way. This conclusion does not obviously sit comfortably with the rest of the epistle, especially since the text also appears to end rather suddenly. In this respect, the epistle would appear to reveal a basic fissure at the center of this would-be shared world. In an effort to uncover a coherence within the text, I approach the epistle through the contemporary locution of listening to animals, such as that found in the work of Josephine Donovan, Eva Meijer, and Mark Rowlands. With the phrase »listening to animals« I mean attention to animal behavior, speech, and capacities as the basis of acknowledging and ensuring animal wellbeing and agency. Animal behavior, speech, and the exercise of their capacities also function as a type of communication between animals and human beings, and when I use the term »communication« below, I refer specifically to these sorts of actions. Thus, this listening is both literal—by heeding animal voices—and metaphorical—by heeding animal behavior and abilities. I argue that the epistle itself encourages this approach through its emphasis on the eloquence of animals and with the recurrent counterfactuals that animals marshal against human beings to highlight human ignorance of evident and ready animal communication. Further, this approach reveals a deeper coherence to the text, insofar as it works to remind human beings of their own animality (by forcing them to listen to animals as such), and in turn highlights the dangers that result from an insufficient engagement with animality (by revealing human vice as a failure in view of their animality, which has led to the suffering of other animals). In what follows, I argue that by taking a stance that prioritizes listening to animals, the narrative offers a methodology for establishing a shared world based in a dialogical exchange between animals and human beings. After first investigating listening to animals as a methodological concept in contemporary literature, I offer an overview of the history of texts within which animals speak for themselves in the early Islamic world, which grounds the possibility of applying this contemporary methodology in historical fact. Then, I turn to the Iḫwān’s 98 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

»What the Swallow Describes and the Hoopoe Reports«

epistle to examine the ways the approach is at work in the text and to establish what the methodology, as applied to the text, reveals. Finally, I discuss the ways in which listening to animals also discloses truths about human beings and human society, both within the Iḫwān’s epistle and within contemporary scholarship on animals and disability. Throughout this work, the communication between human and nonhuman animals resists anthropocentrism and bears witness to the possibility of a world of genuine connection.

Listening to animals Before diving into the text, I want to say something about the approach I am undertaking here, both what it means and what it does not mean for my investigation. In contemporary conversations within animal ethics and animal studies, one regularly comes across the phrase, »listening to animals.« The phrase has long been used in animal ethics from the feminist tradition, and as early as 1990, Josephine Donovan ended her seminal essay, »Animal Rights and Feminist Theory« with the remarks, »We should not kill, eat, torture, and exploit animals because they do not want to be so treated, and we know that. If we listen, we can hear them.« 1 Donovan reiterated this position 16 years later in order to call attention to what she calls the »dialogical mode of ethical reasoning,« emphasizing that care theory works not on the model of maternal care, but »is [a matter] of listening to animals, paying emotional attention, taking seriously—caring about—what they are telling us.« 2 This approach has made its way into mainstream animal studies, occurring in many different media, for example, in primatologist Jane Goodall’s documentary When Animals Talk. 3 We find the 1

Donovan, J.: Animal Rights and Feminist Theory, in: Signs: Journal of Women in Culture and Society. 15 (1990) 2, pp. 350–375, p. 375. 2 Donovan, J.: Feminism and the Treatment of Animals: From Care to Dialogue, in: Signs: Journal of Women in Culture and Society. 31 (2006) 2, pp. 305–329, p. 305. 3 We might also consider studies in comparative psychology and enculturation in apes. For a Wittgensteinian analysis of Kanzi the young bonobo’s capacity to communicate via language acquired through enculturation, see Segerdahl, P.: Humanizing Nonhumans, in, Language, Ethics, and Animal Life: Wittgenstein

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approach even in contemporary philosophy of animal minds. In the concluding remarks of his study Can Animals Be Persons? Mark Rowlands emphasizes the importance of treating animals as persons, and in his explanation of what it means to do so, he uses this locution. »Recognition of the other as a person shifts focus from a treatment paradigm to a listening paradigm … Instead of simply treating animals as we think best, we might try to ask them what they want.« 4 The longest investigation of listening to animals of which I am aware is the recent monograph by Eva Meijer When Animals Speak, in which Meijer argues for an interspecies communication capable of grounding an interspecies democratic society. Most pertinent for our purposes are the means by which this communication is supposed to happen. Donovan’s and Rowlands’ discussions have pointed out perhaps the most basic means, namely, observing animal behavior, like responses to a threat. Meijer adds the notion of interspecies interactions on a grand scale. 5 All three also engage with a range of scientific research on animal life in tandem with their philosophical analysis, showing listening to animals to be an interdisciplinary undertaking. They also bring to bear their personal experiences with animals. Listening to animals differs from other starting points in animal ethics by including the animals’ viewpoints as part of its basis, as opposed to making assumptions based on a human perspective about what animals want and do not want. In turn, this approach requires us to engage with animals on their terms, which allows us to challenge anthropocentrism. Importantly, learning about and acknowledging the languages that animals do indeed have grounds interspecies dialogue that can lead to positive social change for animals and human beings. This dialogue allows for constructive interspecies interaction, which allows one to avoid restrictive assumptions about communication needing to break along species lines. 6 According to Meijer’s exam-

and Beyond. Ed. by N. Forsberg, M. Burley and N. Hämäläinen. New York/London 2014, pp. 16–31, particularly pp. 21–29. 4 Rowlands, M.: Can Animals Be Persons? Oxford 2019, p. 199. See below, p. 6 (fn. 14). 5 Meijer, E.: When Animals Speak. Towards an Interspecies Democracy. New York 2019, discussed generally on pp. 33–34. 6 Ibid., p. 82.

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ination, learning to communicate with animals allows them to be political agents and thus to be involved in shaping communities. Thus, within questions of animal ethics, this approach uniquely invites animals into the process of deliberation on how they want to be treated, and entails a shared world from the very outset. As I will argue below, this approach is what we find within the Iḫwān al-ṣafāʾ ’s 22nd epistle. The animals therein demand their voices be heard by the human beings who suppose themselves experts on what animals deserve. Throughout the text, the animals not only offer their own perspectives—they lay out the various ways in which human beings have access to those perspectives, were they to acknowledge them. Furthermore, animals speaking for themselves in their own voices was already a feature of works on animals at the time the Iḫwān were writing. Their decision to put the information about animals in the mouths of animals sits within a long tradition of doing so, for example from the earlier Baṣran al-Jāḥiẓ’s Kitāb al-ḥayawān (Book of Animals), who argued that animals indeed have their own speech, to the later al-Maʿ arrī’s Risālat al-ṣāhil wa-l-šāḥiǧ (translated usually as the Epistle of the Horse and the Mule, but which literally means Epistle of the Whinnier and the Brayer, using the sounds of the animals’ voices to denote them). 7 In his discussion of animal speech in his Kitāb al-ḥayawān, al-Jāḥiẓ himself argues even further that human beings are capable of understanding animals voices: »We understand [through its vocalization] most of the intent (irāda), needs (ḥawāʾ iǧ), and aims (quṣūd) of the horse, the donkey, the dog, the cat, and the camel, just as we

7

See Miller, J.: Man is not the Only Speaking Animal: Thresholds and Idiom in al-Jāḥiẓ, in: Arabic Humanities, Islamic Thought: Essays in Honor of Everett K. Rowson. Ed. by J. E. Lowry and S. M. Toorawa, Leiden/Boston 2017, pp. 94– 121, especially pp. 94–95; Blankinship, K.: Suffering the Sons of Eve: Animal Ethics in al-Maʿ arrī’s Epistle of the Horse and the Mule, in: Religions. 11 (2020) 412, pp. 1–20, especially pp. 10–12. This pattern would speak against the anomaly reading of the fable according to Mattila, J.: The Animal Fable of the Ikhwān al-Ṣafāʾ in Context: The Ontological and Moral Status of Animals in Early Islamic Thought, in: Animals and their Relations to Gods, Humans and Things in the Ancient world. Ed. by R. Mattila, S. Ito and S. Fink, Wiesbaden 2019, pp. 345–366, p. 347. It would also challenge the similar conclusion drawn by Irwin, R.: The Arabic Beast Fable, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes. 55 (1992), pp. 36–50, p. 50.

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understand the intent of a child in its cradle.« 8 Al-Jāḥiẓ even discusses the Indian classification of the different verbal expressions of cats, which corresponds to the number of their needs (there are five kinds). 9 Moreover, none other than Avicenna himself utilizes (what we would now call) an interdisciplinary approach, as in his own Kitāb al-ḥayawān (Book of Animals) he utilizes medical theory, physics, and psychology in his consideration of animals. Further, as Tommaso Alpina has recently shown, Avicenna also utilizes first-hand scientific observation of animal behavior as part of his philosophical investigation of animal psychological capacities. 10 Thus, I proceed not by applying an anachronistic notion to the text, but, having recognized the revelatory nature of listening to animals as a paradigm, by taking seriously what animals tell us in the text in order to distill the position the Iḫwān portray therein. My position here is that if we critically consider the obvious fact that we are listening to animals as we read, it becomes clear what the Iḫwān are trying to communicate to the reader. My approach also rejects the interpretation of Goodman and McGregor, who claim that the Iḫwān introduce a »virtual subjecthood« for the animals: »The device of giving speech to the animals drives home the point by allowing animals to articulate what are normally unspoken pleas encouraging readers to project themselves into another creature’s place.« 11 I think it is true that the Iḫwān do encourage the listeners to put themselves in the animals’ place, while simultaneously chastising them for failing to do it already. However, there is a basic difference in my interpretation, which is that the listening to animals approach does not offer a virtual subjecthood to animals (which allows the reader to put it aside in their return to »reality«), it acknowledges real subjecthood that, while having been so 8

Al-Jāḥiẓ, Kitāb al-ḥayawān, i, p. 32:3–8, as cited, translated, and discussed by J. Miller, »Speaking Animal,« p. 98. 9 Ibid., p. 102. 10 Alpina, T.: Seeing with your own Eyes, forthcoming. On Avicenna’s use of the first person »I say« throughout his K. al-ḥayawān, see Kruk, R.: Ibn Sina on Animals: Between the First Teacher and the Physician, in: Avicenna and His Heritage. Ed. by J. Janssens and D. de Smet. Leuven 2002, pp. 325–341, pp. 326–328. 11 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals versus Man Before the King of the Jinn. An Arabic Critical Edition and English Translation of Epistle 22. Ed. and trans. by L. E. Goodman and R. McGregor. Oxford 2009, p. 40.

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far ignored, now demands to be heard. In the end, listening to animals reveals that the moral methodology for which the Iḫwān al-ṣafāʾ advocate in the epistle is modeled by the very text we read.

»If you could follow the discourse of the birds« I now need to explain what exactly I take the listening to animals methodology to amount to with respect to the Iḫwān al-ṣafāʾ ’s animal epistle. Our authors themselves highlight their choice to put their epistle into an allegorical dialogue, explaining, »We’ve put the demonstration (bayān) of that into the languages (alsina) of animals, so that [the demonstration] is more effective in exhortation (mawʿ iẓa), more evident (abyān) in the telling, more wondrous in the narratives, nobler in hearing, and deeper in thinking, and finer in consideration.« 12 The »that« refers to the good characteristics of animals, and, most immediately, the fact that human beings treat them unjustly and are at their best angels and at their worst devils. The aim here is clearly that readers be able to learn from the epistle, as the Iḫwān want the information to be not only more evident (abyān), but to be an exhortation (mawʿ iẓa), so that on the whole they clearly want to effect a change in the one they call the »listener.« 13 Thus, I find Goodman and McGregor’s »We’ve put these themes into the mouths of animals« far too casual of a translation. The Iḫwān clearly intend to show something to be the case in a strong sense—they want to give a proof—and they are using animal language (lisān) to do so. If we fail to appreciate the role of animal language as such, the fable easily reads as if it were merely an anthropomorphizing entertainment. Insofar as the Iḫwān fictionally attribute human language to animals, the fable is such an entertainment. But as I will argue, that is not all that the Iḫwān do, for they also show the reader what animal language genuinely is and model attentiveness to it. Throughout the rest of this section, I will argue that the information we are given about animals falls into a few different categories, and indicates 12

Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 65, Ar. p. 5, my translation. De Callataÿ, G.: ›For Those with Eyes to See‹ : On the Hidden Meaning of the Animal Fable in the Rasāʾ il Ikhwān al-Ṣafāʾ , in: Journal of Islamic Studies. 29 (2018) 3, pp. 357–391, p. 22 (including fn. 61).

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that we are to take the words (and sounds) of the animals themselves seriously, all while learning how to listen to animals outside of the text. Importantly, the dialogical form of the epistle must not pull us away from the fact that, throughout the narrative, we are often told true things about animals, things that can genuinely instruct us—even now—in the ways animals want to be treated. Rather than introducing a realm of pure fiction, the dialogical form is itself modelling for us the appropriate way for human beings to comport themselves toward animals, since it is within this model that animals inform us of their desires and needs and show us the ways they can communicate that to us. What we learn should in turn affect our treatment of them—just as it is supposed to affect the behavior of those human beings present within the narrative. I want to emphasize that the Iḫwān surely want their listeners to learn and to be convinced of things beyond what I highlight here. Consider, for example, Godefroid de Callataÿ’s conclusion that using animals as speakers allowed the Iḫwān to criticize the Umayyads and ʿAbbasids freely. 14 This conclusion, I think, can stand simultaneously with mine, insofar as the text is able to speak on various registers owing to its fictional and allegorical nature to the effect of consistent, if different, conclusions. Another conclusion that aligns well with mine is one of Cyrus Ali Zargar’s observations about the text, namely that taking animals seriously leads us as human beings to see that »animals become agents analogous to [us],« insofar as animals reflect parts of ourselves as human beings. 15 (More on that below.) Throughout the epistle, the Iḫwān give us two distinct yet recurrent indications that human beings ought to listen to animals in the first place, as well as the three different ways in which animals indeed communicate. Thus, the text gives the listeners—those in the trial and those reading the text —the tools they need to address the ill treatment of animals the text highlights by teaching them how they can listen to animals.

14

To use M. Rowlands’s lively expression, listening to animals is not, so to say, »to go all Dr. Doolittle.« Rather, it is heeding animal communication in the way it already exists: in their behavior, in their life forms and ensuing needs and threats, and, while not through human speech, in the voices animals do indeed have and use. 15 Ali Zargar, C.: The Polished Mirror. Storytelling and the Pursuit of Virtue in Islamic Philosophy and Sufism. London 2017, pp. 47–48.

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The first way the Iḫwān present animals as genuine speakers is their characterization of animals as eloquent. Eloquence in speech is the first sign that animals should be listened to and the first way they communicate. The animal delegate that the Iḫwān identify for each class of animal is one who can speak or is known for their eloquence. The trial itself has two starts, with an initial session wherein all the cattle, beasts of burden, and those regularly harassed by human beings (like the rabbit) make their case. When it comes to domesticated animals or those with routine experience with humans, it is assumed that they all have voices to launch their complaints, the point here being that human beings have already had a chance to listen to them. For example, the ram discusses the slaughter of their young, who are taken »bleating for mercy but unpitied, screaming for help with none to aid them.« 16 The ram describes how the parents of the young looked on in horror, without shrieking or crying, for even if they had, they would have received no mercy (lā nurḥamu), showing the extent to which their voices had repeatedly not been heard. 17 In this way, the Iḫwān’s presentation of animal pleas echoes that discussed above from al-Jāḥiẓ, who highlighted that human beings are capable of understanding the intent, needs, and aims expressed in the language of many domestic animals. This point coincides with the starting point for the contemporary research on listening to animals as well. Consider again Donovan’s above remark on listening to animals: »We should not kill, eat, torture, and exploit animals because they do not want to be so treated, and we know that. If we listen, we can hear them.« 18 It is only after the jinn king decides to oversee a thorough investigation that other delegates are chosen, who are then selected based on their eloquence. 19 For example, the cricket is chosen as the delegate of the crawling creatures because he sings, and the frog chosen the delegate of the water animals for the same reason. 20 The parrot is the delegate for the predatory birds because he can talk with human beings, and the bee that of the swarm16

Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. pp. 117–18, Ar. p. 57. Ibid., Eng. p. 118, Ar. p. 57. 18 Donovan: Animal Rights, p. 375. 19 For a discussion of the delegates vis-a-vis the rulers of each animal class, see de Callataÿ: Hidden Meaning, pp. 19–20, and on the bee in particular, pp. 20–22. 20 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 194, Ar. pp. 134–135, and Eng. p. 186, Ar. pp. 126–127. respectively. 17

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ing creatures because he is better spoken. 21 The nightingale represents the song birds owing to his capacity to sing, and the jackal Kalīla represents the beasts of prey owing to his good nature and because— extra-textually—he is already a speaker, owing to his central role in Ibn al-Muqaffaʿ ’s Tales of Bidpai. 22 Of course, their loquacity plays a role with the narrative by forming the basis for the possibility of the fable, but the appeal to eloquence must be taken seriously in its own right. 23 With the exception of the jackal, all of the animal delegates can indeed talk, and, in Kalīla’s case, he is already known for speaking in another well-known text. The ability of all animals to give voice to their own defense is emphasized as the domesticated animals summon other animals for help, as they claim, »For indeed, each genus of [animal] has an excellence the other does not have, and types of discernment (tamyīz), correct views, eloquence, demonstration (bayān), reflection, and proofs (ḥuǧaǧ).« 24 However, the eloquence with which the animals address the court, which they use to voice their reactions to human action in general, is only the first opportunity humans have to listen to animal communication. Observation of behavior is the second front on which animals can communicate with human beings. Indeed, the most basic sense in which human beings already had a chance to listen to the domesticated and related animals in chapters 1–6 is by observation of their behavior, which the animals cite again and again throughout the text, and which even starts the entire narrative. The genetic account of the human occupation of the entire world is mirrored by the genesis of human occupation on the island ruled by Bīwarāsp, and in both cases the initial issue that incites conflict between humans and animals is one of space. This narrative feature is true to reality, for there is a basic connection between limited space, interspecies encounters, and the meth21

Ibid., Eng. p. 181, Ar. p. 120, and Eng. p. 175, Ar. p. 115, respectively. Ibid., Eng. p. 172, Ar. p, 112, and Eng. pp. 156–158, Ar. pp. 95–96, respectively. For more information on this text, see Goodman and McGregor’s lengthy footnote 163 on pp. 156–158. 23 Cf. P. Adamson’s argument for this point at Adamson, P.: The Ethical Treatment of Animals, in: The Routledge Companion to Islamic Philosophy. Ed. by R. C. Taylor and L. X. López-Farjeat, London/New York 2016, pp. 371–382, pp. 376–377. 24 Ibid., Eng. p. 150, Ar. pp. 87, my translation. 22

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odology of listening to animals. Conflict over space is frequently a catalyst for human-animal turmoil, and not infrequently the cause of harm or death to entire communities of animals. 25 It is also a situation in which listening to animals is an effective, and to some degree necessary, ameliorative approach, since it demands interspecies cooperation to what is ultimately an interspecies problem. 26 Of course, this is exactly the approach the animals take, asking the human beings to listen to them in court, after the human beings have already ignored the pleas they made through behavior (they broke loose and fled (nafarat…waharabat) when the humans interfered (yataʿ arraḍūna) in their lives). In response, the animals go to King Bīwarāsp to complain of human behavior. 27 Further, animals’ flight from human beings recurs throughout the text, for example in the bee’s discussion of the devastation human consumption brings on bees’ nests and communities. 28 The importance of observing behavior is reiterated throughout the epistle. In addition to animals’ evident flight at human intrusion, an additional behavioral feature is particularly important, namely, the recurring topic of animal governance and social organization, both of which are observable features of animal behavior. 29 Throughout the epistle, animals remark on the extent to which social relations of all sorts are meaningful, both with respect to hierarchical governance and to parent-child relations, as mentioned in the case of the ram above. Further, in the bee’s discussion in chapter 27, we read of the complicated social organization of bees, which preserves their hives, regulates their food, and keeps their colonies safe. 30 Ants similarly have a sophisticated organization that ensures their own survival by maintaining their homes, food supply, and foraging, including rules for behavior

25

See, e. g. Palmer, C.: Animal Ethics in Context. New York 2010, p. 102 ff. Cf. E. Meijer’s case study on the political agency of geese at Schiphol Airport, e. g. via a version of foot voting, at When Animals Speak, pp. 174–175, and through what she calls interspecies deliberation, pp. 176–177. 27 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 102, Ar. p. 41. 28 Ibid., Eng. pp. 236–237, Ar. pp. 177–178. 29 For a contemporary investigation of social organization as it relates to animal language, see E. Meijer’s discussion of prairie dog alarm calls, When Animals Speak, pp. 50–53, and of play behavior in dogs and baboons at pp. 56–59. 30 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. pp. 243–244, Ar. pp. 184–185. 26

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within the colony. 31 The governance of the different genera of animals also plays an important role in the selection of delegates, where the Iḫwān routinely highlight the social organization proper to each type of animal. While the underlying behavior of many of these remarks is evidently fictitious, the emphasis on governance and social organization flags another front on which human beings can take heed of animal needs and interests. The final way human beings may listen to animals is by studying them scientifically to appreciate and to respect their ways of life, so that human beings in turn may learn about their wants and dangers. The value of doing so is modeled by King Bīwarāsp himself. For example, at the introduction of each new delegate in the trial, the King inquires about the leader of the animal’s kind, asking repeatedly for information on their form, character, and way of life (ṣūra wa-aḫlāq wa-sīra), as he does of the lion, griffon, dragon, and sea-serpent. 32 Throughout the epistle, we read the current scientific theory of animal natures, behaviors, and bodies, and on this theory a treatment of animals can be developed and adjusted. For example, Kalīla points out that animals are properly clothed immediately upon birth, but that human beings seize for their own sake the clothing that is appropriate to and protective for the animals. 33 Further, he points out that since predators need to eat meat, the fact that human beings interfered with their food supply forced them to become violent, whereas in the past they were content with carrion. 34 Of course the carrion explanation is itself fictitious, but the point remains the same: were human beings to learn the food source of animals, they could avoid a food shortage and thus reduce conflict and harm. The frog discusses the teleological structure of animal bodies at length, the purpose being to refute the human claim to superiority based on a diversity of bodies, conditions, and lives. 35 Finally, the nightingale offers a powerful argument against human food and eating habits, as this point is easily confirmed. The nightingale’s argument is against claims to human superiority based 31 32 33 34 35

Ibid., Eng. pp. 244–245, Ar. pp. 186–187. Ibid., Eng. pp. 222, 224, 226, Ar. pp. 160, 162, 164, 165, respectively. Ibid., Eng. p. 261, Ar. p. 211. Ibid., Eng. pp. 262–263, Ar. pp. 214–215. This argument is in ch. 40, and the frog’s retort in ch. 41.

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on their fine foods and delicacies. In addition to pointing out the ways in which humans make themselves sick owing to this variety of food, he emphasizes the deleterious effects of this food on animals. In particular, he highlights that domesticated animals—»those imprisoned by you [humans] and kept from freely seeking [their] own good as [they] see it«—fall sick from the food they eat, since they »are kept from seeking their own interests (maṣāliḥ) as they see them and when called for by the instincts implanted in their natures.« 36 Human beings thereby harm animals by not knowing and respecting their specific self-directed conduct that is ultimately to their benefit. In all of these cases, knowledge of animal habits and ways of life would ground a genuine connection between humans and animals that could form the communication required for building a world shared between them.

Listen and you shall know Having gone through the various ways that animals can communicate according to the Iḫwān, let us now return to the question of whether the Iḫwān indeed thought human beings ought to listen to what animals have to say. At the beginning of the previous section, I presented the first of two reasons, namely, that they recognize animals as having voices that human beings can heed, an echo of al-Jāḥiẓ’s own position. I want now to offer some evidence for the second reason that I take the Iḫwān to have thought that human beings ought to listen to animals, which is that human ignorance about animal natures, needs, and abilities is regularly excoriated throughout the epistle. Sometimes, this criticism is of something human beings can do by themselves or observe about animals directly, while at other times this criticism is of something human beings should learn (or should already have learned) about animals from revealed texts. For example, in the bee’s reply to the human claim to superiority on the grounds of science, industry, and governance, he highlights no less than five times the occasions human beings had to gather insight and knowledge into animal behavior, needs, and ways of life yet failed to do so, concluding, »Were this hu36

Iḫwān al-Ṣafāʾ : Case of the Animals, Eng. p. 251, Ar. p. 197; Eng. p. 251, Ar. pp. 197–198, translation modified.

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man to consider (law iʿ tabarta) the transformations I’ve cited, your Majesty, the metamorphoses these swarming and creeping creatures go through, he would understand and it would be clear (la-ʿ alimta wa-tabayyana) that they have knowledge and discernment, awareness, discrimination, judgement, thought, ideas, polity, and a social order.« 37 In their criticism of religion and of denigration of animal value, both the nightingale and Kalīla (twice) point out to the relative speakers that, »had you reflected« (nightingale: law ḏakarta…wa-naẓarta waiʿ tabarta; Kalīla: law fakkarta wa-iʿ tabarta) on the claims made, »then you would know and it would be clear (la-ʿ alimta wa-tabayyana)« that those claims prove the opposite of what the human delegates take them to prove. 38 The important aspect for our purposes is that human beings are clearly, according to the animals, capable of knowing much more about animals than they purport to know, and that all it takes to gain this insight is some careful reflection. In fact, the claim that it would be clear, tabayyana, reflects the Iḫwān’s original claim concerning their goal in the fable, namely, that they put the demonstration, bayān, into the languages of animals. Here, in the contrafactual conclusion the animals routinely express, we see that the Iḫwān took the demonstration to have been available all along, evident in the way that animals have already been speaking to us. The parrot frequently chides human beings for their ignorance, himself the only delegate who can actually chat with human beings in their own language extra-textually. First, he criticizes the argument for superiority by governance by pointing to the social organization of many animal kinds, claiming »Don’t you know that the bee society and ant society, the society of beasts of prey, and that of the birds, all have leaders, troops, vassals, and subjects?« 39 He further points out that animal rulers are better than human ones insofar as, »The monarchs of animal kinds, however, outshine human kings and leaders in emulating God’s ways. The king of the bees looks to the interest of his subjects, troops, and vassals and seeks their well-being.« 40 And finally, the parrot 37

Ibid., Eng. p. 247, Ar. p. 190. Ibid., nightingale: Eng. p. 255, Ar. p. 204; Kalīla: Eng. p. 263, Ar. p. 216 and Eng. p. 264, Ar. p. 217. 39 Ibid., Eng. p. 270, Ar. p. 223. 40 Ibid., Eng. p. 270, Ar. p. 224. 38

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highlights something human beings are unable to witness themselves, but which would overturn the human claim to superiority based on oration and eloquence. »You mentioned that you have poets, orators, theologians, and such. But if you could follow the discourse of the birds, the anthems of the swarming creatures, the hymns of the crawling creatures, the hosannas of the beasts, the meditative murmur of the cricket, entreaty of the frog, admonitions of the bulbul, homilies of the larks, the sandgrouse’s lauds and the cranes’ celebration, the cock’s call to worship, the poetry doves utter in their cooing and the soothsaying ravens in their croaking, what the swallows describe and the hoopoe reports, what the ant tells and the bee relates, what the flies portend and the owl cautions, and all the other animals with voice or buzz or roar, you would know, O human race, you would realize that among these throngs are orators and eloquent speakers, theologians, preachers, admonishers, and diviners, just as there are among the sons of Adam«. 41

While human beings cannot understand this oration themselves, the parrot emphasizes that they have had ample opportunity to learn of it regardless, since the Qurʾ ān emphasizes it many times. 42 Indeed, in the subsequent text our authors cite several passages from the Qurʾ ān, each of which indicates that there is worship unique to all creatures, which human beings do not understand. In each of these cases, the human beings addressed in the text have already had a chance to know a great number of things both about animals (either by direct observation, reports based on direct observation, or in revealed text) and about themselves, were they to attend to animals in the ways highlighted. Thus, while the human beings in the text have failed to attend to and thereby to listen to animals (which is why they have been brought to court), the Iḫwān have both confirmed the ways in which human beings can indeed listen, and have underlined that they ought to do so. This discussion shows that for the Iḫwān, animals are subjects capable of communicating their needs and desires, while the animals’ calls to reflect confirm that the Iḫwān are telling us that we ought to be listening.

41

Ibid., Eng. pp. 278–279, Ar. p. 235. For more on the Qurʾ ān’s treatment of animals, see S. Tlili’s seminal work, Tlili, S.: Animals in the Qurʾ an. Cambridge 2012, especially chapters 3 and 4.

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Concluding remarks on listening to animals for their sake—and ours The practice of listening to animals provides human beings insight about themselves as well. Throughout the human-animal debate, the Iḫwān have highlighted the ways that human beings are profoundly ignorant of themselves. This ignorance is directly responsible for injury to animals, who human beings, in their supposed superiority, misuse without care. However, it is also responsible for injury human beings cause themselves. We read of the way in which human beings, in their vice, drive out the best of humanity from their society, forcing the sage and the wise to take refuge with wild animals. 43 Above I highlighted the nightingale’s criticism of human society, in which he argues that the variety of human delicacies lead to the illness of human and nonhuman animals alike. I want to revisit this passage here, as the nightingale’s position introduces another point of connection to contemporary discourse on listening to animals, which is that many of the illnesses the nightingale articulates are in fact disabilities. 44 He claims, »for every pleasure [the human beings] name from all their foods and drinks there’s a price to pay in sufferings, afflictions from which we are free — all kinds of illnesses, chronic and wasting diseases.« 45 These diseases include several illnesses that are disabling, as in the case of apoplexy and ophthalmia. The reason the nightingale offers for the appearance of these disabilities is a moral one, and he claims that, »All these ills beset you humans because you rebelled against your Lord, spurned the obedience due Him, and ignored His charge.« 46 Mohammad Ghaly, in his examination of disability in the Islamic tradition, highlights that within the Qurʾ ān, disability is used to identify a self-inflicted vicious state within a person, as someone might be called blind because they have closed their heart to the truth. 47 When the nightingale’s human 43

Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. pp. 265–267, Ar. pp. 218–219. When discussing the Iḫwān’s text, I use this term in a capacious way and do not assume any contemporary notion of disability, especially since disability as a category did not exist until rather recently. 45 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 250, Ar. p. 195. 46 Ibid., Eng. p. 250, Ar. p. 196. 47 Ghaly, M.: Disability in the Islamic Tradition, in: Religion Compass. 10 (2016) 6, pp. 149–162, p. 152. It is also essential to note that this notion of 44

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»What the Swallow Describes and the Hoopoe Reports«

interlocutor retorts that animals, too, suffer such illness, the nightingale replies that it is only domesticated animals who suffer in the way humans do. He claims, »These maladies afflict only those of us who mix with you — doves, cocks, chickens, dogs, cats, hunting birds, cattle, and sheep — or those imprisoned by you and kept from freely seeking our own good as we see it. When we’re left to ourselves, to do as we like and pursue our own interests, under our own recognizance, using our own discipline and direction, we’re rarely stricken by illness, agony, or pain. For we eat and drink only when we need to, only in due measure, one comestible at a time, just enough to still the pangs of hunger.« 48

As a result, says the nightingale, those same animals routinely become sick owing to human intervention. Hidden within his claim is the observation that outside of human intervention, animals rarely get ill. »[Domestic animals] are fed and watered at unsuitable times, not at their own desire, or when so dreadfully hungry or thirsty that they take in more than they need. They’re not allowed to rest and slow down enough but pressed to exhaustion in service. That’s why they succumb to some of the diseases that afflict you.« 49

The animals described here are those clearly exploited by human beings for their labor, which the nightingale characterizes as »pressed to exhaustion in service.« These animals are in turn sickened and disabled because of the positions into which human beings put them—all for the purpose of human convenience and luxury. Thus, the nightingale here makes two structural observations within one critique: the primary cause of animal disability is human exploitation, and that same behavior causes both human and nonhuman disease and disability. We find these two observations also made in contemporary discussions of animal ethics, specifically those examining the intersections of disability and animality. The two are frequently connected, not only within systems of oppression (since both are seen as less than human and therefore as morally dismissible) but also because each reminds us of our own vulnerability and mortality. Consider the remarks of Sunaura Taylor, disability scholar and animal activist, who typifies the disability not only lacks a direct counterpart in contemporary usage but also covers a wider range of phenomena, such as, for example, blue eyes and baldness. 48 Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 251, Ar. p. 197. 49 Ibid., Eng. p. 251, Ar. pp. 197–198.

