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German Pages 439 [480] Year 1995
Von Âgedal bis Malt
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Heiko Steuer, Dieter Timpe Band 12
w DE
G Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
Von Agedal bis Malt Die skandinavischen Runeninschriften vom Ende des 5. bis Ende des 9. Jahrhunderts von Thomas Birkmann
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Walter de Gruyter · Berlin · New York 1995
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Die Deutsche Bibliothek
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Reallexikon der germanischen Altertumskunde / begr. von Johannes Hoops. Unter Mitw. zahlr. Fachgelehrter. Hrsg. von Heinrich Beck ... — Berlin ; New York : de Gruyter. Bis Bd. 4 hrsg. von Johannes Hoops. — Literaturangaben Ergänzungsbände / hrsg. von Heinrich Beck ... NE: Hoops, Johannes [Begr.]; Beck, Heinrich [Hrsg.] Bd. 12. Birkmann, Thomas: Von Âgedal bis Malt. - 1995 Birkmann, Thomas: Von Âgedal bis Malt : die skandinavischen Runeninschriften vom Ende des 5. bis Ende des 9. Jahrhunderts / von Thomas Birkmann. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Reallexikon der germanischen Altertumskunde : Ergänzungsbände ; Bd. 12) Zugl.: Freiburg, Univ., Habil.-Schr., 1993 ISBN 3-11-014510-3
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner im Juni 1992 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br. eingereichten Habilitationsschrift. Dem großen Interesse der Herausgeber Prof. Dr. Heiko Steuer und Prof. Dr. Heinrich Beck habe ich es in erster Linie zu verdanken, daß sie nun Aufnahme in die Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde gefunden hat. Dank schulde ich auch dem Verlag Walter de Gruyter für die Bereitschaft, auf meine Sonderwünsche, wie etwa den Tafelteil, einzugehen und für die intensive Betreuung während der Manuskripterstellung und Drucklegung. Für unterschiedliche Hilfeleistungen in den vergangenen Jahren habe ich vielen zu danken, zunächst dem Betreuer dieser Arbeit Prof. Dr. Otmar Werner, dann allen Freiburger Kollegen, die mich mit Rat und Kritik unterstützten, darunter Prof. Dr. Heinz Klingenberg, Prof. Dr. Hugo Steger, Prof. Dr. Heiko Steuer und Prof. Dr. James E. Cathey. Für Kritik und Ergänzungen danke ich auch Prof. Dr. Heinrich Beck und Prof. Dr. Klaus Düwel. Es ist mir unmöglich, alle ausländischen Kollegen zu nennen, die mir bei zahlreichen Reisen zu den Inschriften mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind; es waren zu viele. Nicht vergessen werde ich die Hilfsbereitschaft von Pfarrern und anderen kirchlichen Mitarbeitern, die mir v.a. in Dänemark mit steter Freundlichkeit auch lange nach Dienstende und an Feiertagen ihre Kirche (und damit den Zugang zum Runenstein) öffneten. Namentlich genannt werden aber müssen diejenigen, die mir die Erstellung des Tafelteils ermöglichten: für die Bilder aus Dänemark danke ich Marie Stoklund und dem Nationalmuseum Kopenhagen, für die norwegischen Bilder James Knirk und Oldsaksamlingen Oslo sowie der Universität Bergen, für die schwedischen danke ich Antikvarisk-Topografiska Arkivet vid Riksantikvarieämbetet. Besonderen Dank schulde ich Lena Peterson. Mit allen Genannten konnte ich bei mehreren Gelegenheiten (auch) über Deteil-Probleme einzelner Inschriften diskutieren, was wohl die wichtigste Hilfestellung bei einer solchen Arbeit überhaupt darstellt. Wie aus dem Titel vielleicht hervorgeht habe ich aus den Schriften Ottar Gr0nviks meine vielleicht wichtigsten Anregungen, darunter gewiß auch viele kritische, bezogen; ihm sei deshalb diese Arbeit gewidmet. Nach Fertigstellung des Manuskripts erschien der von Klaus Düwel herausgegebene Band "Runische Schriftkultur in kontinental-skandinavischer und -angelsächsischer Wechselbeziehung." als Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 10, 1994. Berlin-New York: de Gruyter mit zahlreichen interessanten Beiträgen; sie konnten leider nicht mehr eingearbeitet werden.
Inhalt
Vorwort
V
Einleitung
1
Alphabetgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
11
1.0
Vorbemerkungen
11
1.1
Entwicklungen im Urnordischen und in der Übergangszeit
11
1.1.1
Tendenz 1 : Einheitlich volle Zeilenhöhe, Umdrehen der Runen für und
16
1.1.2
Tendenz 2: Differenzierung der beiden a-Runen
20
1.1.3
Tendenz 3: Gerade Hauptstäbe; 21-typiges FuJjark
21
1.2
Der Übergang vom Älteren FuJ)ark zum Jüngeren FuJ)ark
22
1.2.1
Tendenz 4: Verkürzung und Umstellung der Runenreihe
22
1.3 1.3.1
Entwicklungen innerhalb des Jüngeren FuJjark Tendenz 5 : Schweden: Nur ein Hauptstab und weitere Vereinfachungen
23 23
1.3.2
Tendenz 6: Schweden: Wegfall der Hauptstäbe
25
1.3.3
Tendenz 7: Dänemark: Gut lesbares Normalalphabet
26
1.3.4
Tendenz 8: Dänemark: Differenzierung durch Punktierung
28
1.3.5
Tendenz 9: Die Wandlungen
31
1.3.6
Tendenz 10: Differenzierung durch Varianten
36
1.3.7
Tendenz 11 : Auffüllung der Runenreihe zur Alphabetreihe
37
> loi und
lyl
Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
39
2.1
Datierungskriterien
39
2.2
Römische Kaiserzeit
42
2.3
Völkerwanderungszeit
51
2.4
Die germanischen Tierstile
58
2.5
Vendelzeit
63
vm
Inhalt
Archäologisch datierbare späturnordische Runeninschriften 3.1
Brakteaten
3.2
Schmuck: Bratsberg, Eikeland, Fonnäs, Lousgârd, Âlborg,
68 68
Skabersjö
83
3.2.1
Die Fibel von Bratsberg, Telemark
83
3.2.2
Die Fibel von Eikeland, Rogaland
84
3.2.3
Die Spange von Fonnäs, Hedmark
87
3.2.4
Die Perle von Lousgârd
89
3.2.5
Die Spange von Âlborg
90
3.2.6
Die Spange von Skabersjö
90
3.3
Sonstiges: Vallentuna, Setre, Eggja, Blekinger Steine
91
3.3.1
Der Würfel von Vallentuna
91
3.3.2
Der Kamm von Setre
93
3.3.3
Der Stein von Eggja
97
3.3.4
Die Blekinger Steine
114
3.3.4.1
Gummarp
117
3.3.4.2
Istaby
118
3.3.4.3
Björketorp
120
3.3.4.4
Stentoften, Hauptinschrift
125
3.4
Resummé der archäologischen Datierungen
142
Runologische Konsequenzen aus den archäologischen Datierungen
143
4.1
Schriftgeschichte
143
4.2
Die eril-Inschriften
151
4.3
Sprachgeschichtliche Konsequenzen
159
4.3.1
Synkope
160
4.3.2
Svarabhaktivokale
165
Exkurs: Zur Synkope in den germanischen Sprachen
167
Die Entstehung des Jüngeren FuJjarks 675 - 750
187
5.0
Vorbemerkungen
187
5.1
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fujîark
190
Inhalt
IX
5.1.0
Problemstellung
190
5.1.1
Phonologische Ansätze
191
5.1.1.1
Otto von Friesen
191
5.1.1.2
Trnka 1939
193
5.1.1.3
Diderichsen 1945
194
5.1.1.4
Rischel 1967
196
5.1.1.5
Haugen 1969 (und Antonsen 1963)
198
5.1.2
Alphabetgeschichtliche Ansätze
200
5.1.2.1
Baeksted 1943
200
5.1.2.2
Andersen 1947a
201
5.1.2.3
Moltke 1976, 1985a und 1985c
203
5.1.2.4
Nielsen 1981 und 1982
206
5.1.3
Runennahmen als Reduktionsmotiv
208
5.1.3.1
Liest0l 1981aundb
208
5.1.3.2
Quak 1982
212
5.1.3.3
Barnes 1987
214
5.1.4
Magische und zahlensymbolische Ansätze
217
5.1.4.1
Olsen/Shetelig 1933
217
5.2
Die Inschriften der Übergangszeit ca. 675 bis 800
219
Die Inschriften aus der Zeit ca. 700 bis gegen 900
227
6.0
Vorbemerkungen
227
6.1
Die archäologisch datierbaren Inschriften
227
6.1.1
Das Kupferblech von Hallbjäns, um 700
227
6.1.2
Die Spange von Skabersjö
229
6.1.3
Der Schädelknochen von Ribe
230
6.1.4
Hangvar, Lokrume, Olleifs: ca. 750?, Tjängvide 9. Jhd.? Das Problem des suffigierten Artikels
232
6.1.5
Sparlösa: vor 800?
239
6.1.6
Kupferblech von Ulvsunda: ca. 800
256
6.1.7
Lindholm Messerschaft: ca. 800
256
X
Inhalt
6.1.8
Björkö Silberblech: 1 .Η. 9. Jhd
6.1.9
Oseberg Ι+Π: ca. 850 - Das Problem der zwei Allophone
259
von/r/
261
6.1.10
Hemdrup Holzstab: ca. 850?
264
6.1.11
Haddeby Holzstäbe und Holznagel: ca. 850
265
6.1.12
Gorodische I und Alt-Ladoga: 9. Jhd
270
6.1.13
Gokstad: ca. 900
276
6.1.14
Kaupang Bronzekessel: ca. 900
277
6.2
Schwedische Inschriften mit Kurzzweigrunen
278
6.2.1
Kärnbo
278
6.2.2
Ingelstad
281
6.2.3
Oklunda
282
6.2.4
Kälvesten
288
6.2.5
Rök
290
6.2.6
Gursten
314
6.2.7
Björkö
316
6.2.8
Boberg
317
6.2.9
Slaka
317
6.2.10
Ladoga
319
6.3
Die Inschriften in Norwegen
323
6.3.1
Gims0y
323
6.3.2
Bj0rneby
326
6.3.3
Oddernes
328
6.3.4
Eikeland - das Problem der m-Rune
330
6.3.5
Valby
331
6.3.6
Teilzusammenfassung der norwegischen Inschriften
332
6.4
Die Inschriften aus Bohuslän
333
6.4.1
Rävsal
333
6.4.2
Hoga
335
6.4.3
Skee
339
Inhalt
XI
6.4.4
Zusammenfassung
341
6.5
Die dänischen Inschriften
342
6.5.0
Vorbemerkungen
342
6.5.1
Der Kamm von Haddeby
343
6.5.2
Der Kamm von Elisenhof
345
6.5.3
Helnaes, Fleml0se 1 + 2
345
6.5.4
Snoldelev
347
6.5.5
S0nderby
349
6.5.6
Vordingborg
350
6.5.7
Laurbjerg
351
6.5.8
Örja
351
6.5.9
Starup
352
6.5.10
H0je Tâstrup = Kallerup
352
6.5.11
Gunderup 2
353
6.5.12
Hammeil
354
6.5.13
0sterL0gum
354
6.5.14
N0rre Naerâ
355
6.5.15
G0rlev 1
356
6.5.16
Malt
361
6.5.17
Teilzusammenfassung: Die dänischen Inschriften
372
Ausblick auf die Entwicklung im 10. Jhd
378
Bibliographie
391
Einleitung Die vorliegende Monographie versteht sich in erster Linie als eine runologische Arbeit, d.h. im Mittelpunkt ihres Interesses stehen die Inschriften selbst, die uns auf den unterschiedlichsten Inschriftenträgern überliefert sind. Aus diesem Anspruch erklärt sich die Anordnung des Stoffes, für die es (wie bei jeder wissenschaftlichen Präsentation) mehrere konkurrierende Möglichkeiten gäbe: Die Arbeit umfaßt den Zeitraum vom Ende des 5. bis gegen Ende des 9. Jhds., ein Zeitraum, in dem die Sprache der Inschriften, ihr Inhalt, aber auch die Form ihrer Präsentation, ihrer Schriftformen und ihrer Ornamentik, so großen Veränderungen wie nie zuvor oder danach in der Geschichte der Runenschrift ausgesetzt sind. Alle diese Parameter wären als Gliederungsprinzip denkbar und je nach Interessenlage wünschenswert: einem Kunsthistoriker würde am ehesten die Entwicklung der Ornamentik als Ausgangspunkt dienen, der dann gewisse sprachliche Phänomene untergeordnet wären; dem Epigraphiker würden in erster Linie die Runenformen und ihre Veränderungen als Leitlinien gelten, dem Linguisten die Abfolge von verschiedenen synchronen Sprachstufen und die dabei zu beobachtenden Sprachwandelprozesse. Auch der Wandel der sozialen und kulturellen Funktionen der Runenschrift wäre als Gliederungsprinzip denkbar. Schließlich könnte man auch die räumliche Verteilung der Inschriften ihrer Präsentation zugrundelegen, wie dies in den maßgeblichen Editionen praktiziert wird. Die (Qual der) Wahl eines oder mehrerer Parameter als Gliederungsprinzip stellt sich jedem, der sich mit Runeninschriften beschäftigt, die Literatur bietet demzufolge die unterschiedlichsten vorbildhaften Muster: Die gut lesbare Einführung in die schwedischen Runeninschriften von Jansson 1963 präsentiert sich als Mischung von chronologischen und inhaltlichen Kriterien; Anfang und Ende des Buches bilden relativ kurze Abschnitte über die Inschriften im Älteren Fumarie bzw. über mittelalterliche und noch jüngere Inschriften, den breitesten Raum nehmen aber die Inschriften der Vikingzeit ein, bei denen verschiedene Gruppen vorgestellt und besprochen werden: die Auslandsfahrten nach Osten bzw. Westen, die sozialen und kulturellen Verhältnisse im Heimatland Schweden, die Christianisierung im Spiegel der Runendenkmäler sind thematische Schwerpunkte. Einzelkapitel behandeln ferner die Runendichtung und die Bilddarstellungen der Runensteine. Für einen Leser, der über die Bedeutung der Runeninschriften als Schriftzeugnisse ihrer Zeit informiert zu werden wünscht, ist diese Art der Präsentation sicher optimal. Düwel ^1983 bietet dagegen - entsprechend der Konzeption der Sammlung Metzler - sowohl eine thematische Einführung als auch eine Übersicht über den Stand der Forschung in ihren verschiedenen Teilaspekten. Die Anordnung des
2
Einleitung
Stoffes folgt im Prinzip chronologischen Prinzipen, so daß nach einer allgemeinen Einführung in das Ältere FuJjark zunächst die Inschriften mit dieser Runenreihe exemplarisch besprochen werden, dabei wiederum geordnet nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten: inhaltliche Kriterien (die Fu|>ark-Inschriften) stehen neben solchen der Inschriftenträger (Speerblätter, Fibeln, Brakteaten) und der Fundumstände (Moorfunde); dazu kommen noch geographische Kriterien (südgermanische Inschriften, angelsächsische und friesische Inschriften). Daran schließt sich die Besprechung der Inschriften des Jüngeren FuJ>ark an, diesmal ausschließlich nach geographischen Gesichtspunkten angeordnet. Den Abschluß bilden Kapitel zu spezielleren Themen wie die Theorien zum Ursprung der Runenschrift, Runennamen, literarischen Denkmälern etc. bis hin zu den Aufbewahrungsorten der Runendenkmäler. Das Buch ist wie gesagt zugleich eine Einführung und ein Forschungsübersicht, unentbehrlich für jeden, der sich mit Runen beschäftigt, von seiner Gliederung her aber eher pragmatisch orientiert als konsequent. Das Standardwerk für die Runeninschriften im Älteren Fujjark ist immer noch das gleichnamige Buch von Krause/Jankuhn 1966. Da es von seiner Intention her eher als Handbuch und Ausgabe denn als Einführung konzipiert ist, werden hier nach einer sehr kurz gehaltenen Einleitung alle in Frage kommenden Inschriften vollständig (auf dem Stand der damaligen Zeit) präsentiert; die interne Anordnung erfolgt dann wie bei Düwel nach gemischten Kriterien wie Inschriftenträgern und Fundumständen, innerhalb der Untergruppen (etwa: Nordische Runenspangen, Moorfunde) nach chronologischen Gesichtspunkten. Durchbrochen wird dieses Prinzip allerdings innerhalb der Kapitel über bildlose Bautasteine und Brakteaten, wo die Untergliederung Texttypen zu unterscheiden sucht: "Magische Formeln", "Der Runenmeister", "Doppelseitige" und "Einseitige Gedenkinschriften"; das Unterkapitel "Die Blekinger Steine" führt ein geographisches Kriterium ein, ebenso wie das Abschlußkapitel über die südgermanischen Inschriften, das sich völlig an den Fundorten orientiert (norddeutsches, westdeutsches, bairisch-alemannisches, langobardisches Gebiet). Für den Anfänger, der sich für eine bestimmte Inschrift interessiert, ist es wesentlich einfacher, sich über das Register die Inschriftennummer geben zu lassen, als sich im Inhaltsverzeichnis des Buches zu orientieren. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Anordnung von Krause/Jankuhn verfehlt oder inkonsequent wäre; die einzelnen Gruppen lassen sich nämlich meist durch ein Bündel von Kriterien rechtfertigen, auch wenn dies in den Überschriften nicht explizit gemacht wird: die Blekinger Steine beispielsweise bilden nicht nur eine geographische Gruppe, sondern sind auch inhaltlich und zeitlich eng zusammengehörig, die Moorfunde sind auf das ehemalige dänische Gebiet und weitgehend auf Waffenfunde beschränkt, etwa die Hälfte aller Inschriften auf Fibeln stammen aus den ersten beiden Jahrhunderten der Runenüberlieferung, sind geographisch an Dänemark gebunden und bieten als Text fast ausschließlich einfache Personennamen, Brakteaten sind nicht nur als Inschriftenträger eine Gruppe, sondern auch einem relativ kurzen Zeithorizont und weitgehend bestimm-
Einleitung
3
ten Textklassen zuzuordnen - selbst die Fundumstände rechtfertigen hier eine Gruppenbildung, da viele der Brakteaten aus Grab- oder Hortfunden stammen. Man könnte also sagen, das Material klassifiziere sich weitgehend selbst und eine Anordnung nach einem einheitlichen Kriterium (etwa der zeitlichen Einstufung) wäre verfehlt. Nach einem völlig anderen Anordnungsprinzip verfahren die grossen Runenausgaben der skandinavischen Länder, indem hier geographische Gesichtspunkte zugrunde gelegt sind: "Sveriges Runinskrifter" publiziert in Einzelbänden alle Inschriften einer jeweiligen Provinz/Landschaft ohne Berücksichtigung von inhaltlichen oder chronologischen Kriterien; urnordische, vikingzeitliche und mittelalterliche Inschriften stehen nebeneinander, wenn sie nur in geographischer Nachbarschaft gefunden wurden; über die zeitliche Schichtung informieren die Einleitungen einiger Bände, das Auffinden einer bestimmten Inschrift ist ohne Register kaum möglich. In "Danmarks Runeindskrifter" wird mit Ausnahme der Brakteaten und Münzen, die gesondert aufgeführt sind, nach demselben Prinzip verfahren: der Weg führt von Süd nach Nord und von Ost nach West, indem zunächst die Inschriften Süd- und Nordjütlands, danach die aus Fünen, Lolland-Falster, Seeland, Skâne, Halland und Blekinge, schließlich die von Bornholm und einige ausländische Inschriften abgehandelt werden. Die Untergliederung erfolgt nach Ämtern/Verwaltungseinheiten. Das führt dazu, daß als Nummer 204 die Bleiplatte von Odense aus dem Hochmittelalter neben Nummer 205ff den Funden aus dem Moor von Vi aus dem 3. Jhd. steht, oder daß der Stein von Glavendrup als Nummer 209 und der von Tryggevselde als Nummer 230 durch 16 Seiten getrennt sind, da sie auf Fünen resp. Seeland gefunden wurden - obwohl sie vom selben Runenmeister im Auftrag ein und derselben Frau angefertigt wurden. Auch hier führt das Auffinden einer bestimmten Inschrift nur über das alphabetische Register. Nach ähnlichen Prinzipien verfährt die norwegische Runenausgabe, wobei hier die Inschriften im Älteren und Jüngeren Fuf>ark getrennt publiziert sind und in den Bänden, die die Bergener Runenfunde behandeln, nach inhaltlichen und sprachlichen Kriterien klassifiziert wurde. Die dominierenden Prinzipien sind also Vollständigkeit des Materials und die Geographie des Fundortes, was für eine wissenschaftliche Ausgabe als adäquate Lösung gelten kann. Als letzter Typus sei noch kurz Moltkes Buch "Runes and their Origin" von 1985 vorgestellt; auch hierbei handelt es sich im Grunde um eine vollständige Publikation aller dänischen Runeninschriften, allerdings mit sehr reduziertem philologischen Apparat und nur wenigen Literaturhinweisen. Formal enthält das Buch zwei Teile, einen kürzeren Teil 1, der sich mit der Runenschrift in ihren unterschiedlichen Aspekten, den Schriftzeichen und ihrem Wandel, sowie dem möglichen Ausgangsalphabet beschäftigt, und in einen längeren Teil 2, der die Inschriften behandelt. Gliederungsprinzip im zweiten Teil ist im Prinzip die Chronologie, die in Danmarks Runeindskrifter etabliert wurde; Moltke behandelt nacheinander die urnordischen Inschriften unter Einschluß der Brakteaten, danach die späturnordischen Inschriften bis ca. 700/750, gefolgt von den vikingzeitlichen
4
Einleitung
und den mittelalterlichen Inschriften. Innerhalb dieser chronologischen Kapitel erfolgt die weitere Unterteilung allerdings nach recht willkürlichen Kriterien: die urnordischen Inschriften werden nach Inschriftenträgern klassifiziert (Objects, Weapons, Personal adornment, Other objects), woran sich ein etwas unmotiviert erscheinendes kurzes Kapitel über Geheimrunen im Mittelalter anschließt. Für die vikingzeitlichen Steininschriften werden zunächst Runenformen, Schriftentwicklung und Sprache der ältesten Untergruppe dargestellt, also eine Chronologie präsentiert, danach werden inhaltliche Gruppen gebildet wie heidnische vs. christliche Inschriften, Könige und Krieger, Könige und Königinnen, das Jelling-Dokument; die Ornamentik bekommt eigene Unterkapitel, nach geographischen Gesichtspunkten ist das Kapitel über Runeninschriften aus Bornholm zusammengestellt; die Inschriftenträger als Kriterium ergeben das Kapitel über Inschriften auf anderen Gegenständen als Stein, und schließlich werden ebenfalls in einem eigenen Kapitel die Kurzzweigrunen-Inschriften vorgestellt; damit kommen wir nun in chronologischer Hinsicht wieder in eine Zeit, über die Moltkes Buch mehr als 200 Seiten zuvor handelte, was eine nicht gerade glückliche Lösung darstellt. Die mittelalterlichen Runeninschriften schließlich sind unterteilt nach ihren Inschriftenträgern (Standing rune stones, Runic grave-slabs, Inscriptions on buildings, Church furnishings with runes) und nach inhaltlichen Kriterien (Objects with "secular" inscriptions, Magic inscriptions), schließlich kommt noch ein chronologisch motiviertes Abschlußkapitel "Our youngest runic inscriptions". Das Ergebnis ist ein stilistisch und inhaltlich faszinierendes Buch, das aber viele subjektive Inhalte Moltkes transportiert; aufgrund der bisweilen willkürlichen Anordnung ist das Auffinden einer bestimmten Inschrift eigentlich nur über das Inschriftenverzeichnis am Ende des Buches möglich (wobei Text und Bild oft auch noch getrennt sind). Es läßt sich mit etwas Mühe als Nachschlagewerk verwenden, wendet sich aber doch in erster Linie an einen Leser, der sich in kontinuierlicher Lektüre ein Bild über die verschiedenen Aspekte der Runeninschriften in Dänemark aneignen will und sich dabei an Moltkes oft autoritäre Hand nehmen läßt. Alle diese Gliederungsprinzipien haben also ihre gute Berechtigung, sei es, daß das Material sie nahelegt, sei es, daß sie bestimmten Intentionen der Autoren entsprechen oder sich an ein bestimmtes Lesepublikum wenden. Das Hauptinteresse der vorliegenden Arbeit gilt der Entwicklung der Runenund Sprachformen, wie sie in den Inschriften des Zeitraums vom Ende des 5. Jhds. bis gegen Ende des 9. Jhds. dokumentiert sind. Die großen Sprachveränderungen, die vom Urnordischen zum Altnordischen führen, spielen sich in diesem Zeitraum ab, mehrere Schriftreformen lassen sich aus den Inschriften ableiten, darunter die Umbildung des Älteren zum Jüngeren Fu|>ark, die Reduktion von 24 auf 16 Zeichen. Aufgrund der relativ geringen Zahl der Inschriften, die auf uns gekommen sind, und aufgrund ihres Charakters, der nur sehr selten längere Texte bereitstellt, lassen sich die meisten der Wandlungen nicht direkt verfolgen. Ein weiteres großes Problem für Sprach- und Schriftgeschichte stellen die Datierungen der Inschriften dar; für viele Runeninschriften auf losen Gegenständen
Einleitung
5
gibt es archäologische Zeitansätze, die von Runologen/Philologen akzeptiert oder ignoriert werden; über die Kriterien, nach denen eine Datierung erfolgte, wird selten Rechenschaft abgelegt. Steininschriften werden meist ausschließlich aufgrund runologischer Kriterien, d.h. ihrer Runenformen, datiert, wobei man sich bewußt sein muß, daß es sich hierbei allenfalls um eine relative Chronologie handeln kann (das trifft in gewisser Weise auch auf die meisten archäologischen Datierungen zu). Diese relative Chronologie ist aber abhängig von der zeitlichen Einschätzung bestimmter Entwicklungen und: jeder Neufünd kann eine Revision bisher für gültig gehaltener Modelle erforderlich machen - ich erinnere nur an die Sensation, die der Stein von Eggjum in sprachlicher Hinsicht darstellte. Seit dem Erscheinen von Krause/Jankuhn 1966 sind inzwischen 28 Jahre vergangen, die zahlreiche wichtige Funde erbrachten, aus den letzten zehn Jahren z.B. die Moorfunde aus Illerup, den Würfel von Vallentuna, die Rosettfibel von Udby, das Bronzeblech von Hallbjäns oder den Stein von Malt. Es ist zu überprüfen, ob die etablierten Vorstellungen durch diese Neufunde bestätigt werden können oder Revidierungen erfahren müssen. Die Datierungsproblematik ist auch für die Linguistik von zentraler Bedeutung: Die Frage nach Ort und v.a. Zeit eines sprachlichen Wandels hängt auf das engste mit den Datierungen der Runologen (und Archäologen) zusammen, weil er meist nur auf einem oder wenigen Denkmälern dokumentiert ist. In den Handbüchern zur Sprachgeschichte wird diese Abhängigkeit m.W. nirgends reflektiert, in extremen Fällen findet man in einer Arbeit von 1970 Zeitansätze für Runeninschriften, die vom Anfang des Jahrhunderts stammen. Es gab bis vor einigen Jahren unterschiedliche Chronologien für die Brakteaten in Dänemark und Schweden, deren Divergenz um rund 100 Jahre in den Zeitansätzen für bestimmte Sprachveränderungen wiederzufinden ist. Um ein besseres Bild von den Sprachveränderungen zu gewinnen, ist also eine kritische Sichtung der Datierungsmöglichkeiten und deren Aktualisierung angebracht. Aus diesen Interessen ergibt sich der Aufbau der vorliegenden Arbeit: Nach einem noch recht allgemein gehaltenen Überblick über die alphabetgeschichtlichen Entwicklungen der Runenreihe von den Anfängen der Runenüberlieferung bis zu ihrem Ausklang in Kapitel 1, in dem auch die wichtigsten Ergebnisse neuerer Arbeiten zu bestimmten datierungsrelevanten Runenformen referiert werden, beschäftigt sich das 2. Kapitel mit den Grundlagen der archäologischen Datierung. Ich versuche hier, das Periodengerüst der Römischen Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit und Vendelzeit durchsichtig zu machen, innerhalb dessen Archäologen bestimmte Fundgegenstände einordnen und dadurch datieren können, ein Bereich, der Runologen meist nur schwer zugängig ist; in diesem Zusammenhang werden auch einige wichtige Runeninschriften in ihrer Einordnung und sprach- sowie schriftgeschichtlichen Bedeutung angesprochen. Mit Kapitel 3 beginnt dann der Hauptteil der Arbeit. Hier geht es zunächst um diejenigen (spät)urnordischen Inschriftenträger, für die archäologische Datierungen vorliegen, also in erster Linie die Brakteaten und Schmuckgegenstände; die
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Einleitung
Brakteaten bilden den unteren Grenzhorizont, da auf ihnen (1) zweifelsfrei nordgermanische Schriftzeugnisse vorliegen und sie (2) dank zahlreicher neuerer Publikationen als Gruppe bis auf wenige Streitpunkte eindeutig datierbar sind und deshalb in geschlossenen Funden eines der wichtigsten Datierungskriterien für andere Gegenstände bilden. Ab dem Ende der Runenüberlieferung auf C-Brakteaten um die Mitte des 6. Jhds. finden sich wichtige Wandlungen einzelner Runenformen, die eine zumindest grobe zeitliche Einordnung vieler Inschriften ermöglicht (und in den meisten Fällen die Grundlage der Datierungen z.B. bei Krause/ Jankuhn 1966 bildet). Absolute Fixpunkte lassen sich dabei nur aus archäologischen Datierungen gewinnen. Etwa zu derselben Zeit beginnen einschneidende Veränderungen der Sprache sich auch in den Inschriften zu dokumentieren, wie z.B. Synkope und Umlaute, durch die das phonologische und morphologische System der nordgermanischen Sprachen völlig neu strukturiert wird. Ab ca. 700 können wir damit rechnen, daß der als Altnordisch bezeichnete Sprachstand im Wesentlichen vorliegt. Auch für die Sprachveränderungen erhalten wir absolute Fixpunkte nur über archäologisch datierte Inschriften(träger), und wie für die Veränderungen bei den Runenformen ist auch für den Sprachwandel immer ein gewisser Zeitraum vom Beginn einer Entwicklung bis zu ihrer Durchsetzung = Aufnahme ins System anzunehmen. Für den Zeitraum von ca. 500 bis ca. 750 gibt es außer den Brakteaten, die für sprachliche Untersuchungen i.a. denkbar ungeeignet sind, insgesamt nur neun Inschriftenträger, die für eine archäologische Datierung in Frage kommen1 (dazu vielleicht noch mit vielen Problemen und Fragezeichen die vier Blekinger Steine und Eggjum), alle weiteren Einordnungen von z.B. Steininschriften können nur aufgrund von runologischen und/oder sprachlichen Kriterien erfolgen. Beide Kriterien können aber erst dann Anwendung finden, wenn die Inschrift gelesen und interpretiert ist; und bereits hier besteht für viele urnordische Runeninschriften keinerlei Konsens. Einige wenige Beispiele mögen das Dilemma verdeutlichen: Strittig ist die zweite Rune der untersten Zeile auf dem Stein von Arstad; liest man sie als ο , wie z.B. Krause, so erhält man das Wort ungwinaR, das den Schwund von anlautendem /j/ und Synkope im vorderen Glied belegen würde - die Inschrift könnte dann kaum älter sein als die Mitte des 6. Jhds.; liest man daIn diesen neun Inschriften sind vier Inschriften nicht berücksichtigt, für die gleichfalls archäologische Datierungen vorgeschlagen wurden: Die Messer von Gjersvik und Fl0ksand liegen mit ihrem Ansatz im 5. bzw. 4. Jhd. (Shetelig in NIaeR) außerhalb der hier untersuchten Periode, auf die Problematik dieser Datierungen weist Haavaldsen 1991:57 hin; jedenfalls für Gjersvik scheint eine Datierung unmöglich zu sein, zudem läBt sich kein sinnvoller Text gewinnen. Ähnliches gilt für das Schrapmesser von Nedre Hov, dessen Text ekad nicht zu deuten ist; von der Form der e-Rune sollte man die Inschrift der Zeit vor 400 zuweisen können (Krause/Jankuhn 1966:88: 4. Jh.). Die Fibel von Tu schließlich gehört wohl an das Ende des 5. Jhds., aber bei ihrer Inschrift )>iRida]>xx ist nicht einmal die Leserichtung eindeutig festzustellen, die meisten Runen sind beschädigt und von ihren Formen her nicht aussagekräftig; sie bleibt deshalb ebenfalls unberücksichtigt.
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gegen mit Antonsen oder H0st ark an die 16., letzte Stelle im Jüngeren FuJ>ark gestellt, und irgendwann in der 2. Hälfte des 8. Jhds. kam es vermutlich in Schweden zu weiteren Vereinfachungen, die in den sog. Kurzzweigrunen mündeten. Schließlich brachte eine weitere Reform um 900 in Dänemark eine ökonomischere und leserfreundlichere Version des Jüngeren FuJjark, die sich ab der Mitte des 10. Jhds. in ganz Skandinavien mehr oder weniger durchsetzte. Kapitel 6 schließlich bespricht die Inschriften aus dem Zeitraum von ca. 750 bis gegen 900, die Zeit der beiden konkurrierenden Schriftvarianten der Kurzzweigrunen und der in Dänemark üblicheren Ausprägung, an deren Ende die oben angesprochene Kompromiß-Reform in Dänemark stattfindet, die auf den Steinen von G0rlev 1 und Malt dokumentiert ist. Ich behandle auch hier zunächst die In-
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Schriften, für deren Träger archäologische Zeitansätze möglich sind (6.1), danach die Steininschriften2, die in der bisherigen Literatur dieser Periode zugewiesen wurden (6.2 - 6.5) nach geographischen Untergruppen. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei die Fragestellung, welche Indizien für den Zeitansatz sprechen könnten, und welche Zuverlässigkeit ihnen zugesprochen werden darf. Ein kurzes, "Ausblick" genanntes Kapitel schließt die vorliegende Arbeit ab. Diese Anordnung ermöglicht im Großen und Ganzen eine chronologisch kontinuierliche Präsentation des Materials, macht aber auch Vor- und Rückverweise erforderlich. Sprachgeschichtliche Entwicklungen finden dort eine übergreifende Diskussion, wo sie erstmalig belegt sein könnten, so z.B. das Aufkommen des suffigierten Artikels in 6.1.4 bei den gotländischen Bildsteinen; die Kapitelüberschriften versuchen auf solche Diskussionen Hinweise zu bieten. Das Material, das ich präsentiere, dürfte für den Zeitraum von ca. 675 bis gegen 900 vollständig sein, wobei Neufunde ausführlicher behandelt sind als altbekannte Inschriften, deren Lesung und Interpretation als etabliert gelten können. Für die Zeit vor 675 sind primär alle Inschriften behandelt, für die archäologische Datierungen (auch unsichere wie im Falle von Stentoften) vorliegen, ferner werden in Kapitel 4 mehr oder weniger ausführlich alle Inschriften angesprochen, die aufgrund runologischer oder sprachlicher Kriterien einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden können. Inschriften, für die keinerlei Zeitansatz möglich ist etwa der Stab von Fr0slev, der Amulettstein von Utgârd, die Felsritzung von Himmelstalund und die Steine von Elgesem, Myklebostad, Tomstad, Saude, Tanem und Sunde u.a. - habe ich nicht aufgenommen (in Krause/Jankuhn 1966 wird in solchen Fällen fast immer ein Zeitansatz "um 500" angeboten). Auch verlorene Inschriften, die nur in Abzeichnungen zugänglich sind, habe ich weitgehend ausgeschlossen. Von den Brakteatinschriften wurden nur die sprachlich sinnvollen, "elaborierten" Texte in 3.1 aufgenommen, die südgermanischen und einige sichere ostgermanische Inschriften behandelt der Exkurs. Es finden sich relativ kurze Angaben zu Lesung und Interpretation dort, wo der Text m.E. für sich selbst spricht oder in den Ausgaben Konsens herrscht; andere Texte, namentlich Stentoften, Eggjum, Rök, Sparlösa oder der neugefundene Maltstein, gehören zu unseren wichtigsten Quellen für das Runennordische, sind aber in Lesung und Interpretation so umstritten, daß mir eine ausführliche, bisweilen vielleicht ermüdende Diskussion aller wichtigen Interpretationsvorschläge erforderlich schien - man muß sich mit der Situation auseinandersetzen, daß einige Kapitel der nordgerm. Sprachgeschichte so gut wie ausschließlich auf diesen wenigen wichtigen Inschriften basieren, und daß das Konstatieren einer synkopierten oder unsynkopierten Form in einzelnen Fällen davon abhängen kann, ob man den 2
Ausnahmen stellen innerhalb der als schwedisch bezeichneten Inschriften ein Holzstück aus Ladoga dar, innerhalb der dänischen Inschriften die Kämme von Haddeby und Elisenhof; sie hätten auch unter den archäologisch datierten Inschriften eingereiht werden können, aber der Ansatz ist entweder relativ unsicher oder so weit, daß mir ihre Anordnung hier sinnvoller erschien.
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Rahmenstrich der Inschrift als Rune mitliest oder nicht (etwa auf dem Rökstein). Mit eigenen Neu-Interpretationen bin ich sehr zurückhaltend; es erschien mir vorrangig, das Vorhandene in seinen Kontext einzuordnen. Diejenigen Leser, die in der Erstellung neuer Texte den einzigen "wahren" Sinn der Runologie sehen, kann ich immerhin auf meine mehr oder weniger umfangreichen Ausführungen zu Stentoften, Lindholm, Ribe, Malt, Björneby und Hoga verweisen, wo sich neben etablierten Meinungen auch einige eigene Vorschläge oder auch nur Überlegungen finden. Darin lag aber nicht das Hauptinteresse dieser Arbeit. Man wird vielleicht eine Diskussion der Herkunft der Runen vermissen, aber ich möchte zu dieser ewigen Streitfrage keine eigene (gar neue) Position vertreten: innerhalb der skandinavischen Forschung ist derzeit die Lateinthese die allein herrschende Lehre (so etwa Moltke 1985a, Odenstedt 1984), die GriechischThese wurde nur von Morris 1988 wieder ins Spiel gebracht, was allgemeine Ablehnung fand, einige deutsche Runologen halten weiter an der Möglichkeit fest, daß die in Norditalien um 100 v. Chr. gebrauchten lokalen Alphabete als wichtigste Quelle der Runen gedient haben können (so zuletzt Rix 1992). Seebold 1991a vertritt die These, die Runen gingen "über einen (unbekannten) keltischen Zwischenträger auf ein hoch-archaisches Alphabet aus dem Umkreis der lateinisch-faliskischen Schrift zurück, vermutlich auf das mantische Alphabet einer Orakelstätte." (1991a:30), die Übernahme müßte dann aber spätestens im 4. Jhd. v.Chr. erfolgt sein, was angesichts der Beleglage wenig wahrscheinlich ist. Der jüngste Beitrag zu dieser Problematik stammt von Hachmann 1993: Er zieht so gut wie alle bisher vorgebrachten Theorien in Erwägung und betont dem magischen Chaakter der ältesten Runeninschriften: "Die Entstehung der Runen scheint ein Sonderfall der Schriftentwicklung gewesen zu sein. Offensichtlich stand bei ihnen die magische Verwendung von Anfang an ganz und gar im Vordergrund und führte erst viel später zum profanen Gebrauch. [...] Eigentlich ist auch nur aus den Bedürfnissen der Schriftmagie zu verstehen, daß die Germanen nicht einfach das Griechische oder Lateinische - mit geringen Änderungen und Ergänzungen - übernahmen, sondern eine neue, eigene Schrift konzipierten." (Hachmann 1993:345). Als Träger der frühesten Runenschrift stellt er sich deshalb Zauberpriester vor, die ihre magische Macht durch die neuen Zeichen verstärken wollten. Er weist wohl zu Recht darauf hin, daß der Erfinder der Runen entweder Lateinisch oder Griechisch verstehen, sprechen und schreiben können mußte, was einen längeren Aufenthalt im römischen Reich voraussetzt. Da die ältesten Runeninschriften sich im westlichen Ostseegebiet konzentrieren, dürfte als Vorbild eher Latein als Griechisch in Frage kommen. Da für diesen Raum kein direkter Kontakt mit Personen, die Latein sprachen, bestand, nimmt er eine Vermittlerfunktion des Gebietes beiderseits des Niederrheins an und verweist auf den intensiven Handelsaustausch, der sich in den reichen Gräbern dokumentiert. Vom Ostseegebiet würden sich dann die entwickelten Runen ab dem ausgehenden 3. Jhd. zu den Ostgermanen ausbreiten, wo sie aber bald unter dem Einfluß des Arianismus wieder aufgegeben wurden; dort sieht er auch die Wurzeln für die Gruppe von silbertauschierten Lan-
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zenspitzen, die außer Runen auch "sarmatische" und "einheimische" Heilszeichen aufweisen, wie z.B. Dahmsdorf oder Kowel. All dies hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, basiert aber auf einer ganzen Reihe von Annahmen, für die - wie für die konkurrierenden Theorien - weitere Evidenz erforderlich scheint. Das Problem der Runenentstehung wird sicher weiter diskutiert werden.
Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen 1.0 Vorbemerkungen Dieses Kapitel präsentiert eine kurzgefaßte und recht allgemeine Übersicht über die Entwicklung der Runen als Schriftsystem; alle Zeitangaben sind dabei nur als Grobwerte oder Annäherungen zu verstehen, da die genaue Datierung der Veränderungen von der Datierung der sie repräsentierenden Inschriften (und umgekehrt) abhängt; diese wird dann in den folgenden Kapiteln diskutiert. Hier geht es zunächst nur darum, alle wichtigen Veränderungen, die im Laufe von über 1000 Jahren der Runenverwendung auftreten, kurz anzusprechen und in ihrer schriftgeschichtlichen Bedeutung zu charakterisieren.
1.1 Entwicklungen im Urnordischen und in der Übergangszeit Das Ältere Fujsark, wie es uns in den ältesten Inschriften ab ca. 150 n.Chr. entgegentritt, hat im nordgerm. Raum folgende "Normalformen", die im einzelnen durch verschiedene Varianten zu ergänzen wären:
r η
> f4 k < X
f u
Ρa
(> Ν h I ^ Κ Υ 1 * Î & Π Μ Γ ο M *
r k gwh η i
j
? ρ R s t
b e m 1 ng d o
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Umstritten in ihrem Lautwert wie in ihrer Funktion sind besonders zwei dieser Runen, die 13. und die 22., vor allem deshalb, weil beide nicht in sinnvollen Kontexten belegt sind: Für die 13. Rune gibt es noch nicht einmal eine halbwegs überzeugende Herleitungsmöglichkeit aus einem der postulierten Mutteralphabete; so hat man an ein vorrunisches Sinnbildzeichen gedacht, u.a. an die Hälfte eines 1
Y = steht nach Krause 1971:45 und Düwel 1983:15 für einen palatalen r-Laut, der aus germ, /ζ/ < /s/ (Verners Gesetz) entstanden ist; er fallt erst in der Wikingzeit mit dem zweiten r-Laut, r = /r/, zusammen. Antonsen 1975 setzt dagegen für die ganze urnord. Periode als Lautwert Iii an: "Linguistically, Y cannot be anything other than /z/ until it alternates with fc, attesting to the coalescence of Izl with M. This does not occur until the NG [= North Germanic - Th.B.] period" (Antonsen 1975:2). Ich werde im Folgenden die Rune mit transferieren, ohne mich auf ihren phonetischen Wert festlegen zu wollen.
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
stilisierten Hakenkreuzes (Arntz), an eine stilisierte Wiedergabe der Welteibe als heiligem Kultbaum (Schneider), oder an eine graphische Differenzierung der iRune (Krause). Aufgrund des ihr zugeordneten Runennamens *iwaz "Eibe" hat man die 13. Rune als oder transferiert (so die Forschung des 19. Jhds.) oder einen Zwischenlaut zwischen i und e angenommen, etwa ein geschlossenes /e/, und diesen durch Diakritika bezeichnet2 (e oder i). Alle diese Ansätze sind aber aus etymologischen Gründen problematisch. Daneben wurde der Gedanke vertreten, die 13. Rune habe überhaupt keinen bestimmten Lautwert gehabt, sondern sei von Anfang an nur ins Fu{>ark übernommen worden um die Runenreihe zu vervollständigen; Wimmer 1887:135f nennt als mögliche Ursachen den Wunsch, zu drei Runengruppen mit jeweils acht Zeichen zu gelangen, vergleichbar sei die Übernahme der griech. Zeichen Koppa und Sampi als reine Zahlzeichen in Wulfilas gotisches Alphabet. Auf die zentrale Bedeutung des Begriffswertes3 (und des ihr zukommenden Zahlenwertes) dieser Rune, der sogar beibehalten wird, nachdem die 13. Rune längst nicht mehr als Buchstabe verwendet wurde, weist Klingenberg 1973:299ff hin. Aufgrund seiner Rekonstruktion des urgerm. Lautsystems kam Antonsen 1969 und 1975 zu dem Ergebnis, die Rune \ müsse ursprünglich für den Lautwert /ae:/ gestanden haben: auf der Stufe der Runenübernahme, die Antonsen früher als die meisten anderen Forscher ansetzt, lassen sich folgende Phonem-Graphem-Zuordnungen vornehmen: ΝI
/u/ Π
/i:/1
/u:/ Π
/e/II Π /
a
/
a
e
:
/
\
/ο:/£
So hätten wir also ein System, bei dem qualitative Unterschiede, nicht aber quantitative Oppositionen durch verschiedene Grapheme realisiert wären. Antonsens Auffassung wurde heftig kritisiert, so z.B. von Krause 1973:26 mit dem Argument, dieser Lautwert sei "weder in der Namensform des Wortes für "Eibe" noch in der Verwendung dieser Rune in sinnvollen Wörtern begründet." Aber das zweite Argument steht auf schwachen Füßen, da keine der Inschriften, die die
So argumentiert z.B. Krause/Jankuhn 1966:5:,"Es fällt auf, daß im Futhark zwei verschiedene Runen für einen /-Laut auftreten. Fr. Ranke (bei Jungandreas, ZDPh 60, 106) hat das richtig dahin gedeutet, daß der eine dieser beiden i-Laute aus dem frühurgermanischen Diphthong ei hervorgegangen sei. Wahrscheinlich geht (umgekehrt wie bei Ranke) späturgerm. *isa- auf frühurgerm. *eisa- zurück, während *iwa- von jeher monophthongischen Wurzelvokal hatte. Später fielen dann diese beiden /-Laute phonologisch zusammen, und das kompliziertere Zeichen \ kam außer Gebrauch." Zu den Runennamen/Begriffswerten der Runen vgl. Krause/Jankuhn 1966:4f oder Düwel 1983:7f.
Entwicklungen im Umordischen und in der Übergangszeit
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Rune zeigen, wirklich eindeutig interpretiert werden können4. Außerdem nimmt auch Antonsen an, daß das System der belegten Inschriften durch die frühurnordischen Lautwandel ein bereits verändertes ist, mit symmetrischem Verhältnis von Kurz- und Langvokalen und jeweils fünf Einheiten; somit wäre die 13. Rune zu dieser Zeit bereits überflüssig geworden; wann ihr der Runenname "Eibe" zugeteilt worden wäre, sei nicht feststellbar. Eine andere Theorie über den Lautwert der 13. Rune entwirft Gr0nvik 1981: 29ff aufgrund der angelsächsischen Zeugnisse (sie ist bei Moltke 1985a ohne Quellenangabe übernommen): er argumentiert für ein Allophon [ç] zum Phonem IhJ und übernimmt damit eine Auffassung, die bereits Bugge in NIaeR I vorgeschlagen hatte. Anders als Bugge setzt er allerdings ein primäres [ç] an, der Lautwert i, den die Rune auch haben könne, sei erst sekundär vom Runennamen *ihanach dem akrostichischen Prinzip abgeleitet. Seebold 1991b:469 spricht vom Lautwert 'i vor h', der sich unter dem Einfluß des Runennamens ergeben habe, ursprünglich sei tektale Spirans anzusetzen. Gegen Gr0nvik (und Seebold) spricht aber die Beleglage: für die frühen englischen Runeninschriften (4.-6. Jhd.) ist allenfalls der Lautwert i anzunehmen, h auf dem Kreuz von Ruthwell ist ebenso wie der Runenname in altenglischen Manuskripten wesentlich später belegt. Ein ursprünglicher Lautwert ç ist daher zu unwahrscheinlich, als daß Gr0nviks Theorie akzeptiert werden könnte; falls der Rune überhaupt ein Lautwert zukam, dürfte es sich um einen vorderen Vokal gehandelt haben, der beim derzeitigen Kenntnisstand aber nicht näher zu präzisieren ist. Auch der Lautwert der 22. Rune scheint schwer festlegbar zu sein. Die Angaben diesbezüglich sind von Autor zu Autor unterschiedlich; als Runenname läßt sich der Name des Gottes *Ingwaz erschließen (Düwel 1983:7), was auf einen Nasal oder eine Lautverbindung hindeuten könnte. Barnes 1984:66 hat m.E. das Problem treffend beschrieben und zusammengefaßt: "Whether deliberately or through carelessness, virtually all scholars are vague or contradictory about what sound or sounds *Ingwaz denoted. Thus Düwel (1968, 7) speaks of "die Lautverbindung -ng-"; Elliot (1963, 17) gives the value as [Q]; Page (1973,40), writing of Anglo-Saxon Ing, says it "represents the nasalised voiced back stop" - an apparent conflation of terms; Derolez (1954, 128) reckons Anglo-Saxon Ing "stood for the final sound of its name" (presumably /g/) and that therefore "n was about the best rendering" in runica manuscripta·, Moltke and Stoklund (1981, 70-1) speak of an "ng-rune" which "betegner ng", whereas "n + g [1>X] ... indicerer en ganske anden udtale"; Nielsen (1984, 4) tells us about Illerup's o "der i forvejen kendes med 1ydMit einem eventuell sinnvollen Lautwert steht \ auf dem Brakteaten von Nebenstedt = Dannenberg in den Folgen gl^augiR, was man als einen Namen "der Glanzäugige" (etwa Krause/Jankuhn 1966) oder "der Scharfäugige" (Seebold 1991b:487) auffassen kann, sowie in u ^ u rnR (?) das man als *wihiu r(u)n(o)R "ich weihe die Runen" gedeutet hat, ferner auf dem englischen Knochen von Caistor-by-Norwich (um 400, vgl. dazu Johnsen 1974) in r a ^ h a n ; hier könnte ich mir den Versuch der graphischen Wiedergabe einer frühen Stufe der Monophthongierung von /ai/ über /ae:/ zu /a:/ vorstellen.
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
vaerdien l\, ng"; Westergaard (1981, 136) notes that the older runic alphabet has "et eget grafem for lydverdien 'η_ ' eller 'ng'", while Odenstedt (forthcoming) discusses why "Q-runan i sâ mânga fall mäste läsas iíjg)". This is a mere sample of what can be found. The confusion springs partly from failure to use a single and generally recognised system of notation, and partly, I suspect, from lack of thought. The matter is really very simple. While we can never be shure about the pronunciation of earlier stages of a language, virtually everyone seems to agree that in Primitive Germanic, Primitive Norse, Old English and Viking-Age Scandinavia Ini had an allophonic variant [Q] before /g/ (except possibly where a morpheme boundary intervened). Therefore what we want to say about *Ingwaz is that phonemically it seems to have denoted /ing/ and /ng/, phonetically [ir]g] and [Qg]. If followed by X (or < ?) it presumably denoted /in/ or Ini in phonemic, [ir]] or [Q] in phonetic notations, but among the inscriptions in the older runic alphabet there is virtually no evidence of such usage". Die gründliche Sichtung aller einschlägigen Belege dieser Rune bei Barnes 1984 erweist unser beschränktes Wissen in dieser Frage: Von maximal 16 Belegen stammen sechs von FuJ>ark-Inschriften, in denen ein Lautwert nicht zu ermitteln ist. Bis auf den Kylver-Stein (o) sind es alles Brakteatinschriften mit z.T. höchst korrupten Runenformen (Vadstena: o, Grumpan: Y , Lindkaer und OverHornbaek ΙΠ: & als Sturzrune). Bei den verbleibenden 10 Belegen ist beim Scheidenbeschlag von Vi nicht einmal sicher, ob es sich um eine Runeninschrift oder um zufällige Kratzer handelt; für den Stein von Ârstad hat H0st 1987 gezeigt, daß statt O eine k-Rune < zu lesen ist; die Letcani-Inschrift wurde von Krause nur aufgrund einer Photographie gelesen und ist nicht nur deshalb ein sehr fraglicher Beleg. Auf dem Stein von Martebo findet sich zwar unter anderem ein kleines Viereck, aber da in dieser Inschrift nichts auch nur mit einiger Sicherheit lesbar ist, bringt auch dieser Beleg keinerlei Erkenntnisse. Die fragliche Rune auf dem Stein von Opedal hat die singulare Form eines kleinen Kreises, sie steht direkt vor einer g-Rune, was ihre Interpretation sehr umstritten macht. Die Bronzestatuette von K0ng zeigt lediglich die Runen , die nicht interpretierbar sind. Ein weiterer unsicherer Kandidat ist das Schrapmesser von Slemminge, das die verschiedensten Deutungen - keine überzeugend - erfahren hat. So bleiben nur die drei Inschriften von Szabadbattyán (marf sd, ein ostgerm. Männername mit nachfolgendem Sinnbildzeichen??), von Tanem (mairtyu, ein Personenname Marilingu mit Vertauschung der dritten und vierten Rune??) 5 und von Aquincum (jlain:k^ia, wofür in Krause/Jankuhn 1966:24ff eine Interpretation als kingia "Spange" vorgeschlagen wurde; Antonsen 1975:76 bezeichnet die Zeile als "indeLesung und Interpretation nach Krause/Jankuhn 1966:197. Die erste Rune ist im oberen Bereich durch Verwitterung beschädigt, statt m wäre nach den erhaltenen Resten eher e zu lesen; die zweite Rune ist eindeutig a, der untere Beistab etwas kürzer und fast waagrecht; Rune 3 lese ich als n, Krause "sicher i, nicht «."; die folgenden vier Runen sind nur im oberen Bereich erhalten, die Reste sprechen für die angegebene Lesung, aber die Rune 4 könnte genausogut als w oder b aufgefaßt werden. Aus dieser Inschrift weitreichende Schlußfolgerungen ziehen zu wollen, erscheint daher kaum angebracht.
Entwicklungen im Urnordischen und in der Übergangszeit
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cipherable"). Als Fazit bleibt, daß wir nicht genau bestimmen können, welche Runenform als ursprünglich für die 22. Rune anzunehmen ist, welche graphische Entwicklung sie durchlaufen hat, welchen Lautwert sie hatte oder haben konnte; auch ist die Frage völlig offen, ob die dreimal belegte Form φ und das einmalige f als Binderune | + o zu interpretieren ist (so z.B. Antonsen 1975, Odenstedt 1985 gegen Westergaard 1981) oder als Entwicklungsform von o im Rahmen der Tendenz, allen Runen volle Zeilenhöhe zu geben. Ich transliteriere die Rune als ng, wo erforderlich. Für die Runen an 9. Stelle (h), 14. Stelle (p), 15. Stelle (R) und 22.Stelle (ng) postuliert Seebold 1991a + b kompliziertere Ausgangsformen, die später vereinfacht worden seien: Für h sei die kontinentale Tradition mit zwei Querstrichen ursprünglich, für ρ die Form die nur auf der Marmorsäule von Breza/Jugoslavien und vielleicht auf dem friesischen Westeremden Β so erscheint, für R die gespiegelte Form X, die in einigen englischen Handschriften für χ steht und sonst nur auf Charnay belegt ist; schließlich für ng wäre die nur in England belegte Formadas Ursprüngliche und aus x + χ entstanden. In Anbetracht der gespiegelten Formen für w und J», die einige Inschriften aus Illerup belegen, erscheint mir der Vorschlag nicht völlig auszuschließen, zumal im Venetischen f mit dem Lautwert /ß/ belegt ist (Rix 1992:419). Die Frage ist natürlich von entscheidender Bedeutung für die Suche nach dem Ausgangs-Alphabet für die Runenreihe, ein Problem, das hier nicht diskutiert werden soll; akzeptiert man aber den Vorschlag Seebolds, dann hat man als früheste Entwicklungen innerhalb Skandinaviens die Vereinfachungen der komplizierteren/gespiegelten Formen anzusetzen. Die oben gegebenen Formen sind jedenfalls die der auch von Seebold angesetzten klassischen Reihe der skandinavischen Inschriften, deren Entwicklung hier ausschließlich interessieren soll. Bis etwa gegen 400 n.Chr. ist dieses älteste Fufjark erstaunlich konstant, auch in sprachlicher Hinsicht sind die Inschriften sehr einheitlich. Neuere Funde zeigen allerdings schon für die frühesten Inschriften Formvarianten: die j-Rune erscheint halbzeilig etwa auf dem Lanzenblatt von 0vre Stabu, sie hat dagegen die volle Zeilenhöhe schon auf dem Lanzenblatt von Dlerup um 200. Die w-Rune erscheint nicht nur in der Form sondern bei den Merup-Funden in der Variante f ; eine entsprechende (gespiegelte?) Variante ψ zeigt auch die Rune Die Form Η der e-Rune ist eine spätere Entwicklung, vor der Brakteatenzeit dominiert eindeutig die ältere Form (~|· Die Einordnung der urnord. Inschriften (bis ca. 700) scheint dank der archäologischen Datierungen, die ihre Grundlage bilden, ziemlich zuverlässig;6 sie kann und soll hier zunächst nicht in Frage gestellt werden. In Kapitel 2 wird ausführlich auf die Grundlagen für archäologische Datierungen eingegangen und gezeigt, wie unsicher im Grunde genommen die Datenbasis ist. In der Forschung gelten sie als weitgehend gesichert, auch wenn Differenzen von bis zu 50 Jahren vorkommen können (etwa im Falle des Ortbands von Thorsberg;, nach op. com. ca. 200, bei Norling-Christensen 1945: 2. Jhd.).
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
Die frühesten urnordischen Funde sind Lanzenblätter, Fibeln und Schnallen, oft Mooropferfunde, ferner kleinere Gebrauchsgegenstände wie Kämme, Hobel oder Messer. Steininschriften beginnen um etwa 350 n.Chr., und bis etwa 500 sind ca. 35 Runensteine oder Felsinschriften ausschließlich in Norwegen und Schweden zu verzeichnen. Sie überschneiden sich zeitlich z.T. mit einer weiteren großen und wichtigen Gruppe von Runeninschriften, den sogenannten Brakteaten7, die oft schwer verständliche Formeln als Inschriften tragen, aber von ihren Runenformen und ihrem Sprachstand her klar zu den urnordischen Inschriften gehören. Für einige dänische Brakteaten nimmt Seebold 1991b spezielle Zeichenformen an, die völlig außerhalb der sonstigen skandinavischen Tradition stehen würden; unter anderem soll der Versuch nachweisbar sein, schon hier neue Bezeichnungen für die Umlautprodukte einzuführen. Da diese Auffassung als sehr umstritten gelten darf, verzichte ich hier im allgemeinen Teil auf eine Darstellung dieser Thesen; sie erfolgt unten unter 3.1. Die Inschriften, die sich zeitlich an die Brakteaten anschließen, bezeichne ich als späturnordische (ca. 500-675) oder als Inschriften der Übergangszeit (ca. 675-750). 1.1.1 Tendenz 1 : Einheitlich volle Zeilenhöhe, Umdrehen der Runen für und Die erste Tendenz zur Veränderung der Runenreihe, die schon innerhalb der urnordischen Periode oder gegen Ende derselben beginnt, besteht darin, die 3 halbzeiligen Runen — >
M vor 500
^ Λ
γ
Η
*
525
550/600
Die k-Rune < ist zunächst fast variantenfrei, erst auf Kragehul und Lindholm (beide 525) steht eine halbzeilige Form (so auch auf dem Hobel von Vi ca. 300?8). F0rde (550?) ist der früheste Beleg für Y, um 550 zeigen Järsberg und Fonnâs Y, Charnay dagegen noch jara > ara > ár, vgl. dazu genauer unter 3.3.1. Die gleiche Tendenz zeigt sich, jedenfalls nach der Darstellung der Handbücher, z.B. bei Krause/Jankuhn 1966, bei der seltenen 22. Rune im Fuf)ark ο, für die schon im 3. Jhd. die Variante f (Scheidenbeschlag von Vi) aufkommt9. Nach 600 gibt es m.W. keinen Beleg mehr für diese Rune, die frühen Inschriften, bei denen sie angenommen wird, sind alle mehr oder weniger problematisch in Bezug auf Laut- und Zeichenwert, wie oben schon gezeigt wurde. Westergaard 1981 hat die Auffassung vertreten, daß (1) bei der 22. Rune O keine zeitliche Abfolge der Formentwicklung zu beobachten sei und deshalb auch eine umgekehrte Reihenfolge f > ο, möglich wäre, und daß (2) damit alle drei halbzeiligen Runen schon von den frühesten Inschriften an volle Zeilenhöhe haben konnten. Beide Postulate sind aufgrund der Beleglage wenig wahrscheinlich, wie Odenstedt 1985 gegen Westergaard klargestellt hat: Die von Westergaard als Kronzeugen für seine erste Behauptung zitierten ältesten Belege der Ing-Rune auf dem Scheidenbeschlag von Vi und auf der Inschrift von Letcani sind kaum als sichere Zeugnisse zu bewerten die vier Zeichen auf Vi hat Moltke 1976:116 als "kradserier" zutreffend charakterisiert, die dritte Rune hat zudem nicht die Form f und "den av C.J.S. Marstrander föreslagna tolkningen awQs, vilket skulle vara ett gotiskt personnamn, är högst osäker." (Odenstedt 1985:3). Ebensowenig kann der Beleg von Letcani als sicher bezeichnet werden: In der Publikation von Krause 1969 hat die angebliche Ing-Rune die Form Y, laut Krause ist sie aber im oberen Teil beschädigt und könnte deshalb zu f ergänzt werden, aber auch für stehen - damit läßt sich wohl kaum argumentieren. Westergaards Postulat (1) ist deshalb nicht haltbar, aber auch die Ansicht "Varianten f är av allt att döma en señare tillkommen bindruna som betecknade in(g)." (Odenstedt 1985:5) ist nach dem oben Gesagten als ungesichert abzuweisen. Ebensowenig ist Westergaards zweites Postulat tragfähig: zwar kann die jRune von Beginn der Überlieferung an volle Zeilenhöhe haben, wofür die Neufunde von Illerup weitere Evidenz geliefert haben, doch trifft dies für die IngRune wahrscheinlich und für die k-Rune sicher nicht zu. < auf dem Ortband von Vi ist zwar relativ groß, erreicht aber deutlich nicht die Länge der umgebenden Runen Is und |. Der Hobel von Vi bietet zwar ein Zeichen X in voller Zeichenhöhe, doch ist seine Datierung ins 3. Jhd. angezweifelt worden, und der Kontext der Weitere frühe Belege sind Tanem (500), K0ng (5./6. Jhd.), Szabadbattyán (400-425) und Aquincum (500).
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
Rune spricht zudem gegen : "Runan stár som nummer 2 i den egendomliga och otydda ljudföljden tkbis. Jag anser det ingalunda säkert att k här avsetts man väntar sig snarare en vokal mellan t och b." (Odenstedt 1985:6f). Alle anderen Belege für < vor ca. 500 zeigen halbe Zeilenhöhe, weshalb die oben angesetzte Entwicklung berechtigt ist. Etwa gleichzeitig werden die Runen ^ und Κ (wie auch f ) nicht mehr verwendet; die letzten Belege für
datieren vor 600, mit ganz individuellen Formen auf Breza (6. Jhd.) fl, Charnay (575) W , Fonnâs (575) |i. Vadstena (525) hat schon £ für
an der 14. Stelle im Fu^ark10. Die Eibenrune ^ wurde vielleicht sowieso nur im Fujaark verwendet und nicht als Lautrune11. Beide Runen dürften nach 550 (wenn überhaupt) nur noch um der Zahlenwerte willen bewahrt sein: Björketorp schreibt für spá, Eggja hat warb, kaiba statt *warp, *kaipa. Wir haben also eigentlich zwei Tendenzen, die sich aber zeitlich und von ihrer Wirkung her überschneiden: zum einen werden drei Runen, o < , so umgeformt, daß sie die gleiche Größe wie alle anderen Runen erhalten. Diese Entwicklung ist einleuchtend und schriftgeschichtlich verständlich. Auf der anderen Seite werden de facto drei Runen aus dem Fu{>ark entfernt bzw. nicht mehr verwendet: >T f K- Für /ng/ bestand eigentlich kein Bedarf, man konnte schreiben oder einfach , wie in den wikingzeitlichen Inschriften (dort natürlich Y f ) . Der Lautwert der Eibenrune ist sehr umstritten; es könnte vielleicht sein, daß er tatsächlich mit /e/ zusammengefallen ist, wie Andersen 1947:209 annimmt. Genauso ist es möglich, daß diese Rune von Anfang an nicht um ihres Lautwertes willen in die Runenreihe aufgenommen wurde, sondern wegen ihres Begriffsund dann auch Zahlenwertes12. Merkwürdig und m.W. immer noch ungeklärt ist der Ausfall der p-Rune, wie eigentlich alles bei dieser Rune: weder ist ihre Herkunft geklärt (eine b-Rune mit aufgeklappten Beistäben - so Moltke 1985 passim?; eine verdoppelte b-Rune - so schon Wimmer 1874 und nun Seebold 1991 a+b?), noch ihr Runenname (*perpol So Düwel 1983:7 "vielleicht aus dem Keltischen entlehnt"), noch ihre Urform (Breza, Charnay, Kylver, Fonnâs zeigen gänzlich verschiedene Typen). Als Argument für den Ausfall der p-Rune wurde genannt, daß es keine germanischen Wörter mit /p/ im Anlaut gibt, sondern allenfalls Lehnwörter; aber im In- und Auslaut ist dieses Phonem im Altnordischen nicht gerade selten, durch die Auslautverhärtung (/b/# > /p/#) nimmt seine Frequenz noch zu. An eine Tabuisierung der Rune, wie Andersen 1947:208 vorschlägt, die bewirkte, daß Wörter mit /p/ in den Inschriften vermieden wurden, glaube ich nicht. Vgl. jedoch Klingenberg 1973:280ff, der hier einen runenmeisterlichen Akzent im Dienste einer zahlensymbolisch verschlüsselten Aussageabsicht vermutet. Eine Ausnahme bildet vielleicht der Knochen von Caistor-by-Norwich (archäologisch um 400), der die Inschrift RPvTWt1 raihart trägt, von Johnsen 1974:30 als Personenname interpretiert; ein oder zwei weitere Belege könnten sich auf dem Brakteat von Nebenstedt = Dannenberg finden. Dazu ausführlich Klingenberg 1973.
Entwicklungen im Umordischen und in der Übergangszeit
19
Das Ganze ist ein großes und vielleicht unlösbares Rätsel. Tatsache ist, daß spätestens ab 550 für /p/ nur £ geschrieben wird. Damit erledigt sich auch die Frage, wieso bei der Umformung der Runenreihe zum Jüngeren Fujiark nicht das Zeichen für den stimmlosen Laut (wie bei IM und Dd) gewählt wurde: es gab kein Zeichen für /p/ mehr. Für das Fu^ark um 600 ergibt sich daraus folgendes Bild: Alle Runenzeichen haben volle Zeilenhöhe, von ursprünglich 24 Runen werden nur noch 21 verwendet. Dies ist auch auffalligerweise genau der Zeichenstand des Runenmeisters von Rök, der in der Geheimschriftpartie neben den 16 Runen/Lautwerten, die auch im Jüngeren FuJjark existieren, noch £ Χ M V ί1 (= W und H (= /d/) verwendet, also über ein Zeicheninventar von 21 Einheiten verfügt13. In diesem Zeitraum findet schließlich noch eine dritte Unter-Entwicklung statt: die Runen für ñd und /R/ werden gestürzt, d.h. um 180 Grad gewendet. Statt A setzt sich Y durch, für Y kommt die neue Form X auf. Die frühesten Belege für Y ^ sind um 550 in Schweden der Stein von Järsberg, in Norwegen der Angelstein von F0rde (Y) und die Spange von Fonnâs (Y. /k)· Dabei hat Järsberg für /R/ beide Varianten (lx Y und 2x X , dazu einmal die Binderune Ein solches Nebeneinander hat sonst nur der norwegische Stein von By, der 2-3 Jahrzehnte jünger sein dürfte als Järsberg. Beide Formen Y und ^ könnten also als Neuerungen in SO-Norwegen/Värmland entstanden sein, vielleicht als Schöpfung des Runenmeisters von Järsberg, der dann völlig zu recht im Text vermerkt hätte: ek erilaR runaR waritu. Diese neuen Formen setzen sich in Norwegen offenbar sofort durch, in Schweden wird dagegen für ÍRJ die alte Form vielleicht einige Jahrzehnte lang bewahrt, denn nur Stentoften hat um 6 0 0 ^ , alle anderen Inschriften dagegen γ . Erst die zweite, vermutlich spätere Inschrift auf dem Stein von Ellestadt (ca. 675-700?) zeigt dann die Übernahme von X an. Bei Y A ist die Drehung um 180 Grad klar zu sehen; weniger deutlich ist sie für λ γ . Ich setze eine Zwischenstufe λ > * A >Y an, für die es vielleicht auf der Spange von Eikeland (SW-Norwegen, um 550) einen Beleg gibt: die k-Rune hat hier typologisch die gleiche Form wie auf Kragehul und Lindholm, hat aber einen deutlich längeren Hauptstab, so daß die Rune fast volle Zeilenhöhe erreicht14. Aus diesen Entwicklungen resultiert ein 21-er Fumarie, das von etwa 525 bis ca. 600 gilt (zu V * vgl. das nächste Kapitel):
13
14
kommt zwar in den Chiffren vor, aber ohne Lautwert, für /ng/ und /p/ kannte der Meister von Rök offensichtlich keine Runenzeichen (vgl. z.b. mogmenni bei /ungmenni/). Insgesamt verfügt der Meister von Rök über 26 verschiedene Runenzeichen (dazu kommen die verschiedenen Chiffren), aber damit werden genau 21 Laute bezeichnet. Diese für Skandinavien bisher nur zu postulierende Form belegt der skanomodu-Solidus aus dem British Museum/London fur die englische oder eher friesische Tradition.
20
Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
Γ η > Μ * Υ Χ > Ν ΐ | ΐ ι * λ * Ϊ & Μ Μ Γ Η *
f u f r a r k g w h n i
a
R
s
t b e m l
do
Dennoch bleibt der Zahlenwert 24 (für das Fujiark) vermutlich wichtig, wie die 24-er Reihen auf Rök zeigen und auch andere Inschriften15 belegen könnten. In der aktuellen sprachlichen Verwendung besteht die Runenreihe aber aus 21 Zeichen und deren Varianten.
1.1.2 Tendenz 2: Differenzierung der beiden a-Runen Auf die Bedeutung der Zahl 24 im FuJjark des 7. Jhds. deutet auch die Bewahrung der ara-Rune hin, die als Konsequenz aus dem Schwund des anlautenden j- im Runennamen nach dem akrostichischen Prinzip den Lautwert eines oralen /a/ erhält; in späturn. Inschriften wird diese Rune meistens mit A transferiert. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung wird von vielen Runenmeistern f für nasales [ä]16 geschrieben, d.h. vor geschwundenem oder erhaltenem Nasal. Diese Unterscheidung bleibt mehrere Jahrhunderte erhalten, obwohl sie in phonetischer Hinsicht im Jüngeren Fujsark, das auf zahlreiche Distinktionen in der Schrift verzichtet, einen "Luxus" darstellt; erst im 11. Jhd. wird ^ > |t = loi. Im 6. (und 7. Jhd.?) waren beide Runen (f + offenbar frei verwendbar für /a/-Laute und es gab noch keine feste Regel für ihre Verteilung wie etwa im 10. Jhd.: Kinneve (6. Jhd.) verwendet f für /a/, ebenso Eikeland und Str0m; Gummarp (6. Jhd.) hat nebeneinander ¿T^M und Istaby (um 600) hat dann die Regel S = /a/, f = Svarabhaktivokal17. Stentoften (um 550) hat nebeneinander ΐΙΠΝ* und ΐΙΓΪΝΜ8. allerdings wohl im Dienste der (Zahlen-)Magie19. Björketorp verwendet dagegen nur $. Trotz aller Einschränkungen, die man aufgrund des eventuell magischen Charakters der Inschriften machen muß, ergibt sich doch folgendes Bild: Nach dem Wandel jara > ara (> ár) konnten die Runen >(c und f zunächst nebeneinander zum 15
16
17 18 19
So weist etwa Eikeland genau 24 Runen auf mittels einer Binderune; Björketorp verwendet in der gesamten Inschrift genau 24x die Rune sfc ; zur inneren Zahlenrechnung von Stentoften, die auf dem 24-er Fu{iark basiert, vgl. Klingenberg 1973:96-101 und 259f. Eggja hat in Zeile 1 genau 72 = 3x24 Runen und in Zeile 2+3 120 = 5x24 Runen, vgl. Krause/Jankuhn 1966:234; zusammen ergibt sich also 8x24, an achter Stelle des Älteren Fumarie steht die Rune y, mit ihrem Begriffswert wunnjo 'Wonne, Glückseligkeit', ein Akzent des Runenmeisters von Eggja, der auf den Toten zu beziehen ist? Im folgenden das Zeichen für nasaliertes lai bzw. als Transliterierung der alten ansur/ossRune A. /a/kommt in der Inschrift nicht vor. /a/ kommt in der Inschrift nicht vor. Vgl. Klingenberg 1973, 96-101 und 259f, anders Santesson 1989, vgl. 3.3.1.4.
Entwicklungen im Uraordischen und in der Übergangszeit
21
Ausdruck von /a/ verwendet werden (Gummarp, Kinneve, Str0m, Setre?). In der Konkurrenz setzt sich 5|c für la/ durch und f wird in seiner Funktion frei. Die Regelung, die sich dann einstellt, nämlich ^ = [ä], % = [a] stammt offenbar (?) aus Norwegen - sie könnte am frühesten auf dem Kamm von Setre (um 625) durchgeführt sein. Jedenfalls ist die Regel vollständig durchgeführt auf Eggja (ca. 700 oder früher), und alle späteren Inschriften könnten dieser Regel folgen (Strand, Vatn, Roes, ev. Sölvesborg). Dies ist die zweite wichtige Veränderung nach der Beseitigung der halbzeiligen Runen, die zweite Innovation eines Runenmeisters, wohl kaum eine zufällige, sondern ein Zeichen der Auseinandersetzung einzelner Runenmeister mit ihrem Schriftsystem. Aus phonologischer Sicht erscheinen sowohl (zunächst) zwei a-Runen als auch die Unterscheidung [a] vs. [ä] überflüssig zu sein; die Ratio für ihre Bewahrung dürfte wohl die Zahl der Zeichen im Fujaark (zunächst 24, später 16) gewesen sein. Ferner könnte wohl auch das akrostichische Prinzip eine Rolle gespielt haben, insofern als im Runennamen *äss das Allophon [ä] und bei *ara ein [a] im Anlaut stand, und vermutlich hatten auch die Begriffswerte der beiden Runen ("Ase" = Odin als oberster Gott jedenfalls der Runenmeister, und "Gutes, fruchtbares Jahr") einen so hohen Stellenwert, daß man ungern auf die sie repräsentierenden Runenzeichen verzichten wollte. Alle diese Erklärungs-Vorschläge müssen aber in der Forschung als umstritten gelten. Für die folgenden Jahrhunderte gilt dann diese Verteilung, wobei längst nicht alle Runenmeister diese einigermaßen komplizierte Regel beherrschten20; seit etwa 900 nimmt |t immer mehr ab auf Kosten von X, später wird dann und ^ für loi geschrieben, (dazu unten mehr).
1.1.3 Tendenz 3: Gerade Hauptstäbe; 21-typiges Fuf>ark Gegen Ende des 6. Jhds. erfolgt noch eine weitere graphische Veränderung, die als Tendenz zu geraden Hauptstäben interpretiert werden kann, und die sich allgemein und offenbar schnell durchsetzt: die k-Rune wird in ihrer Form von Y zu Y weiterentwickelt und könnte damit ein wichtiges Datierungskriterium liefern. Y findet sich in den Inschriften der Blekinger Steine, die nach Krause/Jankuhn 1966 ins 7. Jhd. zu setzen sind, nach Gr0nvik 1987 in die 2. Hälfte des 6. Jhds., und in einigen weiteren etwa zeitgleichen Inschriften. Auf Eggja, dessen Datierung umstritten ist, findet sich bereits die jüngere Form Y wie in allen späteren Inschriften (etwa auf der Spange von Âlborg, ca. 700). Ein Neufund von 1980, der Würfel von Vallentuna, der archäologisch völlig sicher auf 600 datiert werden kann, belegt in seiner fragmentarischen Inschrift die gleichen Runenformen wie Eggja, also Y, )|c und J^. Der Wandel muß also um oder vor 600 erfolgt sein, disVgl. etwa in der Periode 2.1 DR 17 Starup airikis kubl, wo die falsche a-Rune steht; die Namensschreibung des Runenmeisters auair ist wohl eine persönliche Extravaganz.
22
Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
kutabel ist allenfalls, wo er erfolgt ist, und wie schnell er sich auch in den übrigen Gebieten durchgesetzt hat. Eine frühere Datierung der Blekinger Steine, wie sie Gr0nvik vorschlägt, wird dadurch jedenfalls möglich. Die Runenreihe hatte also im 7. Jhd. - vor der Umformung zum Jüngeren Fujiark - folgende, aller Wahrscheinlichkeit nach Uberall geltende Form:
Γ ΙΊ l> Μ* Κ X l> Ν l· 1
*
λ
s
τ
ι η m γ ix λ
f u j j A r k g w h n i
a
R
s
t b e m 1
d o
1.2 Der Übergang vom Älteren Fujsark zum Jüngeren Fujsark 1.2.1 Tendenz 4: Verkürzung und Umstellung der Runenreihe Der Übergang vom Älteren FuJjark zum Jüngeren wird in Kapitel 5 ausführlich diskutiert werden; im Moment sollen nur die eintretenden Veränderungen genannt werden: Der Vorgang zerfallt in mehrere Unterentwicklungen: 1) Die stimmlosen und stimmhaften Verschlußlaute fallen in der Schrift jeweils zusammen: /p, b/ wird fc, /g, k/ wird Υ, /t, d/ wird "f. 2) Die gerundeten und ungerundeten mittleren und oberen Vokale fallen zusammen: /o, u, y, 0/ wird f). /i, e/ wird | 3) Die Rune ^ wird nicht mehr verwendet, man schreibt stattdessen Π· 4) Die 15. Rune des Älteren Fujiark X rückt an das Ende der Runenreihe, an die 16. Stelle des Jüngeren Fujsark. Vor der Reduktion liegt noch Eggja, das genau das oben postulierte 21-er Fu)jark zeigt, aber auch eine gewisse Tendenz, die Verschlußlaute zusammenfallen zu lassen (2x R = /ρ/, 1 χ f = /g/21, lx Î = /d/); £ und Π sind nicht sauber getrennt22, I steht zweimal für /e/. Auch die Schreibungen auf den Blekinger Steinen zeigen schon sehr interessante Auffälligkeiten, wie etwa für * auf Björketorp, aber auch im Bereich der Vokale (vgl. 3.3.4 unten). Aus diesen Entwicklungen resultiert folgende Runenreihe, die in der 1. Hälfte des 8. Jhds. in Schweden und Dänemark bekannt wurde, und die man als Helnaes/Sparlösa-FuJiark bezeichnen könnte (vgl. unten):
ΠΓΓΤΤΤ^ΤΤΤΤΤΤρΓΤλ f u £> A r k h η i a s t b m l 21 22
und zwar im Auslaut vor _# bzw. _1#. So steht wohl für /ok/ statt für .
R
23
Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fufiark
Diese Runenreihe hat etwa Sparlösa (ca. 775), Helnaes (ca. 800), Ribe (ca. 780), eventuell schon Sölvesborg (s. Kap. 3.2), mit einer Abweichung Björkö 1 (um 800) und im Prinzip alle dänischen Steine des 9. Jhds. (der Periode 2.1 in DR = Jacobsen/Moltke 1941/42). Die Zeichen des älteren 24-er Fufarles waren daneben zumindest Einzelpersonen noch bekannt, wie Rök (um 800) und Ingelstad (830 - 850?) beweisen. Die entscheidenden und sehr umstrittenen Fragen, wann, wo und in welcher Weise diese radikale Umformung und Reduzierung des Fu{)ark erfolgt sein könnte, wird in Kapitel 5 unten ausführlich diskutiert und der hier gegebenen Ansatz eines einheitlichen Jüngeren Fujiark, das den dänischen "Normalrunen" und den dann entwickelten schwedisch/norwegischen "Kurzzweigrunen" zugrundegelegt werden kann, begründet.
1.3 Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fufiark 1.3.1 Tendenz 5: Schweden: Nur ein Hauptstab und weitere Vereinfachungen Im 8. Jhd. wird das Jüngere Fufiark vermutlich auf schwedischem Gebiet weiter vereinfacht, woraus das System der Kurzzweigrunen resultiert, die aufgrund ihrer angenommenen späteren Verbreitung auch als "schwedisch-norwegische Runen" bezeichnet werden, von manchen auch als "Rök-Runen". Die Vereinfachung dürfte in mehreren Stufen vor sich gegangen sein, die vielleicht auf dem Stein von Sparlösa (um 780) nebeneinander dokumentiert sind; der Rökstein, nach op. com. um 800, zeigt bereits das voll entwickelte System. Ich gebe eine Übersicht über die in den Inschriften von Sparlösa und Rök belegten Formen, die vielleicht Anfang und Ende der Entwicklung repräsentieren: Sparlösa: χ
h Ί Rök:
r η ι> • k r t l· η
* Î 1
1 i
ι
1
τ
ι
m
1 (Die Runenformen in den Geheimschriftpartien sind nicht berücksichtigt). In den Wandlungen zeigt sich eine klare Tendenz zur Gruppenbildung, meistens einer paarweisen, mit minimalen signifikanten Oppositionen, wie Loman 1965 gezeigt hat: die beiden Runen für und , die als einzige noch zwei Hauptstäbe aufweisen, werden ersetzt durch Formen mit nur einem Hauptstab: M > f > ] und H > ^ > {. Da dann die Rune für orales laJ nur schwer von zu unterscheiden gewesen wäre, muß auch diese umgeformt werden, und zwar als Spiegelbild der n-Rune, was ^ vs. Jf ergibt, die dann nach weiterer Vereinfachung auch als \ vs. \· oder \ vs. geschrieben werden können. Die relativ
24
Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
komplizierte b-Rune wird auf zwei kurze Beistäbe vereinfacht:fc> p, sie findet dann ihr Gegenstück in der Rune für nasales /a/ f > beide Runen können dann auch später an das Paar ^ angeschlossen werden, woraus die Formen ^ resultieren. Die Runen für und können gleichfalls ein Paar bilden, indem neben Γ die Variante 1 statt î aufkommt; von dieser machen allerdings nur relativ wenige Inschriften Gebrauch. Am stärksten fortgetrieben wird die Vereinfachung bei den Runen für und , die zu einem kleinen Strich im oberen bzw. unteren Bereich der Zeile reduziert werden: X > t und $ > 1 . Schließlich wäre noch zu nennen, daß für die Rune |> eine Variante mit breitem Buckel |) aufkommt, die für die frühen schwedischen Inschriften im Jüngeren Fufsark charakteristisch ist. Nach Durchführung aller dieser Veränderungen erhalten wir folgendes System der Kurzzweigrunen: u i> A r k h η D l>
Y *
Νk
η
i
h 1
\ *
S
a
s t
b
m 1 R
Y X
' î 1
* t r # ι
ι
i Dies ist ein relativ ökonomisches Schreibsystem, die Vorteile liegen allerdings eher auf der Seite der Schreiber denn auf der der Leser einer damit ausgeführten Inschrift, der im Extremfall minimale Distinktionen zu analysieren hat. Schematisch lassen sich die relevanten Oppositionen wie folgt gegenüberstellen (BS = Beistäbe, ein ähnliches Schema bietet Loman 1965:17):
BS oben
1
r
BS Mitte
h
>1
Y
BS zwei
h
Á
Y
τ
ι
t
I
I
Wie man sieht, sind es nur die drei Runen P|> |),und fc, die nicht in das Oppositionssystem eingebunden sind; sie sind erfahrungsgemäß auch für einen Leser am schnellsten zu identifizieren. So verwundert es nicht, daß in der Praxis die Kurzzweigrunen meist nicht völlig konsequent angewendet wurden, sondern alle möglichen Mischformen auftreten; Inschriften mit reinen Kurzzweigrunen finden sich während des 9. und 10. Jhds. vor allem in Schweden und mit geringen Abweichungen auf der Isle of Man, sie sind in Dänemark im 9. Jhd. bekannt. Dort wird im Zuge einer Schriftreform gegen 900 als eine Art Kompromiß unter Ein-
Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fu]>ark
25
fiihrung einzelner Kurzzweigformen eine gut lesbare Runenreihe etabliert, die wiederum die norwegischen Schieibgewohnheiten stark beeinflußte. Läßt man die häufig anzufindenden Varianten für und wie H h h außer Betracht, wie es Johnsen 1968 tat, so haben wir insgesamt 103 Inschriften, die charakteristische Kurzzweigrunen verwenden. Zu bedenken ist dabei allerdings die Überlieferungssituation: erhalten haben sich v.a. Steininschriften, Funde auf Holz sind relativ selten; nach einer These, die v.a. von Wessén (z.B. 1957, 1969) vertreten wurde, wären die Kurzzweigrunen in erster Linie für das Schreiben auf Holz(stäbchen) entwickelt worden, für Inschriften von eher privatem Charakter, während die monumentalen, quasi offiziellen Gedenkinschriften auf Stein sich der Normalrunen bedienten. Ich glaube, daß diese These allenfalls tendenziell richtig sein kann, dennoch gilt es natürlich eine uns verlorene Überlieferung in Rechnung zu ziehen.
1.3.2 Tendenz 6: Schweden: Wegfall der Hauptstäbe Während es also spätestens seit dem Beginn des 10. Jhds. klare Tendenzen gibt, einen Teil der möglichen Ambiguitäten der Kurzzweigrunen zu vermeiden, breitet sich auf der anderen Seite vielleicht schon vom Anfang des 11. Jhds. an von der Landschaft Hälsingeland ausgehend eine noch radikaler vereinfachte Variante des FuJjark aus, die sogenannten "Hälsingerunen". Bei dieser Variante werden (außer bei , wo es keinen Beistab gibt) nur noch die Beistäbe geschrieben, diese sogar noch in reduzierter Form. Eine solche "Runen-Stenographie" setzt natürlich eine feste Schreibrichtung (Rechtsläufigkeit) und zwei begrenzende Rahmenlinien voraus, da die relative Anbringung der Zeichen zur Rahmenlinie zu einem wichtigen distinktiven Merkmal wird. Man nimmt allgemein an, daß diese Runen nur lokal begrenzt verwendet wurden, vor allem im täglichen Gebrauch für praktische Bedürfhisse wie Rechtsaufzeichnungen u.a. (Düwel 1983:54; von Friesen 1933: 163f); auf Steininschriften finden sie sich nur im schwedischen Randgebiet der Runenüberlieferung, im nördlichen Hälsingland und in der Provinz Medelpad, daneben zeigen in Södermanland vier Steine eine Nebeninschrift mit diesen Hälsinge-Runen, die Kupferdose von Sigtuna beweist, daß sie auch in Uppland zumindest bekannt waren. Für ihre Entstehung machte bereits von Friesen 1933 eine zunehmende Schriftlichkeit und Schriftbedarf verantwortlich: "Den svenska (hälsinge-)runraden är säkerligen icke resultatet av ett genialt infiali utan nâgot större praktisk intresse bakom. Tvärtom torde man böra i den se ett utslag av det ökade behov av skrift som gjort sig gällande i det genom de lângvariga och intensivaförbindelsernamed Europa under vikingatiden alltmer europeiserade Norden. [...] Vi förstär ocksä, att de icke av ett tillfalligt infall framsprungit ur sitt grundlag, den svensk-norska runraden, utan äro frukten av en under lângvarigt och ffîtigt bruk av runskriften vunnen djupgâende fortrogenhet med denna och skärpt blick för hennes väsens betydelsefìillaste element: bistavarnas riktning och läge i skriftraden. - De svenska runorna har sä-
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
lunda med säkerhet icke framgâtt ur runornas bruk pâ minnesvârdarna." (von Friesen 1933:163f). Die Runenreihe der Hälsingerunen hat üblicherweise folgende Formen: f u J > A r k h n i a s t b m l R \
1.3.3 Tendenz 7: Dänemark: Gut lesbares Normalalphabet Während also aller Wahrscheinlichkeit nach in Schweden schon bald nach der Entstehung des Jüngeren FuJjark dieses weiter umgeformt und in erster Linie den Bedürfnissen der Schreiber angepaßt wurde, wurde in Dänemark das gemeinnordische Jüngere Fujaark, das unter 1.2.1 beschriebene Helnaes/Sparlösa-FuJjark, als Norm für ungefähr 150 Jahre unverändert beibehalten; die Zahl der Steininschriften aus dieser Periode ist allerdings relativ gering (vgl. Kap. 6), so daß man sogar einen Abbruch der Runentradition in Dänemark während einer gewissen Zeit vermutet hat. Neufunde beweisen aber, daß dies sicher nicht der Fall war, die Zahl der praktizierenden Runenmeister dürfte allerdings wesentlich geringer als in Schweden gewesen sein. Nach 800 wurden die Varianten der Kurzzweigrunen auch auf dänischem Gebiet bekannt, wie nicht nur die in Haithabu gefundenen Inschriften mit reinen Kurzzweigrunen aus der Mitte des 9. Jhds. beweisen; eine gewisse Unsicherheit bezüglich der zu verwendenden Varianten dokumentieren vielleicht die dänischen Inschriften mit Mischformen, für die von einigen auch ausländische Schreiber angenommen wurden (so etwa für den Stein von Laurbjerg oder für Gunderup 2). Dafür besteht m.E. kein Anlaß. Aber als Konsequenz aus diesem Neben- und vielleicht auch einem gewissen Durcheinander resultierte dann um ca. 900 eine Schriftreform, die ein für einen langen Zeitraum gültiges System etablierte. Das Fumarie, das die Inschriften von G0rlev 1 und Malt als komplette Runenreihe in identischer Form präsentieren (auf G0rlev 1 zusätzlich mit dem aussagekräftigen iak sata runa rit versehen), wurde von allen dänischen Runenmeistern zunächst ohne weitere Veränderungen übernommen. Das neue Schreibsystem folgt dem Prinzip, daß jede Rune nur einen Hauptstab haben solle, daher werden statt H und M die Varianten der Kurzzweigrunen 3fc und f übernommen, die Ersetzung von s|c = /a/ durch f ist dann eine logische Konsequenz. Die Extremformen der Kurzzweigrunen für und 1 und | werden dagegen ebensowenig übernommen wie \ für . Das Ergebnis ist eine bei allen De-
Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fufiark
27
fiziten oder Ambiguitäten doch relativ leserfreundliche Runenreihe mit folgendem Aussehen:
r
η
\>
t
f
u
t)
A
k r
Y
*
k
h
η
1 i
X
s
a
s
Τ & t b
t m
r
λ
1
R
Der einzige Wandel, von dem dieses System zunächst betroffen ist, erfolgt bei der Rune deren Beistäbe im Laufe des 10. Jhds. in der Mitte ansetzen, was die Form ergibt. Die Phonem-Graphem-Beziehungen in diesem System sind zunächst theoretisch wie folgt geregelt:
/y/
Ν
/u/
1 η /e/
/0/
loi
/¡e/
Λ?/ X
[a]
[ä]
I
Zur Bezeichnung von neun Vokalphonemen (plus das zusätzliche Allophon des nasalen [ä]) stehen also nur vier verschiedene Runenzeichen zur Verfügung, eine Situation, die offenbar von einigen Runenmeistern als unbefriedigend empfunden wurde; zudem war wohl gerade bei der Bezeichnung der Umlautprodukte nicht klar geregelt, welche Rune sie bezeichnen sollte - der Anwendungsbereich von I, Π , X und ^ konnte sich vermutlich überlappen. So sind alle weiteren Veränderungen als der Versuch zu beurteilen, eine bessere Phonem-Graphem-Beziehung zu ermöglichen, was z.B. durch Punktierungen, aber auch durch Formdifferenzierungen ermöglicht werden sollte. Eine erste Tendenz in diese Richtung sehe ich im Aufkommen von digraphischen Schreibungen für die Umlautphoneme /ae/ und /q/, die in Dänemark etwa ab der Mitte des 10. Jhds., nach der Durchführung der ostnordischen Monophthongierung, zu beobachten ist, wie Nielsen 1960 m.E. überzeugend gezeigt hat: Ganz im Einklang mit der Analyse, zu der der Verfasser
28
Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
des 1. Grammatischen Traktats etwa 200 Jahre später gelangen sollte, wenn er seinen Landsleuten zur Bezeichnung der Umlautprodukte Ligaturen vorschlägt, die den Öffhungsgrad der Vokale berücksichtigen, schreiben einige Runenmeister relativ konsequent für /ae/ die Runenfolge -ÏI und für IqI (bisweilen auch für l0l) die Runenfolge f[i· Belege für diese Praxis sind etwa tanmaurk auf dem größeren Jelling-Stein (vs. z.B. tanmarku auf dem Stein von Skivum), der Name upinkaur z.B. auf G0rlev 1 ,faupur auf Glemminge und vielleicht Malt, kaurua z.B. auf Jelling 2, baistr auf Skivum und S ae dinge, u.a. mehr. Digraphische Schreibungen finden sich dann später auch auf schwedischen und norwegischen Runensteinen, sie stehen nicht nur zur Bezeichnung der Umlautprodukte, sondern auch für die monophthongierten ehemaligen Diphthonge /ai/ und /au/, was eine genaue Analyse der "orthographischen" Prinzipien jeder einzelnen Inschrift erfordert. Während einer gewissen Zeit arbeiten also einige Runenmeister mit folgenden Zuordnungen:
Ν
lyl
1 Id
Μ
η 10/
loi
j-n
/ae/
/a/ Für Id finden sich die Schreibungen )( | und |, etwa in stain vs. stin. Oft ist nicht einmal innerhalb einer einzelnen Inschrift Konsequenz zu finden; so wurde von einer wachsenden Zahl von Schreib- und Lesekundigen, von der man spätestens seit der Mitte des 10. Jhds. ausgehen darf, nach anderen Verbesserungsmöglichkeiten für die unbefriedigende Phonem-Graphem-Beziehung gesucht man fand sie in der Differenzierung durch Punktierung einzelner Runen. 1.3.4 Tendenz 8: Dänemark: Differenzierung durch Punktierung Gegen Ende des 10. Jhds. entdeckte man eine bessere Methode, bestimmte Lautwerte auch graphisch zu unterscheiden als die ambige Bezeichnung durch Digraphen: durch Punktierung war es theoretisch möglich, zu jedem Runenzeichen ein Pendant zu schaffen, das dann eindeutig ein Phonem bezeichnen konnte. Es dau-
29
Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fu)>ark
erte allerdings etwa 200 Jahre, bis von dieser Möglichkeit in der Praxis tatsächlich Gebrauch gemacht wurde, und nach 1200 ein vollständig punktiertes Runen-"A1phabet" entwickelt wurde. Zunächst beschränkte man sich auf drei Runen, die abgewandelt wurden, zwei für Vokalzeichen und ein Konsonantzeichen: | = ,} = ; Π = , pi = ; Y = , f = . Im Bereich der oberen Vokale bestanden die meisten Homographien, so daß aus heutiger Sicht gerade dort eine Differenzierung durch Punktierung am wünschenswertesten erscheint; hier wurde sie auch zuerst verwendet; für k/g ist sie zwar gleichfalls früh belegt, aber deutlich weniger häufig angewendet als für i/e und u/y. Für die Vokale ergeben sich damit folgende neue Zuordnungsmöglichkeiten:
Ν
1
ty!
lui
Ii η
lei
\
lati
orulf, ein Gefolgsmann Svens, den Stein für seinen Fahrtgenossen Erik errichtete, der Schiffsführer und ein vornehmer Krieger war und bei der Belagerung von Haithabu starb. Man kann also annehmen, daß beide Inschriften aus
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
dem gleichen Anlaß, einer Belagerung von Haithabu, bei der Skarju und Erik fielen, errichtet wurden. Vieles spricht dafür, sie an die Rückeroberung Haithabus durch die Dänen im Jahre 982/983 anzuknüpfen, aber es wurde auch die Auffassung vertreten, es handle sich um die Belagerung Haithabus durch den norwegischen König Harald harñráSi, der 1051 Haithabu eroberte und plünderte und bald darauf vom Dänen Sven Estridsson wieder vertrieben wurde (Jacobsen 1935). Beide Steine verwenden punktierte Runen für und , Haddeby 1 in eftiR, erik, trekiaR und tregR (neben den Schreibungen rispi, stin, suins und filaga), Haddeby 3 in uestr und himpiga (neben suin und stiri); interessant ist ferner, daß Haddeby 1 den Ortsnamen als haipabu wiedergibt, Haddeby 3 dagegen hipabu schreibt. Es wäre noch genauer zu untersuchen, ob einige Runenmeister dazu tendierten, mit der punktierten e-Rune das offenere /ae/ zu schreiben, das geschlossenere Id < /ai/ dagegen weiterhin mit der i-Rune zu bezeichnen (erik auf Haddeby 1 wäre dann eine Inkonsequenz, haipabu vielleicht eine ältere, digraphische Schreibweise), wie Nielsen 1960 nahegelegt hat. Weitere frühe Belege für punktierte Runen finden sich auf den in DR als Ârhus 4 und 6 bezeichneten Runensteinen: Ârhus 4 schreibt felaka oder felaga (ob Y oder Y steht, ist nicht entscheidbar, DR Sp. 103), Ârhus 6 verwendet die punktierte e-Rune in frebiurn, eftiR und mest, er hat außerdem eine ganz seltene Form einer doppelt punktierten m-Rune f . Die punktierten Runen wurden insgesamt gesehen keineswegs konsequent verwendet; diese Möglichkeit zur Differenzierung war wohl weitgehend bekannt, viele Runenschreiber behielten aber dennoch die traditionellen Formen bei. Im 11. Jhd. finden punktierte Runen auch in Schweden und Norwegen Verbreitung, allerdings auch dort ohne daß sie konsequent verwendet würden; einzelne Runenmeister, wie z.B. Asmundr Kárason, schreiben in keiner ihrer vielen Inschriften punktierte Runen (Thompson 1975). Am meisten verbreitet ist auch hier } für /e, je/, seltener findet sich p) und Y für /y, 0/ und /g/. Lagman 1990 verzeichnet in seiner Untersuchung der punktierten Runen in wikingzeitlichen Runeninschriften Schwedens 1327 Fälle von { gegen 278 Fällen von pi und 209 Fällen von Y; trotz der individuellen Variationen in der Anwendung dieser Runen läßt sich statistisch doch eine klare Tendenz feststellen, punktierte Runen v.a. dann zu verwenden, wenn Laute bezeichnet werden sollen, die artikulatorisch relativ weit entfernt vom Grundlautwert der unpunktierten Rune waren. So wird z.B. Y sehr viel häufiger für frikatives /g/ geschrieben als für den Verschlußlaut, p) steht häufiger für /0/ als für/y/. "Utgâr man ifrân att stingningen användes för att markera ett ljudvärde som ristarna fann det angeläget att markera i förhällande tili andra ljud den ostungna runan künde stâ för samt att de "skrev som det lät", mäste man konstatera att bruket av de stungna runorna i stört sett är konsekvent." (Lagman 1990:153). Lagman kann außerdem zeigen, daß der Gebrauch der punktierten Runen in den verschiedenen schwedischen Landschaften stark variiert, was auf dialektale
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Unterschiede oder auf die oben angesprochenen individuellen Schreibungen zurückgeführt werden kann. Als Datierungskriterium eignen sich dagegen punktierte Runen nach seinen Ergebnissen kaum: sie sind wohl etwas weniger frequent in Inschriften vom Beginn des 11. Jhds. als in späteren, aus der 2. Hälfte des 11. und dem 12. Jhd. (das Verhältnis für Västergötland beträgt etwa 30% zu 70%), aber diese Tendenz ermöglicht keinesfalls eine sichere chronologische Aussage über eine individuelle Inschrift; allenfalls könnten die regionalen Unterschiede chronologisch begründet werden: "lâg frekvens av stingningar i en trakt kan innebära att dar förekommer mânga relativi gamia inskiifter." (Lagman 1990: 154). Etwa in die gleiche Zeit fallen noch zwei weitere wichtige Veränderungen, die das System des Jüngeren Fufiark in Schweden und Norwegen stark beeinflußten, und die neue Möglichkeiten zur Bezeichnung von Vokalphonemen brachten.
1.3.5 Tendenz 9: Die Wandlungen > loi und X > lyl Die ursprüngliche arcsKÄ-Rune des Älteren FuJ>ark die sich in ihrer Form zu Ii gewandelt hatte, bezeichnete wegen ihres Runennamens in vielen Inschriften nasales [ä], wurde aber keineswegs konsequent in dieser Funktion verwendet; ungefähr in der Mitte des 11. Jhds. entwickelte sich nun der Name der Rune lautgesetzlich zu oss (Wessén 1970:31), und aufgrund des akrostichischen Prinzips, daß eine Rune für den Lautwert steht, mit dem ihr Runenname beginnt, konnte sie danach zur Bezeichnung von loi verwendet werden. Während man also vor dem Wandel beispielsweise für and "Seele" schrieb, steht nach dem Wandel etwa in mopir oder in bro für loi, wo man vor dem Wandel fl zu schreiben pflegte. Wo und wann dieser Wandel erfolgt ist, ist ebenso schwer wie wichtig zu bestimmen, da er eines der wenigen Datierungskriterien darstellen könnte. In Schweden setzt man ihn seit Hildebrand 1878 auf etwa 1040 an, was ausschließlich auf dem Argument der sog. Ingvar-Steine beruht: diese Gruppe von ca. 40 Steinen23 hauptsächlich im Gebiet um den Mälaren sind für die Teilnehmer einer Expedition nach Särkland errichtet, die von dem Häuptling Yngvarr inn viflfçrli angeführt wurde. Über den Zug berichtet eine im Stile der Fornaldasögur geschriebene relativ junge Saga, die Yngvars saga viöfQrla, derzufolge Yngvarr im Jahre 1041 gestorben sein soll. "En pá er Yngvarr andadist, var liflit frá burfl Jesú Kristi MXL ok einn vetr. I>á var hann hálff>rítugr, er hann dó." Die Haupthandschrift A ergänzt die Angabe, Ingvarr sei neun Jahre nach dem Fall König Olafs des Heiligen gestorben, das ältere Fragment Β gibt dagegen elf Jahre an; der Unterschied ist vielleicht auf eine einfache Fehllesung (ix statt χi) zurückzuführen; unter dem Jahre 1041 bieten zwei isländische Annalensammlungen den Eintrag dáinn Yngvarr inn vidfçrli (Königsannalen und Lagmans-Annalen), die Annalen im Flateyjarbók haben Wessén 1960:30ff listet 25 Ingvar-Steine auf, doch hat sich deren Zahl durch Neufunde inzwischen erhöht.
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andaöz Yngvarr vidfçrli, leider besteht aber der begründete Verdacht, daß die Angaben in den Annalen auf die Saga zurückgehen, also keinen eigenständigen Aussagewert besitzen. Die Saga zerfallt in zwei Hauptteile, deren erster über Ingvars Fahrt berichtet, im zweiten erlebt Ingvars Sohn Sveinn ebenso phantastische wie frei erfundene Abenteuer. Aber auch der erste Teil kann keinesfalls als historisch zuverlässig gelten: "Enligt sagan skulle endast ett enda av de 30 skeppen ha kommit fram tili Gârdarike, varifrân sedan Ingvars vän islänningen Garöa-Ketill skulle ha âtervänt tili Sverige med budskapet om Ingvars och de andras död. Därifrän skulle sedan Ketill ha farit hem till Island och bosatt sig dar och först ha berättat om sina upplevelser och ingvars den vittfarnes saga. Detta är en typisk isländsk fiktion, icke minst karakteristisk för de fantastiska lögnsagorna. Man uppger en sagesman, som själv skulle ha varit med och upplevt händelserna och frân vilken traditionen ytterst härledes. Men även om sâlunda Garöa-Ketill är en helt och hâllet uppfiinnen figur - närmast hämtad frân Eymundar |>áttr Hringssonar i Flateyjarbók -, sâ kvarstâr dock själva kärnan i traditionen: att företaget hade slutat illa med de fiesta deltagarnas undergâng och död. Den tragiska utgângen är utan tvivel ett traditionsarv i den isländska sagan, och denna bekräftar sâlunda det samlade intryck, som inskriftema ger. Men mycket mer än detta torde sagaförfattaren icke ha känt tili, och han har därför varit tvungen att öka ut det magra stoffet med kända motiv i lögnsagans stil för att fâ till stând en berättelse, som kunde roa och underhâlla." (Wessén 1960: 32f). Dennoch glaubt z.B. Wessén, daß die Jahresangabe für Ingvars Tod in der Saga zuverlässig sei. Wenn man nun akzeptiert, daß dies so sein könne, dann erhält man unter bestimmten Voraussetzungen ein Datierungskriterium: Anzunehmen wäre, daß der Ingvarr der Steine und der der Saga wirklich identisch wären, daß die Nachricht über die Katastrophe relativ schnell nach Schweden sich verbreitet hat, und daß die Gedenksteine dann ziemlich bald nach der Botschaft für die gestorbenen Männer errichtet worden wären. Die Ingvar-Steine zeigen in ihrer Verwendung der o-Rune (noch) keine Konsequenz, sie steht manchmal für nasaliertes [ä], manchmal schon für loi, wobei die Datenbasis aber sehr schmal ist24; wenn nun die Rune (5 während einer gewissen Übergangszeit für verschiedene Lautwerte geschrieben werden konnte, dann würden die Ingvar-Steine genau dieses Stadium repräsentieren, und Inschriften, die nur für loi schrieben, wären nach 1040 einzuordnen, solche, die sie für andere Lautwerte schreiben, dagegen vor diesem Datum. Daraus ergibt sich dann aber ein Datierungsdilemma, auf das hier nur andeutungsweise eingegangen weden soll: Der Runenmeister Asmundr Kárason verwendet die Rune \¡ nie für loi, er hat auch offenbar keinen der Ingvar-Steine angefertigt, das Ende seiner Tätigkeit wird daher üblicherweise vor 1040 angesetzt, 24
Der einzige Beleg für loi findet sich laut Thompson 1975:153 auf U 1143 Tierps kyrka, "no longer readable", auch von Williams 1990:136 als "mycket osäker" eingestuft; von Thompson übersehen wurden allerdings die beiden Belege auf Sdm 254 mit tosta und t>orstain, vgl. Williams 1990:133.
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oder spätestens 1050; da er andererseits mindestens zwei Steine ausführte für Männer, die von dem Tribut Anteil erhielten, den Knut 1015-16 in England erhob, und mit dem er die 1018 in die Heimat entlassenen Männer bezahlte, erhalten wir einen terminus post quem für seine Tätigkeit. Stilhistorisch stellen Asmunds Steine wie generell diejenigen, die für England-Fahrer errichtet wurden, aber eine jüngere Stufe dar als die Ornamentik, die sich auf den Ingvar-Steinen findet: "Om man skall räkna med en normal och fortskridande stilut-veckling, borde Ingvarstenarna vara äldre än Àsmund, icke tvärtom." (Wessén 1960:39). Wessén sieht das Dilemma, bietet aber ebensowenig wie von Friesen 1933 eine überzeugende Erklärung dafür. Dieses Problem bedarf also noch einer Klärung; in der Frage nach Ingvars Todesjahr wurden die Angabe der Saga als unzuverlässig bewertet (Lindqvist 1968, Thulin 1975, Thompson 1975, Shepard 1984), die Vorschläge für eine Neudatierung reichen von 1010 bis 1060. Bei einer frühen Datierung der Ingvar-Steine (aufgrund der Ornamentik!) wären sie ungefähr zeitgleich mit denen der EnglandFahrer, das stilhistorische Dilemma ließe sich dadurch auflösen. Aber alle Indizien außerhalb der Saga sind so unsicher, daß keiner der Vorschläge wirklich überzeugen kann. Unbestreitbar aber setzt sich der Gebrauch der Rune für loi seit der Mitte des 11. Jhds. in Schweden weitgehend durch, wenn auch sicher danach noch mit traditionellen Schreibungen, regionalen und individuellen Unterschieden zu rechnen ist. Williams 1990 hat in einer gründlichen Studie über die Äs-Rune m.E. allerdings überzeugend gezeigt, daß sie als einziges Datierungskriterium für eine bestimmte Inschrift nicht geeignet ist: Inschriften, die die Âsrune für lël schreiben, verwenden in 8 Fällen die (älteren) Verbformen es/vas, in 7 Fällen die (jüngeren) Formen er/var, in den Inschriften, die die Rune für loi schreiben, stehen in 9 Fällen es/vas gegen 15x er/vas. Es gibt also eine gewisse Tendenz für lai in älteren und loi in jüngeren Inschriften, aber keinesfalls eine eindeutige Verteilung. Auch genealogische Argumente ergeben kein klares Bild: die am selben Ort stehenden Steine Sdm 137 und 138 nennen beide den wohl identischen Mann Öpir, der Sdm 137 für seine Frau errichten ließ, auf Sdm 138 wird ein "Erbe Öpirs" genannt, die Inschrift dürfte also jünger als Sdm 137 sein; Sdm 137 schreibt die Âsrune für die Präposition ά, Sdm 138 verwendet sie dagegen im Wort bropur, die Verteilung ist hier also so, wie man sie erwarten würde. Genau umgekehrt verhält es sich jedoch bei dem Steinpaar Upl 844 und 845 (zweiterer bis auf ein Bruchstück verloren): der ältere Stein Upl 844 verwendet die Âsrune im (nur in Bautils Holzschnitt lesbaren) Namen porsteinn, der jüngere Upl 845 schreibt sie dagegen für /a/. Als Fazit ergibt sich: "Genom att studerà genealogiskt relaterade inskrifter, vars kronologiska ordningsföljd lâter sig fastställas nâgorlunda objektivt, har det visat sig att àsrunans växlande ljudvärde inte är nàgot användbart dateringsmedel. Inte heller urunans ljudvärde kan brukas som kronologiskt instrument." (Williams 1990: 147). Nach den Ergebnissen von Williams scheint die Verwendung der Rune für gerundeten oder ungerundeten Vokal in erster Linie von individuellen Faktoren
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abzuhängen (die einzelnen Runenmeister schreiben sie konsequent entweder für lai oder für Ιοί) bzw. von geographischen Faktoren (die Inschriften mit inkonsequenten Schreibungen verteilen sich auf ein regional begrenztes Gebiet, das sich (fast) nicht mit dem Gebiet der /o/-Schreibungen überschneidet). Mit dem Argument, die Äs-Rune könne in Inschriften auf der Insel Man schon um das Jahr 1000 für loi stehen, hatte bereits Lindqvist 1931 dieses Datierungskriterium in Frage gestellt; seine Beobachtung ist richtig, allerdings läßt sich bei den Inschriften auf der Insel Man und einigen aus Norwegen eine Entwicklung in der Phonem-Graphem-Zuweisung beobachten: Die frühen Inschriften von Man schreiben zunächst |s für [ä], Π für /u/ und loi, für /ρ/ dagegen häufig Digraphen -ΪΠ» etwa auf Andreas Π {tona, krus vs. arinbiaurk (ca. 940; Johnsen 1968: 223), |>ono, krus, biaurn auf Braddan ΠΙ (ca. 980-90; Johnsen 1968:229), J)on, krus, £urbiaurn auf Marown (ca. 980-90; Johnsen 1968:235). Ein Steinfragment von Cunningsburgh auf Shetland zeigt in ffcjmr und J)Pirbi|trn den gleichen Stand. Nach 1000 steht dagegen auf dem Steinfragment von Braddan Π (s im Namen hr|tskitil bereits für loi. In Norwegen zeigt der Stein von Njaerheim Π um 1000 (Johnsen 1968:191) für /ç/ in bi|irn, Tanberg und Dynna schreiben für loi fi» Galteland und Bygland sind die beiden einzigen Steininschriften Norwegens, die für [ä] und loi schreiben, also vielleicht eine ähnliche Übergangsphase markieren wie die Ingvar-Steine in Schweden; alle anderen norwegischen Inschriften verwenden |t für loi. Dieser Befund könnte darauf hindeuten, daß die Entwicklung vielleicht auf Man oder in Norwegen begann, und sich dann nach Schweden und Dänemark ausbreitete - die Annahme hängt allerdings von der Datierung der Ingvar-Steine ab, und die ist - wie oben dargelegt höchst fraglich. Vermutlich ebenfalls in Norwegen begann eine zweite Entwicklung, die unter dem Einfluß des Runennamens zu einem neuen Vokalgraphem führte: da dort im 10. Jhd. (wie auch später in den anderen skand. Sprachen) die beiden Allophone [r, R] phonetisch nicht mehr unterschieden wurden, wie Schreibungen mit R statt X^ und umgekehrt beweisen, wurde die R-Rune zur Uminterpretation frei. Da ihr Runenname yR> yr mit lyl anlautete, wurde sie in Norwegen ab ca. 1000 für diesen Lautwert lyl geschrieben, eine Praxis, die sich nach Dänemark und Schweden verbreitete, und die im 12. und 13. Jhd. zur festen Regel wurde. Mit diesen beiden Veränderungen ergibt sich folgende idealtypische PhonemGraphem-Beziehung ab etwa der Mitte des 11. Jhds.:
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Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fufiark
¥
IM
Id
I
À
Π
10/
Zu/
loi
luti (II) (fc m
IQ/
lai X Während in Dänemark zur Bezeichnung von /e, ac/ die e-Rune punktiert wurde, erfanden (vermutlich) schwedische Runenmeister während einer gewissen Zeit eine andere Möglichkeit, diese Laute zu bezeichnen: nach dem Zusammenfall der beiden r-Laute war auch hier die Rune ^ zur Uminterpretation freigegeben, und da ihr Runenname vielleicht neben dem für Norwegen anzusetzenden yr auch elgr < *algiz gewesen sein könnte (so Br0ndum-Nielsen 1950:58, DR Sp. 952), wurde sie auf mehreren Inschriften vor allem aus Västergötland und Uppland zur Bezeichnung von /e, asi verwendet (was dann Schreibungen wie z.B. l ^ t = lét oder /l^ftiR = œftiR ergibt). Dieser Runenname ist allerdings nur aus dem altengl. Runenlied belegt (als eolhx, noch dazu für den Lautwert /ks/), während das Abecedarium Nordmannicum, das norwegische und das isländische Runengedicht als Runennamen yr angibt, im Codex Leidensis als ir geschrieben. Dieser Name entspricht eoh im altengl. Runenlied als Name der Rune der Eibenrune; man kann also annehmen, daß im skand. Raum nach dem Aussterben der Eibenrune deren Name auf die R-Rune übertragen wurde (vielleicht um gerade diesen wichtigen Begriffswert der ehemaligen 13. Rune zu erhalten, wie Klingenberg 1973 argumentiert). Diese Meinung vertraten bereits Bugge in NIaeR I: 133ff, von Friesen 1933:150 u.a., wenn sie als wikingzeitlichen Runennamen yr < *íwaR, ir, ér < *íhaR ansetzen. Damit hätte man zugleich eine Erklärung dafür, daß einige Runensteine aus Uppland^ auch für Ii/, etwa in i r f ¿ k ¿ = eerfingi, verwenden: der Anwendungsbereich der i-Rune und der R-Rune überschneiden sich, und so konnte es zu einer Umverteilung kommen. Wahrscheinlich von Schweden aus beeinflußt sind die drei dänischen Inschriften, die ebenfalls die Rune ^ für eLaute verwenden (DR Sp. 952; S0nder Vissing stellt dabei ein chronologisches Problem dar). Insgesamt gesehen bleibt aber diese orthographische Regelung lokal und wohl auch zeitlich begrenzt, v.a. auch deshalb, weil X, auch weiterhin traditionell für Iti geschrieben wurde; die Regelungen } = /e, ae/ und = lyl setzen sich Mitte oder Ende des 11. Jhds. auch in Schweden durch.
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Schriftgeschichtliche Entwicklungen der Runenreihen
1.3.6 Tendenz 10: Differenzierung durch Varianten Durch das ursprüngliche Nebeneinander von Kurzzweigrunen und Normalrunen gab es trotz der etwa in Dänemark wirksamen Normierungstendenzen etliche Schreibvarianten für einzelne Runen, so z.B. für J( \ für ^ für loi % Is. Diese werden im Laufe des 12. Jhds. dazu verwendet, neue GraphemPhonem-Beziehungen zu etablieren, indem man die Formen mit beidseitigen Beistäben zur Bezeichnung der Umlautprodukte verwendet; f steht also für /ae/, jf für /0, ç/ 2 5 , die halbseitigen Varianten bezeichnen dagegen /a/ und loi. Der früheste Beleg für diese Regelung könnte sich auf einem Knochenstück von Trondheim, das auf ca. 1100 zu datieren ist, finden; aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 12. Jhds. stammt die berühmte Inschrift von Maeshowe XVIII auf den Orkneys, dessen Text pisar ruñar in Zweigrunen dann im Klartext folgt:
m μ ύμ
knnk κ rxm n n f l
w
rist sa majjr er runstr er fyrir uaestan haf Er verwendet also (außer in runstr) bereits die neue Regelung, was vielleicht seine nicht unbescheidene Behauptung, der runenkundigste Mann des Westmeeres zu sein, rechtfertigt. Man hat jedenfalls danach die Möglichkeit, alle Vokalphoneme mit eigenen Runen zu schreiben mittels eines Systems, wie es auch die meisten der Runeninschriften aus Bergen im 13. Jhd. zeigen: r/
1
/e/ /ae/
¥
λ
10/
Κ
/a/
Ί
Μ
η
loi
h
X
Noch weiter gehende Differenzierungen lassen sich aus einigen der anderen Inschriften aus Maeshowe ableiten, wie Barnes 1989 wahrscheinlich gemacht hat: Hier wird offenbar nicht nur zwischen \ und % unterschieden, sondern es findet sich auch - wie in einigen norwegischen Inschriften (Vinje 1, Strandebarm 2, Bergen 249b) - jf, das normalerweise als Allograph zu ¡f fungiert, und mehrere Male auch ^ mit drei Beistäben (Maeshowe Nr. ΧΙΠ und XVI). Letzteres steht eindeutig für /0/ und /0:/, % und \ könnten somit die Distinktion zwischen loi, lo:l und /Ol, ld:l repräsentieren. Aus diesen und anderen Indizien schließt Barnes, daß Isländer an der Ausführung der Inschriften von Maeshowe zumindest beteiligt gewesen seien, und er erwägt ferner Einflüsse aus der Lateinschrift auf die Runen-"ortho"graphie, was sehr gut möglich sein kann.
Ich möchte hier offenlassen, ob /ç/ noch als Phonem Bestandteil des Systems war oder bereits Phonemzusammenfall mit /0/ anzunehmen ist.
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Entwicklungen innerhalb des Jüngeren Fu()ark
Einige dieser Neuerungen wurden jedenfalls auf Island bekannt: im Dritten Grammatischen Traktat überliefert uns Olafr Hvítaskáld eine Fufiark-Reihe, die folgendes Aussehen hat:
r η • h fc Y * h H 'h î & Y Γ λ
χ
f u t> o r k h η i a s/z t b m l y
ae ρ
fi
* ι 0 ey
Ob er diese Runen nun wirklich vom dänischen König Waldemar gelernt hat, oder ob es sich um die angeblich von {¡oroddr rúnameistari als nationales Alphabet geschaffenen Formen handelt, spielt eigentlich keine Rolle (beides ist unwahrscheinlich). Es liegt dieser Runenreihe jedenfalls das 16-typige Jüngere Fujsark zugrunde, das Erweiterungen zur Bezeichnung der Vokalphoneme erfahren hat, bei den Konsonanten jedoch keine Differenzierung vorgenommen hat; , , und zeigen dabei die üblichen Formen der mittelalterlichen Runenreihen, interessant ist das Fehlen einer punktierten Rune f für /e/ und auch der offensichtliche Einfluß der Lateinschrift in der Binderune -¡Π, die laut ôlafr für /au/ und /Q/ steht, und damit der vom Verfasser des Ersten Grammatikalischen Traktats empfohlenen Praxis der Handschriften entspricht (auch ¡f = = /0/ zeigt die Regelung des Ersten Grammatikers und der frühesten isländischen Handschriften). Diesen Veränderungen im Bereich der Phonem-Graphem-Zuordnung bei den Vokalen folgte ziemlich bald unter dem Einfluß der Lateinschrift eine Differenzierung vorwiegend mittels Punktierung bei den Runen, die Konsonanten bezeichneten.
1.3.7 Tendenz 11: Auffüllung der Runenreihe zur Alphabetreihe Bereits seit ca. 1000 gab es die relativ selten genutzte Möglichkeit, durch Punktierung von Y eine Rune für , Υ, zu schreiben; Ende des 12. Jhds. wird Punktierung dann auch für weitere Konsonanten eingeführt, wodurch man Runen für /p/ /d/1 und sogar (allerdings selten) [3] |) erhält. Die entscheidende Veränderung, die vielleicht unter König Waldemar (1202-1241) von Dänemark erfolgte, war aber die Änderung der Reihenfolge, die während eines Zeitraums von über 1000 Jahren innerhalb des FuJjark im Wesentlichen stabil geblieben war: die FU{J ark-Reihenfolge wird durch die des lateinischen Alphabets ersetzt, die typisch skandinavischen Sonderzeichen mit Ausnahme von , d> rücken wie in der Lateinschrift an das Ende des Alphabets. Mit geringfügigen Varianten verbreiten sich über fast ganz Skandinavien ab 1200 die folgenden Formen:
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a b o d e f/v g h
η
ι
i/jklmnopq
rs
t J)/3 u/w y ζ ae 0
t \r r* \ r i m i r i c i
>
ni'N
Varianten zeigen eigentlich nur die Runen für mit 1 und
mit einer Form, die einem latein. Κ ähnelt und bisweilen punktiert sein kann: K|C wie etwa auf dem 1980 gefundenen Runenholz von Schleswig (vgl. Düwel 1987, 1989). Diese Variante ergibt nach Spurkland demn. ein relativ präzises Datierungskriterium für die jüngsten Runeninschriften: Das Bergener Runenmaterial, das ja ziemlich genau datiert ist, zeigt in Inschriften vor 1198 für /p/ nur in der Periode von 1198 bis 1332 findet sich | neben K> während in dem Material nach 1332 nur noch die Rune Κ für /p/ geschrieben wird. Spurkland führt diesen orthographischen Wandel darauf zurück, daß bei Î 1 und Y Y die punktierten Runen jeweils für die stimmhaften Phoneme standen, während dies Verhältnis bei | & genau umgekehrt war; konsequenterweise wurde die neue, unpunktierte Rune Κ für /p/ gebildet als Vereinfachung zu R, einige Inschriften verwendeten dann sogar | für Ibi. Bis ins 14. Jhd. läßt sich also eine kritische Auseinandersetzung der Runenbenutzer mit ihrem Schriftsystem beobachten. Größere Abweichungen von diesem Normaltyp zeigt lediglich das auf Gotland während des 13. Jhds. gebräuchliche Runenalphabet, das für spezifisch gotländische Allophone weitere Punktierungen durchführt: a b c d e f / v g h i/j K I L m
ί&'ΪΙ
n N o p q g r s t
]D/8 U R y Ζ
r r * ι rrrYi>wn'i'fcSîl·
πιη1
Im gotländischen Runenkalender von 1328 sind dann die meisten Runen bereits die des normalen skandinavischen Runenalphabets. In den folgenden Jahrhunderten geraten die Runen als Schriftsystem allmählich außer Gebrauch, in den Inschriften verdrängen sukzessive Lateinbuchstaben einzelne Runen. Als Endpunkt der Entwicklung werden im allgemeinen die sogenannten dalekarlischen Runen angesehen, die in der schwedischen Provinz Dalarna noch im 16.-18. Jhd. im Gebrauch waren; hier sind nur noch etwa die Hälfte der Zeichen als Runen anzusprechen, der Rest ist lateinisch. Die noch später entstandenen "Runeninschriften" werden dann meist als Fälschungen (Musterbeispiel Kensington-Stein) bezeichnet.
Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften 2.1 Datierungskriterien "Daß auch die archäologischen Resultate für den Sprachforscher bei der bestimmung des gegenseitigen altersverhältnisses der runeninschriften von großer bedeutung sind, versteht sich von selbst; aber diese ergebnisse sind bekanntlich leider noch höchst unzulänglich, wenn es sich um die festsetzung bestimmter jahreszahlen für die einzelnen funde handelt. Für den Sprachforscher können die bestimmungen der archäologie daher nur als kontrole der resultate dienen, zu denen er auf anderem wege (durch sprachliche und paläographische beobachtungen) gelangen musste, und wo Sprachforschung und archäologie mit einander in streit geraten, kann sich die erstere nicht vor der letzteren beugen, wofern diese nicht im stände ist, durch gewichtige gründe zu überzeugen." (Wimmer 1887:301). "Wir stehen hier an den unüberschreitbaren Grenzen der archäologischen Datierungsmöglichkeiten nach Fundkombinationen wie nach typologischen und stilistischen Kriterien. Angesichts dieser Begrenzheit der Möglichkeiten machen eigentlich bei der Auswertung dieser Denkmäler ein paar Jahrzehnte mehr oder weniger keinen großen Unterschied. Im Vergleich zu den Datierungsmöglichkeiten schriftlicher Überlieferung werden diese Tatsachen noch immer schockieren." (Bakka 1973:84). Für die Datierung der urnordischen Runeninschriften, der Inschriften, die im 24-typigen Älteren Fu|>ark geschrieben sind, gibt es drei Hauptkriterien, die allen zeitlichen Einordnungen implizit oder explizit zugrundeliegen: a) archäologische Datierungen, d.h. Inschriften auf archäologisch datierbaren Inschriftenträgern; b) Typologie der Runenformen und Vorstellungen über deren sukzessiver Entwicklung; c) sprachgeschichtliche Kriterien, v.a. in der späturnordischen Zeit. Krause 1971:16f etwa nennt als Datierungsmöglichkeiten archäologische Ergebnisse, die für einige Inschriften eine relative Chronologie ermöglichen, daneben sind die Brakteateninschriften als Gruppe ungefähr zeitlich einzuordnen und bilden aufgrund sprachlicher Kriterien eine wichtige chronologische Grenzzone, die es ermöglicht, zwischen früh- und späturnordischen Inschriften zu unterscheiden. "Schließlich wird eine gewisse relative Datierung der Runeninschriften durch das Auftreten gewisser 'empfindlicher' Runen, wie vor allem für k, j, R, s, e, ng, ermöglicht" (Krause 1971:17).
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
Archäologische Ergebnisse bildeten zu allen Zeiten in der Geschichte der Runologie die Grundlage für die zeitliche Ansetzung einzelner Inschriften wie für die ganzer Gruppen von Inschriften. Dabei bestand und besteht natürlich eine große Abhängigkeit von der aktuellen Fundlage; diese führte z.B. im 19. Jhd. dazu, daß das Runenhorn von Gallehus von P.A. Munch 1847 ins 1. Jhd., von J. Grimm 1848 ins 5.-7. Jhd. datiert wurde. Erst die Moorfunde von Thorsberg, Nydam, Kragehul und Vi zwischen 1863 und 1869 brachten Inschriften auf Gegenständen, die eine frühe Datierung unterstützten. Das Grundproblem zeigt etwa Wimmers Zeitansatz für die Inschriften im Älteren Fumarie in "Runeskriftens Oprindelse" von 1874: ca. 250 bis ca. 600, - und seine geänderte Meinung in der erweiterten Version "Die Runenschrift" von 1887: "ungef. 400 bis ungef. 600 (625)" (S. 207); 1874 war er den Datierungen des Archäologen Engelhardt: Thorsberg ca. 250, Kragehul ca. 500 gefolgt, 1887 lehnt er diese unter Hinweis auf J.J.A. Worsaae und S. Müller (S. lf) ab: "Daß diese Inschriften [= Thorsberg und Kragehul - Th.B.] durch einen Zeitraum von 250 jähren geschieden sein sollten, würde auf unlösbare sprachliche und paläographische Schwierigkeiten stossen; diese verschwinden dagegen, wenn wir den Thorsbjaerger fund höchstens 100 jähre vor den Kragehuler setzen." (1887:302. Auf der vorangehenden Seite findet sich das oben gegebene Zitat über das grundsätzliche Verhältnis zwischen Archäologie und Runologie). Das Problem ist eigentlich ein mehrfaches: 1) Eine auf den Sprach- und/oder Runenformen basierte Chronologie ist immer eine relative; welche zeitlichen Abstände man für aufeinanderfolgende Entwicklungen ansetzt, wird immer eine subjektive Entscheidung bleiben. Eine neue Runenform kann sich (theoretisch) innerhalb eines oder innerhalb von 100 Jahren in ganz Skandinavien durchgesetzt haben. Ein Sprachwandel kann schneller oder langsamer ablaufen, er kann in bestimmten Dialektgebieten früher oder später eintreten, er kann früher oder später (oder gar nicht) in der Orthographie berücksichtigt sein. In jedem Fall kommen wir aufgrund schriftlicher Quellen immer nur zu einem relativen terminus ante quem. Alles Weitere sind Schlußfolgerungen oder gar nur Vermutungen. 2) Runologen tendieren dazu, archäologische Datierungen als absolute zu betrachten (vgl. die recht literaturtypische Angabe: "Laut brieflicher Auskunft des Archäologen XY kann dieser Kamm auf 650 datiert werden."). Tatsächlich sind aber (fast) alle archäologischen Daten im Grunde nur das Ergebnis eines (sicher wohlfundierten) relativen chronologischen Gerüstes, das auf Annahmen über die Geschwindigkeit von bestimmten Entwicklungsprozessen beruht. Dabei können verschiedene Archäologen durchaus zu verschiedenen Ergebnissen gelangen, bisweilen ohne daß die dafür entscheidenden Kriterien angegeben würden. So setzte etwa Lindqvist 1941 den Übergang von der Völkerwanderungs- zur Vendelzeit auf ungefähr 500 an, Nerman 1947:111 auf ca. 550, für Âberg 1953 tritt
Datierungskriterien
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dieser Übergang ca. 600 ein. Ein bestimmter Inschriftenträger kann so je nach Periodengerüst ein Jhd. älter oder jünger klassifiziert sein. 3) Das nächste Problem besteht dann darin, wie archäologische Befunde und runologische Kriterien miteinander in Beziehung zu setzen sind. Gesetzt, ein Schmuckgegenstand mit einer Runeninschrift sei archäologisch datierbar (mit den üblichen 25 Jahren Marge), so ist damit über die Datierung der Inschrift noch keinerlei Aussage möglich1. Ich gebe ein gar nicht so unrealistisches Rechenexempel: Ein Schmuckstück, das als isolierter Fund vermutlich einem nicht näher zu lokalisierenden Grab entstammt, kann aufgrund seiner Form und Ornamentik auf ca. 525 datiert werden. Das heißt, er könnte auch schon um oder kurz nach 500 entstanden oder importiert worden, und die Inschrift bei der Herstellung angebracht worden sein; dann hätten wir mit Runen von ca. 500 zu rechnen. Der Schmuck kann aber auch zur Geburt eines Mädchens im Jahre 520 bestellt und hergestellt worden sein und zu ihrer Hochzeit von ihrem zukünftigen Gemahl mit einer (z.B. Liebes-) Inschrift versehen worden sein; dann wären die Runen auf ca. 540 zu datieren. Der Schmuck kann einer jungen Frau geschenkt worden sein (510 oder 540?) und ihr dann im Alter, mit einer (Grab-)Inschrift versehen als Beigabe ins Grab gelegt worden sein; die Runen können dann von 560 bis 590 stammen. 2 Aber warum könnte der Schmuck nicht auch ein altes Familienstück sein, von Mutter auf Tochter vererbt und dieser dann (jung oder alt verstorben) mit einer Inschrift ins Grab beigelegt worden sein? In diesem Fall könnte die Inschrift durchaus auch erst im Jahre 620 entstanden sein, aber auch - bei gleicher Ausgangslage - aus dem Jahre 560 (500 + 40 + 20) stammen. So sind Spekulationen Tür und Tor geöffnet, die Inschrift wird zur Interpretation freigegeben, und auf dieser basieren dann Aussagen wie vielleicht: "Erste Anzeichen der Synkope finden wir auf XY um 525" oder "XY beweist, daß um 600 noch Reste der Reduplikation beim Verb im Nordischen existierten". Die Möglichkeit, daß ein vielleicht beschädigtes Schmuckstück auch Jahrzehnte später von jedem Goldschmied nach seinem Duplikat (wenn es sich etwa um ein Fibelpaar handelt) neu angefertigt werden konnte, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. 4) Ganz schlimm wäre der - hier nur als theoretisch möglich postulierte - Fall, in dem ein Runologe eine Inschrift A aufgrund der Datierung eines Archäologen A mit einem dieser Datierung zugrundeliegenden chronologischen System A und eine Inschrift Β aufgrund der Datierung eines Archäologen Β mit einem dieser Datierung zugrundeliegenden chronologischen System Β ohne Erwähnung dieser Grundlagen zueinander in Beziehung setzt und daraus weitreichende Schlußfolgerungen zieht. Ein damit vergleichbarer Fehlschluß scheint mir den Angaben bei Br0ndum-Nielsen 1950-1973 zugrundezuliegen, wenn er in Bd. 1 seiner Grammatik schreibt: "Ord, der bruges tryksvagt i Saetningen (eller som staar med SemiGrundsätzlich über das Problem: Grabkombination - individueller Fundgegenstand handelt Steuer 1977, allerdings ohne Berücksichtigung möglicher Inschriften auf diesen Trägern. So argumentiert z.B. Gr0nvik 1987a:32 für die Spange von Fonnàs.
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fortis som andet Sammensaetningsled) har tidligere Synkope end Ord med Fortis: til got. Praep. ana paa svarer urn. an Tjurkö c. 550." (1950:194, §122 A2); im zweiten Band dagegen:"I Indlyd findes h endnu bevaret i urnordiske Former ... men Former uden h forekommer i Tilfaelde som -sba < *spahu- Spaadom Björketorp, wurte (jf· worahto Einang) Tjurkö (7. Aarh.) osv." ( 3 1968:62, §273,1). In beiden Fällen handelt es sich um ein und denselben Inschriftenträger, den Brakteat von Tjurkö (nach heute maßgeblicher Datierung zwischen 500 und 525). Ich lege im folgenden Rechenschaft über das dieser Arbeit zugrundeliegende archäologische Periodengerüst ab und über dessen Basierung. Im Weiteren diskutiere ich die (wenigen) Inschriften der hier behandelten Periode, für die archäologische Datierungen überhaupt möglich erscheinen. Das allgemein akzeptierte archäologische Periodengeriist etabliert zwischen Christi Geburt als fiktivem Datum und ca. 800 drei Hauptabschnitte, die für Skandinavien als 1) Römische Kaiserzeit, 2) Völkerwanderungszeit (0rsnes 1966: Ältere germanische Eisenzeit) und 3) Vendelzeit (0rsnes 1966: Jüngere germanische Eisenzeit) bezeichnet werden. Dem entsprechen für Mitteleuropa die Perioden 1) Römische Kaiserzeit oder Provinzialrömische Zeit, 2) Völkerwanderungszeit und 3) Merowingerzeit (vgl. etwa das Schema nach Milojçiç in Eggers 31986:192). Alle diese Perioden werden aufgrund unterschiedlicher Kriterien in verschiedene Stufen aufgeteilt (vgl. etwa grundlegend den Artikel "Chronologie" in RGA 4:607-674).
2.2 Römische Kaiserzeit Für die Römische Kaiserzeit resultiert eine Stufengliederung so gut wie ausschließlich aus Grabfunden, d.h. in erster Linie aus Schmuck wie Fibeln oder Gürtelschnallen (grundlegend Almgren 1897, Nerman 1935). Eine zweite wichtige Gruppe von Leitfunden waren Importgegenstände (Norling-Christensen 1940, Ekholm 1943, Lund Hansen 1987), v.a. Bronzegefäße, für die Jüngere Römische Kaiserzeit auch die Terra Sigillata = römisches Gebrauchsgeschirr aus Ton mit eingestempelter Werkstattbezeichnung (Bernhard 1981). Als Fixpunkte für eine absolute Datierung dienen die Funde aus dem im Jahr 79 n.Chr. zerstörten Pompeji und die Funde aus den zu unterschiedlichen Zeiten bewohnten Limes-Kastellen; so zeigt z.B. das Kastell Haltern, das 41 n.Chr. gegründet und 83 n.Chr. zerstört wurde, Funde vom Typ Β1 und B2 innerhalb des Systems von Eggers 1955, so daß man den Übergang zwischen diesen beiden Stufen auf die Zeit ca. 50-60 n.Chr. datieren kann. Noch heute kann das von Eggers 1955 entwickelte Chronologiesystem als gültig angesehen werden, die nach ihm entwickelten Systeme sind im Grunde genommen nur Korrekturen oder weitere Verfeinerungen seiner Chronologie (Lund Hansen 1988:21). Danach kann unterschieden werden zwischen einer älteren Stufe, die Eggers als Β bezeichnet, und einer jüngeren Stufe C, beide mit weiteren
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Untergruppen. Das Ende dieser Periode bildet den Übergang zur Völkerwanderungszeit. In absoluten Zahlen stellt sich das System von Eggers wie folgt dar (im Vergleich dazu daneben gestellt das Ergebnis von Lund Hansen 1987, bei der die Verlängerung der Phase Cl nach Raddatz 1957 und die Unterteilung in eine Phase Cla und Clb nach Brandt 1960 Berücksichtigung finden): Eggers
Lund Hansen ca 400
350-375 C3
C3
300
310-320 C2 C2
250-260 C lb
200
210-220
C1
C la
150
150-160
Β2
Β2 70
50
Β lb 40 Β1
Chr.Geb.
Β la Chr.Geb.
Es gilt natürlich zu berücksichtigen, daß alle Periodenübergänge eigentlich gleitende Prozesse darstellen, daß die materielle Kultur und die Grabsitten sich normalerweise ebensowenig wie gesellschaftliche Strukturen über Nacht (oder von Jahr zu Jahr) ändern; so kann man entweder sich überlappende Phasen annehmen (wie sie in Kombinationsdiagrammen deutlich werden, also z.B. eine Phase B2/Cla, die Lund Hansen 1987 ansetzt, oder eine Phase C3/D1 bei Reich-
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
stein 1975 und 1977), oder aber man wählt ein besonders charakteristisches Merkmal und definiert damit (willkürlich) eine neue Phase/Periode (so etwa Bakka 1973 und 1977). Der Übergang von der Älteren zur Jüngeren Römischen Kaiserzeit, also von Phase Β zu C ist so z.B. definiert durch das Aufkommen von Fibeln mit hohem Nadelhalter. Eine einigermaßen sichere Basis für absolute Datierungen ergibt sich nur aus Münzfunden in Gräbern und aus der Terra Sigillata; als Eggers sein System publizierte, gab es für die Phase Cl insgesamt vier Münzen (Schlußmünze Lucius Veras 161-169), für C2 16 Münzen (Schlußmünze Probus 276-282), für die Phase C3 lediglich eine Münze des Flavius Julius Constans 337-350 - zu münzdatierten Gräbern und dem prinzipiellen Problem kurze/lange Chronologie vgl. unten 2.1.2 (zum Childerich-Grab). Es gilt ferner wie für die Periodisierung der Merowingerzeit auch bei den Grabfunden der Kaiserzeit zu beachten, ob innerhalb eines bestimmten Chronologie-Systems die Gräber/die Grablegung datiert werden sollen (z.B. anhand des Münzspiegels bei Werner 1935) oder ob eine Datierung der Funde bzw. der Fundkombinationen angestrebt wird (etwa bei Böhner 1958; vgl. dazu Steuer 1977: 382ff). Der Übergang von Älterer zu Jüngerer Römischer Kaiserzeit ist etwa im Zeitraum 150-160 n.Chr. anzusetzen, also vor dem Ausbruch der MarkomannenKriege (166/67-180), die Phase Clb beginnt nach dem Ausweis der Terra Sigillata und Münzfunde kaum vor ca. 210/ 220 n.Chr. (Lund Hansen 1988:24f). In diese Phase Clb, die ca. 250 n.Chr. endet, gehört ein Teil der großen Mooropferfunde in Thorsberg, Illerap und Vi in Jütland und auf Fünen, die einen bedeutenden Teil der frühesten Runeninschriften bereitstellen (davon allein in Illerap zur Zeit neun Objekte, die eine Runeninschrift tragen, aus Vimose inzwischen sechs). Alle Runenfunde in Illerap stammen aus dem Areal 2, also aus einer einheitlichen Niederlegung vom Ufer des Sees aus zusammen mit den Waffen und anderen Gegenständen von ca. 200 Kriegern (über 100 Schwerter und 225 Denaren mit einer Schlußmünze des Commodus von 187/188) innerhalb dieses Areals 3 ; zwischen ihnen und dem Hauptteil des Vimose-Fundes (der in Clb gesetzt wird) besteht ein enger Zusammenhang, wie u.a. identische Typen von Lanzenblättern beweisen (Ilkjaer/L0nstrup 1981:53ff; Ilkjaer 1990 verzeichnet vorläufig 612 Speere und 735 Lanzen für das gesamte Fundgebiet von Illerap), so daß auch diese Runenfunde zunächst der Phase Clb zugeordnet werden müssen. Noch klarer ist dieser Zusammenhang, seit bekannt ist, daß ein Lanzenblatt von Vi eine In der neuesten und umfangreichsten Publikation zu den Lanzen und Speeren aus Illerup von Ilkjaer 1990 werden statt der älteren, vom ersten Ausgräber in Illerup, Harald Andersen, vorgeschlagenen und seither beibehaltenen Terminologie, die von den Plätzen 1-3 und dem sog. Jüngeren Platz spricht, vier Deponierungen Α-D unterschieden. Danach entspricht Platz 3 der Deponierung A, Platz 2 Deponierung B, Platz 1 Deponierung C und der Jüngere Platz Deponierung D; die Plätze 2 und 3, die für die Runenfunde von Bedeutung sind (Deponierungen A und B), sind dabei die ältesten, sie werden weiterhin in Clb angesetzt. Die Funde von Platz 1 = Deponierung C gehören dagegen an den Beginn der Periode D, d.h. in die Zeit um oder kurz vor 400 (Ilkjaer 1990:26).
