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German Pages [296] Year 1981
Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 44
KRITISCHE STUDIEN ZUR GESCHICHTSWISSENSCHAFT
Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Hans-Ulrich Wehler
Band 44 Hannes Siegrist Vom Familienbetrieb zum Managerunternehmen
G Ö T T I N G E N · V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T · 1981
Vom Familienbetrieb zum Managerunternehmen Angestellte und industrielle Organisation am Beispiel der Georg Fischer A G in Schaffhausen 1797-1930
von
H A N N E S SIEGRIST
GÖTTINGEN · VANDENHOECK & RUPRECHT
1981
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen Bibliothek
Siegrist, Hannes: Vom Familienbetrieb zum Managerunternehmen: Angestellte u. industrielle Organisation am Beispiel d. Georg Fischer AG in Schaffhausen 1797-1930 / von Hannes Siegrist. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1981. (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 44) ISBN 3-525-35702-8 NE: G T
© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. - Bindearbeit: Hubert & Co., Göttingen
Inhalt Vorwort
9
Einleitung
11
TEIL 1 : Vom Handwerksbetrieb zum 500-Mann-Unternehmen 1797-1895
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I. Die Schaffhauser Werkstätten und die Unternehmungen Johann Conrad Fischers 1797-1854 II. Die Reorganisation der Schaffhauser Werke (1855-1862) und der Ausbau der Fabrik unter Georg Fischer 11(1862-1887) III. Die Entwicklung zum 500-Mann-Unternehmen unter Georg Fischer III bis zur Gründung der Aktiengesellschaft (1887 bis 1895) TEIL 2 : Wirtschaftlicher Aufschwung und Expansion 1896-1913
I. Die Entwicklung der Leitungsstruktur und das Funktionieren der Leitung in den ersten Jahren der „ A G der Eisen- und Stahlwerke von Georg Fischer" (1896-1902) IL Die ,Herrschaft der Manager' - Die Unternehmensleitung von 1902-1913 III. Die Rationalisierung von Verwaltung und Fabrikation und der Ausbau der Betriebe bis zum Ersten Weltkrieg rV. Ingenieure und Techniker - Die Entwicklung des technischbetrieblichen Leitungsapparates als Funktions- und Autoritätssystem V. Aspekte der sozialen Lage, der Lebensgestaltung und des Bewußtseins der technischen Angestellten VI. Die Meister VIL Expansion und Differenzierung der Verwaltung - Die kaufmännischen Angestellten vor 1914 TEIL 3: Das Großunternehmen in einer instabilen Umwelt 1914 bis 1929. Kriegskonjunktur, Krise, StabiUsierung und Expansion 1. Machtverschiebungen in der Unternehmensspitze und die Gestaltung der Leitung im Konzern-Unternehmen
20 27 34 46
48 62 75 90 107 119 131 146 148
п . Die Entwicklung der Betriebe - Kriegsprobleme und Rationalisierungsbewegung III. Expansion und Rationalisierung des Verwaltungsapparates Entwicklung und Zusammensetzung der Angestelltenschaft IV. Aspekte der sozialen Lage der Angestellten - Karrierechancen und Einkommensentwicklung V. Bewußtsein und Verhalten der Angestellten in der Nachkriegszeit Schluß
159 170 182 189 204
Anhang 1.1 Zahlen zur Unternehmensentwicklung 2.1 Unternehmenstyp, Rechtsform und Beschäftigte der zehn personalmäßig größten schweizerischen Unternehmen der Maschinen- und Metallindustrie im Jahre 1905 2.2 Intensität der Sitzungstätigkeit des Verwaltungsrates 2.3 Teilnahme von leitendem Personal an den Sitzungen der Arbeiterkommission 1898-1928 3.1 Beschäftigte in Singen und Schaffhausen 3.2 Angestellte und Arbeiter von G F (Schaffhauser Stammbetriebe) 3.3 Angestellte in der Schweiz und in der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie nach den Betriebszählungen von 1905 und 1929 . 4.1 Vorbemerkungen zur Angestelltenanalyse und Verzeichnis der Kategorien 4.2 Zusammensetzung der Angestelltenschaft nach technischer und kaufmännisch-verwaltender Tätigkeit 4.3 Die Angestellten nach ihrer Ausbildung 4.4 Verteilung auf Funktions- bzw. Autoritätsstufen 4.5 Meister 1910/1911 4.6 Die Verteilung der Angehörigen ausgewählter Qualifikationsgruppen auf die Dienstaltersstufen (1920, 1929) 5.1 Die Entwicklung der Durchschnittsgehälter der Angestellten 1913-1929 6.1 Kaufmännische Angestellte von G F und ihre Mitgliedschaft im KV Schaffhausen 6.2 Die Mitgliederzahlen der STV-Sektion Schaffhausen 1907-1935
211
212 213 214 215 216 217 217 220 221 222 223 225 226 229 230
Abkürzungsverzeichnis
231
Anmerkungen
233
Quellen- und Literaturverzeichnis
279
Sachregister
287
6
Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder im Text Tabellen 1. Die Beschäftigten in der Zeit von Georg Fischer II 2. Die Beschäftigten von GF 1887-1896 3. Eintritte und Austritte im GF-Verwaltungsrat nach der tatsächlichen Amtszeit 4. Alter und Dienstalter bei Winterthurer Meistern und Kontrolleuren in der Maschinenindustrie 1903 5. Die Techniker der STV-Sektion Schaffhausen nach Fachrichtung und Status im Jahre 1912 6. Verhältnis Meister und Arbeiter in den verschiedenen Fabrikationsbetrieben 7. Merkmale der Meister im Werk Birch 1911 8. Differenzierung der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten nach Funktionsstatus im Jahre 1900 . . 9. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates 1916-1923 10. Entwicklung der Angestelltenschaft in den Schaffhauser Stammbetrieben 1913-1929 11. Verteilung der Angestellten auf drei Oberbereiche 12. Qualifikation der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten 13. Verteilung der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten auf vier Funktionskategorien .. 14. Der Zusammenhang zwischen Qualifikation und Autoritätsstatus (Leitende, Nichtleitende) bei den kaufmännisch-verwaltenden Angestellten 15. Kontrollspanne in der Unternehmensverwaltung 16. Frauenarbeit im Büro 17 Die Qualifikation der technischen Angestelltenschaft von GF 18. Die Zusammensetzung der technischen Angestelltenschaft nach Funktionen 19. Differenzierung der technischen Angestellten nach direkt arbeitsleitenden bzw. nichtleitenden Funktionen 20. Prozentualer Anteil der Ingenieure bzw. Techniker mit direkten Autoritätsbefugnissen (Vorgesetztenfunktion) an sämtlichen Angehörigen der entsprechenden Qualifikationsgruppe 21. Das Verhältnis zwischen Angestelltenpersonal und Arbeiterschaft in den einzelnen Betriebszweigen und bei der Maschinenfabrik Rauschenbach 22. Firmenangehörige mit weniger bzw. mehr als zehn Dienstjahren bei GF 1925 23. Prozentuale Verteilung der Angestellten nach Dienstaltersgruppen (1920 und 1929)
31 36 71 94 114 122 123 139 153 170 173 174 174 175 175 176 177 177 178
178 179 180 181
24. Wechsel in der Angestelltenschaft und beim Arbeiterpersonal in den Zwanzigerjahren 25. Anteil der Aufsteiger am Stichjahres-Sample für 1920 26. Die Dienstaltersstruktur bei den Meistern (1920 und 1929) 27. Gehalts-und Lohnstruktur bei G F 1919 28. Zeitpunkt des Verbandsbeitritts der GF-Angestellten, die 1920 dem KV angehörten 29. Techniker in höherer Stellung in der Region Schaffhausen und ihre Zugehörigkeit zur STV-Sektion Schaffhausen
181 183 184 188 196 199
Schaubilder 1. 2. 3. 4.
Organisation der Geschäftsleitung Ende 1902 Organisation der Leitung 1899 und 1900 Leitungsstrukturabl908 Entwicklung der Angestellten- und Arbeiterzahlen vor dem Ersten Weltkrieg 5. A G der Eisen-und Stahlwerke vorm. Georg Fischer 1930 6. Geschäftsleitung gemäß Reglement vom 26.9.1921 7. Die reale Entwicklung der Durchschnittsgehälter verschiedener ausgewählter Gruppen der GF-Angestelltenschaft und der Arbeiter
64 65 69 90 147 152 187
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist eine umgearbeitete Fassung meiner Dissertation, die 1976 von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich angenommen wurde. Die Dissertation entstand im Rahmen eines breit angelegten studentischen Forschungsprojektes über die Georg Fischer AG (GF) in Schaffhausen, aus dem auch zwei weitere Arbeiten hervorgingen: Rudolf Vetterli behandelte die betriebliche Situation der Arbeiter, das Arbeiterbewußtsein und die Probleme der gewerkschaftlichen Organisierung bei GF^. Adrian Knoepfli untersuchte die Konzernbildung, die Kartellpolitik und die Finanzierungsprobleme des Unternehmens^. Die drei Arbeiten ergeben zusammen eine vollständige Darstellung der Unternehmensentwicklung; gleichzeitig bilden sie thematische Fallstudien, die über das behandelte Unternehmen hinausweisen. Ich danke Professor R. Braun, der die Dissertation betreute, für seine Anregungen, seine Geduld und seine Großzügigkeit. Den Professoren J. Kocka und W. Fischer danke ich für ihre wertvollen Ratschläge. Meinen Freunden, Studien- und Arbeitskollegen R. Vetterli, A. Knoepfli und M. König danke ich für vielfältige Anregungen, Kritiken und ein gutes, kooperatives und freundliches Arbeitsklima. Die Arbeit wäre undenkbar ohne das Archiv von GF, das uns dank der Großzügigkeit der Firmenleitung offenstand. Einen großen Dank schulde ich besonders unserem verständnisvollen und hilfreichen Führer durch die Archiv-Unterwelt, Herrn Ing. O. Merz, aber auch all jenen Angestellten, die mir in irgendeiner Weise behilflich waren. Für einen Druckkostenzuschuß danke ich der Georg Fischer AG.