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relation between animality and disability through the concept of »animal crips.« Taylor’s analysis shows a unique way in which the social model of disability, usually understood in the human context, also applies to animals. 50 She examines not only animals who have congenital disabilities, but also the animals who are routinely disabled by factory farming because they are kept from living their short lives in ways that are good for them, all for the sake of human use. She concludes that there is a fundamental connection between ableism and speciesism that, in her analysis, disables all nonhuman animals. »In the end, it is not only disabled animals who could be called crips. All animals— both those we human beings would call disabled and those we would not—are devalued and abused for many of the same reasons disabled people are. They are understood as incapable, as lacking in the various abilities and capacities that have long been held to make human lives uniquely valuable and meaningful. They are, in other words, oppressed by ableism. The able body that ableism perpetuates and privileges is always not only able-bodied but human.« 51

Taylor’s conclusions reveal the basic connection between assuming that only human beings are uniquely valuable and that only able-bodied human beings are valuable—both assume there is a certain quality or capacity that one must have in order to »count« morally in the full sense. In her remarks on the possibility of addressing the situation animals are in, Taylor also has recourse to the listening to animal paradigm I have been working with here. 52 Throughout the animal fable, the Iḫwān have the animals point out that all of the qualities in virtue of which the human beings claim that they are masters of animals are insufficient. The nightingale highlights that the assumption that human beings must be superior in a way that licenses exploitation has led human beings to disable both animals and themselves. While the 50

According to the social model of disability, there is a basic difference between impairment and disability: an impairment is a bodily state, while disability is a social condition forced upon bodies with impairments. Thus, an individual is disabled not by their own body but by the ableist structure of our society. On this account, for example, a wheelchair user is not inherently disabled; rather, society is structured in a way that disables them by making environments that are inaccessible (through steps, narrow spaces, gaps in the floor, etc.). 51 Taylor, S.: Beasts of Burden. Animal and Disability Liberation. New York 2017, p. 43. 52 Ibid., pp. 217–218.

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paradigm for thinking and talking about disability at the time of the Iḫwān was rather different than the one we work within today, the Iḫwān nevertheless had some of the same moral intuitions as those that Taylor outlines, specifically, that human beings are responsible for the way society disables animals. Certainly, there are profound difference between the two paradigms, not least those stemming from industrialized animal farming. But the more important point is that so long ago the Iḫwān already saw the profound and horrific consequences that such a mindset of exploitation could bring. Even for the Iḫwān, listening to animals has the capacity to break open the hidden assumptions about human and animal value, revealing, in the process, that our mistreatment of animals is also a mistreatment of ourselves. Throughout this paper, I have discussed the methodology of listening to animals as a way of establishing a genuinely shared world with animals. But there is another way that the Iḫwān’s epistle reveals a genuinely shared world, which is that it forces human beings to interrogate their own animality. Above I noted that disability and animality are related insofar as both remind us of our own mortality. Within the Iḫwān’s epistle, the human defendants receive a stark reminder that they are human animals, both insofar as the animal plaintiffs so forcefully display their similarity and insofar as the human vice on display is, by and large, a result of their failure to attend to their animality properly. Let me say just a little more about the latter point before concluding. At the beginning of the prologue, the perfect, best human beings are contrasted with those who become the worst versions of themselves, who are called »accursed devil[s], the bane of creation.« 53 The recurring criticism that the animals level is that human beings are self-indulgent, immoderate, and inconsiderate. Consider the criticism of the nightingale, who highlighted that the extensive pleasure human beings chase in their lifestyles has led to sickness and disease. By following the pleasures of the body, human beings have, in fact, acted like animals—bad ones, at that—and have done so at least partly because they thought they were beyond animals and animality altogether. Consider the Iraqī’s claim, »our fine foods and drinks are the meed of masters, the prerogatives of the noble and free.« 54 Even given only the description 53 54

Iḫwān al-Ṣafāʾ : The Case of the Animals, Eng. p. 65, Ar. p. 4. Ibid., Eng. p. 248, Ar. p. 192.

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of human beings in the epistle’s prologue, namely, as superior in terms of reason, this account of human superiority is profoundly misguided, and identifies features of human beings that they share with animals. As a result, they are led to fall far short of human perfection. Because of their refusal to reckon with their own animality, human beings both harm themselves by fostering vice and preventing themselves from reaching their proper aims, and harm other animals by treating them cruelly and preventing them from reaching their proper aims. As I argued above, listening to animals cedes the perspectives of other animals, and as a result this approach requires human beings to resist anthropocentrism. In doing so, they also see all that they share with other animals as well. 55 That acknowledgement ought to change human behavior at least in two respects: first toward themselves (since acknowledging their animality reveals their vice) and second toward animals (since the human–animal dichotomy has been severely problematized). In this way, the entire epistle becomes more coherent insofar as the human beings in the fable know neither who they are as human beings nor how to relate to their animality (both of which have been covered in the discussion of the prologue). Those failures specifically have led to the situation represented in the fable: animals have been treated poorly and human beings have become utterly vicious. I have argued here that the Iḫwān al-ṣafāʾ implement a methodology of listening to animals within their 22nd epistle and that they intend their readers to model this methodology. Interpretations of the epistle have struggled to identify to what extent the Iḫwān intend their text to encourage any kind of change in the reader. I argued, by contrast, that the Iḫwān’s articulation of the purpose of the text in the prologue makes clear that they do indeed intend to argue for something in particular, namely that human beings should treat animals better, and thus what they say in this epistle merits practical implementation. For, fundamentally, the epistle calls into question the ostensibly fixed barricade between human beings and animals that the animals of 55

Thus, this perspective would complicate the supposed anthropocentrism in the epistle, along the lines of Tlili, S.: All Animals are Equal, or Are They? The Ikhwān al-Ṣafāʾ ’s Animal Epistle and its Unhappy End, in: Journal of Qurʾ anic Studies. 16 (2014) 2, pp. 42–88; and more recently, Tlili, S.: Animal Ethics in Islam: A Review Article, in: Religions 9 (2018) 9:269, p. 6.

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the fable contest. It does not present explicit conclusions, for we ourselves must listen and respond to animals in order to open up the world between us. While I do not offer a concrete and specific solution here, I think the methodology the Iḫwān develop can take their readers far, as it is readily applicable on both a small and large scale. Moreover, the approach allows for parallel moral commitments, for example, one that demands human beings to care for animals because God demands it. For, according to the Iḫwān, we share not only the world with animals, but God with them, too. Since we are not identical to God, we must learn from animals, as from revealed texts, what they want and need from us. In the end, our obligation in practice is not much different than Donovan’s own suggestion that I cited above—it »is [a matter] of listening to animals, paying emotional attention, taking seriously— caring about—what they are telling us.« 56 As the Iḫwān made clear, animals tell us about their own lives, their desires, needs, and fears, while at the same time they reveal to us the ways in which the societies we build affect both them and ourselves. For their sake and for ours, the Iḫwān have argued, it is time we listen.

56

Donovan, J.: Feminism and the Treatment of Animals, p. 305.

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Ursula Fatima Kowanda-Yassin (Wien)

Vom Himmel berührt Die Sehnsucht des Menschen nach der Welt

Abstract The question of being in the world is a deeply existential one. Current developments show that people have fewer and fewer opportunities in their everyday lives to spend time in a natural environment and are increasingly losing contact with nature. A longing for nature seems to be deeply rooted in human beings. But is this longing for nature realistic? Or is nature idealized and romanticized here? In this article, the concept of alienation from nature is discussed, followed by the emotional access of people to nature and creation. For this purpose, an arc is drawn from historical personalities who went on journeys on the one hand, and art on the other. Travelling is a way to get to know unknown parts of the world, and with it people and nature. Muslim personalities who set out on their journeys in search of different cultures and foreign nature and themselves experienced a special form of closeness to the world created by Allah. Likewise, the quest for naturalness is present in art in various forms throughout the ages. Feelings and thoughts are awakened by the work and in this way the viewer is led emotionally to the subject in question. Muslim but also Christian artists depict the relationship to nature in their works and thus provide an insight into the discourse of the time in question. Examples from art are used to illustrate man’s longing to be close to creation – or nature. In order to make visible how today’s Muslim communities deal with current challenges, for example environmental protection, how they feel about the increasing environmental pollution and whether these questions are connected with faith, selected results of a research project among mosque visitors are presented.

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Vom Himmel berührt

Einführung Die Frage des Menschen in der Welt ist eine zutiefst existenzielle. Wo ist mein Platz in der Welt? Was für eine Rolle spiele ich in ihr? und Was ist der Sinn meines Lebens? Fragen, die zum Menschsein dazugehören. Als soziale Geschöpfe, die den Kontakt mit anderen Menschen suchen, ist auch die Frage des Miteinanders zentral. In welchem Verhältnis stehe ich zu meiner Umgebung? Wie verhalte ich mich zu meinen Mitmenschen, aber auch Mitgeschöpfen, zur Natur 1, zu allem Leben? Und – in welcher Beziehung stehe ich zu dem Erschaffenen? Während der moderne Mensch sich immer mehr in geschlossene oder unwirklich virtuelle Räume zurückzieht und sich so von seiner Mitwelt entfremdet, nimmt seine Sehnsucht nach der Natur zu. Eine Entfremdung von der guten alten Zeit im Einklang mit der Natur, so scheint es. Der Naturbegriff wird oft als Gegenkonzept zu Kultur verstanden: »Natur ist (…) das Gegenteil von Geist, von Kultur, Kunst und Technik.« 2 In diesem Artikel wird Natur als die Mitwelt des Menschen gesehen und als Teil der Schöpfung, zu der der Mensch auch zählt, verstanden. Somit bedeutet die Entfremdung von der Natur einerseits die Entfernung von dem Natürlichem und die Hinwendung zu Künstlichem, und andererseits auch die Entfernung des Menschen von seinen Mitmenschen und anderen Kulturen: »Der Bürger (…) entwickelt den Traum von einer ursprünglichen »guten Natur« – sei sie gegenwärtig noch zu finden in urtümlichen Landschaften, sei sie in Rückprojektionen als »Naturzustand« des Menschen – vor aller Kultur – angenommen, oder sei sie in einer utopischen Zukunft als widerherstellbar gedacht. Beide Werthaltungen entspringen derselben Natur als Gegenwelt.« 3 Doch Entfremdung ist auch ein diskursiver Begriff, der implizieren könnte, dass der Mensch früher physisch mit der Natur mehr verbunden war als heute und sich ihr psychisch gesehen ihr näher fühlte als heute. Dies lässt ein romantisiertes Bild vergangener Tage entste1

Zum Begriff Natur vgl. Kowanda-Yassin, U. F.: Mensch und Naturverständnis im sunnitischen Islam. Ein Beitrag zum aktuellen Umweltdiskurs. Würzburg 2011, S. 24–47. 2 Großklaus, G.: Einleitung, in: Natur als Gegenwelt. Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur. Hg. v. ders. Karlsruhe 1983, S. 8–14, hier S. 8. 3 Ebd.

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hen, das wohl eher idealisiert als realistisch ist. Der kritische Blick von Seyyed Hossein Nasr 4 oder Charles Le Gai Eaton auf die Aufklärung, die Technisierung und die (vermeintliche) »Schwäche im Glauben«, die die Zerstörung der Natur mitverursachen sollen, beschreiben diese Entfremdung im metaphysischem Sinn. 5 Die Sehnsucht, die Schöpfung zu erleben und der Natur – wie sie in ihrer ursprünglichen Form erschaffen wurde – nahe zu sein, ist immer präsent und scheint heute größer denn je, auch wenn es sich hierbei um eine Idealisierung der Natur handelt. Diese Sehnsucht treibt seit jeher Menschen in ihrem Tun an, beispielsweise bei ihren Reisen auf der Suche nach Nähe zu der von Gott geschaffenen Welt. Zentrales Interesse dieses Artikels ist die emotionale Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. Hierfür wird der Bogen über zwei Wege, die stark mit den Sinnen und Gefühlen verbunden sind, geführt: einerseits über das Reisen, bei dem der Mensch in eine völlig fremde Umgebung kommt und er mit allen Sinnen Gerüche und Geräusche kennenlernt, unbekannte Vegetation und Fauna sieht und sich an ungewohntes Klima und andersschmeckende Speisen gewöhnen muss. In der Kunst hingegen werden Gefühle und Gedanken über die Schöpfung durch die Künstlerin, den Künstler ausgedrückt und Fragen gestellt und diese gleichzeitig bei dem Betrachter, der Betrachterin hervorgerufen. Um diesen Bogen, der über Reisen und Kunst gespannt wurde, mit den Herausforderungen der modernen Welt zu verbinden und Desiderate sowie Lösungen anzusprechen, werden Ergebnisse eines Forschungsprojektes abschließend angeführt. Ausgewählte Zitate von Expert:inneninterviews, die in Hinblick auf den vorliegenden Artikel interessante Einblicke in muslimisches Denken über Schöpfungsliebe gewähren, werden wiedergegeben. Die Schöpfung als Werk des Schöpfers umfasst alles von Gott Erschaffene. In diesem ganzheitlichen Verständnis von Natur und Schöpfung ist der Mensch auch mitgemeint. Der Wunsch zu reisen und neue Landschaften kennenzulernen ist eng verbunden mit der Begegnung 4

Nasr, S. H.: Man and Nature. The Spiritual Crisis of Modern Man. Chicago 1996. 5 Vgl. Le Gai Eaton, C.: Der Islam und die Bestimmung des Menschen. München 20003, S. 169.

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mit anderen Kulturen und Traditionen. Ein Beispiel hierfür ist der berühmte Reisende des 14. Jahrhunderts, Ibn Baṭṭūṭa (gest. 1368 o. 1377), der sich vor allem für Speisen, Städte und diplomatische Kontakte interessierte. Oder der Kosmograph al-Qazwini (gest. 1283), der sich forschend auf die Reise – im übertragenen Sinne – machte, die »Wunder der Schöpfung« kennenzulernen und sich intensiv mit Naturphänomenen, Pflanzen und Steinen beschäftigte; seine Beobachtungen verschriftlichte er für die Nachwelt. Einige Jahrhunderte später beschäftigte sich der durch seine Koranexegese berühmte Diplomat, Journalist und Gelehrte Muhammad Asad (gest. 1992) mit der Welt und Schöpfung. Asad setzte sich bewusst auf seinem »Weg nach Mekka« den Gefahren einer Wüstenreise aus, auf der Suche nach Gottes Nähe und menschlichen Begegnungen. Die Beschäftigung mit dem Sein in der Welt zeigt sich auch in der Kunst etwa als eine Form des stillen Nachdenkens, wo der Gestalter seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringt und diese ebenso beim Betrachter auslöst. Reisen und Kunst sind besondere Bereiche des Lebens. Doch wie sieht es mit dem alltäglichen Leben heute aus? Mit welchen Gefühlen werden Klimawandel und globale Veränderungen wahrgenommen? Wie gehen Muslim:innen mit Zukunftsangst (Eco-Anxiety) um? Und spielt die Religion hierbei eine Rolle? Nicht nur in der Kunst, sondern auch im Alltagshandeln und -denken ist bei vielen Menschen heute die Auseinandersetzung mit der Natur ein wichtiges Thema. Aufschlussreiche Gedanken über die individuelle Beziehung zur Natur und die Verantwortung hinsichtlich aktueller Klimaentwicklungen äußern Moscheebesucher:innen in einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt. Die Interviewpartner:innen denken laut über die Natur nach, und sprechen über das Erkennen von Gottes Wunder in der Schöpfung. Das Bedürfnis, der Schöpfung nahe zu sein und sie zu schützen, wird von vielen der befragten Muslim:innen angesprochen und zeigt, dass die Sehnsucht nach der entfremdeten Natur Menschen auch heute begleitet.

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1. Entfremdung des Menschen und Kulturkritik Die moderne Lebensweise, Technologisierung und Digitalisierung im Speziellen, scheinen den Menschen immer mehr von seiner natürlichen Umgebung zu entfremden. Im Jahr 2050, so wird prognostiziert, werden 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben 6 und damit der Kontakt zu Flora und Fauna noch mehr eingeschränkt, während Klimawandel und Umweltverschmutzung weiter ihren Lauf nehmen.

1.1. Der Mensch in der Welt und seine Entfremdung Während der moderne Mensch sich immer mehr in geschlossene oder gar unwirkliche virtuelle Räume zurückzieht und sich so von seiner Mitwelt entfremdet, nimmt seine Sehnsucht nach der Natur zu. Eine Entfremdung 7 von einer guten alten Zeit im Einklang mit der Natur, so scheint es. Charles Le Gai Eaton sieht in der Aufklärung eine Ursache für die Entfremdung des Menschen, denn Technologisierung und die wachsende Schwäche im Glauben würden die Zerstörung der Natur mitverursachen. Der Glaube und Naturschutz wären eng miteinander verbunden. Es bedürfe »[…] einer Nähe der natürlichen Welt, die in unserer Zeit ungewöhnlich ist, und der Mensch, der vollkommen gleichgültig ist der Natur gegenüber, ist demjenigen sehr ähnlich, der taub für den Koran ist; nicht nur ist er von der Welt um ihn herum getrennt, sondern ist auch unvermeidlich in sich gespalten.« 8 Seyyed Hossein Nasr sieht einen Ursprung der Naturentfremdung darin, dass der Mensch nun nicht mehr auf spirituellem Wege den Himmel sucht, sondern tatsächlich in die Realität umsetzen möchte, indem er auf andere Planeten reisen will. Dieses Bestreben wird durch einen abnehmenden Gottesglauben, der durch einen zunehmendem

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Rudnicka, J. (2021): Prognose zum Anteil der Bevölkerung in Städten weltweit bis 2050. Aus: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37084/umfrage/ anteil-der-bevoelkerung-in-staedten-weltweit-seit-1985/ [abgerufen am 26. 11. 2021]. 7 Zum Naturbegriff und zur Entfremdung vgl. Kowanda-Yassin: Mensch und Naturverständnis im sunnitischen Islam, S. 24–47. 8 Le Gai Eaton: Der Islam und die Bestimmung des Menschen, S. 169.

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Technikglauben ersetzt werde, weiter gefördert. 9 Um die Menschheit zu bewahren und nicht selbst zu einer Maschine zu werden, müsse der Mensch die Transzendenz behalten: »To be at peace with earth one must be at peace with heaven.« 10 Und Nasr ist überzeugt: »In order then to discover the deep causes of contemporary problems we are forced to return to the beginning and to consider those causes, both intellectual and historical, which still exist today.« 11 Natur sei für den Menschen eine Quelle für das spirituelle Leben, schaffe eine Verbindung zum Paradies und bringe das Glück, nach dem der Mensch immer strebt, so Nasr. 12 Alija Izetbegovic, bosnischer Politiker und Philosoph (gest. 2003), kritisiert, dass der Mensch zunehmend den Kontakt zu Tieren als Geschöpfe Gottes verliere. 13 Durch die Zivilisation ist eine Verbrauchermentalität entstanden, die »die Hinwendung zu der Religion und jegliche Hinwendung zu einem Wertesystem« schwächt, ist Izetbegovic überzeugt. 14 »Fern davon, der Sinn unseres Lebens zu sein, könnte die Zivilisation eher ein Teil der Sinnlosigkeit unserer Existenz sein. Die Unmöglichkeit einer Wahl, diese fatale Eigenschaft der Zivilisation, zeigt sich nirgendwo so deutlich wie in der Machtlosigkeit […], den mit Schrecken erfüllten Rhythmus, mit dem gerade der zivilisierte Teil der Menschheit die natürlichen Lebensbedingungen in der eigenen Umgebung vernichtet, aufzuhalten. Das ist der Konflikt zwischen dem mechanischen und dem organischen, dem künstlichen und natürlichen Prinzip im menschlichen Leben.« 15

Die Wiederentdeckung der Natur als Quelle des Glücks und der Spiritualität kann Heilung für die Orientierungslosigkeit des modernen Menschen bringen, ist Nasr überzeugt: »There is a need to rediscover virgin nature as a source of truth and beauty in the most strict intellectual sense and not merely in the sentimental one. Nature must be seen as an affirmation and aid in the spiritual life and even a means of grace rather than the obscure and opaque reality it has become to be considered. It must once 9

Vgl. Nasr: Man and Nature, S. 13 f. Ebd. S. 14. 11 Ebd. S. 53. 12 Vgl. ebd. S. 118. 13 Vgl. Izetbegović, A.: Islam zwischen Ost und West. Aus dem Bosnischen von Rijad Dautović. Wien 2014, S. 91. 14 Vgl. ebd. S. 129. 15 Ebd. 10

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again become a means of recollection of Paradise and the state of felicity which man naturally seeks.« 16

Auch für Charles Le Gai Eaton ist die Natur von unschätzbarem Wert für den Glauben des Menschen. Um Orientierung in dem »technischem Milieu«, von dem der Mensch umgeben ist, zu finden, »[…] braucht der Muslim den Koran, aber er braucht auch seine Ergänzung, die Offenbarung, die in den Naturphänomenen geschrieben steht: […]«. 17 Und Gottes Schaffen ist vor allem durch Betrachtung der Mitwelt zu erkennen: »[…] Durch das eigensinnige Festhalten am Prinzip des ›Sichtens‹ [des Mondes, um den Beginn des Fastenmonates festzustellen, Anm.] demonstrieren die Muslime […] ihr Bewusstsein davon, dass die ›Zeichen‹ Gottes eher in unserer Naturerfahrung als in unseren Gedankenprozessen gefunden werden können.«. 18 Die Bedeutung der Natur für den Menschen, so stellte die amerikanische Forscherin Anna M. Gade in Feldforschungen fest, wird in indonesischen Gemeinschaften bewusst gemacht, wenn durch EcoDhikr Gottes Schöpfung gedacht oder die Wichtigkeit der Sachwalterschaft des Menschen in Freitagspredigten betont wird. 19 Izetbegović betont, dass der Mensch danach streben soll, sein Menschsein in der Welt zu begreifen. Askese ist für ihn ein wertvolles Instrument, um die Verbindung zwischen biologischem Sein und bewussten Entscheidungen herzustellen, jedoch nur in dem Ausmaß, dass sie das menschliche Verlangen nach Sozialkontakten und Genuss nicht zu sehr einschränkt. Der Islam strebt nicht danach, die Eigenschaften im Menschen, die nicht seiner Natur entsprechen, zu fördern. Er strebt nicht danach, uns zu Heiligen […] zu machen, da eine solche Forderung illusorisch ist. Er will uns zu dem machen, was wir sind – Menschen. Auch wenn er eine Art Askese kennt, trachtet der Islam überhaupt nicht danach, das Leben, die Gesundheit, den Intellekt, die Geselligkeit, das Streben nach Glück und Genuss zu vernichten. Diese Askese ist vor allem dazu da, […] um die Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Blut und Geist, zwischen animalischen und ethischen Bestrebungen zu ermöglichen.« 20 16

Nasr: Man and Nature, S. 118. Le Gai Eaton: Der Islam und die Bestimmung des Menschen, S. 170. 18 Ebd., S. 170 f. 19 Vgl. Gade, A. M.: Muslim Environmentalism. Religious and Social Foundations. New York 2019, S. 222. 20 Izetbegović: Islam zwischen Ost und West, S. 299. 17

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Durch dieses Gleichgewicht zwischen Blut und Geist kann der Mensch über seine eigene Natur auch die Natürlichkeit erfahren. Gleichzeitig wird ihm dadurch bewusst, was ihn von den anderen Geschöpfen unterscheidet: Der Mensch ist dazu verpflichtet. Verantwortung zu übernehmen und ein ganzes, vollständiges Leben zu leben, denn er ist ein gesellschaftliches Wesen, das fehlerhaft ist, aber zu Höherem streben kann. 21

1.2. Zum Begriff der Entfremdung – Ein romantisierter Zugang? Wenn heute immer wieder betont wird, dass der Mensch den Kontakt zu seiner Mitwelt verloren hätte, stellt sich die Frage, ob es früher besser oder anders war? Haben die Menschen sich in der »guten alten Zeit« tatsächlich an die natürlichen Begebenheiten angepasst und sich rücksichtsvoll gegenüber der Mitwelt verhalten? War dies eine bewusste Entscheidung oder war dies eine andere Zeit unter anderen Voraussetzungen, eine Zeit, in der der Mensch der Natur stärker ausgeliefert war? Der Begriff Entfremdung bringt eine Verklärung der Vergangenheit mit sich und idealisiert vergangene Zeiten. Entfremdung ist ein diskursiver Begriff, denn er impliziert, dass der Mensch früher mit der Natur enger verbunden war als heute. Diese Kulturkritik nimmt zu, befeuert durch Zukunftsängste in einer Welt, in der sich das Klima verändert. Im Diskurs wird diese Romantisierung kritisch betrachtet, denn Natur wird als ein Gegenkonzept zu Kultur konstruiert. In einem Sinne ist Natur »[…] das Gegenteil des Seinsbereiches […], dem der Mensch sich im Kern seines Wesens zugehörig fühlt. Natur ist […] das Gegenteil von Geist, von Kultur, Kunst und Technik; in ihr gibt es weder Freiheit noch Geschichte […], ein geringer wertiger Seinsbereich […] und stehe damit eben der Beherrschung und Ausnutzung […] offen. […] In einer Reaktion hierauf und gewissermaßenzum Ausgleich wird Natur in einem anderen Sinne […] als der – gegenüber dem Menschenwerk der Kultur – höherwertige Seinsbereich aufgefasst. Der Bürger, der […] an den Folgen einer ›Entfremdung‹ von der Natur leidet, entwickelt den Traum von einer ursprünglichen ›guten Natur‹ […] in urtümlichen Landschaften, […] in historischer 21

Vgl. ebd., S. 293 ff.