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neuentdeckte Runeninschrift aufweist (wagnijo), die identisch ist mit der Inschrift auf zwei Lanzenblättern aus Illerup, dort einmal geritzt, einmal jedoch mit einem Stempel aufgepreßt, was für eine größere Produktion spricht (zur Inschrift vgl. Stoklund 1985 und 1986). Bei Thorsberg erstreckt sich der Zeitraum der Niederlegung von ca. 100 n.Chr. bis gegen 500 n.Chr., die Runenfunde werden aufgrund der Inschriftenträger auf ca. 200 datiert. Für unsere Vorstellungen über die Runenformen der frühesten Zeit der Überlieferung sind diese Funde von entscheidender Bedeutung. Zu den Illerup-Funden rechnen im Moment der 1976 gefundene Schildbeschlag 1 mit der Inschrift swart/a, wohl ein Männername; 1980 wurden die beiden Lanzenblätter gefunden, deren Inschrift heute als wagnijo gelesen wird, mit einer j-Rune in voller Zeilenhöhe und der gespiegelten (oder ursprünglichen?) Variante f für w; der 1981 gefundene Hobel zeigt die Inschrift afila??? mit einer k-Rune in der Form Λ, wie sie auch die neugefundene (1991) Silberschnalle von Pforzen bietet, die allerdings gute 300 Jahre jünger ist; 1983 wurden die beiden Schildbeschläge 2 + 3 gefunden, 2 mit der Inschrift ni|>ijo ta wide (f ψ Π)' also eine Herstellerinschrift, 3 mit dem Text lagu{>ewa, wohl ein Männername, bei dem das auslautende /R/ nicht geschrieben ist (f ψ / \ ) ; 1986 fand sich ein Ortband mit der Inschrift firha oder fírua, die als undeutbar gilt (Stoklund 1992:258: "virker som indskriftimitation, snarere end som meningsgivende indskrift"); schließlich stammen aus dem Jahre 1992 zwei Neufunde, erstens ein Feuerzeugholz mit der Inschrift gau]>R, wohl ein Männername unter Auslassung einer Rune für den Endsilbenvokal (die Inschrift macht einen sehr flüchtigen Eindruck, was diese Annahme nahelegt), und zweitens ein Hornbeschlag mit zwei Inschriften, einmal fu??R und dann fra, für die eine Interpretation unmöglich erscheint. Alles dies sind Funde aus Illerup; als weiterer Neufund aus dieser Periode oder etwas jünger ist ein Eisenmesser von M0llegärd/Fünen zu verbuchen, das zusammen mit u.a. einer in Clb oder C2 datierten Lanzenspitze gefunden wurde und die folgenden Runen zeigt: NÎN bei der vorletzten Rune könnte es sich um ein krumm geratenes i handeln, oder um ein k mit voller Zeilenhöhe, was dann aber der einzige Beleg aus so früher Zeit wäre. "Indskriften kan med den staerke overvaegt af konsonanter naeppe vaere sprogligt meningsgivende, men meget vel have haft et magisk formâl eller vaeret en form for ejer- eller mestermaerkning af kniven." (Stoklund 1992:259). Es kann inzwischen als gesichert gelten, daß es sich bei diesen Opferungen um die Waffen einer gegnerischen Armee handelt, die von den Einheimischen nach siegreicher Schlacht, z.T. unbrauchbar gemacht, im Moor/See versenkt wurden. Dies gilt jedenfalls für die Funde des 2.-4. Jhds., für die früheren Phasen in Thorsberg denkt Jankuhn 1979:23f an "Jahresopfer einer friedlichen bäuerlichen Bevölkerung". Auch im Falle eines der beiden Nydam-Boote spricht das Material - Kiefern gab es zu dieser Zeit in Dänemark nicht - für ein Siegesopfer nach der Abwehr einer Seeinvasion, für Illerup dachten die Ausgräber an Angreifer aus dem Gebiet zwischen dem Oslo-Fjord und Hailand (Ilkjaer/L0nstrup 1981:61), in
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Archäologische Grundlagen und diefrühestenRuneninschriften
erster Linie aufgrund der Typologie der Kämme aus Elchholz und aufgrund der Feuerzeuge; für Thorsberg und Nydam sprechen ein Teil der niedergelegten Bronzefibeln sowie die aus römischem Import stammenden Schildbuckel für Invasoren aus dem Bereich der Weser-Rhein-Germanen. Das würde dann aber bedeuten, daß die frühen, in Dänemark gefundenen Runeninschriften aus völlig unterschiedlichen Dialektgebieten der Germania stammen würden, die Merup-Funde doch jedenfalls nordgermanisch wären. Und: wenn die Inschriften von den Invasoren angebracht wurden, dann stammen nur die Inschriften auf den frühen Fibeln wirklich aus Dänemark, alle anderen wären Importstücke. Das bisher gültige Bild einer frühen Konzentration der Runentradition im Gebiet des heutigen Dänemark müßte völlig revidiert werden! Allerdings gilt es dabei jeden einzelnen Fund gesondert zu betrachten: so haben etwa Ilkjaer/L0nstrup 1981:58 wahrscheinlich gemacht, daß etwa der Schildbuckel von Thorsberg vor der Versenkung im Moor absichtlich zerstört wurde; andererseits gibt es Indizien dafür, daß die Inschrift erst nach der Deformierung angebracht wurde, also von den Einheimischen/dem siegreichen Heer - was neue Interpretationsmöglichkeiten auch für den Text ergibt. unter den gegebenen Umständen hat der Vorschlag von Düwel 1992:348f viel für sich, aisgR h als Ais(i)g(a)z/R oder Ais(in)g(a)z/R "der Wütende, der Rasende" auf den Gott zu beziehen, dem die Opferstätte geweiht war (dabei an Odin zu denken, ist sehr naheliegend) und h als Begriffsrune für "Hagel, Verderben" anzunehmen. Ein besonderes Problem stellen die zahllosen Schwerter dar, die in den Mooren deponiert wurden; von den Schwertern aus Dlerup Areal 2 tragen mehr als die Hälfte Stempelmarkierungen, die sie als Importe aus dem römischen Bereich erweisen. Die Frage ist, wie diese und die anderen große Mengen von Schwertern in das Gebiet der Germanen gelangt sein können, trotz der kriegerischen Umstände. Bei einem Teil davon kann es sich natürlich um Kriegsbeute der Germanen gehandelt haben, andere mögen Geschenke an befreundete Germanenhäuptlinge gewesen sein; außerdem gab es sicherlich eine große Zahl von Germanen, die im römischen Heer gedient hatten und mit ihren Waffen in den germanischen Bereich zurückgekehrt sein könnten. Vor allem aus dieser Gruppe (sei es ein einzelnes Individuum oder mehrere) könnte man sich dann wohl die Impulsgeber für das Aufkommen der Runenschrift in Skandinavien vorstellen. "Ingen af disse tolkninger kan imidlertid forklare forekomsten af de hundredtusinder af fabriksnye romerske svaerd i Skandinavien, BRD, DDR samt delvis ogsâ i Polen. Der mâ have fundet en regulaer export af svaerd sted pâ trods af gentagne romerske forbud mod at forsyne rigets fjender med väben"(L0nstrup 1988:96). Exportverbote für Waffen aus dem römischen in den germanischen Bereich sind zwar erst seit dem 5. Jhd. belegt, es gibt aber Indizien dafür auch aus den vorangehenden Jahrhunderten; die Herstellung von Schwertern war monopolisiert für den Gebrauch in der römischen Armee. Dennoch glauben v.a. skandinavische Archäologen, daß der überwiegende Teil der römischen Schwerter auf dem Handelswege, d.h. vermutlich auf dem Schwarzmarkt, in den germanischen Bereich gekommen sein
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muß, wofür auch die über 200 römischen Münzen, die in Illerup gefunden wurden, und die Münzen aus Thorsberg ein Indiz sein könnten. In diesem Fall stellt sich dann aber die Frage nach den Händlern (nach Ausweis der spärlichen Quellen wohl nur Römer?) und nach den Abnehmern, da Schwarzmarkt auch immer Schwarzmarktpreise bedeutet. Man müßte schon für eine frühe Zeit eine wohlhabende germanische Oberschicht annehmen, die sich auch durch andere Importwaren in reichen Häuptlingsgräbern dokumentiert (etwa in Hoby oder Himling0je), und die diese Schwerter dann weiter verteilt hätten; Schwerter würden dann zugleich den Hauptexportartikel der Römer nach Skandinavien darstellen. Auch bei den Beschlägen der Schwertscheiden handelt es sich zu Beginn der Jüngeren Kaiserzeit um Importe, später wurden diese ebenso wie die Schwertgriffe offenbar von Germanen hergestellt, während die Klingen weiterhin importiert wurden. Natürlich könnten auch die Germanen theoretisch gelernt haben wie man Schwerter produziert, oder es wären auch römische Handwerker im germanischen Raum denkbar; sehr viele der Schwerter weisen aber Damaszierung auf, was das wichtigste Argument für ihren Import darstellt. Dann hätten die Germanen später also nur die Klingen importiert? Figürliche Metalleinlagen auf Schwertklingen, etwa die Gestalt einer Viktoria oder eines Mars, erweisen einen Teil der Schwerter als Import (z.B. das Schwert von Jevnaker/Norwegen), doch zeigen andere Schwerter Depravieningen dieser Figuren, die an die Formen auf Brakteaten erinnern und deshalb doch wohl germanische Nachbildungen sein könnten (z.B. ein Schwert von Nydam, vgl. Ulbert 1974, der sich allerdings für römische Herstellung, gegen germanische Imitation, auch in diesen Fällen ausspricht). Die Frage bleibt am Schluß, wieso man so viele (teuer importierte?) Schwerter, die doch einen gewissen Wert darstellten, nach einer gewonnenen Schlacht einfach im Moor versenkte, und wieso ein Germane eine römische Schwertklinge mit römischem Stempel tragen konnte, auf sein Lanzenblatt sich dagegen eine Runeninschrift aufstempeln bzw. einritzen ließ? Und schließlich die für die Dialekteinordnung entscheidende Frage: Wurden die Runeninschriften auf den Mooropfer-Waffen von den Invasoren angebracht oder erst nach dem - glücklichen - Ausgang der Schlacht von den Einheimischen? Auf alle diese Fragen, die für die Einordnung der frühesten Runeninschriften doch von großer Bedeutung sind, läßt sich - soweit ich sehe - im Moment noch keine schlüssige Antwort geben. Außer den Mooropferfunden und einigen anderen Waffenteilen mit Runeninschriften (deren sprachliche Zuordnung aber unsicher ist, da die Lesung ihrer Inschrift kontrovers ist4) aus dem 3. Jhd. gehören in die Phase C l b noch einige Inschriften auf nordischen Fibeln aus reich ausgestatteten Frauengräbern, darunter die Spangen von Himling0je Π (...widuhudaR) und Vaerl0se (alugod) auf Seeland, die Spange von Naesbjerg (?arafiiis1) in Südjütland, die Spange von N0v-
Etwa bei dem Lanzenblatt von Kowel oder bei dem Speerblatt von Rozwadów.
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ling (bidawarijaRtalgidai) 5 in Nordjütland (alle vier sog. Rosettfibeln) und die Bügelfibel von Gärdlösa (ekunwodR?) aus Skâne, sowie die erst 1988 gefundene Rosettfibel von Udby auf Seeland mit der Inschrift talgida (5 Trennpunkte übereinander) omal (linksläufig), die also sprachliche Bezüge zu N0vling aufweist und die von Gr0nvik 1990a+b zunächst als 'telgjeren, tilvirkeren av spenner, spennemakeren', dann als 'Innrisseren er Lamo (den vanf0re (kvinne))' interpretiert wurde; Stoklund 1991 spricht sich für eine finite Verbform talgida aus und für den Text: "Lamo ritzte (die Runen)", wobei sie die Frage offen läßt, ob in talgida eine genuine Prät.-Form vorliegt oder eine Verschreibung für talgdai wie auf N0vling. In Clb-C2 gehört die Bügelfibel von Himling0je 1 (hariso). Bei allen diesen Runenfunden stellt sich das oben dargelegte Problem von Inschriften auf Schmuckstücken als Grabbeilagen, d.h. je nach angenommener Situation ergibt sich für die Anbringung der Inschrift ein Spielraum von mindestens 100 Jahren. Datiert man ausgehend vom Inschriftenträger, muß man sich bewußt sein, daß diese Datierung eine typologische ist, also auf einer relativen Chronologie basiert;6 zieht man zur Datierung die übrigen Grabbeigaben heran, lassen sich u.U. absolute Fixpunkte ermitteln, aber selbst dann bleibt die Frage nach der Geschichte der Fibel und ihrer Inschrift vor ihrer Deponierung im Grab: "nur bei Naesbjerg scheint es angemessen zu sein, wegen der Tremoliertechnik die Inschrift mit dem Hersteller der Spange in Verbindung zu bringen. In den übrigen Fällen kann es ebenso gut die Besitzerin, der Schenker oder der/die Runenkundige sein" (Stoklund 1991:92). Für alle diese frühen Runeninschriften auf Fibeln ist also eine Datierung wie etwa bei Krause/Jankuhn 1966 "um 200 n.Chr." allenfalls als Paraphrase für "vermutlich irgendwann zwischen 200 und 300 n.Chr." korrekt. Weitere Inschriften, die sicher ins 3. Jhd. einzuordnen wären, haben wir außer der problematischen Bronzestatuette von Fr0yhov (die außer zwei a-Runen nur Gr0nvik schlägt in einem Paper zur Runentagung in Valdres 1990 vor, in den letzten beiden Runen nicht die Endung einer finiten Verbform zu sehen, sondern unter Doppellesung der vorletzten Rune eine Interjektion ai 'ach' anzunehmen: "Det hele má da tolkes slik at det er en mann, BidawarijaR, som har gitt denne gravgaven med en siste hilsen til den d0de, og med utropet ai viser han at han s0rget over den d0de. Det er enestáende at mennesklig sorg pâ denne mâten kommer direkte til syne i en runeinnskrift, og skulle slik sorg f0rst uttryckes skriftlig, kunne det ikke gj0res kortere enn her." (p.5). Diese Lösung halte ich für eher unwahrscheinlich. Die Endung -ai kann in einer 3.Sg.Prät. als irregulär gelten, da das Holzkästchen von Stenmagle und der Brakteat von Halskov als Endung -e belegen (allerdings etwa 200 Jahre später). Moltke 1985:89 erklärt die Form als einen Fehler des Goldschmiedes ("the dunderhead"), der statt M zwei Runen kopiert habe; dies ist angesichts der ältesten Form der e-Rune f | mit geradem Beistab so gut wie unmöglich, so daß die bei Krause 1971:89 gegebene Erklärung als "umgekehrte Schreibung" (bei Antonsen 1987:20 "inverse spelling"), vergleichbar den modernen dän. Orthographie wie z.B.fitld, mand für die Endung -ai auf N0vling am wahrscheinlichsten ist, aber einen Archaismus auch nicht völlig ausschließt. Zur Kritik an der noch heute meist zugrundegelegten Fibel-Chronologie von Almgren 1897 vgl. Malmer 1963:39ff.
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noch zwei nicht-runische Zeichen bietet, vgl. Krause/Jankuhn 1966:103f) bisher nicht; nach dem oben gegebenen chronologischen Schema wären also alle genannten Inschriften (mit den gerade erwähnten Schwierigkeiten) dem Zeitraum zwischen ca. 210 und 250 zuzuordnen (zu Bedenken von runologischer Seite bezüglich des Hobels von Vi vgl. unten 3.5). Die Phase C2 beginnt dann etwa um 250/260 n.Chr., also kurz vor dem Fall des Limes in den letzten Jahrzehnten des 3. Jhds.; das Castell Saalburg, das unter Domitian ca. 83 n.Chr. gegründet und ca. 260 n.Chr. aufgegeben wurde, ergab neben einigen B2- und Cl-Typen v.a. C2-Funde, weshalb Eggers zu seinem Ansatz der letzteren Phase um 200 n.Chr. kam, was von Raddatz 1957 auf ca. 250 n.Chr. korrigiert wurde und inzwischen als allgemein akzeptiert gelten kann. Das Ende der Phase C2 wird von verschiedenen Autoren zwischen 300 und 325 n.Chr. angesetzt, auf sie folgt noch eine spätkaiserzeitliche Phase C3, die etwa durch den Fund von Nyrup auf Seeland repräsentiert ist. Der Übergang von der Kaiserzeit zur Völkerwanderungszeit, der historisch durch den Hunneneinfall im Jahre 375 markiert ist, ist in Eggers Schema mit diesem gleichgesetzt; andere Autoren (etwa Lund Hansen 1987, Bakka 1973) nehmen den archäologischen Übergang um ca. 400 an, Reichstein 1975 setzt eine Übergangsphase C3/D1 an. Die Differenz hängt in erster Linie zusammen mit dem periodendefinierenden Merkmal: üblicherweise wird der Übergang mit dem Auftreten der sog. kreuzförmigen Fibeln definiert, die (früheren) Fibeln vom Typ Nydam und Dorchester als spätkaiserzeitlich angesetzt; Reichstein bezeichnet im Gegensatz dazu die Nydam-Fibeln als ältere kreuzförmige Fibeln und stellt diese und den Typ Dorchester zusammen mit den spätkaiserzeitlichen norwegischen Fibeln vom Typ Àk und Kvassheim in seine Stufe C3/D1, "um der Verzahnung der älteren kreuzförmigen Fibeln mit spätkaiserzeitlichen Formen gerecht zu werden und einer künftigen Stufengliederung mit umfassend definiertem Formenbestand nicht vorzugreifen." (Reichstein 1977:54). Die Differenz ergibt sich also i.e.L. aus einer terminologischen Frage und nicht aus den zu datierenden Gegenständen oder Gräbern. Eine Übergangsphase mag archäologisch berechtigt und kulturhistorisch realistischer sein, aber auch ein Ansatz um ca. 400 für das Ende der Römischen Kaiserzeit in Skandinavien ist sicher ebenso konsensfähig. Bei Krause/Jankuhn 1966 sind zwei Runeninschriften auf Stein ins 4. Jhd. gestellt, der Stein von Vetteland (Mitte 4. Jhd.) und der Einang-Stein (2.H. 4.Jhd.). In beiden Fällen könnten die Steine in Zusammenhang mit einem Grab oder einem Gräberfeld gestanden haben, zu beweisen ist diese Vermutung allerdings nicht. Im Falle von Vetteland fand man das eine der beiden Fragmente am Fuß einer Felskuppe, auf einer anderen ein Brandgrab mit den Resten einer völkerwanderungszeitlichen Tonurne (innerhalb des Zeitschemas von Krause/Jankuhn 1966:312 beginnt die Stufe der Völkerwanderungszeit um 350). Der EinangStein steht am ursprünglichen Platz auf einem Grabhügel, der nur Spuren von Kohle und Reste eines unbestimmbaren Eisengerätes enthielt; laut Krause/Jankuhn 1966:143 enthielten die umliegenden Gräber, die z.T. runenlose Bautasteine auf-
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
weisen, dagegen Speerspitzen, Schwerter (darunter eines mit dem römischen Fabrikstempel RANVICI), Messer und Schildbuckel vom gleichen Typ, wie sie im Moor von Nydam gefunden wurden, die also der 2. Hälfte des 4. Jhds. zugewiesen werden können. Tatsächlich wurden nur zwei der Gräber wissenschaftlich ausgegraben, der Rest der Funde wurde zufällig oder bei systematischen Plünderungen gegen Ende des letzten Jahrhunderts entdeckt; sie umfassen laut Sloman 1971:84 den Zeitraum von 325 bis 850 n.Chr., d.h. das Gräberfeld war über ein halbes Jahrtausend in Gebrauch. Das gestempelte Schwert stammt aus einem Waffengrab der Stufe C3 in einiger Entfernung vom Runenstein, in unmittelbarer Nähe fand sich aber auch ein wikingzeitliches Messer; nahe am Runenstein liegt ein Frauengrab mit frühen C3-Funden, in dessen Nachbarschaft zwei goldene Fingerringe ebenfalls aus Stufe C3, Reste eines Tongefässes aus dem 4. Jhd., aber auch zwei Lanzenblätter und ein Messer aus dem 6.-7. Jhd. und eine Spange aus dem 9. Jhd. gefunden wurden. Insgesamt überwiegen also spätkaiserzeitliche Funde, aber es gibt selbst in unmittelbarer Nähe des Runensteins wesentlich jünger datierte Gegenstände, so daß die "archäologische" Datierung des Runensteins aufgrund des Gräberfeldes als höchst unsicher zu gelten hat (ein Befund, der natürlich auch für Vetteland gilt). Auch die Inschriften ermöglichen allenfalls eine grobe Datierung: Einang bietet den ergänzten Text [ekgo]dagastiRrunofaihido "[Ich, Go]dagastiR schrieb die Rune(n)", an empfindlichen Runen findet sich nur die Ä-Rune mit den Beistäben nach oben (vor 550?); der fragmentarische Text von Vetteland: ...flagdafaikinaR ist. ..magoRminasstaina. ..daRfaihido hat diesselbe Form der R-Rune und eine k-Rune der Form < wie die anderen frühurnordischen Inschriften vor ca. 500. Wenn ist als Kopula zu interpretieren ist, wäre die Form mit erhaltenem -t als altertümlich zu bezeichnen; gleiches gilt für die in beiden Inschriften identische Form faihido 'ich malte, schrieb', die der Rö-Stein in Bohuslän als fahido (neben satido, der Stein von Gummarp hat im 6. Jhd. schon sate in der 3.Sg.) belegt dieselbe Endung der l.Sg. zeigen ferner der Stein von Tune (worahto) und das Gallehus-Horn (tawido), die beide um 400 n.Chr. angesetzt werden (zu Tune z.B. Gr0nvik 1981, zu Gallehus Klingenberg 1973:415, wo ein Zusammenhang der Inschrift und des Bildwerkes mit der totalen Sonnenfinsternis vom 16.4.413 vorgeschlagen wird). Da Rö zudem die typologisch älteste Form |~| der e-Rune zeigt, während Gallehus und Tune bereits schreiben, sollte der Rö-Stein älter als diese sein, und deshalb der Lautwandel -ai- > -a- vor -h in faihido/fahido gleichfalls vor 400 datieren. Gr0nvik 1981:42 führt an, daß diese Monophthongierung vor -h älter sein muß als die i-Apokope, die ca. 500 eintritt (Rö setzt er hier an das Ende des 5. Jhds., was m.E. zu spät ist), 1987:182 bildet die Monophthongierung einen Teil der Sprachstufe Ic seinurnordisk, die laut Gr0nvik zwischen 450 und 500 anzunehmen ist. Aufgrund der wenigen Indizien, die gerade präsentiert wurden, sollte die Monophthongierung jedoch um oder vor 400 eingetreten sein; Einang und Vetteland mit erhaltenem Diphthong müßten dann konsequenterweise ins 4. Jhd. eingestuft werden, so daß der Zeitansatz in Krause/
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Römische Kaiserzeit
Jankuhn 1966 korrekt sein könnte. Aber der ganze Argumentationszusammenhang steht und fallt mit der Beurteilung der Form der e-Rune auf dem Rö-Stein, zudem könnte in fahido dort auch schlicht eine i-Rune ausgelassen sein, so daß auch dieser runologisch gewonnene Zeitansatz als unsicher zu gelten hat. Wenn man die Prämissen jedoch akzeptiert, dann ergibt sich zusammengefaßt für die Einordnung der Inschriften: Thorsberg/Illerup:
Π als Grundform der e-Rune
Einang/Vetteland:
faihido Diphthong
vor Rö
Rö:
Π fahido Monophthong vor 400
Gallehus/Tune:
Π worahto/tawido
um 400
und daraus resultiert das ranologische Einordnungskriterium: Inschriften mit Π datieren vor 400, solche mit f] nach 400. Danach wäre das Kästchen von Garb0lle (hagiradaR-.tawide:) der Zeit vor 400 zuzuweisen, die Nebeninschrift auf dem Kylver-Stein (sueus) der Zeit um oder nach 400.
2.3 Völkerwanderungszeit Für die Völkerwanderungszeit Skandinaviens - für Mitteleuropa ist ab ca. 450/480 der Begriff Merowingerzeit oder Reihengräberkultur üblicher - steht die relative Chronologie aufgrund zahlreicher geschlossener Grabfunde auf festen Füßen. Leittypen sind i.a. besonders Gürtelschnallen und Waffen, für Skandinavien v.a. auch Fibeln und Brakteaten. Für die Festlegung von absoluten Daten haben wir die beiden Fixpunkte der Childerich-Grabes von 482 und das 1959 entdeckte Arnegunde-Grab in St. Denis von 565/70, falls es sich um die Frau Chlotars I handelt, oder von ca. 600, falls es das Grab der Frau Chlotars II ist (zu Arnegunde vgl. unten 2.1.3). Weitere wichtige Fixpunkte der Chronologie ergeben sich aufgrund von dendrochronologischen Daten: Chaouilley Grab 20: 532, Arlon Grab 10: ca. 535, Kölner Knabengrab: ca 537, Oberflacht Grab 171: ca. 555, Oberflacht Grab 125: nach 571, Krefeld-Gellep Grab 2268: ca. 589, Kammergrab von Hüfingen: ca. 606 (alle datiert anhand von Holzresten, die unmittelbar zur Grabkonstruktion gehören). Außerdem ergeben sich wichtige Datierungshinweise anhand des Münzbestandes, woraus jeweils ein Terminus post quem anzugeben ist. Das bereits 1653 in Tournay entdeckte Grab des Königs Childerich I (Vater von Chlodwig I und der eigentliche Begründer der Dynastie der Merowinger) enthielt neben zahlreichen anderen kostbaren Beigaben einen goldenen Siegelring mit der Legende "Childerici regis", der die Identifizierung des Toten mit dem bei Gregor von Tours erwähnten König ermöglichte, der zumindest zeitweise seine
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
Residenz in Tournai gehabt haben dürfte und dort wohl von seinem Sohn Chlodwig bestattet wurde. Das Grab enthielt neben anderen kostbaren Funden, die auf das römische Ostreich weisen, auch ca. 300 Münzen, darunter über 100 Goldmünzen, die in Konstantinopel geprägt sind und einen Teil einer Geldsendung aus Byzanz zur Hilfe gegen die Westgoten darstellen. Die Münzen nehmen wegen ihrer großen Zahl eine Schlüsselstellung für das methodische Problem der Münzdatierung von Gräbern ein, die von Werner 1935 für die Reihengräber Südund Westdeutschlands angewendet worden war. Münzfunde in Gräbern ergeben prinzipiell nur einen terminus post quem, der Abstand zwischen der Prägezeit der jüngsten Münze und ihrer Niederlegung im Grab muß interpoliert werden. Dabei gibt es zwei Hauptschulen: die Vertreter einer "langen" Chronologie fügen dem jüngsten durch die Funde nahegelegten Datum prinzipiell eine Pauschale von 50 bis 100 Jahren hinzu, in denen der Gegenstand oder die Münze in Benutzung/ Umlauf gewesen sein soll. Die Vertreter der "kurzen" Chronologie nehmen dagegen an, daß einzelne Gegenstände auch schon nach relativ kurzer Umlaufzeit in die Erde gelangt sein können. Ein weiteres Problem liegt in der Tatsache, daß dies Intervall zwischen der Prägung einer Münze und ihrer Niederlegung von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort erheblich variieren könnte. Der Abnützungsgrad einer Münze kann eine gewisse Information darstellen - aber dann stellt sich meist auch noch das Problem der kleinen Zahl: So wurde im sogenannten Ottarshügel bei Vendei eine Goldmünze des Basiliskos (476-477) gefunden, die stark abgenützt und mit einem Loch zum Aufhängen versehen war. Die Datierung des Grabes schwankt zwischen 500 (Lindqvist 1936, 1949), ca. 520 (Nerman 1925) und ca. 620 (Âberg 1947, 1949)! Das Childerich-Grab zeigt nun folgende zwei Fakten: 1) ein Grab kann u.U. sehr alte Gegenstände enthalten: eine Silbermünze aus der römischen Republik war über 500 Jahre alt. 2) Das jüngste Stück kann dem Bestattungsjahr sehr nahe kommen, fast zeit-identisch sein: das Grab enthielt 18 Goldmünzen des Kaisers Zenon (474-491), 57 Goldmünzen des Leo (457-474), 8 Münzen des Marcian (450-457) und 2 Münzen des Valentian ΙΠ (424-455). Zeitgenössische Münzen machen also in diesem Fall die Hauptmasse der Grabbeigaben aus und favorisieren damit klar eine "kurze" Chronologie. Aber können wir wissen, ob das Grab eines fränkischen Königs am Ende des 5. Jhds. auch für andere Zeiten, andere Gesellschaftsschichten, und andere Bereiche der Germania charakteristisch sein muß? Werner 1935 kam aufgrund der Münzfunde und Grabbeigaben zu folgender Stufengliederung der Völkerwanderungszeit/Merowingerzeit auf dem Kontinent, deren absolutchronologische Angaben u.a. durch Böhner 1958 und Ament 1977 erheblich revidiert wurden7:
Vgl. die Zusammenstellung bei Lund Hansen 1988:29; die entsprechende Übersicht im Reallexikon unter "Chronologie" ist leider fehlerhaft und dadurch irreführend!
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Völkerwanderungszeit
Werner 1935
Böhner1958
Ament 1977
1 2 3 4
450-520 520-550 550-600 600-650
Π: ΠΙ:
450/80-520 520-6Θ0
IV:
600-670/80
5
650-700
V:
670/80-720
AM 1:450/80-520 AM Π: 520-560 ΑΜΙΠ: 560-600 JM I: 600-630/40 JM Π: 630/40-670 JMffl: 670-720
Das Schema von Ament 1977 ist auch für überregionale Vergleiche gut geeignet und durch die jüngsten dendrochonologischen Daten auch in seinen absoluten Angaben gesichert. Es ermöglicht zudem einen Anschluß der historischen Daten der Merowingerzeit an die archäologischen, relativchronologischen Phasen: AM I beginnt mit der Regierung Childerichs (457-482) und umfaßt die Regierungszeit Chlodwigs I mit der Besiegung der Alemannen; der Übergang von AM I zu AM Π fallt ungefähr mit der Eroberung des Thüringerreiches (531/34) zusammen, in AM Π gehören z.B. die in Gräbern gefundenen Zangenfibeln und die Pferdebestattungen, die als thüringische Sitte gelten. Das Ende von AM Π fällt ungefähr mit der Landnahme der Langobarden in Oberitalien ab 568 und der Aufteilung des Frankenreichs (567) zusammen. Der Übergang von AM ΠΙ zu JM I ist durch die Öffnung der Alpenpässe ab 591 charakterisiert, in den Grabsitten findet sich bei Frauen der Übergang von mehreren kleineren Fibeln (Vier-Fibel-Tracht) zu einer einzigen größeren Scheibenfibel als Beigabe, während bei den Männern ab JM der sog. Breitsax dominiert und Silbertauschierungen am Gürtel neu aufkommen. Neu sind ab 600 auch lateinische Inschriften, etwa auf Gürtelschnallen. JM I endet ungefähr mit der Regierungszeit Dagoberts I (629-639), danach übt der Adel weitgehend die Macht im Reich aus. Der Übergang von JM Π zu JM ΙΠ läßt sich vielleicht an das erbliche Hausmeierrecht für die Pippiniden ab 662 und an die Schlacht von Tertiy anknüpfen, in der Pippin Π 687 die Hausmeier von Neustrien besiegt und danach allein regiert. In den Männergräbern finden sich jetzt Sporen als Beigaben, die Gürtelformen werden wieder einfacher, wie in der Zeit vor 600. Das Ende von JM ΠΙ um 720 hat seine historische Parallele in der Tatsache, daß seit 719 ein karolingischer Hausmeier in Austrien und Neustrien de facto die Oberherrschaft ausübt. Für den skandinavischen Raum hat Bakka 1958 und 1973 eine vielbeachtete relative Chronologie vorgelegt, die mir im folgenden trotz der an ihr vorgebrachten Kritik als Datierungsgrundlage dient; sie basiert im wesentlichen auf den Entwicklungsformen der Fibeln und den Brakteaten. Bakkas Chronologie erscheint mir aus mehreren Gründen für diese Arbeit besser geeignet als andere, konkurrierende Einteilungen: sie berücksichtigt die Konsequenzen aus den Neudatierungen der Münzen im Grab von Sutton Hoo und der Neufunde von Köln und St. Denis; sie setzt den Übergang zwischen Völkerwan-
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
derungszeit und Vendelzeit auf ca. 575, was ein Kompromiß gegenüber dem älteren Ansatz ca. 600 und dem extrem frühen 560 (etwa bei Arrhenius 1983) darstellt, womit sich ein nahtloser Anschluß an das System von 0rsnes 1966 für die Vendelzeit ermöglicht. Schließlich beruhen die meisten Datierungen von Gr0nvik 1987a auf Angaben von Bakka, wenngleich er diese z.T. in seinem Sinne interpretiert. Um meine eigenen Datierungen mit denen Gr0nviks direkt vergleichbar zu machen, bot es sich an, ebenfalls Bakkas System zu übernehmen. Eine Einteilung des nordischen Fibelmaterials hatte schon Nissen Meyer 1935 geleistet, kreuzförmige Fibeln dienen auch Reichstein 1977 als Leitfunde für die Stufengliederung der späten Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit, "weil mit diesen Fibeln chronologisch empfindliche Formen zur Verfügung stehen, die ein weites Verbreitungsgebiet besitzen." (Reichstein 1977:53). Sie bieten deshalb auch die Möglichkeit, zu Synchronismen zwischen dem Kontinent, England und Skandinavien zu gelangen. Bakka gliedert nun die nordische Völkerwanderungszeit in vier relativchronologische Stufen, die jeweils eindeutig durch ein bestimmtes Anfangskriterium definiert sind; Überschneidungen sind nicht vorgesehen. Stufe I beginnt mit dem Erscheinen der kreuzförmigen Fibeln, die mit Reichsteins Typ Dorchester einsetzen;8 die Stufe entspricht Nissen Meyers Stadium 1 und am ehesten dem Sösdala-Stil. Stufe Π beginnt mit den jüngeren kreuzförmigen Fibeln, von Reichstein dem Typ Perdöhl und Groß Siemß zugeordnet; sie entspricht Nissen Meyers Stadium 2 und der Phase des Nydamstils. In dieser Stufe setzt auch der Beginn der Brakteatenüberlieferung ein. Stufe ΠΙ beginnt mit den ersten Relieffibeln mit Planfuß und rechteckiger Kopfplatte. In dieser Phase beginnt der Tierstil I, in sie gehören auch die späten oder jüngsten kreuzförmigen Fibeln. Der Beginn der Stufe IV schließlich ist festgelegt mit dem Anfang der D-Brakteaten, sie endet mit dem Beginn von Tierstil Π, dem Beginn der Phase I von 0rsnes 1966. In seiner Untersuchung von 1973 kommt Bakka zu dem Ergebnis, daß typologisch und stilistisch frühe Fibeln mit typologisch und stilistisch frühen Brakteaten zusammen vorkommen und ebenso jüngere Fibeln mit jüngeren Brakteaten; dies gilt jedenfalls für die Gräber, die Hortfunde sind chronologisch wesentlich uneinheitlicher. Durch einen Vergleich des Tierkörpers auf dem allgemein als früh eingestuften C-Brakteaten von Fünen I (DR 42, Krause/Jankuhn 1966:255 Nr. 119, von Mackeprang 1952 dem Ende seiner Periode 1 zugeordnet) mit der Fibel von Gummersmark kommt er (1973:73) zu dem Ergebnis, daß beide gleichzeitig sein müssen, und daß sie an den Anfang der Stufe ΠΙ gehören. Diese beiden dänischen Funde synchronisiert Bakka dann mit dem C-Brakteaten im sehr frühen Tierstil I und der Fibel aus dem norwegischen Grab von Tveitane, die in Nissen Meyers Fibelstadium 3 gehört; er kann dadurch den Anfang der Stufe ΠΙ mit dem Fibelstadium 3 gleichsetzen. Da in den 23 untersuchten norwegischen Gräbern Dieser Typ und die sog. Nydamfibeln werden in der älteren Fibelchronologie der späten Kaiserzeit zugerechnet, vgl. die Bemerkungen dazu am Anfang des Kapitels.
Völkerwanderungszeit
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von insgesamt 32 in ihnen gefundenen Goldbrakteaten nur 3 dem D-Typus angehören, liegt der Schluß nahe, daß die Mehrzahl der Gräber vor dem Beginn der DBrakteatenzeit angelegt wurden, und daß mit dem Beginn der D-Brakteaten die Produktion von C-Brakteaten zu ihrem Ende kam. Deshalb beginnt die Stufe IV mit dem Beginn der D-Brakteaten. Für den Anschluß des skandinavischen Materials an die kontinentalgermanische und englische Chronologie und damit an deren absolute Datierungen nimmt für Bakka das kentische Grab Finglesham D3 eine Schlüsselstellung ein. Er geht davon aus, daß der frühe Tierstil I zusammen mit Fibeln mit barockem Fuß unmittelbar nach der Entstehung dieses Typs in Südskandinavien nach Kent eingeführt wurde (Bakka 1958; 1973:75). Im Fingleshamgrab fand sich nun eine stark abgenutzte Fibel mit barockem Fuß, die dem Übergang vom nordischen Fibelstadium 3/4 zuzuordnen ist, zusammen mit zwei fränkischen Bügelfibeln, zwei Vogelfibeln mit Tierornamentik, drei D-Brakteaten und anderen Schmuckgegenständen. Die fränkischen Bügelfibeln stammen nach Chadwick 1958:41 aus der Zeit um 500-525, die beiden Vogelfibeln könnten aus der Mitte des 6. Jhds., aber auch etwas älter sein; weder die Fibeln noch die Brakteaten sind vermutlich vor der Grablegung lange im Umlauf gewesen. Die Frau im Grab von Finglesham wurde also vermutlich zwischen 525 und 550 bestattet. Die skandinavische Fibel "ist um so viel früher hergestellt worden, als die Zeit beträgt, in der sie so überaus stark abgenutzt wurde" (Bakka 1973:77). Hier könnte man an einen Zeitraum von 20, aber auch von 50 Jahren denken. "Veranschlagt man die Abnutzungszeit der Finglesham-Fibel mit barockem Fuß auf rund 50 Jahre - ungeachtet der Unsicherheit dieser Vermutung - käme man mit dem Anfang der nordischen völkerwanderungszeitlichen Stufe ΠΙ bis etwa 575 [sie! lies: 475 - Th.B.] oder ein wenig früher. Geht man nur von dem Fingleshamer Fund aus, wird eine Datierung irgendwo innerhalb des letzten Drittels des 6. [sie! lies: 5. - Th.B.] Jahrhunderts möglich." (Bakka 1973:83). Auch für das Ende der Stufe ΠΙ und damit den Beginn der D-Brakteaten-Überlieferung hat Finglesham D3 eine Schlüsselstellung, da es sich um den frühesten datierbaren Fund von importierten D-Brakteaten handelt; alle anderen Brakteatenfunde sind sicher später. Die Grabbeigaben sprechen dafür, daß der Anfang der Stufe IV etwa gleichzeitig mit dem Beginn der Stufe ΠΙ Böhners in der kontinentalen fränkischen Chronologie ist. "Nimmt man aufgrund des Fingleshamer Fundes an, daß die D-Brakteaten und damit auch die nordische Stufe IV um 525 beginnen, kann man zur gleichen Zeit das Fibelstadium 6 im Norden anfangen lassen. Denn auf jeden Fall liegen die Stadien 5,4 und 3 vor diesem Zeitpunkt. Versucht man die starke Abnutzung der Fingleshamer Fibel mit barockem Fuß zu berücksichtigen, läßt sich vermutlich das Fibelstadium 3 ein halbes Jahrhundert früher ansetzen, aber diese Vermutung ist nicht überprüfbar. Das nordische Fibelstadium 5, das unmittelbar vor dem Anfang der D-Brakteaten einzureihen ist, wäre aber ungefähr in das erste Viertel des 6. Jhds. zu datieren, und dadurch würde es gleichzeitig mit den Donzdorfer Fibeln sein. Das heißt, daß die Donzdorfer Fibeln, die Hauge-Fibel und die Fonnäs-Fibel, die alle Goldblecheinlagen mit Filigran
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
und Kästchenfassungen für bunte Steine tragen, in den gleichen zeitlichen Horizont gehören. Typologisch und stilistisch lassen sie sich auch, jedenfalls in ihren jeweiligen Regionen, jünger als die Fibeln des 3. und 4. Stadiums ansehen." (Bakka 1973:84). Die älteren kreuzförmigen Fibeln werden von Reichstein 1977:56 vorsichtig in die ersten Jahrzehnte nach der Mitte des 4. Jhds. angesetzt; die jüngeren kreuzförmigen Fibeln datiert er in die erste Hälfte des 5. Jhds., mit späten kreuzförmigen Fibeln ist in der zweiten Hälfte des 5. Jhds. zu rechen. Anhand dieser Fixpunkte kommt Bäkka zu folgender Stufengliederung der skandinavischen Völkerwanderungszeit: Kontinent (Böhner 1958) 400
Skandinavien (Bakka 1973)
Stile
Anfang kreuzförmige Fibeln
Sösdala
I 430
Stufe I
Medaillons 1. Phase: A-und CBrakteaten
Anfang jüngere kreuzförmige Fibeln Π
Brakteaten
Nydam
450 2. Phase: ca. 465
Stufen
Anfang Planfußfibeln
Älterer
m
3. Phase: CStill
525
und B-Brakt.
Anfang DBrakteaten Stufe m
575
A-, C- und BBrakteaten
IV
4. Phase: D-Brakteaten Jüngerer
Bakkas Chronologie wurde in einzelnen Punkten kritisiert, vor allem gegen seine Stufe IV ergaben sich Bedenken; der Beginn der D-Brakteaten in dieser Stufe um 525 n.Chr. könnte ein zu später Ansatz sein. Malmer 1977 weist darauf
Völkerwanderungszeit
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hin, daß D-Brakteaten aus Depotfunden bekannt sind, deren Münzen alle früher als 476 geprägt sind und schließt aus der Verteilung von Solidi und Goldbrakteaten in Hortfunden - die Solidi datieren von 395 bis 476, an Brakteaten sind nur Cund D-Typen repräsentiert - daß die Goldbrakteaten früher anfangen und auch früher enden als der Solidus-Import nach Skandinavien. Dieser endet 565 mit Justinianus I. Die A- und B-Typen sollten danach älter als 450 sein und vielleicht schon im 4. Jhd. anfangen, die D-Brakteaten könnten um 475 beginnen. Die Datenbasis ist mit 20 Solidi aus neun Horten allerdings relativ schmal, und es ist ferner nicht erwiesen, wie lange (und ob überhaupt) die Solidi im Umlauf waren, bevor sie in die Erde kamen; Gleiches gilt für die Brakteaten. Malmer 1977:107 ist zwar der Ansicht, daß vergraben "in primitiven Zeiten einfach die normale Verwahrungsweise für Wertsachen" gewesen sei; aber das ist im Grunde nur eine Annahme, und auch der Weg bzw. die Dauer des Weges der Solidi nach Skandinavien ist ungeklärt. Überzeugender ist vielleicht ein anderer Einwand, der von Chadwick Hawkes/Pollard 1981 gegen Bakka vorgebracht wurde: die Gräber von Finglesham D3 und 203 enthalten jeweils zwei stempelidentische D-Brakteaten, Grab D3 wird auf ca. 525 da-tiert, Grab 203 auf ca. 550. Während die Brakteaten im Grab 203 fast neuwertig sind, kaum Spuren von Abnutzung aufweisen, ist von den D-Brakteaten im Grab D3 nur ein einziger (der typologisch jüngste) relativ neu, der Rest dagegen stark abgenutzt, z.T. auch repariert; sie waren also zur Zeit der Grablegung schon eine längere Zeit im Gebrauch, vielleicht etwa 50 Jahre lang. Es fällt schwer, sich vorzustellen, daß die stempelidentischen Paare zu zwei verschiedenen, ca. 50 Jahre auseinanderliegenden Zeiten von Jütland nach Kent importiert worden sein sollen. "The only possible explanation is that the Finglesham family had acquired all four bracteates at the same time, during the last decades of the fifth century, but that, whereas the D3 pair was worn from the time of acquisition, the 203 pair was kept in reserve, unworn, until it was acquired by the lady in question, perhaps as part of her dowry or bridal gift, during the second quarter of the sixth century." (Chadwick Hawkes/Pollard 1981:340). Als Konsequenz aus diesem Befund ergibt sich, daß der Import und erst recht die Produktion der (frühen) D-Brakteaten bereits um ca. 475 anzunehmen wäre, und daß Brakteaten über einen längeren Zeitraum getragen werden konnten, bevor sie einer Toten ins Grab gelegt wurden; wenn der Zeitansatz richtig ist, dann würde der Beginn von Bakkas Stufe IV mit dem Beginn der Stufe ΠΙ nahezu zusammenfallen, und die Stufe IV in ihrer Gesamtheit/Substanz in Frage zu stellen sein: "Resultatet er efter min opfattelse, at de fâ norske gravfund ikke er tilstraekkelige til en udskillelse og datering af fase IV." (Lund Hansen 1988:27). Trotz dieser Bedenken bleibe ich aus den oben genannten Gründen bei Bakkas Schema zur Einordnung der völkerwanderungszeitlichen Runeninschriften; in die Periode gehören also sämtliche Inschriften auf Brakteaten, außerdem die folgenden Inschriftenträger, die in Kapitel 3 besprochen werden: (1) Der C-Brakteat von
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
Âgedal, den Bakka zusammen mit den anderen Funden dieses Frauengrabes in seine Stufe III stellen und somit auf 500-550 datieren würde; aufgrund des Charakters seiner Inschrift wird er von mir in die 2. Hälfte des 5. Jhds. gestellt (bei Gr0nvik 1987a: 177 500-525). (2) Die Fbel von Bratsberg, ebenfalls aus der frühen Stufe III, also dem Ende des 5. Jhds. (3) Die Fibel von Eikeland gehört dagegen in die Stufe IV, Bakka würde sie um 550 datieren, was auch aus runologischer Sicht gut möglich scheint (Gr0nvik 1987a: 178 "kanskje ca. 530-540"). (4) Schließlich die Fibel von Fonnâs, die nach Bakka in Stufe ΠΙ gehört, also auf ca. 500-525 zu datieren wäre; die Datierung der Inschrift ist jedoch wegen der vielen Unsicherheiten in der Lesung nicht festlegbar (vgl. 3.2 unten). Mit Gr0nviks Ansatz auf ca. 580 wäre sie bereits außerhalb der Periode der Völkerwanderungszeit.
2.4 Die germanischen Tierstile Ein wichtiges Einteilungs- und Unterteilungskriterium des Zeitraums von ca. 500 - 800 war und ist die Entwicklung der germanischen Tierornamentik, bei der man seit Salin 1904 3 Phasen bzw. Stile unterscheidet, von Salin Stil I, Π und DI genannt. Shetelig 1920 nennt diese folkevandringsstil, eldre und yngre Vendelstil. Die Stile Π und ΠΙ wurden dann 1942 von Arwidsson in fünf Untergruppen gegliedert, die sie als Α - E bezeichnet. A - C umfassen Salins Stil 2, D ist eine Übergangsform zwischen Π und ΠΙ, und E ist die typische Ausprägung des Stils III9. Wie bei jedem stilgeschichtlichen Kriterium bleibt die meist unausgesprochene Frage, ob es sich bei den feststellbaren Phasen um auseinander entwickelte Formen, um eine Abfolge, ein Nacheinander handelt, oder ob sich in den unterschiedlichen Stilformen gleichzeitige, eventuell geographisch differenzierte Varianten dokumentieren, ferner, inwieweit sich diese zeitlich überlappen könnten. Für Salin war es ein Nacheinander: den Stil I setzte er ins 6. Jhd., Stil Π ins 7. und Stil ΠΙ ins 8. Jhd. Stil I ist v.a. auf den großen Reliefspangen belegt, die oft mit wertvollen Edelsteinen, z.B. Granat, zusätzlich verziert sein können; andere Fundgruppen sind Waffen, z.B. Schwerter oder Scheidenbeschläge, Schnallen und Schuhbeschläge, und auch die D-Brakteaten. Der Stil ist nicht nur in Nordeuropa vertreten, er findet sich auch auf dem Kontinent und in England. Hinsichtlich der Entstehung des Tierstil I gibt es zwei Hauptthesen: einerseits wurde der Ursprung der Tierornamentik in der skytischen Kunst Osteuropas gesucht (so z.B. Br0ndsted 1930, Shetelig 1927,1949), andererseits dachte man an Impulse aus dem römischen Grenzraum an Rhein und Donau (so u.a. schon Salin 1904). Eine Zusammenfassung der älteren Thesen bietet von Jenny 1934. Am überzeugendsten ist der Versuch von Haseloff 1973, die Tierornamentik der Germanen aus in Kerbschnittechnik verzierten Gürtelbeschlägen, den sog. Kerbschnittbronzen, herzuleiten, ein Gedanke, der schon bei Salin 1904: 127ff angeVgl. die tabellarische Übersicht in Sj0vold 1963.
Die germanischen Tierstile
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sprachen ist. Diese Gürtelbeschläge finden sich im Raum zwischen Seine und Rhein sowie entlang der römischen Grenze an Rhein und Donau. Die Mehrzahl von ihnen gehört in die 2. Hälfte des 4. Jhds., aber sie waren auch noch in der 1. Hälfte des 5. Jhds. in Gebrauch. Sie finden sich nach der Öffnung der Grenzen auch außerhalb des römischen Grenzgebietes, etwa an der sächsischen Nordseeküste. Bei diesen Gürtelbeschlägen zeigen die Flächen geometrische und Pflanzenornamentik (z.B. Spiralranke, Palmette etc.) in Kerbschnittechnik, an den Rändern finden sich dagegen Tierdarstellungen, die ein freistehendes und durchbrochen gearbeitetes Relief darstellen. Die beiden Zonen der Beschläge unterscheiden sich also hinsichtlich ihrer Technik wie der Motivik ganz entscheidend. Den Tierdarstellungen liegen bestimmte Bildschemata zugrunde, die der mythologischen Welt des Altertums entstammen. Es finden sich vollständig dargestellte Tiere neben Tierkörpern, Tierpaare und den Typ Maske/ Scheibe/Wirbelrad zwischen zwei Tieren. Die Tiere sind meist mehr oder weniger deutliche Löwen, die oft nur an ihrer Mähne als solche identifizierbar sind, und deren Schwanz in einen Drachenkopf münden kann. Ein weiterer Typus sind Seetiere, die fast ausschließlich als See-Löwen anzusprechen sind, mit dem Vorderkörper eines Löwen und dem Schwanz eines Fisches. Auch hier kann die Gestalt des Löwen, resp. sein Anteil am Gesamtbild, so degeneriert sein, daß man eher an einen Hund oder etwas ähnliches denken könnte. Eine dritte Gruppe von Tieren schließlich sind als See-Greifen anzusprechen, in ganz wenigen Fällen sind auch Delphine dargestellt. Es werden also in den Kerbschnittbronzen feststehende Bildschemata verwendet und variiert, die aber gegenseitig austauschbar waren. Ursprünglich lag ihnen wohl ein symbolischer, religiöser Sinngehalt zugrunde - ein Beschläg aus Ptuj/Pettau zeigt z.B. klar eine Darstellung von Okeanos zwischen zwei Begleittieren. Andere Abbildungen stellen ein Wirbelrad als Symbol der Sonne oder des Sonnengottes zwischen zwei Seelöwen dar, wobei das Wirbelrad auch durch eine Scheibe ersetzt sein kann. Beim Motiv des stilisierten Baumes zwischen den Tieren könnte man an den Lebensbaum denken, "der seit dem frühen Altertum mit Tieren zu den Seiten dargestellt zu werden pflegte und in dieser Form auch Eingang in die christliche Symbolik und Kunst gefunden hat." (Haseloff 1973:442). Die Darstellungen dürften darüber hinaus eine apotropäische und glücksbringende Bedeutung gehabt haben, den Trägern sollten sie vermutlich Schutz und Glück bringen; sie lassen sich dann eindeutig in ihrer Funktion mit den burgundischen Gürtelschnallen mit Abbildungen von Daniel in der Löwengrube vergleichen. Motivik, Funktion und zeitlicher Rahmen machen die Bildschemata der Kerbschnittbronzen zu den wahrscheinlichen direkten Vorbildern der germanischen Tierornamentik: sie wurden nach Haseloff "im Laufe des 5. Jahrhunderts von den germanischen Stämmen im südlichen Skandinavien übernommen und führten dort zur ersten eigenständigen "Tierornamentik", die unter der Bezeichnung "NydamStil" bekannt ist. Diese erste Phase der germanischen "Tierornamentik" ist durch die enge Anlehnung an die römischen Vorbilder gekennzeichnet.... Erst allmählich vollzog sich die Umsetzung der diesen Bildern zugrunde liegenden antiken
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
Vorstellungen in die der jungen germanischen Völker, ein Vorgang, der mit dem Beginn des Salinschen Stils I am Ende des 5. Jahrhunderts zum Abschluß gekommen war." (Haseloff 1973:442). Wenn man dieses Bild der Entwicklung akzeptiert, dann ergibt sich zeitlich und in der Art der Entlehnung eine erstaunliche Parallelität zur Adaption und späteren Umformung/ Uminterpretation der römischen Kaisermedaillons zu den germanischen Brakteatendarstellungen (vgl. dazu unten genauer); mit der Öffnung der Limesgrenzen werden am Ende des 4. Jhds. römische Vorbilder in Südskandinavien übernommen, dann allmählich umgeformt und im Laufe etwa eines Jahrhunderts einheimischen Vorstellungen, der germanischen Mythologie, angepaßt (See-Löwen werden zu Schlangen, der Lebensbaum zum Weltenbaum, der römische Kaiser zu einem germanischen Gott, vermutlich Odin, uminterpretiert). Gegen Ende des 5. Jhds. hat sich der entwickelte (ältere) Stil I ausgebildet - etwa gleichzeitig mit dem Höhepunkt der Brakteatenproduktion und der Überlieferung von Runeninschriften auf Brakteaten im Dienst von magischen Funktionen. Gegen 575 wird der Stil I durch den auf dem Kontinent entstandenen Stil Π ersetzt und die Brakteaten geraten außer Mode. Die gleiche Ausbreitung wie für Stil I gilt im Prinzip auch für den Stil Π, der zwar ebenfalls auf Schmuckgegenständen vorkommt, aber doch in erster Linie auf Waffen und Pferdeausrüstungen10 zu finden ist. Das wichtigste Unterscheidungskriterium zwischen den beiden Stilen ist die Ausformung von Kopf und Füßen der abgebildeten Tiere. Charakteristisch für Stil I ist ferner die plastische Darstellung des Tieres, für Stil Π die sog. Flechtbandornamentik und eine extreme Symmetrie der Darstellung. Stil ΠΙ ist dagegen nur in Skandinavien verbreitet. Er ist eine klare Weiterentwicklung aus Stil II, wohingegen zwischen I und Π ein Entwicklungssprung stattgefunden haben muß. Inzwischen dürfte allgemein akzeptiert sein, daß Stil Π auf dem Kontinent entstanden ist und sich von dort in den Norden ausgebreitet hat. Er kam vermutlich voll entwickelt nach Skandinavien, wo Stil I allmählich aus der Mode kam. Jedenfalls sind die beiden Stile im Norden fast nie zusammen gefunden worden. In der Diskussion wurde Stil Π meist mit den Langobarden oder mit den Franken in Zusammenhang gebracht. Lindkvist 1926 kam zu dem Schluß, daß Stil Π im 5. Jhd. im Rheinland entstanden sei, unter dem Einfluß der dort seit langem wirksamen römischen Kultur. Der frühen Datierung Schloß sich Gjessing 1934 an. Âberg 1922 hatte dagegen die Auffassung vertreten, daß Stil Π bei den Langobarden in Italien, als Folge ihres Kontaktes mit der mediterranen Kultur, entstanden sei; als Terminus post quem ergab sich für ihn die Einwanderung der Langobarden nach Italien im Jahre 568, und daraus mit einiger Entwicklungszeit ca. 600 als Beginn der Ausbreitung nach Norden. Seine Auffassung wurde von Werner 1935 bestätigt, dessen Arbeit über münzdatierte Grabfunde und der daraus resultierenden Chronologie über eine lange Zeit jedenfalls in Deutschland große Das kann aber zumindest zum Teil auch auf lokale Unterschiede zurückgehen.
Die germanischen Tierstile
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Akzeptanz fand. Auch für Werner kann die Ausbreitung von Stil Π nach Skandinavien nicht vor 600 erfolgt sein, weil wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Langobarden bis 591 die alten Römerwege über die Alpen gesperrt waren. Große Bedeutung für die Entwicklung von Stil Π im Norden hatte auch das 1939 entdeckte Grab von Sutton Hoo in East Anglia/England: das prachtvoll ausgestattete Bootsgrab zeigt zahlreiche Parallelen zu und Einflüsse aus Skandinavien, vielleicht am deutlichsten im Helm und Schild des Begrabenen, die auch in einem Vendel-Grab gefunden sein könnten; das Schwert könnte im Frankenreich oder in Skandinavien produziert worden sein, nach neueren Untersuchungen (z.B. Wilson 1982) spricht aber alles für einen kontinentalen Ursprung. Auch bezüglich des Helmes ist die früher akzeptierte Herstellung in Schweden durch englische Neufunde (z.B. ein sehr ähnlicher Helm, der 1982 in York gefunden wurde) nicht mehr so selbstverständlich; er könnte wohl doch aus einer englischen Werkstatt stammen. Ursprünglich geht der Helmtypus höchstwahrscheinlich auf kontinentale Vorbilder zurück, nämlich auf Paradehelme der römischen Kavallerie im 4. Jhd. (Bruce-Mitford 1968). So bleibt als Hauptargument für direkte schwedisch-englische Beziehungen in erster Linie die Bootsgrab-Bestattung selbst, deren Ursprünge in Mittelschweden liegen. Seine chronologische Bedeutung erhält das Grab von Sutton Hoo aufgrund der zahlreichen Gegenstände, die im voll entwickelten Stil Π verziert sind. Wenn man dessen Beginn auf ca. 600 ansetzt, so sollten die Funde von Sutton Hoo ungefähr in die 2. Hälfte des 7. Jhds. datieren. Bis ca. 1960 wurde dieser Ansatz nicht in Frage gestellt, zumal der Münzschatz des Grabes ihn zu bestätigen schien. Das Grab enthielt insgesamt 37 Goldmünzen, alle von kontinentalem Ursprung aus dem merowingischen Bereich; eine der Münzen stellt Theodebert Π (595-612) dar. Die meisten merowingischen Münzen waren aber bis vor einigen Jahrzehnten nicht exakt zu datieren, inzwischen scheint sich ein Konsens einzustellen, daß keine der Münzen aus Sutton Hoo älter als 630 sein sollte, und daß der Schatz mit größter Wahrscheinlichkeit um 625 zusammenkam - die Frage bleibt, wann er im Grab niedergelegt wurde. Auffallig ist am Schatz weiterhin, daß keine zwei der Münzen aus derselben Prägung stammen; es drängt sich der Eindruck auf, daß (von einem Sammler?) bewußt viele verschiedene Typen ausgewählt worden sind. Die Münzen ermöglichen also keine absolut sichere Datierung des Grabes, ein weiteres Indiz favorisiert aber doch den frühen Ansatz um 625: einige der Grabbeigaben zeigen frühe christliche Einflüsse, z.B. fanden sich zwei Löffel mit den Inschriften Paulos und Saulos und Silberschalen mit Kreuz-Darstellungen. Aus englischen Quellen kennen wir den anglischen König Redwald, der zeitweilig zum Christentum übertrat und im Jahre 624 oder 625 starb; die Zuordnung des Grabes von Sutton Hoo an seine Person erscheint bis auf weiteres als die beste, zumal auch noch andere Indizien auf ihn weisen. Mit dieser frühen Datierung müßte dann allerdings auch die Entstehung von Tierstil Π nach vorne verschoben werden, auf ca. 575 oder etwas
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früher. Aber: "The later date formerly accepted cannot be excluded at present." (Bruce-Mitford 1968: 51). Werners Auffassung wurde wie gesagt weitgehend akzeptiert, bis er 1962 seine eigenen Argumente modifizierte. Die Funde aus langobardischen Gräberfeldern aus Ungarn bzw. Pannonien, wo die Langobarden von 526/27 bis 568 gesiedelt hatten, bevor sie nach Italien zogen, sind stilistisch deutlich von dem italienischen Befund unterschieden. In Pannonien hat dagegen nach dem Abzug der Langobarden keine Weiterentwicklung des Kunsthandwerks stattgefunden. Klar ist aber auch, daß viele der Formen, von denen man früher annahm, daß sie erst in der italienischen Phase entstanden seien, bereits in Pannonien voll entwickelt waren. Während dieser Zeit gab es auch gute Kontakte zwischen Skandinavien und den Langobarden, aber auch Kontakte zum Frankenreich existierten. Daraus folgt, daß bereits in dieser Phase alle Voraussetzungen für die Ausbreitung des dort entstandenen Stils Π gegeben waren, oder aber, daß der im Frankenreich entwickelte Stil Π sich zu den Langobarden ausgebreitet haben könnte. In diesem Zusammenhang nehmen die Gräber im Kölner Dom11 und in St. Denis12 eine Schlüsselstellung ein. Die Konsequenzen dieser 1959 untersuchten Funde für die Chronologie beherrschen seither die Diskussion. Im Frauengrab von St. Denis fanden sich insgesamt 28 Grabbeigaben, darunter ein goldener Siegelring am linken Daumen mit der Legende Arnegundis regine. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß es sich bei der Toten um die zweite Gattin des Merowingerkönigs Chlotar I (511-561) und die Mutter von König Chilperich I (561-584) handelt. Ihr Todesjahr ist nicht bekannt, aber da Chilperich im Jahre 539 geboren wurde, und da die Tote in St. Denis ca. 45 Jahre alt war, sollte sie in den Jahren 565-570 bestattet worden sein. Unter den Funden sind zwei Scheibenfibeln in Cloisonné-Technik, die zu den im ca. eine Generation älteren Frauengrab unter dem Kölner Dom gefundenen passen und ein weiterer Beleg dafür sind, daß solche Fibeln vor der Errichtung der Langobardenherrschaft in Italien im Frankenreich bekannt waren. Das Grab enthielt ferner Schnallen und Schuh-Beschläge mit Verzierungen im Tierstil Π, der also auch nicht erst durch langobardische Vermittlung in die Gebiete nördlich der Alpen gekommen sein kann. Die Schlußfolgerung liegt nahe, daß das Merowingerreich die Hauptrolle bei der Entwicklung des Stils Π gespielt hat. Das Grab unter dem Kölner Dom kann aufgrund von ostgotischen Münzen auf ca. 535 oder kurz danach datiert werden. Es enthielt u.a. vier Fibeln aus Gold und Silber mit Granatsteinen und Filigran, die klaren mediterranen Einfluß zeigen. Diese Stücke, die etwa 30 Jahre vor der Einwanderung der Langobarden nach Italien in den Boden gekommen sind, und die keine Parallele in den pannonischen Funden finden, widerlegen deshalb deutlich die Auffassungen bezüglich der langobardischen Vermittlerrolle. Publiziert von Doppelfeld 1960. Publiziert von Fleury/France-Lanord 1962.
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Andererseits zeigt das langobardische Material in Italien alle Entwicklungstendenzen des Stils Π, v.a. auf den sog. Goldblech-Kreuzen, die in der pannonischen Zeit noch nicht belegt sind (Haseloff 1956). Diese Kreuze haben eine Flechtbandornamentik, die in vier Hauptgruppen unterteilt werden kann (vgl. Sj0vold 1963:74ff), deren letzte viele bis alle Details von Stil Π zeigt. Es scheint eine eindeutige Entwicklungslinie von einer Flechtbandornamentik über Flechtband mit Tierköpfen und Flechtband mit Menschenmasken, schließlich einzelnen Details im Stil Π zum voll entwickelten Stil Π vorzuliegen. Vieles spricht daher dafür, daß der langobardische Einfluß doch nicht ganz unterschätzt werden darf, daß eventuell eine Beeinflussung durch wechselseitige Impulse zwischen Frankenreich und Langobardenreich der Realität am nächsten kommt. Träger der Entfaltung und Ausbreitung müßten dann wohl Händler und Kunsthandwerker gewesen sein, die trotz der offiziell geschlossenen Grenzen die Kontakte aufrechterhielten. Wenn diese Vorstellungen richtig sind, dann kann Stil II nur durch die Vermittlung der Franken und erst in den letzten zwei Jahrzehnten des 6. Jhds. in den Norden gekommen sein. Das Problem, daß das Arnegunde-Grab um 570 bereits entwickelten Stil II zeigt, läßt sich vielleicht auflösen, wenn man mit Roth 1986 nicht die Frau Chlotars I, sondern die Chlotars Π, der von 584-629 regierte, annimmt: das Grab wäre dann um 600 einzustufen und würde sich gut in die skizzierte Entwicklung von Stil Π einfügen lassen. Für die Datierung von Runeninschriften, speziell auf Brakteaten, ergeben sich dann folgende Zusammenhänge: Brakteaten wurden nie zusammen mit vendelzeitlichen Gegenständen zusammen gefunden, ihre Herstellung endete offensichtlich vor dem Aufkommen von Stil Π; der früheste Zeitansatz dafür scheint ca. 575 zu sein. Wenn die A- und C-Brakteaten als Gruppe älter sind als die D-Brakteaten, die keine Runeninschriften aufweisen, dann ist das Ende der Runenüberlieferung auf Brakteaten auf ca. 520-540 anzusetzen. Ich übernehme im Folgenden diesen Ansatz, auch wenn aus der Formulierung klar sein sollte, wie unsicher im Grunde genommen diese (und die meisten anderen) Datierungen sind, die eine Marge von mindestens einem Vierteljahrhundert nach oben oder unten zulassen. Ausführlicher auf die Brakteaten und ihre interne Chronologie gehe ich in Kap. 3.1 ein.
2.5 Vendelzeit Die Vendelzeit in Skandinavien, benannt nach den Bootsgräbern bei der Kirche von Vendei in Uppland, umfaßt den Zeitraum vom Ende der Völkerwanderungszeit bis zum Beginn der Vikingzeit mit der Plünderung des Klosters Lindisfarne im Jahre 792, dem ersten historischen Datum für Skandinavien. Erheblich erweitert wurde das schwedische Material durch die Funde bei Valsgärde, Ulltuna, Tuna i Alsike, Tuna i Badelunda und Norsa i Köping. Die Bootsgrabfriedhöfe bei Vendei und Valsgärde stellen im allgemeinen Grabbrauch des Mälarseegebiets eine Ausnahme dar; hier liegen sicherlich die
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Vertreter einer Oberschicht, der führenden Familien, der Großgrundbesitzer. Auffallend ist etwa in Valsgärde, wie einheitlich, standardisiert nicht nur die Anlage, sondern auch die Grabbeigaben sind. Nach Ambrosiani 1983:17ff basierte die Ökonomie im Mälartal hauptsächlich auf der Eisenproduktion dieser Gegend, v.a. die ältesten Gräber sind am reichsten ausgestattet. Die Besiedlung in der späten Eisenzeit wurde dominiert von einzelnen, isolierten Farmgehöften, erst später kam es zu einer Verdichtung und Dorfbildung durch den Bevölkerungsanstieg. Die Besiedlung um das Ufer des Malaien verlief kontinuierlich vom Beginn der Bronzezeit. Die Bootsgräber liegen nun alle an der nordwestlichen Grenze des Siedlungsgebietes. "It has previously been suggested that iron in particular was an asset to the chieftains of the boat-grave cemeteries, and their border distribution makes it more credible for them to be seen as patrons of industry rather than as military and political leaders. This would also account for the surplus which was transformed into rich grave goods. Trade in important raw materials such as iron and hides may also have been carried to the Continent in their own boats." Ambrosiani 1983:22. Da münzdatierte Gräber für diesen Zeitraum völlig fehlen, ist eine relative Chronologie dieser Periode nur anhand von stilistischen und typologischen Kriterien zu gewinnen. Für Südskandinavien/Dänemark (dominierend Bornholm mit ca. 60% des Fundmaterials) kam in einer sorgfältigen Untersuchung 0rsnes 1966 zu einer Einteilung in drei Unterstufen, genannt Phase I, Π und ΠΙ, deren jede ca. 75 Jahre umfassen soll. Die Grenzziehung beruht vor allem auf dem Fibelinventar (das auch Bakkas Schema der Völkerwanderungszeit zugrundeliegt), daneben auf Nadeln, Armringen und anderem Schmuck. Ferner spielte wie schon bei seinen Vorgängern die Ornamentik der Gegenstände eine wichtige Rolle. Seit Arwidsson 1942 gliedert man die Funde aus Uppland in die sechs Vendelstile A-F, die den Zeitraum von ca. 500 bis ca. 800 abdecken und eine Revision des Schemas von Salin darstellen; dabei entsprechen die Stile Α, Β und C ungefähr Salins Tierstil Π, die Stile D-Ε dem Tierstil ΙΠ. Bezieht man die Gruppierungen von Arwidsson und 0rsnes 1966 aufeinander, so ergibt sich folgendes Schema: 0rsnes
Arwidsson
Phase 1
Stil Β
Phase 2
Stil C+D
Phase 3
Stil D+E+F
575 650 725 800 0rsnes definiert seine Stile B-F als südskandinavische Stile, sie decken sich jedoch weitgehend mit den Formen aus Vendei. Stil Β liegt ausschließlich in Funden, die der Phase 1 zugeordnet werden, vor: innerhalb runder oder quadrati-
Vendelzeit
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scher, abgegrenzter Bildfelder finden sich meist zusammenhängende Tierdarstellungen mit breit bandförmigen Körpern oder solchen mit asymmetrischer S-Form. Daneben finden sich in Phase 1 einfache Entrelac-(=Bandgeflecht) Muster, Cloisonné-Ornamente und v.a. flächendeckende Stempelmuster mit unterschiedlichen Motivtypen. Für 0rsnes ist der Beginn der Phase 1 durch die Funde von St. Denis und Köln (vgl. oben) gegeben, ihr Ende durch das Grab von Sutton Hoo. Stil C ist nur in Kombinationen der Phase 2 zu finden, die Bildfelder sind hier oval oder rechteckig; die Detailmotive sind variabler als im Stil B, oft finden sich zweigeteilte Körper mit komplizierten Schenkelfiguren. Stempelmuster sind in dieser Phase nur noch spärlich vertreten, es dominieren Entrelac- und Tierornamente; das Schmuckinventar legt für 0rsnes eine Gliederung in drei Abschnitte, die chronologisch aufzufassen sind, nahe. In Phase 2c tauchen die ersten Stil DOrnamente auf, die ihre genaueste Parallele im um 700 datierten Book of Lindisfarne haben, was 0rsnes als Indiz für direkten Kontakt zwischen Skandinavien und Nordengland bewertet; daraus resultiert dann auch der Zeitansatz um 725 für das Ende der Phase 2. In Phase 3 finden sich neben Stempelmustern, Knotenentrelac- und Gittermustern Tierornamente der Stile D, F und E; Stil F und gewisse Stil Ε-Motive lassen sich auf westeuropäische, kontinentale Vorbilder zurückführen, auf den sog. "anglo-kontinentalen" oder "anglo-karolingischen" Tierstil, der ab ca. 750 v.a. auf kirchlichem Inventar in West- und Süddeutschland dominiert, und der wohl durch die irisch-englische Missionstätigkeit ins Frankenreich kam. Als Fixpunkt für die Datierung von Stil F nennt 0rsnes den sog. Tassilo-Kelch mit einem Ansatz zwischen 768 und 788, das Ende der Phase 3 ergibt sich aus der traditionellen Datierung des Beginns der Wikingzeit um 800 (genauer 792 mit der Plünderung des Klosters Lindisfarne). 0rsnes bietet allerdings eine sorgfältige Analyse des gesamten damals bekannten dänischen Materials; in seinen absoluten Zeitansätzen beruht sein System aber ausschließlich auf den Stilentwicklungen der Ornamentik und deren kontinentalen und anglo-irischen Vorbildern (Book of Lindisfarne, Tassilo-Kelch). Daß die Neudatierung von Sutton Hoo "mit einer solchen historisch-archäologischen Deutung schwieriger in Einklang zu bringen ist" räumt er selbst ein (0rsnes 1966:311). Arrhenius 1983 arbeitete eine neue Chronologie für die Gräber in Vendei heraus, basierend auf der Artefakt-Kombination und einem Vergleich mit kontinentalen Gräbern dieser Periode. Wichtig ist v.a. ihre Parallelisierung der Gräber mit dem von Ament 1977 vorgeschlagenen Chronologiesystem, das die Merowingerzeit in sechs Phasen AM 1 bis JM 3 zwischen 450/80 und 720 unterteilt, vgl. oben S.47f. "I see the development of the Vendei culture as a logical consequence of Scandinavian trade with eastern Europe." (1983:63). Sie warnt m.E. zu Recht vor einer rein auf den Stilentwicklungen basierten Chronologie, die zudem auf den unterschiedlichsten Inschriftenträgern repräsentiert sind: "I think that animal ornament is especially difficult to use in a period when this kind of ornament was executed in so many different materials, e.g. monks carefully drew or copied such ornaments in scriptoria whereas other ornaments
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Archäologische Grundlagen und die frühesten Runeninschriften
were carved out on a boat stern or executed in a smithy. Some ornaments were endlessly repeated as sacred emblems, whereas others show numerous variations. Therefor I think that the style phases described as Vendei Styles B-E and whose relevance for grouping material from Scandinavia has been proved in many works can be used only for evidence of succession." (Arrhenius 1983:67). Diese Einwände gelten z.B. auch für z.B. die gotländischen Bildsteine und deren Gruppierung und Datierung nach ihrer Ornamentik. Zudem bieten gerade die einzelnen Gräber in Vendei und Valsgärde in ihrem Inventar fast immer ein Nebeneinander von verschiedenen Stilen, etwa in Vendei I Stil Β neben C, in Vendei VE Stil D neben E und in Valsgärde 6 alle Stilarten von A bis D. Insgesamt gesehen ergibt sich durch die Neuansätze von Arrhenius eine frühere Datierung der einzelnen Perioden; an der relativen Aufeinanderfolge der Stilformen, die in den Gräbern von Vendei und Valsgärde repräsentiert sind, ändert sich jedoch im Prinzip nichts: "Det ràder idag en tendens til at rykke overgangen aeldre/yngre germansk jernalder tilbage i tid, det drejer sig om ca. 1/2 ârhundrede, vil jeg anslâ. Tilsvarende synes yngre germansk jernalder at slutte tidligere end ca. 800 ud fra parallelliseringer med det kontinentale materiale." (Lund Hansen 1988:33)13. Nach Arrhenius lassen sich die Gräber in Vendei und Valsgärde wie folgt mit dem Kontinent synchronisieren (ich gebe dazu auch den älteren Ansatz, etwa bei Arbman 1938 und Arwidsson 1977): Ament 1977
Zeit
Arrhenius 1983
Arbman 1938 Arwidsson 1977
450/80 AMI 520/30 AM Π
Vendei Χ, XIV
AM ΠΙ
Valsgärde 8 Vendei ΧΠ, XI
560/70 600
Vendei X (575-600) Vendei XIV (600)
So dankenswert die Zusammenstellung von Lund Hansen auch ist, erfordert sie doch einen kontrollierenden Leser; der Abschnitt: "Stil C er repraesenteret i Valsgärde 6, der i tid svarer til JM I, d.v.s 600-630/40. Stil D er tidligst repraesenteret i Valsgärde 6, der svarer til JM Π, 630/40-670/80. Stil E er tidligst repraesenteret i Vendei VII, der svarer til JM Π (sic!)." auf Seite 33 wirft die Frage auf, ob Valsgärde 6 nun JM I oder Π entspricht oder beiden Stufen (bei Arrhenius früh in JM Π, das Grab enthält Funde mit Stil Α-D), und ob Vendei VII auf der gleichen Stufe JM Π wie Valsgärde 6 steht (das Grab enthält nur Stil D + E, Arrhenius stuft es in den Zeitraum von JM Π bis eventuell Ende JM ΠΙ ein)? Typischer als Repräsentant für Stil C in der Stufe JM I wäre doch wohl Vendei I.
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Vendelzeit
Zeit
Ament 1977
Arrhenius 1983
JMI
Vendei I Valsgärde 7
630/40
Valsgärde 5+6
Vendei XI (600-650) Valsgärde 8 (600-650) Vendei ΧΠ (650)
Vendei ν π
Valsgärde 7 (650-700) Vendei I (650-700)
JM Π 670/80
Arbman 1938 Arwidsson 1977
jMm Valsgärde 5+6 (720) 720 Vendei ΠΙ 750
Vendei VH (750-800)
800
Vendei ΠΙ (800)
Man sieht, wie hier alle Datierungen nach oben verschoben sind, der Beginn der eigentlichen Vendelzeit wäre nach Arrhenius auf etwa 560, ihr Ende schon gegen 720-50 anzusetzen; das bedeutet für die Datierung der verschiedenen Stilphasen, daß Stil A und Β vor ca. 600 beginnen, der Stil C wäre in JM I einzustufen, in das erste Viertel des 7. Jhds.; Vendei I wäre somit etwa zeitgleich mit dem Grab von Sutton Hoo, in dem Stil Β und C anzutreffen war. Stil D, repräsentiert etwa in Valsgärde 6, wäre in die Mitte des 7. Jhds. anzusetzen, die Stile E und F gehören in den Zeitraum um und nach 700; da die Gräber von Vendei ΠΙ und Vn allerdings ausgeraubt waren und nur noch wenige Grabbeigaben enthielten, ist die Datierungsbasis recht schmal, weshalb die Ansätze von Arrhenius nur als Vorschläge gelten können. Wollte man auf dieser Basis die von 0rsnes etablierte Chronologie anpassen, so wäre jede seiner drei Phasen ca. 20-30 Jahre vorzudatieren; da die Datierungen von Arrhenius aber auf der Annahme basieren, daß Neuerungen im Frankenreich sich relativ schnell auch nach Skandinavien ausgebreitet haben - eine Annahme, die vermutlich ihre Berechtigung hat, aber nicht präzise zu fassen ist - bleibe ich hier bei der oben dargelegten traditionellen Chronologie, die auch den Zeitansätzen für Schmuckgegenstände mit Runeninschriften aus der Vendelzeit zugrundeliegt. Hervorzuheben bleiben aber die Zweifel an diesen Ansätzen. Die vendelzeitlichen Gegenstände mit Runeninschriften: der Würfel von Vallentuna, die Spangen von Âlborg und Skabersjö sowie die Perle von Lousgârd werden unter 3.2 und 3.3 besprochen.
Archäologisch datierbare Runeninschriften 3.1 Brakteaten Die Gruppe der Brakteatinschriften bildet insofern den Ausgangspunkt für runologische Untersuchungen, als sie weitgehend noch die einheitliche urnordische (oder nordwestgermanische) Sprachstufe zeigen: "Die Brakteatinschriften stellen die jüngste Gruppe mit urnord. Sprache auf arch, datierbaren Gegenständen dar." (Nielsen in RGA: 355). Für alle einschneidenden Sprachveränderungen wie Synkope, Umlaut etc. weisen erst die auf sie zeitlich folgenden Inschriften Anzeichen auf (anders Seebold, vgl. unten). So teilt etwa Gr0nvik 1987a: 180ff den Runenbrakteaten seine Sprachstufen I urnordisk und IIa eldre nordisk zu; für Krause/Jankuhn 1966:313 bilden sie das "Grundgerüst der Zeitbestimmung". Bei den Brakteaten handelt es sich um völkerwanderungszeitlichen, einseitig geprägten Hängeschmuck; sie sind im Norden nach dem Vorbild römischer Kaisermedaillons entstanden und dienten sicher als Amulette. Seit Montelius 1869 unterteilt man die Brakteaten nach ihren Bildmotiven in A-, B-, C- und D-Brakteaten, wodurch zunächst keine zeitliche Aufeinanderfolge impliziert sein soll. Ungefähr die Hälfte aller bisher gefundenen Brakteaten gehören zum Typ C, der einen Männerkopf im Profil über einem vierfüßigen Tier zeigt (vgl. RGA 338 + 347); D-Brakteaten ohne Runeninschriften (und der von manchen unterschiedene F-Typ mit Inschriften) stellen etwa 35% der Gesamtzahl und bilden Tierdarstellungen ohne Menschen ab, im sog. Jüngeren Nordischen Tierstil I; A-Brakteaten zeigen einen Männerkopf im Profil, ohne Hände und Füße und ohne irgendeine Tierdarstellung, wohingegen auf B-Brakteaten der Mensch mit Körper und Gliedmaßen, manchmal begleitet von Tierfiguren, abgebildet ist. Eine Fein-Unterteilung der A-, B- und C-Typen bietet Seebold 1992:272. In der Forschungsgeschichte wurden den Brakteaten als Gesamtgruppe stark differierende Datierungen zugeteilt, was dann wiederum große Auswirkungen auf das weitere Chronologie-Gerüst mit sich brachte. Vereinfachend kann man von einerfrühdatierendenschwedischen und einer spätdatierenden dänischen Tradition sprechen. Allerdings ist dabei oft nicht klar, ob die Datierung auf die Brakteaten als Gesamtgruppe oder auf die Runenbrakteaten als Untergruppe zielt. In Schweden wird seit Montelius der Zeitraum von ca. 400 bis ca. 550 als Brakteatenzeit angesetzt, eine Datierung, der sich Shetelig in NIaeR ΠΙ anschließt; in Dänemark gilt seit Müller 1897:602 ca. 500 bis ca. 650. Br0ndsted 1940:300 datiert als Kompromiß die Brakteaten auf 400-650, was von Moltke in DR:791 übernommen wurde. Für die deutsche Tradition war der Ansatz von Jankuhn in
Brakteaten
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Krause/Jankuhn 1966:238: ca. 450 bis ca. 550 (auf S. 313 aber: 450-580) bestimmend. In den letzten Jahren scheint sich aber doch ein Konsens in der Forschung herausgebildet zu haben: Munksgaard in RGA setzt vorsichtig ca. 400 bis ca. 550 an, Bakka 1977:59 ca. 415/20 bis 575. Hauck 1985 legt sich nicht fest. Die Brakteatendatierungen schweben natürlich nicht im archäologischen luftleeren Raum: Die Brakteaten der Gruppe D gehören stilhistorisch zum jüngeren Tierstil I (Salin 1906), sie machen den Wandel zum Stil Π, der den Übergang von der Völkerwanderungszeit zur Vendelzeit markiert, nicht mit. Bisher wurden noch nie Brakteaten zusammen mit vendelzeitlichen Gegenständen gefunden, "so daß angenommen werden muß, daß sie vor der 2. Hälfte des 6. Jh. aus dem Gebrauch kamen." (RGA:341). Der Beginn von Stil Π ist gleichzusetzen mit der Phase 1 in 0rsnes 1966, die einen absoluten Fixpunkt im Arnegunde-Grab zu St. Denis hat (ca. 565, doch vgl. die oben dargelegten Bedenken gegen die Zuordnung zu Chlotar I). "Unter Abrundung auf Vierteljahrhunderte wird die Phase 1 in die Zeit von etwa 575 - 650 datiert." (0rsnes 1966:309). Das Ende der Brakteatenzeit könnte also bei spätestens 575 oder eher gegen 550 hin liegen. Ein Terminus post quem ergibt sich aus den spätantiken Vorbildern der Brakteaten: römische Goldmedaillons mit den Kaiserbildern der konstantinischen Dynastie, die bis 363 dauerte. Bisher wurden acht mit Legenden versehene Medaillons im Norden gefunden (Düwel 1988:73), als Importe, aber auch einige nordische Nachahmungen nach ihrem Vorbild: "Die zweiseitigen Medaillon-Nachahmungen des Nordens entstanden daher spätestens um 400" (Hauck 1985:21). Aus ihnen entwickelten sich dann die verschiedenen Brakteatentypen, aber deren innere Chronologie ist kontrovers. Im allgemeinen werden A- und C-Brakteaten (sowie einzelne B-Brakteaten), die den römischen Vorbildern am nächsten stehen, für am ältesten gehalten: "Möglicherweise sind A und C am ältesten, Β folgt wenig später und zuletzt D." (Munksgaard in RGA:341). Bakka 1977:59 schlägt das folgende, oben in 2.1.2 begründete chronologische Gerüst vor: 400 415/20 470/75 510 525/40 - 575
Goldmedaillons A- + C-Brakteaten Α- + B- + C-Brakteaten B- + C-Brakteaten D-Brakteaten
dem hier - wie gesagt - auch deshalb gefolgt ist, um eine Vergleichsmöglichkeit mit den Ansätzen von Gr0nvik 1987a zu gewährleisten. Allerdings könnte man das Ende der D-Brakteaten und den Beginn der Vendelzeit auch einige Jahre früher ansetzen, bis gegen 560 hin, und der Beginn der Produktion von D-Brakteaten ist in Bakkas Schema wohl zu spät angenommen. Für die vorliegende Arbeit spielt diese Frage jedoch keine entscheidende Rolle, wenn der Ansatz von elaborierten Texten auf C-Brakteaten um 500 n.Chr. als akzeptabel erscheint. Von den bis Ende 1988 bekannten über 900 Brakteaten zeigen 211 Inschriften, von einzelnen Zeichen bis zu längeren Texten (Düwel 1992b). Der Weg von der lateinischen Kapitalisinschrift bis zu deren Ersetzung durch eine Runenin-
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
schrift hat Düwel 1988 und 1992b genauestens untersucht. Ausgangspunkt stellt natürlich die Kapitalisinschrift dar, die auf acht Originalmedaillons und auf 29 Medaillonimitationen zu finden ist; Kapitalis-Imitationen und Runen zeigen 28 Exemplare, auf 154 Brakteaten (von 105 Modeln) finden sich reine Runeninschriften. Die Zahl der Runen-Brakteaten erreicht mit 182 also fast die aller übrigen Inschriften im Älteren Fumarie. Die Herkunft der Medaillonimitationen zu ermitteln ist schwierig bis unmöglich, aber zumindest für diejenigen mit Runenzeichen kann man eine Entstehung in Skandinavien annehmen. Die A-Brakteaten zeigen nun eine genügend große Ähnlichkeit zu den Medaillons, daß beide "als einheitliche Gruppe in zwei aufeinander folgenden Zeitstufen verstanden werden können." (Hauck 1985:73). An A-Brakteaten sind 85 Exemplare bekannt (RGA:347-76, davon 32 mit Runen), davon haben 47 eine Inschrift (8x Kapitalisimitation, 12x korrekte Runeninschriften, der Rest gemischte Inschriften). Bei den B-Brakteaten zeigen die insgesamt 83 Stücke 39 mal eine Inschrift, davon 26x mit reinen Runen, und bei den 104 beschrifteten C-Brakteaten liegt der Anteil der reinen Runeninschriften schon bei 95%. Für Düwel 1988:78f geht der Weg deshalb "von der Kapitalis-Nähe über Imitation mit der Aufnahme von Symbolen, unbestimmbaren und runenähnlichen Zeichen hin zu korrekten Runenfolgen und -inschriften.". Im Laufe der Zeit treten Kapitaliselemente immer mehr zurück, und die Runen setzen sich durch. Wenn im Falle von gelochten oder geösten römischen Münzen, die in Gräbern gefunden wurden, nicht eindeutig entschieden werden kann, ob sie als Schmuck, als Totenmünzen oder als Amulette fungiert hatten, so kann doch für die Brakteaten eine Hauptverwendung als Amulette angenommen werden (Munksgaard in RGA:341, Hauck 1985:11). Die häufige Imitation von Kapitalisinschriften ohne Rücksicht auf ihre Lesbarkeit zeigt, daß diesen Inschriften magische Kräfte unterstellt wurden; die Runenzeichen und -inschriften übernehmen im weiteren Verlauf diese Funktion. Aus der Entwicklung aus Kapitalisimitation und aus ihren magischen Inhalten lassen sich viele der Besonderheiten der Runenbrakteaten-Inschriften erklären oder motivieren, ohne daß man - wie Moltke es zu gerne tut - alle "Schuld" dem unfähigen Goldschmied zuweisen muß. Natürlich können Fehler bei der Kopie einer Vorlage nicht völlig ausgeschlossen werden, aber dennoch können für uns heute bedeutungslose Runensequenzen nicht einfach als das Endprodukt eines Depravierungsprozesses abqualifiziert werden. Sie gehören vielmehr nach Düwel 1992b in den weiteren Horizont des spätantiken heidnischen und christlichen Amulettwesens, ihre Unverständlichkeit garantierte das nur Magiern und Priestern zugängliche geheime Wissen. Für die interne Chronologie der Runenbrakteaten ist Müller 1986:466f zuzustimmen: Am Anfang der Brakteateninschriften standen nicht die "komplizierten runenschriftlichen Fixierungen eines germanischen Textes", sondern einfache Elemente auf einem niedrigen Schriftniveau. "Die eindrucksvollen Beispiele von Brakteateninschriften mit Nennung von Runenmeister- und Sakralnamen, von Glücks- und Segensformeln markieren einen Höhepunkt des Aneignungsprozesses auf der Schriftebene, nicht deren An-
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fang.". Doch selbst diese für uns am besten verständlichen Texte können zwar auch Mitteilungsfunktion haben, dienten aber "in erster Linie der Kommunikation mit übermenschlichen Wesenheiten" (Düwel 1988:110). Welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für die Chronologie der Runenbrakteaten bzw. deren Inschriften? Wenn man wie Bakka 1977 und viele andere die Goldmedaillon-Imitationen um 400 beginnen läßt, kann man nach 15-20 Jahren mit dem Einsetzen der Brakteaten-Überlieferung rechnen. Während dieses Zeitraums gibt es auch die ersten Ansätze für das Eindringen von Runenzeichen in die Kapitalislegende bzw. deren Imitation (Mauland) und nur in Ausnahmefällen eine reine Runeninschrift (Svarteborg). Wenn A- und C-Typen am Anfang der Brakteaten-Überlieferung stehen, dann wäre bei ihnen mit einer gewissen Zeitspanne zu rechnen, in der die Runenschrift sich gegenüber der Kapitalis-Imitation allmählich durchsetzt, und in deren Endphase der Beginn der B-Brakteaten-Überlieferung fallen sollte1. Eine runde, wenn auch durchaus willkürliche Jahresangabe wäre etwa 4S0; die Hauptmasse der reinen Runeninschriften auf Brakteaten dürfte um oder nach diesem Zeitpunkt datieren. Die reinen D-Brakteaten zeigen kaum Runeninschriften - als Ausnahme sind die fünf zum F-Typus gerechneten Runenbrakteaten zu bewerten. Wann sie beginnen, und wann die C-Brakteaten enden, ist derzeit nur ungefähr abzuschätzen. Der Ansatz von Bakka 1977 von 525 als Beginn der Stufe VWZIV und der DBrakteaten beruht ausschließlich auf seiner Einstufung des Grabfundes von Fingelsham D 3, wie oben dargelegt wurde. Malmer würde den Beginn der D-Brakteaten ein Stück ins 5. Jhd. hinein befürworten. Mir erscheint als Kompromiß zwischen Bakkas und Malmers Ansätzen ca. 500 für den Beginn der D-Brakteaten als Annäherungswert vertretbar. Daß C- und D-Brakteaten während einer längeren Zeit, eventuell auch geographisch unterschiedlich, gleichzeitig hergestellt wurden, wird durch den archäologischen Befund tatsächlich nahegelegt (Malmer 1977:110); u.a. spricht dafür ein Grabfund von Hauge in Klepp/Rogaland, der neben zwei C-Brakteaten auch eine Fibel im voll entwickelten Stil I aufweist. Für das Ende der C-Brakteaten würde dann ca. 530 - 540, wie bei Bakka 1977 angenommen, ein akzeptables Konzept darstellen. Aufgrund der Untersuchungen von Müller 1986 und Düwel 1988 und 1992b ergibt sich dann für die Runenbrakteaten: Unverständliche, verkürzende Runenbrakteaten, solche mit Palindromen, Anagrammen oder Alphabetreihen, v.a. auch solche, die Fremdzeichen einfügen, gehören mehrheitlich an den Anfang der Runenüberlieferung auf Brakteaten, d.h. um 450 und in die 2. Hälfte des 5. Jhds., solche mit längerem, sprachlich ausgefeiltem Text mehrheitlich an das Ende, um 500 und in die 1. Hälfte des 6. Jhds. Sicher ist ferner, daß Brakteaten i.a. keine sehr zuverlässige Informationsquelle für runologische Entwicklungen darstellen; auch bei der Konstatierung von sprachgeschichtlichen Veränderungen, die sich auf ihnen dokumentieren, sollte 1
Vgl. die Tabelle in RGA:348.
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man vorsichtig sein.2 Die vielen, oft verstümmelten Formelwörter wie alu oder laukaR sind in ihrer Etymologie oder Funktion umstritten (vgl. dazu als die letzten mir bekannten Publikationen H0st 1981 und Saltveit 1991), machen aber den Hauptbestand der Texte aus. Außerdem ist bei Brakteaten fraglich, wer für die Runeninschrift verantwortlich ist, ob ein schriftkundiger Goldschmied sie ausgeführt hat, oder ob ein Runenmeister eine Vorlage herstellte, die der Handwerker dann kopierte; möglicherweise wurden auch alte Brakteat-Vorlagen kopiert. So ist es durchaus möglich, wenn auch nicht kontrollierbar, daß auch elaborierte Texte auf Brakteaten eine mehrere Jahrzehnte ältere Sprachstufe wiedergeben; da allerdings die angenommene Zeitdauer, in der wir elaborierte Texte erwarten dürfen, nicht sehr umfangreich ist, kann der letzte Punkt wohl vernachlässigt werden. Neben den Fu)jark-Inschriften auf Brakteaten, die am ehesten der Zeit um 500 zugewiesen werden können, gehören zur Gruppe der elaborierten Texte noch die folgenden Brakteatinschriften: Der B-Brakteat von Skodborg zeigt die Inschrift: auja alawin auja alawin auja alawin j alawid; die j-Rune hat hier wie auch auf den Brakteaten von Vadstena und Darum V bereits die volle Zeilenhöhe, die vierte j-Rune der Inschrift ist als Wenderune aufzufassen. Die dreimalige aw/a-Formel soll nach Krause/Jankuhn 1966:241 "die magische Wirkung verstärken". Das auch auf dem Brakteaten von Seeland Π belegte Wort auja soll nach op. com. "Glück, Heil" bedeuten, lediglich Moltke 1985:117 erschließt aufgrund des Textes von Seeland Π die Bedeutung "Sicherheit, Schutz", alawin und alawid sind auch aus ahd. Zeit belegte Personennamen, die hier im lautgesetzlich endungslosen Vokativ stehem könnten. Für die vierte j-Rune hat man eine verkürzte Schreibung für auja vorgeschlagen (Baeksted 1943) oder eine Begriffsrune j(ara) wie vielleicht auf dem Stein von Stentoften "gutes, fruchtbares Jahr" (Salberger 1961); eine verkürzte Schreibung j(a) < *jah für "und", wie bei Stiles 1984:30f und Gr0nvik 1987a: 125 postuliert, halte ich für unwahrscheinlich. Auch dem weiteren Vorschlag Gr0nviks, in alawin wie auf dem Brakteaten von Seeland Π den Gott Baldr zu verstehen, stehe ich eher skeptisch gegenüber. Moltke 1985:118 schließlich spricht sich dafür aus, daß es sich bei einer der genannten Personen um den Runenmeister gehandelt haben müsse, da kaum für zwei verschiedene Leute gleichzeitig um Schutz gebeten würde; er setzt den Namen als jalawid an, der aber ein Unikat wäre. Für Klingenberg 1973:231f ist die vierte j-Rune wie auch die letzte Rune M als Begriffsrune Moltke 1985:113 vertritt einen extremen Standpunkt, was die Interpretation von Brakteatinschriften betrifft: "Philologists have turned to them with relish - the many mysterious words and word-combinations might quicken the imagination and powers of reconstruction of Dr Dryasdust himself - and there is no end to what has come out of the dustbin - that is the right word for the whole clamjamphrie of bracteate interpretations that philologists have produced from Sophus Bugge onwards: all because they made the mistake of seeing inscriptions on bracteates in the same light as inscriptions on stones."Richtig ist daran jedenfalls, daß man mit der Annahme von verkürzten Schreibungen und v.a. mit der von Begriffsrunen nicht vorsichtig genug sein kann, weil viele der Inschriften schlicht korrupt sind.
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j(ara) und d(agaR) "heller Tag" zu lesen, in alawi(n) wäre der auslautende Nasal vor homorganem Verschlußlaut nicht geschrieben; wir hätten damit den einen Adressaten Alawin, dem Heil und Glück gewünscht wäre für den gesamten Jahresverlauf. Wenn man mit Begriffsrunen zu operieren bereit ist, erscheint diese Deutung am ansprechendsten. Weitere runologische oder sprachgeschichtliche Aussagen ermöglicht dieser Text nicht. Der C-Brakteat von Seeland II bietet den Text hariuha haitika : farauisa : gibu auja : Baumrune. Die letzte Rune läßt sich als dreimal übereinander geschriebene t-Rune lesen; sie hat ihre genaue Parallele auf dem 1987 gefundenen Stein von Malt und wird als dreimalige Anrufung des Gottes Tyr verstanden (Krause/ Jankuhn 1966:262); drei hintereinander geschriebene t-Runen bietet auch das Amulett von Lindholm. Interessant ist die Form der j-Rune {, die vielleicht einen formalen Vorläufer der späteren Form X darstellen könnte, vgl. unten unter 4.1. Die k-Rune schließlich hat die Form sie stellt in der Entwicklung < > Λ > λ > Y > Y eine wichtige Übergangsform dar. Der gesamte Text ist zu verstehen als "Ich heiße Hariuha, der Gefährliches Wissende (oder: der sich im Reisen/Umherfahren auskennt); ich gebe Glück/Sicherheit.", würde also von der Textklasse her den eril-Inschriften nahestehen. In fara-uisa steht die u-Rune statt des zu erwartenden w, wie in den Inschriften des Jüngeren FuJjark; in runologischer Hinsicht kann die Inschrift also als recht fortschrittlich charakterisiert werden. Strittig ist eigentlich nur die Interpretation des Wortes farauisa, mit dem der Runenmeister sich charakterisiert: Krause, Klingenberg Moltke und Nielsen stellen den ersten Bestandteil zu aisl.fár "Gefahr" und würden mit "jemand, der gefahrliche Kenntnisse hat" übersetzen, würden also den magischen Charakter des Runenschreibens betonen, andere (wie z.B. Bugge, H0st, Andersen, Antonsen) stellen den ersten Bestandteil zum Verb aisl. fara "reisen, sich fortbewegen", kämen also zu einem "Fahrtenkundigen". Da Odin in der anord. Mythologie der "Wanderer" par excellence ist, könnte sich in dem Beinamen wie vielleicht auch im Namen hariuha ("der Kampf-Junge" Krause/Jankuhn 1966:262, "der Kampf-Höchste" Antonsen 1975:65f, "der Kampf-Uhu"?) eine enge Bindung des Runenmeisters an den Gott Odin dokumentieren, die auch in anderen Runeninschriften und in eddischen Liedern zu belegen ist (dazu ausführlich Klingenberg 1973); der Anschluß an das Verb fara erscheint deshalb für eine Gesamtinterpretation der Inschrift überzeugender. In sprachgeschichtlicher Hinsicht bleibt zu konstatieren, daß in den schwachen Maskulina hariuha und farauisa das auslautende -n bereits geschwunden ist, dieses Lautgesetz also wohl vor 500 datiert. Einen Parallel-Beleg bietet der Brakteat von Körlin in waiga, vielleicht auch der Brakteat von Darum I in frohila und Darum V in niujil(ä), alle weiteren Belege sind nochfragwürdiger.Ein terminus post quem läßt sich nicht sicher angeben, da es sich bei dem einzigen Beleg mit erhaltenem -η: kepan auf dem Stein von Belland nach Krause/Jankuhn 1966:188f wahrscheinlich um eine Form des Gen.Sg. handelt; die Beweisführung mittels des verlorenen und nur in einer Zeichnung von Ole Worm erhaltenen Steins von Saude ist zugegebenermassen unsicher, wird aber durch interne Evi-
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denz bestätigt: Belland zeigt eine k-Rune der ältesten Form in voller Zeilenhöhe und eine e-Rune Γ1, kann also ins 5. oder 6. Jhd. datiert werden (Krause: um 500), eine Nom.Sg.-Form mit bewahrtem -n zu diesem Zeitpunkt ist kaum anzunehmen. Bei wita(η)dahalaiban auf dem Tune-Stein um 400 liegt ein Dat.Sg. vor. Thuesen 1988 schlägt für den Flistad-Stein verschiedene Interpretationsmöglichkeiten vor, deren wahrscheinlichste in der Folge glata den Nom.Sg. eines schwachen Maskulinums aus urn. *glatan ansetzt; eine Datierung dieser Inschrift in die Mitte des 6. Jhds., wie von Thuesen vorgeschlagen, scheint vertretbar und würde den Befund von Seeland Π bestätigen: «-Schwund um oder vor 500. Die stempelidentischen Brakteaten von Väsbv und Äskatorp zeigen ein stilisiertes Pferd, sind also dem Typus F zuzurechnen. Die Runen sind rechtsläufig um den ganzen Brakteaten herum angebracht, z.T. nachlässig geritzt, es finden sich Sturzrunen v.a. für u, und eine Rune Υ, die nach dem Zeugnis anderer Brakteaten vermutlich für steht (Krause/Jankuhn 1966:264). Die wahrscheinlichste Lesung des Textes ergibt uuigaR eerilaR fahidu uuilald, auch wenn hier einige Unsicherheiten enthalten sind. Der Name uuigaR kann vielleicht als Wi(n)gaR "der Weihende" aufgefaßt werden (so Krause/Jankuhn 1966:264, skeptisch Moltke 1985:118), eerilaR mit einer Binderune dürfte Entstellung der Formel ekerilaR, wie sie die Spange von Bratsberg bietet (sie findet sich auch auf anderen südschwedischen Brakteaten), sein. In fahidu ist eine ungewöhnliche Schreibung für fahido, das der Stein von Rö belegt, zu sehen, und uuilald, das auch auf dem Brakteaten von Over-Hornbaek Π gelesen werden kann, übersetzt Krause als "Kunstwerk", was aber schon wegen der angenommenen 1-Rune als fraglich gelten muß. "Ein Name "der Weihende" würde gut zur Selbstbezeichnung des Runenmeisters passen, könnte sogar als dessen kultische Identifikation mit dem Gotte Thor aufgefaßt werden [...] Falls die hier gegebene Deutung richtig ist, müßte der Brakteat wegen des Fehlens der w-Rune und der Wiedergabe des oLautes durch die «-Rune einer recht späten Zeit (gegen 580?) zugerechnet werden." (Krause/Jankuhn 1966:264). Klingenberg 1973:147f übernimmt die Lesung Krauses und übersetzt "(ich) der Eril, malte (schrieb) das listige Werk"; in den Doppelschreibungen sieht er den Ausdruck einer "alliterierenden, metrisch locker gebundenen Dichtersprache" und orthographische Ventile, die in eine Anordnung von 2x13 Runen (1x13 für die Nennung des Runenmeisters, 1x13 für sein Werk) resultieren. Der in mehrfacher Hinsicht fragwürdige Charakter der Inschrift läßt m.E. keine Schlußfolgerungen auf runologische oder sprachgeschichtliche Entwicklungen zu, allenfalls könnte man wegen der Parallele auf Seeland Π konstatieren, daß im Namen uuigaR eine Schreibung von /w/ mit einer oder zwei u-Rune zu dieser Zeit möglich war, die Blekinger Steine schreiben dagegen noch mehrfach die Rune ^. Der C-Brakteat von Âsum ist der größte und von den Bilddarstellungen her vielleicht der schönste aller bekannten Brakteaten; seine linksläufige Inschrift ist ziemlich korrupt, kann jedoch mit Hilfe der Inschrift auf dem Brakteaten von Fem0 einigermaßen sicher rekonstruiert werden. Auf Âsum stehen die Runen
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(e)eikakaRfahi, Krause liest die 2. Rune als Binderune und will hier das Formelwort ehe "Pferd" abtrennen (Krause/Jankuhn 1966:268); sprachlich sinnvoll ist hier nur das Ende der Inschrift, wo fahi entweder als verkürzte Schreibung für fahido (Rö)/fahidu (Väsby/Äskatorp) oder als lautgesetzlich bereits gekürzte Form wie auf dem Stein von Noleby aufzufassen ist. Auf Fem0 steht dagegen als Inschrift ekfakaRf, aller Wahrscheinlichkeit nach für ek fakaR ßahido) (DR Sp. 525, fakaR als Name vielleicht zu aisl./áitr, poetisch für "Pferd" zu stellen), und dieser Text hat wohl auch der Inschrift auf Äsum zugrundegelegen (DR Sp. 539, anders Krause 1971:176: fakaR könnte auch als Verschreibung für akaR stehen). Antonsen 1975:78 bietet eine eigene Lesung und Interpretation, die kaum haltbar erscheint: "Mare. I, Akaz [i.e. leader], the suitable...". Auch dieser Text bietet sich für sprachgeschichtliche Schlußfolgerungen nicht gerade an, ob fahi also mit Krause 1971:90 als Beleg für Schwächung und Synkope in Endsilben gelten kann, ist zumindest sehr fraglich. Der stark stilisierte C-Brakteat von Tjurkö I aus Blekinge wurde zusammen mit drei weiteren Goldbrakteaten und zwei Goldmünzen des Theodor Π (geprägt 443) gefunden. Er bietet die linksläufige Inschrift wurte runoR an walhakurne-heldaR kunimudiw, die Krause/Jankuhn 1966:274 als "Es wirkte die Runen auf dem welschen Korn Held dem Kunimund" übersetzt. Inhaltlich handelt es sich wie bei Seeland Π um eine Runenmeister-/Eiil-Inschrift, die hier allerdings in der 3.Sg. statt in der üblicheren l.Sg. gehalten ist. Poetische Elemente sind die rhythmische Sprache mit Anfangsstellung des finiten Verbs, die Stabreimbindung von wurte und walha sowie kurne und kunimudiu (vgl. Salberger 1956), ferner die Kenning walhakurne für "GOLD", als fremdes oder südländisches Korn, "wobei vielleicht schon zur Zeit unseres Brakteaten die Vorstellung von König Frodis Mühle Grotti, die Gold mahlte und von der daraus entstandenen Kenning "Frodis Mehl" = "Gold" (Snorra Edda) eine Rolle gespielt haben mag" (Krause/ Jankuhn 1966:273). Diese Auflösung der Kenning wurde, ebenso wie ältere Vorschläge (Bugge 1871:195, Wimmer 1887:213: PN Hjaldrá Valkorni) von Salberger 1956:5 und Gr0nvik 1987a: 150ff in Frage gestellt: Gr0nvik möchte die Namen als Adressatenformel an den Anfang der Inschrift stellen: "Hjaldr til Kynmund:", der folgende Vers bildet dann einen eigenständigen Satz mit Auslassung des Subjekts, die Präposition an steht absolut, und walhakurne wäre ein Beiname für Kunimund: "(han) "virket" runer pâ til/for Válkorn" (Gitfnvik 1987a:151). Als Stütze für diese Annahmen kann Gr0nvik allerdings nur die Parallele in seiner eigenen Interpretation der Fibel von Eikeland heranziehen. Der von anderen als Kenning aufgefaßte Komplex walhakurne wäre dann ein Beiname für Kynmund im poetischen Teil der Inschrift (vergleichbar etwa witandahalaiban auf dem TuneStein); er soll nach Gr0nvik synonym mit aisl. (Helgakviöa Hundingsbana Π), nynorsk valbygg "bordeum distichum", eine Gerste-Sorte, sein, um deren Einführung in Skäne und Blekinge sich Kynmund verdient gemacht haben könnte: "KunimunduR kan altsâ ha fâtt sitt tilnavn fordi han var en foregangsmann pà korndyrkningens omrâde og tok i bruk den nye vaelske sorten kora." (Gr0nvik
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1987a: 154). Ich halte die etablierte Interpretation für die überzeugendere. Das Verb wurte steht sprachgeschichtlich zwischen der Form worahto auf dem TuneStein und der Form orte auf dem Stein von By, anlautendes w- ist hier vor gerundetem Vokal noch bewahrt, inlautendes -h- bereits geschwunden, während es in walha- erhalten ist. In der Präposition an ist auslautendes -n er-halten, der Endsilbenvokal -a bereits geschwunden; die längere Form belegt vielleicht der MöjbroStein (frawaradaR ana hahai slaginaRiy, nach Gr0nvik 1987a: 152 handelt es sich bei ana und an um zwei Nebenformen, wobei die längere ursprünglich in betonter, die kürzere in unbetonter Stellung verwendet worden sei, hier auf dem Brakteaten von Tjurkö steht die kürzere Form bereits in betonter Stellung, könnte somit ein Beleg für die Bewahrung von auslautendem -n zur Zeit des Brakteaten sein. -kurne und kunimu(n)diu sind die lautgesetzlichen Formen des Dat.Sg. der neutralen a- resp. mask. u-Stämme (vgl. Tune: woduride). Die Runenformen sind die in der Brakteatenzeit normalen, mit = Π, = Τ und = für intervokalischen stimmhaften dentalen Spiranten). Als X aber weihe ich diese Runen'. Dabei wäre runoz mit rz abgekürzt, wie ähnlich auch sonst; J)o steht meiner Ansicht nach für APlf des Demonstrativ-Pronomens mit regionalem frühen Ausfall von [z] nach Vokal. Mit uilaldz kann auch ich nichts anfangen." (Seebold 1991b:485). Die neue Runenform (Nr. 8 der Inschrift) würde dann einen offenen vorderen Mittelzungenvokal bezeichnen, entstanden durch ¿-Umlaut des /a/ im Diphthong /ai/. Die Frage ist natürlich, ob es eine solche postulierte Form *œih jemals in einer nordischen Sprachstufe gegeben hat, oder ob die Kontraktion zu aisl. ά bereits vor dem Wirken des Umlautes eingetreten ist. Da wir keinen zweiten sicheren Beleg für dieses Verb im Urnord. haben, ist diese Frage nicht zu entscheiden; ich tendiere aber wegen ά eher zur zweiten Alternative. Wenn Seebold recht hätte, ergäben sich daraus natürlich sehr weit reichende Konsequenzen; seine Erklärung, der Runenmeister habe die neue o-Rune deshalb ins Fu£>ark aufgenommen, weil im Runennamen der alten o-Rune Umlaut eingetreten sei, ist prinzipiell akzeptabel.
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Wenn tatsächlich ein oder mehrere Runenmeister in der zweiten Hälfte des 5. Jhds. nach Sonderzeichen für die beiden Vokale /aï/ und /3/ gesucht hätten, so würden sie damit in einer schriftgeschichtlichen Tradition stehen, die im gesamten Bereich der Germania zu beobachten ist und die hier nur ganz kurz angedeutet werden soll: Die Entscheidung fallt immer zugunsten neuer Grapheme oder Digraphen/Ligaturen aus: Wulfila entscheidet sich für das got. Alphabet für Digraphen bzw. (Ende 4. Jhd.); der Merowingerkönig Chilperich I für neue Zeichen, die er aus den Runen oder dem Got. entlehnt (Ende 6. Jhd.); die altengl. Schreiber führen die Ligatur ein, in Runeninschriften des 10. Jhds. finden sich Schreibungen mit \ \ und -ffl für /ae/ und /•/; in der aisl. und anorw. handschriftlichen Schreibpraxis wird parallel zur Ligatur ae eine neue Ligatur für den hinteren Vokal entwickelt: so > ar > q, die später dann auch als Digraph geschrieben werden kann (dann allerdings für den Lautwert /0/). Im 1. Grammatischen Traktat wird die Begründung für diese Schreibpraxis geliefert: Die fraglichen Laute stehen in der Artikulation zwischen /a/ und /e/ bzw. zwischen /a/ und loi und sollten deshalb jeweils mit zwei Buchstaben wiedergegeben werden. Ob man dem noch Graphien wie talgidai auf N0vling oder r a ^ h a n auf Caistor-byNorwich hinzufügen sollte, möchte ich hier offenlassen. Akzeptiert man Seebolds Resultate, dann wären in diese Liste auch Runenmeister in Nordostjütland aufzunehmen (Ende des 5. Jhds.). Die Parallelität wäre noch weitgehender, wenn sich auch seine Interpretation des Brakteaten UFO Smâland als zutreffend erweisen würde, wo Seebold eine digraphische Schreibung für /Ol und eine Ligatur für /y/ erkennen möchte. Der Brakteat von UFO Smâland gehört zum C-Typ und hat bisher keine befriedigende Deutung; da hier rechts von der Öse zwei J>-Runen mit Wendeformen aufeinanderstossen, möchte Seebold auch hier zwei gegenläufige Inschriftenteile annehmen; indem er die w-Runen abermals als J> liest, kommt er zu folgenden Textteilen: ( )ual J>e h#luuj) und ( )##lad |>e aunuaf). Die erste fragliche Rune sieht aus wie ein lateinisches N, die am Anfang des zweiten Inschriftenteils mit einem weiteren Abstrich erscheint, und somit zwei nebeneinandergesetzten uRunen ähnelt; Seebold faßt dies als eine Binderune Sonderzeichen + u auf. Diesem Sonderzeichen möchte er nun den Lautwert /y/ zusprechen (daß es einen Vokal bezeichnen muß, ist klar): "Das gemeinte Wort ist am ehesten das, das ae. heolop-helm, ahd. helot-helm, as. helip-helm Tarnkappe' (abweichend anord. hulids-hjálmr) zugrundeliegt, also ein Verb, etwa mit der Bedeutung 'verbergen'." (Seebold 1991b:472); ual stellt er zu dem anord. Hapax valr "rund" und faßt dies als Ausdruck für die Münze/den Brakteaten auf. Die Aussage des 1. Teils wäre dann: "Der Brakteat verbirgt dich". Die angesprochene Person soll der Träger des Brakteaten sein, was mir wenig wahrscheinlich erscheint. Die korrekte Form des Pronomens sollte m.E. pik sein. Der 2. Teil beginnt mit dem als Neutrum aufzufassenden wylad, wohl dasselbe Wort wie auf Overhornbaek und auf den Brakteaten von Väsby und Äskatorp, das Krause/Jankuhn 1966 mit "Kunstwerk" übersetzt, was Seebold ablehnt. Er bietet aber keinen eigenen Ansatz. In der Folge
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auuvajt identifiziert er das letzte u als w, vor dem ein u-Diphthong stehen dürfte; davor findet sich dann noch die Folge au: "Und dieses ist nun meines Erachtens ein diakritisches Zeichen für die lautliche Veränderung des davorstehenden a, d.h. au bedeutet hier ein offenes o [sic! Th.B.] oder dergleichen. Das Wort wäre zu rekonstruieren als *au-(i)ja-, und das gehört ersichtlich zu auja, das mehrfach vorkommt und wohl den Brakteaten als Amulett bezeichnet." (Seebold 1991b: 47 lf). Wie dorthinein allerdings ein -w- kommen soll, ist mir rätselhaft. Im 2. Teil stünde also die Aussage "X schützt dich". Gegen den Texttypus ist nichts einzuwenden, aber in sprachlicher Hinsicht habe ich große Bedenken, Seebolds Vorschläge zu akzeptieren; seine postulierten Sonderzeichen sind also theoretisch durchaus möglich, aber nur mit derfragwürdigenEvidenz einer einzigen Brakteatinschrift, deren Interpretation man glauben kann oder nicht, muß das Ganze als zu unsicher bezeichnet werden. Dies gilt gleichermaßen für Overhornbaek 2 wie für UFO Smâland. Und schließlich der Einwand, der kommen muß: Wenn es denn solche Tendenzen gegen Ende der Brakteatenzeit gegeben haben soll, innerhalb Dänemarks den Zeichenbestand zu erweitern, warum endet diese Entwicklung dann in Skandinavien abrupt mit dem Ende der Brakteaten-Periode? Warum finden weder die neuen Runenformen noch die durch sie zu bezeichnenden Lautwerte eine Fortsetzung? Warum finden sie sich nur auf den Brakteaten, also aus der Hand von Goldschmieden? Warum nicht auf Kragehul (etwa in asugi&las) oder Lindholm? Die Entwicklungen innerhalb der englischen und friesischen Runenreihe zeigen eindeutig keinen Einfluß der "dänischen Spätformen", zumal "die Landnahme in Britannien vor der Zeit erfolgte in der die nordgermanischen Runen Spätformen entwickeln." (Seebold 1991b:504). Trotz dieser massiven Bedenken halte ich beide Grundthesen Seebolds: Brakteatinschriften könnten ineinandergeschriebene Teile enthalten und Formexperimente zum Ausdruck neuer Phoneme/Allophone zeigen, prinzipiell für möglich und für die Interpretation der Brakteatinschriften für potentiell fruchtbar.
3.2 Schmuck: Bratsberg, Eikeland, Fonnàs, Lousgârd, Âlborg, Skabersjö 3.2.1 Die Fibel von Bratsberg, Telemark Die näheren Fundumstände der silbernen Bügelfibel von Bratsberg (erstmals publiziert in Hougen/Olsen 1937:53-73; vgl. auch H0st 1976:93f) sind nicht bekannt; nach Krause/Jankuhn 1966:43 stand der Fund aber anscheinend in keiner Verbindung mit einer Grabanlage oder anderen Fundgegenständen. Aus dem hohen Abnützungsgrad der Fibel kann geschlossen werden, daß sie lange Zeit getragen worden sein muß, bevor sie in die Erde kam. Auf beiden Seiten des Bügels finden sich stilisierte, aber in den Formen noch nicht aufgelöste Tierfiguren; sie
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stellen die Grundlage für eine Datierung dar. Laut Bakka (zitiert in Gr0nvik 1987:174f) gehört die Spange ebenso wie der Âgedalfund in seine Stufe Völkerwanderungszeit ΙΠ, also in den Zeitraum ca. 475-525. Typologisch gehört die Spange an den Anfang dieses Zeitraums, Bakka schlägt ca. 475-85 vor. Diese Angabe wird von Gr0nvik 1987 übernommen und bildet einen Teil seines sprachgeschichtlichen und runologischen Grundgerüsts. Krause/Jankuhn 1966:44 setzen als ungefähres Datum 500 an, ebenso Antonsen 1975:67. Die Fibel zeigt auf der Innenseite eine Runeninschrift zwischen zwei Randlinien; sie nimmt aber nur etwa die Hälfte des vorgegebenen Raumes ein. Der Text der Inschrift lautet ékèrilók, mit einer vierfachen Binderune elœr flffc und der auch sonst belegten Binderune Auf die Inschrift und die Runenformen werde ich unten noch eingehen, sie stehen jedenfalls in Einklang mit der vorgeschlagenen Datierung. Für die Datierung der Inschrift stellt sich das übliche Problem von Inschriften auf Schmuckgegenständen: ist die Inschrift bei der Anfertigung des Schmucks angebracht worden oder erst zu einem späteren Zeitpunkt? Bakka setzt den Schmuck auf ca. 475-485 an, was sicher akzeptabel ist, Gr0nvik datiert daraufhin die Inschrift auf den gleichen Zeitraum, ohne diesen Ansatz zu begründen. Wenn die Inschrift mit der Anfertigung des Schmuckes gleichzeitig ist, so wäre der hohe Abnützungsgrad der Fibel irrelevant, Schmuck und Inschrift wären über einen gewissen Zeitraum benutzt und dann in die Erde gelegt worden. Im anderen Fall könnte die Inschrift mehrere Jahrzehnte jünger als die Fibel sein. Aufschlüsse bezüglich der höheren Wahrscheinlichkeit sind daher nur aus dem Charakter der Inschrift als Erilinschrift und aufgrund von runologischen Kriterien zu gewinnen; dazu unten mehr. Ich setze hier zunächst als Kompromiß die Zeit ca. 500 an. 3.2.2 Die Fibel von Eikeland, Rogaland Die vergoldete Bügelfibel aus Bronze wurde 1965 in einem reich ausgestatteten Frauengrab bei dem Hof Eikeland gefunden und von M0llerup 1965, 1966, Myhre 1966 und Liest0l 1965d publiziert. Krause/Jankuhn 1966 verzeichnen sie unter Nr. 17a, Antonsen 1975 unter Nr. 53. Myhre 1966:70 datierte die Grablegung aufgrund der Keramik und eben der Fibel in den Zeitraum 550-600, genauer näher an 600 heran, Krause/Jankuhn 1966:47 übernehmen diese Datierung als "aus der Zeit gegen 600". Bakka (zitiert in Gr0nvik 1987:50 und 174f) setzt sie in seine Stufe Völkerwanderungszeit IV, das entspricht dem Zeitraum ca. 525-575, was für die Fibel eine Datierung von "ca. 550 med romsleg margin" ergibt. Ich sehe keine Einwände gegen diesen Ansatz, die Lesung und Datierung (450 A.D.) in Antonsen 1975 sind unhaltbar, wie Knirk 1981 gezeigt hat. Auf der Rückseite der rechteckigen Kopfplatte befindet sich die rechtsläufige Runeninschrift; sie enthält mittels einer Binderune 24 Zeichen, die alle eindeutig identifizierbar sind und lautet transliteriert: ek wiR wiwio writu i ru-
Schmuck: Bratsberg, Eikeland, Fonnás, Lousgârd, Àlborg, Skabersjö
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noR asni. Bis auf kleine Abweichungen herrscht auch Einigkeit in der Interpretation: "Eg Vi skriv inn runer for Viva (ev. Vivja)..." (Liest0l 1965), "Ich Wir für Wiwio (?) ritze ein die Runen jetzt (?)" (Krause 1971:145), "jeg Vi for Vivja risser inn runer for kjaeresten" (Gr0nvik 1976, modifiziert in Gr0nvik 1987:53ff). Problematisch sind also lediglich die vier letzten Runen; Gr0nviks Ansatz der Folge asni als obliquen Kasus zu einem Substantiv *œsniR "Geliebte" fand weite Zustimmung und kann inzwischen als etabliert gelten. Wichtig für die Gesamtinterpretation ist aber auch die syntaktische Analyse: man kann die Inschrift als einen einzigen Satz mit dann allerdings auffallender Syntax auffassen (so Liest0l und Krause), oder zwei, dann jeweils elliptisch verkürzte, Sätze annehmen (so Gr0nvik 1976 und 1987 mit der Verbstellung als Argument). Die Frage der Verbstellung im Urnordischen ist ein Problemfall, man sollte nicht ohne weiteres auf die Regelung in altnordischer Zeit verweisen. Die urnordischen Inschriften belegen folgende Positionen: Anfangsstellung (z.B. Tjurkö: wurte runoR an walhakurne ...), Zweitstellung (z.B. Reistad: ek wakraR unnam wraita), und Endstellung (z.B. Gallehus: ek hlewagastiR holtijaR horna tawido); es gibt daneben aber offenbar durchaus die Möglichkeit, durch (emphatische) Voranstellung eines Satzgliedes das Verb erst an dritter Stelle zu setzen, der eindeutigste Fall ist für mich Stentoften: niuhA borumR niuha gestumR hApuwolAfr gAf j(era)4, dazu käme bei Lesung als ein Satz noch Istaby: AfatR hAriwulqfa hApuwulafR hAeruwulafiR war Ait runAR pAiAR5. Die anderen Fälle von Drittstellung des finiten Verbs, die Krause 1971:133f anführt, sind mit Ausnahme von eben eventuell Eikeland alles Belege für die Endstellung des Verbs6. Prinzipielle Einwände gegen die Möglichkeit, das finite Verb an dritter Position zu setzen, sind deshalb m.E. nicht möglich; aber man sollte in diesen Fällen dann doch wohl das topikalisierte Objekt in Spitzenstellung erwarten, im Falle von Eikeland also *wiwio ek wiR writu i runoR. So schlug Gr0nvik 1976:168ff vor, auf Eikeland zwei Sätze zu lesen: "Ich ViR (gehöre) der Vivja" und "(Ich) ritze Runen für die Geliebte". Der erste Teil wäre dann als Verlobungsformel aufzufassen, die Inschrift als Ganze könnte aus Anlaß der Übergabe des Schmucks an das junge Mädchen bei der Verlobung entstanden sein. Diese Analyse wurde von Knirk 1981 kritisiert. 1987 modifizierte deshalb Gr0nvik seine Auffassung: Der erste nominale Teil könnte auch als Adressatformel verstanden werden, vergleichbar den späteren (lateinischen) Briefeingängen vom Typ Innocentius episcopus Nidrosiensi archiepiscopo, und die Inschrift wäre somit zu übersetzen als "Ich Vir an Vivja: (ich) ritze Runen für Der Interpretation der letzten j-Rune als Konjunktion, wie von Gr0nvik 1987 vorgeschlagen, kann ich mich keinesfalls anschließen, vgl. dazu Kap. 3.3.1.4. Krause 1971:133 erwägt als Alternative: "Nach H. (ruht hier). H., H.s Abkömmling, schrieb diese Runen.". Mir erscheint es etwas künstlich, eine elliptische Schreibung anzunehmen, um so die Zweitstellung des Verbs zu retten. Das Kästchen von Garb0lle ist wegen seiner elliptischen Schreibung nicht eindeutig zu analysieren; Krauses Lesung einer Präposition i wird von Moltke angezweifelt (: Worttrenner).
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die Geliebte". Zu einer parallelen Analyse verweist Gr0nvik auf den Brakteaten von Tjurkö (1987:57). Die Adressatformeln zeigen allerdings immer den Briefsender in der 3. Person, weshalb Gr0nvik 1987:57 sich dann doch für eine genitivische Interpretation wie schon 1976 ausspricht, es aber jetzt für wahrscheinlicher ansieht, daß die Inschrift aus Anlaß der Grablegung auf dem (alten?) Schmuck angebracht wurde; der hinterbliebene Ehemann hätte damit also seiner Trauer Ausdruck verliehen: "den er Vis siste hilsen til Vivja." (Gr0nvik 1987:58). Ich halte die Interpretation Gr0nviks von 1976 für überzeugender als die von 1987; für die Datierungsfrage der Inschrift ergibt sich aber - wenn man keine der beiden Möglichkeiten ausschließen kann und will -: Die Fibel könnte ca. 550 für Vivja hergestellt und ihr zusammen mit der Inschrift geschenkt worden sein; die Inschrift könnte aber auch erst einige Jahrzehnte später aus Anlaß der Grablegung angebracht worden sein und damit doch nahe an 600 herangerückt werden. Als Arbeitshypothese bleibe ich zunächst bei dem Ansatz Mitte des 6. Jhds. In runologischer Hinsicht zeigt Eikeland folgende Charakteristika: die e-Rune hat die typologisch jüngere Form Μ, die R-Rune die jüngere Form ^ (einmal isoliert, einmal in der Binderune bzw. von entscheidender Bedeutung könnte die Form der k-Rune, die hier belegt ist, sein: die etwas beschädigte Rune entspricht am ehesten dem Typ X, mit halber bis dreiviertel Zeilenhöhe; sie kann aber auch parallel zu dem neben ihr stehen zu voller Zeilenhöhe ergänzt werden, wie schon Liest0l 1965 und Krause/Jankuhn 1966 ansetzten. Sie würde somit eine typologische Übergangsform in der Reihe < > ^ > A > Y > f und zugleich ein wichtiges relatives Datierungskriterium darstellen. Die Form der s-Rune auf Eikeland stellt sich formal zu der s-Rune auf Björketorp und Stentoften. Sprachgeschichtlich beweist die Inschrift, daß wiwaR (so auf dem Tunestein) bereits zu wiR (mit Langvokal) kontrahiert wurde, vergleichbare Entwicklungen sind z.B. für hlewa- (so auf Gallehus) > hie (so auf Stentoften?) und für *mawiR > an. mcer anzusetzen. Im Gegensatz dazu ist das auslautende -u in writu noch bewahrt, und auch der Akk.Pl. lautet noch runoR statt jüngerem runaR. Im Namen wiwio bezeichnet die o-Rune mit aller Wahrscheinlichkeit wie von Gr0nvik 1976 angenommen ein nach dem Schwund des auslautenden -n nasaliertes /Ö/, das sich später zu an. -u weiterentwickelte. Erste Synkope-Erscheinungen sind auch im Wort asni anzunehmen (Gr0nvik 1987:59), so daß sich auf der Fibel von Eikeland keineswegs "eine anscheinend willkürlich vorgenommene Mischung von früh- und späturnordischen Sprachformen" (Krause 1971:16) findet, sondern ein aus linguistischen Gründen zu postulierendes Übergangssystem (Gr0nvik 1987: 59f); dazu ausführlicher unten.
Schmuck: Bratsberg, Eikeland, Fonnás, Lousgârd, Âlborg, Skabersjö
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3.2.3 Die Spange von Fonnâs, Hedmark Die kostbare Relieffibel aus massivem Silber mit Goldfiligran und Granatsteinen wurde 1877 als Einzelfund beim Urbarmachen von Neuland in 1 m Tiefe entdeckt. Aufgrund der Ornamentik datierte sie Shetelig in NIaeR 111:1914:59 in die 1. Hälfte des 6. Jhds., Krause/Jankuhn 1966:47 setzten sie aufgrund des archäologischen Befundes und der Runenformen in die Mitte oder in die 2. Hälfte des 6. Jhds.; die Beurteilung der Runenformen ist allerdings problematisch. Bakka 1973:84 setzt die Spange von Fonnâs ins Fibelstadium 5 und damit "ungefähr in das erste Viertel des 6. Jahrhunderts", Haseloff 1981:207 in die Phase D von Stil I, was dem Zeitraum ca. 525/50-575 entsprechen würde, also etwas später als Bakka. Gr0nvik 1987:3lf übernimmt Bakkas Datierung für die Spange, bezweifelt aber, daß Schmuck und Inschrift gleichzeitig sind; bei dieser frühen Datierung würde sich seine Interpretation der Inschrift nämlich nicht in sein Zeitschema einfügen. Nach ihrer archäologischen Datierung sind die Fibeln von Eikeland und von Fonnâs etwa gleichzeitig, sie repräsentieren aber, beruhend auf Gr0nviks Lesungen und Interpretationen, zwei verschiedene Sprachstufen, genannt spràktrinn Π (eldre nordisk) und ΠΙ (yngre nordisk). Um diesen Widerspruch zu vermeiden, muß folglich die Inschrift auf Fonnâs jünger sein: "Selve Fonnâsspenna skal vaere läget en gang i tidsrummet ca. 500-ca. 525 (§ 5.2), sä det er helt pâ det rene at innskriften er yngre; sp0rsmälet er bare hvor gammel spenna kan ha vaert da runene ble risset inn. Gär vi forsiktigvis ut fra at spenna er läget ca. 515-525 og ble gitt til en ung kvinne da, ok at hun d0de som en gammel kvinne ok fikk smykket med seg som gravgave, sä kan innskriften - som etter sitt innhold mâ vaere skrevet i forbindelse med begravelsen - senesi dateres til omkring 580 (§ 5.2). For â fâ en rimelig varighet av sprâktrinn Π, tror jeg vi mâ gj0re bruk av denne senest mulige datering." (Gr0nvik 1987:177). Gegen eine solche Annahme ist im Prinzip nichts einzuwenden; dennoch hat sie natürlich etwas den Beigeschmack einer Notlösung. Nichts in den Fundumständen der Fibel deutet auf einen Zusammenhang mit einer Grablegung hin. Die Fibel dürfte sicher einer Frau gehört haben, da dieser in Norwegen häufige Typus in allen zweifelsfreien Fällen in Frauengräbern gefunden wurde (Bakka 1973: 62ff). Aber längst nicht alle Funde sind an Gräber anzuschließen, und laut Bakka stellen alte, über einen gewissen Zeitraum vererbte Fibeln als Grabbeigaben den Ausnahmefall dar. Der entscheidende Einwand liegt aber darin, ob man Gr0nviks Lesung und Interpretation der Inschrift akzeptieren will oder nicht, und in dieser Hinsicht habe ich große Bedenken. Die Inschrift verläuft in vier Reihen auf der Rückseite der Kopfplatte der Fibel; ferner steht eine einzelne linksläufige a-Rune auf der Mitte der Platte. Die Reihenfolge der Zeilen ist laut Krause/Jankuhn 1966:45 strittig, "auch die Lesung einiger Runenzeichen bereitet Schwierigkeiten, teils weil die Form nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln ist, teils weil der Lautwert nicht feststeht, teils schließlich weil
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überhaupt der Runencharakter strittig ist." Es gibt zahlreiche Interpretationsversuche der Inschrift: Bugge 1891:50ff, von Grienberger 1906:147ff, Noreen 1923: 378f, Marstrander 1949 und 1965, Klingenberg 1973:152Í7, gegen jede von ihnen wurden mit Recht starke Bedenken erhoben. "Alles in allem bleibt die Inschrift von Fonnâs noch immer rätselhaft; dabei möchte man nicht annehmen, daß sie lediglich magische Runen ohne Wortsinn enthält." (Krause/Jankuhn 1966:47). Auffallend an der Inschrift ist neben singulären Zeichen auch die Tatsache, daß mit Ausnahme der isolierten a-Rune sonst in der Inschrift kein Beleg für den in den urnordischen Inschriften häufigsten Laut /a/ vorzukommen scheint. Das führte zur Ergänzung von etlichen a-, aber auch anderen Runen an diversen Stellen der Inschrift, etwa bei Bugge 1891, der zu den 33 Zeichen der Inschrift nicht weniger als 18 ergänzte, um zu seiner Lesung zu kommen. Ich gebe hier die jüngste Lesung der Inschrift in Gr0nvik 1987:40: A Β C D
iAR : AA : rb : e wh : wwidulti wk : hu Al : klR
Die bei Krause/Jankuhn 1966:45 und anderen angesetzte Zeile E mit der einzelnen a-Rune beruht wohl auf einer Fehllesung: "Under mikroskop ser man en lang, litt uklart avgrenset strek ("staven"), men ingen sikre kvister (ogsâ ellers er det en del slike streker à se). Runene i rad Α-D er alle vesentlig tydeligere." (Gr0nvik 1987:37). Das Zeichen : in meiner Transskription steht für ein Trennzeichen, das von Marstrander 1949 als solches identifiziert wurde. Es hat die Form einer vielzackigen s-Rune, ist jedoch meist von geringerer Höhe als die anderen Zeichen der Inschrift, oft nur halb so groß; von anderen wurde es dennoch als gelesen, so auch von Krause, der aber Marstranders Idee nicht völlig ablehnt. In Zeile A wurde die 2. und 6. Rune von Bugge als , von Krause als und von Marstrander (und schon von Grienberger) als gelesen; formal entspricht sie am ehesten der Begriffsrune auf Stentoften. Die 5. Rune hat die Form einer im Gegensatz zur sonstigen Schriftrichtung der Zeile rechtsläufigen p-Rune wie auf dem Brakteaten von Grumpan (2); sie wurde mit (Bugge),
(Krause), (Marstrander) und in Analagie zur Geheimschriftpartie auf dem Rökstein von Gr0nvik wieder mit identifiziert. Die 9. Rune in Zeile A ist die normale b-Rune mit eckigen und zusammenhängenden Bukkeln, die 4. Rune in Zeile Β dagegen hat runde Buckel, die voneinander getrennt sind, eine Form, die sich auch auf den südgermanischen Inschriften findet. Bugge las sie als
, Krause als , Marstrander las sie als Binderune , transskribierte [> aber mit ν mit dem Lautwert u in Zeile C. Gr0nvik übernimmt Marstranders Lesung als Binderune. Die erste Rune in Zeile Β kann als i-Rune mit Kratzspuren (Bugge, Krause als Alternative) oder als Sturzrune w, deren Beistab nicht ganz an den 7
Vgl dazu Birkmann 1987:123f.
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Hauptstab herankommt, aufgefaßt werden (Krause, Marstrander, Gr0nvik). Das 10. Zeichen in Linie Β schließlich wurde von Bugge als , von Marstrander als , von Krause als Abschlußverbindung zwischen den beiden Rahmenlinien ("möglicherweise") und von Gr0nvik als gelesen. In Anbetracht all dieser problematischen Runen glaube ich nicht, daß aus der Inschrift der Fonnässpange allzu weitreichende Schlußfolgerungen gezogen werden sollten. Als gesichert kann gelten, daß die e-Rune die typologisch jüngere Form Η zeigt, daß die R-Rune wie auf Eikeland schon die Form X hat, daß die j-Rune (welchen Lautwert sie hier auch immer repräsentiert) volle Zeilenhöhe zeigt, und daß schließlich die k-Rune wie auf Stentoften und fünf weiteren Inschriften die Form Y als Übergangsstufe zwischen A und f hat. Die Spange von Fonnâs repräsentiert zumindest in diesem letzten Detail gegenüber der Fibel von Eikeland eine jüngere Stufe, aber nicht notwendigerweise einen Abstand von mehreren Jahrzehnten der Entwicklung.
3.2.4 Die Perle von Lousgârd Bei dem nächsten archäologisch datierbaren Schmuckgegenstand handelt es sich um eine Perle aus Holz, mit Bronzeblech umgeben, die in Grab 10 des großen Friedhofs Lousgârd auf Bornholm gefunden wurde. Das Körpergrab enthielt eine Bronzespange mit Tierornamentik, eine Bronzefibel, zwei Bronzearmbänder, ein Eisenmesser und 45 Perlen, der Grabfund wurde in die 2. Hälfte des 7. Jhds. datiert: "Gravens datering gives baade af det rektangulsere spaende og den naebformede fibula til yngre del af 7. aarh. eller senest omkring 700 e.K." (Becker in Moltke 1956:1). Die Runenperle wurde von Moltke 1956 publiziert, aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Inschrift ungefähr in der Mitte des 7. Jhds. angebracht worden sein sollte. Sie lautet: ? S Ν I Γ Τ -ϊ ? - Î Μ. für d e n ersten Teil bestehen drei Interpretations- bzw. Lesemöglichkeiten: 1) Die 2. Rune steht für wie auf Kylver, Charnay, Kragehul oder dem Hobel von Vi, dann muß die 7. Rune ein sein: ?jhiltn?\ 2) Die 2. Rune steht für wie auf Istaby, auch dann sollte die 7. Rune ein sein: ?Ahiltn?\ 3) Die 2. Rune wird als des Älteren oder Jüngeren Fuf>ark aufgefaßt, dann könnte es sich bei der 7. Rune um ein in der typischen Form des Jüngeren Fu|>ark handeln: ?shilta?. Nur bei der dritten Lesung ergibt sich eine sprachlich sinnvolle Form, man könnte dann den Gen.Sg. eines Frauennamens *AshiltaR ansetzen. Moltke 1985:161 urteilt höchst vorsichtig: "The only one of these that might make reasonable sense if judiciously supplemented seems to be the last, but obviously we dare not draw any very firm conclusions from such a tiny fragment of an inscription of some length.". Ähnlich beurteilt Gr0nvik 1987:188 die Inschrift. Ich will hier zunächst die Frage offenlassen, ob Lousgârd im Älteren oder Jüngeren Fufiark geschrieben ist, beides wäre m.E. möglich; nichts spricht jedenfalls dagegen, daß bereits zu diesem Zeit-
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punkt - vor oder nach der Alphabetreform - die Runenform Jf für sich aus ihren Vorstufen entwickelt haben könnte.
3.2.5 Die Spange von Âlborg Die Spange wurde 1964 bei Scheelsminde, Âlborg entdeckt; laut archäologischer Datierung von Ramskou (in Ärb0ger 1963) ist sie um ca. 700 anzusetzen, nach Becker (Briefzitat bei Nielsen 1969:24) stammt sie von ca. 700 oder aus der 1. Hälfte des 8. Jhds., wobei die Runeninschrift natürlich auch erst später auf dem Schmuck angebracht worden sein kann. Für Moltke 1985:347f ist es unwahrscheinlich, daß die Inschrift später als 800 ist; eine nähere Begründung für diese Ansicht finde ich bei ihm nicht. Auf der Rückseite der Spange finden sich fünf Runen, von denen die erste beschädigt ist, aber nur für oder stehen kann: r/κητΐ* =futis oder kutis. Dies wird als Genitiv eines Männernamens, des vermutlichen Besitzers der Spange aufgefaßt. Weder die Runenformen noch der Text der Inschrift ermöglichen eine genauere Einordnung oder weitergehende Schlußfolgerungen, dennoch erwogt Moltke 1963a: 123, es könne sich bei dieser Inschrift um "det aeldste exempel pâ anvendelsen af 16 tegns futharken (jfr. dog Lousgârdperlen)" handeln, ein Standpunkt, den er 1985 nicht mehr vertritt. Ich werde darauf im Zusammenhang mit der Frage nach der Entstehung des Jüngeren Fu{>ark unten eingehen.
3.2.6 Die Spange von Skabersjö Die bronzene Spange von Skabersjö hat in DR die Nr. 263, ihre Ornamentik besteht aus ineinander verschlungenen Tieren, die vorwiegend Vierfüßler repräsentieren. Sie wurde von Salin und Shetelig 1914 auf ca. 700 datiert, ebenso von Nerman 1947; Arbman 1955/56:93ff plädiert für ca. 800,0rsnes 1966:259 ordnet sie seiner Phase 3, die den Zeitraum 725-800 umfaßt, zu. Die Runeninschrift befindet sich in zwei Reihen auf der Rückseite der Spange an ihren Längsseiten; einige Reste von Runen finden sich auch in der mittleren Partie. Von diesen ist eigentlich nur die eine Reihe einigermaßen lesbar, zunächst stehen 24-25 R-Runen, dann der Text (r)a]>i(tu)kfaukafiaRsisinaiakasa/uf>uilaiinat; Die zweite Linie ist wie gesagt undeutbar. An Runenformen sind = , Y = und ^ = belegt, die Inschrift hat keine Trennpunkte. Nach Moltke 1985:354f (und schon in DR Sp. 319f) ist die Runeninschrift aber wesentlich später angebracht worden, etwa um 1025 (bzw. DR: Jelling- ell. mâske Efter-Jellingtypen). Das Argument in DR und bei Moltke liegt in der Runenfolge 26-28 asa bzw. asu, die dem Frauennamen Asa zugeordnet werden. Man sollte hier eher die
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Schreibung asa/u erwarten, aber es gibt zahlreiche andere Beispiele, die bei der Verteilung von Jf und ^ große Inkonsequenzen zeigen. Das Argument ist darüber hinaus abhängig von der Segmentierung und Interpretation der Inschrift, wie Nielsen 1969:25 feststellt: "Hvis man ser bort fra dette punkt, som er afhaengigt af tolkningen, er det intet til hinder for, at indskriften kan vaere samtidig med eller kun lidt yngre end spaendet.". Dafür spricht auch der archäologische Befund Nermans: "Emellertid finns det ingenting, som skulle visa, att runinskriften är yngre, tvärtom kan man av slitningen, som drabbat runoraa pâ samma sätt som andra partier av baksiden, se, att inskriften är frân i stört sett samma tid som själva spännet." (1947:129). Wenn diese frühe Datierung der Inschrift richtig ist - und sie erscheint mir als wahrscheinlich -, dann wäre sie der früheste Beleg, der eindeutig die Verwendung des 16-er Fu^arks aufweist, und zwar um etwa 700. Wenn die Umformung aber bereits so deutlich vor 800 erfolgte, dann gibt es kaum Gründe, die 25-50 Jahre älteren Inschriften, die nicht eindeutig einer der beiden Runenreihen zuzuordnen sind, nicht zum Jüngeren Fu|>ark zu rechnen.