Einleitung
Mit der Industrialisierung entstand eine neue Organisationsform der Arbeit: das Fabrikunternehmeni. Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der Herausbildung und Fortentwicklung dieser Institution. Sie konzentriert sich auf Probleme der sozialen, organisatorischen und technischen Gestaltung und Leitung von Unternehmen und Betrieben: Wie und durch wen wurden Arbeitsteilung und Arbeitsabläufe festgelegt? Wie entstanden und entwickelten sich bestimmte Zu-, Über- und Unterordnungsverhältnisse? Wie wurden Kompetenzen und Beziehungen geregelt, und welche Kommunikations-, Koordinations- und Kontrollmechanismen sorgten für einen günstigen Arbeitsablauf? Mit welchen Methoden wurden die Leistungen erfaßt und bewertet? Wie erfolgten Rekrutierung, Qualifizierung, Motivierung oder Disziplinierung von Arbeitskräften? Wer gehörte zum Leitungs- und Verwaltungsapparat des wachsenden, immer komplexer werdenden Unternehmens, und welches waren die Funktionen, Vorstellungen und Verhaltensweisen des Leitungs- und Verwaltungspersonals? In den letzten Jahren haben einige britische, nordamerikanische und deutsche Wissenschaftler gezeigt, wie bedeutungsvoll die Organisationsund Managementproblematik in den früheren Perioden der Industriegesellschaft waren. Teilweise wurden diese Forschungen durch Erfahrungen mit Schwierigkeiten bei der Industrialisierung in heutigen Entwicklungsländern angeregt^, teilweise durch die neuere betriebswissenschaftliche und industriesoziologische Literatur^. S. Pollard untersucht in ,,The Genesis of Modern Management'"· die Frage, mit welchen Kenntnissen und Methoden die britischen Unternehmer und Manager der Frühindustrialisierung ihre Betriebe leiteten. R. Bendix erforscht in ,,Herrschaft und Industriearbeit"® international und intertemporal vergleichend Managementmethoden und -Ideologien, die das Verhältnis der Leitung zum Arbeiter betreffen. J . Kocka thematisiert in verschiedenen Studien® den ganzen Fragenkomplex von industrieller Organisation, Verwaltung und Angestelltenschaft in Deutschland, wobei er unter anderem feststellt, daß bestimmte Phänomene auf spezifisch deutsche Entwicklungseigenarten und Traditionen zurückzuführen sind. A. D . Chandler, ein herausragender Vertreter unter jenen amerikanischen Wirtschaftshistorikern, die ,,business history" als ,,institutional history" betrachten'', hat in ,,Strategy and Structure"® sowie in ,,The Visible Hand"® den Zusammenhang von Expansionsstrategien, Organisationsstruktur, Managementtechniken und Rolle der Manager in amerikani11
sehen Großunternehmen untersucht. Für die Schweiz wären die Arbeiten von R. Braun zu Aspekten der Managementproblematik in der Zürcher Oberländer Baumwollindustrie zu пеппеп^". Im übrigen enthalten Unternehmensmonographien und Firmenfestschriften mitunter Hinweise auf die Entwicklung von Organisation, Managementmethoden und Angestelltenschaft, allerdings meist in unsystematischer Weise, das Besondere betonend und das Allgemeine ignorierend^^. Den Kern der vorliegenden Arbeit bildet eine Fallstudie über Organisation, Management und Angestelltenschaft der Eisen- und Stahlwerke Fischer (im folgenden als GF abgekürzt) in der schweizerischen Grenzstadt Schaffhausen am Oberrhein. Die Pole der darzustellenden historischen Entwicklung sind a) die Kupferschmiede- und Gießerei-Werkstätte, die der zünftige Handwerksmeister J. C. Fischer 1797 von seinem Vater übernahm, und b) das moderne Gießerei-Großunternehmen von 1930, das, auf mehrere Betriebe und Verkaufsfilialen verteilt, über sechstausend Beschäftigte zählte; 2500 Arbeiter und fünfhundert Angestellte arbeiteten nunmehr allein in den Schaffhauser Stammbetrieben. Wie, warum und in welchen Schritten entwickelte sich in diesen hundertdreißig Jahren die Organisation des Unternehmens, der Betriebe, der Verwaltung und der Leitung? Wer waren die Unternehmer und die Angestellten in Leitung und Verwaltung, wie arbeiteten sie, was dachten sie, wie verhielten sie sich, worin unterschieden sie sich von den Arbeitern? Welche Managementmethoden (Personalbehandlungsstile, Motivationstechniken, Steuerungssysteme usw.) kamen unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen zur Anwendung? Die breitgefächerte Fallstudie über GF soll indessen mehr sein als eine individualisierende Unternehmensgeschichte; es sollen von den Begriffen wie von den Fragestellungen her die Grundlagen für den Vergleich mit anderen Unternehmen geschaffen und die Resultate in größere Erklärungszusammenhänge gestellt werden. Die exemplarische Studie über GF wäre also, durch Informationen und Materialien aus anderen Unternehmen und Zusammenhängen ergänzt, als Beitrag zu einer Geschichte der industriellen Organisation, des Managements und der Angestelltenschaft in der schweizerischen Industrie zu betrachten. Gerade von dieser Absicht her dürfte es sinnvoll sein, die interessierenden Themen am Falle eines metallindustriellen Unternehmens zu untersuchen, denn vergleichbare amerikanische, britische und deutsche Forschungen weisen darauf hin, daß anspruchsvollere Organisations- und Managementmethoden zuerst in den (Groß-)Unternehmen der Metall- und Maschinenindustrie aufkamen^^. Verallgemeinerungen der Resultate sind dort möglich, wo trotz des bescheidenen Forschungsstandes der schweizerischen Industriegeschichte eine empirische Vergleichsbasis vorhanden ist. Die nachfolgenden Überlegungen sollen klären, in welche Richtungen und in welchem Rahmen die Resultate der Fallstudie verallgemeinerbar sind. GF entwickelte sich in einer alten eisenindustriellen 12
Region, in Meinstädtisch-halbländlicher Umgebung, aus zünftisch-handwerklichen Verhältnissen heraus. Die Firma ist nicht wie z. B. die SIG in Neuhausen oder die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur als große Kapitalgesellschaft gegründet worden; sie hat ihre Ursprünge auch nicht in den Reparaturwerkstätten von Textilunternehmen wie die Firmen Rieter in Winterthur/Töss oder Honegger in Rüti; sondern sie entwickelte sich sehr ähnlich wie die Maschinenfabrik Sulzer in Winterthur aus handwerklich-zünftischen Verhältnissen heraus^^. Wie bei den anderen schweizerischen Metall- und Maschinenbauunternehmen war ihr Aufschwung zuerst an die Expansion der Textilindustrie und der Eisenbahn gekoppelt, später zunehmend an den Export gebunden. Als Eisen- und Stahlgießerei mit Metallbearbeitungsabteilungen lieferte GF einerseits ,Kundenguß' aller Art, d. h. bestellte Spezialprodukte in Einzel- oder Kleinserienfertigung, andererseits Massengüter wie Spindeln und Feilen, später vor allem Fittings (Röhrenverbindungsstücke). Wir können deshalb bei diesem Unternehmen gleichzeitig die je spezifischen Probleme der Herstellung und Vermarktung von Spezialgütern wie von Massenartikeln studieren. Die Probleme der Fabrikation und Vermarktung eines differenzierten Sortiments von einzeln oder kleinserienmäßig gefertigten Produkten waren zu einem beträchtlichen Teil auch die Probleme der (schweizerischen) Maschinenindustrieunternehmen, mit denen GF nicht nur als Großlieferant von Teilen sehr eng verbunden war, sondern auch durch den formellen und informellen Austausch von Mitgliedern der Leitung, von kaufmännischem und technischem Personal, von technischen Kenntnissen, Managementwissen und Organisationserfahrung. Die Massenfabrikation und -Vermarktung von Fittings konfrontierte GF ganz allgemein mit ähnlichen Problemen, wie sie auch andere Massenproduzenten, z. B. in der schweizerischen Textil- oder Uhrenindustrie kannten; d. h. mit dem Management von Betrieben mit relativ gering qualifiziertem Personal und mit der Schaffung einer über den beschränkten einheimischen Markt hinausreichenden Vertriebsorganisation^'·. Ziemlich unmittelbar bei den Massenartikeln und etwas weniger direkt bei den Spezialgütern teilte GF die Probleme der schweizerischen Exportindustrieunternehmen. Schweizer Unternehmen konnten von einer gewissen Größe an wegen der Enge des einheimischen Marktes selbst bei breiter Diversifikation ohne ein internationales Engagement kaum mehr expandieren. Es ist eine der Fragen dieser Arbeit, wie weit durch diese Konfrontation mit der internationalen Konkurrenz in den schweizerischen Unternehmen organisatorische, soziale und technische Anpassungsstrategien ausgelöst wurden. GF ist eines der ältesten schweizerischen Fabrikunternehmen und zählte seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts stets zu den größten metallindustriellen Firmen der Schweiz. Mit einem Aktienkapital von zehn Millionen, einem ObUgationenkapital von sechseinhalb Millionen Franken sowie über viertausend Beschäftigten hätten die Eisen- und Stahlwerke Fischer 13
vor dem Ersten Weltkrieg auch einen Platz unter den fünfzig größten deutschen Metallunternehmen eingenommen^®. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Region Schaffhausen war in einem nicht unbeträchtlichen Maße von der Entwicklung dieser Gießerei-Großunternehmung abhängig!®. GF hatte somit in der Region Schaffhausen eine ebenso dominierende Rolle, wie sie in Baden Brown Boveri, in Arbon Saurer oder in Uzwil Bühler zukam. - GF war als Familienunternehmen gegründet worden, verlor aber schon relativ früh, um 1900, den Charakter eines Familienunternehmens. Damit ist GF aber durchaus kein untypischer Fall unter den größten schweizerischen Metall- und Maschinenindustrieunternehmen. Etwa die Hälfte der fünf bzw. zehn größten Metallunternehmen waren im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht mehr als Familienunternehmen zu bezeichnen^''. Neben den großen Familienunternehmen wie Sulzer, Bühler oder Saurer, in denen auch noch die alltägliche Oberleitung in den Händen von Familienmitgliedern lag, existierte bereits eine gewisse Anzahl von Managerunternehmen, die von .angestellten Unternehmern' (Managern) geleitet und durch beteiligte Banken, Industrieunternehmen oder Aktionäre mehr oder weniger gesteuert oder beeinflußt wurden; so z. B. die schon als Kapitalgesellschaften gegründeten SIG und die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik, die nach der Jahrhundertwende in den Machtbereich von Banken geratene Georg Fischer AG, oder die zuerst von Banken, ab 1906/07 vom deutschen FeltenGuilleaume-Konzern kontrollierte Escher-Wyss AG^®. Die Besitz- und Leitungsverhältnisse in mittleren oder kleinen Unternehmen sowie in anderen Branchen waren zweifellos verschieden von denen der Spitzengruppe der Metallunternehmen, was vermutlich auch Konsequenzen für den dort praktizierten Managementstil hatte. Am Beispiel der Entwicklung von GF - vom kleinen Handwerksunternehmen zum Großunternehmen sowie vom Familien- zum Managerunternehmen - sollten sich die komplexen Zusammenhänge von Besitz-, Verfügungs- und Leitungsverhältnissen einerseits, und industrieller Organisation und Management andererseits darstellen und analysieren lassen. Die Fallstudie über ein Unternehmen mit den Hauptbetrieben in der Grenzstadt Schaffhausen und Filialen in Deutschland kann schließlich zur Klärung der Frage beitragen, ob es einen ,schweizerischen Betriebsstil' gab, der sich in verschiedenen Beziehungen z. B. vom ,deutschen Betriebsstil' abhob. Fragen wir uns schließlich, was die Fähigkeit, die Produktion und Verteilung effizient zu organisieren, zu leiten und zu verwalten, für die Unternehmen eines Landes bedeutete, das zwar zu den ersten Industrienationen gehörte, aber kaum über eigene Rohstoffe und nur über kleine Binnenmärkte verfügte. Waren nicht gerade in einem solchen Fall die Management- und Organisationsfähigkeiten besonders wichtig? - Harbison und Myers haben als ein Resultat ihrer Studien über historische und aktuelle Industrialisierungsprozesse hervorgehoben, daß das ,Management' 14