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Rückprojektion als ›Naturzustand‹ des Menschen. […] Beide Wertehaltungen entspringen derselben Grundauffassung der Natur als Gegenwelt.« 22

Natur als Gegenwelt impliziert, dass der Mensch ihr gegenübersteht und das Verständnis einer Natur als Mitwelt, zu der der Mensch gehört, wird ausgeschlossen. »Das Bedürfnis zwischen Natur und Nicht-Natur zu unterscheiden ist erst in der Moderne aufgekommen. […] so kann […] in modernen Kulturen die Frage nach Natur in der Zukunft wohl weiter an Bedeutung zunehmen, und das in dem Maße, in dem die Natur zurückgedrängt wird.« 23

Mit dem Wunsch, sich der Natur wieder anzunähern, werden Vorstellungen der Natur idealisiert, denn das wonach der Mensch sich sehnt, hat oft mehr mit Ästhetik zu tun als mit Ökologie. Heiland unterscheidet zwischen »ästhetisch ansprechend« und »ökologisch intakt«. 24 »Insekten werden als lästig und ekelig gesehen, während ein Schmetterling oder ein Vogel als ästhetisches Tier empfunden wird und das Bedürfnis im Menschen weckt, es zu schützen.« 25 Es geht um eine subjektive Wahrnehmung angenehm empfundener Natürlichkeit, aber nicht unbedingt um Biologie. Ein Regenwurm, der für die Gesundheit der Erde wichtig ist, wird mit weniger Begeisterung betrachtet als eine blühende Löwenzahnwiese, obwohl letztere eher auf eine Monokultur hinweist als auf eine ökologisch intakte Wiese. 26

2. Die Sehnsucht nach der Welt Da in diesem Artikel der Kontakt von Mensch und Natur über einen emotionalen Zugang diskutiert wird, werden im Folgenden Reisende und Künstler:innen vorgestellt. Reisen sind ein ausgezeichnetes Mittel, um die Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen und so mehr über

22

Großklaus: Einleitung, S. 8. Brenner, A.: UmweltEthik. Ein Lese- und Lehrbuch. Freiburg (Schweiz) 2008, S. 90. 24 Heiland, S.: Naturverständnis. Dimensionen des menschlichen Naturbezuges. Darmstadt 1992, S. 7 f. 25 Kowanda-Yassin: Mensch und Naturverständnis im sunnitischen Islam, S. 30. 26 Heiland: Naturverständnis, S. 7 f. 23

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die Schöpfung – Menschen, Tiere, Pflanzen – zu erfahren und der Natur näher zu kommen. In der Geschichte gibt es zahlreiche Reisende, die sich auf die Suche machten, die Welt, die Natur und die Menschen kennenzulernen. Einige von ihnen haben der Nachwelt ihre Beobachtungen in schriftlicher Form hinterlassen, diese sind wertvolle Zeugnisse vergangener Zivilisationen. Die Sehnsucht nach der Welt und ihren Geschöpfen ist und war immer wieder auch eine religiöse Suche. Für Ibn Baṭṭūṭa und Muḥammad Asad, die in diesem Artikel weitere Erwähnung finden, war Mekka eines der wichtigsten Ziele. Im Folgenden werden diese zwei berühmten Reisenden aus unterschiedlichen Epochen vorgestellt. Ibn Baṭṭūṭa gilt als einer der am weitesten gereisten Muslim:innen, der über fremde Länder und ihre Vegetation berichtete, und somit ein eindrucksvolles Zeugnis damaliger Verhältnisse hinterließ. Mohammad Asad hingegen war ein Reisender, der seine Unternehmungen und Erlebnisse oft mit seiner Religion verband und die Natur in ihrer bezaubernden, aber auch zerstörerischen Seite als eine Erinnerung an Gottes Allmacht ansah. Ihre Erlebnisse beschrieben Asad und Ibn Baṭṭūṭa anschaulich für die Nachwelt. Reisen in die Welt der Mineralien, der Fauna und Flora im übertragenen Sinne unternahm al-Qazwini, der seine Beobachtungen genau beschrieb und sie immer wieder mit Koranversen in Verbindung setzte. Anschließend werden in diesem Kapitel Beispiele aus der islamischen aber auch christlich geprägten Kunst angeführt. In der islamischen Kunst sind der Mensch und die Mitwelt ein zentrales Thema, Pflanzen und Tiere sind häufig wiederkehrende Motive. In der Darstellung spiegelt sich die Romantisierung der Natur wider. Aktuelle gesellschaftliche Diskurse zu Umweltverschmutzung sind hingegen vor allem in zeitgenössischen Kunstwerken erkennbar. Kunst spielt mit den Emotionen der Betrachter:innen und ruft Gefühle hervor. Durch Bilder werden Gedanken und Fragen angeregt und so den Betrachter:innen ein bestimmtes Thema näher gebracht. Um zu veranschaulichen, wie vielfältig Mensch und Natur bildlich dargestellt werden, werden im Folgenden Beispiele aus der islamisch und christlich geprägten Kunst angeführt. Beispielsweise persische Miniaturmaler wie Reza Abbasi (gest. 1635) oder Kamaleddin Behzad (gest. 1535) bildeten Tiere ab, die für bestimmte Symbole standen. Aus der osmanischen Zeit sind vor allem Tulpen nicht wegzudenken. 127 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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2.1. Weltenreisende: al-Qazwini, Ibn Baṭṭūṭa, Muḥammad Asad Einer der berühmtesten Reisenden der islamischen Welt ist Ibn Baṭṭūṭa. Auf seinen Reisen von Marokko bis China, die insgesamt 29 Jahre dauerten, zeigte er sich offen gegenüber anderen Kulturen. Auch wenn ihm manche Gebräuche missfielen, folgte er seiner Neugier, um die Welt und ihre Menschen zu erkunden. Durch sein diplomatisches Geschick gelang es ihm immer wieder in die Nähe der Herrschenden zu kommen. Nicht selten wurde er mit einer Stelle betraut, die es ihm ermöglichte, länger in der Gegend zu verweilen. Auch wenn er so manche lebensgefährliche Situationen erlebte und der Gewalt von Herrschenden und Natur nur knapp entging, ließ er sich nicht davon abbringen, immer weiter in die ihm unbekannte Welt einzudringen. In Delhi wurde seine Reise ihm fast zum Verhängnis, er hatte durch eine unerwünschte Freundschaft den Unmut des brutalen Herrschers Tughluq auf sich gezogen 27 und entkam auf seiner Flucht nur knapp dem Tod: Ibn Baṭṭūṭa konnte aufgrund eines Sturmes das Schiff, das ihn von Indien nach China bringen sollte, nicht besteigen und blieb alleine im Hafen zurück. Kurz darauf sank das Schiff und es gab keine Überlebenden. 28 Trotz dieser erschreckenden Erlebnisse blieb Ibn Baṭṭūṭas Neugier ungebremst. Er bestaunte auf seinen Reisen besonders die Natur, in Jakarta (Indonesien) beispielsweise bewunderte er Zimtbäume, Reisfelder und Wasserfälle, sah Rubine und Saphire, die aus den Minen geholt wurden. 29 Für damalige Verhältnisse muss die Andersartigkeit von Tieren, bspw. eines Elefanten, überwältigend gewesen sein. Das ausgesprochen gute Gedächtnis, das Elefanten nachgesagt wird, beeindruckte Ibn Baṭṭūṭa besonders. Beispielsweise faszinierte ihn die Erzählung von Elefanten, die für den Transport genutzt wurden und die sich trotz der Fügung unter den Menschen mit großer Kraft wehrten, wenn eines ihrer Jungen geschlachtet wurde: »(…) wenn sie gereizt werden, können sie auch zurückschlagen – sie vergessen nichts (…). Die Nahrungs27

Vgl. Follath, E.: Jenseits aller Grenzen. Auf den Spuren des großen Abenteurers Ibn Battuta durch die Welt des Islam. München 20162, S. 330. 28 Ebd., S. 373–374. 29 Vgl. ebd., S. 407.

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vorräte gingen zu Ende, in ihrer Not schlachteten die Männer einen jungen Elefanten (…). Die übrigen Elefanten (…) trampelten die Männer zu Tode.« 30 Ibn Baṭṭūṭa beschreibt das Sozialverhalten von Affen und ihr »Familienleben«, Berichte, die aus einer Mischung von Legenden und Beobachtungen bestanden. 31 Die Reise nach Mekka war für Ibn Baṭṭūṭa ein religiöser Höhepunkt 32, das einzige Ziel, bei dem seine Religiosität auf der »rihla« (arab. Reise) sichtbar wird. Ganz anders der Kosmograf al-Qazwini, der sich in ʿAǧā’ib almaẖlūqāt wa ġarā’ib al-mawǧūdāt (Die Wunder des Himmels und der Erde) eingehend mit Naturphänomenen, Tieren und Pflanzen beschäftigte und sie in Verbindung mit seinem Glauben brachte. 33 Die Betrachtung der Natur beweise die Wunder des Schöpfers: »Da war ich fasziniert von der Betrachtung der Wunderdinge, die Gott der Erhabene in Seinen Werken schuf, und der Merkwürdigkeiten, die Er 34 in seinen Schöpfungen hervorbrachte. Darauf weist nämlich Gott – gelobt sei Er – hin, wenn Er spricht. »Sehen sie denn nicht zum Himmel über ihnen, wie Wir ihn erbauten und schmückten, und wie er keine Risse hat?« [Koran 50:6] 35

Al-Qazwini weist auf den Unterschied zwischen Mensch und Tier hin und schildert sein Gottesverständnis: Mit dem ›Betrachten‹ ist nun nicht gemeint, dass man die Pupille des Auges dorthin wendet, denn das haben die Tiere mit den Menschen gemeinsam. Wer nämlich vom Himmel nichts anderes sieht als seine blaue Farbe […], der steht mit den Tieren auf gleicher Stufe. […]. Gemeint ist mit dem »Betrachten« vielmehr das Nachdenken über das Begreifbare, die Erforschung des durch die Sinne Erfassbaren, das Ergründen seiner Gesetze und seiner Veränderungen, um dadurch ihr eigenes Wesen ans Licht zu bringen. […]. Wann immer nur der Einsicht suchende die Dinge mit seinem ganzen Vermögen zu ergründen versucht, wird er durch Gott mehr rechtes Geleit erfahren […].« 36 30

Vgl. ebd. Vgl. ebd. 32 Vgl. ebd., S. 131–139. 33 Vgl. al-Qazwini: Die Wunder des Himmels und der Erde. Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von A. Giese. Stuttgart/Wien 1986, S. 21 u. S. 126. 34 Als Ausdruck der Hochachtung werden in religiösem Zusammenhang häufig Pronomen, die für Allah verwendet werden, großgeschrieben. 35 Ebd., S. 21 f. 36 Ebd. 31

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Diese religiöse Sichtweise wechselt sich mit Sachinformationen, Gedichten und Anekdoten, entsprechend dem Stil seiner Zeit ab. 37 Er hält seine Beobachtungen und Gedanken in den Kapiteln fest: Die Verwunderung, geschaffene Dinge, Sonderbares, existierende Dinge und die oberen Gefilde (Himmelskreise, Bewegungen …). In den unteren Gefilden werden die Elemente, die Erde, und die Lebewesen (Menschen, Dschinnen (sic.), Tiere, Lebewesen seltsamer Gestalt) beschrieben. Das Wesen des Menschen mit seiner vernunftbegabten Seele, der Charaktereigenschaften, die Erzeugung des Menschen und der menschliche Körper werden beschrieben und auch hier mit Koranversen und Überlieferungen untermauert. 38 Teilweise hatte er phantastische Vorstellungen, die mit wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar sind, beispielsweise sein Glaube an die Existenz von Wassermännern. Oft jedoch formulierte er mit einer außergewöhnlichen Prägnanz seine Beobachtungen: »Es wird berichtet, dass Gott der Erhabene in einer bestimmten Gegend die Lebewesen und Pflanzen in harten Stein verwandelte.« 39 Er beschrieb Korallen als Gewächse und unterschiedliche Steine, »(…) die hart sind und niemals durch die Einwirkung von Feuer schmelzen, jedoch mit der Axt zerbrochen werden können, (…) und solche, die aus weicher Erde bestehen und sich im Wasser auflösen (…)«. 40 Al-Qazwini brauchte auch biologische Vorgänge in Verbindung mit dem Glauben: »Zu den Wundern dessen aber, was Gott der Erhabene hervorgebracht hat, gehört es, dass das Korn und der Kern – wenn sie sich in feuchter Erde befinden und sie die Wärme der Sonne trifft – sich spalten und durch die Kraft, welche Gott der Erhabene in ihnen erschuf, die feinen Erdteile aus der Erde und Wasserteile aus dem Wasser herausziehen […] bis das Korn zu einer vollständigen Pflanze geworden ist, die eine Wurzel und Zweige und Blüten hat.«. 41

Al-Qazwinis Werk ist für Brockelmann die »wertvollste Kosmographie der islamischen Kultur« 42, in der al-Qazwinis Beobachtungsgabe, au37 38 39 40 41 42

Ebd., S. 13. Vgl. ebd., S. 147–174. Ebd., S. 120. Ebd., S. 121. Vgl. ebd., S. 124. Ebd., S. 11.

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ßergewöhnliches Interesse an der Natur in Verbindung mit seiner Religiosität zum Ausdruck kommen. Ein Reisender der neueren Zeit ist der berühmte Diplomat, Journalist und Gelehrte Muḥammad Asad. Asad setzte sich auf seiner Reise durch die islamische Welt bewusst den Gefahren einer Wüstenreise aus, auf der Suche nach Gottes Nähe und menschlichen Begegnungen und hielt seine Beobachtungen in Der Weg nach Mekka 43 fest. Asad ließ sich mit seinem Begleiter Zayd auf ein Abenteuer ein, das ihm die Gewalt und Schönheit der Natur verdeutlichte. Er entschloss sich – nach einigen bürokratischen Schwierigkeiten – zu Fuß von Haifa nach Damaskus zu gehen und »[…] sich auf die Gastfreundschaft der arabischen Dörfler zu verlassen« 44, denn er war auch »begierig danach, die Menschen und ihre Umgebung kennenzulernen.« 45 Ein großes Vertrauen in die Menschen zeigt sich hier und wie sich herausstellte, mit guter Begründung, denn Asad fand offene Türen und durfte die Schönheit der Wüste erleben: »Endlos ist dieser Weg zwischen den Dünen. Am Abend kochen wir […] Gazellen – oder Hasenfleisch, […] kühler Windhauch streicht über unsere Körper, als wir nachts im Sande liegen; Sonnenaufgänge über den Dünen, rot und gewaltsam wie Feuerwerk berstend; […].« 46 Auch Asad entging mehrmals knapp dem Tode, etwa als er für seinen verletzten Freund Hilfe holen wollte und den Weg in der Wüste aufgrund eines Sandsturmes verlor. Tagelang irrte er ohne Nahrung und Wasser umher, bis er schließlich gerettet wurde. 47 Seine Beschreibungen sind ergreifend, menschlich und doch voller Geduld, Bewunderung und Gottesvertrauen. In dem Moment, wo er sich dem Tode nahe fühlte, erinnerte er sich an einige Worte der Offenbarung: »Wahrlich, wir werden dich durch Angst und Hunger […] prüfen. Verkünde jedoch eine frohe Botschaft denen, die standhaft bleiben und, wenn Unheil sie befällt, sich sagen: ›Fürwahr, wir gehören Gott an, und zu Ihm ist unsere Wiederkehr […]‹« [Koran 2:155]. 48 Das dramatische Erlebnis 43

Asad, M.: Der Weg nach Mekka. Düsseldorf 2009. In diesem Werk beschreibt er auch seine Pilgerfahrt und seine Lebensgeschichte. 44 Ebd., S. 147. 45 Ebd., S. 253. 46 Ebd., S. 25. 47 Vgl. ebd., S. 37–48 u. S. 51. 48 Ebd., S. 45.

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im Sandsturm tat seiner Faszination an der Natur keinen Abbruch. Immer wieder beschrieb er die faszinierende Umgebung. Einen Gewaltmarsch nach Damaskus, der ihn besonders die Feindseligkeit der Wüste spüren ließ, nahm er als wertvolle Wüstenerfahrung wahr: »[…] Elf Stunden […] felsige Berge, tiefe Schluchten, ausgetrocknete Flussbette […], schwarze scharfkantige Lavabrocken […] bis auf einmal Damaskus inmitten eines Baummeeres erschien.« 49 Die Leere der Wüste schuf für Asad Raum für die innere Einkehr. Asad sah dies als eine Erfrischung des Geistes, eine Möglichkeit, sich auf den Glauben und die Hingabe zu Allah ganz einzulassen: »Die Wüste ist nackt und leer und rein, und weiß nichts von Kompromissen. Sie fegt aus dem Herzen des Menschen all die lieblichen Phantasien, die seinen Wunschträumen als Masken dienen könnten, und macht ihn dergestalt frei, sich in einem bildlosen Absoluten hinzugeben, in welchem das Allerfernste mit dem Allernächsten widerspruchslos vereint ist.« 50

Die Natur und andere Kulturen sind für Reisende großartige Lehrmeister, die tiefe Eindrücke hinterlassen und oft eine Demut gegenüber der Schöpfung bewirken.

2.2. Künstlerische Auseinandersetzungen Reisen sind die intensivste Auseinandersetzung mit dem Fremden. Der/die Reisende begibt sich mit seiner ganzen Existenz in eine völlig neue Umgebung und erfährt dadurch Neues in einer ganzheitlichen Form. Die Kunst hingegen regt eine gedankliche Reise an und begleitet mit ihren Darstellungen Betrachter:innen oft noch lange, ihre Fragen und Bilder beschäftigen Betrachter:innen und fließen vielleicht sogar in die eine oder andere Diskussion ein. Die Beschäftigung mit dem Sein in der Welt, der Existenz der Mitwelt und der Natursehnsucht zeigt sich auch in der Kunst, etwa als eine Form des stillen Nachdenkens, wo die Gestaltenden ihre Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen und diese ebenso beim Betrachter auslösen. Durch eine Romantisierung verleihen die Kunstschaffenden 49 50

Ebd., S. 155. Ebd., S. 181.

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ihrer eigenen – oder gesellschaftlich – empfundenen Sehnsucht Ausdruck und bilden die Welt aus ihrem Blickwinkel ab. Persische Künstler:innen, beispielsweise Reza Abbasi oder deutsche Künstler wie Caspar David Friedrich (gest. 1840), verwendeten den Menschen mit und in der Natur als eines ihrer zentralen Motive. In gestalterischer Form setzten sie sich mit dem menschlichen Dasein und in seiner Beziehung zur Mitwelt und zur Natur auseinander. Pflanzen sind in der islamischen Kunst wichtige Motive, in den unterschiedlichsten Formen finden sich ihre Blüten als Verzierung von Koranseiten, auf Teppichen, Kleidungsstücken, Fliesen, Keramik oder auch Säbelgriffen der unterschiedlichsten Epochen und Orte. In der Tulpenzeit im frühen 18. Jahrhundert – ihr Name ist zurückzuführen auf die Zeit, als die osmanische Elite Tulpen züchtete und ausstellte – wurde die Tulpe eines der beliebtesten Motive in der osmanischen Kunst. 51 In der persischen Minitaturmalerei und bei Künstlern wie Reza Abbasi oder Kamaleddin Behzad sind Pflanzen, Bäume und Tiere präsent. In der indischen Kunst sind häufig Löwen, Raben, Eulen und Rehe, die Fabeln erzählen oder eine Symbolfigur darstellen, abgebildet. 52 Oft als Umrahmung von historischen Szenen mit Darstellungen von Herrschern und wichtigen Persönlichkeiten wird die ganze Farbenpracht der Natur abgebildet. 53 Islamische Ornamente mit Blumen und Blättern finden sich bis heute in der Zacherlfabrik im 19. Bezirk in Wien, der damalige Fabrikbesitzer Johann Evangelist Zacherl ließ sie anfertigen. 54 Bis heute sind Blüten, Blätter und sich rankende Pflanzenstängel dominante Motive, sie zieren Gebetsteppiche und 51

Vgl. Nicolle, D.: Die Osmanen. 600 Jahre islamisches Weltreich. Wien 2008, S. 126–139; Wilkinson, P.: Der Islam. Geschichte, Glaube und Gesellschaft. Aus dem Englischen von C. Panzacchi. Hildesheim 2003, S. 34 f. u. S. 40–45. 52 Vgl. Canby, S.: Iran und Zentralasien. Die Safawiden, in: Schätze des Aga Khan Museum. Meisterwerke der islamischen Kunst. Hg. v. Benoit Junod u. Verena Daiber. Berlin 2010, S. 191–228. 53 Vgl. Lukonin, V., Ivanov, A.: Die Kunst Persiens. New York 2017; Welch, S. C.: Persian Paintings. Five Royal Safavid Manuscripts of the Sixteenth Century. New York 1976. 54 Sein Vater Johann Zacherl (1418–1888) hatte auf seinen Reisen in den Kaukasus die Wirksamkeit einer Chrysanthemenart als Insektenpulver entdeckt, das dann in der besagten Fabrik produziert wurde. Vgl. Die Moschee in Döbling, in: Ostarrichislam. Fragmente achthundertjähriger gemeinsamer Geschichte. Hgg. v. A. Shakir, G. Stanfel u. M. Weinberger. Wien 2012, S. 163–167.

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-kleidung, auch wenn diese mittlerweile meist ein Massenprodukt Made in China sind. In der Ausstellung Fragile Schöpfung 55 wurden aktuelle Fragen zu Klimawandel künstlerisch aufbereitet. Moderne und klassische Kunstwerke – meist christlich geprägt – wurden präsentiert und in einen ökologischen Zusammenhang gesetzt. Caspar David Friedrich hielt als Vertreter der romantischen Kunstrichtung die Naturverbundenheit, den Menschen und seine Umwelt in seinen Malereien fest. Sein Gemälde Uttewalder Grund (ca. 1825) ist ein legendäres Werk von ihm, das die Natur in ihrer Unberührtheit darstellt. Ein Wald und ein Wasserfall sind vom nächtlichen Mond beschienen und ein kleiner Mensch steht da, in Betrachtung versunken. Im kunstgeschichtlichen Entstehungskontext gesehen, wird hier die Sehnsucht nach der Unberührtheit der Natur dargestellt, in einer Zeit (19. Jahrhundert), als der Mensch sich durch die zunehmende Industrialisierung von der Natur entfernte: »[Natur] ist nicht mehr erhabenes oder furchteinflößendes Schauspiel, sondern ein ganz und gar fremder Ort, zu dem kein Zugang gefunden werden kann.« 56 Im Kontext der Ausstellung Fragile Schöpfung rückt der Umgang des Menschen mit den Pflanzen in den Blick. Das moderne Werk Discipline and Punish (Michèle Pagel, 2016) hat keinen religiösen Bezug und stellt die menschliche Bedrohung und Gewalt gegenüber der Natur in den Vordergrund. Das genannte Kunstwerk von Pagel schafft mehrere Betrachtungszusammenhänge. Zu sehen ist ein Ausschnitt eines Drahtzaunes, in den ein abgeschnittener Ast verwachsen ist. Pagel bezieht sich auf Foucaults Studie Überwachen und Strafen, in der erinnert wird, dass unter anderem in Schulen das Abweichen von der Norm bestraft wird. 57 Die Züchtung eines Bäumchens, das der menschlichen Eingrenzung durch einen Zaun widersteht und mit dem Draht verwächst, ist hier das Sujet. Der Mensch verhindert den Drang des Astes, weiterzuwachsen und bricht ihn schlussendlich, indem der Ast abgeschnitten wird. Doch mit dem Kunstwerk hat der 55

Ausstellung im Dom Museum Wien (01. 10. 2020 bis 03. 10. 2021). Aus: https://dommuseum.at/fragileschoepfung_information [26. 11. 2021]. 56 Schermann, N.: Werktext, in: Fragile Schöpfung. Katalog zur Themenausstellung des Dom Museum Wien. Hg. v. J. Schwanberg. Wien 2020, S. 325. 57 Vgl. ebd., S. 189.

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Baum das letzte Wort, denn sein Schicksal wird durch das Werk der Öffentlichkeit präsentiert und stößt so manche Diskussion über menschliche Gewalt an der Natur an. Diese große Bandbreite der Darstellung von Natur und Schöpfung in der Kunst zeigt, dass dies ein Thema ist, mit dem sich kulturell und religiös unterschiedlich geprägt Künstler:innen unterschiedlicher Epochen auseinandersetzen.

3. Wachsendes Umweltbewusstsein und Schöpfungsliebe Ein Forschungsprojekt an einer Wiener Moschee Künstler:innen und Reisende versuchen auf ihre Weise, die Natur kennenzulernen und anderen Menschen ihre Erfahrungen und Gedanken näher zu bringen. Sie setzten sich bewusst mit dem Thema auseinander. Doch wie verhält es sich mit Menschen im heutigen Alltag, die täglich mit Schreckensmeldungen über den Klimawandel konfrontiert werden? Die neuen Herausforderungen betreffend Klimawandel und Umweltschutz beschäftigen heute viele Menschen und im Speziellen auch Muslim:innen. 58 Wie gehen sie mit der Tatsache um, dass der Mensch zerstörerisch in der Schöpfung wirkt und die Folgen bereits eindeutig spürbar sind? Wie erleben sie es als religiöse Menschen, die an den Tag der Abrechnung glauben und bei jeder Handlung hinterfragen (sollten), ob sie anderen schadet oder Nutzen bringt? Um diesen und weiteren Fragen nachzugehen, wurde in einem Forschungsprojekt zu Nachhaltigkeitsbestrebungen in Moscheegemeinden untersucht, welche Konzepte es gibt und wie Besucher:innen und Personal zum Klimaschutz stehen. Das Forschungsprojekt wurde von der Interdisziplinären Forschungsstelle Islam und Muslim: innen in Europa an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien am Beispiel einer Wiener Moschee in Triangulation qualitativ und quantitativ sequenziell durchgeführt. Von Interesse war, ob die Moschee als ein Ort gesehen wird, an dem Umwelt- und Klimaschutz thematisiert 58

Mehr zu Muslim:innen und Eco-Anxiety siehe Kowanda-Yassin, U. F.: Auf Allah sollen die Gläubigen vertrauen, in: Eco-Anxiety – Zukunftsangst und Klimawandel. Hgg. v. B. Rieken, R. Popp u. P. Raile. Münster/New York 2021, S. 223–238.

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werden sollte. Ebenso sollte erhoben werden, welche Einstellungen Besucher:innen und Personal zum Umweltschutz haben und ob sie umweltschützendes Verhalten im Alltag praktizieren. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring 59 und deskriptiver Statistik. Fünf Expert:innen des Moscheepersonals wurden mittels eines leitfadengestützten Fragebogens interviewt. An der anschließend durchgeführten Online-Umfrage unter Moscheebesucher: innen beteiligten sich 228 Personen. Auf Basis der Ergebnisse wurden drei Workshops – zwei davon in teilnehmender Beobachtung, einer wurde von der Autorin selbst gehalten – mit insgesamt 65 Kindern und Jugendlichen an der Moschee organisiert. 60 Das Projekt brachte neue Erkenntnisse für Umweltbildung und -management in der Moscheearbeit, und bot interessante Einblicke in die Gedankenwelt von Muslim:innen. Im Kontext dieses Artikels, der sich vor allem auf die Entfremdung und Sehnsucht des Menschen bezieht, werden Auszüge aus den Expert:inneninterviews, die mit dem Moscheepersonal durchgeführt wurden, angeführt. Da dieser Artikel den emotionalen Umgang mit Natur behandelt, werden im Folgenden Passagen vorgestellt, in denen Gefühle im Umgang mit der Natur angesprochen werden. Die Expert:innen beschrieben im freien Erzählmodus Freude über die Natur oder Trauer und Schuld bei ihrer Zerstörung. Ebenso wurden Naturerfahrungen als Quelle des Glücks angesprochen, wie auch die Sehnsucht nach einer intakten, gesunden Erde und die Verantwortung, diese Schöpfung zu bewahren.

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Mayring, P.: Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Denken. Weinheim/Basel 20025. 60 Näheres über das Projekt und weitere Ergebnisse vgl. Kowanda-Yassin, U. F.: Connecting Environmental and Religious Islamic Education – An Outline of How to Raise Awareness. Perspectives and Best Practice Examples, in: Middle East and North Africa. Climate, Culture, and Conflicts. Hgg. v. E. Ehlers u. K. Amirpur. Leiden/Boston 2021, S. 258–287. Kowanda-Yassin, U. F.: Klimaschutz in Moscheen. Umweltpädagogische und bauliche Entwicklungen, in: Kuckuck, Notizen zur Alltagskultur. 35 (2020) 2, S. 54–59.

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3.1. Emotionale Betrachtungen und Freude über Gottes Werk Aufschlussreiche Gedanken über die individuelle Beziehung zur Natur und die Verantwortung hinsichtlich aktueller Klimaentwicklungen äußerten Moscheebesucher:innen in dem 2020 durchgeführten Forschungsprojekt. Auch die Expert:innen beschrieben in den Interviews ihre Freude beim Betrachten von Gottes Werk, etwa während eines Spazierganges, und beschrieben ihre Sehnsucht nach einer intakten Welt. Das Bedürfnis, der Natur nahe zu sein und sie zu schützen, wurde immer wieder angesprochen und zeigt, dass die Sehnsucht nach der entfremdeten Natur Menschen auch heute begleitet. Im Folgenden werden einige Aussagen von Expert:innen angeführt, die im Rahmen der leitfadengestützten Interviews im Zusammenhang mit Umweltschutz aus persönlicher und religiöser Sicht fielen. Das Betrachten der Schöpfung wurde als glaubensstärkend wahrgenommen. Ein Interviewpartner fasste mehrere Bereiche zusammen: E5: »[…] Allah hat uns ja auch gesagt, sie ist ja auch für uns zum Staunen, zum Hinterfragen, um seine Zeichen zu sehen, […] um einmal innezuhalten und die Verbindung zu seiner Botschaft wieder herzustellen. Und dazu, dass er das alles erschaffen hat, damit wir an ihn denken, wenn wir es anschauen und darüber nachdenken. Somit ist das auch extra schützenswert.« Das Betrachten wirft auch Fragen über die eigene Bedeutung im Sein auf: E4: »[…] we just live and think we are important […]. I think maybe by Allah they [die Insekten, Anm. die Autorin] are more important than me […]. I do mistakes, […], but maybe these insects they never do things Allah dislikes, so they are maybe better servants of Allah than me, so I shouldn’t harm them […]. I should appreciate them, because for me appreciating things of this nature is like appreciating the beauty of Allah […], Allah is al-Dschamil, I see it in myself and in the nature […].« Diese Wertschätzung machte sich auch in der Freude bemerkbar, die Naturbeobachtungen mit sich bringen: E4: »[…] nature brings joy to me subhan Allah (Arab. »Gepriesen sei Gott«, Anm.) […]. Sometimes I go out of my house just to sit and observe everything and […] when I am seated I see so many insects and I can’t count them, the colours, the shapes, and I’m amazed […].« E5 beschrieb, wie sie bei ihren eigenen Kindern die Achtsamkeit zu wecken sucht: »[…] also immer, wenn wir draußen sind, […] sage ich zu 137 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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den Kindern: ›Schau was wir hier für ein Geschenk haben, das ist eine Oase der Entspannung und das muss ja nicht sein, dass wir die vermüllen oder einfach achtlos damit umgehen. Das geht auch bis dahin, dass man Blumen nicht unbedingt abpflückt und Tiere anschaut, statt sie zu zertreten, wenn sie da jetzt da kriechen […]‹«. Und ein Pädagoge E2 erzählte, wie er religiöse Umweltbildung mit seinen Schüler:innen außerhalb des Klassenzimmers leistet: »[…] ich gehe mit den Kindern zwanzig Minuten raus zur Donau […], weil ich der Meinung bin, dass die Kinder positive Erfahrungen sammeln müssen. Und ich glaube, diese Verbindung Natur, Gebetsraum, Bildung, das macht viel aus. […] Wir haben […] eine Wiese gleich um die Ecke, wir haben den Wasserpark, […], der auch sehr schön ist, […] das alles, können wir den Kindern vermitteln.« Ein anderer Interviewpartner schilderte, dass es ihm wichtig sei, im Moscheegarten Pflanzen und Bäume zu setzen, denn sie erfreuen Mensch und Tier: E3: »[…] that’s why I make it [Bäume zu setzen, Anm. die Autorin] […] so when they are grown up they have fruit and everybody can eat this will bring more aǧr [Belohnung, Anm. die Autorin] […] and the people they sit under the tree, they pray there and enjoy and are more happy. […]. The garden is important because it looks nice and we take care of it […]. There are […] flowers, plants and when the people they come from outside and they see the flowers, the plants then it’s more nice, they stand there and they take pictures (lacht) […].« Pflanzen zu setzen bringt besonders viel Freude und hat eine Vorbildwirkung: E1 schilderte: »[…] Wir haben einen kleinen Garten, […] gestern habe ich einen Baum gepflanzt […] und wir haben ein Beet mit Tomaten und Salat und Zwiebel. Meine kleinste Tochter ist sehr erfreut, wenn ich im Garten bin und ihn gieße […], sie beginnt es mir nachzumachen und hat eine Freude, dass sie im Garten ist, weil sie da naturnahe ist, sie mag es die Blumen zu betrachten und mit mir […] zu gießen.« Natur erfüllt ein Ruhebedürfnis, besonders auch im Zusammenhang mit der Moschee ein wichtiger Aspekt, um sich von dem Alltag zu lösen und ganz auf die Spiritualität einzulassen, wie E2 erklärt: »[…] das IZ [die Moschee, Anm. die Autorin] hat Gärten, es hat Bäume. […] ein Garten bringt eine Ruhe mit sich […] wo man die gute Luft genießen kann […].«

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3.2. Empathie, Ratlosigkeit und Verantwortungsgefühl Wenn Tieren oder Pflanzen Schaden zugefügt wird, mache sich Trauer und Schmerz bemerkbar. E4 erzählte: »[…] ich habe letztens eine Sendung über Brasilien, glaub’ ich, gesehen, wo die Leute Schildkröten gerettet haben, die ihre Beine dadurch, dass die Leute irgendwelchen Müll oder Netze [ins Meer, Anm. die Autorin] reinschmeißen, verloren haben. Die sind dann irgendwie hängengeblieben und manche sind gestorben, also wirklich, das hat mir das Herz, [bricht Satz ab, Anm. die Autorin]. Ich weiß nicht, manchmal denke ich: »Wie kann man helfen?« Mangelnde Alternativen sind eine Belastung für Befragte: E1 meinte: »[…] tut das auch irgendwie weh im Herzen […], dass der Markt nicht dementsprechend gestaltet ist und man nicht auf Verpackungsmaterial verzichten kann. Es wird oft unmöglich gemacht, dass man dieses Bewusstsein auch einhalten kann; da tut man sich schon ein bisschen schwer.« Und bei der Umfrage wurde in einem freien Antwortfeld angegeben: »Das Müllproblem – zum Beispiel Plastikmüll im Meer – macht mir fast am meisten Sorgen, ich habe große Gewissensbisse beim Wegwerfen.« Natur zu schützen und Zerstörung zu vermeiden wird als religiöse Verantwortung gesehen. E4 meint: »I believe as a Muslim you should never neglect nature because […] as Muslims we should not separate this from our faith, our life, because it is part of us.« In der Umfrage wird in den freien Antwortfeldern auch immer wieder auf die menschliche Verantwortung hingewiesen: »Der Klimawandel ist die Ursache unseres Versagens, auf die Erde aufzupassen«; »Wir wurden nicht erschaffen, um unseren Planeten zu zerstören, sondern um ihn zu beleben und nachhaltiger zu gestalten.«; »Die Erde ist unsere Gaststätte, wir müssen sie beschützen.« Insgesamt ist festzuhalten, dass Naturschutz ein Anliegen der Befragten in der beforschten Moschee ist, der in bestehende Konzepte integriert wird und umweltpädagogisch aufbereitet wird.