3.3 Sonstiges: Vallentuna, Setre, Eggja, Blekinger Steine 3.3.1 Der Würfel von Vallentuna Das Fragment eines Würfels wurde im November 1980 bei der Untersuchung eines vendelzeitlichen Grabhügels im Gräberfeld von Rickeby ca. 500 Meter nördlich der Kirche von Vallentuna gefunden. Publiziert wurde der Fund von Sjösvärd/Vretemark/Gustavson 1983 in Lamm/Nordström, die in Fornvännen 76:186 angekündigte Publikation in einem der nächsten Bände ist m.W. bisher nicht erfolgt. Das Gräberfeld zeigt eine Kontinuität in der Belegung von der späten Bronzezeit bis zur frühen Vikingzeit. Bei dem Grab, in dem der Würfel gefunden wurde, handelt es sich um eine Brandbestattung, deren Überreste eine Schicht von 4x6 Metern im Durchmesser bei einer Dicke von wenigen Millimetern am Rand und 30 cm im Zentrum ausmachen. Diese Schicht war absolut einheitlich und wurde so sorgfaltig untersucht, daß die in ihr gefundenen Artefakte mit Sicherheit als Bestandteile der Bestattung anzusprechen sind. Man fand darin ca. 2000 Fragmente von Objekten und einige vollständige Gegenstände sowie große Mengen von menschlichen und tierischen Knochen. Zu den Fragmenten gehören nach dem vorläufigen Fundbericht die Reste eines Helms, eines Schwertes, Gürtelteile und Zaumzeug, Kämme, Trinkgefäße u.a. Es handelt sich also um ein ausgesprochen reich ausgestattetes Grab, daß große Ähnlichkeiten zu den Gräbern in Vendei und Valsgärde aufweist. Der Helm gehört zum Typ Vendei B2 in der Terminologie von Arwidsson 1977, bei ihr auf ca. 600 zu datieren, nach Arrhenius 1983 käme man schon einige Jahrzehnte ins 6. Jhd., bis ca. 560/70 zurück. Dazu passen die beiden C 14-Datierungen, die mit Hilfe der Holzkohle unternommen wur-
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den, und die 655 bzw. 615 mit der üblichen Marge von +/- 85 Jahren ergaben. Das Grab ist also mit großer Sicherheit vor 650 zu datieren, für die Gegenstände und damit auch für die Runeninschrift auf dem Würfel sollte ca. 600 ein kaum revisionsbedürftiges Datum darstellen. Insgesamt wurden mehrere hundert Bruchstücke von Würfeln gefunden, die sich zu mindestens drei kompletten Würfeln zusammenfügen lassen. Von diesen Stücken weisen fünf Runen auf, von denen vier zusammenpaßten und eine lesbare Inschrift ergaben; das fünfte Stück zeigt nur Reste von drei Runen, die bewahrte Inschrift ist also nicht vollständig. Folgende Runen sind mehr oder weniger deutlich zu erkennen:
χχχΝΙ*Ν*Ν*[ΊΚλ*Γ&Γ)ΧΧ
xxxhi/lAhAhAukRAlbuxx
Gustavson faßt m.E. völlig zu Recht die fünf Runen in der Mitte der Inschrift als haukR "Habicht", als Bestandteil eines Namens auf, das Wort sollte sich aus *habukaR > *haukaR entwickelt haben (-abu- zu -au- kontrahiert zeigt bereits der von Krause 1966:148 auf ca. 500 datierte Stein von Vânga in Västergötland: haukopur). Die Rune >|c hätte in der Inschrift somit den Lautwert /A/, wie in einigen anderen späturnordischen Runeninschriften, z.B. auf Stentoften, Björketorp, Istaby, Tveito und Eggja. Zu diesem Befund paßt perfekt die Form der k-Rune Y, die typologisch jünger als die Form A auf Eikeland (um 550), auf Lindholm und Kragehul, und als Yz.B. auf Fonnâs (um 580), auf dem Wetzstein von Str0m, auf den Steinen von Järsberg und Noleby, ist. Gleichfalls dazu paßt die jüngere Form der R-Rune X gegenüber älterem Y , ein Wandel, der wohl schon vor 550 durchgeführt wurde. Mit Y um 600 könnte eventuell der früheste Beleg dieser Runenform überhaupt vorliegen (Gustavson 1983:146). Als Konsequenzen aus diesem Fund ergeben sich: 1) Die Verwendungsweise von % für /AJ beweist, daß j- im Anlaut bereits geschwunden sein muß (jara > ArA); in der Inschrift des Noleby-Steins steht diese Rune noch für , der Stein von Ârstad, den Krause 1966 u.a. als Beleg für den Schwund anführt, zeigt nach H0st 1976:87 nicht ungwinaR < *junga-winaz, sondern die Inschrift ek winaR. Der Würfel von Vallentuna ist somit der früheste sicher datierbare Beleg für den jSchwund. 2) Die Form des Namens oder Namenselements -haukR zeigt, daß um 600 die Synkope von -a- nach langer Silbe durchgeführt ist, was durch bArutR auf Björketorp oder tAitR auf Tveito und einige andere Formen auf den Blekinger Steinen bestätigt wird. 3) Wenn wir mit Gustavson 1983 als erstes Namenselement h-AhA, d.i. eventuell hlAhA- zu aisl. hleeja "lachen", ansetzen, so wäre hier wie in anderen zweiteiligen Personennamen dieser Periode der Fugenvokal noch erhalten (hariwulafR, hapuwolafR auf den Blekinger Steinen). 4) Nicht zu beweisen, aber doch als wahrscheinlich anzunehmen ist die folgende Schlußfolgerung: die drei Runen für entsprechen denjenigen, die auch auf Eggja für diese Laute geschrieben werden; der Inschrift von Eggja liegt mit größter
Vallentuna
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Wahrscheinlichkeit ein bereits reduziertes, mit 21 Runenzeichen operierendes Fujiark zugrunde; nichts spricht dagegen, daß auch die Runenreihe, die auf Vallentuna verwendet wurde, auf ein 21-er FuJjark zurückgeführt werden kann. 3.3.2 Der Kamm von Setre In einem Abfallhaufen im Inneren einer Felshöhle auf der Insel B0mlo zwischen Bergen und Stavanger wurde 1932 u.a. ein Knochenkamm gefunden, der auf Vorder- und Rückseite zwischen Kreisomamenten eine Runeninschrift von insgesamt 23 Zeichen zeigt. Zusammen mit dem Kamm fand man neben etwas Keramik und vielen Knochen auch eine Bronzefibel aus dem 5. oder dem Beginn des 6. Jhd.; der Fund wurde bereits 1933 von Olsen/Shetelig publiziert. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß über einer steinzeitlichen Schicht von Ablagerungen der Großteil der Keramik aus der Völkerwanderungszeit stammt; die darüber liegende Schicht ist ziemlich dünn. Die Bronzefibel und der Kamm lagen nahe beieinander, im gleichen Quadratmeterfeld, so daß Shetelig davon ausging, daß sie zum gleichen Zeitpunkt niedergelegt wurden oder vielleicht von ihrem Besitzer vergessen wurden. "Spennen tilh0rer perioden 5te-6te ârh. Kämmen 6te-7de ärh. De to stykker er efterlatt omtrent samtidig, sannsynligvis endog ved samme leilighet. Dette tidspunkt mâ da settes til slutten av 6te ârh." (Olsen/Shetelig 1933:31). Soweit der archäologische Befund, der durch die Interpretation der Inschrift vielleicht zu relativieren ist. Die Runeninschrift findet sich auf zwei der mit Kreisornamenten dekorierten Schalen des Kammes, die als (A) und (B) bezeichnet werden; auf der Schale (A) läuft die Inschrift boustrophedon, getrennt von einer Mittellinie (= A 1 + 2), auf der Schale (B) ist die Inschrift einzeilig, alle Zeilen sind rechtsläufig, die Runen klar und deutlich zu lesen. Die Runen der Α-Seite haben einheitliche Höhe und sind etwas feiner als die der B-Seite, deren Höhe zwischen 0,4 und 1,0 cm variiert; Krause/Jankuhn 1966:89 vertrat die Meinung, daß "beide Seiten von dem gleichen Runenmeister zu verschiedenen Zeiten beschrieben worden sein" könnten, während Gr0nvik 1987:10 diese Unterschiede auf die Schreiboberfläche zurückführt. Der Text lautet wie folgt:
Al: A2 Β
hai maR mauna alunaalunana
Ν*Γ M * À M * lì 1 4 ^ΓΠΐΜΓΜ^Μ
Die wichtigsten Interpretationen stammen von Olsen 1933 und Jacobsen 1935, zu denen Krause/Jankuhn 1966:90 meint: "Keine der bisher vorgetragenen Erklärungen überzeugt unmittelbar", dazu kommen zwei verschiedene Deutungen von
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
Gr0nvik 1976 und 1987. Ich referiere die Ansätze in der gebotenen Ausführlichkeit: Olsen deutete die Inschrift als ha(i)l mœr meyna! alu Na(nna)! alu Nan(n)a! "Heil (dir), Mädchen der Mädchen! Schutz (dir) Nanna! Schutz (dir) Nanna!". Als Anlaß für diese Inschrift denkt sich Olsen ein Gastmahl oder eine andere Feier, bei der Mann und Frau aus dem gleichen Gefäß tranken (drekka tvimenning), und an deren Ende der Mann die Runen auf den Kamm ritzte. In ha(i)l wäre eine ähnliche Verschreibung wie in ha(i)teka auf dem Amulett von Lindholm oder in da( i)lidun auf dem Stein von Tune anzunehmen, die Form meyna als Gen.Pl. zu aisl. mœr müßte als Nebenform zu regulärem meyja nach dem Muster von kvenna erklärt werden. Das zweimalige alu soll nach Olsen zu germ. *aluh- "Schutz" gehören, belegt etwa auch in got. alhs "Tempel", das allerdings nur im Nordgerm, einen frühen Sproßvokal aufweisen würde (der zum Altnord, hin dann natürlich synkopiert wurde); in altnordischer Form, die nach Olsen der Inschrift zugrundeliegt, würde aber der Ausruf çl, Nanna! çl, Nanna! vor allem auch im Kontext eines Gelages sehr leicht mißverständlich wirken. Da auch die Annahme einer Form alu "Schutz" auf dem Eggja-Stein eher unwahrscheinlich ist, wie im direkt folgenden Kapitel gezeigt wird, spricht vieles für den von H0st 1981 vorgebrachten Vorschlag, das runische alu in allen Kontexten mit çl 'Bier, Opferbier' gleichzustellen8 und den Ansatz eines *aluh- "Schutz" völlig aufzugeben9. Ein weiterer unklarer Punkt in der Interpretation Olsens ist die Frage, warum der Name Nanna gerade bei seiner ersten Erwähnung abgekürzt und beim zweiten Mal vollständig geschrieben wurde. Während Olsen in seiner Interpretation davon ausging, daß der Sprachstand auf dem Setre-Kamm im wesentlichen altnordisch war (also durchaus mit Eggja vergleichbar wäre), versuchte Jacobsen 1935 zu zeigen, daß in der Setre-Inschrift ausschließlich urnordische Formen zu finden seien (was mit ihrer "archäologischen" Spätdatierung des Eggja-Steines in der zwei Jahre zuvor publizierten Arbeit korrespondiert). Die beiden Inschriftenteile A und Β sieht sie als unabhängig voneinander entstanden an, Β sei typologisch älter als A (und von einem unerfahreneren Meister geschrieben); während Β nur magische Formeln enthielte, würde A eine gleichsam urkundliche Formel der Besitzübertragung darstellen. Als erstes Wort in Teil Β liest sie statt alu mit Hilfe einer Binderune einen Komplex ahu, der zu germ. *ahwo "Wasser" gehören soll, das folgende alu stuft sie als "trylleord" Etwa auf der Fibel von Vaerl0se in alugod, auf dem Kinneve-Stein in ..siRaluh, das Gr0nvik 1987:136 als alu + enklitische Konjunktion -h interpretiert, auf dem Amulett von Lindholm, dem Bronzebeschlag von Fosse, dem Stein von Elgesem und dem Ring von Körlin in isoliertem Kontext, und in den zahlreichen Brakteaten-Belegen wie Slangerup, Kläggeröd, Darum V, Skrydstrup, Fünen I und Schonen I, dazu noch in Spiegelrunen auf dem Runenstempel von Spong Hill. So auch schon bei Marstrander 1952:207 erwogen: "Bugges identifisering med got. alhs, gengs. ealh, gty. alah er formelt mer enn betenkelig. Ordet forekommer meg ... identisk med-/ "01, offer0l (libatio)"."
Setre
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ohne nähere Präzisierung ein, das dreimalige na schließlich bezeichnet sie als "virkeord" aus dem Vokabular der Magie, die irgendwie die Macht der Inschrift verstärken sollen; Teil Β wäre also insgesamt "en magisk formel til vaern for den person, som bar kämmen" (Jacobsen 1935:63). In Teil A sieht sie in der ersten Runengruppe ein urnord. Wort halmaR = aisl. halmr "Halm, Strohhalm", in der zweiten urnord. mauna, das sie als lat. Lehnwort manua "Besitzergreifung" (durch fränkischen Einfluß vermittelt?) identifiziert (laut Krause/Jankuhn 1966:90 eine "weit hergeholte Erklärung"). Das Ganze soll dann der alten Rechtsformel "mit Halm und Hand" vergleichbar sein, und durch die Niederlegung des Kammes hätte ein neuer Besitzer seine Ansprüche auf den Ort geltend gemacht: "Til styrkelse af handlingens retsvirkning har han forsynet kämmen med det i germansk ret vigtigste formularord ved ejendomsoverdragelse: «halm». Forinden er muligvis et halmstrâ, et r0r eil. lign. blevet henskudt af den gamie ejer til den nye." (Jacobsen 1935:71). Die Interpretation ist phantasievoll, aber kaum überzeugend, der "magische Inhalt" der Zeile Β wirkt eher als Notlösung; eine Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte bietet Gr0nvik 1987:17f. Eine Reihe weiterer Interpretationsvorschläge von Krause, Marstrander und Antonsen können unberücksichtigt bleiben, da sie gleichfalls mehr Ablehnung als Zustimmung fanden, oder im Falle von Krause später selbst aufgegeben wurden. Die m.E. beste und überzeugendste Interpretation der Inschrift des Setre-Kammes stammt von Gr0nvik 1976: Die Zeilen A und Β werden als zusammengehörende Aussage in der Form eines kleinen Verses aufgefaßt, der im Aisl. die folgende Form gehabt haben könnte: Hall-mcer má una, çllu ná(a), çllu nenna "Stein-m0y mâ tri ves, oppnâ alt, like alt", hai maR würde für einen zusammengesetzten Frauennamen stehen, mit dem ersten Kompositonsglied "Stein" wie z.B. in Hallgerdr und einem zweiten Bestandteil aisl. mœr "Mädchen, Jungfrau, unverheiratete Frau", ma = má wäre 3.Sg.Präs.Ind. zu dem Präteritopräsens mega, una würde soviel bedeuten wie "zufrieden sein, sich wohlfühlen, sich mit etwas abfinden". Die beiden Verben ná und nenna wären wie im Aisl. mit Dat. konstruiert, in der Bedeutung "erreichen, erlangen" bzw. "Lust haben zu etwas, das Herz haben zu etwas". Als Gesamtaussage erhalten wir den poetisch formulierten Wunsch eines jungen Mannes an sein Mädchen: "Ordene er forsiktig valgt, hver for seg vide i innhold. Men samlet fâr de en varm erotisk undertone: det er en manns kjaerlige og omsorgsfulle ord til en kvinne. Hallmœr er neppe hennes egentlige navn, men et situasjonsbestemt poetisk navn pâ 'den unge kvinnen i helleren, under steinen'." (Gr0nvik 1987:22). Diese Interpretation ist in ihrer Stimmigkeit spontan einleuchtend und überzeugend, so daß man es fast bedauert, daß Gr0nvik selbst sie in seinem Buch von 1987 wieder verwirft. Er wendet hier gegen sich selbst ein, daß hai und maR in zwei getrennten Wörtern geschrieben seien, und daß man im Aisl. in einem Aufforderungssatz eher einen Präs.Konj. als eine modale Umschreibung erwarten müßte. Daher liest er nun hai als eigenständiges Wort, als fem. Adj. hçll zu hallr "(zur Seite) geneigt, schräg, schief', das im Nynorsk noch erhalten ist, und gibt als Übersetzung: "hallande m0y kan una (om
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
m0ya hallar seg nedpâ, kan ho trivast), nâ alt, vera n0gd med alt" (Gr0nvik 1987:24), auf deutsch vielleicht "ein Mädchen, das sich zur Seite neigt/ niederbeugt, kann sich wohlfühlen, alles erreichen, mit allem zufrieden sein". Die Interpretation von 1976 war zweifellos dezenter, denn auch wenn Gr0nvik drei verschiedene Lesarten für diesen Satz vorschlägt (1: Man ißt und trinkt in fröhlicher Gesellschaft, und wenn das Mädchen sich mit einem Arm aufstützt, kann es bequem alle Speisen und Getränke erreichen; 2) ein krankes Mädchen wird von ihrem Vater aufgefordert, sich hinzulegen und zu erholen; 3) eine erotische Version), möchte man doch die eindeutig zweideutige Lesart klar bevorzugen, zumal in Skirnis fçr Str. 38 von GerÖr gesagt wird, sie solle nenna Njaröar syni, wo der Kontext einer Liebesnacht eindeutig ist, und die Wörterbücher "sich jmdm. hingeben" als Übersetzung vorschlagen. Dies ist auch das Ergebnis, zu dem Gr0nvik nach sorgfältiger Erwägung aller Möglichkeiten kommt: "Alt i alt mener jeg likevel â h0re en varm erotisk undertone i innskriftens forsiktige ord." (1987:26). Noch etwas deutlicher wäre die erotische Aussage, wenn man wie von Marstrander 1934 und Krause 1934 vorgeschlagen den Komplex mAunA als má unna auffassen würde, also statt "kann sich wohlfühlen" "kann lieben" in der Inschrift sieht. Der junge Mann könnte die Runen auf den Kamm eingeritzt haben und diesen dann etwas in die Erde eingegraben haben, in der Hoffnung, daß die magische Kraft der Runen auf das Mädchen in der gewünschten Weise einwirken sollten, ohne daß die anderen Leute davon etwas merken konnten. Wenn man dieses Szenario ungefähr akzeptiert, dann ergeben sich daraus Konsequenzen für die Datierung der Runeninschrift: der Kamm wurde in etwa der gleichen Tiefe der Kulturschicht gefunden wie die Bronzefibel aus dem Ende des 6. Jhds.; vom archäologischen Befund ausgehend sind beide als gleichzeitig anzusetzen. Unter der Annahme, daß der Kamm etwas tiefer vergraben wurde als die gleichzeitige Oberfläche, wäre dagegen auch ein etwas späterer Ansatz möglich, d.h. frühestens um ca. 600 oder in die 1. Hälfte des 7. Jhds. - dieser Vorschlag basiert allerdings auf einem guten Teil Spekulation. In runologischer Hinsicht steht die Inschrift des Setre-Kammes auf der gleichen Stufe wie der Würfel von Vallentuna um 600 und der Eggja-Stein in der 1. Hälfte oder Mitte des 7. Jhds.: Für orales /a/ steht ψ, die R-Rune hat die Form eine k-Rune belegt die Inschrift leider nicht, aber es kann wohl davon ausgegangen werden, daß sie bereits die Form Y gehabt haben dürfte, die um 600 älteres Y ablöst. Auch sprachgeschichtlich steht Setre zwischen Vallentuna und Eggja, die Synkope ist zumindest nach langer Silbe bereits durchgeführt in *halpu- > hçl , *nanpijan > nœnna , was zugleich bedeutet, daß in beiden Belegen der Umlaut bereits eingetreten sein muß und Phonem-Status hatte; für QIIU und mceR könnte man dagegen noch Allophone zu /a/ ansetzen, da die umlautbewirkenden Faktoren hier erhalten sind - zumindest in der Orthographie. Um die Bewahrung des -u in çllu erklären zu können, nimmt Gr0nvik 1987:27 an, daß wie im Fall von solu auf Eggja der Endsilbenvokal ursprünglich lang gewesen
Sette
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sein könnte und deshalb nicht synkopiert wurde; für çllu liegt aber auch eine rein morphologisch bedingte Bewahrung der Endung unabhängig von ihrer Quantität nahe, und bei sòl gibt es noch im Nisl. im Dat.Sg. in dichterischer Sprache (um die es sich ja auch auf Eggja handelt) die Variante sólu neben sòl (vgl. Kress 1982:70). Die Lautgruppe eines intervokalischen -w- ist zu Langvokal kontrahiert in *mawiR > mœR , ein Wandel, der schon ca. ein halbes Jahrhundert früher auf der Spange von Eikeland belegt ist. Auslautendes -n ist geschwunden in den beiden Inf.-Formen una und ncenna, ebenso wie im Akk.Pl. kaipa auf dem Eggja-Stein, gleiches gilt für auslautendes -g > -h in má; anlautendes w-, das auf den Blekinger Runensteinen in den wo/f-Namen noch geschrieben wird (vgl. unten), ist geschwunden in *wunan > una, wenn man Gr0nviks Interpretation akzeptiert, setzt man unna an, entfallt der Beleg. Die Assimilation von -Ip- > -II- und -np-> -raw- findet sich in hçll und nœnna. Das bedeutet, wie bereits von Olsen 1933 postuliert, daß in phonologischer Hinsicht schon auf dem Kamm von Setre im Prinzip nicht mehr von einer urnord. sondern von einer altnord. Inschrift gesprochen werden kann; die wichtigen "späturn. Veränderungen" der skandinavischen Sprachen wie Synkope, Assimilationen und Umlaute sind also seit dem 6. Jhd. anzunehmen, erste Ansätze dafür gibt es vermutlich schon seit dem Ende der Brakeaten-Zeit in der 1. Hälfte des 6. Jhds.
3.3.3 Der Stein von Eggja Die Steinplatte mit ihrer langen und schwer verständlichen Runeninschrift (Krause/Jankuhn 1966 Nr. 101) wurde 1917 beim Hof Eggja in Sogndal beim Pflügen gefunden; sie lag etwa 20 cm unter der Erdoberfläche mit der Inschriftenseite nach unten über einer kleinen Grabkammer, die einige wenige männliche Grabbeigaben (z.B. ein Eisenmesser und weitere Bruchstücke von Eisengeräten) aufwies. Ob die Armut der Beigaben auf eine Plünderung des stark zerstörten Grabes zurückzuführen ist, läßt sich nicht beweisen. Nordén 1934: 114 machte als erster darauf aufmerksam, daß es sich durchaus um ein Kenotaphgrab gehandelt haben könnte, eine Ansicht, der Gjessing 1943 zustimmte, da für die Grabkiste und die Leiche zwischen Deckplatte und Grundgestein allenfalls 20 cm an Höhe zur Verfügung gestanden hätten. Üblicherweise werden solche Leergräber für Menschen errichtet, die auf See oder in der Fremde umkamen. Die Inschrift besteht im wesentlichen aus drei Zeilen Runen, zwischen denen sich eine stilisierte und unvollständige Pferdefigur findet. Dieses Pferd liefert die wichtigsten Argumente für eine Datierung der Inschrift. Shetelig 1914:82 hatte das Grab aufgrund seiner Form und der geringen Beigaben ins 7. Jhd. datiert, das Pferd mit seinem "Vogelkopf' hielt er für typisch für den sog. aeldre Vendelstil,
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
den er im Anschluß an Salin 1904 gleichfalls im 7. Jhd. ansetzt10. Als spätest denkbaren Zeitraum schlug er 700-750 vor, für wahrscheinlicher hielt er 650-700. Aufgrund der sprachlichen Form der Inschrift, die dem damaligen etablierten Bild der Chronologie widersprach, tendierte z.B. Olsen zu einem möglichst späten Zeitpunkt, d.h. ca. 700 als eine Art von Kompromiß zwischen Archäologie und Philologie. Von Friesen 1933:24 dachte an "snarare mitten eller señare delen av 700-talet än dess böijan", Krause 1937:110 an den Anfang des 8. Jhds. Jacobsen versuchte sogar 1931:95ff zu beweisen, daß sowohl die Inschrift als auch die Pferdefigur im 9. Jhd. angebracht wurden. Ihr Buch hatte aus mehreren Gründen eine sehr große Bedeutung für die Diskussion der Eggja-Inschrift: zum einen stellte Jacobsens Lesung und Interpretation eine klare Verbesserung gegenüber der von Olsen 1919 und 1923 dar, zum anderen brachte sie ausgezeichnete Abbildungen des Steines, allerdings nicht vom Original, sondern von einem Abbdruck Photographien. Zunächst am meisten diskutiert wurde aber ihr zeitlicher Ansatz: Für Jacobsen steht die Eggja-Inschrift in sprachlicher Hinsicht näher beim klassischen Altnordisch, der Sprache der Edda- und Skaldengedichte, als bei den zu ihrer Zeit bekannten späturnordischen Inschriften; von diesen bis zur Sprachform auf Eggja müsse ein längerer Zeitraum angenommen werden. Eggja würde somit etwa zeitgleich mit den ältesten dänischen Runeninschriften im Jüngeren Fujjark sein; die Runenformen auf Eggja bezeichnen ein Übergangsstadium vom Älteren zum Jüngeren FuJjark und passen zu den Formen auf beispielsweise Snoldelev, Helnaes, Fleml0se, Sölvesborg, Vatn oder Tveito: "Disse Indskrifter saettes i Almindelighed til anden Halvdel af 8. og f0rste Halvdel af 9. Aarh." (Jacobsen 1931:88). Sie könnten sogar älter als Eggja sein, da das Altnorwegische stärkere konservative Tendenzen aufweist als das Altdänische; folglich sollten sich auch die Neuerungen zum Jüngeren Fujpark von Süden und Osten her nach Norwegen ausgebreitet haben, die frühesten Belege für die Übernahme in Norwegen finden sich auf Valby und dem Oseberg-Holzstab aus dem 9. Jhd. Daher bietet sich für Jacobsen 1931:90 folgende Perioden-Einteilung der Sprachund Schriftgeschichte an: Die Inschriften von ca. 200 bis ca. 600 repräsentieren den gemeingermanischen Sprachstand, von ca. 600 bis ca. 750 beginnt die Synkope, doch steht die Sprache immer noch näher am Germanischen als an den nordischen Sprachen; Hauptrepräsentant wäre etwa Stentoften (dessen Inschrift man heute um 600 oder davor ansetzen kann, vgl. unten). In der Zeit von ca. 750 bis ca. 900 ist die Synkope mit geringen Ausnahmen voll durchgeführt, die Sprache ist Altnordisch, und ein Hauptrepräsentant dieser Gruppe wäre eben Eggja. Daran würden sich im 10. Jhd. die Inschriften vom Typ Jelling anschließen. Diese Auffassung würde aber in klarem Widerspruch zur archäologischen Datierung von
Genauer wäre hier Vendelstil C in der Terminologie von Arwidsson 1942 anzusetzen, repräsentiert z.B. in den Gräbern von Vendei I und Valsgärde VII, die sie auf 650-700 datierte; nach der neuen Chronologie, die Arrhenius 1983 vorgeschlagen hat, wäre die Datierung auf ca. 600-630/40 zu korrigieren.
Eggja
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Eggja stehen - also muß diese falsch sein: das Grab war wahrscheinlich ausgeplündert worden, so daß die Beigaben keine Datierung ermöglichen; der Stein könnte nur einen Teil des Grabes bedeckt haben, das also ursprünglich monumentaler gewesen sein könnte, z.B. ein wikingzeitlicher Grabhügel; alle bekannten norwegischen Runensteine, die nachweislich im Zusammenhang mit einer Grabanlage standen, gehörten zu Grabhügeln: "Gründen hertil kan ikke vaere tvivlsom: det maa vaere den, at Runestene ristedes over den herskende Klasse, og at denne i œldre som i yngre Tidpaa ydre Vis 0nskede atfremhceve sine Grave." (Jacobsen 1931: 101). Es ist daher kein sicherer Beweis in die eine oder andere Richtung möglich. Es bleibt also die Pferdefigur: die Art der Anbringung der Runen auf dem Stein, die den Linien des Pferdes ausweichen, zeigt, daß diese vor den Runen angebracht worden waren, Olsens Auffassung, das Pferd sei nach den Runen angebracht worden, ist abzulehnen; damit ist allerdings nichts darüber ausgesagt, ob der Zeitunterschied ein großer war, ob Zeichnung und Inschrift zu verschiedenen Perioden angebracht wurden. Jacobsen nimmt durchaus an, daß beide vom selben Runenmeister stammen, doch ist auch der Gedanke, daß die Inschrift auf einem Fels mit einer alten sakralen Figur angebracht wurde, für sie nicht von vorneherein abzuweisen. Aber: "Virkeligheden er, at Eggja-Indskriften og Figuren f0les som en Enhed." (Jacobsen 1931:105). Das Eggja-Pferd hat große Ähnlichkeiten mit einem kleinen Bronzepferd aus dem Moor bei Veggerslev (Randers amt), das ins 7. Jhd. zu datieren ist; also liegt diesem Pferdetyp ein geographisch weit verbreitetes, traditionelles Modell zugrunde; ein ähnliches Pferd (allerdings mit Reiter) findet sich auch auf dem sehr viel späteren Runenstein von Skokloster in Uppland, dessen Inschrift vom Runenmeister Fotr im 11. Jhd. angefertigt wurde. "Herefter turde det vel vaere tilladeligt - ikke mindst under Hensyn til, dels at Eggja oppe i Sogn laa fjernt fra Vikingetidens kunstneriske Kulturcentrum og derfor sikkert har vaeret senere til at antage nye Former end de f0rende Egne, dels at det efter al Syndsynlighed drejede sig om en sakral Figur, hvor man gerne forsaetlig bevarede den konventionelle Form laengst mulig - at taenke sig Eggjum-Hesten udf0rt i det Aarh., der ligger midtvejs mellem Vendeltidens stilrene Fuglehoved fra Aker (6.-7. Aarh.) og Skoklosterstenens Rytter fra Uppsala (11. Aarh.), saaledes at den künde saetíes samtidig med Indristningen til fettste Halvdel af 9. Aarh." (Jacobsen 1931:107). Sie glaubt also, das Eggja-Pferd als eine archaisierend dargestellte Sakralfigur, die im 9. Jhd. eingeritzt wurde, aber auf ikonographische Muster des 7. Jhds. zuriickgriff, auffassen zu können. Damit wären die archäologischen Argumente für eine Frühdatierung der Inschrift für sie entkräftet. Jacobsens Argumente waren in den folgenden Jahren heftig umstritten, meist wurden sie abgelehnt: Almgren 1940:166 vertritt die Ansicht, daß auf Skokloster die Pferdefigur und die Runeninschrift nicht zur selben Zeit angebracht worden sein konnten, eine Auffassung, der sich Gjessing 1943 und Nerman 1947 anschlossen. Damit wurde eine Art Konsens etabliert, die Eggja-Inschrift auf ca.
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
650-700 zu datieren, wohingegen Christiansen 1959:167f Figur und Inschrift doch für gleichzeitig erklärt. Krause 1966:234 hält die Sprache der Eggja-Inschrift für nicht wesentlich jünger als die auf Björketorp (die er gegen 675 ansetzt), die k-Rune Y ist allerdings typologisch jünger als die Form Y auf Björketorp. "So mag die Eggja-Inschrift um 700 entstanden sein.". Gr0nvik 1985, 1987 und 1988 setzt für Eggja ca. 650-680 an und folgt damit der etablierten archäologischen Datierung. Für Lesung wie Interpretation der Inschrift ist es wichtig, für welche Reihenfolge der drei Zeilen man sich entscheidet, die von oben nach unten als (A), (B) und (C) durchgezählt werden können; (A) und (C) sind rechtsläufige, lange Zeilen, (B) besteht nur aus 10 Runen, unmittelbar unter dem Ende von Zeile (A), linksläufig und auf dem Kopf gestellt; sie ist also parallel zu den beiden anderen Zeilen zu lesen. Die meisten Interpreten entschieden sich für die Reihenfolge (G) (A) - (B) (so etwa Krause/Jankuhn 1966: 228), andere, wie z.B. Gr0nvik 1985 argumentieren für eine Lesefolge (A) - (B) - (C), v.a. aufgrund inhaltlicher Kriterien. Das wichtigste Argument, mit Zeile (C) zu beginnen, liegt darin, daß unterhalb davon noch einige weitere schwach geritzte Runen stehen, darunter ein Wort hin, mit dem die Zeile (A) beginnt; diese schwächeren Runen wurden als "Proberunen" (Krause/Jankuhn 1966:228) interpretiert, d.h. der Runen-meister hätte mit Zeile (C) begonnen, habe dann mit Zeile (A) zunächst unterhalb von (C) weitermachen wollen, sich aber dann entschieden, den weiteren Text oberhalb anzubringen, um schließlich zwischen beiden Zeilen den Abschluß der Inschrift zu piazieren. Ein weiteres Motiv, den Text mit Zeile (C) beginnen zu lassen, liegt vermutlich auch darin, daß dieser Teil des Textes auch graphisch am besten erhalten ist, am eindeutigsten lesbar ist. So sind am "Anfang" der Inschrift nur wenige Runen strittig, später im Text gibt es größere Lakunen, die je nach Interpret unterschiedlich aufgefüllt wurden. Ich gebe im Folgenden zunächst die Lesungen der einzelnen Zeilen, dazwischen die wichtigsten Interpretationsansätze von Olsen 1919, Jacobsen 1931, Heiermeier 1934 (für Zeile (C)), Nordén 1934 und 1936 (für die Zeilen (A) und (B)), H0st 1960, Krause/Jankuhn 1966, Nielsen 1968 und Gr0nvik 1985 und 1988 (abermals modifiziert 1990d).
(C)
nissolusotuknisAksestAinskorinni....maRnAkdanisn... niwiltiRmanRIAgi..
Olsen:
nis solu sot uk ni sálese stain skorin ni sati maR nakda ni snareR ni wiltiR manR lagi "Ikke er der truffet af Sol (d.e. Solen har ikke faaet skinne [ved Runestenens Tilveiebringelse]), og ikke er med Kniv Stenen skaaren. Ikke skal man biotte (Stenen), ikke skal hvass-0iede eller for Synkverving udsatte Maend (Personer) laegge (den)."
Eggja
Jacobsen:
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ni s solu sot uk ni sakse stain skorin ni [saidJmaR nakda ni snarpiR ni wiltiR manR lagi pa "Ikke er Stenen truffet af Sol og ikke med Jaernkniv skaaren, Ej skal Sejdmaend laegge den blot ej heller Maend, besnaerede eller vildledte (ved Sejd)."
Heiermeier:
ni s solu sot uk ni sakse stain skorìn ni stigamaR nakda ni snarpiR ni wiltiR manR lagi "nicht wird mehr von der Sonne beschienen der Stein und nicht von einem Schwert... zerschnitten. Möchten keine Wegelagerer, noch vom Wege abgetriebene, verirrte Männer (den Stein) bloßlegen."
H0st:
nis solu sot uk ni(s) sakse stain skorin ni rade maR nakdan is nip rinR, ni ailtiR manR lagi wil a/lagi na "Ikke er stenen hentet (brutt og hentet) i dagslys og ikke er stenen skâret med (jern)kniv. Ikke skal noen mann blottlegge den mens mâneneet rinner/ingen mâ foreta seg en besternt ting med stenen efter â ha blottet den i ne mâne. Forvillede (eller forheksede) menn skal ikke hekse ondt pâ den/vill-lette (forheksede) menn skal ikke legge den d0de i graven (mens ne'et renner)." (z.T. ergänzt nach H0st 1976).
KiiI:
ni s solu sot uk ni s akse stain skorin ni ragiR manR nakda ni snip ritR ni wiltiR manR angra "Ikke er ákene (d.e. de to steinhellene over liket) opps0kt med sol, og ikke er steinen skáren med skarp odd, ikke blotter arge menn, ikke skal skrà-snitt sette strek over, ikke voider forvillede menn fortred"
Krause:
Ni's sólo sótt ok ni sakse stœinn skorinn. Ni l[œggi] mannR nœkdan, is nip rinnR, ni viltiR mœnnR lœggi a[b]. "Nicht ist's von der Sonne getroffen und nicht mit einem (eisernen) Messer der Stein geschnitten.Nicht lege man (ihn) entblößt hin, wenn der abnehmende Mond (über den Himmel) wandert. Nicht mögen irregeführte Männer (den Stein) beiseite legen!"
102 Nielsen:
Archäologisch datierbare Runeninschriften
ni s solu sot uk, ni sakse stain skorin. ni satì maR nakda, ni snarpiR, ni wiltiR manR lagi at. "Ej s0ges af sol âg, ej skaeres af saks sten. Ej skal maend biotte (den), ej skal vrangvendte, ej ustyrlige maend angribe (den)."
Gr0nvik:
ni s solu sot uk ni sakse stain skorin ni (witi) maR, nakdan is n wrinR ni wiltiR manR lagis "Ikke i sol, og ikke med sverd, s0kes det til skâren stein. Ikke opps0ke (den) mann, som hyler over naken d0dning, (og) ikke forvillede menn, (dette) leiet!"
Die einzige Änderung in dieser Partie, die Gr0nvik 1988 gegenüber seiner früheren Interpretation überlegt, ist die Zuordnung der in der Lakune erschlossenen Form witi, die er 1985 zu dem seltenen Verb vita "beobachten, spähen, zu etwas hinsehen > aufsuchen" stellen wollte; 1988 hält er es für möglich, eine 3.Präs.Konj. zu vitja "besuchen, aufsuchen" anzunehmen, bei der sich die ursprüngliche Form *witje im Eggja-Dialekt unter den Bedingungen der Vokalharmonie bereits zu witi entwickelt haben könnte. Die ganze Zeile ist als traditionelle Grabschutzformel aufzufassen, deren Text im Kontext eines Kenotaphs widersprüchlich erscheinen muß: "Ved innvielsen av kultstedet her pâ Eggja brukte man da den formular man kjente fra f0r, uten â bry seg om at det var detaljer som ikke passet." (Gr0nvik 1988:44). Das Hauptproblem des ersten Satzes liegt in der Interpretation bzw. grammatischen Bestimmung der Form stAin, die von den meisten älteren Interpreten als Subjekt des Satzes aufgefaßt wurde; als Nom.Sg. wäre diese Schreibung aber nur dann korrekt, wenn man davon ausgeht, daß die Assimilation -nR- > -nn- zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten ist, was dann auch für das Partizip skorin(n) gelten müßte. Diese Möglichkeit besteht natürlich, da mit dem Schwund der Endsilbenvokale die Voraussetzung für die Assimilation gegeben ist. Allerdings resultieren aus dieser Annahme dann auch Probleme: Wenn steinn als Subjekt beider Teilsätze fungiert, müßte man im ersten Teilsatz als Partizip sóttr erwarten; eine Interpretation als unpersönliche Konstruktion (z.B. Krause/Jankuhn 1966) oder als vorangestellte Form ohne grammatikalische Kongruenz (z.B. H0st 1960) müssen als Notlösungen erscheinen. Ferner ist in dem Komplex manR die Assimilation offenbar nicht eingetreten, in Jacobsens Interpretation der ersten La-
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kune als saidmaR Nom.Pl. dagegen doch; sie muß hier mit graphischer Variation rechnen, also mit einer Inkonsequenz des Runenmeisters. Auch diese Lösung, die bei Nielsen übernommen ist, erscheint als nicht sehr glücklich. Nimmt man hingegen mit Gr0nvik an, daß die Assimilation noch nicht eingetreten ist, dann muß es sich bei stain um eine Akk.Sg.-Form handeln, und der gesamte Satz als unpersönliche Passiv-Konstruktion aufgefaßt werden. Dafür lassen sich zahlreiche Belege in älteren oder jüngeren Sprachstufen heranziehen, so daß in syntaktischer und morphologischer Hinsicht dieser Vorschlag am ehesten überzeugt. Ein Problemfall bleibt dann allerdings noch die Schreibung maR für maör (in der EggjaSprache manR) gegen manR für menn (in der Eggja-Sprache mœnnR), die Gr0nvik mit Unterschieden in der Aussprache von einfachem und geminiertem /n/ begründen möchte (1985:177). "Fordi det nemlig var 0nskelig â markere forskjellen mellom de to ordformene grafisk, og runealfabetet ikke ga anledning til â betegne skillet mellom vokalfonemene lai og !œ/, kunne det ligge naer â feste seg ved den mindre vesentlige forskjellen i uttalen av konsonantene." Natürlich ist auch dies möglich, aber mangels Parallelfällen sind die von Gr0nvik 1987:176f im Sg. und PI. dieses Lexems postulierten Ausgangsformen und Veränderungen weitgehend als hypothetisch zu beurteilen. So unterschiedlich die Ausfüllung der zweifelhaften Stellen und die angenommene Sytax der Sätze im Einzelnen auch ist - alle Interpreten sind sich darin einig, daß diese Aussagen/Sätze in magischer Absicht angebracht wurden, um den Stein und das Grab zu schützen. Daran scheinen gewisse rituelle Handlungen gebunden gewesen zu sein, sei es, daß die Inschrift in einer bestimmten Weise angebracht wurde (in der Dämmerung/im Dunkeln mit einem bestimmten Instrument), sei es, daß die Empfehlung ausgesprochen wird, die Grabstätte nur im Dunkeln und unbewaffnet aufzusuchen. Diese Verbote sind "in einer freilich sehr lockeren metrischen Form mit Stabreimen gehalten" (Krause/Jankuhn 1966:232). Wenn man diese funktionale Einordnung der Zeile (C) akzeptiert, dann könnte sie ebenso sinnvoll am Anfang der Gesamtinschrift als deren Einleitung wie an deren Ende (als Grabschutz-Formel) stehen, in beiden Fällen stellt sie eine separate Einheit dar; der paläographische Befund scheint eher für den Einleitungscharakter dieses Teils zu sprechen (vgl. oben). Die Zeilen (B) und (C) sind in ihrer Funktion wesentlich strittiger, wie ein Überblick über die wichtigsten Interpretationen deutlich macht: (A)
(B)
hinwarbnaseumaRmade{>aimkaibaibormof>ahunihuwaR ob kamharisahialatgotnafiskRoRf..nauimsuwimade foklif.a galandi isurki
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Den Anfang dieser Zeile und große Teile des Folgenden lesen die meisten Interpreten identisch, strittig sind im wesentlichen nur die Runen nach hari und die beiden Lakunen am Ende der Zeile; ich gebe deshalb zunächst die "normalisierte" Lesung und danach die unterschiedlichen Auffassungen und Interpretationen. Hin(n) varp nàsce madr mádi peim keipa í bormóBa húni Hverr ofkom ... hi â land gotnafiskr ...svimmandi fogl... galandi (im wesentlichen nach Olsen 1919). In der Folge naseu wird allgemein ηά-sœ = ná-séo = ná-sjó "Leichensee" als Kenning für "Blut" gesehen, made steht für aisl. mádi zu má "entfernen, abreiben, auslöschen, abwaschen", kaiba gehört zu aisl. keipr "Ruderpflock, Ruderklampe, Dolle", huni zu aisl. hunn m. "Junges, Bärenjunges" oder "Mastknopf, eine Umkleidung am oberen Ende des Mastes", vgl. aisl. Mnbora. Das Ganze scheint als Pars pro toto oder als Kenning einen Vorgang auf einem Schiff (oder einem Schlitten) zu bezeichnen, die Einordnung in einen Gesamtzusammenhang ist aber je nach Interpret sehr unterschiedlich. Olsen:
"Denne (Sten) over0ste Manden med Blod [egl. 'Lig-Sj0'] (og) skrabte med den (de med Runer beskrevne) Keiper paa 'borm0dig Hun' [d.e. Sieden, hvorpaa Stenen kj0rtes]." huwaR ob kam haris a hi a lat gotna "Hvem af (Rune)-Flokken er kommen paa (Stenen) hid i Menneskeland?" fiskR oRuki nauim suemade fokl if sliti na galandi s "Fisken, den faste i sit Forsaet, gjennem Lig-Str0mmen sv0mmende, Fuglen, som vilde gale (skrige), om den fik slide Lig." is alin misurki "er f0dt (eller: fostret) en Hevner [egl. 'Ulv']."
Nach Olsen 1919 und 1923 spricht der Text über ein heidnisches Ritual aus Anlaß einer Grablegung; der Runen- oder Grabstein sei dadurch geweiht worden, daß man ihn mit Blut Übergossen habe, danach sei er auf einem Schlitten zur Grabstelle gezogen worden. Auf den Kufen dieses Schlittens wären Runen eingeritzt worden, die während des Transports durch die Reibung des Steins abgeschabt wurden, wofür Olsen einen Beleg in Sigrdrífumál Str. 15-18 anführt. Das Ende der Inschrift stelle ein Namenrätsel dar, das den Namen des Toten verschlüsselt, und das von Olsen als "Ormari" aufgelöst wird (orm "Schlange" + ari "Adler"). In Zeile Β schließlich sieht Olsen die Aussage, daß dem Toten ein Rächer geboren sei, was die wichtigste Aussage der Gesamtinschrift darstellen soll. "Den Afd0de ligger uhevnet men alt hvad Samtidens Runekyndighed har for
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maaet, er blevet gjort, forat Hevnen skulde fuldbyrdes" (Olsen 1919:154). Kritik wurde v.a. an Olsens Ausfüllung der Lakunen geübt, auch daran, daß er Wörter ergänzt, die in der Inschrift nicht vorkommen; seine Rätsel-Auflösung findet in der Kenning-Sprache der Skalden keine Entsprechung und in der Zeile (B) bedeutet misurici doch eher "Übeltäter, Verbrecher" als "rächender Sohn". Dennoch war seine Interpretation in ihrer Gesamtheit so überzeugend, daß zunächst nur geringfügige Änderungsvorschläge gemacht wurden, bis Jacobsen 1931 eine Neu-Interpretation vorlegte, die im Wesentlichen aber auch in Olsens Denkbahnen blieb, trotz der an ihm geübten Kritik. Jacobsen:
"Hin Mand (= Manden, Runemesteren) sammeng0d Ligs0en (Offer-blodet), skrabede dermed [= med Offer-Blodet] Kejperne paa den nagleborede Baad." huwaR ob kam harsi a hi a lat gotna "Hvem kom her paa (seil. Baaden) hid til Hestenes Land (= Bakkerne ved Eggen)?" fiskR oR flaina uim suemade fokl i frakna il galandi (s) "Fisken, sv0mmende ud af Spydenes Str0m (= Blodet) = Spydet, gaeiRR, = GaeiRFuglen, skrigende ind i Spydenes Regn (= Kampen) = Vaagen, wákR = wakR." (s)a tu misurki "Han d0de [= blev draebt] ved Udaad".
Auch ihre Interpretation geht aus von dem Begräbnis eines verstorbenen Häuptlings unter der Leitung eines Runenmeisters; dieser habe in Zeile (C) ausgesagt, daß der Stein kultisch geweiht sei um Grabfrevel abzuwenden. Die Leiche des Toten, die in einem Boot in den Sognefjord gebracht wurde, wird in Form einer Frage in Zeile (A) angesprochen, nachdem zuvor in einer Totenzeremonie ein Blutopfer dargebracht und das Boot geweiht worden sei. Die Kenning "Land der Pferde" könnte sich darauf beziehen, daß der weitere Transport vom Fjord nach oben ins Gebirge auf einem von Pferden gezogenen Schlitten oder Wagen erfolgt sein müßte. Der letzte Teil der Zeile (A) würde dann in der Form eines Namensrätsels die Antwort auf die Frage zuvor geben und den Toten als GeirvakR benennen, der laut Zeile (B) durch ein Verbrechen starb. In der etwas auffälligen Formulierung hin maR, mit der sich der Runenmeister in Zeile (C) bezeichnet, könnte ebenfalls dessen Name verborgen sein: laut Snorri kann als heiti für ey/0y "Insel" hinn stehen, was als erstes Namenselement 0y- ergeben würde, und nach der Gleichung A = Β = C käme man für den zweiten Teil zu manR = hallR = steinn, ergo zum Namen des Runenmeisters als 0ysteinn.
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Nordén: 1934:
hin karb naseu maR made ]>aim kaiba i hormona huni "mannen ristade den (= runstenen) i liksjön (= ebbvattnet), avskavde med den (=med runstenen) ârtullarna i det borrtrötta skeppet."
1936
hin warb naseu maR made fiaim kaiba i hormona huni "man övergöt stenen med 'liksjö' (vatten), avskavde med den (=med ranstenen) kejkarna pâ den bärtrötta (lik)-kälken." huwaR ob kam haras a hi a lat gotna "vem av gengângarfoljet â (bâten?) (1936: stenen) kom hit till människornas land?" fiskR oR kili nauims (s)uwemade fokl af ham uijri galande "Fisken simmande ur lik-strömmens sund, Fâgeln galande frân höga trädet." alu misurki "Skyddsmedel mot ogärningsmannen/Trollmedel/besväijelsesmedel
Wie Olsen und Jacobsen geht auch Nordén davon aus, daß die Eggja-Inschrift Zeugnis ablegt von einem heidnischen Begräbnisritual; durch die Inschrift und das Kenotaphgrab soll ein gestorbener Verbrecher daran gehindert werden, als Wiedergänger zu erscheinen. Der Körper des Toten wurde nach der Interpretation von 1934 in einem versenkten Schiff im Fjord bestattet, in der Version von 1936 wurde er auf einem Schlitten ans Wasser gebracht, der ob des Gewichts des Mannes ermüdete. Der Runenstein wurde (1934) geritzt, während er sich im Wasser befand, oder (1936) er wurde mit dem Wasser, in dem man den Toten bestattet hatte, überspritzt - diese Zeremonie sollte den Wiedergänger im Falle seines Erscheinens im leeren Grab bannen. Der Fisch soll den Toten mit der Ebbe hinaus aufs Meer ziehen und der Vogel, ein Hahn, den Wiedergänger bei Sonnenaufgang zurück ins Grab krähen. Für eine solche Vogel-Fisch-Magie wäre allerdings der Eggja-Stein unser einziger Beleg, und auch von sprachlicher Seite lassen sich Einwände gegen Nordéns Interpretation vorbringen (vgl. Gr0nvik 1985:30): násjó und hers haben nirgends die Bedeutung, die Nordén annimmt, der Text der BZeile alu misyrki müßte, selbst wenn man ein Runenformelwort alu "Schutz" annimmt (was beim derzeitigen Stand der Forschung eher unwahrscheinlich ist), doch bedeuten: "Schutz für den Verbrecher" statt "Schutz vor dem Verbrecher". Dennoch wurde die B-Zeile in der Interpretation Nordéns von Krause 1937 über-
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nommen; sie findet sich auch noch in Krause/ Jankuhn 1966. Insgesamt sind beide Vorschläge Nordéns nicht akzeptabel; sein Verdienst war es jedoch, daß man den Gedanken an ein Namensrätsel am Ende der Α-Zeile fallenließ, das Olsen und Jacobsen in der Entschlüsselung soviel Scharf-sinn gekostet hatte, und daß man als letzte Rune der Zeile A statt besser lesen sollte, wodurch diese Zeile eine syntaktische Einheit darstellen kann. Die folgenden Interpreten übernahmen diesen Lesungsvorschlag. Kiil 1955:
"den andre (steinen) dekket over liksynet, mannen (el. en mann, neppe det avsvekte 'man') isletta ut pâ denne (d.e. pâ denne steinen) de vinkelforma innskjaeringene ('keipene') i (stein)borfnuggenes flak."
1964:
"Hin (d.e. den andre steinen) avb0yde likblikket, for den (el. pâ den) trakk mannen opp 'keivar' (d.e. venstrevendte runer?) i borflis-flaket."
1955:
1964:
1955: 1964:
huwaR ob kam harmi a hia lat gotna "Hvem f0rte 'minneordene (ettermaelet)/Hvem satte 'utsagnet' pâ renneteigen?" '"den meget vare' satte utsagnet pâ furenes tilliggende land (d.e. steinen med furene)." fiskR oRfirwa uim suemade fokl i frama sin galande "de t0rre landstrekningers fisk som sv0mmer i sikksakk, fuglen som galer for â oppnâ sitt 0nske, for â fremme sin vilje." "t0rrlendets fisk som lar 'vim' (d.e. ormeiter?) sv0mme (...), fuglen som galer i ett mens den flytter seg framover (...)." fai a misurki / falu misurki "fait pâ ugjerning" / "begrov forbryteren"
Die auch in der Übersetzung nur schwer verständlichen Aussagen, die Kiil auf dem Eggja-Stein erkennen will, laufen darauf hinaus, daß es sich bei dem Toten um einen Verbrecher gehandelt haben müsse, von dem die übrige Bevölkerung nun fürchten mußte, daß er als Wiedergänger die Gegend unsicher machen würde. Durch zwei über der Leiche angebrachte Steinblöcke, einer über dem Kopf, der andere über den Füssen, sollte er daran gehindert werden, sich zu erheben und mit seinem gefährlichen Blick (násjó) Schaden anzurichten. Dieser Teil der Interpretation ist kaum haltbar, da das Verb verpa niemals die Bedeutung haben konnte, die Kiil für seine beiden Versionen ansetzen muß ("bedecken; abwenden"). Auch
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einige andere der von ihm angenommenen Bedeutungen sind höchst zweifelhaft, so daß beide Interpretationen mehr Ablehnung als Zustimmung erfuhren. H0st:
"Denne sten stenket mannen (dvs. jeg) med magisk virkende sj0vann, skavet med det keipene i den borm0dige hun." huwaR ob kam haras a hi a lat gotna "Som hvem kom Her-áss (Odin) pâ den (hunen) hit til goterner (d.e. menneskenes) land?" fiskR oR fìrna uim suwimade fokl if. galande "Som fisken sv0mmende ut av likelven, som fuglen galende (lakune, kanskje "pâ fjellene")." a..u is urki Dette er NN's yrke.
H0st interpretiert also die Inschrift der Zeile (A) als Aufforderung des Runenmeisters an den Gott Odin, nach Eggja zu kommen und den gestorbenen Krieger nach Hei zu geleiten; der Gott, der dieser Bitte folgt, erscheint im Menschenland im Gewand eines Fisches und Vogels, um den Toten sicher über Flüsse und Berge zur Hei bringen zu können. Der entscheidende Punkt ist, ob man ihre Lesung haras statt haris/harsi wie frühere Interpreten akzeptiert; Nielsen 1968:117 hält die Neulesung für einen entscheidenden Fortschritt, Krause/Jankuhn 1966:229 kommentiert die Lesung mit "kaum möglich", übernimmt aber die Bedeutung "Heer-Ase" unter der Annahme einer Umstellung harisa = harías. In der Übersetzung von hverr, fiskr und fugl als "als wer?, als Fisch, als Vogel" beruft sich H0st auf eine parallele syntaktische Fügung auf dem Rökstein in der Interpretation von Bugge (die als überholt gelten kann, vgl. unten). "At nominativ av interrogative pronomener kan stà som adverbiell apposisjon eller l0st subjektspredikativ, fins det ingen eksempel pâ hverken i norr0nt eller i andre gammelgermanske sprâk, knapt nok i noe gammelt indoeuropeisk sprâk...Gerd H0sts oversettelse er altsâ basert pâ en syntaktisk type som ikke finnes. Dermed faller hele hennes tolkning av A2 og A3." (Gr0nvik 1985:44). Krause:
"Diesen (Stein) hier bewarf (der) Mann (= der Runenmagiker) mit Leichensee (= mit Blut), rieb mit ihm (= mit dem Blut?) die Dollen (?) in dem bohrmüden Boot (?) ab." huwaR ob kam harisa hi a lat gotna "Als wer (= in welcher Gestalt) ist der Heer-Ase (= Odin?) (oder: wer ist als Krieger) gekommen hierher auf das Land der Krieger (oder: der Rosse)?"
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fiskR oR firnauim suwimade fokl i fianda lif> galande "Fisch, aus dem schrecklichen Strom schwimmend, Vogel, in die Schar der Feinde schreiend." alu misurki "Abwehr gegen den Missetäter!" In syntaktischer Hinsicht lassen sich gegen Krause die gleichen Einwände wie gegen H0st vorbringen, von deren Interpretation er nur geringfügig abweicht; zu alu misyrki vgl. oben die Kritik an Nordén. Nielsen:
"Denne mand (dvs. den d0de) ud0ste blod (dvs. draebte sine fjender i s0slag), skyllede med det "keiperne" i den bortraette (dvs. af pile gennemborede og derfor synkefaerdige) bâd." huwaR ob kam haras a hi a lat gotna "Som hvem kom haerâsen (dvs. Odin) til (dvs. hvilken skikkelse tog han) her i menneskenes land?" fiskR oR fiada uim suwimade fokl a fiada li{> galande "Som fisk ud af pendens str0m sv0mmende, som en fugl mod fjendens skare galende." alu misurki "Vaern mod misgerningsmand"
Inhaltlich zerfällt der Teil (A) für Nielsen also in zwei Abschnitte: einen Gedenkteil in Gedichtform an den Toten, der in einem Seekampf seine Feinde besiegt hatte, ihr Blut vergossen und ihr mit Pfeilen durchbohrtes Schiff versenkt hatte, und in eine "Odinsanrufung" (oder ein "Glaubensbekenntnis"), in der auf Odins Aufenthalt im Menschenland angespielt wird, wo er in Gestalt eines Fisches und eines Vogels seine Feinde besiegt habe. Verbunden sind beide Abschnitte durch ihre religiöse Perspektive: der tapfere Krieger wird als Belohnung für seine Taten nach seinem Tode von Odin in Walhall empfangen werden. Ganz abgesehen von der Frage, ob der Text wirklich in Strophenform abgefaßt ist, wie Nielsen postuliert (z.T. aber nur durch Konjekturen in den Lakunen erschließt: galdralag), gelten für die Syntax des zweiten Teils der Zeile (A) dieselben Bedenken wie für die Vorschläge von H0st und Krause, die Nielsen übernimmt. Zudem wäre der von Nielsen vorgeschlagene Text ohne die ausführlichen, in Parenthesen gegebenen Erläuterungen kaum verständlich - weder heute noch in der Zeit des Runenmeisters und seines Publikums.
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Gr0nvik 1985 folgt einem Vorschlag, den Liest0l in seiner Rezension von Nielsen 1968 vorgebracht hatte, nämlich den Text der Zeile (A) mit einer Lakune beginnen zu lassen; ein Stück des Steines ist hier abgeschlagen, und es könnten nach der Schätzung Liest0ls etwa 7-8 Runen vor den ersten drei lesbaren hin gestanden haben. Die von allen Interpreten in der Nachfolge Olsens gelesenen Runen maR sind nach Liest0l und Gr0nvik eher als wilR aufzufassen (bereits Jacobsen hatte die a-Rune als 1 identifiziert, aber eine Verschreibung angenommen), das dann das Subjekt des ersten Satzteiles darstellen müßte, hin wäre als Akk.Objekt und naseu als Dat.-Objekt zu varp aufzufassen (also eine ähnliche Konstruktion wie in aisl. ausa e-η vatni anzunehmen)11. Den Anfang der Inschrift erschließt Gr0nvik ziemlich willkürlich als hiu pwerr "die Hausgemeinschaft schwindet, nimmt (zahlenmäßig) ab" und kommt damit zu folgendem Textbeginn: hiu £wer hin warb naseu wilR made J>aim kaiba i hormona huni "Huslyden minker (det minker med husstandsmedlemmer), over de 0vrige (dei hine) kasta WilR nâsj0: keipene máddes (ble utslitt, r0yk) for dem i den "bortr0tte" mastetoppen. huwaR ob kam harie a hit lat "Hvem brakte (f0rte) haeren over til hint land [= landet pâ den andre siden, det hinsidige landet]?" gotna fiskR oR firnauim suwimade foki af fanwanga landi "Menneske-fisken fra str0mfurene ved Firn0y, sv0mmende i fokket fra landet med de lysende vanger." ai au is urki "alltid (vasre, bli det) hjelp, nâr jeg dikter." Für Gr0nvik 1985 bilden die Zeilen (A) und (B) den Beginn der Gesamtinschrift (vgl. oben). Angesprochen sei ein Begräbnis, bei dem die Hausgemeinschaft der Toten anwesend war; diese waren auf einem Schiff im äußeren Sognefjord unterwegs gewesen und hatten dort Schiffbruch erlitten. Anhand der Detailangaben im Text kann man annehmen, daß es aufgrund von Abnützungserscheinungen und harten Winds zu einem Mastbruch kam ("hun-keipene r0yk), hoher Seegang (die "Leichensee") das Schiff überspülte und in die Tiefe riß. Die Leichen der Toten konnten vermutlich nie geborgen werden, was erklären würde, warum es sich bei der Grabkammer von Eggja um ein Kenotaph handelt. Als Verursacher
Die aisl. "Normalkonstruktion" mit verpa ist mit Präposition: verpa e-u â e-η (vgl. etwa Hávmál 158), aber zu dem semantisch vergleichbaren ausa gibt es gleichfalls beide Konstruktionen nebeneinander belegt: ausa e-η vatni neben ausa vatni á e-η, so daß die angenommene Konstruktion mit verpa durchaus angenommen werden kann.
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des Unglücks wird im Text WilR genannt, was von Gf0nvik als Nomen agentis (< *wihilaR) "den som vélir, som lurer, lokker, bedrar" aufgefaßt wird (eine jüngere Bildung sei der Name von Odins Bruder Vilir mit derselben Bedeutung, vgl. Gr0nvik 1985:67f). Angesprochen kann hier nur der Meeresgott JE gir sein, da menschliche Zauberer zwar den Wind, aber nicht die Wellen beeinflussen können; diese wird ja zusammen mit seiner Frau Ran auch in Egils Sonatorrek der Heimtücke beschuldigt: "Dette tilnavnet passer svaert godt inn i den situasjonen vi finner beskrevet i f0rste del av Eggjainnskriften." (Gr0nvik 1985:70). An einigen dieser Vorschläge Gr0nviks wurde Kritik geübt, und er modifizierte deshalb 1988 diesen Teil seiner Interpretation erheblich: Die Ergänzung am Anfang der Inschrift wird jetzt aufgegeben, ebenso wie die Annahme eines sonst nicht zu belegenden Meeresgottes WilR; für die erste Rune der Zeile liest er statt des von allen anderen angenommenen H die Rune Μ» weil es sich bei dem auf allen Abbildungen klar zu erkennenden Beistab der h-Rune teils um ein Farbband im Stein, teils um eine natürliche Vërtiefung, die sich auch noch links von der ersten Rune verfolgen läßt, handelt. Als erstes Wort ergibt sich somit min, das zusammen mit wilR als diskontinierliches Objekt (Akk.Pl.Neutr.) eines unpersönlichen Satzes aufzufassen ist. wilR könnte man dann unter der Annahme verschiedener morphologischer Veränderungen zu dem Adj. aisl. vildr "erwünscht, angenehm, gut" stellen und erhält so als erste Aussage der Inschrift: min warp naseu wilR "Over mine kjasre kasta det seg nâsj0" (Gr0nvik 1988:39). Ein weiterer Vorzug dieser Abänderung ist, daß nun der erste Teil der Inschrift syntaktisch parallel, mit zwei unpersönlichen Konstruktionen aufgebaut ist. Aus der grammatikalischen Form des Neutr.Pl. ergibt sich, daß sich die Schiffsmannschaft aus Frauen und Männern (eventuell auch aus Kindern) zusammensetzte, was auf den möglichen Kontext einer Thing-Fahrt oder eines Gastmahles schließen läßt. Danach wird die Frage gestellt und formuliert, wer das Heer der Toten, d.h. die ertrunkene Schiffsmannschaft ins Jenseits hinüber gebracht habe: "Sp0rsmälsformen her i Eggjainnskriften indikerer vel derfor at det som nâ kommer, er viktig religi0s eller mytologisk viten og angâr tidens religi0se tro." (Gr0nvik 1985:76). Der folgende Teil gibt die Antwort auf die gestellte Frage in der Form einer religiösen Vision: ein in der Literatur sonst nicht bekannter oder genannter "Seelenfanger" (ein Helfer des Gottes Njörör/Freyr) sei angeschwommen gekommen aus dem Lande "Firn0y" und habe die Toten ins Jenseits gebracht12. In der Zeile (B) würde sich nach Gr0nvik 1985 daran noch ein Gebet anschließen, das in seiner Funktion dem christlichen "Amen" entsprechen könnte, d.h. die abschließende Formel des vorangehenden religiösen Gedichts darstellen würde. In der revidierten Fassung von 1988 gibt Gr0nvik selbst zu, daß ein Satz ce ey es yrki! wenig 12
Seine umstrittene Ergänzung am Ende der Zeile alsfan-wanga landi hält Gr0nvik auch in der Version von 1988 aufrecht: "Det er selvf0lgelig en dristig utfylling men jeg har ikke pâ grunnlag av hele materíalet i Heggstads gammelnorske ordbok - greid â finne noe annet ord som passer til runespor og plassforhold og som samtidig fyller kravet til stavrim og til innpassing i den spräklige kontekst." (Gr0nvik 1988:41).
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überzeugend ist: "Syntaktisk er setningen svakt konstruert, og innholdsmessig er den isolert i forhold til det foregâende" (45). Er schlägt nun vor, die Zeile als a[ud] is urki = aud is yrki zu ergänzen mit der Bedeutung "(hann) som utvirke rikdom og lykke", ein Relativsatz, der syntaktisch auf den Helfer des Gottes, den gotna fìskr, zu beziehen sei. Die Inschrift wäre somit versehen mit einer abschließenden Bitte für das Glück der Toten im Jenseits: "Eggjainnskriften mâ ha sin bakgrunn i et milj0 av velstâende b0nder med en sikker religi0s tro og et fast gravlegningsrituale, mennesker som var alvorlig opptatt av de d0des hinsidige heill og med stor respekt for deres grav- og kultsteder." (Gr0nvik 1985:166). Diese Interpretation ist in ihrer modifizierten Form von 1988 mit Sicherheit ein Fortschritt gegenüber den Vorgängern; dennoch bleiben einige Punkte, die man schwerlich akzeptieren mag: Die Ausfüllung der angeblichen Lakune am Beginn der Zeile (A) ist 1985 völlig willkürlich erfolgt, wenn dort Text stand, kann er auch anders gelautet haben ("holdepunktene for denne utfylling var svake" Gr0nvik 1988:36); sie ist zu Recht in der Version von 1988 aufgegeben. Die Lesungen min und wilR und ihre Interpretation in der Version von 1988 erscheinen mir als vorläufig überzeugend. Die Bedeutung von koma of dagegen ist lediglich erschlossen, als Antwort auf die Frage würde man doch am ehesten mit dem Totengott Odin rechnen statt mit einem sonst unbelegten "Sjelehenteren" in der Gestalt eines Fisches, der im Auftrag des Gottes Njçrdr = Freyr gehandelt habe - nach Ausweis unserer Quellen ist das Jenseits Ertrunkener die Hei (allenfalls noch Walhall), die kaum als Insel unterhalb der Meeresoberfläche gedacht worden ist; wenn Gr0nvik die Lesung galandi mit dem Argument ablehnt, daß in suwimade der Nasal nicht geschrieben sei und deshalb kein Partizip in Frage käme, dann trifft dies in Anbetracht der Schreibung lat wenige Wörter zuvor auch für seinen eigenen Vorschlag landi zu. So bleiben also auch hinter dieser in großen Teilen überzeugenden Interpretation eine Reihe von Fragezeichen, die eine genaue Einordnung der Inschrift erschweren. Es gibt natürlich eine ganze Reihe weiterer Interpretationen des Eggja-Steines, die hier nicht ausführlich referiert werden können: Heiermeier 1934 schlägt vor, das Namensrätsel am Ende der Zeile (A) als "Oddr" für den Namen des Toten aufzulösen, der auf einem Leichenboot ins Sognetal transportiert wurde, wo das Boot versenkt und er selbst in der Höhe begraben wurde. Reichardt 1936 geht etwa von demselben Szenario aus, allerdings ist es bei ihm der Runenstein, der auf dem Schiff zur Begräbnisstätte transportiert wurde. Für Meissner 1934 berichtet der Stein von einem Mord, der vom Täter dadurch verborgen werden sollte, daß er das Schiff des Toten mitsamt der Leiche versenkt habe; der Tote könnte vielleicht auf Resten des Wracks an Land getrieben worden sein und so die Geschehnisse offenkundig geworden sein. Auch für Harding 1938 handelt es sich um das Begräbnis eines Verbrechers, der zunächst unten am Fjord, danach in der Höhe verscharrt worden sei; um ihn an das Grab zu binden seien machtvolle Runen und die Beschwörung, "att fâglar och fiskar skulle hâlla vakt över honom" angebracht worden. Gutenbrunner 1940 argumentiert für den Transport des Runensteins auf
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einem Schlitten, wofür er in Grímnismál 49 eine parallele Handlung durch Odin finden zu können glaubt. Lundberg 1949 interpretiert die Inschrift als elegische Klage eines Vaters über seinen verstorbenen Sohn, der den Namen Steinn getragen habe, und der nun im Totenreich sei (Zeile C); für seinen Tod wird Odin (hinn manR) verantwortlich gemacht, danach der junge Krieger für seine Taten gepriesen. Reier 1952 versucht, den Eggja-Stein als "Schandstein" zu interpretieren, seine Inschrift erzählt von einem Verbrecher, der am Galgen starb, nachdem er durch einen Speerstich dem Gott Odin geweiht worden war; durch die VogelFisch-Magie solle er daran gehindert werden, als Wiedergänger zu erscheinen. Gegen alle diese Interpretations-Vorschläge lassen sich schwerwiegende Einwände vorbringen (vgl. Gr0nvik 1985:25ff), sie zeigen aber auch, wie schwer es ist, einen konsensfahigen Text des Eggja-Steines zu etablieren. Wir wissen also Vieles nicht mit Sicherheit einzuordnen, was auf dem EggjaStein steht oder stehen könnte; anders als im Falle des Röksteines, wo einige sehr überzeugende (wenn auch stark voneinander abweichende) Interpretationen eine Festlegung fast unmöglich machen, gibt es für Eggja bisher mehr Einwände als Akzeptables, die Ausfüllung der Lakunen, die immer von der vorgefaßten Meinung des Interpreten abhängig ist, trägt einen guten Teil dazu bei. Die "archäologische" Datierung anhand der spärlichen Grabfunde und der Pferdefigur ist umstritten, aber von runologischer Seite spricht m.E. nichts gegen eine Einstufung ins 7. Jhd, bei Gleichzeitigkeit der Pferdefigur mit dem Text eher in die erste als in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Die charakteristischen Runenformen zeigen denselben Stand, den schon der Würfel von Vallentuna um 600 repräsentiert. Was den Sprachstand angeht, den die Inschrift zeigt, so hängt die genaue Einordnung teilweise von der Interpretation des Textes ab; dennoch kann Einiges als sicher gelten: die Synkope nach langer Stammsilbe (oder besser: nach langer Sprechsilbe) ist jedenfalls vollständig durchgeführt in z.B. stain, fiskr, fugl, manR, nach kurzer Silbe dürfte sie ebenfalls schon weitgehend eingetreten sein, auch wenn sich außer in bor- < *bora- kein sicherer Beleg nachweisen läßt. solu scheint ein Gegenbeispiel darzustellen, da nach dem sicher als lang anzusetzenden Stammsilbenvokal das -M- der Endung geschwunden sein sollte. Krause 1971:88 begründet den Erhalt der (ursprünglich langvokalischen) Endung mit ihrer "distinktiven Relevanz gegenüber dem N.Sg.", Gr0nvik 1985:172f geht gleichfalls von einem auslautenden Langvokal aus, der außer in bestimmten aisl. Substantiven auch in der Adj.-Endung -u bewahrt ist; dies sei damit zu begründen, daß in dreisilbigen Wörtern ein auslautendes -u im West- und Nordgerm, im Gegensatz zu -a und -i einen starken Nebenakzent erhalten habe: "Denne Sterke biaksent kan ha f0rt til forlengelse av det utlydende l-ul, slik at dette opptrâdde i to betingede varianter [-M] og [-«], hvorav det siste bâde i geng. og i n'ordisk skulle overleve apokopen. F0lgelig er formvekselen kerlingu, Ingibjçrgu , Skçgol, fiçrdr, sçg i de norr0ne o:-stammene etter ait à d0mme lydrett. Ogsâ en form som sólu kan vaere lydrett, hvis den gâr tilbake pâ urn. */soulu/, germ. *sowulo, som man gjerne regner med (Feist
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1939:412). Ved andre enstavelses femininer (oppregnet hos Noreen § 376) mâ derimot w-endelsen vaere kommet inn analogisk." (Gr0nvik 1985:173). Die Etymologie von sòl kann sicher nicht als geklärt gelten, und seine lautgesetzliche Entwicklung ist problematisch; andererseits kann noch im nisl. bei diesem und anderen Feminina der Dat.Sg. in poetischer Sprache und in Redewendungen auf -u gebildet sein (vgl. Kress 1982:70), so daß ich hier wie bei den noch späteren Belegen von sunu eher an morphologisch-stilistische Varianten denke als an eine laut"gesetzlich" zu begründende Erscheinung; daß wir auf Eggja mit poetischer Sprache zu rechnen haben, dürfte unbestritten sein. Die Kontraktion von intervokalischem -w- wie auf der Fibel von Eikeland um 550 belegt Eggja in ná < *nawi- und made < *mawiöe, dagegen scheinen die Assimilationen -IR- > -II- und -nR- > -nn- noch nicht eingetreten zu sein, wenn wir die Schreibung manR = mcennR, aisl. menn so interpretieren dürfen (mit Gr0nvik 1985 und 1988 wäre auch in wilR eine nicht-assimilierte Form zu sehen). Als Konsequenz daraus muß die Schreibung stain eine Akk.Sg.-Form wiedergeben, ebenso wie das Partizip skorin (vgl. oben bei der Besprechung der Zeile C). Dennoch spricht prinzipiell m.E. nichts dagegen, die Assimilation von -R für das Ende des 7. oder den Beginn des 8. Jhds. anzunehmen, wie dies aufgrund der (nun nicht mehr einschlägigen) Belege auf Eggja etwa bei Noreen 1970:200 aufgeführt ist. Der Eggja-Stein steht also um 650 mit seinen Runenformen an der Schwelle vom Älteren zum Jüngeren Fu{>ark, mit seinen Sprachformen zwischen dem Späturnordischen und dem Altnordischen. Wenn man seine Datierung akzeptiert, woran heute kaum noch Zweifel bestehen, dann ergeben sich daraus Konsequenzen für den Zeitansatz der Inschriften, die in runologischer oder sprachlicher Hinsicht ältere Stufen repräsentieren, darunter in erster Linie die Blekinger Steine.
3.3.4 Die Blekinger Steine Unter der Sammelbezeichnung "Blekinger Steine" werden oft die vier bis fünf späturnordischen Runensteine von Stentoften (heute in der Kirche von Sölvesborg), Björketorp (in situ), Istaby (Statens Historiska Museet), Gummarp (seit dem großen Brand von Kopenhagen im Jahre 1728 verschwunden, eine Zeichnung von Jon Skonvig in AM 369 fol. ist heute unsere beste Quelle) und schließlich Sölvesborg (vor der Kirche von Sölvesborg verrottend), der für etwa 150 Jahre älter gehalten wird als die vier anderen Inschriften, zusammengefaßt. Die vier späturnordischen Steine bilden nicht nur von ihrem Inhalt her eine Einheit sie wurden nach Ausweis der Namen von Mitgliedern desselben Geschlechts errichtet oder beauftragt -, sondern teilen auch viele runologische und sprachliche Besonderheiten; zusammen mit der Steinplatte von Eggja bilden sie wohl unsere wichtigsten Quellen für die postulierte späturnordische Sprachstufe. Von ihrer Aussage her sind die Inschriften von Gummarp, Istaby und Björketorp ziemlich eindeutig, während im Falle von Stentoften soviele Interpretationen
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wie Interpreten kursieren. Auch bezüglich der zeitlichen Einordnung dieser Inschriften oder ihrer inneren Chronologie herrscht keinesfalls Konsens; Wimmer 1874 hatte Istaby und die Blekinger Steine auf ca. 650 datiert, aufgrund seiner Interpretation des Kammes von Setre und der Datierung Sheteligs auf ca. 600 kommt Olsen 1933 für die Blekinger Steine zu der Überzeugung, daß sie älter sein müßten als bisher angenommen, sie sind jedenfalls auch älter als Eggja und daher "kanskje fra begynnelsen av 7de ârh., og der kan bli mulighet for â rykke Istabystenen helt tilbake til 6. ârh." (Olsen/Shetelig 1933: 79). Lindqvist 1923 ordnet zu recht die Blekinger Steine in die Periode zwischen die Brakteaten und Eggja, d.h. für ihn zwischen 500 und 650; er sieht enge runologische Verbindungen zwischen ihnen und der Fibel von Fonnâs (bei ihm wie bei Shetelig aus der 1. Hälfte des 6. Jhds.), und da er in der Inschrift von Stentoften ("den neuen Siedlern, den neuen Fremdlingen") eine Verbindung zu den Herulern herstellen zu können glaubt, datiert er diesen Stein in die Zeit zwischen 512 (als die Heruler laut Prokop, De Bello Gothico Π, 15 nach ihrer Niederlage von 505 in Ungarn gegen die Langobarden zur Insel Thüle = Skandinavien zurückwanderten) und 551 (das Jahr, in dem die Dänen laut Jordanes die Heruler vertrieben). Diese (erstaunlich) frühe Datierung wurde von Nerman 1953 mit einem halb-archäologischen Argument unterstützt: Stentoften könnte ehemals Teil eines "domare-Ringes" gewesen sein, die wiederum oft in Verbindung mit Gräbern stehen; die meisten Gräber datieren aus der Zeit ca. 400-550, folglich auch die Steinringe und deshalb gehöre Stentoften in "tiden ca 475 - ca 550, eller tili tiden omedelbart efter ca 550, början av Vendeltiden" (Nerman 1953:181), was also in Bakkas Schema der Zeit ca. 575 entsprechen würde. 1955 fügt Nerman noch ein weiteres Argument an, das bereits bei von Friesen 1916 eine Rolle gespielt hatte: dieser nahm an, daß es sich bei den neuen Siedlern um eine norwegische Kolonie gehandelt haben könnte, weil der Name der Halbinsel Lister, nach der die Blekinger Steine auch bisweilen als Lister-Steine bezeichnet werden, seine beste Entsprechung in der südwestnorwegischen Küstenlandschaft Listi in Vest-Agder findet. Nerman bringt nun die beiden Kleinkönige der Inschriften HeruwulfaR und HapuwulfaR in Zusammenhang mit den zwei altnorwegischen Königen Hjçrôlfr und Hólfr der Hálfs saga, die dort allerdings Brüder sind, auf den Steinen aber offensichtlich Vorfahr und Nachkomme. Diesem Argument wurde heftig widersprochen, etwa von Atterman 1954, der auf die Fundumstände hinweist, die Nermans These widerlegen 13 , und auf die "Denna sten [...] befann sig dà pá en ängsbacke, som sedermera uppodlats till âker [...] Den var dà den 1823 anträffades kulifallen med runskriften mot jorden och omgifven af fem skarpkantiga större stenar nedsatta i jorden i form af en pentagon" gibt von Friesen 1916:36 die Informationen wieder, die er 1860 per Brief vom Propst O. Hammar erhalten hatte; andere Berichte der Fundumstände bestätigen diesen Bericht jedoch nicht. Der Runenstein wurde zwar 1823 aufgerichtet, aber dann 1864 zur Kirche in Sölvesborg überführt; die fünf restlichen Steine des mutmaßlichen Monumentes wurden Ende des 19. Jhds. von einem Fabrikbesitzer gekauft und abgetragen. Da aber auch Björketorp mit zwei runenlosen
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Tatsache, daß der einzige sicher datierte Steinring aus der Vikingzeit stamme. Den Einwand der Runologen formulierte Moltke 1956:6f: "Selv med anerkendelse af den svenske brakteatkronologi bliver Nermans datering af Stentoften-Björketorp-gruppen da betaenkelig for ikke at sige usandsynlig. Her er endelig et punkt, hvor runologen for en gangs skyld mâ rive sig l0s fra arkaeologen, til hvem han ellers gerne klynger sig som en slyngplante, og räbe: stop! Sprog- og runeformer pâ henholdsvis brakteaterae og Stentoften-Björketorp-gruppen rummer et skel sä staerkt og fast, at det ikke t0r negligeres. De to grupper kan ikke vaere samtidige." Krause/Jankuhn 1966 schließen sich offensichtlich dieser Argumentation an, wenn sie Gummarp auf 600, Istaby auf 625, Stentoften auf 650 und Björketorp auf 675 (vor allem aufgrund ihrer inneren Chronologie) setzen. Nielsen 1970:33 kommt nach ausführlicher Diskussion zu dem Ergebnis, daß die Brakteaten ca. 550-575 aufhören14, daß Eggja aus der Zeit ca. 650-725 stammen sollte, und daß die Blekinger Steine in den Zeitraum zwischen Brakteaten und Eggja gehören. Für Antonsen 1975 stammen alle vier Steine aus dem Zeitraum 600-650. Bis auf einige wenige Runen auf Stentoften darf die Lesung der Inschriften als etabliert gelten, die ich im folgenden gebe: Gummarp: ///hA puwolAfA/// ///sAte ///stAbApria Istaby: Björketorp:
Stentoften:
AfatR hAriwulafa hApuwulafR hAeruwulafiR warAit runAR pAiAR upArAbAsbA hAidRrunoronu fAlAhAkhAiderAg inArunARArAgeu hAerAmAlAusR utiARwelAdAude sARpAtbArutR niuhAborumR niuhagestumR hApuwolAfRgaf ? hAriwolAJRmAxxusnuxxe hideRrunonofelAhekAhederAginoronoR herAmAlAsARArAgeuwelAdudsApAtbAriutip
Bautasteinen ein gleichschenkliges Dreieck bildet, kann man mit guten Argumenten auch Stentoften für den Bestandteil einer Steinsetzung halten. Auch bei ihm wie in der ganzen Diskussion ist nicht klar, ob eigentlich vom Ende der Brakteaten oder vom Ende der Inschriftenüberlieferung auf Brakteaten die Rede ist, klärend in dieser Hinsicht ist Düwel 1988 und 1992b.
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Inhaltlich gehören diese Inschriften zusammen durch die wörtlichen Entsprechungen der Fluchformeln auf Björketorp und Stentoften und v.a. durch die identischen Namen HapuwolafR auf Gummarp, Istaby und Stentoften und HariwolafR auf Istaby und Stentoften; Istaby bietet ferner den Namen HaeruwulafR. Identität im zweiten Namensglied und alliterierende Bindung im ersten deuten auf Angehörige einer Familie, deren genaues Verwandtschaftsverhältnis aber umstritten ist, von der Interpretation der Inschriften und von ihrer internen Chronologie abhängt.
3.3.4.1 Gummarp Die Aussage der nach Ausweis von Skonvigs Zeichnung rechtsläufigen Zeilen 1-3 sagt klar, daß eine Person drei (Runen-)Stäbe setzte, die in der Zeile 4 boustrophedon durch drei/-Runen ausgeführt sind. Diese dürften für ihren Begriffswert flehu) "Vieh, Besitz, Reichtum" stehen, vgl. Krause/Jankuhn 1966:208: "Der Runenmeister wollte mittels der magischen Runen offenbar Mehrung des Besitzes, sei es für sich selbst, sei es für sein Volk, erwirken. Die Inschrift von Gummarp steht also mit der von Stentoften nicht nur in örtlichem, sondern auch in inhaltlichem Zusammenhang." In dieser Weise interpretieren auch Lindqvist 1923, Antonsen 1975:84 und DR Sp. 406. Umstritten ist allerdings, wer diese Stäbe setzte, und wie die originale Formel gelautet haben könnte. Die Form hApuwolAfA, die alle drei erhaltenen Abzeichnungen bieten, zeigt am Ende der Zeile eindeutig wir hätten damit den Akk.Sg. eines Namens, an einer Stelle, an der wir einen Nom. erwarten müssen. So wurden verschiedene Versuche unternommen, die Inschrift als unvollständig aufzufassen und zu ergänzen, da der Stein am Fuße abgeschlagen war und mit dem Verlust einiger Runen zu rechnen sein dürfte. Man könnte am Beginn von Zeile 1 etwa ein aftR und von Zeile 2 einen Namen im Nom. ergänzen und käme dann zu der Aussage: "[Nach] Hajmwolf steht dieser Stein). [NN.] setzte drei Stäbe: fff."; damit würde der Gesamtaufbau des Textes dem auf Istaby weitgehend entsprechen, aber man müßte dann annehmen, jemand habe für einen Toten Reichtum bewirken wollen, was schwer vorstellbar ist. Zwei voneinander unabhängige Aussagen auf dem gleichen Stein wären möglich, aber doch unüblich. Zudem spricht die Kleinheit des Steines, der laut Skonvig nur 62 cm hoch war, gegen einen Gedenkstein (doch hat der Stein von Stenstad durchaus vergleichbare Ausmaße). Daher wollten von Friesen 1916 und Lindqvist 1923 in Zeile 1 einen Nominativ sehen und nahmen deshalb am Ende der Zeile noch eine völlig verwitterte R-Rune an, die den Informanten entgangen sei; DR Sp. 407 und Antonsen 1975:83 halten dagegen eine Fehllesung j|c für ^ oder Y am Ende der Zeile für wahrscheinlicher, was der Namensschreibung auf den anderen Blekinger Steinen dann entsprechen würde. Diese Möglichkeit lehnt Krause/Jankuhn 1966:207 mit dem Argument ab, daß bei drei Abzeichnen! des Steines wohl kaum dreimal die gleiche Fehllesung vorliegen könne, und
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daß man eher die Endung als -aR ergänzen müsse. Krause 1973:148f gibt als einzige Möglichkeit nur noch die Ergänzung einer R-Rune am Ende von Zeile 1, Nielsen 1968:41 nur die ergänzte Gedenkschrift-Version. Die Frage ist also völlig offen und vielleicht auch nicht zu entscheiden; allerdings sind verschiedene Konsequenzen zu bedenken. Wenn Krause, Lindqvist und von Friesen, einen Nom.Sg. HapuwolafaR ergänzen, dann wäre entweder (so Krause/Jankuhn 1966:208 explizit) der Vokal der Endsilbe nach langer Stammsilbe noch erhalten, Gummarp somit älter als die anderen Blekinger Steine - sate würde aber schon die Synkope des Vokals der Mittelsilbe nach kurzer Stammsilbe belegen, was nach traditioneller Auffassung der Synkope schwer verständlich wäre - oder aber man könnte auch in dieser Position einen Svarabhaktivokal annehmen, der (zufällig) mit dem synkopierten Endsilbenvokal übereinstimmt. Gummarp könnte dann die gleiche Sprachstufe repräsentieren wie Istaby und Stentoften, das heißt auch: etwa gleichzeitig sein - der Unterschied von 25 bzw. 50 Jahre, den Krause/Jankuhn 1966 ansetzen, wäre also nicht mehr begründet. Diese zuletzt genannte Version erscheint mir am plausibelsten, wenn man dadurch zu einer sinnvollen internen Chronologie der Blekinger Steine kommen kann.
3.3.4.2 Istaby Weniger problematisch ist die Interpretation dieser Inschrift, der Klartext besagt, daß ein lebender Hajiuwolf, der Sohn des Haeruwolf/aus dem Geschlecht des Haeruwolf, für einen (wohl gestorbenen) Hariwolf diese Runen schrieb (Nielsen 1968:40f, Antonsen 1975:84); da diese Aussage ("für einen Toten Runen schreiben") nicht der für üblich gehaltenen Form entspricht, nimmt man seit von Friesen 1916 an, daß hier zwei Aussagen vorliegen, eine elliptische Gedenkinschrift ("Für Hariwolf [steht der Stein]") und eine Runenmeisterformel ("H.H. schrieb diese Runen") (so auch DR Sp. 410 und Krause/Jankuhn 1966:219). Doch gibt es auch für eine solche elliptische Formel in den urnordischen Inschriften keine sichere Parallele (DR Sp. 410). M.E. ist daher die Möglichkeit, daß eine einheitliche Aussage in einem einzigen Satz intendiert ist, nicht auszuschließen - auch nicht mit dem pauschalen Argument, eine Drittstellung des Verbs sei im Urnordischen syntaktisch irregulär: Stentoften beweist für mich klar die Existenz dieses Typs, und auch auf der Fibel von Eikeland ist er möglicherweise belegt. Die Runenformen und ihre Verwendung auf Istaby entspricht weitgehend denen auf den anderen Blekinger Steinen, nur hier bezeichnet allerdings U| das orale /a/, was auf südlichen (dänischen?) Einfluß zurückgeführt werden könnte, oder (unwahrscheinlich) eine Weiterentwicklung von darstellt (vgl. unten). Wie auf Björketorp hat die R-Rune die Form Y (Stentoften Die ansuR-Rune ^ verwendet Istaby konsequent für die Bezeichnung von Svarabhaktivokalen in Af^tR, -wufif1, -wulafR, -wulafiR, warAit. Anders interpretiert Krause/Jankuhn 1966:219 das zweite in hariwulafa: "In HAriwolafa scheint die frühurnordische Endung -a (urgerm.
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-an) noch nicht, wie im klassischen Altnordischen völlig ausgefallen, sondern nur zu einem reduzierten Vokal geschwächt zu sein.". Er setzt aber jedenfalls auch eine deutliche Schwächung der Endsilbenvokale an, die m.E. zu Unsicherheiten bezüglich der richtigen Schreibweise führten und zur Einfügung von SvarabhaktiGraphemen; so auch Gr0nvik 1987:185: "Navnet hAriwul a f® akk. er skrevet med st0ttevokal a ikke bare i, men ogsâ etter konsonantgruppa Hfl·, denne a er fonemisk irrelevant og gär neppe tilbake pâ den urn. utlydsvokalen -a." Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Form runaR paiaR: paiaR ist "eine nur hier begegnende junge Femininbildung mit Anfügung der Endung -aR an den Demonstrativstamm pai-" (Krause/Jankuhn 1966: 219, Antonsen 1975:84);-αΛ in runaR ist bereits die Endung des klassischen Altnordischen im Nom.Pl. der femininen o-Stämme (aisl. runar) gegenüber der älteren Endung -oR der älteren späturnordischen Inschriften (ronoR auf Stentoften, runoR auf Eikeland und Järsberg sowie auf dem Brakteaten von Tjurkö); Björketorp zeigt hier ebenfalls schon die jüngere Form runaR. Für die relative Chronologie der Blekinger Inschriften hat dieses Kriterium erstaunlicherweise meist nur eine untergeordnete Rolle gespielt, sicher unter dem Einfluß von bestimmten Vorstellungen bezüglich der Verwandtschaftsverhältnisse; deshalb und aufgrund der emendierten Form -wolafa[R] ordnen z.B. Krause/Jankuhn 1966:220 Istaby zwischen Gummarp und Stentoften ein (das ist ca. 625). Von Friesen 1916 hatte Istaby aufgrund der Λ-Rune sogar für die älteste der vier Blekinger Inschriften gehalten, eine Meinung, die lange Zeit akzeptiert wurde. Der m.W. erste, der für die ungefähre Gleichzeitigkeit von Istaby und Björketorp plädierte, war Lindqvist 1923:89, v.a. aufgrund eben der Form runaR. Jacobsen 1935 argumentiert mit der Verteilung der verschiedenen Runen für /a/ und Svarabhakti und kommt zu dem entgegengesetzten Ergebnis wie von Friesen: "Hvad den kronologiske placering af stenene angâr, mâ vi herefter af runologiske gründe anbringe Istaby-stenen mellem Stentoften-Björketorp-stenene og Eggja-stenen. Herimod strider ikke, at Stentoften-Björketorp har samme form for den rene a-rune som Eggja-stenen, - Istaby-stenen en anden Form; thi járarunen (H) brugt som Α-rune betegner ikke noget aeldre runologisk trin end runen; tvaertimod taler sandsynligheden for, at den formentlig oprindelige arune, t , er aeldre end den af j-runen udviklede ára-rune. Heller ikke indskrifternes indhold, der efter den hidtidige tolkning af Stentoften-indskriften mâtte g0re denne omirent samtidig med Istaby-stenen - idet Stentoftens Hâdulv identificeredes med Istaby-stenens person af samme navn - afgiver noget vidnesbyrd imod den antagne kronologi. Vi mangier alle midier til ad historisk vej at afg0re, om den Hâdulv Haerulvs s0n, over hvem Stentoftenstenen er rejst, har levet f0r eller efter den Hâdulv Hj0rulvs s0n, der rejste Istaby-stenen; kun ét er sikkert, at de to Hâdulv'er har haft forskellige faedre og altsâ ikke kan vaere identiske." (Jacobsen 1935:45f). Ich glaube ebenfalls, daß weder runologische noch inhaltliche Kriterien dafür sprechen, daß Istaby älter als Björketorp (oder gar Stentoften und Gummarp) sein müsse (wobei die Form der R-Rune Y noch zu diskutieren sein wird); die Form runaR auf Istaby und Björketorp konstituiert für Gr0nvik 1987:167ff seine
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Sprachstufe ΙΠ, die er ca. 580 beginnen läßt, während Eikeland von ihm der Stufe Ha (wiR, aber writu) von ca. 500-540 zugeordnet wird, Stentoften dagegen entweder der Stufe IIb von ca. 540-560 oder Ile von ca. 560-580 (Gr0nvik 1987:184, vgl. dazu 4.3 unten).
3.3.4.3 Björketorp Die Inschrift zerfallt deutlich in zwei Teile A resp. B, die auf zwei verschiedenen Seiten des Steins angebracht sind. Auf der Seite A steht nur das eine Wort upArAbAsbA = "Unglücksprophezeiung", mit Svarabhaktivokal(en) und für . Diese Schreibweise wurde mit dem Fujjark auf dem Brakteaten von Vadstena in Zusammenhang gebracht, wo anstelle des zu erwartenden
eine modifizierte Form der b-Rune steht (Krause/Jankuhn 1966:214), und sie legt den Schluß nahe, daß bereits zu diesem Zeitpunkt die Rune Κ wie im (späteren) Jüngeren Fujiark nicht mehr verwendet wurde. Dies war ein wichtiger Punkt in der Argumentation von Andersen 1947, wurde aber auch bestritten, so zuletzt von Barnes 1987, der zu Björketorp feststellt: "The former contains the word spç or spá 'prophecy' or Ί predict', in which the oppositions voiced: voiceless and aspirated:non-aspirated may well have been neutralised [...] We cannot even be shure that the fourteenth and eighteenth symbols on the Vadstena bracteate are meant to be two forms of the same rune. [...] The admittedly very scanty sources that have come down to us indicate, then, that Κ, \ and o were little used in Scandinavian inscriptions, the former two because they did not represent or ceased to represent phonemes, the last because /p/ was a rare phoneme in Germanic in general. However, there is no evidence, apart from that on the Vadstena bracteate, that any of those three symbols ceased to be part of the runic alphabet before the emergence of the younger fiipark." (Barnes 1987:33f). Die Form warb für warp auf Eggja dürfte zwar auch Neutralisation der Opposition stimmhaft:stimmlos zeigen, aber warum wird in beiden Fällen die Rune £ zur Bezeichnung des stimmhaften Lautes geschrieben statt des stimmlosen K, wenn beide Runen durch das Schriftsystem zur Verfügung gestanden hätten? Ich glaube deshalb trotz der Einwände von Barnes und anderen, daß seit Mitte des 6. Jhds. die in den Inschriften verwendete Runenreihe sich nur noch aus 21 Runen zusammensetzte, was weiter nahegelegt wird durch kaiba auf Eggja, wenn es für kaipa/keeipa steht (so Jacobsen 1931, H0st 1960, Krause/Jankuhn 1966:230, Gr0nvik 1985 und andere). Spá aus *spahu zeigt in sprachlicher Hinsicht femer die Apokope des auslautenden -u nach kurzer (so Krause/Jankuhn 1966:215, Krause 1973 öfter, Antonsen 1975:88) oder nach langer (so Noreen 1970:134, Br0ndum-Nielsen 1950-73
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ΙΠ:§ 445,l) 15 Stammsilbe, sowie den Schwund von -h unter Ersatzdehnung des vorangehenden Stammsilbenvokals, der dann wohl auch schon vom «-Umlaut betroffen gewesen sein müßte. Veraltet dürften die Ansichten von Friesens 1916 sein, der ein schwaches Femininum annimmt und die Entwicklung *spahon > *spaha > spáa ansetzt (so auch mit Einschränkung Lindqvist 1923: 189). Dagegen spricht die aisl. starke Form des Gen. spár, schwache Formen sind nirgends zu belegen. Allenfalls möglich wäre mit Jacobsen 1935:37 die l.Sg.Präs.Ind. *spáa/spá zu einem schwachen Verb *spahon "ich prophezeie" unter Auslassung des Personalpronomens; aparaba müßte dann Akk.Sg. eines schwachen Mask, sein. Als Argument gegen eine Synkope nach kurzer Silbe werden immer wieder die Formen wie z.B. sunu ins Feld geführt, die jüngere Runeninschriften wie Rök etc. belegen; alle diese Formen werden unter 3.6.2 unten diskutiert werden, da ihr Status von entscheidender Bedeutung für die Datierung und eventuelle unterschiedliche Phasen der Synkope, der Umlaute und der Brechung sind. Hier sei nur festgehalten, daß auf Björketorp möglicherweise ein Beleg für den Schwund von -u nach kurzer Stammsilbe vorliegt, der aber in Frage gestellt werden kann. Es bleibt dann noch auf Seite Β von Björketorp die Fluchformel, die sich mit fast wörtlicher Entsprechung auch auf Stentoftenfindet;ich gebe hier beide Texte noch einmal untereinander zum Vergleich: St.: hideRrunono felAhekA hederA ginoronoR Bj.: hAidRrunoronu fAlAhAk hAidera ginArunAR St.: herAmAlAsAR ArAgeu welAdud sA jjAt bAriutiJs Bj.: ArAgeu hAerAmAlAusR utiAR welAdAude sAR J>At bArutR Die inhaltliche Interpretation kann bis auf ein kleineres Detail seit Jacobsen 1935 als etabliert gelten: für sie bezeichnet das erste Wort heiòiR eine 'Person von Rang, Magier, Runenmeister', was Krause/Jankuhn 1966:215 als unwahrscheinlich einstuft; die Übersetzung lautet dann: "Der Glanzrunenreihe barg ich hier, Zauberrunen. Durch Argheit rastlos, draußen (= in der Fremde) ist eines tückischen Todes, wer dies (sc. Denkmal) zerstört." (Krause/Jankuhn 1966:217). HaidR auf Björketorp zeigt Synkope des Endungsvokals -i- nach langer Stammsilbe, während Stentoften den Diphthong der Stammsilbe mit einfachem -i- wieNach Pokorny 1959:984 gehört aisl. spá zur idg. Wurzel *spek- 'spähen, scharf hinsehen', dessen e-Stufe z.B. in lat. au-spexs (< *avi-spek-s), aber auch in ahd. spehon 'spähen' vorliegt. Für spá wäre dann eine ursprüngliche o-Stufe idg. *spók-a- anzunehmen, die im Germ, über *spah-o- zu *spahu würde. Wegen der dann zu erschließenden ursprünglichen Betonung auf der Wurzelsilbe, die bei dieser Flexionsklasse eine Unregelmäßigkeit darstellt, sei die Wurzel postverbalen Ursprungs verdächtig. Andernfalls müßte man - mit weniger Wahrscheinlichkeit - ein ursprüngliches Wurzelnomen mit dehnstufigem Stammsilbenvokal ansetzen, der sich im Nordgerm, lautgesetzlich zu /a:/ entwickelt hat; auf irgendeiner Stufe der Entwicklung wäre dieses Wurzelnomen dann in die germ. o-Klasse übergetreten (vgl. aisl. Gen.Sg. spár). Aber selbst dann muß man wohl eine analoge Kürzung des Stammsilbenvokals annehmen, sei es vor dem Klassenübertritt nach dem Muster der anderen Kasus, sei es danach nach dem Muster der neuen Klasse.
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dergibt (wie auch die Diphthonge in -la(u)saR und -d(a)ude weiter unten in der Inschrift). Für den Endungsvokal steht hier das als graphemische Variante für Iii gewertet werden kann (so z.B. Jacobsen 1935:40) oder aber als ad-hoc-Wiedergabe eines bereits geschwächten, zentralisierten Endsilbenvokals16, der nicht mehr eindeutig einem Phonem der Stammsilben zuzuordnen war. Björketorps runo ronu ist sicher "die Reihe der Runen", während Stentoften entweder den gleichen Wortlaut runo no unter Auslassung zweier Runen oder eine altertümliche Gen.Pl.-Form zu runoR schreibt; felaheka und falahak sind beides Formen des Verbs *felhan 'verbergen' mit suffigiertem Personalpronomen der l.Sg., im Fall von Stentoften im Präs., auf Björketorp im Prät. stehend, beide mit Svarabhaktivokalen. Bei hedera/haidera zu aisl. heöra 'hier' bietet Stentoften die korrektere Form, beide Steine zeigen hier als Svarabhakti-Graphem Π ; für den Stammsilbenvokal in haidera nimmt Krause 1973:92 "ungenaue Schreibung" an, bei Krause/Jankuhn 1966:216 wird die Form mit "wohl versehentlich unter dem Einfluß von hAidR am Anfang der Zeile" erklärt, auf der vorangehenden Seite jedoch als "hybride Schreibung ai statt e" bezeichnet. Antonsen 1975 vermutet hier eine Absenkung des /e/ zu /ae/, im Zusammenhang mit der beginnenden Monophthongierung von /ai/ > /e:/, wie sie im Ostnord, sehr viel später belegt ist, und eine daraus resultierende umgekehrte Schreibung; das ist jedoch höchst unwahrscheinlich, vgl. dazu Barnes demn. Für Jacobsen 1935:40 "forekommer det derimod sandsynligt, at vi har en gammel a-omlydt form af det til gotisk hidre svarende nordiske hidra (bevaret i litt, nordisk hiöra v.s.a. heöra). Da e-formerne er de i nordisk aeldst forekommende og uden vanskelighed lader sig lydligt forklare, er der ingen grand til med Noreen [...] at bestemme dem som yngre efter he dan dannede analogiformer. Men udelukket er det ikke, at vi i Stentoften künde have den uomlydte form hidera, i Björketorp-indskriften den omlydte hederá." Damit ist aber die Schreibung auf Björketorp noch nicht erklärt; vielleicht liegt hier wirklich eine Verschreibung vor, "unter Einfluß des metrischen Schemas h-AidR runo....h-AiderA" (Klingenberg 1973:97). Auch die Frage, ob Π in hederá auf Stentoften für Iii stehen könnte, wie auch eventuell in hideR und arageu (Jacobsen 1935:40), muß hier zunächst offen bleiben. Das sich daran anschließende ginoronoR auf Stentoften bzw. ginarunaR auf Björketorp ist in mehrerer Hinsicht interessant: in runaR zeigt Björketorp wie Istaby die lautgesetzlich jüngere Form gegenüber Stentoftens ronoR, in gina wird allgemein ebenfalls als Neuerung aufgefaßt: "mit Verallgemeinerung und wahrscheinlich Schwächung des Bindevokals -a- für frühurn. *ginu-runoR "magisch wirkende Runen" (A.P1.); vgl. ginuga auf dem Lanzenschaft von Kragehul" (Krause/Jankuhn 1966:215). Dagegen soll die Form von Stentoften ginoden ursprünglichen Fugenvokal zeigen (Jacobsen 1935: 34), wenn auch mit irreDies scheint auch bei Krause/Jankuhn 1966:212 nicht ausgeschlossen: "Kompositionsfugenvokale sind stets geschrieben, vielleicht auch noch - wenigstens als reduzierte Vokale - gesprochen worden" (Hervorhebung Th.B.).
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gulärer Orthographie für /u/ wie auch in ronoR). Da dieses Kompositum im awn. zu *ginnrunar werden sollte, gäbe es natürlich auch die Möglichkeit, für beide Steine bereits den Schwund des Fugenvokals anzunehmen und zwei unterschiedliche Realisierungen des Svarabhakti-Graphems zu konstatieren; dagegen könnten die bewahrten Fugenvokale in den Namen der Blekinger Inschriften sprechen. Dennoch erscheint mir wie im Falle von hideR (< *haidiR) eine bereits ziemlich weitgehende Schwächung (und Zentralisierung) aller unbetonten Vokale, die vermutlich nur als Lentoformen "korrekt" produziert wurden, am wahrscheinlichsten - und welche Grapheme dann dafür gesetzt wurden, wäre der willkürlichen Entscheidung des Runenmeisters anheimgestellt (eventuell sogar im Dienst einer "zählenden" Runenmagie eingesetzt: gino ronoR = 4x13 + 6x13 (Klingenberg 1973:99)). Ein ähnliches Verhältnis wie bei den Formen haidR/hider am Anfang der Fluchformel läßt sich auch für die Sequenz heramalasaR arageu auf Stentoften bzw. arageu haeramalausR auf Björketorp konstatieren: in arageu schreiben beide ein Svarabhakti-Graphem )|c, für konsonantisches -j- steht die Rune M; der in *ergju anzusetzende i-Umlaut ist nicht bezeichnet. In -lausR auf Björketorp ist der Endsilbenvokal synkopiert, während Stentoften -la(u)saR schreibt. Hei^ma- bzw. haerama- wird seit Lindqvist 1923:185f zu germ. *hermian 'ruhen, ablassen von' gestellt, hier als nominale Ableitung mit dem Fugenvokal -α-; eventuell ist aber auch hier bereits eine Realisierung /hjarmlausR/ anzunehmen, mit Svarabhakti in der Kompositionsfuge. Allgemein akzeptiert dürfte die Auffassung sein, daß Björketorp mit in haerama- das Brechungsprodukt bezeichnet17, womit sich abermals eine Parallele zu Istaby (hAeruwulafiR) ergibt. Für Nielsen 1957 und 1962 war dies der wichtigste Beleg für seine These, durch Brechung sei zunächst vor erhaltenem -a oder -u der einheitliche Diphthong /ia/ entstanden, der dann später vor -u umgelautet wurde: "The Björketorp inscription has h A e r A m A l A u s R with α-breaking in the first component before an a still preserved. In the second component a has been syncopated after long syllable, i.e. that α-breaking in long syllable must have appeared. This is the position in which syncope first takes place and in which the diphthong due to breaking consequently must be earliest, and it is no unreasonable assumption that the diphthong due to «-breaking has united with the already existing diphthong due to breaking. If so, thus would explain why the diphthong due to κ-breaking earliest is ia." (Nielsen 1962:103). Die weitere Sichtung der Belege wird erweisen^ ob die Ansichten Nielsens tragfahig sind; es ist wie gesagt nicht sicher, ob in haerama- am Ende ein bewahrter Fugenvokal oder ein Svarabhakti-Graphem steht. Prinzipielle Einwände gegen ein einheitliches Brechungsprodukt, das danach erst unter Einfluß der bereits geschwächten Endsilbenvokale Ausdifferenzierung erfuhr, lassen sich wohl nicht 17
Anders m.W. nur bei Marstrander 1952:141, der herama-Zhaerama- zu harmr stellt und in herama- auf Stentoften den i-Umlaut belegt sieht; diese Annahme ermöglicht dann aber keine überzeugende Erklärung der Schreibung haerama- auf Björketorp.
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erheben. Ausführlich wird auf die Zusammenhänge zwischen Synkope, Brechungen) und den Umlauten unten eingegangen. utiARwelAdAude auf Björketorp wurde von Jacobsen 1935:32f als "fremrakt til (hjemfalden til) wél-d0den"; in weladaude sieht sie den Dat. eines Kompositums *wéla-dauôR, dessen erster Bestandteil aisl. vél 'Betrug, Arglist, Verrat1 ist, als Kompositum z.B. in vélrœBi 'List, Ränke', oder vélalauss 'ehrlich'. Als Bahuvrihi würde das Kompositum dann bedeuten "mit einem betrügerischen Tod versehen sein, ihn erleiden" (so z.B. Krause/Jankuhn 1966:216, Antonsen 1975: 86). Diese Deutung darf als etabliert gelten. Dagegen faßt Jacobsen den Komplex utiaR als Adjektiv auf, das den folgenden Dativ regiert, und das sie als zum Verb yta als ya-Stamm gebildet bestimmt: "utiAR mâ derfor - nâr hensyn tages til betydningen af det tilsvarende verbum yta (< *utian) i litteraert nordisk - bestemmes som: "(den), som kan eller skal fremraekkes til, gives til"," (Jacobsen 1935:33) mir ist dieses Verb nur in der Bedeutung 'aussegeln, in See stechen, ein Boot ins Wasser schieben' bekannt. Nicht nur deshalb ist die ältere Interpretation dieses Komplexes als uti œr 'draußen/in der Fremde ist', die schon durch von Friesen 1916 vorgeschlagen wurde und von Krause/Jankuhn 1966 und Antonsen 1975 akzeptiert ist, vorzuziehen: "Die Form aR (bzw ceR) ist sonst erst in bedeutend späteren Inschriften bezeugt. Noch die Inschriften auf dem Stein von Eggja [...] und auf der Spange von Strand [...], vor allem auch die Inschrift von Stentoften, haben die Form (i)s; trotzdem erscheint eine Form mit dem später allgemein durchgedrungenen grammatischen Wechsel auch schon im 7. Jhd. wohl möglich. Der Runenmeister von St. hat diesen Komplex vermutlich aus Versehen übersprungen." (Krause/Jankuhn 1966: 216). Eine Form is wäre also zu erwarten, ceR wäre möglich - es drängt sich dann allerdings die (bisher nicht gestellte) Frage auf, warum diese Form mit den Runen 3|cY statt z.B. | Y oder M Y geschrieben ist. )(< bezeichnet auf den Blekinger Steinen mit Ausnahme von Istaby das Phonem /a/, jedenfalls den oralen Vokal, und es bezeichnet einen Svarabhaktivokal (bzw. steht als Svarabhakti-Graphem), dessen phonetische Qualität zu ermitteln wäre. Ein Indiz könnte dabei die Schreibung sfe^f für œR auf Björketorp darstellen, wenn wir davon ausgehen, daß dieses Wort als Kopula im Satz (fast) immer unter Schwachdruck steht (wofür 's in der Hauptinschrift von Stentoften als Beleg herangezogen werden kann); die Qualität des Vokals im Hilfsverb kann also wohl zwischen /£/ und /3/ angesetzt werden, mit weiterer Reduktion bis zum völligen Schwund. Eine ähnliche Qualität wäre auch für die vermutlich schwachtonigen und zentralisierten Sproßvokale wie für eine Etappe der Vokalschwächung im Rahmen der Synkope bei den Endsilbenvokalen anzunehmen. Diese werden auf den Blekinger Steinen in der Regel mit der Rune geschrieben, die sonst für /a/ steht, mindestens einmal (bei hedera/haidera, eventuell auch in hideR) aber auch mit der e-Rune M, in hAborumR auf Stentoften in der Interpretation von Santesson 1989 wäre der Svarabhakti mit £ bezeichnet. Dieser Befund legt den Schluß nahe, daß die Svarabhakti-Grapheme - wo sie phonologisch basiert sind schwachtonige und stark zentralisierte Laute wiedergeben, die dem deutschen
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Schwa nahegekommen sein dürften; wie Jahrhunderte später für die Schreiber der aisl. Handschriften stellt sich den späturnordischen Runenmeistern das Problem, diese Endsilben- oder Sproßvokale bestimmten Starktonvokalen zuzuordnen (vgl. die überzeugende Argumentation für die aisl. unbetonten Vokale bei Benediktsson 1962). Zentralisierte, abgesenkte Nebensilbenvokale können dann entweder traditionell, d.h. etymologisch korrekt geschrieben werden oder aber mit den Stammsilbenvokalen mittlerer und neutraler Zungenstellung /a, e, o/ identifiziert werden. Dies würde die orthographischen Auffälligkeiten der Blekinger Steine am besten erklären und darüber hinaus, wieso das gleiche Graphem den Vokal in der Kopula und einen Svarabhaktivokal bezeichnen konnte. Die Formen bariutip auf Stentoften vs. barutR auf Björketorp schließlich sind Standardbeispiele in allen Lehrbüchern der Sprachgeschichte: beide zeigen wie viele der bereits angesprochenen Formen Svarabhakti, Björketorp belegt die Synkope des Endsilbenvokals, aber auch die Ersetzung der Endung der 3.Sg.Präs. Ind. -ip, die Stentoften schreibt, durch die Endung der 2.Sg.Präs. Ind. *-iz > *iR > -R.
3.3.4.4 Stentoften, Hauptinschrift Während bei den übrigen Blekinger Steinen zumindest die Lesung der auf ihnen angebrachten Runen feststeht, und doch auch bezüglich des Inhalts weitgehender Konsens herrscht, ergeben sich für die Inschrift auf Stentoften schon in dieser Hinsicht Probleme; stark kontrovers ist darüber hinaus die Interpretation der Gesamtinschrift, der Aussageabsichten der Hauptinschrift also. Am Anfang ist die Lesung des Textes noch eindeutig: I: II: m: IV:
niuhAborumR niuhagestumR hAJtuwolAfRgaf ? hAriwolAfR
Am Ende der Zeile IV wurde für.... unter anderem gelesen: Bugge NIaeR: von Friesen 1916: Lindqvist 1923: Jacobsen 1935: Krause 1961: Krause/Jankuhn 1966: Nielsen 1968: Gr0nvik 1987:
mAgiusnuheka mAhtusnuhee eAusnuhate mAgiusnuhwe mAngusnuhle mA??usnuhle mAgRusnuhle eAkbusnuhle
In DR ist die Lesung Jacobsens 1935 übernommen, ebenso bei Klingenberg 1973:235ff; Antonsen 1975 und Moltke 1985 wollen sich für keine der vorge-
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schlagenen Lesungen entscheiden. Weitgehend Einigkeit herrscht darüber, daß die Zeilen Ι-ΙΠ eine syntaktische Einheit bilden, einen abgeschlossenen Satz, der mit der letzten Rune in Zeile ΠΙ, dem als Begriffsrune fungierenden als Objekt endet (anders nur Bugge, der diese Rune unerwähnt läßt, Kock 1921 und Gr0nvik, der eine völlig andere Interpretation vorschlägt). Als etabliert darf auch gelten, daß in -borumR und -gestumR Formen des Dat.Pl. vorliegen, und daß hariwolqfR gaf als "Hariwolf gab ..." zu verstehen ist; alles Weitere wird je nach Interpret anders aufgefaßt, wobei v.a. die Komplexe niuhA vs. niuha als völlig offen gelten können, die aber für die Gesamtinterpretation von entscheidender Bedeutung sind. Ich gebe eine kurz gefaßte Übersicht über die vorgeschlagenen Möglichkeiten: Bugge stellte in NIaeR 1891:23f niuhA/niuha zum aisl. Adj. nyr 'neu' und kam zu "Neues den Söhnen, Neues den Gästen gab HajDUWolf"; borumR wäre dabei ein Dat.Pl. zu *borr, das im aisl. burr 'Sohn' vorliegt (und im Namen des Vaters Odins Borr in Vgl. 4, vgl. dazu die Kritik an Gr0nvik unten), gestumR ein Dat.Pl. zu aisl. gestr 'Gast'. Er bietet damit keine Erklärung für das inlautende -hund für den Wechsel s)( , f. Der Stein bildet somit einen Teil eines Grabmonumentes, das von Haj^uwolf für seine Söhne und Gefolgsleute errichtet wurde und von Hariwolf für seinen Sohn (was heißt, daß die beiden eventuell Brüder gewesen sein könnten). Diese Auffassung wurde zu Recht kritisiert. Von Friesen 1916 faßt niuhA und niuha in Zeile I + Π als einen Frauennamen Niuha auf, der dann auch das Subjekt eines (elliptischen) Satzes sein muß; gestumR übersetzt er mit 'Gefolgschaft' ("hirdmän"), und die letzte Rune in Zeile ΠΙ als Begriffsrune jara 'gutes, fruchtbares Jahr'. Die unklaren Runen in Zeile IV schließlich ergänzt er zu mahtu s(i)nu h(itt) e(r), so daß die Inschrift bei ihm in normalisierten Altnordisch gelautet hätte (1916:52): I: Nyia burum II: Nyia gestum ΠΙ: Hálfr gaf ár IV: Heriólfr mátt sinn. H(itt) e(r) ..., also "Niuha (errichtete das Denkmal) für ihre Söhne, Niuha (errichtete das Denkmal) für die Gefolgschaft. Ha^uwolf gab (seinem Volk) ein gutes Jahr, Hariwolf gab (seinem Volk) seine Macht. Dies sind ....". Das heißt, daß das Steindenkmal von der Mutter Nyja für ihre beiden toten Söhne errichtet worden wäre und für deren Gefolgsleute. Zeile ΙΠ und IV charakterisieren dann die Toten: Hajmwolf war im Frieden groß, Hariwolf im Krieg, der eine gab Fruchtbarkeit, der andere siegreiche Kraft. Der Ansatz einer Begriffsrune stellte einen Fortschritt dar, dagegen wurde weder seine Ergänzung in Zeile IV, noch seine Lesung eines Frauennamens in Zeile I und II akzeptiert, damit auch die Gesamtinterpretation verworfen: "At tolke snu som sinu t0r siges at vaere ganske uden hjemmel i indskriften, men at forklare hee som fejl for he, der skulde vœre en forkortelse h.e., gentaget fuldstasndigt lige efter som hid eR, «hoc est», turde ligge udenfor filologiens metoder." (Jacobsen 1935:17). Brate machte 1919 in einer Rezension des Buches von Friesens den Vorschlag, borumR nicht zu aisl. burr, borr zu stellen, sondern als eine nominale Ableitung zu aisl búa aufzufassen, als 'Bewohner, Einwohner', vergleichbar etwa dem ahd. gi-bur 'Bauer'. Die gleiche Idee hatte Lindroth 1918 vertreten, der
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außerdem niuha nicht als Frauenname, sondern im Sinne von "Neuigkeiten" verstehen will, so daß die Zeilen I + Π für ihn aussagen: "Tidender (täljer jag) ät landsmännen, tidender (täljer jag desslikes) ät främlingarna (som fara leden fram)." (171), die Inschrift des Steines würde also Neuigkeiten über (die Brüder?) Hajjuwolf und Hariwolf erzählen, die gestorben sind. Um was für Neuigkeiten es sich handeln soll, sagt uns der Text leider nicht. Beide Interpretationen waren zu angreifbar, als daß sie sich hätten durchsetzen können. Kock 1921 war der erste, der im Komplex niuha eine neue Segmentierung vornahm und die Zeilen I und Π als niu hA-borumR, niu ha-gestumR aufteilte; ha stellte er zu aisl. hár 'Rudergemeinschaft', in niu erkannte er das Zahlwort 'neun'. Der Text wäre somit aufzufassen als "Für eine Gemeinschaft von einheimischen Kriegern, für eine Gemeinschaft von fremden Kriegern (errichtete der Häuptling das Denkmal).", was Jacobsen 1935:19 wie folgt beurteilt: "Hvor skarpsindig denne tolkning end er, virkede den meget lidt overbevisende; det er nu engang ikke tilstraekkeligt, at det formelle er i orden; for at en tolkning skal holde, mâ den baeres ogsâ af en indre sandsynlighed, og det g0r mindesmaerket for de ni hâ-b0nder og de ni hâ-gaester ikke." Auch bei Kock bleibt die unterschiedliche Orthographie in niuhA/niuha unberücksichtigt, aber er liefert immerhin zum ersten Mal eine Erklärung für das -h-, Zeile IV der Inschrift ließ er uninterpretiert, als unhaltbar darf sein Vorschlag gelten, in Zeile ΠΙ die jara-Rune im Sinne von "jämnt" zu verstehen: "Hajmwolf gab den beiden Gruppen jämnt = ihren vollen Sold". Schon Lindqvist 1923:100 wies darauf hin, daß in diesem Fall der Lautwert der Rune /j/ und ihr Anlaut im Runennamen ArA nicht übereinstimmen würden, also ein Anachronismus angenommen werden müßte. Ein alternativer Vorschlag von Kock, die Rune als Zeichen für "jag" = "ich" zur nächsten Zeile zu ziehen, ist noch weniger haltbar. Lindqvist 1923 weicht von der Lesung von Friesens ab, indem er in Zeile IV eAus nuhAte mit einer Binderune erkennen will; den Komplex eAus stellt er zu dem Prät. aisl. jós 'gießen, überschütten', "I nuhAte igenkänna vi dat. sg. av en fem. f/-stam = fisi, gnótt (, gnœtt) 'abundance, plenty' (Vigfusson), ags. genyht och fht. ginuhtf. 'genüge, fülle, überfluß'." (Lindqvist 1923:106), wobei auch hier ein Svarabhakti-a angenommen wäre, niuha ist eine Form des Adj. *niujaR 'neu' und borumR ist Dat. zu 'die Bewohner'; er kommt damit zu der Übersetzung: "Nybyggarna, nykomlingarna gav Hathuwolf äring, överöste Hariwolf med rikedom." (Lindqvist 1923:112), Zeile I + Π würde also mitteilen, für wen die Handlung vorgenommen wurde, in Zeile ΠΙ + IV, welche Handlung beispielhaft in der Vergangenheit erfolgte, mit dem Ziel, Gleiches für die Zukunft magisch zu garantieren. Das Ganze wäre also eher ein Zauberspruch als eine Gedenkinschrift, die vor ihm immer zugrundegelegt wurde. Eine Aussage über das genaue Verwandtschaftsverhältnis zwischen Hajmwolf und Hariwolf ist dabei nicht möglich. Auch er faßt den Unterschied niuhA/niuha lediglich als graphische Variation.
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Jacobsen 1935 akzeptiert den Beginn von Lindqvists Interpretation, daß Hafmwolf jemandem ein gutes Jahr gegeben habe; bezüglich niuha meint sie ohne nähere Begründung pauschal: "Niuha-\ûiâcn opfatter jeg som navn pâ krigerlavet; i spidsen for dette stod h0vdingen Hâdulv, der gav sine krigere, de hjemh0rende sâvel som de fremmede, »gode tider«." (Jacobsen 1935:23) und merkt dazu an, daß eine Etymologie des Namens der Kriegerschar vorläufig nicht gegeben werden könne. Ein ganz ähnlicher Standpunkt ist noch bei Moltke 1985:141 eingenommen, wenn er schreibt: "The most logical solution seems however to be that niuhA in some way or other denotes Hâdulvs territory ("Blekinge").", was aber keinesfalls als bewiesen gelten kann. In Zeile IV liest Jacobsen magiusnuhwe, wobei magiu zu *maguR 'Sohn' gehört und snuhwe eine 3.Sg.Präs.Konj. zu urgerm. *snuwwan = aisl. snugga: "hvor h er et famlende udtryk for f0rste Stadium af den g-lyd, der tidligt udviklede sig i forbindelsen germ, ww og i literaer tid betegnedes ved gg. I oldnordisk og senere nordisk har snugga betydningen »spejde efter«, »laenges efter«, og denne betydning synes mig at mâtte kunne indpasses i vor indskrift." (Jacobsen 1935:24). In Zeile IV stünde somit "Hariwolf wird/möge nach seinem (toten) Sohn Ausschau halten (auf ihn zurückspähen)", der Vater Hariwolf hätte also seinen gestorbenen Sohn HaJ>uwolf, der der Schar ein gutes Jahr gab, überlebt. Marstrander 1952b trennt in Zeile I + Π wie bereits Kock 1921 zwischen niuund ha und stellt ha zu aisl. hár 'hoch'. Das ergäbe dann die Aussage: "Den neun hohen Söhnen, den neun hohen Gästen gab Hajmwolf ein gutes Jahr". In diesen Söhnen bzw. Gästen vermutet er "kornbandfigurer", d.s. Vegetationspuppen, die als Symbole für Fruchtbarkeit neun Jahre hindurch, wie Menschen angezogen, in den Hochsitz gesetzt und als Fruchtbarkeitsbringer verehrt worden sein sollen; dazu Krause/Jankuhn 1966:211: "Diese Interpretation scheint mir sehr gezwungen.", sie wurde m.W. auch von niemandem übernommen. Die Segmentierung niu ha-borumR findet sich auch bei Gr0nvik 1987, aber mit anderer Interpretation (vgl. dazu unten). Krause 1961b und Krause/Jankuhn 1966:210ff weist für den Anfang auf beide Möglichkeiten: niu 'neun' und niuha 'neu' mit hiatusfüllendem Konsonanten hin, entscheidet sich aber dann doch für die Übersetzung "Den neuen Bauern, den neuen Fremdlingen gab Haduwolf gutes Jahr." In Zeile IV liest er maxxusnuhxe, die vorletzte Rune sei sicher kein |> wie bei Jacobsen, sondern am ehesten Γ, so daß hier die Aussage "Hariwolf für ... ist jetzt Schutz" die größte Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Begründung dafür gab er in 1961b:275: "Ein Wort snuhwe scheint mir weder graphisch (s.o.) noch sprachlich möglich; ja, ich wüßte überhaupt kein Wort, welches zur Zeit der Inschrift ein inlautendes -h- vor Konsonant haben könnte. Ein Vokal aber zwischen diesem h und dem auf das unsichere Zeichen 20 folgenden e ist höchst unwahrscheinlich." Baetke Wb. verzeichnet nur snugga til 'sich auf etwas Hoffnung machen' und unpersönlich snœliga snuggir 'es sieht nach Schnee aus'.
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Für Krause ist Hajjuwolf somit ein vermutlich in Lister eingefallener Kleinkönig, welcher den neuen Siedlern und den neuen "Gästen" (Gefolgsleuten?) ein gutes Jahr, d.h. gute Ernten gab. Die Gedenkinschrift auf dem Stein zeigt, daß er zu diesem Zeitpunkt tot war. "Vermutlich ist der Stentoften-Stein gerade von der neu eingewanderten Schicht der Bevölkerung diesem glückhaften König zur Ehre und zum Andenken gesetzt worden." (Krause/Jankuhn 1966:213). Hariwolf war aufgrund der Namensalliteration ein naher Verwandter von ihm, der "zur Zeit der Inschrift noch lebte und für irgend jemand oder für irgend etwas "jetzt ein Schutz" war." Krause nimmt ferner an, daß es sich bei Hafiuwolf auf Stentoften, Istaby und Gummarp um dieselbe Person gehandelt habe, und daß Hariwolf auf Istaby und Stentoften verschiedenen Generationen angehörten, ein Gedanke, den Jacobsen 1935 abgewiesen hatte. Für die Zeilen Ι-ΙΠ bringt Krause also nichts wesentlich Neues, dagegen hat seine Lesung der letzten drei Runen in Zeile IV als vor allen anderen den größten Grad an Wahrscheinlichkeit. Seinen Vorschlag von 1961, den Komplex davor als mangu 'für vieles' oder 'in vieler Hinsicht' zu lesen, bezeichnet er in Krause/Jankuhn 1966:211 selbst als "durchaus unsicher"; er weist aber zu Recht darauf hin, daß die Lesung magiu zwar einen guten Sinn ergäbe, man bei der Sprache der Stentoften-Inschrift aber eigentlich eine synkopierte Form magi für /megi/ erwarten sollte (was Lacy 1979 zu der doch sehr unwahrscheinlichen Annahme veranlaßte, hier eine Begriffsrune Π = *uruz 'Auerochse, Manneskraft' anzunehmen; ansonsten bietet dieser Aufsatz nichts Neues). Aufgenommen wurde dieser Hinweis lediglich von Nielsen 1968. Klingenberg 1973 übernimmt die Lesung von Jacobsen und gibt dann eine vollständige Interpretation der Hauptinschrift im Rahmen seines gemiatrischen Modells, mit einem Zahlenwert für jede Rune der Inschrift gemäß ihrer Stellung innerhalb der Runenreihe. Die einzelne Begriffsrune am Ende von Zeile ΠΙ vergleicht er metaphorisch mit einer rotgefärbten Initiale in einer Handschrift, der Runenmeister wechselt bei der zentralen Aussage von der Laut- zur Begriffsschrift. Zählt man nun die Runen dieser Zeile gemiatrisch aus und gibt dabei der Begriffsrune der ihr von ihrer anzusetzenden späturnord. Lautform ArA zukommenden Zahlenwert 29 (Α12γ5Α12), SO ergibt sich der Gesamtwert von 156 = 12 χ 13, d.h. die magische DREIZEHN mit dem Multiplikator 12, der die zwölfte Rune des FuJjark mit dem Begriffswert "gutes, fruchtbares Jahr" repräsentiert. Hajjuwolf gab also ein gutes Jahr, die auch von Snorri überlieferte Hauptaufgabe der Vorzeitkönige (blóta til árs). In den beiden Dativen -borumR und -gestumR sieht Klingenberg die (Kult-)Gemeinde vertreten, wobei er offen läßt, ob es sich mit von Friesen und Lindqvist um eine Neusiedlung (niuha) oder mit Kock und Marstrander um eine militärisch organisierte Gruppe (niu ha-) handelt. Auch die Zeilen Ι+Π ergeben ausgezählt mit 260 ein Vielfaches von 13, nämlich 20 χ DREIZEHN; an 20. Stelle im Fujjark steht die Rune M» mit dem Begriffswert *mannaz 'Mensch', wir hätten also auch hier eine zusätzliche gemiatrische Verschlüsselung der Klartextaussage. In Zeile IV liest Klingenberg HAriwolAfR mAgiu snuhwe, er stellt snuhwe aber gegen Jacobsen zu aisl. snúa 'drehen, wenden' und kommt
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so zu "Hariwolf möge wenden [...] den Sohn - möge dem Jungen eine bestimmte Richtung geben." (Klingenberg 1973:239), wobei 'Knabe, Sohn' in übertragenen Sinne den "Jahres-Jungen", das junge, neue Jahr bezeichnen würde. Dazu paßt der Zahlenwert von magiu mit 52 = 4 χ DREIZEHN, die auf ein wohlbekanntes Zahlenrätsel verweist (ein Baum hoch auf dem Gebirge mit 13 Ästen und vier Zweigen an jedem Ast = das Jahr mit 13 Monaten à 4 Wochen). Auch hier würden also Klartext und verschlüsselter Zahlenwert aufeinander verweisen. Des weiteren kann Klingenberg darauf hinweisen, daß alle vier Zeilen der Hauptinschrift genau 58 Runen zählen, was als 2 χ 29 = 2 χ ArA auf zwei fruchtbare Jahre, das vergangene, das Hajmwolf gab, und auf das kommende, das Hariwolf bewirken soll, verweist; der Runenmeister von Stentoften hätte somit "einen zusammenhängenden Kulttext vom Werden und Sterben und Werden eines *runono. Beide Wörter zusammmen bedeuten dann "der Aufenthaltsort der vertrauten Freunde = die Grabstätte", und danach käme dann der Rest der Fluchformel, der die Worte wiedergibt, die Hariwolf während der Einweihung der Grabstätte gebraucht haben soll. Ein Hinweis auf die entsprechende Formel auf Björketorp findet sich bei Gr0nvik nicht. In seinem Realkommentar stellt er dann noch fest, daß die beiden Namen Verwandte, vielleicht Vater und Sohn, bezeichneten, von denen der eine das Monument "gab", d.h. finanzierte, während der andere die Stätte weihte, das heißt die dazugehörige religiöse Zeremonie durchführte: "Ut fra innskriften er det ikke mulig â avgj0re sikkert hvem av de to som var faren og hvem som var s0nnen, men det ligger kanskje naer ä anta at det var den eldste som foresto gravritualet. Det var vel da den yngste, Hâlv, som bekostet gravmonumentet og s0rget for at begivenheten ble foreviget ved en runeinnskrift." (Gr0nvik 1987: 128f). Wie viele der Interpretationen Gr0nviks ist auch die der Inschrift auf Stentoften sehr phantasievoll, es kommt am Ende auch ein passender, in sich schlüssiger Text heraus, aber es drängt sich doch auch der Eindruck auf, die Lesungen und Worterklärungen seien von der Absicht geprägt, genau diesen Text etablieren zu wollen (und um einer völlig neuen Interpretation willen erfolgt). Als Leser steht man vor der Alternative, ihm zu glauben oder nicht; ersteres setzt dann voraus, eine reduplizierte Prät.-Form eœk, eine Konjunktion a 'und', eine ganze Reihe von unbelegten (wenn auch durchaus möglichen) Bedeutungen und wohl auch zumindest am Anfang unterschiedliche Formeln auf Stentoften und Björketorp zu akzeptieren. Alles dies würde ich bis auf Weiteres als unwahrscheinlich einstufen. Santesson 1989 und 1993 geht von der auffälligen und von den meisten nicht beachteten Schreibung niuhA und niuha am Anfang der Zeilen I und Π aus und will zeigen, daß die Verwendung zweier unterschiedlicher a-Runen phonologisch motiviert sein könnte. In den späteren Runeninschriften gibt es die deutliche Tendenz, die Rune f für nasales /a/, $ dagegen für orales /a/ zu schreiben, und dieser Gebrauch könnte sich auch schon auf Stentoften finden, da es auf allen Blekinger Inschriften kein sicheres Gegenbeispiel gibt. Der einzige Beleg für sfc vor einem Nasal findet sich auf Björketorp und Stentoften im Wort h(A)erAmAlA(u)saR, und hier bezeichnet diese Rune mit Sicherheit einen Svarabhaktivokal, wie auch
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sonst in diesen Inschriften. "Sä vitt jag kan finna saknas alltsâ stöd för uppfattningen att Stentoftens ristare inte skilde pâ nasalerat och icke-nasalerat a. " (Santesson 1989:225). Die Verwendung der Rune f auf Stentoften läßt also auf einen bewahrten oder geschwundenen nachfolgenden Nasal schließen, der vor dem folgenden /g/ in Einklang mit den orthographischen Regeln in beiden Fällen nicht geschrieben wäre. Wenn niu für 'neun' steht, dann bleibt als Rest der Zeile II ha(n)gestumR, was Santesson zu urgerm. *hangistaR 'Hengst'stellt. Dieses Wort hat in den germ. Sprachen Wechselformen, aus *hanhistar entwickelt sich lautgesetzlich nschw. hast (bereits auf dem Rökstein als hist belegt), die Variante *hangistar ergibt nschw. hingst1*, nhd. Hengst. Nach den Synkope-Erscheinungen in den anderen Teilen der Stentoften-Inschrift kann für dieses Wort ein Nom.Sg. *hangistR und der Dat.Pl. *hangistumR angenommen werden, die Verwendung der Rune Π für einen i'-Laut hat eindeutige Parallelen in hideR und ArAgeu: "En stavning av hangistumR med en e-rune, d.v.s. som ha(n)gestumR skulle alltsâ väl passa in i det ortografiska mönstret för inskriften i övrigt." (Santesson 1989:226). Faßt man diese Dat.-Form als Instrumental auf, wofür es in der eddischen Dichtung genügend Parallelen gibt, erhält man für die Zeile Π "mit neun Hengsten". Wegen des allgemein akzeptierten syntaktischen Parallelismus der Zeilen I + Π muß man für Zeile I dann gleichfalls niu hAborumR segmentieren, und $ sollte ein orales /a/ bezeichnen. Das Wort hAborumR stellt Santesson zu germ. *HabraR "Bock", aisl. hafr, dessen Dat.Pl. *habrumR gelautet haben müßte. Die Rune £ kann dann nur einen Svarabhakti-Vokal bezeichnen; dieser würde dem Gebrauch der Blekinger Steine durchaus entsprechen, es wäre allerdings ein singulärer Beleg für eine o-Rune als Svarabhakti-Bezeichnung. Meistens steht dafür eine a-Rune, auf Björketorp und Stentoften in h(A)iderA aber auch und in hideR bezeichnet diese Rune für Gr0nvik gleichfalls einen Svarabhakti, für andere einen zumindest geschwächten Endsilbenvokal (vgl. 3.3.4.3 oben). In den Inschriften des 11. Jhds. findet sich oft eine Abhängigkeit des Svarabhakti von den folgenden Vokalen (etwa bei buru = brú oder turuknapi = dru(n)knadi); es wäre möglich, daß auch auf Stentoften das folgende /u/ den Svarabhakti in hAborumR beeinflußt haben könnte, zumal Stentoften auch in gino-, ronoR und eventuell in -wolAfR £ für «-Laute schreibt (z.T. auch Björketorp). Noch wahrscheinlicher als eine graphemisch motivierte Beeinflussung finde ich die Annahme, daß in den Schreibungen mit Π und £ der Versuch zu sehen ist, abgeschwächten und zentralisierten Nebensilbenvokalen eine Entsprechung bei den Starkdruckvokalen zuzuordnen (vgl. meine Argumentation zu AR auf Björketorp oben). Santesson schlägt also vor, den Text der Zeilen Ι-ΠΙ auf Stentoften zu interpretieren als "Mit neun Böcken, mit neun Hengsten gab HaJjuwolf ein gutes, 18
Dieses Wort ist im Schwedischen nicht vor dem 14. Jhd. belegt, so daß es allgemein als Lehnwort aus dem Deutschen eingestuft wird. Aber Santesson kann auf den Namen Hengest hinweisen, den im Beowulf ein dänischer Häuptling führt, und auf die beiden Brüder Hengest und Horsa, die bei Beda genannt sind; eine Formvariante mit -g- bei diesem Wort in späturn. Zeit kann also nicht ausgeschlossen werden.
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fruchtbares Jahr." Sprachlich wie orthographisch wären damit einige bisher nicht befriedend gelöste Probleme beseitigt, v.a. der Wechsel niuhA/niuha, aber auch die frühe Bezeichnung des i-Umlauts in gestumR mit der Rune Π. den Eggja in z.B. manR = mœnnR mit f schreibt; gestumR als chronologisches Problem würde überhaupt wegfallen, und die Sprache des Einleitungsteils würde der der Fluchformel weitestgehend entsprechen, die postulierten Archaismen der Fluchformel also entfallen. Inhaltlich läßt sich dieser Teil der Inschrift auf Stentoften mit der Schilderung des großen Opfers zu Uppsala bei Adam von Bremen verknüpfen, der berichtet, daß aus diesem Anlaß dort in jedem neunten Jahr von jeder Tierart neun männliche Exemplare (und auch neun Männer) den Göttern geopfert wurden (worauf bereits Marstrander 1952 hingewiesen hatte); Pferdeknochen machen einen großen Anteil der Mooropferfunde aus, neben anderen Haustierknochen und den Waffenfunden. "Med min tolkning blir inskriften ett minnesmärke över ett offer, vars omfattning i sig utgör en trolig anledning tili att uppföra ett monument. Om inskriften gäller ett gudaoffer passar ocksâ den avslutande besväijelseformeln mot den som förgriper sig pä detta minnesmärke helt in i bilden." (Santesson 1989:228). Da Santesson zum Text der Zeile IV nicht Stellung bezieht, findet sich hier auch keine Aussage über das mutmaßliche Verwandtschaftsverhältnis zwischen HaJjuwolf und Hariwolf, auch das Verhältnis zu den übrigen Blekinger Steinen wird nicht angesprochen. Damit wären die wichtigsten Interpretationen der Hauptinschrift auf dem Stein von Stentoften sowie einige Kritikpunkte und Probleme angesprochen; ein eindeutiges, voll überzeugendes Fazit daraus, eine Entscheidung also, welche der Interpretationen das größte Maß an Wahrscheinlichkeit für sich hat, läßt sich wohl nicht ziehen; doch können die beiden Versuche, im Komplex niuha einen Namen zu sehen (von Friesen und Antonsen), als wenig überzeugend im folgenden unberücksichtigt bleiben. Ich möchte zusammenfassend aber doch die Konsequenzen andeuten, die bestimmte Lesungen und Gesamtdeutungen mit sich bringen: (1) Unter Annahme einer willkürlichen Variation bei der Schreibung niuha/niuhA (oder eines Ventils im Dienste einer Buchstabenrechnung) werden die Zeilen Ι+Π als "Den neuen Siedlern/Söhnen, den neuen Gästen" verstanden, das inlautende -h- muß dann als Hiatus-füllend erklärt oder ignoriert werden. In gestumR hätte man einen Beleg für die Schreibung des ¿-Umlautes mit der Rune Ï1, und bereits eine analogische Ersetzung der ursprünglichen Endung *-imR durch -umR anzunehmen. Die letzte Rune in Zeile ΠΙ ist als Begriffsrune Ar A "gutes, fruchtbares Jahr" aufzufassen. Der ältere Hajmwolf wäre vermutlich gestorben, und sein Nachfolger und mutmaßlicher Sohn Hariwolf hätte Monument und Inschrift veranlaßt. Bei den neuen Siedlern resp. Söhnen liegt der Gedanke an eine Neuansiedlung natürlich nahe, und man kann dann spekulieren, ob es sich dabei um die Reste der geschlagenen und nach Skandinavien zurückgewanderten Eruier oder um eine norwegische Kolonie auf Lister handeln könnte. Lesung und Bedeutung von Zeile IV bleiben umstritten.