geradezu als vierter Produktionsfaktor neben Arbeit, Kapital und Rohstoffen gelten müßte^®. Man kann m. E. nun allerdings das Management in einem historisch jeweils konkret zu bestimmenden Ausmaß wichtig finden, ohne daraus gleich einen ,neuen' Produktionsfaktor zu machen. Das Managementwissen soll hier als Dimension von Arbeit betrachtet werden. Die Management- und Organisationsfähigkeiten verteilen sich auf die verschiedenen Stufen des technischen und kaufmännischen Leitungs- und Verwaltungsapparates. Die Mitglieder dieser Hierarchien, vom kaufmännischen Direktor bis zum Bürovorsteher, vom technischen Leiter bis zum Meister, verfügen über ein je spezifisches, durch formelle Qualifikation oder Erfahrung erworbenes, theoretisches und praktisches Wissen, das bei der Gestaltung und Leitung der Arbeit relevant wird. Wir können nun vermuten, daß im Falle von Großunternehmen der schweizerischen Metallindustrie, denen die Rohstoffe relativ schlecht zugänglich waren, dieses Managementwissen ebenso wichtig war wie das technologische Wissen, das Können der Facharbeiter oder das eingesetzte Kapital. Es ist deshalb erstaunlich, daß in der schweizerischen Wirtschaftsund Sozialgeschichte der ,Faktor' Management weitgehend unbeachtet blieb. Nur in wenigen Stereotypen der traditionellen Unternehmergeschichte wird auf diese Fähigkeiten Bezug genommen^"; so im Bild des ,organisierenden Exportpioniers' und in der Figur des mitbürgerlich eingestellten, sozial integrativen (patriarchalischen) Unternehmers. Fehlte den Historikern das Bewußtsein für die Wichtigkeit der Organisations- und Managementprobleme in der Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte? Oder haben sich die von der Historiographie vor allem beachteten Unternehmer gar nicht so sehr mit innerunternehmerischen und innerbetrieblichen Leitungs-, Verwaltungs- und Organisationsproblemen beschäftigt? Mir scheint beides zuzutreffen. Einerseits interessierte sich eine stark liberalistisch eingefärbte Wirtschaftsgeschichte mehr für die .gestaltende Persönlichkeit' als für die .Organisation'. Andererseits haben sich gerade die von den Historikern beachteten Großunternehmer im Laufe der Zeit immer weniger mit Managementaufgaben beschäftigt. Diese Funktionen wurden den leitenden und verwaltenden Angestellten übertragen, die zu den eigentlichen Gestaltern und Trägern des Managements wurden und von daher ihre ganz besondere Rolle und Bedeutung in der Geschichte der Industriegesellschaften erhielten. Sowohl die Gestaltung wie das Funktionieren von Strukturen und Prozessen hing vermehrt von der Qualität der Angestellten eines Unternehmens ab, deren Geschichte für den Fall der Schweiz noch zu schreiben ist^'. In der vorliegenden Untersuchung finden verschiedene Theorien und Konzepte in einem heuristischen Sinne Verwendung, von denen vorerst nur die allgemeinsten kurz skizziert werden sollen. - Soziologisch können wir ein Unternehmen als eine Organisation begreifen, die eine- auf bestimmte Ziele hin konzipierte Struktur hat^^. Mit Struktur ist dabei ,,eine verhältnis15
mäßig dauernde Anordnung von Teilen zu einem Ganzen"^^ gemeint; interessant sind sowohl die Merkmale der einzelnen Teile wie auch die Beziehungen dieser Elemente zueinander. Elemente einer Struktur sind im Falle eines Fabrikunternehmens z. B. die verschiedenen Funktions- oder Autoritätspositionen, die Abteilungen oder die Betriebe (als soziotechnische Mensch-Maschinen-Strukturen). Die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen sind mehr oder weniger durch Regeln festgelegt, d. h. formalisiert. Eine Struktur hat eine gewisse Flexibilität, die ihr erlaubt, Aufgaben innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu lösen, ohne daß Elemente oder die Beziehungen zwischen den Elementen geändert werden müssen. Veränderungen der Organisationsstruktur erfolgen wegen neu eingetretener Tatsachen oder im Hinblick auf künftige Entwicklungen. Die Faktoren, die die Veränderung auslösen, können wir analytisch in innerorganisatorische und außerorganisatorische scheiden. Innerorganisatorische Faktoren wie Kommunikations-, Koordinations- und Kontrollprobleme, technisches Ungenügen von Anlagen, ,störende' Verhaltensweisen und Vorstellungen von Individuen und Gruppen können beispielsweise eine Änderung des Arbeitsablaufs oder des Leitungsstils hervorrufen. Andererseits können außerorganisatorische Entwicklungen in ,,Umweltbereichen''^"* des Unternehmens, z.B. auf den Kapital-, Rohstoff-, Arbeits- und Absatzmärkten, in Gewerkschaften, Verbänden, Parteien, Behörden, Justiz, Ausbildungswesen, Medien, Außenpolitik usw. als Auslöser für eine Strukturveränderung wirken. Selbstverständlich kann ein Unternehmen auch dazu tendieren, seine Strukturen möglichst nicht zu verändern, indem es versucht, unerwünschte bzw. unberechenbare Entwicklungen zu vermeiden oder unter Kontrolle zu halten. In diese Richtung wirken etwa die Entlassung von Gewerkschaftsaktivisten oder die Kartellierung von Märkten, ein langfristiger Vertrag mit Gewerkschaften, die Mitwirkung in den Fachschulbehörden u. ä. - Die Untersuchung der industriellen Organisation soll sich indessen nicht allein an einem strukturell-funktionalistischen Frageraster orientieren. Vielmehr sollten die Beziehungen zwischen den in das Unternehmen eingebundenen Menschen in den verschiedensten Aspekten konkret und auch aus der Perspektive der Handelnden dargestellt und mehr phänomenologisch untersucht werden^®. Mit diesem Ansatz lassen sich zusätzlich interessante Hinweise für die übergreifende Fragestellung gewinnen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen Strukturen und Praktiken geschaffen, beibehalten, revidiert und aufgegeben wurden. Eine ausreichende Erklärung für das Ausbleiben oder Zustandekommen von Strukturveränderungen liefern die inner- bzw. außerorganisatorischen Faktoren allein noch nicht. Wie, wann und warum derartige Faktoren einen strukturellen Wandel bewirken, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sie von den Entscheidungsträgern (,,decision makers"^®) einer Organisation wahrgenommen und beurteilt werden. Diese Entscheidungsträger orientieren 16
sich bei ihren Beschlüssen im weitesten an wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Überlegungen, stets aber auch mehr oder weniger bewußt am bisher Vorhandenen, an bestimmten Managementmustern, Organisationsleitbildern, technologischen Konzepten und Menschenbildern; oder sie lassen sich durch ethisch-moralische Prinzipien, Daumenregeln des Alltags, Erfahrung oder gruppendynamische Mechanismen beeinflussen. Anhand der Darstellung und Analyse von Entscheidungsprozessen auf verschiedenen Stufen sollte es sich zeigen lassen, wie die Leiter (vom Unternehmer bis zum Meister!) eines kapitalistischen Wirtschaftsunternehmens unter immer wieder neuen Bedingungen lernten, jene Lösungen zu finden, die Unternehmensautonomie, Rentabilität, technische Effizienz und Herrschaft sicherten. Eigene oder fremde Erfahrungen verfestigten sich auf der jeweiligen Entwicklungsstufe in Regeln, Satzungen oder Wissen (z. B. Managementwissen), das als Grundlage für die Wahrnehmung und Interpretation neuer Erfahrungen diente oder versagte. Unternehmensgeschichte wird somit nicht - wie in den Firmenfestschriften üblich - als Erfolgsbilanz, sondern als Bilanz des Lernens verstanden^'. Als Entscheidungsträger interessieren uns sowohl die Unternehmer wie die Manager oder die Angestellten. Gemäß einer funktionalen Definition treffen die Unternehmer resp. die Inhaber von Unternehmerfunktionen die weitreichendsten Entscheidungen: sie formulieren die Unternehmensziele, planen und bestimmen den Einsatz der Ressourcen, beschließen Investitionen, bewerten die Gesamtleistung und stellen die wichtigsten Angestellten ein^®. Die Unternehmer bilden als Entscheidungsträger ein wichtiges ,,Transmissionsgelenk"^® zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt und sind somit zweifellos unbedingt in eine Unternehmens- oder Wirtschaftsgeschichte einzubeziehen. Dieses Argument richtet sich sowohl gegen jene Historiker, die die Unternehmensgeschichte auf eine Geschichte des oder der Unternehmer verkürzen wie auch gegen die unternehmerindifferenten Ansätze in der Wirtschaftsgeschichte^". Die größer und komplexer gewordenen Fabrikunternehmen brauchten von einem gewissen Punkt an eine stärker differenzierte Leitung. Bestimmte Typen von Arbeitnehmern - als Angestellte, Manager oder Kader bezeichnet^i - übernahmen Autoritätsbefugnisse und Funktionen, die teils ursprünglich zum Tätigkeitsbereich des Unternehmers gehört hatten, teils durch neue Technologien, Betriebs- und Verwaltungsformen hinzugekommen oder als , geistige' oder disponierende Tätigkeit dem Produktionsarbeiter abgenommen worden waren^^. Die Angestelltenarbeit enthält Elemente der Planung, Vorbereitung, Normensetzung und -Vermittlung. Es handelt sich vorwiegend um nicht-manuelle Funktionen im Umgang mit Menschen und Symbolen (Zahlen, Zeichen), um Tätigkeiten in der Gewinnung, Verarbeitung oder Reproduktion von Informationen. Vom System der Arbeitsteilung her können auch die nicht direkt arbeitsleitenden, in der Produktionsvor- oder -nachbereitung fungierenden, Infor17
mationen registrierenden oder reproduzierenden Arbeitnehmer als Angestellte begriffen werden, weil sie zum Leitungs-, Verwaltungs- oder Verteilungsapparat gehören, der im übrigen zunehmend vom Werkstattbereich auch räumlich und ästhetisch abgetrennt wurde^^. Von den Inhabern vieler Angestelltenpositionen werden spezifische fachliche Qualifikationen gefordert, die die Grundlage zu einem beruflich-fachlichen Sonderbewußtsein abgeben können. Funktion, Autoritätsstatus und Qualifikation bilden dann die Grundlage für die gegenüber den Arbeitern besonderen Vertragsbedingungen sowie tendenziell für die Einkommenshöhe. Indem Lebensgestaltung, Lebenschancen, soziale und politische Vorstellungen und Verhaltensweisen zu einem beträchtlichen Teil durch die Lage in Arbeit und Beruf bestimmt sind^·*, wird die vorerst mit dem Arbeitsprozeß zusammenhängende Differenz zwischen Angestellten und Arbeitern zu einem soziologisch im weitesten Sinne bedeutsamen Unterschied. Vorstellungen und Handlungsneigungen, die sich in anderen sozialen Erfahrungsund Lernfeldern (wie Elternhaus, Schule, Dorf/Stadt, Familie, Verwandtschaft, Freundeskreis, Verein, Partei, Verband usw.) bilden, können verstärkend oder abschwächend auf die Ausprägung des Angestellten-Arbeiter-Unterschiedes einwirken^^. Die politische, soziale, kulturelle und sozialpsychologische Bedeutung dieses Unterschiedes ist schließlich auch als Resultat der spezifischen gesellschaftlichen und politischen Entwicklung eines Landes zu verstehen'®. In dieser Studie geht es zunächst um die Fragen, wie sich im wachsenden Unternehmen eine differenzierte Leitungs- und Verwaltungsstruktur herausbildete, wer die Plätze in dieser Struktur einnahm und welche Probleme in der Entwicklung des Leitungsapparates auftraten. Daran anschließend sind die betriebliche und soziale Lage der verschiedenen Angestelltentypen, deren Beziehungen, Bewußtsein und Verhalten in der Arbeit und außerhalb des Unternehmens zu beschreiben, zu analysieren und in die schaffhausische, schweizerische und internationale Angestelltengeschichte einzuordnen. Diese Detailstudie über die Angestellten des schaffhausischen Gießereiunternehmens ist dann nicht zuletzt ein Beitrag zu der von Behauptungen überwucherten Frage, was für ein Bewußtsein (infolge welcher Ursachen) die Angestellten hatten (haben) und wohin sie schicht- oder klassenmäßig anzusiedeln waren (sind)'''. Konkrete Vergleiche von Angestellten mit Arbeitern sollten zeigen, wo das ihnen Gemeinsame und wo das Trennende, das Besondere beider Kategorien auf den verschiedenen Entwicklungsstufen jeweils lag, und wie es sich auswirkte. Den Hintergrund zu dieser Untersuchung bildet die historische und aktuelle Diskussion um die gesellschaftspolitische Verortung der Angestellten, in der diese (bzw. bestimmte Gruppen davon) einmal eher zum Bürgertum geschlagen werden (Technokratietheorien, Konzept der Managerherrschaft), ein andermal als eine irgendwie in der Mitte stehende, besondere Schicht bestimmt sind (Kleinbürgertum, Mittelstands-, Mittelklassen-, Mittelschichtenkonzepte) 18
oder als Schicht bzw. Gruppe der Arbeiterklasse betrachtet werden (sozialistische, gewerkschaftliche, marxistische Konzepte). Die Arbeit ist in drei große Epochen-Abschnitte gegliedert, die auf der Grundlage von unternehmensspezifischen wie allgemeinen wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Entwicklungen gebildet wurden. Der erste Abschnitt umfaßt die Entwicklung vom Handwerksbetrieb zum 500-Mann-Unternehmen (1797-1895), die einzuordnen ist in die Periode der Industrialisierung Schaffhausens und der Schweiz. Die zweite Epoche umfaßt die Zeit des langen Aufschwungs von der zweiten Hälfte der 1890er Jahre bis zum Ersten Weltkrieg, in der G F gewaltig expandierte und als Großunternehmen mit völlig neuen Problemen konfrontiert war. Der letzte Abschnitt behandelt schließlich die Zeit vom Ersten Weltkrieg bis zum Vorabend der großen Weltwirtschaftskrise; auf die Kriegsjahre folgten die Umstellungen auf die Friedensverhältnisse, verbunden mit beträchtlichen ökonomischen und sozialen Schwierigkeiten in Unternehmen und Gesellschaft, und hierauf die Rationalisierung und der Aufschwung in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre. Soweit als möglich sollen die skizzierten Fragestellungen über die drei Epochen hinweg verfolgt werden; wie ausführlich und genau eine Frage allerdings behandelt werden kann, hängt nicht zuletzt vom vorhandenen Material ab. Das Schwergewicht der Untersuchung liegt deshalb in der Zeit ab ca. 1890, die obere Grenze ist aus geschäfts- und archivpolitischen Gründen auf ca. 1930 festgelegt worden.