Zusammenfassung Wer den Diskurs um Klimawandel und Umweltschutz verfolgt, bekommt manchmal den Eindruck, dass es Zeiten gab, in denen der Mensch in einer intensiveren Verbundenheit mit der Natur lebte. »Zu139 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Ursula Fatima Kowanda-Yassin

rück zur Natur« ist ein schöner Spruch, der auf gewisse Bereiche wie die Ernährung zutreffen mag, doch die Vorstellung, dass Menschen einmal ganz im Einklang mit der Mitwelt lebten, ist eine romantisierte. Die Menschen waren immer bemüht, ihren Lebensstandard zu verbessern und sich ihre Umgebung dafür zunutze zu machen. In dem vorliegenden Artikel wurde das Thema von einer emotionalen Seite betrachtet. Wie nähern sich Menschen, die im islamischen Kontext leben oder sich als Muslim:innen sehen, der Natur und mit ihr der Schöpfung insgesamt? Hierfür gibt es unterschiedliche Zugänge, die eine sinnliche und/oder gedankliche Annäherung ermöglichen. Viele Weltenreisende haben und hatten durch ihre Abenteuer einen realistischen Blick auf die Mitwelt, in Bewunderung ihrer Schönheit und mit Respekt vor ihrer Gewalt. Denn Natur ist nicht nur entspannend und angenehm, sie kann bedrohlich und grausam sein. Ihre Schattierungen in Wetterphänomenen, in Flora und Fauna und in der Lebensweise von Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt machen diese Vielfalt erfahrbar. Durch diese Vielfalt haben Weltenbummler die Erde als wunderbares Werk Gottes erkannt und so ihren Glauben gestärkt. Auch in der Kunst ist die Sehnsucht nach der Mitwelt wie ein roter Faden erkennbar. Wie sich dieser Naturbezug gestaltet hängt von regionalen, globalen und historischen Zusammenhängen ab. Dass diese Nähe zu der Mitwelt heute besonders wichtig ist, um ihre Zerstörung und den menschlichen Anteil daran zu erkennen, bringen zeitgenössische Künstler:innen zum Ausdruck. In einem Forschungsprojekt an einer Moschee zeigt sich, dass sich heute viele Muslim:innen Gedanken um die Zerstörung der Erde machen. Sie sind bemüht, die immer größer werdende Distanz zur Natur durch die zunehmende Verstädterung auszugleichen, in dem sie bewusst die Nähe zu Pflanzen und Tieren suchen. Um einen Bezug zur Natur zu schaffen, ist es sinnvoll, die Schönheit aber auch die Gewalt der Natur zu kennen und zu respektieren. Zu akzeptieren, dass Menschen ein Teil der Mitwelt sind und jede Zerstörung sich in irgendeiner Form auf ihr Leben auswirkt. Wege zu finden, der Mitwelt zu dienen und mit ihr zu leben, ohne sie zu beschädigen, wird die große Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein. 140 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

II. Gespräche

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Gespräch mit Peter Adamson (Ludwig-Maximilians-Universität München) Zur Bedeutung der Tiere in der arabischislamischen Philosophie Asmaa El Maaroufi, Mansooreh Khalilizand In diesem Gespräch möchten wir uns der Frage nach dem ›Tier‹ widmen, welche nicht selten als die ›beunruhigende Frage der Philosophie‹ beschrieben wird. Herr Prof. Adamson: Sie sind Leiter eines Projekts, in dessen Rahmen Sie und Ihre Kolleg:innen sich mit der Bedeutung von Tieren in der arabisch-islamischen Philosophie auseinandersetzen. Dabei erforschen Sie, wie sich das Denken über Tiere insbesondere im Laufe der Zeit in der arabisch-islamischen Philosophie gewandelt hat. Eben an diesem Punkt wollen wir ansetzen und fragen: Was hat Sie, Herr Adamson, als Fachmann islamisch-arabischer Philosophie dazu bewegt, sich gerade mit den Tieren zu beschäftigen? Das Interesse an diesem Thema entstand im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Philosophen Abū Bakr ar-Rāzī (gest. 925). In seinem Werk Sīra al-falsafiyya lässt sich eine Passage finden, aus der die Begründung hervorgeht, weshalb man Tiere gut behandeln, u. a. nicht quälen oder überlasten, d. h. z. B. einem Esel nicht zu viel Gepäck aufbürden soll. Ar-Rāzī begründet diese Aussage relativ ausführlich. Zunächst hatte ich nur Interesse an einer Auseinandersetzung mit ar-Rāzī und habe einen entsprechenden Artikel 1 zu ihm und der Rolle der Tiere in seiner Philosophie verfasst. Dabei richtete sich mein Fokus auf die Frage, ob seine breitere psychologische Theorie als Fundament für die oben genannte Passage über die Tierethik dienen sollte. Obwohl das Ergebnis negativ ausfiel, beschäftigte mich das Thema weiterhin. Und es kam mir in den Sinn, auch bei anderen Philosophen – wie z. B. Ibn Ṭufayl (gest. 1185) – nach Textpassagen zu suchen, die das Thema der Tierethik aufgreifen. Im Anschluss daran habe ich einen weiteren 1

Adamson, P.: Abū Bakr al-Rāzī on Animals, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 94, 3 (2012), S. 249–273.

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Gespräch mit Peter Adamson

Artikel 2 über die Tierethik im Allgemeinen in der islamischen Philosophie verfasst. Der damalige Promotionsstudent Bethany Somma machte mich darauf aufmerksam, dass das Thema doch viel umfangreicher ist und schlug vor, es in ein Forschungsprojekt einzugliedern. Gemeinsam haben wir die Idee konzipiert und entwickelt, sodass hieraus das ERC-Projekt 3 entstand. Tatsächlich scheint das Thema der Tierethik in der Wissenschaft zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Auch im deutschsprachigen, populärwissenschaftlichen Kontext ist, spätestens seit Richard David Prechts Werk »Tiere denken. Vom Recht der Tiere und den Grenzen der Menschen«, das Interesse an Fragen zur Tierethik geweckt worden. Besonders oft wird dabei folgender Passus aus dem Werk von Precht zitiert, in welchem er von zwei Kategorien von Tieren spricht: Eine Kategorie der Tiere »glaubt, dass es zwei Kategorien von Tieren gibt, und die andere hat darunter zu leiden.« 4 Diese Aussage wirft die zu diskutierende Frage auf, mit der wir uns heute im Kontext der arabisch-islamischen Philosophie beschäftigen wollen und welche kaum in dieser kurzen Zeit beantwortet werden kann: Was ›das Tier‹ überhaupt sein soll? Sind es tatsächlich zwei Kategorien, wie wir annehmen? Das scheint doch, eine brisante Frage der Philosophie zu sein. Dies ist gewiss keine leichte Frage. Beginnen wir mit der arabischen Bezeichnung für Tier – ḥayawān – so liegt es zunächst nahe, dass dieser Begriff mit »lebendes Ding« übersetzt werden kann, da er mit dem Begriff ḥayy – »das Lebende« – verwandt ist. Dies entspricht auch der Übersetzung des griechischen Wortes zōon, das auch »lebendes Ding« bedeutet. Daher könnte man vermuten, dass das Tier alles ist, was lebt. Demzufolge ist dies damit kompatibel, dass Menschen auch als Tiere klassifiziert werden können. Tatsächlich finden wir in der klassischen griechischen Philosophie, z. B. bei Aristoteles, die Position, dass der Mensch ein Tier sei, jedoch ein denkendes und rationales Tier. Das ist möglicherweise eine äußerst wichtige Unterscheidung zwischen Men2

Adamson, P.: Human and Animal Nature in the Philosophy of the Islamic World, in: Animals. A History. Hg. v. ders. u. G. Fay Edwards. New York 2018, S. 91–114. 3 Titel des Projekts: Animals in the Philosophy of the Islamic World. 4 Precht, R. D.: Tiere Denken. Vom Recht der Tiere und den Grenzen der Menschen. München 32018, S. 17.

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schen und anderen Tieren, da wir z. B. über eine andere Art von Seele verfügen und andere Fähigkeiten besitzen, die uns von anderen Tieren unterscheiden. Allerdings schließt sich unmittelbar daran folgendes Problem an: Die Tatsache, dass auch Pflanzen leben. Zudem ist es nicht üblich, dass wenn man Tier auf Deutsch, ḥayawān auf Arabisch oder animal auf Englisch sagt, zuerst an Menschen zu denken, sondern an nichtmenschliche Tiere. Wenn demzufolge Menschen nicht auch als Tiere verstanden werden, trifft normalerweise die Annahme zu, dass mit dem Wort über eine Gattung gesprochen wird, die zwischen Menschen und Pflanzen liegt. Tieren wird zugeschrieben, fortgeschrittener als Pflanzen zu sein, jedoch nicht so fortgeschritten wie Menschen. Dabei wird folglich angenommen, dass das Denken-Können einer Art zukommt, die fortgeschrittener als das Tier ist. Tatsächlich werden in der klassischen Philosophie Tiere zwischen Pflanzen und Menschen eingeordnet. Dabei sind Tiere in diesem Kontext dadurch gekennzeichnet, dass sie bestimmte Fähigkeiten besitzen und andere wiederrum nicht. Die Hauptfähigkeit, die ihnen nicht zugeordnet wird, ist in diesem Zusammenhang das Denken. Sie teilen Fähigkeiten, die auch bei Pflanzen zu finden sind, nämlich zu wachsen, sich zu ernähren und sich fortzupflanzen. Das haben wir Menschen auch mit Pflanzen gemeinsam. Diese Fähigkeiten sind also bei allen Organismen vorhanden – oder, so könnte man sagen, bei Lebewesen, wenn man bereit ist, Pflanzen als Lebewesen zu bezeichnen. Tieren kommt darüber hinaus eine weitere Gruppe von Fähigkeiten zu, die vor allem darin besteht, wahrzunehmen und sich fortzubewegen. Pflanzen befinden sich dort, wo sie gewurzelt sind. Sie können sich nicht von einem Ort zum anderen bewegen, Tiere aber schon. Diese zwei genannten Fähigkeiten, d. h. Fortbewegung und Wahrnehmung, sind miteinander verwandt und verbunden. Dies nimmt auch Aristoteles an, wenn er davon spricht, dass das Tier Nahrung sucht, unabhängig davon, ob es sich um einen Pflanzen- oder Fleischfresser handelt. So ist ein Schaf auf der Suche nach Gras als Nahrungsquelle auf seine Wahrnehmung angewiesen. Es muss zunächst nach Essbarem Ausschau halten und sich anschließend zu dem Ort bewegen. Zusammengefasst gelten – zumindest in der aristotelischen Tradition – Wahrnehmung und Fortbewegung als die Fähigkeiten, die Tiere ausmachen, dazu gehört aber nicht das Denken. Es wird aber komplizierter – und das ist in unserem bereits erwähnten ERC-Projekt ausschlaggebend –, da mit der Zeit 145 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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verstärkt bemerkt wurde, dass Tiere Fähigkeiten besitzen, die über Wahrnehmung und Fortbewegung hinausgehen. Hierzu zählen z. B. die Dispositionen der Vorstellung oder des Gedächtnisses. So kann z. B. ein Tier wie das Eichhörnchen sein Futter vergraben und dann den Ort wiederfinden, an welchem es das Futter versteckt hat. Es verfügt folglich über ein Gedächtnis. Darüber hinaus besitzen Tiere die Fähigkeit der Vorstellung. So können sie Lösungen für die Überwindung eines Hindernisses o. ä. finden. Ein bekanntes Beispiel dafür finden wir bei Avicenna (gest. 1037): ein Schaf kann die Feindlichkeit eines Wolfes erkennen. Avicenna entwickelt hierzu eine psychologische Theorie, um zu erklären, wie einem Schaf diese Einschätzung gelingen kann. Im aristotelischen Kontext ist eine solche Fähigkeit des Schafes rätselhaft, da laut Aristoteles ein Schaf lediglich über Fähigkeiten der Wahrnehmung und Fortbewegung verfügt. Dieses Können erklärt, warum ein Schaf wegzulaufen vermag, nicht aber, warum es die Gefährdung durch den Wolf erkennen kann. Diese Gefährdung ist visuell nicht erkennbar. Bestimmte Eigenschaften des Wolfes, wie etwa seine Fellfarbe oder Größe sind für das Schaf als äußere Merkmale sichtbar, nicht aber seine Feindlichkeit. Im Allgemeinen kann man festhalten, dass diese radikale Unterscheidung zwischen Tieren und Menschen in der islamischen Tradition zunehmend problematisiert wurde. Hierbei ist die Tendenz sichtbar, dass den Tieren Fähigkeiten zugeschrieben wurden, die höher waren als diejenigen, die Aristoteles den Tieren zuerkannte. So könnte man sagen, dass die Unterscheidung zwischen Tier und Mensch im islamischen Kontext unschärfer wurde. Soweit haben wir ein Verständnis dafür bekommen, dass es schwierig ist, darüber zu sprechen, was ›das Tier‹ überhaupt sein soll. Derrida würde uns sogar dafür rügen, dass wir hier mehr über ›das Tier‹ im Singular erfahren möchten – denn hier beginnt schon das Problem, oder, wie er es bezeichnen würde – »die Dummheit«. Was genau ›das Tier‹ darstellen soll, bleibt wohl ein Mysterium. Doch lassen Sie uns, auf das von Ihnen Genannte eingehen: Vieles hiervon klang nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Stellt sich dabei nicht die Frage, inwiefern diese Erkenntnisse Auswirkungen auf die ethische Dimension haben sollen? Warum waren diese Perspektiven im Kontext der arabisch-islamischen Philosophie überhaupt interessant? Wa146 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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rum müssen wir jetzt darüber sprechen, dass es dem Eichhörnchen gelingen kann, Futter zu verstecken und es wieder zu finden? In der Tat! Wir haben es einerseits mit einer wissenschaftlichen Tradition zu tun, wie ich sie bisher am Beispiel von Aristoteles, Avicenna etc. beschrieben habe. Das ist eine Diskussion, die innerhalb der philosophischen Tradition stattfindet. Andererseits haben wir auch die religiöse Tradition, in der Ideen über Tiere im Koran sowie in den Hadithen 5 zugänglich sind. Diese zwei Seiten, d. h. Philosophie, Medizin und Biologie auf der einen und Religion auf der anderen Seite, kommen in philosophischen Diskussionen zu Tieren zusammen. Die Texte, an denen wir arbeiten, sind äußerst divers. Wir haben zoologische Werke, die sehr detailliert die Körperteile von verschiedenen Tierarten beschreiben, z. B. die Hufe von Pferden und wie sie mit den Pfoten von anderen Tieren verglichen werden können. Zudem sind auch theoretische Überlegungen darüber vorhanden, wie die Tiere im jenseitigen Leben behandelt werden. Die Textsammlung, die die islamische Tradition anbietet, ist sehr divers. Es wird ersichtlich, dass manche Philosophen mehr als andere von der religiösen Tradition beeinflusst sind. Doch dies ist z. B. bei Avicenna nicht der Fall. Die Iḫwān aṣ-Ṣafāʾ haben ein Werk 6 verfasst, eine Art Fabel, worin die Tiere sich bei den Menschen darüber beklagen, von ihnen schlecht behandelt zu werden. Dieses Werk ist eine Synthese aus philosophischen und zugleich religiösen Ideen. Einerseits ist dies interessant, gerade da es sich hier um eine Zusammensetzung aus aristotelischer Philosophie, Medizin, Anatomie und Biologie handelt. Andererseits wird dies mit der aristotelischen Psychologie, aber auch mit den islamischen Ideen kombiniert. Hierbei haben wir es mit einem einzigartigen Tierverständnis zu tun, das anders ist als unser modernes Verständnis. Gleichzeitig macht es den Großteil der Quellen für das heutige philosophische Verständnis der Tiere aus. Wir denken, dass Tiere keine komplexen, sondern eher einfache Wesen sind, insbesondere deshalb, da sie nicht denken können. Wir nahmen in der Vergangenheit an, dass wir mit den Tieren 5

Die Überlieferungen des Propheten Muḥammad. Iḫwān aṣ-Ṣafāʾ : Mensch und Tier vor dem König der Dschinnen. Aus den Schriften der Lauteren Brüder von Basra. Aus dem Arabischen übers., mit einer Einleitung und mit Anmerkungen hg. v. Alma Giese. Hamburg 1990.

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sehr wenig gemeinsam haben. Doch durch Darwin und die Evolutionstheorie haben wir erkannt, dass auch wir sehr wohl Tiere sind und mit ihnen viel gemeinsam haben. So sind z. B. die Affen den Menschen ähnlich. Diese Erkenntnis stellt den Ausgangpunkt der neuen Ansätze in der Tierethik dar. In der islamischen Scholastik wurden viele Ideen über Tiere entwickelt und tierethische Fragen mit jenen über Tierpsychologie und -fähigkeiten in Zusammenhang gesetzt. Daher kann diesbezüglich zu Recht festgehalten werden, dass die Geschichte der Philosophie in der islamischen Welt viel umfangreicher ist, als behauptet wird. Sie ist demzufolge auch reicher als viele andere Traditionen. Auch in der lateinischen Scholastik gibt es offensichtlich interessante Diskussionen über Tiere, doch stehen diese unter dem Einfluss von Avicenna. Ich denke, dass die Hauptdurchbrüche im Mittelalter in der Tierphilosophie, eher in der islamischen Welt zu finden sind als in der Lateinischen. Womit hängt es zusammen, dass das Interesse in der arabisch-islamischen Philosophie für Tiere so stark war? Hat man es, wie der französische Philosoph Condillac sagen würde, tatsächlich nur getan, um quasi eine Folie für den Menschen zu haben? Also um die Frage der Anthropologie, d. h. die Frage nach dem Menschen, stellen zu können? Ging es primär um naturwissenschaftliche Interessen, die auch mit philosophischen Fragestellungen verknüpft waren? Oder ging es um das Tier? Und welchen Einfluss hatten dabei die spätantiken Texte, bzw. die Rezeption der spätantiken Texte? Dies ist ebenfalls divers. Es ist sicherlich der Fall, dass die Philosophen oftmals vordergründig über den Menschen bzw. über die Psychologie des Menschen reflektieren wollen. Erst danach nimmt der Philosoph Bezug auf Tiere und versucht zu erklären, was für verschiedene Fähigkeiten (quwwa), Funktionen oder Fakultäten das Tier besitzt. Das Wort quwwa entspricht dem griechischen Begriff dynamis. Die Philosophen zählen unsere Fähigkeiten auf und beschreiben sie. Bis zum abstrakten Denken haben wir alle unsere Fähigkeiten mit Tieren gemeinsam. An den Tieren können wir besser beobachten und sehen, wie alle sonstigen Fakultäten in Abwesenheit der Vernunft funktionieren. Was unter der Fakultät wahm – »vis aestimativa oder Einschätzungsvermögen« – zu verstehen ist, wird am Beispiel des Schafes und seiner Empfindung der Feindlichkeit des Wolfes deutlicher, so wie Avicenna 148 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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vorgeht. Der allgemeine Kontext handelt von der Erklärung der menschlichen Fähigkeiten, trotz dessen führt er dieses Beispiel an, um zu zeigen, was er unter dem Vermögen wahm versteht. Daran anschließend bezieht er sich erneut auf die Menschen. Das ist sicherlich oft der Fall. Allerdings gibt es auch Texte, die sich ausschließlich mit Tieren befassen. Selbst unter den Schriften des Aristoteles haben wir eine Reihe von zoologischen Werken, in denen die tierische Fortpflanzung und die tierlichen Körperteile sowie jegliche Informationen über die Tiere thematisiert werden. Darunter fällt z. B. die Historia animalium. Dieser – wie auch weitere ähnliche Texte – wurde ins Arabische übersetzt und in einem Buch zusammengetragen, das den Titel Al-Ḥayawān – »Das Tier« – trägt und relativ weit rezipiert wurde. So verfasste z. B. Avicenna ein Buch über das Tier und war dabei hauptsächlich von Aristoteles inspiriert. Insgesamt gibt es eine Reihe von zoologischen Werken, die das Gedankengut von Aristoteles übernehmen und darauf aufbauen. Z. B. erforscht ein Postdoktorand in unserem ERC-Projekt eine zoologische Schrift eines Autors namens Ibn Abī l-Ašʿ aṯ (gest. 970). In diesem und weiteren zoologischen Werken fließen sowohl Ideen aus der aristotelischen Tradition als auch aus der galenischen und medizinischen Tradition hinein. Hierbei spielt die Anatomie der Tiere eine ausschlaggebende Rolle, welche auch für die Anatomie des Menschen bedeutsam ist. Dabei handelt es sich um ein faszinierendes Phänomen, angesichts der Tatsache, dass man damals menschliche Körper, auch in der Spätantike, nicht seziert hat. Der menschliche Körper wurde anhand der Sezierung von Tieren beschrieben. So sezierte man z. B. Schweine oder Affen und schlussfolgerte daraus, dass der menschliche Körper diesen ähnlich sei. Die Idee der Ähnlichkeit von Tieren und Menschen wird hier zentral gesetzt. Allgemein kann man festhalten, dass vor allem in zwei Bereichen Tiere zum Vorschein kommen: in den psychologischen Untersuchungen über die Fähigkeiten des Menschen und in den rein zoologischen Werken. Des Weiteren wird über die Tiere in den religiösen, literarischen und ethischen Schriften reflektiert, in denen gefragt und diskutiert wird, wie wir Tiere behandeln sollen und dürfen und was die göttliche Haltung gegenüber den Tieren ist. In diesen Werken werden u. a. Fragen aufgeworfen, ob aus der Sicht Gottes Tiere wertvoll sind, sie gute Erfahrungen machen müssen und wie sie im jenseitigen Leben behandelt werden. Diese Fragen werden sowohl von Theologen als auch von Philosophen gestellt. 149 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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In diesem Kontext ist das Tier als solches das Thema der theoretischen Überlegungen. Daher kann allgemein festgestellt werden, dass die Quellen in der islamischen Tradition zum Tierverständnis und zur Tierethik vielfältig sind. Aus dem Gespräch wird ersichtlich, wie vielschichtig das Ganze verwoben ist: Wir haben es mit zahlreichen Enzyklopädien zu tun, die nicht selten primär naturwissenschaftliches Interesse aufzeigen, aber in denen philosophisch-ethische Fragestellungen direkt oder indirekt ineinanderfließen. Wir haben religiöse Texte, also den Koran oder die Überlieferungen des Propheten Muḥammad, die ebenso eine Rolle spielen, insofern sie einzelne Denker:innen beeinflussten. Eine weitere Frage wäre, ob man von einer systematischen Tierethik in der arabisch-islamischen Philosophie ausgehen kann. Oder ist es so, dass man verschiedene verstreute Fragmente zu dieser Problematik hat, die nun kohärent in einer Theorie zusammengebaut werden müssen, damit wir über eine systematische Behandlung der Fragen nach dem Tier im Kontext des islamischen Denkens sprechen können? Es ist eine Reihe von Werken vorhanden, die sich in die Tradition der Tugendethik einschreiben. Dabei ist Aristoteles eine grundlegende Quelle. Seine Nikomachische Ethik stellt für Autoren wie z. B. Miskawayh (gest. 1030), ein zeitgenössischer Philosoph Avicennas, eine wichtige Quelle dar. Etwas früher haben wir Yaḥyā ibn ʿAdī (gest. 974) und später Naṣīr ad-Dīn aṭ-Ṭūsī (gest. 1274), die allesamt Verfasser von Werken über Tugend- oder Charakterethik sind. Diese Denker befassen sich mit Fragen bzgl. der tugendhaften oder lasterhaften Charaktereigenschaften und wie die erstgenannten zustande kommen und gefördert werden können. Dies spiegelt eine feste Tradition innerhalb der islamischen Philosophie wider. Zudem gibt es eine weitere ethische Tradition, die als spirituelle oder psychologische Medizin bezeichnet wird. So verfasste Abū Bakr ar-Rāzī ein Buch mit dem Titel aṭ-Ṭibb ar-rūḥānī, d. h. »Spirituelle Medizin«. Die zentrale Idee in derartigen Werken besteht darin, dass viele Menschen unter verschiedenen Konditionen leiden, die u. a. als Laster beschrieben werden können, wie z. B. die Gier. Darunter fallen ebenfalls auch sogenannte psychologische Defizite, wie z. B. Kummer oder Zorn. Der Autor zielt in solchen Werken auf die Beschreibung dessen ab, wie man diese schlechten psychologischen Phänomene entweder gänzlich ausschalten oder zumin150 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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dest minimieren kann. Hierbei rücken oftmals erneut Tiere in den Fokus. Abū Bakr ar-Rāzī schreibt z. B., dass Menschen, die unglücklich sind oder ethische bzw. psychologische Fehler begehen, sich in der Tat wie Tiere verhalten. Sie folgen z. B. jeder vorhandenen Lust, wie ein Tier es tut. In diesem Bereich haben wir eine eher negative Vorstellung von Tieren. Dabei wird anstelle von ḥayawān der Begriff bahīma benutzt, der so viel bedeutet wie »Bestie«. Im Gegensatz dazu kommt dem Begriff ḥayawān eine neutralere Bedeutung zu, nämlich »Tier«. Dahinter steckt die Botschaft, dass sie sich nicht wie ein Tier oder eine Bestie verhalten sollen. Hierbei geht es darum, Selbstbeherrschung zu entwickeln. Das ist eine sehr starke Tradition innerhalb dieses zweiten Strangs der Ethik. Innerhalb der islamischen Philosophie ordne ich die theologische Ethik an dritter Stelle ein. Diese verbindet man zwar mit der sogenannten systematischen Theologie, also dem Kalām, jedoch verkörpern meines Erachtens die Mutakallimūn, d. h. die »Theologen«, ebenso Philosophen. Sie beschreiben z. B. wie und inwiefern die Regeln, die wir in der Offenbarung finden, für uns Obligationen produzieren. Folgen wir den ›Gesetzen‹ Gottes nur, weil Gott sie als Gesetze vorgeschrieben hat, oder, weil es für uns letztendlich besser ist, diesen nachzukommen? Oder befolgen wir diese lediglich aus Befürchtungen von jenseitigen Sanktionen? Dies stellt einen Streitpunkt innerhalb der islamischen Theologie dar. Dabei spielen erneut die Tiere eine Rolle – zumal die Frage aufgeworfen wird, ob auch Tiere in diesem Sinne von den göttlichen Gesetzen, Normen und Regeln betroffen sind. Zuerst würde man wahrscheinlich denken, es gibt keinen Koran für die Tiere. Doch im Koran selbst steht, dass die Tiere auch irgendwie Gott anerkennen und ihn vielleicht sogar anbeten. In diesem Gedanken drückt sich eine sehr positive Vorstellung von Tieren aus. Sie können sogar als Vorbild für die Menschen angesehen werden, weil sie von Natur aus Gott anerkennen und respektieren. In diesem Zusammenhang behaupten die Theologen sogar, dass die Menschen schlechter als Tiere sein können, da sie hin und wieder von Gott wegschauen oder ihn erst gar nicht anerkennen. Auch in diesem Zusammenhang kommt das Tier vor. Jedoch existieren nach meinem Wissen keine Werke aus dem mittelalterlichen Kontext der islamischen Welt, die sich ausschließlich mit der Tierethik befassen. Es gibt weder ethische Werke, in denen das Tier alleine thematisiert wird, noch sind ethische Werke mit großen Kapiteln zum Thema Tierethik vorhanden. Die 151 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Tierethik wird gelegentlich behandelt, da der Philosoph andere Interessen verfolgt, die ihn zu diesem Thema hinführen. Doch sie stellt kein eigenständiges Thema dar. Daher glaube ich, dass dieses Thema kaum erforscht wurde, was meine Mitarbeiter:innen und ich nun versuchen nachzuholen. Dieses Desiderat der Forschung fällt nicht dermaßen auf, wie es im Falle der Mathematik, Physik, Intellekttheorie oder der Frage nach der Ewigkeit der Welt geschieht. Das sind die typischen Themen und Theorien, die in der Forschung über die islamische Philosophie vorkommen. Hierbei stellt sich trotzdem die zentrale Frage, ob man sagen kann, dass Tiere nichtsdestotrotz in diesen ethischen Fragen Raum einnehmen durften. Also wurden sie als mögliche Subjekte oder eventuell nur als Objekte einer Ethik verstanden? Oder blieben diese Aussagen nur auf einer Ebene der kurzen Auseinandersetzung, also eines kurzen Exkurses, z. B. bei alFārābī (gest. 950), Avicenna oder später, bei Ibn Ṭufayl und anderen? Dies ist eine Kernfrage. Wenn sie nur Menschen mit Tieren vergleichen und sagen würden: »Sei nicht wie ein Tier!« oder: »Sei doch wie ein Tier!«, wäre das für uns heute nicht besonders relevant. Doch die Tiere kommen als Subjekt oder Objekt vor; als Subjekt, z. B. in der Frage, was mit ihnen im jenseitigen Leben passieren wird. Die Theologen haben behauptet, dass auch sie bestraft werden können, falls sie anderen Tieren Schmerzen zugefügt haben oder aber sie können belohnt werden, wenn sie Schmerz erleiden mussten. So wird die Gerechtigkeit Gottes bewahrt. Diese Theologen nehmen Schmerz und Lust bei Tieren äußerst ernst, sodass sie annehmen, dass Gott irgendwie dafür sorgen müsse, dass leidenden Tieren entsprechende Gutmachungen zukommen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es Fälle gibt, in denen die Tiere als Subjekte betrachtet werden, wobei ich dennoch unsicher bin, ob man sie als ethische Subjekte beschreiben kann. Letztendlich ist deutlich, dass ihre Handlungen und Taten für die theologische Ethik nicht irrelevant sind. In der philosophischen Ethik hingegen hat man eher den Eindruck, dass die Handlungen der Tiere ethisch betrachtet nicht gewichten, weil sie z. B. die relevanten Charaktereigenschaften nicht besitzen. Allerdings wird gelegentlich erwähnt, dass unsere individuellen Charaktereigenschaften jenen Eigenschaften ähneln, die den Tieren aufgrund ihrer Art zugehören, z. B. sind Löwen 152 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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tapfer, Füchse schlau etc. In ähnlicher Weise gibt es einzelne Menschen, die von Natur aus tapfer oder schlau sind. Es gibt scheinbar eine verschwommene Linie zwischen den Charaktereigenschaften der Menschen und denen der Tiere. Auch hier wird das Tier als Subjekt behandelt. Zudem haben wir einige Schriften, in denen die Frage gestellt wird, wie wir Tiere behandeln sollen. Hierunter fällt z. B. das narrative Werk 7 von Ibn Ṭufayl, das von einem Philosophen handelt, der alleine auf einer Insel aufwächst. Dabei denke ich gerade an eine Passage, in welcher er sich überlegt, wie er die Tiere auf der Insel gut behandeln kann und ob er ihren Verzehr unterlassen soll. Übrigens ist er nicht nur Vegetarier, sondern auch Veganer, da er im Laufe der Erzählung aufhört, Pflanzen zu ernten. Er isst gar nichts, was das Töten eines Tieres oder einer Pflanze zur Folge hätte. Deshalb isst er nur Nüsse, Beeren und dergleichen. Ich glaube heutzutage würde man ihn als Frutarier bezeichnen. Natürlich handelt es sich hierbei um ein sehr spezifisches Werk, desgleichen wir nicht oft in der islamischen Tradition finden. Dennoch muss erwähnt werden, dass es bereits Schriften gibt, in denen explizit die Frage nach dem Umgang mit den Tieren gestellt wird. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass die Tiere auch aus einer ästhetischen Einstellung heraus betrachtet worden sind. Es existieren zahlreiche Schriften, in denen die Bewunderung für Tiere zum Ausdruck kommt. In diesem Kontext wird nicht darüber gesprochen, wie die Tiere behandelt werden dürfen. Sie werden eher als paradigmatische Beispiele für die Schöpfung betrachtet. Gott hat die Welt mit Vorhersehung und Weisheit makellos geschaffen und dafür steht als Paradebeispiel der perfekt funktionierende Tierkörper; die einzelnen Glieder sind so gestaltet, dass das Tier genau seinen Zweck erfüllen kann. Die Tiere als Subjekte zu fassen; diese Betrachtungsweise finden wir einerseits legitim und fruchtbar, denn auch die Tiere empfinden offenbar Schmerz, Leid und mehr. Offensichtlich wird, dass in diesem Kontext die Ähnlichkeiten zwischen den Tieren und den Menschen immer mehr betont werden, sodass die Grenze zwischen zwei Spezies nicht mehr so scharf ge7

Ibn Ṭufail, A. B.: Der Philosoph als Autodidakt. Ḥayy ibn Yaqẓān. Ein philosophischer Inselroman. Übers., mit einer Einleitung und Anmerkungen hg. v. Patric O. Schaerer. Hamburg 22019.