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(2) Eine zweite Gruppe von Interpreten möchte niu als Zahlwort 'neun' auffassen und würde übersetzen: "Den neun Αά-Söhnen, den neun λά-Gästen gab HaJjuwolf ein gutes Jahr." In há wäre je nach Interpret eine Rudergemeinschaft, das Adj. 'hoch', oder eine Anspielung auf den Beinamen Odins zu sehen; ansonsten gilt das unter (1) Festgestellte. Es kann sich dann allerdings schwerlich um eine Neuansiedlung handeln, denen Hajmwolf Fruchtbarkeit garantierte, sondern man würde eher an eine bestimmte, vermutlich kultisch definierte Gruppe denken. Die Interpretation Gr0nviks nimmt insofern eine Sonderstellung innerhalb dieser Gruppe ein, als er als einziger vorschlägt, die letzte Rune in Zeile ΠΙ nicht als Begriffsrune, sondern als Konjunktion 'und' aufzufassen; dadurch muß natürlich auch seine Interpretation von Zeile IV erheblich von der aller anderen Interpreten abweichen. Allen gemeinsam ist die Vorstellung, daß es sich bei der Inschrift eher um eine Dokumentaton magischer Handlungen, denn um eine Gedenkinschrift handeln müsse. Lesung und Deutung von Zeile IV ist ebenso umstritten wie das Verwandtschaftsverhältnis der in der Inschrift genannten Personen: so wäre für Nielsen Hajmwolf der Vater und Hariwolf der Sohn, dagegen für Gr0nvik Hariwolf der Ältere (vielleicht der Vater), Hajrawolf der Jüngere. (3) Eine dritte Variante schließlich eröffnet die Interpretation von Santesson: auch hier wäre niu als 'neun' aufzufassen und am Ende von Zeile III eine Begriffsrune zu lesen; die Dat.-Formen in Zeile I+II würde allerdings nicht die Nutznießer der Handlungen Hajiuwolfs bezeichnen, sondern Opfertiere, durch deren Schlachtung die Fruchtbarkeit garantiert werden soll. Als Konsequenz aus diesem Vorschlag würde gestumR als früher Beleg für einen auch graphemisch realisierten i-Umlaut entfallen, wir müßten annehmen, daß die Blekinger Steine, zumindest jedenfalls Stentoften, bereits eine funktionale Differenzierung der beiden Runen für /a/ f* und 5|c durchgeführt haben, und wir hätten in haborumR eine o-Rune als Bezeichnung eines Svarabhakti. Der erste Teil der Hauptinschrift von Stentoften wäre in dieser Interpretation die Dokumentation eines rituellen Opfers (aber wohl in der Vergangenheit wegen gaf). Santesson interpretiert die Zeile IV nicht, über das Verwandtschaftsverhältnis von Hajmwolf und Hariwolf ist deshalb auch keine Aussage möglich. Bei unserem derzeitigen Kenntnisstand kann keine wissenschaftlich objektive Entscheidung zwischen diesen Varianten getroffen werden; wir werden vermutlich nie definitiv wissen, welche Aussage der Runenmeister von Stentoften wirklich intendierte. In Anbetracht dieser Situation können sprachgeschichtliche Schlußfolgerungen auch nur aus den wirklich gesicherten Teilen der Inschrift gezogen werden. Dennoch wird natürlich jeder, der sich mit der Inschrift beschäftigt, seine persönlichen "Wahrscheinlichkeiten" oder Vorlieben entwickeln. Für mich sind drei verschiedene graphische Varianten der a-Rune höchst unwahrscheinlich, die letzte Rune in Zeile ΠΙ sollte daher, wie von den meisten angenommen, wirklich als Begriffsrune aufgefaßt werden; der Klartext der Zeilen I-III wäre also: "Hajmwolf gab XY ein gutes, fruchtbares Jahr". Vor die Wahl gestellt erscheint mir eine Wortgrenze zwischen niu und hA/ha wahrscheinlicher als die Annahme
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eines Hiatus-füllenden -h-\ damit würde ich auch die ganze Neusiedler-These in Frage ziehen. Der Wechsel zwischen i(. und ^ verlangt nach einer Erklärung, die bei Santesson gegeben ist, aber keinesfalls als gesichert bezeichnet werden kann. Vielleicht sind beide Runen auf den Blekinger Steinen wirklich rein graphische Varianten und frei von Regeln verwendbar; auch die Möglichkeit eines runenmeisterlichen Akzents ist nicht abzuschließen. Somit könnten mit haborumR und hAgestumr entweder "Böcke" und "Hengste" angesprochen sein, die geopfert wurden, oder "há-Sohne" und "hä-Gäste"; im zweiten Fall überzeugt mich die Zusammenstellung mit dem Odins-Namen Hár bei Gr0nvik 1987 noch am ehesten, wenn auch die hinter den Bezeichnungen stehenden religiösen Vorstellungen nicht ganz klar faßbar sind (die Individualweihe ist nun einmal eine umstrittene Frage). Die Zeilen Ι-ΙΠ könnten also entweder als "Durch (das Opfer von) neun Böcke(n) und neun Hengste(n) gab Hajjuwolf ein gutes Jahr" oder als "Den neun Odins Söhnen, den neun Odins-Gästen gab Hafiuwolf ein gutes Jahr" aufgefaßt werden. Ich tendiere eher zu Santessons Vorschlag (so auch Düwel 1992a:353). Am schwierigsten dürfte es wohl sein, für die Zeile IV einen Text zu etablieren; lediglich der Name am Anfang der Zeile ist unbestreitbar. Die Lesung der drei letzten Runen durch Krause als hie 'Schutz' halte ich für wahrscheinlicher als eine Verbform snuhwe, daß davor usnu steht, ist eindeutig. Davor kann entweder mAgi oder mAgR gestanden haben, beides ergibt sprachlich wie inhaltlich am ehesten Sinn. Die Aussage könnte somit gewesen sein, daß Hariwolf, der Sohn (HaJ)uwolfs), uns jetzt ein Schutz ist (so bei Nielsen), oder daß Hariwolf jetzt dem "magr" ein Schutz ist; im zweiten Fall glaube ich eher an ein konkretes Kind als an ein metaphorisches "Jahres-Junges" (so bei Klingenberg). Für Nielsen spricht, daß magR eine lautlich korrekte Form darstellen würde, während im Dat.Sg. magiu eine unsynkopierte Form anzunehmen wäre (was in dieser sprachlichen Übergangszeit aber auch nicht ausgeschlossen werden kann); dagegen spricht, daß us 'uns' sprachlich ungewöhnlich und inhaltlich nur schwer faßbar wäre. Ich würde daher vorschlagen, Zeile IV als "Hariwolf ist dem Jungen jetzt ein Schutz" aufzufassen, aber auch jede andere plausible Version kann akzeptiert werden. Es bleibt dann noch die Frage, wie die Inschrift auf Stentoften mit denen der anderen Blekinger Steine in Zusammenhang zu setzen ist, die Frage nach der internen Chronologie der Listersteine Stentoften, Björketorp, Istaby und Gummarp. Explizite Aussagen dazu finden sich bei Jacobsen 1935 und Krause/Jankuhn 1966; implizit wird auch von den meisten anderen Interpreten vorausgesetzt, daß Björketorp jüngere Sprachformen als Stentoften zeigt und deshalb jünger sein muß, Lindqvist 1923 plädiert für die Gleichzeitigkeit von Björketorp und Istaby aufgrund der Form runar. Jacobsen 1935: 45f spricht sich aus runologischen Gründen für eine Reihenfolge Stentoften - Björketorp - Istaby aus, "whereas the Gummarp stone palaeographically and philologically belongs to the same phase as the first two." (Jacobsen 1935:79); die gesamte Gruppe ist älter als Eggja und jünger als die Brakteat-Inschriften. Für sie ist Hajjuwolf auf Stentoften der Sohn
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Hariwolfs, er kann also nicht identisch sein mit dem Hajmwolf auf Istaby, dessen Vater Heruwulf hieß. Das letzte Argument ist wohl nicht haltbar, da hAeruwulafiR nicht unbedingt ein Vater-Sohn-Verhältnis angibt, und weil Jacobsens Interpretation der Verwandtschaftsverhältnisse auf Stentoften aller Wahrscheinlichkeit nach falsch ist. Krause/Jankuhn 1966:204 äußert sich in dieser Frage sehr vorsichtig: "Die gegenseitige Verwandtschaft der in jenen Inschriften genannten Personen, eines Geschlechtes der Wülflinge, ist nicht genauer bestimmbar, und zwar vor allem, weil einmal die relative Chronologie dieser Inschriften unsicher ist, sodann weil die patronymische Bildung auf -iR (Istaby) nicht nur auf den Vater, sondern auf irgendeinen direkten Vorfahren bezogen werden kann. Bei der unten näher begründeten Annahme, daß die fraglichen Inschriften in der zeitlichen Reihenfolge Gummarp - Istaby - Stentoften entstanden sind, ließe sich folgende Stammtafel als allenfalls denkbar aufstellen, wobei die Personennamen in altisländischer Sprachform gegeben werden unter Hinzufügung derjenigen Inschrift, in welcher der betreffende PN [Personenname Th.B.] erwähnt wird. Hjçrôlfr (Ist.)
(X)
Herjólfr I (Ist.)
Λ
Hálfr (G., 1st., St.)
I
Herjólfr Π (St.)" Das würde dann bedeuten (ebenso wie einige andere Stammbäume, die bei dieser angenommenen Konstellation möglich wären), daß zunächst HaJjuwolf die Steine von Istaby (bei der Machtübernahme anläßlich des Todes seines Bruders oder eventuell Vaters) und Gummarp (in der Absicht, seiner Bevölkerung Reichtum und Fruchtbarkeit zu sichern) errichtet hätte (bzw. beauftragt hätte); einige Jahre oder Jahrzehnte später hätte sein Sohn Hariwolf ihm dann nach seinem Tod mit Stentoften einen Gedenkstein errichtet, dessen Fluchformel dann abermals einige Jahrzehnte später auf Björketorp (in magischer Funktion) übernommen und sprachlich modernisiert worden sein könnte. Diese Auffassung liegt ganz deutlich den Datierungsvorschlägen bei Krause/Jankuhn 1966 zugrunde, wo Gummarp auf 600, Istaby auf 625, Stentoften auf 650 und Björketorp auf 675 angesetzt werden. Daß Björketorp aller Wahrscheinlichkeit nach jünger als Stentoften sein dürfte, kann als unbestritten gelten; auch das Argument, auf Stentoften wären zwei verschiedene Sprachstufen repräsentiert, eine jüngere, modernere und eine ältere, bewußt archaisierende, sollte nach dem oben Festgestellten als überholt gelten
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Die Blekinger Steine
können; daß schließlich die vier Steine von Mitgliedern desselben Geschlechts errichtet wurden, hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Die Auffassung bei Krause/Jankuhn 1966 hat als Konsequenz, daß Istaby (und Gummarp) älter sein müßten als Stentoften, was mir aus sprachlichen und runologischen Gründen unwahrscheinlich vorkommt: runaR auf Istaby und auf Björketorp repräsentieren eine jüngere Sprachstufe als ronoR auf Stentoften, der Versuch, die Brechungsprodukte graphisch zum Ausdruck zu bringen verbindet ebenfalls Istaby und Björketorp und erweist Stentoften als älter. Die Form staba auf Gummarp sollte ihn auf die gleiche Stufe wie Istaby und Björketorp stellen lassen. Man könnte deshalb annehmen, daß es sich bei Hariwolf auf Stentoften und auf Istaby um dieselbe Person handelt, daß er Stentoften als junger Mann nach dem Tode seines Vaters Hajmwolf zur Dokumentation seines Herrschaftsanspruches errichten ließ; auch die Annahme eines älteren Bruders Hajmwolf, dessen Herrschaft der jüngere Bruder Hariwolf übernimmt, wäre möglich. Auf Istaby müßte dann ein jüngerer Haf>uwolf für den gestorbenen Hariwolf die Inschrift angebracht haben. Das ergibt die folgenden (theoretisch) möglichen Stammbäume (in Klammern die Urheber oder Auftraggeber der jeweiligen Steine): Heruwolf
Hajmwolf
Λ
Heruwolf
I
Hariwolf (St.)
HaJjuwolf
Hajmwolf (Is.)
Hariwolf (St.)
Hajmwolf (Is.) Beide angedeutete Möglichkeiten der Namensgebung für ein Kind, nach dem Bruder des Vaters (oder der Mutter) oder nach einem der beiden Großväter, sind in späterer literarischer Zeit gut bezeugt; Heruwolf könnte der Vater Ha{>uwolfs des Älteren und Hariwolfs oder ein entfernterer Vorfahr (vielleicht der Begründer der Herrschaft des Geschlechts) sein, beides ist sprachlich möglich. Vielleicht bietet dieser Ansatz sogar die Möglichkeit, eine Erklärung für die umstrittene Zeile IV auf Stentoften zu liefern: Bei einer Entscheidung für die Lesung hariwolafR magiu 's nu hie "Hariwolf ist dem Jungen nun ein Schutz" bleiben zwei Fragen offen, nämlich warum diese an und für sich banale, jedenfalls private Aussage "Der Vater beschützt seinen Sohn" neben den bedeutsamen, kultisch zu verstehenden Mitteilungen der anderen Zeilen steht (für Klingenberg wäre magiu allerdings integrierter Bestandteil der Gesamtaussage als Jahres-Junges), und warum der Name des Sohnes nicht im Klartext gegeben wird, sondern mit dem Appellati-
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
vum magr umschrieben wird. Auf die zweite Frage bietet sich die Antwort an, daß der Name des Jungen mit dem bereits in Zeile ΠΙ als Vorfahr genannten Hajsuwolf identisch war, es bleibt die Frage nach der Schutzfunktion Hariwolfs. Wäre es nicht denkbar, daß Hajiuwolf der Jüngere nicht wie oben angenommen der Sohn Hariwolfs, sondern der von Hajmwolf dem Älteren sein könnte? Die Sagaliteratur belegt einige Fälle (am bekanntesten ist vielleicht der des Snorri go8i), in denen ein Kind den Namen seines Vaters erhielt, wenn dieser vor der Geburt starb; der Bruder des Vaters pflegte dann als Ziehvater zu fungieren, das Kind also in seinen Schutz zu nehmen. Ich stelle mir also folgendes Szenario vor: Der Kleinkönig in Blekinge Hajiuwolf der Ältere hatte über einen längeren Zeitraum seinen Untertanen mit Hilfe von Opfern an die Götter glückhaft Fruchtbarkeit und damit Reichtum garantiert, er starb und hinterließ einen ungeborenen Sohn; sein Bruder Hariwolf errichtete zum Gedenken an Hajsuwolf den Stein von Stentoften, der ungeborene Sohn erhielt den Namen Ha{>uwolf nach seinem Vater, vielleicht mit der Absicht, für die Bevölkerung dessen Glück und die Tradition zu bewahren. Nachdem er die Volljährigkeit erreicht hatte und nach dem Tode seines Ziehvaters Hariwolf errichtete Hajjuwolf der Jüngere für ihn den Stein von Istaby, und der Stein von Gummarp könnte seinen Versuch markieren, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und seinem Volke Fruchtbarkeit und Reichtum zu sichern, hier nicht durch Opfer, sondern mittels Runenmagie. Das ergäbe dann folgenden modifizierten Stammbaum: Heruwolf
(X?)
Hajmwolf I
Hariwolf (St.)
Hajmwolf Π (Is., Gu.) Der Stein von Björketorp wurde aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls von einem Mitglied dieses Blekinger Geschlechts errichtet, ohne daß er einer bestimmten Person zuzuweisen wäre; er könnte von Ha£uwolf dem Jüngeren stammen, oder auch von einem seiner Nachkommen. Für die Datierung der Blekinger Inschriften könnte sich dann ergeben: Stentoften steht sprachlich auf der gleichen Stufe wie Eikeland (um 550) und der Stein von Noleby, mit Noleby verbindet ihn u.a. auch das enklitische Pronomen -eka und die Form der k-Rune Y , die bereits Järsberg (um 525) zeigt. Der Tod Hajsuwoifs des Älteren könnte somit in die zweite Hälfte des 6. Jhds. fallen,
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womit Stentoften (und das heißt auch der Schwund von j- im Anlaut) auf ca. 575 zu datieren wäre; Istaby und Gummarp sollten dann um oder kurz vor 600 entstanden sein, nachdem Hafmwolf der Jüngere seine Nachfolge angetreten hatte. Für Björketorp ist eine genauere Datierung nicht möglich, er könnte gleichzeitig mit Istaby und Gummarp oder etwas jünger sein, was davon abhängt, wie lange man für die Ausbreitung und Durchsetzung der Form Υ, die Vallentuna um 600 belegt, ansetzt. In diesem Zusammenhang sind dann vielleicht auch die traditionellen, älteren Formen der R-Rune Y auf Istaby und Björketorp zu verstehen, aber auch an unterschiedliche Schreibgewohnheiten zweier Runenmeister wäre zu denken: Stentoften im Auftrag von Hariwolf könnte dann einen nördlichen Duktus haben ()|c, ,|J, Istaby im Auftrag von Hajmwolf dem Jüngeren einen anderen Runenmeister mit südlichem Duktus Y ) , der auf Björketorp denn eine Kompromißschreibung verwendet p|c, Y). Der früheste Beleg für die Form Y, den wir auf dänischem Gebiet haben, ist vielleicht die Spange von Âlborg um 700, für den Anfang des 7. Jhds. sind damit Schreibvarianten jedenfalls möglich.
3.3.4.5 Zusammenfassung der Blekinger Inschriften In runologischer Hinsicht repräsentieren die Blekinger Steine ganz eindeutig eine Übergangsphase in der Entwicklung der Runenformen: allen gemeinsam ist die Form der e-Rune Π» Y = belegen Stentoften und Björketorp, X steht für auf Stentoften (vs. Y auf Björketorp und Istaby), Gummarp, Björketorp und Stentoften verwenden die ehemalige j-Rune 5)c für /a/, die auf Istaby in der Form H erscheint. Die Form der k-Rune ist typologisch älter als die auf Vallentuna um 600, die Verteilung der verschiedenen Grapheme für /a/ ist offenbar noch nicht fest geregelt: Björketorp verwendet ausschließlich 5|c (ohne einen sicheren Beleg für nasales /a/), auch zur Bezeichnung des Svarabhaktivokals; Istaby verwendet l/| für /a/, für den Svarabhakti dagegen f5; Gummarp zeigt 5|c für orales /a/ und den Svarabhakti, in pria steht hier f vielleicht bereits für nasales /a/; Stentoften verwendet wie Björketorp und Gummarp ^ für orales /a/ und den Svarabhakti, das einmalige ^ in niuhagestumR kann je nach Interpretation als nasales /a/ oder als sinnvoller Akzent des Runenmeisters, oder schlicht als graphische Variation aufgefaßt werden. am Ende von Zeile 3 ist nach op. com. als altertümliche Begriffsrune verwendet und nicht als Lautrune (wie bei Gr0nvik 1987). Die konsequente Regelung, die Eggja, der Kamm von Setre und die späteren Inschriften zeigen, mit >|c für orales und f für nasales /a/, gilt für die Blekinger Steine vermutlich noch nicht; dies scheint nahezulegen, sie vorläufig zeitlich auf 600 oder davor einzustufen. Die sprachlichen Kriterien - wie z.B. der Wandel von runoR > runaR - sollten ebenfalls ein Datierungskriterium darstellen, anhand dessen Björketorp und Istaby jedenfalls jünger als Eikeland um 550 sein dürften; daß sie eine ältere Sprachstufe als Eggja repräsentieren, sollte allgemein unbestritten sein. Damit bietet sich zugleich eine Datierung der Eggja-Inschrift in die 1. Hälfte des 7. Jhds.
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Archäologisch datierbare Runeninschriften
oder dessen Mitte an, was mit der internen Datierung der Inschrift oben übereinstimmt. 3.4 Resummé der archäologischen Datierungen Die folgende Tabelle verzeichnet die Gegenstände mit Runeninschriften, die aufgrund archäologischer Kriterien mehr oder weniger genau datierbar erscheinen; sie stellt zugleich die Grundlage dar für die sich anschließende Diskussion der Entwicklung der Runenformen, und für die sprachliche Einordnung der (spät-) urnordischen Inschriften. 450 460 470 480 490 500 510 520 530 540 550 560 570 580 590 600 610 620 630 640 650 660 670 680 690 700 710 720
Brakteaten ca. 420 bis ca. 525 Âgedal Bratsberg
Eikeland Fonnâs (lt. Gr0nvik 1987) Stentoften (vor 600?) Björketorp (vor 600?) Istaby (vor 600?) Vallentuna Setre? Eggja
Lousgârd Alborg Skabersjö?
Runologische Konsequenzen aus den archäologischen Datierungen 4.1 Schriftgeschichte Die Sichtung der archäologisch datierbaren Inschriftenträger führt zu den folgenden runologischen Fixpunkten, die die Ausgangsbasis für alle weiteren Schlußfolgerungen darstellen: (1): Alle behandelten Inschriften und alle Brakteaten zeigen die e-Rune in der Form Π (Bratsberg, Âgedal, Eikeland, Fonnâs, Eggja), wohingegen die als früher eingestuften Waffenteile und Fibeln der Römischen Kaiserzeit ausschließlich Π belegen (z.B. Ortband von Thorsberg, Dlerup Schildbeschlag und Schildgriff, Gärdslösa, Hobel von Vi, ferner auf Stenmagle, Nedre Hov, Strârup). Der früheste Beleg für [Ί auf einem losen Gegenstand dürfte somit das Gallehus-Horn sein, das mit verschiedenen Begründungen auf den Anfang des 5. Jhds. datiert wird (vgl. Klingenberg 1973:415, Krause/Jankuhn 1966:103); so hat etwa Oxenstierna 1956 auf die Ähnlichkeit der Sternornamente auf dem Runenhorn mit entsprechenden Ornamenten auf den Gegenständen des Sösdala-Fundes hingewiesen der Sösdala-Stil ist aber nach dem oben gegebenen Schema Bakkas in den Zeitraum 400-430 zu setzen. Daher können - sofern keine eindeutigen Indizien dagegen sprechen - alle Inschriften, die die Form |~| für belegen, in den Zeitraum vor 400 gesetzt werden; neben den bereits genannten sind dies:
Inschrift:
Andere Runenformen:
Stein von Skärkind
i
Stein von Opedal
i
Stein von Rö
i
Stein von Ârstad1
Τ < τ τ < Υ
= Begriffsrune (?)), Stein von Björketorp (Y M ^ = ), Angelstein von F0rde (-) und auf der Spange von Fonnäs ( ^ ??), die nach Bakka und Haseloff auf ca. 525-50, von Gr0nvik für die Inschrift auf spätestens 580 datiert wird. Alle Inschriften mit Y dürften also in die Zeit vor 600 (Vallentuna) gehören. (4): Ich gehe ferner von der Annahme aus, daß die Runen ^ und eventuell auch X (hier wäre Polygenese denkbar) entscheidend durch die Binderunen ^ und in ihrer Entstehung beeinflußt wurden. Aus den beiden Runen ^ und Y war eine Binderune nur durch Drehung des Y z u ^ zu formen, die zugleich die Leserichtung von oben nach unten angab (vergleichbar ist die Binderune auf Roes, die aber in umgekehrter Richtung zu lesen ist). Vor allem während des Zeitraums von - grob gesprochen - 450-550 gibt es eine starke Tendenz zu Binderunen, stärker jedenfalls als in den Jahrhunderten davor und danach. Ich gebe eine Auswahl aus den Belegen: Brakteat von Âgedal (ca. 480): Fibel von Bratsberg (ca. 500): Fibel von Eikeland (ca. 550): Brakteat von Skrydstrup: Brakteat von Schonen I: Brakteat von Schonen V:
X" AM ft  À λ >e r w
Schriftgeschichte
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?
Brakteat von Seeland Π: Lanzenschaft von Kragehul: À Μ* ΜΠ Κ Nil Schrapmesser von Fl0ksand: À Stein von By: Ν* M Stein von Noleby: M Stein von Järsberg: À Ν ra Wetzstein von Str0m: Ν5 Felswand von Veblungsnes: M Inhaltlich fallen zahlreiche dieser Inschriften mit der Gruppe der eril-Inschriften zusammen, dazu unten mehr. Auf den Brakteaten gibt es - trotz oder wegen der dummen Kopisten, die Moltke zu gerne anspricht - keinen Beleg für X, aber etliche Binderunen, darunter zweimal X- Der Wandel von Y > ^ dürfte sich deshalb in der Standard-Runenschrift erst nach der Brakteatenperiode durchgesetzt haben, d.h. nach 525. Meiner Ansicht nach geht ihm der Wandel Α > γ voraus: Da zu diesem Zeitpunkt sicher jedem Runenmeister bewußt war, daß die Binderune ^ in ^ + X aufzulösen war, sollte eine Analyse: A = F + À nahegelegen haben; eine gewisse Tendenz zur Ersetzung der halbzeiligen Runen durch solche mit voller Zeilenhöhe mag diese Analyse unterstützt haben (vgl. unten zur Entwicklung der j-Rune). Ich setze deshalb nach 525 eine relativ kurze Phase an, in der man Y neben Y schreiben würde. Bald darauf sollte dann die R-Rune gedreht worden sein, wodurch die Gefahr einer Verwechslung von Y und Y vermieden werden konnte. Eine Inschrift, die in der Zeit dieses Wandels entstanden sein sollte, ist die erilInschrift auf dem Stein von Järsberg: ubaR hite : EàrabanâR hait ek ériláR runoR waritu, die Krause/Jankuhn 1966:158 auf "Wahrscheinlich 500-550" datiert. Der Runenmeister schreibt für Y, er verwendet die Binderunen A ff und ra ! interessanterweise steht daneben in dieser Inschrift zweimal (in ubaR und in erilaR) die jüngere Form X neben einmal Y im Wort runoR, was auf eine gewisse Unsicherheit in der Verwendung der Runenformen hindeuten könnte, eher aber als eine "traditionelle Schreibung" im hochfrequenten runoR aufzufassen sein dürfte. Ich würde deshalb den Stein von Järsberg in Übereinstimmung mit Krause auf ca. 525 datieren. Es gibt dann zwei Möglichkeiten, die Runenform X auf Eikeland zu erklären: entweder macht man von der frühesten möglichen Datierung der Fibel Gebrauch und setzt sie auf 525 (mit Vorverlegung der Stufe Völkerwanderungszeit IV eventuell noch etwas früher) - dann ließe sich eine Abfolge: Y X > Y Χ > Y Y > X Y postulieren, und Eikeland würde somit eine etwas frühere Entwicklungsstufe als Järsberg repräsentieren -, oder man geht von einer singulären Entwicklung aus, die im Gefolge der Neuerung Y > X auch Y dreht: X , oder
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Runologische Konsequenzen aus den archäologischen Datierungen
ganz einfach die halbzeilige Form A zu voller Zeilenhöhe entwickelt. Aufschluß darüber, welche der Möglichkeiten wahrscheinlicher ist, kann nur eine linguistische Analyse der ihr zugrundeliegenden Sprachstufe liefern, von runologischer/paläographischer Seite ist keine Entscheidung möglich. Aus dem Gesagten folgt, daß die Inschrift von Järsberg an den Anfang einer von ca. 525 bis ca. 600 dauernden Periode zu setzen ist, die u.a. charakterisiert ist durch die Runenformen Y und X , und in die neben Eikeland und Fonnâs die Inschriften von Str0m, F0rde, Noleby, Stentoften, Istaby und Björketorp (die beiden letztgenannten trotz Y) gehören. (5) In den Zeitraum ca. 500/525 - 600/650 fallen auch die Veränderungen in bezug auf Form und Lautwert der j-Rune. So verwendet der Runenmeister von Stentoften für /a/ die Runen und ^ (mit unterschiedlichem Lautwert?), wobei J|c zunächst wie eine radikale Neuerung wirkt. Es besteht wohl Einigkeit darüber, daß sie - wie auch immer - aus weiterentwickelt ist, und ihre Verwendung für laJ hier wie in allen späteren Inschriften ist ein klarer Beweis für den Schwund von j- im Anlaut, konkret auch im Runennamen jara > ara. In Zeile 3 der Inschrift von Stentoften erscheint auch die ältere Runenform i verweisen, den auch die got. Handschriften nahelegen, und der im Krimgot. eingetreten ist. Da der Ring als Bestandteil eines wertvollen Goldhortes vielleicht von dem Westgotenkönig Athanarich bei seiner Flucht vor den Hunnen etwa zwischen 376 und 380 versteckt wurde, und die Inschrift nicht viel älter zu sein braucht, besteht eine enge zeitliche Nähe der Ringinschrift zu Ulfilas Bibelübersetzung (der 382 oder 383 starb). "Man könnte annehmen, daß Ulfila sich bewußt einer archaischen Sprache bediente zu einer Zeit, als jener Übergang in der Umgangssprache bereits weithin im Gange war." (Krause/Jankuhn 1966:93). In Anbetracht der handschriftlichen Überlieferung stehe ich diesem Argument eher skeptisch gegenüber, aber da die Inschrift des Ringes bei wih und hailag die Synkope von -a nach langer Stammsilbe belegt, ist unbestreitbar, daß die Reduktion der Endsilben zur Zeit der Bibelübersetzung bereits im Gang war, vermutlich bereits den Stand erreicht hat, den die Handschriften wiedergeben. Das Lanzenblatt von Kowel in Polen, das gegen Ende des 2. Weltkrieges verloren gegangen ist, zeigt eine in Silbertauschiertechnik angefertigte Runeninschrift neben zahlreichen Sinnbildern wie punktierte Kreise, Hakenkreuze u.a. Als Einzelfund gibt es keine kombinatorische Datierungsmöglichkeit, aufgrund der Verzierungen wird das Lanzenblatt aber allgemein ins 3. Jhd. eingeordnet: Krause/Jankuhn 1966:80 spricht sich für die Mitte des 3. Jhds. aus, ebenso Antonsen 1975:74 und andere Interpreten. Die Runeninschrift, die von Krause - dem bei zwei Untersuchungen das Original vorlag (1940 und 1941) - als tilarids gelesen wird, zeigt zwei unübliche Runenformen in I mit einem waagrechten Querstrich statt des üblichen Î , und in der vorletzten Rune G, die als gelesen wird
Exkurs: Zur Synkope in den germanischen Sprachen
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(Normalform |xj); bei der letzten Rune handelt es sich um ein dreistrichiges s, das in den anderen bekannten Inschriften vor 400 nur fünf- oder mehrstrichig belegt ist (so etwa auf dem Lanzenblatt von Moos). Trotz dieser Auffälligkeiten können aber Lesung und Datierung wohl als etabliert gelten. Westergaard hat in seiner Arbeit von 1981 auf ca. 120 Seiten eine neue Lesung und Interpretation vorgeschlagen, die aber stark abhängig ist von seiner zuvor entwickelten (und aller Wahrscheinlichkeit nach falschen) Hypothese, die Ing-Rune (Nr. 22 im FuJjark) könne schon vom Anfang der Überlieferung an volle Zeilenhöhe gehabt haben. (Adenstedt 1985 hat die Schwächen dieser Neuinterpretation von Kowel überzeugend verdeutlicht1. In der Lesung Krauses läßt sich die Inschrift interpretieren als entweder "Zielreiter" (Nominalbildung zu germ. *ridan 'reiten, sich schwingen') oder als "Zielrat" = "Angreifer" (zu germ. *redan 'raten, sich entscheiden'), das dann ähnlich gebildet wäre wie der Name frawaradaR auf dem Stein von Möjbro. Im zweiten Falle wäre der (got.) Übergang von /e:/ > /i:/ bereits für ca. 250 anzunehmen (möglicherweise auch auf dem Ring von Pietroassa in gutani, vgl. oben), was nach dem Ausweis der got. Handschriften überraschend früh wäre. Die Interpretation als "Zielreiter" dürfte daher vorzuziehen sein (auch wegen ranja "Renner" auf dem Lanzenblatt von Dahmsdorf und raunijaR "Erprober" auf dem Lanzenblatt von 0vre Stabu). Auf jeden Fall zeigt die Inschrift, daß zu diesem Zeitpunkt ein -a- nach langer Stammsilbe im Ostgerm, bereits synkopiert war (*tila1
Westergaard 1981 spricht sich dafür aus, die siebte Rune der Inschrift als statt als zu lesen, was bereits von Lindquist 1923 und Agrell 1927 vorgeschlagen worden war; für die beiden ersten Runen lehnt Westergaard die Lesung ti ab, weil es keinerlei Parallelbeleg für eine t-Rune mit geraden Beistäben gäbe, und die beiden folgenden Runen hält er für eine Binderune . Er schlägt deshalb drei alternative Lesungen vor: 1) Symbol/Sinnbild + i harings, 2) e(h) harings, 3) Ή (lat. Kapitalis) + harings. Die zweite Möglichkeit kann aus epigraphischen Gründen ausgeschieden werden, auch die Bindenine hat wenig für sich: "Att huvudstavama i Kowelinskriftens tredje och fjärde runa har sä olika längd tyder obetingat pâ att vi har att göra med tvâ olika runor, ej en bindruna." (Odenstedt 1985:11), Gleiches gilt für die beiden ersten Runen. Eine t-Rune mit geraden Beistäben findet sich auch auf der Felswand von Valsfjord, die auch die typologisch engsten Parallelen zur siebten Rune auf Kowel bietet (Krause/Jankuhn 1966: 124), mit der eindeutigen Lesung als /d/ (in hagustalda/iR und got&agas). Damit dürfte auch der Vorschlag 1) Westergaards abzulehnen sein. Gegen seinen Vorschlag 3) schließlich spricht die Tatsache, daß eine Mischung von lateinischen Buchstaben und Runen in einer Inschrift nur Inschriften aus England aus dem 9. Jhd. zu belegen ist, nach Diiwel 1992 wohl auch auf einem bisher nicht publizierten Neufund von Chéhéry/Ardennen aus dem 6. Jhd., allerdings in jeweils eigenständigen Inschriftenteilen verwendet. "Det är visserligen a priori inte sä osannolikt att det künde förekomma sädana blandinskrifter i ett omrâde dar under 200-talet romare och germaner säkerligen kom i intensiv kontakt med varandra. Men är Kowelinskriften en sádan blandinskrift? De âtta tecken är skrivna utan mellanrum och utförda i samma teknik. Är det under sâdana förhällanden inte en väl vâgat hypotes att de tvâ första tecknenär initialer skrivna med ett annat alfabet än de övriga tecknen? Vad hindrade listaren att skriva även de förmodade initialerna med runor, eller heia namnet med romerska kapitaler?" (Odenstedt 1985:14). Damit dürfte auch der dritte Vorschlag Westergaards für eine Neulesung Kowels als wenig wahrscheinlich ausgeschieden werden können.
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ridas), der früheste Beleg für diese Erscheinung überhaupt. Der Fugenvokal des Kompositums wäre dagegen noch erhalten, wie z.T. noch im Bibelgotischen (vgl. Krause 1968:9 lf). Wenn wir den Beleg des Lanzenblatts von Kowel ernst nehmen, ergibt sich als Konsequenz, daß spätestens ab 200 im Got./Ostgerm. die unbetonten Vokale der Endsilben Reduktionsprozessen unterworfen sind, die bis zum völligen Schwund des Vokals führen können; der Vorgang könnte bei langer Stammsilbe früher eingetreten sein als nach kurzer, einen Beweis für oder gegen diese Annahme gibt es aber nicht. Dieser Befund ist allerdings der Einschränkung unterworfen, daß er auf einem einzigen sicheren Beleg basiert, der zudem singulare Runenformen aufweist, und durch die Möglichkeit einer Verschreibung/Auslassung einer Rune Trotz der erst späteren handschriftlichen Überlieferung sollte dann zur Zeit Ulfilas (also um 400) die Reduktion bereits den bibelgot. belegten Stand erreicht haben (wobei die Erhaltung von -κ- nach langer und vielleicht auch nach kurzer Stammsilbe vermutlich morphologisch bedingt ist); wenn man für die Entwicklung einen Zeitraum von ca. 200 Jahren für realistisch hält, ergibt sich gleichfalls ein terminus post quem von 200 n.Chr. für ihren Beginn. Für das Westgermanische (d.h. in erster Linie Ahd., seit der Mitte des 8. Jhds., und Aengl., seit dem Anfang des 8. Jhds. handschriftlich belegt) gelten im Prinzip dieselben Synkoperegeln wie im Got., allerdings ist hier auch -u- nach langer Stammsilbe geschwunden (got. flodus vs. ahd. fluot) und -i- nach kurzer Stammsilbe bewahrt (wini); in Mittelsilben ist die Synkope weiter durchgeführt als im Got. Die erhaltenen Endsilbenvokale werden im weiteren Verlauf der ahd. und aengl. Sprachgeschichte stark reduziert, sie werden zu /d / oder schwinden. Die Runeninschriften aus dem südgermanischen Raum stammen vorwiegend aus dem bayrisch-alemannischen Gebiet und gehören fast ausschließlich ins 6. und 7. Jhd; aus dem 5. Jhd. stammen die Scheibe von Liebenau und die Schnalle von Szabadbattyán, deren Inschriften aber nicht zu deuten sind (doch vgl. zu Liebenau Düwel 1972; wenn man sich auf Szabadbattyán für eine Lesung marings entscheidet (so z.B. Antonsen 1975:74f), müßte wegen der Endung eine ostgermanische Form angenommen werden). Im mitteldeutschen (fränkisch-thüringischen) Bereich haben wir die Funde aus Weimar (um 550), die Scheibenfibeln von Friedberg (um 600) und Osthofen (ca. 650), die Bügelfibeln von Engers, Freilaubersheim und Bad Ems (alle um 600 oder einige Jahrzehnte früher), schließlich die Kapsel von Arlon (um 650). Sprachgeschichtlich von Interesse sind nur relativ wenige der südgermanischen Inschriften:2 Die Inschriften in norditalischen Alphabeten auf römischen Helmen können wohl außer Betracht bleiben: der sogenannte Helm Β von Negau aus der Zeit des pannonischen Aufstandes (6-9 n.Chr.) belegt zwar mit hoher Sicherheit einen germanischen Namen Harigast, es handelt sich damit aber noch nicht um das in der früheren Forschung angenommene "älteste (west-)germanische Sprachdenkmal" (so z.B. Arntzl944:59); auch der Gedanke an eine Weihe-Inschrift muBte aufgegeben werden. Egger 1959 hat überzeugend gezeigt
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Die Funde von Weimar: zwei Bügelfibeln aus dem Frauengrab Nr. 57, ein Schnallenrahmen aus dem Frauengrab Nr. 56 und eine Bernsteinperle gleichfalls aus Grab 56 stammen nach Arntz/Zeiss 1939:33 und Krause/Jankuhn 1966:287 aus der ältesten Schicht des Weimarer Friedhofes; ein Ansatz der Fibeln in die zweite Hälfte des 6. Jhds. (vgl. Roth 1986:138f, Schmidt 1961:121ff) ermöglicht zwar keine Sicherheit für den Zeitpunkt der Anbringung der Inschrift, aber ca. 580 dürfte ein akzeptables Datum sein. Fibel A zeigt die rechtsläufige Inschrift haribrig auf der Rückseite des Fusses, auf drei der Knöpfe stand je ein Wort: hiba, liubi, leob. Als Aussage der gesamten Inschrift ergibt sich somit vielleicht: "Haribrig (besitzt diese Spange). - Hiba (und) Liubi (wünschen der Haribrig) Liebes." (Krause/Jankuhn 1966:288). Der Frauenname haribrig zeigt Synkope unter Bewahrung des Fugenvokals. Die Inschrift auf dem Fuß der Fibel Β ist fragmentarisch, zwei der Knöpfe zeigen Kurznamen (bubo und hiba), die keine sprachgeschichtlichen Schlußfolgerungen ermöglichen; das gilt auch für z.T. zerstörte Inschrift der Bernsteinperle. Der Männername awimund findet sich auf dem Schnallenrahmen von Weimar (Krause/ Jankuhn 1966:289f)3, auch hier also mit Synkope im zweiten Bestandteil und mit erhaltenem Fugenvokal. Den gleichen Stand zeigt der Sax von Steindorf (um 600) mit dem Namen husibald und die Bügelfibel von Griesheim (letztes Drittel des 6. Jhds. laut Düwel 1983:128) mit dem Namen agilaprup. Die Scheibenfibel von Friedberg, datiert auf ca. 600 (Krause/Jankuhn 1966:281), zeigt den Frauennamen puruphild, der wohl sicher zu dem aus dem (zustimmend u.a. auch Callies/Düwel 1967), daß es sich bei der Inschrift um die Angabe des Besitzers des Helmes und seines Truppenteils handelt: Harigasti Tei V(exillatio) A(larum) III Il(lyricarum). Harigasti wäre dann Genitivus poss. zu einem latinisierten germ. Namen Harigastus, Tei wohl Genitiv eines Vaternamens Teius. Ist diese Deutung richtig, so ergibt sich aus dem Namen nur die (banale) Schlußfolgerung, daß der Vokal der Kompositionsfuge noch erhalten ist, wie in den späteren Denkmälern des 6. und 7. Jhds. auch. Ob und welche Endung er in seiner germ. Form hatte bleibt nach Callies/Düwel 1967:65 "unsicher". Der Germane war vermutlich Mitglied einer Sondereinheit, die aus drei in Pannonien (= niyrien) stationierten Alen gebildet worden war. Nach Callies/Düwel 1967:62 besteht allerdings kein Anlaß, die Helminschrift mit einem kriegerischen Ereignis in Verbindung zu bringen, doch auch sie schliessen sich dem Zeitansatz "erste Kaiser" oder erste Hälfte des ersten Jhds. n.Chr. an. "Es ist also gut möglich, daß ein Legionär, der aus irgendeinem oberitalienischen Gebiet stammte, in der Truppe des Harigast einen Führer- oder Unterführerposten innehatte und den Helm seines Untergebenen mit seiner heimischen Schrift als den Besitz des Germanen kennzeichnete. DaB er sich dabei der im römischen Heer gebräuchlichen militärischen Termini bediente, ist selbstverständlich." (Callies/Düwel 1967: 68). Ebensowenig wie auf Negau Β kann die Namensform ansired auf einem anderen Helm als sicherer Beleg für die Synkope herangezogen werden, da die Möglichkeit einer verkürzten Schreibung nicht auszuschliessen ist (vergleichbar wäre die Inschrift C erul s fur erulus auf dem Helm von Negau A). Eine Gesamtinterpretation der Inschrift des Schnallenrahmens bietet Klingenberg 1976:369ff, der statt eines Namens Bigina ein Verb im Imperativ mit angehängter Inteijektion -a bigin(n)a "beginn!" vorschlägt.
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Jahr 823 im Kloster Fulda belegten Namen Thrudhilt zu stellen ist. Wir haben hier also einen Beleg für die Synkope und zugleich im ersten Namensbestandteil einen Svarabhaktivokal -u-. Die Kapsel von Arlon aus der Mitte des 7. Jhds. zeigt vielleicht einen Männernamen rasuwamund, der im zweiten Bestandteil die Synkope und im ersten wohl ein als Svarabhakti einzustufendes -u- belegt. Synkope in dritter Silbe belegt die Bügelfibel von Nordendorf I aus der Mitte des 6. Jhds. bei wodan, die Fugenvokale in logapore und wigiponar sind dagegen bewahrt; zur Interpretation der Inschrift vgl. Düwel 1982. Der Webstuhl von Neudingen/Baar (6. Jhd. laut Fingerlin 1981) aus dem Frauengrab 168 des Reihengräberfeldes bietet die Inschrift Ibi: imuba: hamale: blipgup: uraitruna (vgl. Opitz 1981, Düwel 1989b). Dafür wurden die folgenden Interpretationen vorgeschlagen: " Eine Frau namens Imuba wünscht einem Manne Hamal Liebes. Die Runen schrieb Blidgund" (Opitz 1981, Düwel 1989b), "Liebes für Imuba von Hamal. Die Runen schrieb Blidgund" (Opitz 1981), "Liebe. Imubas Stütze. Blidgunde schrieb die Runen" (Scardigli 1986). Die erste Deutung dürfte den größten Grad an Wahrscheinlichkeit besitzen. Mit dem zweiten Teil der Inschrift auf Neudingen läßt sich die Ritzerformel auf der Bügelfibel von Freilaubersheim (520-560, laut Stein 1987) vergleichen: boso:wraetruna: "Boso schrieb/ritzte die Runen". In beiden Fällen ist die 2. Lautverschiebung von auslautem -t in urait/ wraet offensichtlich noch nicht durchgeführt; wir erhalten dadurch einen terminus post quem für diesen Lautwandel. Das Lanzenblatt von Wurmlingen zeigt ca. 600 nicht nur die Synkope (bei erhaltenem Fugenvokal, wenn man die ältere Lesung idorih zugrundelegt), sondern ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch der früheste Beleg für die 2. Lautverschiebung: Opitz 1979 hat m.E. überzeugend dafür votiert, das zweite Zeichen der Inschrift nicht als zu lesen, sondern als Worttrenner aufzufassen, was Düwel 1983:124 übernimmt; als Inschrift nach dem nicht gedeuteten Sinnbildzeichen ergibt sich dann nur noch dorih < *-rikaz, aber "nach wie vor liegt hier das älteste Zeugnis für die hochdeutsche Verschiebung von Je zu h vor." (Düwel 1983:124), die demnach in der 2. Hälfte des 6. Jhds. eingetreten sein müßte, da Freilaubersheim (l.H. 6. Jhd.) und Neudingen (6. Jhd.) noch unverschobenes -t# zeigen. Der in einigen Grammatiken aufgeführte zweite Beleg auf dem Sax von Hailfingen (um 650), z.B. bei Braune/Mitzka 1967:81 und 82 mit Hinweis auf Marstrander 1939, sollte ausgeschlossen werden: "Die ganze Inschrift ist offenbar von einem Manne verfaßt, der nur entfernt etwas von Runen verstand, aber eine runenähnliche Dekoration anbringen wollte." (Krause/Jankuhn 1966:302). Die Scheibenfibel von Osthofen aus der Mitte des 7. Jhds. belegt mit ihrem (z.T. ergänzten, vgl. Düwel 1983:128) Text go(d)fura d(i)h d(e)ofile im An- und Auslaut von dih (< pik) gleichfalls die 2. Lautverschiebung, "während die Verschiebung der Media d > ahd. t im Schriftbild von deofile noch nicht erscheint." (Krause/Jankuhn 1966:285).
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Auf einige mir unsicher erscheinende mögliche Belege bin ich hier nicht eingegangen; dennoch zeigen die angeführten Fälle, daß wir spätestens um 500 mit ersten Reduktionsprozessen rechnen können, die im Laufe des 6. Jhds. zur Synkope führen. Aufgrund der Beleglage ist nicht zu entscheiden, ob die Reduktion nach langer Stammsilbe früher ist als die nach kurzer, eine solche Annahme wird aber durch den späteren handschriftlichen Befund des Ahd. nahegelegt. Die Synkope nach langer Stammsilbe dürfte um 700 abgeschlossen sein, dagegen sind /i/ und /u/ nach kurzer Stammsilbe im frühen Ahd. bewahrt und erfahren im Laufe der ahd. Zeit weitere Abgeschwächung. Wie im Got. kann angenommen werden, daß die Synkope als rein phonologischer Vorgang von morphologische Faktoren in ihrer Durchführung beeinflußt wird. Anders als im Got. und Urnord. sind im Ahd./ Westgerm, allerdings auch die auslautenden Konsonanten vom Schwund betroffen, die Formen im Nom.Sg.Mask. (und einige Feminina) werden dadurch endungslos, ergeben also den Typ dag, dem bibelgot. dag s und urnordisch dagaR, altnord. dagr gegenübergestellt werden können; die ostgot. Namen in zwei lateinischen Verkaufsurkunden auf Papyrus aus der Mitte des 6. Jhds. zeigen allerdings auch bereits den Schwund des auslautenden -s, ebenso die belegten krimgot. Wörter (die natürlich wesentlich später und vielleicht westgerm. sind). In Hinblick darauf ist also die Aussage richtig, das Ahd. habe die Synkope weiter und früher durchgeführt als das gleichzeitige (Früh-)Altnord.; im bezug auf den Vokalismus ist der Stand dagegen durchaus vergleichbar, wie die späturn. Belege zeigen.4 Für das Urnordische haben wir um oder vor 600 folgende als gesichert zu bewertende Fakten:
Dieser Befund müßte eventuell erheblich revidiert werden, wenn man die Ergebnisse von Vennemann 1993 akzeptiert: Auf ubischem Siedlungsgebiet, das sich mit dem späteren ripuarischen Gebiet deckt, finden sich in lateinischer Schrift aus dem Ende des 2. und Anfang des 3. Jhds. mehrere Hundert mehr oder minder fragmentarisch erhaltene Matronennamen alle von Ortsnamen der Region abgeleitet - auf ungefähr 1300 Weihaltären. Im allgemeinen stehen sie im lateinischen Dat.Pl., also mit der Endung -is oder -bus, aber bei vier der Namen erscheint insgesamt zehnmal die Endung -ms. Diese kann man wohl mit der ubischen Dat.-Endung identifizieren. Es finden sich ferner gewisse Indizien für eine Absenkung von /i/ zu /e/ in Nebensilben/Ableitungssilben, die vielleicht eine frühe Vokalreduktion signalisieren könnte. Und es lassen sich Indizien dafür finden, daß die Sprache der Ubier einen hochgermanischen Dialekt darstellt, in dem die Zweite Lautverschiebung bereits (weitgehend?) durchgeführt ist. Wenn dem so wäre, müßte man wohl nicht nur den Beginn der Lautverschiebung erheblich vordatieren (ins 2. Jhd. statt ins 6.Jhd.), sondern eventuell auch erste Synkopeerscheinungen; zumindest ein Teil des Westgerm. wäre dann in dieser Hinsicht mit der got. Chronologie zu parallelisieren, die Entwicklungen begännen dann hier etwa 300 Jahre früher als im Nordgerm. Die Beleglage erscheint mir insgesamt etwas schmal, aber das trifft im Grunde genommen auch auf unsere Runenüberlieferung zu.
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(1) Um 600 ist lai nach langer Stammsilbe synkopiert auf dem Würfel von Vallentuna (die Blekinger Steine zeigen eine ähnliche Sprachstufe in bezug auf die Erhaltung der Fugenvokale und der Synkope von jedenfalls /a/). (2) Um 550 dokumentiert writu auf Eikeland, daß -u nach langer Stammsilbe zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht geschwunden ist, während für wiR Kontraktion oder Endsilbenschwund anzunehmen ist. (3) Der Stein von Noleby, der runologisch zeitlich zwischen Eikeland und Vallentuna einzuordnen ist, zeigt dagegen mit fahi statt *fahiu Apokope von -u nach langer Stammsilbe. Hier weist auch hwatin aus *hwatjen ähnliche Kürzungserscheinungen wie auf dem Wetzstein von Str0m auf, mit wate aus *watije (nach Krause 1971:91; anders Antonsen 1975:54), wo mit hapu ein Beleg für -u nach kurzer Stammsilbe gegeben wäre. (4) Der Stein von By, den ich als eril-Inschrift grob um 500 einordnen würde, zeigt mit hroReR aus *hroRijaR (anders Antonsen 1975:80) gleichfalls Endungsvereinfachung (auch auf Istaby mit haeruwulafiR) und in orte Schwund von anlautendem w- sowie den Schwund des interkonsonantischen -h- und die Übertragung des Stammsilbenvokals der 1. Sg. auf die 3.Sg.Prät.Ind. (im Gegensatz zu wurte auf Tjurkö I). (5) Der Wetzstein von Str0m, der wie Noleby runologisch am ehesten in die Zeit ca. 550-600 paßt, zeigt mit hapu ein erhaltenes -u nach kurzer Stammsilbe; in das gleiche Schema passen sich vielleicht auch die ersten Namensbestandteile von hapuwolfR und hariwolfR auf den Blekinger Steinen und von hlahahaukR auf dem Würfel von Vallentuna ein. (6) Die Blekinger Steine zeigen zahlreiche synkopierte Formen, wie oben ausführlich dargelegt wurde, darunter aber nur in einem Fall (Björketorp spa < *spahu) eventuell nach kurzer Stammsilbe. Stentoftens hie < hlewa zeigt Kontraktion, die unabhängig von der Quantität der Stammsilbe erfolgt sein könnte. (7) Der Kamm von Setre zeigt in der Interpretation von Gr0nvik 1987 dieselbe Kontraktion in *mawiR > mAR, ferner den Schwund von -u nach langer Stammsilbe in *halpu > hAl (= hçll); wenn man seine Interpretation von nanA als ncenna < *nanpijan akzeptiert, wäre auch hier bereits Synkope (und das heißt auch Umlaut) eingetreten. (8) Die Steinplatte von Eggja belegt zahlreiche synkopierte Formen, hat aber kein Beispiel fiir ein Iii oder /u/ in einer Endsilbe nach kurzer Stammsilbe; in mittleren Silben ist allerdings der Schwund bereits eingetreten in nakdan < *nakuöano. In solu geht der Endsilbenvokal vermutlich auf ursprüngliches /o:/ zurück und wäre dann lautgesetzlich erhalten, alu ist in seiner Etymologie zu umstritten, um daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Die Schreibung der erhaltenen Endsilbenvokale Iii und /e/ legt in ihrer Verteilung die Vermutung nahe, daß bereits zu dieser frühen Zeit eine Regelung entsprechend der später belegten Vokalharmonie anzunehmen ist (so Krause/Jankuhn 1966:229, Gr0nvik 1985:169ff). (9) Die beiden Steininschriften von Vatn und Tveito, die nicht genauer zu datieren sind, aber in ihren Runenformen zu Vallentuna und Eggja zu stellen sind
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(d.h. vermutlich ins 7. Jhd. gehören), bieten mit hroaltR < *hropu-waldaR und taitR < *taitaR Belege für die Synkope nach langer Stammsilbe. Als unsicher wegen der generellen Bedenken gegenüber Brakteatinschriften würde ich folgende Indizien einordnen: (10) Der Brakteat von Âsum belegt vielleicht schon die Form fahi wie auf Noleby, es kann aber auch einfach die Auslassung einer Rune am Ende der Inschrift vorliegen. (11) Der Brakteat von Halskov zeigt eventuell in lapop (vgl. lapodu auf dem Brakteaten von Trollhättan) Schwund von -u in dritter Silbe nach Langvokal; nach Krause 1971:90 ist eine rein graphische Verkürzung hier schon deshalb unwahrscheinlich, weil das stammauslautende -d durch Spirantenverhärtung zu -p geworden sei. Außer mit gaf auf Stentoften gibt es für dieses Lautgesetz aber keinen weiteren urnord. Beleg. Schließlich haben wir wie oben dargelegt die Möglichkeit, die Svarabhaktivokale der Inschriften als Indizien für Reduktions- oder Schwundprozesse aufzufassen; es kann also wohl kein Zweifel daran bestehen, daß der Prozeß der Endsilbenreduzierung bis hin zum Schwund im Nordgermanischen spätestens im 6. Jhd. beginnt, und daß er vermutlich um 700 weitgehend oder vollständig abgeschlossen ist. Es bleibt allerdings die Frage, ob sich die postulierten Zeitunterschiede in Abhängigkeit von der Qualität des Endsilbenvokals und der Quantität der Stammsilbe aufrechterhalten lassen. Die radikalste Formulierung findet sich vielleicht bei Heusler: "Für die Zeitfolge der Synkope läßt sich, bei Zuziehung der Runenbelege und im Blick auf die Umlaute und Brechungen, dies vermuten: 1. Akt: Schwund des α, wohl gleichzeitig des i nach langer Silbe 2. Akt: Schwund des u nach langer Silbe 3. Akt: Schwund des i nach kurzer Silbe 4. Akt: Schwund des u nach kurzer Silbe (der Schwund des e ist nicht zu datieren) Der 1. Akt wird um 700 zu setzen sein und bezeichnet das Ende der "umordischen" Zeit; der letzte Akt dürfte noch vor 900 fallen. Man beachte, daß, abweichend vom Westgermanischen, auch nach kurzer Silbe synkopiert wurde, aber erst später als nach langer (mindestens bei i und u )."5 Die gleiche Vorstellung vertritt auch Wessén 1970:8: "Es gibt also einiges, das darauf hindeutet, daß eine ziemlich lange Zeit wahrscheinlich ein paar Jahrhunderte - zwischen der Synkope in langsilbigen und der in kurzsilbigen Wörtern lag. Man darf also wohl annehmen, daß es eine jüngere Periode des Urnordischen gab, die durch Formen wie Sg.Akk. gäst, aber *staöi, skjçld, aber sunu (Rök) [...] gekennzeichnet war." Heuslers Beginn der Synkope um 700 hängt offensichtlich damit zusammen, daß er die damals in Dänemark geltenden Brakteatenchronologie übernimmt, die heute als überholt gelten kann. Erste Anzeichen für die Synkope, den Schwund oder die Schwächung von Vokalen in unbetonten Endsilben finden sich nach Krause 1971 seit dem Ende der Brakteatenzeit, also spätestens nach 525; die einschlägigen Fälle habe ich oben aufgelistet.
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Als Belege für diese Auffassung werden stets einige wenige Runeninschriften zitiert, die unsynkopierte Formen zeigen; ich gebe eine vollständige Auflistung aller in Frage kommenden Fälle6: Dänemark: Sölvesborg, ca. 750: sunu; Helnaes, ca. 800: kupumut, sunu; Haddeby 2, ca. 940: siktriku; eventuell der verlorene Stein von N0rre Brarup, ca. 800?: fatur/R. Schweden: Sparlösa, vor 8007: airikis, sunuR ?, (iaru ?); Rök, um 800: sunu, sitiR, karuR; Kälvesten, ca. 800: stikuR, sunu; Gursten, vor 850: sunuR·, Oklunda, vor 850: sakiR; Hangvar, vor 850: sunu; Bjälbro, ?: sunu%. Bei genauerer Betrachtung der belegten Formen ergibt sich folgendes Bild: Im Akk. Sg. des Wortes sunr/sonr (auf Sparlösa z.B. Nom.Sg. sunR) findet man ziemlich häufig, insgesamt sechsmal, eine unsynkopierte Form sunu, bei Eintreten der Synkope sollte diese sun lauten, wie sie spätere Steine unzählige Male belegen. Krause 1971:93 glaubt, es könne sich in diesen Fällen "um bewußte Archaisierung handeln.". Man könnte aber auch an Seitenformen denken: Bei einem hochfrequenten Wort wie sunr, das wie andere «-Stämme in seiner Flexion zahlreiche Varianten zeigt, ist ein Akk.Sg. sunu neben sun, vergleichbar dem Dat.Sg. syni neben sun, durchaus vorstellbar. Eine gewisse Skepsis, ob diese Formen tatsächlich Belege für die Annahme sind, /u/ sei später als /a, i/ synkopiert worden9, scheint jedenfalls angebracht. Weitere sichere Belege für unsynkopierte Formen bieten die dänischen Inschriften nicht; siktriku auf Haddeby 2 ist wohl eine Verschreibung für siktriuk, so auf Haddeby 4; kupumut auf Helnaes zeigt keinen alten Stammvokal, sondern einen Svarabhaktivokal (Br0ndum-Nielsen 21950:428 "Sekundaer St0ttevokal", Kock 1911-16:291 "labialer Parasitvokal"). Der verlorene Stein von N0rre Brarup hatte vielleicht die Form *fatuR, in diesem Fall wäre er entweder zu den anderen Formen des Nom.Sg. zu stellen, die unten besprochen werden, oder es liegt hier mit DR Sp. 1009 ein wa-Stamm mit synkopiertem -u- vor. Kabeil 1977:42 findet
Auf wenige (späte) gotländische Beispiele gehe ich hier nicht ein. kupuiu auf Lokrume erscheint mir von der Lesung her zu unsicher, um daraus etwas zu schließen. In der Datierung der schwedischen und norwegischen Inschriften mit Kurzzweigrunen folge ich hier zunächst Johnsen 1968, eine ausführliche Diskussion bietet Kapitel 6 unten. Am Ende der Inschrift; die letzte u-Rune unterscheidet sich allerdings von den sonstigen der Inschrift; sie hat annäherungsweise die Form h> ansonsten steht Π- Syntaktisch würde hier sunR/sunr, wie einige lesen, besser passen. Vgl. etwa Noreen 1970:133f: "Synkope tritt wahrscheinlich unter sonst gleichen Verhältnissen am frühesten bei a ein, wol etwas später bei i, am spätesten bei u; aber mit irgendwelcher Sicherheit ist es aus dem dürftigen material nicht zu schliessen, und die zeitlichen differenzen sind jedenfalls ziemlich unbedeutend.". Allerdings ist auch im Aengl. -u nach kurzer Silbe am längsten bewahrt.
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es "naheliegend, im fatuR keinen sonst unbekannten Personennamen, sondern eine Abtönung vonjfjçturr (adän.jfjatur) zu sehen". Von den schwedischen Belegen bilden die Formen von Rök insofern einen Sonderfall, als sie innerhalb der Theoderich-Strophe stehen und wohl einen älteren Sprachzustand repräsentieren, was für Dichtersprache häufig anzutreffen ist; sie bleiben im folgenden unberücksichtigt. Damit bleiben als sichere Belege für unsynkopierte Formen nur sunuR auf Gursten und eventuell Sparlösa, stikuR auf Kälvesten, sakiR auf Oklunda und airikis auf Sparlösa. Beide Belege auf Sparlösa sind höchst unsicher: ob in der 1. Zeile nach sun- tatsächlich eine Binderune uR steht, nur weil der Hauptstab nicht ganz gerade ist, erscheint mir äußerst fragwürdig, und -i- in airikis ist wohl eher ein Svarabhaktivokal denn bewahrter Endsilbenvokal, der bei einem a-Stamm wie airikR zudem -a- sein sollte. Wir haben also zahlreiche Belege für das Eintreten der Synkope seit dem 7. Jhd., dagegen nur drei Fälle, die eindeutig einen Endsilbenvokal vor der Nom.Sg.-Endung -R zeigen. Kälvesten kann auf ca. 800 datiert werden (vgl. Johnsen 1968: 136ff), Gursten ohne Rahmenlinien oder Worttrennung sollte nicht viel jünger sein; die Datierung von Oklunda ist äußerst unsicher. Dazu käme um 900 mit uifrpuR ein weiterer Beleg auf dem erst 1987 gefundenen Malt-Stein. Eine unsynkopierte Form zu diesem Zeitpunkt (um 900) würde einen erklärungsbedürftigen Archaismus darstellen, zumal kulfinR in derselben Inschrift die Synkope zeigt. Ein Parallelfall ist übrigens Kälvesten, wo neben stikuR der synkopierte Name uikikR steht. Das wirft die Frage auf, ob man nicht in allen diesen Fällen einen sporadischen Svarabhaktivokal statt einer unsynkopierten Form ansetzen sollte. In Bezug auf die in allen nordischen Sprachen erscheinenden Svarabhakti-Vokale schreibt Bandle 1956:156 fürs Isländische: "r im Auslaut nach Konsonanten sowie zwischen Konsonanten hat im Isl. seit etwas vor 1300 den Svarabhaktivokal u entwickelt: -ur(-). Nach herrschender Auffassung erlangte ur bereits in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts allgemeine Geltung, doch wurde r wenigstens in der Schrift noch weit bis ins 16. Jahrhundert hinein häufig beibehalten." Noreen 1913:118 konstatiert fürs Altnorwegische: "Im Anorw. ist der Svarabhaktivokal verschieden in verschiedenen Gegenden. [...] Die Entwicklung tritt um 1250 auf, wird seit 1325 häufiger und ist wohl im allgem. im 14. Jahrhundert vollzogen worden." Für das Ostnordische gilt: "Vor r zwar schon vorliterarisch, aber doch in vielen Gegenden wahrscheinlich erst im 13. Jahrhundert." (Noreen 1913:143). Am Anfang der Inschrift des 1973 gefundenen Schädelknochens von Ribe, der aufgrund des archäologischen Befundes ins 8. Jhd., spätestens auf die Zeit ca. 750 zu datieren ist, finden sich drei Namen, die in normalisierter Form als Ulförr (so Nielsen 1983, UlfuR Kabell 1977) auk Odinn auk Hotyr (Kabeil: HoddjóR) transferiert werden können. Uns interessiert bei dieser wichtigen Inschrift hier nur der erste Name:
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Von allen Interpreten wurde ulfuR als zweiteiliger Name, mit dem Grundwort ulfr und einem Namensbildungselement aisl. -urr aufgefaßt: "Det f0rste navn: ulfuR mà nok gengives ved Ulfurr, en afledning til ordet m/v" (Nielsen 1983:54). Beispiele für die zahlreichen Parallelfälle, die Kabell 1977:40f aufführt, wären Zwergennamen wie Bávurr, Bívurr, Personennamen wie Jçfurr, Gizurr und einige wenige andere Substantive wie jßfurr "Eber" als Fürstenbezeichnung. Die Existenz eines solchen Namensbildungselements kann und soll hier nicht geleugnet werden; wenn man sich dieser Auffassung im Falle von ulfuR anschließt, dann würde Ribe für die weitere Argumentation als Beispiel entfallen. Aber alle diese in altnordischer Zeit belegten Namen stellen Problemfälle dar: sie sind in etymologischer Hinsicht äußerst undurchsichtig, und die meisten von ihnen sind nur in eddischer oder skaldischer Dichtung mit deutlicher mythischer Assoziation belegt. So wurde von Nielsen und Kabell ulfurr als ein Odinsname interpretiert, von Kabell auch der dritte Name der Inschrift als hoddjóR: "Die Verwendung von jór als zweites Namensglied ist aber ein Novum der Inschrift, die schon hierdurch ihren unsicheren Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit markiert." (1977:42).10 Auffällig wäre aber in jedem Fall die Schreibung ulfuR, denn aus einer Endung *-urR sollte lautgesetzlich -rr, nicht *-RR oder -R resultieren, fraglich ist zudem, wann diese Assimilation eintritt. Dies sieht auch Kabell, der deshalb eine "inhaltsleere Endung -uRR" postuliert, die eine nominale Schwundstufe zu vesa "sein" repräsentieren soll. Den Namen UlfuRR dann als "der Wolfseiende" zu verstehen, lehnt aber selbst Kabell ab: "Die Inschrift hat vermutlich die Endung -uRR als ein Merkmal höherer Mächte, wie sie in einer pseudo-kirchlichen Formel arrangiert werden konnten, aus der einheimischen Tradition übernommen." (1977: 42). Das ganze Dilemma würde sich allerdings auflösen, wenn man einen einfachen Personennamen entsprechend aisl. úlfr annehmen würde, was Kabell 1977:42 ohne nähere Begründung und pauschal als "sehr unwahrscheinlich" ablehnt. Dabei wäre dann -u- in UlfuR eindeutig Svarabhaktivokal, denn das Wort ist zu allen Zeiten und in allen Sprachen ein a-Stamm, müßte also unsynkopiert *ulfaR lauten, und ist im übrigen bereits auf den sehr viel früheren Blekinger Steinen von Istaby (hApuwulafR) und Stentoften (hApuwolAfR) synkopiert belegt, auch auf dem mit Ribe etwa gleichzeitigen Stein von Helnaes (rhuulfR). Ein Sproßvokal bei einer archäologischen Datierung der Inschrift auf Ribe auf vor 800 ist aber eine sprachgeschichtliche Unmöglichkeit - wenn unsere sprachgeschichtlichen Vorstellungen und Annahmen richtig sind. Genau in diesem Punkt Der Vorschlag von Nielsen 1983:54, hutiuR als HotyR, "den h0je gud" zu verstehen, überzeugt mich mehr als Kabells Deutung; dieser geht in seiner Gesamtinterpretation der Inschrift davon aus, daß die Orthographie schwedischen Einfluß zeigt, was ich in Anbetracht der Datierung des Schädelfragments für wenig wahrscheinlich halte; auch eine "diffuse Einwirkung des Christentums" und ein "unsicherer Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit" ist in Anbetracht der zeitlich späteren Skaldendichtung (und wohl auch der meisten Edda-Lieder) eine höchst problematische Annahme.
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halte ich es aber durchaus für möglich, daß einige Revisionen erforderlich sein könnten; es gibt nämlich eine Reihe von Indizien, die zeigen, daß das traditionelle Bild von der altnordischen Silbenstruktur, das für Substantive vom Typ úlfr Einsilbigkeit postuliert, falsch sein könnte. Solche Indizien sind z.B.: - Orthographien in den frühesten isländischen Handschriften: Die Worttrennungen am Zeilenende vieler (v.a. alter) isländischer Handschriften legen die Vermutung nahe, daß die Sprechsilbengrenzen im Aisl. nicht dort liegen, wo sie nach den fur die Silbenquantität in vielen Grammatiken angeführten Prinzipien liegen sollten, daß sie wahrscheinlich mit denen in den übrigen germ. Dialekten übereinstimmen: So trennt z.B. die Elucidarius-Handschrift AM 674a, 4°, datiert auf 1200, sehr konsequent; Von insgesamt 252 Belegen für Trennungen sind 23 mal Komposita betroffen, die in der Fuge getrennt sind, 91 Fälle mit einfachem intervokalischen Konsonant sind 90 mal vor dem Konsonanten getrennt und nur einmal danach, die 108 Belege mit intervokalischer Konsonantengruppe zeigen nur einmal eine Trennung nach der Gruppe, alle anderen Fälle trennen vor oder zwischen der Konsonantengruppe, bei drei intervokalischen Konsonanten gibt es einen Beleg mit der Trennung CC-C, alle 11 weiteren Belege trennen C-CC. Am interessantesten sind dabei die beiden Belege, die auf silbisches -r hindeuten können: almatt-gr und alexan-dr.n Benediktsson 1962:490 erwähnt Belege für Svarabhakti-« in AM 623, 4° aus der Mitte des 13. Jhds. Schließlich bietet die Strophe 29 der Plácitúsdrápa in AM 673b (ca. 1200) die Schreibung hotopor für hçtudr "Hasser" - Svarabhakti oder Dittographie? (vgl. dazu und zum Folgenden Fix-Bonner 1990). - Skandinavische Namen mit Svarabhakti -e- im Reichenauer Verbrüderungsbuch (Einträge des 12. Jhds.): Dort finden sich auf S. 159 unter der Überschrift Hisland terra 13 Namen von einer Hand der 2. Hälfte des 12 Jhds., die bezeugen, wie ein Schreiber in Reichenau die ihm vorgesprochenen fremden Namen verstanden und zu schreiben versucht hat: alle sechs Namen mit einem Nominativ-r zeigen ein Svarabhakti-e, also den Typ Cnuter, der in den deutschen Namen auf ganz wenige Typen beschränkt ist; alles spricht dafür, daß der Reichenauer Schreiber die Namen zweisilbig gehört und den seinem Endsilbensystem entsprechenden Vokal eingefügt hat. - Reimregeln der Skaldik, wo ein Endungs-r m.W. nie in den Reim einbezogen ist, also ein Paar úlfr - hälfe inen tadellosen Halbreim darstellen würde. Aus meiner eigenen Durchsicht der Snorra Edda Upsaliensis kann ich diese Ergebnisse von Fix nur bestätigen; erstaunlich konsequent wird auch hier CV-CV und CVC-CV getrennt (weit über 50% der relevanten Fälle). Indizien für den Status des -r könnten hier die Trennungen sten-dr, hred-dr, ul-frin. myr-krs, le-ngr, stior-nr, nor-pr, mau-ckr, dver-gríN, granir, bior-tr, brey-tr, skiolldun-gr, dry-ckr, fior-dr sein; vor allem der Fall dry-ckr könnte interessant sein: im Normalfall trennt der Schreiber zwischen c-k, etwa dryc-kir, noc-kurn, im einzigen Beleg vor -j- aber gri-ckia. An irregulären, der Sprechsilbe widerstreitenden Trennungen finde ich nur Fälle wie hl-aupi, sk-eipit, ha-nzkaN, sei-nt, sky-lldo, ga-lldra, greipa; die meisten davon kommen aufgrund von Platzmangel zustande.
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Alle diese Indizien weisen auf phonetische Zweisilbigkeit der isl. Wörter vom Typ úlfr. Schon aus Gründen der phonologischen Natürlichkeit wäre es einleuchtender, hier ein -r anzusetzen, das also silbentragend war 12 , und bei dem es dann schon vor 1200 phonetisch völlig natürliche Tendenzen zum Vokaleinschub gab. Phonetisch wäre dieser Sproßvokal als stark zentralisierter "Murmellaut" anzunehmen, vielleicht dem deutschen Schwa ähnlich, und seine Zuordnung zu einem Graphem/einer Rune ziemlich willkürlich - auf Malt und Ribe eben u, ebenso auf Kälvesten und Gursten; zu parallelisieren wären vielleicht die späteren schwedischen Runenbelege vom Typ burupuR.,3 In diesem Zusammenhang könnte man auch auf den norwegischen Eikeland-Stein (um 900, oder etwas früher) hinweisen, ein Fragment mit der Inschrift (ra)isti.kumlu: pita:aft, zu dem Olsen in NlyR IV:72 anmerkt: "...Dette er viktig, og ikke mindre opmerksomhet fortjener skrivemâten kumlu for kum(b)l som vel angir tostavelses uttaleform med stemt vokalisk l (uttryckt ved lu idet man vel har h0rt en "glidevokal" u i forbindelsen kum(b)l />-)."; er setzt also eine ganz ähnliche phonetische Entwicklung an. Dem widerspricht aber die traditionelle Auffassung der altnord. Silbenstruktur, die sich in erster Linie von den Regeln der Skaldik ableitet. Danach wären Wörter vom Typ úlfr einsilbig, weil sie beispielsweise in einer regulären Dróttkvaett-Strophe nur einsilbig das Versmaß erfüllen lassen. De facto zeigt die handschriftliche Überlieferung der Skaldenstrophen in dieser Hinsicht häufig Abweichungen, die dann entweder durch Einfach-Zählung zweier kurzer Silben (= eine lange) "erklärt" oder kommentarlos von den Herausgebern durch Kontraktionen (Hss. pä er > pás, em ek > emk) ersetzt werden. Die Skaldik liefert auch das Hauptargument für die Silbenstruktur zweisilbiger Wörter: der Binnenreim wird als Beleg dafür herangezogen, daß man in Wörtern vom Typ hestar zu segmentieren habe in hest+ar, also alle auslautenden Konsonanten zur Stammsilbe zu zählen sind (daß ein -r in den Binnenreim nicht eingeht, wurde oben bereits erwähnt). Weitere Bestätigung findet diese Annahme in den "Regeln" für die in allen nordgerm. Sprachen eintretende Quantitätsumlegung, nach denen ein Kurzvokal in kurzer Stammsilbe gelängt, ein Langvokal in langer oder überlanger Stammsilbe dagegen (meist) gekürzt wurde. Der entscheidende Faktor wäre also Länge/Kürze der Stammsilbe, zu der alle auslautenden Konsonanten gehören würden. Dabei wäre zunächst zu klären, was mit dem Begriff "Stammsilbe" eigentlich gemeint ist: Der Begriff "Stammsilbe" bezeichnet in den germ. Sprachen eine morphologische Einheit, das Morphem, das die lexikalische Information trägt, steht also im Gegensatz zur "End(ungs)silbe", die grammatisch/syntaktische Informationen liefert; beides sind also Phänomene der Ebene der Morphologie und somit Produkte 12
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Schon Wimmer 1871 und Rask 1818 nehmen silbisches -r- an, vgl. Rask § 56: "Mark: r eller ur finale ... gör aldrig positio efter en annan konsonant, utan betraktas sâsom en egen kort stavelse för sig, hvilken likväl i verser sällan eller aldrig räknas.". Vergleichbar sind u.U. auch die englischen und friesischen Belege für Sproßvokale, wo gleichfalls u eintritt, etwa auf einer englischen Münze: aniwulufit.
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der linguistischen Analyse (oder u.U. einer metrischen). Davon zu unterscheiden ist die "Sprechsilbe", die auf phonotaktischen Kriterien beruht, damit einzelsprachenabhängig ist; sie kann als psychische Einheit aufgefaßt werden, die im (Unter)Bewußtsein von Sprechern und Hörern existiert (und die deshalb über Tests abfragbar ist), oder als akustisches Phänomen, d.h. als Auf und Ab von Druck- und Schallintensität, oder als artikulatorisches Phänomen, d.h. als Produkt von Atemdruck und Muskelspannung. Linguistische Beschreibungen fassen i.a. bestimmte Gruppen von Phonemen als strukturelle Einheiten unter dem Begriff "Silbe" zusammen. Am Nhd. kann der Gegensatz wie folgt exemplifiziert werden: •das Verb lieben zeigt im Inf. die Stammsilbe [lieb] und die Endsilbe [en], in der Sprechsilbe läuft die Teilung dagegen vor dem stammsilbenauslautenden Konsonant: /li:+ben/. Wie nicht nur die nhd. "Längung in offener Silbe" zeigt, ist für phonologischen Wandel, der in Abhängigkeit von der Silbenstruktur erfolgt, die Sprechsilbe und nicht die (morphologische) Stammsilbe die Basis für den Wandel. In den historischen Grammatiken wurde diese wichtige Unterscheidung nur selten berücksichtigt; für die skandinavischen Sprachen und Sprachgeschichte wird meistens stillschweigend vorausgesetzt, daß den skaldischen Regeln für den Binnenreim phonologische Silbengrenzen zugrundeliegen, woraus in letzter Konsequenz noch die nisl. Trennungsregeln (orthographische Silben!) resultieren. Wenn man davon ausgeht, daß die Sprechsilbe diejenige Einheit ist, auf der phonologische Regeln - und somit auch phonologischer Wandel - operieren, ergibt sich die Notwendigkeit, etliche der in den Historischen Grammatiken und Handbüchern angegebenen Regeln, wenn nicht in ihrer Substanz, so doch zumindest in ihrer Formulierung zu ändern; die Konsequenzen für die nordgermanischen Sprachen können hier nur am Beispiel der Synkope im Späturnordischen angedeutet werden: Die Synkope beginnt im Nordgerm, spätestens im 6. Jhd.; wie in den anderen germ. Sprachen auch stellt sie sich dar als eine allmähliche Abschwächung und Zentralisierung der unbetonten End- und Mittelsilbenvokale (vgl dazu auch Birkmann 1991). (a) Auslautende Endsilbenvokale schwinden nach langer Sprechsilbe, d.h. nach Langvokal/Diphthong oder nach konsonantisch auslautender Sprechsilbe, z.B. in *hau-kaR > hau-kR (Vallentuna), h(a)i-der (Stentoften) > hai-dR (Björketorp), *wul-faR > wul-fR (Björketorp), *fis-kaR > fis-kR (Eggja), etc. In allen diesen Fällen dürfte auf einer fortgeschrittenen Stufe die Realisierung der zweiten Silbe zwischen /9r/ und Irl graduell geschwankt haben, d.h. es wäre phonetische Zweisilbigkeit zu postulieren, was das sporadische Auftreten von Svarabhaktivokalen in dieser Position als Anzeichen für orthographische Unsicherheit erklären würde, eine Tendenz, die sich dann mit dem Beginn der handschriftlichen Überlieferung verstärkt und durchsetzt. Zugleich werden damit die zahlreichen Worttrennungen am Zeilenende schon der frühesten aisl. Handschriften vom Typ alexan-dr verständlich und regelkonform. Nicht auszuschließen bleibt die bei Fix-
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Bonner 1990:258f erwähnte Möglichkeit, daß fakultativ (etwa in der Skaldendichtung zur Silbenreduktion) ein auslautender Konsonant stimmlos und dann unsilbisch realisiert werden konnte: "In der silbenzählenden Dichtung konnte dieser Typ [maör - Th.B.] auf eine Silbe reduziert werden; am einfachsten, wenn dabei das auslautende -r stimmlos wurde. Für postkonsonantische /l, m, η/ in Wörtern vom Typ afl, hafn, νάρη, faöm, audn, vatn, segl, ogn, hakl, takn, hasl, fysn gilt das allemal, denn sie sind nisl. einsilbig mit stimmlosen Konsonanten nach Halblänge bzw. Präaspiration." Aber die später vor -r auftretenden Sproßvokale belegen, daß dies zumindest in diesem Fall wohl nie zur allgemeinen Regel wurde14. (b) Eine Verschiebung der Silbengrenzen kann sich aber ergeben aus Assimilationsprozessen wie -IR- > -//-, -nR- > -nn-, etwa im Falle von stai-naR > stain(n) (Eggja). (c) Zu trennen von diesen Reduktionsprozessen sind die nach Ausweis der Belege etwa zeitgleich auftretenden Kontraktionsvorgänge, bei denen intervokalisches -h-, -j-, -ö- oder -w- schwindet, also z.B. wiwaR > wiR (Eikeland), *mawiR > máR (Setre-Kamm), hlewa > hlé (Stentoften?), *spahu > spá (Björketorp), *hropu-waldaR > hroaltR (Vatn) etc. (d) In der Kompositionsfuge bleiben nach Ausweis der Belege Kurzvokale nach kurzer wie nach langer Sprechsilbe zunächst erhalten (hari-, hapuwolafR, ev. herma-lausR in den Blekinger Inschriften), wo sie nicht nach der Regel (c) kontrahiert werden: *nawi-hlewa > nahli (Strand), hlaha-haukR (Vallentuna). Weitgehend denselben Befund zeigt das frühe ostgerm. tila-rids (Kowel) und zahlreiche weitere got. Komposita, aber auch die westgerm. Inschriften in adugislu, ani-wulufu, skano-modu, husi-bald, awi-mund, ev. ido-rih, loga-pore, goda-hi(l)d, ev. arsiboda. Hier lassen sich kaum Regeln für den Erhalt bzw. den Schwund in späterer Zeit angeben. (e) Nach kurzer Sprechsilbe (auf Kurzvokal auslautend) wäre theoretisch eine weniger starke Tendenz zur Abschwächung vorstellbar, und somit ein zeitlich verzögerter Schwund der unbetonten Endsilbenvokale (entsprechend dem traditionellen Ansatz nach kurzer Stammsilbe). Dafür fehlen allerdings nach dem oben Dargelegten im späturnord. Runenmaterial die Belege, allenfalls könnte hapu auf dem schwer datierbaren Wetzstein von Str0m herangezogen werden. Aus runologischen Gründen sollte er ungefähr der gleichen Zeit wie die Blekinger Inschriften angehören, aber wenn man mit Krause 1971:61 den Beleg auf *hawipu 'Mahd' zurückführt, liegt Kontraktion und lange Sprechsilbe zugrunde, und der Beleg entfällt. Das etymologisch schwierige spa auf Björketorp kann mit ursprünglich Die auf dem Eggja-Stein belegte Form flikl könnte eine solche Annahme stützen (wobei die Inschrift gewisse skaldische Elemente enthält): Hier ist eine Entwicklung *fog-laR > *fogIR > (nach Assimilation) *fo-gl (vgl. etwa schwed. fâget) oder (bei Eintreten von Stimmlosigkeit) *fogUfokl anzunehmen; Eggja könnte dann als Beleg für die zweite Möglichkeit aufgefaßt werden, mit der phonetisch bestmöglichen Orthographie, wäre dann allenfalls sehr indirekt als früher Gebrauch wie im späteren Jüngeren Fufiark anzusprechen.
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langem oder mit kurzem Stammsilbenvokal angesetzt werden, aber auch hier handelt es sich dann um einen Fall von Kontraktion, der für die Synkope nichts beweist. Die ersten Kompositionsglieder sind Sonderfälle, die oben bereits angesprochen wurden. So bleiben nur die Belege der Rökstrophe, deren Datierung problematisch ist, die Fälle der wikingzeitlichen Belege von sunu, die den Status von morphologischen Varianten haben sollten, und die Fälle, in denen ein Svarabhaktivokal wahrscheinlicher als ein bewahrter Endsilbenvokal ist. So verbleibt nur die indirekte Evidenz des Ost- und Westgerm., wo -i nach kurzer Stammsilbe z.T. bewahrt ist (das überall zitierte ahd. Mask, wirti, aber dagegen auch synkopiert ahd. slag, biz, bei den Femin. nur kuri und turi), und gleichfalls bei den uStämmen (ahd. bei den Femin. nur im isolierten Dat.Pl. hantum nach langer Sprechsilbe, bei den Neutra nur das isolierte fihu), was aber zumindest im Got. eher morphologisch als phonologisch motiviert sein dürfte. So muß die Frage, ob nach kurzer Sprechsilbe später synkopiert wurde als nach langer aus Mangel an Beweisen offen bleiben. (f) Kurzvokale, die vor einem auslautenden -n stehen, bleiben zunächst als nasalierte, dann als orale Vokale erhalten, wenn sie in konsonantisch anlautender zweiter (oder dritter) Sprechsilbe stehen; das auslautende -n schwindet. Im Hiatus wird in den meisten Fällen durch Kontraktion die Silbenzahl reduziert (*fá-han > fa)·, die Ausnahmen sind klar morphologisch motiviert (Nom.Sg. pài neben pá zur Markierung der Flexionsklasse), wie auch spätere Umformungen (3.Pl.Prät.Ind. sáu statt normalem sä) zeigen. Die Regel (f) findet Anwendung im Infin. und in der 3.P1. aller Verben und in vielen Flexionsformen der η-Stämme, wo bei einem Schwund des Vokals keine Kasus-/Numerus-Differenzierung mehr möglich gewesen wäre; so liegt es nahe, der morphologischen Ebene einen konservierenden Einfluß auf die phonologischen Schwundtendenzen zuzusprechen (zu verweisen wäre auch auf die l.Pl.Prät.Ind. -um unter dem Einfluß der l.Pl.Präs.Ind. -um < *-umiz). Aus theoretischen Erwägungen ist es möglich, im Reduktionsvorgang verschiedene Stadien anzusetzen, wie dies Gr0nvik 1987:170f tut: Zunächst müßte - etwa im Akk.Sg. der «-Stämme - auslautendes -u nach der Regel (a) geschwunden sein, bevor sich das aus -on entwickelnde nasalierte -o der schwachen Feminina zu -u weiterentwickeln konnte (da es ja andernfalls auch hätte schwinden müssen). Zu diesem Ansatz vgl. unter dem nächsten Punkt. (g) Ursprüngliche Langvokale der Endsilben werden zu unbetonten Kurzvokalen und zentralisiert, ein Schwund des Endsilbenvokals hätte auch hier zur Aufgabe der Markierung wichtiger morphologischer Oppositionen geführt. Diese Regel tritt u.a. ein im Dat.Sg. und Nom.Pl. der α-Stämme (aisl. steini, steinar), im Gen.Sg. und Nom./Akk.Pl. der o-Stämme (aisl. rúnar), im Nom.Pl. der iStämme (aisl. gestir), im Gen.Sg. und Nom.Pl. der «-Stämme (aisl. skjaldar, skildir), im Konj.Präs. und Prät. aller Verben (wo noch in literarischer Zeit die meisten morphologisch bedingten Wandlungen eintreten). Musterwort für den Wandel ist Nom.Akk.Pl. rúnoR > rúnoR > rúnar. Für den Gesamtprozeß lassen
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sich abermals mit Gr0nvik 1987:168ff drei Hauptphasen postulieren, die wie folgt charakterisiert wären: I II ΙΠ
Nom.Sg. Nom.Sg. Nom.Sg.
*armaR *arm-R *arm-R
Nom.Pl. Nom.Pl. Nom.Pl.
*armoR *armoR *armaR
Um die morphologische Opposition zwischen Sg. und PI. aufrechtzuerhalten müßte also zunächst im Nom.Sg. der Kurzvokal geschwunden sein, während im Nom.Pl. die Länge erhalten bleibt; in einer nächsten Phase folgt dann die Reduktion zum Kurzvokal, der nicht weiter reduziert bzw. synkopiert wird. Als theoretisches Konstrukt ist dieser Ansatz durchaus überzeugend; daß allerdings morphologische Faktoren den Prozeß stärker steuern als die phonologischen "Regeln", zeigen u.a. der Nom. und Akk.Sg. der o-Stämme, wo aus *rúnu - *rúno lautgesetzlich *rún - *rúna hätte entstehen sollen, aber nach dem Muster des PI. (rúnar rúnar) auch im Sg. die Opposition Nom. - Akk. nicht mehr formal charakterisiert wurde (rún - rún), d.h. der auslautende Langvokal synkopiert werden konnte. Andererseits dürfen Schreibungen wie runaR gegenüber älterem runoR schon ein Stadium charakterisieren, in dem der Reduktionsprozeß weiter fortgeschritten ist, sich vielleicht schon Veränderungen der Lento-Regeln ergeben haben (etwa im Falle von runaR auf Istaby und Björketorp vs. runoR auf Stentoften). Das Übergangsstadium II ist nach Gr0nvik 1987:171 repräsentiert auf der Fibel von Eikeland mit einer archäologischen Datierung auf ca. 550: ek wiR wiwio writu i runoR asni, i.e. ""Ich WiR für Wiwja, ich ritzte die Runen für die Geliebte", wo in wiR < wiwaR Synkope des -a- belegt ist bei erhaltenem /o:/ in rúno:R, erhaltenem nasalierten /δ:/ in wiwjö < *wiwijon und erhaltenem -u in writu nach langer Stammsilbe; aber selbst gegen diesen anscheinend schlagenden Fall läßt sich einwenden, daß bei wiR Kontraktion vorliegt, die nicht unbedingt für die Synkope aussagefähig ist, und daß die Bewahrung des -u in writu morphologisch bedingt sein kann, da wir zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch eine dreifache Opposition im Sg.Präs. Ind. ansetzen können: *wrítu - wrítiR - writip, die erst später zu einer Opposition zwischen l.Sg. vs. 2./3.Sg. wird (mit 0 : -r: -r, d.h. *writ - writR writR), wie sie Björketorp für die 3.Sg. belegt. Das heißt, daß wir wohl auch für die Langvokale eine mehr oder weniger starke Abschwächungs- und vielleicht Schwundtendenz annehmen können, deren Durchführung jedoch von morphologischen Faktoren weitgehend gesteuert gewesen sein dürfte; für einen zeitlich früheren Schwund von /a, i/ als /u/ im Nordgerm, bietet das späturn. Material gleichfalls keine sichere Evidenz.
Die Entstehung des Jüngeren Fuji ark 675 - 750 "Overgangen fra den laengere til den kortere fujpark frembyder en raekke pikante problemer, der endnu ikke er löst til fuld evidens." (Diderichsen 1945: 320).
5.0 Vorbemerkungen "Many scholars have racked their brains over the problems involved in the final emergence of the 16-rune fiithark. They have often succeeded in muddying the waters still more, chiefly because they have dragged into the discussion all sorts of things that, from the point of view of straightforward alphabet history, are totally irrelevant. And the evolution of alphabets, where letters are altered, old ones discarded, new ones adopted, is a process that obeys constant laws." (Moltke 1985a: 173). "It seems a big leap from the 24-letter to the 16-letter fiithark when we do no more than look at the two side by side: but it hardly amounts to a far-reaching reform when all you do is to rearrange the runes that were actually in use at the beginning of the Viking Age - they are the crucial ones - as an alphabet. [...], the reform merely entailed giving an existing but superfluous rune ()|c) a new value and at the same time moving another rune from one place to another in the series in order to balance the three œts. Simpler it could not be, given that one wanted to select only from runes actually in use and was not even prepared to sacrifice either of the two a-runes and the two r-runes. These two steps constituted the reform whose fiat finally sealed the fate of the old 24-letter futhark - it had nothing to do with mutation or diphthongs or breaking or what have you: the runes in current use were gently reorganised and the alphabet we know from the G0rlev stone created." (Moltke 1985a: 182). So einfach sieht Moltke die Entstehung des Jüngeren Fuji ark; er hat sicher in einigen Punkten recht, etwa wenn er betont, daß die Entwicklung alphabetgeschichtlichen Gesetzmäßigkeiten folgt; andererseits ignoriert er die spezifischen Besonderheiten, die das Jüngere Fujiark als ein Alphabet auszeichnen, und in der pauschalen Ablehnung der Forschungsresultate der letzten Jahrzehnte macht er es sich etwas zu einfach. Es gibt zu diesem Thema eine Fülle von Publikationen1, die von An neueren Publikationen zu diesem Thema sind mir die folgenden bekannt: v. Friesen 1933, Olsen/Shetelig 1933, Ljunggren 1937, Trnka 1939, Baeksted 1943, Skautnip 1944,
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Die Entstehung des Jüngeren Fuji arks
immer neuen (und alten) Ansätzen her versucht haben, die alphabetgeschichtlich einmalige oder zumindest äußerst seltene Verkürzung des 24-er zu einem 16-er FuJ>ark zu erklären (im anglo-friesischen Bereich verläuft die Entwicklung schließlich genau umgekehrt); Düwel 1983:50 bezeichnet den Vorgang als ungeklärt und kontrovers. Es gibt im Prinzip vier verschiedene, zum Teil miteinander kombinierte Erklärungsansätze: 1) Die Sprachveränderungen im Späturnordischen und Altnordischen führen zu neuen Phonem-Graphem-Analysen, z.T. ausgehend vom Starkdruck-, z.T. vom Schwachdruckinventar (etwa v. Friesen 1933, Trnka 1939, Diderichsen 1945, Haugen 1969 und der indiskutable Beitrag von Bergsveinsson 1973). 2) Die alphabetgeschichtlich inhärente Tendenz zur Vereinfachung der Runenformen führt als Nebenprodukt zur Reduktion (z.B. Baeksted 1943, Andersen 1947a, Moltke 1976, 1985a + c). 3) Veränderungen bei den Runennamen führten zur Aufgabe von Runen und damit zur Reduktion des Fufjark (z.B. Liest0l 1981a, b; Quak 1982, Barnes 1987). 4) Magische und vor allem zahlensymbolische Gründe sind für die Entstehung des 16-er FuJjark entscheidend (z.B. Olsen/Shetelig 1933, angesprochen auch bei Skautrup 1944:122). Ich glaube, daß alle vier Punkte in einer langen Entwicklung eine unterschiedlich starke Rolle gespielt haben, aber nicht so, daß sie gleichzeitig von einem Reformator des Älteren Fujjark in Betracht gezogen worden wären. Das Fu^ark wurde in verschiedenen Etappen immer wieder umgeformt, von denen eine Zwischenstufe das Jüngere FuJ>ark in einer bestimmten Form war. Dabei waren jeweils verschiedene Tendenzen wirksam2. Man sollte aber unbedingt im Auge behalten, daß die Entstehung eines jüngeren 16-typigen Fujsarks und seine Weiterentwicklung/Umbildung zwei verschiedene Dinge sind. Moltke 1976 und 1985a+c beispielsweise hält diese beiden Punkte nicht auseinander, bestimmt (m.E. fälschlich) das G0rlev-Fu{>ark als Prototyp des Jüngeren FuJ>ark und schließt dann auf Ort und Entstehung. Für G0rlev entscheidet er sich vermutlich deshalb, weil er als Ort der Entstehung Dänemark ansehen will3. Unabhängig davon, ob man Moltkes Resultate billigt oder nicht, seine Vorgehensweise ist falsch. Die entscheidende Änderung ist doch wohl nicht, daß zu irgendeinem Zeitpunkt \ Diderichsen 1945, Andersen 1947a, Backsted 1952, Wessén 1957, Antonsen 1963, Loman 1965, Rischei 1967, Nielsen 1969, Haugen 1969, Bergsveinsson 1973, Steblin-Kamenskij 1974, Moltke 1976, 1985a, 1985c, Liest0l 1981a, 1981b, Nielsen 1981, 1982, Quak 1982, Barnes 1987. So meint etwa Liest0l 1981b:249 "It is not the purpose of this paper to survey all these profferred explanations. There may be some truth in a number of them since the transition was doubtless caused by an interplay of several different factors.". Sehr treffend ist der Kommentar von Barnes 1987:39 dazu: "Moltke (1976, 138-46) is so certain that the reform of the fupark was initiated in Denmark - like most other developments in runic writing - that he does not even bother to argue the case.".
Vorbemerkungen
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statt 3fc oder Y statt M geschrieben wird; der entscheidende Vorgang betrifft die Zuordnung von Phonemen zu Graphemen, d.h. die Reduktion von 24 Zeichen auf 16 und die Regelung, z.B. für /g/ und Dd nur noch Y (und nicht mehr X) zu schreiben, statt zweier Zeichen also nur noch eines zu verwenden. Die Runenreihe ist ein Alphabet, darauf weist Moltke völlig zu Recht hin (und in der Diskussion wurde dies bisweilen vergessen); wie bei allen Alphabeten verändern die einzelnen Zeichen im Laufe der Jahrhunderte ihre Form. In der lateinischen Paläographie z.B. sind die einzelnen Typen im 14. Jhd. (Textura) von denen des 9. Jhds. (Karolingische Minuskeln) stark unterschieden; das bedeutet aber nicht, daß auch das Alphabetsystem ein anderes ist, wie das Beispiel der Lateinschrift klar zeigt. Vom Beginn der Runenüberlieferung im 2. Jhd. an bis zu ihrem Ausklingen im Spätmittelalter sind einzelne Runen einer ständigen Veränderung ihrer äußeren Gestalt ausgesetzt (vgl. oben Kap. 1), andere (z.B. f ^ fc) sind über 1000 Jahre lang in ihrer Form weitgehend stabil. Man ändert nicht ein Alphabetsvstem. weil einige der Zeichen zu kompliziert sind - es genügt, einfach die Zeichen zu vereinfachen: genau das ist passiert, wenn in den Kurzzweigrunen j statt älterem H geschrieben wird oder ] J statt älterem ft.4 Der Grund für die Verwirrung und Vermischung beider Punkte liegt natürlich darin, daß bei einer Veränderung eines Alphabetsystems häufig auch die einzelnen Typen einer Veränderung unterworfen werden, daß beim Systemwechsel verschiedene lokale Normen ausgebildet werden können, die sich dann unabhängig oder unter wechselseitigem Einfluß weiterentwickeln. Von diesen alphabethistorisch natürlichen Entwicklungen ist auch die Runenreihe betroffen. Abermals mit Moltke: die Runenreihe ist ein Alphabet. Aber die Runenreihe ist auch eine Runenreihe mit einigen besonderen Eigenschaften und Funktionen, die sie von anderen Alphabeten unterscheidet: jede Rune hat ihren festen Platz innerhalb des Fufarles (wie jeder Buchstabe ihn innerhalb des lateinischen Alphabets auch hat); sie hat aber auch ihren festen Zahlenwert (wie Klingenberg 1973 trotz aller Kritik plausibel gemacht hat) und ihren jeweiligen Platz innerhalb ihres aetts/Subsystems - wie Geheimschriften (etwa auf Rök) oder die Umstellung der Rune ^ beweisen. Jede Rune hat ferner ihren Runennamen, der nach dem akrostichischen Prinzip gebildet ist, und der sprachlichen Veränderungen ausgesetzt ist. Lautwandlungen können also zumindest im letztgenannten Punkt das System verändern; sie können die Zusammenhänge stören und dann eine Systemveränderung wahrscheinlich machen.
So auch Nielsen 1981:110 in seiner Kritik an Moltke: "Moltke forstâr altsâ ved et alfabet en raekke besternte tegnformer i en vis orden. Men aendring af tegnenes (bogstavernes) former er et gennemgáende trxk i skriftens historie, det er ikke noget specielt for 16 tegns futharken.".
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Die Entstehung des Jüngeren Fufarles
5.1 Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fu]?ark 5.1.0 Problemstellung "Man känner sig frestat att framkasta frâgan: Är det det rimligaste uppfattningen, att den 16-typiga, frân fonetisk synpunkt myeket bristfálliga runraden kommit tili i oavbruten kontinuitet med det ojämförligt bättre 24-typiga runalphabetet? Är det icke i grand och botten mera tilltalande att antaga, att det yngre alfabetet, som i varje fall icke frân vâr synpunkt [Hervorhebung Th.B.] är nâgon förbättring av det äldre, skapats av folk, som i nâgon mân mist kontinuiteten med det äldre alfabetet, men försökt - och lyckats - att reda sig ändä?" (Ljunggren 1937:293). Nach den Ansichten aus den Kinderschuhen der Runologie, das 24-er FuJjark sei aus dem älteren, unvollkommeneren 16-er FuJjark weiterentwickelt worden5, ist diese von Ljunggren noch 1937 vorgebrachte Vorstellung zweifellos der Versuch, dem Problem der Umformung des Älteren Fuf>ark zum Jüngeren Fu^ark einfach aus dem Weg zu gehen: Irgendwann geriet das Ältere Fu]jark in Vergessenheit, die Leute hatten nur noch rudimentäre Kenntnisse, wie die Runen zu verwenden seien, und irgendwann schuf man dann einen Ersatz, der seinem Vorgänger freilich unterlegen war, nämlich das Jüngere Fujiark6. Diese Auffassung wurde dann auch von Andersen 1947a scharf kritisiert, und die neueren Runenfunde aus der Übergangszeit beweisen gleichfalls, daß sie falsch ist. Schon lange vor Ljunggren und besonders in den letzten 50 Jahren ging die Forschung mit mehr oder weniger Plausibilität davon aus, daß die Umformung aufgrund eines oder verschiedener rationaler Motive erfolgte, auch wenn das Ergebnis, das Jüngere Fuf>ark, aus unserer heutigen Sichtweise zumindest unbefriedigend erscheinen kann. In der Formulierung von Liest0l 1981b:249 wird dies auf den Punkt gebracht: "In handbooks of runology the reduction of the runic characters to sixteen is commonly criticized as an act of folly. But of course we cannot assume such an onset of mass lunacy. Instead of offering criticism, we might seek to understand the process.". Das Problem der Umformung beinhaltet bei genauerer Betrachtung folgende Fragestellungen: - Wann und wo erfolgte die Umformung? - Welche Motive waren für die Umformung ausschlaggebend?
5 6
Vgl. dazu etwa Moltke 1985a:174f. Ähnlich auch noch Baeksted 1952:145: "De yngre runer synes at vaere en ren nyskabelse, en bevidst modernisering af en gammel og velkendt, men ikke laengre anvendt overlevering.".
Theorien zur Entstehung des Jüngeren FuJjark
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- Wie erfolgte die Umformung in bezug auf das Schreibsystem und auf die Form der einzelnen Runen? - Ist die Umformung ein Zufallsprodukt oder die bewußte Reform eines Mannes oder einer "Kommission"? - Wie erklärt sich das Nebeneinander von zwei verschiedenen Runenreihen, den "dänischen Normalrunen" und den "schwedisch-norwegischen Kurzzweigrunen"? - Welche weiteren Veränderungen sind als Konsequenz oder im Gefolge der Umformung eingetreten? - Wenn die Umformung eine punktuelle Reform darstellt, eventuell von einem einzelnen Mann propagiert wurde - wovon die Mehrzahl der (heutigen) Runologen implizit oder explizit ausgeht -, wie hat man sich dann seine Verbreitung, seine Durchsetzung im gesamten skandinavischen Raum vorzustellen? Einige dieser Fragen, v.a. die erste und die letzte, sind vielleicht nicht mit absoluter Gewißheit zu beantworten; dennoch ist manches im Laufe der Forschungsgeschichte klarer geworden, andererseits wurde aber auch aus "ideologischen" Gründen verdunkelt, v.a. in der Frage nach dem Ort der Entstehung oder in Bezug auf die magische Funktion der Runenreihe. Ich versuche im folgenden die vorgebrachten Standpunkte kritisch zu sichten, ohne dabei den Anspruch auf absolute Vollständigkeit zu erheben. Ich gehe dabei nicht konsequent chronologisch vor, sondern nach den am Anfang dieses Kapitels vorgestellten vier Erklärungsansätzen, auch wenn die Argumentation deren Vertreter im Einzelnen differenzierter sein mag (worauf ich dann aber natürlich hinweise).
5.1.1 Phonologische Ansätze 5.1.1.1 Otto von Friesen Schon früh wurde die Vermutung geäußert, die Umformung des Älteren FuJjark zum Jüngeren Fu^ark könnte im Zusammenhang stehen mit den sprachlichen Veränderungen, die im Späturnordischen eingetreten sind und die Struktur der nordgermanischen Sprachen einschneidend verändert haben. So hat Otto von Friesen bereits 1928 sich eindeutig geäußert: "Orsakerna tili dessa radikala förändringar äro säkert fiera, viktigast ha säkerligen...de sprâkliga varit." (v. Friesen 1928:22). 1933 in Nordisk Kultur VI: 145f nennt er konkreter die Umlauterscheinungen und den Übergang der alten Spiranten / ß, 8, y/ im Anlaut zu Verschlußlauten /b, d, gl als Hauptmotiv der Alphabetreform; er bezieht beide jüngeren Runenreihen in seine Überlegungen ein und sieht in beiden "ett medvetet bemödande att inskränka antalet tecken och att i möjligaste mâtto in-
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Die Entstehung des Jüngeren FuJ>arks
knappa runornas yttre form" (v. Friesen 1933:148), sieht also auch eine allgemeine alphabetgeschichtliche Tendenz wirksam. Als Ort der Entstehung denkt sich v. Friesen das südliche Norwegen und Bohuslän und stuft die Blekinger Steine, die nach seiner Interpretation norwegischen Einfluß zeigen, als Übergangsgruppe zu den ältesten dänischen Steininschriften ein. In seinem Buch über den Stein von Sparlösa geht es v. Friesen 1940 v.a um die Entstehung der Kurzzweigrunen; er greift hier einen Gedanken auf, der von Bugge bereits 1878 vergeschlagen worden war: die Kurzzweigrunen stellen die Weiterentwicklung einer Runenreihe dar, die weitgehend identisch mit der der ältesten dänischen Inschriften gewesen sein sollte7. V. Friesen denkt dabei v.a. an Helnaes, Fleml0se, Snoldelev und H0je Tâstrup mit ihren charakteristischen Runenformen Ν» M> Κ R und sfc neben -f. Die doch sehr weitgehenden Übereinstimmungen von rund 50% der Runenformen und die identische Auswahl aus dem ursprünglichen 24-er Fu{>ark lassen eine Parallelentwicklung der beiden Runenreihen als unwahrscheinlich erscheinen. Die Vereinfachung der Runenformen zu den Kurzzweigrunen und dann auch in den dänischen Runen wurde laut v. Friesen 1933:155f durch die Festlegung der Schreibrichtung auf Rechtsläufigkeit ermöglicht, so daß nach 800 ohne Verwechslungsgefahr symmetrische Formen wie X, \ und 1, [ entstehen konnten. Die Kurzzweigrunen könnten vielleicht in Västergötland entstanden sein und sich dann nach Dänemark und Norwegen ausgebreitet haben und dort weiter umgeformt worden sein. Die älteste Variante des 16-er Fujiark bezeichnet v. Friesen als "den samnordiska runraden". Als Inschriften in diesem ursprünglichen Jüngeren Fufiark nennt v. Friesen die Spange von Strand, den Stein von Valby und den von Kirkjub0 auf den Färöern. Der Kirkjub0-Stein ist inzwischen als wesentlich jünger erwiesen (Simonsen 1961:107ff), der Valby-Stein könnte mit den dänischen Normalrunen geschrieben sein, und für die Spange von Strand kann man bezweifeln, ob ihrer Inschrift ein 16-er Fumarie zugrundeliegt (so Olsen/Shetelig 1933) oder das Fumarie, wie es der Eggjum-Stein zeigt (so schon Diderichsen 1945:324). Dies war einer der Kritikpunkte an v. Friesen, neuere Runenfunde wie der Schädelknochen von Ribe bestätigen jedoch eher seine Annahme eines ursprünglichen, "gemeinnordischen" 16-er FuJ>arks. Auch v. Friesens Annahme, der SparlösaStein könne eine Übergangsphase zwischen der "gemeinnordischen Reihe" und den Kurzzweigrunen auf Rök repräsentieren, ist durch die Kritik von Wessén 1957 nicht widerlegt; Loman 1965:56ff bringt sie völlig zu Recht wieder in die Diskussion, wenn auch mit der Einschränkung, der Sparlösameister verwende zwar typologische Übergangsformen, sei aber wohl nicht der Schöpfer, Initiator der Kurzzweigrunen-Varianten, was v. Friesen 1940:98 in Erwägung gezogen hatte.
7
Bugge 1878:126f.
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fu]>ark
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5.1.1.2 Trnka 1939 Die zahlreichen weiteren phonologischen Erklärungen für die Umformung gehen zumeist von der Reduktion der Zeichen für Verschlußlaute auf die Hälfte des ursprünglichen Inventars aus. Trnka 1939 war der erste, der unter strukturalistischen Prinzipien an das Problem heranging. Die Arbeiten von Olsen/Shetelig 1933 und v. Friesen 1933 scheint er nicht zu berücksichtigen, und er beschäftigt sich auch nur mit dem Konsonantensystem. Seine Ergebnisse bilden den Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer Untersuchungen, wie z.B. die von Diderichsen 1945, Rischel 1967, Haugen 1969, Quak 1981. Trnka (1939:293) geht von folgenden Annahmen aus: "The new alphabet is therefore to be regarded as a result of a rudimentary solution of spelling difficulties, arrived at without any help from Latin scribal traditions, and, being based on a new valuation and unconscious classification of phonetic oppositions, it deserves the special attention of the phonologist.". Für Trnka war der Anlaß für eine Veränderung des Schreibsystems8 der Übergang der stimmhaften Spiranten /ß, fl, y/ im Anlaut zu /b, d, g/ (vgl. oben v. Friesen 1933), ein rein phonetischer Prozeß, durch den noch keine Phonologisierung der stimmhaften Verschlußlaute eintrat: "The chief variants were realized by voiced spirants both before and after this transition" (Trnka 19939:294), die Runen M , Χ . Β bezeichneten also /d, 3/, /g, y/ und /b, β/. Im 8. Jhd. wurden dann aber in stimmhafter Umgebung die stimmlosen Spiranten Iii und /£/ stimmhaft, und dadurch wurden lèi, /ß / und /y/ zu Allophonen der Phoneme φ/, Iii und /χ/ 9 : "It was no longer possible to use the same staves for both d and δ, g and y, b and β, because the voiced spirants became the variants of the phonemes p, χ and / , while the difference between voiced and unvoiced spirants (f - b, p - d, h [χ] g) which had been functional, ceased to exist as a phonemic opposition, and could not be kept in writing any longer." (Trnka 1939:295). Man benötigte im Inlaut also nur noch ein Zeichen für zwei Spirant-Allophone, das Schreibsystem stellte jedoch zwei zur Verfügung. Diese Tatsache und die Ambiguität der Runen M . X. Β sowie das Fehlen einer Rune für /p/ stellte ein orthographisches Problem dar, das nach Trnka 1939:296 auf originelle Weise gelöst wurde: "The final solution of the spelling difficulties, caused by the lack of graphemes on the one hand and their redundancy on the other, was simple, but indeed original: the total neglect of the voice of both spirants and plosives, without any regard to its different functional value. The use of one stave (b) for both ρ and b, which occurs as early as the 7th century, may have given an impuls.". Trnkas Aufsatz wurde ignoriert, kritisiert oder wiederaufgegriffen; er läßt viele Fragen offen und argumentiert z.T. falsch, was v.a. von Andersen 1947a kritisiert 8 9
Andersen 1947a:216 stellt die Argumentation Trnkas wenig präzise, eher sinnentstellend, dar. stellt allerdings ein Problem dar, dazu unten mehr.
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Die Entstehung des Jüngeren FuJjarks
wurde. Dennoch brachte er einen wichtigen Neuansatz, der dann von anderen weiterentwickelt wurde.
5.1.1.3 Diderichsen 1945 Diderichsen 1945, der Trnka nicht erwähnt oder zitiert, läßt die Entwicklungen im Anlaut unberücksichtigt, schließt aber die Zusammenfälle der Vokalzeichen in seine Betrachtung ein: "Endelig viser omdannelsen af alfabetet en sâdan konsekvens, at man fristes til at betragte den som en bevidst reform, gennemfört ud fra en intuitiv opfattelse af lydsystemets karakter. Forholdet fremtraeder formentlig klarest, nâr man anlaegger de moderne fonologers synsmâder, hvis saerlige velegnethed til behandling af forholdet mellem systemer af lydlige og skriftlige tegn ikke synes at have gjort indtrykk pâ runologerne. Det viser sig nemlig, at reduktionen kun rammer de dele af lydsystemet, hvor fiere 1yd dannes pâ samme sted i munden, men med visse artikulationsforskelle, der pâ ensartet mâde gentager sig i Aere lydgrupper." (Diderichsen 1945: 321). Das Jüngere Fu^ark ist gegenüber dem Älteren in zwei wichtigen Punkten verändert: zum einen durch die Reduktion der Zeichen von 22 (so Diderichsen 1945:321, es wird nicht klar, welche Runen damit gemeint sind) auf 16, zum anderen durch die Umdeutung der relevanten Distinktionen. Während im Älteren FuJjark zwischen stimmhaften und stimmlosen Verschlußlauten unterschieden wurde, bestehen im Jüngeren FuJjark graphemische Oppositionen nur noch zwischen Reibelauten und Verschlußlauten. Die Reduktion beruht nicht auf phonetischem Wandel, da z.B. /d/ und !\1 davor wie danach selbstständige Phoneme waren. Entscheidend waren die Verteilungskriterien bei den Spiranten: "Derimod t0r man antage at undertrykkelsen af stemthedskorrelationen til fordel for âbningsgradskorrelationen haenger sammen med, at fordelningen af stemt og ustemt hemmelyd har undregâet en radikal aendring i l0bet af den urnordiske periode, idet den fra at tilh0re sprogsystemet (vaere betydningsadskillende) er kommet til at tilh0re sprogbrugen, sâledes at en hemmelyd (normalt) var ustemt, nâr den stod i forlyd eller foran ustemt konsonant, ellers stemt; men netop pâ grand af skriftsystemets ikke-fonetiske karakter lader forholdene sig kun udrede meget hypotetisk." (Diderichsen 1945:322). Die gleiche strenge Planmäßigkeit sieht Diderichsen auch in der Reduzierung der Vokalzeichen, wo nur die Extremvokale weiter bezeichnet werden, und | zum Ausdruck von /iI und /e/, Π z u m Ausdruck von /u/ und loi verwendet werden (also die extremen Öffnungsgrade erhalten bleiben). Ökonomisch sinnvoll ist dann auch der Zusammenfall von mit und mit , so daß die Vokalzeichen danach wie im Lateinischen entweder die konsonantische oder die vokalische Variante bezeichnen. Keine phonologische Erklärung gibt es dagegen für die Erhaltung von zwei verschiedenen Graphemen für /a/- und /r/-Allophone im Jünge-
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fuf>ark
195
ren Fugarle, weshalb selbst der Linguist Diderichsen zahlenmagische Kriterien in Erwägung zieht: "Fra et moderni Standpunkt ser det ud som en ejendommelig inkonsekvens at man trods denne vidt drevne 0konomi bevarer saerlige tegn for nasaleret a og almindeligt a samt for de to forskellige r-lyd, der ret hurtigt synes at vaere faldet sammen, og hvis brug pä omdannelsestiden allerede vassentligt var kombinatorisk besternt. Muligvis haenger det sammen med at disse 1yd ikke indgik i "systemer" som de ovenfor omtalte; mâske har 0nsket om af magiske hensyn at bevare visse talmaessige forhold i fujjarken gjort sig gaeldende." (Diderichsen 1945:322f). Dies sind aber Details, denen Diderichsen dann nicht weiter nachgeht; Hauptmotivation für den Umbau ist für ihn ein konsequentes Streben nach größerer Ökonomie im Notationsinventar, die angeblich für den Leser kaum Nachteile mit sich bringt: "Men det er slet ikke pä forhând givet, at en sâdan st0rre 0konomi i notationsinventaret er sä upraktisk for de skrivende og lassende, som det synes ud fra vore tilvante forestillinger. I al fald er der naeppe nogen indskrift, der pä grund af notationen er virkelig tvetydig,..." (Diderichsen 1945:323). Zumindest im letzten Punkt kann man allerdings geteilter Meinung sein; Gegenbeispiele gibt Nielsen 1982:75. Auch an Diderichsens Behandlung der Vokale und Halbvokale wurde etwa von Haugen 1969 Kritik geübt. Bezüglich des Orts der Entstehung des Jüngeren Fujjarks und seiner weiteren Entwicklung nimmt Diderichsen wie schon v. Friesen 1940 ein zugrundeliegendes Alphabet an, das sich in den ältesten dänischen Inschriften findet, und das er den Ν-fl-Typus nach seinen charakteristischen Runenformen nennt. Anders als v. Friesen glaubt er aber nicht, daß es sich dabei um eine gemeinnordische Runenreihe gehandelt habe, sondern meint, daß diese Runenreihe von dem Runenmeister entwickelt worden sei, der den Brauch von Runensteinen als Inschriftenträger auf den dänischen Inseln eingeführt hat, und der vielleicht aus Südnorwegen oder von Lister stammte. Von Dänemark habe sich dann das reformierte System nach Norwegen und Schweden ausgebreitet, und es wurde in Schweden weiter vereinfacht, woraus als Ergebnis die Kurzzweigrunen resultieren (wie schon bei v. Friesen wohl in Västergötland). Die Blüte der Runensteintradition im 11. Jhd. in Schweden beruht für Diderichsen dann gleichfalls "unbestreitbar" auf dänischem Einfluß: "Denne sidste og h0jeste blomstring af runekulturen skyldes utvivlsomt en fra Danmark med kristendommen kommende kulturstr0m." (Diderichsen 1945:324). In seiner Zusammenfassung verteilt er dann aber doch die drei Hauptphasen der Runenüberlieferung auf Stein gleichmässig auf die drei skandinavischen Länder: "f0rst i Norge (aeldre runer) indtil c:a 700; dernaest i Danmark (yngre runer) c:a 800-1000; til sidst i Sverige (11. ärh.)." (Diderichsen 1945:325).
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Die Entstehung des Jüngeren Fu]>arks
5.1.1.4 Rischel 1967 Mit Rischels Beitrag "Phoneme, Grapheme, and the "Importance" of Distinctions: Functional Aspects of the Scandinavian Runic Reform" von 1967 ist es dann abermals kein Runologe, sondern ein Linguist, der sich dieses Problems annimmt. Das System des Jüngeren Fugarle ist für ihn dadurch charakterisiert, daß nur noch die wichtigsten phonetischen Distinktionen in der Schrift reflektiert werden, weil auch das ältere System mit der Sprachentwicklung nicht Schritt halten konnte: "The older runic system, unless extended, would actually have been less adequate as a representation of, say, the language of the 9th century because of a deep-rooted lack of conformity between the old graphic and the new phonic system." (Rischel 1967:1). Der Wandel zeige sich im 8. Jhd. in einigen wenigen norwegischen und bald darauf auch in dänischen Inschriften, um 850-900 habe sich das neue System dann in seiner idealen Form (den sog. "dänischen" Runen) etabliert. Die Kurzzweigrunen seien wohl nicht sehr viel später entstanden. Die Reduktion von 24 (oder 21) auf 16 Zeichen ist das Ergebnis einer bewußten Reform und nicht auf einen "Degenerationsprozeß" zurückzuführen (so schon Baeksted 1943). An Faktoren, die den Reformwillen motiviert haben könnten, nennt Rischel die Tendenz zur Vereinfachung bestimmter Runenformen und lautgesetzliche Veränderungen bei den Runennamen, schließlich wohl auch die fehlende IrlZuordnung von Phonem und Graphem aufgrund der Lautveränderungen: "At present it is probably not possible to single out one decisive factor leading to the reformation of the runic writing at the end of the Iron Age. There is no reason to deny that it may be due to an interplay between two or several equally important factors. We may safely postulate, however, that the change is not haphazard." (Rischel 1967:4). Durch die Änderungen und die neuen "Schreibregeln" des Jüngeren Fumarie wird die Kongruenz zwischen Schrift und Aussprache neu etabliert, wenn auch auf einem höheren Abstraktionsniveau. Die einzelnen Runen stehen jetzt nicht mehr für Phoneme, sondern für Phonemklassen, die sich normalerweise nicht überschneiden. Der Zusammenfall von und ist wenig überraschend, auch Rischel verweist auf die Parallele im Lateinischen und auf den Schwund von anlautendem j- im Runennamen jara·, die betroffenen Laute stehen in allophonischem Verhältnis zueinander, so daß für ihre graphemische Wiedergabe eine Rune genügt. Durch die sprachgeschichtlichen Veränderungen im Späturnordischen, d.h. durch Umlaut, Brechung und Synkope erhöhte sich die Zahl der Vokalphoneme in den Stammsilben erheblich, die Vokale der Endsilben wurden dagegen auf drei Einheiten reduziert, und die Längeopposition hier aufgegeben; anstatt mindestens vier neue Grapheme zu schaffen, werden die Vokalgrapheme auf drei: , , vermindert. Als Motiv dafür nennt Rischel den Wunsch, die komplizierteren Runen M und £ aufzugeben, zudem war eine Verteilung der neu entstandenen Phonemgruppen auf die traditionellen fünf Vokalzeichen nicht möglich: den Ge-
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danken, etwa /ae/ mit der e-Rune, /â/ mit der o-Rune und /a/ mit der a-Rune zu schreiben, bezeichnet er als "absurd from a morphophonemic point of view" (p.7), da im Paradigma eines Wortes wie ¡cetili dann drei verschiedene Runen den Stammsilbenvokal bezeichnen würden: "We may assume that a wish to preserve the word (or sign) identity in writing must have been felt by those who modified the runic writing, just as they may have considered it fortunate to preserve some features of the traditional spelling. The orthography of the younger "futhark" is typically a morphophonemic spelling which preserves certain traditional features whilst at the same time obeying the fundamental laws of the language in its new state." (Rischel 1967: 10). Die drei Vokalgrapheme des Jüngeren Fu{>ark entsprechen also einerseits den drei Phonemen der Nebensilben, aber auch den drei morphophonemischen Hauptgruppen /i, e, y, 0/ : /y, 0, u, o/ : /ae, a, â/, die durch die Umlaute entstanden waren. Aus Gründen der (funktionalen) Frequenz steht für /y, 0/ fast immer die u-Rune. Die Analyse der Hierarchie von "distinctive features" ergibt für das System des Jüngeren FuJjark als relevante Merkmale "high" vs. "low" und "unrounded" vs. "rounded", die Kontraste "close" vs. "open" und "front" vs. "back" sind offensichtlich nachgeordnet und werden in der Graphie nicht berücksichtigt, entsprechend dem folgenden Diagramm:
low
high
unrounded
rounded
(I)
(Π)
close open
close
tf)
open
front back front back
/if
Id
lyl
IvJ
10/
loi
close
open
front back
/ae/ /â/
/a/
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"This does not suggest that the reformers of the orthography performed a distinctive feature analysis of the spoken language, but it shows that they were able to establish a basic formal agreement between the runic system and the phonic system." (Rischel 1967:13). Eine ähnliche Merkmals-Matrix läßt sich auch für das Verschlußlaut-System erstellen: hier wird die Opposition "stimmhaft" vs. "stimmlos" in der Orthographie nicht mehr berücksichtigt, es wird lediglich der Artikulationsort (labial, velar, dental) und die Opposition "Verschlußlaut" vs. "Frikativ" unterschieden; Anlaß dafür waren die Lautwandlungen im Auslaut, wo stimmhafte und stimmlose Verschlußlaute zusammenfielen (das gleiche gilt auch für einige KonsonantenClusters wie z.B. sp, st, gt, gs), und im Anlaut, wo stimmhafte Frikative sich zu stimmhaften Verschlußlauten entwickelten. Dadurch wurde es möglich, auf die Grapheme für stimmhafte Verschlußlaute und Frikative ganz zu verzichten, was durch die Tendenz zu einfacheren Runenformen natürlich unterstützt wurde; im Falle der b-Rune muß man laut Rischel annehmen, daß sie bereits im Späturnordischen vor der Reduktion für /p, b/ verwendet wurde und deshalb als einziger Kandidat für das Jüngere Fujiark zur Verfügung stand. Das Problem, daß für den stimmhaften velaren Frikativ in den meisten Inschriften statt des zu erwartenden )|c die k-Rune Y geschrieben wird, spricht Rischel kurz an und bemerkt, daß /h/ wohl seinen frikativen Charakter weitgehend schon verloren haben dürfte, und daß außerdem "quite early" (p. 17) die punktierte k-Rune u.a. zur Verwendung für den stimmhaften velaren Frikativ aufkam; von der Entstehung des Jüngeren FuJjark bis zum Aufkommen der ersten punktierten Runen, zu denen zugegebenermaßen Y gehört, vergehen allerdings rund 300 Jahre. Über Ort und Zeit der Umformung bietet Rischel außer den oben zitierten vagen Angaben keine eigenen Vorschläge, und die erklärende Kraft seiner generellen Feststellungen schränkt er selbst ein: "We are faced with a problem of considerable complexity, and we must not overestimate the explanatory power of structural statements." (Rischel 1967:5). Dieser Satz dürfte im Großen und Ganzen für alle Vertreter einer phonologischen Begründung für die Umformung des Älteren zum Jüngeren FuJjark zutreffend sein.
5.1.1.5 Haugen 1969 (und Antonsen 1963) Haugen stellt zunächst klar, daß nicht die Veränderungen der einzelnen Runenformen (Vereinfachungen) das Entscheidende sind, sondern die Reduktion von 24 auf 16 Einheiten. "If one's language contains 24 phonemes, as the Old Scandinavian of the eighth century almost certainly did, there is no economy in trying to write it with 16 symbols, half of which are ambiguous. Anyone who could learn 16 symbols can learn 24 and gain the added confidence of being sure just which
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symbol to use in every word. The fact is that the inventor(s) of the younger futhark were caught between the conflicting demands of a traditional system of writing and a radically altered linguistic structure: the result, as in most similar cases, was a compromise which did not long satisfy anyone." (Haugen 1969: 52). An Trnka kritisiert Haugen, er gäbe keine Erklärung dafür, warum das Ältere Fu|>ark nach phonemischen Prinzipien aufgebaut war, das Jüngere Fujiark jedoch nicht mehr. Er zeigt wie vor ihm schon Rischel, daß zur Zeit der Umformung /w/ und /j/ als Allophone von /u/ und IM aufgefaßt werden konnten, ein Standpunkt, den man cum grano salis akzeptieren kann. Diese Runen konnten also aufgegeben werden, was aber nur im Falle von ^ eintrat, da die j-Rune ja schon lange den Lautwert /a/ angenommen hatte. Anders sieht es jedoch bei den Vokalen aus: Hier fehlten mindestens vier Zeichen für die neuen Umlautprodukte (nach Antonsen 1963 sogar sieben). Für Antonsen resultierte daraus die Reduktion auf drei Zeichen im Jüngeren Fujjark (eigentlich: vier): "This solution was a further simplification of the orthographic system which must have been based on the premise that since the five symbols [eigentlich: sechs - Th.B.] available did not accurately represent the sound system of the language in any case, that sound system could be expressed by an even simpler orthography in which only the crassest oppositions were taken into account." (Antonsen 1963:201). Haugen weist auf den Zusammenhang zwischen dem Inventar des Jüngeren Fuf>ark und dem Phoneminventar der unbetonten Silben /a, u, il hin und nimmt an, daß die Distinktionen, die die Endsilbenvokale zum Ausdruck brachten, für das morphologische System wichtiger waren als die Kontraste in der Stammsilbe. Die Umlautprodukte etwa hatten für Haugen keinen vollen Phonemstatus, da sie oft in Paradigmen wie lang - leengri10 oder kçttr - kattar - ketti standen, "which clearly associated each of the unstressed vowels with a particular shade of the preceeding vowel." (Haugen 1969:55). Dies soll auch vor synkopierten Endsilben zutreffen, jedenfalls zunächst: "As long as these alternations were not obscured by analogy and later sound changes, even the lost syllables must in some sense have been present...The information conveyed by the unstressed syllables was clearly more important than that of various vocalic shades in the stressed vowel, which were to a considerable extent predictable even after synkope." (Haugen 1969:55f). Haugen kann damit allerdings allenfalls plausibel machen, wieso keine neuen Grapheme für die Umlautprodukte geschaffen wurden. Er erklärt in keiner Weise, wieso Π und aufgegeben wurden. Auch seinem Argument, f sei für /a/ bewahrt worden, da es besonders häufig in den Endsilben vor geschwundenem Ini gestanden habe, stehe ich skeptisch gegenüber. Die tatsächlichen Orthographien der Inschriften können je nach Auswahl seinen Punkt belegen oder widerlegen
Das Beispiel stammt von Haugen; eine Form lang gibt es im Awn. jedenfalls nicht.
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(vgl. etwa Nielsen 1981:76 für Gegenbeispiele). Selbst sein zunächst einleuchtender Grundgedanke wurde zu Recht kritisiert: "Is it plausible that the attention of speakers and rune carvers was directed so firmly at the unstressed syllables that not only the vowel symbols of the younger fupark, but, as Haugen also suggests, the consonant symbols too reflect this "minimum phonemic system" (1969:57)? The stressed syllables, after all, must still have conveyed the heaviest burden of information. One imagines it was at least as important to distinguish between, say, tœma and dœma as between (hann) g0rpi and (pau) g0röu, and yet Haugen would have us believe that M was dropped from the runic alphabet because only the system in unstressed syllables, with its simple two-way opposition between stop and spirant, was taken into account. It is worth remembering, too, that the unstressed vowel system which Haugen sees reflected in the younger fupark only persisted in a few parts of the Scandinavian-speaking area. Elsewhere it was overtaken in the course of a few centuries by vowel harmony, vowel balance, weakening and apokope. How crucial to understanding was it?" (Barnes 1987:36). Haugens Gedanke bietet also wohl nicht den Schlüssel zum Verständnis des gesamten Prozesses der Umformung; eher beiläufig weist er aber auch bereits auf die Bedeutung der Runennamen beim Lehren und Lernen der Runenreihe hin, wenn er - wie andere vor ihm - den Gebrauch von ^ für nasales /a/ auf den Runennamen *ansuz zurückführt: "There could be no better illustration of the mnemonic as compared to the magic value of the rune names: They were the carver's handle for identifying the sound value of the symbols." (Haugen 1969:56). Dieser Gedanke wurde von Liest0l 1981 und Quak 1982 aufgegriffen, die in den Veränderungen bei den Runennamen ein Hauptmotiv für die Reduktion sehen wollen (vgl. 5.1.3).
5.1.2 Alphabetgeschichtliche Ansätze 5.1.2.1 Baeksted 1943 In seinem Überblicksbüchlein über die Geschichte der Runenschrift und die dänischen Inschriften geht Baeksted 1943:47 kurz auf das hier interessierende Problem ein: der wichtigste Unterschied zwischen dem Älteren und dem Jüngeren FuJ>ark bestünde in der Zahl der Runen, in der Reduktion von 24 auf 16 Zeichen. Tendenzen dazu gibt es bereits in den Inschriften der Übergangszeit, etwa auf Eggja (er gibt nur die Interpretation von Jacobsen 1931). "Det ser ud til, at denne nyskabelse er begyndt som en naturlig udvikling, men at en stabilisering saa er fastsat efter et n0je gennemtxnkt system. Man maa engang i det ottende aarhundrede paa en eller annen maade ligefrem have bestattet, at fra nu af skulde runeraekken vaere saaledes. Som alt nyt havde ogsaa dette baade fordete og mangier: de vanskelige gamie runer, som ofte har to
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hovedstave og i mange tilfaelde er temmelig komplicerede, erstattes af nye, funktionalistiske former, der kun har een hovedstav og i det hele taget er enklere og lettere at hugge i sten eller skaere i trae." (Baeksted 1943:47). Er denkt sich also eine bewußte Reform im 8. Jhd., in der bereits bestehende Tendenzen ihren Durchbruch fanden; über den Ort der Reform macht Baeksted keine Aussage. Hauptmotiv war der Wunsch nach "funktionalistischen" Runenformen, das heißt wohl einfacheren Formen mit nur einem Hauptstab. Auf die Nachteile für den Leser weist er im Anschluß an die zitierte Passage hin, alle weiteren Fragen jedoch bleiben bei Baeksted offen. Als Prototyp des Jüngeren Fujjark stellt er sich die Variante auf G0rlev 1 vor, eine Datierung dieser Inschrift findet sich nicht. Auch auf Übergangsstufen findet sich keinerlei Hinweis, so daß bei Baeksted mehr Fragen offenbleiben als Antworten angedeutet werden.
5.1.2.2 Andersen 1947a Andersen geht davon aus, daß zum Zeitpunkt der Umformung des Älteren Fuf>ark zum Jüngeren bereits seit längerer Zeit statt der ursprünglich 24 Typen nur noch 21 in der Runenreihe zur Verfügung standen; die Runen für
und könnten wegen ihres zugeordneten Runennamens tabuisiert gewesen sein (Andersen 1947a:207), der Lautwert der Eibenrune hatte keine "videre Betydning i Sproget" (Andersen 1947a:209), so daß er durch die e-Rune wiedergegeben wurde. Aus diesem Grunde hält er Olsen/Sheteligs 1933 vertretene Auffassung, zahlenmagische Gründe hätten eine Rolle bei der Umformung gespielt, für wenig wahrscheinlich, da die Grundlagen dafür gar nicht existierten: "Kunde man fjerne visse Tegn, künde man vel ogsaa lave nye Tegn, ligesom man künde aendre de enkelte Runers Struktur. Man künde maaske gaa et Skridt videre og raesonnere saaledes: hvis det nu er rigtigt, at Talmagien har eksisteret i et vist Tidsrum, er saa ikke disse 3 Runers Fjernelse et Udtryk for, at den ikke laenger har haft Betydning." (Andersen 1947a:210). Wie Olsen denkt auch er an eine bewußte Reform eines einzelnen Mannes oder einer "Kommission" (p. 211), lehnt aber die zu dieser Zeit bereits publizierten phonologischen Erklärungen von Trnka, Diderichsen und Skautrup ebenso wie die zahlenmagischen Ansätze ab: Weder die Umlaute noch die Veränderungen bei den Konsonanten (wie die Auslautverhärtung), die dort als Motive genannt werden, läßt er als Erklärung gelten: "Dannelsen af den yngre Futhark er fuldstaendig uafhaengig af disse Lydovergange;" (Andersen 1947a:215). Sein einziges wirkliches Argument ist allerdings die Form gestumR auf Stentoften, wo im Älteren Fujjark ein Umlautprodukt bezeichnet sei (die Umformung also später erfolgt sein muß als der Lautwandel); akzeptiert man die neue Interpretation dieser Form durch Santesson 1989a, dann entfallt dieser Beleg. Richtig ist aber, daß spätestens mit dem Beginn der Synkope auch der Prozeß der Phonemisierung der Umlaut-Allophone einsetzt, wofür die Inschriften schon ca. 200 Jahre vor der Schriftreform
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deutliche Anzeichen bieten (vgl. oben 3.6). Der unmittelbare Anlaß für die Reform könne also die phonologische Ursachen nicht (ausschließlich) gewesen sein. Andersen versucht deshalb, sich in die Gedanken, des Schöpfers des Jüngeren Fujjark hineinzuversetzen - ausgehend von einer 21-typigen Runenreihe, die diesem vorlagen. Am Anfang stand dann wohl der Wunsch, die Formen einzelner Runen zu vereinfachen, und der Schlüssel dafür lag vielleicht in den ersten beiden Runen des dritten iEtt, îfc: wenn man für das komplizierte
bereits schreiben konnte, warum dann nicht auch für das kompliziertere M ? Laut Andersen soll diese Lösung nicht phonologisch motiviert gewesen sein, sondern ausschließlich vom Wunsch, eine Art Runen-Stenographie zu schaffen; aber dann wäre es doch theoretisch auch möglich gewesen, die k-Rune für und die wRune statt zu schreiben, oder nach Art der Kurzzweigrunen die Redundanz erheblich zu verringern. Dem Verkürzungsprinzip muß eine vermittelbare Ratio zugrundeliegen, anders ist der Siegeszug des neuen Systems nicht verständlich. Natürlich ist | formal einfacher als |*|> d.h. schneller zu schreiben, aber gilt dies auch für Π statt £ (vielleicht ja) oder gar für Y statt X (wohl kaum)? Der Leser, auch wenn es nur der Runenmeister selbst ist, muß doch irgendwelche mnemotechnischen Hilfestellungen erhalten. "Det er ikke med Henblik paa den lassende, at han har reduceret; det er den skrivende der lancerer en Idé, en Manér, og den ny Mode har gaaet sin Sejrsgang i Norden." (Andersen 1947a:220). Die Umstellung der Rune ^ an das Ende des neuen Fuji ark könnte damit begründet werden, daß sie am frequentesten im Auslaut der Wörter stand - so Andersen; aber ist es ein reiner Zufall, daß dadurch mit 6:5:5 ein halbwegs ausgeglichenes Zahlenverhältnis der drei aettir resultiert? Die Bewahrung von zwei a-Runen und zwei r-Runen können jedenfalls nicht mit dem Prinzip der graphischen Vereinfachung begründet werden, schwerlich auch mit phonologischen Argumenten. Andersen macht hier keine eindeutigen Vorschläge, die Bedeutung des Runennamens ansuR und eine eventuelle magische Funktion der Zahl 16 zieht er aber wie schon Olsen in Betracht, den er zuvor so stark kritisiert hatte. Bezüglich Ort und Zeit der Entstehung bleibt für Andersen als einziger Anhaltspunkt die Inschrift des Eggjum-Steines, der Spuren der später siegreichen Praxis aufweist, eventuell auch noch die Spange von Strand. "Dette er ikke ensbetydende med, at det yngre Runealfabet er opstaaet i Norge, men det er vel ret sandsynligt." (Andersen 1047:226). Dieser Argumentationsgang steht allerdings in Widerspruch zu dem von Andersen selbst entwickelten Szenario, nach dem eine Einzelperson oder eine Kommission ausgehend von einem 21-typigen Fu^ark eine neue Mode lanciert hätten: "Alfabetet er ikke opstaaet ved en jaevn Udvikling, men i Spring" (1947:227) - wenn dieser Schritt so einmalig und sprunghaft war, wie kann man dann auf Eggjum innerhalb des alten Systems bereits Ansätze für den neuen Gebrauch finden? Es ließen sich noch weitere Punkte anführen, die Andersens Aufsatz unbefriedigend erscheinen lassen, darunter die bisweilen polemisch-unfaire Kritik an seinen Vorgängern, v.a. an den Vertretern eines phono-
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logischen Ansatzes; einen wesentlichen Fortschritt stellen seine Vorschläge m.E. nicht dar.
5.1.2.3 Moltke 1976, 1985a und 1985c Einige der Kemsätze der Moltkeschen Theorie wurden bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel in extenso zitiert, so daß hier ein knappes, kritisches Referat seiner Thesen ausreichen mag. Moltke wendet sich entschieden gegen alle phonologischen Theorien als Motivation der Umformung und Verkürzung, ebenso bekämpft er (v.a. in 1985c) die Modelle von Liest0l und Nielsen 1981, nach denen in der Reform zunächst das System der Kurzzweigrunen, danach erst die sog. dänischen Normalrunen (vom Typ G0rlev) entstanden wären; letzteren Punkt halte ich für völlig berechtigt. Moltke selbst betont immer wieder, daß die Entwicklung nur im Einklang mit allgemeinen, alphabetgeschichtlichen Entwicklungen gesehen werden darf, jegliche magische oder zahlensymbolische Motivation scheidet damit gleichfalls aus. Ein 21-typiges Fuf>ark als Alphabetsystem oder ein gemeinnordisches FuJjark, wie es aus der Inschrift auf Heinass zu abstrahieren ist, hat nach Moltke 1985c:30 nie existiert: "det mâ betegnes som en alfabethistorisk grundfejl at regne med sâdanne fantasi-futharker." Für Moltke ist das Jüngere FuJ>ark unter einem starken dänischen König entstanden, nämlich unter Godfred, der am Anfang des 9. Jhds. laut den fränkischen Annalen zum Jahre 808 einen Teil des Danewerks gebaut haben soll und um 804 nach der Zerstörung der slawischen Stadt Rerik die dortigen Händler in Haithabu ansiedelte11. Ein weiteres wichtiges Faktum war die räumliche Nähe eines noch mächtigeren Reiches, des karolingischen Frankenreichs. Zur Ausrüstung eines Runenmeisters gehörten damals (es ist nicht ganz klar, welcher Zeitpunkt damit gemeint ist) laut Moltke 1985c:32: "Selvf0lgelig havde han et bibliotek pà sten, ben, bark, trae, skind og mâske en romersk skrivetavle, med forskellige alfabeter, runevarianter og indskrifter, optegnelser af runenavne og runesange, exempler pä fiere slags l0nskrift plus den formidable hukommelse, der hyppigt var til stede hos "de gamie" f0r trykkeriets opfindelse." Dies sind natürlich alles unbewiesene Behauptungen, die auch durch den Hinweis, ein Genie wie der Runenmeister von Rök - ein damaliger Rasmus Rask oder Louis Hjelmslev - habe das Jüngere Fujiark kreiert, nicht an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Die eigentliche Reform hat man sich dann nach Moltke so vorzustellen, daß ein Mann oder eine Kommission des Königs Godfred (1985a: 182 immerhin eingeschränkt: "Naturally I speak with every reservation!") zur Aufgabe Moltkes Anmerkung in 1985b:26 ist mir unverständlich: "Det n0jagtige tidspunkt for Olafs erobring er ukendt; men det ligger i alt fald mellem slaget ved Dyle 891 (! Th.B.) (vor de danske konger Sigfred og Gudfred faldt) og 934, [...]".
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erhielt, die zahllosen Varianten, die innerhalb des Älteren Fugarle zu dieser Zeit (!) existierten, so zu reduzieren, daß eine "mere daekkende" Ortographie entstand (Moltke 1985c:32). Das Prinzip, das in der Reform durchgeführt wurde, sei ein Streben nach Runen mit voller Zeilenhöhe und nach solchen mit einem einzigen, geraden Hauptstab gewesen (die aber doch zu diesem Zeitpunkt schon längst existierten und so gut wie ausschließlich verwendet wurden - Th.B.). Die Reform bestand also nur darin die Runen O . , K, M> Π (das seit 300 Jahren nicht mehr geschrieben wurde - Th.B.), Ο, M und £ in einem ersten Schritt "auszumustern" (um 800), die w-Rune wurde in einem zweiten Schritt (sie!) (um 800) nach dem Vorbild des lateinischen Alphabets abgeschafft: "Nâr latinen kunne n0jes med eet bogstav for disse to lyd, kunne runealfabet ogsâ." (Moltke 1985c:33, ähnlich 1976 und 1985a: 182f). Ebenfalls auf den Einfluß des Lateinischen sei es zurückzuführen, daß und durch die k-Rune, und durch die i-Rune12, und durch die u-Rune und und durch die t-Rune ausgedrückt wurden ("Indflydelsen fra latin er klokkeklar" 1985c:33). Die p-Rune sei schon lange vorher durch die b-Rune ersetzt worden, den Brauch konnte man also beibehalten (m.E. ein Widerspruch zu dem oben Dargelegten). Alles, was man dann noch tun mußte, war die Formen der h- und m-Runen formal zu vereinfachen, da diese zwei Hauptstäbe aufwiesen. Für die h-Rune entschied man sich für die Variante der a-Rune )(c, die (neben Jf) nicht mehr benötigt wurde; sie soll aus dem englischen Futhork entlehnt sein (die englischen Fu^orks sind erstens jünger als 800 und zeigen zweitens J|c weder für noch für - Th.B.). Bei der m-Rune konnte man durch eine einfache Umformung von M zu Y oder f kommen, wobei die ältere Variante Y gewesen sein soll, da sie bereits auf dem Stein von Snoldelev belegt sei, der zudem den Einfluß des Frankenreichs auf die Runenschrift "beweist": " [...] there is one monument which clearly shows where we should look for cultural links. This is the Snoldelev stone which has two lines of runes that are strikingly - remarkably - different in height, one broad band and one slender. In this we can see a faithful runic imitation of a manner of writing found in Merovingian and Carolingian manuscripts and charters from the reigns of Charles Martel, Pippin the Short and Charles the Great. They often have an opening line of elongated slender characters followed by lines with a stubbier ordinary script. [Wenn die Inschrift auf Snoldelev in der ersten Zeile im Älteren FuJjark, in der zweiten im Jüngeren FuJjark geschrieben wäre, würde mir die Analogie zu den Handschriften eher einleuchten - Th.B.]. It may be only an accident that it is precisely this stone from Snoldelev which provides our first domestic example of Y for m (the stone is damaged but there is enough left of the rune to be sure of the shape), which is not a bad copy of Moltke übersieht im Eifer des Gefechts, daß die ehemalige y-Rune schon seit ca. 200 Jahren nicht mehr für /j/ sondern für /a/ geschrieben wird; weder fallen die Runenzeichen zusammen, noch erfolgt irgendeine Lautsubstitution nach lateinischem Vorbild.
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Carolingian minuscule m ψ. [...] Charlemagne never learned to write, but perhaps even so his writing reform and the whole of his "renaissance" of learning might have helped to bring order into the messy runic alphabets in use in Denmark, that country which gave him so many problems and caused so much turbulence. [...] The Snoldelev inscription certainly demonstrates that the rune-writer knew Carolingian writing habits: but he did not know the 16-letter futhark - quite simply because it was not yet born. It came into the world about AD 800 or at the outset of the ninth century - as we can see from the stick from Hedeby with its fully fledged stut-rune futhark which must itself be the offspring of the reformed Danish runic alphabet. The Snoldelev stone can therefore be dated to the last part of the eighth century." (Moltke 1985a: 179f). 1985b: 17 spricht Moltke dagegen explizit vom Zeitraum ca. 800 "eller snarere noget f0r", zu dem sich die beiden Varianten des Jüngeren Fu^ark, das dänische und das schwedisch-norwegische der Kurzzweigrunen herausgebildet haben sollen. Doch ist dieser Widerspruch in der Chronologie nicht der entscheidende: wichtiger ist, daß (1) auf Snoldelev die m-Rune keineswegs so unzweifelhaft die Form Y belegt, wie Moltke behauptet; die wenigen Reste des oberen Teils dieser Rune lassen m.E. keinerlei Schlüsse zu, es wäre sowohl als auch *Y oder *f möglich; daraus eine ganze Theorie für die Entstehung des Jüngeren Fufiark zu entwickeln halte ich für unseriös. (2) Gibt es die Runenform Y für in keiner einzigen Runeninschrift Dänemarks in der Zeit prä-Jelling (auf dem großen Jelling-Stein steht dreimal f , auch die späteren Steine von Hedeby 1 + 3 zeigen diese Form), sie gehört hier ganz eindeutig erst ins 11. Jhd. Der früheste Beleg der Form Y in Skandinavien findet sich auf dem Bronzekessel von Kaupang in Norwegen um 900, frühere Belege gibt es auf der Isle of Man (vgl. 6.1.13 unten).13 (3) Kenne weder ich noch die mir bekannte Literatur eine merowingische oder karolingische Minuskel für des Typs, die nach Moltke das Vorbild für die neue Form der m-Rune abgegeben haben soll; wenn es sie denn gegeben hat (wo? Moltke gibt keine genaue Quelle dafür an), dann muß es sich um eine relativ seltene Nebenform gehandelt haben, von der ein Einfluß auf die Runenschrift in Dänemark kaum zu erwarten ist. Ich kenne allerdings die vier sogenannten "Buchstaben des Königs Chilperich" (vgl. Sanders 1972), der von 561 bis 584 den neustrischen Reichsteil der Merowinger regierte. Über diese vier neuen Zeichen berichtet Gregor von Tours in seiner "Historia Francorum", die in ca. 40 Handschriften auf uns gekommen ist. Diese Schriftreform, deren Zweck umstritten ist, setzte sich jedoch nicht durch, m.W. gibt es außerhalb der "Historia" keinen einzigen Text, der die neuen Zeichen belegen würde. Einer dieser Buchstaben erinnert in der Form, wie sie sich etwa im Codex Leidensis 21 aber auch in anderen Gregor-Handschriften findet, stark an den von Moltke als Vorlage postulierten Buchstaben, so daß sich die Vermutung aufdrängt, daß hier die Quelle seiner 13
Um so seltsamer ist es, wenn auf dem erst 1978 entdeckten Stein von Klejstrup (vgl. Moltke 1985a:308), der "probably contemporary with Sven Forkbeard's Haddeby stones 1 and 3" sein könnte, mit roter Farbe eine klare und deutliche Rune Y aufgemalt ist, die sich bei der Autopsie als ebenso klares und deutliches f erweist.