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TEIL 1
Vom Handwerksbetrieb zum 500-Mann-Unternehmen 1797-1895
/. Die Schaffljauser Werkstätten und die Unternehmungen Johann Conrad Fischers 1797-1854 Das erste halbe Jahrhundert der Entwicklung der Georg Fischer Werke fällt in die Epoche der Frühindustrialisierung der Schweiz und anderer europäischer Länder und gleichzeitig in die Periode des wirtschaftlichen Niederganges der Gewerbestadt Schaffhausen. Die ersten fünfzig Jahre von GF sind geprägt vom Wirken ihres Gründers, Johann Conrad Fischer, der für uns eine interessante Übergangspersönlichkeit im Wandel von der handwerklich· zünftischen zur industriellen Gesellschaft darstellt^. Anhand der frühen Werksgeschichte läßt sich der in der Metall- und Maschinenindustrie recht typische Vorgang zeigen^, wie sich aus handwerklichen Wurzeln nach und nach ein modernes Fabrikationsunternehmen entwickelte. Im Zentrum steht die Frage, wie aus dem zünftigen Handwerker, der mit herkömmlichen Verfahren traditionelle Produkte herstellte, ein innovativer Unternehmer wurde, der mit ungewohnten technischen Methoden, in größeren und komplizierteren Werkstätten und mittels einer örtlich weit verzweigten Unternehmung neue Produkte für neue Märkte herstellte. Welches waren die individuellen und gesellschaftlichen Startbedingungen für Johann Conrad Fischer? Was waren seine Motive bei der Schaffung neuer Produkte und der Erschließung neuer Märkte? Woher kamen die technischen Verfahren? Wie organisierte er Unternehmen und Betrieb? Wie und durch wen wurden die Betriebe geleitet? Wo lag das Schwergewicht von Fischers Aktivitäten? J . C. Fischer (1773-1854) war der Sohn eines weitgereisten Schaffhauser Handwerksmeisters, besuchte in Schaffhausen das Gymnasium und begann als Vierzehnjähriger eine Lehre in der Kupferschmiedewerkstatt seines Vaters. Durch private Mathematikstunden bei zwei aufgeklärten Schaffhauser Naturwissenschaftlern wurde er in die ,,neue Provinz des Geistes eingeführt, in die Wissenschaft, die den festesten Boden hat", und mit dem ,,Wert der Zeit" bekannt gemacht^. Allerdings gründeten seine späteren Erfindungen nie auf mathematisch-wissenschaftlichen Grundlagen, sondern sie waren, wie er selbst sagte, ,,Kinder der Beobachtung"". Der 20
englische Chemiker Faraday, den er 1826 in England traf, bemerkte zu ihm nach einer Unterhaltung über die Struktur und Eigenschaften der Metalle: ,,I see you are a practical man and the simple observation of such ones will do often more good to society than all our speculations."® Seine praktischen Beobachtungen machte J . С . Fischer zunächst während der auf die Lehre folgenden Wanderjahre, die ihn in verschiedene Teile Deutschlands, dann aber auch nach Dänemark und Schweden führten. In Stockholm wurde er erstmals mit der Eisengießerei bekannt. Über England und Frankreich kehrte er wieder nach Schaffhausen zurück und übernahm 1797 die väterliche Kupferschmiede. Bis 1802 stellte der zünftige Handwerker in seiner Werkstätte Feuerspritzen und Glocken her und wirkte daneben als Offizier und Politiker in Schaffhausen. Fischer schien sich etabliert zu haben, doch die Neugierde war stärker als der Reiz des ruhigen Handwerkerlebens. Eine Reise nach Paris im Jahre 1802 verhalf ihm zu neuen Erkenntnissen in der Stahlherstellung, und nach der Rückkehr begann er in Schaffhausen mit der Gußstahlfabrikation in Tiegeln®. Fischer hatte für dieses dem englischen Huntsman-Stahl vergleichbare Produkt'' offenbar auf einen guten Absatz gehofft und 1802 für die Metallgießerei eine alte Kräutermühle im Schaffhauser Mühlental erworben. In einem Schreiben vom 31. Januar 1806 empfahl er dem Weinfelder Eisenhändler Haffter sein Produkt als vollwertigen Ersatz für englischen Stahl®. Der Absatz blieb aber noch unbedeutend, weil die lokalen und regionalen Märkte nicht genügend aufnahmefähig' waren und die englischen Produkte einen Vertrauensvorsprung hatten. Fischer betrieb also weiterhin in erster Linie sein ursprüngliches Handwerk^", bis ihm ein welthistorisches Ereignis, die Kontinentalsperre, in den Jahren nach 1806 erlaubte, seine Produkte (vor allem Uhrfederstahl) an die schweizerische und französische Uhrenindustrie im Jura abzusetzen, da die hier schon etablierte englische Konkurrenz ausfiel. U m der gestiegenen Nachfrage genügen zu können, kaufte er 1809 im Mühlental eine weitere Wiese, um dort eine Schmiede einzurichten. Als sich das Geschäft nach der Aufhebung der Kontinentalsperre verschlechterte, verkaufte Fischer 1819 seine Erfindung der Stahlbereitung für 50 ООО Fr. seinem größten Abnehmer, der Firma Brüder Japy in Beaucourt. Mit dem Erlös beteiligte er sich am Neubau einer Stahlfabrik der Brüder Japy, wobei er selbst die Bau- und Einrichtungsarbeiten leitete. Nach der Aufnahme der Produktion wurde die Leitung der Fabrik einem jüngeren Mitglied der Familie Japy, Frédéric Japy, übertragen. Mit diesem Leiter machte J . C . Fischer aber schon bald schlechte Erfahrungen: Frédéric Japy geriet in geschäftliche Schwierigkeiten und war nicht in der Lage, die Schulden und Zinsen zu bezahlen, weshalb er während der Abwesenheit Fischers in Schaffhausen dessen Sohn Wilhelm Münzrollen aus Stahl statt Gold übergab. Nach der Aufdeckung des Betrugs kam es zum Prozeß und die Verwandten von Frédéric mußten die finanzielle Regelung dieser Affäre 21
übernehmen^i. Der Vorfall blieb aber nicht ohne Folgen für das Verhalten Fischers. Er dürfte dadurch das Vertrauen in familienfremde ,Manager' verloren haben, denn später überließ er die Leitung der von ihm gegründeten Unternehmungen stets einem seiner fünf Söhne: Conrad, Berthold, Georg, Wilhelm oder Eduard. Wo dies nicht möglich war, verkaufte er eine Lizenz und konnte so das Vertrauensproblem umgehen. Zur Kompensation der schlechter werdenden Geschäfte mit Frankreich suchte Fischer Ersatzmärkte in Deutschland und Österreich. Gleichzeitig ging er aber auch dazu über, den Gußstahl mit anderen Metallen zu legieren, um dessen Eigenschaften zu verbessern. 1825 erwarb er für seinen nickelhaltigen Meteorstahl ein österreichisches Patent und verkaufte in England die Lizenz dafür der Londoner Firma Smith und Martineau gegen eine ,,ansehnliche Remuneration" 1827 wurde mit dieser Firma ein neuer Vertrag abgeschlossen, worin eine gemeinsame Betriebsführung zwischen J. C. Fischers Sohn Conrad^^ sowie Smith und Martineau vereinbart wurde. Die Errichtung der geplanten Meteorstahlfabrik scheiterte aber, weil sich die englischen Teilhaber verspekuliert hatten. Fischer war zwar durchaus von einem ,,universalistischen Erkenntnisdrang"" getrieben, doch darf man dabei nicht übersehen, daß er stets auch auf einen praktischen geschäftlichen Nutzen aus war. Sein Interesse für England, das sich in mehreren Reisen und Reiseberichten äußerte, war nicht bloß ,ungerichtete Neugierde', sondern er hoffte immer, in England einen Markt für seine Produkte zu finden und schließlich ein eigenes Unternehmen zu gründen. Wenn ihm dies auch nicht gelang, so bezog er von England doch die entscheidenden technischen Kenntnisse, die ihm die technischen Erfindungen und das Eindringen in andere Märkte überhaupt erst möglich machten. 1825 konnte er dank genauer Beobachtungen (Werkspionage) anläßlich eines Besuches in der ,,Malleable Iron Factory" in Birmingham seine letzten Lücken in der Kenntnis der Herstellung von Temperguß schließeni'·. Das Patent für Temperguß verkaufte er 1828 dem österreichischen Schrauben- und Metallwarenfabrikanten Karl Wilhelm von Brévillier in Neunkirchen bei Wien, dem er zusammen mit seinem Sohn Berthold eine Weichgußfabrik einrichtete. Die bisherigen Ausführungen zeigten einerseits den Erfinder und Techniker Fischer, der sich durch genaues Beobachten auf seinen technischen und geschäftlichen Informationsreisen vor allem in Westeuropa Informationen beschaffte und diese in den eigenen Werkstätten ausprobierte; andererseits den auf die Verwertung ausgerichteten Geschäftsmann, der die neuen Produkte in sein Programm einreihte (diversifizierte) sowie direkt oder indirekt (über Lizenznehmer) Märkte übernahm, erschloß - oder verlor. Nachdem es ihm nicht gelungen war, sich auf den entwickelteren britischen und französischen Märkten zu etablieren, wurde seit den späten 1820er Jahren das industriell weniger weit fortgeschrittene, aber industriefreundliche Österreich zu seinem bevorzugten Tätigkeitsgebiet neben 22
Schaffhausen^^. 1827 gründete er in Hainfeld (Oe) eine Fabrikationsstätte für Gußstahlprodukte: er baute die Öfen, machte die ersten Schmelzungen, kalkulierte^® die Feilenpreise für Österreich, erstellte die Preislisten und knüpfte persönliche und geschäftliche Kontakte. Nach einigen arbeitsreichen Wochen übergab er die Werksleitung seinem am Wiener Polytechnikum ausgebildeten Sohn Georg, den er als Anteilhaber und ,,Werksverweser" einsetzte. Vom geschätzten Wert von 10 ООО Gulden gehörten Johann Conrad 9500, seinem Sohn 500. Den Anteil seines Vaters mußte Georg verzinsen, im übrigen hatte er Anspruch auf ein Drittel des Gewinns. Das Verhältnis von Vater und Sohn war das eines Unternehmers zu seinem Associé-Manager - ein in der Industrialisierung häufiges Leitungsmuster'^. Die starke Beteiligung des Associé-Managers am Gewinn sollte Leistung und Ehrlichkeit motivieren. Die Hainfelder Werke entwickelten sich in der Folge sehr gut, und nach der Vermählung von Georg trat sein Vater ihm 1833 das Werk käuflich ab, wobei vereinbart wurde, daß die Fabrik nie in (famiHen-)fremde Hände kommen sollte. 1835 verarbeitete das Werk ca. sechshundert Zentner Eisen und Stahl und belieferte einen ausgedehnten Kundenkreis mit Gußstahl und Gußstahlwaren (Feilen, Spindeln) sowie Tiegeln. 1838 gründete Georg zusätzlich eine Spindelfabrik in Traisen (Oe). Sein Vater besuchte ihn dort und half ihm bei der Einrichtung der Fabrik^®. Noch im selben Jahr betraute J . C . Fischer seinen aus Montbéliard hergereisten Sohn Berthold^^ mit der Leitung der Traisener Fabrik. Dieser begann nach dem Auslaufen der Weichgußlizenz von Brévillier mit der Herstellung von Weichguß und übernahm 1844 Traisen käuflich. 1839 unterstützte J . C . Fischer schließlich auch noch seinen Sohn Wilhelm bei der Gründung einer kleinen Gußstahlgießerei in Salzburg^". Aus der Ausreisebewilligung, die die Schaffhauser Behörden an die Stadt Salzburg sandten, geht hervor, warum Wilhelm von Schaffhausen weggezogen war. ,,So ungerne wir solche Männer verlieren, so angenehm ist es uns in anderseitiger Beziehung, wenn sich einem unserer geliebten Mitbürger in weiter Entfernung von seiner Heimath ein Feld eröffnet, welches ihm zur Ausübung seiner gesammelten Kenntnisse einen vortheilhaften Wirkungskreis darbietet, in dem innert den Mauern seiner Vaterstadt mit der gewünschten Thätigkeit sich zu bewegen öfters Verhältnisse oder Local-Hindemisse ihm unmöglich machen.