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setzt werden kann. Das brauchen wir gerade, wenn wir die Tiere als Subjekte betrachten wollen. Andererseits aber scheint es, dass die Stellung des Menschen in diesem Zusammenhang relativiert wird. Wenn der Unterschied zwischen den Menschen und den Tieren nicht mehr so radikal und substanziell ist und der Mensch im Vergleich zu allen anderen Lebewesen keine absolut spezifische Stellung einnimmt; darf der Mensch dann vielleicht doch weniger menschlich behandelt werden? Das ist eine gute Intuition. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Frage nach der Grenze zwischen Menschen und Tieren einen weiteren Aspekt unseres ERC-Projekts ausmacht. In der aristotelischen Tradition ist es sehr wichtig, Arten zu bestimmen und voneinander zu unterscheiden; was ist z. B. der Unterschied zwischen Pferd und Esel? Oder Lama und Giraffe? Wie unterscheiden wir die Fischarten? Es wird auch die Frage gestellt, wie wir die Gattung der Tiere von der Gattung der Pflanzen unterscheiden. Das ist nicht einfach zu bestimmen, gerade wenn man an ganz simple Tiere wie Muscheln denkt, bei denen viele Eigenschaften oder Fähigkeiten wie Fortbewegung und Wahrnehmung, die dem Tier sonst zukommen, fehlen. Aristoteles sagt, es gibt manche Tierarten, die nur Berührung haben. Diese können nicht sehen, hören oder sich fortbewegen, also sind sie fast Pflanzen. Die Grenze zwischen Tier und Pflanze ist also bei Aristoteles etwas verschwommen. Wie wir gesehen haben, trifft dies auch zwischen Tier und Mensch zu, zumindest in der islamischen Tradition. Was die Philosophen, also die falāsifa festhalten wollen ist, dass abstraktes Denken ein klares Kriterium für die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier ist. Soweit mir bekannt ist, würden sie nicht zugeben, dass Tiere auf universeller Ebene denken können. Die Tiere können keine Wissenschaft betreiben. Allerdings akzeptieren sie, dass Tiere planen und konzipieren können. Hierzu gibt es ein bekanntes Beispiel, was sehr oft herangezogen wird. Dieses handelt von einer Maus, die ihren Schwanz in eine Flasche hineinsteckt, um an das Öl in ihr zu gelangen, anschließend schleckt sie, um das Öl genießen zu können, ihren Schwanz ab. Solche Beispiele werden angeführt, um zu verdeutlichen, dass Tiere schlau sein können. Ich habe ein ganzes Kapitel von Faḫr ad-Dīn arRāzī (gest. 1210) übersetzt, in dem er lauter Beispiele anführt, wie beeindruckend und schlau Tiere sind. Er schreibt, dass all dies Indizien dafür sind, dass sie ʿ āqil, d. h. »vernünftig« oder »intelligent« sind. Ob154 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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wohl es derartige Phänomene gibt, würden die Philosophen nicht aufgeben zu behaupten, dass das abstrakte und universelle Denken sowie die Wissenschaft nur dem Menschen zuteil sind. Wenn wir bereit sind anzuerkennen, dass Tiere so fortgeschritten sind, und das Einzige, was ihnen fehlt, das Betreiben von Philosophie und Wissenschaft ist, worin besteht dann der Unterschied zwischen denjenigen Tieren und Menschen, die keine Philosophie oder Wissenschaft ausüben, was gelegentlich bei mehr als 99 Prozent der Menschen der Fall ist?! Sind diese Menschen, gemäß diesem Kriterium, wie Tiere? Die meisten Menschen gehen durch ihr Leben, während sie nur an Einzelsachen denken: Was sollen wir essen? Welchen Film sollen wir schauen? Was soll ich für meine Karriere tun? Wie soll ich meine Kinder erziehen? Dies sind gewiss wichtige Fragen, die jedoch der Art nach noch ähnlich zu den Sachen sind, die auch Tiere machen können. Nur der Wissenschaftler, Philosoph und der Metaphysiker, also z. B. ein Avicenna, ist jemand, der wirklich die Fähigkeit einsetzt, die den Menschen auszeichnet. Dies führt auch dazu, dass die Philosophen eine sehr elitäre Selbstkonzeption haben. Sie sind die Einzigen, die sich eigentlich wie Menschen benehmen und im Gegensatz dazu sind 99 Prozent der Menschen, die keine Philosophie betreiben, eigentlich Tiere oder benehmen sich wie diese. Das Einzige, was den Menschen zum Menschen macht, ist die Fähigkeit zum abstrakten Denken, wovon die Menschen kaum oder nie Gebrauch machen. Diese Theorie ist offenbar nicht plausibel. Nicht plausibel, aber auch aus politischer Sicht sogar gefährlich. Auf jeden Fall. Wobei ich auch sagen würde, dass dies eine schlechte Nachricht für die anderen Menschen, aber wiederrum eine gute Nachricht für die Tiere ist. Ich bin ja nicht bereit, meine Nachbarn zu essen, wenn sie sich wie eine Kuh benehmen. Wieso darf ich eigentlich die Kühe essen, aber nicht den Nachbarn? Diese Fragen werden nie ausdrücklich gestellt, aber man kann sie in dieser Tradition stellen. Es lässt sich kaum über die islamische Philosophie und die Frage nach Ethik sprechen, ohne über den Begriff der Glückseligkeit zu diskutieren. Wie verhält es sich bei all dem Genannten mit Glückseligkeit? Welche Rolle kommt dieser zu? Sie hatten diese z. B. bereits im Zusammenhang mit der 155 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Tugendethik erwähnt. Wo lassen sich da Tiere verorten, gerade wenn man an Aristoteles denkt, als dem Urheber quasi dieses Gedankens, bei dem Tiere zunächst keine Rolle spielen? Bei Aristoteles, und allgemein in der griechischen Ethik, ist es der Fall, dass das Ziel des Lebens Glückseligkeit ist, gerade weil sie eudaimonistisch denken. Bevor wir zu den Tieren kommen, kann man schon die Frage stellen, was mit anderen Menschen ist; ich will glückselig werden, das ist mein Ziel. So ist mein Ziel nach Aristoteles nicht, dass alle Menschen glückselig werden. D. h., dass meine Beziehungen zu anderen Menschen so gestaltet werden müssen, dass ich glückselig werde. Allerdings bedeutet das nicht, dass ich sie – um mit Kant zu sprechen – als Mittel zum Zweck nehmen muss. Kant nimmt gegen diese Theorie eine starke Position ein, u. a. deswegen, aber das wäre eine Vereinfachung. Denn wenn Aristoteles insbesondere hervorhebt, dass z. B. Freundschaft eine wichtige Rolle in meinem glückseligen Leben spielen kann. Dementsprechend sind die Freunde nicht als Instrumente für die Erfüllung meiner Glückseligkeit zu verwenden, da sie keine Werkzeuge oder Mittel sind, gerade weil eine gute Freundschaft eine solche ist, in der ich den anderen für sich selbst schätze. Dehnt man dies aus, so kann man eine ähnliche Frage bzgl. der Tiere stellen. Ich kann in meinen Beziehungen zu anderen Tieren so vorgehen, dass ich glückselig werde oder aber nicht. So würde Abū Bakr al-Rāzī (gest. 925) sagen, dass das Quälen von Tieren nicht nur auf sie schlechte Auswirkungen hat, sondern auch für mich selbst, da ich dadurch ein schlechterer und deshalb ein unglückseliger Mensch bin. Wenn ich mich wie ein Tier benehme, indem ich z. B. zu viel esse oder meine Begierden nicht unter Kontrolle habe, so lebe ich wie ein Tier und daraus resultiert, dass ich kein glückseliger Mensch bin, da ich die Funktionen eines Menschen nicht ausübe. So gesehen kommen Tiere oft in der eudaimonistischen Ethik vor, um zu betonen, dass nur der Mensch Tugenden besitzt und diese ausübt. Allerdings bedeutet das nicht unbedingt, dass Tiere nur Mittel zu diesem Zweck sind. Sie sind eher ein Teil der Umgebung, mit der ich reagiere. Meine Reaktionen mit der Umgebung bilden genau das, was mich glückselig macht. Unbeantwortet bleibt dabei, wie es mit der Vollkommenheit der Tiere aussieht – oder gar, der Glückseligkeit. 156 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Die Kalām-Tradition hat diesbezüglich mehr zu sagen, weil die Theologen, zumindest in der ašʿ aritischen Schule, Schmerz und Lust als maßgebend für Ethik betrachten. Wie ich schon erwähnt habe, behaupten die Mutakallimūn manchmal, dass man den Gesetzen Gottes folgen soll, nicht nur weil sie Befehle Gottes sind. Denn auch wenn ich diesen Befehlen folge, werde ich weniger Schmerz und mehr Lust empfinden. Das klingt utilitaristisch oder konsequentialistisch, wobei deutlich ist, dass Schmerz und Lust unter Tieren genauso viel zählen wie bei Menschen. Diese konsequentialistische Richtung innerhalb des Kalām bindet bereitwillig den Schmerz, das Leid und den Genuss von Tieren ein, während dies in der falsafa-Ethik nicht der Fall ist. Allerdings stehen die Interessen der anderen Menschen, geschweige denn die von Tieren, genauso wenig im Mittelpunkt. Der Fokus liegt in diesem Kontext auf den Interessen des Individuums, das versucht glücklich zu werden. Das ist typisch für die eudaimonistische Ethik. Nach all dem Gesagten lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass es innerhalb der islamischen Geistesgeschichte durchaus eine reiche Tradition im Hinblick auf das Tier gab – eine Tradition, die sich durchaus für heutige wissenschaftliche Diskurse fruchtbar machen ließe. Gab es so etwas wie einen Bruch, den Sie auch in Ihren Recherchen merken: Da scheint das Tier anders oder in einer anderen Leseart vorzukommen? In der europäischen Tradition mündet die mittelalterliche Philosophie in die Renaissance und danach in die Moderne. In dieser Tradition beobachten wir eine starke Gegenreaktion auf die scholastische Philosophie, vor allem durch die Humanisten und neuzeitliche Denker wie Descartes oder Hume. Dahingegen werden in der islamischen Tradition die Ideen von Avicenna und den anderen falāsifa eher in der Theologie aufgenommen und prägen die Philosophie und Theologie in der islamischen Welt bis in die Zeit des Kolonialismus. In der osmanischen Tradition oder in der Safawidenzeit sind die Ideen Avicennas immer noch sehr präsent. Die Problemstellungen und der Wortschatz sind ähnlich. Es ist schwierig zu bestimmen, wann die »mittelalterliche« Philosophie in dieser Denktradition endet. Das ist übrigens ironisch, da die islamische philosophische Tradition oft so dargestellt wird, als ob sie mit Averroes (gest. 1198) und seiner Philosophie im 12. Jhd. ihr Ende gefunden hätte. Ganz im Gegensatz zu der europäi157 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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schen Tradition ist die islamische philosophische Tradition relativ kontinuierlich und stabil. Es ist schwierig eine chronologische Grenze zu setzen, da die scholastische Art Philosophie zu betreiben sowie die thematischen Auseinandersetzungen mit den von Avicenna aufgeworfenen Problemen für Jahrhunderte danach bleiben. Wir glauben, dass dies ein wichtiger Punkt ist. Denn es stellt sich die Frage, inwiefern sich diese Gedanken für die heutige Zeit fruchtbar machen lassen? Wie könnte man dafür argumentieren, dass das Thema heute noch relevant sein muss? Und wozu überhaupt noch eine arabisch-islamische Perspektive? Zunächst müsste man danach fragen, warum die arabisch-islamische Philosophie überhaupt zu erforschen sei. Nur die Tatsache, dass die islamische Philosophie Einfluss auf die europäische Philosophie hatte, kann nicht überzeugen, wenn wir nur die lateinische Rezeption der islamischen Philosophie erforschen wollen. Denn wenn wir uns mit der arabischen und persischen Rezeption Avicennas befassen, bleiben wir demzufolge in der islamischen Welt. In vielen Fällen beschäftigt sich die islamische Philosophie mit Fragen, die für uns gegenwärtig noch relevant sind; beispielsweise tierethische Fragen. Manchmal ist dies aber nicht der Fall: So sind die klassischen Fragen der frühen islamischen Philosophie beispielsweise Fragen nach der Ewigkeit der Welt oder der Natur des Intellekts. Als Historiker finde ich diese Fragen zwar beachtenswert, doch sind es nicht die ausschlaggebenden Fragen, die auch Laien unbedingt interessant finden. Tierethik gehört aber sicherlich zu den philosophischen Fragen, die häufig von Nicht-Philosophen gestellt werden. Wahrscheinlich fragt sich heutzutage jeder, ob es in Ordnung ist, Fleisch zu verzehren oder stößt auf die psychologischen Fragen, die wir hier bereits behandelt haben. Jeder, der ein Haustier hat, kann sich fragen, was im Geist dieses Tieres geschieht. Das frage ich mich persönlich jeden Tag über meine Katze. Die Tatsache, dass wir ausgerechnet in dieser Zeit, über die wir forschen, sehen, dass ein Fortschritt oder ein Sprung in Richtung einer großzügigen Konzipierung der psychologischen Fähigkeiten bei Tieren gemacht wird – dass das damals und in dieser Kultur stattgefunden hat – finde ich äußerst spannend und interessant. Hier können wir sehen, dass Themen in der islamischen Philosophie aufgegriffen werden, die nicht nur mit der 158 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Religion zu tun haben oder nur eine Duplikation von Dingen sind, die wir schon in der griechischen Tradition finden. Wie wir gesehen haben, sind sie zwar von Religion und griechischer Tradition beeinflusst; gleichzeitig entsteht aber auch etwas Innovatives, und zwar in Bezug auf die aktuellen Themen, die für uns von Bedeutung sind. Ich würde nicht sagen, dass dies das einzige Thema ist, in dem man so etwas in der islamischen Tradition finden kann. Doch kann man anhand dieses Beispiels zeigen, dass diese Tradition Ideen entwickelt hat, die für uns heute relevant sind. Nun stellt sich die letzte Frage: Wo sehen Sie die Potenziale zukünftiger Forschung? Wenn wir letztendlich einen Blick aus der Binnenperspektive heraus in die Zukunft richten: Sehen Sie dort Ansätze, von denen Sie meinen, diese müssten im Hinblick auf zukünftige Forschung vertieft werden oder in denen Anknüpfungspunkte für gegenwartsbezogene Fragen im Hinblick auf die Zukunft zu finden sind? In erster Linie existieren einzelne literarische Traditionen, wie Gedichte oder religiöse Quellen, die wir im Rahmen unseres ERC-Projekts gerade nicht berücksichtigen, da sie von der Philosophie weit entfernt sind. Dazu gehören u. a. tafsīr-Werke, d. h. »Korankommentare«. So könnte man sicherlich ein ganzes Projekt zur Thematisierung von Tieren in den Korankommentaren entwerfen. Es sind auch Bereiche der Textüberlieferung vorhanden, die für eine Tierethik relevant sind. In zweiter Linie denke ich, dass es ebenfalls wichtig wäre, die Geschichte chronologisch nach dem sogenannten Mittelalter weiterzuverfolgen, z. B. Tiere im Mogulreich, sowie im osmanischen und safawidischen Reich zu untersuchen. Allgemein betrachtet stellt dies ein Desiderat für die Forschung in der islamischen Philosophie dar. Wie ich bereits erwähnt habe, handelt es sich hierbei um eine sehr kontinuierliche Tradition. So kann man die Ketten von Kommentaren und Argumenten weiterverfolgen. Im Bereich der islamischen Philosophie gibt es noch viel zu erforschen; nicht nur zu unserem Thema, sondern im umfassenderen Sinne. Letztendlich erwarte ich nicht, dass ich in meinem Leben an den Punkt gelange, zu behaupten: Ich kenne die wichtigsten Autoren und Schriften oder die Hauptentwicklungen in dieser Tradition. Von der Textmenge und -komplexität her ist das ähnlich wie die frühmoderne Philosophie in Europa. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe für 159 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Generationen von Forschern. Es kommt auch vor, dass diese Tradition oft besser in der islamischen Welt erforscht und verstanden wird als in europäischen Sprachen. Daher wäre ein weiterer Schritt, der gemacht werden müsste, dass die Forscher aus Nordamerika und Europa, die auf Englisch, Deutsch oder Französisch schreiben, aus arabischen und persischen Quellen lernen. Wir danken Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch.

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Interview with Seyyed Hossein Nasr (George Washington University, Washington D.C.) On Islam and Ecology Raid Al-Daghistani, Asmaa El Maaroufi Dear Professor Nasr, I am very pleased to welcome you warmly. I would like to begin with the general acknowledgment that you are undoubtedly one of the leading Muslim scholars and intellectuals who has, for decades, been examining the Islamic approaches to ecology and environmental issues. What were your personal and academic motivations and reasons that brought you to engage with this monumental topic, which, nowadays, is becoming more and more relevant and urgent? In the Name of God, Most Merciful Most Compassionate. This is an important question. My voice was one of the first criticizing what was going on ecologically and predicted the environmental crisis, a crisis that is, in my opinion, the consequence of the loss of the spiritual principles involved rather than based on external factors such as technology, etc. I was born in Tehran, Iran, which is near the Alborz mountains with the highest peak in western Asia. It is a very idyllic and beautiful area. In my childhood, I would wonder in the foothills and marvel at these mountains. I had a very strong love for nature from those childhood years. It was in my nature to love nature, you might say. Actually, I was always happy being alone, not playing with other children, but being in the bosom of nature, with trees, birds, and animals. This trait was simply in my nature. Then, at a young age, I came to America to study. I arrived in New York city, which is, in my opinion, the most “unnatural city” in the world. I sensed in that city a kind of sneering at the reality of the natural world, despite the fact that Central Park is a well-kept natural area in the middle of it. But the rest was just tall buildings, and around them there was no equilibrium with the natural world. That experience was a great shock to me. I felt for the first time this incongruity and disequilibrium between nature, or my love for nature, and the modern world. 161 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Then, I went to M.I.T. where I was going to become a physicist, but I later changed my main interest to philosophy. I wanted to understand the nature of things. The physics department was very much interested in the material aspect of nature but nothing of its intellectual and spiritual dimensions. Consequently, I felt keenly the contrast between nature and its treatment in modern science and technology. My reaction has also an aesthetic dimension to it in the sense of traditional philosophical aesthetics, or in the sense of ʿ ilm al-jamāl (in Arabic), the “science of beauty”. Beauty always attracted me. I always thought of God as Beauty, or as a prophetic narration says: “Allah is beautiful, and He loves beauty”. Anyway, shortly after my arrival at M.I.T. I had a spiritual crisis, which I am not going to talk about now, but in any case, I became more and more interested in seeking protection in nature. I did my PhD in the Islamic sciences and cosmology at Harvard, and then I went back to Iran. There, I also spoke a great deal about environmental issues at a time when hardly anyone was speaking about such matters. I also tried to discover the philosophical reasons for what had gone wrong with modern science and technology that was causing the pollution of the natural world and the destruction of nature. Thankfully, God had given me all the necessary possibilities to train myself in the fields that were necessary for tackling these issues. I was a physicist and mathematician who graduated from M.I.T. with honors. I knew what physics was, and moreover, had a master’s degree from Harvard in geology and geophysics and also a doctorate from Harvard in philosophy and Islamic thought. Furthermore, I had traveled a great deal through national parks and other areas where virgin nature had survived all over the world (America, Europe, Asia, and Iran itself ) and I also had studied the long Islamic tradition concerning nature, especially in Persian, but also in Arabic. All of these forms of awareness and knowledge came together inside of me, and I began to give some lectures and write small pieces about the importance of nature and the traditional study of nature in depth to point to the fact that nature is not only what modern science claims it to be. I pointed out that modern man– I will now employ a strong language – uses nature (consciously or subconsciously) as a “prostitute”. It does not treat it as a living being with its own rights. In 1966, I went to the University of Chicago, where I gave the Rockefeller Series Lectures, a series of four conferences, titled The En162 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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counter of Man and Nature”, whose text I had already prepared in Tehran. This event took place six months before Lynn White wrote his famous essay, The Historical Roots of Ecological Crisis, which marked the beginning in the West of the general awareness of the reality of an ecological crisis. Strangely enough, for a very long time the Muslim world itself neglected totally what I had to say about this topic. I have written and edited over 50 books and hundreds of articles, most of which I wrote in English, some of them in Persian, and a few in French and Arabic. Many of my books in English are translated into Persian but one of the last books to be translated into Persian – my own mother tongue – was none other than Man and Nature. Many of my books have also been translated into Arabic and published both in Beirut and Cairo, but again, one of the last was Man and Nature (al-Insān waʾ ṭṭabīʿ a in Arabic). From the 1980’s onward the Turks became much interested in my works – and in environmental issues in general –before the Persians as far as this subject is concerned. In Turkey, many editions of my book were sold. So, my work in this domain and the topic in general also began to play a role in the Islamic World and interest in them has continued to increase during the past few decades. Would you say that your concern about nature was actually your primary reason that motivated your interests in Islamic studies in general and especially in Islamic metaphysics? Because as I understand, this almost existential concern about nature and the environment led you to deepen your concern for Islamic intellectual and spiritual thought in general. Is that right? This was one of the reasons but not the only one. I was drawn to the field of physics because of my love for nature. I wanted to understand it, how it works, and what relation creation has with the Divine, the Creator. But I soon discovered that I was not going to find the answers in modern physics. So, I had to go to other fields, especially metaphysics, philosophy, cosmology, religious tradition, and spirituality. I will come back to your book “Man and Nature”, but first, could you highlight some classical Islamic approaches and positions on environmental issues or issues related to them in a broader sense? To be more specific: Is there one single Islamic environmental philosophy or are there merely different theories and teachings each with their own emphasis and approach? 163 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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To put it another way: What is the – if any – unique character of the Islamic tradition in dealing with the question of nature and human attitudes towards it? I am aware that this is a complex question, but perhaps you can summarize the answer in a few words. Sure. But first, it is important to keep in mind that the term “environmental studies” or “ecological studies” was not used in its present sense in any religion and in any language until the 20th century. Although these words or concepts are not mentioned in Islam, the Islamic religious and intellectual tradition is full of references to the harmonious relationship between God, man, and the universe. Except for the Tao te Ching, which is the sacred text of Taoism and speaks a great deal about nature, there is, to my knowledge, no other sacred Book that speaks as much about nature as does the Quran. It can be said that nature participates in the Islamic revelation, in a sense that Islam was revealed not only to the jinn and mankind, as the Quran says, but also to the whole of creation. The Quran even swears by elements in nature when it says, for example, “By the Sun […] and by the Moon […]” (Q 91:1–2)! Prostration is what Muslims do in everyday prayer, but the Sun and the Moon do the same every day and night (Q 22:18). This is a truth which must be remembered. Islam has a very rich tradition going back to the very origin of the religion, to the Quran, which emphasizes the relationship between human beings and nature. And when the Quran does allow the domination of man over nature, then it is only under the condition of man being ʿ abd-Allāh, i. e., “servant of God”. Man is at once khalīfat-Allāh fī-l-arḍ, “steward or viceregent of God on earth”, and ʿ abd-Allāh, “servant of God”. By virtue of being ʿ abd-Allāh, God has given us the power to “dominate” over things. That is also the reason man has been able to cause the environmental crisis. Elephants are much bigger than us, but they did not cause the environmental crisis in Madagascar. We are much smaller, but as “stewards of God on earth”, without remembering to be “servants of God”, we can also rebel against God and play God-like roles, which consequently has lead to destroying nature. In the truest sense, man cannot be khalīfat-Allāh without being ʿ abd-Allāh – one who surrendered to the Will of God. The Quran speaks all the time about the human closeness to nature. Islamic rites such as daily prayers and fasting are based on cosmic events. 164 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Islam developed a very rich tradition concerning nature. Numerous writings of Muslim philosophers turn to nature and the human relationship with it. Philosophers, such as Ibn Sīnā (Avicenna, d. 1037) or Mullā Ṣadrā (d. 1641), developed a vast philosophy of nature that is contained in their writings. And there is another dimension of Islam, known for its affiliation and sympathy with nature: Sufism. In Sufi literature, you find the most profound expression of a philosophy of nature and its role in human life. The Sufis emphasize nature as the manifestation of the Divine, as a sphere of āyāt, i. e., God’s signs that constitute the phenomenal world. That is why so many of the great Sufi works are so rich in references to the natural world. Rūmī (d. 1273) has this wonderful poem, which states: “If only things had tongues, they would lift the veil from the mystery of existence.” Some people mistakenly identify this view with pantheism but it is not pantheism at all. God is transcendent but there is the Presence of God everywhere in creation, in the world of nature. You actually already tackled the issues that my next questions are referring to. So, could you perhaps elaborate on this topic of the role of Sufism a little bit more? Which solutions, or at least perspectives, in dealing with such issues can, according to your opinion, do Islamic spiritual and mystical tradition provide today? In the 19th century, when the colonial pressure upon the Islamic world was at a peak, two crucial events took place. One was the rise of modernism in the Islamic world that tried to emulate the West in order to become Western-like while seeking political independence from European powers. And the other one was a reaction against the West that we now call “fundamentalism”, or Salafism, of which Wahhabism is an extreme form. Both movements were (and still are) against Sufism, but each for different reasons. Consequently, Sufism became eclipsed to some extent in some Islamic countries, although it never disappeared. In some places Sufis even went “underground” because Sufism was opposed officially as in Arabia and later Turkey. Sufism was also weakened when the modern educational system spread in Islamic countries and consequently it became to some extent neglected or replaced by various secular or fundamentalist ideologies. Traditional teachings of 165 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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Sufism, to which the long Sufi tradition concerning nature also belongs, were to some degree forgotten. Now, if we want to revive or create an authentic Islamic view of the environment or philosophy of the environment, where do we go? The best source is Sufism and certain schools of Islamic philosophy influenced by it. The most profound works written about nature, about our relationship with nature, and the role that nature plays for us as human beings, are to be found in Sufism, and much of this wisdom and teachings are in poetry. Ibn ʿArabī (d. 1240) has many remarkable poems about nature. And you can imagine how rich the Persian language is in poetry that pertains to nature. Even the Persian poet Saʿ dī (d. 1292), who was supposed to be primarily an “ethical poet” and talks much about social ethics, has many beautiful verses on this theme such as: “I am in love with the world because the world is in joyous with Him …”. I just want to stress here that we have a classical tradition of Sufi poetry rich with expressions about creation and nature. It is very important to realize that we have a real treasury of remarkable wisdom in the form of mystical poetry, which has to be interpreted and applied to our present-day situation. It is very interesting and I am very thankful that you specifically mentioned in this context the role of poetry, which is generally appreciated and valued as an aesthetic phenomenon rather than a didactic and ethical modus operandi. So, it was good to hear that you emphasized poetry as a medium of expression and reflection on nature, creation, and man’s position within it. And of course, Sufi poets are the champions in this field. Absolutely. In Islam, poetry, especially mystical poetry, is not just an aesthetic phenomenon. It is also, and foremostly, an intellectual and spiritual phenomenon, more than anything else. And I think that poetry should also be often interpreted in this light. I would now like to move to our next question and maybe shift the focus a little to another topic; namely, because you are also an important representative of the so-called “Perennial Philosophy” (Philosophia Perennis) school or traditionalism to which great thinkers such as René Guénon, Frithjof Schuon, Titus Burckhardt, Martin Lings, and many others belong. My question is: What is the relationship between Islam and the Philo166 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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sophia perennis, and what is the specific contribution of perennial philosophy to environmental issues, if any? Firstly, let me clarify the very term perennial philosophy because some of your readers may not be familiar with it. The term perennial philosophy goes back to the Latin usage of it during the Renaissance. The term philosophia perennis in Latin was then rendered into English as perennial philosophy. The phrase was made famous in the West by a letter written in 1706 or 1707 by Gottfried Leibniz, the great German philosopher of the 17th century. He stated explicitly that he was “the follower of perennial philosophy.” And that was the first step in making the term perennial philosophy known to broader circles in the West. Since then, there have been many interpretations of this term before it became very famous after the Second World War, when many Western intellectuals became interested in Hinduism and Indian metaphysics. Shortly after the War, Aldous Huxley wrote his famous book, The Perennial Philosophy. It was that book that made this term even more famous and common in general Western culture. Huxley’s book has also Islamic and Far Eastern quotations showing that the roots of “transcendental wisdom” are the same in various spiritual traditions and religious systems. But the intellectual perspective of this book is not rooted firmly in tradition. Therefore, we have to distinguish this interpretation of the term perennial philosophy from the usage of it by the traditional school to which the men whom you mentioned and also myself belong. The traditionalist view of perennial philosophy corresponds strongly to its original meaning. There is also an Islamic version of this term. The term perennial philosophy (al-ḥikmat al-khālidah in Arabic and jāwīdān khirad in Persian) was first used as the title of a book written by the famous 11th century Muslim philosopher and theologian Ibn Miskawayh (d. 1030) as the title of a monk. He used the Persian expression although the book itself is in Arabic. The famous Persian philosopher and mystic Suhrawardī (d. 1191) also refers to al-ḥikmat al-khālidah. The origin of this term in Latin in text goes back to Islamic sources. Suhrawardī believed and wrote that when God created man, He placed a drop of the “divine wisdom” in the original clay from which man was created. For him, this eternal divine wisdom, al-ḥikmat al-khālidah or jāwidān khirad, is reaffirmed by Islamic Revelation itself, and in fact 167 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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each authentic revelation reaffirms the truth of perennial philosophy, but in different languages, for different humanities, and in different ways. There is no revelation, which does not issue from the Divine Wisdom. Actually, long before Ibn Miskawayh and Suhrawardī, the great Greek philosophers such as Pythagoras and Plato expounded versions of the perennial philosophy without using the term. Their teachings became a common heritage of Muslim, Christian, and Jewish thinkers and spiritual masters. What is important in this context is the fact that although different cultures used different terms for this body of truth in their historical unfolding, the reality behind these terms remained one and the same in the authentic sense of philosophia perennis. So, although the term perennial philosophy was not used by everybody, every culture and civilization refers in one manner or another to the same supreme Reality and also to the knowledge of It, which is the knowledge of God and lies at the heart of perennial philosophy. The Australian Aborigines believe in a supreme Reality that they do not even speak about publicly, and the American Indians talk about Wakantanka, the Supreme Spirit, the One. Anyway, the 20th century necessitated the reassertion of the pure doctrine of perennial philosophy and this task was carried out by René Guénon and others whom you mentioned before. Now, of course, the term is, as I have already said, very well established. And yes, I consider myself to be an expositor and a follower of perennial philosophy, but that does not mean that I am not an Islamic philosopher or that I do not believe that the Quran was the last revelation sent by God. I believe that the Islamic profession of faith, lā ilāha illaʾ Llāh [“There is no god but God”], is, at the same time, the expression of the fundamental Reality that is, has always been, and always will be. The Divine Reality does not permit a moment in time to exist when lā ilāha illaʾ Llāh would not be the central truth of existence. Prof. Nasr, I have an impression that this question opens a few other questions, which I would really like to discuss with you, but in doing so we would depart from our main topic. I would therefore like rather to refer briefly to one of your many works, namely, Man and Nature: The Spiritual Crisis of Modern Man, which you already mentioned at the beginning of our conversation. In this book, you also tackled, among many other issues, the problem of the so-called “sacralization of the nature”. Could you 168 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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elaborate a little bit on this concept and tell us perhaps how contemporary Islamic discourse can help in this process of “re-sacralization of nature”? Let me begin by saying that in all Islamic languages there is no dichotomy between sacred and profane or sacred and secular. In fact, there is no Arabic, Persian, or Turkish word for secular. In recent times in these languages words were devised for it. In Turkish they use the word of Latin origin “laicization” whereas Arabic and Persian have coined new words while sometimes also adopting terms from European languages. It is very significant that the classical Islamic culture is a culture, which is found by and imbued with the sacred and in which there did not ever exist a category called secular in the Western sense. However, the term secular should not be confused with the term worldly. There were many Muslims who were and are worldly, immersed in worldly pleasures, experiences, thoughts, and who were and are materialistic-oriented and so on. And, of course, there is moral imperfection in all societies, and in this sense no society is a priori or in principle better than another. Worldly is not, however, the same as secular. In contrast in the late Middle Ages in the West, with the rise of the school of nominalism in medieval European philosophy, you already have the beginning of a kind of secularization of the mind as an explicit philosophical position and worldview. Later, the Scientific Revolution marked the domination of a secularist view of nature in the West. But the roots of that phenomenon go back to the Renaissance – and even to the late Middle Ages – to Ockham even before Descartes. Although Descartes still believed in God and went to church three times a day as a Catholic, his mind was secularized. The Cartesian dualism, which divides existence into mind and matter, could be seen as the beginning of radical philosophical secularism as far as nature or res extensa was concerned. This philosophical-scientifical position was extended by Galileo and even Newton, who was one of the most metaphysically minded figures of the Scientific Revolution, was aware of what the mechanistic world view implied and was unhappy about it. Consequently, he even turned to the study of alchemy. To put it simply: the new physics saw the whole cosmos as a big machine; some believed that God still ran the machine – they were theists. Some believed that God only created the machine and left it to run by itself – they were deists. So, secularism became dominant step by step, but it took some time for 169 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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it to complete the task. For example, most Renaissance music and much of the music of the Baroque still has a sense of the sacred, and even within what was called “secular music” outside of the church there is a quality of the content in it that is not secular. But later Western classical music lost for the most part this connection to the sacred and became mostly secularized. This process of de-sacralization began in almost every field, not only in music and even more in the natural sciences, but also in the arts in general, in poetry, even in the way men dress. It was just a question of time for secularism to begin to influence the Islamic world. And as we can see, it did so extensively, but stage by stage. The process began in Ottoman Turkey and Egypt before anywhere else, followed soon by Muslim India, and later by Iran and Iraq and Muslim Southeast Asia, whereas some places, such as Yemen and Oman, were, to a large extent, left untouched until much later. Certain other areas such as North and West Africa that were invaded and colonized by France, were also exposed to a particularly fierce form of secularism. Anyway, secularization was a complicated historical process within these countries that still continues often in new forms. Now, what do we do? First of all, we have to understand fully what has happened. Then, we have to re-sacralize the world around us. We do not need to re-sacralize God’s Word and His religion because they are sacred already, but our understanding of them has become to a notable extent secularized and rationalized. Many Muslim thinkers and scholars today think in the context of secular Western thought and they are applying it even to the sacred Book of Islam. When I talk here about re-sacralizing the world around us, I do not mean as a first step the total re-sacralization of the whole world which is the ideal, but not realizable immediately, but to sacralize what is most close to the human soul: our understanding of religion, our art, our literature, our thoughts and actions. I believe that it is important to recognize that the beginning of re-sacralization must be intellectual and spiritual; we must realize first that we have to do it and why we have to do it. In this regard, it is of central importance to re-sacralize knowledge itself. As an example, I can point out several Christian philosophers of science who are trying to realize that goal, a prime example being Wolfgang Smith, who is reinterpreting quantum mechanics from the point of view of traditional metaphysics. I just want to say that there are voices – 170 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