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Theorie zu finden ist; dann wäre aber außer chronologischen Einwänden (Chilperich I und Gregor lebten im 6. Jhd., das Jüngere Fugarle soll nach Moltke um 800 entstanden sein) auch sachliche zu erheben: Der neue Buchstabe sollte nach aller Wahrscheinlichkeit für /8:/ stehen (Gregor umschreibt ae), keinesfall für /m/14, wodurch irgendein Einfluß auf die Form der m-Rune Y gänzlich unwahrscheinlich wird. Gegen Moltke's Spätdatierung sprechen ferner die Spange von Skabersjö, die um 720 das Jüngere FuJjark belegt (in DR als nicht zeitgleich mit dem Inschriftenträger wegdiskutiert), Lousgârd und Âlborg um 700, die vielleicht schon das neue System zeigen (was Moltke zunächst selbst erwog, später ablehnte) und der Stein von Sparlösa um 780, der bereits das System der Kurzzweigrunen zeigt (der bei Moltke immer außer Betracht bleibt); aus allen genannten Gründen kann sein Modell m.E. nicht akzeptiert werden.
5.1.2.4 Nielsen 1981 und 1982 Die beiden Aufsätze von Nielsen sind im Prinzip Auseinandersetzungen mit und Zusammenfassung der Literatur zum Thema; eigene neue Ideen bieten sie fast keine. Im Beitrag von 1981 kritisiert er in erster Linie Moltke 1976, weil dieser von einem intakten 24-typigen Fu|)ark ausgeht und die Reform ausschließlich an der Formveränderung der Typen festmachen will. Nielsen betrachtet wie schon von Friesen 1933 ein 21-typiges FuJjark, wie es auf Eggjum belegt ist, als die Grundlage vor der Reform, die darin bestand, die Zahl der Runentypen auf 16 zu reduzieren, ohne ihre Form zunächst zu verändern. Erst in einem späteren Stadium erhielten die m- und h-Rune einfachere Formen mit nur einem Hauptstab. Wo die Reform stattgefunden hat, ist nach Nielsen nicht feststellbar, aber er wendet sich gegen die von Moltke vertretene Ansicht, die Varianten der Kurzzweigrunen seien in Haithabu entstanden. Er möchte nicht ausschließen, daß die Kurzzweigrunen direkt aus dem ältesten (gemeinnordischen) 16-typigen Fujjark entstanden sind, d.h. älter wären als die Formen des Fujsark auf den Steinen von G0rlev und Malt15 (dieser Gedanke findet ebenfalls bereits bei von Friesen 1933); als Beleg für diese Möglichkeit wird auf die Inschrift des Sparlösa-Steines verwiesen, der eine Mischung aus allen möglichen Runenformen in unterschiedlichen Teilen des Textes verwendet. Die Kurzzweigrunen könnten somit in (West-) Schweden entstanden sein, ihre Verwendung in Haithabu ist nach Nielsen auf schwedische Handelsleute zurückzuführen, die sich dort aufhielten. Bis auf den 14
15
Die drei anderen neuen Buchstaben sollten vermutlich /{>/, /w/ und offenes /o, â/ repräsentieren, also genau die Grapheme schaffen, für die auch in anderen germanischen Sprachen Bedarf bestand, wie die Neuerungen der aengl. und anord. Paläographie belegen; der an und für sich sinnvolle Reformvorschlag Chilperichs setzte sich jedoch wie gesagt im Frankenreich nicht durch. Diese Argumentation ist bei Moltke 1985c völlig falsch verstanden.
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letzten Punkt halte ich eine solche Abfolge der Innovationen auch aus chronologischen Gründen für die überzeugendste; die Stufen, die man anzunehmen hätte, wären die folgenden (mit den wichtigsten Runenformen für , , und : 21-typiges Fu|>ark wie auf Eggjum *
Μ
Ν &
Reduktion auf 16 Typen: Gemeinnordisches jüngeres Fujsark *
Μ
Ν &
Schweden: Herausbildung der Kurzzweigrunen χ > \y
t > ï
?> \
f
Dänemark: Normierung wie auf G0rlev und Malt unter dem Einfluß der Kurzzweigrunen
XÎ
* & Nielsen 1982 ist eine kritische Zusammenfassung der Arbeiten von Trnka 1939, Diderichsen 1945, Rischel 1967, Haugen 1969 und Andersen 1947a. Sein Fazit ist, daß Andersens Theorie der Reduktion als Konsequenz der Vereinfachungstendenzen bei den Runenformen überzeugender sei als die phonologischen Argumente: "Hvis reduktionen betragtes som teknisk, er det intet uforstâeligt i, at der opstâr skaevheder og mangier i notationen. Og bevarelsen af a og r med enkelt hovedstav kraever ingen saerlig forklaring." (Nielsen 1982:81), räumt aber auch den "Phonologen" gewisse Verdienste ein: "Fonologernes synspunkt har imidlertid betydning derved, at de saetter grafemsystemet i forbindelse med det aenderde konsonantsystem i final stilling, selv om dette ikke kan vaere ârsag til omdannelsen. Og fonologien er af interesse for forstâelsen af den mâde, omdannelsen skete pä, idet denne er betinget af de fonologiske forhold: 4 af de runer, der udgik, var betegnelse for 1yd i en lydgruppe, der havde samme artikulationssted (Diderichsen p. 321), sàledes at vaesentlige oppositioner blev betegnet: mellem bilabiale, dentale og velare konsonanter, mellem urundede fortungevokaler, rundede bagtungevokaler og den urundede bagtungevokal. Tegnsystemet kunne fungere, selv om det var ufuldkomment." (Nielsen 1982:83).
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5.1.3 Runennamen als Reduktionsmotiv 5.1.3.1 Liest0l 1981a und 1981b In zwei weitgehend identischen Aufsätzen beschäftigte sich Liest0l mit dem Problem des Übergangs vom Älteren Fu|>ark zum Jüngeren. Magische oder zahlensymbolische Gründe für die Reduktion lehnt er ab, auch den linguistischen Ansätzen gegenüber zeigt er eine deutliche Skepsis. Auch für ihn ist das Jüngere Fujjark das Resultat einer bewußten Reform, das den Bedürfnissen seiner Benutzer besser entsprochen haben muß, als manche seiner modernen Kritiker ihm zusprechen wollen. Sein Ausgangspunkt liegt im Wandel bei den Runennamen, die das wichtigste Kriterium für eine Bestimmung der Phonem-Graphem-Beziehungen für die Benutzer der Runenreihe darstellten: "The ultimate criterion by which he [the rune-carver] determined the sound value of a runic character was the name of the rune." (Liest0l 1981b:250). Die Runennamen sind in ihrer überwiegenden Zahl nach dem akrophonischen Prinzip gebildet, d.h. das erste Phonem im Runennamen entspricht dem Lautwert, für den die Rune steht; daß Veränderungen im Runennamen Rückwirkungen auf den Lautwert der Rune haben können, beweisen ganz eindeutig die Veränderungen bei der ursprünglichen *jera-Rune, die völlig unbestreitbar sind, ebenso die Veränderungen bei der ursprünglichen *ansuzRune, deren Lautwert sich ebenfalls dem gewandelten Anlaut ihres Runennamens anpaßt, eine Erkenntnis, die sich allerdings bereits bei Wimmer 1887 findet. Während im Falle der *jera- und der *a«j«z-Rune sich also lediglich ihre Anwendung veränderte, beide aber ins Jüngere FuJ>ark übernommen wurden, so könnten bei anderen Runen die Veränderungen im Runennamen eine Motivation dafür liefern, warum sie aus der Runenreihe eliminiert wurden. Unmittelbar einleuchtend ist dieser Gedanke im Falle der achten Rune deren Name mit wunanlautete: Nach dem lautgesetzlichen Schwund von w- vor /u/ gab es zwei Runen, deren Name mit u- (resp. dem Allophon [y], falls man aufgrund der aengl. Belege des Namens *wunjo/u ansetzen möchte) begann - nämlich Π (*uruz) und von denen die zweitere dann als überflüssig erschien und aus der Runenreihe entfernt wurde. Ähnliche Entwicklungen könnten die Runen für /e/ und loi betroffen haben: Die 19. Rune Π hatte höchstwahrscheinlich den Namen *ehwaz "Pferd" und repräsentierte den Lautwert /e/; durch im einzelnen nicht geklärte Lautwandlungen entwikkelte sich der Runennamen zu an.jór, wodurch eine Störung der GraphemPhonem-Beziehung eintreten mußte. Nach dem akrophonischen Prinzip hätte die Rune für /j/ oder Ν verwendet werden können; dafür stand aber bereits mit | ein Zeichen zur Verfügung - also bestand für Π kein Bedarf mehr und es wurde aus der Runenreihe ausgeschlossen. Die 24. Rune % hatte nach Ausweis von aengl. epel vielleicht den ursprünglichen Namen * opila, der sich dann zu *œdil entwickelt haben sollte. Da weder im Älteren noch im Jüngeren FuJjark eine Rune zur Bezeichnung der Umlaut-Pro-
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dukte verwendet wurde, konnte auch diese Rune überflüssig erscheinen und deshalb eliminiert werden. Es läßt sich also für mindestens drei der im Jüngeren FuJ>ark aufgegebenen Runen wahrscheinlich machen, daß aufgrund von Lautveränderungen bei den Runennamen für die Benutzer nicht mehr eindeutig festzustellen war, für welche Phoneme sie geschrieben werden sollten; damit war ein Startpunkt für weitere Reduktionen innerhalb des Schriftsystems gegeben. Das Endprodukt, das 16-typige Jüngere Fu|>ark, war dann das Ergebnis einer bewußten Reform; Liest0l stellt allerdings die bisweilen geäußerte Ansicht in Frage, daß dieser Reform eine Periode des Niedergangs der Runenschrift vorausging, in der viele (ein Großteil?) der Runenzeichen nicht mehr allgemein bekannt waren, und in der praktisch nicht geschrieben wurden. Er kann dabei auf den Rökstein verweisen, wo in einer der Geheimschriftpartien viele der alten Runen noch verwendet sind (gleiches gilt für Ingelstad, aber auch für die von Melnikova 1987 und demn. publizierten drei Amulette aus Gorodische und Alt-Ladoga, von denen zwei vermutlich aus dem 9. Jhd. stammen, und die in vieler Hinsicht an die Rökrunen erinnern, ein Fund, der Liest0l 1981 noch nicht bekannt war). Der Rökstein beweist, daß auch nach der Etablierung des Jüngeren Fu^ark ein Runenmeister in Östergötland mindestens 21 Runen des Älteren FuJjark kannte und verwenden konnte. Auffallig sind dabei v.a. die Runenformen, die für /a/: ¡] und für /i/: geschrieben sind; Liest0l 198 lb:257f glaubt, daß die Fortsetzung der alten *jera/ár-Rune ist, die irgendwie den Namen und auch den Lautwert der *i'siiz-Rune zugewiesen bekam: "It is difficult to imagine a mix-up like this occuring in a system of writing in general use. It would soon be corrected. But in a situation where a new system has been generally accepted and the old one is on its way out, such conñision might well occur [...] In such a period somebody's memory failed and the result was that the shape of rune 12 in the older row of characters, , became the basis for what we must assume was Rök no. 11,1." (Liest0l 1981b: 257f). Wenn man diese "Gedächtnisfehler" akzeptiert, dann liegt es nahe, in der Rune fi die Fortsetzung der alten Rune Κ zu sehen, die in der gleichen Weise wie j > i den Platz getauscht haben könnte: ρ > j (= a). Das einzige Fuf>ark, in dem die pRune an 13. Stelle steht, ist allerdings der Kylver-Stein, bei dem gute Gründe für eine bewußte Umstellung der Runen 13 und 14 sprechen; er belegt m.E. keineswegs die "ursprüngliche" Reihenfolge, was Liest0ls Argumentation viel von ihrer Plausibilität nimmt. Er führt diesen Gedanken sogar noch weiter und nimmt an, daß noch zu dieser Zeit ein Graphem für /p/ existiert haben könnte, das die Form der alten Eibenrune ^ hatte, und daß deren Runenname auf die *algizRune übertragen wurde: "The presumed existence of a "p-rune" at the time of Rök is more than a curious anomaly. [...] It follows that throughout the history of the older fupark in Scandinavia there was a grapheme that could be used to represent
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/ρ/. It was not discarded and forgotten. The reason we do not find it is merely the lack of frequency of the /p/ phoneme." (Liest0l 1981b:259). Das auf Rök repräsentierte Gesamtsystem hätte also schematisch folgende Veränderungen erfahren: *isaR *jara
í>
ár
*perpu
J À
yr
S
sòl
*iwaR
(p~)
*algiR *sowilu
Alle diese Annahmen sind allerdings hochgradig spekulativ, sie basieren auf gewissen Ähnlichkeiten der Runenformen (die man sehen kann oder nicht warum kann ^ nicht einfach eine Verfremdung einer i-Rune und ¡1 die einer aRune sein? Die Amulette von Gorodische zeigen beispielsweise die Rune ^j) und auf einer hypothetischen Fujiark-Reihenfolge, die nur auf Kylver zu finden ist. Liest0ls Ansatz könnte eine Erklärung dafür liefern, warum in der (späteren) Tradition die Rune X mit dem Runennamen yr belegt ist (und im 11. Jhd. dann auch den Lautwert /y/ repräsentieren konnte), aber wegen der dänischen und schwedischen Inschriften, die um 1000 oder später X für /e, ae/ schreiben, muß er auch mit einer (lokalen?) Tradition rechnen, die den alten Namen *celgr bewahrt. Er hält es für wahrscheinlich, daß in der ursprünglichen Kurzzweigrunen-Reihe ^ und S noch nebeneinander standen, da sie nach dem gleichen Prinzip zu 1,1 umgeformt wurden (Liest0l 1981b:260); alle belegten FuJjark-Inschriften im Jüngeren FuJjark zeigen aber die R-Rune an der letzten Stelle. Deshalb nimmt Liest0l 1981b:260f eine weitere Vertauschung aufgrund der Runennamen an, nämlich eine Verwechslung der Runen fr und der Rune Nr. 22 *yn(g)R, wodurch jene den Platz von dieser einnahm, eine Annahme, die mir gleichfalls höchst unwahrscheinlich vorkommt: wir haben keinerlei Beleg für die Existenz der Runen • nach dem Ende der Brakteatenzeit, und die Ersetzung des Namens *algiR durch f r kann - wie Liest0l selbst einräumt - auch vor der Entstehung des Jüngeren Fujjark eingetreten sein. Die Reform, die zum Jüngeren FuJ>ark führte, stellt sich Liest0l 1981b:262 dann wie folgt vor: "Imagine a society in Scandinavia, say Denmark-Götaland, with a stable agricultural economy. The leading families had extensive contacts with each other and their economic situation and connections enabled them to look to the outside world for ideas and impulses. The better-informed members of this upper class had kept up the art of runic writing, probably as a useful means of communication with associates far away and as a means of documentation for personal ends. The art was taught to interested members of the next generation by a set of mnemonic devices which I shall not go into here.
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fujiark
211
But the alphabet they used was old and worn. Sound changes affecting the names had caused several characters to appear of doubtful value. [...] We must imagine the dawn of the Viking Age - let us say early in the eights century. Some of the active, impatient, up-and-coming members of these groups the potential Vikings we might call them - found the runic alphabet deficient in several ways. It presented unnecessary options, and some characters were considerably more cumbersome to carve than others. Certain of the more complicated runes, for instance, required four strokes while others needed only two. The easiest, no. 11, could be cut in just a single stroke: |. A faster and easier system of writing seemed to be called for." Es stellt sich dann aber die Frage, warum auf Rök dann gerade die einfachste Rune durch die kompliziertere Form ^ ersetzt worden sein soll; auch fällt es schwer, sich "an old and worn alphabet" vorzustellen, das zudem zur Kommunikation über lange Distanzen verwendet wurde, also offenbar im Briefverkehr, wofür wir im frühen 8. Jhd. keinerlei Beleg oder auch nur Indiz haben. Liest0l 1981b:263 fährt dann fort: "I believe that in the society I have sketched, there was a man with a strong urge to systematize and rationalize. He felt keenly the need for a quicker and more practical method of writing and wanted to do something about it. So he set about radically revising the older fupark. He created the short twig runes." In einem einzigen Schritt sollen dann also obsolete Runen aus dem Alphabet ausgeschlossen worden sein, die restlichen Runen in ihrer Form radikal vereinfacht worden sein (z.B. wohl auch ^ > h, ft > P)> ferner aus phonologischen Gründen bei den Verschlußlauten die Unterscheidungen b-p, k-g, t-d aufgegeben worden sein, wobei der Reformator die Zeichen auswählte, die einfacher zu schreiben oder abzuändern waren (so soll er nach Liest0l 1981b:264 sich fur ft entschieden haben, obwohl er doch die Kurzzweigrunen schuf!). Die Tatsache, daß trotz aller Reduktion zwei Runen für /a/ in der Reihe behalten wurden, liegt nach Liest0l darin begründet, daß einerseits der Runenname áss mit nasalem Anlaut nicht gut zur Bezeichnung eines oralen Phonems gepaßt hätte, daß andererseits aber die dsj-Rune aber auch nicht aufgegeben wurde, da sie am Anfang der Runenreihe stand und deshalb am besten in Erinnerung blieb. Ich glaube nicht, daß dieses Bild realistisch ist. Auf die Probleme, die sich aus seiner Theorie, zunächst sei in einem einzigen Schritt das System der Kurzzweigrunen geschaffen worden, bezüglich der frühen dänischen Inschriften im Jüngeren FuJjark ergeben, geht Liest0l 1981b:265 nur skizzenhaft ein: Zunächst sei in einer Übergangszeit das alte System noch in Gebrauch gewesen, und nach und nach hätten einige Runenmeister dieses an das System der Kurzzweigrunen angepaßt (konkret z.B. der Runenmeister von Helnaes). Später wären dann einige der alten Grapheme in ihrer Form an die der Kurzzweigrunen angeglichen worden, was das G0rlev-Fuj>ark ergab: "These runes, if my theory is correct, are really the old runes, reorganized and somewhat modernised under the influence on the short twig alphabet." (Liest0l 1981b:265).
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Die Entstehung des Jüngeren Fuf>arks
Das würde bedeuten, daß in Dänemark während des gesamten Zeitraums vom frühen 8. Jhd. (der Entstehung der Kurzzweigrunen in Schweden) bis ungefähr 900 (der Reform, die mit G0rlev und Malt verbunden ist) zunächst prinzipiell das alte 24-typige FuJ>ark im Gebrauch geblieben wäre, das irgendwann unter dem Einfluß der Kurzzweigrunen zwar auf 16 reduziert wurde, aber die alten Runenformen beibehielt. Außer vielleicht der weitgehend zerstörten w-Rune auf dem Stein von Sölvesborg (dessen Datierung zudem problematisch ist) gibt es aber keinerlei Indiz für diese Annahme, und auch der Befund des Sparlösa-Steines spricht m.E. gegen Liest0ls Theorie. Wahrscheinlicher sind doch zwei aufeinander folgende Reformen, durch die zunächst die Zahl der Zeichen reduziert wurde und dann deren Form radikal vereinfacht wurde. "The new system of 16 runes had two variant sets of graphemes but a joint row of names, similar orthographic practices and probably also a common set of pedagogic and mnemonic devices for the maintenance of the writing tradition. There were probably never any sharp divisions, geographical, social or functional, between the two sets of characters. In the following centuries the two alphabets continued to borrow from each other and both gave something to the fupark that finally emerged in medieval Scandinavia." (Liest0l 1981b:265. Dieses Bild der weiteren Entwicklung ist zweifellos zutreffend. Liest0ls Verdienst ist es, auf die mögliche Bedeutung der Veränderungen bei den Runennamen für die Beseitigung eines Teils der Vokal-Grapheme hingewiesen zu haben, was ein fruchtbarer Ansatz sein dürfte; der Ansicht, bei der Reform der Runenreihe sei dann in einem Schritt das System der Kurzzweigrunen geschaffen worden, kann ich mich jedoch nicht anschließen, da z.B. bereits Helnaes ein konsequentes System mit 16 Zeichen verwendet ohne daß eine Beeinflussung durch die Kurzzweigrunen angenommen werden könnte.
5.1.3.2 Quak 1982 Etwa gleichzeitig mit Liest0l entwickelte Quak recht ähnliche Vorstellungen über die möglichen Konsequenzen, die sich v.a. für die Vokale und Halbvokale durch die lautlichen Veränderungen bei den Runennamen ergeben könnten. Seine Resultate, die den dritten Teil seines Aufsatzes von 1982 ausmachen, decken sich so völlig mit denen von Liest0l, daß ich auf das vorausgehende Kapitel verweisen kann; wie dieser verweist auch Quak auf das Abecedarium nordmannicum, das in einem Merkvers die Runennamen überliefert. Im ersten und zweiten Teil behandelt Quak kurz die früh geschwundenen Runen und ausführlicher die Entwicklungen bei den Konsonanten. Anders als Liest0l geht er jedoch (m.E. zu Recht) davon aus, daß gegen Ende der urnordischen Periode nur noch 21 Runen in der Schreibepraxis verwendet wurden, und so ein erster Ansatz zur Reduzierung vorlag. Bei
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den Konsonanten kombiniert er phonologische Argumente mit den Veränderungen bei den Runennamen. Die Runen R, M. X bezeichneten ursprünglich die stimmhaften Reibelaute /b, 3, g/, infolge der späteren Entwicklung im Anlaut (und damit z.B. in den Runennamen) aber auch die stimmhaften Verschlußlaute /b, d, g/, die in diesem Stadium Allophone der Reibelaute waren. Daraus ergibt sich folgendes Schema (nach Quak 1982:150, leicht modifiziert): /ρ/ Κ [b] « &» [6] r M Ν Τ [d] «M » [Ö] b φ/ /k/ < [gì «χ » fe] Ν m Gestört wurde dieses System bereits dadurch, daß die stimmlosen Reibelaute positionsbedingte stimmhafte Varianten entwickelten (worauf bereits Haugen 1969:53 hingewiesen hatte) und durch den Schwund von /χ/, das nur im Anlaut als Hauchlaut /h/ erhalten blieb. In diesem späturnordischen System wurde die pRune bereits nicht mehr verwendet, ohne daß Quak dies begründen würde. So gab es zwei konkurrierende Möglichkeiten, die stimmhaften Reibelaute zu schreiben: /ρ/ (K) [b] «&» p>] «r» m Ν t [à] «M» [S] «t> » [i>] /k/ Y [g] «X» fe] * /h/16 "In dieser Situation zeigt sich die Bedeutung der Runennamen. Diese besaßen ja bei £ (*bjarkan), M (*dagaR) und X (*gebu) vermutlich stimmhafte Verschlußlaute im Anlaut, was dazu geführt haben könnte, daß für einen Runenmeister - der ja von den Namen ausgehen mußte - die Verschlußlautbedeutung an die erste Stelle rückte. Der Runenmeister dieser Periode besaß jetzt 8 Zeichen - wenn man die p-Rune außer Betracht läßt - für 12 Phoneme. Dazu kam noch, daß die Rune H (=h) durch ihren Namen *hagalaR nur noch einen Hauchlaut bezeichnen konnte. Er mußte also wählen. Wahrscheinlich war es ausschlaggebend, daß er den Unterschied zwischen Verschlußlauten und Reibelauten als den wichtigsten Unterschied betrachtet, wichtiger auf jeden Fall als den Unterschied zwischen stimmlos und stimmhaft. Der Gegensatz frikativ - explosiv trat offenbar am deutlichsten hervor." (Quak 1982:151). Da die p-Rune bereits geschwunden war und für sie £ geschrieben wurde, gab es das Vorbild für eine Neuordnung entsprechend folgendem Übergangsschema: /p/
«& » [b] » [b] « Y » [f] «t » [d] «M » [8] « t> » [t>] /k/ «Κ » [g] «Χ » fe] Ν /h/ Die Reform bestand dann darin, die Ambiguität der Grapheme X und M zu beseitigen, indem man sie aus der Runenreihe entfernte; im Falle von M war dies unproblematisch, da f> für [8, f>] stehen konnte, bei den Gutturalen war es allerdings vorstellbar, daß man X als Zeichen für den frikativen Laut behalten hätte,
IM
16
Sic! Im Folgenden durch korrektes H ersetzt.
214
Die Entstehung des Jüngeren Fufarles
stattdessen faßte man ihn offenbar als Allophon zu /g/ auf und schrieb ihn mit der k-Rune (etwa schon auf der Spange von Strand in sikli). Die neue Regelung, die des Jüngeren Fujiark, war also die Folgende:
» fc » f
» y » t>
» γ » N(> * ) Die einzige Inkonsequenz dieses Systems, die Bezeichnung des gutturalen Reibelautes /g/ könnte laut Quak ein Motiv dafür sein, daß als eine der ersten punktierten Runen Y gebildet wurde um besser widergeben zu können; einige Runenmeister (z.B. Öpir) schreiben allerdings auch sporadisch % für /g/ als Parallele zu den anderen stimmhaften Reibelauten. Diese These Quaks wird m.E. durch die Untersuchung von Lagman 1990 bestätigt: während Y für den Verschlußlaut /g/ nur in 8% aller möglichen Fälle geschrieben wird, steht die punktierte Rune in 43% aller möglichen Fälle für den Reibelaut /g/, in 22% steht hier >< | (für /kJ steht die punktierte Rune dagegen so gut wie nie). Diese Zahlen für das 11. Jhd. sind doch sehr überzeugend; wenn man annehmen darf, daß bereits der/die Schöpfer des Jüngeren Fufiark "in ähnlichen Gedankenbahnen dachten", dann hat das Erklärungsmodell Quaks für die Konsonanten mit einer Kombination aus phonologischen Motiven und den Runennamen doch sehr viel für sich. Bei den Vokalen und Halbvokalen ist dieser Zusammenhang noch offensichtlicher (vgl. Liest0l oben): "Der Runenmeister sah sich vor dasselbe Problem gestellt wie bei den Konsonanten: zu wenig Zeichen für zu viel Phoneme. Die Entwicklungen bei der eRune haben ihm dann vielleicht den Weg gezeigt, den er dann gegangen ist. Nur die größten Oppositionen zwischen den Vokalphonemen wurden berücksichtigt, vgl. die ähnliche Entwicklung bei den Frikativen und Explosiven. Es ist deutlich, daß der Entwicklung des jüngeren Fujsarks an erster Stelle Lautveränderungen in der Sprache der damaligen Zeit zugrunde liegen. Aber es scheint auch durchaus möglich, daß das akrophone Prinzip bei den Runennamen den Anstoß dazu gegeben hat, gerade den Weg der Reduktion zu gehen und nicht den Weg, den die Angelsachsen gingen, indem sie die Zahl der Runen erhöhten." (Quak 1982:156). Eine Erklärung, warum im Jüngeren FuJ>ark zwei a-Runen und zwei r-Runen erhalten blieben, die beide Allophon-Status hatten, gibt allerdings auch Quak nicht.
5.1.3.3 Barnes 1987 Barnes Aufsatz von 1987 stellt eher eine kritische Zusammenfassung der bisherigen Forschung dar als eine neue, eigenständige Theorie; er spricht klar aus, daß alle Erklärungen weitgehend spekulativ sein müssen, da nur wenige wirklich gesicherte Fakten zur Verfügung stehen, die er in fünf Punkten zusammenfaßt: (1) Das Jüngere FuJjark ist graphisch einfacher als das Ältere; (2) Die Zahl der Sym-
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fujiark
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bole ist von 24 auf 16 reduziert worden; (3) Die beiden (Haupt-)Varianten des Jüngeren Fujjark sind miteinander verwandt, bzw. voneinander abhängig; (4) Die Entstehung des Jüngeren Fugarle ist zeitlich später anzusetzen als die Synkopezeit; (5) Die jara-Rune bezeichnete zunächst das Phonem /j/, nach dessen Schwund im Anlaut des Runennamens wurde sie zur Widergabe von /a/ und anderer Vokalphoneme verwendet. Für alle weiteren Schlußfolgerungen gibt es keine gesicherte Evidenz, die Argumente können laut Barnes lediglich mehr oder weniger plausibel sein. Ich würde als gesicherte Fakten noch nennen, daß Sparlösa um 800 (als Annäherungsdatum) verschiedene Varianten des Jüngeren Fu fiark nebeneinander verwendet, und daß die Holzstäbe von Hedeby um 850 eine mehr oder weniger verbreitete Kenntnis der Kurzzweigrunen auf dänischem Gebiet belegen. Barnes wertet dann kritisch die vorliegenden Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fufjark. Zahlenmagische Ansätze lehnt er prinzipiell ab, u.a. mit dem Argument, wir wüßten nicht, ob die komplette Runenreihe mit 24 Einheiten zum Zeitpunkt der Reduktion auf 16 überhaupt noch existierte; dem ist zuzustimmen, aber die Umstellung der Rune ^ erfolgte vielleicht doch aus dem Wunsch, die drei >Ettir in ihrer Mitgliederzahl harmonischer zu gestalten, phonologische Gründe mögen dabei zusätzlich eine Rolle gespielt haben. Auch die von Andersen u.a. bevorzugte These, daß ausschließlich der Wunsch nach graphischer Vereinfachung zur Reduktion geführt habe, vermag Barnes nicht zu überzeugen: "This seems to me an unlikely sequence of events." (Barnes 1987:32). Für Inschriften auf Steinmonumenten würden prinzipiell komplexere, ornamentalere Formen vorgezogen, und ob die p-Rune überhaupt noch bekannt war, ist fraglich. "[...] the likelihood that mere chance determined the emergency of the younger fupark just at the end of the syncope period seems so remote that the arguments of those who would dismiss any connection between the two events must be unusually compelling. Andersen's, as has been indicated, do not come into this category." (Barnes 1987:32). Zumindest für die Veränderungen bei den Verschlußlauten und den Spiranten ist also für Barnes (irgend)ein Zusammenhang zwischen den lautlichen und graphischen Veränderungen kaum von der Hand zu weisen; dennoch ist er skeptisch gegenüber allen Versuchen, die Umformung mit modernen Analyseverfahren zu begründen 17 :
"[...] this attributes to rune carvers either the ability to undertake phonemic analyses or clear intuitions about what is and what is not phonemic and a strong urge to act upon them. Yet not even the First Grammarian seems to have had that ability or those intuitions in full measure - although he clearly felt the urge to act - and the scribes of medieval Scandinavia appear to have been completely at sea." (Barnes 1987:35) ist zwar prägnant formuliert, aber sachlich zumindest in Frage zu stellen - ein Teil der Runenmeister und der Schreiber von Handschriften waren sicher keine ungebildeten Tölpel, die die Verschriftlichung ihrer Texte überforden hätte - ich nenne nur Gallehus, den Gebrauch von Digraphen
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Die Entstehung des Jüngeren Fuf>arks
"The only conclusion about the representation of stops and spirants in the younger fupark that seems warranted on the basis of the evidence is that it was not considered important to mark the voiced : voiceless opposition, but worthwhile, though not essential, to distinguish between stops and spirants. No phonemic analysis of Scandinavian at any period up to and including the Viking Age can, as far as I am aware, have led to such a view." (Barnes 1987:35). Ebenso hält er den Vorschlag von Haugen 1969, das Jüngere FuJ>ark würde lediglich die relevanten Oppositionen der Flexionsendungen bezeichnen, für verfehlt, da die morphologische Information der Endsilben zu einem guten Teil redundant war, die lexikalische Information der Stammsilben dagegen unverzichtbar; außerdem war in den meisten skandinavischen Dialektgebieten das Schwachdruckinventar durch Vokalharmonie, Vokalbalance etc. wesentlich komplizierter verteilt, als Haugen annimmt. Liest0ls Modell von 1981, nach dem die Veränderungen bei den Runennamen den Anlaß für die Reduktion gaben, hält Barnes für das bisher überzeugendste18; jedenfalls müssen diese Veränderungen Unsicherheiten bezüglich der PhonemGraphem-Zuordnung bei den Runenschreibern hervorgerufen haben. Das Modell ist für die Vokale einfach und überzeugend, für die Konsonanten ist nach weiteren Motiven für die - bewußte - Reform zu suchen. Als Zeitraum für die Umformung hält Barnes 1987:39 "some time before A.D. 800" für unbestreitbar, ein Ort läßt sich aufgrund unseres Kenntnisstandes nicht bestimmen. Wie schon Liest0l faßt er die Bildung der Kurzzweigrunen als die eigentliche Reform auf, da in Dänemark die Entwicklung vom Älteren Fuf>ark zum Stand der Übergangsinschriften (den Steinen vom Typ Helnaes-G0rlev) offensichtlich graduell verlaufen sei, einige Runen aufgegeben wurden, andere aus dem Älteren Fu{>ark weiterverwendet wurden; hier finden sich also die Vorstellungen Moltkes wieder, für die ich keine Evidenz sehe: Die w-Rune auf Sölvesborg ist äußerst fraglich (ebenso auf Rävsal und Hoga), und auf Ribe ist nicht , sondern oder eher zu lesen! Den Kurzzweigrunen liegt unbestreitbar eine weitere Reform zugrunde, aber die Reduktion auf 16 Typen ist sicher vorher erfolgt, und dies ist in meinen Augen die wesentliche Neuerung des Schriftsystems. Spätestens hier wird die Argumentation von Barnes angreifbar: "If the creator of the short-twig alphabet had based his simplification on something like the G0rlev alphabet, he would have been more likely to have selected t,k as the members of a contrastive pair, especially if he knew a version of the long-branch runes which included Y as a variant of t . That, at least, is precisely how the creator of the staveless runes worked. From Y vs. ^ he created the contrast1 vs.,." (Barnes 1987:41f). für Monophthonge, die Zeilentrennungen oder die Widergabe der Schwachdruckvokale in den Handschriften. Er zitiert in diesem Zusammenhang Quak 1982 nicht, den man auch vergebens im Literaturverzeichnis sucht.
Theorien zur Entstehung des Jüngeren Fu)>ark
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Erstens ist das G0rlev-"Alphabet" später als die Entstehung der Kurzzweigrunen und von diesem Konkurrenzsystem beeinflußt, zweitens ist die Entstehung der Variante Y für aller Wahrscheinlichkeit nach später als die Kurzzweigrunen (frühester Beleg in Skandinavien um 900 auf Kaupang, in dänischen Inschriften nie vor Jelling belegt), und drittens hat 1 mit der m-Rune nichts zu tun, es steht für und ist auch formal aus der s-Rune abzuleiten. Es gibt keinen wirklichen Beleg dafür, daß einzelne Symbole des Älteren Fuf>ark noch Bestandteil des "Alphabets" waren, daß X und ^ erst durch den Erfinder der Kurzzweigrunen entfernt wurden, wie Liest0l und Barnes glauben wollen, ebensowenig für eine "impoverished version of the older fupark" (Barnes 1987:42). Daß auf Rök (in der Geheimschriftpartie) einige Zeichen des Älteren FuJ>ark (neben willkürlichen Neubildungen) verwendet werden (oder auf dem Amulett von Gorodische oder späteren Münzen), bedeutet doch nicht, daß der Runenmeister weiterhin das System des Älteren Fumarie anwendete. Barnes schlägt vor (1987:42), daß auch auf Eggjum das ältere System "after the creation and spread of the short-twig alphabet" verwendet sei; (deshalb und) aus "linguistic reasons" glaubt er an eine spätere Datierung dieser Inschrift als ca. 650-700. Aus welcher spezifischen Interpretation der Inschrift sich die linguistischen Argumente für ihn ergeben, teilt er dem Leser nicht mit; so bleibt nur das apodiktische Credo "Virtually all linguistic change in Scandinavia has spread north and west." (Barnes 1987:42). Liest0l, Quak und Barnes haben ohne Zweifel zurecht auf die Bedeutung der Runennamen (und deren Veränderungen als Folge der späturnordischen Lautwandel) für die Ermittlung von Phonem-Graphem-Zuordnungen durch die Runenschreiber hingewiesen; in ihnen ist wohl wirklich der Grund für die Aufgabe einzelner Vokal-Grapheme zu sehen, was den ganzen Prozeß der Umformung des Fumarie in Gang gesetzt haben könnte. Für unwahrscheinlich halte ich dagegen die These, das ursprüngliche Jüngere Fuf>ark sei in dem System der Kurzzweigrunen entstanden.
5.1.4 Magische und zahlensymbolische Ansätze 5.1.4.1 Olsen/Shetelig 1933 Im letzten Kapitel der Abhandlung über den Kamm von Setre entwickelt Olsen seine Vorstellung von der Alphabet-Entwicklung im Späturnordischen unter dem Titel "Nordisk sprog i folkevandringstiden". Als sicher datierbare Inschriften aus diesem Zeitraum bezeichnet er Eggjum, Setre und Strand, und in der letzteren ist bereits für /g/ und für /e/ geschrieben. Die frühesten sicheren Belege für das Jüngere Fujiark sind die dänischen Steine ab ca. 800 (nach Wimmer, Olsen/ Shetelig 1933:73) und die norwegischen Inschriften von Oseberg und Gokstad in Kurzzweigrunen aus dem 9. Jhd. In der Entwicklung der Runenschrift läßt sich ganz allgemein eine Tendenz hin zu weniger und einfacher geformten Zeichen er-
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Die Entstehung des Jüngeren Fufarles
kennen: "Überflüssige" Runen werden nicht mehr verwendet und die komplizierteren durch einfachere ersetzt. Olsen vermutet, daß bereits die Inschrift auf Strand um 750 im Jüngeren FuJjark geschrieben sein könnte. Im Anschluß an von Friesen 1933 spricht er sich gegen die Entstehung in Dänemark aus: "Der mâ altsä visstnok regnes med et par mannsaldrer fra det yngre runealfabets opkomst til dets optreden pâ Fyn, pâ Sjaelland og i Skâne." (Olsen/Shetelig 1933:74). Wenn nun Eggjum das Ältere Fujiark noch in voller Funktion zeigt (wenn auch für einen Sprachstand im Umbruch) und Strand bereits das Jüngere Fujjark, dann muß die Umformung etwa in der Zeit um 700 erfolgt sein (Olsen/Shetelig 1933:77). Für Olsen spricht die größte Wahrscheinlichkeit für West-Norwegen als den Ort der Umformung, von wo aus sich das neue System nach Gotaland und bis nach Gotland verbreitet hätte. Der Reformer war ein einzelner Mann, der "med et overlegent grep" (Olsen/Shetelig 1933:85) die Reduktion der Zeichen vornahm. Sein wichtigstes Kriterium waren dabei die Zahlenverhältnisse: "I Norden mâ vi tenke oss at den gamie 24 runers rekke var hellig og ukrenkelig, uimottagelig for supplerende runer for omlyds-vokalene y, ce, çog φ og for visse konsonanter (skille mellem p,dogd o.s.v.). Forandringen blev den radikale at det nye alfabet basertes pâ antallet av runer i to av den eldre rekkes tre aetter." (Olsen/ Shetelig 1933:85). Die interne Ordnung der drei "Geschlechter" wurde dabei so wenig wie möglich verändert, und auch die Untergliederung in drei Runen-Gruppen bewahrt, weil diese für Geheimschriften unentbehrlich war. Reformen var, utvortes betraktet, radikal, men der blev ikke r0rt ved det som var livsnerven i den gamie runeskrift: futharkens anvendelighed i magisk 0iemed led intet avbrekk, idet den ogsâ i sin nye skikkelse (jfr senere innskrifters 'tilsiktede talforhold' bygget pâ 16-tallet) kom til â inneholde et multiplum av 8. Ad indirekte vei fâr vi sâledes en bekreftelse pâ, at ikke bare 24-tallet, men ogsâ 8-tallet fra gammelt tid har vaerei hellig." (Olsen/Shetelig 1933: 85f). Bei der Reform entstanden zunächst die Runenformen der Steine vom Typ Helnaes-G0rlev, die dann weiter vereinfacht wurden zu den Kurzzweigrunen; wie die Reduktion jedoch im Einzelnen erfolgte, nach welchen Kriterien einzelne Zeichenformen ausgeschieden wurden, dazu äußert sich Olsen nicht. Zeit und Ort der Entstehung könnten jedoch durchaus richtig bestimmt sein, selbst wenn man der Inschrift von Strand noch das Ältere Fu{>ark zugrunde legt. Daß das Ausgangsalphabet die durch 8 teilbare "heilige" Zahl von 24 Einheiten enthielt, ist nicht gesichert, es waren jedenfalls nur noch 21 im aktuellen Gebrauch; daß die 16 Einheiten des Jüngeren FuJjark durch 8 teilbar sind, ist unbestreitbar, aber wann die (neue) Einteilung in drei aettir erfolgte, ist nicht sicher (die frühesten Fujjark-Inschriften auf G0rlev, Malt oder Hedeby belegen sie nicht), aber die Geheimrunen auf Rök setzen sie für die Zeit um 800 voraus. Wir können wohl spätestens mit der Umstellung der Rune X an das Ende des FuJjark damit rechnen. Am ehesten sprechen für Olsens Annahme von zahlenmagischen Gründen die Erhaltung von
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Theorien zur Entstehung des Jüngeren FuJjark
zwei a-Runen und zwei r/R-Runen nach der Reform, aber hier läßt sich auch mit der Bedeutung des Runennamens (im Falle der ansuR-Rune) bzw. mit der morphologischen Relevanz (im Falle der R-Rune) argumentieren; der ursprüngliche Ausgangspunkt für die Reduktion waren die Zahlenverhältnisse wohl kaum.
5.2 Die Inschriften der Übergangszeit ca. 675 bis 800 Wohl sicher in die Zeit 650 - 750 gehören Eggja, Vatn, Strand, Lousgârd, Hallbjäns, Âlborg, Roes, Sölvesborg, Ribe, fraglich sind Rävsal und Skabersjö. Zwischen 750 und ca. 850 zu datieren sind Sparlösa, Rök, Björkö 1, Skee, Kälvesten, Gursten, Ulvsunda und eventuell Hoga aus Schweden, Lindholm, Hemdrup und vielleicht Helnaes und einige andere Steine aus Dänemark, Valby und eventuell Björneby aus Norwegen, die alle schon, auch die Hauptinschrift auf Rök, ein voll durchgeführtes 16-er FuJ>ark zeigen. Die Reduzierung muß also früher liegen, im Zeitraum zwischen 650 und 750. Nach 600 werden also auf der Basis eines 24-er FuJ>arks nur noch 21 der Runen tatsächlich verwendet. Irgendwann zwischen 650 und 750 wird dann in einer (oder zwei) weiteren Stufe(n) das Fu|>ark auf 16 verkürzt, mit den in Kapitel 1.2.1 aufgeführten Konsequenzen. Aufgrund der Fundlage - wir haben nur wenige Denkmäler aus dieser Zeit - sind wir auf Rekonstruktionen und Vermutungen angewiesen, die aber wohl doch einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit besitzen. Einen Fixpunkt stellt Eggja um 650/75 mit einem 21-er Fujjark und den traditionellen Runenformen seiner Zeit dar, ein weiterer sind die Holzinschriften von Haddeby um 850 mit dem voll entwickelten 16-er Fu|>ark der Kurzzweigrunen. Irgendwann nach Eggja/Vatn erfolgt die Umformung des Älteren zum Jüngeren FuJjark. Aus dem Zeitraum von 675 bis etwa 750 haben wir die folgenden Denkmäler: Inschrift
Fundort
Datierung
Runen
Spange von Strand Perle von Lousgârd Spange von Âlborg Kupferblech von Hallbjäns Schädelknochen von Ribe Stein von Rävsal Stein von Roes
S0r-Tr0ndelag Bornholm
Krause ca. 700 archäol. ca 675 archäol. ca. 700 archäol. ca. 700 archäol. ca. 720 Krause ca. 750 Krause ca. 750
* X
Jütland Gotland Jütland Bohuslän Gotland
t l>? Y *
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Die Entstehung des Jüngeren Fufiarks
Stein von Sölvesborg Spange von Skabersjö
Blekinge Skâne
Krause 2.H.7.Jh. archäol. ca. 700
ψ f? Y f X
Die Spange von Strand (S0r-Tr0ndelag, Norwegen)19 hat die Inschrift: *ΙΚΓΜ*ΝΓΙ
= siklisnahli.
Sie wurde von Nerman 1947:126ff archäologisch in die 2. Hälfte des 7. Jhds. datiert, von Krause/Jankuhn 1966:49 runologisch um 700. Es ist nicht zu entscheiden, ob ihre Inschrift zu einem 24-er (bzw. 21-er) FuJ>ark oder schon zum 16-er Fujsark gehört: "Die Runenformen können ebensogut der Übergangszeit von dem älteren 24-typigen zu dem jüngeren nordischen Alphabet von 16 Typen wie der frühen WZ [= Wikingzeit; Th.B.] angehören." (Krause/Jankuhn 1966: 49)20. Die Perle von Lousgârd (Bornholm)21 hat die Inschrift: SNim Τ (M) und ist archäologisch in die 2. Hälfte des 7. Jhds. zu datieren; da es sich um einen Grabfund handelt, ist dies ein terminus post quem non. Von den drei möglichen Lesungen: 1. ..jhiltn', 2. ..ahiltrv, 3. ..shilta gibt letztere am ehesten einen sprachlichen Sinn. Wir hätten dann den frühesten Beleg für die Rune 3( = /a/22, und es wäre auch hier nicht eindeutig zu beweisen, ob die Inschrift zu einem 24-er (21-er) oder 16-er Fujiark gehört: "...though in all probability [Hervorhebung Th.B.] the runes do belong to the new alphabet."23 (Moltke 1985a:347). Die Spange von Âlborg (Nordjütland, NF 1964) ist archäologisch auf etwa 700 zu datieren (Moltke 1963:122ff). Sie trägt die Inschrift ΓΠ1ΙΗ oder KIÌ1IH =futis oder kutis, und auch hier läßt sich aufgrund der Runenformen nicht entscheiden, ob das Ältere Fu)?ark oder das Jüngere FuJ>ark die Grundlage bildet. 19 20
21 22
23
Krause/Jankuhn 1966:Nr. 18. So auch Nielsen 1969:24: "Runerne kan enten h0re til 24 tegns futharken i dens seneste form eller til 16 tegns futharken i dens aeldste form.". Neufund von 1955, vgl. Moltke 1956: Iff; Moltke 1985a:347. Auch auf der Spange von Skabersjö und auf dem Stein von Rävsal erscheint diese Rune mit dem Lautwert lai, deren Datierung ist jedoch unklar; sicher später als Lousgârd. Einer der vielen Wiedersprüche Moltkes, der die Entstehung des Jüngeren FuJjark eigentlich auf 800 ansetzt.
Die Inschriften der Übergangszeit
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Die Spange von Skabersjö (Skâne) wird von Nerman 1947:229ff auf ca. 700 datiert. Nach Moltke 1985a:354f (und schon DR Sp. 319) ist die Runeninschrift aber wesentlich später angebracht worden, etwa um 1025 (bzw. DR: Jelling- ell. mâske Efter-Jelling-typen). Die Lesung der Inschrift ist nicht ganz sicher, zunächst stehen auf der A-Seite 24-25 R-Runen, dann der Text: (r)a{ii(tu)kfaukafiaRsisinaiakasa/u]>uilaunat; die zweite Linie ist undeutbar. An Runenformen sind Jf= lai, Y = /k/ und X = IRI belegt, die Inschrift hat keine Trennpunkte. Das Argument in DR und bei Moltke liegt in der Runenfolge 26-28 asa bzw. asu, die dem Frauennamen Asa zugeordnet werden. Nach dem archäologischen Befund etwa Nermans spricht aber nichts gegen eine Gleichzeitigkeit von Spange und Inschrift (vgl. oben 3.2) Dann hätten wir den frühesten Beleg, der eindeutig die Verwendung des 16-er FuJjarks aufweist, und zwar um etwa 725. Wenn die Umformung aber bereits so deutlich vor 800 erfolgte, dann gibt es kaum Gründe, die 25-50 Jahre älteren Inschriften, die nicht eindeutig einer der beiden Runenreihen zuzuordnen sind, nicht zum Jüngeren FuJjark zu rechnen. Wir werden im folgenden sehen, daß es auch noch andere gute Gründe für eine frühe Datierung der Umformung gibt. Der Schädelknochen von Ribe mit einer Datierung um 720 und das Kupferblech von Hallbjäns (vorläufig datiert auf ca. 700) werden in den folgenden Kapiteln besprochen; sie sind die beiden frühesten Inschriften, die sicher das Jüngere Fujiark zeigen. Alles dieses waren Inschriften auf losen Gegenständen, für die archäologische Datierungen existieren; wir haben aber neben Eggja auch einige andere Steine, die aller Wahrscheinlichkeit nach dieser Periode angehören: Der Stein von Rävsal (Tjörn, Bohuslän) ist in Lesung wie Einordnung sehr umstritten; Krause/Jankuhn 1966:185 stellt ihn in die Mitte des 8. Jhds., er liest haripulfs stainaR (mit Zweifeln an der 5. Rune) und übersetzt "Hariwulfs Steine". 1971:160 begründet er dies wie folgt: "Bei einer Lesung von R. 5 als /»ergibt sich kein Sinn. Es scheint möglich, daß der Steinmetz, dem die alte w-Rune p> bereits unbekannt war, statt dessen die formähnliche Rune ^ eingehauen hat". Dann müßten aber Runenmeister und Steinmetz zwei verschiedene Personen gewesen sein, was zu diesem frühen Zeitpunkt einigermaßen unwahrscheinlich ist. Die Datierung von Antonsen 1975:88, der hariwulfs liest, auf 600-650 ist aufgrund der f-Rune in jedem Fall unhaltbar. Die Lesung haripulfs, die von Andersen 1947c vertreten wurde, unterstützt Moltke 1985a: 169 Al nachdrücklich: "the correct reading of the Swedish Rävsal stone is: harijiulfs (not hariwulfs) stainaR".24 Bei Die Lesung der S. Rune als ^ oder ^ist tatsächlich kaum zu entscheiden, da der Stein in dieser Partie weitgehend zerstört ist. Sowohl Hraif>ulf als auch Hariwulf sind als Namen gut belegt und daher möglich.
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Die Entstehung des Jüngeren Fu {ιarks
dieser Lesung würde das Dilemma, das gleichzeitige Vorkommen von ^ und % (die sonst nirgendwo gleichzeitig belegt sind) erklären zu müssen, wegfallen, und der Stein wäre der 1. Hälfte des 8. Jhds. und vielleicht dem Jüngeren FuJ>ark zuzuordnen, könnte aber auch eine unbestimmte Zeit jünger sein, da Umstellungen des Typs harip statt hraip nicht eben außergewöhnlich sind. Der Stein von Roes (Gotland) wird von Krause 1966:236 in die Mitte des 8. Jhds. datiert. Neben einer Pferdefigur steht die rechtsläufige Inschrift
deren Lesung umstritten ist (vgl. GR 40). Sprachlich am sinnvollsten erscheint iupin udR rak = jó pin(n) Ud(d)r/Od(d)r rak "Diesen Hengst trieb Udd". An signifikanten Runenformen erscheinen s(c = /a/ und Y = DsJ wie auf Eggjum und Strand; iu statt *io (??) spricht gegen das 21-er und für eine Inschrift im 16-er Fujjark. Das Problem liegt in der Binderune mit ihrer einmaligen Form. Als Grundlage der Figur haben wir eine Rune, die oben als gelesen wurde (somit ins Ältere Fumarie gehören würde), von der Form her aber eher ein zu sein scheint, wie es bis ins 9. Jhd. hinein im Jüngeren FuJjark verwendet wurde. Y = /R/ zeigt hier die Beistäbe oben wie im Älteren FuJjark vor 600, aber dies ergibt sich aus dem Aufbau der Runenfigur, die von unten nach oben zu lesen ist und rein graphisch keine andere Möglichkeit ließ25. Wenn man in der Figur eine mRune liest, kann man das Sparlösa/Helnaes-Fujiark (vgl. unten) ansetzen, bei liegt das Ältere FuJjark näher. Aber zum einen haben wir eine M-Rune noch auf Rök (um 800) im Jüngeren FuJjark und noch auf der Felsritzung von Ingelstad (um 850). Die Rune war also auch zur Zeit des Jüngeren Fufiark einigen Runenmeistern bekannt. Aus einer Schreibung *utR, wie sie im 16-er Fujsark zu erwarten wäre, ließe sich aber eine dreifache Binderune mit eindeutiger Leserichtung rein graphisch nicht aufbauen (allenfalls tuR), so daß durchaus denkbar ist, daß der Runenmeister von Roes zu diesem Zweck auf eine ihm bekannte, eigentlich veraltete Rune zurückgriff. Ich möchte die Inschrift deshalb mit der nötigen Vorsicht in die 1. Hälfte des 8. Jhds., etwa gleichzeitig mit dem Schädelknochen von Ribe, zuordnen. Der Stein von Sölvesborg (Blekinge) wird von Krause/Jankuhn 1966:220 in die 2. Hälfte des 8. Jhds. gesetzt, von DR Sp. 400 in die Periode 2.1, d.h. in die Zeit um 800, Moltke 1985a: 157: "Estimated date c. 750-800.". Die stark beschädigte Inschrift lautet nach DR: urti wapi (aft) asmut sunusin
Π statt loi könnte natürlich auch rein graphisch bedingt sein, doch dagegen spricht iu.
Die Inschriften der Übergangszeit
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"Wate machte/schrieb nach Asmund, seinem Sohn". In asmut haben wir jedenfalls schon f für /d/, das /w/ im Anlaut von urti ist geschwunden26; das einzige, was gegen eine Zuordnung zum 16-er Fufarle spricht, ist die w-Rune im Namen wapi. Gerade diese Partie des Steines ist aber stark beschädigt, nur der obere Teil der Rune ist erhalten, und die Argumentation in DR Sp. 400 (gegen v. Friesen 1924:103), für eine b-Rune reiche der Platz nicht aus, ist nicht überzeugend. Der Stein ist jedenfalls kein eindeutiger Beleg für die Annahme, die Reduzierung des 24-er Fujparks sei erst in der 2. Hälfte des 8. Jhds. erfolgt. Wie bei Roes ist ungewiß, welche Rune der Runenmeister ritzen wollte, und wie dort könnte eine ältere Runenform zusätzlich zum Sparlösa/Helnaes-Fufark Verwendung gefunden haben. Ich datiere den Stein auf spätestens 750. Von Skabersjö - falls die Inschrift gleichzeitig mit der Spange ist - abgesehen, könnte rein theoretisch dennoch allen diesen Inschriften sowohl ein 21-er als auch ein 16-er FuJjark zugrunde liegen; die Inschrift der Spange von Âlborg (kutis oder futis) zeigt weder eine für das Jüngere Fufark charakteristische Runenform, noch kann sie eindeutig dem längeren oder kürzerem Schriftsystem zugewiesen werden. Die Perle von Lousgárd (shilta) zeigt bei dieser Lesung die für das 16-er FuJ>ark des 10. Jhds. charakteristische Form Jf, ebenso wie der Stein von Rävsal, doch könnte diese Runenform noch innerhalb des 21-er Fufarks entwickelt worden sein. Gegen eine Herausbildung des Jüngeren Fufarks um oder gar nach 800 sprechen aber ganz allgemeine alphabethistorische Gesetze und Überlegungen: wenn man die Gesamtentwicklung von ca. 550 bis ca. 850 betrachtet, so ergibt sich folgendes Bild: 550 - 650 Veränderung einzelner Runenformen: < >Y >r
>H >* Υ >λ 650 - 700 Für lai steht * oder f; Runenzusammenfall: γ - /g/, | = /e/, î = /d/ 700 - 720 Verkürzung der Runenreihe Herausbildung der dänischen Normalrunen Herausbildung der Kurzzweigrunen 720 - 850 Jüngeres Fujiark mit Kurzzweigrunen voll entwickelt und in Dänemark bekannt Wir haben also um 850 (Hedeby), vermutlich schon kurz nach 800 (Rök) das 16-er Fumarie der Kurzzweigrunen voll ausgebildet; für dieses können verschie26
Frühester Beleg für diesen Lautwandel auf dem Stein von By ca. 525.
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Die Entstehung des Jüngeren Fufarles
dene Entwicklungsetappen angesetzt werden, die relativ kurz aufeinander gefolgt sein können, aber dennoch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Wir haben ferner in Dänemark Inschriften in einer anderen Variante eines 16-er oder 21-er FuJjarks (das nur 16 Zeichen verwendet??), aus dessen Runenformen sich die der Kurzzweigrunen organisch entwickeln lassen. Der Schädelknochen von Ribe zeigt jedenfalls um 720 dieses Fujiark, das in Dänemark im 9. Jhd. neben den Kurzzweigrunen oder mit einzelnen Varianten der Kurzzweigrunen verwendet wird. Da beide Runenreihen die gleichen Zusammenfalle von z.B. , , zeigen, kann man wohl ausschließen, daß es sich beim dänischen Fu|>ark und dem der Kurzzweigrunen um zwei parallele, voneinander unabhängige Schriftreformen handelt. Beiden Reihen liegt ein ursprünglich (mehr oder weniger) einheitliches 16-er Fujjark zugrunde, das dann verschiedenen Veränderungen unterworfen ist. Alle Voraussetzungen sind in der 2. Hälfte des 7. Jhds./um 700 gegeben, die Orthographien dieser Inschriften zeigen bereits klare Ansätze für die nach der Reform geltenden Konventionen (so steht auf Eggjum und Strand bereits Y für /g/, auf Roes Π für Ιοί). Ich nehme deshalb an, daß die Reduktion des 21-er FuJjarks und das heißt die Entstehung des Jüngeren Fu^ark mit 16 Runen in der 2. Hälfte des 7. Jhds. erfolgt ist (oder: kurz vor 700), und dann weitere Veränderungen eintraten, die lediglich bereits inhärente Tendenzen fortführten. Die Entwicklung wird wohl wie folgt verlaufen sein:
650: 700:
r η • m* r χ ^ *r η • u t r
Ν Ή * λ * ΐ & Μ Μ Γ Η λ ν
* ι * à
; τ &
m r
Die große Reform bestand also darin, 5 Runen nicht mehr zu verwenden, und bisher verschieden bezeichnete Laute mit der gleichen Rune wiederzugeben. Betroffen sind davon zwei Konsonanten /d, g/, zwei Vokale /e, o/ und der Halbvokal /w/. In jeder Gruppe waren lediglich bereits angelegte Tendenzen konsequent weiterzuführen, um zur Reduktion zu gelangen: Bei den Konsonanten schrieb man schon lange für /b, p/ R (Björketorp: sba), also lag es nahe, auch /d, t/ und /g, k/ mit jeweils nur einer Rune zu schreiben. Die Runen Y und Î , die statt X und M gewählt werden, lassen sich mühelos aus der vorher und nachher bestehenden Tendenz zu einem einfachen und senkrechten Hauptstab begründen, die z.B. die formale Entwicklung der k-Rune < > Y > Y belegt, später dann etwa M > T» t)· Daß auch eine phonologische Analyse bzw. Reanalyse zu diesem Ergebnis beigetragen haben könnte, will ich nicht ausschließen; denn es sind ja gerade die Verschlußlaute, die betroffen sind, und nicht etwa die sich gleichfalls als Kandidaten für eine Reduktion anbietenden r-Laute (R ,U oder a-Laute (f* 5|c). Für die Ersetzung von f> durch Π gibt es ebenfalls zwei Ansatzpunkte: zum einen die phonologische Analogie zu | = /i, j/, zum anderen die lautgesetzliche
Die Inschriften der Übergangszeit
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Entwicklung des Runennamens *wunjo > *unju. Daß das akrophone Prinzip die Laut-Zeichen-Relation beeinflussen kann, beweisen die Entwicklungen bei der yara-Rune > >|c = lai, die schon ein Jahrhundert vor der Entstehung des Jüngeren FuJ>ark eintrat (Setre, Tveito, Blekinger Steine etc.). Ebenso kann schon weit vor der Schriftreform Γί ^ ersetzen (uim, uuilald auf Väsby und Äskatorp), oder die Gruppe für /w/ stehen (Eggja: huwaR, suwimade). Ein weiterer (indirekter) Beleg könnte sich auf Rök zeigen, wo die Geheimschriftpartie zwar eine w-Rune belegt, diese aber für /u/ steht, also den Laut, mit dem der Name der Rune beginnt. Das Ausscheiden der w-Rune war vielleicht der früheste Teil der Reform, der Ausgangspunkt des oder der Runenmeister, der/die das Jüngere Fujiark entwarf(en). Für die Entwicklung bei den übrigen Vokalgraphemen dürften wohl ebenfalls in erster Linie die Wandlungen bei ihren Runennamen die wichtigste Rolle gespielt haben, wie von Quak und Liest0l dargelegt. Abstrakte Analogien zu den Analysen im Bereich der Verschlußlaute sind nicht auszuschließen. Bei der Wahl der im FuJjark verbleibenden Grapheme war sicher mitentscheidend, daß ff und £ relativ kompliziert in ihren Formen waren, | und Γ) wesentlich einfacher. Für die Bewahrung von zwei Graphemen für r-Laute bzw. α-Laute trotz deren Allophon-Status lassen sich kaum linguistische Argumente anführen; entweder waren ihre Runennamen mit den damit verbundenen Begriffswerten entscheidend, oder es sollte doch die Zahl von 16 Runen erreicht werden. Diese Frage hat bisher keine befriedigende Antwort erfahren. Alles spricht für eine bewußte Reform, die zur Umformung führte; ob sie das Werk eines Einzelnen oder einer "Komission" von Runenmeistern war, läßt sich nicht entscheiden. Irgendwelche Kommunikationsprozesse über das Schriftsystem müssen aber stattgefunden haben, anders ist die völlige Durchsetzung der Neuerung innerhalb relativ kurzer Zeit kaum vorstellbar. Auch der Ort, an dem die Reform stattfand, muß offen bleiben; akzeptiert man die frühe archäologische Datierung einiger gotländischer Bildsteine mit Runeninschriften in Kurzzweigrunen (vgl. unten 6.1.4), so muß mit ziemlicher Sicherheit Gotland als Ausgangspunkt der Kurzzweigrunen gelten. Aber es gibt Gründe, diese Datierungen in Frage zu stellen. Für die ursprüngliche Reform kommt als Ort praktisch die ganze Skandinavia in Frage, die Inschriften kommen aus S0rTr0ndelag, Bornholm, Nord- und Süd-Jütland, Bohuslän, zwei aus Gotland, Skáne und Blekinge. Daraus läßt sich nichts ablesen. Das Ergebnis sollte jedenfalls ein einheitliches, gemeinnordisches Jüngeres Fu|>ark gewesen sein, vermutlich kam es den Formen sehr nahe, die die dänischen Inschriften aus der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode zeigen. Es enthielt noch einzelne Runen mit zwei Hauptstäben ( M N X unc * es bildete die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen der Runenreihe, wie die Ausbildung der Kurzzweigrunen oder der dänischen Normalrunen. Diese gemeinnordische Runenreihe könnte zunächst noch eine gewisse Zeit die Reihenfolge des Älteren Fujiark bewahrt haben, bevor die R-Rune an das Ende des dritten œtts gestellt wurde, aber
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Die Entstehung des Jüngeren Fu{>arks
diese Umstellung kann auch unmittelbar im Zusammenhang mit der Reform erfolgt sein. Als Zeitpunkt für die Reform erscheint mir ca. 700 plus/minus (eher minus) ein oder zwei Jahrzehnte als vertretbar. Der nächste Schritt war dann in der ersten Hälfte des 8. Jhds. eine weitere Reform, in der das System der Kurzzweigrunen entwickelt wurde, ihr Hauptmotiv war die Vereinfachung der noch vorhandenen komplizierteren Runenzeichen, daneben das Streben nach einer gewissen Symmetrie oder Systematik in den Runenformen. Wie ich mir den Wandel im Einzelnen vorstelle, ist in 6.1.5 dargelegt. Es entsteht dabei eine Art Runen-"Stenographie" (die später in den Hälsinge-Runen zu ihrem Extrem geführt wird), die aber den Nachteil hatte, relativ leserunfreundlich zu sein. Dieses System der Kurzzweigrunen wird in Mittelschweden, vielleicht in Gotaland, entwickelt worden sein; es verbreitet sich relativ schnell nach Norwegen (?) und nach Dänemark, wie die Holzinschriften aus Hedeby beweisen. Dort existierten beide Runenreihen über einen längeren Zeitraum, mindestens über 100 Jahre, nebeneinander her, bevor in einer dritten Reform, die die Inschriften von Malt und G0rlev 1 dokumentieren, eine Art Kompromiß-Fufiark entwickelt wurde. In ihm weisen alle Zeichen nur noch einen Hauptstab auf, sind aber wesentlich leserfreundlicher als die Kurzzweigrunen. Diese dänischen "Normalrunen" traten dann ihren Siegeszug in ganz Skandinavien an, es kam aber auch während der folgenden Jahrhunderte immer wieder zu Verbesserungen, zu Reformen, die beweisen, daß sich die Runenbenutzer intensiv mit ihrem Schriftsystem auseinandersetzten, daß ihnen gewisse Unzulänglichkeiten bewußt waren, und daß man nach Abhilfe suchte. Die erste Reform um 700, die die Zeichenzahl auf 16 reduzierte, war also nicht mehr und nicht weniger als der Beginn eines langen Prozesses, der sich über ein halbes Jahrtausend fortsetzen sollte, bis die Lateinschrift die Runen endgültig verdrängte.
Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900 6.0 Vorbemerkungen Wenn die Entwicklung vom Älteren zum Jüngeren FuJjark in etwa wie in Kapitel 4 dargestellt abgelaufen ist, dann können wir für den Zeitraum des 8. und 9. Jhds. folgende weitere Schritte postulieren: Zunächst erfolgte um 700 die Reduktion von 21 zu 16 Runen, im Zusammenhang damit oder auch erst später die Umstellung der Rune ^ an das Ende der neuen Runenreihe. In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts wurden aus diesem Prototyp, der v.a. in Dänemark Verwendung fand, vermutlich in Schweden durch weitere Vereinfachungen die Kurzzweigrunen entwickelt, die sich im 9. Jhd. ausbreiten und u.a. auch in Dänemark bekannt werden. Gegen Ende des 9. oder Anfang des 10. Jhds. kommt es dann in Dänemark zu einer Reform, aus der das FuJ>ark etwa des Steins von G0rlev 1 resultiert, das dann im 10. Jhd. jedenfalls in Dänemark ausschließlich verwendet wird. Die folgenden Kapitel behandeln die Inschriften, die mit einiger Wahrscheinlichkeit diesem Zeitraum der Etablierung des Jüngeren FuJ>ark zugewiesen werden können; das Hauptproblem, das sich dabei stellt, ist das weitgehende Fehlen von archäologisch sicher datierbaren Inschriftenträgern, die wie für die späturnordische Zeit wenigstens ein Gerüst für die Einordnung bereitstellen könnten.
6.1 Die archäologisch datierbaren Inschriften 6.1.1 Das Kupferblech von Hallbjäns, ca. 700 Gustavson/Brink 1981 publizierten einen Neufund aus dem Jahre 1980, dem von seiner Inschrift und der zeitlichen Einordnung her größte Bedeutung zukommt. Es handelt sich dabei um ein 41,3 mm langes und 10,4 mm breites Kupferblech, das aus einer Grabung von 1965 stammt, gefunden wurde es in einem Grab bei Hallbjäns, Sundre sn. auf Gotland zusammen mit anderem vendelzeitlichen Material. Der Fund ist m.W. bisher nicht publiziert, so daß ich auf die Angabe in Gustavson/Brink 1981:186 "en preliminar datering till omkring 700" vertrauen muß. Die Inschrift ist eindeutig im Jüngeren FuJjark geschrieben und besteht aus zwei Teilen, die mit einem scharfen Messer oder einem anderen spitzen Gegenstand gegenläufig und gewendet auf dem Blech angebracht wurden. Gustavson/Brink 1981 lesen sie als |)|\hl\R|)|\kl\H t>unurj»urus (im Folgenden als
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Teil 1 bezeichnet) und als | M ^ T R H T — h a t r n - (im Folgenden Teil 2). Im Teil 1 sind die Runen 2-5 unterschiedlich stark beschädigt, stark beeinträchtigt ist aber nur die dritte Rune; Teil 2 beginnt mit drei schwach erkennbaren senkrechten Strichen ohne irgendeine Spur von Beistäben, in der vorletzten Rune erreicht der Beistab nicht ganz den Hauptstab, so daß Gustavson/Brink 1981 nicht zwischen der Lesung lk oder im entscheiden wollen, sie erwägen sogar eine Möglichkeit als iR mit der Rune Y des Älteren Fu^ark vor 600; letzteres halte ich in Anbetracht des Zeitansatzes des Blechs für auszuschließen. Für Teil 1 rechnen sie für JjunurJjurus mit einem oder zwei Wörtern, der zweite Bestandteil dürfte das auch sonst runenschwedisch belegte (Sigtuna-Blech, ein unpubliziertes Runenblech von Öland) Wort |»urs "Riese" sein, und sie bemerken dazu: "Det förutsätter dock, att listaren felaktigt har tillfogat en u-rana efter r-runan. Ett sâdant ristningsfel i form av en 'överflödig' runa är inte ovanligt och torde i en del fall âterspegla en inskottsvokal, som kan ha uppstâtt vid en pregnant uttal, när listaren gjorde sin ljudanalys i själva ristningssituationen. Denna typ av vokalinskott uppträder företrädesvis i förbindelsen av en uddljudande konsonant och en sonantisk konsonant som r. Den tecknas ofta med runan u eller o." (Gustavson/Brink 1981:189). Wir hätten also einen sporadisch auftretenden Svarabhakti anzunehmen, der aber interessanterweise mit der u-Rune geschrieben wäre (vielleicht unter dem Einfluß des Stammsilbenvokals). Schwieriger liegt der Fall mit dem davorstehenden Jmnur: Gustavson/Brink 1981 erwägen die Möglichkeit des Anschlusses an aengl. punor, ahd. Donar, also den Namen des Gottes Thor, was semantisch im Kontext mit Riesen gut passen würde, oder daß es sich um eine Form des Adjektivs punnr "dünn", vgl. nschwed. tunn handeln könnte: "Det kan dà tänkas, att fmnur har bildats med ett ordbildningssuffix r, som t.ex. i orden fjäder och diger eller som i fjätter, och haft en konkret, saklig betydelse eller betecknat en egenskap hos tursen. Det skulle dà kunna preciserà vad slags demon (sjukdom) som besvärjelsen riktas mot. Nâgot förslag om hur ordet närmere skall kunna sakligt förklaras utifrán denna etymologi kan jag inte ge." (Gustavson/Brink 1981:190). Wenn dieser Ansatz richtig ist - und er liegt näher als mit westgerm. Etymologien zu operieren -, dann hätte man wohl auch in diesem Wort in der Endsilbe einen Svarabhakti anzunehmen, trotz der Bedenken bei Gustavson/Brink 1981: 189: "är mindre tilltalande frân ordbildningssynpunkt."; und auch hier wäre er mit der u-Rune geschrieben. Es würde dann ein Parallelfall vorliegen zu der ungefähr gleichzeitigen Schreibung ulfuR auf dem Schädelknochen von Ribe (vgl. unten 6.1.3). Störend bliebe allerdings die Tatsache, daß hier auf Hallbjäns die r-Rune statt zu erwartendem R steht. Mit Teil 2 ist noch weniger anzufangen: bei den drei einleitenden senkrechten Strichen könnte es sich um drei Begriffsrunen (iss mit magischer Funktion) handeln (Gustavson/Brink 1981:190) oder um bedeutungslose Zeichen; für hatr er-
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wägen sie die Bedeutung "Haß", trotz der relativ eindeutigen ansuR-Rune, die eigentlich für nasales /a/ stehen sollte. In den letzten drei Runen dann die Folge nim als Imp.-Form zu nema "nehmen, wegnehmen" zu lesen halte ich für ausgeschlossen (Gustavson/Brink 1981: 191 bezeichnen sie selbst als "en nâgot oförvägen hypotes"). Wenn auch Vieles an der Inschrift auf dem Blech von Hallbjäns noch unsicher ist (und vielleicht bleiben wird), so stellt sie dennoch - wenn die Datierung nicht doch noch revidiert werden muß - unseren vielleicht frühesten Beleg für einen Text im Jüngeren FuJjark dar. Wenn sie wirklich auf 700 datiert, dann wäre die Zeitspanne zwischen Eggja (um 650) und dem Jüngeren FuJjark auf 50 Jahre geschrumpft. Wenn die etwas unsichere dritte Rune im Teil 1 und die n-Rune im Teil 2 nicht zufällig nur einseitige Beistäbe haben, dann müßte man sogar die Entstehung der Kurzzweigrunen schon vor 700 annehmen und einen Einfluß auf die Inschrift des Kupferbleches vermuten; für s steht jedenfalls eindeutig die Form der "Normalrunen", wohl auch für a. Die Runenreform, in der die Zahl der Zeichen auf 16 verringert wurde, muß also relativ kurz nach Eggja erfolgt sein, die weitere Reduktion der Zeichenformen zu den Kurzzweigrunen kann sich nicht lange danach abgespielt haben. Beide Vorgänge liegen damit wohl in der 2. Hälfte des 7. Jhds. Die Interpretation des Textes von Hallbjäns bietet die genannten Schwierigkeiten; aber es kann wohl als gesichert gelten, daß in der Folge Jmrus ein Svarabhakti anzunehmen ist, geschrieben mit der u-Rune, was bei der Beurteilung anderer Inschriften von Bedeutung sein könnte.
6.1.2 Die Spange von Skabersjö Die Inschrift auf der Spange von Skabersjö wurde oben bereits unter 3.2 behandelt; als Datum für den Schmuck kann mit der üblichen Marge ca. 720 angesetzt werden, aber es ist strittig, ob die Runeninschrift auf ihr etwa gleichzeitig angebracht wurde (so Nielsen, Nerman) oder erst wesentlich später (so Moltke, DR). Im ersteren Fall hätten wir den frühesten Beleg für die Form der a-Rune als Jf, und eine der frühesten Inschriften, die eindeutig im Jüngeren Fu|>ark geschrieben wurde, bei späterer Anbringung ist eine genaue Datierung des Textes nicht möglich. Ich tendiere zur ersten der beiden Alternativen, weil sie durch die Inschrift der Perle von Lousgârd (vgl. oben 3.2.4), durch Ribe (vgl. unten 6.1.3) und durch Hallbjäns gestützt wird, und weil sich dann ein schlüssiges Bild von der Formentwicklung der a-Rune entwerfen läßt (vgl. oben 4.1); dennoch kann sie wegen der vorgebrachten Bedenken nicht als völlig gesichert beurteilt werden.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
6.1.3 Der Schädelknochen von Ribe Der Schädelknochen von Ribe, bei Moltke 1985a noch auf ca. 800 oder etwas früher datiert, wird nach neuesten Erkenntnissen auf ca. 720-30 anzusetzen sein1. Er hat ein von der Innenseite her geschlagenes kreisrundes Loch, was gegen Trepanation (so Kabell 1977), sondern eher dafür spricht, daß das Knochenstück an einem Band am Körper getragen wurde (so Moltke 1985a), aller Wahrscheinlichkeit nach als Amulett fungierte (Nielsen 1983). Die Runeninschrift, die nach dem Loch rings herum angebracht wurde, bestätigt diesen Eindruck. Auf dem 1973 gefundenen Schädelknochen stehen am Anfang der Inschrift drei Namen, die in normalisierter Form als Ulfúrr (so Nielsen 1983, UlfuR Kabell 1977) auk Opinn auk Hotyr (Kabell: HoddjóR) translitteriert werden können. Ich bin auf sie bereits oben (im Exkurs zur Synkope) eingegangen und habe dafür argumentiert, in ulfuR den frühen Beleg eines Sproßvokals vor der Flexionsendung -r zu sehen. Nielsen und Kabell wollen ulfurr als einen Odinsname interpretieren, Kabell auch den dritte Name der Inschrift als hoddjóR: "Die Verwendung von jór als zweites Namensglied ist aber ein Novum der Inschrift, die schon hierdurch ihren unsicheren Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit markiert." (1977: 42). Der Vorschlag von Nielsen 1983:54, hutiuR als HotyR, "den h0je gud" zu verstehen, überzeugt mich mehr als Kabells Deutung; dieser geht in seiner Gesamtinterpretation der Inschrift davon aus, daß die Orthographie schwedischen Einfluß zeigt, was ich in Anbetracht der Datierung des Schädelfragments für wenig wahrscheinlich halte; auch eine "diffuse Einwirkung des Christentums" und ein "unsicherer Umgang mit Elementen aus einer geschwundenen Zeit" ist in Anbetracht der zeitlich späteren Skaldendichtung (und wohl auch der meisten Edda-Lieder) eine höchst problematische Annahme. Bis auf eine Rune, deren Interpretation aber entscheidende Bedeutung zukommt, ist die Lesung eindeutig:
nrrn^*nrnHi4nrNrmiu 'Ni*r&&nius ' η ι ι α •*ΙΜ*ΠΙ*Ι*Ν * n r n m m \ ?[Loch]^NNK Die Inschrift, die eindeutig (fraglich ist nur die fünftletzte Rune unmittelbar vor der Perforation) im Jüngeren FuJ>ark geschrieben sein sollte, paßt von ihren Runenformen her völlig in das System der ältesten dänischen Steininschriften vom Typ Helnaes-G0rlev mit M = , H = und 5|c für orales /a/; Einwände gegen diese Auffassung wurden nur von Moltke 1973 und 1985:151ff vorgebracht, der X = liest, also eine charakteristische Runenform des Älteren Fu)?ark. DageMoltke 1985a:347: "judging by the stratigraphy, certainly not later than ca. 800."; Nach mündlicher Auskunft von Marie Stoklund spricht viel für eine Datierung des Schädelknochens auf ca. 720; auf dem 1. Symposion on Frisian Runes and neighbouring Traditions, 26.-29. Januar 1994 in Leeuwarden präzisierte sie diesen Ansatz aufgrund dendrochronologischer Ergebnisse auf die Zeit 719-730.
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gen argumentiert Nielsen 1983:53 dafür, daß hier vom Runenschreiber ein intendiert war, da auch andere u-Runen der Inschrift den Beistab über den Hauptstab kreuzen lassen. Nielsen interpretiert die Inschrift als Ulfurr auk Opinn auk Hotyr hjalp Buri is wiör pœima wœrki auk dwœrggunju - Bur "Ulvur og Odin og H0jtyr er hjaelp for Bur mod disse (ting): smerte og dvaergeslag - Bur (= der Verfasser der Inschrift)". Auf dem 1. Symposion on Frisian Runes and neighbouring Traditions, 26.-29. Januar 1994 in Leeuwarden brachte Stoklund die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Inschrift zum Vortrag; sie liest die fragliche Rune als η und kommt damit zu dem Text UlfuR auk Oöinn auk //o-tiuR. Hjalp Buri es widr pœima vœrki. Auk dwerg unninn. Bóur(r). "UlfuR and Odinn and High-tiuR! Help is buri (or for/through buri) against this pain. And the dwarf conquered. Bourr." Diesen Vorschlag halte ich für sehr überzeugend, es spricht wohl nichts gegen diese neue Lesung, und der Text bekommt dadurch einen wesentlich besseren Sinn. Allenfalls könnte man sich an der Syntax des Satzes Auk dwerg unninn stören, und an der fehlenden Nom.-Endung: ich würde deshalb vorschlagen, anders zu segmentieren, und zwar wie folgt: Hjálp Buri es wiör pœima vœrki auk dwerg(i). Unninn Buur. "Hilfe ist Buri gegen diesen Schmerz und den Zwerg. Besiegt ist Buur." Auch bei diesem Vorschlag würde die Dat.Endung in dwerg(i) fehlen, aber die Syntax wäre damit einwandfrei. Der abschliessende Satz hätte die normale Struktur der Kapitel-Überschriften in der späteren handschriftlichen Überlieferung (etwa Unninn Rómaborg neben dem Typus Afdauöi Haralds konungs), was als Fazit des vorangehenden Textes gut passen würde. In buri könnte man einen Beinamen Odins sehen, buur wäre als Bóurr oder Bóvurr wohl am ehesten als Zwergenname (wie Bávurr, Bívurr) aufzufassen, also der zuvor genannte Gegner, den das Amulett mit göttlicher Hilfe bekämpfen soll. Schließlich wäre es auch durchaus möglich, die Folge f>AiMAuiArki als pœim(a) áverki aufzufassen, also als "Gegen diese Wunde/ Körperverletzung", was vom Sinn her vielleicht noch besser passen würde als "Schmerz", wenn man die Aussage auf das Loch in dem Schädelknochen beziehen dürfte. Damit ergäbe sich ein einheitlicher Sinn dieser eindeutig heidnischen Inschrift. Es fällt auf, daß der Schreiber ganz offensichtlich die w-Rune |> nicht mehr verwendet und statt ihrer schreibt, was zum Befund des Röksteines paßt, der ^ zwar schreibt, aber für /u/. Dies ist ein wichtiger Hinweis auch in Hinblick auf die angeblichen w-Runen auf Sölvesborg, Rävsal und Hoga (vgl. unten). Wenn man die archäologische Datierung des Knochens akzeptiert, dann hätten wir hier wie vielleicht auf Skabersjö und dem Kupferblech von Hallbjäns einen der frühesten Beleg für das ausgebildete Jüngere FuJ>ark in der von von Friesen postulierten gemeinnordischen Form, der Zeitraum fìir die Umformung, die Schreibreform wäre also auf die zweite Hälfte des 7. Jhds. einzuengen.
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6.1.4 Hangvar, Lokrume, Olleifs: ca. 750?, Tjängvide 9. Jhd.? Drei Inschriften in Kurzzweigrunen finden sich auf gotländischen Bildsteinen, die aufgrund ihrer ornamentalen Ausschmückung stilhistorisch datiert werden können. Alle bis zum Erscheinungsjahr bekannten Bildsteine sind behandelt bei Lindquist 1941, der noch heute maßgeblichen Ausgabe, wo fünf typologisch unterschiedene Gruppen angesetzt werden. Am Anfang der Entwicklung stehen die Bildsteine der Gruppe A, deren Ornamentik im Zusammenhang steht mit dem sog. Sösdala- und dem Sjörup-Stil, was für eine Datierung dieser Bildsteine ins 5. Jhd. spricht, die ältesten von ihnen auf den Beginn des Jhds. Sie tragen bis auf den höchst problematischen Martebo-Stein, zu dem es keine überzeugende Lesung gibt, keine Runeninschriften. Während die Steine der Gruppe A reiche, untereinander stark variierende Bortenmuster zeigen, erscheinen diese bei der folgenden Gruppe Β reduziert und sehr viel stärker standardisiert; ihre Zahl ist geringer als die der Gruppe A, auf den wenigen etwas reicher ornamentierten findet sich Tierornamentik, die Salins Stil II entsprechen könnte. Lindquist datiert deshalb die Gruppe Β ins 6. und 7. Jhd. Die folgende Periode C umfaßt das 8. Jhd., mit einer Blütezeit in der ersten Hälfte des Jahrhunderts: sie bietet wiederum eine große Zahl von Steinen auf stilistisch hohen Niveau. Die gleichzeitigen Grabfunde auf Gotland zeigen, "daß die Zeit um das Jahr 700 von materiellem Reichtum, der u.a. in ungewöhnlichem Grabluxus Ausdruck gefunden hat, gekennzeichnet wurde. Es liegt nahe, gerade da mit einer Renaissance des gotländischen Bildsteingebrauches zu rechnen." (Lindquist 1941:118). Sechs dieser Bildsteine zeigen eine Runeninschrift, darunter die drei von Hangvar, Lokrume und Olleifs; bei zwei weiteren, Hangvar ΙΠ und Hejnum, sind nur Reste der Inschrift bewahrt, doch sprechen die erhaltenen Spuren nach Johnsen 1968:80 dafür, daß es sich auch hier um Kurzzweigrunen gehandelt haben sollte. In die Periode D rechnet Lindquist 8 Großsteine, darunter die Monumente der Tjängvidegruppe wie den berühmten Stein von Ardre VIH nur einer davon (Tjängvide i Alskog) hat eine Inschrift in Kurzzweigrunen. Die Bilder und Bortenmuster scheinen eine Weiterentwicklung der in die Periode C zu rechnenden Lärbrogruppe zu sein, weshalb Lindquist Periode D in der Mitte des 8. Jhds. beginnen läßt: "Von den Ausgangspunkten, die die Archäologie liefert, ergibt sich also die Mitte oder spätere Hälfte des 8. Jahrhunderts als die wahrscheinlichste Zeit der Entstehung der Tjängvidegruppe. - Inwiefern dieser Schlußfolgerung, der ich keinen bindenden Charakter zuzuerteilen wage, größerer oder geringerer Wert als der Datierung, die eventuell durch ein Studium der Runenschrift auf dem Tjängvidestein zu erreichen ist, zugemessen werden darf, lasse ich dahingestellt. Ich will indessen nicht verhehlen, dass die Runenkundigen den Stein am liebsten in das 9. Jahrhundert ansetzen möchten. Jedoch ist dies ja nicht das erste Mal, dass die archäologischen Datierungen frühzeitiger sind als die der Sprachforscher." (Lindquist 1941:121).
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Hier ist das Problem angesprochen, auf das gleich noch ausfuhrlicher eingegangen werden muß. Wann die Periode D endet, läßt sich aufgrund der geringen Zahl an Steinen nicht näher angeben, möglicherweise gehören alle in die 2. Hälfte des 8. Jhds., Lindquist hält es aber auch für möglich, daß sie ins 9. oder sogar 10. Jhd. hineinreicht, einige der Steine der Periode C könnten auch während D entstanden sein, wenn man annimmt, daß Motive aus C während D weiterhin kopiert und so geringfügig abgewandelt wurden, "daß für uns keine Möglichkeit besteht, sie voneinander zu unterscheiden." (Lindquist 1941:122). Relativ sicher ist dann erst wieder die Datierung der abschließenden Gruppe E, die eine Synthese aus älteren Bildmotiven und dem im 11. Jhd. in ganz Skandinavien verbreiteten Runensteinstil bietet. Dazu passen auch die Runenformen der 25 Steine, die eine Inschrift bieten: Sie zeigen zum größten Teil die im 10. Jhd. in Dänemark entstandenen "Normalrunen", oder die am Ende des Jhds. daraus weiterentwickelten punktierten Runen, nur selten erscheinen vereinzelte Typen der Kurzzweigrunen. Der Zeitansatz für die Gruppe E ins 11. Jhd. erscheint also auch von runologischer Seite überzeugend, problematisch ist dagegen der Ansatz der vier Steine mit Kurzzweigrunen-Inschriften ins 8. Jhd. (Hangvar, Lokrume und Olleifs) bzw. ins 8.-10. Jhd. (Tjängvide). Wenn nämlich dieser rein stilhistorisch motivierte Ansatz stimmen würde, so hätten wir in der Zeit um 750 auf Gotland mit der voll entwickelten Runenreihe der Kurzzweigrunen zu rechnen, ungefähr 50 Jahre vor Sparlösa und Rök, und etwa gleichzeitig mit den dän. Inschriften auf Skabersjö und Ribe. Nerman 1947 und Holmqvist 1955 gehen sogar noch weiter und sprechen sich für die ungefähre Gleichzeitigkeit der Bildsteine aus Lindquists Perioden C und D mit dem Eggjumstein und der Spange von Strand aus, d.h. die Bildsteine wären in den Zeitraum ca. 650-700 zu datieren. Das hätte dann als Konsequenz, daß - unter der Annahme von Gleichzeitigkeit von Dekor und Inschrift - die Kurzzweigrunen auf Gotland entstanden sein müßten, daß die Reduktion zum Jüngeren Fujsark hier zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, zu dem die Inschriften im übrigen Skandinavien noch die ältere 21-typige Reihe verwendeten. Das oben in Kapitel 5.2 vorgeschlagene Modell des Übergangs vom Älteren zum Jüngeren Fu])ark wäre dann stark zu modifizieren, ebenso die Vorstellungen der Entwicklungen innerhalb der Kurzzweigrunen. Als Ausweg bietet sich an, die Gleichzeitigkeit von Dekor und Inschriften in Frage zu stellen: "Men nettopp denne samtidighet av bilder og runer er meget usikker. Riktignok kan det ikke vsere tvil om at de linjer som idag bœrer innskrift pà stenene fra perioden Ç er bygget inn som del av dekoren. De er anbragt som bänd tvers over stenen med selvstendige dekorative feit i mellomrummene. Det fremgâr av selve stenflaten at disse bândene ikke kan ha hatt annen ristet dekor, de mâtte i sâ fall ha vaert sterkere nedslitt enn feltene imellom og ligget noe lavere enn disse, og det gj0r de ikke. Derimot kan vi ikke se bort fra den mulighet, at bândene opprinnelig kan ha vaert forsynt med malt dekor eller malt innskrift. Slik maling ville bli slitt av i l0pet av et par mannsaldre, og stenen kan ha fâtt sin nâvaerende innskrift senere. Dette er en mulighet som mâ tas i
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betraktning, innskriftene kan derfor ikke gì noe bidrag til diskusjonen om stuttrunenes alder og opprinnelse. Ogsâ nâr det gjelder innskriften 4. Tjängvide er det tvilsomt om den er samtidig med bilder og ornamenter. Den lengre innskriften stâr pâ den ene siden av selve midtflaten, hvor skipet er anbragt innenfor en ornamental ramme, og den ser ikke ut til â vaere tenkt sammen med dekoren. Den kan vaere f0ydd inn etter at bilder og randornament var ferdige. Den 0vre del av stenen med begynnelsen av en fujDark-innskrift er sterkt skadd og gir ikke grunnlag for noen slutning. Heller ikke denne stenen kan altsâ gi noen hjelp med tidfestingen av de gotlandske stuttruneinnskrifter. (Johnsen 1968:80f). Johnsen 1968:98 setzt deshalb ungeachtet der archäologischen Datierungsvorschläge aufgrund ihrer Typologie der Kurzzweigrunen die Inschriften von Hangvar und Lokrume auf ca. 900 oder früher an, die von Olleifs und Tjängvide auf ca. 1000 oder früher. Auch wenn wir vermutlich wirklich mit aufgemalten Runeninschriften zumindest als Möglichkeit rechnen dürfen, und auch wenn es tatsächlich sichere Belege für das nachträgliche Umfunktionieren von älteren Steinen als Träger jüngerer Inschriften gibt (etwa auf dem Alstad-Stein, auf Sparlösa öder auf dem Stein von Skääng), so erweckt ihre Argumentation doch etwas den Eindruck, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Typologie der Runenformen bietet gleichfalls keine sichere Evidenz, da beispielsweise eine der jüngsten Inschriften in Kurzzweigrunen, der Ring von Forsa von ca. 1100 (Wessén 1969:21), Runen des ältesten Typs A zeigt (in der Terminologie von Johnsen 1968). Es bleibt als Argument nur der Inhalt der gotländischen Inschriften: Der Bildstein von Olleifs, Alskogs sn., ist heute so stark verwittert, daß auf ihm kaum noch etwas von seiner ursprünglichen Ornamentik zu erkennen ist außer den Resten des großen Schiffes im Mittelteil. Oberhalb des Schiffes steht das Runenband in Höhe der Schmalstelle des Steins, ursprünglich wohl durch Rahmenstriche abgetrennt; nur noch die ersten sechs Runen sind lesbar, ältere Photographien und Lesungen ermöglichen geringfügige Ergänzungen: aft.rua(lta.fapur)... "Nach Hroaldi, (seinem/ihrem) Vater" (Johnsen 1968:112). Sollte die Inschrift damit begonnen haben (was angesichts der zweizeiligen Inschriften auf Hangvar und Lokrume höchst ungewiß ist), würde das vorausgestellte Objekt eher für höheres Alter der Inschrift sprechen, ebenso die Kurzform der Präposition aftir. An charakteristischen Runenformen sind nur \ = und 1 = erkennbar, die auch auf den frühen Inschriften von Sparlösa, Rök (1), Kälvesten (Ί) etc. belegt sind. Das unsichere Fazit: Die Inschrift könnte aus dem 8. oder 9. Jhd. stammen, eventuell aber auch jünger sein. Der Bildstein von Hangvar zeigt zwei horizontale Runenreihen, die jeweils Bildausschnitte abgrenzen; nur etwa die Hälfte der ursprünglich vielleicht ca. 40 Runen ist heute noch lesbar: farulfxx.sunu:xxaxxnxtxbf>aiRrxf>xxxxfxrt>ux rajjruxax
(Johnsen 1968:109).
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Alle erkennbaren Formen der Kurzzweigrunen sind auch auf Sparlösa belegt (M>if»i); ein sinnvoller Text läßt sich nicht rekonstruieren, nur einzelne Wörter sind vielleicht identifizierbar: Am Anfang steht ein auch sonst runenschwedisch belegter Name Farulfli, wegen des folgenden Wortes aber wohl kaum im Nom.Sg.; zwischen Trennpunkten steht die ältere Variante des Akk.Sg. sunu zu sunR, die auch auf dem Rökstein und einigen anderen frühen Steinen im Jüngeren FuJjark belegt ist, und die ich als stilistische/orthographische Variante zu endungslosem sun bewerte. In der Mitte der 1. Zeile läßt sich vielleicht das Pronomen paiR erkennen, der Rest ist zu zerstört. Von der zweiten Zeile sind nur geringe Reste erhalten, die vielleicht zu rap runaR zu ergänzen sind. Auch hier ergibt der fragmentarische Text keine genauere Datierungsgrundlage, allenfalls der Beleg für sunu sollte in die erste Hälfte des 9. Jhds. oder früher weisen (Johnsen 1968: 110: "ikke yngre enn 800-tallet"). Das Bildsteinfragment von Lokrume zeigt im (vermutlich) oberen Bereich gleichfalls zwei horizontale Runenbänder, die Bilddarstellungen abtrennen, unter dem unteren Band ist deutlich der obere Teil des Segels eines großen Schiffes erkennbar. Das obere Runenband ist so verwittert, daß nur noch eine einzelne Rune £ zu identifizieren ist, das untere Band bietet als Text: suniRraixxu:kubluf>xxxxtfaf>urxxku]>uiuafuir (Johnsen 1968:111), was wohl als "(NN + NN + NN, die) Söhne errichteten diesen Grabhügel (für ihren) Vater (und) Guflvi (nach ihrem Mann?)" rekonstruiert werden darf; nach Lindquist 1941:98f las Brate die Runen 6-11 als raispu, was dann als altertümliche Form gelten könnte, aber "Stedet er sä forvitret idag at det vanskelig lar seg avgj0re om r. 10 virkelig er (Johnsen 1968:111). Ob im möglichen Namen kupuiu tatsächlich wie von Johnsen und anderen postuliert ein Beleg für unsynkopiertes -u nach langer Stammsilbe vorliegt, möchte ich sehr in Frage stellen einerseits ist der Kontext hier alles andere als klar, andererseits bieten jüngere Runeninschriften von Gotland mit haluiu (GR Nr. 4) und butuiu (GR Nr. 42) vergleichbare Namensstrukturen. Sie sind wohl ähnlich zu beurteilen wie die von Peterson 1981:1 lOf aufgeführten Belege für Akk.Sg.-Endung -u bei den o-Stämmen wie faslaugu auf Upl 475 oder fastuiu auf Upl 1079, für die wie im Awn. Übertragung der Endung des Dat.Sg. auf den Akk. und eine rein orthographische Praxis "att skilja mans- och kvinnonamn ât med tydliga, genusmarkerande ändelser" (Peterson 1981:111) vorgeschlagen wird. Da die Runenformen genau denen von Hangvar entsprechen, bleibt als Fazit: eine genauere Datierung der Inschrift auf Lokrume ist nicht möglich, sie könnte aus dem 9. Jhd. stammen, aber auch früher oder später sein; 7. Jhd., wie von Nerman 1947 vorgeschlagen, erscheint mir allerdings zu früh. Einen schon äußerlichen Unterschied zu diesen drei Steinen bietet der Bildstein von Tjängvide, Alskog sn., in der Anordnung seiner Inschrift(en). Sie trennen hier nicht einzelne Bildabschnitte ab, sondern stehen an der linken Seite des oberen Bildteils bzw. im unteren Bildteil zwischen Schiff und Randornamentik, verti-
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kal von unten nach oben zu lesen, und sie machen viel stärker als bei den drei bisher behandelten Steinen den Eindruck, nachträglich angebracht worden zu sein. Die Inschrift im oberen Teil zeigt die ersten acht Runen des Fu|>ark, schwache Spuren weiterer Runen sind erkennbar. Die A-Rune } entspricht typologisch der Form der m-Rune \ auf Sparlösa (wo leider nicht belegt ist). Der Text im unteren Bildteil lautet nach Johnsen 1968:113: ... raististaininaftiurulfbrupursin. sikuifartuirkunifil, die letzten zehn Runen sind allerdings stärker verwittert und nicht alle sicher in ihrer Lesung, so daß für sie verschiedene Interpretationen vorgeschlagen wurden. Der erste Teil der Inschrift vor den Trennpunkten ist klar: "... errichtete diesen/den Stein für Jurulf, seinen Bruder", etwas problematisch sind allenfalls die beiden unmittelbar auf stain folgenden Runen; die Folge in kann aufgefaßt werden (1) als Fehlschreibung/Wiederholung der beiden vorangehenden Runen (Wessén 1962 in SR XI); (2) als Folge stain, en, d.h. als Konjunktion "und, aber" (Bugge 1878). Dann müßte man allerdings den Anfang der Inschrift ergänzen zu "(Nach N.N.) errichtete (N.N.) den Stein, aber nach seinem Bruder (...)", was eine höchst ungewöhnliche Syntax darstellen würde und zudem mit dem epigraphischen Befund nicht vereinbar ist; (3) als (h)inn, also als nachgestelltes Demonstrativum statt des üblicheren pina/ pinsi "dieser" (Brate 1891, als Möglichkeit von Wessén 1962 erwähnt). Man müßte dann annehmen, daß h- im Anlaut geschwunden oder nicht geschrieben sei, was in dieser Inschrift vielleicht auch für den Namen iurulf = (H)jçrulf postuliert werden könnte; (4) in in liegt bereits der suffigierte Artikel -inn vor (oder, als Kompromiß zwischen (3) und (4) eine seiner Vorstufen). Der Unterschied zwischen den beiden letzten Möglichkeiten läßt sich darauf reduzieren, welchen Betonungsgrad man für die Inschrift annehmen möchte, also letztendlich auf reiner Spekulation basierende Postulate. M.E. spricht nichts gegen einen frühen Beleg des Artikels oder einer Vorstufe. Das könnte dann aber auf der anderen Seite für die Datierungsfrage relevant sein: In Historischen Grammatiken wie Wessén 1970 oder Noreen 1913 und 51970 finden sich über die Entstehung des suffigierten Artikels nur vage Angaben. Seip 1958: 240 kommt zu dem Ergebnis, daß er vor dem Einsetzen der handschriftlichen Überlieferung anzusetzen ist, aber zur Zeit der ältesten Überlieferung noch "relativ ny" gewesen sei. Als Evidenz nennt er die Runeninschriften, Skaldik und Edda-Lieder und den Artikelgebrauch in den Homilienbüchern und den ältesten Gesetzesaufzeichnungen; andere Quellen stehen nicht zur Verfügung. Seip erwähnt allerdings gerade Tjängvide als runischen Beleg nicht. Die eddischen und skaldischen Fälle, die allerdings wegen der Überlieferungslage (in sehr viel späteren Handschriften) einigermaßen problematisch sind, ergeben folgendes Bild: Der älteste skaldische Beleg bei Kormákr um das Jahr 1000 wurde von Jónsson 1921 zunächst als authentisch und dann später 1931 als nachträgliche Änderung der Handschrift erklärt; heimrinn in Arnorr jarlaskálds Hrynhenda Strophe 15 (11. Jhd.) ersetzt Jónsson 1901 durch die Konjektur heimr um oder of, so daß für ihn der früheste sichere Beleg in Markus Skeggjasons Eiríksdrápa Strophe 22 eidrinn
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sveif um 1100 ist, wobei er hinzufügt: "Det er säledes klart, at det först er i det 12. árh. at artiklen virkelig bliver föjet fast til et subst. I den daglige taie mâ dette dog vaere sket et godt stykke ind i det 11. ârh., og derfor kan Arnors heimrinn ν sere rigtigt." (Jónsson 1901:80). Für die wenigen Beispiele in Eddaliedern mit Ausnahme von HarbarSsljód kam Bugge 1869 zu dem Ergebniss, daß es sich hier um spätere Ergänzungen der handschriftlichen Überlieferung handeln müsse, Sijmons/Gering 1906:CLXXVm schreiben: "Die wenigen sonstigen fälle in unserer Überlieferung kommen auf rechnung der Schreiber". Harbarösljoö bietet allerdings so viele Beispiele für den suffigierten Artikel (insg. 19 Fälle), daß sie nicht so einfach wie in den anderen Liedern wegzudiskutieren sind. Man hat deshalb das Lied für eines der jüngsten Eddalieder erklärt oder den Artikelgebrauch damit begründet, es sei im "daglige livs samtalesprog" (Bugge 1969:248) geschrieben; für Jónsson 1901 ist Harbardsljód so "staerkt forvansket og interpolerei", daß er daraus keine Schlußfolgerungen zu ziehen bereit ist, 1924:10 erklärt er die Belege für "senere tillœg"; Seip 1958:237 wäre dagegen bereit, sie als authentisch zu akzeptieren: "Skyldes det dikteren, kan vi regne med at talesprâket har kunnet ha etterhengt artikkel omkr. âr 1000." Klingenberg 1990 hat jedoch aufgrund der voll durchstrukturierten Bauform und der metrischen Form, die eine mündliche Tradierung über einen längeren Zeitraum ausschließt, wahrscheinlich gemacht, daß dieses Lied der jüngsten Schicht der Edda-Lieder zugerechnet werden muß, so daß es auch deshalb schon wenig aussagekräftig für unsere Fragestellung wäre: "Hrbl. kann m.E. keine Dichtung des spätestheidnischen 10. Jh.s sein [...], erwachsen in der Mündlichkeit. Ich würde Hrbl. in die Snorrizeit, jedenfalls in die Schreibezeit Altislands datieren, so jung, daß sie Snorri Sturluson in seiner 'Gylvaginning' 1220er Jahre nicht zitierte (wie auch nicht 'Prymsqviöa'), aber doch gut kannte" (Klingenberg 1990:183). Die Prosaliteratur beurteilt Nygaard 1906:47 wie folgt: "Med hensyn til brugen af den efterhaengte artikel er der ikke liden forskjel i de prosaiske skrifter, tildéis ogsaa i forskjellige partier af samme skrift. Denne forskjelsynesatberodelspaa f o r f a t t e l s e s t i d e n , d e l s p a a f o r f a i t e l s e s s t e d e t , dels paa eiendommeligheder hos f o r f a t t e r e n selv eller i de k i 1 d e r, som han har benyttet. Idet hele synes den efterhaengte artikel at bruges hyppigere i yngre skrifter end i aeldre, hyppigere i norske end i islandske. I skrifter, der er oversatte fra latin, kan originalem udtryksmaade foranledige en hyppigere anvendelse a f u b e s t e m t e former." Seip 1958 erwähnt als weitere Argumente für den nicht voll durchgeführten Artikelgebrauch in der ältesten Handschriftenzeit die Unterschiede zwischen dem aitisi, und dem altnorw. Homilienbuch (unterschiedlich alte Vorlagen), die Tatsache, daß der Artikel handschriftlich oft vom Substantiv abgetrennt sein kann (vcerc en), und daß er in der ältesten Zeit noch nicht den Regeln der Vokalharmonie folgt. Auch die norw., dän. und schwed. Gesetzestexte zeigen zunächst nur in Ausnahmefällen Setzung des Artikels, was auf deren frühe mündliche Ausformung zurückzuführen sei (hier sehe ich einen Widerspruch zur Argumentation im
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Falle von Harbarösljoö, wo der Artikel gerade mit dem Einfluß der Mündlichkeit auch von Seip begründet werden sollte). Außer Tjängvide zeigen auch noch einige andere Runeninschriften eindeutig Gebrauch des suffigierten Artikels: Der berühmte Stein von Ekilla bro (Upl. 644) ist errichtet von mehreren Söhnen nach ihrem Vater, der "im Osten mit Yngvar fiel", dann folgt der Zusatz: kup hiabi antini "Gott helfe der Seele". Als YngvarStein, der nicht mit Asmundr Karason zu verbinden ist (vgl. Thompson 1975:143), sollte er in die Jahre nach 1040 datieren, wenn wir die (späteren) isl. Angaben bezüglich dieses Zuges als korrekt akzeptieren - wir hätten somit einen sicheren Beleg aus der Mitte des 11. Jhds. Die gleiche Form belegte vielleicht auch der verlorene Stein von Kâlsta (Upl. 669). In Norwegen belegt die Inschrift von Storhedder ΠΙ (NlyR 192) um 1100 mit haiminum den Dat.Sg.mask. (Johnsen 1968:53), alle anderen Belege aus Dänemark oder Norwegen datieren sicher erst nach 1150. Das spärliche Material legt m.E. folgende Schlußfolgerungen nahe: Der suffigierte Artikel wird in der Zeit um 1200, der Zeit der frühesten handschriftlichen Überlieferung, obligatorisch zum Ausdruck von Definitheit. Es ist eine längere Phase anzunehmen, in der ein nachgestelltes Demonstrativpronomen (h)inn mehr oder weniger stark betont sein konnte, das mit steigender Frequenz zu Schwachdruckbetonung neigte, klitisch werden konnte und schließlich über (zunächst wohl fakultatives, dann obligatorisches) Schließen der Junktur zwischen Substantiv und enklitischem Pronomen in den Bereich der Flexion überging. Daß wir diesen Prozeß in den Runeninschriften nicht genauer beobachten können, liegt vermutlich an der sprachlichen Norm der Inschriften, die als Demonstrativum nach stein so gut wie ausschließlich pina, pinsi etc. verwenden, nur in wenigen Ausnahmefällen wie Tjängvide vielleicht (h)inn. In der Umgangssprache muß aber der geschilderte Prozeß stattgefunden haben, die Frage ist allerdings, welcher Zeitraum für ihn veranschlagt werden kann. Nach Ausweis von Ekilla bro war er in der Mitte des 11. Jhds. im Gange, der Beleg auf Tjängvide ist aller Wahrscheinlichkeit nach früher; eine Verdoppelung der letzten beiden Runen in stainin wegen Verschreibung möchte ich ausschließen. Da in dieser Textpartie auf Tjängvide aber keine Worttrenner stehen, ist über den möglichen Grad der Enklise nichts Sicheres zu schließen. Dennoch dürfte ein Beginn des Prozesses um 1000 und sein allmählicher Abschluß um 1200 wohl akzeptabel sein. Dies wiederum könnte dann mit der gebotenen Vorsicht ein Indiz für eine Datierung der Inschrift auf Tjängvide in die 2. Hälfte oder gegen das Ende des 10. Jhds. sein. Zu dem gleichen Ansatz kommt aufgrund ihrer Typologie der Runenformen auch Johnsen 1968, die Tjängvide auf p. 98 auf ca. 1000 oder früher datiert, gegen die archäologisch frühere Datierung. Auch Lindquist 1941 hatte ja als Möglichkeit vorgesehen, daß die Gruppe D bis ins 10. Jhd. reichen könnte, und er hatte die Ähnlichkeit der Bildmotive von C und D herausgestellt. Die Frage bleibt, ob man hierin eine Möglichkeit sehen kann, die drei anderen Bildsteine mit Runeninschriften gleichfalls später als von Nerman oder Lindquist vorgeschlagen an-
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setzen darf, etwa ins 9. Jhd. (eine noch spätere Datierung halte ich aufgrund der runologischen Merkmale für ausgeschlossen). Die von Johnsen 1968 erwogene Erklärung, die Inschriften seien erst aufgemalt gewesen, und dann nachträglich eingemeisselt worden - wobei sie offen läßt, ob es sich dann um die ursprüngliche oder um eine neue Inschrift gehandelt haben soll - hat zu sehr den Charakter einer Notlösung. Andererseits basiert die archäologische Datierung i.e.L. auf der Bandornamentik der Bildsteine, die mit Motiven auf Schmuckgegenständen verglichen wird; könnte nicht die autochthone gotländische Steinornamentik konservativer gewesen sein in ihrem Dekor als die eher schnellebige, "internationalere" Schmuckmode? Schließlich wandeln sich auch die Hauptmotive der Bildsteine, die Schiffs- und Menschendarstellungen, während der Perioden C und D so gut wie nicht, sie sind anders als die schwedischen Runensteine des 11. Jhds. keine "Massenprodukte" mit ständig sich der Mode anpassenden stilistischen Charakteristiken. Auch dürfte die Zahl der Bildsteine produzierenden Handwerker deutlich geringer als bei den Runensteinen gewesen sein. So mag es berechtigt erscheinen, der runologischen Einordnung den Vorzug gegenüber der archäologischen einzuräumen und die drei Bildsteine von Hangvar, Lokrume und Olleifs ins 9. Jhd. anzusetzen; wir erhalten dadurch eine genügend lange Zeitspanne von etwa 100 Jahren zwischen der mutmaßlichen Umformung des Älteren Fujjark zum Jüngeren und den gotländischen Inschriften mit Kurzzweigrunen, deren älteste somit jünger als Sparlösa und etwa gleichzeitig mit dem Rökstein wären. Es muß dennoch betont werden, daß dieser Ansatz auf persönlicher, vielleicht willkürlicher Entscheidung beruht, die möglicherweise durch Neufunde sogar als falsch erwiesen werden könnte.
6.1.5 Sparlösa: vor 800? Die Inschrift des erst 1937 aus der Mauer der alten Kirche von Sparlösa in Västergötland entfernten Steins ist nach aller Evidenz und abgesehen von den problematischen gotländischen Bildsteinen die früheste, die charakteristische Kurzzweigrunen belegt; deshalb ist die Frage nach ihrer Datierung von ganz zentraler Bedeutung, ebenso wie die Rolle dieses Steins für die Entstehung und weitere Entwicklung dieser Variante der Runenreihe. Drei der vier Seiten und die Kopfplatte sind mit Runen beschrieben, zahlreiche Bilder und Ornamente vervollständigen die Ausstattung des auch in dieser Hinsicht einmaligen Steins. Über die Reihenfolge der Lesung waren sich alle Interpreten (Lindqvist 1940, von Friesen 1940, Nordén 1943, Marstrander 1954, Svärdström 1958, Johnsen 1968) einig: Seite A beginnt mit der Monumentalinschrift und einem Männerbild, dann kommt die gegenüberliegende Seite B, die z.T. stark beschädigt ist, dann die links von A stehende Seite C mit Tierbildern; die vierte Seite D hat nur Bilder, darunter ein Haus, ein Schiff, ein Reiter und weitere Tiere, die Kopfplatte E weist nur Runen auf. Die Anordnung der Bilder und der Inschrift
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auf dem Stein, die aneinander angepaßt sind, lassen keinen Zweifel zu, daß beide etwa gleichzeitig angebracht wurden. Viele der Bilder sind in plastischem Relief dargestellt, wofür es im gesamten vikingzeitlichen Skandinavien keine Parallelen gibt; sie sind es in erster Linie, die für eine Datierung herangezogen werden können. Aufgrund einer Auskunft von Holger Arbman setzte Lindqvist 1940:16 die Inschrift an das Ende des 8. Jhds., Almgren kommt im Anhang zu von Friesen 1940 zu einem damit übereinstimmenden Ergebnis: um 800, vielleicht etwas früher oder später. Die Ornamentik hat natürlich im Ganzen keine Parallele, aber die Detailanalyse Almgrens bietet doch relativ überzeugende Vergleiche: Das im oberen Teil leider etwas zerstörte Haus auf der Seite D mit seinem halbrunden Dach zeigt große Ähnlichkeit mit einer Hausabbildung auf Münzen aus dem Grab 646 von Birka, das von Lindqvist 1926 auf ca. 800 datiert wurde; etwas weniger klar sind die Ähnlichkeiten zu den Häusern auf den gotländischen Bildsteinen von Tjängvide und Ardre Vm, deren Datierung selbst fraglich ist (vgl. oben 6.1.4). Segel und Mast des Schiffes auf Seite D finden ihre Entsprechung auf einer Münze aus dem Grab 526 von Birka, die Segel der gotländischen Bildsteine sind dagegen wesentlich größer; die Form des Schiffsrumpfes ist kaum für Datierungen geeignet. Die Reiter-Darstellung ist schwierig zu beurteilen; ihre genaueste Entsprechung findet sich auf den Webereien von Oseberg aus der Mitte des 9. Jhds. (vgl. Hougen 1940:99ff) und auf dem Stein von Skokloster, dessen Runeninschrift vom Meister Fotr wohl aus der zweiten Hälfte des 11. Jhds. stammen dürfte. Almgren 1940 hat deshalb die Hypothese vorgeschlagen, daß es sich um einen älteren Bildstein des 8. Jhds. handeln könnte, der nachträglich von Fotr mit einer Rahmeninschrift versehen worden sei; dies ist jedoch angesichts der kompositionellen Einheit des Steines wenig wahrscheinlich, zudem läßt sich kein Unterschied in der Tiefe der Linien von Runen und Bildern feststellen. Ebensowenig wie im Falle von Eggjum kann also die Pferdefigur sichere Aufschlüsse über das Alter der Sparlösa-Inschrift geben. Gleiches gilt für den Männerkopf auf der Seite A. So bleiben als Hauptargument für eine Datierung die ornamentalen Tierbilder des Steins, die relativ naturalistische Darstellungen zeigen und viel weniger stilisiert sind als sonst in der nordischen Tierornamentik üblich; für sie gibt es Anknüpfungsmöglichkeiten in der Zeit des Jelling- und Mammenstils, d.h. Ende des 10. und Anfang des 11. Jhds., oder an den älteren Osebergstil in der zweiten Hälfte des 8. Jhds. im Übergang von der Vendei- zur Vikingzeit. Dieser sogenannte Ältere naturalistische Stil hat in Skandinavien keinerlei Vorstadien, weshalb man ihn auf Einflüsse des Frankenreichs oder auch Englands zurückführen möchte. Gewisse Parallelen zu den Bildern auf Sparlösa zeigen Buchminiaturen der Schule von Tours aus der Zeit um 800 und Elfenbeinschnitzereien wie auf dem Schrein von Gandersheim (der stilistisch mit südenglischen Handschriften der zweiten Hälfte des 8. Jhds. verglichen werden kann); ein direktes Vorbild ist allerdings nirgends nachzuweisen. Im Zusammenhang mit der Relieftechnik des Steins läßt sich schließlich an die englischen Steinkreuze denken, die bei gleicher
Die archäologisch datierbaren Inschriften
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Technik ebenfalls Tierfiguren mit einem ähnlichen Grad an Naturalismus bieten wie auf Sparlösa, aber eben auch nicht genau zu datieren sind. Das Gesamtbildwerk auf Sparlösa ist also mit Sicherheit nicht eindeutig auf ein bestimmtes Vorbild zurückzuführen, weshalb Almgren eine Art Zwischenstellung vermutet: "Den heterogena samlingen av figurer pâ stenens bildsidor skulle kunna förklaras som en sammanställning av element frân tvà stora samtida monumentgrupper: huset, skeppet och ryttaren frân Gotlands bildstenar, fâglarna och fyrfotadjuren frân Nordenglands stenkors; allt pä ett monument som geografiskt stâr nära nog mitt emellan de bâda omrâdena, vid en tid dà livliga förbindelser funnos ât bâda hâll." (von Friesen 1940:126). Das vorsichtige Fazit von Almgren dürfte noch heute Gültigkeit besitzen: "Dessa spridda exempel ur västlig konst klargöra väl icke pâ uttömmande sätt de främmande förebilderna tili Sparlösastenen men de torde vara tillräckliga för att visa, att stenens Ornamentik har motsvarigheter och kanske nära förstadier i västeuropäiska konstalster frân tiden omkring âr 800. Vad beträffar den äldre naturalistiska Stilen i Norden, sä har denna av Shetelig daterats tili 700-talet [...] och av Arbman tili slutet av detta ârhundrade eller omkring âr 800 [...]. Sparlösastenen torde fâ räknas till de alster av denna stil, som visa de mest omedelbara västliga influenserna. Dà Stilen naturligtvis icke införts genom kontakt med den västerländska konsten vid en särskild tidpunkt utan genom en nâgon tid fortgâende páverkan, innebär det nyss sagda intet tvâng att anknyta Sparlösastenen tili stilepokens böqan, vilken för övrigt i och för sig är ytterligt svâr att kronologiskt fixera. Vidare bör ihâgkommas att icke heller de utländska analogierna tili stenen - frânsett böckerna frân Tours-skolan - lâta sig absolut säkert datera. Under sâdana förhällanden mäste man frân arkeologiska utgângspunkter nöja sig med en datering av Sparlösastenen tili tiden omkring ár 800, med en marginal pâ upptill ett halvt ârhundrade." (von Friesen 1940:126f). Die Inschrift des Sparlösa-Steins ist ebenso umstritten in ihrer Lesung und Interpretation wie etwa die auf Rök, was nur zu einem Teil damit zusammenhängt, daß der Stein in zwei Teile gespalten war, und dadurch Runen beschädigt sind; Beschädigungen finden sich auch am Fußteil des Steines, wodurch einige Zeilenanfänge der Seiten Β und E nicht mehr bewahrt sind, und ein Textzusammenhang kaum mehr herzustellen ist; dazu kommen dann noch in der Monumentalinschrift auf Seite A zwei besondere Zeichen, die von einigen Interpreten als Runen, von anderen als Trennzeichen aufgefaßt wurden, sowie etliche strittige Binderunen, die bisweilen gelesen wurden. Sicher ist zunächst einmal, daß die Inschrift sich auf den verschiedenen Seiten verschiedener Fujjark-Reihen bedient, daß die Runentypen der Seite A - die bis zur Entfernung des Steines aus der Kirchenmauer ausschließlich bekannt war sich erheblich von denen der anderen Seiten unterscheidet; eine solche Variation der Zeichenform gibt es auf keiner Runeninschrift vor (und nur auf wenigen nach) Sparlösa. Seite A verwendet im Prinzip die gleiche Runenreihe wie die dänischen Steininschriften des 9. Jhds., das sog. Helnaes-G0rlev-Fu{>ark, während die üb-
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
rigen Seiten verschiedene Varianten der Kurzzweigrunen aufweisen. Für dieses Phänomen gibt es mindestens zwei verschiedene Erklärungsmöglichkeiten: Man kann annehmen, daß die Inschrift ursprünglich in der (älteren) Variante des Helnaes-G0riev-Fu{>ark geplant war, der Runenmeister dann aber aus Platzmangel zu den (kurz zuvor aufgekommenen?) Kurzzweigrunen griff, oder aber daß der Runenmeister von Sparlösa selbst der Schöpfer des neuen Systems der Kurzzweigrunen ist, wie von Friesen 1940:98f vorgeschlagen hat. "Det er mulig at vi stâr oppe i selve utviklingsprosessen og at de to former for det yngre runealfabet, normalrunene og stuttrunene, kan vaere utviklet her, pâ grunnlag av det samnordiske Helnaes/G0rlev-alfabet. Men alfabetene kan ha vaert kjent og anvendt som varianter. Runemesteren pâ Sparlösastenen har brukt dem ettersom det passet. Mens arbeidet skred frem, kan han ha grepet til stuttruneformer for â spare tid eller plass i en innskrift som fra f0rst av var planlagt i et annet alfabet." (Johnsen 1968:154). Eine sichere Entscheidung in die eine oder andere Richtung ist nicht möglich, aber aufgrund des Befundes steht fest, daß die Kurzzweigrunen spätestens in der 2. Hälfte des 8. Jhds. entstanden sein müssen, und da der früheste datierbare Beleg für sie aus Västergötland stammt, könnten sie auch hier entwickelt worden sein und sich dann nach Östergötland (Rök) und Gotland (Bildsteine, vgl. oben) verbreitet haben; ungefähr 50 Jahre später sind sie dann schon in Haithabu belegt. Die Inschrift verwendet folgende (idealisierte) Runenformen: Seite A) f
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Die Runen p f M sind auf der Seite A nicht belegt, sondern hier aus den Formen der Seiten Β φ î M), C φ , î ) und Ε φ erschlossen; etwas problematisch ist auch die b-Rune, die auf Seite E in der Form g belegt ist, auf Seite A aber nur eventuell in einer nicht völlig sicheren Binderune ganz am Ende der Zeile, leider in ihrem oberen Bereich auch noch durch den Bruch gestört: der Runenkomplex hat etwa 2/3 der Höhe der anderen Runenzeichen dieser Seite, und er baut sich auf aus einem langen, schmalen Π. bei dem oben der Beistab nicht ganz an den Hauptstab heranreicht und an das die folgenden Beistäbe nach rechts zeigend angebunden sind: oben eventuell der Beistab eines [, darunter ein Β mit runden Bögen wie bei dem lateinischen Buchstaben, schließlich unten der Beistab eines breiten Π- Die genaue Lesung des Komplexes ist umstritten, aber zumindest und können als gesichert gelten, zumal die Form g auch auf Seite E belegt ist. Die gesamte Inschrift bietet keinen Beleg für das auf der Seite A zu erwartende , zur h-Rune vgl. unten.
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Die archäologisch datierbaren Inschriften
Seite B) f
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Ob in Zeile B3 wirklich eine Binderune f} vorliegt, kann nur die Interpretation des Textes entscheiden, die umstritten ist. Eine "orthographische" Trennlinie scheint zwischen den Zeilen einerseits Β1-2 und andererseits B3(-4) und dem folgenden Text zu verlaufen: Β1 belegt keine einzige charakteristische Form der Kurzzweigrunen, B2 hat einen einzigen Beleg für ¡f (deutlich, auch wenn die untere Hälfte des Hauptstabes fehlt), B1 zeigt mit ψ, Τ nur die Normalrunen, ebenso B2 mit S> À ; das Pendant zu ¡f : *1t = ist in beiden Zeilen nicht belegt. Eine völlige Typ-Mischung weist dagegen B3 auf: ψ, Μ, A sind die Formen des Helnaes-G0rlev-Fujjark, (¡, \ dagegen extreme Kurzzweigrunen; nebeneinander stehen hier S, Î und 1 ,1, insgesamt also Mischformen, wie sie z.B. auch das Amulett von Björkö bietet (vgl. 6.1.7). Seite C) f
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Die Seiten C und E sind im Prinzip in reinen Kurzzweigrunen geschrieben, ansatzweise auch mit einer gewissen paarweisen Zuordnung der Formen der Runen, die für die späteren Inschriften mit Kurzzweigrunen charakteristisch wird: \ steht neben |Ì, \ neben \ neben f; nur vereinzelt stehen noch Formen des Helnaes-G0rlev-Fu|>ark: & X )|c, was eine gewisse Inkonsequenz darstellt, aber dem Gesamtcharakter dieses Inschriftenteils in Kurzzweigrunen nicht wesentlich Abbruch tut. Besonders bedauerlich ist die Tatsache, daß die gesamte umfangreiche Inschrift keinen einzigen sicheren Beleg für eine h-Rune bietet. Dies kann damit begründet werden, daß der Text (zufällig?) kein Wort mit /h/ enthält, oder aber damit, daß im Dialekt des Runenmeisters anlautendes h- geschwunden ist, oder aber damit, daß die Rune an der/den Stelle(n), wo sie stehen sollte, zufällig oder bewußt nicht geschrieben ist. Die Frage ist zumindest teilweise abhängig von der Interpretation des Textes, offenbar gibt es aber nur einen oder zwei Komplexe, die diskussionswürdig erscheinen: Auf Seite C steht in Zeile 1 aiti, was Lindqvist,
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Nordén und Svärdström als heiti interpretieren (und von dort in Svensk Runordsregister aufgenommen wurde), Von Friesen als eirSi (wenig wahrscheinlich), Marstrander als reiddi.. Für mich ist die überzeugendste der drei Möglichkeiten die von Marstrander vorgeschlagene; damit entfiele diese Stelle für die Frage nach der h-Rune. Die von Lindqvist erschlossenen "Belege" in den verlorenen Zeilenanfängen sind m.E. reine Spekulation und bedürfen daher nicht der Diskussion; für die Rune 30 in der Zeile B2 hatte nur von Friesen eine Lesung erwogen. So bleibt nur der Komplex makiniaru in Zeile 2 der Seite C, den Marstrander als meginhjçr auffaßt, als "das mächtige Schwert". Ein spontaner Schwund im Anlaut eines zweiten Kompositionsgliedes ist natürlich denkbar, ebenso eine zufällige Verschreibung/Auslassung, aber der Beleg reicht eigentlich nicht aus, Marstranders These, auf Sparlösa würde prinzipiell keine h-Rune geschrieben, zu unterstützen. Diese Frage muß also offen bleiben. Eine andere Frage ist, welche Form die h-Rune gehabt hätte, wenn der Schreiber sie verwendet hätte: Für die Textteile, die in Kurzzweigrunen geschrieben sind, läßt sich aufgrund der Form f für eine Form *} für erschließen (vgl. Rök: Î neben {); in der Monumentalinschrift würde man entsprechend dem Gebrauch der (dänischen) Steine vom Typ Helnaes-G0riev am ehesten (n| erwarten. Nach der Alphabetreform in Dänemark, die die Inschriften und Fu|>arks der Steine von G0rlev und Malt dokumentieren, verwendet die Inschriften hier die Rune if für , genau diese Form würde auch am ehesten als Prototyp für die Varianten der Kurzzweigrunen gelten können, in einer Entwicklungsreihe Η > ^ > {/f. Relativ sicher ist die Form 5< | auf dem Silberblech von Björkö belegt, ebenso auf dem Bildstein von Pilgârds, vielleicht auf dem verlorenen Stein von Slaka, in Norwegen auf den Steinen von Tanberg, Heiland, Kuh und Orrestad; sie stellte also eine der Varianten innerhalb des Systems der Kurzzweigrunen dar, wenn auch nicht die häufigste. In Dänemark konnte sie allerdings erst dann if ersetzen, nachdem ihre Form durch die Ersetzung von > Jf für freigeworden war. Und genau hier liegt vielleicht auch das Problem des Sparlösa-Meisters, der in der Monumentalinschrift if für schreibt, ebenso auf der Seite Β ausschließlich, und auf der Seite C steht if neben Jf und \ für ; in Marstranders Interpretation könnte auf der Seite A sogar als Begriffsrune fungieren, was dann gleichfalls den Lautwert /a/ zwingend voraussetzen würde. Diese Form konnte also nicht für geschrieben werden, so daß sich die Frage stellt, ob das Kurzzweigrunen-Fujjark des Sparlösa-Meisters überhaupt eine Rune für enthielt (wohl kaum N)? Gab es (aus sprachlichen oder graphischen Gründen) zunächst für eine gewisse Zeit ein System der Kurzzweigrunen, das nur aus 15 Einheiten bestand? Wenn man diese Annahme in Erwägung ziehen darf, dann bietet sie den Raum für weitergehende Vermutungen/Mutmassungen über die Entstehung des Systems der Kurzzweigrunen: Ein defektives, 15-typiges System des Jüngeren FuJ>ark vor den graphischen Vereinfachungen, die in den Kurzzweigrunen resultierten, könnte folgendes Aussehen gehabt haben:
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Die archäologisch datierbaren Inschriften
1
2
3 4
5
6
7
8
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•
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*
ι
9
10 11 12 13 14 15 s
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Es enthielt also die Typen des auch in Dänemark verbreiteten ursprünglichen Jüngeren Fujaark, mit den beiden Varianten Jf und ^ für ; bei 15 Typen ergibt sich die Möglichkeit, sich eine Spiegelachse an der graphisch einfachsten aller Runen, der i-Rune zu denken. Unmittelbar rechts davon stehen die beiden Varianten für , unmittelbar links davon die n-Rune, die das Spiegelbild einer der beiden a-Varianten ist. Wäre es nicht möglich, hierin den Ausgangspunkt für die Vereinfachungen zu sehen? Schritt 1 wäre also: 7 8 9 l· I X In der Mitte der beiden Spiegelhälften links und rechts der gedachten Achse durch die i-Rune stehen Nr. 4 = f und Nr. 12 = fc; gesetzt, man wollte die bRune vereinfachen, so bot sich ein ähnliches Prinzip wie im Falle von an: für nach f war wegen der Formidentität mit Y ausgeschlossen, aber \ war möglich und konnte zur Form für führen (bzw. zu jf). Schritt 2 war also vielleicht: . . . 4 . - 7 i 9 - -12 —
—
l·
I X - }—
War in dieser Weise mit der Formen-Vereinfachung begonnen, so konnte nach ähnlichen Prinzipien weiter verfahren werden; ist es reiner Zufall, daß die beiden Gruppen von nebeneinander stehenden Runen für , , , parallel verändert werden? 10 11- - 14 15 1 1 - - Γ ι Es verbleibt dann nur noch die m-Rune als vereinfachungsbedürftig, vielleicht entstand direkt die Form J; als letzter Schritt wurde (vielleicht von einem anderen Runenmeister) wieder eine h-Rune für notwendig erachtet, und man bildete {nach dem Muster von Τ, oder es trat die inzwischen funktionslos gewordene Form $ ein. Bis auf den letzten Schritt sind alle postulierten Formen in den unterschiedlichen Teilen der Sparlösa-Inschrift repräsentiert - bis auf die h-Rune, die in der Inschrift nicht geschrieben ist, weil dem Runenmeister vielleicht keine aktuelle Form bekannt war. Diese Vorschläge haben natürlich spekulativen Charakter, wenn man sie aber - vielleicht auch nur teilweise - cum grano salis akzeptiert, sind wir wieder sehr nahe an dem Bild, das von Friesen 1940:98 entwarf: "Allt detta - blandningen av samnordiska och svensk-norska runor säväl som de senast nämnda runformer som föregripa utvecklingen - hänvisar pâ en mästare som är utomordentligt förtrogen med sin samtids skrift och icke blott detta utan ocksâ med de ledande tendenserna i dess utveckling. Man kan t.o.m. sätta i frâga huruvida vi icke här stä inför själve skaparen av den svensk-norska runraden."
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Die vollständige Inschrift wurde zuerst von Jungner 1938 vorgestellt, die frühesten Interpretationen der Sparlösa-Inschrift stammen von Jungner 1938, von Friesen 1940, Lindquist 1940 und Nordén 1943, es folgten Marstrander 1954 und Svärdström 1958 in SR 5; Johnsen 1968 referiert nur die Vorschläge von Svärdström, Marstrander und Nordén, ohne eine Wertung oder eine eigene Interpretation zu geben. Ich gehe zunächst die Lesungen der einzelnen Seiten des Steins in ihrer chronologischen Abfolge durch: Seite A: von Friesen: Lindquist: Nordén: Marstrander: Svärdström:
A J iulskaf 2 AirikissunRkAfAlrikibu oder Alrikiibu Α ι iulskaf 2 AirikissunRkAfAlrikRibu[m] A 1 iulskaf 2 AirikissunRkAfAlrikR A 1 iuïlskaf 2 AirikissunuRkAfAlrikibu bzw. ulubu A 1 iulskaf 2 AirikissunRkAfAlrik...
Problematisch sind in erster Linie die als j und ^^bezeichneten Zeichen, ferner die von Marstrander angenommene Binderune , sowie die mutmaßliche Binderune am Ende der Zeile, die oben bereits angesprochen wurde: Das Zeichen nach der ersten Rune hat die Form von zwei im Vergleich zu den Runen relativ klein gehaltenen, übereinandergestellten und um 45° gekippten Kreuzen, eine Figur, die auf einigen späteren Runensteinen als Worttrenner stehen kann. Ein ähnliches Zeichen steht auch nach der 8. Rune im unteren Bereich: über und unter einem kleinen gekippten Kreuz steht jeweils ein aus drei Strichen zusammengesetzter Haken. Beide Zeichen wurden von Lindquist und früheren Interpreten der Seite A wie Läffler oder Bugge als Worttrenner aufgefaßt, von Friesen hält sie dagegen für ornamentale Verzierungen: "Riktigheten av slutsatsen bekräftas därav att skiljetecknet ingenstädes i de nyfunna inskrifterna har denna eller liknande form. Det sannolikaste är att de nämnda som ordskillnadstecken uppfattade korsen och vinklarna skola fattas som señare av listaren införda ornament, avsedda att utfylla de oproportionerligt stora tomrum som uppstâtt till följd av att avständen mellan runorna i inskriftens böqan illa beräknats." (von Friesen 1940:37). Gegen diese Auffassung spricht allerdings m.E., daß der Abstand zwischen der 7. Rune ψ und der 8. Rune Y keineswegs größer ist als der zwischen der 8. Rune und der 9. Rune ψ. Der Abstand der ersten zur zweiten Rune ist allerdings recht groß, er wird dann zum Ende der Zeile hin immer kleiner. Die Frage, ob hier Worttrenner oder Verzierungen vorliegen (oder Begriffsrunen, s.u.), hat jedoch für die Interpretation große Bedeutung: Lindquist faßt die erste Rune als eigenständige Einheit auf und interpretiert sie als Begriffsrune wie auf dem StentoftenStein (HapuwolafR gaf ár): ár....gaf Airikis sunR gaf AlrikR..., während von Friesen, Nordén und Marstrander in den ersten Runen einen Namen Eyiuls bzw. Eyvisl annehmen. Marstrander faßt darüber hinaus das Zeichen nach der 8. Rune
Die archäologisch datierbaren Inschriften
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Y als Begriffsrune auf (stilisiert für und interpretiert den Anfang der Inschrift als Eyvísl gafár, was ich in Anbetracht der Kleinheit des Zeichens für unwahrscheinlich erachte; auch eine Binderune , die Marstrander in der dritten Rune sehen will, konnte keiner der anderen Interpreten des Steins erkennen. Nach dem klar als Genitiv Eiriks zu erkennenden Komplex airikis lasen von Friesen und Andere die folgenden vier Runen als sunR, während Marstrander sich für eine Binderune ausspricht2; als Argument dafür dient die Tatsache, daß auf dem Stein von Gursten (Smäland) die Form sunuR belegt ist, und ferner, daß der Hauptstab der R-Rune eine leichte Krümmung aufweist. Dagegen spricht die Tatsache, daß die beiden Hauptstäbe der n- und der R-Rune sich eindeutig nicht berühren, die R-Rune zudem oben etwas kürzer ist als die n-Rune, und daß die Krümmung des Hauptstabes größtenteils durch den Bruch, der in ihrer Mitte verläuft, bedingt ist. Aus diesen bestreitbaren Indizien hier einen Beleg für eine unsynkopierte Form zu konstruieren erscheint mir - wie bereits in 4.3.1 oben dargelegt - unhaltbar; eher ist auf Gursten - wie in airikis auf Sparlösa - ein sporadischer Svarabhaktivokal anzunehmen. Aus diesen Vorausetzungen ergeben sich die Interpretationen: Seite A: von Friesen: Eyiuls gaf, Eiriks sunr; gaf Alreki bp, d.i. "Öjuls, Eriks son, överlät ât Alrik byn (Sparlösa)". Die doppelte Setzung des Verbs gefa wird damit begründet, daß der Runenmeister innerlich so stark mit der Kernaussage der Inschrift, der Überlassung des Dorfes an Alrik, beschäftigt war, daß ein solcher Lapsus passieren konnte (von Friesen 1940:44), oder daß eine absichtliche Wiederholung vorliegt, zwei unterschiedliche Nuancen ausgedrückt werden sollten: "Öjuls Eriksson hat sein Eigentum abgetreten; (und) es war an Alrik, an den er es abgetreten hat". Angesichts der rhythmischen Sprache und der sicher im voraus geplanten Inschrift halte ich allenfalls die zweite Variante für möglich. Lindqvist: Er liest am Anfang eine Begriffsrune ár und kommt so zu: ár í(h)olls gaf /Eirikis sunR, gafAlrikR íbúum, d.i. "Särledes nâdigt gav Eriks son, gav Alrik inbyggarna äring (: god ärsväxt", er findet also eine fast identische Aussage mit der Hauptinschrift auf dem Stein von Stentoften; im zweiten Wort müßte -h- im Anlaut nach Kompositionsfuge früh geschwunden sein, um es zu aisl. hollr "hold, zugetan, wohlgesinnt, gnädig" stellen zu können, i- soll ein verstärkendes Präfix sein, vergleichbar aengl. inhold, innhold "heartily loyal" (Lindqvist 1940: 45). Die Inschrift soll im Versmaß Ljóóaháttr abgefaßt sein, mit stabenden Vokalen. Problematisch ist bei diesem Ansatz u.a. daß es für )|c als Begriffsrune innerhalb des Jüngeren Fufiark keinerlei Parallelbeleg gibt, soweit ich sehe. "Denna tydning, som laborerar med vissa i mängas ögon kanske väl djärva antaganden, är
Svärdström 1958:227 gibt in ihrer zusammenfassenden Lesung den Komplex als sunR wieder; in der Darstellung von Johnsen 1968: 155 wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, sie habe Maistranders Vorschlag übernommen (Binderune ).