Die Gewerbestadt Schaffhausen befand sich seit Anfang des Jahrhunderts wirtschaftlich im Niedergang. Besonders betroffen war sie als Grenzstadt von der Gründung des deutschen Zollvereins 1834. Man freute sich geradezu darüber, daß fähige Handwerker wie Wilhelm auswanderten, statt die übrigen Handwerker zu konkurrenzieren. Einige Jahre früher war z. B . der Uhrmacher Heinrich Moser von Schaffhausen nach Rußland ausgewandert, wo er zum Uhren-Großunternehmer wurde. Als er 1848 als ,gemachter Mann' wieder nach Schaffhausen zurückkehrte, initiierte er verschiedene industrielle Gründungen und bekämpfte die Tatenlosigkeit der ,,alten Perücken-Behörde" sowie die Mutlosigkeit der Mitbürger^^. 23
Während das Schaffhauser Gewerbe nicht aus der Krise herauskam, erweiterte J . C. Fischer, durch die Aussichten auf Absatz in der sich rasch entwickelnden ostschweizerischen Textilindustrie motiviert, in den 1830er Jahren seine Werke. 1834 baute er ein zweites Hammerwerk beim Kloster Paradies^^ und 1838 ein drittes auf der Spitalwiese am Ausgang des Mühlentals, um die Aufträge bewältigen zu können. Um 1840 bestanden die Anlagen aus dem hinteren Werk (Tiegelstahl-Schmelzerei), dem mittleren Werk (Feilen- und Werkzeugherstellung) und aus dem vorderen Werk, wo Façon- und Spindelstahl erzeugt wurde. Das Schwergewicht der Fabrikation lag zu diesem Zeitpunkt beim Façonstahl für Werkzeuge und Spindeln, der Anteil der Feilen machte nur 5 % aus, und nur noch 1 % der Produktion ging an den früheren Hauptabnehmer, die Uhrenindustrie^'^. Zu dieser Zeit waren gegen zwanzig Arbeiter beschäftigt. Nach den Angaben in Fischers Schreibkalender von 1838 handelt es sich bei den damals 17 Arbeitern um die folgenden Kategorien: Hammerschmiede (5), Feilenhauer (6), Hammerbuben (2), Lehrling (1), Weitere (3)^^. Fischer selbst vereinigte auf sich die Funktionen des ,Kapitalisten', des ,Unternehmers', des ,Angestellten' und teilweise des ,Arbeiters' Er kümmerte sich um die Finanzierung, gründete Unternehmen und Betriebe, bestimmte die Produkte, überwachte oder leitete die Arbeit, warb Kunden, erledigte die Korrespondenz und besorgte die Kundenkontakte, verpackte die Ware, stellte Fakturen aus, zeichnete und entwarf, erprobte neue Anlagen und Methoden und legte nach Bedarf bei der normalen Produktionsarbeit selber Hand an. Er hatte zwar in England die größten Unternehmen besucht und deren fortgeschrittene arbeitsteilige Organisation bewundert, konnte sich aber mit dem Gedanken, daß er als Leiter nicht jedes Detail überblicken würde, offensichtlich nicht befreunden. So wunderte er sich 1851 beim Besuch der Cammel-Stahlwerke in Sheffield darüber, daß sich die Geschäftsinhaber wegen der Größe des Unternehmens mehr in ihren Büros als im Werk aufhielten und daß für die Arbeit in den Werkstätten Meister verantwortlich waren, von deren Können viel abhing^®. Das heißt nun allerdings nicht, daß er selbst tatsächlich stets in seinen Betrieben präsent gewesen wäre; wichtiger war wohl vor allem das Gefühl, daß er prinzipiell noch alles im Auge hatte. In seiner umfassenden Leitungstätigkeit wurde Fischer zuerst von seinem Sohn Wilhelm, seit dessen Wegzug in den 183Ger Jahren von seinem Sohn Eduard^^ unterstützt. In diesen beiden können wir die ersten ,Manager' im Mühlental erblicken. Als seine Manager in den ausländischen Unternehmungen wählte er ebenfalls Familienmitglieder. Wo er diese Möglichkeit nicht hatte, rekrutierte er - nach den schlechten Erfahrungen mit Frédéric Japy - nicht familienfremde Leiter, sondern vergab er die Lizenz. Damit waren Vertrauens- und Kontrollprobleme weitgehend vermieden. Von den Familienmitgliedern konnte er erwarten, daß sie loyal waren, und sie hatten zusätzlich den Vorteil, daß sie das Geschäft für die nächste Generation 24
sicherten. Die Rekrutierung von Managern im Familien- oder Verwandtenkreis war eine gängige Personalpolitik in der Industrialisierung; es war leichter, relativ stark institutionalisierte familiäre Beziehungen für die geschäftliche Kooperation fruchtbar zu machen, als völlig neue Muster (z. B. bürokratische) zu etablieren^®. - Warum entschloß sich Fischer trotz der damit möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten zur Gründung weitverstreuter Werke? Vermutlich gründete er diese Unternehmen nicht nur, um sein Kapital zu verwerten oder weil ihn die Konkurrenz dazu drängte. Die ausländischen Gründungen sollten in erster Linie den anfänglich als Manager wirkenden, dann als Inhaber und Besitzer fungierenden Söhnen in einem quasi handwerklichen Sinn ,Nahrung' verschaffen und ihnen eine Existenz garantieren, die in Schaffhausen nicht möglich war. Der Vater wirkte als Kapitalgeber und Gründungsexperte und zog sich bei Gelegenheit wieder zurück in seine Schaffhauser Werkstätten. Diese Werkstätten waren nicht mehr Handwerkerbuden im alten Sinn, denn es waren bereits Arbeits- und Antriebsmaschinen (Mühlenräder, Hammerwerke, Blasebälge) sowie Schmelzanlagen im Gebrauch. Ausgehend von Wolfram Fischers Definition, wonach eine Fabrik eine Produktionsstätte ist, ,,in der eine größere Anzahl von Menschen in arbeitsteiliger Organisation mit Hilfe von Antriebs- und Arbeitsmaschinen oder chemischen Prozessen in regelmäßigem Ablauf Güter produziert"^', können wir sagen, daß es sich bei J. C. Fischers Schaffhauser Betrieben um unmittelbare Vorformen der Fabrik handelte. Das Verhältnis Fischers zu seinen Arbeitern war von handwerklichpatriarchalischen Vorstellungen geprägt. Er war zeitlebens Mitglied der Zunft der Glockenschmiede und Kupfergießer, und dieses soziale Milieu dürfte ebensosehr zur Konservierung einer traditionellen .Managementphilosophie' beigetragen haben wie die eigene Anschauung der für ihn abschreckenden Arbeiterverhältnisse in England. Die Beziehung zu seinen Arbeitern hat er indessen nie problematisiert. Einige Arbeiter lebten in seinem Haus, die Verheirateten hingegen auswärts, d. h. daß die Einheit von Arbeitsplatz und Wohnung schon teilweise durchbrochen war. Die Arbeiter erhielten einen Wochenlohn, zum Jahrmarkt eine Sonderzahlung. In der Buchhaltung erschienen sie als ,,Hammerschmied Fideli", ,,Hammerbub Adam" u. ä.^". In Handeln und Denken des Industrieenthusiasten Fischer finden sich Züge, die ihn von der Mehrheit der zeitgenössischen Handwerksgenossen und Mitzünfter unterschieden, dafür aber den um drei bis vier Jahrzehnte jüngeren schaffhausischen Industriegründern wie Moser, Peyer im Hof und Conrad Neher ähnlicher machten^^. Er bedauerte denn auch bisweilen, daß er den ,,schönsten Teil" seines Lebens in den ,,beengenden Verhältnissen" seiner Vaterstadt zugebracht habe^^. - In seiner Arbeit war er ein Rationalist, der nicht auf ein gütigeres Schicksal hoffte, sondern an die Selbsthilfe glaubte. J. C. Fischer meinte, es sei ,,probatum, daß ein jeder sich selbst zu 25
helfen trachtet, als sich auf andere zu verlassen, daß ein jeder die Zeit als eine wahre und unerschöpfliche Goldgrube benutzt und durch diese Benutzung sich in den Stand setzt ., gut und wohlfeil zu arbeiten"^^. Im Kampf um die Einführung der Gewerbefreiheit setzte er sich allerdings weniger ein als die jüngeren schaffhausischen Industriepioniere^'*; wohl nicht zuletzt aus sozialen Rücksichten, die er als Zünfter, Politiker, Oberst und Bergwerksadministrator zu nehmen gewohnt war. Fischers entscheidende Handlung war der "Wechsel von den Weich- und Buntmetallen (Bronze, Kupfer, Messing) zu Eisen und Stahl, den Werkstoffen ,der Zukunft', die billiger waren und von der expandierenden Uhren-, Textil- und Maschinenindustrie immer mehr verlangt wurden. Er war in der Schweiz einer der ersten, der die Chance und die Notwendigkeit des Umsteigens erkannte. Erst Jahre später war dann auch der Winterthurer Messinggießer Jakob Sulzer-Neuffert (1782-1853) in Zusammenarbeit mit seinen Söhnen Jakob jr. und Salomon mit der Umstellung auf den neuen Werkstoff beschäftigt. Sulzer senior schrieb 1827 seinem in Paris weilenden Sohn Jakob, daß er einen Eisenguß zustande gebracht habe, der so feilbar sei wie Messing. Auch er glaubte, daß die aufstrebende Industrie ,,das Eisengießen nötig" haben werde^^. Während die Firma Sulzer seit den 1840er Jahren weitere Schritte in die Verfeinerung machte, indem sie nach und nach zum Kessel-, Maschinenund Pumpenbau überging, blieb G F eine Gießerei, die allerdings mit den von den Nachfolgern J . C . Fischers entwickelten - teilweise auf dessen Erfindungen aufbauenden - Spezialitäten langfristig einen ähnlichen Aufschwung erlebte wie die Winterthurer Maschinenfabrik. In beiden Unternehmen wurde die weitere Entwicklung von Söhnen geleitet, die im Ausland eine über das handwerkliche Erfahrungswissen hinausgehende wissenschaftliche und praktische ,industrielle' Ausbildung erworben hatten. Im Gegensatz zum eher handwerklich orientierten Jakob Sulzer senior, der erstaunt war, als einer seiner Söhne von der Wanderschaft nicht mehr als ,Handwerker', sondern als .Ingenieur' zurückkehrte^®, war J . C . Fischer ein Neuerer, der sich für seine Söhne auch eine theoretische Ausbildung wünschte. ,,Theorie" war für ihn eine Voraussetzung der industriellen Praxis^·'. 1854 starb J . C . Fischer, in dessen Persönlichkeit sich Elemente zweier Epochen widersprüchlich kombiniert hatten. Er selbst hatte diesen Widerspruch in seinen ,,Biographischen N o t i z e n " formuliert, wo er sich als ,,seines Handwerks ein Kupferschmied und Glockengießer und beeder ehrsamen Handwerke Obmann, so wie auch Gußstahl- und Feilenfabrikant"^® bezeichnete. Als Industriegründer hatte er sich in erster Linie um die technische Entwicklung, neue Produkte und Märkte gekümmert. Organisations- und Managementprobleme waren in seinen relativ kleinen Schaffhauser Werken eher zweitrangig, wichtiger indessen bei der Gründung und Leitung der ausländischen Werke. Als Johann Conrad Fischer starb, wur26
den die Werkstätten in Schaffhausen vorübergehend stillgelegt und dann von seinen Nachkommen reorganisiert.
II.