Interview with Seyyed Hossein Nasr

yes, even in the West – pursuing this task and we [Muslims] need to do the same: We must learn what such Western scholars and intellectuals are doing, learning also from their mistakes. Both aspects are important. I have always said that we should regard the West not as the source for imitation, but, foremostly, as a laboratory of experimentation. S1: Prof. Nasr, I have one last question. You partially responded already to it in this interview, but I would like to pose this question to you explicitly because of its importance and relevance. So, where do you see the biggest challenge on the one hand, and the greatest potential on the other hand, in the Islamic tradition when it comes to the issues of the environmental crisis or – as you might prefer to call it – the ecological crisis. What do Islamic perspectives have to offer and what is perhaps fundamentally lacking? Finally, what is your own vision for the future of the relationship between Islam and ecology? What is lacking is, most of all, competent and self-confident Muslim scholars who are able and willing to deal with these issues. But as for the first part of the question, when we talk about challenges and potentialities, the biggest challenge that we face within this domain in the Islamic world is surely lack of self-confidence and competence of many of our intellectuals to deal seriously with the issue involved. One sees the lack of reliance on our own [i. e., Islamic] tradition in many circles. We need to reattach ourselves to our own very rich and diverse tradition intellectually, philosophically, scientifically, and spiritually. And after re-attachment to our own tradition and heritage, we have to learn how to respond to the current problems as well to the insufficient approaches and solutions promoted by the mainstream Western intelligentsia. By and large in this confrontation with the secularized modern West we do not have an ordinary give-and-take situation, which is due to the fact that we, in many ways, are still in a colonial mode of passive receptivity. So, I think that the revival of our [Islamic] tradition on all levels, from the purely religious-spiritual to the intellectual-scientific, is one of the most important tasks for us today. Professor Seyyed Hossein Nasr, thank you very much for this conversation. I am glad about the possibility of participating in the interview. 171 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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III. Essay

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Ahmad Milad Karimi (Münster)

Der vergängliche Mensch. Anmerkungen zur Würde der endlichen Geschöpflichkeit 1

In seiner Rede über die Würde des Menschen bemerkt Pico della Mirandola (gest. 1494), der zu den bedeutendsten italienischen Philosophen der Renaissance zählt: »In den Schriften der Araber habe ich gelesen, der Sarazene Abdala habe auf die Frage, was sozusagen auf der Bühne der Welt als das Bewundernswerteste erscheine, geantwortet, nichts erscheine der Bewunderung würdiger als der Mensch« 2. Worin besteht aber diese Würdigung, dass der Mensch ein so bewundernswertes Wesen darstelle? Heute darf man mit Fug und Recht daran zweifeln, ist doch das Ausmaß des menschlichen Zerstörungswahns grenzenlos, worunter selbst klimatisch die Erde bedroht zu sein scheint, sodass eher dem antiken Dramatiker Sophokles zuzustimmen wäre, der früh erkannte, dass es nichts »Ungeheuerlicheres« geben kann als den Menschen selbst. 3 Ohne sich auf eine Extremposition zu fixieren, scheint die Stellung des Menschen im Kosmos trotz des »Schein[s] des Himmelslichts« 4 in ihm, das er nicht selten »tierischer als jedes Tier« 5 gebraucht, wie es Goethe in Faust andeutet, nicht mehr die unhinterfragte Bedeutung zu besitzen, die den Menschen als Krone der Schöpfung hatte. Ist dann der Mensch nur im Übergangstadium, dass 1

Der Essay beruht zum großen Teil auf dem kurzen Aufsatz »Kinder Adams« (Kinder Adams. Islamische Impulse zu aktuellen Fragen des Menschenbildes. Hg. v. N. Lammert und B. Vogel. Nr. 571, November/Dezember 2021, 66. Jahrgang, S. 29–33), der aber hier in einer dezidiert erweiterten Form und thematisch mit einer anderen Fokussierung erscheint. 2 Pico della Mirandola: Oratio de hominis dignitate (Rede über die Würde des Menschen), Lateinisch/Deutsch. Auf der Textgrundlage der Editio princeps hrsg. u. übers. v. G. v. der Gönna. Stuttgart 1997, S. 5. 3 Vgl. Sophokles, Antigone, 2. Akt, S. 238. 4 Goethe, J. W. v.: Faust. Der Tragödie erster Teil. Stuttgart 2014, S. 10. 5 Ebd.

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er sich mit eigenen Macht- und Gewaltfantasien verabschieden wird? Dazu haben nicht nur dezidiert transhumanistische Überlegungen des 20. Jahrhunderts beigetragen, die an einer Erweiterung der menschlichen Gattung interessiert sind, weil sie im Licht der Programmatik der Aufklärung technoreligiös und unhinterfragt fortschrittsgläubig die Grenzen der conditio humana zu durchbrechen wagen. Aber auch posthumanistische Überlegungen prägen spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts den Diskurs, die nicht nur mit dem Namen Nietzsche und Heidegger, sondern auch mit dekonstruktivistischen Ideen daherkommen. Zumindest scheint Friedrich Nietzsches Fantasie dahingehend interpretierbar zu sein, dass durch explizit technologischem Fortschritt der Übermensch, d. h. dasjenige Wesen, das als »Typus höchster Wohlgeratenheit, im Gegensatz zu »modernen« Menschen, zu »guten« Menschen, zu Christen und andren Nihilisten« 6 den Menschen überschreitet, zu verwirklichen. Post- und Transhumanismus basieren auf der grundlegenden Einsicht, dass der Mensch als Mensch verabschiedet werden soll, an dessen Stelle ein Cyborg (aus animalisch-menschlichen und technischen Teilen bestehend) kommen soll, wenn man sich eine bessere, dauerhafte Zukunft herbeiwünscht. Die Popkultur hat diese Fantasie seit langem entdeckt und unsere Fantasien bestärkt – mit ihren Supermännern und Co. Allen voran spielt die Überwindung der Sterblichkeit, der Langsamkeit, der Unzulänglichkeit des Menschen eine tragende Rolle. Die hier relevante Frage nach der künstlichen Intelligenz, also das Bestreben, menschliches Leben in Cyborgs und Inforgs zu verwandeln, sodass wir möglichst ausschließlich aus digitalen Informationen bestehen, ist von tragender Bedeutung, die trans- und posthumanistisch diskutiert wird. Doch die sogenannte künstliche Intelligenz selbst als ein produziertes System, als ein hergestelltes Artefakt, eben künstlich und nicht lebendig, ist ein Denkmodell menschlicher, humaner Intelligenz. Es ist also diese humane Intelligenz, die ihre Zukunft als eine materialistische Zukunft entwirft, bei der der Mensch selbst durch ihre eigene produzierte, d. h. künstliche Intelligenz scheinbar bedroht ist, ohne dabei zu erkennen, dass er als evolutiv-biologisch generiertes Lebewesen weder kopier- noch systemisch ersetzbar sein kann. Hierzu spielen in der Tat die Religionen, in diesem 6

Nietzsche, F.: Werke in drei Bänden. Hg. v. K. Schlechta. Band 2. München 1966, S. 1099.

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Der vergängliche Mensch

Fall der Islam, eine durchaus reizvolle Rolle. Worin bestehen aber grundsätzlich die religiösen Perspektiven in diesem Zusammenhang, die auf einer dezidiert sinnhaften Selbstdeutung des Menschen beharren? Pico, inspiriert vom islamischen Geist, ist entschieden, dass der Mensch »ein Werk von unbestimmter Gestalt« sei, und genau hierin, d. h. in seiner freien und offenen Selbstbestimmung, seine eigentliche Sonderstellung liege. In diesem Sinne ist im Koran die Bestimmung des Menschen nicht eindeutig auf eine Botschaft, eine Idee fixiert. Zum einen wird er als ein Wesen begriffen, das »schwach erschaffen« (Koran 4:28) 7 wurde, getragen durch eine Seele, die durchaus zum Bösen neigt und zum anderen heißt es im Koran: »Und wahrlich, geehrt haben Wir die Kinder Adams« (Koran 17:70). Zum Menschsein im islamischen Sinne gehört nämlich der zentrale Gedanke, dass der Mensch auf Erden in einer besonderen Weise in Anspruch genommen wird. Im Koran wird dem Menschen aufgetragen, als »Statthalter Gottes« auf Erden zu fungieren. 8 Damit tragen die Menschen die ausgezeichnete Verantwortung, die Schöpfung Gottes würdig zu wahren und zum Guten zu gestalten, Leben und Lebendiges zu schützen, zwischen Menschen Frieden zu stiften. Menschsein heißt somit im Anspruch Gottes zu leben. Zu dieser Narration gehört auch, dass die Engel über diesen Entschluss Gottes staunen: »Willst Du auf ihr einsetzen einen, der auf ihr stiftet Unheil und Blut vergießt? Da doch wir Dein Lob preisen und Dich heiligen!« ›Und Er sprach‹ : »Ich weiß sehr wohl, was ihr nicht wisst.« (Koran 2:30). Menschsein heißt demnach auf Gott zu vertrauen, auf dessen Vertrauen hin der Mensch existiert. Der Einspruch der Engel ist hier aber doch bedeutsam, wenn auch (wohl) defizitär. Die Engel verstehen nicht, warum ausgerechnet dem Menschen diese Würdigung und mithin diese Verantwortung zuteilwerden soll, wo doch sie selbst für diese Aufgabe besser geeignet seien. Ihre bessere Eignung besteht darin, was sie auch selbst hervorheben, indem sie sagen, dass sie doch unentwegt Gott lobpreisen, dass sie über einen vorgeschriebenen, d. h. programmatischen Algorithmus verfügen, dass 7

Die Koranzitate folgen der Übersetzung: Der Koran. Vollständig und neu übersetzt v. Ahmad Milad Karimi. Mit einer Einführung hg. v. B. Uhde. 1. Auflage. Freiburg i. Br. 2009. 8 Vgl. Koran 2,30.

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der Aufgabe exakt, d. h. zielführend genügt. Die Engel repräsentieren ein (vor)programmiertes System, bei dem die einzelnen Schritte besser, schneller und treffender zum Ziel führen. So gesehen sind die Engel, wie die Maschinen, Schachprogramme, Autos und Suchmaschinen, intelligenter und geeigneter (für die schnelle und zielführende Lösung der Probleme) als der Mensch. Der Ewige setzt aber auf den Menschen, indem Er mit seiner imperialen Macht spricht: »Ich weiß sehr wohl, was ihr nicht wisst.« Was nun gegen einen programmatischen Algorithmus geltend gemacht wird, ist das Menschliche, Allzumenschliche, dass der Mensch ein Wesen der Freiheit ist, der nicht seinem inneren Programm, sondern seinem inneren Ruf folgt, nicht selten daran scheitert, vielleicht immer wieder scheitert, aber nicht scheitern muss. Was sich im menschlichen Wesen hier versammelt, ist das Bewusstsein, das er im freien Entschluss seiner selbstgewählten Handlung sich immer wieder als Mensch bewährt. Nicht einem System, sondern seiner in der Verantwortung gegründeten Freiheit ist die Schöpfung anvertraut, die sich u. a. in Anerkennungsverhältnissen verwirklicht. Doch was und wer sind wir, wir Menschen als Geschöpfe Gottes? Die Frage nach dem Menschen kehrt sich im Islam um, sodass der Mensch als ein Wesen der Frage aufgefasst wird. Menschsein heißt immer auch in der Disposition zu stehen, immer wieder und immer erneut zu fragen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Dies ist eben Geist, d. h. im Lichte der Vorstellung unser Leben zu vollziehen, was wir sind. Demzufolge ist Menschsein als Geschöpf nach dieser islamischen Lesart keine Gegebenheit, sondern eine Tat, eine freie Tat. Wer wir sind, ist also mit der Frage verbunden, wer und was wir sein wollen und sollen. So mahnt der einflussreichste muslimische Theologe Abū Ḥāmid Muḥammad al-Ġazālī (gest. 1111) in seiner Schrift Das Elixier der Glückseligkeit an, wenn er schreibt: »Wenn du dich nicht kennst, wie vermagst du dann andere zu kennen? Sagst du jedoch: ›Ich kenne mich!‹, so irrst du, denn eine solche Erkenntnis dient nicht als Schlüssel der Erkenntnis der Wahrheit. Denn Tiere kennen sich ebenso sehr wie du dich. Außer dies Haupt, dies Gesicht, diese Hand, diesen Fuß, dies Fleisch und diese äußere Haut kennst du nichts; von deinem Inneren weißt du so viel: Wenn du hungrig bist, isst du, wenn du zornig bist, greifst du jemanden an, und wenn du Begierde spürst, trachtest du nach Begattung. Alle Tiere sind dir darin gleich. Daher sollst du nach der Wahrheit deines Selbst streben, was du bist, woher du gekommen 178 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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bist, wohin du gehst, was ist der Zweck, dass du in diese Stätte gekommen bist, weswegen du hervorgebracht worden bist, was ist deine Glückseligkeit und worin liegt sie, was ist dein Elend und worin liegt dein Elend.« 9 Offenheit und Unabschließbarkeit gehören also konstitutiv zum Menschen – als ein Wesen, das nicht zu Ende erzählt werden kann, das nicht nach Friedrich Nietzsche wie »ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch« 10 darstellbar ist, weil er keinem »schmutzigen Strom« gleicht, der durch das Meer des Übermenschen aufgenommen werden soll, 11 sondern an sich selbst endlos ist, selbst ein erzählendes, geschichtliches, sozio-kulturelles, biologisch-geistiges und mithin lebendig-denkendes Wesen ist. Gegen den Traum vom Trans- und Posthumanismus, der in der Vision verankert ist, dass der Mensch als Cyborg, d. h. kybernetischer Organismus über seine biologische Natur hinausrage, hinauswachse, sodass dabei die Rede von einem Ende des sterblichen Menschen kultiviert wird, halte ich dagegen die Idee der Sterblichkeit des Menschen, d. h. seine Geschöpflichkeit für unabdingbar. Humane Intelligenz entsteht in unserem lebendigen Organismus, indem wir ein Bewusstsein vom Bewusstsein, eben Selbstbewusstsein haben und mithin bewusst handeln. Zu diesem bewussten Leben gehört aber auch, dass unsere Intelligenz eine Vorstellung von diesem Leben selbst hat, d. h. insbesondere eine Vorstellung von der eigenen Endlichkeit. Diese Endlichkeit menschlichen Lebens gehört zum Menschen. Authentisches Leben besteht also darin, den Tod als Teil der Realität zu akzeptieren, nicht, ihn zu meiden oder sein Leben aus der Furcht vor ihm zu entwerfen, mit aller Kraft den Tod zu tilgen. Wer lebt, trägt den Tod in sich. 12 Vor ihm gibt es kein Entrinnen. Muslime glauben angesichts dieser Realität aber an einen lebendigen Gott, der das vergängliche Leben des Menschen trägt und vollendet. So heißt es im Koran: »Sag: »Mein Gebet, meine Opfer, mein Leben und mein Tod gehören Gott, dem Herrn der Welten.« 13 So wenig, wie wir über die Entstehung un9

Al-Ġazālī, A. Ḥ.: Kīmiyā-i saʿ ādat. Vol. 1. Ed. v. Ḥ. Ḫadiwǧam. Teheran 1380 (H.š.), S. 13 f. (eigene Übersetzung). 10 Nietzsche, F.: Werke in drei Bänden. Hg. v. K. Schlechta. Band 2. München 1966, S. 280. 11 Vgl. ebd., S. 279. 12 »Gott beruft ab die Seelen zur Zeit ihres Todes« (Koran 39:42). 13 Koran 6:162.

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seres Lebens verfügen, so wenig verfügen wir über unseren Tod. Mit dem Tod findet ein Leben sein Ende, das seiner irdischen Bestimmung entspricht. Der Tod bedeutet im Islam also keinen Untergang und keine Katastrophe, sondern die Rückkehr des Lebens zu seinem Ursprung. 14 Mit dem Wissen um den eigenen Tod ist zugleich die Idee verbunden, dass ich mich Gott hingebe, dessen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit über mein Leben richten wird. 15 Im Angesicht des Todes, worüber wir nicht verfügen, erkennen wir uns in unserer Würde, ein sterblicher Mensch zu sein. Hinzu kommt, dass sich der Mensch im religiösen Kontext als ein Wesen begreift, welches aus einer Bindung zu Gott existiert. Dieser Bund mit Gott ist von überzeitlicher, präexistenter Natur, indem der Ewige den Menschen fragte: »Bin Ich nicht euer Herr?« 16 und die Menschen bejahten: »Ja, wir bezeugen es.« (Koran 7:172) Die Zeitungebundenheit dieses Bundes hat für das islamische Menschenbild eine prägende Bedeutung, die darin besteht, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner sexuellen Orientierung, seiner Nationalität, seines sozialen Standes oder seines (Un-) Glaubens von Gott angenommen wird, der alle Geschlechter aus einer Seele erschaffen hat. In seiner Abschiedspredigt bekräftigt der Prophet Muḥammad diese Gleichheit aller Menschen, wenn er sagt: »Die gesamte Menschheit stammt von Adam und Eva ab. Ein Araber hat weder einen Vorrang vor einem Nicht-Araber, noch hat ein Nicht-Araber einen Vorrang vor einem Araber; Weiß hat keinen Vorrang vor Schwarz, noch hat Schwarz irgendeinen Vorrang vor Weiß.« Dies nimmt seine programmatische Bestimmung darin ein, dass diese uneingeschränkte Angenommenheit als Liebe verstanden wird. So ist aus dem Koran über den Menschen zu hören, Er liebt [sie] und sie lieben Ihn (vgl. Koran 5:54). Insofern gilt der Koran als ein dezidiertes Liebeszeugnis Gottes an die Menschen, worin sich Gott als »Gott der Menschen« (Koran 114:3) bezeichnet, der dem Menschen »von Seinem 14

Vgl. Koran 5:35. »Wahrlich, Gott tut nicht Übles, nicht vom Gewicht eines Stäubchens. Und ist eine gute Tat, so vervielfacht Er sie und gibt von Sich her einen Lohn, einen gewaltigen« (Koran 4:40). 16 Koran 7:172. Vgl. auch Der reine Gottesglaube. Das Wort des Einheitsbekenntnisses. Aḥmad al-Ġazzālīs Schrift At-Taǧrid fī kalimat at-tawḥīd. Eingel., übers. u. komm. v. R. Gramlich. Wiesbaden 1983, S. 23. 15

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Geist« (Koran 32:9) eingehaucht habe. Als Geschöpf Gottes versteht sich der Mensch aus der bleibenden Bezogenheit des Menschen auf Gott, aus und in der Sehnsucht nach Gott zu leben. Er ist, wie es auch die biblischen Traditionen annehmen, »aus trockenem Lehm, gestaltbarem Schlamm« (Koran 15:26) entsprungen, aber der Mensch bleibt nicht bloß Lehm und Schlamm, sondern nimmt schöne Gestalt (vgl. Koran 64:3) und Vernunft an. Daher stellt der Mensch kein Zufallsprodukt der Natur dar, sondern er ist aus der Liebe und Entschlusskraft Gottes entsprungen. Hier artikuliert sich eine unerschütterliche menschliche Würde, die keine Relativierung duldet. Menschen können weder als Mittel zu einem Zweck benutzt werden, noch lässt sich Menschsein quantifizieren. Menschsein wird vielmehr als eine außerordentliche Qualität begriffen, indem im Antlitz eines Menschen die gesamte Menschheit sichtbar wird, sodass einen Menschen zu töten gleichviel bedeutet, die Menschen allesamt getötet zu haben und einen Menschen zu retten, der Errettung aller Menschen gleicht (vgl. Koran 5:32). Die Bewahrung des Lebens ist unantastbares Gut, insofern Leben als Leihgabe Gottes verstanden wird. Daher scheint weder eine aktive Gewaltausübung noch eine Position, die eine aktive Sterbehilfe als Verfügen über das eigene Ende unter dem Vorbehalt menschlicher Autonomie durchführen will, aus islamischer Sicht kaum plausibel. Hierzu gehört auch eine ideologiekritische Analyse, die nicht illusorisch einer szientifischen Rationalität verfallen ist, Menschsein als eine technologische Prothese rein naturwissenschaftlicher Forschung zu begreifen, ohne Einsicht in die eigene Begrenztheit menschlicher Vernunft, sondern einzusehen, dass der Mensch lebendiger Geist ist, vor allem mit einer dezidiert leiblichen Existenzweise, dass der Mensch also ein intelligentes, geistig-leibliches Lebewesen ist. Charakteristisch ist für dieses Menschenbild, dass der Mensch sich selbst nicht genug ist. Zum Leben benötigt er nicht nur als soziales Wesen Mitmenschen, sondern grundlegend Gott: »O ihr Menschen«, heißt es im Koran, »ihr seid Bedürftige Gottes!« (Koran 35:15). Leben als Atmen mit Gott zu begreifen, entlastet den Menschen, nimmt ihm die Schwere und vor allem die Masken ab, womit er sich sonst verstellt. Vor Gott stehen wir ohne eine Verstellung, ohne Gehabe, ohne Masken. Der Glaube an Gott demaskiert. Denn vor Gott tragen wir in unserer Vielfalt und Mehrstimmigkeit immer nur den einen Namen, ein Mensch zu sein. Das islamische Menschenbild eröffnet somit einen Sinn jen181 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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seits von Produktivität, indem dem scheinbar Sinnlosen einen Sinn verliehen wird: dem Leid, dem Scheitern, dem Altern, den Verletzten, den Ausgegrenzten und dem Tod. Diese Gottbezogenheit eröffnet die Möglichkeit, in Distanz zu sich selbst zu kommen, die eigenen Machtinteressen und Selbsterhöhungen zu hinterfragen, sodass wir für das dankbar sind, was wir sind, ohne uns daran zu orientieren, was wir noch mehr haben können und was wir noch über uns hinaus sein können. Menschsein ist demnach kein Anspruch, sondern eine Haltung. Die Haltung besteht darin, Kinderrechte zu beachten, nicht wegzuschauen, wenn Kinder misshandelt oder sexuell missbraucht werden und es nicht hinzunehmen, wenn Kinder für kriegerische Zwecke instrumentalisiert werden; dafür Verantwortung zu übernehmen, dass kein Kind an irgendeiner Grenze stehen bleiben und verhungern darf! Haltung zu zeigen heißt, dass die Gleichberechtigung der Frauen kompromisslos gelten soll! Haltung bedeutet, zu brennen, wenn eine Synagoge verbrannt wird, und verfolgt zu sein, wenn Christ:innen verfolgt werden. Diese menschliche Haltung besteht dann im Kern darin, auf die eigene humane Intelligenz zu vertrauen, diese zu kultivieren, um den unabdingbaren Veränderungen und Dynamiken der Zeit nicht zu trotzen, aber ihnen auch nicht zu verfallen, sondern diese mit klaren universellen Werten mitzugestalten. Der Mensch stellt somit das Resultat religiöser Kultivierung dar. Der Humanus und die Humanität in ihrer ganzen Erfüllung sind insofern die äußerste Frage des Islams, als sich in der Frage nach dem Menschen, die ebenso sehr für Immanuel Kant die entscheidende Frage der Philosophie bedeutete, die Frage nach Gott entscheidet; denn die Gotteserkenntnis ereignet sich nach einem berühmten Wort des Propheten in der Erkenntnis des Menschen. Ich glaube nicht an irgendeinen Gott, sondern an den Gott des Menschen, an den Gott Muhammads, Mariens, Mose, Abrahams. Als Muslim verliere ich keineswegs das Antlitz des Menschen, indem ich mich meiner inneren Transzendenzbezogenheit verschreibe. Im Gegenteil: Der Islam bietet keine Alternative zum Menschsein, zur Menschlichkeit. Der Islam fungiert somit nicht als ein Sammelsurium einer Kette von Versprechungen, die in der Vision eines geschichtslosen Nachmenschen, eines neuen Menschen, eines Übermenschen gründen, wie wir sie aus postund transhumanistischen Zukunftsvisionen wahrnehmen, sondern der Islam hält am Menschsein fest, indem in ihm die Idee des Menschen 182 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

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kultiviert werden soll, indem wir mit klarer Haltung, mit ethischen Werten der Verwirklichung menschlicher Freiheit dienen. Muhammad versteht sich als einen Menschen, der für die Menschen entsandt wurde, als Barmherzigkeit und als einer, der den menschlichen Charakter veredeln soll. Der Mensch soll eben nicht verschwinden, »wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand« 17, sondern sichtbar, fühlbar, hörbar, berührbar werden für sich selbst, für den anderen und für den ganz Anderen. Der Mensch wird also nicht seiner unentwegten Selbstbestimmung entlastet, sondern angehalten, die Würde, ein Mensch zu sein, anzunehmen, weil der Mensch etwas ist, was nicht überwunden werden soll. 18 Ein Mensch zu sein heißt vielmehr sein Leben als unverfügbar anzunehmen und aus der Hingabe zum Unverfügbaren selbst zu entwerfen. Entgegen den Utopien des Post- und Transhumanismus gehört zum menschlichen Leben, zur menschlichen Intelligenz seine endliche Vergänglichkeit, die er immer situativ einsetzt, sodass jeder Zeitpunkt im lebendigen System des Menschen eine uneinholbare, hochgradig komplexe, in seiner Fülle unüberschaubare und unverfügbare Einmaligkeit besitzt, die weder einzufangen noch zu digitalisieren, und noch weniger wiederholbar ist. Daher bleibt es fraglich, ob Menschsein überhaupt mit der sogenannten Künstlichen Intelligenz und ihrem Digitalisierungsbestreben eroberbar wird oder wir uns irreführend immer mehr an den Gedanken gewöhnt haben, dass dies uns bedroht. Doch die eigentliche Bedrohung scheint mir erst die Annahme zu sein, dass dies überhaupt möglich sein kann. Denn dies greift entschieden den Kern unseres geschöpflichen Selbstbildes an. Der Standpunkt der Singularität besteht nicht bloß darin, dass der Mensch eines Tages Maschinen bauen wird, die ihn selbst intellektuell übertreffen. Dies ist bereits jetzt der Fall. Der Standpunkt besteht vielmehr darin, zu behaupten, dass der Mensch Maschinen bauen kann bzw. Programme schreiben kann, die Programme schreiben, die er nicht mehr versteht. Hierzu kann es auch gehören, dass diese ihn zerstören. Die Frage ist: Ist dies nichts anderes als die menschliche Fantasie, Ge17

Foucault, M.: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 1974 Frankfurt a. M., S. 462. 18 Vgl. Nietzsche, F.: Werke in drei Bänden. Hg. v. K. Schlechta. Band 2. München 1966, S. 278.