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i behov av att bli bestyrkt. Inskriftens fortsättning turde kunna häva tvivlen." (Lindqvist 1940:50). Nordén: Er liest am Ende der Zeile keine Binderune, sondern sieht hier lediglich ornamentale Verzierungen; dadurch wird es notwendig, aufgrund des folgenden Textes ein direktes Objekt zum Verb gefa zu erschließen, und er entscheidet sich für "Sold": divisi gaf, ALirikis sunR. Gaf AlrikR, d.i. "Ejvisl gav (sold), Eriks son. Alarik gav (sold). Ohne den Gesamtkontext ist dies zunächst eine reine Vermutung. Marstrander 1954: "Eivísl ga ár, Eirikis s0nn, ga [är] til Alrik Ull-lúfa"; diese Interpretation ist nur dann haltbar, wenn man zwischen f und )jc keinen Worttrenner, sondern eine Begriffsrune ara sieht (was schon wegen der Kleinheit des Zeichens relativ unwahrscheinlich ist, vgl. oben) und die komplexe Binderune am Ende der Zeile mit Marstrander als ulubu auflöst (was immerhin möglich ist); der gleiche Name wäre dann auf Seite A und C genannt, einmal in Binderunen, einmal im Klartext. Svärdström 1958: 0yuls gaf, /Eiriks sunR, gaf Alrik[R]... "Öjuls, Eriks son, gav, (likasâ) gav Alrik", was einen Minimalkonsens darstellen dürfte; das Objekt zu gefa muß offen bleiben. Seite B: Lesungen: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström:
—istatilakafrautatkialti (uistaR) inatRhalakafrautatkialti inatRhalakafrautatkialti t-t-lakafraulatkialti—t—lakafrau-atkialti—
von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström:
lasatfaJ>iRubsaltfajDÌRsua|)aiatu hba oder liba asatfaJúRubsalmfafiiRsuaJsaiatuiiba asatfajjiRubsat faJnRsuaJiaiatuliba asatfaJ>iRubsal fafriRsuajsatasutiba taiuisl asa-fa|>iRubsal faJ>iRsuaf>a-a-u—ba
von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström:
-isstamasnatuauktakaR.a MkulubiRuk]?ataiuisl —amasnatuauktakaR | aslsrikuluiiRukJiataiuisl (fr)amasnatuauktakaR| aslrikulubiRuk^atataiuisl —amasnatuauktakaRalrikulu- iRukfii —amasnatuauktakaRia'lrikulu-- Rukjs-taiuisl
Hier sind am Enfang und Ende der Zeilen eine ungewisse Anzahl von Runen zerstört, so daß der ursprüngliche Text allenfalls erschlossen werden kann. Die Interpretationen unterscheiden sich deshalb nicht unerheblich: Von Friesen: Es (= sá) staddi lag. Gaffrátt ( = çrt) at gialdi. Vestaria satfadir umb salt, svá at ey átu hafa oder áttu Ufa. Alternativ: Vestaria satfadir. Umb sá fadir, svá at ey átu hafa oder áttu lifa, er stemmask nœtr ok dagar. Alrekr lubR ók petta Eyvisle. "Er (Alrek) ließ den Wert bestimmen. Freigebig gab er Vergeltung. Im Westen jenseits des Meeres hielt sich der Vater auf, während sie (die Familie)
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Lebensunterhalt immerfort hatten, da die Nächte und Tage zu Ende gingen. (Alternativ: Im Westen hielt sich der Vater auf. Der Vater hatte dafür gesorgt, daß sie etc.). Alrek lubR führte das dem Eyjuls zu." (Von Friesen 1940:109). Bezüglich des Beinamens Alreks nimmt er an, daß lubiR (mit Svarabhakti) auf Seite Β der Schreibung lubu entspricht, und daß beide für eigentlich zu erwartendes lubR stehen; er schlägt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten dieses Beinamens vor, ohne sich auf eine bestimmte festzulegen, lehnt jedoch den Anschluß an den ersten bekannten Gesetzessprecher Västergötlands Lumbaer explizit ab: "Häremot tala dock tvâ omständigheter. Forst att en nominalstam lumba- knappast torde vara känd, och vidare att lumbœr gen. lums otvunget lâter sig härledas ur fvn. hlum(m)r "Tjockända av âra, stock", [...]" (Von Friesen 1940:66). Den inhaltlichen Zusammenhang der Seiten Β und C faßt von Friesen 1940:11Of wie folgt auf: "Wenn es mir gelungen ist, der Hauptsache nach richtig herauszubekommen, was der Runenmeister uns hat sagen wollen, so sind die Begebenheiten, die mit der Errichtung des Steines verknüpft sind, die folgenden. Der Eigentümer des Dorfes Sparlösa, Erik, gab wegen einer geplanten längeren Reise oder aus einem anderen zwingenden Grunde einem Verwandten oder Freunde, Alrek, den Auftrag, während seiner Abwesenheit für die zurückgelassene Familie zu sorgen. Alrek gewährt dem Erik seine Bitte und führt während einer ganzen Reihe von Jahren der Familie ihren Lebensunterhalt zu. Erik scheint nämlich nicht nach der Heimat zurückgekehrt zu sein. Die Familie dürfte aus einem Sohne, Eyjuls, einer Tochter oder einem Pflegesohn, Sigmar, und wahrscheinlich auch aus einer Frau, obwohl sie nicht genannt wird, bestanden haben und scheint bei der Gelegenheit, als Erik sie verließ, noch jung gewesen zu sein. Als Eyjuls reifes Alter erreicht hatte und nun als der nächste Erbe Eriks dem Vormund Alrek seine Kosten zu ersetzen hatte, waren diese auf einen so beträchtlichen Betrag gestiegen, dass Eyjuls sich genötigt sah, sein Erbgut dem Alrek abzutreten. Um aber Erbland veräussern zu können, war es nach altschwedischem Recht nötig, den übrigen Erben das Land zur Auslösung anzubieten. Ein einziger Erbe - ausser möglicherweise dem Alrek, wenn er in fernerem Grade der Verwandtschaft zu Erik stand - scheint neben Eyjuls existiert zu haben, nämlich Sigmar, ein Schwiegersohn oder Pflegesohn Eriks. Alrek berichtet in der feierlichen Form des altheidnischen Eides, dass auch dieser das Landgut abgetreten habe. So ging das Sparlösagut aus dem Geschlecht Eriks in den Besitz Alreks." Lindqvist: En cett hala gafFrey ullat gialdi. Al(l)a satfapir Uppsal(u)m, fapir suáap áa í cettuí(g)i bœ. Nytr féll. Ammats náttu auk dagaR, as (A)lrik ól Ué(ce)iR, ugg paí(t)a, ALyisl. "Och ett släkte av män gav sin herre ära i gengäld. Ales (el. Alles), d.ä. Alriks, fader hade säte i Uppsala, en far som trotsade en gammelfar i en släktfejd. Den dugande föll. Natt mätte sig med dag (d.v.s. det var i dagbräckningen), dà Veheid födde Alrik, gubben Öjisels skräck." Aus dem z.T. frei erschlossenen Text (unter der Annahme von Dichtersprache) geht nach Lindqvist dann hervor, daß es sich bei Öjuls, Erik und Alrik um drei Männer aus der gleichen Familie, um Großvater, Vater und Sohn, gehandelt haben muß. Es
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könnte sich um Könige gehandelt haben, da Alrik in der Inschrift als freyr "Herr, Gebieter" bezeichnet wird, die ihrem Volk fruchtbare Jahre gebracht haben (so der Text der Seite A). Alriks Vater Erik residierte in Uppsala, weshalb Lindqvist sie der Ynglingendynastie zuordnen möchte: "Efter den geografiska belägenheten i Västergötland - stenen är belägen invidd vägen mellan Norge pâ ena sidan och Götalands hjärta och ytterst svearnas stamland pâ den andra - kan man draga en historisk slutsats: att götarna omkring 800 styrdes av en kung, vars fader var en sveakung, följaktligen med sannolikhet själv var detsamma." (Lindqvist 1940:8). Einiges an Phantasie erfordert die weitere Familiengeschichte, die im Text angedeutet sein soll: Innerhalb der Familie kam es zu Thronstreitigkeiten, der Sohn Erik verdrängte seinen Vater aus der Herrschaft, tötete ihn aber nicht; der Vater erschlägt als Rache dafür sechs Familienmitglieder (dies bezieht sich auf den Text der Seite C), darunter seinen Sohn Erik, woraufhin dessen Sohn Alrik den Vater am Großvater rächt und diesen tötet. In Gedenken an seinen Vater Erik errichtet Alrik den Stein von Sparlösa. Zum Appellativum frau = freyr "Herr" kommt Lindqvist durch eine Doppellesung der f-Rune, ebenso muß er für ul zu ullr "Glanz, Herrlichkeit, Ehre" die u-Rune doppelt lesen. Mit Verweis auf die orthographischen Regeln des Rök-Steines ist dies immerhin möglich, aber die Schreibung airikissunR auf der Seite A mit doppeltem ist ein Gegenbeleg. Die Partien En cettR und Nytrféll sind Rekonstruktionen Lindqvists (erstere wird von Nordén übernommen), gewählt aus inhaltlichen Gründen und um zu dem angeblich vorhandenen Stabreim zu kommen. Der Ortsname Uppsala (und die sich daraus ergebenden weiteren Schlußfolgerungen) basiert auf der Annahme einer nachträglich in den Text verbesserten, reduzierten m-Rune, was nur schwer nachzuvollziehen ist: "Den i ortnamnets ändelse antagna m-runan motsvaras icke av ristningen" (Svärdström 1958:218). Eine Form *náttu mit unsynkopiertem -u nach langer Stamm-/Sprechsilbe halte ich für unmöglich. Aus allen diesen Bedenken heraus ist Lindqvists Interpretation als phantasievoll, aber nicht überzeugend einzustufen. Nordén: En cettR hala gafrautt at gialdi. A sat fapir, umb sat fapir, suap œi attu Ufa. Framas ncetr auk dagaR, es AlrikR LumbR hugpat at divisi, d.i. "Och kämparnas skara gav guld i gengäld. Med trolldom utverkade fadern, att de alltid fingo behâlla livet. Ären gâ, och Alrik Lumber tänkte ej pâ Ejvisl." Trotz der durch Von Friesen vorgebrachten sprachlichen Einwände glaubt Nordén wie schon Lindqvist, AlrikR LumbR mit dem västergötländischen Gesetzessprecher Lumber gleichsetzen zu können: "Sprâkliga svârigheter, om nu sâdana verkligen finnas, för en Identifikation av de bâda namnen [...] äro i vaije fall icke av den storleksordningen, att de kunna stjälpa en av sä starka realsjäl stödd tolkning. [...] Med tanke pâ den andliga skaparkraft, den omfattande runlärdom och den känsla för värdighet och stil, som Sparlösamästaren lagt i dagen, dà han skapade sin stolta sten, finner jag det enklast att antaga, att sägnernas lagman Lumber just är Sparlösamonumentets AlrikR lubR." (Nordén 1943:208). Man mag an diese
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Lösung glauben oder nicht. Die Einordnung dieses Teils in den Gesamtkontext durch Nordén gebe ich unter der Seite C. Marstrander: [Sáfást stájla gafFreyla at gjaldi... satfaöir Uppsal, fadir svaö œtta sótti bata Eyvisl. ... (st)emmas nçtur ok tágar, ár Alrik Ullu (bidr) (ok pí). d.i. "(Denne) ga som gjengave (det rik)est (prydede) av sverd til Fr0yle. (-'s) far sat i Uppsal, denne far hvis aetlingers beste Eivísl s0kte. (Inntil) nesler ok rotskudd stanser i sin vekst, (sâ lenge vil han derfor ogsâ sikre) Alrik Ulla âr." Zu diesem Text kommt Marstrander, indem er anders als die anderen Interpreten das Ende der dritten Zeile als Nachtrag zur zweiten annimmt (taiuisl); er faßt ihn als Dokument eines Freys-Kultes auf, die Begründung dafür gebe ich unter Seite C. Svärdström: ... ga/raul (el. raut) at gialdi... [p]a (?) sa[t] faöiR Upsal (?), fadiR svaö ... NcetR ok dagaR. AlrikR lu[bi]R ugÙ[i]t (?) 0yuls ... d.i. "gav ... i gengäld ... Dà (?) satt fadern i Uppsala (?), fadern som ... Nätter och dagar ... Alrik lu[bi]R fruktade (?) ej (?) Öjuls ...". Ein zusammenhängender Text läßt sich aus diesen Fragmenten nicht erschließen. Seite C: Lesungen: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström: von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström:
siksnufraui J^atsikmaraitimakuRairikis (Îuti)siksnnRsuaiû^atsikmaraitimakuRairikis siksnuiuaiu fiatsikmaraitimakuRairikis saksnufraui ¿atsikmaraitimakuRairikis s-ksnufraui fmtsikmaraitimakuRairikis makiniaru makiniaru makiniaru makiniaru makiniaru Jjuna Jiuna t>una t>una {)una aftaiuisukraj) aftaiuisukraj) aftaiulsukraj) aftaiuisukrajDk aftaiuisukraj) runaR{iaRrakinukutuiuJ)arsuat)alirikulubufaJ)i runaRJiaRrakinukutuiu|)arsua{)aljrikulubufa|)i runar {laRrakinukututufiarsuafial rikulubufa^i runaRJ)aRrakinukutuiu{Darsuat)alirikulubufaf)i runaRfiaRraki -ukutuiu{>arsua{)alirikulubufaj)i
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Von Friesen: Seg ek sçnnu Frey (alternativ: Saht er nú Frey), at Sigmarr eiröi ( = spardi), mágr (mçgr) Eiríks, meginiçrdu ná eptir Eyvísl (Eyuls). Ok rád (pú) rúnar peer enar reginkunnu par svá atAlrekr lubRfádi. "Ich bestätige in Wahrheit vor Frey, dass Sigmar, der Schwiegersohn (ev. Pflegesohn) Eriks, darauf verzichtete, den Hauptteil des Erbgutes in Besitz zu nehmen nach dem Eyjuls. Und deute (du Leser) die von den Götter stammenden Runen hier, die Alrek IubR ritzte." Von Friesen konstatiert selbst (1940: 42), daß diese Interpretation mehr oder minder auf Vermutungen basiert, da der Anfang der ersten Zeile zerstört ist. Seine Rekonstruktion bleibt im Kontext einer Rechtsinschrift, wie oben bereits dargelegt wurde; die Frage könnte sich allerdings stellen, wieso der Leser einer (doch allgemein gültigen und auf Verständlichkeit angelegten) Rechtsurkunde vom Runenmeister dann noch aufgefordert wird, "die Runen zu deuten", was doch wohl auf einen verschlüsselten Sinn hinweist. Dieses Problem stellt sich aber bei jeder der vorgeschlagenen Interpretationen. Lindqvist: B0tti seks ni[g]iR suœiti, pat sigmœrr œiti maguR Aíirikis magini iaru pun(n)a. ¿Eft Myisung - ráp rúnaR páR raginukundu, "iu"par suáap Al(l)i rík[i] ull0bufœpi! D.i. "Blodet (av Öjisel) gav bot för sex fall, sâ att Eriks son mâ heta den segerrike kämpen (egentl. förstärkaren av stridens âskor). - Tyd de gudomliga runorna, som Al(l)e den mäktige, sâ som majestätet höves, här ("iu"?) har skrivit tili minne av Öjisels son!" Mit iu ist laut Lindqvist etwas "sachlich Wichtiges" gemeint, eine Interpretation gibt er dennoch nicht; wenn man den Komplex aiti zu aisl. heiti stellt, muß man annehmen, daß im Dialekt des Sparlösa-Steines h- im Anlaut geschwunden ist, was vielleicht eine Erklärung dafür sein könnte, warum die gesamte Inschrift keinen einzigen Beleg für die h-Rune bietet. Zum Inhalt von Lindqvists Interpretation vgl. oben. Nordén: Sigs nu i vœu, pat sigmœrR hœiti maguR ¿Erikis, /maginiarR??/ puna. Aft yEivisl. Ok rap ruñar par raginukundu, par suap AlrikR LumbR fapi. d.i. "Nu sägs i vi'et, att segerfrejdad heter sonen tili Erik, (strids)dânens ökare (?). Efter Ejvisl. Och tyd runorna, de gudastammande, dem som Alrik Lumber ristade." Nordén sieht einen engen Zusammenhang zwischen der Inschrift auf Sparlösa und der auf dem Stein von Kälvesten, die von den Runenformen her gesehen zeitlich nicht sehr weit auseinanderliegen sollten. Auf beiden Steinen - und nur hier - ist der Name Ejvisl belegt, so daß die Annahme, es könnte sich in beiden Fällen um denselben Mann gehandelt haben, vielleicht berechtigt ist. Auf Kälvesten heißt es von einem Sohn Auint: sa fiali austr miR aiuisli "er fiel im Osten mit Ejvisl". Aufgrund dieser Angabe nimmt Nordén an, es habe sich bei Ejvisl um einen Vorläufer des auf vielen Runensteinen des 11. Jhds. belegten Ostlandfahrers Ingvar gehandelt, um den Anführer einer Kriegergruppe, die entweder in Rußland oder im Baltikum heerte. Ejvisl und der Gesetzessprecher Lumber seien in ihrer Jugend Waffenbrüder gewesen, die an Unternehmungen wie denen Ingvars teilgenommen hätten, und einer ihrer Väter hätte mit steter Wachsamkeit dafür gesorgt, daß beide diese Fahrt überlebten. Während Alrikr Priester eines Heiligtums wurde (und sich auf Seite E als Auftraggeber bzw. Runenmeister des Steins von
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Sparlösa zu erkennen gibt), nahm Ejvisl weiterhin an Kriegszügen teil. Er fiel, und als die Nachricht von seinem Tode in Sparlösa bekannt wurde, beschloß Alrikr den toten Freund mit einem Gedenkstein zu ehren, mit der stolzen Poesie der götterentstammten Runen und mit den Bilddarstellungen, die seine Lebenswelt verherrlichten (Nordén 1943:209). Auch bei dieser Interpretation wäre in sprachlicher Hinsicht u.a. festzuhalten, daß im Verb heiti das anlautende h- nicht geschrieben wäre. Marstrander: Saks's nu Freyi/pat's Sigmar(r) reiddi / mçgr Eirikis / meginhjçr punna. Ept Eyvis(l) (sugg) rád'k ruñar peer reginkyndu par svadAlrik Ull-lúfa fádi. d.i. "Fr0y har nâ fâtt sakset Sigmar, som Eiriksaetlingens s0nn svinget, det mektige, skarpe sverd. (Jeg Vegest listet) disse runer som gudene âpenbaret for gydjen som skrev dem her for Alrik Ulla etter Ei vis (sugg)." In den ersten drei Zeilen sieht Marstrander eine altschwedische Strophe im Fornyröislag, die "av stor kulturhistorisk betydning" ( 1 9 5 4 : 5 0 3 ) sei und den Ausgangspunkt seiner Interpretation bildet: saks's nu Fr0yi pat's Sigmarr reiddi mçgr Eirikis meginhjçr punna. Er geht ferner davon aus, daß /h/ in der gesamten Inschrift nicht geschrieben ist, und ergänzt deshalb nach Belieben h-Runen, etwa in (h)jaru. Die Orthographie soll der des Rök-Steines entsprechen, so daß identischer Aus- und Anlaut eines Wortes nur mit einer Rune bezeichnet wäre (ich verweise abermals auf airikissunR, allerdings in der Monumentalinschrift), etwa in sigmar(r) reiddi oder in gaffr0y. Eine solche orthographische Regelung ist nicht auszuschließen. In sprachlicher Hinsicht würde die Strophe den gleichen Stand wie die Strophe auf Rök widerspiegeln, mit unsynkopierten Formen in *hjaru (vgl. fiaru auf Rök) und makuR (vgl. karuR auf Rök), was dafür sprechen könnte, daß sie dem gleichen zeitlichen und feierlichen Niveau entstammen. Eine Form reiddi zu reiöa "schwingen" würde in diesen Kontext passen, eine Konj.-Form œtti oder heiti lehnt Marstrander m.E. zu Recht ab. Mit Ausgangspunkt in dieser Strophe leitet er einen Freys-Kult ab, dem der/die Häuptling(e), für den/die der Stein errichtet wurde, verpflichtet waren; dies ist der Grund dafür, daß er das Trennzeichen auf Seite A als ara-Rune für "fruchtbares Jahr" lesen will, ergänzt um zwei Triskelen als Symbol Freys. Zur Seite Β vgl. oben, zu E unten. Nach Marstrander führt uns die Inschrift auf Sparlösa ein in eine fürstliche Residenz mit dem dazugehörigen Heiligtum/Tempel; der glückliche König Eyvisl sei gestorben, sein Nachfolger wurde Alrik. Beider Vater residierte in Uppsala. Alrikr gab dem Gott Freyr das berühmte Schwert Eyvisls mit Namen Sigmar zum Geschenk, wie in der Strophe ausgesagt ist, um auch weiterhin Fruchtbarkeit vom Gotte zu erlangen: "Sparlösaristningen er et Originaldokument til Fr0ykultens historie i hedenskapets siste ârhundrer, et dokument som er samtidig med de begivenheter og den
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religi0se ritus det skildrer, et fantastisk budskap fra hedenskapet som ingen av oss hadde ventet â oppleve. Det lar seg ikke gj0re i denne körte fremstilling â stille innskriften i det historiske relieff den fortjener. Den fruktbarhetskultus som det rituelle opptog gir uttryck for m0ter oss alt i Trundholmvognen med dens hest og solskive og i helleristninger fra eldre og yngre bronsealder. Hva er Sparlösainnskriftene annet enn en gjenfunnet tekst til helleristningens filmbilleder? En anakronisme, det er sä, for det ligger utalte generasjoner mellem billedene og teksten, og bronsealderens norden var etnologisk ikke identisk med den yngre jernalders, - men dette spiller ingen rolle, for denne fruktbarhetskulten var generell og utbredt ikke alene over Europa, men sâ â si over hele kloden: helleristningene og Sparlösaristningen er i siste instans grodd opp av samme lende." (Marstrander 1954:532). Svärdström 1958:226 bezeichnet diese Gesamtinteφretation Marstranders wohl zu Recht als "djärvt", auch Johnsen 1968 gibt sie z.T. nur "med forbehold" wieder. Für den Ausgangspunkt seiner Interpretation, die Strophe, scheint mir jedoch Einiges zu sprechen; allerdings würde ich sie - ebenso wie die auf Rök einer früheren Stufe als die restliche Inschrift zuweisen, weil dadurch die unsynkopierten Formen am ehesten erklärt werden können. Svärdström:... pat Sigmarr (el. sigmœrr) [h]ceiti maguR /Eirikis. Mceginjaru (?) ... Aft 0yuls. Ok rad runaR paR rœginkundu par, svaö AlrikR lubufaöi... d.i. "... att Sigmar (el. segerfrejdad) heter (el. kailas, mâ kailas) Eriks son ... väldig strid (?) ... Efter Öjuls (är minnesvârden rest). Och tyd runorna dar, de frân gudarna stammande, som Alrik lubu ristade ..." Wirklich sicher ist also nur der letzte Teil, in dem ausgesagt ist, daß Inschrift und Bilder für Öjuls angebracht wurden, und daß Alrik die götterentstammten Runen ritzte; daraus lassen sich für den Rest der Inschrift keine sicheren Schlußfolgerungen ziehen. Seite E: (Seite D enthält nur Bilddarstellungen) von Friesen: Lindqvist: Nordén Marstrander: Svärdström:
uiuram/riukrj3sa(i?)rikrauibinai / —kunRukliusi / ~iu uiulRam/sasiukr{)sarsksnuibinti/alamharkunRuklius / ~iu uiuram / urkir / sarsksnuabinjii / sikunRuklius / ut uiuram /-iukmsalriksauibanta /—kunRukliusi /~iu uiu-am / --ukr-sa r-k-nu-b-n~ / —kunRukliusi / ~iu
Eine überzeugende Interpretation dürfte angesichts des fragmentarischen Zustande der Zeilen unmöglich sein, Svärdström 1958:227 hat deshalb weder einen normalisierten Text noch eine Übersetzung; ich gebe kommentarlos die Vorschläge der Interpreten, die z.T. selbst nur mit Vorbehalten ihre Ergebnisse präsentierten: Von Friesen: Griótgards Eiríkr á Véby nái... oder Tryggráds Eiríkr Nyby nái... Véorr em. d.i. "Erik, der Sohn Griutgards in Wäby, erwerbe .." oder "Erik, der Sohn Tryggrads, erwerbe Nyby ... ich bin der Hüter des heiligen Ortes." Lindqvist: Uéi úl[a]Ra mannR. Sá sii ágr[i]p' (-grup'), scer[p]sk', 's snúi bendi, aliarti hœr kunnR ok liussl d.i. "En helgedom misshandlar man icke. Den
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som förändrar tecknet (d.v.s. vränger skriften), vare fredlös, pervers otuktig, för allt folket känd och uppenbar!" Nordén: Se kunR ok lius / sar's k(ann) snua bindi / ut! VœrrR œm / yrkiR. d.i. "Vare den frejdad och ljus, som kan finna ut meningen. Skaparen (av minnesvârden) ar jag, vi-förständaren." Marstrander: Véu romm - hjók hross Alriks á vé band. - gunnr ók Ijósi jó. d.i. "Jeg ràder gydjens ramme runer. Jeg hogg Alriks ganger pâ gudenes tempelland. (Men Arn-)gunn kj0rte lyset med hesten." Svärdström: Gibt keine Interpretation dieses Textteils und bezeichnet die Vorschläge der anderen Interpreten zu Recht als "gissningsförsök". Um ein Fazit aus den Interpretationsvorschlägen zu ziehen: der Text auf Sparlösa ist offensichtlich zu geheimnisvoll und in einigen Partien zu fragmentarisch, um heute von uns eindeutig verstanden werden zu können. Über die Seite E läßt sich m.E. überhaupt nichts sagen, außer daß vielleicht über ein Heiligtum irgendetwas ausgesagt sein könnte. Eine völlig zutreffende Charakterisierung gibt Svärdström 1958:227f, die zugleich als ihre "Interpretation" gelten kann: "Oaktat betydande delar av inskriften ännu äro bevarade, ha skadorna i stenen tyvärr träffat inskriften pâ sâdana Ställen, sammanlagt ett 20-tal, att textsammenhanget även innehällsmässigt sett brutits. De tolkningsförsök, som tidigare ha gjorts (Jungner, v. Friesen, Lindquist, Nordén, Marstrander), ha ocksâ lett tili résultat med sinsemellan sä olika innebörd, att de enbart härigenom tili fullo bevisa de oöverstigliga svârigheterna att nâ fram tili en slutgiltig tydning. Textens fragmentariska runföljder kunna endast lämna sporadiska upplysningar. Stenen torde vara rest till minne av Öjuls. Öjuls säges vara Eriks son. Möjligen hade denne Erik säte i Uppsala. Huruvida den maguR ALirikis, som nämnes längre fram i inskriften, är identisk med Öjuls eller avser en annan man, eventuellt med namnet Sigmar, kan dock icke avgöras. Stenens mästare uppger sig heta AlrikR lubu. Andra detaljer visar, att inskriften utöver uppgifter om släktskapsförbindelser även har rent berättande inslag. Den talar om en gâva och en gengâva (I och Π:1). men vari dessa ha bestàtt finnes nu icke klart uttryckt. En obestämd tidsrum (böqan av Π:3) skiljer händelser ât. En "väldig strid" kan mähända utläsas ur ΙΠ:2." Diesen Fakten läßt sich noch hinzufügen, daß die Tätigkeit des Runenanbringens hier wie auf anderen frühen Inschriften (Rök, Lindholm, Helnaes, Fleml0se 1, Kälvesten, Oklunda, Gursten, vielleicht auf dem verlorenen Stein von Rottnekvarn, aber auch noch auf dem Ring von Forsa um 1100) mit der Verbform fa pi bezeichnet wird. Wie Eggjum ist auch Sparlösa ein immens wichtiger Stein für die Geschichte der Runenschrift - die genaue Aussage dieser Inschriften scheint uns aber heute nicht mehr zugänglich zu sein.
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6.1.6 Kupferblech von Ulvsunda: ca. 800 Die kleine Platte aus Kupferblech wurde 1939 in einem Grab gefunden, das laut Nordén 1943:145 auf ca. 800 datiert. Die Runen sind im Durchschnitt 2-3 mm hoch, sie sind in zwei Reihen angeordnet, am linken Rand sind die oberen Teile einiger Runen durch Verwitterung völlig zerstört. Die Lesung bei Nordén, der Johnsen 1968:129 folgt, lautet wie folgt: 1) u(isat)uruakRutimisfulkiR 2) fakiskafriua was normalisiert ergäbe: Vesat (tu) órvakR úti misfylgir! Fangi skaöi vá "Sei
nicht sehr aktiv außerhalb (des Grabes), Wiedergänger! Der Schädiger bekomme Unglück." Da die zweite Zeile und das letzte Wort in Zeile 1 klar zu sein scheinen, kann es sich eigentlich nur um eine magische Inschrift (gegen Wiedergänger) handeln (vá "Unglück, Verderben"), d.h. die Interpretation Nordéns sollte im wesentlichen richtig sein; der Anfang der Inschrift ist natürlich nur hypothetisch zu ergänzen, auch dies scheint in der gegebenen Form vertretbar. Allerdings setzt Lesung wie Interpretation voraus, daß die "normalen" Runen für und in ähnlicher Weise vertauscht sind, wie dies später auch z.B. bei und eintreten kann, denn in Zeile 1 steht Ρ für und 1 für , was zumindest ungewöhnlich ist. Die weiteren Runenformen sind die der Kurzzweigrunen, mit ] = , 1 ι = . Auffällig sind ferner die drei Varianten der a-Rune \ Jf die die Inschrift nebeneinander verwendet ( ist nicht belegt), wofür aber einige andere Inschriften Parallelen bieten. Da eine exakte Datierung des Grabes und damit des Bleches nicht möglich ist, kann Ulvsunda allenfalls eine magische Inschrift in Kurzzweigrunen aus dem Anfang des 9. Jhds. bezeugen; weitere Schlußfolgerungen in runologischer Hinsicht ergeben sich nicht. Der fragmentarische Zustand der Zeile 1 ermöglicht keine Festlegung eines Zahlenwertes; für Zeile 2 ergibt sich nach der Reihenfolge des Jüngeren Fu{>ark bei 11 Runen eine Summe von 77 = 7 χ 11, wobei die Zahl 7 auf die siebte Rune im Fujjark verweisen könnte: $ "Verderben", und so die Gesamtaussage von Zeile 2: vá auch zahlensymbolisch verschlüsseln könnte.
6.1.7 Lindholm Messerschaft: ca. 800 Aus dem (Brand-) Grab Nr. 604 des seit 1952 ausgegrabenen Gräberfeldes von Lindholm H0je stammt ein Knochenstück mit Runen, das vermutlich den Griff eines Messers darstellte; in diesem Grab fanden sich weiter ca. 150 Glasperlen, 20 schmale Nadeln und etwa 20 Klumpen aus geschmolzener Bronze. Von diesen stellt einer die Überreste eines Armreifs dar, der mit seiner Ornamentik von aufgestempelten Halbmonden vielleicht dem Beginn der Vikingzeit zugewiesen werden kann (Ramskou 1953:194). Andere Artefakte aus anderen Gräbern können
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gleichfalls dem 8. und 9. Jhd. zugewiesen werden, aber gerade für das Grab 604 ist die Evidenz ziemlich gering. Trotz des Hinweises von Baeksted 1953, daß die Datierung ca. 800 "must seemingly be set within fairly wide limits", wurde von anderen Runologen der Ansatz um 800 für die Inschrift "on archaeological grounds" (Moltke 1985a:350) übernommen. Die ca. 9 mm hohen rechtsläufigen Runen sind in zwei Zeilen mit einem Messer eingeritzt, laut Baeksted ist nicht sicher zu entscheiden, ob sie gleichzeitig und vom gleichen Mann angebracht wurden; sie bieten folgenden Text: A) S i r f S M I W Β) ^Γϊ^ΠΓΙ^ΙΜΓΙΚΊΉ = sikasuaia/a t>urufirit>ilikatii; vgl. Krause 1970:95; Baeksted 1953:196ff; Moltke 1985a: 155,348f. Baeksted las die letzte Rune in Zeile A als , die viertletzte in Zeile Β als oder , entschied sich aber in seiner Interpretation für ; beide Lesungen wurden von den folgenden Interpreten übernommen. Ich hatte im Sommer 1988 die Gelegenheit, den Messerschaft zu untersuchen und komme zu einer in zwei Punkten von Baeksted, Krause und Moltke abweichenden Lesung: 1) die letzte Rune der Α-Seite ist eindeutig nicht Jf, und 2) die viertletzte Rune der B-Seite ist m.E. nicht Υ, sondern f ; die Sequenz/das Wort wäre also als fapi, nicht als *kapi zu lesen. Baeksted 1953 hatte sich außerstande gesehen, für die Zeile A) einen Interpretationsvorschlag vorzulegen, er merkt lediglich an, es könnte sich um den Namen des Runenschreibers handeln: "But it does not seem that these runes can be interpreted as the name of a person (not even written in any cryptographic system) corresponding to the customary Scandinavian names of the Viking age." (Baeksted 1953:199). Der Vorschlag, den Namen als sigga svcein(n) "Siggis Bursche" aufzufassen, stammt von Krause 1970:95, der von einer Verschreibung am Ende (f statt ΊΟ der Zeile ausgeht3. Bei einer Lesung der letzten Rune als A ist eine solche Verschreibung jedoch unwahrscheinlich. Dennoch muß dieser Teil der Inschrift wohl als Namensnennung aufgefaßt werden (vielleicht mit Auslassung einer nRune?), gefolgt vielleicht von der Präposition ά (oder einer Abkürzung/Begriffsrune?). Die Zeile B) wurde von Baeksted in zwei Wörter segmentiert, in den Dativ eines Frauennamens purufiripi mit zwei Sproßvokalen in R. 4 und R. 6 (statt porfripi) und in likapi, das Prät. eines schwachen Verbs lika, für das er die Bedeutung "gefallen, zusagen" erwägt, sich dann aber doch für "polieren" entscheidet. Der Text wäre dann nach ihm als "(X) polished (the knife handle, or perhaps the knife) for |>orfn8r" zu lesen (Baeksted 1953:198). Andere Interpretationen sind bei dieser Lesung denkbar: wäre in Zeile A) vom Schreiber )(\ als aufgefaßt (und deshalb ausgelassen worden), so ergäbe sich als Text möglicherweise Sikasvœi(ni) á Porfrídi Itkaöi "Dem Si(n)kasveinn gefiel es an/auf/bei/in Porfriör", ein Texttyp, der in Anbetracht einiger Neufunde auf Holz aus Schleswig und Ber-
Moltke 1985a:348f weist fälschlicherweise diesen Vorschlag Bxksted zu und gibt lediglich in einer Fußnote einen Hinweis auf Krause.
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gen nicht völlig unwahrscheinlich ist. Aber dieser Vorschlag (wie auch der Baeksteds) ist wohl aufgrund der korrekten Lesung in Zeile B) nicht haltbar. In Zeile A) sind die Runen mit einfach geritzten Strichen angebracht; in Zeile B) stehen dagegen zunächst doppelt geritzte Runen (sehr ähnlich denen auf dem Stab von Hemdrup oder auf dem Kamm von Haddeby), deren Zwischenräume von Haupt- und Beistäben durch kleine, dreieckige Eindrücke mit der Spitze des Messers verziert sind ("contour runes"); in ihrer Wirkung erinnern diese Runen an die Tremoliertechnik auf dem Runenhorn von Gallehus. Die drei letzten Runen dieser Zeile sind dann wieder mit einfach geritzten Strichen geschrieben, und m.E. nach eindeutig auch die viertletzte Rune, die die Form f hat. Es steht deutlich nur ein Hauptstab, und es scheint klar, daß zwei Beistäbe intendiert waren, denn der Zwischenraum entbehrt der Ausschmückung durch Messereindrücke4. Somit wären die vier letzten Runen der Zeile B) als fa|>i zu lesen, als Prät. des Verbs fá "malen, schreiben" oder mit den beiden vorangehenden Runen als lifadi (letzteres halte ich aus morphologischen wie typologischen Gründen für unwahrscheinlich). Die Form faöi als Terminus technicus für das Anbringen der Runen auf einem Gegenstand oder Stein ist für den mutmaßlichen Zeitpunkt höchst charakteristisch, sie findet ihre Parallelen z.B. auf Rök, Kälvesten, Oklunda, Sparlösa, Gursten, Helnaes und Fleml0se 1. Ich schlage deshalb vor, den Text der Zeile B) wie folgt zu segmentieren: purufiri pilifapi, wobei puru Kasus obliquus zu einem Frauennamen í>óra sein dürfte, firi für die Präposition fyrir "für, vor etc." stehen könnte, und sich für den Komplex pili verschiedene Möglichkeiten anbieten würden: aisl. peli mask, "gefrorener Boden" und nisl. pél η. "zusammengelaufene Milch" kommen aus morphologischen und semantischen Gründen wohl nicht in Frage, aisl.pil und pili η. "Scheidewand, Zwischenwand aus Holz, Fußboden, Diele" würde morphologisch passen, macht aber im Kontext einer Inschrift auf einem Messerschaft nur mit Mühe einen Sinn; daher können aus dieser Inschrift - gleich welche Interpretation man bevorzugt - auch keine Schlußfolgerungen in sprachlicher Hinsicht gezogen werden, vielleicht mit Ausnahme des Verbs fapi, das in den zeitlichen Kontext gut passen würde. Alles Weitere ist jedoch unsicher. Von runologischer Seite ist lediglich zu konstatieren, daß die Inschrift keine Formen der Kurzzweigrunen verwendet, die Formen entsprechen bis auf Jf denen auf den ältesten dänischen Steinen vom Typ Helnaes-G0rlev (allerdings ist nur ^ wirklich signifikant); die meisten Steininschriften haben fur /a/ die Form sjc, aber etwa auf Helnaes ist konsequent )( (neben Η = ) geschrieben, auf dem einige Jahre jüngeren Stein von Fleml0se 1 verwendet derselbe Runenmeister Jf und 3< | nebeneinander, ebenso sind auf Snoldelev beide Runenformen nebeneinander verwendet; auf dem Holzstab von Hemdrup steht ausschließlich dieser steht aber auch mit f¡ für auf einer jüngeren Stufe. Es wurde oben (in 3.5) arguEs gibt in diesem Bereich zwar kleinere Beschädigungen des Knochens, doch haben diese einen völlig anderen Charakter als die mit dem Messer angebrachten Dreiecke im Bereich der doppelt geritzten Runen dieser Zeile.
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mentiert, daß es sich bei X um eine ursprünglich im südskandinavischen Raum entstandene Variante gehandelt haben könnte, die dann offensichtlich eine Zeitlang (jedenfalls in Dänemark) neben J|c verwendet werden konnte; dieses wäre dann die "Normvariante" des gemeinnordischen Jüngeren Fujjarks gewesen. Mit der Reform der Kurzzweigrunen in Schweden setzte sich dort -f (und seine Varianten) auf Kosten von s|c durch (vgl. oben 6.1.4 Sparlösa), wodurch diese Variante wohl auch in Dänemark bekannt(er) und häufiger verwendet wurde. Zur ausschließlichen Norm wird sie mit der dänischen Schriftreform, die die Steine von G0rlev und Malt dokumentieren, wodurch gleichzeitig ψ als Graphem für frei wird. Auf eine gewisse Ähnlichkeit der doppelt geritzten Runen auf Lindholm mit denen auf dem Runenhorn von Gallehus wurde bereits verwiesen; betrachtet man nur die Zeile B) von Lindholm, so ergibt sich eine weitere Parallele: wie auf Gallehus ist hier die "Haupt-"Inschrift durch kunstvolle Runen hervorgehoben, das abschließende Verb in beiden Inschriften (tawido resp.fapi) dagegen mit einfach geritzten Runen; ob hier aber eine Kontinuität der Vorstellungen anzunehmen ist, muß als höchst fraglich gelten. Auffällig sind jedenfalls die (rein zufalligen??) Zahlenwerte, die man erhält, wenn man die Inschrift auf Lindholm in der Reihenfolge des Jüngeren Fu^ark durchzählt: Die Inschrift B) enthält 12 doppelt geritzte, hervorgehobene Runen und vier einfach geritzte; die drei hervorgehobenen Wörter zählen (wenn man die oben vorgeschlagene Segmentierung akzeptiert!) fiuru = 12; firi = 24; Jiili = 36; also eine aufsteigende Reihe von Vielfachen von 12, zusammengenommen ergibt sich 72 = 6x12. Der Teil A) der Inschrift zeigt 9 einfach geritzte Runen, die zwei Wörtern oder einem Kompositum entsprechen; zusammen ausgezählt ergibt sich die gleiche Summe von 72 = 6x12 wie bei dem hervorgehobenen Teil auf B). Die beiden Teile sika und suaia zählen jeweils 36 = 3x12, A) und B) ohne das Verb fapi zusammen 144 = 12x12, also das Quadrat der Zahl der hervorgehobenen Runen; fafii selbst zählt 23, steht also offenbar außerhalb der Reihe. Ob hiermit irgendwelche zahlenmagische Aussageabsichten verbunden sein könnten oder ob es sich um reine Zufälligkeiten handelt, vermag ich nicht zu entscheiden; aber auf die Auffälligkeit sollte doch hingewiesen werden.
6.1.8 Björkö Silberblech: 1. Hälfte des 9. Jhds. Aus dem Grab Nr. 552 von Birka stammt ein kleiner Gegenstand (1,8 χ 1,5 cm) aus Silberblech mit einer Runeninschrift von maximal 4 mm Höhe, der offenbar als eine Art Amulett fungierte. Die Grabausstattung war verhältnismässig reich, es fanden sich u.a. dort ein Perlenhalsband mit kleinen orientalischen Anhängern und 3 Spangen, die laut Nordén 1937:161 ins frühe 9. Jhd. oder dessen Mitte datieren; Johnsen 1968:128 übernimmt diesen Zeitansatz. Bei dem Silberblech handelt es sich offenbar um ein Sekundärstück, das aus einem größeren Schmuckgegenstand
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herausgeschnitten worden war, "vars Stil i varje fall icke varit nordisk. Om det är av frankiskt eller nâgot annat kontinental-europeiskt ursprung eller rent av orientaliskt fâr jag lämna ât andra att utröna." (Nordén 1937:161). Es besteht aus zwei Lagen Silberblech mit Filigrandekor, die mit ihrer konkaven Form einen Hohlraum in der Mitte bilden, in dem ein kleinerer Gegenstand (mit magischer Funktion) aufbewahrt gewesen sein könnte. Durch beide Lagen gehen drei kleine Löcher, und in einem davon findet sich noch der Stift, mit dem das Amulett an irgendeiner Unterlage befestigt gewesen sein dürfte. Die Runeninschrift steht auf der unverzierten Seite in vier Reihen, die durch Rahmenlinien voneinander getrennt sind; in jeweils zwei der rechtsläufigen Zeilen stehen die Runen mit den Köpfen zueinander, so daß sich oberhalb und unterhalb der Mittellinie zwei Inschriftenteile, die boustrophedon angeordnet sind, ergeben. Diese beiden Teile A und Β der Inschrift scheinen jeweils einen selbständigen Satz/eine Aussage wiederzugeben. Die Runenformen sind eine Mischung aus Typen der Kurzzweigrunen und der Formen in den dänischen Inschriften vom Typ Helnaes-G0rlev; so wird für nebeneinander f und 1 (allerdings ganz am Rand der Zeile, die Form könnte platzbedingt sein) verwendet, für steht für und h p; zweimal hat die Inschrift die Rune M, einmaliges ^ scheint für zu stehen; außerdem finden sich die Binderunen oder und oder . Irgendwelche Trennzeichen weist die Inschrift nicht auf. Ein ähnliches Mischalphabet weist allenfalls noch der Stein von Sparlösa auf, dort allerdings doch relativ konsequent auf die unterschiedlichen Seiten der Inschrift verteilt, während hier auf Björkö der Eindruck entsteht, als seien die Varianten willkürlich oder nach dem Zufallsprinzip zusammengebracht worden. Die einzige mir bekannte vollständige Interpretation der Inschrift stammt von Nordén 1937:160ff. Er unterscheidet einen Teil A mit den Linien 1 und 2 und einen Teil Β mit gleichfalls zwei Linien: ai: A2: Bi:
B2:
j w n r M i u n kIK
= ananku/ukkmuRat = rik
rnirnKMiw
sirmrnn
= f>atikukmnana = sakarathitjDa
Ausgangspunkt für die Deutung bildet der zweimal vorkommende Komplex ukm: mit Verweis auf die Inschrift von Ingelstad, die etwa aus dem gleichen Zeitraum stammt und eine Rune D zeigt, die mit ihrem Runennamen zu lesen ist, schlägt Nordén vor, die Rune fl hier auf Björkö mit ihrem Begriffswert maör oder einer flektierten Form dieses Namens zu lesen. Der Komplex wäre also parallel zu sehen zu Röks ukmini (das verschiedene Deutungen erfahren hat, von Nordén als "Jüngling" aufgefaßt wird). Die Inschrift A könnte dann eine magische
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Formel enthalten, eine Beschwörung, die einen jungen Mann zu irgendeiner Aktion bewegen soll. Das Ende von Al und A2 könnten dann zusammen das (sonst nicht belegte) Wort *atrek "strävan fram mot ett föresatt mài" bilden, dem die Präposition úr/ór "aus, heraus" vorangeht; am Anfang von Al steht das Verb anna in einer Mediopassiv-Form (vgl. aisl. annask "sich kümmern um, sich jemandes oder einer Sache annehmen"), die Schreibung anank für *annumk ist allerdings seltsam, aber für Nordén möglich. "Tankegängen i den sâlunda konstituerade satsen är alltsâ denna: jag tar den unge mannen mig omhänder (och) ur hans nuv. strävan. Översättningen blir därför: "jag driver ynglingen bortfrän hansföresats". (Nordén 1937: 167). Der Text des Teils Β läßt sich dann wie folgt normalisieren: pat ek ungm(enni) nana sakar at hitt pâ. Als Verb fungiert hier vielleicht der Komplex nana, dem Nordén ziemlich willkürlich die Bedeutung "uttala trolldomsord" zuspricht. Dadurch gelangt er für den Teil Β zu folgender Aussage: "Dieses (nämlich die Beschwörung des Teils A) sage ich in magischer Absicht gegen den jungen Mann, der bereits einen Teil seiner Absichten verwirklichen konnte." Das Ganze könnte dann den Teil einer erotischen Intrige darstellen: "Tvâ rivaler, den ena gynnad, den andra försmädd men icke villig att ge upp kampen. Eller en ung kvinna, som kämpar för att vända bort sin älskades hâg frân en annan kvinna och sâ fâ honom tillbaka igen." (Nordén 1937:168). Johnsen 1968:128 übernimmt diese recht phantasievolle Deutung ohne Kommentar, sie weist lediglich darauf hin, daß auch das Kupferblech von Ulvsunda (vgl. oben 6.1. 5) eine magische Inschrift trägt. In Ermangelung einer überzeugenden Alternative bleibt vorläufig nur die Deutung Nordéns, aber für weiterreichende Schlußfolgerungen ist der von ihm postulierte Text zu unsicher; es bleibt der Eindruck einer in einem Mischalphabet verfaßten Inschrift mit zu vermutender magischer Absicht, deren genauer Sinn uns verschlossen bleibt. Daß in den Zeilen Al, B1 und B2 jeweils 12 Runen (allerdings zweimal in Binderunen) übereinander stehen, mag auf einem Zufall beruhen.
6.1.9 Oseberg I + Π: ca. 850 - Das Problem der zwei Allophone für /r/ Das im Jahre 1904 ausgegrabene Wikingerschiff von Oseberg enthielt unter anderem drei Runeninschriften auf Holzgegenständen; die reichen Holzschnitzereien des Oseberg-Fundes ermöglichen eine Datierung des Grabes der reichen (königlichen?) Dame von Oseberg in die Mitte des 9. Jhds. (Shetelig 1949:105, Graham-Campbell 1982:226). Die Zuweisung des Grabes an die Großmutter Harald Schönhaars, Âsa, ist ansprechend, aber nicht gesichert. Die Inschrift auf einem der drei Schlitten ist bis auf eine Rune R unleserlich, lediglich die Reste von insgesamt neun Runen sind noch erkennbar. Auf einer langen Holzstange, die vielleicht als Fahnenstange gedient hatte, finden sich die neun Runen ΓΙΙΙΓΓΊΙ'ΐ. die als litiluism zu lesen sind. Verschiedene Interpretationen wurden vorgeschlagen: Bugge 1904:21 lítil-vís (er) maör "der
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Mann ist wenig weise, er weiß wenig", Bugge 1910:222f lítill viss'm "(obwohl) klein, bin ich weise" und lítill vés'm "ich, der Kleine, gehöre dem Heiligtum", Haegstad in Olsen 1951:165 schlägt vor, einen Namen Vestmadr zu lesen, Olsen 1928:289f vermutet in lítil-víss maör eine Umschreibung des isl. Namens Óspakr, Lindqvist 1940:137f möchte die Inschrift zu "ein wenig weiser Mann (wohnt in dieser Stange)" ergänzen, Johnsen 1968:172f schließlich verweist auf die wahrscheinliche Funktion der Stange und übersetzt lítil vés'm als "Ich gehöre dem kleinen Banner". Alle diese Vorschläge sind möglich (obwohl vé als "Banner" im Aisl. nicht belegt ist), von allen Interpreten wird die letzte m-Rune entweder als Begriffsrune für maör (entsprechend dem Runennamen) aufgefaßt oder als die suffigierte Form em der Kopula 1 .Sg.Präs.Ind. Mich persönlich überzeugt am meisten der geistreiche Vorschlag von Olsen, in der Inschrift ein Wortspiel mit dem Namen òspakr "der Un-Weise" zu sehen. In jedem Fall hat die Inschrift von Oseberg I wie auch die von Oseberg Π den Charakter eines alltäglichen, profanen und vielleicht spontanen Gelegenheitstextes, der diese Verwendungsmöglichkeit der Kurzzweigrunen in der Mitte des 9. Jhds. in Norwegen belegt. Auf Oseberg II, einem Holzeimer, steht die Inschrift ΉΚΚΙι asikriR, was als "Sigrid hat (dieses)" zu verstehen ist (Johnsen 1968:174), also als simple Besitzer-Inschrift. Für den Namen kann man entweder Verschreibung/Auslassung einer Rune £ annehmen oder eine lautgesetzliche Assimilation von -ÖR > R; die weiteren Belege für eine solche Assimilation auf Rök, die Johnsen 1968:39 anführt (z.B. sitiR < *sitiöR mit Bezug auf Marstrander 1953:148f), erscheinen mir allerdings fragwürdig, weil schon auf Björketorp um 600 die Ersetzung der Endung der 3.Sg.Präs.Ind. durch die der 2.Sg. belegt ist. So bleibt als Parallele allenfalls miR < *miöR auf dem Stein von Kälvesten um 800. Ein runologisches Datierungskriterium läßt sich vielleicht aus der R-Rune am Ende der Inschrift gewinnen: sie ist in Norwegen neben Oseberg Π nur noch auf zwei weiteren Inschriften im Jüngeren Fufjark belegt, auf dem Stein von Bj0rneby in Kurzzweigrunen (im zweimaligen statR) und auf dem Stein von Valby in "Normalrunen" (im Namen auarpR). Beide Steine werden eben deshalb ins 9. Jhd. datiert (wenn man die Inschrift von Valby zu auarpR fa[pi] ergänzt, würde auch die Wortwahl ein Indiz für eine frühe Datierung darstellen). Die beiden Ä-Laute, die mit den Runen fc und ^ geschrieben werden, müssen irgendwann im Laufe der Wikingzeit zusammengefallen sein, werden jedoch in den meisten schwedischen Runeninschriften des 11. Jhds. noch deutlich auseinandergehalten; aufgrund der Runenbelege nimmt man an, der Zusammenfall sei im Westnordischen später erfolgt als im Ostnordischen, und nach Dental früher als in anderer Umgebung (Wessén 1970:39; Noreen 1970:192; Arntz 1944:98: "In Schweden fallen R und r nach Dentalen im 10., nach anderen Lauten erst im 13. Jahrh. zusammen."). Für Norwegen belegt die Möglichkeit die Rune ^ für /y/ zu schreiben ab ca. 1000 den Zusammenfall der beiden Allophone von /r/. In Dänemark zeigen die Steine der Helnaes-G0riev-Gruppe lautgesetzliches auch nach Dental (z.B. in statR auf Fleml0se I, purmutR auf N0rre Naerâ), der große Jellingstein schreibt dagegen
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haraltr vs. kunukR, könnte also den positionsbedingten Âllophonzusammenfall dokumentieren (auch z.B. auf Glavendrup in ragnhiltr, aber suniR, runaR; der Stein belegt auch die Assimilation von -rR > -rr in pur = Pórr). Nach DR Sp. 970 werden im 11. Jhd. noch beide Runen außer nach Dental in der Orthographie auseinandergehalten, aber diese Auffassung läßt sich nur halten, wenn man für alle Abweichungen Fremdeinfluß annimmt: so wird der Karlevi-Stein (um 1000), der eindeutig über einem dänischen Häuptling errichtet ist und der konsequent fc in allen Positionen schreibt, kurzerhand zum Produkt eines norwegischen Runenmeisters erklärt: "Anvendelsen af r for R ... skyldes norsk runebrug, idet R o g r tidligt faldt sammen i norsk." (DR Sp. 970). Aus dem gleichen Grund wurde der Kamm von Elisenhof mit der Inschrift f M R = kambr "Kamm", der zunächst in die 1. Hälfte des 9. Jhds. datiert worden war, von Liest0l 1973:106 einem Norweger zugeschrieben. Wie spärlich die norwegische Evidenz in Wirklichkeit ist, wurde oben angesprochen. Auch die Tendenz, alle Runensteine, die einzelne Kurzzweigrunen belegen, auf schwedisch/norwegischen Einfluß zurückzuführen (DR Sp. 809), und so etwa die Schreibung sigrifr auf Simris 2 einem schwedischen Schreiber zuzuweisen (DR Sp. 970), ist aufgrund der zahlreichen Neufunde mit Kurzzweigrunen auf dänischem Gebiet nicht haltbar. Für Moltke 1985a:370 ist konsequenterweise der Schreiber des Kamms von Elisenhof (mit korrigierter Datierung auf das Ende des 9. Jhds.), der Kurzzweigrunen für a und b schreibt, ein Schwede5, Gleiches soll für die Holzstäbe von Haddeby aus dem 9. Jhd. gelten. M.E gibt es dafür keinen überzeugenden Grund. Ich halte es für am realistischsten, für alle skandinavischen Sprachen spätestens im 10. Jhd. starke Tendenzen zum Zusammenfall der beiden r-Allophone anzunehmen (vermutlich wirklich am frühesten nach Dental, aber Elisenhof belegt schon vor 900 den Zusammenfall auch nach -b-), eine Entwicklung, die sich im 11. Jhd. durchsetzt und die lediglich durch feste Orthographien (vor allem in Schweden, aber auch dort gibt es zahlreiche Verwechslungen) verdunkelt ist. Das heißt auf der anderen Seite, daß man Inschriften, die noch -R nach Dental bewahrt zeigen, mit aller angebrachten Vorsicht ins 9. Jhd. einordnen kann, wenn keine anderen Indizien dagegen sprechen.
Aus dem gleichen Grund nimmt Liest0l 1973:106 auf der Basis einer Datierung des Kammes in die 1. H. des 9. Jhds. einen Norweger als Schreiber der Runen an: "Er war dann vermutlich weder Däne noch Schwede, sondern eher Norweger. Im Norwegischen scheint der Zusammenfall dieser Laute schon um 900 vollzogen gewesen zu sein, während dänische und schwedische Runenschreiber noch viele Generationen hindurch fortfuhren, die Laute zu unterscheiden. Vielleicht kann die Erscheinung auch durch die Annahme eines sprachlichen Mischmilieus am Handelsweg über Jutland erklärt werden."
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6.1.10 Hemdrup: ca. 850? Der Text auf dem 1949 unter recht seltsamen Umständen (vgl. Moltke 1985a: 353)6 gefundenen Holzstab von Hemdrup steht in einem der polygonen Felder, die den ca. 50 cm langen Stab strukturieren; alle Hauptstäbe sind hier doppelt geritzt, der Zwischenraum zwischen den Stäben ist mit kleinen Punkten oder Keilen gefüllt. Ein anderes Feld enthält die Zeichnung einer Triskele wie auf Snoldelev und Jelling 2, ein drittes zeigt eine völlig unverständliche Geheimschrift, z.T. mit einfach geritzten Runen, z.T. mit Keilen, deren Entschlüsselung bisher noch nicht gelungen ist. Zwei der Felder zeigen einen bzw. zwei laufende Hunde. Einen Datierungsansatz bietet eigentlich nur die Triskele; Skautrup 1951, der Hemdrup als erster publizierte, hielt eine Datierung zwischen ca. 900 und 1050 für möglich, Moltke 1976 und Nielsen 1983 setzen den Stab ohne weitere Begründung ins 9. Jhd. Die lesbaren Runen ergeben den folgenden Text: uanfiikiba · fiukati · asaauaaubi (vgl. Nielsen 1983:59ff.; Moltke 1985a:350ff). Formen der Kurzzweigrunen sind verwendet nur bei \· und /w a/t/h r/m u j i r u n a R i ? ? r/m u w a 1/t/w ? m R/k f a/t/h ; hier erscheinen nur die Runen 6-10 einen sinnvollen Text zu ergeben: runaR. Alle Übrige ist zu unsicher. Melnikova vergleicht die Rune A 12 mit Β 20 und hält die zweite für eine "duplication" der ersten: "It is not yet clear, if they are used as ideograms or letters and if they have the same or different meaning or phonetic value." (Melnikova 1994). Da A 12 auch auf Rök und Β 20 auch auf Gorodische I belegt sind, glaube ich eher an Lautrunen als an Begriffsrunen/Ideogramme, aber das ist natürlich nur eine Vermutung. Wenn man aber Β 20 als spielerische/magische Abwandlung von M (oder vielleicht von M) ansetzt, dann muß der Runenmeister von Alt-Ladoga einige Runen aus dem Älteren FuJ)ark (neben N/f"! ^ und vielleicht H) gekannt haben, ebenso wie zumindest einige der Varianten der Kurzzweigrunen; der gleiche Befund wird sich auch für Gorodische I ergeben. Da solche Mischinschriften sonst nur auf Rök und Ingel-
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stad sicher belegt sind (Sparlösa ist ein anderer Fall, Rävsal und Sölvesborg sind umstritten), spricht m.E. sehr viel für den von Melnikova vorgeschlagenen Zeitpunkt der Anbringung der Inschriften im (frühen?) 9. Jhd. Das Amulett von Gorodische I zeigt auf seinen beiden Seiten recht unterschiedliche Inschriften: während die Seite Β stark an Alt-Ladoga erinnert, gespiegelte Runen und solche mit überzähligen Beistäben (Binderunen?) aufweist, macht die Seite A den Eindruck, zwar rätselhafte, aber im wesentlichen "normale" Runen zu zeigen. A: 1 2
X ^ mit gerundetem Buckel
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fi wie in der Geheimschrift des Röksteins und auf Fonnâs
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^ wie auf Alt-Ladoga und Charnay
5 6
I M horizontal gespiegelt, die Beistäbe weiter von den Randlinien
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entfernt als bei Β 20 auf Ait-Ladoga Η beschädigt im oberen Bereich, möglicherweise R
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M wie i m Älteren Fujiark
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M horizontal gespiegelt, die Beistäbe weiter von den Randlinien
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entfernt als bei Β 20 auf Alt-Ladoga ? vielleicht eine kryptische Rune auf der Basis der aettir-Zählung. ^
Melnikova 1987 hatte in ihrer ersten Publikation von Gorodische I und Π nur die B-Seite vorgestellt, 1994 gibt sie auch eine Interpretation der Inschrift der ASeite; sie liest mit Ausnahme der letzten kryptischen Rune: g w a R i f a r l a d. Die einleitende g-Rune faßt sie als Ideogramm auf, das die Anrufung eines oder mehrerer Götter symbolisieren soll, und das als Parallele auf zahlreichen Runenmünzen des 9. und 10. Jhds. erscheint - entweder ausgeschrieben als gup/kup oder nur durch die g-Rune ausgedrückt. Die Runen 2-4 stellt sie zu aisl. varr "gewahr, unterrichtet, vorsichtig", das als Kompositionsglied in urnordischen Namen gut belegt ist: bidawarijaR (N0vling), stainawarijaR (Rö), ladawarijaR (T0rvika A). "The word expresses a socially and culturally important idea of protection and thus is rather widely spread in runic texts." (Melnikova 1994). Die folgende 5. Rune faßt sie als Präposition aisl. ί auf, und in den verbleibenden Runen sieht sie ein Substantiv farland/fárland "Das Land der Reise, der Schiffe = die See" oder "das gefährliche Land". Die magische Inschrift auf dem Amulett solle dann dem Träger mit göttlicher Hilfe Schutz im (gefährlichen) Ausland resp. bei seiner Seereise garantieren, was von dem zu vermutenden sozialen Kontext des Amulettes her gesehen gut passen könnte. Dennoch ist die Lesung nicht unpro-
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blematisch: Die 3. Rune erscheint zwar auf Rök mit dem Lautwert lai, aber die zweite Parallele auf der Spange von Fonnâs ist keineswegs geklärt: Bugge 1891 hatte sie als a-Rune bestimmt, Marstrander 1949 und 1965 dagegen als Ing-Rune, Krause/Jankuhn 1966 translitteriert sie als
, eine Lesung, die Klingenberg 1973 übernimmt und als Verschlüsselung für u auffaßt, Gr0nvik 1987 schließlich entscheidet sich wieder für eine Lesung a. Die 4. Rune steht im FuJjark der Spange von Charnay zwar mit der gleichen Form auf dem Platz der R-Rune, aber ansonsten in keiner sinnvollen Inschrift, und ob das auf Alt-Ladoga mehrmals belegte identische Zeichen für einen Lautwert /R/ stehen kann, erscheint sehr zweifelhaft. Die auf | folgende 6. Rune faßt Melnikova als zwei eng aneinander geschriebene Runen auf, als Y mit tief unten ansetzendem und die Randlinie nicht erreichenden unteren Beistab + eine a-Rune der Kurzzweigrunen mit links ansetzenden Beistäben; das ist vielleicht möglich, aber nach Melnikovas eigener Zeichnung sieht man am ehesten eine gespiegelte m-Rune. Der 8. Rune in meiner Zählung entsprechen bei Melnikova abermals zwei Runen: da der von rechts kommende obere Beistab den linken Hauptstab nicht ganz erreicht, liest sie Γ + H (= der Kurzzweigrunen) mit sehr hoch angesetztem Beistab; ich halte diese Rune für ein eindeutiges fl. Die letzte Rune vor dem Geheimzeichen schließlich als gedoppeltes M (= wie auf Rök) aufzufassen, hat den Charakter einer Interpolation, um zu einer sinnvollen Lesung und Inschrift zu gelangen. Skepsis gegenüber Melnikovas Interpretation erscheint daher angebracht. Die letzte Rune schließlich zeigt drei untereinanderstehende Beistäbe links vom Hauptstab und drei ZickzackStäbe rechts vom Hauptstab (in der Form wie um 90° gedrehte s-Runen). "The carver seems to wish to multiply the rune denoted by the cryptic sign for magic purposes and that made him arrange the three twigs to the right, necessary to denote the intended rune, not vertically along the stave, but horizontally one after another. If this conjecture is correct, the cryptic rune should be read asj^with one twig to the left and three twigs to the right of the stave." (Melnikova 1994). Vorausgesetzt man akzeptiert die Hypothese von der magischen Verdreifachung eines Zeichens, könnte man dann nach der bekannten Verschlüsselungspraxis anderer Inschriften die erste Rune des dritten aett (= "t) annehmen, aber auch die dritte Rune des ersten aett (= oder wie auf dem Rökstein praktiziert Vertauschung der aettir ansetzen und käme dann zu Y (erste Rune drittes aett) oder f (nicht £ wie bei Melnikova, dritte Rune erstes aett). Am ehesten überzeugt von diesen Alternativen eine dreifach untereinandergesetzte verschlüsselte t-Rune wie im Klartext auf dem Brakteat von Seeland Π oder auf dem Maltstein als invokatio des Gottes Tyr, der dann vielleicht auch der Gott sein könnte, auf den die erste g-Rune der Inschrift zu beziehen ist. Die B-Seite des Amuletts von Gorodische I stimmt so gut wie völlig überein mit der Inschrift auf Gorodische Π sie hat einen gänzlich anderen Charakter als die Α-Seite. Sie besteht aus 12 Runen, einige davon sind vermutlich als Spiegelrunen aufzufassen, andere zeigen zusätzliche Beistäbe, die Binderunen oder spielerische/magische Abwandlungen darstellen könnten. Die von Melnikova vorgeschla-
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gene Lesung parniskpceRakiu — parnisk pér eigi u "May you not lack man's power" enthält zu viele willkürliche Festlegungen um überzeugend zu sein; wahrscheinlich ist die Inschrift für uns Heutige uninterpretierbar (und vielleicht war sie es sogar für die damaligen Runenbenutzer). Wenn uns also auch die Inschriften dieser Neufunde zum Großteil verschlossen bleiben, so erweitern die Amulette doch unsere Kenntnisse über Funktion und Entwicklung der Runenschrift; sie sind weitere Belege für den Export des Schriftsystems nach Rußland, für magische Inschriften im Jüngeren Fumarie, und vor allem zeigen sie ganz klar, daß zumindest Einzelpersonen auch nach der Alphabetreform Typen des Älteren Fu£ark kannten und verwendet haben - ihre magische Absicht, aber auch die verwendeten Typen verbindet sie mit der Felsritzung von Ingelstad und wohl auch mit der Geheimschriftpartie auf Rök, so daß die von Melnikova vorgeschlagene Einordnung der Inschrift von Alt-Ladoga und Gorodische I A ins (frühe?) 9. Jhd. ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit beanspruchen kann.
6.1.13 Gokstad: ca. 900 Das berühmte Gokstad-Schiff wurde 1880 in der Grabkammer eines WikingerHäuptlings gefunden; Grabräuber hatten die meisten wertvollen Dinge entfernt, aber im Vorderteil des Schiffes fand sich ein Kupferkessel, auf dem zwei Runeninschriften angebracht waren. Das Grab und das Gokstad-Schiff wird als etwas jünger als der Osebergfund angesehen, es wird auf ca. 900 angesetzt (Br0ndsted 1960:120). Die erste der beiden Inschriften mit etwa 15 Runen ist unleserlich (Johnsen 1968:171), die zweite besteht nur aus vier Runen, die linksläufig gelesen die Folge ubik ergeben (die b-Rune hat die Form Bugge 1910:224 sah in ubi den Namen des Runenritzers Ubbi, in -k das enklitische Pronomen aisl. ek "ich", laut Johnsen 1968:172 alternativ ubi k(arpi) "Ubbi machte", Olsen 1952 schlug als weitere Möglichkeit vor, das Verb yppa "heve, l0fte i vaeret" anzunehmen, was dann als Text yppi'k "jeg l0fter (kjelen)" ergeben könnte; die gleiche Folge bildet auch den Abschluß der kurzen und bisher nicht gedeuteten Inschrift auf dem Felsen von Tanberg/Norwegen (im sehr unsicheren Text -hialsubik), für die laut Johnsen 1968:180 eine genauere Datierung nicht möglich ist. Für welche der Interpretationen man sich auch entscheidet, belegt die Inschrift von Gokstad nicht viel mehr als die von Oseberg, nämlich daß im 9. Jhd. in Norwegen Kurzzweigrunen bekannt waren und als Alltagsschrift auch für alltägliche Texte verwendet wurden.
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6.1.14 Kaupang Bronzekessel: ca. 900 Das Bronzegefaß stammt aus einem Bootsgrab aus dem Gräberfeld von Nordre Kaupang, an der Westseite der Einfahrt zum Oslofjord gelegen, das die Leichen eines Mannes und einer Frau sowie die unterschiedlichsten Grabbeigaben enthielt. Zwei ovale Fibeln aus diesem Grab wurden von Blindheim 1960:55 in das 10. Jhd. gesetzt, der Handelsplatz Kaupang, zu dem das Gräberfeld gehört, muß im späten 8. und während des ganzen 9. Jhds. ein bedeutender regionaler Marktmittelpunkt gewesen sein, entwickelte aber wohl nie eine so überragende Stellung wie Haithabu oder Birka. Ein wichtiges Exportgut war z.B. Speckstein (vgl. Resi 1979, Steuer 1987:172ff), Münzfunde und Keramik zeigen, daß es zwei HauptImportwege gab, einen aus Süden aus dem fränkischen Reich via Haithabu, der zweite aus Westen von den britischen Inseln her. Der Bronzekessel mit Runeninschrift aus Kaupang ist ein solches Importgut aus Irland, wo diese Hängegefäße vom 5. bis zum 9. Jhd. im Gebrauch waren und zur normalen Ausstattung einer irischen Kirche gehörten; ihr Verwendungszweck ist jedoch nicht ganz geklärt, sie könnten als Lampen oder bei der rituellen Handwaschung fungiert haben (Marstrander 1963:140). Wenn das Bronzegefaß etwa gleichzeitig mit den übrigen Grabfunden anzusetzen ist, dann würde es auf ca. 900 zu datieren sein. Als typischer Gebrauchsgegenstand wird es jedoch nicht allzu lange im Umlauf gewesen sein. Die Inschrift ist klar und deutlich lesbar, sie lautet imuntlauku, "im Waschbecken, -gefäß" zum aisl. Fem. mundlaug "Schale zum Händewaschen", gibt also einen deutlichen Hinweis auf die Funktion des Gefasses (vgl. Johnsen 1968:175 "Formelt er meningen noe uklar, men ordet gn. mundlaug f. (v.s.a. mullaug f.) tyder pâ at hengekaret hos den norske eieren har vaert brukt som vaskefat, til hândvask"). Die Runenformen zeigen einseitige Beistäbe, sie gehören zum Typ C nach Johnsen 1968. Auffallig ist lediglich die Form der m-Rune Y (vgl. dazu unten 6.2.2.4) und die Schreibung munt- mit Realisierung des Nasals, der nach üblicher Runenorthographie vor homorganen Konsonant eigentlich nicht stehen sollte. Johnsen 1968:175 äußert sich dazu nicht, sie konstatiert lediglich, daß die Inschrift typologisch etwas jünger als die von Oseberg sei und somit wohl um 900 angesetzt werden sollte. Offen bleibt auch die Frage, ob die Inschrift auf dem Importgegenstand erst in Norwegen oder bereits in Irland (vom Produzenten) angebracht worden ist, was für die Frage nach dem Ort der Entstehung der Variante Y von größter Bedeutung wäre. Die Schreibung von vor = làl könnte vielleicht auf die britischen Inseln weisen (vgl. santulf auf Andreas Π/Man, auf der Isle of Man steht für ausschließlich die Variante Y), sie findet sich aber auch mehrfach auf dem Rökstein, auf Kälvesten, Kuli, Gjerde und Heiland, so daß auch dieses Indiz nicht sehr aussagekräftig ist und die Frage nach dem Anbringungsort der Inschrift offen bleiben muß.
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6.2 Schwedische Inschriften mit Kurzzweigrunen Aufgrund der von ihr erarbeiteten runologischen Kriterien führt Johnsen 1968:98 für Schweden und Norwegen außer den bereits unter 6.1 besprochenen Inschriften noch die folgenden für den Zeitraum ca. 750-900 auf: (a) Schweden: Kärnbo Ingelstad Oidunda Kälvesten Rök Gursten Björkö Böberg Slaka (Ladoga, Sowjetunion) (b) Norwegen: Gims0y Bj0rneby Oddemes Eikeland Valby (c) Bohuslän: Rävsal Skee Hoga Ich bespreche im Folgenden zunächst die schwedischen Inschriften:
6.2.1 Kärnbo Eine ziemlich problematische Inschrift bietet der Stein von Kärnbo in Södermanland (SR ΠΙ, 1924-36:144ff). Es handelt sich um die einzige Runeninschrift Södermanlands in Kurzzweigrunen, die Anordnung auf dem Stein ist (für die angenommene frühe Zeit) einmalig, und nur ein Teil des (fragmentarischen) Textes ist lesbar. Von der Form her erinnert der Stein an eine Grabplatte, die Inschrift ist wie bei den mittelalterlichen Steinplatten an den beiden Längsseiten und an einer der Schmalseiten angebracht, die zweite Schmalseite ist abgebrochen; da der Stein eine gewisse Zeit als Treppenstein vor der Kirche von Kärnbo verwendet worden war, sind etliche der Runen teilweise oder ganz zerstört. Reste einer Ornamentik findet sich auf dem Stein nicht. Wessén in SR ΙΠ: 149 vermutet, daß die Platte den aufrecht stehenden Teil eines Steinkistengrabes gebildet haben könnte, aus heidnischer Zeit stammend, aber unter christlichem Vorbild entstanden; eine solche
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aufrecht stehenden Teil eines Steinkistengrabes gebildet haben könnte, aus heidnischer Zeit stammend, aber unter christlichem Vorbild entstanden; eine solche Konstruktion ist aber eigentlich erst in der 2. Hälfte des 10. Jhds. zu erwarten, wohingegen die Runenformen eher ins 9. Jhd. zu weisen scheinen. Die erhaltenen Teile der Inschrift werden wie folgt gelesen (Johnsen 1968, Wessén in SR HI): (A) ..n*|iinaft*iiiik*sialbR*inaftkaiRuIf a bru|>urmin:uarbiak'hrauR (B) h i n u s l i k R ' h i a — a n a - - . . . (C) ul'afaraiJ)u:inhuariaR'aikulakmut>rku{)riaR-bar"ak--basDer Beginn der Inschrift muß also auf der abgeschlagenen Schmalseite gestanden haben, am Beginn der Zeile C muß gleichfalls der Anfang der Zeile verloren sein; das Ende der Zeile C wird von Wessén zu barnsiaks bast ergänzt. Der Anfang der Inschrift sagte wohl aus, daß eine unbekannte Person diesen Stein (oder dieses Denkmal oder etwas ähnliches) für sich selbst errichtet habe und für Geirulf, seinen Bruder, eine Handlung vollführt habe: (XYraisti stai)n pin aft mik sialfr in aft kaiRulf brupur min... Der erste Teil der Aussage, die Anfertigung einer Inschrift in eigenem Interesse, ist für die angenommene frühe Zeit höchst ungewöhnlich; die bekanntesten schwedischen Parallelen auf dem Frösö-Stein und den zahlreichen Jarlabanki-Steinen stammen sicher erst aus dem 11. Jhd., und auch die dänischen Belege wie z.B. auf dem Tillitse-Stein stammen alle erst aus der Periode 3, der Zeit nach 1050; der einzige Beleg auf der Isle of Man, Michael II, ist signiert von dem Runenmeister Gaut, der auf 930-950 angesetzt wird (Johnsen 1968:241), aber dieser früheste Beleg formuliert xy ... raisti krus pana fur salu sina, spricht also vom Auftraggeber in der dritten Person. Es folgt danach der interessante Komplex uarbiak hrauR: alle Interpreten fassen ihn auf als "warf ich einen Steinhügel auf', zu aisl. hreyr (nur skaldisch), aschw. rör 'rör, gravröse'.11 Wenn diese Zuordnung richtig ist - und nichts spricht dagegen - dann wäre auf Kärabo anlautendes h- vor Konsonanten noch bewahrt, was eventuell ein Datierungskriterium darstellen könnte: "h schwindet im Runenschwedischen im Anlaut vor /, η und r. Dies gilt auch im Adän. und Anorw.; nur im Isl. ist h erhalten. [...] In den ältesten Runeninschriften ist h jedoch erhalten. Beispiele: h r a u R 'Röhre, Steinhaufen', hrurikR Rörik (Pers.-name) (alliteriert auf Inschriften mit Wörtern auf h-). Im 11. Jh. ist es aber geschwunden."(Wessén 1970:39).12 In dieser wie auch in anderer sprachlicher/orthographischer Hinsicht bietet Kärnbo somit Übereinstimmungen zu Rök, wo h- in hraipkutum gleichfalls noch 11
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Das Wort ist vielleicht noch auf einem weiteren Runenstein aus Södermanland, Sdm 47, in der Schreibung belegt, doch wird dieser Fall allgemein nur als eine Möglichkeit angefühlt. Eine genauere Datierung findet sich auch nicht bei Bandle 1973.
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erhalten ist13. Eine Inschrift in Kurzzweigrunen von der Isle of Man, Braddan IV, schreibt für hnaki (Johnsen 1968:229f), was an die Schreibung auf dem Stein von Vatn im Älteren FuJ>ark erinnert. Einige schwedische, aber auch norwegische Inschriften des 11. Jhds. belegen mit Schreibungen wie hustr = austr, hut = ut, haftir = aftir, daß h- im Anlaut auch vor Vokal zu diesem Zeitpunkt Schwundtendenzen zeigte, vielleicht in manchen Dialekten stärker als in anderen, daß in jedem Fall aber eine gewisse Unsicherheit herrschte, ob in bestimmten Wörtern zu stehen habe oder nicht 14 (in diesem Sinne auch Noreen 1970:212). Im Anlaut vor Vokal wurde h- aller Wahrscheinlichkeit nach als Hauchlaut realisiert, während vor Konsonant erhaltenes oder geschwundenes h- auch die Aussprache des folgenden Konsonanten beeinflußt haben könnte: "Men r < hr og η < hn mâ ha vaert annerledes artikulert enn oppr. r og n, og alliterer ikke med dem i skaldevers. Oppr. hr-, hn, hl kan ha vaert aspirert eller muligens stemmel0se som bl.a. i nyislandsk, en artikulasjonstype som runerekken like lite som alfabetet hadde tegn til â dekke. Men h kan ikke ha vaert stemmel0s spirant, det skulle skrivemâten i russiske kilder vise. Alt i 912 finnes navnet ruar gno Hróarr. foran vokal skrives ikke h, Olga. Elgi o.l. Russisk ville kunnet uttrykke stemmel0s spirant, men hadde og har intet tegn for pustelyden, eller for aspirasjon. Det kan vel ha vaert dialektiske skiller i nordisk nâr det gjalt uttalen av disse forbindelsene, men â brake de forskjellige skrivemàter for oppr. hr, hn (hi) som grunnlag for tidsfesting av vikingtidsinnskrifter er ikke mulig, dette gjelder ogsâ r u a r 40. Fâberg." (Johnsen 1968: 37f). Die isländische Skaldik ist als Indiz für schwedische oder norwegische Lautentwicklung natürlich nur von fragwürdigem Wert, und auch die russischen Lehnwörter ermöglichen keine genaueren Rückschlüsse auf die aschwed. Ausgangsformen (vgl. dazu Thörnqvist 1948:123f). Mangels Belegen läßt sich also nur festhalten, daß anlautendes h- vor Konsonanten schwindet, vielleicht im 10. Jhd., vielleicht in einzelnen Dialektgebieten schon früher - für eine Datierung der Inschrift auf Kärnbo gibt dieses Kriterium also nichts Wesentliches her. In der Zeile Β kann man den Anfang vielleicht als hinn nú's liggr auffassen (so Noreen 1904:489, Johnsen 1968:131; Wessén in SR 111:147: "föga sannolik"), dann könnte in dieser Zeile etwas über den gestorbenen Bruder ausgesagt sein; der Rest der Zeile ist jedenfalls nicht interpretierbar. Auch in Zeile C ist der Anfang der Aussage nicht mehr rekonstruierbar; Noreen wollte hier ein Wort afar-eidu "Ahnfrau" identifizieren, was in SR ΠΙ nicht übernommen wurde. Nach dem dreifachen Worttrenner folgt dann ganz offensichtlich eine neue Aussage, Einigkeit herrscht darüber, den Anfang als en hverjar eigu langmœdrgu prjár aufzufassen, als "und jede von den drei Stamm-Müttern 13
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Der Beleg ist bei Peterson 1989:25 aufgeführt als Ögl60$, was eine Verschreibung für Ögl36$ sein muß, vgl. Lagman/Williams 1989:25. In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch zu sehen, daß die umfangreiche Inschrift von Sparlösa nicht einen einzigen Beleg für eine h-Rune bietet.
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hat ...", wobei das sonst nicht belegte *langmaeörgu in Analogie zu aisl. langfeögar 'männliche Vorfahren des Vaters' wohl drei weibliche Verwandte in direkter Linie bezeichnet. Wessén in SR ΙΠ: 146 liest dann weiter barnsiaks-bas[t] "ha vardera sex barn, de bästa", wohingegen Noreen u.a. hier zwei Männernamen, barpakn und basi als Subjekt des Satzes annahmen; der Erhaltungszustand der Runen läßt eine Entscheidung kaum zu. So läßt sich auch eine Gesamtinterpretation der Inschrift von Kärnbo kaum geben: der Anfang könnte über heidnischen Grabbrauch handeln, die Zeile C bietet offenbar gewisse genealogische Informationen. Große Teile der Inschrift sind vermutlich verloren: "Satsen »Och vardera av de tre längmödrarna ha sex barn» mäste ha ingâtt i ett större sammanhang, dar listaren har redogjort för sin släkt. I annat fall blir den rätt meningslös." (Wessén in SR 111:148). Deshalb vermutet Wessén, das erhaltene Fragment könne Teil einer Grabkiste dargestellt haben, der Rest der Inschrift hätte dann auf den anderen Steinen Platz gefunden; solche christlich geprägten Grabkisten sind aber nur aus dem 11. Jhd. belegt, Kärnbo wäre auch in dieser Hinsicht ein einmaliger Fall, denn Tjängvide, den Wessén als vergleichbar nennt, sollte doch wohl besser außer Betracht bleiben. Vorsichtiger formuliert Johnsen 1968:133: "Holder vi oss til det bevarte kan vi bare slutte at det var avstamningen pâ m0drenesiden som det her var viktig â fastslâ." Praktisch unmöglich ist eine exakte Datierung der Inschrift. Sie zeigt zwar in sprachlicher Hinsicht einige altertümliche Züge, die sie ebenso wie die Runenformen in die Nähe der Inschrift des Röksteines rücken, aber diese Indizien lassen es zu, sie ins 10. Jhd. (so Wessén in SR ΙΠ: 149) oder schon ins 9. Jhd. (so Johnsen 1968:133) einzustufen. Die ]»-Rune hat einen relativ kleinen Buckel, es finden sich etwas zahlreicher Worttrenner als in den frühesten Inschriften in Kurzzweigrunen, was eher auf das 10. Jhd. weisen könnte. Wegen der einmaligen Art der Anbringung der Runen auf der Platte und der Unsicherheiten bei der Interpretation des Textes läßt sich eine genauere Datierung als "wahrscheinlich 10. Jhd." nicht erreichen.
6.2.2 Ingelstad Die Felsinschrift von Ingelstad in Östergötland zeigt neben Kuizzweigrunen auch eine d-Rune des Älteren Fujsark, die von den meisten Interpreten als Begriffsrune dagR "heller, lichter Tag" aufgefaßt wird. Die Inschrift verläuft rechtsläufig in zwei untereinander stehenden Linien, Rahmenlinien grenzen sie nach oben und unten ab; über der Inschrift ist eine messer- oder schwertähnliche Gerätschaft eingeritzt, unterhalb von ihr könnte sich ein Sonnensymbol finden, am Anfang der beiden Zeilen stehen jeweils drei Trennpunkte. Die obere Zeile A sagt im Klartext: salsi · karpisul "Salsi machte eine/die Sonne", in Zeile Β sind einige Runen so zerstört, daß ein Text nur auf dem Weg der Rekonstruktion zu gewinnen ist. Erhalten ist: :D:skutxxpixahiu, was die verschiedensten Interpretationen erhielt.
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Noreen 1904:488 las skutu pita hiu = DaghR Skutu petta hio "Daghr, Skutas söhn hieb dies ein", Brate 1911:43 skut(a i) p(at)a hiu = D(agR) skut(a i) p(&tt)a hio "Dag högg detta pâ bergknallen", Nordén 1937:154ff skutli pina hiu "Dagr hieb diese Schalengrupe ein" (zu aisl. skutill "Schüssel") oder "Dagr hieb dieses Messer ein" (zu aisl. skutill "Harpune") unter Verweis auf die unter der Inschrift angebrachte Schalengrube bzw. auf das über der Inschrift eingehauene Messer bzw. Schwert. Diese letzte Interpretation wird im Prinzip von Klingenberg 1973 übernommen, der zusätzlich darauf hinweist, daß unter Nichtberücksichtigung der Begriffsrune die Zeilen A und Β jeweils genau 13 Runen aufweisen, und somit die Begriffsrune quasi im Zentrum der Lautrunen steht. Bei fortlaufend gelesenem Text steht zudem M "Heller Tag" in unmittelbarer Nachbarschaft zu lautrunisch geschriebenem sul "Sonne", das durch Stabreim an salsi gebunden ist. Klingenberg 1973:255 erwägt deshalb die Möglichkeit, den Namen zu aisl. sçlr "schmutzig, gelblich, bleich" zu stellen und sieht dann einen Assoziationszusammenhang von der bleichen Wintersonne zur strahlenden, hellen Frühjahrssonne, die der Runenmeister von Ingelstad in magisch-kultischer Absicht dargestellt und in seiner Inschrift verschlüsselt habe, um die Sonne zum Scheinen zu veranlassen. Damit wäre zugleich eine sinnvolle Erklärung gegeben für den Einsatz der anachronistischen d-Rune des Älteren Fumarie in einer Inschrift mit Kurzzweigrunen. Bilddarstellungen und Inschrift wären danach eine feste Einheit, im Dienst eines Sonnen- oder Fruchtbarkeitskultes, wie auch schon Nordén 1937 und Marstrander 1952 vorgeschlagen hatten. Für die Frage nach der Datierung der Inschrift hat man die Schwert/MesserAbbildung herangezogen, weitere Indizien liefern die Runenformen: das Schwert ermöglicht allerdings nur eine allgemeine Einordnung in die Vikingzeit, für einen frühen Ansatz sprechen die Form der |>-Rune |) mit hoch oben und tief unten ansetzendem runden Buckel wie auf Rök und anderen frühen Inschriften in Kurzzweigrunen; auch die Verwendung einer Rune des Älteren Fujiark wie auf Björkö, Rök, Sparlösa, Gorodische und Alt-Ladoga läßt einen Ansatz in die Mitte des 9. Jhds., wie bei Johnsen 1968:98 vorgeschlagen, vertretbar erscheinen.
6.2.3 Oklunda Die Felsinschrift von Oklunda in Östergötland wurde erst 1929 durch den Bauern des Hofes entdeckt und ist deshalb in SR Π nicht behandelt. Sie wird im allgemeinen als Rechtsdokument aufgefaßt (vgl. Jansson 1963:40), es könnte sich somit um das früheste Zeugnis dieses Texttyps im Jüngeren Fu^ark überhaupt handeln. Die Inschrift besteht aus vier parallel angeordneten Runenreihen, die untereinanderstehen und durch Rahmenlinien getrennt sind. Am rechten Rand der vier Zeilen steht eine fünfte senkrecht dazu, gleichfalls von Rahmenlinien begrenzt. Als Trennzeichen sind in der Inschrift konsequent drei übereinandergestellte Punkte
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verwendet. Die Lesereihenfolge der fünf Linien ist nicht ganz eindeutig, ich gebe zunächst die Lesung der vier waagrechten Zeilen von oben nach unten: (A) (B) (C) (D)
(i?)nrut>f>an:insabat sutiuiJ)ita:insaf(R?)la J>isaR:insaflausakiR kunar:fat>irunaR
Die senkrecht dazu stehende Zeile bietet den folgenden Text: (E) uifin:J>ittafat>i Die Runenformen der Inschrift sind nicht einheitlich, es werden alle drei Typen von Kurzzweigrunen der Klassifizierung bei Johnsen 1968 verwendet, so daß z.B. für Ί, Y, \ nebeneinander zu finden sind, die a-Rune hat die Form |s, die b-Rune erscheint dagegen als % mit nahezu waagrechten Beistäben (hierbei wurde auch vorgeschlagen, eine Binderune zu lesen, vgl. dazu unten). Ein solches Nebeneinander bieten auch die frühen Inschriften von Sparlösa und Ulvsunda. Die |»-Rune hat die Form |) mit breitem, hoch oben bzw. tief unten ansetzendem Buckel, der Beistab der u-Rune setzt in den meisten Fällen relativ weit unten an: |i· Auffällig ist ferner, daß in der Oklunda-Inschrift gegen den üblichen Gebrauch der Runeninschriften zweimal Doppel-Grapheme geschrieben sind (|>J> und tt), bei pitta offenbar sogar innerhalb eines Wortes. Für die Interpretation scheint zunächst einleuchtend, daß die senkrechte Zeile (E) eine eigenständige Aussage bieten will, zumal sie offenbar mit einem anderen Instrument als die waagrechten Zeilen geritzt zu sein scheint (Salberger 1980:3), und daß die Zeilen (C) und (D) wohl in umgekehrter Reihenfolge zu lesen und zusammenzustellen sind: kunar : faj>i runaR ftisaR : in sa flau sakiR. Es ist dann naheliegend, auch die Zeilen (A) und (B) in umgekehrter Reihenfolge an diesen Text anzuschließen. In normalisierter aisl. Form bieten die Zeilen (C) und (D): Gunnarrfäöi rúnar pessar. En sáfló sehr, es wird also ausgesagt, daß ein Mann namens Gunnarr zumindest diesen Teil der Inschrift ausgeführt hat, und daß derselbe Mann sich in einer Rechtsangelegenheit schuldig verhalten habe und deswegen (eventuell vom Thing geächtet) fliehen mußte. Die Inschrift fährt dann in Zeile (B) fort mit: suti ui f>ita .', was allgemein als sótti vé petta "er suchte (Zuflucht) in diesem Heiligtum" verstanden wird. "Gunnar har begâtt et lovbrudd, kanskje drap, og har s0kt asyl i veet. Ogsâ i f0rkristet tid kunne hellige steder gi den beskyttelse man trengte i en slik situasjon. Om det var asyl for ubegrenset tid eller man hadde en viss frist til â gj0re rett og skjel for seg, vet vi ikke. Siden innskriften overhodet er listet, mâ Gunnar ha klart seg gjennom vanskelighetene. Han mâ ha levet videre pâ stedet." (Johnsen 1968:139f). Soweit erscheint der Text aus Oklunda klar verständlich, das Weitere ist dagegen etwas problematischer; laut Jansson 1963:40 ist es klar, daß "I inskriftens señare del meddelas, att han har ingâtt forlikning enligt lagen.", ohne daß bei Jansson auch nur irgendein Teil dieser Partie mitteilt wäre. Am Ende von Zeile (B)
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sind Stein und Runen teilweise beschädigt, was eine eindeutige Lesung erschwert. Von Friesen 1933:152 las insafRla/nruf>f>aii = en sá hefir landruö pá "Och han innehar sedan denna röjning av land (= nyodling) (1. röjning pâ landets allmänning).", was jedoch einige Ergänzungen beinhaltet und eine R-Rune erfordert, die an dieser Stelle nach Johnsen 1968:139 sicher nicht zu lesen ist (aber dennoch von Salberger 1980:14 angenommen wird mit dem Argument, daß von Friesen "onekligen var en mycket säker runläsare."). Nordén 1945:58 las insafhi/inruf) {>an "och han flydde in i den där röjningen", wogegen einzuwenden ist, daß ein Mask. *ru3r ansonsten nicht belegt ist, und daß der die Zeile nach links abschließende senkrechte Strich in keiner der anderen Zeilen als i-Rune gelesen werden kann. Johnsen 1968:138f liest insafla/inrut>f>an, läßt aber die Übersetzung dieser Partie offen: "Og han - - denne rydning". Salberger 1980 schlägt vor, von Friesens Lesung zu akzeptieren, und er übersetzt diese Partie der Inschrift als "Och han har landröjning sedan" (1980:19). Diese Auffassung ist bei Williams 1990:56 und 63 offensichtlich übernommen (lonrup = landruS). Das Ende der Zeile (A): insabat wird im allgemeinen als en sá batt "und er band (den Vergleich zusammen = er Schloß ihn)" aufgefaßt. Johnsen 1968:139 erwähnt die Möglichkeit, die unübliche b-Rune als eine Binderune von und \ zu interpretieren, was eine Lesung insaabatt = ensáá batt ergäbe, die sie aber nicht weiter berücksichtigt; bei einer Binderune wäre zudem eher zu erwarten, daß die Beistäbe in gegensätzlicher Richtung geneigt wären, wie (spätere) Inschriften dies belegen. Auffallig ist in jedem Fall an diesem Satz die Nicht-Realisierung des zu erwartenden direkten Objekts zu batt. Die senkrechte Zeile (E) schließlich (wenn man (A) - (D) als waagrecht bezeichnet) bietet als Text: Véfinn pettafádi, mit runenorthographisch unüblicher Doppelschreibung des tt. Die Aussage scheint also zunächst nur zu sein "Véfinn schrieb dies", aber was ist damit gemeint? Schlicht die Runen der Zeile (E)? Dann müßten wir eine doch wohl ziemlich offizielle Rechtsinschrift zusammen mit einer eigentlich banalen (nachträglich angebrachten?) Runenmeisterformel annehmen, denn daß Véfinn für den gesamten Text verantwortlich sein könnte, ist wegen der eindeutigen Aussage der Zeile (D) unmöglich. Von Friesen 1933 nahm aufgrund des Vordergliedes in Véfinns Namen an, es könne sich bei ihm um einen Nachkommen Gunnars handeln, der eine oder mehrere Generationen nach der Hauptinschrift mit der Nebeninschrift seinen Rechtsanspruch auf den Landbesitz Gunnars geltend gemacht hätte. Diese Annahme, die in sich schon schwach begründet ist man würde dann irgendeine Formel aus der Rechtssprache erwarten - steht und fallt zudem mit der Lesung und Interpretation der Zeile (A) durch von Friesen, die nach dem oben Festgestellten zumindest nicht allgemein akzeptiert ist ist. Nordén 1931 hält die Zeile (E) für einen mit der restlichen Inschrift gleichzeitigen Nachsatz, für ein juristisches Attest, das die vorangehende Aussage bestätigen soll: "Detta attesteras: Finn, offerlundensföreständare",aber dafür müßte dem Verb fá eine Bedeutung unterstellt werden, die es sonst nirgends in Runeninschriften hat. Auch die Syntax wäre unüblich, mit dem finitien Verb an dritter Satzposition, die
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nach Larsson 1931 nur für einige besondere Inschriftentypen akzeptabel bzw. nachweisbar ist: Die Inschrift von Oklunda gehört sicher nicht zu den späten Inschriften mit lateinischem Einfluß auf die Syntax (Typ: Marten mik giarpi), nicht zu den magisch intendierten Inschriften und auch nicht zu einer Gruppe mit unsicheren Lesungen, wie Salberger 1980:9 zu Recht gegen ältere Interpreten der Zeile (E) einwendet. Die m.E. überzeugendste Interpretation der Inschrift von Oklunda wurde von Salberger 1980 vorgeschlagen. Er übernimmt für die Zeilen (A) und (B) die Lesung von Friesens und stellt fest, daß die Trennpunkte in der Hauptinschrift tendenziell Sätze voneinander abtrennen: so in Zeile (C) fapi runaR pisaR : in sa flau sakiR (Zeilenende), in Zeile (B) suti vi pita : in sa afR la... und in Zeile (A) in sa afR landup pan : in sa bat. Nicht in dieses Schema paßt die Zeile (D) mit kunar : fapi runaR pisaR und die Zeile (E) mit uifin : pitta fapi. Von allen anderen Interpreten war uifin in Zeile (E) als Subjekt der Aussage aufgefaßt worden, Salberger zeigt dagegen überzeugend, daß hier formal nur eine Akk.-Form geschrieben sein kann, da alle Belege des Namenselementes (-)Finn in Runeninschriften im Nominativ die reguläre Endung -r zeigen (fipr, finr, finpr, fintir), die Akk.-Formen dagegen konsequent fin lauten. Er schlägt deshalb vor, den unvollständigen Satz der Zeile (A) mit dem Beginn von Zeile (E) zusammenzustellen: : in sa bat uifin wodurch abermals eine syntaktische Einheit durch Trennpunkte abgeschlossen wäre. Das Ende der Zeile (E) pitta fapi stellt er dann als Anfang der gesamten Inschrift vor die Zeile (D), wodurch sich für diese beiden Zeilen als Text : pitta fapi kunar : fapi runaR pisaR : ergeben würde, und abermals zwei syntaktische Einheiten durch Trennpunkte begrenzt wären. Der gesamte Text der Inschrift würde dann nach Salberger 1980:19 lauten: : pitta fapi kunar :fapi runaR pisaR : : in sa flau sakiR : suti ui pita : : in sa afR lanrup pan : in sa bat uifin : "Detta ristade Gunnar, ristade dessa runor. Och han flydde saker, sökte upp detta vi. ch han har landröjning sedan, och han band Vi-Finn." "Av tvâ inskrifter har blivit en. Som genom ett trollslag försvann instanser i vertikalinskriften som det finita verbet faf>i pâ tredje plats och namnet uifin utan nominativ-r samt betänkligheter som verbet bat utan ackusativobjekt och tvâ ensartade signaturer av tvâ olika ristare: kunar : fajri runaR / frisaR resp. uifin : {ritta fajri. Skiljetecknens form karakteriseras av grafisk pregnans, deras funktion av syntaktisk konsekvens. Var och en av de sex ordgrupperna inom skiljetecken har satsform och vage skiljetecken satsskiljande ftinktion. - Vertikalraden med bäde inskriftens ingressord fritta faf>i och dess slutord uifin - med väl sä höga och klart glesare runor än i horisontalraderne hâller samman inskriftens bâda delar tili en sluten enhet. Ett sâdant epigrafiskt förfarande vittnar omisskännligt om en genomtänkt planering av ristningen." (Salberger 1980:19).
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Sprachlich wie grammatikalisch und orthographisch ist dieser Vorschlag sehr überzeugend; die Aussageabsicht der Inschrift würde durch poetische Elemente verstärkt, wie etwa Stabreim, Wortwiederholungen, Auslassungen bereits genannter Satzteile. Die epigraphische Anordnung der Inschrift liesse sich als Ringform auffassen, da Anfang und Ende in einer Zeile stehen, die vertikale Zeile würde quasi das Band für die horizontalen Zeilen darstellen, was vielleicht sogar mit dem Abschluß der horizontalen Zeilen (in sa bat) korrespondiert. Vorauszusetzen wäre allerdings, daß der Runenmeister die Inschrift vorher (eventuell auf Holz) konzipiert haben und dann erst auf den Stein übertragen haben müßte, da der epigraphische Befund eine kontinuierliche Anbringung der Inschrift in der vorgeschlagenen Form als unmöglich erweist. Als Einwand bleibt dennoch die Frage nach der Lesung am Ende von Zeile (B) und am Anfang von Zeile (A), wo gegen von Friesens Auffassung Bedenken bestehen, und zudem ein sehr früher Schwund von anlautendem h- anzusetzen wäre: in safR = enn sa hafR. Außerdem wäre die a-Rune zweifach zu lesen, obwohl die Inschrift sonst eher zu Doppelschreibungen selbst innerhalb eines Wortes neigt (rup pan, pitta). Merkwürdig ist dann auch die Anordnung der Inschrift in fünf statt in drei oder vier Zeilen, wodurch zweimal ein syntaktischer Zusammenhang über die Zeilengrenze geht, und zudem die fünfte Zeile Anfang und Ende der Inschrift bietet. Die Besonderheit der fünften Zeile läßt sich vielleicht als Andeutung eines Zyklus verstehen, und auch die Verteilung der Runen auf die einzelnen Zeilen der Inschrift zeigt eine gewisse Symmetrie: (A): 14, (B): 18, (C): 18, (D): 14; schließlich (E): 14. Vielleicht war ein erwünschter Nebeneffekt, den der Runenmeister durch die Anordnung der Inschrift erzielen wollte, auch der, daß die beiden wohl zentralen Begriffe der Inschrift: rup und ui nicht nur horizontal, sondern auch vertikal lesbar sein sollten; in den Zeilen (A) bis (C) stehen R Π ^ direkt untereinander und quasi an einem einzigen Hauptstab, direkt daneben läßt sich in den Zeilen (A) und (Β) Π I von oben nach unten und in den Zeilen (C) und (D) von unten nach oben lesen. Hier könnten Ansätze für eine weitergehende Interpretation der Inschrift zu finden sein, aber auch Zufälligkeiten vorliegen. Eine weitere Neuinterpretation der Inschrift von Oklunda wurde von Ruthström 1988 vorgelegt. Er hält wie seine Vorgänger die Aussagen, daß Gunnarr die Runen ritzte, daß dieser ein Verbrechen/ einen Totschlag begangen habe und zum Heiligtum geflohen sei, für gesichert. Ferner weist er darauf hin, daß damit ein Schema eingeschlagen sei, das auch die Landschaftsgesetze für Totschläge vorsehen; um der unmittelbaren Rache der Verwandten zu entgehen, konnte sich der Totschläger an einen ihn schützenden Platz begeben (die Kirche, das Haus eines anderen Mannes oder das Thing), von dort hatte er dann freies Geleit zum Thing, wo er selbst oder seine Verwandten ein Versöhnungsangebot machen konnte. Wenn die Geschädigten den Vorschlag akzeptierten, war der Vergleich bindend. In den Interpretationen von Friesens und Nordéns bildet der Vergleich den Abschluß der Inschrift (in sa bat), Ruthström möchte nun auch im Zwischenteil einen Text entsprechend dem Schema der Gesetze etablieren: dafür übernimmt er die Le-
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sung Nordéns am Ende der Zeile Β in safik (unter der Annahme einer Wenderune für Υ, die Nordén selbst 1945 zurückgenommen hatte). Die erste Rune der Zeile A (5) erklärt Ruthström als Verschreibung für Υ, wodurch sich der weitere Text krup pan ergäbe. Auf aschwed. würde die Aussage dieser Partie dann lauten: en sa fik grup pa "und er bekam dann freies Geleit", wobei grup eine seltene Variante (vielleicht nur ein Schreibfehler) der Handschriften für grip ist; daran würde sich dann in sa bat "und er Schloß (den Vergleich)" anschließen. Als Objekt zu bat nimmt er Vifin aus Zeile E an und ergänzt die Aussage zu en sa bant Vi-Finn (sœt) (er) petta fapi "Och han slöt bindande förlikning med Vifinn (som) ristade detta" (Ruthström 1988:72f). Dann ergäbe sich ein konsequenter Text eines konkreten Rechtsvorganges, er erfordert aber m.E. zuviele willkürliche Annahmen und Eingriffe in den Runentext. Es ist der Text des Interpreten, aber wohl nicht der des Runenschreibers. Indizien für eine sichere zeitliche Einordnung der Inschrift gibt es praktisch keine; von Friesen und Nordén setzten sie ins 10. Jhd., Johnsen 1968:140 und 98 glaubt, daß sie auch aus der Zeit vor 850 stammen könne. Als Argument dafür führt sie aber lediglich die Unsicherheit im Gebrauch der verschiedenen Varianten der Kurzzweigrunen an, die sie mit den Schreibungen von Sparlösa und Björkö (um oder vor 800) in Zusammenhang setzt: "Etter usikkerheten i bruk av runeformer â d0mme kan den gjerne ses i sammenheng med Sparl0sa og Birka-amuletten som har samme vakling i bruken av visse runeformer. Og disse to innskrifter stammer jo med sikkerhet fra 800tallets begynnelse." M.E. beweisen die Runenformen lediglich, daß die Inschrift relativ alt sein könnte, d.h. aus dem 9. oder 10. Jhd. stammen dürfte (wofür u.a. die Form der |>-Rune mit breitem Buckel spricht). Ein Indiz jedoch, das Johnsen nicht berücksichtigt, könnte in der Verwendung der Trennpunkte liegen: Diese werden auf Oklunda wie bei einigen anderen frühen Inschriften im Jüngeren FuJjark noch nicht als Worttrenner eingesetzt, sondern markieren wichtige Namen und Sinneinheiten des Texts: Gunnar : fapi runaR pisaR : in sa flau sakiR : (so die ältere Auffassung dieses Abschnitts), bzw. pitta fapi Gunnar :fapi runaR pisaR : in sa flau sakiR : (so in der Interpretation Salbergers), ein Gebrauch, der z.B. mit dem auf Kälvesten übereinstimmt (stikuR · karpi kubl pau aft auint sunu sin · sa fiai austr ...), dessen Inschrift wegen der inhaltlichen Nähe zu Sparlösa um 800 eingestuft wird (vgl. 6.2.4) oder auch mit dem auf Ingelstad: salsi • karpisul, der wegen der ¿-Rune als alt gilt (vgl. 6.2.2). Aber ob diese Indizien ausreichen, um eine Einordnung ins 9. Jhd. zu rechtfertigen, ist keinesfalls sicher, zumal die Funktion der Trennpunkte auf Oklunda und z.B. Kälvesten doch ziemlich unterschiedlich ist, wenn man Salbergers Interpretation von Oklunda den höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad zuspricht.
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6.2.4 Kälvesten Mehrere Faktoren verbinden den Stein von Kälvesten aus Östergötland mit dem berühmteren Sparlösastein aus Västergötland. Da wären zunächst zu nennen die Fundumstände: wie Sparlösa war auch Kälvesten in einer Kirche eingemauert, seit 1865 war nach dem Entfernen des Putzes ein Teil der Inschrift, die beiden Zeilen A und B, bekannt; 1938, also ein Jahr nach Sparlösa, wurde auch Kälvesten aus der Mauer entfernt, der zweite Teil der Inschrift wurde dadurch lesbar, aber erst im Jahre 1943 durch Nordén publiziert. Bilddarstellungen wie auf Sparlösa, die eine Datierung ermöglichen würden, finden sich auf Kälvesten allerdings nicht. Die Inschrift steht auf zwei aneinander angrenzenden Seiten des Steins zwischen Rahmenlinien, sie ist rechtsläufig von unten nach oben zu lesen; mit Ausnahme einer einzigen Rune ist die Lesung eindeutig: (A) (B) (C) (D)
stikuR*kar£ikublt>au aftauintsunusin-safialaustr miRaiuisliMiikikRfaJti aukrimulfR
"X machte diesen kumbl für Eyvind, seinen Sohn. Er fiel im Osten mit Eyvisl. Vikingr und Grimulfr fertigten die Inschrift an." Die Kurzzweigrunen gehören zur Gruppe C in der Klassifizierung bei Johnsen 1968,jnit den Leitformen fs am Ende der Zeile A findet sich die Binderune ΊΠ ; ι1 nehmen weniger als halbe Zeilenhöhe ein, der Beistab der einzigen unsicheren Rune, der sechsten in Zeile D sitzt so hoch, daß er kaum vom Rahmenstrich zu trennen ist; trotzdem spricht alles für eine Lesung als \. Wie in anderen frühen Inschriften in Kurzzweigrunen hat die |>-Rune einen breiten Buckel: p, als "Wort"-Trenner steht ein sehr kurzer vertikaler Strich oder Punkt zwischen den wichtigsten Sinneinheiten des Textes. Strittig ist die Zuordnung und Bewertung des ersten Namens der Inschrift stilcuR·, er wurde zu StyggR, Stigr, Stigr gestellt, und Johnsen 1968:138 bezeichnet alle diese Ansätze als "mulige", in einer Fußnote (p. 255) stellt sie jedoch fest: "Et *Stigr med kort rotstavelse er ukjent." Der Name Styggr sollte auf *StiggwaR zurückgehen, das sich über *Stiggur zu Styggr entwickelt. Johnsen 1968:50 führt den Namen als einen der Belege für die Bewahrung von -u- nach kurzer Stammsilbe auf (die aber doch wohl als lang zu klassifizieren wäre?). Eine Parallele dazu bietet die Form sunu wie auf Rök. M.E. handelt es sich bei sunu um eine isolierte, feierlich archaische Form, und in stikuR möchte ich am ehesten die Schreibung eines sporadischen Svarabhakti-Vokals wie auf dem etwas früheren Kupferblech von Hallbjäns und dem Schädelknochen von Ribe (ulfuR) oder dem etwas späteren Maltstein (uifrpuR) sehen (vgl. den Exkurs: Zur Synkope in den germ. Sprachen). Für den zeitlichen Ansatz der Inschrift haben wir verschiedene Kriterien: für ein relativ hohes Alter (ca. 9. Jhd.) sprechen die Runenformen (vgl. oben), ferner
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die Schreibungen sunu wie auf Rök oder Helnaes und miR wie auf Rök, dazu kommt die Verwendung der kürzeren Variante der Präposition aft (statt jüngerem aftiR etc.); in die gleiche Richtung weist die genaue Unterscheidung zwischen den beiden Allophonen für /r/ und die Verwendung von Trennpunkten zwischen SinnEinheiten oder nach wichtigen Namen wie z.B. auch auf Oklunda, Ingelstad und vielleicht auf Lokrume. Alle diese Indizien weisen ungefähr in die Zeit des Röksteins, wie bereits von Nordén 1943:194 angemerkt wurde. Der tote Sohn soll nach der Inschrift im Osten zusammen mit auisl gefallen sein, ein Name, der in dieser Orthographie nur noch auf dem Sparlösastein belegt ist; daher lag es nahe, in beiden Nennungen ein und dieselbe Person zu vermuten, wie Nordén 1943 und 1961 und Marstrander 1954 vorschlugen (über die Probleme im Zusammenhang mit diesem Namen auf Sparlösa vgl. oben unter 6.1.4): "Redan en ytlig granskning är tillräcklig för att bibringa en den övertygelsen, att Kälvestensblocket icke tillkommit utan att dess ristare pâ ort och stalle i Sparlösa sett minnesmärket över Öjvinds - och kanske deras egen - hövding Ejvisl och därav inspirerais att resa minnesmärket därhemma över deras stupade vän." (Nordén 1943:194). Diese Annahme wird aber von Jansson 1963:44 zwar als "frestande", aber auch als "tills vidare endast en tänkbar möjlighet" bezeichnet sicher zu Recht. Wenn man sie akzeptiert, kann man Kälvesten in Analogie zu Sparlösa auf ca. 800 oder einige Jahre früher datieren, andernfalls liegt wohl wie bei Rök ein Ansatz in die erste Hälfte des 9. Jhds. nahe (so auch bei Johnsen 1968:98). In jedem Fall bietet die Inschrift den frühesten Beleg für eine OstlandFahrt von Schweden aus, ob ins Baltikum oder nach Rußland, ist nicht ganz sicher: "Det er mulig at a u s t r bare peker pâ Baltikum, men sannsynligere at vi her har et vitnesbyrd om kontakt med Russland. Selv om den eldste nordiske bosetning ved Ladoga ikke kan f0res lenger tilbake enn annen halvdel av 800tallet, har jo bâde handelsferder og krigstokter vaert alminnelige lenge f0r den tid." (Johnsen 1968:138). Dafür sprechen auch die neugefundenen Runenamulette von Alt-Ladoga und Gorodische, vgl. 6.1.11. Schließlich paßt in diesen Zusammenhang der Personenname uikikR, als einer der Männer, der die Inschrift ausführte; dieser Name Vikingr ist recht häufig in anderen schwedischen Inschriften belegt, die aber alle eindeutig aus späterer Zeit stammen, Kälvesten bietet also den frühesten Beleg auf nordischem Gebiet, im altengl. Gedicht Widsith aus dem 8. Jhd. findet sich aber bereits wicingas, wicinga cynn als Bezeichnung für einen (vermutlich jütländischen) Volksstamm. Diese gesammelten Indizien machen Kälvesten zu einem der wichtigsten Runendokumente und eine Datierung der Inschrift auf ca. 800 doch sehr wahrscheinlich.
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6.2.5 Rök Der Stein von Rök in Östergötland weist nicht nur mit ca. 750 Runen die längste aller Runeninschriften auf, sondern mit Sicherheit auch die berühmteste; mit seiner Mischung aus Kurzzweigrunen-Klartext und zahlreichen verschlüsselten Geheimschriftpartien stellt er höchste Herausforderungen an seine Interpreten. Während die Lesung der einzelnen Partien seit Bugge 1910 und von Friesen 1920 bis auf minimale Unsicherheiten als etabliert gelten kann, und auch über die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte weitgehende Einigkeit herrscht, bleibt die Frage nach ihrer Interpretation, nach der Aussageabsicht der Inschrift, nicht etwa mangels Interpretationen, sondern weil es zu viele "gute" Interpretationen gibt, offen. Fast jeder bekannte Runologe hat über diesen Stein geschrieben, und jeder kam zu einem völlig anderen Ergebnis als seine Vorgänger. Es ist hier nicht der Platz, eine vollständige Übersicht über die riesige Rök-Literatur zu geben, ich beschränke mich deshalb auf die m.E. wichtigsten Deutungen durch von Friesen 1920, Höfler 1952, 1963 und 1966, Wessén 1958, 1964 und 1966, Jacobsen 1961, Nielsen 1969, Lönnroth 1977 und Gr0nvik 1983. Die Inschrift und ihre Lesung: Al: A2:
aftuamu]>staiitarunaRf>aR· inuarinfaf>ifaf>iRaftfaikiansunu Aft Vcemoö stando ruñar par œn Varinnfaöi faöir aftfaigian sunu.ls
Alle Interpreten: "Nach Vamod stehen diese Runen. Aber Varin schrieb sie, der Vater nach dem todgeweihten/toten Sohn." A3: A4: A5:
sakumukminit>athuariaRualraubaRuaRintuaR ]>aRsuat>tualfsinumuaRinumnaRtualraubu ba^aRsamanaumisumanum . fiatsakumana Sagum ok minni pat/Sagum ungmenni pat hvœriaR valraubaR vaRin tvar par svap tvalfsinnum vaRin numnaR (a)t valraubu baöaR saman a ymissum mannum
Brate in Bugge 1910: "Wir sagen/wollen sagen dem Volk eine Geschichte" (sakumukmini = sagum mog minni), übernommen von Lönnroth16. Ich gebe den normalisierten Text in der Umschrift und Strophenanordnung bei Nielsen 1969 wieder. Lönnroth, der die Geheimschriftpartien in anderer Reihenfolge liest als die meisten anderen Interpreten möchte hier eine strophisch formulierte Antwort auf die zwei zuvor gestellten Fragen/Rätsel finden; er ordnet dort den Text wie folgt: Vilinn es jjat knua
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Von Friesen/Höfler: "Ich sage dem jungen Manne..." (sakumukmini = sagum ung-mcenni) Alle anderen: "Ich erzähle auch die Geschichte/Volkssage..." (sakumukmini = sagum mog-minni oder sagum ok minni) Alle Interpreten: "...welche die zwei Beutestücke waren, die zwölfmal als Kampfbeute erobert wurden, beide zusammen von verschiedenen Männern." A6: rthuaRfurniualtumanurfiifiaru AT. miRhraifikutumauktu A8: miRanubsakaR pat sagum annart hvaR fur niu aldum an yröifiaru meöR Hraiögutum auk dömiR hann/enn umb sakaR/ok dó med hann ofsakar. Von Friesen: "Jag säger honom för det andra detta, hvem det var som för nio släktled sedan (= i den grâ forntiden) steg upp pâ stranden med sina reidgoter och dog med dem där tili följd däraf." Höfler: "Das sage ich als zweites, wer vor neun Menschenaltern bei den Hreidgoten zur Welt kam (oder: Mensch wurde). Und er entscheidet noch jetzt über Kämpfe." Wessén: "Det sägerjag som det andra, vem som för nio âldrar (släktled) sedan miste livet hos reidgoterna, och hann dog hos dem tili följd av sin skuld." Jacobsen: "Det fremsiger jeg som det andet hvem der for ni slaegtled siden gik i land pâ strandbredden hos Redgoterne; og han fandt d0den bland (dem) for sine br0de (d.v.s. overfaldet pâ dem." Nielsen: "Det siger jeg som det andet, hvem som for ni (menneske)aldre siden (evt. = for lasnge siden) kom til livet (dvs. kom til Verden, tog menneskeskikkelse) hos hreiflgoterne, og han d0mmer i (dvs. afg0r) stridigheder." Lönnroth: ""Tell that as the second: who lost his life with the Hreiâ-Goths nine ages past but is still ready for battle?" knatti iatun Vilinn es fiat nyt(i) sibi viavari
01 nir00R upp af óx sagum mog menni - l»orr. Dies soll eine metrisch korrekte fornyröislag-Strophe sein, bei der der Stab in den beiden letzten Zeilen nur auf dem Komplex mukmini liegen kann, was für Lönnroth dafür spricht, zwei getrennte, mit m- anlautende Wörter als die wahrscheinlichste Interpretation anzusetzen.
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Gr0nvik: "Det siger jeg som det annet, hvem som for ni mannsaldre siden d0de blant reidgoterne, og fremledes samtales det, diskuteres det om hans saker, d.e. om de rettsaker eller stridigheter han var innblandet i." Problematisch ist also zunächst die Partie anur]>ifiaru, was als an uröi/yrdi fiaru (zu aisl. fiçr 'Leben, Leib, Körper') aufgefaßt werden kann: "er kam ums Leben" (so Wessén, Lönnroth, Gr0nvik); oder als a urdi fiaru (wie oben): "er kam ins Leben, kam zur Welt, kam in die Welt" (so Höfler, Nielsen); oder als a(n) urdi fiaru (zu aisl. fiara 'Strand, Ebbe, Watt'): "auf dem Strand erschien o.ä." (so von Friesen, Jacobsen). Das Problem ist nicht nur für die inhaltliche Interpretation von Bedeutung, sondern auch für die Sprachgeschichte von einiger Wichtigkeit: Stellt man fiaru zu fiçr, dann muß man eine unsynkopierte Form annehmen und hat dann einen Beleg für die These, u sei nach kurzer Stammsilbe später geschwunden als a, i. Stellt man es dagegen zu fiara, dann entfällt dieser Beleg, und fiaru wäre die völlig reguläre Form eines obliquen Kasus mit ostnordisch nicht durchgeführtem oder ausgeglichenem «-Umlaut, oder mit Bezeichnung des Umlautproduktes durch die a-Rune. Das zweite Problem stellt die Partie auktumiRanubsakar dar; sie wurde erklärt als: 1) auk dó meör á umb sakar "und er starb mit ihnen dort deshalb" (Von Friesen, er setzt also zwei isoliert stehende Präpositionen an, was wenig wahrscheinlich sein dürfte); 2) auk d0mir enn/hann umb sakar "und er entscheidet (immer noch) über Streitfälle/in Kämpfen" (Höfler, Nielsen, mit einer anderen Bedeutung von d0ma auch Lönnroth und Gr0nvik; für diese Lesung gibt es gute Parallelen in der Edda); 3) auk dó meör hann umb sakar "und er starb bei ihnen wegen seiner Schuld" (Wessén, Jacobsen, wobei man sehr viel eher auk dó hann meör *peim umb sakar erwarten sollte oder müßte, außerdem ist die Phrase um sakar in der Bedeutung "wegen der Schuld" nicht belegt). Unabhängig davon, welche Verbsemantik man zugrundelegt, ist die zweite Version die syntaktisch am ehesten überzeugende - es ergibt sich dann aber die Konsequenz, ein Verb im Präsens in den Kontext zu integrieren, der von einem Ereignis spricht, das vor "neun Menschenaltern" stattgefunden habe. Höfler wollte Theoderich als im Volksglauben immer noch aktiv auffassen, Nielsen bezieht die Stelle auf Odin, der quasi außerhalb der Zeit steht, Lönnroth meint, der begrabene Theoderich sähe immer noch kampfbereit aus in seinem Grabhügel, und Gr0nvik schließlich versteht die Stelle so, daß man in der Gegenwart noch immer über die vergangenen Streitigkeiten diskutiert. Für welche der Auffassungen man sich entscheidet, ist natürlich stark von der Gesamtinterpretation des Komplexes und der Inschrift abhängig. Bl: B2: C:
raif>iaurikRhint>urmu])istiliR flutnastrantuhraiJimaraRsitiRnukaruRa kutasinumskialtiubfatlafiRskatimarika Raid piodrikR hinn purmodi stilliRflutna strandu HraipmaraR.
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SitiR nu garuR a guta sinum sltialdi umb fatlaöR skati maringa
Alle Interpreten: "Es herrschte/ritt Theoderich17 der kühngemute, der Fürst der (See-)Krieger, über den Strand des Hreidmeeres. Jetzt sitzt er gerüstet auf seinem (gotischen) Roß, den Schild auf der Schulter, der Held der Märinge." Strittig ist hier nur, ob raij> zu ràda "herrschen, entscheiden" (als réS) oder zu rida "reiten" (als reid) zu stellen ist; reiö wäre zunächst vom Orthographischen her die wahrscheinlichere Lesung, ergibt aber nur dann einen akzeptablen Sinn, wenn man vorher im Text fiaru als "Strand" auffaßt und wenn man strantu als Dativ in (selten belegter) lokativischer Funktion erklärt (Von Friesen, Höfler, Nielsen). Vom Syntaktischen her wäre rèif die bessere Variante, zumal sich damit eine enge sprachliche Nähe zu zwei Strophen des Ynglingatal ergeben würde: Rök
Yngl. 35 5 ' 8
Réd Pódríkr hinn pórmódi stillirflotna strçndu Hreiömarar
RéS Oláfr ofsaforöum vidri grund of Westmari
Rök
Yngl. 365-8
sitr nú gçrr á gota sínum sìdldi um fatlaör skati rrueringa
Nú ligger grunndjarfr á Geirstçdum herkonungr haugi ausinn.
Dieser Vergleich mit den parallelen Kontrast "früher" : "heute" ist sehr verlokkend und war wohl der Hauptgrund dafür, daß sich Wessén, Jacobsen, Lönnroth und Gr0nvik für réd entschieden; dann stellt sich allerdings das Problem, die Orthographie für /e:/ zu erklären, was bisher nicht überzeugend gelungen ist. Jacobsen 1961:11 argumentiert für eine Fehlschreibung des Runenmeisters, weil dieses Wort bzw. seine Form in Runentexten selten sei, und deshalb kein Schriftvorbild existiert habe: "man skal derfor naeppe gâ altfor strengt i rette med vor ru17
Meist wurde PiaurikR als Theoderich der Große verstanden, vor allem in der älteren Forschung und von Höfler; von Friesen nahm an, daB es sich um einen sonst unbekannten Theoderich (König der Ostseegoten im Weichselgebiet) handeln müsse. Jacobsen erwägt mit Malone 1934 den Frankenkönig Theoderich (511-534), der gegen den dänischen König Huglaik kämpfte, zusammen mit seinen drei Brüdern Chlodomeris, Childebertus und Chlothacharius. Nielsen möchte dagegen den Namen als Odinsheiti auffassen, weil es andere Beinamen des Gottes gibt, die von geschichtlichen Personen - etwa Jörmunrekr oder Audunn stammen. Lönnroth spricht sich für den toten Theoderich den Großen aus, der bewaffnet in seinem Grabhügel sitzt, Gr0nvik denkt wie frühere Interpreten an die Reiterstatue Theoderichs, die Karl der Große im Jahre 801 von Verona nach Aachen bringen ließ.
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nemester, fordi han ikke n0je har overholdt de ortografiske regier.", was den Charakter einer Notlösung hat. Eine Seitenform reiö neben réd, die in einigen aisl. Handschriften zu finden ist (vgl. Noreen 1970:149 mit Zweifel), für die Sprache des Röksteines anzunehmen, ist gleichfalls wenig überzeugend, zumal die "aisl." (= mittelisl.) Belege sicher umgekehrte Schreibungen sind, die die Diphthongierung von /e:/ markieren wollen: [ijefl]. Es gibt aber dänische und schwedische Runensteine, auf denen relativ konsequent für /ae/ geschrieben wird (vgl. Nielsen 1960); deshalb nimmt Gr0nvik an, daß wie in einigen südschwedischen Dialekten auch im Östergötland des Röksteins eine Senkung von /e:/ zu /ae:/ eingetreten sei, zu der dann die Orthographie raip passen würde. Dieser Vorschlag läßt sich unterstützen durch die Schreibung uamup für *Vœmo5R = aisl. VémóBr und vielleicht durch den auffälligen Trigraphen im Namen piaurikr. "Det ligger derfor naer â anta at gammel le\l og lo.l foran /8/ eller overhodet foran dental klusil og spirant, har hatt ett allofon [ae:1] og [Q:u], som senere kan vaere oppgitt igjen, men som i Rök-innskriftens grafemsystem eventuelt mätte noteres som og . Med denne begrunnelse leser jeg altsâ JiiaurikR som [pjQ:u(d)-ri:kR] = fonemisk lpjo:(d)-ri:kRI og raij) som [rœ:'d] = fonemisk Ire:dl. (Gr0nvik 1983:116). Wenn man diesen Vorschlag akzeptiert, dann lassen sich wegen der Syntax kaum noch Einwände gegen eine Interpretation von raip als "er/es herrschte" anbringen, was somit den Vorzug gegenüber "er ritt" erhalten sollte. Lönnroth 1977:29 macht zudem auf die Möglichkeit aufmerksam, daß der Satz noch eine Nebenbedeutung transportieren könnte: Réd Poörikr....strandu HraiömaraR könnte meinen "Theoderich besaß den Schild", wenn man marr nicht (nur) als "See, Meer", sondern als heiti für "Schwert" auffaßt und "den Strand des Schwertes = SCHILD" als Kenning auflöst; für Lönnroth ist das Schwert Theoderichs (Ekkisax, Naglring, oder am ehesten Miming) eine der beiden Kostbarkeiten, die bei verschiedenen Anlässen als Kampfbeute erworben wurden, die zweite könnte seinen Schild oder sein Pferd meinen. Allerdings kann marr als poetische Umschreibung auch "Pferd" bezeichnen, was die Zuordnung der eventuellen Kostbarkeiten etwas willkürlich macht. Bis hierher lesen alle Interpreten in derselben Reihenfolge; Von Friesen und Höfler (auch Lönnroth) setzen fort mit den (Windmühlen-)Geheimrunen auf der Oberseite und oben an der Rückseite, während die anderen Interpreten nun den Rest der Inschrift in normalen Kurzzweigrunen auf der Rückseite (innerhalb des Rahmens mit Runen aus dem Älteren FuJjark!) anschließen. Unabhängig davon, in welcher Reihenfolge man die einzelnen Partien auf dem Rökstein anordnet und liest, bleibt die schwierige Frage, wieso vom Zweiten zum Zwölften gesprungen wird. Wessén muß um seiner Repertoire-Theorie willen annehmen, daß die Nummern 3-11, die im Text fehlen, auf einer Holztafel in der Nähe des Steins gestanden hätten, während Jacobsen vorschlägt, es habe vier weitere Steine gegeben, die zusammen mit Rök das Gesamtmonument gebildet hätten. Beides hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Gr0nvik, der die gesamte Rökinschrift als Ge-
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denktext auffaßt, nimmt an, daß Theoderich auf dem Wege der genealogischen Ansippung zum Vorfahr der Familie Varins und Vemods geworden sei; Theoderich war aber laut des zweiten minni vor neun Generationen gestorben, die in den Nummern 3-11 ausgelassen sind: "Med minne 12 er vi altsâ kommet til Vemod. Minne 3-11 har Varin bare antydet gjennom nummereringen, og samler nä oppmerksomheten om det siste store h0ydepunkt i slektens historie: Vemods strâlende seier over en fiendtlig haer, med tjue d0de konger liggende igjen pâ slagmarken." (Gr0nvik 1983: 119). Nielsen und Lönnroth nehmen mit unterschiedlichen Begründungen an, die Zahlen seien fester Bestandteil der zitierten Gedichte bzw. Rätselstrophen; sie hätten deshalb vom Runenmeister nicht weggelassen werden können. Lönnroth schlägt darüber hinaus vor, tualfta nicht als Adverb aufzufassen, sondern als einen Gen.Pl. zu tylft 'Dutzend1, aber der daraus resultierende Satz erscheint mir syntaktisch unmöglich; zudem spricht der folgende Abschnitt ganz eindeutig als Fortsetzung vom "Dreizehnten", was die Interpretation von tualfta als Adverb wohl festlegen dürfte. Von Friesen und Höfler kommen dagegen durch geschickte Kritiker würden sagen: willkürliche - Zählung der Einheiten dazu, daß nach der elften Aussage mit "Das sage ich zum Zwölften" fortgefahren werden kann; von der inneren Logik her ist das überzeugender als die "Lückentheorie" der anderen. Ich gebe trotzdem die Reihenfolge der Mehrzahl der Interpreten, führe aber bei der Umschrift die Zählung nach von Friesen und Höfler in Fettdruck an. Dl: D2: D3:
|>atsakumtualftahuaRhistRsiku naRituituakiankunukaRtuaiRtikiRsua J>alikia ·
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pat sagum tvalfta hvar hcestr se Gunnar etu vettvangi a kunungaR tvaiR tigiR svad a Uggia.
Alle Interpreten: "Das sage ich als zwölftes, wo das Roß Gunns (= der Walküre = der Wolf) Speise erblickt/erblicken wird auf dem Schlachtfeld, 20 Könige, die da liegen/liegen werden." D3: - |>atsakum|>ritauntahuariRt D4: uaiRtikiRkunukaRsatintsiuluntifia D5 kurauinturatfiakurumnabnumburn D6: iRfiakurumbrut>rum · 13 pat sagum prettaunda hvariR tvaiR tigir kunungaR satin Siolundi i fiagura vintur atfiagurum nampnum burniR fiagurum bröörum
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Alle Interpreten: "Das sage ich als Dreizehntes, welche zwanzig Könige auf Seeland saßen, vier Winter lang, mit vier Namen, Söhne von vier Brüdern:" D6: . uaIkaRfimra|>ulfsu D7: niRhraitmlfaRñmrukulfsuniRhaisIaRfimharut> D8: ssuniRkunmuntaRfimbirnaRsuniR 14
ValkaRfimm, Rádulf s syniR, HreidulfaR fimm, Rugulf s syniR HaislaR fimm, Haruds syniR GunmundaR fimm, BernaR syniR
Alle Interpreten: "Fünf mit Namen Valke, Söhne des Rádulf, fünf mit Namen Hreidulf, Söhne des Rugulf, fünf mit Namen Haisl, Söhne des Hörd, fünf mit Namen Gunmund, Söhne des Björn." Daß die drei letzten Abschnitte inhaltlich zusammengehören, ist mit Ausnahme von Jacobsens Ansicht, die zwanzig Könige würden im 13. Abschnitt eine exakte Zahl (4x5) angeben, im 12. Abschnitt dagegen "for en ubestemt stor mengde" (Jacobsen 1961:21) stehen, unumstritten; problematisch ist die Vorstellung, daß vier Väter ihren jeweils fünf Söhnen ein und denselben Namen gegeben haben sollten, fraglich ist ferner, in welchem Zusammenhang zu Varin diese Könige dann gestanden haben könnten. Von Friesen und Höfler nahmen an, es habe sich nicht um leibliche Brüder, sondern um Mitglieder einer Handelsgilde (von Friesen) bzw. um Mitglieder einer Bruderschaft von Kriegern mit mythischen "Vätern" (Höfler) gehandelt; sie seien die Mörder Vemods und sollten durch die Inschrift und den gerade gezeugten Rächer dem Untergang geweiht werden. Gr0nvik denkt etwas prosaischer an vier Wikingerhäuptlinge, die ihre jeweilige Schiffsbesatzung durch Ausrüstung o.ä. zu "Brüdern" gemacht hätten; sie seien allerdings von Vemod in einer grandiosen Schlacht getötet worden. Nielsen faßt diesen Teil der Inschrift als Bestandteil der Odinsanrufung auf; dieser habe 20 Könige auf einmal nach Walhall berufen. Wegen der Nennung von Seeland = Dänemark denkt er an eine Variante des HjaSningakampfes (der südgerm. HildeSage), der außer in der mhd. Kudrun im Norden bei Saxo, Snorri und im SörlaPáttr, sowie in Ragnarsdrápa und Háttalykill mehr oder weniger ausführlich belegt ist. An einen Reflex dieses Kampfes glaubt auch Lönnroth: aufgrund der Namen, von denen schon auf den ersten Blick einige die Bedeutung "Bär" oder "Wolf' assoziieren lassen (RáSúlf, Hraiñúlf, Rugúlf, Björn), denkt er an zwei Gruppen von Berserkern, die sich gegenseitig bekämpft haben könnten wie Heöinn und Hçgni mit je 20 (!) Königen in der Schilderung des Hjaöningavig in Sörla-Mttr: "If we assume that Haru8 of the Rök inscription is a bear's heiti, the twenty-four men are symmetrically divided into a "wolf group" and a "bear group", each containing 12 members (two fathers and ten sons)." (Lönnroth 1977:36). Alternativ erwägt er auch die Möglichkeit, daß ein Außenseiter in (vermutlich) vier aufeinanderfolgenden Kämpfen die vier Berserkergruppen getötet haben könnte; in jedem Fall muß es sich um eine zur Zeit des Röksteins bekannte Geschichte gehandelt haben.
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In der folgenden Zeile sind die meisten Runen beschädigt und ein Teil ganz verloren, weshalb eine Lesung und Interpretation schwierig und etwas fragwürdig ist; ich gebe in eckigen Klammern die Lesungen von Friesens und Gr0nviks: D9: nukminimiRalusi/akiainhuaRif) [kialtaf>urbi]/[kialtnit>ikia] D8 (Ende) (a)ftiR fra 15
Nú'k minni med çllu segi ein; hverr iögjgld ne piggi-a, 11 eptirfrâ ( Gr0nvik) Von Friesen/Höfler: "Nun ziehe ich mir einen jungen Mann. Gedenke er, wenn er allein ist (= wenn ich tot bin), wer der Rache bedarf (für den Verlust des Sohnes)." Wessén: "Nu sägerjag minnena fullständigt. Nágon ... det som han har eftersport." Jacobsen: "Nu har jeg efterspurgt mindet fuldstaendigt..." Nielsen: "Efterspurgte jeg nu mindet fuldstaendigt. En eller anden mâ sige...". Lönnroth: "May each person tell enough memories completely" Gr0nvik: "Noen minner sie jeg nâ fullstendig; hvem som ikke fâr skadebot, fikk jeg vite etterpâ." Eines der zahlreichen Probleme der Rökinschrift ist die Frage, wohin im Text die hier als ftiRfra wiedergegebene Runenfolge zu stellen und wie sie zu interpretieren ist. Die Zeile D8 mit dem Abschluß der Vater-Söhne-Namen (und auch die Rahmenlinie, auf der die Runen stehen) endet nach etwa 3/4 des in der Linie zur Verfügung stehenden Platzes, eindeutig markiert durch ein Kreuz als Abschluß des Abschnittes; die oben gegebenen, zum Teil beschädigten Runen der Zeile D9 stehen unmittelbar darunter und enden etwa auf der gleichen Höhe wie die darüberstehende (bzw. links davon stehende) Zeile. Daneben, bis zum waagrechten Rahmen aus verschobenen Kurzzweigrunen reichend, steht dann noch die Folge ftiRfra, mit Runen, die etwa die Höhe der Zeilen Dl-7 erreichen und somit doppelt so groß wie die der Zeilen D8+9 sind. Wie ist diese graphische Besonderheit zu bewerten? Jacobsen 1961:17ff argumentiert dafür, wie auf der Vorderseite A wo ganz ähnliche Verhältnisse zu konstatieren sind - der Inschrift erst die vollständige vorletzte Zeile zu lesen und dann die beschädigten Runen anzuschließen: +ftiRfra nukminimiRalu...(ihre Lesung ist bei Nielsen 1969: 37 übernommen). Gr0nvik 198 l:122f liest dagegen (wie Wessén 1958:49f, der mit einer Fehlkalkulation des Platzes durch den Runenmeister rechnet) ohne nähere Begründung erst Zeile D9 und schließt dann (a)fHRfra an; bei beiden bildet es den Abschluß dieses (für sie zweiten) Teils. Für Lönnroth 1977 bildet die Zeile D9 dagegen eine Art Postscript zur gesamten Rökinschrift, stellt also zusammen mit dem Anfang eine Art von Rahmen um die drei Rätselkomplexe des Binnenteils dar; für ftiRfra ent-
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scheidet er sich für eine Lesung als Geheimrunen, wie es bereits von Friesen und Höfler befürwortet hatten: wenn man diesen Teil zum Rahmen aus Älteren und verschobenen Runen rechnet, dann ergibt sich nach dem Prinzip, daß eine jede Rune für die ihr im Fugarle unmittelbar folgende steht, eine Lesung ubafuks(i). Von Friesen und Höfler brauchen diese Folge als elften Teil, um danach zum Zwölften übergehen zu können; zusammen mit dem vorangehenden NIT(i) in chiffrierten Runen könnte sich dann ergeben: niti upp afyksi/óx "Möge Nutzen daraus erwachsen" oder "Nutzen ist daraus erwachsen", was als das gewünschte Ergebnis der Zeugung des Rächers zu verstehen ist. Lönnroth entscheidet sich gleichfalls für diese Lesung, weil sich dann innerhalb der Geheimschriftpartie eine Strophe im Fornyräislag ergeben könnte, als Antwort auf die in seinem zweiten Teil gestellten beiden Rätsel: Vilinn es pat knua knati iatun; Vilinn es pat nyti, sibi viavari. Ol nir00R upp afóx sagum mog menni - Porr.
ir
"Vilin it is who knew to beat the giant; Vilin it is who may enjoy the godfearing kinsman At ninety he begot and up from it grew - tell to the folk that memory - Thor.
Die Parallelität zwischen der Vorder- und Rückseite des Steins ist in der Tat auffällig, was für mich am ehesten für die Argumentation Jacobsens spricht; für die Interpretation von Nielsen und Wessén spielt der Punkt eigentlich keine große Rolle, auch Gr0nvik müßte lediglich die Syntax etwas umstellen - aber für von Friesen, Höfler und Lönnroth ist diese Frage von entscheidender Bedeutung: liest man fiiRfra als Klartext nach Zeile D8, dann fällt die Durchzählung von Einheiten (die aber sowieso etwas fragwürdig ist) von Friesens, es fällt aber auch das strukturbildende Schema, das Lönnroth auf Rök findet: für das zweite (oder dritte) Rätsel fehlt dann die poetisch formulierte Auflösung, die einheitliche Struktur wäre durchbrochen. Andererseits hätte man gerne ein Wort mit α-Auslaut vor diesem Komplex, entsprechend dem konsequenten Gebrauch auf Rök, an- und auslautende identische Phoneme nur einfach zu bezeichnen; und wir haben auf der Rückseite den wohl wirklich das Ende eines Abschnittes markierenden Trenner, der auf der Vorderseite fehlt, wodurch auch eine andere Leseordnung angezeigt sein könnte. Es hängt also auch in dieser Frage alles letztendlich von der Gesamtinterpretation der Rökinschrift ab - runologisch/philologisch muß sie offen bleiben. Im Folgenden ist wiederum fraglich, ob man mit dem Rahmen um die Kurzzweigrunen, den Zeichen aus dem abgewandelten Älteren FuJjark weiterlesen soll oder mit den verschobenen Kurzzweigrunen, die (z.T. als Sturzrunen) in drei waagrechten Zeilen oberhalb des gerade gelesenen Teils stehen fortfahrt; ich stelle mit von Friesen, Nielsen und Gr0nvik den Teil im Älteren FuJjark voran:
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sagwmogmeni?adhoaRigold gaoaRigoldindgoanaRhosli Der Runenmeister von Rök verwendet hier ein einmaliges Zeichenrepertoire: nach der gegebenen Lesung (die als allgemein akzeptiert gelten kann) stünde ¡1 für , H für , h für , X, M> N> S> Γ> wären die Normalformen des Älteren FuJjark, während und ^ jüngere Varianten repräsentieren; die i-Rune hat die merkwürdige Form % was wohl als Verfremdungseffekt gedacht ist, am seltsamsten aber ist die mit ? bezeichnete Rune: sie ähnelt einer gespiegelten fRune mit vier Beistäben nach rechts und drei (nach Johnsen 1968:143; es könnten allerdings links vier Beistäbe sein, wodurch die Verschlüsselung noch rätselhafter wäre) nach links gehend; aus dem Kontext ist klar, daß das Zeichen in irgendeiner Weise für . Man mag das akzeptieren und erhält dann normalisiert: 5
Sagum ok/mog minni pat hvaR Inguldinga vaRi guldinn kvanaR husli i/(a)t kvánaR húsli Alle Interpreten sinngemäß: "Ich sage dem jungen Mann/erzähle die Geschichte, wer von den Ingoldingen/Ingvaldingen gerächt wurde (Höfler: geweiht wurde) durch das Opfer einer (= meiner) Gattin." Das genaue Verständnis dieser Aussage wird erschwert durch die semantische Ambiguität des Verbs gjalda, das "bezahlen, übergeben, vergelten, lohnen, entgelten, büßen, leiden u.a." bedeuten kann und durch die grammatische Ambiguität der Gen.-Konstruktion kvánar húsli, die die Frau als aktiv oder als passiv bezeichnen könnte; auch hier kann nur der größere Kontext Argumente liefern. El: d.i.
airfbfrbnhnfinbantfanhnu sakumukminiuaimsiburini|>/Rtraki
Die Runen sind hier dergestalt vertauscht, daß eine jede für die ihr im FuJ>ark unmittelbar nachfolgende (also f = u) steht; normalisiert ergibt sich dann: 6+7
Sagum ok/mog minni (h)vaim se burinn nidR (drœngi)
Alle Interpreten: "Ich sage dem jungen Manne/erzähle die Geschichte, wem ein Sohn geboren ist (, welchem Helden [so Wessén, Jacobsen, Nielsen, Lönnroth, Gr0nvik])" Obwohl die Aussage klar zu sein scheint, stellen sich doch einige philologische Probleme: Zunächst ist nicht ganz klar, ob drœngi noch zu der Aussage gehört, also zu hveim als diskontinuierlicher Ausdruck zu stellen ist, wie die meisten der Interpreten annehmen, oder ob drœngi eine selbständige Aussage bilden soll (als zählbare Einheit), wie von Friesen und Höfler behaupten (vgl. die unten gegebenen Übersetzungen). Syntaktisch ist beides gut möglich, als Argument kön-
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nen also nur runologische Kriterien herangezogen werden: traki steht in einer neuen Zeile, es ist nicht wie das Vorausgehende in verschobenen Runen geschrieben, es könnte also eine neue Einheit markiert sein; auf der anderen Seite haben wir im Folgenden vergleichbare Verhältnisse in knua knat(i) (verschoben) iatun (unverschoben), die eindeutig zusammengehören. Wenn man - wie allgemein akzeptiert - das erste Zeichen der Zeile E2 als R-Rune liest und zu nip-R als Nom.Endung stellt, ergibt sich ein weiteres Argument für eine zeilenübergreifende Sinneinheit gegen von Friesen und Höfler. Auch die Semantik von drcengi ist nicht ganz eindeutig, es kann bedeuten "junger, unverheirateter Mann" oder "tapferer Mann, Held", in Runeninschriften ausschließlich letzteres, aber auf wen ist es zu beziehen? Thor (Gr0nvik, Nielsen), Vilin (Jacobsen), Varin (von Friesen), Theoderich (Höfler), Odin oder sein Bruder (Lönnroth)? Im Zusammenhang mit den folgenden Aussagen ist der Gedanke an Thor wohl am naheliegendsten. Nidr bezeichnet einen männlichen Nachkommen, in poetischer Sprache am ehesten einen Sohn. Die Lesung darf als etabliert gelten, setzt aber voraus, daß man die letzte Rune in Zeile El nicht als (ergibt verschoben R), sondern als (verschoben |>) annimmt: "u-runens bistav bestâr af en 1-bistav, der fortsaettes i en naturlig füre, som af runemesteren utvivlsomt er besternt til at medlaeses, sâledes at man ved forskydning for u fâr J>." (Jacobsen 1961:22). Olsen in Bugge 1910 hatte dagegen eine assimilierte Form niöR > *niRR angenommen, was durch von Friesen und auch Höfler übernommen wurde, von Jacobsen 1961:22 aber als "umulige form" bezeichnet wurde, Johnsen 1968:147 hält nidr für "rimeligere" als ni RR. Nielsen und Lönnroth übernehmen stillschweigend nipR. Gr0nvik spricht sich dagegen für eine Lesung nipiR aus, weil er den Rahmenstrich als i-Rune mitlesen zu können glaubt, und weil nach seiner Auffassung in der Sprache des Röksteins Iii nach kurzer Stammsilbe noch bewahrt sein soll. Der einzige positive Beleg dafür, sitiR, steht allerdings in der Theoderich-Strophe, die für die Sprache der aktuellen Inschrift von Rök m.E. wenig aussagekräftig ist; zudem fehlt an dieser Stelle der Rahmenstrich, den Gr0nvik als Rune werten möchte, was seinen "Beleg" für eine unsynkopierte Form wenig wahrscheinlich macht. Ich halte deshalb niöR für den einzigen konsensfahigen Ansatz. E2:
(Rtraki)uilinisJjat ·
7+8
Vilin es patA>illi nis pat
Von Friesen: "För (att hämnas) en ung hjälte (är hann född). (Att) detta (skall ske) är (nu) pâ nytt önskan." Höfler: "Dem Helden (: Theoderich). Das ist noch jetzt unser Wille." Wessén/Jacobsen: "For Vilin er det." Nielsen: "Vilin er det." Lönnroth: "It is Vilin who..." Gr0nvik: "Det er ingen villfarelse" = "Det er ganske sant".
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Einigkeit herrscht also darüber, daß im Vorausgehenden ausgesagt werden sollte, daß irgendjemandem ein Sohn geboren worden ist, die Frage ist jedoch, wer das sein könnte, und für wen er geboren ist. Von Friesen glaubte, daß hier eine Anspielung auf den Baldr-Mythos vorliegen könne: der junge Held sei der Gott Baldr, dessen jüngerer Bruder, von Odin gezeugt, den "Riesen" Hç3r erschlagen habe, um Baldrs Tod zu rächen; dies hat schon Höfler abgelehnt, da nichts in diesem ganzen Abschnitt auf Baldr hinweist. Höfler selbst hält den Helden, dem das Kind geboren (= geweiht) ist für Theoderich, durch den der junge Sohn Varins dazu in die Lage versetzt werden soll, seinen toten Bruder Vamod zu rächen. Aus diesem Ausgangspunkt erklärt sich bei beiden die Übersetzung des folgenden uilin is pat, bei dem dann natürlich keine weitere Person angesprochen sein kann. Alle anderen Interpreten mit Ausnahme von Gr0nvik, der hier ein ansonsten nicht belegtes Substantiv * villi als Ableitung vom Adjektiv villr "irrend, irrig, falsch" annehmen möchte, lesen in uilinispat einen Personen- oder Götternamen Vili oder Vilinn: Jacobsen 1961:25f hält ihn (im Dativ) für den Namen des Helden, dem der Sohn geboren wurde, ohne daß sie deutlich macht, um wen es sich dabei handeln könnte. Wessén 1958:54f denkt wie bereits Olsen 1921 an einen Thors-Mythos, der hier angesprochen sein könnte, und hält Vilinn für einen Sohn Thors, "icke känd frân nâgon annan källa.". Nielsen glaubt, daß hier wegen des folgenden knua knatiatun "er konnte einen Riesen erschlagen" Thors Sohn Magni gemeint ist, und daß dieser das Pseudonym Vilinn gehabt haben könnte; Thors beide Söhne Magni und Mó8i sowie seine Tochter I>rú8r tragen Namen, die von Eigenschaften ihres Vaters: "Stärke, Mut, Kraft" abgeleitet sind, dazu würde Vilinn zu vilja "Wille", gebildet wie Oflinn, Varinn etc., passen. Magni wäre dann also der Sohn, der dem Helden = Thor geboren worden ist, wie schon Olsen 1921 vorgeschlagen hatte. Nun hat Magni laut Snorri Sturluson zwar nicht den Riesen Hrungnir erschlagen, sondern lediglich seinem Vater nach dem Kampf aus der Klemme geholfen, aber "Lösningen pâ dette problem ligger sikkert i det at Magne religionshistorisk er â forklare som en hypostase av guden Tor, d.e. som et opprinnelig tilnavn som senere er vokst frem til â bli en egen gudeskikkelse. Det er derfor forstâelig om en egenskap som opprinnelig, og ennâ her i Rök-innskriften, ble tillagt guden Tor, i den yngre tradisjon er overf0rt til s0nnen Magne." (Gr0nvik 1983:127). Vor allem im Hinblick auf das weiter unten folgende sakumukminipur erscheint der Gedanke an einen hier angesprochenen ThorsMythos sehr viel naheliegender und überzeugender als Höflers Theoderich-Mythos oder Lönnroths Vorschlag, Vili(n) könne ein ursprünglicher Beiname Odins gewesen sein, der erst später in der Überlieferung zu einem der Odins-Brüder Vili und Vé geworden wäre18.
Lönnroth denkt an den bei Snorri in Ynglinga saga referierten Mythos, daß Odins Brüder Vili und Vé in dessen Abwesenheit das Götterreich beherrschten und mit Odins Frau Frigg schliefen, und an den Bericht Saxos, daß Odin mit der Riesin Rind einen Sohn zeugte um die Tötung Baldrs zu rächen; beide Mythen sind aber so jung überliefert, daß ihre ursprüng-
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E2: d.i. E3:
rhtyrhis knuaknat iatunuilinisfiat
9+10
Knua knatti iatun vilin es pat
Alle Interpreten: "Er konnte einen Riesen erschlagen" "...[s.o.]". Spätestens jetzt müssen die verschiedenen Geheimrunen (Windmühlen-Runen, Eis-Runen etc.) gelesen werden; hier gibt es große Unterschiede in der einzelnen Reihenfolge und der Interpretation, so daß ich im folgenden von der bisherigen parallelen Anordnung abweiche. Von Friesen/Höfler: 11 nit ftiRfra = ubafuks(i) 4 sibiuiauari ulniru{>R sakumukminijiur 16 "Möge Nutzen daraus erwachen (oder: Nutzen ist daraus erwachsen)." Zur Problematik dieser Lesung vgl. oben. "Sibbi [von Friesen]/Der Gesippe [Höfler], der Hüter der Heiligtümer, zeugte in seinem neunten Jahrzehnt (einen Sohn)." "Ich sage dem jungen Mann: sei mutig!".
liehe Ausformung nicht mehr zu rekonstruieren sind, und gleiches gilt wohl für den Mythos, auf den der Rökstein anspielt: "The myth or minni about Vilin referred to in the Cipher Part of the Rök inscription was hardly identical with any one of the several myths and legends which I have here related, but it seems reasonable to suppose that it was built up of similar structural elements. If so, Vilin's role in the narrative was partly that of Vili and Vé, partly that of Odin and partly that of Thor in later Norse stories. He was an aged hero who in spite of his age managed to perform better than the official leader of the gods in dealing with a threat against the vé. His short term solution of the problem was to slay a giant, but he also had a long term solution which consisted in fathering a new and even more efficient giant-slayer. In order to reach the second goal he may have been forced to use tricks against the woman who was destined to bear his son, and this woman may have been some version of the Earth Goddess married to the official leader of the gods. Bu it is useless to speculate about the exact relationship between Vilin and Vili, Thor and Váli, Frigg and the Earth Goddess, etc. Names come and go in Norse mythology; stories are transformed as they are placed in new social contexts. For this reason, it is more important to consider the structural typology than the individual motifs or names. From a typological standpoint, The Vilin story may be characterized as a combination of "the theme of the giant's threat" and "the theme of Odin's exile", but this does not necessarily mean that Frigg or Odin appeared in the story as told by the runemaster, for their standard roles may have been played by other actors, who were later completely forgotten." (Lönnroth 1977:48f).