Die Reorganisation der Schafßauser Werke (1855-1862) und Ansbau der Fabrik unter Georg Fischer II (1862-1887)
der
Wie in vielen anderen Fällen dauerte der Ausbau zum modernen Fabrikunternehmen auch bei G F mehr als eine Generation. Den weiteren Ausbau der Werkstätten J . C . Fischers übernahm vorerst hauptsächlich sein Sohn Georg Fischer (I), der am Wiener Polytechnikum Physik und Chemie studiert hatte und Besitzer der Hainfelder Gießerei mit mittlerweile über hundert Arbeitern^ war. Bei der Reorganisation halfen ihm zeitweilig seine Brüder sowie sein 1834 geborener Sohn, Georg Fischer (II), der wie sein Vater am Wiener Polytechnikum studiert hatte und als künftiger Inhaber der Schaffhauser Werke vorgesehen war. Diese Hauptnachfolger J . C . Fischers waren erfolgsorientierte Industrielle, die vergleichsweise frei waren von vorindustriellen, handwerklichen Vorstellungen und traditionellen Rücksichtnahmen; sie waren Zeitgenossen einer vom Liberalismus geprägten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungsperiode. Mit dem Ausbau der Unternehmung kamen auf diese aber auch neuartige Probleme - nicht zuletzt Organisations- und Managementfragen - zu, deren Lösung nicht immer einfach war. Die Hauptarbeit bei der technischen und sozialen Reorganisation der Schaffhauser Werke leistete Georg Fischer I, der seine Tätigkeit allerdings wiederholt unterbrechen mußte, um die Hainfelder Firma zu beaufsichtigen. 1856 vertrat ihn während einiger Monate sein Bruder Eduard, eine Zeitlang leitete Georg II die Reorganisation, und im Herbst 1860 waren die Arbeiten dem von Salzburg hergereisten Wilhelm Fischer anvertraut^. Die vorübergehend mit der Leitung betrauten Brüder waren ,Manager' auf Zeit, während Georg II langfristig als Besitzer vorgesehen war. Wichtigere Entscheidungen wurden bei Abwesenheit von Georg I vom Jeweiligen Leiter erst nach schriftlicher Absprache mit diesem gefällt. Georg I unterrichtete seinerseits die Brüder und vor allem seinen Sohn über die wichtigeren Ereignisse in Schaffhausen. Oft entschied er gemeinsam mit seinem Sohn: In einem Brief an einen Geschäftsfreund über die Einrichtung der Feilenfabrikation bemerkte er, daß er mit seinem ,,Sohn über die Art und Weise der allfälligen Ausführung die nötige Abrede getroffen" habe^. - Für die Schreib- und Speditionsarbeiten wurde bald auch aus Hainfeld ein ,,Commis" für das ,,Comptoir" nach Schaffhausen berufen"*. Der Verwaltungs- und Leitungsarbeit entsprechend waren die Büro-Verhältnisse. Im Werk III lag ein Raum zum Schreiben und Zeichnen, der vom jeweiligen Leiter - sofern er nicht mit Arbeiten in der Werkstätte beschäftigt war 27
benutzt wurde. Der Commis hatte sein Büro beim Werk II, wo auch ein Labor und das Magazin lagen®. Georg Fischer I ging es darum, ,,das Werk dahier für Gußstahl- und Weicheisengußwaren gehörig herzustellen"^. Finanziert wurde die Neueinrichtung mit den Gewinnen von Hainfeld''. Georg I glaubte diese Investitionen riskieren zu können, da er auf eine Ausweitung des Marktes hoffte. Er nahm an, daß sich durch den Bau der Eisenbahnen nach Ost und West ,,eine gute Zukunft"® ergeben würde. Zur Erschließung des Marktes gedachte man, einen ,,geschickten Geschäftsreisenden" anzustellen, wodurch allerdings die bestehenden Beziehungen zu den Handelshäusern nicht getrübt werden sollten®. Während die Gußstahlfabrikation bereits 1856 in Gang kam, bereitete die Einrichtung einer Weicheisengießerei, ,,in solcher Weise, wie diese von meinem Bruder Berthold in Traisen mit bestem Erfolg betrieben wird"!", mehr Mühe. Erst 1860 konnte Georg seinem Sohn mitteilen, daß sich die Weichgußproduktion gut angelassen habe^^. Interessant ist dabei, daß eine ausländische Gründung, die Traisener Fabrik, als Vorbild für die Einrichtung des Stammhauses in Schaffhausen genommen wurde. ,Reorganisieren' hieß vorerst einmal technische Probleme lösen und die regelmäßige Energie- und Rohstoffversorgung sicherstellen. Es wurden Schmelzanlagen und Glühöfen eingerichtet und fortwährend Versuche angestellt. Die ganze Zeit über beschäftigten sich die Leiter mit der Verbesserung der Energieversorgung, mit dem Ziel während des ganzen Jahres Wasser zu haben, damit die Fabrikation nicht unterbrochen werden mußte^^. Monatelang plante Georg Fischer I Kanäle, Schleusen und Wasserräder. Sorgen bereitete ihm auch die Sicherstellung der Rohmaterialien, denn es konnte vorkommen, daß die erwarteten Materialien nicht zur rechten Zeit beim Werk eintrafen, weil die Donau zu wenig Wasser führte^^ oder der Weg ins Mühlental nicht befahrbar war^". Sollte auch im Winter regelmäßig produziert werden, so mußte man darauf schauen, daß vor der Einstellung der Schiffahrt genügend Rohstoffe am Lager waren^®. Erst die Eisenbahn brachte als Allwettertransportmittel die Voraussetzungen für einen regelmäßigen Nachschub. Mit der technischen Reorganisation eng verknüpft war auch die Einrichtung einer Funktions- und Autoritätsstruktur sowie die Gewinnung von Arbeitskräften. Verschiedene Angaben im Ausgangsbuch dokumentieren den Stand der Arbeitsteilung und machen deutlich, daß sich die Leiter über die Arbeitsgestaltung Gedanken machten. So arbeiteten z. B. im hinteren Werk (III): 1 Schleifer (zum Abziehen und Schleifen neuer Feilen), 1 Schlosser mit Gehilfe (zum Schmieden und Formen der Feilen), 1 Schmelzer (zur Bestellung der Öfen und Zusammensetzung der Tiegelchargen), 1 Former, 1 Gießer, 1 Maurer (zur Herstellung der Tiegel und Öfen), 1 Junge (zur allseitigen Aushilfe) - Die Autoritätsstruktur hingegen wurde nirgends problematisiert. Der Leiter besaß noch einen vollständigen Überblick 28
über die Betriebe, die personalmäßig noch nicht über ein halbes Hundert hinausgewachsen waren^^. Die direkte Arbeitsleitung übten indessen vereinzelt schon „Werkführer" aus^®; außerdem waren etwa die „ G e h i l f e n " den Arbeitern unterstellt. Eine spezielle Verwaltungsfunktion hatte schließlich „Werkzimmermann" Hügi inne, der Türhüter, Nachtwärter und Heizer sowie Holzmagaziner, Werkschreiner und Reparaturarbeiter in einem war^'. U m die Rekrutierung der Arbeiter kümmerte sich der Leiter selbst^". Nach der Aufnahme der Feilenfabrikation wurden mit einem Inserat im Berner , , B u n d " Arbeiter gesucht: ,,Mehrere gute Feilenhauer finden für die Dauer Arbeit in der Fischerschen Gußstahl- und Feilenfabrik in Schaffhaus e n . I n Schaffhausen bestand offenbar noch kein genügender Arbeitsmarkt für diese Berufskategorie, weshalb Arbeiter aus weiter entfernten Gebieten rekrutiert werden mußten^^. - Für die Reorganisationsphase läßt sich in bezug auf die Stellung der Arbeiter feststellen, daß das unter Johann Conrad Fischer tendenziell noch gültige Meister-Gesellen-Verhältnis abgelöst wurde vom modernen Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter. Dies äußerte sich etwa in der Form der Bezahlung. So wurden ein Schlosser und sein Gehilfe zeitweise im Wochenlohn bezahlt (nämlich dann, wenn sie verschiedene Arbeiten verrichteten), sonst im Stücklohn". Der Zusammenhang zwischen Leistung und Lohn wurde enger, der Lohn wurde bewußter als Lenkungsinstrument eingesetzt. Die Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz akzentuierte sich, die Arbeiter wohnten kaum mehr im Haushalt des Unternehmers. Immerhin sorgte Fischer für Schlafgelegenheiten und eine Koststelle, die von der Frau des Werkzimmermanns betreut wurden. Das Unternehmen wurde zunehmend von der Unternehmerfamilie abgetrennt; Unternehmen und Unternehmerfamilie differenzierten sich zu zwei deutlicher abgegrenzten sozialen Einheiten als dies unter Johann Conrad der Fall gewesen war^". Insgesamt läßt sich festhalten, daß zu Beginn der Sechzigerjahre die Fischerschen Werkstätten technisch und organisatorisch zu einer Fabrik umgestaltet waren. Sie wurde nun von Georg II übernommen, der 1862 angestellter Direktor mit einem Jahresgehalt von Fr. 1000.- wurde und zwei Jahre später das Werk von seinem Vater für ca. 50 ООО Franken käuflich übernahm^®. Georg Fischer II (geb. 1834) hatte das Gymnasium in Schaffhausen besucht und wie sein Vater am Polytechnikum Wien studiert. Die weitere Qualifikation erwarb er in der Praxis, indem er eine Zeitlang in der Weicheisengießerei seines Onkels Berthold Fischer in Traisen (Österreich) arbeitete, in der Abwesenheit seines Vaters die Hainfelder Fabrik leitete, vorübergehend an der Reorganisation in Schaffhausen mitwirkte und schließlich vermutlich in einer westschweizerischen Firma seine Kenntnisse in Buchhaltung, Korrespondenz, Zeichnen und Formen vervollständigte^®. Als Leiter der Schaffhauser Unternehmung mußte er vorerst die vorhandenen Anlagen technich weiter ausgestalten und ein Produktepro29
gramm festlegen. Bis in die 1870er Jahre war er hauptsächlich mit technischen Problemen und dem Ausbau beschäftigt, wobei er seine Hauptaufmerksamkeit der Weicheisengießerei widmete. Denn Georg Fischer II hatte mit den „Fittings", d. h. Röhrenverbindungsstücken aus Weichguß, ein Produkt in das Fabrikationsprogramm aufgenommen, dessen Absatzchancen im Zusammenhang mit der Verbreitung der Gas- und Wasserinstallationen in den Städten besonders verheißungsvoll waren^''. Die Schmelz- und Glühanlagen wurden schrittweise ausgebaut und die Appreturwerkstätten erweitert. 1868 errichtete Georg anstelle des abgebrannten mittleren Werkes einen Neubau mit Einrichtungen für die Feilenfabrikation sowie für das Gewindeschneiden und Verzinken der Fittings. Etwa 1872 wurde die erste Gewindeschneidmaschine in Betrieb genommen^®. In den 1870er Jahren begann Georg zudem mit der Stahlgußproduktion in Tiegelöfen^'. Die Kapazität war allerdings noch sehr klein, denn der Tiegelinhalt betrug nur vierundzwanzig Kilogramm, und für größere Stücke mußten mehrere Tiegel zusammengeleert werden. Das Wachstum der Fabrik in den Jahren des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs geht deutlich aus den Zahlen des Gebäudewertes und des Gesamtvermögenswertes hervor. Der Gebäudewert stieg von Fr. 20 200 (1862/63) auf Fr. 265 800 (1875), der Gesamtvermögenswert verzehnfachte sich von Fr. 31 100 auf Fr. 301 895 im Jahre 187530, wobei in beiden Stichjahren im Gegensatz zu später die Gebäude den Hauptteil des Vermögens ausmachten, während Maschinen und Anlagen noch wenig, aber zunehmend stärker ins Gewicht fielen. Die Fabrikation in den Gießereien brauchte dafür mit steigender Produktion immer mehr Arbeiter; in der Zeit der stärksten Expansion, von 1868 bis 1873, versechsfachte sich die Zahl der Arbeiter von 31 auf 188 (vgl. Tabelle 1). Die Schwankungen der Beschäftigtenzahlen folgen weitgehend der allgemeinen Konjunkturbewegung^^. Bis zum Ende des langen Aufschwungs 1872/73 stieg die Zahl der Beschäftigten auf über 200, also auf eine Höhe, die erst 1889 wieder erreicht wurde. Vor allem in den Boom-Jahren 1872/ 1873 schnellte der Bestand in die Höhe. In der Folge wurde die Belegschaft wieder bedeutend reduziert; beim Tiefpunkt der allgemeinen Krise, 1877, umfaßte sie nur noch 104 Beschäftigte. Der nächste Tiefpunkt kam mit der Krise 1885. Georg II erlebte hierauf noch den Aufschwung, der unter seinem Erben langfristig anhielt. Wie schon in der Reorganisationsphase ergaben sich - besonders in den Zeiten des starken personalmäßigen Ausbaus - für den Unternehmensleiter nicht unbeträchtliche Probleme bei der Rekrutierung der Arbeiter. In der ersten Zeit war Georg Fischer genötigt, qualifizierte Arbeiter von auswärts zu rekrutieren, teilweise sogar aus Österreich^®. Mit der Ausdehnung der Fittingsfabrikation, die weniger qualifizierte Arbeit erforderte, ergab sich die Möglichkeit, Arbeitskräfte in der Umgebung von Schaffhausen zu gewinnen. Es wäre sonst wohl unmöglich gewesen, den zeitweise hohen 30