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waltfantasie selbst? Obgleich Kurzweil, Bill Gates oder Co. davor warnen, so bleibt es fraglich, ob Computer denken oder überhaupt jemals Bewusstsein erlangen können. Eine entmenschlichte Welt ist und bleibt jedenfalls eine zutiefst menschliche Erfindung. Der Mensch als Geschöpf, so ist aus der islamischen Geistestradition zu entnehmen, ist flüchtig, aber gerade darin ist in ihm die ganze Würde versammelt, dass er weder quantifizierbar noch berechenbar wird, weil er als Subjekt seiner freien Handlung in seine Lebensbedingungen eingreift, dialogisch und intersubjektiv lebt und immer mehr ist als die Summe dessen, was an ihm kalkulierbar und messbar ist; seine Einmaligkeit, seine Augenblicklichkeit, seine Unzulänglichkeit, seine Schwäche, seine Rastlosigkeit, seine Ungeduld, seine Spontanität, ja seine Romantik, sein Glaube, seine Liebe, sein Altern und seinen Schmerz sind unersetzbar, unkalkulierbar, aber konstitutiv. Insofern wird im Islam die Idee kultiviert, dass das Menschsein eine Hoffnung darstellt, der wir aller Selektion und Reduktion, aller Überwindungsfantasien und allem Optimierungswahn zum Trotz entgegenblicken.

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IV. Rezensionen

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Seyyed Hossein Nasr: »Man and Nature. The Spiritual Crisis of Modern Man« (ABC International Group, Inc., Chicago 1997) von Raid Al-Daghistani Die uns in der letzten Zeit in Form von globaler Erwärmung, drastischem Wechsel zwischen Dürren und Überschwemmungen, zunehmenden Fällen von vom Aussterben gefährdeten Tierarten und allgemeinem Klimawandel immer deutlicher und spürbarer entgegentretende ökologische Krise ist – vollkommen zu Recht – zu einem heiklen und subtilen Tagesthema geworden. Dementsprechend erschien in den letzten Jahren auch eine ganze Bandbreite die Umwelt thematisierende zeitgenössische Fachliteratur, die zu einem gewissen Maß – wenigsten innerhalb der (populär-)wissenschaftlichen, akademischen, und naturaktivistischen Kreise – von einem erhöhten ökologischen kollektiven Bewusstsein zeugt. Doch als das hier zu rezensierende Buch Man and Nature: The Spiritual Crisis of Modern Man im Jahr 1968 in seiner ersten Auflage 1 veröffentlich wurde, war die Frage nach der ökologischen Krise und dem damit zusammenhängenden umweltethischen Umgang mit der Natur und der natürlichen Umwelt trotz einiger wichtiger Studien, Forschungsprojekte und Organisationen immer noch eher ein Randthema in der Literatur und Wissenschaft, ganz zu schweigen von ihrer Wahrnehmung und Rezeption in der (breiten) öffentlichen gesellschaftlich-politischen sowie (und vor allem) religiös-theologischen Debatten. 2 In dieser Hinsicht stellt das vorliegende, auf vier im Jahr 1966 an der Universität Chicago abgehaltenen Vorlesungen basierende Buch, eine innovative »Pionierarbeit« und ein »Ausnahmewerk« im Bereich der Ökotheologie und Umweltphilosophie dar. 3 Während der katholische Theologe Eric Lionel Mascall dieses Buch als ein »einzigartiges« und »hervorragendes« Werk preist, 4 1

Nasr, S. H.: Man and Nature: The Spiritual Crisis in Modern Man. Sydney 1968. Das Buch wurde mehrmals nachgedruckt: im Jahr 1976, 1988, 1990 und 1997. Im Folgenden zitiert als: Nasr: Man and Nature. 2 An dieser Stelle soll dennoch in Erinnerung gerufen werden, dass genau im Jahr 1968 der Club of Rome gegründet wurde – ein Zusammenschluss von Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern, der sich explizit für den Schutz von Ökosystemen und für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. 3 Für eine einleitende Darstellung Nasrs Gesamtwerke zu umweltethischen Themen, siehe z. B. Abu Sayem: Seyyed Hossein Nasr’s Works on Environmental Issues: A Survey. In: Islamic Studies, Nr. 58/3, 2019. S. 439–451. 4 Mascall, E. L.: Review of The Encounter of Man and Nature: The Spiritual

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hebt Haven O’More hervor, dass es eine grundlegende Herausforderung für die moderne wissenschaftliche Weltanschauung darstellt. 5 Hinsichtlich sowohl der inhaltlich-thematischen Komplexität dieses Buches (die von Biologie bis Theologie und von Wissenschaftsphilosophie bis zur Geschichte der Philosophie reicht) als auch seines fast visionären Charakters lassen sich die beiden obigen Beobachtungen zu Recht bestätigen. Denn dem Autor gelingt hier auf knapp 150 Seiten nicht nur eine tiefgreifende, sich sowohl auf die Kritik der naturwissenschaftlichen Ansätze als auch der geisteswissenschaftlichen Positionen beziehende Analyse der zunehmend besorgniserregenden Lage des Menschen gegenüber der Natur zu vermitteln. Vielmehr schafft er ein Bewusstsein zur Wiederentdeckung der spirituellen und metaphysischen Einzigartigkeit der Natur – und dies gerade mithilfe der erkenntnisreichen und oft komparatistischen Auslegungen der großen religiösen und spirituellen Traditionen. Insofern kann dieses Buch in der Tat als eine echte Besonderheit seines Genres betrachtet werden. Die Grundbotschaft dieses Buches liegt in der Offenlegung und Verdeutlichung, dass die große ökologisch-existenzielle Gefahr des Menschen in erster Linie seinem instrumentalisierend und de-sakralisierend gewordenen Verhältnis zur Natur geschuldet ist. Damit wird die Ursache für die ökologische Krise eindeutig im Menschen, genauer in seinem Denken und seinem Umgang mit der Natur verortet. 6 Die Hauptgründe und Ursachen für die Entstehung solchen Denkens und Verhältnisses sieht Seyyed Hossein Nasr vorrangig in dem aus der cartesianischen Methode (S. 69) erwachsenen epistemologisch totalitären und methodologisch exklusivistischen Charakter der modernen Wissenschaft, 7 Crisis of Modern Man, by Seyyed Hossein Nasr. In: Religious Studies 6, Nr. 1, 1970, S. 103. Siehe auch Sayem: Seyyed Hossein Nasr’s Works on Environmental Issues: A Survey. a. a. O. S. 440. 5 O’More, H.: Review of The Encounter of Man and Nature: The Spiritual Crisis of Modern Man, by Seyyed Hossein Nasr. In: Aperture 15, Nr. 2, 1970, S. 58. Siehe auch Sayem: Seyyed Hossein Nasr’s Works on Environmental Issues: A Survey. a. a. O. S. 440. 6 Für die existenziell-spirituellen Ursachen der ökologischen Krise und einen »Lösungsansatz« aus islamisch-mystischer Perspektive siehe auch meinen Aufsatz Al-Daghistani, R.: »Der Sufi ist wie die Erde …« Ein Versuch über die Grundzüge einer spirituellen Ökologie im Islam. In: Islamische Umwelttheologie. Ethik, Norm, Praxis. Hrsg. v. M. Khorchide und S. Binay. Freiburg i. Br. 2019, S. 86–103. 7 Nasr behauptet, dass sowohl die modernen (Natur-)Wissenschaften als auch die historische Untersuchung dieser Wissenschaften letztendlich versagen, angemessene, pragmatische und effektive Lösungsansätze für die gegenwärtige Krise des Verhältnisses zwischen dem Menschen und der Natur zu liefern. Und einen

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die durch die Reduzierung der Wirklichkeit auf ihre bloß quantitativ messbaren Komponenten allmählich, doch wesentlich, zur Desakralisierung des Kosmos beigetragen hat (S. 52). Diese Desakralisierung des Kosmos, die primär durch die materialistisch-rationalistische Weltanschauung einerseits und durch das nutzungs- und profitorientierte Dominanzgehabe des Menschen andererseits bedingt ist, manifestiert sich im Verlust der menschlichen Sensibilität und Fähigkeit, die natürliche Welt als ein sakrales Symbol der spirituellen Wirklichkeit zu sehen, und damit den ihr innewohnenden metaphysisch-transzendenten und sakramentalen Wert zu erkennen und zu würdigen. Doch dabei geht es Nasr nicht um die durch eine unreflektierte und sentimental-aufgeladene Emotionalität verursachte Wiederverzauberung der Welt, sondern um eine bewusstseinsethische und epistemisch-spirituelle Rückbesinnung auf die aller Existenz zugrundeliegenden Transzendenz und Heiligkeit, die unter der Bezeichnung Sakralisierung des Kosmos aufgefasst wird. In diesem Kontext warnt der Autor vor dem sogenannten »Antihumanismus des wissenschaftlichen Rationalismus«, der sich weigert anzuerkennen, dass die ultimative Ursache für die ökologische Krise in letzter Instanz in der (bewussten oder unbewussten) menschlichen Trennung von seiner spirituellen Quelle liegt (S. 7). Vor diesem Hintergrund wird die Gesamtheit der ökologischen Krise grundsätzlich als eine »Entäußerung des inneren Krankheitszustandes« des Menschen (S. 9) aufgefasst, die letztendlich nur durch die Wiederentdeckung der »sakralen Qualität« (S. 14) und der »spirituellen Bedeutung der Natur« (S. 39) einerseits und der Wiederaneignung des »metaphysischen Wissens« 8 (S. 14) im Sinne einer scientia sacra (S. 31) andererseits überwunden und aufgehoben werden kann. der Hauptgründe dafür sieht er gerade in ihrer absolutistischen und exklusivistischen Haltung gegenüber anderen Wissenschaftsdisziplinen – vor allem gegenüber den traditionellen und alternativen Lehren – die aber (wenigstens in diesem Punkt) einen viel offeneren, ganzheitlichen und umfassenderen Zugang zur Natur pflegten (Vgl. Nasr: Man and Nature, S. 52). 8 Unter dem »metaphysischen Wissen« versteht Seyyed Hossein Nasr das »höchste Wissen« von den ersten Prinzipien und von der ersten Ursache des Seins, die im Lichte der philosophia perennis – zu welcher sich der Autor auch zählt – zugleich die Gnosis vom transzendenten Göttlichen bezeichnet, das – laut dem Autor – den heiligen Urgrund alles Seins darstellt. In diesem Sinne fungiert das »metaphysische Wissen« als das Metawissen (insofern es über die Bedingungen und Möglichkeiten anderer Wissensarten und Wissenschaften reflektiert) und zugleich als das ultimative Wissen (insofern es das Wissen von dem Ultimativen, dem Letzten und dem Ganzen darstellt). Vor diesem Hintergrund fasst er die Metaphysik, die sich von der Philosophie im Allgemeinen unterscheidet, selbst als »die Wissenschaft von dem Wirklichen und dem Absoluten« auf (Nasr: Man and Nature, S. 81).

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Sowohl die grundsätzlich rationalistisch-materialistisch gekennzeichneten modernen Wissenschaften als auch die überwiegend rationalistischen und anthropozentrisch orientierten Theologien (S. 60) sind Nasr zufolge epistemologisch (und praktisch) nicht in der Lage, die Natur in ihrem ganzheitlichen Sinnhorizont, d. h., in ihrer grundlegend symbolischen 9 und metaphysischen Bedeutung, aufzufassen, die aber für einen verantwortungsbewussten und emphatischen Umgang des Menschen mit der Natur wesentlich und notwendig ist. Was Nasr in dieser Hinsicht von den Wissenschaften und Theologien fordert, ist nicht weniger, als dass die ersten in ihrer Epistemologie und Methodologie integraler werden müssen (indem sie nicht nur die faktische, sondern auch die symbolische Dimension des Kosmos mitberücksichtigen) und die zweiten kontemplativer (indem sie nicht nur den dogmatisch-theologischen, sondern auch den apophatisch-mystischen Aspekt der Natur aufnehmen). Inwiefern dies als ein allgemeiner Anspruch an Wissenschaft und Theologie erhoben werden kann und inwiefern sich das tatsächlich in Lehre und Praxis realisieren lässt, sei an dieser Stelle dahingestellt. Wichtig ist hier das Signal, welches Nasr damit in seinem Buch dem Leser in aller Klarheit und Vehemenz sendet, und dieses besteht eindeutig in der Kritik der erkenntnistheoretischen und methodologischen Ansätze sowohl der modernen Wissenschaft als auch der rationalistischen Theologie hinsichtlich ihrer Vermittlung der Gesamtwirklichkeit der Natur so wie hinsichtlich ihrer Haltung zur Frage des menschlichen Verhältnisses zu ihr. Entlang dieser Argumentationslinie setzt sich Nasr im ersten Kapitel (The Problem) seines Werkes – das der Diagnostizierung des Problems der vorliegenden Thematik gewidmet ist – mit verschiedenen wissenschaftstheoretischen und auch philosophisch-theologischen Positionen kritisch auseinander, um entweder ihre grundsätzliche Widerwilligkeit oder methodische Unzulänglichkeit hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der Frage der Umwelt und der damit zusammenhängenden ökologischen Krise aufzeigen zu können. Doch Nasrs Buch ist keineswegs eine Kriegserklärung an die Wissenschaft, sondern vielmehr eine profunde und gewagte Kritik ihrer oft überschätzten und überlegitimierten Rolle, Funktion und Nutzanwendung hinsichtlich der Frage der gesamten Wirklichkeit und der metaphysisch-spirituellen Position des Menschen in ihr. Nasrs Buch fordert somit die Selbstverständlichkeit und die methodologisch-epistemologische Exklusivität der modernen Wissenschaft (und 9

Die Bezeichnung »symbolisch« ist hier nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung »metaphorisch«. Mit dem »Symbolischen« mein Seyyed Hossein Nasr in diesem Kontext nichts weniger als die transzendente, spirituelle, sakrale und sinnstiftende Natur des Kosmos (S. 131). Zu einer umfassenden Analyse des Symbolischen in der Mystik siehe z. B. Margreiter, R.: Erfahrung und Mystik: Grenzen der Symbolisierung. Berlin 1997.

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Wissenschaftsphilosophie) mit aller Entschlossenheit heraus, relativiert ihren oft erhobenen Absolutheitsanspruch hinsichtlich ihrer fast unantastbaren Deutungshoheit bezüglich der Frage der (un-)erkennbaren Wirklichkeit des Kosmos, und revitalisiert darüber hinaus die Bedeutung, Relevanz und Sinnhaftigkeit der »traditionellen Wissenschaften« und der den großen religiösen Traditionen zugehörenden metaphysisch-spirituellen Deutungen des Kosmos, die er insbesondere im 3. Kapitel (Some Metaphysical Principles Pertaining to Nature) mit bemerkenswerter Fachkompetenz und erleuchtender Klarheit darzulegen versucht (S. 81–114). Genau darin liegen der eigentliche Wert und der eigentliche Beitrag dieses Buches: In der überzeugenden Darlegung und veranschaulichten Vermittlung der spirituell-intellektuellen Tiefe und der umweltethischen Bedeutung der traditionellen Lehren großer religiös-spirituellen Strömungen wie des Christentums, des Buddhismus, des Hinduismus, des Taoismus und des Islams. Der Autor ist stark davon überzeugt, dass nur die ethisch-spirituellen Lehren dieser großen Welttraditionen, denen die genuine Betonung der metaphysischen und sakralen Bedeutung der Natur gemeinsam ist – und nicht die durch Säkularismus, Rationalismus und Materialismus geprägte moderne Wissenschaft –, den Menschen von jeglicher ökologischen Krise und Katastrophe retten können. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Möglichkeit einer viel umfassenderen Betrachtungsweise der Natur, die den zunehmenden verantwortungsbewussten Ansprüchen des heutigen Menschen (und der heutigen Gesellschaft) viel stärker entgegenkommen kann als das bei den (meisten) empirisch-rationalistisch orientierten Wissenschaftsdisziplinen und der trotz ihrer immanenten Anerkennung des Göttlichen immer noch prädominierend anthropologisch geprägten Theologien der Fall ist. Die Integration der metaphysisch-spirituellen Doktrinen der traditionellen Kosmologien in die philosophisch-theologischen sowie in die natur-wissenschaftlichen Diskurse sieht Seyyed Hossein Nasr nicht nur als eine Bereicherung im Kontext der wissenschaftlich-philosophischen Suche nach dem Gesamtbild der Wirklichkeit, sondern ebenso als einen notwendigen Schritt, um einen benötigten Kurswechsel im Fühlen, Denken und Handeln bezüglich der Umweltfrage und der Beziehung des Menschen zur Natur vollziehen zu können. Dabei hebt Nasr insbesondere die Relevanz und die Bedeutung der kontemplativ-mystischen und metaphysischen Tradition des Christentums hervor (die man beispielsweise in den Lehren eines Erigenas, Chartres oder Heiligen Franz von Assisi findet), die die sakrale, symbolische und spirituelle Dimension des Kosmos anzuerkennen und zu würdigen wusste (S. 60). Auch die Lehren des Taoismus, Neo-Konfuzianismus und Zen-Buddhismus werden wegen ihrer starken Betonung des reichen Symbolismus, der Präsenz der Transzendenz und der Vergegenwärtigung der metaphysischen Transparenz zwischen dem Menschen und der (ultimativen) Wirklichkeit vom Autor entsprechend beleuchtet

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und gewürdigt (S. 83). Ferner wird der Hinduismus mit sowohl seiner komplexen Kosmologie und Naturphilosophie als auch seinen spirituell-kontemplativen Techniken als eine »integrale Tradition«, die sich der Kraft und der Energie der Natur bewusst ist, interpretiert und gepriesen. Besonderes Augenmerk wird schließlich auf kosmologische Doktrinen, naturphilosophische Positionen und mystisch-metaphysische Lehren des Islams gelegt (S. 93–97). In diesem Zusammenhang verweist Seyyed Hossein Nasr zunächst nicht nur auf den theologischen Grundsatz des Islams, der im »Prinzip der Einheit« (tawḥīd) liegt, sondern ebenso auf die Bezeichnung »Religion der Mitte«, die sowohl die »geographische« als auch die »metaphysische« Stellung des Islams zum Ausdruck bringt (S. 93). Er macht darauf aufmerksam, dass schon im Koran selbst – der als die ultimative Quelle aller innerislamischen Reflexionen und Theorien dient – die grundlegende Verflechtung des Menschen mit der Natur betont wird. Besondere Aufgeschlossenheit und Sensibilität für die natürliche Welt finden sich innerhalb der mystisch-gnostischen Lehren des Sufismus, dessen Vertreter die Natur häufig als die Sphäre der Symbole der spirituellen Welt bzw. der Gotteszeichen (ayāt) oder als die göttliche Selbstmanifestation selbst (taǧallī) betrachtet haben. Und auch wenn den spirituellen Bestrebungen des Menschen die initiatorische Überwindung des Natürlichen zugrunde liegt, kann die Natur selbst als ein wesentlicher und unumgänglicher Bestandteil dieses Unternehmens dienen (S. 95). 10 Indem die islamisch-spirituelle Tradition nicht zuließ, den Menschen von der Natur komplett zu trennen, hat sie es geschafft, einen »integralen Blick auf das Universum« zu bewahren und in der kosmischen Ordnung den »Fluss der göttlichen Gnade« zu sehen (S. 95). In diesem Zusammenhang erwähnt Nasr die hermeneutisch-mystische Interpretationsmethode des taʾ wīl, mit deren Hilfe die Sufi-Mystiker zu der inneren, verborgenen Bedeutung (bāṭin) sowohl des heiligen Textes als auch der existierenden Wirklichkeit durchzudringen versuchen. Die Entwicklung und Etablierung einer solchen sowohl auf die Überlieferung als auch auf den Kosmos gerichteten Hermeneutik zeugt von einem Natur-sakralisierenden-Bewusstsein im Islam, welches sowohl durch das Konzept des ḫalīfullāh, eines »Statthalters Gottes« auf der Erde, dem die Erde in Fürsorge anvertraut wurde, 11 als auch durch das Konzept des al-insān al-kāmil, des »vollkom10

Näheres zur Metaphysik des Symbolismus in der sufisch-mystischen Deutung der Wirklichkeit siehe z. B. Sirāj ad-Dīn, A. B: The Book of Certainty: The Sufi Doctrine of Faith, Vision and Gnosis. London 1952, S. 50. 11 Nasr erkennt zwar an, dass Gott dem Menschen das Recht gegeben hat, über die Natur zu herrschen, doch nur insofern er seine Gottebenbildlichkeit, seine theomorphische Natur, existenziell (in Haltung und Handlung) verwirklicht hat (Nasr: Man and Nature, S. 96).

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menen Menschen«, der in seinen Tugenden und Taten die göttlichen Eigenschaften und Qualitäten widerspiegelt (S. 96), nur noch vertieft und vervollständig wird. Vor diesem Hintergrund kann Nasr vielleicht etwas zugespitzt schließen, dass der Mensch aus der Perspektive der spirituellen Tradition des Islams als ein »Kanal göttlicher Gnade für die Natur« aufgefasst wird, da er eben durch seine aktive Teilnahme an der spirituellen Welt das göttliche Licht in die Natur strömen lässt: Und wären keine Heiligen in der Welt, dann würde auch die Natur ihres Lichtes beraubt (S. 96–97). All diese kontemplativ-spirituellen Traditionen tragen nämlich durch ihre metaphysisch-ethischen Lehren zur grundlegenden Sensibilisierung des Menschen für eine ehrfurchtsvolle Haltung gegenüber der Natur – einer Haltung, die die Grundlage eines nachhaltigen, sorgfältigen und umweltfreundlichen Verhältnisses zur Natur darstellt und die heute mehr denn je wieder erlernt, verinnerlich und als Tat und Tugend umgesetzt werden muss. Die Lektüre dieses inhaltlich schon ohnehin verdichteten Textes wird durch die am Ende des jeweiligen Kapitels hinzugefügten zahlreichen Erklärungsanmerkungen und Literaturhinweise nur noch zusätzlich vertieft. Durch die souveräne Analyse verschiedener erkenntnistheoretischer Ansätze und durch die Darstellungen zahlreicher spirituell-metaphysischen Doktrinen und kontemplativen Lehren demonstriert der Autor seine profunden Kenntnisse in den beiden Grundbereichen: im Bereich der modernen Wissenschaft und im Bereich der religiös-mystischen Traditionen. In seinen Ausführungen tritt uns der Autor stets als ein ausgezeichneter Kenner dieser Traditionen entgegen, deren philosophische Doktrinen und metaphysische Grundsätze er herunterzubrechen und in aller Klarheit zu vermitteln weiß. Das Werk Man and Nature: The Spiritual Crisis of Modern Man ist eine Offenlegung der grundlegenden Unzulänglichkeit der Epistemologie der modernen Wissenschaft gegenüber der Natur und zugleich ein intellektuelles Plädoyer für einen grundsätzlich integralen Zugang zum Kosmos auf der metaphysisch-spirituellen Grundlage der perennialen Philosophie, (S. 82–83) spirituellen Kosmologie (S. 51) und kontemplativen Theologie (S. 60). Als solches stellt dieses Werk trotz der in gewisser Weise mangelnden Systematik und einiger durch den heutigen Stand der Forschung überholten Erkenntnisse eine unumgängliche Lektüre nicht nur im Bereich der Umweltliteratur, sondern vor allem und explizit auch im Bereich der Umweltphilosophie und Umwelttheologie dar. Darüber hinaus lässt sich das Werk zu Recht als »eine […] der besten Ressource[n]« für die begründeten Beratungsgespräche der Kulturpolitiker über die ökologische Krise auffassen. 12 12

Vgl. O’More: Review of The Encounter of Man and Nature: The Spiritual Crisis of Modern Man, by Seyyed Hossein Nasr. a. a. O. S. 58; siehe auch Sayem: Seyyed Hossein Nasr’s Works on Environmental Issues: A Survey. a. a. O. S. 440.

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Schließlich bedeutet das hier rezensierte Buch auch eine Erinnerung, an die immer wieder verlorene (bzw. vergessene) epistemische Demut, die heute trotz der hohen intellektuell-wissenschaftlichen Ansprüche als auch der voranschreitenden Forschungen mehr denn je als Tugend und Verantwortung wieder erlernt und verinnerlicht werden sollte. Doch würde man eine einheitliche Umweltphilosophie Nasrs herauskristallisieren wollen, dann reicht dieses Buch allein nicht aus, es müssten auch seine anderen Werke zu ähnlichen Themen (wie etwa Need for a Sacred Science (1993) oder Religion and the Order of Nature (1996)) herangezogen und genauer untersucht werden. Ich hoffe jedenfalls, dass auch dies in der Zukunft geschieht.

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Ursula Fatima Kowanda-Yassin: »Öko-Dschihad. Der grüne Islam – Beginn einer globalen Umweltbewegung« (Residenz Verlag, Salzburg/Wien 2018) von Erkan Binici Wenn Muslim:innen sich aus einer religiösen Motivation heraus gegen Umweltverschmutzung stellen, ihr eigenes Handeln reflektieren und sich für den Erhalt der Natur einsetzen, ist das »Öko-Dschihad«. 1 Mit der Erklärung dieses Begriffes, der schon zuvor u. a. von der britischen Aktivistin Sarah Joseph geprägt wurde, steigt Kowanda-Yassin in ihr gleichnamiges Buch ein und legt damit den inhaltlichen Rahmen fest. 2 Denn schnell wird deutlich, dass es der Autorin weniger um eine theoretische Auseinandersetzung mit theologischen Standpunkten geht, sondern sie vielmehr einen Einblick in die Praxis, in den »Öko-Islam-Aktionismus«, geben möchte. Diese Perspektive auf das Thema ist auch im Aufbau des Buches zu erkennen. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. In Teil A gibt die Autorin auf etwa 22 Seiten einen Einblick in die historische Entwicklung und die Merkmale der »Öko-Islam-Bewegung« und geht dann kurz auf die theologischen Prinzipien ein, auf welche sich die Aktivist:innen beziehen. Im deutlich umfangreicheren Teil B, welcher etwa 130 Seiten und 12 Unterkapitel umfasst, porträtiert Kowanda-Yassin zahlreiche Akteur:innen aus dem Feld, beschreibt dabei ihr Wirken und geht auf einzelne Themen rund um Ökologie und religiöse Lebenswelt gesondert ein.

Was ist »Öko-Islam«? Für die Autorin stellt der »Öko-Islam« bzw. der »grüne Islam« keine eigene, losgelöste Strömung und auch keinen eigenen Ansatz im Islam dar, sondern sollen diese Begriffe vielmehr als Sammelbegriffe für die umweltethischen Prinzipien in der islamischen Theologie stehen. 3 Damit verortet Ursula KowandaYassin die Auseinandersetzung des Islam mit umweltrelevanten Themen bereits

1

Vgl.: Kowanda-Yassin, U.: Öko-Dschihad. Der grüne Islam – Beginn einer globalen Umweltbewegung. Salzburg/Wien 2018, S. 9 f. 2 Die 57. Ausgabe der Online-Zeitschrift »Emel«, die 2009 erschienen ist, trägt den Titel »Eco-Jihad«. Vgl.: Joseph, S.: Editorial, in: Emel. Vol. 57 (2009). Aus: https://www.emel.com/article?id=58&a_id=1308 [04. 07. 2021]. 3 Vgl.: Kowanda-Yassin: Öko-Dschihad, S. 10.