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Wessén/Jacobsen: als Abschluß des 13. "folkeminde": ftiRfra "nu har jeg efterspurgt mindet fuldstaendigt...". Zur Problematik dieser Lesung vgl. oben. Als Ende des 15. "folkeminde": nitir ulnirufiR sakumukmini^ur sibiuiauari [iu = hjó "er hieb"] "Nitir erzeugte er mit 90 Jahren. Ich erzähle eine Geschichte: Thor. Sibbi hieb (die Runen), der Hüter der Heiligtümer." Nielsen: niti ul nirujir sibi uia uari "Nitir (objekt) avlede som nitiárig Sefi, viernes vogter." sakum uk mini Jmr "Jeg siger ogsâ et minde: Tor." Lönnroth: uilin is t>at nit sibi uiauiari ul niru|iR ub af uks sakum muk minni f>ur "Vilin it is who may enjoy, The godfearing kinsman. At ninety he begot and up from it grew - tell to the folk that memory - Thor." Gr0nvik: nit ulni ruJjR = né at ólni ryör "[det er ingen villfarelse,] heller ikke at han r0dfarger (dreper) skadevolderen." sakumuk mini J)ur sibi uia uari "Jeg fremsier et minne: Tor, Sivs make, véenes vokter."
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Als relativ eindeutig erscheint hier nur, daß nach dem zweiten uilinispat die restlichen Geheimrunen der Zeile E3 gelesen werden sollten; hier steht ">T» w a s aufzulösen sein dürfte als: Zweite Rune im zweiten Geschlecht = η + dritte Rune im zweiten Geschlecht = i + ein Zeichen, das wie eine Eibenrune aussieht und vielleicht als erste Rune im ersten (= dritten) Geschlecht = t zu dechiffrieren ist; das ergäbe dann die Folge nit. Von Friesen und Höfler lesen so und fahren dann mit dem bereits oben angesprochenen in größeren Runen geschriebenen Ende von Zeile D8 resp. D9 fort, das sie als ubafuks umstellen: "Möge Nutzen daraus erwachsen/Nutzen ist daraus erwachsen". Die von den meisten anderen Interpreten erst im Anschluß daran gelesenen Geheimrunen oberhalb der Zeilen E und auf der Kopfseite des Steines stellen beide als vierte Aussage zwischen die Theoderich-Strophe und den Rahmen aus Runen des Älteren Fujjark auf der C-Seite. Höfler schlägt vor, sibi nicht als Name, sondern als Appellativum "Verwandter" zu aisl. sefi, got. unsibjis, ahd. sibbo, sippo etc. zu stellen, womit der Vater Varin bezeichnet wäre, der im Alter von 90 Jahren einen Sohn als Rächer für den getöteten Vamod gezeugt hätte; von Friesen hatte an einen Männernamen oder an Odin gedacht, der in paralleler Situation ähnlich gehandelt habe wie Varin. Den Abschluß der Inschrift bildet bei beiden dann die in chiffrierten Runen geschriebene Schmalseite D: sakumukminipur, den sie als Aufruf zur künftigen Tat verstehen (pur zu aisl. pora "wagen" als Imperativ). Für Wessén bleibt nit unverständlich und uninterpretierbar, Jacobsen schließt daran die oberhalb der drei waagrechten Zeilen E stehenden Windmühlenrunen an, die nach von Friesen als ul + ni + ru und im unteren Teil der dritten Windmühle angefugtem pR zu lesen sind, und fügt dazwischen den Rahmenstrich als /-Rune ein: niti ol nir0öR "Niti(r) avlede han [Vilin] 90 âr gammel". Wie bei knua knati iatun hätte dieser Satz dann Stabreimbindung, und mit Nitir wäre der Sohn genannt, der für Vilin geboren wurde; aber in welchen Kontext die Aussagen des ganzen Abschnittes dann einzuordnen wären, dazu äußert sich Jacobsen nicht19. Das auf dem Kopf des Steines stehende sibiuiauari faßt sie als Runenmeisterformel auf, und auch hier bleibt völlig unklar, in welcher Beziehung der angebliche Runenmeister Sibbi zu Varin stehen könnte, der ganz klar sagt, daß er die Runen fapi20. Wessén liest dagegen zum Abschluß der Inschrift die Windmühlenrunen in 19
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Höfler hat an dieser Interpretation scharf kritisiert, daß beide Namen Nitir oder Vilin in keinem der uns bekannten Sagen- oder Mythenstoffe überliefert sind, daß sie als Namen auch sonst nicht belegt seien. "Es ist ja eine Grund-Voraussetzung von Lis Jacobsens wie von Wesséns Deutung des Röksteins, daß wir über diese Bruchstücke oder Rezitationsnummern, in die die Röker Inschrift aufgespalten werden soll, eben nichts wissen - weder aus den erhaltenen Göttermythen noch aus den erhaltenen Heldensagen. Auch in dieser Hinsicht enden diese beiden neuen Deutungen im A g n o s t i z i s m u s , so wie sie diese so planvoll und kunstvoll disponierte Inschrift zu einem unzusammenhängenden Konglomerat von Bruchstücken degradieren, die ohne erkennbaren Grund teils horizontal, teils vertikal geschrieben seien" (Höfler 1963:89). Der Verweis auf den angeblich parallelen Stein von Helnaes bei Jacobsen 1961:29f ist keineswegs überzeugend: hier sind zwar zwei Personen an dem Gedenkstein beteiligt, aber von
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umgekehrter Reihenfolge und kommt damit zu Sibbi viavari ol nir0ÖR "Sibbe frân Vi avlade (en son), nittio âr gammal"; hier kommt also mit Sibbe eine weitere unbekannte Person hinzu, die laut Wessén in den Bereich der Sage gehören muß21. Die Geheimschriftpartie sakumukminipur beziehen beide auf den Gott Thor, dessen Nennung im Repertoire-Teil aber etwas unmotiviert erscheint. Nielsen 1969 liest die Geheimrunen in der gleichen Anordnung wie Jacobsen, faßt wie sie niti als Akk. eines Personennamens auf, von dem er allerdings glaubt, daß er wie schon zuvor Vilin ein anderer Name für Thors Sohn Magni sein soll. Dessen Erzeuger muß also der Gott Thor sein, der dann als sibi zu identifizieren wäre. M.E. zu Recht weist Nielsen darauf hin, daß man in uiauari = véa-vari eher einen Sg. im ersten Kompositionsglied erwarten müßte, wenn damit eine menschliche Person als Hüter eines bestimmten Heiligtums bezeichnet werden sollte; der Plural weist auf den "Hüter aller Heiligtümer", d.i. eventuell Thor, hin, von dem Beinamen wie Véorr und VéJjormr belegt sind. Einen Kosenamen Sibbi für Thor hält selbst Nielsen für unmöglich: "Anvendt om Tor ville Sibbe vaere pâfaldende." (Nielsen 1969:56), weshalb er sich wie schon Höfler für sefi entscheidet, allerdings als Name, den er mit dem Namen von Thors Frau Sif in einen Zusammenhang stellt: "I forhold til Odin lader Sefi sig definere som "s0nnen" og Sif som "svigerdatteren". Dette mâ siges at styrke formodningen om, at Sefi er et eidre navn for Tor. Hertil kommer, at vi tillige vil fâ et navnepar, der minder om navnene pâ de to s0skende Freyr (af *frauja- 'hersker') og Freyja (af *fraujon 'herskerinde'). (Nielsen 1969: 57). In diesen Kontext würde dann als letzte Zeile sakumukminipur als Aussage über Thor sehr gut hineinpassen, der gesamte Abschnitt in verschobenen und Geheimrunen würde inhaltlich als Anspielung auf Thor und den Hrungnir-Mythos eine Einheit bilden, und der Abschluß die vorher vielleicht nicht ohne weiteres identifizierbaren Namen desambiguieren22. dem Auftraggeber heißt es rhuulfR sati stain, während der Runenmeister seine Tätigkeit als auaiR fapi bezeichnet. Das Verb fâ bedeutet zu diesem Zeitpunkt ganz klar das Entwerfen und Anbringen der Inschrift auf dem Stein, und das hat für den Rökstein nach eigener Aussage Varin erledigt - es gibt daher keinen Anlaß für einen weiteren Runenmeister. Der Streit zwischen Höfler und Wessén um die Frage, ob nir0dr einen Mann in den Achzigern oder Neunzigern bezeichnen soll, und ob dieser biologisch dazu in der Lage gewesen sein kann, einen Sohn zu zeugen, erscheint mir nebensächlich; die Frage spricht aber Bände über das Diskussionsklima über Rök in der ersten Hälfte der 60-er Jahre. Die weiteren Schlußfolgerungen Nielsens erscheinen mir dagegen als höchst spekulativ (und für die Götterwelt auch zu konkret): "Tor har altsâ vaeret ved at vare gammel. Sif kan nappe have vaeret yngre, da hun havde s0nnen Uli, f0r hun blev Tors aegtemage. Man har vel ligefrem forestillet sig, at hun var for gammel til at fâ fiere b0m! Det ser da ud til, at det er ganske saerlige og for guderne farlige omstasndigheder, som har f0rt til denne forbindelse mellem Tor og en jaettedatter [die Riesin Járnsaxa, mit der Thor Magni zeugt - Th.B.]. Det er muligt, at i dette som i parallele tilfaelde en spâdom har peget pâ denne udvej. Sinnen skulle vaere af overordentlig st0rrelse og styrke for at blive sin gamie faders hjaelper (og
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Lönnroth 1977 möchte dagegen in Vilinn den obersten Gott Odin identifizieren, der konsequenterweise dann der Erzeuger und Vater Thors sein muß. Seine Zeilenanordnung ergibt sich aus der Forderung, einen zumindest andeutungsweise strophischen Text zu konstituieren, was dazu führt, daß er zunächst die Zeilen E2 + E3 (incl. nit(i)) liest, dann zur Kopfseite auf dem Stein übergeht, danach die Geheimrunen auf der Rückseite über den Zeilen E anschließt, und schließlich mit der Schmalseite wie alle anderen auch endet. Interessant ist sein Vorschlag, nit(i) als Verb nyti zu aisl. njóta zum vorangehenden Vilin es pat zu stellen, was als Übersetzung dann "Vilin it is who may enjoy" ergibt und die Wiederholung der Phrase motivieren könnte: die erste Aussage betrifft die Tatsache, daß Vilinn den Riesen erschlagen konnte, die zweite, daß er einen Vorteil aus dieser Tat erlangt. In sibi uiauari übernimmt er Höflers Vorschlag, sibi als "Verwandter" aufzufassen, und viavari ist bei ihm nicht Substantiv wie bei den anderen Interpreten, sondern Adjektiv: viavarr "careful with regard to the sanctuary", als Aussage über den Verwandten = Vilinn. Dieser bekam im Alter von 90 einen Sohn (ól nir0ör), dessen Identität der letzte Satz dieses Teils enthüllt: Thor! Mit Ausnahme der etwas ungewöhnlichen Leseanordnung ist dies eine sehr dichte und überzeugende Interpretation des Geheimschrift-Teils; man erhält eine einheitliche Aussage über eine Person, den Gott/Helden Vilinn, statt einzelner Portionen wie bei von Friesen und Höfler, oder statt zusammenhangloser Aussagen über mehrere Personen wie bei Wessén und Jacobsen. Außerdem würde die Struktur des gesamten (für Lönnroth zweiten) Teils in Runen des Älteren Fujiark und Geheimrunen den beiden anderen Teilen genau entsprechen: auf zwei Fragen oder Rätsel erfolgt jeweils die Auflösung in einer Strophe, deren Qualität allerdings dann höchst unterschiedlich wäre. Mit Ausnahme der Leseanordnung sehe ich kein schlagendes Argument gegen Lönnroths Interpretation dieses Teils der Inschrift. Gr0nvik 1983 übernimmt von Jacobsen die Leseanordnung, gibt dem Text aber eine z.T. völlig neue Interpretation: nit faßt er als né at mit einer Reduktionsform der Präposition auf, ulnirupR ergibt für ihn ólni rydr zu einem nicht belegten Substantiv/Nomen agentis *ólnir 'skadevolder, en som voider forderv', das einen Riesen bezeichnen soll und zu einer finiten Form des Verbs aisl. rjóda 'röten, mit Blut färben', zusammen etwa: "er färbte den Riesen mit (dessen eigenem) Blut, er tötete ihn". Da die Negation né nicht vor dem finiten Verb steht, muß es sich um die Konjunktion '(weder) - noch' handeln und der vorausgehende Satz gleichfalls negiert sein; dies ist die Motivation für Gr0nviks Analyse von uilinispat als villi ni's pat "es ist keine falsche Aussage", d.h. "es ist wahr, daß". Im Zusammenhang wäre also ausgesagt, daß der Nachkomme einen Riesen erschlagen konnte, und daß es keine Lüge sei, daß er d(ies)en Riesen getötet habe. Sprache und Formulierung erscheinen dann aber doch etwas gekünstelt, zudem muß Gr0nvik zwei i 0vrigt senere hans afl0ser). Vi mâ forestille os, at Sif af disse gründe er gâet med til forbindelsen, selv om det har vaeret et offer for hende. Strofe 11 má opfattes som et svar pâ sp0rgsmálet i strofe 9: » Hvem af Inguldingerne blev betalt ved en hustrus offer?«"
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im Altnordischen nicht belegte Lexeme ansetzen. Danach folgt dann noch in Geheimrunen sakumukminipur, mit dem der Gott Thor genannt ist, zu dem sibi uiauari eine Ergänzung ist (also nicht wie etwa bei Jacobsen eine Runenmeisterformel). Sifi ist einfach ein Beiname des Gottes Thor (parallel zu seiner Gattin Sif), der als Hüter der Heiligtümer fungiert, wie bereits Nielsen vorgeschlagen hatte. In seinem Beitrag von 1992 nimmt Gr0nvik das Thema noch einmal auf und entscheidet sich hier für ein Epitheton sibbi für Thor, gebildet zu einem ursprünglichen Namen vom Typ *Sibja-warjaR "den som verger svogerskapet, d.e. samholdet mellom ektefolkene og det gode forholdet mellom de to slektene", eine Möglichkeit, die schon Nielsen erwogen und verworfen hatte, weil ein Kosename für Thor etwas schwer Vorstellbares sei. Die Antwort auf die Frage, wem ein Nachkomme geboren worden sei, ist jedenfalls auch für Gr0nvik: dem Thor. Diesem - nicht dem Theoderich wie bei Höfler - könnte der Sohn Vamod geweiht gewesen sein: "Den som ved hustruens kulthandling ble gitt til guden Tor allerede f0r sin f0dsel, var s0nnen Vemod, og han ble dermed f0dt som gudens aetling." (Gr0nvik 1983:129). Der Sohn ist nun gestorben, nachdem er in einem großartigen Kampf siegreich war, und aus Anlaß seines Begräbnisses wurden die minni aufgesagt, die auf dem Rökstein nochmals referiert werden. Wenn man die sprachliche Auflösung Gr0nviks akzeptiert, dann ist auch diese inhaltliche Interpretation schlüssig oder jedenfalls möglich; andernfalls läßt sich aus dem übrigen Text wohl kaum eine Individualweihe an Thor herauslesen. Zusammenfassung der Deutungen: Von Friesen 1920 ist der Ansicht, die Inschrift solle einen jüngeren Sohn dazu mahnen, den toten Vamod zu rächen, der im Kampf gegen 20 Könige gefallen ist. Eine kostbare Kampfbeute sei dabei den Feinden in die Hände gefallen. Der Runenmeister erinnert dann an einen Vorzeit-Häuptling, der mit seinen Kämpfern an der Küste von Östergötland gelandet sei und eine Niederlage erlitten habe, was eine aufmunternde Parallele darstellen soll. Im folgenden Vers wird der Häuptling Tjudrik genannt, der jetzt in seinem Grabhügel sitzt. Wie es ihm erging, so möge es auch den Mördern Vamods ergehen. Die folgenden Abschnitte seien als Parallelen zu Ereignissen im Leben des Runenmeisters aufzufassen: Ein Priester namens Sibbe hat im Alter von 90 Jahren einen Sohn als Rächer gezeugt; einer aus dem Geschlecht Ingevalds wurde dadurch gerächt, daß die Frau durch Opfer an die Götter einen Rächer gebar; danach wird auf den Rächer Baldrs angespielt, den Odin mit Rind zeugte, der junge Held im folgenden Abschnitt ist dann wohl Baldr. Die Geschichte mit den 20 Seekönigen könne nicht ganz realistisch sein, da sie zu durchsystematisiert ist; die vier Väter mögen durchaus Brüder gewesen sein, den Namen nach Jüten oder Friesen. Der Rest sind wohl nur ihre Leute, die eventuell in Gilden organisiert waren. Der letzte Abschnitt soll magisch auf die Könige wirken, so daß sie der Rache nicht entgehen können. Die Inschrift wäre also "en äggelse, riktad tili en ung broder tili den döde frán deras gemensamma
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fader, ett andligt testamente, om Varin själv skulle dö innan hann hunnit anförtro den avsedda hämnaren sitt maktpâliggande uppdrag." (Von Friesen 1920: 104). Höfler 1952 u.a. geht gleichfalls davon aus, daß Varin, aus dem Geschlecht der Ingvaldingen, den Stein für seinen toten Sohn gesetzt hat, der im Kampf gegen einen Wikinger-Verband aus 20 Seekönigen gefallen ist. Varin ist zu alt um seinen Sohn zu rächen. Deshalb hat er einen Sohn gezeugt, der die Rache durchführen soll. An diesen ist die Inschrift gerichtet. Um die Aufgabe ausführen zu können, sei das Kind einer höheren Macht geweiht worden, und zwar nicht wie üblich dem Odin, sondern dem Gotenkönig Theoderich, der in den Jahrhunderten zwischen seinem historischen Tod und dem Rökstein längst zum Mythos geworden sein könnte: man sieht ihn als bewaffneten Krieger, später als Herr des wilden Heeres. Nach Höfler konnte man ihn anrufen wie Odin. Von den 20 Königen nimmt Höfler an, daß sie sich vier Winter lang in einer Art Wikingerlager, ein Vorläufer von z.B. der Trelleborg, aufgehalten haben. Die vier Väter sind mythische Wesen, und der religiösen Vorstellung der Wikinger setzt Varin andere religiöse Mächte, eben Theoderich, gegenüber. Wessén 1958 u.a. sieht keinen Zusammenhang zwischen der Gedenkinschrift für Vamod und dem Hauptteil der Inschrift. In dieser habe Varin, um das Andenken seines toten Sohnes zu ehren, eine Aufzählung von verschiedenen Sagen gegeben, die er kannte und die einen Teil seines Vortrags-Repertoires gebildet hätten. Diese sind als kurze Zusammenfassungen referiert. Anders die mit Geheimzeichen geschriebenen Partien: hier will der Runenmeister mit seiner Schreibkunst imponieren und den Scharfsinn seiner Leser auf die Probe stellen und sie gleichzeitig amüsieren ("roa dem"). Die Inschrift bestünde nach Wessén also aus drei ganz verschiedenartigen Teilen, die innerlich nur sehr lose zusammenhängen. Die Tatsache, daß Varin innerhalb seines Repertoires gleich vom "Zweiten"· zum "Zwölften" springt, erklärt Wessén mit Platzmangel ("har betingats av brist pâ utrymme och av nödvändigheten att göra ett urval" 1958:21). Der Rest habe dann vermutlich einfach auf einer Holztafel neben dem Stein gestanden und sei heute verloren. "Rökstenen mäste bedömas som ett litterärt dokument, som uttryck för en drift till konstnärligt skapande." (Wessén 1958:80). Eine vorsichtig formulierte Kritik an den Thesen Wesséns müßte konstatieren, daß die Inschrift des Röksteins die einzige Runeninschrift wäre, die ausschließlich um ihres Unterhaltungswertes willen angefertigt wurde; dies ist wohl abzulehnen. Jacobsen 1961 teilt in ihrem posthum veröffentlichten Aufsatz weitgehend die Auffassung und die meisten Lesungen von Wessén, aber sie lehnt - berechtigterweise! - seine Hypothese der Holztafel ab. Stattdessen vermutet sie, daß neben dem erhaltenen Rökstein an derselben Stelle noch mehrere andere Runensteine vielleicht vier - gestanden hätten, die den Rest der Inschrift enthalten hätten, aber jetzt verloren seien. Der Rökstein würde dann nur den Anfang und das Ende der Gesamt-Inschrift bieten und somit gleichsam den Ring dieser vier verlorengegangenen Monumente schließen.
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Nielsen 1969 sieht - wie in vielen seiner Interpretationen auch anderer Inschriften - die gesamte Inschrift des Röksteines als Dichtung an und kommt zu insgesamt 12 Strophen (mit z.T. höchst zweifelhafter dichterischer Qualität). Inhaltlich sei die Inschrift dreigeteilt, sie besteht aus einem Gedenkgedicht (Strophe 1), einer Odins-Anrufung (Strophe 2-8) und einer Thors-Anrufung (Strophe 9-12, die gesamte Geheimschrift-Partie). Die Anrufungen arbeiten dabei mit schwachen Andeutungen, aber deijenige, der alle Streitigkeiten entscheidet, der Kriegern im Streit um zwei kostbare Kampfbeuten den Tod bestimmt, kann wohl nur Odin sein; für die Theoderich-Strophe muß Nielsen dann allerdings annehmen, daß sie vielleicht ursprünglich Bestandteil einer südgermanischen Theoderich-Dichtung gewesen war, aber zur Zeit des Röksteins ein ansonsten nicht belegtes Odins-heiti PjódríkR "der Herrscher des Volkes" existierte, das dann die Strophe mit Odin verband. Die angedeuteten Mythen seien eine Variante des Hjaöninga-Kampfes, der südgermanischen Hilde-Sage, die sich im Norden mit Dänemark verband. Damit würde die Odinsanrufung auf dem Rökstein den Gott als Triumphator zeigen, der den Sieg selbst über 20 Könige erringt. Der Sprung vom "Zweiten" zum "Zwölften" liegt nach Nielsen darin begründet, daß die zitierten Strophen Bruchstücke eines größeren Gedichts darstellen, in dem die Zahlenangaben Bestandteil der ersten Zeile der Strophe waren - und deshalb nicht weglaßbar waren - wie in einigen Edda-Strophen; der Runenmeister konnte nur das Wesentlichste auf dem Stein anführen und gab deshalb nur Auszüge aus dem Gesamtgedicht. Dieses wurde vielleicht bei einem feierlichen Begräbnisritual vorgetragen, verbunden mit der Bitte, der Tote möge nach Walhall aufgenommen werden. Ähnliche Funktion dürften wohl auch die Bilddarstellungen der gotländischen Bildsteine gehabt haben. Die Thorsanrufung nimmt nach Nielsen vor allem Bezug auf den Hrungnir-Mythos (wofür er einen gleichfalls nicht belegten Odins-Beinamen Ingjaldr ansetzen muß, dessen Sohn Thor im Alter von 90 Jahren einen Helfer für den Kampf gegen den Riesen gezeugt habe). Die Anrufung sei funktionsgleich mit der sonst auf Runensteinen belegten Formel "Thor weihe diesen Stein/die Runen". Nach Nielsen hat der Vater den Stein für seinen im Kampfe gefallenen Sohn errichtet, die Odins-Anrufung soll bewirken, daß der Sohn nach Walhall kommt, und die Thors-Anrufung soll den Stein und die Ansiedlung schützen. Lönnroth 1977 sieht in der Rökinschrift einen Rahmenteil und einen dreifach gegliederten Binnenteil: der Rahmen wird gebildet von der Einleitung aft uamup stanta... und von der teilweise zerstörten Zeile D9 "May each of you ... tell these legends more fully"; der Binnenteil enthält drei Rätsel, deren genauer Inhalt heute nur noch partiell rekonstruiert werden kann, aber sich wohl mit dem heldenhaften Tod eines Protagonisten und den Auswirkungen auf seine Nachkommenschaft beschäftigt haben sollte. Alle drei Rätselteile sind völlig identisch aufgebaut, auf zwei Fragen in Prosa folgt in einer Strophe die Rätselauflösung:
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Al) sakumukminni... A2) Jiatsakumanart... A3) rai|)iaurikR... Bl) sagwmogmenijjad ... B2) sakumukmini... B3) uilinis^at... Cl) {¡atsakumtualfta ... C2) fiatsakumjiritaunta... C3) ualkaRfim ... "The purpose of the inscription is clearly both commemorative and didactic as could be expected - but it is not meant to be understood by anybody except a few select members of society with the ability to solve the various problems that the rune-master is intentionally making for his prospective readers. It is not unlikely that the problem-solving functioned as a kind of initiation for those who strived to attain the same position as the rune-master and his dead son, evidently a position of high social status and most likely to have been that of the local chieftain-priest. The inscription may also have had a magic function, as the adherent of the "revenge theory" have argued, but this cannot be safely ascertained." (Lönnroth 1977: 56). Die den Rätseln zugrundeliegenden Sagen könnten auf dem Weg der genealogischen Ansippung mit der Familie Varins und Vemods, den Ingeidingen, verbunden gewesen sein, etwa mit Vilinn als dem Stammvater des Geschlechts, eventuell auch mit Theoderich und den 20 Berserkerkönigen (ein Gedanke, den auch Gr0nvik aufgreift). Den Sprung vom Zweiten zum Zwölften möchte Lönnroth wie schon Nielsen aus der Existenz eines längeren greppaminni-Gedichts erklären, von dem hier nur Teile auf dem Stein referiert seien; da die Rätsel sich aber nicht in ein metrisches Schema einpassen lassen - was Nielsen wenig überzeugend versucht hatte - erklärt Lönnroth sie zur Beleitprosa, die eine Art von Kommentar zum Inhalt der Rätsel geboten haben könnten. Daß diese dann unverändert in der Rökinschrift übernommen sein sollen, halte ich für wenig wahrscheinlich. Kontroverser als diese Frage dürfte aber die von Lönnroth gewählte Leseanordnung auf dem Stein sein, die den Geheimschrift-Teil vor den Klartext auf der Rückseite stellt. Lönnroth läßt zwar vorsichtigerweise die Reihenfolge der einzelnen Binnenteile offen: "In spite of these considerations, I would not exclude the possibility that the Cipher Part is meant to be read after the Back Part. As we shall see, this is hardly an important matter." (Lönnroth 1977:14). Dem muß aber entgegnet werden, daß die Frage so unwichtig nicht ist für seine Interpretation. Stellt man nämlich die Teile Β und C von Lönnroth um, so wäre der Abschluß des zweiten Teils mit Zeile D8 gegeben, danach hätte man den Rahmen im Älteren Fu£ark, die EZeilen darüber, dann die Runen auf der Oberseite des Steins, danach die Windmühlen-Runen oberhalb der Ε-Zeilen und einen Zeil von D9 auf der Rückseite, dann die Schmalseite zu lesen - und nach diesem Labyrinth stünde dann der Abschluß der gesamten Inschrift in der Zeile D9 der Rückseite! Diese Zumutung an den Leser dürfte unakzeptabel sein, was bedeutet, daß der Geheimschrifttext nur im Zentrum des Binnenteils sinnvoll eingeordnet werden kann. Abgesehen von diesen Bedenken aber bietet Lönnroths Interpretation viel Konsensfähiges. Gr0nvik 1983 faßt die Rökinschrift als ein authentisches religiöses Dokument der heidnischen Religion auf, geschrieben von einem Gläubigen, der damit eine religiöse Handlung durchführte. Nicht ein zweiter Sohn wie bei Höfler sei einem Gott geweiht worden, sondern der gestorbene Vamod dem Gotte Thor; die "Min-
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nen", die dann auf dem Stein hergezählt werden, reflektieren die aktuelle Situation aus Anlaß des Begräbnisses von Vamod, wo man beim Grabbier auf das Wohl des Verstorbenen oder eines Gottes trank und in einer Kulthandlung Ereignisse der Vergangenheit Revue passieren ließ und dadurch "weihte": "F0rst for forfedrene og for det store slaget, der Vemod seiret og fait, sâ - i annen del - for det religi0se mysterium at Vemod var h0ytidelig gitt til sin gud, som hans nidr 'aetling', og sâ - til slutt - for den kraftfulle Tor selv, "Sivs make og véenes vokter." (Gr0nvik 1983:131). Aber nicht alle Weihesprüche dieser Veranstaltung konnten auf dem Stein Platz finden, sondern nur die wichtigsten, woraus der Sprung vom "Zweiten" zum "Zwölften" resultierte. Bei so vielen höchst unterschiedlichen Interpretationsvorschlägen trotz nur geringer Abweichungen in der eigentlichen Lesung fällt es sehr schwer, eine Entscheidung darüber zu treffen, welche der Interpretationen denn nun die "richtige" sei. Eine solche Entscheidung wird immer auch eine subjektive sein. Rein zahlenmässig überwiegen die Anhänger der "Repertoire-Theorie" in der einen oder anderen Form (Wessén, Jacobsen, Nielsen, Lönnroth, Gr0nvik) über die der "Rache-Theorie" (Von Friesen, Höfler u.a.); erstere in ihrer radikalen, von Wessén formulierten Form dürfte wohl unhaltbar sein: zu der Annahme, der restliche Text habe auf heute verlorenen Holztafeln bzw. anderen Runensteinen gestanden wurde bereits in der Diskussion zwischen Höfler und Wessén alles Nötige gesagt. Andererseits halte ich auch die von Höfler propagierte Vorstellung einer Individualweihe an einen mit Odin verschmolzenen Theoderich trotz der zahlreichen aus anderen Kulturen und Zeiten herangebrachten Belege für zu phantastisch; damit soll nicht die Möglichkeit der Individualweihe als Institution in Frage gestellt werden, die ja auch bei Gr0nvik 1983:129 mit Hinweis auf Kuhn für den Rökstein angenommen wird, sondern lediglich die für diese Inschrift von Höfler vorgeschlagene Ausprägung derselben. Auch der auf von Friesen basierenden Unterteilung in "Sinnabschnitte" oder flockar stehe ich eher skeptisch gegenüber, weil sie zu viele willkürliche Festlegungen voraussetzt. Damit ist aber nicht zugleich die Möglichkeit einer "Rache-Inschrift" ausgeschlossen, wenn auch weniger wahrscheinlich gemacht. Den Interpretationen von Nielsen, Lönnroth und Gr0nvik ist gemeinsam, daß sie in inhaltlicher Hinsicht weniger radikal als ihre Vorgänger sind, deshalb lassen sie sich auch leichter verteidigen; ein vollständig durchkomponiertes Gedicht, das Nielsen auf dem Rökstein finden will, wurde mit Recht abgelehnt, aber die Bezüge zu Odin und Thor, die er herausgearbeitet hat, erscheinen überzeugend. Gr0nviks Vorschlag, eine genealogische Ansippung an den südgermanischen Heldenkönig Theoderich für das Geschlecht Varins anzunehmen, läßt sich mit den vielen parallelen Belegen in historischer Zeit für den Norden absichern, aber auch das von Lönnroth postulierte durchgängige Strukturschema aus Frage und Antwort hat - abgesehen von seiner Lese-Reihenfolge - viel Überzeugendes auf der Haben-Seite. Der Rökstein wird vielleicht weiter die
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Phantasie seiner Interpreten beschäftigen und unser Verständnis des Textes weiter wachsen, aber auch mit dem derzeitigen Stand läßt es sich leben; für sprachgeschichtliche Schlußfolgerungen muß allerdings scharf unterschieden werden zwischen Formen, die eindeutig und unstrittig sind und solchen, die ihre Existenz lediglich einer bestimmten Interpretation aufgrund einer subjektiven Textauffassung zu verdanken haben. Datierungsfragen und Sprachgeschichte: Für eine zeitliche Einordnung der Rökinschrift bieten sich subjektive und objektive Kriterien; als subjektive können die Kriterien bezeichnet werden, die auf einer bestimmten Interpretation der Inschrift beruhen, objektive wären aufgrund der Runenformen oder durch sprachgeschichtliche Indizien zu gewinnen. Für die Anhänger der These, die Theoderich-Strophe der Vorderseite würde Bezug nehmen auf die im Jahre 801 von Karl dem Großen in Aachen aufgestellte Reiterstatue, ergibt sich mit diesem Datum ein Terminus post quem, es bleibt aber dann die Frage, um wieviel sie jünger sein kann. Sicher ist, daß keinerlei Einfluß des Christentums in der Inschrift festzustellen ist, was eine Datierung ins 9. Jhd. rechtfertigen würde; Bugge 1910:224 setzte sie aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Runenformen mit denen auf dem Holz von Oseberg auf 830-840 an, eine Meinung, der sich implizit oder explizit die meisten Interpreten angeschlossen haben, und die auch Eingang in die Lehrbücher zur Sprachgeschichte gefunden hat (z.B. Wessén 1970:8: "ung. 850"). Etwas früher, auf ca. 810, setzt Gr0nvik 1983 die Inschrift an, indem er die Angabe fur niu altum vor der Theoderich-Strophe wörtlich nimmt, woraus sich eine Zeitspanne von neun Generationen zwischen dem Tod des Königs und der Rökinschrift ergibt: von 526 + 9x30 Jahre als durchschnittliche Generationsdauer kommt man auf das Jahr 796, "og det er sâ naer âret 801 som det gâr an â komme." (Gr0nvik 1983:139). Gegen Höfler, der an eine starke mündliche Erzähltradition über Theoderich glaubt, muß Gr0nvik annehmen, daß die Information über die neun Generationen zuverlässig sein konnte, weil sie von lateinkundigen Klerikern und Historiographen gestammt habe: "Hvis dette er riktig, taler det for at Rök-innskriften mâ dateras til ârene omkring 810, da man enná kunne si at det var ni og ikke ti generasjoner siden Theodorik d0de." (Gr0nvik 1983:140). Als zusätzliches (schwächeres) Argument zieht er die Stelle auktumiRanubsakaR heran, die "und man diskutiert noch immer in seiner Angelegenheit" bedeuten soll, und eine Anspielung auf die negative Bewertung Theoderichs in der kirchlichen Diskussion der ersten Jahrzehnte des 9. Jhds. sein könnte. Auffällig ist allerdings die Übereinstimmung der neun Generationen zwischen Theoderich im zweiten "Abschnitt" und den neun "Abschnitten", die zum Zwölften ausgelassen sind, mit dem wir nach Gr0nvik in der Gegenwart des toten Sohnes angekommen wären. Dies ist eine der (möglichen) Erklärungen für die "Lücke", ist aber abhängig von der Interpretation Gr0nviks; akzeptiert man diese, wird man auch seinen Datierungsvorschlag annehmen können. Im anderen Fall
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bleiben nur runologische oder sprachgeschichtliche Kriterien für eine Datierung der Inschrift. Die Runenformen des Röksteins gehören in ihrem Klartextteil zu den Kurzzweigrunen vom Typ A in der Terminologie von Johnsen 1968, d.h. dem ältesten Typus, was für eine Datierung ins 9. Jhd. sprechen könnte - aber dieser Runentyp ist noch auf dem Forsa-Ring aus dem 12. Jhd. belegt. Die Geheimrunen, die auf dem Rökstein verwendet sind, setzen relativ gute Kenntnisse auch noch des Älteren Fuf>ark durch den Runenmeister voraus, andererseits beweisen die Verschlüsselungen, daß das Jüngere FuJ>ark in seiner Reihenfolge und der Einteilung in œttir bereits fest etabliert gewesen sein muß; die verfremdeten Formen aus dem Älteren Fuf>ark lassen sich am ehesten zu den Amuletten von Gorodische und AltLadoga stellen (vgl. oben 6.1.11), die aller Wahrscheinlichkeit nach ins 9. Jhd. anzusetzen sind (was aber andererseits auf der etablierten Datierung von Rök beruht - Zirkelgefahr!). Andererseits verwenden Sparlösa und das Silberblech von Björkö die Rune M innerhalb des Klartextes, Rök dagegen im Klartext das (jüngere) M erscheint hier nur innerhalb des Geheimschriftteils. Dies würde dafür sprechen, daß Rök etwas jünger als Sparlösa (um 780) und Björkö (1. Hälfte 9. Jhd.) sein könnte. Der Rökstein unterscheidet konsequent zwischen den beiden Runen p für orales /a/ und |t vor (geschwundenem oder erhaltenem) Nasale sowie zwischenfcund ι. Oben in 6.1.8 wurde festgestellt, daß man Inschriften, die -R nach Dental bewahrt zeigen, wohl mit Recht ins 9. Jhd. stellen könne, falls keine anderen Indizien gegen diesen Ansatz sprechen. Ferner wird immer wieder als Argument für das hohe Alter des Röksteins angeführt, daß er noch unsynkopierte Formen mit i und m nach kurzer Stammsilbe belegt. Dieser scheinbar überzeugende Punkt steht aber in Wirklichkeit auf schwachen Füssen, wie die Darstellung der vorgeschlagenen Interpretationen oben gezeigt hat: Formen, die für diese Annahme in Frage kommen, sind sunu im Einleitungsteil, sitiR und karuR innerhalb der TheoderichStrophe, fiaru und nipiR innerhalb des Klartextes. Die Formen der Strophe, deren Alter völlig ungeklärt ist, ermöglichen kaum Aussagen über den Sprachstand der restlichen Inschrift, zumal zu erwägen wäre, ob -i- in sitiR nicht sporadischer Svarabhakti sein könnte wie bei uintur = /wintr/ im Klartext ("sekundaer st0ttevokal u i den utlydende tunge konsonantgruppe" Gr0nvik 1983:120); karuR könnte eine orthographische Notlösung zur Bezeichnung des κ-Umlautes sein. Bei fiaru hängt die sprachliche Beurteilung davon ab, ob man es zu aisl. fjçr "Leben" oder zu aisl. Jjara "Ebbe, Strand" stellt, d.h. je nach zugrundegelegter Interpretation des Textes erhält man eine unsynkopierte oder eine synkopierte Form. Bei nipiR resultiert die unsynkopierte Form in der Interpretation Gr0nviks daraus, daß er in den Rahmenstrich eine i-Rune lesen möchte, weil er der Ansicht ist, daß hier eine unsynkopierte Form stehen müßte. Somit verbleibt als einzige Form auf dem Rökstein, über die man mit Fug und Recht diskutieren kann, sunu im Einleitungsteil der Inschrift, im Kontext einer rhythmischen, feierlichen Sprache; da auch einige andere Runeninschriften (Hangvar, Kälvesten, Helnaes, Sölvesborg und
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vielleicht auf Rottnekvarn) gerade bei diesem hochfrequenten Wort unsynkopiertes sunu belegen, liegt es nahe, hier eine (vielleicht feierliche) Variante anzunehmen, die dann aber über den allgemeinen Verlauf der Synkope allein keine Aussagen ermöglichen würde (vgl. oben den Exkurs: Zur Synkope in den germanischen Sprachen), und somit auch für die Datierung der Rökinschrift nur von begrenztem Wert sein kann. Zusammenfassend ergibt sich für den Zeitansatz der Inschrift: der Rökstein ist mit größter Wahrscheinlichkeit ins 9. Jhd. zu datieren, vermutlich in dessen erste Hälfte; gegen einen späteren Ansatz spricht v.a. der Gesamtcharakter der Inschrift, der trotz der Unterschiede in den Interpretationen deutlich ist (ein einigermaßen subjektives Argument!); aufgrund der Runenformen kann ein Ansatz vor 800 ziemlich sicher ausgeschlossen werden, wenn man die Anspielung auf die Reiterstatue Theoderichs akzeptiert, würde dies den Ansatz unterstützen. Eine sichere Aussage darüber, wie weit ins 9. Jhd. hinein die Inschrift reicht, ist jedoch unmöglich.
6.2.6 Gursten Einen sehr altertümlichen Eindruck macht die Inschrift auf dem Steinblock von Gursten, neben der verlorenen Inschrift von Rottnekvarn die einzige in Kurzzweigrunen aus Smâland; es gibt keinerlei Ornamentik, Rahmenlinien oder Trennzeichen, dazu sind einige der Runenformen unik. Auf drei Seiten des Steines stehen fünf z.T. kurze rechtsläufige Runenzeilen, deren Lesereihenfolge nicht eindeutig ist. Ich gebe die fünf Zeilen in Umschrift, ohne damit eine Reihenfolge zu implizieren: Al A2 A3 Β C
akata utsmij) sunuRna kut>askakifaf>i uifrij>aRsun
Die Zeilen A1-3 und Β bilden insofern eine Einheit, als sie auf zwei aneinandergrenzenden Seiten stehen, dergestalt, daß die Kante des Steins, die das untere Ende von A3 bildet, die Obergrenze für Zeile Β ist. Zeile C schließlich steht auf der A gegenüberliegenden Seite und wirkt etwas abgesetzt gegenüber den beiden anderen; an ihrem Ende ist ein großes Stück des Steins abgeschlagen, es könnten dadurch einige Runen verlorengegangen sein. Die anderen vier Zeilen sind dagegen offenbar komplett. An bemerkenswerten Runenformen sind zu nennen: Der Beistab setzt bei allen k-Runen am unteren Ende des Hauptstabes an, er kann leicht gekrümmt sein, wodurch diese Rune am ehesten an eine gestürzte u-Rune erinnert. Auch bei der f-Rune setzt der untere Beistab am unteren Ende des Hauptstabes an, was aber längst nicht so ungewöhnlich ist wie bei der k-Rune. Die t-Rune ähnelt typolo-
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gisch einer k-Rune, d.h. der Beistab geht nach rechts ab, verläuft aber umgekehrt wie bei einer "normalen" t-Rune der Kurzzweigrunen; die gleiche Form belegt auch das Fragment von Björkö (vgl. unten 6.2.7). Beim J> setzt der Buckel am oberen und unteren Ende des Hauptstabes an, wie bei den meisten als alt einzustufenden Inschriften in Kurzzweigrunen. Die m-Rune hat die Form eines mit kurzem, leicht nach links geneigten Beistab. und haben die Formen p, Schließlich liest man in Zeile C eine gewendete r-Rune, bei der Haupt- und Beistab einander nicht berühren; sie kann als nachlässig ausgeführtes R aufgefaßt werden (so bei Kinander in SR IV), oder als Folge , mit hauptstabloser, gewendeter r-Rune (so Johnsen 1968:162f)23. In beiden Fällen erhält man den Genitiv eines Personennamens, entweder den einer Frau Véfrìdr oder den eines Mannes Véfr05r (so Kinander in SR IV:295, als Zitat übernommen von Peterson 1981:24), den wohl auch der Stein von Malt in der Form uifrpuR belegt. Diese Parallele könnte die Auffassung einer einfachen gewendeten r-Rune und ausgelassenem Vokal unterstützen. Ansonsten ist an der Inschrift vieles unklar: außer dem Namen in Zeile C und dem sich anschließenden sun könnte in Zeile A3 (unsynkopiertes?) sunuR (oder sun uR) identifiziert werden, in Zeile A2 vielleicht die Berufsbezeichnung smip, und in Zeile Β das Verb fapi, dem wohl ein Name vorangeht; alles Weitere ist abhängig von der Gesamtinterpretation der Inschrift. Brate/Bugge 1891:361 und Noreen 1904:485 lesen die Zeilen in der oben gegebenen Reihenfolge und lösen den Text folgendermaßen auf: AftR{?) Ud, Smips sun, uR Hakupa Skceggi fapi, WefrepaR sun = "Nach Uddr, dem Sohne Smidhs, aus Hakudha schrieb Skäggi, der Sohn Wefredhs" (Noreen) bzw. als Vers: AftR Odd smid/sunuR Haguda (?) / Skœggifaôi / WéfridaR sun (Bugge) mit ähnlicher Übersetzung. In diesem Fall wird also die zweite Rune in Al als gelesen, was nur möglich ist, wenn man den fehlenden oberen Beistab konjiziert. Auch der Ansatz der sechsten Rune in A3 als beruht wohl auf einer Fehllesung (ist aber nicht völlig auszuschließen). Beide Vorschläge wurden deshalb abgelehnt. Von Friesen 1933:153f war m.W. der erste, der eine andere Lesereihenfolge vorschlug: der Text beginnt nach ihm mit Zeile B, danach folgt Zeile C und schließlich kommen die Zeilen A 1-3 in umgekehrter Reihenfolge. Dann ergibt sich als Aussage: Góda-Skeggifádi, Véfridarson[ar]. Sonr naut smída Káta. Der zweite Teil wäre dann eine allitterierende Langzeile mit der Aussage "Der Sohn/ Sonr genoß = erhielt Nutzen aus den Schmiedereien des Káti", d.h. der Text wäre als ein Rechtsdokument aufzufassen, in dem ausgesagt wäre, daß der Sohn nach dem Tod des Vaters gewisse wertvolle Gegenstände geerbt hätte. In gleicher Weise interpretieren auch Marstrander 1952, Kinander in SR IV und Johnsen Es gibt einige wenige Beispiele für r-Runen ohne Hauptstab, etwa auf dem Holzstück von Ladoga und einmal in der Inschrift von Sparlösa; in keinem dieser Fälle liegt aber eine Wendenine vor.
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1968, lesen allerdings in der Reihenfolge A3 - A2 - Al - Β - C, fassen also uifripaR sun[aR] als Apposition zu kata auf, nicht zu kupaskaki wie von Friesen.
Beides ist prinzipiell möglich, an der Aussageabsicht der Inschrift ändert sich dadurch nichts. "Stenen har sannsynligvis opprinnelig stâtt ved ett gammelt tingsted. Det er et arvedokument, som forteller at s0nnen fâr visse verdigjenstander etter faren. Nâr han slik manifesterer at han overtar disse tingene, mâ det vaere fordi de sto som symbol pâ en viktig juridisk eller religi0s funksjon som gikk i arv til S0nnen." (Johnsen 1968:162). Diese Auffassung setzt schon einiges an Phantasie und unbewiesene Annahmen voraus; sie basiert zudem auf einer Lesereihenfolge, die mit der Anordnung des Textes auf dem Stein wenig korrespondiert. Nach von Friesen hätte der Schreiber der Inschrift, Skeggi, am linken Rand der Seite Β begonnen und hätte dann am linken Rand der Seite C fortgefahren, obwohl auf Β unterhalb der Runenzeile noch bequem Platz für drei weitere Runenzeilen gewesen wäre; danach wäre er dann um den ganzen Stein herumgelaufen, um auf der Seite A den Rest der Aussage unterzubringen, die Seite, auf der pro Zeile am wenigsten Platz für die Anbringung von Runen zur Verfügung stand. Möglich ist das natürlich, aber doch zumindest auffällig.
6.2.7 Björkö Der genaue Fundort des Runensteinfragments von Björkö ist nicht bekannt; aus dem ursprünglich vollständigen Stein wurde 1826 der Teil mit der Inschrift abgehauen und ins Historische Museum nach Stockholm geschickt. Die so "gerettete" Inschrift steht in zwei Linien auf Rahmenstrichen, von einem eventuellen ursprünglichen Dekor ist nichts zu erkennen (Johnsen 1968:125). Am Anfang der oberen Reihe könnte ein Trennzeichen oder auch eine Rune verlorengegangen sein. Die erhaltene Inschrift lautet: (A)
- tutiR.baf>karuakubl:
(B)
:
pita.aft.iuta:
Die untere Zeile wird durch jeweils vier übercinandergestellte Trennpunkte begrenzt, die obere schließt (und begann vermutlich auch) mit dreifachen Trennpunkten. Das ergibt als Text "TutiR ließ diese Gedenkstätte nach Iuta machen", eine Formel, wie wir sie aus zahlreichen Runeninschriften v.a. aus Dänemark kennen. tutiR könnte das Appellativum "Tochter" bezeichnen (wie auf Lokrume: suniR raistu ...), oder auch ein Frauenname sein (vgl. Peterson 1981:129f), iuti ist ein geläufiger Männername, der sich aus einem ursprünglichen Beinamen "der Jüte" entwickelt hat; es liegt nahe, in ihm einen Reflex der Handelsverbindungen zwischen Birka und Haithabu in Jütland zu sehen. Die Runenformen entsprechen der Gruppe A der Kurzzweigrunen in der Klassifikation von Johnsen 1968, |) hat
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einen großen Buckel, der relativ hoch oben und tief unten ansetzt, auffallig sind femer die spiegelbildlichen Formen für und , bei denen die kurzen Beistäbe nach rechts bzw. links nicht von oben nach unten sondern umgekehrt verlaufen: Ί f; diese Variante der 1-Rune ist nur auf diesem Stein belegt. Weder runologisch noch sprachlich oder archäologisch ist eine präzise Datierung der Inschrift möglich; allenfalls die Form des ]> und die Verwendung der Trennpunkte in der 1. Zeile, wo der Name vom Rest der Inschrift getrennt ist wie etwa auf Ingelstad, Kälvesten oder Oklunda könnte einen Ansatz ins 9. Jhd. rechtfertigen. "Birkas levetid var begrenset til to/tre ârhundrer forut for âr 1000. Stenen kan med sikkerhet dateres til "vikingtid", men noe naermere kan funnforholdene ikke opplyses om." (Johnsen 1968:126).
6.2.8 Boberg, um 900? Der Stein von Boberg in Östergötland zeigt zwischen Spuren von Rahmenlinien die Inschrift: ikuarsatistain; sie verwendet keine Trennpunkte. Wessén 1957:7 datiert die Inschrift beiläufig ins 9. oder 10. Jhd., Johnsen 1968:98 setzt sie auf ca. 900 oder früher an; dafür gibt es allerdings nur vage Indizien: die Anbringung der Inschrift auf dem Stein ohne irgendwelche Ansätze von Ornamentik, die fehlenden Trennpunkte, die pure Runenmeisterformel "Ingvar setzte den Stein" ohne die Nennung eines eventuell Gestorbenen, zu dessen Ehre die Inschrift angebracht worden sein könnte, und die Verwendung von Kurzzweigrunen (Ί, 1), vielleicht auch die Form der u-Rune h mit ziemlich tief ansetzendem Beistab. Die Eigentümlichkeit, daß der Verstorbene nicht genannt ist, findet sich in den dänischen Runeninschriften überhaupt nicht und auch innerhalb der Inschriften mit Kurzzweigrunen nur noch auf dem norwegischen Stein von Âlgârd in Rogaland mit der Inschrift... risti stin {tina, deren Anfang zerstört ist. Diese Inschrift ist ebenfalls von unten nach oben zu lesen, sie befindet sich auf einer der Schmalseiten des Steines, was ein Charakteristikum relativ alter Steininschriften ist. Es ist ferner anzumerken, daß Boberg die einzige Inschrift in Kurzzweigrunen ist, die die Formel setja stein bietet, die in den dänischen Inschriften des 10. und 11. Jhds. doch relativ häufig ist, sich aber auch auf dem frühen Stein von Fleml0se 1 findet: satu suniR aftiR (das Verb belegt auch G0rlev 1 in iak sata runaR rit). Diese vagen Indizien könnten einen Ansatz um 900 rechtfertigen, aber irgendeine Datierung im 10. Jhd. ist ebenso möglich.
6.2.9 Slaka In der Ausgabe der Runeninschriften Östergötlands SR Π durch Brate 1911-18 und in seiner Behandlung bei Johnsen 1968 gilt das Steinfragment aus Slaka in Östergötland als verloren; Gustavson 1972 konnte seine Wiederentdeckung ver-
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melden, wenn auch in teilweise beschädigtem Zustand. Hauptquelle für die Inschrift bleiben deshalb die zwei frühen Abzeichnungen in Bautil (1750, signiert von J. Hadorph und J. Leitz) und von Wallman (in Liljegren's "Runurkunder" von 1833). Nach deren Ausweis standen die Runen in zwei Zeilen, mit einer Trennlinie dazwischen, von denen die obere Zeile teilweise Sinn zu machen scheint, die untere dagegen nur einzelne erkennbare Runenformen bietet. Genau diesen Zustand bietet auch das wiedergefundene Fragment. Eine der Zeichnungen (die Wallmans) zeigt zwischen den erkennbaren "Worten" der Zeile A Trennpunkte, die andere nicht; das Original hat ganz eindeutig diese Worttrenner. Charakteristische Runenformen sind f , % | und 1, nach den beiden letzten zu urteilen liegt also eine Variante der Kurzzweigrunen zugrunde. Der erkennbare Text der Zeichnungen in Zeile A lautet: ....uiR
bap tia_itin
pin...
Nach den Zeichnungen kreuzt der Beistab den Hauptstab bei beiden t-Runen und ist so tief angesetzt, daß man keinen Unterschied zu der angenommenen aRune feststellen kann; nach den angelegten Kriterien müßte man die letzte Rune als einstufen. Beim Original sind mit Ausnahme der ersten drei Runen alle oberen Teile beschädigt, so daß bei der neunten Rune nur noch der untere Beistab erhalten ist. Der Beistab der siebten Rune setzt deutlich höher an als bei der fünften, wodurch eine Lesung als gerechtfertigt sein könnte; dagegen ist selbst im Original nicht zu entscheiden, ob die letzte erhaltene Rune oder sein kann. Die Lesung Brates basiert also auf der mutmaßlichen Interpretation. Danach soll die Folge itin für stin Verschreibung sein, obwohl dies der einzige Beleg für eine Schreibung dieses Wortes mit Monophthong/Monograph in schwedischen Kurzzweigrunen wäre. Die Folge tia hatte Bugge 1878:99 als satia? oder sata? gelesen24, Brate in SR 11:114 erklärt das für unmöglich und möchte stattdessen eine Form zu got. taujan 'machen, tun' erkennen, das als aisl. *teyja im Aschwed. nach Monophthongierung *t0ia ergeben könnte und hier als wiedergegeben wäre. Dieser Ansatz ist aber nicht nur von der Orthographie her problematisch, sondern auch in lexikalischer Hinsicht: *taujan ist in Runeninschriften lediglich auf dem Horn von Gallehus als tawido um 400 und auf dem Holzkästchen von Garb0lle wohl noch vor 400 als tawide belegt; über die dialektgeographische Grundlage dieser beiden Inschriften wage ich keine Aussage. Die Lesung und Zuordnung von tojeka auf dem Stein von Noleby ist gleichfalls problematisch. Es ist daher keineswegs sicher, ob dieses Lexem im Nordischen je existierte. Der einzige Beleg für bap im dänischen Runenmaterial auf dem großen Jelling-Stein hat als nachgestellten Infinitiv kaurua. Johnsen 1968:153 übernimmt dennoch zögernd Brates Ansatz und macht ihn sogar zur Grundlage ihrer Datierung: "Datering 9. ârhundre er nok tenkelig hvis verbet *teyja foreligger." Diesen
Johnsen 1968:153 verweist hier in der zugehörigen Fußnote auf Bugge 1910:156, wo sich außer einem Verweis auf Bugge 1878 kein Wort zur Lesung von Slaka findet.
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Zeitansatz findet auch Gustavson 1972:277 akzeptabel, muß aber dann eine orthographische Sonderregel postulieren: "i använts för att beteckna diftong pä ett för svenska inskrifter med kortkvistrunor unikt sätt i 7-9 tia och 10-13 stin." Andernfalls hätten wir auf Slaka zwei Belege für die Durchführung der Monophthongierung in Mittelschweden im 9. Jhd. anzunehmen! Nach den Zeichnungen sind die beiden fraglichen Komplexe aber genausogut als aio und iain zu lesen, auf dem wiedergefundenen Original ist die erste Folge z.T. beschädigt. "Tolkningen är enligt min mening svag med tanke pä den avvikande beteckningen av /0y/..." (Williams 1990:37). Nicht nur in Hinblick darauf erscheint mir Slaka als ungeeignet für chronologische oder sprachgeschichtliche Schlußfolgerungen. Ohne einen sicheren Beleg für *teyja im Nordgermanischen würde ich dessen Existenz in Frage stellen. Damit fallt zugleich das einzige Datierungskriterium für Johnsens frühen Ansatz, der auch wegen der konsequenten Worttrennung im erhaltenen Fragment wenig wahrscheinlich ist.
6.2.10 Ladoga Ein Holzstück mit einer Runeninschrift wurde im Jahre 1950 bei Ausgrabungen in Staraja Ladoga in einem Abfallhaufen gefunden, nach der Tiefe seiner Lage kann es ins 9. oder 10. Jhd. datiert werden (vgl. die ausgezeichnete Dokumentation bei H0st 1960); eine Skulptur eines Tierkopfes und das Bild eines Männerkopfes, die auf dem gleichen Niveau gefunden wurden, weisen große Ähnlichkeiten zu Formen des Oseberg-Fundes auf. Der Tierkopf kann laut Hougen (Brief, zitiert bei H0st 1960) eindeutig dem 9. Jhd. zugewiesen werden. Das Runenholz ist 42 cm lang mit einem Durchmesser von ca. 2 cm, die Runenzeichen haben eine Höhe von 0,8 bis 1,0 cm. Sie sind zum großen Teil klar und deutlich zu lesen, bis auf einige wenige strittige Runen, deren oberer Bereich beschädigt ist. Der Fund war aus mehreren Gründen eine Sensation: bereits die ersten Interpreten, Admoni und Sil'man, stellten fest, daß es sich bei der Inschrift um eine Halbstrophe mit Stabreim handeln müsse, was alle späteren Interpretationen bestätigten, außerdem war es zum Zeitpunkt des Fundes die früheste Runeninschrift auf russischem Gebiet und die einzige aus Nordwest-Rußland (in der Zwischenzeit gab es neue Funde, vgl. oben 6.1.11), sie stellte also die erste Bestätigung für skandinavischen Einfluß in diesem Gebiet in der Frühzeit dar. Am Anfang der Inschrift ist ein senkrechter Strich zu erkennen, bei dem es sich um die Rest einer Rune oder die Markierung des Anfangs handeln könnte; die weitere Lesung wurde von Marstrander bei einem Besuch in Leningrad 1958 festgestellt und von H0st 1960 und Krause 1960 im Wesentlichen bestätigt: -ufirufuaRi£RhaIiual-Rr--sfranmanakratfibulsinibluka Strittig sind also nur 4-5 der insgesamt 52 Zeichen: Nr. 1 wird von H0st 1960 als Anfangsstrich aufgefaßt, von Krause 1960 als , Nr 21 lesen beide als ,
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Nr. 24-25 liest H0st gegen Marstrander als , Krause als , bei Rune 16 läßt H0st offen, ob hier , oder intendiert gewesen sei (und macht alternative Interpretationsvorschläge). Abgesehen von diesen strittigen Runen ist anzumerken, daß die r-Rune stets ohne Hauptstab geschrieben ist, wie auch zweimal, neben der Normalform, auf dem Sparlösa-Stein und einmal auf dem Stein von Gursten; die zweimalige kRune hat einen schräg gestellten Hauptstab, und der Beistab quert diesen, so daß eine große Ähnlichkeit zur g-Rune des Älteren Fufjark gegeben ist, was aber auf technische Probleme beim Einschneiden der Inschrift oder auf Nachlässigkeit zurückzuführen sein dürfte und nicht auf systematische, wie H0st 1960:437f erwägt. Ansonsten verwendet die Inschrift konsequent die Formen der Kurzzweigrunen, mit |) mit breitem Bukkel, h ^ für und p \> für . Auch | und 1 sind die charakteristischen Formen der Kurzzweigrunen. Die Inschrift verwendet keine Trennpunkte, was ihre Segmentierung erschwert; dennoch herrscht weitgehende Einigkeit zumindest über die zweite Hälfte. H0st und Krause stellen f r a n zu aisl. frànti "glänzend, gleissend", mana kann entweder Obliquus zu aisl. máni "Mond" (so H0st) oder Gen.Pl. zu aisl. madr: manna sein (so Krause, Johnsen 1968:168) sein. Darauf folgt aisl. grand "Schaden, Nachteil" und entweder fìmbulsinni plóga "die gewaltige Bahn der Pflüge" (so H0st), oder fimbul-sinn í plóga "in die gewaltige Bahn der Pflüge" (so Krause und Johnsen). Daß Dichtersprache vorliegt, ist durch die Allitteration und die Wortwahl völlig klar, ihr genaues Verständnis hängt aber stark vom angenommenen Gesamtkontext der Inschrift ab. Eine abweichende Interpretation bietet Kiil 1964a, auf die unten noch einzugehen ist. H0st 1960 versteht den Text als Teil eines Schildgedichtes, wie es uns aus der frühen Skaldik in Bragis Ragnarsdrápa und I>jó8ólfs Haustlçng belegt ist (der Anfang zweier solcher Gedichte findet sich auch in der Egils saga). In ihrer ausführlichen Diskussion der möglichen Formen legt sie sich nicht auf einen eindeutigen Text fest, aus dem englischen Summary (H0st 1960:487f) läßt sich aber ihre Deutung entnehmen: yfir, ofvaridR hami/(hetti), valdr (h)rims/(hrœs), fránmána grand, fìmbulsinni plóga "Above, clad in his cowl (is portrayed) the Master of the Hoar-frost, the Damage of the shining moon, the mighty journey of the ploughoxen". Auf dem Schild wären also verschiedene mythologische Themen dargestellt: 1) der Herr des Reiffrostes, der in sein (Vogel-)Gewand gekleidet ist (oder mit einer Kapuze), ist der Riese Piazi, der im Norden sitzt und Sturm und Frost über die Welt schickt; 2) der "Schädiger des strahlenden Mondes" bezieht sich auf auf den Mythos vom Riesen Hati, der in einem Wolfsgewand hinter dem Mond heqagt um ihn zu verschlingen; 3) "die mächtige Bahn der Pflug-Ochsen" schließlich wäre eine Anspielung auf den Gefjon-Mythos in der Snorra-Edda u.a., in dem die Riesin Gefjon ihre Söhne als Ochsen vor einen riesigen Pflug spannt und damit die Insel Seeland aus schwedischem Gebiet herauspflügt und sie an ihrem heutigen Platz festmacht. Zwei dieser drei Mythen sind auch in Ragnarsdrápa und Haustlçng als Bildmotive eines Schildes belegt. Auch der gesellschaftliche Kon-
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text miißte dann dem der Skaldengedichte vergleichbar sein: "In the author's opinion it is most likely that the inscription indicates an influential ancient Swedish settlement: a chieftain with his retinue and his minstrel." (H0st 1960:488). Krause 1960 faßt dagegen die Inschrift als die erste Hälfte einer vollen Strophe auf, vergleichbar anderen Gelegenheitsdichtungen auf Runensteinen. Die Aussage wäre eine Gedenkinschrift für einen gestorbenen Krieger: Dó yfir ofvariör halli valdr (h)rœs, frànti, manna grand, fimbul-sinn íplóga "Es starb (= gelangte nach seinem Tod) der oben (= über sich) mit einem (Grab-)Stein bekleidete Walter des Leichnams (= Krieger), der gleissende, der Männer Verderben, in die gewaltige Bahn der Pflüge (= in die Erde)." (Krause 1960:560). Er liest also am Anfang der Inschrift wie H0st yfir ofvariör "oben bekleidet", will aber davor noch das erste Zeichen als Reste einer t-Rune werten, das dann mit der doppelt zu lesenden zweiten Rune u dó "er starb" ergeben könnte. Subjekt des Satzes wäre valdr rœs "der Walter des Leichnams", eine Kriegerkenning, die auch H0st (für "Adler") erwogen hatte, das fehlende h- in (h)rœs "kann entweder auf Nachlässigkeit des Runenritzers oder eher auf dialektische Eigentümlichkeit beruhen." (Krause 1960: 558). Das Wort ist allerdings nur im Altwestnord, bezeugt, im Ostnord, außer hier nicht. Der Rest ist bis auf syntaktische Zuordnungen identisch mit der Deutung bei H0st, in der "gewaltigen Bahn der Pflüge" sieht Krause allerdings keine Anspielung auf den Gefjon-Mythos, sondern eine einfache Kenning für "Erde" (z.B. aisl. mold)·, für die Konstruktion deyja í + Akk. mit der ungefähren Bedeutung "nach dem Tode irgendwo hin kommen, gelangen" führt Krause einige Beispiele aus Prosa und Dichtung an. Die Syntax im letzten Komplex mit der nachgestellten Präposition ist gleichfalls nicht so außergewöhnlich, daß sie einen entscheidenden Kritikpunkt an seiner Interpretation darstellen könnte. "Der Halbstrophe von Alt-Ladoga ist trotz gewisser formaler Härten und Schwerfälligkeiten dichterischer Schwung nicht abzusprechen: Gerade die im Rahmen der Skaldik vereinzelt dastehende Erd-Kenning fimbul-sinn plóga scheint den Eindruck wiederzuspiegeln, den unser Dichter von den unendlichen Weiten der östlichen Landschaft empfangen hatte." (Krause 1960:561). Beide Interpretationen erscheinen prinzipiell möglich, von sprachlicher und runologischer Seite lassen sich kaum Einwände vorbringen. Von größter Bedeutung ist die Bewertung des ersten Zeichens: Anfangsstrich oder Rune, die letztlich nicht zu entscheiden ist. In beiden Fällen stellt sich die Frage, aus welchem Grunde eine solche Inschrift - sei es der Teil eines Schildgedichts, sei es eine Gelegenheitsdichtung für einen Toten - auf dem Holzstab angebracht wurde, den die russischen Archäologen zunächst für den Teil eines Bogens, dann für ein Amulett oder Fetisch hielten; H0st 1960:429 spricht sich zögernd für den Teil eines Webstuhles aus oder für ein speziell fur diese Inschrift zugerichtetes Holzteil, vielleicht einen Zauberstab. Welche Funktion aber sollte ein Schildgedicht oder ein Totenpreis auf einem Amulett oder Zauberstab haben? Deren Inschriften pflegen i.a. ganz anders auszusehen (vgl. etwa die neugefundenen Amulette von Gorodische und Ladoga 6.1.11). Beide Texttypen würden eher zu einem rúnakefli, also dem
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normalen Schreibmaterial in Holz, passen, sei es als Gedächtnisstütze/Notiz eines (vorgetragenen) Schildgedichtes, sei es als Ersatz oder Konzept eines Totenpreises (für einen Runenstein - Krauses Interpretation legt einen Vergleich mit dem Stein von Karlevi auf Öland nahe?). Hierfür bietet die Egils saga die klassische Parallele, wo Egils Tochter l>orger3r das Totenpreislied auf BQÖvarr auf einem Holz festhalten will: en ek mun rista á kefli (Kap. 78); die Funde aus Bergen belegen für das 13. Jhd. mehrere Strophen auf Holzstäbchen. Hält man dagegen an der Funktion des Holzstückes als Amulett fest, so würde die Interpretation von Kiil 1964a inhaltlich am besten passen, der den Text als jagdmagische Inschrift auffaßt. Er liest das erste Zeichen der Inschrift als s-Rune, die der Schreiber zu tief ansetzte (auf der Höhe des ), weshalb er einen zweiten Strich etwas höher hinzufügte; nach den Abbildungen bei H0st 1960 wäre das möglich; dann könnte man darin eine verkürzte Form der Kopula (e)s sehen. Die unsicheren Runen Nr. 21 liest er als , Nr. 24 + 25 wie H0st als ; die 5. Rune schließlich, die H0st und Krause als hauptstablose r-Rune gelesen hatten, faßt Kiil als u-Rune auf, die im Vergleich zu ihren Nachbarrunen aber wesentlich undeutlicher sei und bei der ein Teil des Hauptstabes fehlt. Da unmittelbar darauf eine weitere u-Rune steht, könnte hier eine Rasur vorliegen: "Dette kunne tyde pâ at runeristeren har villet utslette dette runetegnet, men at det ikke har lykkes ham helt." (Kiil 1964a:32). Er kommt so zu dem Text: (e)s úfi ofvariör hali; vélir rims frán(n) mannagrant fimbulsinni plóga "Halen (d.e. den bakre del av pilskaftet) er kledd med "uv" (d.e. strittende fj0r); den glinsende (el. den skarpe) som h0rer til stonga (d.e. pilspissen) tiltrekker fangster for alle i et stört f0lge." (Kiil 1964a: 40). Prädikat des Satzes wäre die einleitende Kopula es, zu dem syntaktisch das Part, variör gehört, Subjekt wäre das Mask, hali "Schwanz" (vgl. dazu aisl. spjótshali "unteres Ende des Spießschaftes"); die Grundbedeutung von aisl. verja ist "umhüllen, bedecken", so daß wir als Text erhalten: "der Schwanz ist umhüllt mit...". Den instrumentalen Dativ würde die Folge ufi ausmachen, in der Kiil ein sonst nicht belegtes aschwed. *úf< *úba- ansetzt, das mit nynorsk uf η "hvad der gj0r volumin0s og fylder uden at vaere til Gavn, Skrab, Affald", aisl. úfr mask, "herausragende Spitze, Splitter, Streit, Feindseligkeit", aisl. yfa "zornig werden, ergrimmen" zusammengestellt werden kann; *«/wäre dann "etwas, das heraussteht, das kämpft", also die Federn am hinteren Teil des Pfeilschaftes. Den Komplex ual-R, den Krause und H0st als valdr lasen, faßt Kiil als ualiR = vélir zum Verb véla (1) "überlisten, betrügen" (2) "sich befassen, beschäftigt sein, zu tun haben mit, betreiben" in der ersten Lesung auf, das folgende frán(n) rims wäre dann das Subjekt im zweiten Satz: "das Glänzende/Scharfe der Stange" bzw. "der glänzende Wurm der Stange" sollte sich dann auf die Pfeilspitze beziehen. Das folgende mannagrant wird von Kiil mit dem nschwed. Adverb mangrant "vollständig" gleichgesetzt, das an fimbulsinni "große Schar, großes Gefolge" anzuschließen wäre. Das abschließende plóga kann dann aber nicht die Bedeutung "Pflug" haben, die Krause und H0st annahmen: es gibt einige Indizien für ein Mask, plógr "Erwerb, Gewinn" im Nynorsk und mschwed., auch im Mhd. kann
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pfluog diese Bedeutung haben. Wenn man alles dies akzeptiert - was möglich erscheint -, dann ergibt sich als Aussage des zweiten Satzes: "Die Pfeilspitze überlistet/lockt an als Fang vollständig eine große Schar (der Beute)". Dieser Text mit seiner Pfeilmagie würde vom Kontext her zwar auch besser zu einem Bogen oder einem Pfeilschaft passen 25 , er ist aber auch auf einem Amulett vorstellbar, das bei der Jagd getragen wurde. Magische Elemente wären in der Wortwahl (der Gegenstand wird nicht mit seinem normalen Namen benannt) und in der Syntax zu sehen, die an einen Teil der Inschrift auf Eggjum erinnert. Schließlich weist Kiil darauf hin, daß auf der Rückseite des Holzes drei Ritzfiguren zu sehen sind, die als Pfeilspitzen zu interpretieren wären (vgl. H0st 1960:434). So spricht der Kontext m.E. dafür, die Interpretation Kiils als die überzeugendste einzustufen; dies setzt allerdings voraus, daß man sich seiner Auffassung des ersten Zeichens der Inschrift anschließt. Einer Datierung der Inschrift ins 9. Jhd. steht von runologischer Seite nichts entgegen; sie sollte jünger als Sparlösa oder Björkö sein, Krause 1960:563 dachte an einen Gotländer in der 2. Hälfte des 9. Jhds., "spätestens aber gegen 900", zu einem übereinstimmenden Ansatz kam auch H0st 1960. Sie ist somit ungefähr gleichzeitig mit den Inschriften der Holzstäbe von Haddeby, dem (Zauber-)Stab von Hemdrup und den Amuletten von Gorodische und Alt-Ladoga.
6.2 Die Inschriften in Norwegen 6.3.1 Gims0y Der Stein von Gims0y auf den Lofoten ist der nördlichste aller bekannten Runensteine, er galt lange Zeit als ein möglicher Vertreter der Inschriften aus der Übergangsperiode zwischen dem Älteren und dem Jüngeren Fujjark 26 , v.a. aufgrund von Bugges Interpretation von 1899, der die Inschrift im 1. Band von NIeR bei den Inschriften im Älteren FuJjark behandelte und ins erste Viertel des 9. Jhds. datierte; der Zeitansatz für eine Inschrift im Älteren Fujsark wäre aus heutiger Sicht natürlich unhaltbar, und daß auch Bugges Lesung auf falschen Prämissen beruht, hat H0st 1958 überzeugend gezeigt. Ebenso wenig kann die Interpretation von Krause 1929 akzeptiert werden, der eine punktierte b-Rune mit dem Lautwert /p/ neben einer h-Rune mit der Form H annimmt, was aus chronologischen
Deshalb spricht sich Kiil 1964a:40 dafür aus, es habe sich bei dem Holzstück um einen Pfeilschaft gehandelt: "Sä vidt jeg kan skj0nne av fotografi og beskrivelse kan den ikke godt vaere anna enn et brot av et pilskaft, helst i et skj0lskott med kort avstand til mài." So noch Johnsen 1968:7: "Om Gimsey-stenens innskrift harer hit er uklart, men en mulighet."
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Gründen unhaltbar ist (eine solche punktierte p-Rune ist vor dem Ende des 12. Jhds. kaum zu erwarten). Die Lesungen und Interpretationen Bugges und Krauses lassen sich wie folgt zusammenfassen: nuki:asab:raisJ)a:hEr:aft:ut:sta£:niJ>:nafEs un :£aisa aht>a:an:f>a:kunstu:staina:f>aisa NokkiAsa broöir reista hér œft útstadnid *návesun pœssa, *ah pá arm pá kynnstu stœina pœssa "Jeg, Nokki, Âses bror, reiste her efter slektning, som hadde festet bo ute, dette oppholdsted for den d0de mann, og sà dessuten disse meget kjennelige stener." Bugge 1899:410 nukiasparisf>uraflstit]>ali]>nafla iRi f>urashaf>ant>akunstustainaf>aìsa "Nukki hat eine Prophezeihung: Erheben wird sich Thor zur Machtstellung; da werden noch mehr Gefolgschaft leisten. - Ase Thor! Ich machte noch diese Steine hier zu den kenntlichsten." Krause 1929:50ff. Schon die beiden Lesungen weisen nur für die sechs ersten Runen und für das Ende der Inschrift Gemeinsamkeiten auf; die einzelnen Runen sind z.T. stark verwittert, und es gibt eine Reihe von möglichen Binderunen; es gibt ferner die punktierte b-Rune, die Bugge als Abkürzung für brupir auffassen wollte. H0st 1958 hält nach ihrer gründlichen Untersuchung des Steins folgende Runen für sicher (x bezeichnet zerstörte Runen): xuki : asa : b : raisj>a :uar : aft: xtxa£:xix : nafis :f>a:is asi:xxx:f>at>an:auxxua:staiiia:J>isa:xxx... Die rechtsläufige Inschrift verläuft in zwei Zeilen auf einer Seite des Steins von unten nach oben, sie scheint konsequent Trennpunkte zwischen den einzelnen Wörtern zu schreiben, und sie bietet folgende Runentypen: Γ Π M
k Y h M S
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ïïl sowie die Binderunen: \ ft ark voraus, in dem fc für neben \ für verwendet würde, wofür es gleichfalls keinerlei Parallele gibt; zu erwarten wäre eindeutig \ . Ich schlage deshalb vor, den Stein von Gims0y trotz seines äußeren Eindrucks und trotz der Form raispa (die von Krause anders gelesen wurde) als mittelalterlich einzustufen. | könnte dann eine Annäherung in Runen an Abbreviaturen des Typs -b- sein, die die Handschriften für bródir überwiegend schreiben. Dies könnte dann auch erklären, warum an dieser einen Stelle eine Runenform stünde, die nicht der in der restlichen Inschrift verwendeten Runenreihe angehört (R statt f )· Dann würde auch das Nebeneinander der drei Varianten der s-Rune plausibler, für das es gleichfalls keinerlei Parallele innerhalb des Korpus der Kurzzweigrunen gibt28. Trotz dieser Argumente bleibt der Ansatz natürlich diskutabel. Innerhalb der dänischen Runeninschrift gibt es ein einziges Beispiel mit drei Varianten für auf dem Stein von 0ster Marie 5 aus der Periode 3 (F0r-Middelalder); die Form 1 (eine "punktierte" s-Rune) ist hier erst in der Periode 4, also im Mittelalter relativ frequent. Im Zeitraum vor und um 1000 ist die Form 1 mit kreisförmigem Abschluß in den Inschriften auf der Isle of Man gut belegt (etwa 50% aller ^-Schreibungen), norwegische Inschriften mit dieser Form der s-Rune finden sich auf den Steinen von Klepp I, Vang, Fâberg und S0gne,
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Die beste Annäherung an den Text der Inschrift bietet trotz der Bedenken hinsichtlich der Datierung die Interpretation von H0st 1958, die allerdings ihren Ausgangspunkt in dem möglicherweise anzuzweifelnden raispa (l.Sg.Prät.Ind.) nimmt und den Text als (Stein-)Setzungsformel auffaßt; uar stellt sie zu urnord. *waru- "Grabhügel" (belegt auf dem Tomstad-Stein als waruR). Tatsächlich stand der Stein von Gims0y ursprünglich zusammen mit einem weiteren runenlosen Bautastein und 13 kleineren Steinen in der Nähe einiger flacher Grabhügel. Das folgende aft ist klar, der Name des Toten ist nicht sicher zu erschließen; er stand zu dem folgenden nafis (Gen. eines PN) vermutlich in irgendeinem Verwandtschaftsverhältnis. Auch der Name des Ausführenden am Anfang der Inschrift ist nicht entscheidbar, theoretische wäre Fokke, Hugi, Jóke, Kúgi, Loge, Nokke, Tóke möglich. Die zweite Zeile wird entweder durch pá es oder pi es "als" bzw. "weil" eingeleitet, es folgt der schon in der ersten Zeile genannte Name Asi, und danach sollte aus Platzgründen ein (starkes) Verb stehen: H0st entscheidet sich für fió zu "fliehen". Als Text ergibt sich somit: ?uki Asa b(ródir) reista vçr aft [] Nœfis [] pá es Ase [fió] paöan auk svá staina pessa [kenniligu] "*uki Âses bror reiste denne gravröys efter [] Nœfis [] da Âse flydde herfra, og likesâ disse [kjennelige] stener." (nach H0st 1958:330). Die weitreichenden Vermutungen, die H0st mit dem Namen Äse verbindet, in dem sie einen Landnahmemann Islands sehen möchte, sind bei einer Datierung der Inschrift ins Mittelalter natürlich auszuschließen.
6.3.2 Bj0rneby Der Stein von Bj0rneby in 0stfold wurde beim Transport in die Altertumssammlung nach Oslo 1865 in zwei Stücke zerbrochen, so daß ein Teil der Runen verloren ist; ein Teil der erhaltenen Inschrift(en) ist zusätzlich v.a. im Bereich der Beistäbe beschädigt, was die Lesung erschwert oder unmöglich macht. Die erkennbaren Runen gehören zum Typ A in der Terminologie von Johnsen 1968, mit γ , \· und |t , es steht aber auch S neben | , auf den Runenformen und der Tatsache, daß nach Dental -R geschrieben ist, resultiert der Zeitansatz ins 9. Jhd. bei Johnsen 1968:170: "Den mâ vaere jevngammel med eller helst eldre enn Oseberginnskriftene. Vi kan her gjerne ha for oss den eldste norske stuttruneinnskrift." Weitere altertümliche Züge sind das Fehlen von Rahmenlinien und von Worttrennern. Den sicher lesbaren Text gibt Johnsen wie folgt: kili—istis ub RstatRstatRalkat- ... die Johnsen 1968 alle vier auf ca. 1000 datiert. In den schwedischen Inschriften der Wikingzeit ist die "punktierte" s-Rune kein einziges Mal belegt; sie stellt also kein eindeutiges Datierungskriterium für eine individuelle Inschrift wie Gims0y dar, weist aber tendenziell eher ins Mittelalter als ins 10. Jhd.
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Für die Runen Nr. 5 + 6 hat Janzén 1948 die Lesung kR vorgeschlagen, um damit zu einem Männernamen kilikR, kilakR, kilukR zu kommen, der dann für Geirleikr, Geirlákr oder Geirlaugr stehen würde; an der fraglichen Stelle steht aber m.E. eindeutig eine r-Rune 2 9 . Damit erhalten wir für den Anfang der Inschrift kili raisti s... Als nächstes würde man aufgrund des anlautenden s- stain erwarten, vor ub findet sich auch eine n-Rune, aber dazwischen stehen klar fünf Hauptstäbe: nach s- ergibt sich nach meinem Befund [, das vielleicht eine gewendete Form für 1 sein könnte, danach steht H, die beiden folgenden Runen sind sehr beschädigt. Ich glaube hier \ | erkennen zu können, wonach sich für den ganzen Komplex stainin ergäbe, das dann wohl eine Form mit suffigiertem Artikel sein müßte; ein sehr früher Beleg, wenn der Zeitansatz ins 9. Jhd. zutrifft. Ein ähnlich früher Fall könnte sich auf einem gotländischen Bildstein finden, vgl. oben 6.1.3. Nach dem Komplex steht ub, wohl für "auf, über", oder zu umb "wegen", die drei folgenden Runen sind m.E. am ehesten I f ^ ika, das oblique Form zu einem Männernamen Ingi sein sollte. Dieser Textteil wäre also vielleicht wiederzugeben als Kili raisti stainin ub Inga "Kili errichtete diesen Stein über/wegen Ingi". Die erste Rune des zweiten Textteils (Nr. 30) liest Johnsen als : "Vi mâ her vente et ord for sten, minnesmerke, som hallr. hreyrr. Runesporene gir mulighet for á lese hruR, hreyrr. med en skrivemâte u for diftong som i eventuelt kilukR Geirlaugr." (Johnsen 1968:171). Das fragliche Zeichen sind m.E. zwei übereinandergestellte Punkte, also ein Trennzeichen, über die Runen davor wage ich keine Aussage. Das Argument von Johnsen ist nach dem oben Festgestellten hinfällig. Danach steht deutlich statRstatR, das Folgende wurde bisher als alkatR gelesen, für allkendr "offenbar, wohlbekannt". Eine Rune (t vermag ich nicht zu erkennen, ich lese eine Binderune ΗΓ* oder Î , am ehesten für ; beim ersten finde ich keinerlei Beistab erhalten, so daß man auch eine Lesung als erwägen könnte. Die letzte lesbare Rune ist eindeutig ( . Damit ergeben sich für den zweiten Textteil zwei Möglichkeiten: statR statR a/ilkatR, am Anfang ein wiederholtes stendr "er, sie es, steht", danach ein Kompositum, dessen zweiter Bestandteil mit oralem /a/ nicht zu aisl. kenna "kennen" gehören dürfte (Johnsen 1968:170: "(minnesmerket) stâr, stâr âpenbart"), sondern vielleicht zu aisl. kátr "heiter, froh, gut gelaunt, vergnügt". Der erste Bestandteil des Kompositums wäre dann entweder all- "ganz, vollständig" (so die bisherige Interpretation) oder ill- "übel, schlecht, schwierig". Beide Kompositionstypen sind im Altnordischen sehr gut belegt, ich führe einige Möglichkeiten für meinen eigenen Vorschlag auf: illfengr "boshaft, bösartig", illfüss "böswillig, auf Böses sinnend", illfœrr "schlecht, schwer passierbar", illgjarn "auf Böses sinnend, bösartig", illkyndugr "schlau, arglistig", illifr "unsittlich, unkeusch lebend", illorör "böse Reden führend, schmähsüchtig", etc. 29
So auch Johnsen 1968:171, die dennoch Jantzén als Möglichkeit referiert: "Partiet ved runene 5 og 6 er forvitret og utydelig. Det er füllt mulig à lese dem som en R r."
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Als Text ergäbe sich dann "er steht, er steht völlig zufrieden" oder "er steht, er steht übel zufrieden/unzufrieden", Subjekt wäre wohl der zuvor genannte Stein, kaum der Tote. Die zweite Variante ergibt m.E. im Kontext einer Grablegung den besseren Sinn, völlig ausschließen möchte ich die erste dennoch nicht. In der Wiederholung des Verb wäre ein magisches Element zu erkennen, oder eine emphatische Betonung; für einen Vers (noch dazu mit dem frühesten Beleg für einen Endreim in Skandinavien), wie ihn Johnsen in stendr, stendr, alkend(r) sehen wollte, gibt es, wenn man die Argumentation akzeptiert, keine Grundlage/Im Prinzip gilt dennoch ihr Resümme: "Hvis den begynner med en reiserformel som jeg har antydet ovenfor, har vi her som i en rekke andre innskrifter en alminnelig prosaformel som avsluttes med et versifisert dramatisk point." (Johnsen 1968:171). Eine präzise zeitliche Einordnung des Steins von Bj0rneby ist kaum möglich; die fehlenden Rahmenlinien und die fehlende Worttrennung (eventuell bis auf eine Ausnahme zwischen den beiden Sätzen/Aussagen) könnten auf relativ hohes Alter hinweisen. Die Runenformen sind wenig aussagekräftig, so daß sich allenfalls die Verwendung eines suffigierten Artikels in stainin - wenn keine Verschreibung/Doppelschreibung vorliegt! - als Kriterium anbietet. Aufgrund der relativ wenigen Indizien, die wir für die Entstehung dieser Kategorie haben (vgl. oben 6.1.3), wäre eine Einordnung von Bj0rneby ins 10. Jhd., kaum wesentlich älter, vorzuschlagen.
6.3.3 Oddernes Zwei Inschriften aus sehr verschiedenen Zeiten bietet der Bautastein von Oddernes in Vest-Agder; auf einer der Breitseiten des Steins steht eine Inschrift in Kurzzweigrunen der Gruppe C nach Johnsen 1968, auf einer Schmalseite eine Inschrift in der norwegischen Runenreihe nach ca. 1050; beide Inschriften sind von unten nach oben rechtsläufig zu lesen. Die Kurzzweigrunen-Inschrift ist infolge von Verwitterung vor allem am Anfang so beschädigt, daß bis vor kurzem kein sinnvoller Text rekonstruiert werden konnte: ....
xxxxuriiirijisunistxinsa
Johnsen 1968:184 gibt nach NlyR III folgende Übersetzung: "(Etter NN) Nerids s0nn er denne sten", was aufgrund der erhaltenen Reste durchaus möglich erscheint, für den Anfang erwägt sie wie schon Olsen 1954 uri zu *puri = pórir zu ergänzen. 1990 wurde der Stein durch Runearkivet ved Oldsakssamlingen im Zusammenhang mit der 950-Jahrfeier der Kirche gereinigt, untersucht und im Waffenhaus der Kirche neu aufgestellt; das Ergebnis wurde von Knirk 1993 publiziert: danach kann folgender Text als gesichert gelten:
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ΊΜΙ>ηΜΗΜΙ>,ηΗ,1ark, der die Helnaes-G0rlev- oder "NormaTrunen verwendet. Seine Inschrift lautet auarpR fapi, wobei für |) und für ^ steht, also die Runenformen, die man im 9. und wohl auch noch 10. Jhd. erwarten sollte. Durch die zweite J>-Rune verläuft eine Bruchstelle im Stein schräg nach unten, in deren weiterer Fortsetzung sich eine kurze Nebeninschrift findet; die erste dieser Runen ist im oberen Bereich zerstört, aber wohl zu f) zu ergänzen, danach folgen Γ Die Hauptinschrift konstatiert also schlicht, daß ein Mann namens AvarJjR etwas machte (vermutlich die Inschrift), die Nebeninschrift nennt wohl gleichfalls einen Männernamen im Nom.Sg. Für das Alter der Inschrift haben wir nur Indizien, nämlich die einzeilige Anordnung der (kurzen) Inschrift, die Form der Rune |) mit großem runden Beistäben, die für die schwedischen Inschriften des 9. Jhds. mit Kurzzweigrunen charakteristisch ist (vgl. oben Kälvesten, Björkö, Rök, Gursten, Sparlösa u.a.), ferner die Verwendung des Verbs fá 'machen', die sich auch auf Kälvesten, Rök, Oklunda, Sparlösa, Gursten, dem Amulett von Lindholm, Helnaes, Fleml0se 1 findet, die wohl alle vor 900 einzustufen sind, aber noch auf dem Forsa-Ring aus dem 12. Jhd. steht. Das deutlichste Indiz, das für eine frühe Datierung spricht, ist die Schreibung der R-Rune im Namen auarpR nach Dental, also in einer Position, in der nach op. com. die beiden r-Allophone am frühesten zusammenfallen (vgl. oben 6.1.9 zu Oseberg Π). Eine Parallele dazu bietet außer Oseberg in Norwegen nur noch der Stein von Bj0rneby, der wohl ins 10. Jhd. zu datieren ist. Diese Punkte, vor allem die Verwendung der "Normalrunen", sprechen also alle ziemlich eindeutig für eine Einordnung von Valby ins 9. Jhd., meiner Meinung nach könnte er durchaus an den
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Anfang des Jahrhunderts oder noch in das 8. zu stellen sein. Möglicherweise aber das ist eine Vermutung - könnte er als Beleg angesehen werden für ein einheitliches Schriftsystem des Jüngeren Fujpark vor der Ausbildung der Kurzzweigrunen in Schweden und deren Verbreitung nach Norwegen und Dänemark; dann müßte Valby allerdings deutlich älter sein als Oseberg, der Runenmeister AvarjjR würde dann auch (wie sein dänischer Kollege AuaiR auf Helnaes und Fleml0se I) dem älteren Runengebrauch näher stehen als die Verwender der KurzzweigrunenGebrauchsschrift, die ab der ersten Hälfte des 9. Jhds. in Norwegen bekannt wurde.
6.3.6 Teilzusammenfassung der norwegischen Inschriften Aus dem Zeitraum nach der Umformung des Älteren zum Jüngeren Fujiark haben wir also nur eine geringe Zahl von Inschriften aus dem norwegischen Raum; die älteste könnte die von Valby sein, vielleicht in der gleichen Runenreihe geschrieben, die auch den ältesten dänischen Steininschriften zugrundeliegt, dem mutmaßlichen Prototyp des Jüngeren Fu^ark. Einigermaßen sicher datierte Inschriften liegen vor in den Funden aus Oseberg und Gokstad, ferner den Bronzekessel von Kaupang, alle in Kurzzweigrunen geschrieben. Die Osebergfunde datieren in die Mitte des 9. Jhds., die beiden anderen an das Ende des 9. Jhds., grob gesprochen um 900. Die Inschrift auf der Holzstange von Oseberg ist nicht sicher gedeutet, vielleicht handelt es sich um ein Wortspiel; der Holzeimer von Oseberg weist eine profane Besitzer-Inschrift auf, eine Alltagsinschrift - wenn auch im Falle von Gokstad nicht sicher gedeutet - zeigen auch Kaupang und Gokstad. Die relativ späten Belege fast hundert Jahre nach dem Aufkommen der Kurzzweigrunen sprechen dagegen, daß diese in Norwegen entwickelt worden sein könnten, und die Tatsache, daß mit Valby auch nur ein Stein in Normalrunen vorliegt, spricht wohl überhaupt dagegen, daß das Jüngere Fujiark auf norwegischem Gebiet entstanden ist (doch vgl. unten zu den Inschriften aus Bohuslän). Die anderen als alt angesehenen norwegischen Steininschriften würde ich dem 10. Jhd. oder später zuweisen: Gims0y halte ich mit gewisser Wahrscheinlichkeit für mittelalterlich, Bj0rneby könnte den suffigierten Artikel belegen und wäre dann wohl ins 10. Jhd. oder später zu stellen; Oddemes ist für Zeitansatz und weitere Schlußfolgerungen zu fragmentarisch, und Eikeland ist wohl allenfalls auf ca. 900, eventuell später zu datieren. Dies bedeutet dann auch, daß einige Vorstellungen zu revidieren sind: Für einen frühen Zusammenfall der beiden Allophone [r, R] im Norwegischen gibt es im fraglichen Zeitraum keinen Beleg: Oseberg und Valby belegen vor 900 ^ bzw. |, die gleiche Rune nach Dental hat noch Bj0meby. Für Norwegen bleibt damit nur ein indirekter Datierungsansatz für den Zusammenfall: Inschriften, in denen die Rune X für /y/ verwendet ist, belegen seine Durchführung. Der früheste sichere Beleg stammt aus Dänemark auf dem Kamm von Elisenhof am Ende des 9. Jhds. mit der Schreibung kabr. Ob die spezifische Form der m-
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Rune Y , die Kaupang und Eikeland belegen, eine norwegische Entwicklung ist, oder ob sie auf den britischen Inseln (vermutlich Man) entstanden ist und sich von dort nach Norwegen ausgebreitet hat, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden.
6.4 Die Inschriften aus Bohuslän Von Loman 1965 wurden den drei Steinen von Rävsal, Skee und Hoga eine Zwischenstellung zwischen den ältesten dänischen Steininschriften und den Rökrunen (= Kurzzweigrunen) zugesprochen; sie könnten somit direkte Vorläufer für Sparlösa und Rök gewesen sein (Loman 1965:56) und ein Indiz dafür darstellen, daß die Kurzzweigrunen in Westschweden entstanden sind (Loman 1965:60). Die Argumentation basiert dabei zum einen auf den Runenformen, die typologische Bindeglieder sein könnten, zum anderen auf den Datierungen von Bugge 1897 und 1902 (Skee: 750-800), Andersen 1947 (Rävsal: Helnaes-G0riev-Periode), Kock 1922 (Rävsal: 750-800), Lindqvist 1920 (Hoga: 8. Jhd.) und Kock 1922 (Hoga: 9. Jhd.), die Loman ohne Hinterfragung übernimmt. Alle drei Inschriften sind aber in Lesung und Interpretation unsicher und strittig, was Johnsen 1968 im Falle von Hoga dazu veranlaßte, auf eine Datierung völlig zu verzichten und bei der Besprechung der Inschrift zu resummieren: "usikkerheten omkring lesningen av runene gj0r at den ikke kan brukes for runologisk formâl." (Johnsen 1968: 166). Eine kritische Sichtung dieser drei Inschriften und ihrer Datierungsmöglichkeiten erscheint deshalb angebracht.
6.4.1 Rävsal Bei der Inschrift des Steins von Rävsal, die bereits in Kap. 4 angesprochen wurde, sind eigentlich nur zwei der Runen strittig:
Vor allem in der Mitte und am Ende der Inschrift sind die Runen im unteren Bereich zerstört, bei der fünften Rune könnte es sich um ein des Älteren Fumarie mit etwas niedrigem Ansatz des Bogens handeln oder um ein , was von den erhaltenen Resten der Rune klar unterstützt wird; auch gegen einen Namen HraipulfR mit Vertauschung der Runen 2 und 3 spricht eigentlich nichts, dieser Name ist auch auf Rök belegt. Die Befürworter einer w-Lesung stellen den
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Stein gerne in die Übergangszeit vom Älteren zum Jüngeren Fujjark (Krause/Jankuhn 1966:185 datieren auf ca. 750), meist ohne auf das Problem der typologisch jungen a-Rune % einzugehen; man müßte konsequenterweise eine Inschrift im 16-er Fujjark annehmen, deren Verfasser noch Kenntnisse der älteren Runenreihe besessen hätte. Dagegen spricht der Befund auf Eggjum und ferner, daß die als Parallelen zu nennenden Steine von Sölvesborg und Hoga wegen ihrer problematischen Lesung kaum Beweiskraft haben; Rök und Gorodische Ia belegen zwar eine Rune dieser Form, doch wahrscheinlich mit anderem Lautwert. Die Form der Rune H paßt zu den ältesten dänischen Steininschriften vor G0rlev I und Malt, also in den Zeitraum ca. 750 - 900. Ebenfalls in diesen Zeitraum weist die Art der Anbringung auf dem Stein (Randlage, nur eine Zeile, rechtsläufig von unten nach oben zu lesen), ferner der Inschriftentyp "N.N.'s Steine", der seine Parallelen in den Inschriften von Starup (airiks kubl), Hammel (ulfs st) und H0je Tâstrup (hurnbura stain suipks) findet. Dieser Einstufung mit Lesung eines J) schließt sich auch Loman 1960:54 an, so daß die Lesung haripulfs als etabliert gelten darf. Zweifel an der Lesung der zweiten Rune des zweiten Wortes wurden nur von Wimmer 1887 und Klingenberg 1973 vorgebracht, die statt auch hier ein lesen wollen, da der linke Beistab sehr undeutlich sei und der rechte eine Einbiegung zum Hauptstab hin aufweisen würde. Bei einer Lesung swainaR statt stainaR müßte man ein Denkmal annehmen, das der Häuptling über seinen Mannen errichtet hätte, die bei Klingenberg 1973:312 ermittelte Buchstabenrechnung der Inschrift stützen eventuell die These Marstranders, der einen Hariwolf-Kult an der West- und Südküste Schwedens annehmen wollte. Diese Interpretation erscheint aber selbst Klingenberg zu gewagt (1973:313). Falls man jedenfalls hier eine Lesung swainaR annehmen möchte, dann stünde auch einer Lesung hariwulfs vom Zeicheninventar her keine Bedenken entgegen (außer die Form der aRune), m.E. ist aber die auch von Moltke 1985a vertretene Lesung haripulfs stainaR die wahrscheinlichste. Die Inschrift würde dann die folgenden Runenformen belegen: f
u ] ? A r k h n i a
r η •
ι*
Ν t u
s tbm
τ
1
R
r
λ
Mit Ausnahme der uniken s-Rune (und der typologisch jüngeren Form Jf, die aber schon auf der Perle von Lousgârd Ende des 7. Jhds. belegt ist) entsprechen sie also vollständig den Formen, die die ältesten dänischen Steininschriften vom Typ Helnaes-G0rlev/Malt belegen. Damit würde der Rävsal-Stein aber aus der postulierten Sondergruppe ausscheiden, eine Einordnung vor Sparlösa erscheint ausgeschlossen (am ehesten: 9. Jhd.).
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6.4.2 Hoga Der Stein von Hoga auf Orust ist seit der Zeit Ole Worms bekannt, er wurde nur wenige hundert Meter entfernt von einem eisenzeitlichen Gräberfeld gefunden, worauf auch der Name Hoga von haugar "Grabhügel" hinweist. Für eine relativ frühe Datierung der Inschrift spricht v.a. die Art der Anordnung auf dem Stein: sie steht in einer einzigen Zeile an einer Schmalseite des Steins, weist keine Rahmenlinien auf, und sie ist rechtsläufig von unten nach oben zu lesen. Sie hat somit schon rein äußerlich eine große Ähnlichkeit zu den Inschriften von Rävsal, Bj0rneby, Oddernes, Fleml0se 2, Laurbjerg oder S0nderby, die zu den frühesten norwegischen und dänischen Inschriften im Jüngeren Fujiark gerechnet werden. Die Runenformen haben annäherungsweise folgendes Aussehen: III
l ì / Ι Ι Π Η
I Η
Π
I I
H T l i f
12 3
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Die dreizehnte Rune könnte wie auf dem Stein von Rävsal entweder als p> oder als aufgefaßt werden, Rune 20 könnte statt m auch als k gelesen werden, die letzte Rune kann für ^ a oder - da der untere Beistab deutlich den Hauptstab kreuzt - als Binderune oder stehen (alternativ auch für oder ). Die Bruchlinie des Steins verläuft im unteren Bereich der ersten (beiden?) Runen, hier könnten theoretisch u.U. Beistäbe verloren gegangen sein. Trennpunkte finden sich zwischen den Runen 6 und 7, zwischen 8 und 9 und nach der letzten Rune. Die beiden älteren vorgeschlagenen Lesungen und Interpretationen von Lindqvist 1920 und Kock 1922 lassen doch einige Fragen offen: Lindqvist 1920 liest ^ als und jf als , in der Frage der dreizehnten Rune müsse der Textzusammenhang entscheiden; er segmentiert dann wie folgt: iiAuR iAmt Ain wan i Arò munt, was bedeutet, daß die Inschrift den Unterschied zwischen nasalem und oralem /a/ genau beachten würde und noch die w-Rune des Älteren Fujsark verwenden würde. "Jag tar dà det för givet som redan mycket har pekat pâ, nämligen att Hogastenen är ungefär samtidig med Rävsalstenen [wo Lindqvist gleichfalls lesen würde - Th.B.] och sâledes kommer nägot före 800-talets svensk-norska inskrifter. Därvid ser jag intet hinder för att anta att runor som vi äro vana att betrakta som 800-talstyper, i somliga fall künde vara utbildade redan i tidsrymden 750-800.1 typologiskt avseende stâ runorna pâ Rävsalstenen och Hogastenen som ett hittills enastàende bindeled mellan Eggjumrunorna frân slutet av 600-talet och de svensk-norska runorna frân 800-talet. Men de sista stâr de närmast." (Lindqvist 1920:64). Hier ist also bereits Loman's Gedanke, die Inschriften aus Bohuslän stünden zwischen den dänischen Runenformen und der Umformung zu Kurzzweigrunen, angedeutet. Die Aussage der Inschrift wäre so zu verstehen, daß ein Mann namens IaurR (= Iórr < *eburaR) als eigenen Erbbesitz die Brautgabe seiner Frau erhalten habe: "Tänka vi oss att munden gick tili giftomannen, sä är det inte stor sannolikhet, för att den nâgonsin skulle gâ ur
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giftomannens släkt. Tänka vi oss däremot att det var redan pâ 700-talet som i det medeltida Norge, att munden gick tili bruden, sä förstä vi lätt innebörden av inskriften: IaurR har blivit änkman och barnet som han hade fâtt med hustrun har dött efterât; dâ ärvde barnet sin moder och han sitt barn, och fick pâ det sättet igen munden." (Lindqvist 1920:69). iamt ain würde dann also bedeuten "gerade einsam geworden, alleine, ohne Frau", man könnte annehmen, daß die Frau im Kindsbett gestorben sei, und das Kind ein paar Stunden nach ihr, wodurch eine besondere Rechtslage entstand. Die etwas ungewöhnliche Syntax des Textes schließlich möchte Lindqvist damit erklären, daß das Ganze in Versform abgefaßt sein soll: IaurR iamt ceinn / wann i arb mund. Kock 1922 kritisiert an dieser Interpretation die Schreibung des Namens mit doppeltem , der Name ist sonst runenschwedisch als iufur, iofur oder iafur belegt, er sollte also in jedem Fall auslautend -r und nicht -R zeigen; in der Folge iamtain gibt es für Kock deutliche Trennpunkte i. am. tain, die gegen Lindqvist's Segmentierung sprechen, ferner ist die Bedeutung jamt "gerade eben" im Altnord, nicht belegt, und der Übergang von -bn- > -mn- in diesem Wort ist erst um 1200 im Anorw. nachzuweisen - andernfalls würde man ja auch hier ein nasaliertes /a/ erwarten müssen; der Ausdruck vinna e-t i arf ist altnord. nicht belegt, die Normalform der aschwed. Gesetzestexte ist taha e-t at αφ (ein Einwand, der aber Lindqvist nicht unbedingt zu widerlegen braucht). In Anbetracht dieser Kritikpunkte muß die Interpretation Lindqvist's als disputabel erscheinen. Kock's eigener Vorschlag hat aber gleichfalls etliche fragwürdige Momente: er geht davon aus, daß die Inschrift die (spätere) Normalformel zeigen müsse, also als "N.N. setzte diesen Stein für N.N." zu rekonstruieren sei; ^ und % faßt er als Wenderunen für den Lautwert /a/ auf, was er damit begründet, daß in dieser Inschrift ja auch \ in der Folge 1 \ | "f. (von Kock zu stain ergänzt) Wenderune für IM = Γ am Ende der Inschrift sei (!). Die dreizehnte Rune schließlich liest Kock als {), womit der zweite Teil der Inschrift ergibt: .tainpaniaramunt d.i. "(N.N. setzte) diesen Stein nach Ramund". Die Präposition at wäre hier dann nur als a realisiert, wofür sich parallele Belege finden lassen, denn die Spekulation Kock's, [ = /t/ könne als Binderune in das folgende R eingeschrieben sein, halte ich für ausgeschlossen. Fragwürdig an dieser Interpretation ist ferner, warum s- in stain nicht geschrieben wurde (wofür es aber natürlich einige Parallelen gibt), mehr noch, warum -n- in ramund nicht ausgelassen, sondern als Teil der Binderune realisiert wurde. Für den ersten Teil der Inschrift nimmt Kock an, daß die beiden ersten i-Runen eigentlich für Ν stehen, der Beistab könnte der Verwitterung zum Opfer gefallen sein (oder bei tiefem Ansatz der Bruchstelle), was dann den Personennamen HauR ergeben würde; die beiden folgenden Runen i a sind dann nach Kock als "im (Hofe) Ä" zu lesen, das verbleibende m muß Abkürzung für das Hauptverb der Inschrift sein, wofür Kock markaöi vorschlägt. Die Inschrift soll also stehen für "HauR i [gârden] Â m(ärkte) denna sten efter Ramund" (Kock 1922:158). Die beiden Parallelfälle für die Abkürzung ganzer Wörter, die Kock nennt: s(kribade) auf dem Medaillon von Svarteborg und r(aispi) auf dem Stein
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von Laurbjerg, sind im ersten Fall umstritten, im zweiten falsch, so daß seine Interpretation als mindestens ebenso fragwürdig wie die Lindqvists gelten muß, zumal markaöi erst auf wesentlich späteren Inschriften (und auch nur selten) erscheint. Johnsen 1968:165f referiert die Interpretationen von Lindqvist und Kock ohne dazu weiter Stellung zu nehmen; allerdings sei die Lesung der Runen zu unsicher, um daraus runologische Schlußfolgerungen zu ziehen, was wohl heißt, daß sie beide Interpretationen für unwahrscheinlich ansieht. Ähnlich verfahrt Loman 1960:54, der lediglich konstatiert: "Olika förslag tili tolkning har framlagts av Lindqvist och Kock, delvis grundade pâ olika läsningar." Für die Aufstellung des der Inschrift zugrundeliegenden Fufiarks übernimmt er dann kommentarlos Kock's Lesung unter Auslassung der Wenderunen: Y - X , um damit die Runenreihen, die Rävsal und Skee bieten, zu ergänzen. Laut Peterson 1992, die die jüngste und ausführlichste Besprechung dieser Inschrift bietet, wurde der Stein im Jahre 1989 gereinigt und von ihr und Henrik Williams gründlich untersucht; die Lesung erscheint zuverlässig, die Zweifelsfälle z.T. geklärt. Peterson bietet eine ausführliche Diskussion aller Möglichkeiten für Lesung und Interpretation, sie entscheidet sich dann letztlich (1992:100) für folgenden Text: hauR i am [s]tain wan iar a mula HçR (IoR) i Am stceinn vanti her a mula "HQR (IoR) i Âm utförde stenen här pâ mulen", und für eine Einordnung in den Rahmen der Helnaes-G0rlev-Gruppe, also ins 8.-9. Jhd., sie scheint damit Lomans Thesen zu akzeptieren und zu bestätigen, auch wenn sie selbst (1992:105) zugibt, daß ihre Interpretation keinen Anspruch haben könne "att vara den slutgiltiga". Ich möchte im Folgenden einige Bedenken und Einwände dagegen formulieren, weil mir diese angesichts der Bedeutung des Steines für die Entwicklung der Runenschrift notwendig erscheinen: Zunächst zur zeitlichen Einordnung: Sicher macht die Inschrift einen altertümlichen Eindruck, auf die Parallelen der dänischen Inschriften aus der HelnaesG0rlev/Malt-Periode habe ich bereits hingewiesen; aber die Inschrift belegt eindeutig eine m-Rune in der Form Y (mindestens einmal, wahrscheinlich zweimal). Wenn es sich um eine Inschrift aus Dänemark handeln würde, wäre dies ein klares Indiz für eine Einstufung ins späte 10. Jhd. oder gegen 1000. Es gibt - gegen Peterson 1992:103 - keinen Beleg für diese Form auf Inschriften der HelnaesG0rlev/Malt-Periode (zu Snoldelev vgl. unten 6.5.4); sie erscheint allenfalls spät in der Jelling-Periode oder erst danach. In Norwegen haben wir nur einen frühen Beleg auf Kaupang um 900 (vgl. 6.1.13), und dabei könnte es sich um ein Import-Stück handeln, und auf dem Stein von Eikeland (vermutlich 10. Jhd.). In schwedischen Kurzzweigrunen-Inschriften findet sich zwar J und f , aber diese gehen doch wohl eher nicht auf Y zurück (sondern auf M oder f ) . Damit wäre
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Hoga ins (frühe?) 10. Jhd. einzustufen, wozu dann auch die Formen der Kurzzweigrunen und die abschließende Binderune passen würden. Zweitens: Wenn dieser Ansatz stimmt, dann würde eine h-Rune in der Form Ν und eine w-Rune einen klaren Anachronismus darstellen - ich kenne keine Inschrift, die Y neben H oder gar ^ bieten würde. Vom Befund her spricht sich Peterson selbst gegen diese Lesungen aus: "antagandet att här skulle ha statt ett urnordisk N» vars bistav skulle ha nötts bort, förefaller uteslutet." und "Ivar Lindquists tolkning av denna runa som w har säledes fog för sig." (1992:90), dennoch nimmt sie genau diese Lesungen in ihren Text auf. Die von ihr (und vielen anderen) zitierten Parallel-Belege für w-Runen sind so sicher keineswegs: Zu Rävsal vgl. das vorangehende Kapitel (Peterson 1992:94f diskutiert den Fall, entscheidet sich wohl wegen Hoga für w) und zu Sölvesborg oben unter 5.2. Es gibt also keinen wirklich sicheren Beleg für ^ im Kontext des Jüngeren Fu^ark. Damit wäre für Hoga eine Lesung der dreizehnten Rune als J> zwingend gegeben, "och tainfian kan utmärkt väl tolkas stcein pann" (1992:94). Für die ersten beiden Runen diskutiert Peterson die Möglichkeit eines einleitenden Trennzeichens (vgl. das Ende der Inschrift), gefolgt vom Namen iauR (und nimmt dies als Alternative in ihren Text auf), hält es aber dann für wahrscheinlicher, "att listaren har glömt bort bistaven" (1992:91f), was ich für eine ad-hoc-Erklärung halte. Drittens liest Peterson die Runen 14 und 19 beide als nasales a, obwohl sie wohl ziemlich eindeutig die Typen jf und ^ repräsentieren sollen: "Det stâr [...] füllt klart att runorna nr 14 och 19, a, har sina bistavar olika riktade; de är dubbelsidiga men lutar ât höger resp. vänster." (1992:98), die Qualität des Steins sei dafür nicht ausschlaggebend. Ich finde keine Begründung bei ihr, wieso Rune 19 nicht b sein könnte; natürlich gibt es Wenderunen gerade bei diesen Formen, aber wie hätte dann der Runenmeister eigentlich ein b schreiben sollen, wenn er dies beabsichtigte? Doch wohl kaum als fc. Schließlich: Auf den ersten Namen soll die Bezeichnung des Hofes folgen, also "i Äm", geschrieben i-am·, in diesem Komplex finden sich die einzigen "Wort(?)"-Trenner innerhalb der Inschrift. Peterson 1992:87: "även skiljetecknen ger ju en fíngervisning om att am skall läsas som ett ord." Das erscheint auf den ersten Blick überzeugend, entspricht aber nicht der Trenn-Praxis der frühen Inschriften im Jüngeren Fujiark, die eher Phrasen als Wörter trennen. Konkret würde man eine Trennung nach dem ersten Namen (und dann vielleicht hinter am) erwarten, so, wie sich der Befund auf Hoga zeigt, würde ich die i-Rune eher zum Namen (Dat.-Endung?) rechnen denn als Präposition zum folgenden Komplex. Hier muß aber vielleicht wirklich "der Sinn entscheiden". Nach dem Gesagten wäre der Text auf Hoga also wie folgt zu lesen: (Trennzeichen) iauRi*am-tain{>aniarb/am/ku?? Es könnte somit Anfang und Ende der Inschrift auf das hinauslaufen, was schon Lindquist 1920 gelesen hatte: iauR und i arbmunt (es ist zumindest nicht auszuschließen).
Die Inschriften aus Bohuslän
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Für diesen Text kann ich leider keine überzeugende eigene Interpretation bieten; für den Anfang der Inschrift könnte ich mir eine Vertauschung der Runen 2 und 3 vorstellen, was dann als Namen Ivarr ergeben könnte, theoretisch könnte man dann sogar in der i-Rune eine Dat.-Endung sehen (aber dann würde man doch wohl davor eine r-Rune, nicht R erwarten). 30 tain^an kann eigentlich nur für stein pann stehen, für den Rest halte ich die Lesung, die schon Lindquist vorgeschlagen hatte, für durchaus möglich: iarbmunt, gegebenenfalls doch mit Peterson iaramunt. Den Komplex munt würde ich gerne zum aisl. Neutrum mund "Zeit, Zeitpunkt" stellen, das meist in der Phrase ί pat mund "zu dieser Zeit, zum Zeitpunkt als" vorkommt, aber auch mit (allerdings nachgestelltem Genitiv: ί pat mund doegra, ί pat mund missera, ί pat mund dags, pat mund árs (alle Belege aus dem Wörterbuch von Fritzner). Die i-Rune könnte dann für die Präposition stehen, ara ein vorangestellter Gen. sein, entweder im PI. zu ár "Jahr", das ergäbe "über (viele) Jahre hinweg, über einen Zeitraum von (vielen) Jahren", oder im Sg. zum PN Ari, das ergäbe "zur Zeit des Ari"; ersteres erscheint mir wahrscheinlicher. Für den Schluß der Inschrift wäre so schon zu einem vernünftigen Sinn zu gelangen, aber dann müßte sich in dem Komplex am ein Verb finden lassen, und das bereitet große Schwierigkeiten. Allenfalls könnte man eine Verschreibung Ί Y für Ί ^ annehmen, für die Kopula cer "ist", also insgesamt eine Gedenkinschrift des Typus "dem Ivar ist/gehört dieser Stein über einen Zeitraum von (vielen) Jahre". Aber das würde dann für die Inschrift gleich zweimal Fehler in der Verwendung der R-Rune voraussetzen, was nicht völlig auszuschließen, aber doch auch nicht sehr wahrscheinlich ist. Dazu käme dann noch das Problem der Lesung von a resp. b und die Tatsache, daß man für die Kopula doch eher *iR/is als *aR erwarten würde, auch wenn Formen mit a belegt sind. Auch für meinen Vorschlag gilt also allenfalls, daß er "skall ses som ett förslag och gör inte ansprâk pá att vara den slutgiltiga." (Peterson 1992:105).
6.4.3 Skee Noch problematischer als die beiden behandelten ist die Inschrift auf dem Stein von Skee, eine vollständige Interpretation wurde bisher nur von Nordén 1937 vorgelegt, "vilket dock mäste betraktas som diskutabelt" (Loman 1965:53). Bugges Auslassungen zu diesem Stein sind nirgends sehr konkret (etwa NIaeR 1:377). Peterson 1992:102 beurteilt den Stand berechtigterweise wie folgt: "Sprâkformen i Skeeinskriften kan inte bedömas, dâ en tillfredställande tolkning saknas.". In Erikskrönika ist der Name in Vers 195 in folgendenVarianten belegt: joan (aus joarl) in Codex Verelianus (B bei Pipping 1963), ywar in der Hs. Nr. 32 aus der Universitätsbibliothek in Lund (D),jouar in der HS C 62 der Universitätsbibliothek in Uppsala (alle aus der 2. Hälfte des 15. Jhds. und iffwar in einer ca. 100 Jahre jüngeren Hs. aus der Kungl. Bibl. in Stockholm (T), vgl. Pipping 1963:12.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Der relativ kleine Stein (46x13 cm) ist an mehreren Stellen an den Kanten beschädigt, ein Teil der Runen ist davon betroffen, die auf allen vier Seiten stehen. Nur eine der Seiten bietet zwei Zeilen mit offenbar Sturz- und Wenderunen. Nordén vermutet hier die Schlußpartie des Textes. Nach seinen ausgezeichneten Abbildungen haben die Runen etwa folgende Form: (A)
Y π Γ Y (rechtsläufig)
(Β)
1 S lì \ (rechtsläufig)
(C)
S/K I Γ Y 1 * λ
(D)
Y t
(linksläufig)
I ΐ Π * (rechtsläufig)
| |> (linksläufig)
t I ΐ lì Y ^ ? ? (rechtsläufige Sturzrunen, die beiden letzten wären vielleicht zu Ν zu ergänzen31)· Die gegebene Reihenfolge entspricht bereits der Anordnung des Texts bei Norden. Das große Problem besteht in der Zuordnung der Lautwerte zu den Runen ^ und die Nordén mit und identifiziert, möglich wäre aber auch 5< | = und S = wie in den ältesten dänischen Steininschriften; falls am Ende der Zeile (D) tatsächlich Ν zu ergänzen wäre, spräche alles für die zweite Zuordnungsmöglichkeit Ci = ist zudem außer auf Istaby nirgends belegt). Die Zeilen (A) und (B) liest Nordén zusammen als fulki auk aisl. Fólke ok "Folke und ...", der Beistab der letzten Rune in (B) ist aber wesentlich kürzer als bei der IiRune in (A), sie sieht aus wie eine n-Rune der Kurzzweigrunen; damit wäre es auch möglich zu lesen: (A)fulk (B) isun. Die Zeile (C) liest Nordén als kilfihR, was ein männlicher Personenname sein soll, möglich wäre auch kilfiaR, in (D) liest er zunächst ψ aisl. it "ni tvâ", "här möjligen brukat i betydelsen "vi tvâ" eller "de tvâ"" (Nordén 1937: 149). Danach kommt ftinuh, das wäre zunächst ein abgekürztes Verb fapu/faipu, dann als Objekt tinnu zu aisl. tinna "Feuerstein, Flint", das auf den Skee-Stein selbst referieren dürfte, gefolgt von einer unnötigen, "om klena ortografiska kunskaper skvallrande" h-Rune. Den Abschluß bildet dann die am Ende zerstörte Partie tinufai.., was eine Wiederholung des vorangegangenen Textes darstellen könnte, diesmal mit ausgeschriebenem Verb, nachdem der Ritzer feststellte, daß noch genügend Platz blieb. Die komplette Aussage wäre also für Nordén 1937: 149: "Folke och Kilfihr vi (de) tvâ r. stenstycket runristade stenstycket." Schon wegen der zweifelhaften Lesung von ^c und S hat diese Deutung wenig Wahrscheinlichkeit für sich, ohne daß sich eine überzeugende Alternative anbieten würde. Mit der gebotenen Vorsicht liegt der Inschrift von Skee vermutlich folgende Runenreihe zugrunde:
"Av de tvâ sista runorna finnes huvudstaven i fi och en antydan av öglan bevarade samt nedersta spetsen av u-runans huvudstav." (Nordén 1937:149).
Die Inschriften aus Bohuslän
f u ^ A r k h r i U F
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n i a s t b m l R
Κ N? ^ I * S Τ
Γ λ
Auch sie würde dann vollständig mit den Formen der ältesten dänischen Runensteine übereinstimmen, aber auch Formengleichheit mit dem Fujaark, das z.B. Eggja verwendet, zeigen. Da der Text allerdings unverständlich bleibt, läßt sich die Inschrift zeitlich nicht genau einordnen; sie dürfte in einer Form des Jüngeren FuJjark geschrieben sein, also jedenfalls nach 700 datieren. Sollte am Ende der Zeile (B) eine n-Rune zu lesen sein, dann würde dies u.U. Beeinflussung durch die Kurzzweigrunen zeigen; die Inschrift könnte dann sehr wohl um einiges jünger sein.
6.4.4 Zusammenfassung "De bohuslänska ristningarna visar att den äldre sextontypig runrad varit känd och brukad i västsvenska landskap vid gränsen tili vikingatiden. Och en närmare typologisk analys har visat att i vaije fall Rävsal och Hoga kan anses inta en mellanställning just mellan â ena sidan den äldre danska sextontypiga H~M~ raden och â den andra rökrunorna. Kan inte här ha förelegat tillräckliga förutsättningar för uppkomsten av rökruneraden?" (Loman 1965:56). Die drei Inschriften aus Bohuslän sind m.E. nicht geeignet für weitreichende Schlußfolgerungen, wie sie Loman 1965 gezogen hat; bei jeder sind Teile der Lesung umstritten, für Hoga und Skee gibt es keine überzeugende Interpretation. Die Runenformen zeigen Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede, für eine Datierung der Inschriften gibt es kaum Anhaltspunkte. Die Aussage, daß alle drei "daterais till 700-talet och 800-talets början" (Loman 1965:60) zeigt die kritiklose Übernahme von Mutmassungen. Es ist möglich, daß die drei Inschriften etwa gleichalt sind, sie könnten aber auch 200 Jahre auseinanderliegen; einigermaßen sicher ist nur, daß der Texttyp 'N.N.s Steine1 auf Rävsal vermutlich in die Zeit vor 900 gehört, Krause/Jankuhn 1966 setzt ihn als Inschrift im Älteren Fu^ark in die Mitte des 8. Jhds. Für Hoga hält Johnsen 1968 eine Datierung für unmöglich, ich denke, daß dies auch für Skee zutrifft. Im Falle von Rävsal kann man annehmen, daß er einen Beleg bietet für das ursprüngliche gemeinnordische Jüngere FuJjark, das von Friesen angenommen hatte, dessen Entstehungsort dann in Südnorwegen oder Westschweden zu lokalisieren wäre; er wäre dann vielleicht wirklich in die 1. Hälfte des 8. Jhds. zu stellen; aber die Inschrift könnte auch von einem Dänen angefertigt sein oder nur den Einfluß der dänischen Runenreihe zeigen, womit der Zeitansatz wieder völlig offen wäre. Ich tendiere zu der ersten Möglichkeit, ohne mich auf einen Entstehungsort des Jüngeren Fujsarks festlegen zu wollen; aus der 1. Hälfte des 8. Jhds. haben wir derzeit eine Inschrift aus Gotland, eine von Jütland, eine aus Skâne und mit Rävsal vielleicht eine aus Bohuslän. Daraus läßt sich nichts Sicheres ableiten.
6.5 Die dänischen Inschriften 6.5.0 Vorbemerkungen Die Inschriften der in DR als Helnaes-G0rlev-Gruppe bezeichneten Periode 2.1 (in der Terminologie von Moltke 1985a) erinnern in vieler Hinsicht an die davorliegende Gruppe der Übergangsinschriften. Grundlage für die Zuordnung in diese Gruppe sind in erster Linie die Runenformen und die Sprachformen, daneben aber auch der heidnisch-magische Charakter der Inschriften sowie die einfache Ornamentik. Das Schriftsystem zeigt im Gegensatz zu den Inschriften der Übergangszeit eindeutig die Verwendung einer reduzierten, 16-typigen Runenreihe, die allerdings am Anfang der Periode noch einige Runen in der Form des Älteren Fujsark bewahrt hat, wie M> hb gegen Ende der Periode stehen dann die Runenformen der sogenannten dänischen Normalrunen, also des Jüngeren FuJ>ark, das für die ganze dänische Blütezeit der Runen in der Jelling- und Nach-Jelling-Zeit charakteristisch ist. Die den Inschriften zugrundeliegende Runenreihe hat am Anfang der Periode folgendes Aussehen:
rnMfeKNii*/fst»nr¿ Gegen Ende der Periode stehen dann die beiden identischen Runenreihen von Malt und G0rlev 1:
r m M t r i i u / P S T E t n Es gibt in dieser Periode daneben auch einige Inschriften, die Formen der vermutlich in Schweden entstandenen Runenreihe, den sog. Kurzzweigrunen, enthalten, ferner reine Kurzzweigrunen-Inschriften, die eine wechselseitige Beeinflussung der konkurrierenden Runenreihen wahrscheinlich machen; dazu unten mehr. Die Sprache ist im Großen und Ganzen schon altdänisch. Die Inschriften schreiben noch konsequent auslautendes , auch nach Dental, wo die beiden rAllophone nach 900 zu Zusammenfall tendieren und in der Schreibung nicht mehr auseinander gehalten werden. Vielleicht gibt es einige wenige Reflexe von ursprünglichem /h/ im Anlaut vor Konsonanten, das ansonsten geschwunden ist. Viele der Inschriften haben noch einen mehr oder weniger deutlichen magischen Charakter, etwa der Schädelknochen von Ribe am Anfang der Periode, aber auch deutlich G0rlev 1 und Malt am Ende der Periode; nur relativ wenige der Inschriften haben eindeutig profanen oder Gebrauchscharakter. Ferner kann der
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durchweg heidnische Charakter der Inschriften genannt werden, insofern als keine der Inschriften irgendwelchen christlichen Einfluß zeigt. Die Steine dieser Periode haben noch keinerlei Ornamentik, oft nicht einmal Rahmenlinien; auch der Gebrauch von Worttrennern entwickelt sich erst in dieser Periode. Nur drei der insgesamt 22 32 Inschriften laufen boustrophedon, die Form, die in der folgenden Periode ziemlich charakteristisch wird. Oft finden wir kurze Inschriften, die an einer der Kanten des Steins angebracht sind. Gegen Jacobsen/Moltke 1941 sehe ich den Beginn dieser Periode und damit die Datierung der ältesten Inschriften dieses Typus schon ca. 720 (nicht erst 800), da diese sich nahtlos an die Steine der Übergangsperiode anschließen lassen. Diese Inschriften sind Individualveranstaltungen wie auch die späturnordischen, Produkte einer kleinen Gruppe von Runenmeistern, die die Runen im Dienste der Magie verwenden. Fixpunkte für die Datierung stellen die wenigen Objekte dar, die archäologisch datierbar sind; Lousgârd und die Spange von Âlborg wurden bereits in Kap. 4 besprochen, außer ihnen haben wir die folgenden datierbaren Inschriftenträger: In die 1. Hälfte des 8. Jhds. gehört der Schädelknochen von Ribe (vgl. 6.1.2 oben), der Messerschaft von Lindholm wird archäologisch auf ca. 800 datiert (vgl. 6.1.6 oben). Der Kamm von Haddeby gehört wahrscheinlich in die 1. Hälfte des 9. Jhds 33 , aber hier könnte die Inschrift auch später angebracht worden sein; die Frage - und damit auch die Lesung der 1. Rune >j< als /h/ oder /a/ - ist nicht zu entscheiden. Ins 9. Jhd. (Mitte?) gehört auch der Holzstab von Hemdrup (vgl. 6.1.9) und die drei Holzinschriften aus Haddeby (vgl. 6.1.10) sowie der Kamm von Elisenhof (letzterer wohl Ende des 9. Jhds.)34. Die Steininschriften dieser nach den bedeutendsten Zeugnissen in DR als "Helnaes-G0rlev-Periode" bezeichneten Zeit sind nur ungefähr datierbar, sie gehören jedenfalls ins 8. oder 9. Jhd.; nach op. com. markiert der Stein von G0rlev 1 das Ende dieser Phase, er wird i.a. auf ca. 900 angesetzt. Der Stein von Malt könnte etwa gleichzeitig mit ihm sein.
6.5.1 Der Kamm von Haddeby Bei dem Kamm von Haddeby handelt es sich um einen Neufund aus dem Jahre 1962, der archäologisch in die frühe Wikingzeit, d.h. ins 9. Jhd. datiert wird (Moltke 1985a:349: "probably the early part of it"). Krause 1963:83 spricht vom 9. Jhd., p. 85 genauer "ungefähr zwischen 825 und 1000"; wieso er in Krause 1965:6 diesen Kamm ins 11. Jhd. setzt, bleibt mir rätselhaft. Die Inschrift ist rechtsläufig zwischen zwei Zierlinien parallel zum oberen und unteren Rand der 32
33 34
Ich rechne hier nicht dazu die verlorengegangenen Inschriften von DR 9 N0rre Brarup, DR 188 0rbœk, DR 189 Avnslev und DR 323 Lilla Harne; die belegten Inschriften, deren Zuordnung zweifelhaft ist, sind hier aufgenommen; sie werden im Text besprochen. Vgl. Moltke 1985a:349; Krause 1963:82ff. Vgl. Liest0l 1973, ferner Kabell 1977.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Kammschale angebracht und am Ende abgebrochen, also sicher nicht vollständig. Alle Haupt- und Beistäbe sind doppelt geritzt, ohne daß der Zwischenraum ausgefüllt wäre. Erhalten sind vier Runen sowie die Reste einer fünften:
*nsn?- =
?usu?...
Bei der ersten Rune ist umstritten, ob sie als wie in vielen anderen Inschriften des 9. Jhds. zu lesen ist (so Moltke) oder als wie in den dänischen Inschriften nach G0rlev (so Krause); von der fünften Rune sind Reste des Beistabes im oberen Bereich erhalten, die deutlich gerundet sind und m.E. eine Lesung t = (so Krause) wahrscheinlicher machen als Î = (so Moltke). Für die Datierung der Inschrift (die nachträglich auf dem Kamm angebracht sein kann) ist diese Rune von besonderer Bedeutung: Die frühen Inschriften dieser Periode zeigen als Form der m-Rune M (Helnaes, Ribe, Sölvesborg, vielleicht auch Snoldelev), gegen 900 steht dann auf Malt, G0rlev und N0rre Naerâ f 3 5 ; wenn der Kamm diese Form hätte, könnte die Inschrift kaum vor der zweiten Hälfte des 9. Jhds., eher gegen das Ende hin, angebracht sein. In diesem Fall müßte man die erste Rune dann als lesen, wie es Krause 1963 tut. Liest man wie Moltke dagegen die fünfte Rune als , dann könnte die Inschrift aus dem frühen 9. Jhd. stammen, und eine Lesung der ersten Rune als hätte dann die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Beide Interpreten vermuten einen unvollständigen Männernamen (Moltke l985a:351: "Perhaps a proper name"), bei dem es sich um den Besitzer des Kammes handeln könnte, vielleicht auch um den Hersteller (dann sollten Runen und Kamm allerdings gleichzeitig sein). Krause möchte einen niederdeutschen oder anglofriesischen Namen annehmen, der als Vorderglied das im Nordgerm, höchst seltene hus- "Haus" enthielt; der zweite Teil würde mit m- beginnen, weshalb das voranstehende -u- ein Sproßvokal sein müßte. Der Vokal des zweiten Namensgliedes sollte dann mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls -u- sein, weshalb Krause 1963:84 vorschlägt, den Namen als husumutR zu rekonstruieren, dem vielleicht noch ein Verb wie z.B. karpi gefolgt sein könnte. Beide vorgeschlagenen Lesungen und Interpretationen hängen zum einen von der Datierung des Inschriftenträgers ab (die eher für Moltke spricht), zum anderen von der Form der fünften Rune (deren erhaltenen Reste eher für Krause sprechen). In Anbetracht dieser Unsicherheiten muß die Einordnung der Inschrift umstritten bleiben.
Die Angabe bei Krause 1963:85, diese Form der m-Rune würde seit der Mitte des 1. Jhds. auftreten, muß auf einem Irrtum (Druckfehler?) beruhen.
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6.5.2 Der Kamm von Elisenhof Auch bei dem Kamm von Elisenhof, Kreis Eiderstedt, handelt es sich um einen Neufünd aus dem Jahre 1965. Die Inschrift besteht aus vier Runen, sie ist wahrscheinlich vollständig erhalten. Sie steht rechtsläufig auf einer omamentalen Rille, der obere Teil der Runen wird durch eine Randlinie begrenzt: KMk = k a b r Krause 1965 liest kajalr als Männernamen Kárr "Locke" und datiert Kamm und Inschrift gegen Ende des 10. Jhds. (1965:7); Lesung wie Zeitansetz sind sicher falsch. Er selbst hat sich später brieflich der Lesung von Liest0l 1973 angeschlossen, der die Runen als Kurzzweigrunen identifizierte und kabr "Kamm" liest. Auffällig ist dabei die Schreibung mit statt im Auslaut, die Liest0l bei einer archäologischen Datierung des Kammes in die erste Hälfte des 9. Jhds. durch Tempel einem Norweger zuwies und ein sprachliches Mischmilieu am Handelsweg über Jutland annahm. Die revidierte Datierung setzt den Kamm nun auf das Ende des 9. Jhds. an, und zu diesem Zeitpunkt können Tendenzen für einen Zusammenfall der beiden r-Allophone auch für Dänemark angenommen werden. Auch die Verwendung von Kurzzweigrunen spricht keinesfalls für einen ausländischen Einfluß, wie Moltke 1985a:370 postuliert 36 ; sie zeigt lediglich wie eine Reihe weiterer Inschriften, daß im 9. Jhd. verschiedene Alphabet-Varianten in Dänemark bekannt waren. Inhaltlich paßt die Inschrift auf dem Kamm von Elisenhof allerdings eher zu den norwegischen Alltagsinschriften von Oseberg, Gokstad und Kaupang als zu den rätselhaften dänischen Holzinschriften von Haddeby oder Hemdrup, was dann vielleicht doch wieder ein Argument für einen norwegischen Verfasser sein könnte; mehr als eine Vermutung ist dies jedoch nicht.
6.5.3 Helnaes, Fleml0se I + Π Die enge Zusammengehörigkeit dieser drei Steininschriften ergibt sich neben der geographischen Nähe auf Fünen aus den Namen von Runenmeister und Auftraggebern. Ihre Texte lauten wie folgt: Helnaes: (A) rhuulfRsa2tista2¡nnuRa2 (Β) kut>ia2ftkut>umutbru]>ur (C) sunusintrukna2{>ii—
(D) auaiRfa2t>' "RhuulfR, der NuRa-Gode, setzte diesen Stein nach seinem Neffen Kujjumut. Sie ertranken ... AuaiR brachte die Inschrift an." "if a date at the end of the ninth century is correct - and there is a good deal to suggest it is we can postulate a Swede instead."
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Fleml0se 1: (A) aiftruulfstatR (B) [st]aiinsaisiisuajsnu (C) Ra 2 kui>isa 2 tusu[niRaftiR] (D) [auaiRfaat>i] "Nach Ruulf steht dieser Stein, er war der NuRa-Gode. Die Söhne setzten (ihn) nach (Ruulf). AuaiR brachte die Inschrift an. Fleml0se 2: ruulfRsis Sicher ist, daß Helnaes älter ist als Fleml0se 1, da Ruulfr den Stein von Helnaes für seinen ertrunkenen Neffen Kufjmunt errichten läßt; er beauftragt den Runenmeister Auair mit der Inschrift. Fleml0se 1 wird zu Ehren des verstorbenen Ruulfr von seinen Söhnen gesetzt, die den gleichen Runenmeister engagieren. Fleml0se 2 ist schwieriger einzuordnen: Die Inschrift gibt nur den Namen ruulfR und das Palindrom sis; welchen (magischen) Zweck diese Inschrift erfüllen sollte, ist nicht klar, eventuell kann man den gotländischen Stein von Kylver mit seiner Nebeninschrift sueus heranziehen, wo das Palindrom vielleicht ein Doppelpferd, das ist wohl Odins Hengst Sleipnir versinnbildlicht und dadurch den Wunsch verschlüsselt, der Tote möge nach Walhall einziehen. Wenn auf Fleml0se 2 Ähnliches ausgedrückt werden sollte, dann müßte Ruulfr bereits tot gewesen sein, und der Stein wäre dann etwa gleichzeitig mit Fleml0se 1 entstanden.Vom äußeren Eindruck her - die einzeilige Inschrift ist in Randlage angebracht, keinerlei Rahmenlinien sind verwendet wirkt Fleml0se 2 älter als Helnaes und Fleml0se 1; dennoch sollte er wegen des Namens und v.a. wegen dessen Orthographie mit diesen in engem Zusammenhang stehen. Bei anderer Interpretation des Komplexes sis wäre allenfalls RuulfR (in jungen Jahren?) als Urheber der Inschrift denkbar. Die Runenreihe aller drei Steine sieht wie folgt aus: f
u J > a r k h n i a i a 2 s t b m l R
r n ^ K K N Î I + fSÎ&Mr/k Interessant ist dabei, daß es drei Grapheme für /a/ gibt, mit ^ offenbar für nasales /ä/ und im Namen des Runenmeisters, die beiden anderen willkürlich verteilt für den oralen Laut. Die Formen der h- und m-Runen sind die des Älteren Fujaark; man setzt die Gruppe deshalb an den Beginn der als Helnaes-G0rlev(/Malt) bezeichneten Periode. Verglichen mit dem Schädelknochen von Ribe ist dagegen nichts einzuwenden, was einen Ansatz zwischen 750 und 800 ergäbe. Die Formulierung "Nach N.N. steht..." auf Fleml0se 1 ist altertümlicher als die
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auf Helnaes "N.N. setzte den Stein nach N.N.", die hier ihren frühesten wikingzeitlichen Beleg hat - obwohl Helnaes eindeutig älter als Fleml0se 1 sein muß. Eine frühe Einordnung legt auch der Terminus fapi für das Anbringen der Runen nahe, der sich auch auf Rök, Kälvesten, Oklunda, Sparlösa und Gursten findet, den frühen Inschriften mit Kurzzweigrunen, in Dänemark vielleicht außer auf Helnaes und Fleml0se 1 noch auf dem Messerschaft von Lindholm um 800. Gegen die Annahme einer altertümlichen, unkontrahierten Form fáapi in DR Sp. 647 im aufgrund von frühen Zeichnungen rekonstruierten Text von Fleml0se 1 sprechen m.E. die "ortho"-graphischen Besonderheiten aller drei Inschriften. Der Runenmeister Auair verwendet gerne Doppelrunen, etwa im Namen ruulfR 3x (wenn damit nicht eine Form (H)ró-úlfR gemeint ist) und in faapi, auch an der Wortgrenze sAsi is\ er schreibt altertümliche Formen, einzelne Sproßvokale (sunu, kupumut ), und er verwendet keine Digraphen (satw, vgl. unten). Bei der áss-Rune in seinem Namen handelt es sich wohl um eine Extravaganz seinerseits; beim Namen des Goden könnte die Schreibung mit rh- auf Helnaes ein Indiz für den beginnenden ft-Schwund darstellen (vgl. rhoaltR auf dem Stein von Vatn). Er hat Rahmenlinien, aber keine Worttrenner, und er schreibt boustrophedon. Ich möchte seine Wirksamkeit und damit diese drei Inschriften auf ca. 800 datieren, wobei Helnaes eine unbestimmte Zeit, aber wohl kaum über 20 Jahre, älter als die beiden anderen Steine sein sollte.
6.5.4 Snoldelev Dieser Stein, der wahrscheinlich Bestandteil eines größeren Monumentes bildete (vgl. den Fundbericht in DR Sp. 301), zeigt zwischen Rahmenlinien eine zweizeilig angeordnete Runeninschrift, ferner eine Swastika und eine Triskele aus Trinkhörnern, die ihn sofort einem heidnischen Kontext zuordnen lassen; über die Funktion des Hakenkreuzes gibt es verschiedene Theorien, es wurde u.a. als stilisierter Thorshammer, als Schutzsymbol oder als Zeichen des obersten Gottes Odin aufgefaßt, die Triskele aus Trinkhörnern assoziiert man mit der Ankunft des Toten in Walhall, wo ihm nach Ausweis der Abbildungen auf gotländischen Bildsteinen eine Walküre mit eben einem solchen Horn begrüßt. Beide Symbole finden sich häufig auf Brakteaten, in der Wikingzeit sind sie dagegen relativ selten, in Dänemark nur hier auf Snoldelev belegt. Es gibt allerdings einige Steine mit Thorshämmern oder der Thor-weihe-Formel, die eine ähnliche Funktion wie die Symbole auf Snoldelev gehabt haben könnten. Die Inschrift verwendet einzelne Trennpunkte, verläuft rechtsläufig von unten nach oben in zwei parallelen Reihen; auffallig ist, daß die Runen der ersten Reihe mehr als doppelt so hoch wie die der zweiten sind, und daß die zweite Zeile deutlich nach rechts verschoben ist gegenüber der ersten. Der Text lautet:
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
(1)
kun - ualtstain · sunaR ·
(2)
ruhalts · fralaR · asalhauku(m)
"Der Stein Gunvalds, des Sohnes des Roaldr, des Thuls in Sall0v (Auf den 'Sal-Hügeln')· Die Inschrift scheint also vollständig zu sein, bis auf die letzte größtenteils zerstörte Rune. Syntaktisch und morphologisch ist nicht eindeutig festzustellen, auf wen der beiden genannten Personen sich das Epiteton Thuir37 bezieht, in DR Sp. 302 ist angemerkt, es sei wahrscheinlich auf die Hauptperson zu beziehen (was dann wohl der tote Gunnvaldr wäre?). Andererseits könnten die beiden Zeilen inhaltlich differenziert sein: Zeile 1 würde dann Aussagen über den gestorbenen Sohn präsentieren, Zeile 2 über den dort namentlich genannten Vater. Beide Zeilen beginnen jedenfalls (zufällig?) mit einem Personennamen im Genitiv, beide enthalten einen definierenden weiteren Genitiv und eine zusätzliche Angabe. Moltke 1985a läßt die Frage offen, ebenso die nach der Funktion dieses Standes: "perhaps a sort of district leader or some other kind of public servant?" (1985:165). Eine religiöse Funktion ist nicht minder wahrscheinlich. Von der Anbringung der Inschrift her wie von den Runenformen gehört Snoldelev in die Helnaes-G0rlev/Malt-Periode; die h-Rune hat die Form N, die aRune ist im Prinzip f 3 8 , wie auf Fleml0se 1 finden sich für nebeneinander >jc ( in uAltstAin) und Jf (sonst). Der Inschriftentyp "N.N.s Grab, Stein, kumbl etc." spricht jedenfalls für eine frühe Einordnung. Die m-Rune am Ende der zweiten Zeile ist leider weitgehend zerstört, eine sichere Aussage über ihre Form so gut wie unmöglich. Moltke 1985a: 179f will hier eine m-Rune der Form Y identifizieren und entwickelt daraus eine vollständige Theorie für die Entstehung des Jüngeren FuJjark am Anfang des 8. Jhds. unter dem Einfluß des Karolingerreiches (vgl. oben 5.2.2); ganz abgesehen davon, daß eine h-Rune der Form H neben einer m-Rune der Form Y ein klarer Anachronismus wäre, ist (1) der Ansatz für die Entstehung des Jüngeren Fujsark früher zu sehen als um 800; (2) der Stein von Snoldelev ist wahrscheinlich einige Jahrzehnte jünger, als Moltke ihn eben wegen seiner Theorie datieren möchte: "The stone cannot be later than the end of the eigth (sic!) century" (1985:183); und (3) ist die m-Rune so zerstört, daß nur wenige Spuren eines Beistabes erhalten sind. Dabei könnte es sich um die Form M, aber auch um t oder Y gehandelt haben - m.E. sprechen die Reste am ehesten für fx]. In der Inschrift von Snoldelev die Imitation einer merowingischen oder karolingischen Handschrift zu erblicken, vermag ich ebenfalls nicht.
Zum Begriff "Thuir" vgl. Klingenberg zum Stichwort "Dichter" im RGA. In DR Sp. 302 ist angegeben, es handle sich eher um den Typ |s ; das ist m.E. nicht berechtigt: der obere Beistab setzt zwar nicht ganz oben am Hauptstab an, die Abweichung ist aber so gering, daß mit Sicherheit der Typ Is intendiert war.
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Von den Runenformen her ist die Inschrift älter als die der Steine von Malt und G0rlev 1 am Ende des 9. Jhd./um 900; die Verwendung dreier unterschiedlicher Runenformen für /a/ verbindet sie mit dem Stein von Fleml0se 1 um 800, der allerdings im Gegensatz zu Snoldelev keine Trennpunkte schreibt. Diese Indizien sprechen dafür, Snoldelev in die Mitte oder in die zweite Hälfte des 9. Jhds. zu datieren.
6.5.5 S0nderby Nicht eindeutig zu klären ist die Einordnung der Inschrift auf dem Stein von S0nderby auf Fünen; nach dem äußeren Eindruck muß sie alt sein, denn sie steht in Randlage, rechtsläufig von unten nach oben zu lesen, ohne Rahmenlinien und Trennpunkte auf dem Stein. Die Inschrift besteht offenbar nur aus einem einzigen Wort (bei dem es sich dann wohl um einen Namen handeln sollte), dessen Lesung nicht eindeutig festzulegen ist: > m m
= tauri?].