Tabelle 1: Die Beschäftigten in der Zeit von Georg Fischer II" % Jahr
Arbeiter
1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887
35 29 25 31 34 31 51 70 55 123 188 134 153 110 91 104 98 118 141 131 124 132 100 III 162
Veränderung 17 14 -b 24 H- 10 9 + 65 H- 37 - 21 + 124 + 53 - 29 + 14 - 28 17 + 14 6 + 20 + 19 7 5 + 6 - 24 + Π + 46
K a u f m . u. techn. Personal 7 6 5 7 8 6 10 11 12 18 22 19 19 16 13 17 16 18 19 17 16 18 16 17 21
%
Beschäftigte insgesamt
Veränderung
42 35 30 38 42 37 61 81 67 141 210 153 172 126 104 121 114 136 160 148 140 150 116 128 183
17 14 + 27 + 11 12 + 65 + 33 17 + 110 + 49 - 27 + 12 - 27 17 + 16 6 + 19 + 18 8 5 + 7 - 23 + 10 + 43
Bedarf an Arbeitskräften zu decken®'*. Bei den Rekrutierten scheint es sich vor allem um industrieungewohnte Bauern oder städtische Handwerker gehandelt zu haben®^. - Wegen der großen Arbeiterzahl und der vorindustriellen Qualifikationen und Verhaltensweisen eines Großteils der Beschäftigten werden sich den Leitern auch Qualifizierungs- und Disziplinierungsprobleme gestellt haben. Darauf weist die Fabrikordnung von 1873®^ hin, die in erster Linie Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit, saubere Arbeit und Sorgfalt mit den Werkzeugen sowie die Respektierung des Fabrikeigentums verlangte. Die Arbeiter wurden einem starren Verhaltensreglement unterworfen, und die teilweise immer noch vorhandenen persönlichen Beziehungen zwischen Unternehmer und Arbeiter weiter ,versachlicht'. Für die Einhaltung und Ausführung der Bestimmungen der Fabrikordnung waren die Werkführer und die Vorarbeiter verantwortlich, die auch die alltägliche technische Leitung innehatten, indem sie für die richtige Ausführung der Aufträge und für die Instandhaltung der Einrichtungen, 31
Maschinen und Werkzeuge zuständig waren®^. Der Arbeiter war im betrieblichen Alltag nicht mehr direkt vom Unternehmer abhängig, sondern von dessen stets vorhandenen Stellvertretern. Emma Beugger-Fischer erinnerte sich, daß sich die Gießer anfänglich gegen das neue Unterstellungsverhältnis wehrten: ,,Georg II zog nach und nach Meister heran, anfänglich habe er damit seine liebe Not gehabt, weil es unter den Gießern Käuze gab, die von einem Meister keine Arbeit annahmen und nur dem Herrn gehorchen wollten."З® Die Einführung des ,Meisterbetriebs' verlief also nicht ohne Opposition und widerwillige Anpassung. Die Meister stammten aus der Arbeiterschaft der Firma. So ernannte z. B. Georg Fischer II noch Johannes Germann, der bei Johann Conrad die Lehre gemacht hatte und nach der "Wanderschaft 1848 wieder nach Schaffhausen zurückgekehrt war, zum ,Werkführer'^'. Mit der Ausdehnung der Betriebe entstand auch die Notwendigkeit, spezielle Stellen für die Verwaltung der Materialien und Fabrikate zu schaffen die Stellen des Magaziners und des Materialverwalters'^®. Bis anfangs der 1880er Jahre dürfte das in Tabelle 1 gesondert aufgeführte ,,kaufmännische und technische Personal" hauptsächlich aus Werkführern, Vorarbeitern, Magazinern, Materialverwaltern, Portiers u. ä. bestanden haben. Um 1880 übernahm dann der Kaufmann Eduard Tague die Besorgung eines Teils der Büroarbeiten. Fischer entlastete sich damit, behielt aber jederzeit den Überblick. Emma Beugger-Fischer bemerkte zu diesem ,ersten' kaufmännischen Angestellten, der nicht zur Familie gehörte: ,,Herr Tague, der das Büro besorgte, habe vom Betrieb nichts verstanden und die verschiedenen Gußarten nicht voneinander zu unterscheiden gewußt. Sie habe ihrem Vater oft zugesehen, wie er nach Feierabend die Briefe einzeln durchgelesen und diesen und jenen Brief zerrissen [habe] und wieder neu schreiben mußte.'"'^ Den Eintritt des zweiten Kaufmanns schilderte sie folgendermaßen: ,,Ιη den 1880er Jahren habe der Geschäftsverkehr auch mit Italien begonnen. Es konnte aber niemand italienisch, ihre Mutter habe dann Italienisch- und Englischstunden genommen und im Büro ausgeholfen. Herr Bucher, der Italienisch konnte, sei hernach eingestellt worden.'"*^ So entstand langsam eine Gruppe von Büroangestellten, die den Unternehmer von kaufmännischen und verwaltenden Arbeiten entlasteten. 1886 wurde schließlich die technisch-betriebliche Hierarchie ausgebaut, indem Georg Fischer den Techniker Jean Bachmann einstellte. Bachmann hatte ursprünglich Schlosser gelernt und hierauf am 1874 gegründeten Technikum (Ingenieurschule) Winterthur die ,,Schule für Mechaniker" besucht. Dort wurden Techniker ausgebildet, die entweder im Konstruktionsbüro eine Zwischenstellung zwischen dem Zeichner und dem leitenden Hochschulingenieur einnehmen oder als theoretisch qualifizierte Betriebstechniker eine gewisse Überlegenheit vor den reinen Praktikern besitzen sollten'*^. Als Bachmann bei Fischer eintrat, hatte er eine Zwischenstellung zwischen dem Ingenieur-Unternehmer und den nur praktisch qualifizierten 32
Meistern inné. Im Gießereifach hatte er vorerst nur geringe Kenntnisse, denn die Lehrgänge am Technikum waren nicht auf die Gießereiindustrie ausgerichtet. Aber Georg war optimistisch. Nach Emma Beugger soll er gesagt haben, ,,aus dem gebe es etwas"'*''. Georg Fischer II schuf nach und nach einen einfachen Leitungs- und Verwaltungsapparat, weil er einsehen mußte, daß persönliche und direkte Leitungsmethoden in einem Unternehmen mit hundert bis zweihundert Beschäftigten, mit mehreren Betrieben und mindestens drei Hauptproduktionszweigen (Stahlformguß, Feilen, Fittings) doch nicht mehr ganz genügten. Er blieb aber grundsätzlich der Typ von Unternehmer, der letztlich alles in den Händen behält und sogar Details überwacht. Er plante die Einrichtungen und leitete die Ausführung. Im Geschäftsalltag konnte er ,,Vorarbeiter, Meister, Korrespondent und Fabrikherr, alles in einer Person'"*® sein. Schriftliche Instruktionen für seine Angestellten existierten kaum, was ganz im Sinne der damaligen Managementtheoretiker Haushofer und Emminghaus lag, deren Ratschläge gerade auch für Unternehmen der Größe von GF gemeint waren. Haushofer hielt z. B. in seinem 1874 erschienenen ,,Handbuch für Industrielle" fest: ,,Leitet der Unternehmer selbst das Geschäft, so sind schriftliche Instructionen an seine Gehülfen in der Regel überflüssig, ja geradezu schädlich Daher ist die vom Unternehmer selbst gegebene mündliche Instruction sowie das Beispiel seiner Thätigkeit die beste Anleitung für alle im Geschäft Arbeitenden."^^ Die ersten Angestellten waren weniger selbstverantwortliche Leiter mit genau festgelegter Kompetenz, sondern eher noch ,Repräsentanten' des Unternehmers, der jederzeit selbst eingreifen konnte'*''. Der für die damaligen Verhältnisse zwar schon recht große, im Vergleich zu später aber relativ kleine Betrieb erlaubte noch recht weitgehend einen personenbezogenen und spontanen Leitungsstil. Die in der Fabrikordnung zum Ausdruck kommende - und bestimmt auch real bestehende - sachlich-autoritäre Beziehung des Unternehmers zum Arbeiter wurde ergänzt durch gewisse patriarchalische Formen, die von der Tochter des Unternehmers folgendermaßen geschildert wurden: ,,Ihr Vater sei um seine Belegschaft stets besorgt gewesen, und sie sei überall ein- und ausgegangen, habe da und dort Kranke gepflegt, manche Not gelindert Alles war noch eine Betriebsfamilie Bei allen Vorbehalten, die man gegenüber dieser idealisierenden, ein halbes Jahrhundert später gemachten Schilderung anbringen muß, läßt sich ein richtiger Kern wohl doch nicht ignorieren. Es scheint, daß der Ubergang zum Fabriksystem in der Gießereiindustrie bedeutend bruchloser verlief als etwa im Textilgewerbe, und es dürften entsprechend patriarchalische Traditionen stärker fortgewirkt haben. Gerade gewisse gesuchte Facharbeitergruppen - wie z. B. die Gießer - hätten sich mit einem derart harten Personalbehandlungsstil, wie er zeitweise in der Textilindustrie üblich war, kaum so leicht abgefunden. Hinzu kam, daß das ,,diktatorische""^ Managementleit33
bild seit den 1870er Jahren sich selbst in der Textilindustrie langsam aufzulösen begann und auch dort gewisse patriarchalische Elemente wieder auflebten®®. Schließlich war von den Arbeitern her in Schaffhausen die Bereitschaft zur Annahme der traditionellen Beziehungsmuster weiterhin vorhanden. Denn Ideologien, nach denen die Arbeiter ihr Schicksal kollektiv in die eigenen Hände nehmen sollten wie dies sozialistische und gewerkschaftliche Konzeptionen postulieren waren noch sehr wenig verbreitet. Zu ersten gewerkschaftlichen Organisationsversuchen in Schaffhausen war es zwar in den späten 1860er Jahren gekommen, doch zerfielen diese kleinen Organisationen in der Wirtschaftskrise der späten 1870er Jahre wieder. Der fortbestehende liberaldemokratische Grütliverein - eine Bildungs- und Geselligkeitsorganisation von Handwerkern und Gesellen gab dann seit der Mitte der 1880er Jahre neue Impulse zur Bildung von Arbeiterorganisationen; 1887 resp. 1889 entstanden ein Gießerfachverein und die Metallarbeiter-Gewerkschaft, die aber noch längere Zeit keine starke Basis unter der Fabrikarbeiterschaft hatten®^. Ingenieur Fischer war ein initiativer Unternehmer in der ,Provinz' Sein ,,Herrenhaus" lag bei der Fabrik, den Wein bezog er aus dem eigenen Rebberg. Eine Zeitlang war er Präsident der schaffhausischen ,,CasinoGesellschaft" Im Militär kommandierte er eine Dragoner-Kompanie®^. Georg Fischer war also Offizier wie sein Großvater. Im Gegensatz zu diesem betätigte er sich aber nicht in politischen Ämtern, sondern beschränkte sich - wie dies für viele Unternehmer in ehemaligen Zunftstädten damals üblich war - weitgehend auf seine Unternehmertätigkeit®^. Als Industrieller betrieb er aber nicht nur seine Gießereien, sondern er beteiligte sich finanziell und zeitweise als Verwaltungsrat auch an der 1872 gegründeten Mechanischen Bindfadenfabrik Schaffhausen (Gründungskapital: 1 Million Franken) sowie an der Fahrzeug- und Waffenfabrik S I G in Neuhausen, die in den späten 1880er Jahren schon über fünfhundert Arbeiter hatte®". Er gehörte damit zum Kern jenes schaffhausischen Bürgertums, das die Industrialisierung der Region vorantrieb®®. Als er 1887 starb, hinterheß er seinen Erben eine ausbaufähige Fabrik.