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in die Lebenszeit des Propheten. 4 Gleichzeitig trennt sie diese Perspektive durch den Begriff »Öko-Islam-Bewegung«, unter welchem sie die Bestrebungen ab 1970 subsumiert, die sich aus theologischer bzw. spiritueller Perspektive mit modernen Umweltdiskursen auseinandersetzen. 5 Dabei verortet sie den geistigen Anfang dieser Bestrebungen bei den Theorien des muslimischen Philosophen Seyyed Hossein Nasr. 6 Diese klare Trennschärfe der Begriffe, einerseits die allgemeine intrinsische umweltethische Ausrichtung der islamischen Theologie und andererseits die konkreten Bestrebungen in der Auseinandersetzung mit modernen Umweltproblemen, verschwimmen dann im weiteren Verlauf. Das ist beispielsweise der Fall, wenn insgesamt von »Öko-Bewegung« die Rede ist, oder wenn unter dem Stichwort »Gesicht des Öko-Islams« drei Ebenen der »Öko-Islam-Bewegung« erläutert werden. 7 Neben der Perspektive der muslimischen Aktivist:innen und damit der Zivilgesellschaft, gäbe es in der »Öko-Islam-Bewegung« auch die der Theoretiker:innen – Theolog:innen, Wissenschaftler:innen und Philosoph:innen, die sich mit theoretischen Fragen rund um Natur und Umwelt beschäftigen. 8 Die Aktivist:innen bauen in ihrem Engagement auf der Vorarbeit der Theoretiker: innen auf. 9 Die staatlich institutionelle Ebene ist für Kowanda-Yassin gänzlich uninteressant, da auf dieser Ebene in der Praxis wenig passiere. 10 Damit wird deutlich, dass die Autorin eine Verfechterin der Bottom-Up-Strategie ist, wie sie auch im Schlusswort erneut betont. 11

Ziel des Buches Im Vorwort legt die Autorin das Ziel des Buches offen, und zwar überblicksartig die Vielfalt der Bestrebungen und Angebote von Muslim:innen im Kontext des Öko-Islam darzustellen. 12 Wichtig war es Kowanda-Yassin dabei vor allem auf die Motivationen der jeweiligen Personen einzugehen. 13 Aufgrund der schier großen Menge an Initiativen habe sie inhaltliche Schwerpunkte iden4

Vgl.: ebd., S. 23. Vgl.: ebd., S. 24. 6 Vgl.: ebd., S. 22. 7 Vgl.: ebd., S. 28. 8 Vgl.: ebd., S. 29. 9 Vgl.: ebd. 10 Vgl.: ebd., S. 13 f. 11 Vgl.: ebd., S. 169. 12 Vgl.: ebd., S. 10. 13 Vgl.: ebd., S. 11. 5

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tifiziert und dazu stellvertretend einige Akteur:innen näher untersucht. 14 Dafür wurden – so gibt die Autorin an – Fragebögen, Fachliteratur und InternetRecherchen genutzt, aber insbesondere auch persönliche Interviews mit den Akteur:innen geführt, um die hinter dem Aktivismus liegende Motivation erfahren zu können. 15 In diesem Punkt besticht das Buch besonders durch zahlreiche persönliche Anekdoten der Aktivist:innen und persönliche Einblicke in Sinneskrisen und Dilemmata, die sie zum Aktivismus geführt haben. Hauptsächlich im Teil B versucht Kowanda-Yassin so Einsicht in die Gefühls- und Gedankenwelt der verschiedenen muslimischen Aktivist:innen zu gewähren. In 12 Unterkapiteln geht die Autorin auf Teilaspekte der »Öko-Islam-Bewegung« ein und porträtiert stellvertretend für bestimmte Schwerpunkte einige Akteur:innen: (1) Im ersten Kapitel geht sie durch die Beschäftigung mit der Islamic Foundation For Ecology and Environmental Sciences (IFEES) auf eine global agierende Organisation ein, die gleichzeitig wohl auch die erste muslimische Organisation ist, die sich auf das Thema spezialisiert hat. (2) Im zweiten Kapitel stellt die Autorin mit der britischen Muslim Action for Development & Environment (MADE) stellvertretend eine national agierende Organisation vor. (3) Mit Alliance of Religions and Conservation (ARC) wird dann eine säkulare Organisation mit interreligiöser Ausrichtung bzw. Zielsetzung untersucht. (4) Im vierten Kapitel steht dann nicht mehr eine bestimmte Organisation im Mittelpunkt, sondern es geht primär um das Thema der »Grünen Pilgerreise«, wobei auf unterschiedliche muslimische Akteur:innen eingegangen wird, die sich mit diesem Thema befassen. (5) Ein weiteres Thema, nämlich umweltbewusste Hygienemaßnahmen von Frauen wird über die Organisation Global One (GO) gesetzt. (6) Im sechsten Kapitel werden einige Einzelpersonen und ihre Aktivitäten erläutert. (7) Anschließend wird auf Unternehmen von Muslim:innen eingegangen, die mit konkreten Produktideen zum Umweltbewusstsein beitragen und gleichzeitig damit Geld verdienen. (8) Das achte Kapitel fällt etwas aus dem Muster, da es sich mit einer anderen Fragestellung beschäftigt, nämlich wie umweltbewusste Muslim:innen in Österreich ihre Haltung leben und inwieweit das Thema in der Bildungsarbeit vorkommt. Dazu hat Kowanda-Yassin bei muslimischen Bildungseinrichtungen, muslimischen Pädagog:innen und Moscheen nachgefragt 14 15

Vgl.: ebd. Vgl.: ebd., S. 12.

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und Interviews geführt und geht auf die verschiedenen Antworten der Befragten ein. (9) Auch im neunten Kapitel geht die Autorin auf Einzelpersonen aus der »Öko-Islam-Bewegung« und ihre Aktivitäten ein. (10) Hiernach wird mit NourEnergy eine Organisation porträtiert, durch die der Blick auf das Thema »Grüne Moschee« gerichtet wird. (11) Das zwölfte Kapitel liest sich eher als Exkurs, in welchem die Autorin die Vereinigten Arabischen Emirate in ihrem Umgang mit Reichtum kritisiert. (12) Im letzten Unterkapitel werden dann schließlich zwei Medienformate von Muslim:innen stellvertretend vorgestellt und näher beschrieben, wie dort Umweltthemen platziert und verhandelt werden. Schon in dieser kurzen Auflistung wird deutlich, welche Bandbreite an Akteur: innen und Themen Kowanda-Yassin in Teil B abdeckt. Dabei ist diese Trennung nie sehr strikt, da die Autorin in jedem Kapitel auch auf andere Akteur: innen verweist, um einen bestimmten Sachverhalt zu erläutern. Dahingehend sind die vorgenommenen Unterteilungen der Unterkapitel und damit die identifizierten Schwerpunktthemen nicht immer ganz nachvollziehbar. So wird beispielsweise nicht deutlich, warum sowohl in Unterkapitel sechs als auch im Unterkapitel neun getrennt voneinander verschiedene Einzelpersonen porträtiert werden.

Vorgehensweise Selbstkritisch räumt dabei Kowanda-Yassin früh ein, dass obgleich sie um eine möglichst realtitätsgetreue Wiedergabe bemüht ist, sie doch von ihrer eigenen Perspektive geprägt ist und damit die Darstellungen und Deutungen subjektiv bleiben. 16 Wie es sonst bei einem empirisch-ethnographischen Ansatz üblich ist, macht die Autorin aus diesem Grund ihre eigene Perspektive transparent und legt offen, dass sie als eine in Österreich sozialisierte Frau schreibt. 17 An vielen weiteren Stellen wünscht man sich dann, dass die Autorin diese Herangehensweise beibehalten hätte, indem sie ihr Vorgehen und die einzelnen Denkprozesse deutlicher darstellt. So wird beispielsweise im weiteren Verlauf nicht ganz deutlich, was noch Aussagen und Ansichten der porträtierten Aktivist:innen sind und was eigene Gedanken und Meinungen der Autorin sind.

16 17

Vgl.: ebd., S. 12. Vgl.: ebd.

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Hier wäre die Verwendung rekonstruktiver Verfahren empirischer Sozialforschung möglicherweise sinnvoller gewesen, um die ausgewählten Daten systematisch auszuwerten. Ein solcher Zugang wäre auch im Kontext der spannenden Aussagen hilfreich gewesen, die Kowanda-Yassin auf Basis ihrer Untersuchungen zu formulieren scheint, wie z. B.: »In mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern tritt die religiöse Motivation in den Hintergrund und die Notwendigkeit zu handeln, steht an erster Stelle. In Ländern, in denen Muslime eine Minderheit darstellen, verhält es sich umgekehrt, vermutlich weil die Religion bewusster gelebt wird und man das Image des Islams verbessern möchte.« 18 Wie kommt die Autorin zu dieser Einschätzung? Wie hat sie den jeweiligen Stellenwert der Religion für die Akteur:innen identifiziert? Wie kommt sie zur Schlussfolgerung, dass bei der zweiten Aussage das Image des Islam verbessert werden soll? Diese Fragen lassen sich anhand des dargestellten Materials nicht weiter beantworten. In dieser Form bleiben die Ausführungen – wie KowandaYassin im Vorwort schon eingesteht – bloß gesammelte subjektive Eindrücke der Autorin. 19 Eine stärkere Transparenz des Vorgehens und der Denkprozesse der Autorin hätten zu einer besseren intersubjektiven Überprüfbarkeit der Ergebnisse bzw. Schlussfolgerungen führen können. Zum Schreibstil von Frau Kowanda-Yassin lässt sich sagen, dass sie für eine breite Öffentlichkeit schreibt, was sie zwar nicht explizit erwähnt, was aber aus der Erklärung einzelner Begriffe deutlich wird. 20 Im eher populär-wissenschaftlichen Stil verbindet sie dabei Ausführungen zu theologischen Elementen mit naturwissenschaftlichen Befunden und Aussagen von Aktivist:innen und bringt diese durch eigene Kommentare und Gedanken zusammen. Beispielhaft lässt sich das gut an einer Seite im Teil B aufzeigen. In einem halben Absatz stellt die Autorin die britische Aktivistin Husna Ahmed und ihr Leitungswasser-Projekt vor. 21 In der zweiten Hälfte des Absatzes verweist Kowanda-Yassin auf eine ähnliche Aktion aus Deutschland. Dann wirft die Autorin im nächsten Absatz Hintergrundwissen zur Plastikflaschenherstellung ein, das sie dann um einen Hadith ergänzt, in welchem vor der Verschwendung von Wasser gemahnt wird, und betont die Relevanz und Aktualität des Hadith. Im nächsten Absatz wird auf einen Koranvers verwiesen und klargestellt, dass der Mensch größtenteils aus Wasser besteht. Danach geht Kowanda-Yassin auf das Recyceln 18 19 20 21

Ebd., S. 21. Vgl.: ebd., S. 12. Vgl.: ebd., S. 9. Vgl.: ebd., S. 57.

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der Plastikflaschen und den Energieverbrauch bei der Herstellung ein, um dann schließlich auf ein anderes Projekt von muslimischen Akteur:innen zu verweisen. 22 Hinsichtlich der theologischen Ausführungen von Kowanda-Yassin lässt sich sagen, dass auch mit den aufgeführten Hadithen und Koranversen leider keine tiefgründige Auseinandersetzung stattfindet, bei welcher unterschiedliche Interpretationen deutlich werden bzw. auf den theologischen Diskurs eingegangen wird. Oft bleibt es leider bei verallgemeinerten Aussagen, die nicht weiter belegt werden und die Hadithe und Koranverse werden eher anekdotenhaft eingestreut, wenn sie thematisch passen. Die größte Schwäche dieses Buches – und das trägt wohl zu dieser Intransparenz bei – ist das Fehlen von Belegen, Fußnoten und Verweisen. Die genannten Hadithe werden nicht ausgewiesen und Bezugnahmen auf naturwissenschaftliche Befunde nicht belegt, weshalb im Grunde die Inhalte nicht überprüfbar sind. Die einzigen Verweise sind die angehängten Literaturverweise, die lediglich eine Seite umfassen. Bei den dort erwähnten 15 Quellen handelt es sich überwiegend um zur Thematik passende Literatur zum Weiterlesen. 23 Auch wenn der Fokus der Autorin woanders liegt, scheinen die Ausführungen zu den theologischen Prinzipien des »Öko-Islam« auf sechs Seiten, zu knapp bemessen zu sein. 24

Fazit Das Fehlen der entsprechenden Belege und an manchen Stellen auch der Transparenz in der Vorgehensweise erweist sich bei der Lektüre leider als größtes Manko. Legt man aber einen solchen wissenschaftlichen Anspruch beiseite, hat man mit »Öko-Dschihad. Der grüne Islam – Beginn einer globalen Umweltbewegung« von Kowanda-Yassin einen unglaublich umfassenden Einblick in die Innenwelt von muslimischen Akteur:innen der »Öko-Islam-Bewegung«, mit spannenden persönlichen Anekdoten, die einen selbst zum Nachdenken bringen. Mit der Vorstellung der unterschiedlichen Organisationen und Initiativen lernen die Leser:innen auch eine schier große Bandbreite an Aktivitäten

22 23 24

Vgl.: ebd. Vgl.: ebd., S. 171. Vgl.: ebd., S. 33–38.

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kennen – Von Hijabs aus Plastikflaschen, 25 Comics zum Thema Nachhaltigkeit, 26 bis hin zu ökologischen Spielwaren für muslimische Kinder. 27 Wohl allein diese Fülle an Ideen und Impulsen kann die Leser:innen zum »Öko-Dschihad« animieren. Und wenn das gelingt, wäre auch ein weiteres Ziel der Autorin erreicht, nämlich zu motivieren, »diese Welt ein Stückchen besser zu machen.« 28

25 26 27 28

Vgl.: ebd., S. 110. Vgl.: ebd., S. 107. Vgl.: ebd., S. 120. Ebd., S. 170.

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Sara Binay/Mouhanad Khorchide (Hgg.): »Islamische Umwelttheologie. Ethik, Norm und Praxis« (= Die islamische Theologie im Aufbruch, Bd. 1), (Herder, Freiburg i. Br. 2019) von Irem Kurt Der erste Band der Reihe »Die islamische Theologie im Aufbruch« beschäftigt sich mit dem aktuellen und dringenden Thema des Umweltschutzes. Der Sammelband beleuchtet islamtheologische Bezüge zu Umwelt aus ethischer, normativer und praktischer Ebene. Dabei verortet er umwelttheologische Überlegungen in Tradition und zeitgenössischem islamologischem Diskurs nicht als neuartige Erscheinung, sondern verweist erfolgreich auf umwelttheologische Konzepte in der traditionellen muslimischen Gelehrsamkeit. Die Umsetzung der islamischen Umwelttheologie wird besonders im dritten praktischen Teil eindrücklich aufgezeigt, indem Einblicke in umwelttheologische Ansätze in der Praxis am Beispiel Jordaniens aufgezeigt werden. Die Publikation wurde mit Mitteln des Vorhabens Verbesserung kommunaler Wassereffizienz durch Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten Jordaniens unterstützt. Das Vorhaben wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführt. Der Band beginnt mit einer Einführung von Mouhanad Khorchide (S. 21–47), die mit der Frage »Wie kann ein verantwortliches Umweltbewusstsein Teil des religiösen Selbstverständnisses im Islam werden?« betitelt ist. Khorchide betont mit diesem Titel das Vorhaben des Bandes eine Umweltsensibilität nicht nur im theoretischen Rahmen zu begründen, sondern auch dieses bei den Gläubigen zu wecken. Dabei unterteilt er die theoretisch-theologische Ebene der Auseinandersetzung mit Umwelt im Islam auf einen ontologischen Bereich bei der die Schöpfung auf Gott zurückgeführt wird, und einen anthropologischen Bereich, in der dem Menschen die Verantwortung für die Bewahrung der Umwelt aufgetragen wird. Im Folgenden unternimmt Khorchide den Versuch, das Spannungsverhältnis zwischen der Allmacht Gottes und der Freiheit des Menschen durch seine Liebes- und Barmherzigkeitstheologie zu lösen. Demnach greift Gott, um die Freiheit des Menschen nicht zu beeinträchtigen, durch den Menschen in die Welt ein. Der Mensch ist im Gegenzug mit Freiheit ausgestattet, die Khorchide mit Liebe gleichsetzt. Somit ist die Freiheit des Menschen gleichzeitig ein Auftrag, der den Menschen verantwortlich für die Weitergabe von Liebe an seine Mitseienden macht. Dabei setzt sich Khorchide auch kritisch mit dem koranischen Begriff des tasḫīr (»Dienstbarmachung«, vgl. S. 36) auseinander. Khorchide sieht zu Recht den politisierten juristischen Diskurs als hauptverantwortlich für das mangelnde muslimische Bewusstsein

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von ethischen Themen, wie Umwelt. In diesem Rahmen plädiert er für eine solide theologische Grundlage, die das Muslimsein nicht im engen Rahmen des Erlaubten und Verbotenen verortet, sondern – ganz im Sinne seiner Liebesund Barmherzigkeitstheologie – das Muslimsein als Kalifsein, ergo als »Medium der Verwirklichung von der göttlichen liebenden Barmherzigkeit, hier und jetzt im gelebten Leben« (S. 43) definiert. Die solide theologische Grundlage, die Khorchide programmatisch anspricht, wird im ersten Teil »Theologische Konzepte für eine islamische Umweltethik« konkretisiert. Amir Dziris Beitrag (S. 51–67), der sich mit dem islamischen Begriff des Kalifseins aus umweltethischer Sicht befasst, wird mit einem kritischen Blick auf die Umweltethik eingeleitet und verschafft einen knappen Überblick über muslimische umweltethische Konzepte, auf die in den nächsten Beiträgen auch noch eingegangen wird. Dziri setzt sich mit dem Begriff des Kalifseins als Treuhänderschaft auseinander und belegt mit Stellen aus dem Koran besonders gründlich die Sorgfaltspflicht, mit der diese Treuhänderschaft einhergeht. Im Fazit plädiert er für eine in sich zusammenhängende Gestaltung umweltethischer Modelle, deren Ansätze er in der zeitgenössischen muslimischen Auseinandersetzung erkennen kann. Asmaa El Maaroufi geht in ihrem Beitrag (S. 68–85) auf die Umwelt als Emblem Gottes ein, indem sie die Schöpfung als »phänomenale Offenbarung« (S. 78) deutet. In ihren Ausführungen kommt sie dabei dem von muslimischen Denktraditionen bereits entwickelten tawḥīd-Konzept nahe (S. 82). Sie geht jedoch einen Schritt weiter, und sieht die Schöpfung als Kommunikationsweg Gottes mit dem Menschen. In ihrem Fazit spricht sie sich für eine holistische Lesart des Korans gegenüber einer allgemein vorherrschenden reduktionistischen Lesart aus. Wer sich im muslimischen Diskurs zur umweltethischen Ethik auskennt, wird hier merken, dass sich mystisch-spirituelle Annäherungen besonders dazu eignen, eine islamische Umweltethik zu begründen. Grundkonzepte des Sufismus, wie mušāhada, mukāšafa, taǧallī, taḏakkur, tadabbur und muḥāsaba können besonders im Rahmen einer »spirituellen Ökologie im Islam«, wie es Raid Al-Daghistani nennt (S. 86), fruchtbar gemacht werden. In seinem Beitrag (S. 86– 103) geht er auf die sufische Ontologie ein, die diese genannten initiatischen Techniken nutzt, um ein ökologisches Bewusstsein zu schaffen. Auch hier erfährt die Liebe als Weg zu einem umweltethischen Bewusstsein eine besondere Erwähnung, diesmal jedoch der sufischen Tradition entsprechend (S. 96 ff.). Besonders gelungen sind hier die Ausführungen zur Achtsamkeit (murāqaba), welche als Schlüsselkonzept für umweltethisches Handeln bereits im modernen Diskurs stark betont wird, hier nun endlich als genuin islamisches Konzept vorgestellt wird. Der Beitrag von Ali Ghandour (S. 104–114), der sich näher mit einer sufischen Konsumethik befasst und auf das Konzept der tazkiya eingeht, komplementiert die sufische Sichtweise. Die Anordnung der Beiträge

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sind in dieser Hinsicht wohl durchdacht und bewegen sich von einer rein theoretisch-theologischen Ebene hin zu einer praktisch-theologischen Ebene. Der letzte Beitrag des ersten Themenkomplexes von Kamil Öktem (S. 115–135) ist in zweierlei Hinsicht gelungen: Einerseits werden bereits international bekannte muslimische umweltethische Konzepte, wie das von Sayyid Hossein Nasr, dessen Gedanken bereits bei den vorangegangenen theoretisch-theologischen Beiträgen schon angeklungen sind, zusammenfassend dargelegt. Andererseits aber unterstreicht Öktem durch eine Analyse ethischer Konzepte in der muslimischen Gelehrsamkeit, wie das von Adudiddīn al-Īǧī, dass diese sich durch ihr mensch-zentriertes Ethikverständnis für eine ganzheitliche Konzeptualisierung der Umweltethik nicht eignen. Die in der Einleitung bereits von Khorchide ausgesprochene Problematik der Loslösung ethischer Kontemplation von der Wissenschaftsdisziplin des Fiqh wird auch von Öktem nochmals betont und er plädiert in diesem Rahmen für eine nähere Untersuchung der »koranische[n] Selbstdefinition der Umwelt« (S. 135). Ganz besonders hier, aber auch schon in den Plädoyers der vorangegangenen Beiträge von El Maaroufi und Khorchide, stellt sich den Lesenden nun die Frage, inwiefern von einer koranischen Definition der Umwelt überhaupt gesprochen werden kann. Spricht doch die koranische Offenbarung eine unmittelbare Zuhörerschaft an, die wohl kaum umweltethische Fragestellungen so sehr im Blick hatte, wie es heute der Fall ist. Wenn also der Koran die Natur erwähnt, dann geht es ihm in aller erster Linie darum, eine Kosmologie und Kosmogonie zu errichten, die auf Gottes Existenz (ulūhīya) und sein Wirken in der Welt (rubūbīya) abzielt. Der Koran greift kosmologische und kosmogonische Ideen der Erstzuhörerschaft auf und unternimmt Justierungen, die erst durch eine koranimmanente, chronologisch-kontextuelle Lesart deutlich werden. Nimmt man nun, ohne diese innere Dynamik des Textes zu beachten, Verse aus dem Text heraus, die in ihrem Wortlaut einer interpretativen Lösung eines zeitgenössischen Problems dienlich zu sein scheinen, entspräche dies einer Dekontextualisierung des Textes, was die Gefahr einer teleologischen Lesart mit sich bringen könnte. Mit dieser vorsichtigen Kritik soll keinesfalls der Versuch den Koran für heutige Belange als wegweisende Offenbarung der Muslime sprechen zu lassen, delegitimiert werden. Ganz im Gegenteil: durch die koranimmanente, chronologisch-kontextualisierende Lesart wird es möglich seine Justierungen der koranischen Offenbarung im Weltbild seiner Erstzuhörerschaft als Impulse und Prinzipien für eine Umweltethik zu verstehen und vor allem »koranisch« weiterzudenken. Die Publikation wurde mit Mitteln des Vorhabens Verbesserung kommunaler Wassereffizienz durch Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten in Jordanien unterstützt. Der Sammelband wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums

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für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchgeführt. Dieser Hintergrund erklärt auch, warum im zweiten, normativen Teil besonders Gebiete der islamischen Normenlehre, die mit Wasser in Verbindung stehen, aus umwelttheologischer Sicht aufgegriffen werden. Im zweiten Teil der Publikation geht es nämlich um Aussagen zum Umweltschutz in den Grundlagentexten des Islams (Koran und Sunna). Auswirkungen einer islamischen Umwelttheologie auf normative Aussagen werden mit Beiträgen zu den Themen »SchariaStreben nach dem Wesen der Dinge. Wasser als Vorbild«, »Wasserschutz in der prophetischen Tradition« oder »Reinheitsgebote der Scharia« und die »Stellung von Wasser im Leben des Propheten Muhammad« betrachtet. Der zweite Themenkomplex beginnt sogleich mit einem Versuch (S. 139–149), die Scharia als einen Weg zur spirituellen Erkenntnis zu definieren. Konkreter wird der normative Teil eher in den folgenden Beiträgen, in denen Wasserschutz in der prophetischen Tradition detailliert aufgezeigt wird. So lassen sich in prophetischen Traditionen durchaus ein Bewusstsein für Wassergerechtigkeit für alles Mitseiende und Gedanken zum achtsamen Handeln in Bezug auf Wasserkonsum erkennen (S. 150–165). Da Wasser auch in den Reinheitsgeboten des Islam eine wichtige Rolle spielt, erklärt sich der Beitrag zu den Reinheitsgeboten der Scharia von Selbst (S. 166–173). Dennoch hätte man in dem Beitrag auf unnötige Dissense der Gelehrten der verschiedenen Rechtsschulen bezüglich der Reinheitsgebote verzichtet werden können (vgl. S. 169 f.), da es, wie aus dem Fazit ersichtlich wird, eher darum geht aufzuzeigen, dass die Reinheitsgebote auf eine Gesellschaft mit ständiger Wasserknappheit abgestimmt waren. Vor dem Hintergrund der immensen Wasserverschwendung in Moscheen und Badehäusern im Namen eines religiös begründeten Reinheitsimperatives in muslimischen Ländern (in diesem Falle Jordanien), ist die Betonung von juristischen Meinungen zur symbolischen Reinigung mit Wasser bedeutsam und hätte in den Ausführungen noch ausgewogener zur Geltung gebracht werden können. Der Beitrag zur »[…] Stellung von Wasser im Leben des Propheten Muhammad« (S. 174–183) führt zuerst einige Hadithe an, um die Sensibilität des Propheten bezüglich Hygiene und Reinheit darzustellen. Im Folgenden setzt er sich mit Hadithen auseinander, die ein entgegengesetztes Bild vermitteln. Die Hadithkritik, die darauf folgt, soll die Sensibilität des Propheten gegenüber Wasserverschmutzung unterstreichen und mögliche Einwände ausräumen. Besondere Einblicke in umwelttheologische Ansätze in der Praxis bietet der dritte Teil der Publikation. Der erste Beitrag beschäftigt sich mit dem weltweiten »Umwelt-Dschihad und Öko-Islam« (S. 187–205). Der Beitrag eignet sich besonders für Laien, die sich einen schnellen Einblick in die muslimische Beschäftigung mit Umweltthemen wünschen, da populäre Konzepte wie die von Sayyid Hossein Nasr, Ibrahim Abdul-Matin, Faraz Khan und Vertretern des fiqh al-bīʿ ī knapp vorgestellt werden. Dabei bietet der Verfasser Ahmed

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M. F. Abd-Elsalam auch einen Überblick des Öko-Engagements auf muslimisch-zivilgesellschaftlicher Ebene weltweit. Der Beitrag von Sara Binay und Mohammed Yunis Al-Zoubi (S. 205–215) vermittelt einen besonders interessanten Einblick in Wasserfatwas in Jordanien. Die jordanische Fatwa-Behörde und ihre Stellung im Land wird vorgestellt. Die sogenannten Wasserfatwas – im Grunde Fatwas, die mit Wassersparmaßnahmen in Verbindung stehen – wurden angesichts der Wasserknappheit in Jordanien von der jordanischen Wasserautorität als Unterstützung für die eigenen Erlasse angefordert. Die Ergebnisse der Untersuchung der unterschiedlichen Fatwas zeigt eindrücklich, wie das Fatwa-Wesen in Jordanien die Sensibilitätsbildung für Wassersparmaßnahmen deutlich unterstützt. Der letzte Beitrag (S. 216–222) stellt das gemeinsame Projekt »Verbesserung kommunaler Wassereffizienz durch Zusammenarbeit mit religiösen Autoritäten« der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit der jordanischen Regierung vor. Diese Zusammenarbeit, die nun auf mehr als 40 Jahre zurückblickt, versucht der Wasserarmut in Jordanien mit Unterstützung religiöser Autoritäten entgegenzuwirken und geht auf den Vorschlag des 2013 amtierenden Wasserministers Hazem al Nasr zurück. Die Projektumsetzung basiert auf Eingriffen und Maßnahmen in der religiösen Unterweisung. Darüber hinaus wurden Wasserinstallationen in jordanischen Moscheen mit wassersparenden Stahlreglern ausgestattet. Der Beitrag schließt mit den Ergebnissen von Umfragen ab, die verdeutlichen sollen, dass das Projekt zu einem höheren ethisch-religiösen Bewusstsein bezüglich des Wasserkonsums geführt hat. Insgesamt geben die Artikel in diesem Band ein umfangreiches Bild auf die Frage nach Möglichkeiten und Grenzen einer islamischen Umwelttheologie. Die Erwartung der Leserschaft bezüglich der im Titel versprochenen Stichpunkte Norm und Praxis werden jedoch nur zum Teil erfüllt, da sich die Beiträge auf umweltethisches Handeln bezüglich Wasserkonsums beschränken. Die Beiträge im ersten Themenkomplex bilden eine solide Grundlage für eine islamische Umwelttheologie, deren normative und praktische Umsetzungen auch in anderen ökologischen Bereichen untersucht werden sollte, wie beispielsweise dem Klima- und Waldschutz. Es bleibt zu hoffen, dass durch die solide Grundlage und die wichtigen Impulse, die der Sammelband »Islamische Umwelttheologie« vermittelt, auch diese Forschungslücke im deutschsprachigen Raum noch gefüllt wird.

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Zu den Autorinnen und Autoren

Nawal Ammar Nawal Ammar is presently serving as the Dean of the College of Humanities and Social Sciences at Rowan University, NJ, U.S.A. Dr. Ammar is a professor of Law and Justice and her areas of research are focused on issues of justice, women and Islam. More particularly Dr. Ammar’s works include explorations of Muslims in US and Canadian Prisons, Violence against Immigrant Women both in Canada and the US and Islam and the environment. Ahmad Milad Karimi Ahmad Milad Karimi, Prof. Dr., geb. 1979 in Kabul, studierte Philosophie und Islamwissenschaft an der Universität Freiburg i. Br. und wurde 2012 mit einer Arbeit über Hegel und Heidegger promoviert. Seit SoSe 2016 ordentlicher Professor für Kalām, islamische Philosophie und Mystik an der Universität Münster. Ursula Fatima Kowanda-Yassin Ursula Fatima Kowanda-Yassin, Dr.in, ist Postdoctoral Researcher an der Interdisziplinären Forschungsstelle Islam und Muslim:innen in Europa (IFIME). Forschungsschwerpunkte: Muslimische Lebenswelten, islamische Umweltethik und Öko-Aktivismus. Seit 1997 hält Kowanda-Yassin Seminare an Hochschulen und Bildungseinrichtungen in Österreich. Von 2013 bis 2018 lehrte sie in der Aus-, Fort- und Weiterbildung für Islamische Religionspädagogik und in der allgemeinen Lehrerfortbildung. Detlef Schneider-Stengel Detlef Schneider-Stengel, Dr. phil., geb. 1963, Studium der Katholischen Theologie und Philosophie, Promotion in Religionsphilo207 https://doi.org/10.5771/9783495999493 .

den Autorinnen und Autoren

sophie, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionspädagogik, Fakultät für Katholische Theologie der Ruhruniversität Bochum (1989–1995), Ausbildung zum Pastoralreferenten, Dozent an der Akademie des Bistums Essen zur Ausbildung von Gemeindereferent:innen, seit 2012 Diözesanreferent für den interreligiösen Dialog im Bistum Essen. Mira Sievers Mira Sievers, Prof. Dr. phil., Juniorprofessorin für Islamische Glaubensgrundlagen, Philosophie und Ethik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Islamische Ethik, systematische Theologie (Kalām), Islamische Theologie und Gender, historisch-kritische Koranexegese. Bethany Somma Bethany Somma, Dr., Postdoctoral researcher at LMU Munich. Research focus: psychology and ethics in philosophy of the Islamic world and ancient Greek philosophy; animal ethics; philosophy of disability.

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