Das Problem liegt in der sechsten Rune, die als gelesen werden müßte, wenn die Inschrift jünger als ca. 900 wäre, als , falls man sie für älter hält. Die Tatsache, daß die zweite Rune )( nur sein kann, könnte für die sechste Rune als sprechen, aber wir haben beide Grapheme für nebeneinander auch auf dem Stein von Snoldelev und auf dem von Fleml0se 1 belegt, und Helnaes belegt Jf neben N, könnte also theoretisch auch für verwenden. Das Vorkommen der Form ^ spricht jedenfalls nicht gegen einen Ansatz um 800 oder früher, denn sie steht bereits auf der Perle von Lousgârd und auf der Spange von Skabersjö um 700. Weder DR Sp 226 noch Moltke 1985a: 156f legen sich auf eine der beiden möglichen Lesungen t>auriAf> oder f>aurih|> fest. Die zweitere ergibt sowieso keinen (uns) verständlichen Sinn; die erstere erfordert eine ganze Reihe von Annahmen, die als problematisch gelten dürfen: ein Frauenname * pored aus älterem *porhœipR wurde von Moltke 1937 vorgeschlagen. Dann müßte man aber annehmen, daß das auslautende -R bereits geschwunden sei (was zu diesem frühen Zeitpunkt unmöglich ist) oder bei der Anbringung der Inschrift vergessen wurde (ein einmaliger Fall). Man müßte ferner annehmen, daß der Digraph für loi stünde wie in einigen eindeutig jüngeren Inschriften; und schließlich müßte für /aei/ vertauscht sein oder als Digraph für /e/ stehen, was Monophthongierung und orthographische Neuregelung voraussetzen würde. Alles dies ist eher unwahrscheinlich. Es besteht die vage Möglichkeit, daß es sich um die Fälschung eines Runenunkundigen handelt - andernfalls würde ich die Inschrift als alt (800 oder früher), aber unverständlich klassifizieren.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
6.5.6 Vordingborg Äußerlich macht der Stein von Vordingborg auf Seeland einen altertümlichen Eindruck; seine Inschrift verläuft rechtsläufig ohne Rahmenlinien oder Trennpunkte auf zwei der Seiten des Steines von unten nach oben, ein Teil davon ist durch einen Bruch im Stein zerstört. Bei einigen Runen ist nicht sicher zu entscheiden, welche Form intendiert war. Der lesbare Text lautet nach DR und Moltke 1985a: 318f: (1)
kar£i{>iaut>uiu/r
(2)
afta|>islumarutrkau
Moltke setzt hier abermals einen unfähigen Runenmeister an bzw. erwägt als Alternative: "Perhaps it is the runologists who are not clever enough." (1985: 319). Eines der Probleme liegt darin, daß die Formen der r- und u-Runen praktisch identisch sind, Stoklund 1992 schlägt für das Ende der zweiten Zeile die Lesung mauutrkau vor, DR Sp. 273 gibt als Alternative für das Ende der ersten Zeile t>iar]>riu. Charakteristische Runenformen der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode fehlen in der Inschrift, die angenommene m-Rune in der zweiten Zeile steht genau im Bruch, nach den erhaltenen Resten könnte es sich um Y oder Y handeln. Für die a-Rune steht stets die Form Jf. Der Typus der Inschrift ist trotz der Unsicherheiten eindeutig "karpi N.N. aft Ν.Ν. ??", die Kurzform der Präposition würde eine frühe Datierung ebenso nahelegen wie die verwendete Formel. Das Verb und die Präposition sind wie gesagt klar, problematisch sind die Namen: in der ersten Zeile könnte es sich um einen Männernamen piaupuir handeln oder um einen Frauennamen piaupuiu (Thjodver oder Thjodvi), der Frauenname ist auch auf dem Stein von G0rlev 1 belegt. Bei einem Männernamen würde das auslautende -r statt -R stören (in DR wird willkürlich ein Namenselement -wcer als Seitenform zu -ar angesetzt), bei einem Frauennamen das auslautende -u (eine unsynkopierte Form ist sicher nicht anzunehmen). Beim Namen in der zweiten Zeile ist es fraglich, ob die nach Ajjisl stehende u-Rune zum Namen gehört oder mit dem Folgenden einen Komplex uma (??) bildet. Der Rest der Zeile 2 ist m.E. nicht interpretierbar. Für die zeitliche Einordnung haben wir das Fehlen von Rahmenlinien oder Trennpunkten sowie den Inschriftentyp, was einen Ansatz an den Anfang des 10. Jhds. oder sogar früher nahelegt; segmentiert man am Ende der zweiten Zeile einen Namen rutr, würde der Wandel R > r nach Dental eher ins 10. Jhd. weisen, eine m-Rune der Form Y in eine noch spätere Zeit oder auf norwegisch/angelsächsischen Einfluß deuten. Liest man schließlich in Zeile 1 den Frauennamen J)iauf)ui, so könnte man Identität mit der auf G0rlev 1 genannten Dame annehmen und Vordingborg um 900 ansetzen. Hier eine Entscheidung zu treffen, erscheint unmöglich, der Vordingborg-Stein zeigt "en af de vanskeligste indskrifter (DR Sp. 272) oder ist vielleicht wirklich einer der Steine, die Moltke 1985a:
Die dänischen Inschriften
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317 als "the work of bunglers, masons who were not familiar with runes and runic spellings and perhaps did not even comprehend what the runes stood for" charakterisiert.
6.5.7 Laurbjerg Der Stein von Laurbjerg in Nordjütland zeigt keine charakteristischen Runenformen der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode, mit p ^ für , dagegen Formen der Kurzzweigrunen. Für eine Einordnung in den Zeitraum vor 900 sprechen somit nur das Fehlen von Worttrennern und Rahmenlinien, die Anbringung der rechtsläufigen Inschrift in Randlage und der Texttyp: bulnausanstain 39
"Boln0ds (?) sande sten (?)"
uili
"Ville (ristede runeme)"
Der mutmaßliche Name des Runenmeisters ist deutlich schwächer geritzt als die Hauptinschrift, ob es sich dabei um eine Signatur oder um eine in magischer Schutz-Absicht angebrachte Namensnennung handelt (so DR Sp. 142), ist nicht entscheidbar. Die Interpretation des Namens der Hauptinschrift und des Komplexes sanstain als sann-steinn "der wahre, echte, wirkliche Stein" muß gleichfalls als unsicher gelten. Aufgrund der äußeren Merkmale ist eine Einstufung in die Helnaes-G0rlev/Malt-Periode vermutlich berechtigt, eine genauere Datierung erscheint unmöglich. Für eine Behauptung "probably not as old as Gunderup 2" (Moltke 1985a:376) sehe ich kein überzeugendes Indiz.
6.5.8 Örja Der Stein von Öija in Skâne zeigt eine heute nur noch unvollständig erhaltene Inschrift, lediglich der Anfang ist noch zu lesen: statR:aftfiriasu... der Rest ist zerstört. Es könnte sich um eine zweizeilige Inschrift (parallel oder boustrophedon) gehandelt haben, um eine Gedenkinschrift des Typs "(Der Stein) steht nach N.N. (+ weitere Angaben)", die sich mit anderer Wortstellung auf dem Stein von Fleml0se 1 findet und vielleicht auch auf dem verlorenen Stein von Avnslev stand (vergleichbar ist wohl auch der Anfang auf Vordingborg, s.o.). Die Runenformen f für und >|c für sprechen für eine Einordnung in die Helnaes-G0rlev/Malt-Periode, weitere Indizien dafür, daß die Inschrift alt sein könnte, sind das Fehlen von Rahmenlinien und die Tatsache, daß Worttrenner offenbar eher spoIn DR Sp. 141 und bei Moltke 1985a:375 ist die letzte Rune in Klammern gesetzt, im Tafelband von DR nicht eingezeichnet; sie ist m.E. am Original eindeutig in der Form (- erkennbar.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
radisch, nicht hinter jedem Wort stehen. Ferner läßt sich als Indiz für eine Einstufung ins 9. Jhd. anführen, daß in statR nach Ixl geschrieben ist, wo im 10. Jhd. die Orthographien den Zusammenfall der r-Allophone belegen. Nimmt man alle Indizien zusammen, so läßt sich vielleicht ein Ansatz in die 1. Hälfte des 9. Jhds. vertreten, da als Worttrenner zwei übereinandergestellte Punkte stehen, wohl kaum früher.
6.5.9 Starup Der Stein von Starup in Südjütland ist der einzige mit einer linksläufigen Inschrift: airiks(:)kubl; Moltke 1985a: 151 bezeichnet ihn wohl deshalb als "possibly the oldest of the transitional stones". Tatsächlich weisen (fast) alle Merkmale auf hohes Alter: f mit oben ansetzenden Beistäben spricht für die Zeit vor 900, der Inschriftentyp N.N.s Stein/Kumbl gilt als alt, da es Belege für ihn bereits innerhalb des Älteren Fu^ark gibt (Stein von B0: wahrscheinlich hnabudas hlaiwa-, Stein von Stenstad: igijon halaR\ der Übergangsstein von Rävsal: haripulfs stainaR). Die Inschrift hat keinerlei Rahmenlinien, allerdings m.E. einen deutlichen Trennpunkt zwischen den beiden Wörtern; auch Randlage und Einzeiligkeit lassen eine Einordnung an den Anfang der Periode, um 800 oder vielleicht sogar früher, als möglich erscheinen. Er wäre dann etwa gleichzeitig mit Sparlösa und Rök, doch von völlig anderem Charakter.
6.5.10 H0je Tâstrup = Kallerup Der Stein von H0je Tâstrup oder Kallerup auf Seeland (heute bei der Kirche von Hedehusene) zeigt eine rechtsläufige, von unten nach oben zu lesende Inschrift ohne Trennpunkte, die in zwei Reihen auf Rahmenlinien unten angebracht ist. Der Text lautet hurnbura stain suifiks "Stein des Hornbure aus dem Geschlecht Svides". Charakteristische Runenformen sind Ν für und ^ für , die Formel läßt sich mit der des Starup-Steines vergleichen. Alle diese Merkmale sprechen für eine Einordnung in die Helnaes-G0riev/Malt-Periode, eine präzisere Datierung ist wohl nicht möglich. Vielleicht kann man ihn aufgrund des äußeren Eindrucks mit dem Stein von N0rre Naerâ in Verbindung bringen, der laut Moltke vom gleichen Runenmeister wie G0rlev 1 stammen soll; dann wäre die zweite Hälfte des 9. Jhds. ein adäquater Ansatz.
Die dänischen Inschriften
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6.5.11 Gunderup 2 Eine einzigartige Runenreihe verwendet der Stein von Gunderup 2; er zeigt zwischen Rahmenlinien die Inschrift:
austain :sati:stain : Jjaiisi: abt: asulb :fa|jur: sin, also die charakteristische Steinsetzungsformel der Inschriften des 10. und v.a. 11. Jhds., die sich in den schwedischen und norwegischen Inschriften mit Kurzzweigrunen nur auf dem Stein von Boberg (vgl. oben 6.2.8) in abgekürzter Form findet (laut Johnsen 1968 um 900 oder früher), die aber in Dänemark bereits auf dem Stein von Heinass um 800 voll entwickelt ist.Die Inschrift von Gunderup 2 ist bei Moltke 1985a:374 als Kurzzweigrunen-Inschrift klassifiziert, was sicher z.T. berechtigt ist, als Urheber vermutet er einen Schweden. An charakteristischen Formen der Kurzzweigrunen finden sich 1 für , Ί ^ für , , aber die tRune zeigt zwei Beistäbe, und für steht R, für ^ mit dem oberen Beistab ganz oben am Hauptstab ansetzend. Die Form der a-Rune legt eine Datierung vor 900 nahe, da hinter jedem Wort konsequent ein bzw. zwei Trennpunkte stehen, dürfte die Inschrift aber kaum älter als 850 sein; sie wäre somit in etwa gleichzeitig mit den Inschriften in Kurzzweigrunen aus Haithabu, die m.E. durchaus von Dänen mit Kenntnissen der konkurrierenden Runenreihe angefertigt sein können. Deshalb halte ich auch die Annahme eines schwedischen Verfassers der Inschrift von Gunderup 2 bei Moltke für zweifelhaft, DR Sp. 182 sprechen von "norsk eller svensk inslag". Als Beleg dafür dienen neben den Runenformen auch die Orthographie in abt statt aft und in asulb. Zu abt ist jedoch festzustellen, daß eine solche Schreibung nur hier auf dem Stein von Gunderup 2 vorkommt, auch für die längere Form aftiR/aftiR bietet auf dänischem Gebiet nur der Stein von Vester Marie auf Bornholm zweimal eine Schreibung mit -b-: abtiR. Die Inschriften Schwedens und Norwegens in Kurzzweigrunen schreiben immer -/- in der kürzeren wie in der längeren Form, erst aus dem 11. Jhd. finden sich auch Schreibungen wie abtir/R in einigen Inschriften aus Uppland, Gästrikland und Medelpad (vgl. Peterson 1989:74ff); diese Evidenz reicht wohl kaum aus, um für Gunderup 2 einen schwedischen Urheber zu postulieren. In asulb könnte man wie in DR Sp. 948 Lenisierung des Spiranten (f> b) annehmen, wenn man den Namen (nicht die Person) mit dem im Gen. auf Simris 2 genannten asulfR identifiziert. Für abt statt aft könnte man eine regressive Assimilation annehmen, wie sie in aschwed. Handschriften häufig belegt ist in Schreibungen wie gipt "Gabe", opta "oft" oder Kompromißschreibungen wie gifpta "verheiraten" (vgl. Wessén 1970:49). Dies ist ein ziemlich natürlicher Lautwandel, der sich nicht nur im Schwedischen findet, sondern auch im Aisl., wo in der Graphie pt mit ft oder der Ligatur fst wechselt (vgl. Baidur Jónsson 1988, der Neutralisation von [ft] und [pt] für die Zeit um 1200 annimmt); sie findet sich vereinzelt in aengl. Handschriften (vgl. Campbell 1971:24) und in ahd. Handschriften (vgl. Braune/Mitzka 1967:127: "ist romanische Schreibung, die das Aitisi, (sic!) durchführt."). In den modernen nor-
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
wegischen Dialekten gibt es Wechselformen mit -ft-/-pt-, und der Dialekt auf Bornholm weist -pt- für ursprüngliches -ft- auf. In den adän. Handschriften sind nur wenige Beispiele zu finden (Br0ndum-Nielsen 21968:123; dort ist auch Vester Marie und Gunderup 2 aufgeführt, letzterer als schwedisch). Als Fazit läßt sich ziehen, daß ab dem 13. Jhd. in den schwed. Handschriften die Tendenz zu Orthographien mit am stärksten ist, aber daraus läßt sich wohl kaum eine Aussage über dialektale Verhältnisse in der 2. Hälfte des 9. Jhds. ableiten; somit Spricht wohl nichts gegen die Zuordnung der Inschrift auf Gunderup 2 an einen Dänen, der einzelne Varianten aus dem System der Kurzzweigrunen verwendete, für , und sich aber für die traditionellen Formen entschied, was interessanterweise auch genau die Formen sind, die in der Reform um 900 auf G0rlev und Malt beibehalten wurden.
6.5.12 Hammel 1 Dieser Stein bietet die unvollständige Inschrift ΠΓΓYSÎ = úlfi st(ain) ; eine Datierung aufgrund der Runenformen ist unmöglich, rein theoretisch könnte es sich sogar um eine Inschrift im Älteren Fuftark handeln. Die einzigen Indizien, die eine frühe Einordnung vielleicht nahelegen könnten, ist der Typ der Inschrift N.N.s Stein/Kumbl etc. (vgl. airiks kubl auf dem Stein von Starup), der als altertümliches Merkmal gilt, das Fehlen von Rahmenlinien und die Tatsache, daß nur ein einzelner Trennpunkt statt zweier übereinandergestellter Punkte oder Kreuze verwendet ist. Aufgrund dieser schmalen Evidenz ist es möglich, den Stein der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode, aber eigentlich auch jeder anderen Zeit zuzuordnen.
6.5.13 0ster L0gum Dieser Stein steht seit 1951 wieder am ursprünglichen Standort am alten Ochsenoder Heerweg, der traditionellen Nord-Süd-Verbindung durch Jütland 40 ; die rechtsläufige Inschrift verläuft zwischen Rahmenlinien von unten nach oben und zeigt zwischen einfachen Trennpunkten/-strichen den Männernamen HairuljR, womit wohl entweder der Namen des Runenmeisters oder des Auftraggebers oder eines Toten angegeben sein sollte. Die Inschrift verwendet \ für , womit das )|c am Anfang der Inschrift eindeutig sein muß. Der Typus eines einfachen Namens spricht für relativ hohes Alter (vergleichbar wäre z.B. der Stein von Berga im Älteren Fuf>ark), aber die Runenformen sind nicht die der ältesten Steine innerhalb der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode (N = ), so daß eine Einordnung ins 9. oder eher 10. Jhd. vertreten werden kann. Von 1864 bis 1951 war er von einem deutschen Prinzen zum Schloß Dreilinden bei Potsdam entführt worden, vgl. die Angabe in DR Sp. 41.
Die dänischen Inschriften
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6.5.14 N0rre Naerâ Der Stein von N0rre Naerâ auf Fiinen zeigt die Inschrift purmutR niaut kubls, die als "Jjormundr, nütze des (Grab-)Hügels" oder als "Nütze deinen Grabhügel! jjormundr (ritzte die Runen)" interpretiert werden kann; sie ist in zwei Zeilen auf dem Stein rechtsläufig von unten nach oben zu lesen, der obere und untere Rand wird durch den Stein begrenzt, zwischen den beiden Zeilen findet sich eine Rahmenlinie. Zwischen niaut und kubls stehen drei Trennpunkte übereinander, an charakteristischen Runenformen finden sich f für und f für , die eine Einordnung an das Ende der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode nahelegen. Die älteren Steininschriften dieser Zeit zeigen noch ft, am Ende der Periode um 900 haben G0rlev 1 und Malt f . Diese Datierung würde noch unterstützt, wenn Moltke 1985a: 158 mit seiner Behauptung recht hätte, die Inschriften auf N0rre Naerâ und G0rlev 1 wären beide "certainly by the same carver"41. Eine Begründung dafür gibt er allerdings nicht. Beide Steine zeigen eine identische Form der m-Rune, und beide zeigen eine fast identische Formel, jedoch mit unterschiedlichen orthographischen Regelungen: dem niaut kubls auf N0rre Naerâ entspricht auf G0rlev niut ual kums, hier um das Adverb "gut" erweitert. Moltke faßt diese Formel als Grabbindungs-Formel auf, deren eigentlicher Sinn es sei zu verhindern, daß der Tote als Wiedergänger die Lebenden belästigt. Als Verb ist in beiden Fällen aisl. njóta "Vorteil haben von, Nutzen ziehen aus, genießen, Genuß haben von" verwendet, der Imperativ ist auf G0rlev 1 mit der "NormaTorthographie geschrieben. Befremdlich wirkt dagegen der Triphthon/Trigraph auf N0rre Naerâ, dem wohl kaum eine andere Aussprache zugrundelag. Als Parallele denkt man sofort an piaurikR auf dem Rökstein, vergleichbare Doppelformen finden sich auf dem kleinen Jelling-Stein mit dem Namen Jiurui für Gorms Frau, der auf dem großen JellingStein als |>aurui geschrieben ist. Dort finden sich auch Schreibungen wie tanm a u r k , die den Schluß nahelegen, daß am Ende des 9. Jhds. und im 10. Jhd. einige Runenmeister die Kombination/den Digraphen für /ρ/ und /o(:)/ schreiben konnten (vgl. oben 1.3.3), Konsequenterweise muß man dann auch Schreibungen mit für /ae/ annehmen, wofür Nielsen 1960 eine ganze Reihe von Belegen bietet. Daraus folgt dann wiederum: (1) Digraphische Schreibungen zeigen an, daß die Monophthongierungen von /ai/ zu /e:/ und /au/ zu /0:/ bereits eingetreten oder zumindest weitgehend durchgeführt sind, da erst dadurch diese Zeichenkombination quasi "frei" wird, uminterpretiert werden kann. G0rlev 1 bietet höchstwahrscheinlich mit stin den frühesten Beleg für die Monophthongierung, vielleicht ist N0rre Naerâ einige Jahre jünger. (2) Bei einer Inschrift des 10. Jhds. ist es möglich, daß Schreibungen mit noch diphthongische Aussprache belegen, oder aber daß hier ein Monophthong /ae/ intendiert ist, oder daß eine etyMit etwas weniger Überzeugung ist die These dann auf p. 159 vertreten: "The same expression is found on the G0rlev stone, which appears to have been carved by the same man".
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mologische, "traditionelle" Schreibung vorliegt, etwa in dem besonders häufigen Wort stain. Dies muß für jede einzelne Inschrift untersucht werden, man wird freilich nicht immer zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen können. Die unterschiedliche Behandlung von njóta auf N0rre Naerâ und G0rlev 1 spricht ebenso wie der Wechsel kubls vs. kums eher für verschiedene Runenmeister, aber es ist natürlich nicht auszuschließen, daß ein und derselbe Mann zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Regeln anwendet. Die Schreibung des Namens fiormundr auf N0rre Naerâ belegt, daß sogar auf demselben Stein Inkonsequenzen auftreten können. So läßt sich Moltkes These weder beweisen noch widerlegen. Es spricht aber wohl nichts dagegen, daß beide Inschriften etwa gleichzeitig sind, vom Ende des 9. Jhds. oder Anfang des 10. Jhds. stammen dürften.
6.5.15 G0rlev Der Stein von G0rlev 1 wird allgemein auf ca. 900 angesetzt, da seine Inschrift sprachlich wie von den Runenformen her Merkmale aufweist, die ihn an das Ende der Helnaes-G0riev/Malt-Periode stellen. Er ist (laut DR Sp. 293 nach den JellingSteinen) zweifellos einer der interessantesten und wichtigsten dänischen Runensteine. Er bietet neben Malt den frühesten Beleg für eine vollständige Runenreihe des Jüngeren FuJ>ark mit den sog. "dänischen Normalrunen", er bietet die frühesten (sicheren) Belege für das Eintreten der (ostnordischen) Monophthongierung, er bietet neben dem Fujsark weitere magische Formeln, und seine Auftraggeberin wie der Tote sind vielleicht mit dem dänischen Königshaus der JellingDynastie in Verbindung zu bringen. Schließlich findet sich auf ihm zum ersten Mal die später häufige Steinsetzungs-Formel in der Form raisa stain. Der Text ist auf zwei Seiten des über drei Meter hohen Steines jeweils in zwei Zeilen oberhalb und unterhalb einer Rahmenlinie angebracht, die rechtsläufig von unten nach oben zu lesen sind; Punkte als Worttrenner stehen nur in der Steinsetzungsformel mit einiger Konsequenz, in den anderen Teilen der Inschrift fehlen sie: Al: A2: Bl: B2:
t>iaut>ui:rist>i:stin|>ansi:aftut>inkaur: fuJ>arkhniastbmlR:niutualkums J>mkiiissstttiiilll(:)iaksatarunarit kuniarmutRkrub
"jDiaufmi/Thjodvi errichtete diesen Stein nach Odinkaur. FuJ>ark.... Nütze des Grabhügels gut. fnstil mistil kistil. Ich setzte/schrieb die Runen richtig. Günne, Armundr ..." Die Steinsetzungsformel zeigt mit raispi > rispi und stain > stin erstmalig die Durchführung der Monophthongierung, die sich dann nach op. com. von Däne-
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mark aus nach Norden verbreitet hat. Sie ist m.E. in Zusammenhang zu sehen mit den Monophthongierungstendenzen im Westgerm., in Ahd. und Asächs. Der sprachliche Sachverhalt wird allerdings durch traditionelle Schreibungen verkompliziert und durch die Eigenart einiger Runenmeister, die Folge für /e, ae/ zu schreiben; umgekehrte Orthographien wie können deshalb als Indiz dafür gewertet werden, daß der Lautwandel bereits eingetreten ist, aber wenn eine Inschrift nur die Schreibung zeigt, so ist nicht entscheidbar, ob damit der Diphthong oder ein Monophthong wiedergegeben werden soll. Das FuJjark in der zweiten Zeile ist so gut wie völlig identisch mit dem des Malt-Steines, es dokumentiert gegenüber den früheren Inschriften folgende Wandlungen innerhalb des Schriftsystemes: die beiden Runen für und , die wie im Älteren FuJ>ark zwei Hauptstäbe aufwiesen, werden durch f und J|c ersetzt; als direkte Konsequenz kann für nur noch \ geschrieben werden. Die aRune hat zunächst noch die traditionelle Form mit den Beistäben oben ansetzend, erst im 10. Jhd. entwickelt sich daraus |t. Man bekommt den Eindruck, als sei es gegen Ende des 9. Jhds. zu einer bewußten Reform gekommen, die das Nebeneinander von Formen der Kurzzweigrunen und der älteren dänischen Runenformen beseitigte. Einige Anregungen durch die Kurzzweigrunen werden aufgenommen, nicht jedoch die Extremformen; das Ergebnis ist eine relativ leserfreundliche Runenreihe, die für einzelne Runen (etwa fc) etwas mehr Schreibaufwand in Kauf nimmt als im System der Kurzzweigrunen. Eine Verwechslungsgefahr besteht eigentlich nur bei -f und Die Vorteile für den Leser sind wahrscheinlich dafür verantwortlich zu machen, daß diese Runenreihe, die dänischen Normalrunen, im folgenden Jahrhundert in den dänischen Inschriften ausschließlich Verwendung fand und nahezu unverändert auch in Schweden allmählich die Kurzzweigrunen verdrängte. Nach unserem Kenntnisstand bieten G0rlev 1 und Malt die frühesten Belege für diese neue Runenreihe, weshalb die These, sie sei aus magischen Gründen auf diesen beiden Steinen angebracht worden, vielleicht in Frage zu stellen ist: "the futhark itself must have been among the most powerful of protective charms" (Moltke 1985a: 168).Für das FuJ>ark in Kurzzweigrunen auf einem der Holzstäbe von Haddeby wird dagegen angenommen, es habe als Lesehilfe fungiert (vgl. oben 6.1.10). Vielleicht dokumentieren die Runenreihen von G0rlev 1 und Malt lediglich die neue orthographische Norm, und vielleicht ist hierauf auch die Aussage "Ich setzte die Runen richtig" zu beziehen. Eindeutig magisch intendiert sind dagegen die Formeln niut ual kums (vgl. oben zu N0rre Naerâ) und die {nstil-mistil-kistil-Formel, die sich, mit Trennpunkten zwischen den einzelnen Runengruppen, auch auf dem Stein von Ledberg in Östergötland findet, und die noch in späteren Quellen (etwa der Bósa saga) belegt ist. Ihre Bedeutung ist nicht ganz klar, aber ihre Funktion war wohl die Abschrekkung möglicher Grabschänder, wie die "Unheilsprophezeiung" auf dem Stein von Björketorp und die at rita sa Mar^j...-Formulierung etwa auf dem Stein von Glavendrup. Für den Satz iak sata runaR rit würde ich magische Intentionen bezweifeln (so etwa DR Sp. 294: "betyder sikkert her at saette tryllerunerne i overens-
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stemmeise med magiens regier"), er könnte auch auf die Runenformen der gesamten Inschrift bezogen werden und vielleicht auch auf die orthographischen Neuerungen wie in stin. Der Rest der Inschrift, das fragmentarische kuni?mutRkru... soll nach Moltke 1985a: 158 von einem anderen Runenmeister angebracht worden sein, nach DR Sp. 294 wurde sie später angebracht als die Hauptinschrift. Dafür spricht, daß die pistil-Formel zwischen Rahmenlinien in der Mitte der Steinseite steht, was nicht zu der Intention einer zweizeiligen Inschrift paßt, und daß die Runen der zweiten Zeile am Ende kleiner werden, sich an der oberen Zeile orientieren. Interessanterweise steht hier als m-Rune die ältere Form M, was bedeutet, daß die zweite Inschrift nicht sehr viel später als die erste angebracht worden sein kann (ein weiteres Indiz dafür ist die Schreibung der R-Rune nach Dental). Über ihre Funktion läßt sich nichts Sicheres sagen, sie enthält vielleicht am Anfang zwei Männernamen, der Rest der Runen ist zerstört. Vielleicht bieten genealogische Zusammenhänge eine Möglichkeit, den Stein von G0rlev 1 etwas genauer als "Ende der Helnaes-G0rlev/Malt-Periode" zu datieren; das Folgende hat allerdings spekulativen Charakter, weil ich von folgenden Voraussetzungen ausgehe (bestreitet man diese, dann fällt die gesamte Konstruktion): Ende des 9. und Anfang bis Mitte des 10. Jhds. waren Runeninschriften auf Steinen in Dänemark noch etwas Besonderes, es gab nur einen relativ begrenzten, aristokratischen Kundenkreis der einen Runenkundigen damit beauftragte, eine Inschrift anzufertigen. In den meisten Fällen kamen diese aus dem Gefolge eines lokalen oder regionalen Herrschers, waren Gefolgsleute oder selbst Adlige, die für ihren gestorbenen Herrn oder ihre Herrin dann auch mal in Eigeninitiative eine Inschrift verfertigten, meist aber von den Erben damit beauftragt gewesen sein dürften. Ich gehe weiter davon aus, daß Oöinkaur oder Oôinkçr kein Allerweltsname war 42 , und ich setze deshalb am, daß Inschriften, die diesen Namen nennen und eine geographische und/oder zeitliche Nähe zeigen, ein und dieselbe Person bezeichnen könnten. Dieser Name Oöinkaur findet sich jedesmal mit identischer Orthographie außer auf G0rlev noch auf den Steinen von Skivum, Haddeby 4 und Skern 2, wobei
Der Name war jedenfalls selten, er scheint speziell dänisch zu sein. Laut DR Sp. 695 ist er nur ein einziges Mal in Schweden und einmal auf einer norwegischen Runeninschrift belegt (und hier handelt es sich vielleicht um einen Dänen). Die Etymologie und der genaue lautliche Ansatz dieses Namens sind umstritten: das erste Element könnte dem obersten Gott 0>inn bezeichnen (so z.B. Krause 1966) oder von derselben Wurzel gebildet sein wie der Göttername (zu der die Sippe dt. Wut, aisl. óñr "wütend, rasend, toll" gehört; so Kousgârd S0rensen 1974, zustimmend Moltke 1985a: 166). Der zweite Bestandteil kann als kçr, -kor, -kár oder -ka-ur angesetzt werden. Nimmt man an, daß *kawura- "verbunden mit, gegeben an" zugrundeliegt, würde m.E. als erstes Element der Göttername zu bevorzugen sein. Vorgeschlagen wurde auch eine Anknüpfung an aisl. kárr "Locke", Krause 1966 etwa gibt den Namen mit "der mit den Odin-geweihten Locken" wieder. Für meine Argumentation spielt die Etymologie eigentlich keine Rolle.
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Skivum und Haddeby 4 ungefähr gleichzeitig sein könnten, Skern 2 ist eindeutig jünger. Die Inschriften machen folgende Aussagen: Haddeby 4: asfripr karpi kubl pausi tutiR upinkaurs aft siktriuk kunuk sun sin auk knubu kurmR raist run(aR). Asfriör, die Tochter Oöinkaurs, ließ also diese Inschrift (wie auch die auf Haddeby 2) für ihren toten Sohn Sigtryggr errichten; sie war verheiratet mit Knuba, der wohl in Haddeby residierte, wie Adam von Bremen berichtet. Nach Widukinds Sachsenchronik überfiel er 934 Friesland, wurde von Heinrich I besiegt und zur Taufe gezwungen. Weder sein noch Sigtryggs Todesjahr läßt sich genau ermitteln (vgl. die ausführliche Diskussion der Quellenangaben bei Jacobsen 1929), aber als ungefähres Datum dürfte 935 für den Tod Knubas und ca. 940 für den Sigtryggs allgemein akzeptabel sein. Dieses Datum wäre dänn auch für den Stein von Haddeby 4 anzunehmen. Sigtryggr könnte dann um 900-910 geboren sein, seine Mutter Asfriör um 880-890. Skivum: pau mup(r)kin purui auk upinkau(r) a(u)k kupmuntr pri[u ra]is(p)[u] kumbl pausi aift ki?? hin hupska han uas l(a)nt mana baistr i tanmarku auk furstr = "Die Mutter £urui (Thorvi, Thyre) und die Söhne Odinkaur und Gu3mundr, setzten das Denkmal nach Ki?? den hu{>ski (?). Er war der erste und beste der "Landmänner" in Dänemark". Abgesehen von der strittigen Bedeutung der Wörter hujiski und landmaör ("probably a great landowner, a man who "ruled over land in Denmark", to quote the Karlevi stanza, and probably at the same time a man with responsibilities on behalf of the crown. We do not know exactly." Moltke 1985a:293) nennt die Inschrift eine Mutter Jjurui/Thorva/Thyra und deren Söhne OSinkaur und Guòmundr, die für einen Mann, dessen Name zerstört ist (vielleicht kisla = Gisli, der Platz würde dafür ausreichen), die Inschrift anfertigen ließen. Eine der Möglichkeiten wäre, daß es sich dabei um den Mann Thorvas handelte, eine andere, daß er ihr Vater war (ihr Mann müßte zu diesem Zeitpunkt dann wohl schon gestorben sein, ihre Söhne waren vielleicht noch minderjährig, jedenfalls in der Erbfolge nach ihr an der Reihe). Es muß sich offensichtlich um eine reiche und mächtige Familie gehandelt haben, für die ein verwandtschaftliches Verhältnis mit den beiden auf G0rlev 1 genannten Personen zu erwägen ist. Skern 2: saskiripr rispi stin finulfs tutiR at upinkaur usbiarnaR sun pah43 tura uk hin turutin fasta sipi sa manr is pusi kubl ub biruti = "Sasgerör, die Tochter Finulvs errichtete diesen Stein nach Oöinkaur, dem Sohne Usbjörns (eventuell: Husbjörns), dem Vornehmen und seinem Herrn/König Treuen. Fluchformel." Skivum und Skern 2, beide aus Nordjütland, nennen vielleicht mit Odinkaur zweimal denselben Mann, über dessen Tod Skern 2 Zeugnis ablegt. Sasgerdr war vermutlich seine Frau, wie auf Skivum belegt die Inschrift diese Familie als reich und mächtig, im Dienste eines noch Mächtigeren, in dem Moltke 1985a:235 den König (Sven Gabelbart) vermutet; eine enge Bindung zum dänischen Königshaus ist jedenfalls nicht auszuschließen. Wenn die beiden Nennungen eine Person meinen, dann wäre der auf Skivum nicht genannte, vielleicht früh gestorbene Gatte Die letzte Rune dieses Wortes ist eindeutig h, nicht η wie bei Moltke 1985a:236 gelesen.
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Thorvas auf Skern 2 als Usbjörn identifiziert. Skern 2 wird von Moltke auf ca. 1000 angesetzt: "A date c. 1000, a bit before or a bit after, is doubtless reasonable." (1985:237), d.h. daß der 03inkaur des Skern-Steines nicht viel früher als ca. 930 geboren sein kann. Alle weiteren Schlußfolgerungen sind weitgehend spekulativ: Ist der Oâinkaur des Skivum-Steines mit dem auf Skern 2 identisch, so könnte er zum Zeitpunkt seines Großvaters (Gisli?) etwa 10 Jahre alt gewesen sein; bei einer Geburt um 930 wäre der Skivum-Stein dann auf ca. 940 zu datieren. Zum gleichen Zeitpunkt entstand die Inschrift auf den Steinen von Haddeby 2 und 4, auf denen sich Asfriär als Tochter Oöinkaurs bezeichnet, die mit einem lokalen Fürsten oder Kleinkönig verheiratet war. Stammte sie von Seeland, als Tochter des Paares Oâinkaur und jñaujmi auf dem Stein von G0rlev 1? Dann sollte sie um 880-90 geboren sein, ihr Vater ca. 850 - mit einer normalen Lebenserwartung wäre der (ältere) Oâinkaur auf G0rlev 1 dann um 900-910 gestorben. Das allgemein akzeptierte Datum für diese Inschrift hätte dann eine Bestätigung gefunden. Eine Tochter der Familie hätte dann nach Südjütland eingeheiratet, ein unbekannter Sohn würde den Familienbesitz auf Seeland geerbt haben; ein weiterer Sohn, vielleicht mit Namen Gisli, heiratete nach Nordjütland und gab seiner Tochter den Namen Thorva/Thyra, die einen ihrer Söhne wiederum nach dem Stammvater des Geschlechtes, ihrem Großvater Oâinkaur benannte. Thorva/Thyra ist ein auffälliger Name, bei dem man automatisch an die Frau Gorms des Alten, die erste namentlich bekannte dänische Königin denkt. Sie ist natürlich nicht identisch mit der auf Skivum genannten Thorva, aber ein genealogischer Zusammenhang wäre denkbar, denn der Stein von Jelling 1, der für die tote Königin errichtet wurde, datiert in den gleichen Zeitraum von ca. 935-40 wie die Steine von Haddeby 4 und Skivum (das genaue Datum für Königin Thorvas/Thyras Tod ist umstritten). Könnte nicht Gisli (falls er so hieß) seiner Tochter den Namen seiner berühmten Schwester gegeben haben? Dann würde auch diese ursprünglich aus Seeland stammen, wäre Tochter des auf G0rlev 1 genannten 09inkaur, dessen Geschlecht dann in engster verwandtschaftlicher Beziehung zum Könighaus der Jelling-Dynastie gestanden hätte. Es kann alles auch ganz anders gewesen sein. Die zeitliche Einordnung aber dürfte unabhängig von den postulierten Verwandtschaftsbeziehungen einigermaßen zutreffen, das Datum ca. 900 für den Stein von G0rlev 1 und damit das Ende der Helnaes-G0rlev/ Malt-Periode kann durch die oben angestellten Überlegungen eine gewisse Bestätigung finden. Ihr schließt sich eine Phase an, in der königliche Inschriften und solche aus dem Umkreis des Königshauses dominieren, bevor am Ende des 10. Jhds. Gedenksteine mit einer Runeninschrift einem breiteren, aber sicher immer noch wohlsituiertem Publikum zu einer Art von Mode werden. Dazu mehr im Abschluß-Kapitel 7.
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6.5.16 Malt Der Malt-Stein wurde im Jahre 1987 auf der Nordseite des Flußes Kongeâ zwischen den Orten Maltbaek, Askov und K0benhoved, südwestlich von Vejen in Mitteljütland beim Pflügen entdeckt. Nach anfänglichen Zweifeln an seiner Echtheit wurde er 1989 zum Danefae erklärt und damit auch die letzten philologischen Bedenken aufgegeben. Die Inschrift ist deutlich zu lesen, die Interpretation des Textes dagegen wegen seines einmaligen Charakters derzeit noch umstritten. Die Runen sind in zwei senkrechten ( A 1 + 2) und sechs waagrechten Zeilen (B 1 - 6) rechtsläufig auf der Oberfläche des Steines angebracht; sie stehen zwischen Rahmenlinien, die wohl vor den Runen eingehauen wurden. Links neben Al befinden sich zwei Rahmenlinien ohne Runen, rechts neben B2 das Bild eines Männerkopfes/einer Maske. Die Linie Β 6 steht auf dem Kopf, ist aber wie der restliche Text wohl rechtsläufig zu lesen. Als Worttrenner werden ein, zwei, drei oder vier flache Punkte verwendet. Ich gebe im Folgenden Lesung und Umschrift: Al:
s n W T I î n m î n r = suaairtitultitul
A2:
r n W M ' H ' l ' S Í & Í N k = fufrarkhniastbmlR
Bl:
^ n ^ l l S l ^ r i S T I h ' l ' ^ n ^ À I S . =huaRisi:alistiasa:huaRis(i)
B2: w m x r m i m w n w w i r m = u i f r j m r : k a r |>i : afraftasinifaufir B3:
r n h N h À r f Ι \ : η ΐ Ϊ Ι Ι * η ΐ Ν ^ η = kul:finR:fal?:taitirunaR:u
B4:
Ν η ΐ ^ η * ΐ α ^ η ΐ Ί * Ι Ϊ < Ι ' : * ί ϊ < ΐ α Τ = k/aiuinn.naR:sulialta:huAR?
B5: B6:
η Τ η ^ Π Π η Ϊ ^ Ι Γ Ι Κ Ι Κ λ ^ Π λ ^ Κ Ι =utu:tuuutbil¡kikR:tuRraki inri=tuii
Diese Lesung darf als weitestgehend gesichert gelten; in A2 ist die drittletzte Rune f eher ein ^ mit gerundetem Beistab, links vom Hauptstab findet sich aus Platzmangel kein Beistab - hier wie in B2 hat sich der Runenmeister ganz deutlich in der Zeilenlänge verkalkuliert. In Β1 sind nur Reste der letzten Rune zu erahnen, ein I wäre möglich, aber auch alles andere. In B2 steht nach der letzten Rune die Thuesen 1988 las, noch ein deutlich zu erkennendes R. In B3 ist die untere Hälfte der 11. Rune zerstört (möglicherweise ein In B4 ist die erste Rune eher ein Jf mit beschädigtem linken Beistab als ein Y. Das letzte Zeichen in B4 hat eine baumähnliche Struktur, es ist der gleiche Typus wie die dreifache t-Rune auf dem Brakteaten von Seeland 2. Die beiden letzten Runen in BS schließlich sind sehr undeutlich, aber wohl doch Y \ oder î | . In B6 ist die zweite Rune im oberen Bereich leicht beschädigt, aber eindeutig fiAufgrund der Runenformen ist der Maltstein in den Zeitraum von ca. 850 bis 950 zu datieren. Ein früherer Ansatz ist aufgrund der m-Rune nicht möglich, ein späterer aufgrund der a-Rune (mit den Beistäben meist ganz oben ansetzend, etwa
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die drittletzte Rune in B3) auszuschließen. Das Fugarle in A2 ist so gut wie identisch mit demjenigen auf dem Stein von G0rlev 1, der nach op. com. und zu Recht auf ca. 900 datiert wird. Die Anordnung der Schrift, die Rahmenlinien und die Verwendung von Worttrennern bestätigen die Einordnung in die Helnaes-G0rlev/Malt-Periode, m.E. an deren Ende um 900. Der Maltstein verwendet Trennpunkte, allerdings sind sie weder in der Form noch in ihrer Anwendung konsequent verteilt: in Zeile Al stehen drei Punkte, in B1 vier und zwei Punkte, in B3 zwischen X und Π eventuell ein einzelner Trennpunkt.Bei einer Datierung des Steines um 900 würde dieses Merkmal gut zum Befund der anderen dänischen Inschriften passen: diejenigen Inschriften, die etwa 100 Jahre älter sind, wie Heinas, Fleml0se 1 + 2, eventuell Laurbjerg, auch die Neufunde von Ribe und Lindholm, zeigen noch keine Worttrenner. H0je Tâstrup hat einen einzelnen und einen doppelten Trennpunkt, auf Gunderup 2 wechseln einfache mit doppelten Worttrennern, auf G0rlev 1 doppelte mit dreifachen; die schwedische Felsritzung von Ingelstad hat einen einfachen und drei dreifache Worttrenner; der Holzstab von Hemdrup trennt nur sporadisch, die Funde von Haddeby in Kurzzweigrunen dagegen recht konsequent. Die "Norm" der späteren dänischen Inschriften: doppelte Worttrenner oder einfaches Kreuz, bildet sich offenbar erst im 10. Jhd. aus, vgl. etwa Haddeby 2 oder Jelling 1. Es scheint, als ob diese "Lesehilfe" nach 800 in Schweden aufgekommen sei und sich dann allmählich ausgebreitet habe. Große Partien des Textes auf dem Maltstein müssen zumindest als dunkel gelten, trotz der bisher vorliegenden Interpretationsvorschläge von Thuesen 1990, Braunmüller 1991 und 1992, Samplonius 1992, Stoklund 1994 und Gr0nvik 1994; klar sind eigentlich nur die Zeilen A2, B2 und z.T. B3, Al hat vermutlich rein magische Funktion. Ich gebe im folgenden einen kommentierenden Überblick über die Vorschläge, jeweils für die einzelnen Zeilen, deren (Lese-)Reihenfolge umstritten ist: Für Stoklund, Thuesen und Braunmüller beginnt der Text mit den waagrechten Zeilen, für Gr0nvik sollen zuerst die beiden senkrechten Zeilen gelesen werden. Bl:
huaRisi:aIistiasa:huaRis(i) (Bruchstelle)
Stoklund: Die Zeile ist problematisch, doch dürfte es sich bei huaR um das Fragepronomen "wer?" handeln, is könnte Relativpartikel aisl. es sein oder 3.Sg.Präs. Ind. zu vesa "sein", gefolgt von der Präposition î (alternativ erwähnt sie auch si als Konj.-Form von vesa oder sjá "sehen"). Den Komplex alisti deutet sie nicht, bei asa könnte es sich um die "Asen" oder den Frauennamen Asa oder um etwas ganz Anderes handeln. Thuesen: hverr es l - elzti ása - hver es *si "Hvem (den aîldste af aserne) er i et kar som gnistrer?" Sie faßt die Zeile als den ersten Teil eines Rätsels auf, auf das in Zeile B4 eine Antwort gegeben würde: sól í eldahver "Solen i ildkarret!" In alisti muß sie dafür einen Svarabhaktivokal annehmen, was nicht ausgeschlossen erscheint, aber bei hverr "Kessel" wäre eine Schreibung mit r, nicht R zu erwarten, was sie mit einem Wortspiel begründet, das die Zuhörer (doch eher Leser?)
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verwirren soll (1990:27). Problematisch ist auch ihr Ansatz eines nicht belegten Verbs *sia "funkeln" zum Substantiv aisl. sia "Glutteilchen, Funke", das dann zudem homophon mit dem belegten Verb aisl. sia "sieben, seihen" wäre. Und was soll eine Gedenkinschrift zwischen den beiden Zeilen eines Rätsels? Braunmüller sieht in dieser Zeile eine Anredeformel an den Betrachter des Steins: Er muß dafür allerdings den Text um einige fehlende Runen ergänzen, und gegen alle anderen Interpreten liest er statt des nasalen a ein n; dann ergibt sich als Text: huaR[ium], is ï ali[t] stin sa, huaR[ium], is, was bedeuten soll "An jeden, der diesen Stein zu Gesicht bekommt/sieht, an jeden!" (Braunmüller 1992:154). Grdnvik interpretiert den Text wie Thuesen als Wechsel von Frage und Antwort, er bleibt aber immerhin innerhalb der Textreihenfolge: Auf die Frage huaR is i "Wer ist darin?" - nämlich im Fufiark der Zeile A2 - kommt die Antwort "der Älteste der Götter", also Odin; die Frage wäre dann wiederholt, und die zweite Antwort wäre der erste Name der Zeile B2 Véfr0dr, den Gr0nvik als einen Beinamen Thors auffassen möchte. Wegen der syntaktischen Probleme, die der nachfolgende Text dann aber bieten würde, erscheint mir jedenfalls der zweite Teil dieses Vorschlages als unmöglich. Gleiches würde ich auch gegen Samplonius einwenden, der in uifrfmR der folgenden Zeile ein Appellativ vé-fripupr "Schützer der Heimstätten" sehen möchte; die Zeile Β1 und der Anfang von B2 könnten dann zwei syntaktisch parallele Fragen ergeben: "Wer ist der älteste der Asen? Wer ist der Schützer der Heimstätten?" (1992:8 lf), dafür muß allerdings die i-Rune nach is wegdiskutiert werden (als Kopistenfehler statt eines folgenden Trennzeichens, das doch aber unmittelbar folgt?? Auf p. 71 formuliert Samplonius selbst die Bedenken gegen eine solche Annahme). Keine der Interpretationen vermag wirklich zu überzeugen, der nüchternen Einstufung Stoklunds ist daher zuzustimmen. B2:
uifr]>ur:kar{>i:afraftasinifaut>r
Stoklund spricht sich dafür aus, im ersten Namen eine Vertauschung der fünften und sechsten Rune anzunehmen, so daß man einen Namen Véfr03r erhielte, den auch Gr0nvik liest; für afr erwähnt sie einen Beleg in Egils saga für minderwertiges Bier, der ihr hier auf dem Stein aber keinen Sinn zu machen scheint; karpi und aft sind klar, für faufir läßt sie offen, ob es sich um eine Verschreibung für faöur oder fauöur = fçdur handelt, asini möchte sie zu asniR/œsniR "Geliebte(r)" stellen, das auf der Fibel von Eikeland in der Interpretation Gr0nviks belegt sein könnte; das würde dann aber voraussetzen, daß J( sowohl für nasales wie auch für orales /a/ stehen könnte, und daß das erste -i- in asini Svarabhakti wäre. Thuesen übersieht die auf der Schmalseite des Steines angebrachte letzte Rune fc und kommt so zu dem hypothetischen Véfrcedr gerdi - »afr?« ept á sinn - i *fáud "Vifr0d gjorde - »afr« efter sin oldefar - malningen i (stenen)/heri". Für afr
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erwägt sie einen Anschluß an got. afara "Nachkomme" oder eine Umstellung für arfi "Erbe", ohne sich festzulegen; ihre Interpretation von fauj> ist jedenfalls falsch. Braunmüller hält den Text der Zeilen B2 und B3 für "eine Art Steinsetzungsformel [...], die den Errichter (Vifri(8r)-f>ór) sowie den zu Verewigenden (dessen Vater) nennt" (1991:121). Als normalisierten Text schlägt er Vifridr-pór gerdi eptir aftçku sinni fçdur kumbl "Vifrid-Thor machte diesen Gedenkstein für [seinen] Vater nach dessen Hinrichtung/gewaltsamem Tod" vor. Dafür muß er aber in a f r eine verstümmelte Form der Präposition af(ti)r annehmen, was dann wiederum zu einer Datierung der Inschrift ins frühe 11. Jhd. führt; letzteres halte ich für ausgeschlossen, zumal die Präposition in dänischen Inschriften so gut wie immer und zu allen Zeiten mit -R erscheint. Weitere Verkürzungen/Verschreibungen, die diese Interpretation voraussetzt, wäre kul am Beginn der Zeile B3 für ku(mb)l und fau|> am Ende der Zeile B2 für faup(ur)\ afta soll für aftç(ku) stehen, anstatt eines zu erwartenden *. Und zu guter Letzt hätte der Text auch noch ein syntaktisch falsches sinni, ganz abgesehen davon, daß die angenommene Syntax sowieso ohne Parallelen ist (nach karpi, risti etc. steht in allen vollständigen Runeninschriften unmittelbar das direkte Objekt, nach aft/aftiR folgt stets die Nennung des Toten). Lexikalisch ist noch anzumerken, daß aftiR in allen dänischen Runeninschriften "zur Erinnerung an" bedeutet, niemals "nach (temporal)". Das sind zuviele Einwände, die gegen die Interpretation Braunmüllers sprechen. Für erwägenswert halte ich allenfalls seine Lesung des Namens in dieser Zeile. Gr0nvik sieht als Subjekt der Aussage in Zeile B2 den ersten Namen in B2 und kommt so zu dem Satz gerdi afr at *sBsni-fçdr Kolfinnr "Für seinen geliebten Vater machte/veranstaltete Kolfinnr das Erbbier", mit dem Subjekt an letzter Satzposition um es besonders hervorzuheben. In diesem Punkt hätte ich Bedenken, ansonsten ist die Interpretation überzeugend, auch wenn afr an der einzigen Belegstelle in Egils saga offensichtlich ein Bier minderer Qualität bezeichnet. Darauf weist auch Samplonius 1992:76 hin: "Es ist eine Sache, notgedrungen Bier schlechterer Qualität anbieten zu müssen, eine andere aber, einen solchen Vorfall der Nachwelt auf ewig und in aller Öffentlichkeit in Stein kundzugeben. Meiner Ansicht nach läßt der Vorschlag sich nur erwägen, wenn man annimmt, afr habe in Dänemark einen günstigeren Klang gehabt, als aus dem altnordischen Beleg hervorgeht." Interessant ist sein Vorschlag, den Komplex afr als eine vom nachfolgenden aft induzierte, proleptische Dittographie zu erklären, also als Verschreibung für intendiertes aur zu aur "Watstelle", was die Aussage ergäbe "X legte zum Gedenken an Y eine Watstelle an". Strukturell wie inhaltlich würde diese den häufig belegten Formeln X kar£>i bru aft Y entsprechen und gut zu der Beschreibung der Fundstelle des Maltsteines passen. In einem Appendix (1992:86ff) erwägt Samplonius dennoch einen Anschluß an das in Glossen belegte ahd. auara "Gedenkstein, Denkmal, Erinnerungsmal", was aber "weit hinter der Deutung "Watstelle" zurückstehen muß." (1992:88). Den oben schon angesprochenen Vorschlag, uifrJmR zum Text von Β1 zu ziehen, würde ich wegen
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des daraus folgenden "(Es) machte für seinen geliebten Vater die Watstelle Kollfinnr" mit nachgestelltem Subjekt ablehnen. Die Zeile B2 ist aufgrund weitgehend fehlender Worttrennung schwierig zu segmentieren und interpretieren; als gesichert kann der Name uifrpuR und das Verb karpi gelten, die durch Punkte vom restlichen Text getrennt sind. Sicher für "Vater" stehen die letzten fünf Runen fau)>r, der Rest dazwischen ist unklar. Der Text dieser Zeile war offensichtlich zu lang, so daß der Runenschreiber gezwungen war, die Inschrift hier auf die Schmalseite des Steines auszudehnen, vermutlich in der auch sonst in der Inschrift feststellbaren Absicht, pro Satz oder Aussage eine Zeile zu verwenden. So sind die Zeilen Al, A2, Bl, B2, B5 und wohl auch B6 4 4 zwar nicht unbedingt verständlich, aber doch deutliche (Sinn)Einheiten. Für B2 erscheint mir der Text "Véfriâr veranstaltete afr (das Erbbier, eventuell auch aur die Watstelle/Furt) für seinen geliebten Vater" am wahrscheinlichsten. B3 + 4:
kul:finR:fal?:taitirunaR:uk/aiuinrunaR:
Stoklund: Kolfinnr fais taitirunaR (a)u(k) aivinrunaR "Kolfinnr verbarg Freude-Runen und Ewigkeits-Runen" bei einer Lesung der einzigen unsicheren Rune der Zeile B3 als , wobei die Verbform dann ein Mediopassiv sein müßte. Die beiden Komposita mit -ruttar sind möglich, für cevinrúnar gibt es einen eddischen Beleg in Rigsjiula. Thuesen nimmt wie Stoklund für diese beiden Zeilen einen zusammenhängenden Text an: "Kolfinn skjulte i (stenen) morskabsruner og evighedsruner" (olddansk: Kolfinnr fai i taeitirunaR ok aevinrunaR.". Sie würde also segmentieren: kul:finR: fai: i: taitirunaR: uk: iuinrunaR, was ich aus drei Gründen für unwahrscheinlich halte: 1) Das Prinzip, pro Sinneinheit eine Zeile zu schreiben, wäre damit durchbrochen. Dieses Argument kann man natürlich ablehnen, ich würde nicht darauf bestehen; wichtiger sind 2) Bei Thuesens Lesung hätten wir auf dem Stein für adän. œi "ewig" eine monophthongierte Form in iuinrunaR, den Diphthong dagegen in der Zeile Al im gleichen Wort bewahrt (ai in suaai), vgl. Thuesen: "Den f0rste lodrette linje, der muligvis rummer glosen "evigt" (olddansk aei), skal nok sammen med alfabetlinjen (fuflarken) sikre stenens fremtid.". Es wäre zudem der früheste Beleg für eine Schreibung uk statt auk45, der nicht zu den anderen, gleichzeitigen Inschriften passen würde. Und 3) ist die erste Rune in Zeile B4 sicher kein Y, der Beistab ist hier viel kürzer als in den anderen k-Runen Wenn hier nicht die vorletzte Rune in B5 als Variante von t anzusehen ist; in diesem Fall könnte man daran denken, den Rest der Zeile und B6 zusammen als tituli boustrophedon zu lesen und zu dem zweimaligen titul in Zeile Λ2 zu stellen. Die ansonsten einheitlichen tRunen sprechen aber gegen diese Annahme. Jelling 2 schreibt auk, ebenso Haddeby 2, Haddeby 4, Baekke 1, Glavendrup, Tryggevaelde, Gylling, Rims0, Skivum, Gunderup 1, Jetsmark, Tirsted, Saedinge, Bregninge, Stora Köpinge; vor 1000 ist mir kein Beleg für uk bekannt. Von den schwedischen und norwegischen Steinen des 9. Jhds. zeigt Sparlösa vielleicht, Kälvesten sicher auk, ebenso Rök.
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der Inschrift, sondern eher ein h da die Rune auf der linken Seite zerstört ist, darf man die normale a-Rune des Maltsteins \ ansetzen.Das erste Wort in Zeile B4 wäre dann als aiuinrunaR zu lesen, lautlich wie orthographisch völlig konrekt. Braunmüller hatte kul bereits als kumbl zur vorangehenden Zeile gestellt; für Β 3 ergänzt er nun einfach weiter und gelangt dadurch zu folgendem PhantasieText: [huaR, is (kumbl)] finR, fals[aR], taili runaR, uk[r]i (?) uinrunaR, dem im Aisl. entsprechen würde: [Hverr, er (kumbl)] finnr, falsar, tœli rúnar, yngri (?) vinrunar, i.e. "[Jeder, der (diesen Gedenkstein)] findet [und ihn] beschädigt, [den] sollen die Runen überlisten / betrügen, neuere (?) Freundschaftsrunen" (1992:157). Ich halte dies paläographisch, syntaktisch und semantisch für ausgeschlossen: der linke Beistab des t nach tai ist eindeutig vorhanden, zudem ergibt die Deutung als 1 keineswegs "einen klaren und einleuchtenden Sinn". Wenn das Subjekt "in den Endungen der Verben (hier finR und fals[AR]) enthalten" ist, wieso konnte dann bei fals[aR] "die Endung für entbehrlich gehalten werden"? Die "jüngeren Freundschaftsrunen" ergeben selbst für Braunmüller "nur mit Mühe einen Sinn", für mich nicht. GrOnvik: Der Name am Beginn der Zeile war bei ihm bereits Subjekt des vorangehenden Satzes, der Rest des Textes sei dann: fai i teitirúnar ok cevinrúnar "plasserte deri (i grav0let) gledesruner og evighetsruner (evig gyldige runer)". Er liest also wie Thuesen die unsichere Rune als , was gut möglich ist, strittig wäre dann lediglich die Frage, ob Kolfinnr als Subjekt zum ersten Satz in B2 (so Gr0nvik) oder zum zweiten Satz in B3/Anfang B4 fungiert. Ich halte für B3 (und vielleicht den Anfang von B4) den Text "Kolfinnr verbarg darin (im Bier? beim Gelage? im Grab?) Freude-Runen (und) (EwigkeitsRunen)" als vertretbar. Die isolierte u-Rune am Ende von Zeile B3 fasse ich als Nachtrag zum Ende von Zeile B2 auf, aus Platzgründen hierher gestellt, oder weil der Schreiber ihre Auslassung erst nachträglich bemerkte46. Das letzte Wort in Zeile B2 wäre dann also aus fau]>ur zu lesen. Dieselbe Graphie mit dem Digraphen f n findet sich auf dem Stein von Glemminge. Sie steht für späteres handschriftliches (aisl.)fçdur, bezeichnet also das u-Umlaut-Produkt von /a/ mit den Runen au. Ich verweise für die Problematik dieser Schreibungen auf Nielsen 1960. Unbestreitbar scheint danach zu sein, daß einigen Runenmeistern schon früh, vor dem Auftreten der punktierten Runen jedenfalls, ihr Schriftsystem als unzulänglich erschien, und daß sie, vor allem in Dänemark, weniger in Schweden und erst sehr viel später in Norwegen, für Phoneme, denen kein eigenes Runenzeichen zukam, Digraphen bzw. Runenkombinationen schrieben, also z.B. für /ae/ oder JD für /ç/. Sichere Belege für diesen Gebrauch in dänischen Inschriften sind tanmaurk auf Jelling 2, kaurua auf Jelling 2, S0nder Vissing 1 und Herrestad, kiaurjm auf Valleberga, kauruan auf Saedinge, kuaul gleichfalls auf Sasdinge, sautu auf Skárby 1 und Hunnestad 1, saulua auf Glavendrup und Es gibt Parallelfälle mit solchen nachträglich angebrachten Runen (oder auch ganzen Wörtern, etwa bei Krauses Lesung auf dem Stein von Ellestad oder deutlich auf S0nder Vissing.
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wohl auch hiau auf Laeborg; eventuell dazu gehören ferner usbiuarn auf Skern 1, auka = hauka auf 0ster Marie 4 (?) und die Belege für den Namen ufünkaur auf Skern 2, Skivum, G0rlev 1 und Haddeby 4. Für Schweden seien hier nur Sdm 382 mit faujmr und Upl 130 Nora mit haukua genannt. Es sind, auch für , zu viele Fälle, um sie als Zufälligkeiten abzutun47. Der Runenmeister von Malt hat sich nun offensichtlich im Wort faujmr dieser Schreibkonvention bedient (eventuell auch in aiuinrunaR für œvinrûnar). Ende von B4: sulialta:huAR? und danach die Figur einer dreifachen, übereinandergestellten t-Rune: Stoklund gibt keine Interpretationsvorschläge für diesen Komplex. Thuesen findet hier die Antwort auf die in Zeile B1 gestellte Rätselfrage ("Wer ist in dem funkelnden Gefäß?"): sól íeldahver "Solen i ildkarret". Das würde eine Vorstellung voraussetzen, daß die Sonne in einem Feuerwagen mit dem (unbelegten) Namen *eldahver transportiert wurde: "Problemet overlades til religionshistorikere, men her skal det dog naevnes, et den graeske solgud, Helios, om natten faerdes i et stört gyldent baeger." (1990:30). Innerhalb der nordischen Tradition haben wir jedoch keinerlei Beleg für eine solche Vorstellung, Thuesens Vorschlag hat deshalb auch keine Zustimmung gefunden. Das Baumzeichen am Ende der Zeile faßt sie schließlich als dreimal ausgerufenen Namen des Gottes Tyr auf: Tyr! Tyr! Tyr! Braunmüller greift hier abermals zu Emendationen, stellt Runen um und ergänzt fehlende: sul ailta[R] huaR[n] ergäbe dann normalisiert sòl eltar hvern "Die Sonne verfolgt jeden!" Der Hinweis, daß wir damit einen korrekten Satz mit Subjekt-Verb-Objekt erhielten, reicht als Begründung der Emendationen nicht aus, ebensowenig überzeugt der pauschale Satz: "Einer linguistischen Analyse ist der Vorrang vor allen literaturwissenschaftlichen (bzw. mythologischen, religionsgeschichtlichen ...) Überlegungen einzuräumen." (1991:118). Die Baumrune erkennt er als dreifache Begriffsrune "TiwaR" oder "Tyr" an, muß dann aber doch zugeben: "überraschend bleibt die Feststellung, daß sich diese dreifache t-Rune mit welcher magischen Funktion auch immer bis auf ca. das Jahr 1000 n.Chr. erhalten hat." (1992:159), was mit seinem späten Ansatz der Inschrift zusammenhängt. Grdnvik normalisiert als syli aida hverr "Enhver mann bli stiv av frost, dekkes med et islag", was als Umschreibung für "vor Schreck zu Eis erstarren" sein soll, eine Wirkung, die der Gott Thor hervorruft. Bei dem folgenden Zeichen handelt es sich nicht um eine Rune, sondern um ein Symbol für die Göttlichkeit, um ein göllliches Zeichen.
Ich glaube darüber hinaus, daß diese runenorthographische Konvention in der späteren handschriftlichen Tradition Islands das Aufkommen der Ligatur 2¡¡ a> als häufigste Bezeichnung des u-Umlaut-Produktes maßgeblich (mit-)beeinflußt hat, deren Entstehung bisher keine Erklärung gefunden hat.
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Samplonius sieht die folgenden Passagen ebenfalls als Bestand einer Fluchformel, mit zunächst der Aussage "Jeder der Menschen möge vor Kälte erstarren", hier vielleicht im allgemeinen Sinne 'Erstarre/ Werde steif." (1992:77); zur Baumrune äußert er sich nur am Rande. Ansonsten stimmt sein Vorschlag ziemlich mit dem von Gr0nvik überein. Ich halte keine der bisher vorgeschlagenen Deutungen des zweiten Teils der Zeile B4 für voll überzeugend, Gleiches gilt noch stärker für die Zeilen B5 + 6. BS + B6:
utu:tuuutbiliki/akR:tuRrak/ti tuli
Stoklund Äußert zu dieser Zeile nur, daß tuR kaum den Götternamen Tyr meinen könne, da dieser im Adän. vermutlich *Ti gelautet habe. Das vorausgehende bilikikR könnte unter Annahme einer Verschreibung den Männernamen Billingr meinen, den der Stein von Elleköpinge belegt, und der auch als Zwergennamen bekannt ist (im Zwergenkatalog von Vçluspà, allerdings nur in der Version der Hauksbók), und als Name des Vaters der Riesin, von der Odin laut Hávamál den Skaldenmet erschleicht. "Igen er sammenhaengen dog ganske uklar, sä denne tolkning mâ anses for tvivlsom." (1994: ). In der Folge uuut einen Ausruf zu sehen, lehnt sie ab mit der Begründung, daß dies der normalen Runenorthographie widersprechen würde und mit den Worttrennern nicht vereinbar sei. Die Möglichkeit, die letzten sechs Runen boustrophedon als tituli zu lesen, erwähnt sie ebenso wie als Alternative einen Männemamen Tuli. Thuesen faßt dagegen die Stelle als Ausruf auf: ιít, út, út, Billingr, mit dem ein (bösartiger) Zwerg aus dem Stein herausgetrieben werden solle, gefolgt von Tyr reki dui í "Tyr drive for d0lgelse heri/i (stenen)". Objekt wäre aisl. dui f. "Verbergung, Verheimlichung", aber auch "Einbildung, Wahn". Das Ganze wäre Teil einer Zauberformel wie auf dem Schädelknochen von Ribe: "Medmindre mere rimelige tolkninger kan fremf0res, mâ sidste saetning ses som en fortsaettelse af maningen. Dvaergen manes ud af stenen, og til gengseld - pâ en mâde der, som ovennaevnte eksempler viser, er almindelig i senere magisk tradition - drives ford0lgelsen ind ved Tyrs mellemkonst." (1990:36). Der Name hutiur auf Ribe ist allerdings - falls er überhaupt mit Tyr in Verbindung gebracht werden kann - unser einziger Beleg für irgendeine magische Funktion dieses Gottes. Die Form rceki statt zu erwartendem *wrœki ist für Thuesen ein Indiz dafür, daß die Inschrift von einem Norweger stamme, da hier und im Aisl. w-/v- früher schwindet als im Ostnordischen (darauf gehe ich unten bei Gr0nviks Interpretation ein). Braunmüller 1991:121: "Am Ende von Teil A steht - vermutlich - eine Klage über einen schweren Verlust, verbunden mit einer dreifachen Anrufung von Tyr". Er "präzisiert" diese Aussage 1992 und liest jetzt: [i] utu[m] (?) - tuuut bilfaR] [m]ik akR, tuRrak[i], ilut[a] "Infolge von Zwieträchtigkeiten (?) (magische Anrufung des Kriegsgottes Tyr unter Verwendung des Zeichens für 'Auerochse') - mir fehlt ein Acker; schwerer Verlust, (?)" (1992:159f), wobei utu und -ut in ilut zu aisl. í odda "in Zwietracht" gestellt sind, und kommentiert wie folgt: "Offenkundig ist dem Sohn ein schwerer Schaden oder Verlust durch den
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Tod des Vaters entstanden; ihm fehlt nämlich nun ein Acker, Es gab, so kann man folgern, Auseinandersetzungen, wobei der / dieser Sohn entweder den kürzeren zog, völlig leer ausging oder gar eines Besitzes (z.B. des genannten Ackers) verlustig ging. Eine solche Lesung, zusammen mit der zweimaligen magischen Anrufung des Kriegsgottes, er-gibt aufs Ganze gesehen durchaus einen Sinn. Vielleicht ist der Vater in einem Krieg oder bei einem Zweikampf umgekommen, was die Anrufung oder auch eine Klage gegenüber dem Kriegsgott rechtfertigen würde." Das einzige, was mich an dieser Rekonstruktion einer Klageformel überzeugt, ist ihre Einstufung als "vage Spekulationen" (1991:160). Gnänvik liest wie Thuesen dreimaliges út!, was er als Ausruf des Gottes Thor verstehen will: alle sollen sich aus dem umfriedeten Gebiet der Grabstätte entfernen. Bei der extravaganten Schreibung dieses Textes könnte es sich um eine Form der graphischen Hervorhebung (??) oder um eine einfache Form von Geheimschrift handeln. Drauf folgt der Satz bili gengr tor-rœki *duli "0yeblikkelig gär den som er vanskelig â jage bort, ut som en tomsing", wobei bili ein lokativisch gebrauchter Dativ zu aisl. bil n. "Zeit, Zeitpunkt" sein soll, tor-rœki ein substantiviertes Verbaladjektiv "ein schwer zu Verjagender", gebildet aus tor- "schwierig, schwer" und dem Verb reka; aisl. ist dieses Lexem torrceki allerdings in der Bedeutung "Verlust, Schaden" belegt. Der Ausdruck * ganga duli soll wegen ahd. toi, nengl. dull "einfältig, tollpatschig" bedeuten, also "herumgehen wie ein Idiot". "Den som ikke respekterer det fredede omràdet og som guden selv mâ gripe inn mot, straffes altsâ med mental sl0vhet." (1994: ). Mit dem Argument des v-Schwundes begründet er wie schon Thuesen seine Annahme, ein Norweger sei für die Inschrift verantwortlich. Stabreime bei Bragi Boddason könnten beweisen, daß dieser Wandel vor 900 durchgeführt wurde. Auf das Gegenbeispiel, das Noreen 1970:211 nennt, geht er nicht ein: Für Noreen ist anlautendes v- im 10. Jhd. noch erhalten, wie eine Strophe Eilífs Gu8rúnarsonar beweist: (v)reipr stop (v)rçsko bróper, vá gagn faper Magna. Mit diesem Argument ist also die westnordische Herkunft des Runenmeisters von Malt nicht überzeugend zu belegen. Samplonius faßt bili kakR als bili gengr, d.i. optativisches "Versage das Gehen", utu und tuuut bezeichnet er als "wahrscheinlich magische Palindrome" (1992:77); tuRraki stellt er zu dem gerade erwähnten aisl. torrceki "Schaden, Verlust" und erinnert an u|>arabasba auf Björketorp, tuli schließlich könnte eine Konjunktivform zu aisl. dylja "verbergen, verheimlichen" darstellen. Als Gesamttext für die Fluchformel kommt er damit zu: "Möge erstarren vor Kälte/ Werde steif ein jeder der Menschen - (Palindrom) (Palindrom) - versage [ihm] das Gehen. Möge [er] Schaden/ Verlust leiden (oder: Schaden ! [sei ihm]) -, (alternativ: der schade / verlustig mache) der zerstöre/verberge [die Runen/den Stein]" - was doch eine ganze Menge an Alternativen bereitstellt. Aber als irgendetwas Derartiges könnte der Text der Zeilen B4-6 schon intendiert gewesen sein, ich würde diesen Vorschlag als den bisher besten vorsichtig akzeptieren.
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Die Inschriften sus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Al + 2:
suaai:titultitul fuJmrkhniastbmlR
Stoklund hält es für möglich, den Anfang als svá œi "so immer" anzunehmen, es könne sich aber auch um ein Wort ài "Großvater" handeln; da auch das folgende titultitul "naeppe meningsgivende" sei, wäre auch ein Sinn in der ersten Folge in Frage zu stellen. Bei einem Zeitansatz der Inschrift in die Wikingzeit hält sie die vorgeschlagenen Deutungen für titul als "Titel, Überschrift", als "titulus", "Titan" oder "kleine Sonne" für völlig ausgeschlossen. Der Männerkopf/die Maske rechts neben der FuJ>ark-Reihe sei wohl kaum eine Christus-Darstellung wie auf Jelling, gegenüber den apotropäischen Masken auf anderen dänischen und schwedischen Runensteinen fehlt andererseits der charakteristische Bart; das Bild sei im übrigen so primitiv, daß man es am ehesten mit den Abbildungen auf Sparlösa und Oseberg gleichstellen könne. Dies würde den Zeitansatz ins 9. Jhd. oder an dessen Ende unterstützen. Thuesen löst die erste Zeile auf als svá: œi té dui, té dui "Sâledes: giv evigt ford0lgelse! Giv evigt ford0lgelse!", als eine Aufforderung an den Stein, die Botschaft der Runen ewig zu verbergen, also als weitere magisch intendierte Partie. Strukturell sei sie den Fluchformeln auf Stentoften, Björketorp, Glavendrup und Tryggevaelde vergleichbar. Der Imperativ té ist nach ihr zum Verb aisl. tjá "zeigen, vorweisen, beweisen, erweisen" zu stellen, was immerhin möglich ist. "Det indledende swa, som peger fremad, kan sammen med de overfl0dige ristningslinjer antyde, at det ristede kun er en del af en längere formular, som runemesteren oprindelig havde planlagt at gengive fuldstaendig eller i et st0rre uddrag." (Thuesen 1990:37). Das FuJ>ark in Zeile A2 hat nach ihr dieselbe Funktion wie die Formel "Thor weihe diese Runen" in anderen Inschriften, es soll die Sicherheit des Monumentes garantieren. Sprachlich und graphisch ist die Interpretation der Zeile Al durch Thuesen möglich, inhaltlich überzeugt sie mich nicht voll. Braunmüller nimmt in A l abermals eine Fehlschreibung an, wenn er als Text svadi titul titul "Schlüpfrige Stelle! Kleine Sonne! Kleine Sonne!" ansetzt. Da er sicher zu Unrecht - den Stein in die 1. Hälfte des 11. Jhds. setzt, bereitet für ihn das lat. Lehnwort titul weniger Probleme als den anderen Interpreten; es sei plausibel, "daß es um diese Zeit Runenkundige gegeben haben wird, die mehrsprachig waren oder die doch zumindest intensiven Kontakt mit den neuen, von Süden her kommenden Kulturstömungen hatten. Es wäre schon seltsam, wenn die wenigen Lese- und/oder Schreibkundigen zu dieser Zeit noch nie mit der lateinischen Kultur in Berührung gekommen sein sollten." (Braunmüller 1991:119). Dies ist auch für die vorausgehenden Jahrhunderte nicht völlig auszuschließen; aber einen Anschluß von titul auf dem Maltstein an die Etymologie im sog. Zweiten Grammatischen Traktat der Snorra-Edda, wo ein Zusammenhang zwischen "Titul" und "Titan" hergestellt wird und die Verkleinerungsform als "kleine Sonne" gedeutet ist, halte ich wie Stoklund für unmöglich (zumal diese Partie nur in einer einzigen Handschrift, dem Codex Wormianus, überliefert ist). Braunmüller möchte diese Partie in A l in inhaltlichem Zusammenhang mit der vielleicht in B4 genannten
Die dänischen Inschriften
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Sonne (sul) sehen, eine Stelle, die in ihrer Interpretation m.E. unklar ist; die "semantische Korrespondenzbeziehung zwischen sul und titul" (Braunmüller 1991: 120) kann deshalb nicht überzeugen, ebensowenig wie das emendierte svaöi als Hinweis auf die Gefährlichkeit des Platzes. Grdnvik: Im Einklang mit seiner Gesamtinterpretation soll die Maske neben dem FuJjark den Gott Thor darstellen. Die Zeile Al segmentiert er als svá á í titul titul "so hat die Inschrift eine Inschrift in sich", wobei es sich bei der Inschrift in der Inschrift um das Fujjark der Zeile A2 handeln dürfte. Dieser Vorschlag ist zunächst bestechend, er bietet zugleich die einzige bisher vorgeschlagene sinnvolle Möglichkeit, die Funktion der Fu{>ark-Reihe in A2 zu bestimmen. Die entscheidende Frage ist allerdings, ob man den Ansatz *titull als "Inschrift" für das 9. Jhd. akzeptieren kann. Gr0nvik weist selbst darauf hin, daß dieses Wort im Zeitraum von 800-1400 ausschließlich für die Benennung der Kreuzes-Inschrift Christi verwendet wird (und im Westgerm. stets unübersetzt bleibt). Man müßte also annehmen, daß der Runenmeister von Malt in irgendeiner Form mit christlichen Vorstellungen konfrontiert gewesen wäre, Gr0nvik erwähnt die Möglichkeit einer Missionskirche in Ribe ab ca. 850. In Anbetracht seiner Gesamtinterpretation der Inschrift als heidnische Grabinschrift will aber der Gebrauch eines typisch christlichen Terminus nicht ganz einleuchten. Das FuJ>ark in Zeile A2 soll eine beschützende Funktion haben, weil in ihm der Name des Gottes (Thor) verborgen war (Wer ist darin?" Zeile Bl): "Ved á skrive futharken (i en hedensk religi0s kontekst) pâkalte man guden uten â blottstille hans navn. Den fungerte som sakral l0nnskrift. Mannsansiktet like til h0yre for futharken skal vel derfor forestille guden Tor." (Gr0nvik 1994: ). Es stellen sich auch gewisse Bedenken gegen eine Bezeichnung Thors als "der älteste der Asen" ein; dennoch ist die Interpretation der Zeilen Al + 2 durch Gr0nvik die am ehesten überzeugende. Samplonius äußert sich zum Α-Teil nicht. So bietet der Maltstein eine ganze Reihe von Rätseln, sicher erscheint lediglich, daß B2 eine Gedenkinschrift darstellt, und daß in den Zeilen B3 und B4 von ewigen, machtvollen Runen die Rede ist - wie auf den Steinen von Stentoften, Noleby oder Sparlösa. Ob die Inschrift wirklich, wie vorgeschlagen, als Zeugnis eines Thors- oder Tyrskultes zu bewerten ist, muß deshalb als fragwürdig eingestuft werden, ebenso ob er Einflüsse der christlichen Terminologie bezeugt oder Kenntnisse der lateinischen Bildungstradition belegt. Der Gesamteindruck ergibt dennoch eine Inschrift aus dem 9. Jhd. mit gewissen Parallelen zu Sparlösa, Rök oder G0rlev 1, ein Befund, der durch die Runenformen und andere Details voll bestätigt wird. Mit Ausnahme vin Braunmüller setzen auch alle Interpreten den Maltstein in diesen Zeitraum, der m.E. auf das Ende des 9. Jhds. zu präzisieren wäre. Welche Funktion man dem Fumarie in Zeile A2 auch immer zusprechen möchte (es spricht einiges für magische Intentionen), belegt es jedenfalls eine völlig identische Runenreihe mit der auf G0rlev 1, die für das nächste Jahrhundert die Grundlage für alle dänischen Steininschriften bildete. Es fällt schwer, hierbei nicht
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
an eine bewußte Reform zu denken, die einer wachsenden Schriftlichkeit Bedürfnis trug, aber auch die Ansprüche der Leser berücksichtigte, immer mehr ein Publikum suchte.Während der Runenmeister auf G0rlev 1 aber stolz verkündet iak sata runa rit, spricht die Inschrift von Malt von ewigen Glanzrunen; er nimmt damit eine Übergangsstellung zwischen den individuellen Inschriften um und vor 800 und den repräsentativen Inschriften des 10. und besonders des 11. Jhds. ein. Dazu passen dann auch die Anspielungen auf die Mythologie im übrigen Text (Asen, Billingr (?), eine dreifache Tyr-Rune, ein Sonnen-Mythos (?), etc.), die einzelne Interpreten annehmen wollen. Hier ist sicher Skepsis angebracht, aber die Bedeutung des Maltsteines in schriftgeschichtliche Hinsicht ist unbestreitbar. Mir scheint ein Ansatz um 900 am wahrscheinlichsten.
6.5.17 Teilzusammenfassung: Die dänischen Inschriften Ein großer Teil der dänischen Inschriften der Helnaes-G0riev/Malt-Periode auf losen Gegenständen ist inhaltlich schwer verständlich, Magie spielt jedenfalls eine wichtige Rolle. Darin ähneln sie den frühen schwedischen Inschriften auf losen Gegenständen wie etwa Björkö 1 und Ulvsunda. Die Runen können einfach geritzt sein (und damit den Steininschriften entsprechen) oder aber - was im Stein nicht machbar ist, oder nicht gemacht wird - doppelt geritzt sein wie z.B. der Kamm von Haddeby. Beide Schreibtechniken können gemischt auftreten, etwa auf Lindholm, Hemdrup oder dem Holzstift von Haddeby. Auf dem Holzstück von Haddeby 48 ist ein Wort mit doppelten Linien, das zweite einfach geritzt; da die Inschrift bisher uninterpretiert ist, läßt sich nichts darüber aussagen, ob dieser Technikwechsel inhaltlich relevant ist. Der Text auf dem Holzstab von Hemdrup steht in einem der polygonen Felder, die den Stab strukturieren; alle Hauptstäbe sind hier doppelt geritzt, der Zwischenraum zwischen den Stäben ist mit kleinen Punkten oder Keilen gefüllt. Ein anderes Feld enthält die Zeichnung einer Triquetra wie auf Jelling 2, ein drittes zeigt eine völlig unverständliche Geheimschrift, z.T. mit einfach geritzten Runen, z.T. mit Keilen, deren Entschlüsselung bisher noch nicht gelungen ist. Der Messerschaft von Lindholm zeigt auf Seite A einfach geritzte Runen (wohl den Namen des Herstellers), auf Seite Β 12 Runen mit der Technik der Hauptinschrift von Hemdrup, also doppelte Stäbe mit Keilen gefüllt. Die vier letzten Runen sind dann wieder einfach geritzt; sie ergeben nach meiner Lesung das Wort fapi (vgl. oben 6.1.6), so daß die Inschrift eine gewisse Ähnlichkeit mit der des Goldhorns von Gallehus aufweist, auf dem ein Großteil des Textes mit doppelten Runen geschrieben ist, das letzte Wort tawido "ich machte" aber in einfachen Runen. Die Parallelität liegt hier also in Inhalt wie Technik.
48
NF 1966-69:
ΗΓΗΚΪΉ. fluanuta, bisher uninterpretiert; vgl. Moltke 1985a:371.
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Die dänischen Inschriften
Die Inschriften zeigen ferner, daß schon früh im 9. Jhd. in Dänemark beide Schriftvarianten: die Kurzzweigrunen, die auch als schwedisch-norwegische Runen bezeichnet werden, und die meist als dänisch bezeichnete Normalreihe bekannt waren und sich gegenseitig beeinflußt haben. Außer den bereits angesprochenen gibt es noch folgende Inschriften auf Holz in Kurzzweigrunen (Neufunde seit dem Erscheinen von DR): Der Kamm von Haddeby und die beiden Holzstäbe von Haddeby aus der Mitte des 9. Jhds. und der Kamm von Elisenhof vom Ende des 9. Jhds. Durch diese dänischen Neufunde ist klar, daß die Kurzzweigrunen sehr schnell im ganzen nordgermanischen Raum bekannt waren und verwendet wurden. "Meget tyder pâ en laengt st0rre mobilitet og kendskab til forskellige runetyper i overgangen til vikingetid end hidtil antaget." (Stoklund 1994: ). Auch eine Verteilung: Normalrunen für Monumental·^ Stein-)Inschriften vs. Kurzzweigrunen für Holz- oder Metall-Inschriften ist nicht zu belegen, sowohl in Dänemark als auch in Schweden sind beide Runentypen für beide Inschriftentypen verwendet worden (die Steine von Laurbjerg und Gunderup 2 belegen dies). Daß wir Inschriften mit Kurzzweigrunen v.a. im Raum um Haddeby haben, dürfte an der politischen Situation dieser Handelstadt im 9. und 10. Jhd. liegen: Es gab hier vielleicht eine dänisch-schwedische Mischsiedlung mit wechselnder politischer Oberherrschaft und gegenseitigen Kultureinflüssen. Daß die Kurzzweigrunen in Haddeby erfunden sein könnten, wie Moltke 1985a:370 annimmt, erscheint mir dagegen eher unwahrscheinlich, da Sparlösa doch wohl früher zu datieren ist als die frühesten dänischen Funde. Ich stelle die beiden Reihen einander gegenüber und deute verfüg- und austauschbare Varianten an: Normalrunen:
Γ
lì
Kurzzweigrunen:
f
Π
G0rlev/Malt-Runen: f
Π
f f
HΠ
I
* fc Κ * h • M> k Y
t *
I * S Τ Β Μ Γ À l·
M
X
l· U
1
1 *
Î Γ ι
f Τ S î & î Γ À
Gegen Ende der Periode zeigt sich dann eine starke Normierungstendenz in den prototypischen Fujiarks auf G0rlev 1 und Malt, die eine fast identische Auswahl aus beiden Reihen darstellen und für fast 100 Jahre die Orthographie der dänischen Steine festlegen. Ich sehe hierin ein brauchbares Datierungskriterium, gegen alle Einwände, die die Möglichkeit von konservativen Orthographien anführen. Der neuen normierten Runenreihe liegt eine bewußte Auswahl aus den konkurrierenden Formen zugrunde: die 7 identischen Runen (f Π ^ k Κ I Γ) bleiben natürlich erhalten, statt der extremen Kurzzweigrunen | 1 behält man ; Ν und M werden durch die Kurzzweigrunen % und f ersetzt und als natürliche Konsequenz auch $ = a durch f . Für t und b wählt man die deutlicheren, weniger Verwechslungen ausgesetzten Formen Î , Varianten zeigen nur die Runen für a und n,
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
wobei der Meister von G0rlev 1 für /a/ auch auf dem Stein von N0rre Naerâ nur f schreibt, der Meister von Malt im Fugarle dagegen fs, im Text aber f verwendet. In der späteren Orthographie setzt sich durch. Für η verwendet der Meister von G0rlev nur ^, auf N0rre Naerâ dagegen ; der Meister von Malt verwendet beide Varianten nebeneinander, 4x h und 2x . Die spätere "Ortho"graphie zeigt nahezu ausschließlich Ί-. Nach 800 und vor G0rlev/Malt können und müssen wir also mit Misch-"Ortho"graphien rechnen, wobei je nach Vorliebe und Herkunft des Runenmeisters eine der konkurrierenden Runenreihen dominiert - Lindholm zeigt die typisch dänischen Formen ^ und S, aber das \ der Kurzzweig-runen; - Hemdrup zeigt die typisch dänischen Formen S Î undfc,hat aber für |t und \ die Vari-anten der Kurzzweigrunen; - Gunderup 2 hat dänisches Î , fc, daneben ^p1 und vermutlich der Kurzzweigrunen; - Laurbjerg schließlich hat und \ der Kurzzweigrunen, aber für b und s die dänischen Normalformen fc, S Was die Verwendung von Worttrennern angeht, zeigen die archäologisch datierbaren losen Inschriften folgendes Bild: Der Schädelknochen von Ribe und der Messerschaft von Lindholm verwenden vor und um 800 keine Worttrenner, Hemdrup nur vereinzelte; die Inschriften mit Kurzzweigrunen von Haddeby trennen dagegen offenbar sehr konsequent. Die leserfreundliche Worttrennung scheint in Schweden bald nach 800 aufgekommen sein49 und wurde dann auch in Dänemark bekannt und praktiziert. Die dänischen Steininschriften verhalten sich in dieser Hinsicht wie folgt: Runenformen - Trennung: Helnaes Fleml0se 1 Fleml0se 2 S0nderby Vordingborg Laurbjerg + Trennung: Snoldelev Örja Starup G0rlev Malt N. Naerâ
f/* Ν Γ
M
Y rH
Y?
?
í Î {
Die frühesten schwedischen Inschriften wie Sparlösa, Björkö 1, Rök u.a. zeigen noch scriptio continua, vgl. oben im Text.
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Die dänischen Inschriften
Gunderup 2 Hammel 1 0 . L0gum
\ \
+/- Trennung: H0je Tâstrup Sölvesborg
| ^
H M
Lose Inschriften und Steininschriften unterscheiden sich in charakteristischer Weise bezüglich der Anordnung der Schrift auf dem Träger: bei Steinen ergeben sich vielfaltige Möglichkeiten auf der i.a. großen Fläche, die je nach Umfang der Inschrift mehr oder weniger gefüllt sein kann. Die Inschrift kann am Rand stehen, in einer Zeile; sie kann mehrzellig parallel laufen oder boustrophedon, senkrecht oder waagrecht; sie kann ornamentartig auf dem Stein angeordnet sein oder dessen Strukturen ignorieren. Da die Tendenz im 10. und 11. Jhd. dahingeht, die Inschrift immer kunstvoller an den Stein anzupassen, sind die Steine, die eine kurze Inschrift am Rand oder auf der Seitenfläche des Steines zeigen, nach op. comm. als typologisch älter einzustufen. Die verschiedenen Typen verteilen sich auf die dänischen Steininschriften wie folgt: Randlage
2-zeilig boustr.
2-zeilig parallel
Fleml0se 2 S0nderby Starup Gunderup 2 Laurbjerg 0ster L0gum
Sölvesborg Örja?
H0je Tâstrup Snoldelev Vordingborg N0rre Naerâ G0rlev 1 (Malt)
(Helnaes)50 (Fleml0se 1)
Schließlich kann man nach dem Inhalt der Inschriften und nach sprachgeschichtlichen Kriterien gruppieren. Für den Text geht man oft davon aus, daß die Typen: einfacher Name oder NN's Stein/ kublletc. älter sind als die später dominierende Formel: X setzte den Stein nach Y. Auf die dänischen Steininschriften verteilen sich die verschiedenen Typen wie folgt: Name: 0ster L0gum S0nderby ? *N. Brarup (Kamm von Haddeby)
hairulfR pauria/hp fatuR/fatur a/husut
NN's stain Fleml0se 2 (?) H0je Tâstrup Snoldelev (+) Starup
ruulfRsis hurnburastainsuipks kun.ualtstain airiks kubl
Klammern zeigen Inschriften an, die aus mehr als zwei Zeilen bestehen.
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Die Inschriften aus der Zeit von ca. 700 bis gegen 900
Laurbjerg Hammel 1
bulnausanstain ulfs.st
Formel: Sölvesborg Helnaes Fleml0se 1 Öqa Vordingborg Gunderup 2 G0rlev 1 Malt (N0rre Naerâ)
urti χ aft y (?) χ sati stain aft y aft χ statR stain st&tR aft χ karpixafty χ sati stain pansi abt y χ ris pi stin pansi aft y χ karpi aftr aft y purmutR niaut kubls
Die Gruppe Helnaes, Fleml0se 1, Fleml0se 2 zeigen aber deutlich, daß dieses Kriterium sehr vorsichtig - wenn überhaupt - eingesetzt werden muß. Obwohl die drei In-schriften inhaltlich eng zusammengehören - es ist jeweils ein Auftraggeber RuulfR und ein Runenmeister AuaiR beteiligt - ist die sprachliche Füllung bei jedem der drei völlig verschieden. Die dänischen Steininschriften dokumentieren zugleich, daß sich eine Standard-Formel bis ca. 900 noch nicht herausgebildet hat, lediglich die "Genieße des Grabes!"-Formel und "X sati stain" sind zweimal belegt. Datierungen Zur ältesten Gruppe (etwa 750 - ca. 800) gehören meiner Ansicht nach der Stein von Sölvesborg, der Schädelknochen von Ribe und eventuell auch der Stein von *N. Brarup. Wegen seiner linksläufigen Inschrift hält Moltke 1985a:33 auch den Stein von Starup für früh: "...possibly the oldest from that period,.though it is impossible to say whether it is from c. 700 or c. 800.". Inschrift
Runen
Rahmen
Trennung
Richtung
Sölvesborg *N.Brarup Ribe Starup
f?, M \ ΧY Μ Ν *
+ -
(+) +
rbou rechtsl. rechtsl. linksl.
-
Um 800 oder etwas später sind die drei inhaltlich zusammengehörigen Inschriften von Helnaes, Fleml0se 1 und Fleml0se 2 anzusetzen, ferner der archäologisch datierte Messerschaft von Lindholm: Inschrift
Runen
Rahmen
Trennung
Richtung
Helnœs Fleml0se 1 Fleml0se 2 Lindholm
Ν Μ f ^ / f f>
+ + -
+
rboustr. r boustr. rechtsl. rechtsl.
^
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Die dänischen Inschriften
Gegen das Ende des 9. Jhds. gehören vier Steininschriften, die Neuerungen in ihren Runenformen zeigen, v.a. die Aufgabe der alten m-Rune des 24-er Fufjarks, aber auch in sprachlicher Hinsicht eine wichtige Neuerung, die Monophthongierung, erstmalig belegen. Es handelt sich um die Steine von N0rre Naerâ, Snoldelev, G0rlev und Malt. Wegen der Form der h-Rune sollte auch der Stein von 0ster L0gum in diesen Zeitraum gehören. Inschrift N. Naerâ G0rlev 1 Malt 0ster L0gum
Runen
Rahmen
Trennung
+ + + +
+ + +
5C = < h >
Richtung rechtsl. rechtsl. rechtsl. rechtsl.
Es bleiben aus dem in Frage stehenden Zeitraum noch fünf Inschriften, die keiner der vorgenannten Gruppen zuzuordnen sind, und die nur aufgrund ihrer Runenformen annäherungsweise datierbar sind.
Inschrift
Runen
Snoldelev *m k Gunderup 2 Kurzzweigrunen Öija H0je Tâstrup Kurzzweigrunen Laurbjerg
&
Rahmen
Trennung
+ +
+ + + +
Richtung rechtsl. rechtsl. rechtsl. rechtsl. rechtsl.
Ausblick auf die Entwicklung im 10. Jhd. Rund 400 Jahre nach der Zeit der Brakteaten stellt das Jüngere Fuf>ark in zwei Varianten das etablierte Schriftsystem innerhalb Skandinaviens dar; in Schweden, Norwegen und den britischen Inseln dominieren im 10. Jahrhundert noch der Typ der Kurzzweigrunen, während in Dänemark in diesem Zeitraum ausschließlich die Runenformen Verwendung finden, die auf den Steinen von G0rlev 1 und Malt exemplarisch präsentiert sind, der einzige nennenswerte Wandel im 10. Jhd. ist hier der von ^ zu (s, der dem Muster der Kurzzweigrunen folgt. Ein deutlicher Wandel erfolgt dagegen offenbar im Gebrauch der Runenschrift, soweit man in Anbetracht der Überlieferungslage zu solchen Schlußfolgerungen überhaupt berechtigt sein kann: Aus dem Zeitraum vor 900 dominiert eigentlich die Zahl der auf uns gekommenen Inschriften mit mehr oder weniger klaren magischen Absichten - u.a. würden hierfür stehen der Schädelknochen von Ribe, Hemdrup, die Amulette von Alt-Ladoga und Gorodische, das Kupferblech von Ulvsunda, das Silberblech von Björkö, die Felsinschrift von Ingelstad, vermutlich der Stein von Bj0rneby, jedenfalls Fleml0se 2, N0rre Naerâ z.T. G0rlev 1 und Malt -, daneben stehen allerdings auch banale, profane Alltagsinschriften wie die auf Kaupang, Gokstad, Oseberg und den Kämmen von Hedeby und Elisenhof; über die Funktion der Steine von Rök, Sparlösa, Rävsal, Hoga, Valby und einiger dänischer Steine der HelnaesG0rlev/Malt-Periode läßt sich nichts Sicheres sagen, auf Oklunda liegt, wie von vielen Interpreten angenommen, vielleicht ein Rechtsdokument vor. Ich habe den Eindruck, daß sich hier Tendenzen bzw. Verteilungsmuster kontinuierlich fortsetzen, die in vergleichbarer Weise auch für die Inschriften im Älteren Fujjark gelten (könnten). Magische Funktionen hatten dort aller Wahrscheinlichkeit nach die meisten der Brakteatinschriften, ferner beispielsweise die Inschriften auf Kylver, Fl0ksand, Noleby, Elgesem, Kragehul und Lindholm, und wohl auch auf dem Holzstück/Pfeil/Amulett von Ladoga, um nur einige zu nennen; wirklich eindeutige Alltagsinschriften kenne ich im Älteren Fuf>ark nicht, einige Runologen wie z.B. Moltke würden hier etwa Gallehus oder Garb0lle nennen. Die Funktion der frühen Inschriften auf Waffen möchte ich offen lassen. Dem Typus N.N.s kumbUstain etc. entsprechen im Älteren FuJjark z.B. die Inschriften auf Stenstad (igijon halaR), Tomstad (???an waruR) und B0 (hnabudas hlaiwa), dem Typus PN, etwa auf 0ster L0gum (hairulfR), entsprechen die Namen ohne weiteren Text auf z.B. Skärkind, M0gedal, Tanem, Sunde oder Tveito; ihre genaue Funktion ist nicht bekannt (Name des Toten, des Runenmeisters, des Auftraggebers?). Eine Herstellerinschrift wie auf dem Messerschaft von Lindholm im Jüngeren FuJ>ark zeigt z.B. die Spange von Eikeland innerhalb des Älteren. In beiden Perioden gibt es Inschriften, die den späteren Gedenksteinen/Steinsetzungsformeln entsprechen
Ausblick auf die Entwicklung im 10. Jahrhundert
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könnten, aber sie sind doch relativ selten (auf Rö: satido stain, auf Ellestad: raisidoka staina, auf Vetteland und Einang?), frühe Inschriften dieses Typus im Jüngeren FuJjark sind z.B. Lokrume (suniR raispu kublu), Björkö (tutiR bap karua kubt), Boberg (ikuar sati stain), Kälvesten (stikuR karpi kubt), Oddernes (mit der neuen Lesung aft puri niripsuni stain sa ), Eikeland (raisti kumlu pita aft), Helnaes (rhuulfR sati stain aft), Fleml0se 1 (aft ruulf statR stain sasi), Gunderup 2 (austain sati stain pansi abt) und G0rlev 1 (piaupui rispi stin pansi aft), vielleicht auch auf Malt. Natürlich ist mit verlorenen Inschriften zu rechnen, u.U. auch mit einer gewissen Zahl an Inschriften auf Holz, aber dennoch glaube ich nicht recht an Aussagen wie: "Jeder germanische Hausvater schrieb (um Christi Geburt) Alltagstexte auf Holz"; ich denke, daß die auf uns gekommenen Texte einigermassen repräsentativ sind. Dies dürfte auch für die Jahrhunderte nach 900 zutreffen. Hier lassen sich im Prinzip die gleichen Texttypen antreffen wie im Älteren Fuf>ark und in der Zeit vor 900, es gibt z.B. eindeutig magisch intendierte Texte aus der späten Wikingzeit und dem Hochmittelalter, etwa das Tablett von Lund, der Ring von G0rding, die Bleiplatte von Odense, ein Holzstab von Ribe oder auch Funde aus Bergen. Es gibt die Alltagsinschriften, etwa in den Besitzermarken aus Bergen, Rechtsdokumente wie den Ring von Forsa, bisweilen auch Obszönes. Aber es dominieren im 10. und 11. Jahrhundert doch eindeutig die Steinsetzungsformeln, die um sachliche, poetische oder christliche Zusätze oder eine Runenmeisterformel erweitert sein können. Ob es sich dabei um reine Gedenksteine handelt oder um juristische Dokumente, auf denen Erbrechtsfragen abgehandelt wären (so zuletzt Sawyer 1988), ist in der Diskussion offen. Sie setzen aber in jedem Fall ein breites Publikum voraus, das diese Texte zur Kenntnis nehmen, lesen konnten; ihre Hersteller waren eher Handwerker und Künstler als Magiker/Priester wie in den früheren Perioden (von den Goldschmieden einmal abgesehen). Eine Sondergruppe stellen die Runenkreuze mit Kurzzweigrunen auf der Isle of Man dar. Das größte Desiderat, das ich für die Periode von ca. 900 bis in die Mitte des 12. Jhds. sehe, ist eine genauere Chronologie dieser klassischen Runensteine, als sie bisher aufgrund der Ornamentik, gewisser genealogischer Bezüge, der Runenund Sprachformen, etabliert werden konnte. Die Einschätzung der daraus zu erlangenden Erkenntnisse wird (für die Runeninschriften Upplands, d.h. der größte Teil des Corpus) unterschiedlich beurteilt: "Inskrifternas värde som historisk material beror framför allt pâ tvâ omständigheter: dels pâ deras stora antal, dels pâ att de visar en kontinuerlig utveckling, säväl runologiskt som framför allt stilhistoriskt, säväl i skriften som i Ornamentiken. [...] Den stora differentieringen gör det möjligt att följa en kronologisk linje. Om man beaktar de anvisningar, som inskrifterna själva ger genom sina faktiska meddelanden, om släktskap o. dyl., framstâr en stomme til en relativ kronologi, som är fast och orubblig. [...] Om man sedan lägger tili de iakttagelser, som kan göras med hjälp av runformer, spräkformer och Ornamentik, förstärkes systemet ytterligare. Härtiii kommer, att under utvecklingen framträder en rad av individuellt särpräglade ristare, var och en med sin
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egen form, i fraga om huggningsteknik, Ornamentik, runor och uttryckssätt, som man vanligen utan svârighet känner igen även i deras icke signerade verk. [...] Om man bortser frân de mânga fragmenten, som är otillräckliga för en karakterisering och därpä byggande datering, och frân en del ristningar av undermâlig kvalitet, är det ganska fâ av Upplands runstenar, som man icke kan inordna i denna utveckling och sâlunda âtminstone ungefärligen tidsbestämma." (Wessén 1960:6f). "Dating the Upplandic inscriptions constitutes one of the most difficult runological problems, for, although the general outlines are clear, the evidence provided in the inscriptions is so slight that a fine chronology involves great risks. None of the rules that have traditionally been employed is without exception, and most of them are based on assumptions that are tenuous indeed. [...] Using the methods of von Friesen and Wessén, one can achieve results that are directly opposed to the conclusions they have drawn." (Thompson 1975:153 und 160) Für die schwedischen Inschriften haben Williams 1990 und Lagman 1990 in ihren Arbeiten gezeigt, daß runologische Kriterien wie die Verwendung der Rune für /a/ oder loi und das Vorkommen von punktierten Runen als statistisches Mittel für Datierungen geeignet sein können, für eine individuelle Inschrift jedoch keine Aussage ermöglichen, ja im Gegenteil zu falschen Ergebnissen führen können. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten, bevor Wesséns optimistische Einschätzung als zutreffend gelten kann. Am genauesten scheint noch das Periodengerüst und die Einordnung der Inschriften aus Dänemark zu sein, aber selbst hier gibt es viele offene Fragen. Für das 10. Jhd. haben wir in Dänemark als Fixpunkte für eine Einordnung der Inschriften nur die beiden Jelling-Steine der Könige Gorm des Alten und seines Sohnes Harald Blauzahn, anhand derer in den Ausgaben die Einteilung in: "prä-Jelling-, Jelling- und post-Jelling-Typen" erfolgt. Diese beiden Inschriften bilden zusammen mit den vier Steinen von Hedeby und den Münzen Sven Estridsons im 11. Jhd. den Rahmen für das chronologische Gerüst der dänischen Steine. Über Hedeby 2 und 4 und die vermutete Schwedenherrschaft über Hedeby wurde oben bereits das Nötige gesagt, über eventuelle genealogische Zusammenhänge in 6.5.15 spekuliert. Aufgrund der historischen Quellen (Adam von Bremen, Sachsenchronik) können diese beiden Inschriften auf ca. 940 datiert werden, sind also ungefähr gleichzeitig mit Gorms Jelling-Stein. Für diesen läßt sich kein genaues Datum festsetzen, da das genaue Todesjahr Gorms oder seiner Frau Thyra nicht überliefert ist; die Episode bei Saxo über den Tod von Gorms älterem Sohn Knutr und Gorms eigenen Tod ist wohl unhistorisch. Laut Adam von Bremen hielt sich Bischof Unni im Jahre 935 bei Gorm in Jelling auf, er erhielt von Harald die Erlaubnis, Priester nach Dänemark zu schicken - dieser muß also zu diesem Zeitpunkt schon über einen gewissen Einfluß verfügt haben, vielleicht zusammen mit seinem Vater regiert haben. "But modern historians do not give much credit to these reports." (Moltke 1985a:209). Die Inschrift auf Jelling 1 (kunnR:kunukR:karpi:kubl:pusi:afi:purui:kunu:sina:tanmarkaR: but) beweist ein-
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deutig, daß Gorm seine Frau überlebt hat, ca. 930-940 dürfte ein akzeptables Datum für ihre Anbringung sein. Strittig ist lediglich, ob der König oder seine Frau als "Besserung Dänemarks" angesprochen sind; im ersten Fall könnte diese Aussage datierungsrelevant sein, aber die Tradition und in gewisser Weise auch die Steine von Baekke 1, Lœborg und vermutlich Hörne, die für die tote Königin von einem ihrer Leute errichtet wurden, sprechen eher für Thorva als die so Gelobte. Damit wäre dann auch der Anschluß an das Ende der "Schwedenherrschaft" in Hedeby hinfällig. Aus Jelling 1, Hedeby 2 + 4 lassen sich folgende runologischen Merkmale für die Inschriften in der ersten Hälfte des 10. Jhds. ableiten: Es finden sich Rahmenlinien und Worttrenner in der Form zweier übereinandergestellter Punkte, die Steine zeigen noch keine Ansätze für die spätere Ornamentik; die Inschriften verlaufen boustrophedon auf den Hedeby-Steinen, parallel auf Jelling 1. Die a-Rune hat die Form |s, die m-Rune ist stets f . Der Texttyp der Inschriften ist X karpi ku(m)bl aft Y, als Demonstrativum steht paun (Hedeby 2), pausi (Hedeby 4) und pusi (Jelling 1), die Präposition hat die kürzere Form aft bzw. aft. Die Runenmeisterformel auf Hedeby 4 lautet X raist runaR, und die Schreibung asfripr zeigt den Zusammenfall der beiden r-Phoneme nach Dental vs. kurmR auf Jelling 1. Anhand ähnlicher Merkmale werden in DR und bei Moltke 1985a weitere 6-7 Inschriften dem gleichen Zeitraum, d.h. der 1. Hälfte des 10. Jhds., zugewiesen: Die Inschriften von 0ster L0gum und Hammel 1 wurden bereits in Kapitel 6.5 angesprochen; sie könnten durchaus einige Jahrzehnte jünger als ca. 900 sein, wurden aber aufgrund ihrer Typologie: reiner Personenname bzw. NN.s stain der Helnaes-G0rlev/ Malt-Periode zugewiesen. Die Steine von Baekke 1, Laeborg und Hörne bilden sicher eine zusammengehörende Gruppe, da jeweils ein Mann namens rafnuka tufi, d.h. Tue aus dem Geschlecht Rafns an ihrer Ausführung beteiligt war; alle drei Steine wurden vermutlich für dieselbe Frau, Thorvi/Thyre, errichtet, die auf Lasborg als trutnik, also "Herrin" angesprochen ist. Baekke 1 (boustrophedon): rafnuka:tufi:auk:futin: auk. knubli:paiR: priR:kapu:puruiaR:hauk\ Laeborg (Randlage, boustrophedon): rhafnukatufi:hiau: runaR:pasiaft + Thorshammer purui: trutnik:sina + Thorshammer; Hörne (Fragment): ...fnukatufikapihaukp..., wobei nach DR auf die letzte lesbare |>-Rune kein folgen kann; möglich wäre also nur eine Ergänzung p{auruiaR) oder p(ansi). Laut Moltke 1985a:229f wären diese drei Steine jünger als Jelling 1, und die Dame Thorva könne nicht identisch mit Gorms Frau sein; die Argumente dafür halte ich aber für nicht überzeugend: Die runologischen Merkmale sprechen für eine Einordnung in die erste Hälfte des 10. Jhds., die Orthographie auf Laeborg im Namen Hrafn als erinnert an die Schreibung auf dem Helnaes-Stein, dürfte ein altertümliches Merkmal sein. Alle drei Steine stehen in enger geographischer Verbindung zum Königssitz Jelling. Das einzige Indiz für einen späteren Ansatz wäre die Schriftanordnung auf dem Fragment von Hörne, das Ansätze zur Ornamentik zeigt; ob trutnik für "Herrin, Hausherrin" oder "Königin" steht, muß offen bleiben. Wegen Hörne mögen viel-
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leicht Zweifel an der frühen Datierung nicht ganz auszuschließen sein, aber vieles spricht doch für drei Inschriften aus dem Umkreis des Königshauses, die ein runenkundiger Hofmann oder Krieger für seine Königin anfertigte oder anfertigen ließ - wie im Falle von Jelling 1 und den Steinen von Hedeby wären wir auch hier im Bereich der obersten Gesellschaftsschichten als Träger der Runenkultur. Diese Aussage wäre abzuschwächen, wenn man einen späteren Ansatz für diese drei Inschriften befürwortet. Eine zusammengehörende Gruppe bilden auch die beiden Steine von Glavendrup und Tryggevaelde, da sie von der gleichen Frau Ragnhild (für verschiedene Männer) in Auftrag gegeben wurden, und der Stein von R0nninge, der vermutlich vom gleichen Runenmeister, der Glavendrup und Tryggevaelde ausführte, für seinen Bruder errichtet wurde. Nach op. com. hätte Ragnhildr zunächst auf Seeland gelebt, weil sie sich auf dem Stein von Tryggevaelde selbst als Schwester Ulfs bezeichnet, auf Glavendrup hingegen nur ihren Namen nennt: "the grand lady has the stone set up in her own unqualified name." (Moltke 1985a:226). Auf Glavendrup sind im zweiten Teil der Inschrift auch ihre Söhne genannt, während auf Tryggevœlde nur Ragnhildr erscheint; dies könnte vielleicht damit zu erklären sein, daß ihr erster Mann starb, während sie noch sehr jung war, daß sie von ihm keine Söhne hatte, oder daß diese noch nicht volljährig (und damit erbberechtigt?) waren. Dann wäre sie für ihre zweite Heirat von Seeland nach Fünen umgezogen; aber man könnte auch den umgekehrten Fall argumentieren: nach ihrer ersten Ehe auf Fünen, bei der ihre Söhne miterbten, heiratete sie als ältere und vermögende Frau noch einmal nach Seeland, wo sie vielleicht keine Kinder mehr bekam oder finanziell so unabhängig war, daß sie Stein und Grabhügel ganz alleine ausführen ließ. Ihren Bruder Ulfr nennt sie vielleicht deshalb, weil er inzwischen ein bedeutender Mann geworden ist? Ich tendiere eher zur ersten Möglichkeit. Die umfangreichen Texte lauten: Tryggevaelde: raknhiltr sustiR ulfs sati stain p?nsi auk karpi hauk pansi auft auk skaip paisi kunulf uar sin klamulan man sun nairbis faiR uarpa nu futiR pai batri sa uarpi at rita is ailti stain pansi ipa hipan traki. Bei der beschädigten und mit ? bezeichneten Rune handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ein nicht wie in DR angegeben um ΐ , die m-Rune hat eindeutig die Form f , das vorgezogene auft beruht auf einem Fehler des Runenmeisters; umstritten ist die Bedeutung von klamulan, rita und ailti, dennoch ist die Aussage einigermaßen klar: "Ragnhild, die Schwester Ulfs, ließ diesen Stein errichten, ebenso den Grabhügel und diese Schiffssetzung für Gunulf, ihren Mann, einen klamulan Mann, den Sohn Närves. Wenige werden nun geboren, die besser (als er) sind. Der werde zu einem riti, der diesen Stein zerstört (?) oder von diesem Platz entfernt." Als Worttrenner stehen einzelne Punkte, auf der Seite steht die Haupt-Inschrift in fünf parallelen Zeilen, das nachgetragene auk skaip paisi steht dabei am Rande, könnte also ganz am Ende nachgetragen worden sein; die Fluchformel auf den Seiten Β und C steht in einzelnen Zeilen, vielleicht besteht ein Traditionszusammenhang mit den Formeln auf Stentoften und Björketorp und der pistil-mistil-kistil-Formel auf G0rlev 1. Glavendrup zeigt die längste Inschrift
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eines Runensteins auf dänischem Boden: (A) raknhiltr sati stain pansi auft ala sauluakupa uialips haipuiarpanpiakn (B) ala suniR karpu kubl pausi aßfapur sin auk hans kuna auft uar sin in suti raist runaR past aft trutin sin pur uiki pasi runaR (C) at rita sa uarpi is stain pansi ailti ipa aft anan traki. Auch hier sind einige Lexeme nicht ganz klar, aber als Aussage ergibt sich: "Ragnhild ließ diesen Stein errichten für Alli, den Goden der Sölver,... Die Söhne Allis errichteten den Grabhügel für ihren Vater und seine Frau für ihren Mann, aber Suti ritzte diese Runen fiir seinen Herrn. Thor weihe die Runen. Der werde zu einem riti, der diesen Stein zerstört (?) oder ihn für einen Anderen wegschleppt." Auch hier stehen einzelne Punkte als Worttrenner, die Inschrift verläuft meist boustrophedon. Die Thors-Formel dürfte ihre Entsprechung in den beiden Thors-Hämmern auf dem Laeborg-Stein finden und erste christliche Einflüsse in einer weitgehend noch heidnischen dänischen Gesellschaft/Oberschicht anzeigen (als Gegenreaktion auf z.B. christliche Kreuze). Die beiden Steine sind eindeutig Oberschicht-Phänomene, mit ihrer Einbindung an Grabhügel und großer Schiffssetzung; der Tote des Glavendrup-Steines, Alli, war religiöses Oberhaupt (Gode), aber auch weltliches, er könnte zumindest große Teile von Nord-Fünen beherrscht oder im Auftrag der am Anfang des 10. Jhds. expandierenden Königsmacht verwaltet haben. Ob eine verwandtschaftliche Bindung zum Königshaus vorlag, ist nicht feststellbar. Der Runenmeister Ragnhilds, Suti/Soti, hat vermutlich noch einen eigenen Runenstein angefertigt, den Stein von R0nninge für seinen Bruder Ailaif, ebenfalls auf Fünen. Der Text lautet: suti sati stain pansi aft ailaif brupur sin sun askaus raupum skialta, er ist in drei Zeilen boustrophedon angebracht und verwendet gleichfalls einzelne kurze Striche als Worttrenner; es könnte sich natürlich um eine reine Namensidentität handeln, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür eher gering sein dürfte, die zeitliche Nähe zu Glavendrup ist jedoch eindeutig. Der Beiname von Sotis Vater dürfte auf einen Krieger oder Würdenträger hinweisen, auf einen direkten oder indirekten Dienstmann des Königshauses. Dann wären nicht nur die Auftraggeber, sondern auch selbst die Runenmeister in der 1. Hälfte des 10. Jhds. der Aristokratie/Oberschicht zuzurechnen (die Einordnung als "servant or subordinate" bei Moltke 1985a:314 halte ich für sprachlich nicht glücklich). Zu diesen frühen Inschriften des 10. Jhds. ist vielleicht noch der Stein von Elleköping in Kurzzweigrunen zu stellen, der äußerlich wie inhaltlich von anderem Charakter als die soeben besprochenen Steine ist. Die Inschrift lautet bilikr raisti aft skrauta stain1 pina, sie läuft einzeilig zwischen Rahmenlinien und verwendet keine Worttrenner. Charakteristische Runenformen sind ' für , \ und (· für und sowie f für , die Binderune ist m.W. unik (Johnsen 1968:166 vermutet wenig überzeugend, daß hier intendiert gewesen sein Moltke 1985a:377 gibt fälschlicherweise hier stiri in seiner Umschrift; die a-Rune ist zwar im Bereich des Beistabes zerstört, aber eindeutig vorhanden. Die Binderune oder erwähnt Moltke nicht.
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könnte, wobei die beiden Runen "ved en ekstra kr0ll" verbunden wären). Es handelt sich dabei um die einzige Inschrift in Kurzzweigrunen aus Skäne, die Wortstellung ist zumindest unüblich, auch die Form des Demonstrativums paßt nicht zu der gleichzeitigen dänischen Norm; alles spricht also dafür, sie in eine andere, d.h. schwedische Runentradition einzureihen, Johnsen hält eine Datierung in den Zeitraum von ca. 850-1000 für möglich, legt sich aber nicht genauer fest. Für die zweite Hälfte des 10. Jhds. haben wir in Dänemark als einzigen (historischen und) runologischen Fixpunkt den großen Jelling-Stein, von König Harald Blauzahn für seinen Vater und seine Mutter errichtet; wichtiger noch ist der zweite Teil der Botschaft - denn daß es sich weniger um einen Gedenkstein für die gestorbenen Eltern als um eine "offizielle" Inschrift handelt, dürfte unbestritten sein -: Harald habe Dänemark geeint, Norwegen erobert und die Dänen christianisiert. Trotz intensiver Beschäftigung der Forschung mit dem gesamten JellingMonument und diesem Stein müssen einige wichtige Fragen noch als offen oder strittig gelten, darunter auch der genaue Zeitpunkt für die Anfertigung der Inschrift. Die Ornamentik ist in ihrer Zeit einmalig (und allenfalls mit der Bilderwelt auf Sparlösa zu vergleichen), ohne irgendeinen Vorgänger oder Nachfolger; die verschlungene Bandornamentik in Relieftechnik, das große Tier im Kampf (?) mit der Schlange und die erste Christus-Darstellung des Nordens wurden deshalb mit einem Künstler aus Nord-England in Verbindung gebracht (DR Sp. 78). Vorbilder glaubt man in irischen Handschriften finden zu können. Sicher ist wohl nur, daß der Bau des Jelling-Monumentes eine größere Zahl von Arbeitskräften mit den unterschiedlichsten Funktionen beschäftigt haben muß. Von den drei Großtaten Haralds, die auf dem Stein festgehalten sind, die Reichseinigung, Norwegens Eroberung und die Christianisierung der Dänen, läßt sich kein sicheres Datum ableiten, da es an parallelen historischen Quellen weitgehend fehlt. Außerdem ist nicht ganz klar, worauf sich die Aussage, er habe "Dänemark ganz gewonnen" genau bezieht (selbst die Frage, was mit "Dänemark" bezeichnet ist, ist umstritten); bringt man sie in einen Zusammenhang mit der Belagerung der Burg Ottos II am Danewerk und der Rückeroberung Hedebys im Jahre 983 durch Harald und Sven Gabelbart, dann wäre die Jelling-Inschrift in die Mitte der 80-er Jahre zu datieren (nach 983; Harald starb 987). So der traditionelle Ansatz in DR Sp. 79. Lehnt man diesen Zusammenhang ab und versteht die Aussage als Reichseinigung Haralds durch die Unterwerfung lokaler Kleinfürsten, ein Vorgang, der unter seinem Vater Gorm mit der Machtverschiebung von Hedeby nach Jelling und der Unterwerfung jütländischer Kleinkönige begonnen hätte (so die Olafs saga Tryggvasonar, deren Quellenwert in dieser Frage aber umstritten ist), dann ist der Zeitraum für die Inschrift wieder völlig offen. "We do not know either precisely what "won the whole of Denmark for himself' means, still less the reference to the conquest of Norway, and the exact date of Harald's baptism also escapes us. Still, historians nowadays are able to fix the official conversion of the Danes with a high degree of confidence to the years around 960." (Moltke 1985a:212).
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Das wäre dann immerhin ein Terminus ante quem non. Die "Eroberung Norwegens" kann sich eigentlich nur auf den vorübergehenden Einfluß beziehen, den Harald nach der Schlacht bei Hals am Limfjord im Jahre 970, bei der der norwegische König Haraldr gráfeldr fällt, auf dessen Nachfolger Hákon jarl ausübte. Schon 974 kommt es jedoch zum Bruch zwischen beiden Herrschern, nach dem Sieg Ottos Π am Danewerk läßt Harald Hákon zwar Zwangstaufen, doch dieser veranstaltet sofort ein heidnisches Opfer und regiert von da an Norwegen allein. Aufgrund dieser Daten kann die Inschrift vielleicht auf den Zeitraum zwischen 970 und 974 eingeordnet werden, sie könnte aber auch später sein, wenn man etwas Propaganda von sehen Haralds erwarten darf. Vielleicht sind die Aussagen aber auch in einen Zusammenhang zu stellen mit dem Bau der Anlagen vom Typ der Trelleborg, die nach neuesten Ergebnissen auf ca. 980 datiert werden, also Bestandteile der internen Landesorganisation und -kontrolle und nicht der Ausgangspunkt für die Eroberungszüge nach England unter Sven Gabelbart und Knut dem Großen waren. Dann wäre die Inschrift vielleicht doch - wie nach dem traditionellen Ansatz - in die Mitte der 80-er Jahre zu stellen, wenige Jahre vor Haralds Tod. Eine andere Auffassung vertritt z.B. Moltke 1985a: Da die Christianisierung der Dänen um 960 abgeschlossen sein dürfte, und da die Eroberung Dänemarks und Norwegens auf dem Stein zuerst genannt sei, müsse diese Ereignisse ebenfalls vor 960 sich abgespielt haben. "The order of the statements must give the chronological sequence." (p. 212). Er zieht daraus die Schlußfolgerung, daß Harald das Monument so schnell wie möglich nach dem Tode seines Vaters errichtet hätte, das wäre kurz nach 960. Mag dieses syntaktische Argument auch nicht voll zu überzeugen, da der Gesamtaufbau der Inschrift und v.a. auch die Zusammenhänge zwischen Text und Bildbotschaft zu berücksichtigen sind, so ist die Konsequenz daraus doch aus einem anderen Grund zu erwägen: Zum Typ Jelling rechnet man etwa 30-40 Inschriften, die ungefähr zeitgleich oder kurz nach Jelling 2 entstanden wären (zu deren Merkmalen vgl. im folgenden), unter dessen Einfluß; der Stein von Ârhus 3 (in DR Ârhus 4) mit seiner großen Maske und einzelnen punktierten Runen gehört klar zum Typ post-Jelling und berichtet, daß vier Männer ihn errichteten für ihren Kameraden, der starb, kunukaR bar{)usk", als (mehrere) Könige miteinander kämpften. Diese Aussage findet sich auch auf dem schwedischen Stein von Ràda in Västergötland, man ist versucht, diese Schlacht mit der von S voider im Jahre 1000 zu identifizieren, als Sven Gabelbart und Olaf von Schweden gegen den Norweger Olaf Tryggvason siegreich waren (so mit Zweifeln Jansson 1963:86, überzeugter Moltke 1985a:222). Wenn diese Zuordnung richtig wäre, dann hätte man mit der späteren Datierung von Jelling 2 (um 985) nur einen Zeitraum von 15 Jahren, innerhalb dessen alle Steine vom Typ Jelling entstanden sein müßten; dies ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber überzeugender wäre doch ein Zeitraum von 30-40 Jahren, der sich bei der früheren Datierung von Jelling 2 auf bald nach 960 ergeben könnte. Ich vermag nur die Argumente und deren Konsequenzen zu nennen, keine
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Entscheidung zu treffen. In Anbetracht dieser Unsicherheit bleibt nur der Zeitansatz: 2. Hälfte des 10. Jhds. für die Inschriften vom Typ Jelling. Für die Inschriften, die gewöhnlich der Jelling-Periode zugewiesen werden, also der zweiten Hälfte des 10. (und vermutlich dem Anfang des 11. Jhds.), lassen sich folgende Charakteristika feststellen: Es beginnt sich eine zunächst einfache Ornamentik zu entwikkeln, die die Inschrift nicht mehr in Zeilen anordnet, sondern in einem Runenband, das später zum charakteristischen Schlangenbild wird; es finden sich stets Worttrennung und Rahmenstriche, beim Demonstrativum dominiert die längere Form pinsi, pansi etc. aber die Präp. aft ist kurz, beim Relativ-Pronomen und der Kopula steht noch es/vas statt späterem er/var. Es gibt noch keine punktierten Runen und die Inschriften zeigen noch keinen christlichen Einfluß in Text oder Ornamentik. Die Inschriften vom Jelling-Typ könnten von ihrer geographischen Verbreitung durchaus den unmittelbaren Einflußbereich des Königshauses von Harald und seinem Sohn Sven Gabelbart dokumentieren, die meisten Vertreter finden sich in Nordjütland: Baekke 2, Egtved, Randb0l, Grindsted, Gylling, S0nder Vissing 1 + 2, Virring, Rims0, Mejlby, Dalbyover, Flejsborg, Skivum, Gunderup 1, Ferslev 1, Jetsmark, Hune, Fars0 und Klejtrup 2 aus Südjütland gibt es nur die beiden Steine von Hedeby 2 + 4, einige Inschriften stammen von Lolland: Tirsted, Saedinge, Tâgerup, Bregninge L.; außerdem gibt es einige Fragmente und verlorene Steine, die dieser Periode zugerechnet werden können. Die Sitte, Runensteine für gestorbene Verwandte zu errichten, greift also offensichtlich um sich, die Sponsoren kommen z.T. aus niedereren Schichten als in der Zeit vor Jelling, wenn sie auch immer noch finanziell wohlsituiert sein müssen; die Zahl der Leute, die Runen schreiben und lesen konnten, muß entsprechend angewachsen sein. Auffällig ist, wie viele Frauen in den Inschriften genannt sind. Der Stein von Baekke 2 steht in Zusammenhang mit einem Grabhügel und einer großen Schiffssetzung (das Monument erinnert an Glavendrup), seine Inschrift zeigt zahlreiche orthographische Fehler und Auslassungen, aber die Aussage ist erkennbar, daß das Monument von einem Sohn oder einer Tochter für die gestorbene Mutter errichtet wurde. Sie war mit Sicherheit eine Dame der oberen Gesellschaftsschicht. Der Stein von S0nder Vissing 1 wurde von Tove, der Frau Harald Blauzahns, die sich selbst als die Tochter Mistivojs (eines Wendenkönigs) identifiziert, für ihre gestorbene Mutter errichtet, stammt also auch aus dem Umkreis des dänischen Königshauses; auch hier finden sich Schreibfehler (harats statt haralts) und einzelne Wörter, die ursprünglich ausgelassen waren, sind unterhalb der Inschriftzeile nachgetragen (kuna und sunaR). Eine weitere Besonderheit ist die Verwendung der Rune ^ für /e/ in let wie auch auf den Steinen von Hobro 2 in Nordjütland, Sturkö in Blekinge und auf etwa 10 Steinen aus Västergötland,
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2 die aber alle eindeutig später sind als S0nder Vissing. Das Fragment von S0nder Vilstrup gehörte vielleicht auch in den Kontext Haralds. An den beiden Steinen von Hedeby 2 und 4 ist König Sven maßgeblich beteiligt. Über einen möglichen Anschluß des Steins von Skivum an die Königsfamilie habe ich unter 6.5.15 oben Überlegungen angestellt bzw. Vermutungen geäußert. Der Randb0l-Stein wurde vom Verwalter Tufi - vielleicht in königlichen Diensten - für seine Frau Thorgunn errichtet und mit einem kurzen Vers versehen: pir stafaR munu purkunni miuk liki lifa "Diese Stäbe für Thorgunn werden sehr lange leben". Den Stein von Rims0 errichtete Thorir, der Bruder ainrafia/Enrâdes für seine gestorbene Mutter und fügt verschlüsselt den Zusatz an: "Der Tod einer Mutter ist das Schlimmste, das einem Sohn geschehen kann". Äußerst problematisch ist die Inschrift auf dem Stein von Saedinge auf Lolland, aber soviel scheint sicher, daß er von einer Frau namens Thorva für ihren Mann, der eine gesellschaftlich sehr hohe Position innehatte, gesetzt wurde. Eine Frau ist vermutlich auch an dem zweitgrößten dänischen Runenstein, dem Tirsted-Stein, beteiligt, der von zwei Personen für einen Verwandten errichtet wurde; die Schriftbänder laufen hier auf beiden Seiten in einer Triquetra aus, die als heiliges Symbol zu dieser Zeit nur noch auf dem großen Jelling-Stein belegt ist. Die Inschrift ist klar und deutlich eingehauen, scheint aber eine große Menge an Schreibfehlern zu enthalten, so daß Moltke 1985a:299 den Runenmeister als "illiterate or at any rate not a master of runic writing and copying" bezeichnet. Der Text lautet asrafiraukhiltuxxR / raisjmstain f>ansi / aftfra{>afrantisin / s i n i a n h a n u a s f>afaink / uaiRa / ianhan uarJjtauJjr a s u a / |>iau{>u aukuasfurs / ifrikisiaf>if>aaliRuikikaR und ist laut DR Sp. 263 "vanskeligst tolkelige". In der ersten Zeile ist fraglich, ob eine Binderune oder + vorliegt, m.E. ist die Frage nicht entscheidbar; im zweiten Falle hätten wir einen Frauennamen Hildvig anzusetzen (so Moltke bereits in DR), im ersten wohl einen Männernamen Hildungr. Fehler sind dem Runenmeister in den Schreibungen franti statt f r a n t a und bei der doppelten Schreibung des Possessivpronomens unterlaufen, weitere, die in den unverständlichen Partien resultieren, sind anzunehmen. Moltke 1985a:300 schlägt als Übersetzung vor: "Asrâd und Hildvig (?) errichteten diesen Stein in Erinnerung an Frede, ihren Verwandten. Und er war damals der Schrecken (fceikn) aller Männer, und er starb in Schweden und war der vornehmste in Fregges Gefolge; und dann: alle Wikinger." Vor allem der zweite Teil befriedigt nicht; meine eigenen Vorschläge haben aber natürlich auch "The problem is probably best solved like this: at some time and at some place in Denmark, before or during Harald Blacktooth's reign (but not later) there was a man - whether Danish or Swedish is more than we can say - who was keen on introducing a small alphabet reform, which would make the R-rune acrophonic in the same way as all the other runes were." (Moltke 1985a:382). "His reform may not have had monumental success - as the scarcity of = E on the rune stones suggests - but nevertheless the very fact that the examples are so scattered in time and place is some evidence for its "every day" existence" (Moltke 1985a:385f).
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nur den Charakter von Vermutungen: mit der Folge faink könnte eine Form zum Verbum aisl. fagna "sich freuen, froh sein über, jmd. willkommen heißen, jmd. gastlich aufnehmen" intendiert gewesen sein, vermutlich das Partizip feginn, in Runenorthographie immerhin als fakin möglich. Als Aussage ergäbe sich dann entweder "er war ein Freund der Männer" (!), was als Aussage auf einem Gedenkstein von den eigenen Verwandten wohl auszuschliessen ist, oder "er war ein gastfreundlicher Mensch", was sehr gut in den Kontext der Inschrift passen würde. Es folgt wohl die Aussage, daß er in Schweden starb (was auch immer damit im 10. Jhd. gemeint war), gefolgt von der neuen Aussage "und er war der Erste/Vornehmste in ...". Die zweite Rune im als friki wiedergegeben Komplex könnte eine r- oder eher eine u-Rune sein (in DR Sp. 263 sind beide Möglichkeiten angegeben), was verschiedene Interpretationsmöglichkeiten eröffnet: Liest man die Rune als fc, dann würde ich nicht an einen Namen Friggi (so Moltke) denken - man würde die Schreibung frika oder frikis erwarten -, sondern eher an eine (grammatikalisch falsche?) Dat.-Form des Adjektivs aisl. frekr "gierig, hart, streng, scharf, forsch, eifrig" - eine Schreibung friku (stark) bzw. frika (schwach) wäre dann zu erwarten, vgl. franti statt franta im ersten Teil; liest man die strittige Rune dagegen als Π. so könnte man fuiki vielleicht zu aisl.jylgi "Hilfe, Unterstützung" (der Beistab der Z-Rune wäre ausgelassen) stellen. Für den Komplex sia|>i würde ich eine Emendation sjá-[li]pi oder sjá-[l]ip[s] in Erwägung ziehen, zum Kompositum aisl. sjá-lid η. "Hilfe auf See" oder "Gefolge/ Mannschaft/ Kriegsvolk auf See". Für den gesamten Satz ergeben sich dann die folgenden Alternativen: "Er war der Erste in der (beute-)gierigen/harten/kühnen Seekrieger-Schar", was ihn als einen tapferen Mann charakterisieren würde und zu der Meldung seines Todes in Schweden passen könnte, oder "Er war der Erste in der Unterstützung von See-Mannschaften (resp. bei der "Seenothilfe")", was zu seiner bereits genannten Gastfreundlichkeit und zum Folgenden gut passen würde. Den Abschluß der Inschrift könnte der Satz pá[u] allir vikingar bilden, "es empfingen alle Wikinger/See-Krieger (gute Aufnahme o.ä.)". Ich schlage also mit aller gebotenen Vorsicht folgende Interpretation des Textes auf dem Tirsted-Stein vor: "Asraör und Hildvig (?) errichteten diesen Stein für Fraöi, ihren Verwandten. Er war ein gastfreundlicher Mensch, aber er starb in Schweden. Und er war der Erste in der Unterstützung von Seekriegern, die alle bei ihm eine gute Aufnahme empfingen." Mein Text beruht z.T. auf Emendationen, was immer fragwürdig bleiben wird, aber ohne die Annahme von Verschreibungen wird man mit dieser Inschrift wohl nicht zurechtkommen. Eine Frau hat aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Stein von Bregninge L. in Auftrag gegeben; die Inschrift ist z.T. beschädigt, aber der Text doch ziemlich eindeutig: "Àsa errichtete diesen kubl für Toke, ihren Sohn und den des Toke Haklangsson." Ihr Mann sollte aufgrund der Formulierung bereits verstorben sein, vermutlich während ihrer Schwangerschaft, was die Namensidentität von Vater und Sohn erklären würde. Man wird sich Vater und Sohn wohl als Wikinger vorstellen dürfen, die auf Beutezügen den Tod fanden.
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Der Name des Toten auf dem Stein von Gylling ist nicht erhalten, der Ausführende Toke Thorgislson scheint jedenfalls nicht aus der allerhöchsten Schicht zu stammen; auch hier finden sich orthographische Merkwürdigkeiten (risbiik?). Drei Männer scheinen an dem Stein von Virring beteiligt zu sein, der außer der Steinsetzungs-Formel noch den Zusatz pur uiki pisi kuml enthält. Der MejlbyStein stammt von Ani für seinen Sohn Eskil, der mit einem zweiten Mann auf Kriegszug oder am Öresund verstarb. Dalbyover ist partiell zerstört, ein Mann namens Tufi errichtete ihn für seinen Partner (félagi).3 Ebenfalls unvollständig ist Flejsborg, den ein Mann namens Thorkel für seinen Vater setzte. Auf dem Stein von Gunderup 1 erklärt ein Mann namens Toke, er habe Stein und Grabhügel für seinen mágr, also wohl Stiefvater, und seine Mutter errichtet und fügt hinzu: pau lika bapi i paum hauki abi uni tuka fiaR sins aft sik "Sie liegen beide in diesem Grabhügel. Abi gab dem Toke sein Geld als Erbe." Dieser Stein könnte also vielleicht mit juristischen Hintergedanken beschrieben worden sein. Ferslev 1 stammt ebenfalls von einem Mann namens Toke für seinen gestorbenen Sohn, die nachgestellte Bestimmung ("omramning") lutaris sun, die sich nur auf Toke selbst beziehen kann, beweist wohl, daß Gunderup 1 und Ferslev 1 von verschiedenen Personen in Auftrag gegeben wurden. Der Stein von Jetsmark zeigt noch keinerlei ornamentale Ansätze, die zweizeilige Inschrift bietet als Text lediglich: "Hufi errichtete diesen Stein für seine Brüder Porlaug und Hrijii", ob die Runenform jf für und das (geschriebene) h- im Anlaut von Hripi wirklich für norwegischen Einfluß spricht, wie in DR Sp. 197 vermutet, soll hier offenbleiben; hingegen spricht einiges dafür, daß auf dem Stein von Hune der gleiche Auftraggeber genannt ist wie auf Jetsmark: "Hufi, Porkell und Porbjörn setzten diesen Stein nach Runolf dem Weisen, ihrem Vater"; "de ensartede og karakteristiske skilletegn og ligheden i runeformer g0r det sandsynligt, at stenene er udgâet fra samme vaerksted" (DR Sp. 197). Porlaug, l>orkell und Porbjörn wären dann ein Beispiel für die z.B. auf Island belegte Form der Namenvariation, allerdings ergibt sich dann der Widerspruch, daß vom Text her Jetsmark einige Jahre jünger sein sollte als Hune, dieser jedoch von der Schriftanordnung auf dem Stein einen moderneren Typ repräsentiert. Der Stein von Fars0 bietet gleichfalls nur die nackte Formel "Tosti und Asbjörn errichteten diesen Stein nach ihrem Bruder Tove"; von der
Die Inschrift endet mit der Apposition fustra Jiurkiius, die wohl auf den Gestorbenen zu beziehen ist; DR Sp. 163 geben den Männernamen Jiorgnyr (nur hier belegt) oder den Frauennamen Thorgny wieder, ebenso Moltke 1985a:522 mit Fragezeichen. Die Orthographie fiurkmis könnte aber auch als porknuts wiedergegeben werden, so daB- man einen (sonst unbelegten) Männemamen erhielte. Bemerkenswert wäre dann allenfalls noch, daß- sich der Sponsor Tufi als kitu sun bezeichnet, also nach seiner Mutter benannt wurde. DR Sp. 197 und Moltke 1985a:528 geben als Umschrift Jnirbiurn wieder; meine eigene Untersuchung ergab die Möglichkeit einer Binderune Π , wobei die Bindung zwischen und auch zufallig sein kann; wir haben somit hier ein weiteres Beispiel für die Regelung, das «-Umlaut-Produkt mittels Digraph bzw. Ligatur wiederzugeben.
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Ausblick auf die Entwicklung im 10. Jahrhundert
Textanordnung her sollte er etwa gleichzeitig mit Hune sein, wie dieser hat er einige orthographische Nachlässigkeiten (stni = stin auf Hune, rspu auf Fars0). Den Stein von Klejtrup (Neufund von 1978) sollte man eigentlich korrekter Klejtrup 2 benennen, da er nur den zweiten Teil der Gesamtinschrift bietet: "und nach Amundi, seinen Enkel"; der Anfang der Inschrift muß sich auf einem anderen Stein befunden haben, der noch nicht wiedergeftinden ist (oder abtransportiert bzw. zerstört wurde). Der Stein von Tâgerup auf Lolland schließlich wurde von den namentlich nicht genannten Söhnen Eysteins für ihren Bruder errichtet, von dem außerdem gesagt ist, er habe zur Schiffsmannschaft eines Mannes namens Asbjörn mit dem Beinamen "Schnabel" gehört; auch hier ist dem Runenmeister zunächst ein Fehler unterlaufen, das Demonstrativum pansi wurde von ihm zunächst ausgelassen und nachträglich unter stain und aft hinzugefügt. Vergleichbare Inschriften finden sich im 11. Jhd. dann auf der überwiegenden Zahl der Runensteine. Grindsted und Egtved sind nur fragmentarisch erhalten und ermöglichen keine Aussage über ihren ursprünglichen Text. Die meisten der anderen oben kurz aufgeführten Steine sind von ihrem Text her noch weitgehend als individuell zu bezeichnen: sie enthalten neben der sich etablierenden Formel (so ohne irgendeine Ergänzung auf Jetsmark und Hune) persönliche, bisweilen sehr persönliche Zusätze (etwa auf Randb0l oder Rims0) - die es zwar in den Inschriften des 11. Jhds. auch noch bisweilen gibt, die aber nicht zur "Standard-Ausführung" gehören. Die dänischen Inschriften der Jelling-Periode dokumentieren wohl deutlich, wie schnell sich das Errichten von Gedenksteinen für Gestorbene gegen Ende des 10. Jhds. zu einer Modeerscheinung entwickelt, die sich zusammen mit typisch dänischen Runenformen von Dänemark aus ebenso schnell nach Schweden und Norwegen ausbreitet; Erbrechtsfragen könnten dabei eine Rolle gespielt haben, vielleicht auch eine allgemeine größere finanzielle Potenz der Einwohner in der Endphase der Wikingzüge, der Etablierung von Kirche und Königsherrschaft. Hier sehe ich den größten Bedarf für weitere Forschung, die zu genaueren Erkenntnissen in den verschiedensten Bereichen: Schrift- und Sprachgeschichte, dialektale Grenzen, ökonomische und soziale Verhältnisse, Rechtsformen und deren Entwicklung, Handelswege, und vieles anderes mehr, führen können.
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Tafelteil Tafel 1: Fibel von Udby (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 2: Lanzenspitzen von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 3: Schildhandgriff 1 von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 4: Schildhandgriff 2 von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 5: Schildhandgriff 3 von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 6: Hobel von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 7: Ortband von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 8: Hornbeschlag A von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 9: Hornbeschlag Β von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 10: Stein von Roes (ATA Stockholm) Tafel 11: Perle von Lousgârd A (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 12: Perle von Lousgârd Β (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 13: Schädelknochen von Ribe (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 14: Spange von Skabersjö (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 15: Spange von Âlborg (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 16: Amulett von Hemdrup A und Β (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 17: Feuerstahlhandgriff von Illerup (Nationalmuseet K0benhavn) und Bronzekessel von Kaupang (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 18: Eimer von Oseberg (Oldsaksamlingen Oslo) und Stange von Oseberg (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 19: Bronzekessel von Gokstad Α + Β (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 20: Kamm von Haddeby (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 21: Messerschaft von Lindholm A und Β (Nationalmuseet K0benhavn) Tafel 22: Stein von Rävsal (ATA Stockholm) Tafel 23: Stein von Rävsal (ATA Stockholm) Tafel 24: Stein von Hoga (ATA Stockholm) Tafel 25: Stein von Skee a, b, c und d (ATA Stockholm) Tafel 26: Stein von Valby (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 27: Stein von Bj0rneby (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 28: Stein von Oddernes A (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 29: Stein von Oddernes Β (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 30: Stein von Gims0y (Oldsaksamlingen Oslo) Tafel 31: Steinfragment von Eikeland (Bergen Museum) Tafel 32: Felsritzung von Ingelstad (ATA Stockholm) Tafel 33: Bildstein von Tjängvide (ATA Stockholm) Tafel 34: Bildstein von Lokrume (ATA Stockholm) Tafel 35: Stein von Oklunda (ATA Stockholm)
Tafel 1
Fibel von Udby (Nationalmuseet Kebenhavn)
Tafel 2
Lanzenspitzen von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 3
Schildhandgriff 1 von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 4
Schildhandgriff 2 von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 5
Schildhandgriff 3 von Illerup (Nationalmuseet Kebenhavn)
Tafel 7
Ortband von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Hornbeschlag A von Ulerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 9
Hornbeschlag Β von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 10
Stein von Roes (ATA Stockholm)
Perle von Lousgârd A (Nationalmuseet Kabenhavn)
Tafel 12
Perle von Lousgârd Β (Nationalmuseet Kebenhavn)
Tafel 13
Schädelknochen von Ribe (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 14
Spange von Skabersjö (Nationalmuseet Kabenhavn)
Tafel 15
Spange von Âlborg (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 16
Amulett v o n H e m d r u p A und Β (Nationalmuseet K o b e n h a v n )
Tafel 17
m
J) τ
Feuerstahlhandgriff von Illerup (Nationalmuseet Kobenhavn)
Bronzekessel von Kaupang (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 18
Eimer von Oseberg (Oldsaksamlingen Oslo)
Stange von Oseberg (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 19
Bronzekessel v o n G o k s t a d Α + Β (Oldsaksamlingen Oslo)
Kamm von Haddeby (Nationalmuseet Kobenhavn)
Α
Β
Messerschaft von Lindholm A und Β (Nationalmuseet Kobenhavn)
Tafel 22
Stein von Rävsal (ATA Stockholm)
Tafel 23
Stein von Rävsal (ATA Stockholm)
Tafel 24
Stein von Hoga (ATA Stockholm)
Tafel 25
Stein von Skee A, B, C und D (ATA Stockholm)
Tafel 26
Stein von Valby (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 27
Tafel 28
Stein von Oddernes A (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 29
Stein von Oddernes Β (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 30
Stein von Gimsoy (Oldsaksamlingen Oslo)
Tafel 31
Steinfragment von Eikeland (Bergen Museum)
Tafel 32
Felsritzung von Ingelstad (ATA Stockholm)
Tafel 33
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Bildstein v o n T j ä n g v i d e (ATA Stockholm)
Tafel 34
Bildstein von Lokrume (ATA Stockholm)
Tafel 35
Stein von Oklunda (ATA Stockholm)