III. Die Entwicklung zum 500-Mann-Unternehmen Georg Fischer III bis zur Gründung der Aktiengesellschaft
unter (1887-1895)
Georg Fischer II hatte die Werkstätten zu Fabriken ausgebaut, das Fabrikationsprogramm gestrafft und mit den Fittings und dem Stahlformguß zwei erfolgversprechende Neuerungen eingeführt. Unter ihm begann die über das Hämmern hinausgehende Mechanisierung der Gußbearbeitung (Gewindeschneidmaschinen), er richtete eine technische Leitungsstruktur mit einem Betriebstechniker, Meistern und Vorarbeitern ein und entlastete 34
sich durch die Einstellung der ersten kaufmännischen Angestellten. Ihm folgte sein Sohn, Georg Fischer III, nach, der anfänglich vom verwandten Leiter der Traisener Firma, Sigmund Schudel, unterstützt wurde^. Georg Fischer III hatte wie seine Vorfahren das Schaffhauser Gymnasium besucht, hierauf ein Praktikum in einer größeren schwäbischen Gießerei absolviert und schließlich ein Ingenieurstudium in Dresden begonnen, das er wegen des Todes seines Vaters abbrechen mußte. 1894 zahlte er seinen Miterben, der Mutter und der Schwester, ihren Anteil aus^. Als Alleinbesitzer gründete er wegen der Schutzzölle 1894/95 eine Fittingsfabrik im nahen deutschen Singen. Wie schon sein Vorgänger begann er seine Tätigkeit mit einer Straffung des Fabrikationsprogramms, indem er die Feilenfabrikation aufgab und dafür die Fittings- und Stahlformgußfabrikation ausbaute. 1888 ließ er an der Stelle der vorderen Hammerschmiede (Feilenfabrik) eine Fittingsverlangt wurden, schaffte er 1890 einen Drei-Tonnen-Siemens-Martin-Ofen Leistungsfähigkeit der Stahlformgießerei; da mit den Tiegelöfen nur kleine Stahlformgußstücke hergestellt werden konnten, von der Maschinen-, Lokomotiven- und Wagenbauindustrie aber zunehmend größere Stücke verlangt wurden, schaffte er 1890 einen Drei-Tonnen-Siemens-Martinan'*. Schließlich wurden die ersten Formmaschinen gekauft und die Appreturanlagen stärker mechanisiert®. Mit diesen Neuerungen, die mit eigenen Mitteln finanziert wurden^, paßte er die Fabrik den Anforderungen an, die von Konkurrenten und Abnehmern bestimmt wurden. Durch die Einführung von Werkzeugmaschinen in einigen Abteilungen verlor die Arbeit weiter an handwerklichem Charakter^; die Maschinenkraft stieg dafür von 45 PS (1888) auf 285 PS (1896)«. Der 1892 eingestellte Techniker Schnekkenburger beschrieb die damaligen Fabrikanlagen in seinen Erinnerungen folgendermaßen: ,,Werk I bestand damals aus 2 Längs-Shed und daran anschließend drei Querschiffen. In den zwei Längsschiffen war die Fittingsgießerei untergebracht und in einem kleinen Teil die Stahlgießerei. In den zwei Querschiffen die FittingsGlühöfen, der Martinofen, die Schmirglerei und die Hammerschlagreibe. Im dritten Shed befand sich die mechanische Werkstätte und zugleich die Appretur. Im Werk III kam zuerst das Herrenhaus mit den zwei Türmchen, daran anschließend niedere Gebäude mit der Weichgießerei mit zwei Kupolöfen und einem Holzkran mit Handbetrieb, einem Tiegelofen für 10 Tiegel, weiter die Hafnerei, Schmirglerei, Gußputzerei, Glüherei, Stallung für die Fischerschen Gäule und die Räumlichkeiten für die Herrschaftskutsche und sonstige Gefährte, die Wohnung des Kutschers Werner. Unter dem Herrenhaus waren die Magazine für Sand, Ton, Graphit etc. Zum Teil waren es winklige, düstere Räume, alles noch mit Gasbeleuchtung."' Im Rahmen des beginnenden wirtschaftlichen Aufschwungs expandierte das Unternehmen in kurzer Zeit beträchtlich, die Beschäftigtenzahl verdreifachte sich von 1887 bis 1895 und stieg auf über fünfhundert (vgl. Tabelle 2). 35
Tabelle
2: Die Beschäftigten von GF 1887-1896'°
% Jahr
Arbeiter
Zunahme
1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896
162 170 185 212 324 334 403 439 488 519
5 9 15 53 3 21 9 11 6
Kaufm. u. techn. Personal 21 22 25 30 38 42 48 50 56 56
% Zunahme
5 14 20 27 11 14 4 12 0
Beschäftigte insgesamt 183 192 210 242 362 376 451 489 544 575
% Zunahme
5 9 15 50 4 20 8 11 6
Am bedeutendsten war die Zunahme 1891, im Gefolge des Ausbaus der Fabrik, und 1893, im Rahmen des konjunkturellen Aufschwungs. Im Großunternehmen veränderte sich nun auch die Leitungsstruktur, indem neue Funktionen und Abteilungen geschaffen werden mußten und somit eine komplexere Verwaltungs- und Leitungsorganisation entstand. Allein schon die personelle Größe des Unternehmens, darüber hinaus aber auch die zunehmende organisatorische Komplexität, das gewachsene Waren- und Geschäftsvolumen, die stärkere Konkurrenz und der damit zusammenhängende Kostendruck sowie der Zwang zur Verwertung eines immer höheren fixen Kapitals machten eine schärfere, tendenziell schriftliche Regelung der Aufgaben, Befugnisse und Beziehungen erforderlich und drängten die Leitung zur Einrichtung von Kontroll- und Koordinationsmechanismen, die ihr die Übersicht über die innerunternehmerischen Vorgänge verschafften. - Die Leitungs- und Verwaltungsbüros lagen, räumlich noch kaum von den Werkstätten getrennt, in den Gebäuden beim mittleren Werk: ,,Αη der Ecke gegen die Stadt zu hatte Herr Fischer sein Bureau und als Fortsetzung der Straße entlang kamen diejenigen von Herrn Tague und Herrn Bachmann, hinten anschließend das kaufmännische Bureau. Im gleichen Bau war im Parterre das Magazin und über diesen Räumlichkeiten die Wohnung von Herrn Bachmann Für mich [Schneckenburger] wurde im Gebäude, das eben neu erstellt war oben ein Bureau eingerichtet, in welchem auch J. Wipf, Bauführer, seinen Platz bekam. Neben diesem Bureau war die Modellschreinerei und unten befand sich die Schreiner-, Zimmer- und Wagner-Werkstätte und gegen die Stadt zu das Ausstellungszimmer."!!
In dem bis 1893 auf acht Personen angewachsenen kaufmännischen Büro waren die Funktionen nun stärker differenziert; hier arbeiteten ein kaufmännischer Leiter, ein Buchhalter, ein Kassierer, ein Kaufmann mit nicht 36
näher bezeichneter Funktion, ein Schreiber, ein Reisender und zwei kaufmännische Lehrlinge^^. Bedeutend umfangreicher war schon der betriebHche Leitungs- und Verwaltungsapparat, wobei die Mehrheit dieser in der Personalstatistik als ,,Angestellte" gezählten Beschäftigten wohl Vorarbeiter, Magaziner und Kontrolleure waren. Dies entsprach der damaligen Gepflogenheit verschiedener schweizerischer Unternehmen, wonach ein Teil der Arbeitnehmer in nichtleitenden, arbeitsvor- oder nachbereitenden Funktionen, die nicht wie die gewöhnlichen, materialbearbeitenden Arbeiter-Tätigkeiten direkt produktiv waren und buchhalterisch eher unter die allgemeinen Unkosten fielen, als ,,Angestellte" bezeichnet wurden. Sie hatten einen Grenzstatus, der dem Arbeiterstatus eher näher war als dem Angestelltenstatus. In der Fabrikordnung von 1899, in der zum ersten Mal die ,Nichtarbeiter' nicht nach ihren Funktionen (Werkführer, Betriebstechniker usw.) bezeichnet, sondern unter dem Angestelltenbegriff zusammengefaßt wurden, fanden sich diese ,,Angestellten" weiter differenziert in ,,Betriebsbeamte", ,,Meister" und , , V o r a r b e i t e r " " . Einen vertraglichen Angestelltenstatus hatten indessen nur die Betriebsbeamten, die i. d. R . ein Monatsgehalt bezogen und - eingeschränkt - die Meister, mit vierzehntägHcher Entlohnung, Prämien und speziellen Vertragsbedingungen^'*. Eine Fotografie der technischen Angestellten im engeren Sinn aus dem Jahre 1893 zeigt zehn Personen, nämhch den technischen Leiter (Bachmann), einen Betriebstechniker, einen Bauführer, sechs Meister und einen ZeichnerlehrUng^®. Bereits etwas fortgeschrittener war zu diesem Zeitpunkt die Besetzung mit Technikern in der Schaffhauser Maschinenfabrik Rauschenbach, was wohl einem allgemeinen Unterschied zwischen Maschinenindustrie und Gießereiindustrie entsprach^®. Mit der Einführung anspruchsvollerer technischer Verfahren (SiemensMartin-Öfen)*', der Herstellung komplizierterer Produkte (Stahlformguß) und der Vergrößerung und Differenzierung des Unternehmens nahm die Zahl der Techniker auch bei G F weiter zu. Schneckenburger erinnert sich: ,,Bis jetzt waren Herr Bachmann und ich immer noch allein auf der technischen Seite. Nun wurde für die laufenden Arbeiten im Büro ein weiterer Techniker zugezogen und für den Betrieb Techniker H. Wanner von Schieitheim, der sich zugleich für den Betrieb in Singen einzuarbeiten hatte. Er war früher schon ein Jahr unter Herm Bachmann hier gewesen und dann nach Evians gegangen Von dort holte ihn Herr Fischer, um ihn für Singen vorzubereiten."'® Dazu kamen vorübergehend, als Bachmann und Schneckenburger die Gießerei Singen einrichteten, zwei deutsche Stahhngenieure, die jedoch schon bald wegen mangelhafter Leistung und Unpünktlichkeit entlassen wurden. Im allgemeinen war Fischer in der Anstellung von Technikern zurückhaltend. Die folgenden Ausführungen von Bachmann und Fischer legen die Vermutung nahe, daß diese Zurückhaltung zumindest teilweise durch die Situation auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt bedingt war. 37
Bachmann schrieb 1893 dem erkrankten Fabrikanten Stotz in Stuttgart, der einen technischen Direktor suchte und deshalb an die Leitung von GF gelangt war: „Noch mehr bedaure ich aber, daß ich Ihnen vorläufig auf Ihre Anfrage hin keinen Gewährsmann empfehlen kann, der einen solchen Vertrauensposten zu Ihrer Zufriedenheit versehen könnte. Es ist eben in der Schweiz schwer, einen jüngeren Mann zu finden, der etwelche technischen Kenntnisse unserer Branche besitzt und sich für eine solche Stelle eignet; junge Techniker, die erweiche Energie und Einsicht zur Leitung einer Fabrik besitzen, wären schon zu finden, allein sie müßten eben doch mit der Weichguß- und Stahlfabrikation zuerst vertraut gemacht werden. In den gleichen Verhältnissen stund seinerzeit auch Herr Fischer selig, als er mich e n g a g i e r t e . U n d Fischer doppelte nach: „Gerne würde ich Ihnen behilflich sein, einen für Sie passenden Stellvertreter zu finden, jedoch kann ich Ihnen aus hiesiger Gegend niemanden empfehlen, die jüngeren Techniker, die vom Gießereiwesen etwas verstehen, sind auch bei uns nur selten, und von der Weichgußfabrikation versteht gewöhnlich keiner etwas. Der Mangel an Gießereifachleuten war im neunzehnten Jahrhundert und noch bis ins zwanzigste hinein in der Schweiz allgemein, u. a. weil an den Technika und Hochschulen keine speziellen Abteilungen für Gießereitechnik bestanden. Ähnliche Rekrutierungsprobleme stellten sich deshalb auch den - wenigen - anderen größeren und technisch fortgeschritteneren Gießereien, deren Leitungspersonal zu einem beträchthchen Teil in Deutschland ausgebildet worden war. So hatte der technische Leiter der von Moos'schen Eisenwerke in Luzern, Eduard von Moos (1855-1911), seine Quahfikation u. a. am Polytechnikum Karlsruhe erworben^^, und die Leiter der von Rollschen Eisenwerke waren vornehmlich ,,tüchtige Fachleute deutscher Herkunft"22. Mit der Einstellung von Technikern änderte sich die Stellung der Meister, indem sich die Techniker in der Hierarchie zwischen den Unternehmer und die direkt arbeitsleitenden Meister schoben. Nun stand beispielsweise der Schmelzermeister, dem mehrere Gehilfen unterstellt waren, ,,direkt unter einem technischen "Werkleiter", und er hatte ,,dessen Anordnungen und Befehlen jederzeit genau Folge zu leisten"^^. Mit der Ausdehnung der Betriebe nahm auch die Formalisierung der Tätigkeit der Angestellten zu. So wurde im Vertrag mit dem Schmelzermeister des Martin-Ofens schriftlich festgelegt, was er zu tun und wie er seine Gehilfen zu leiten hatte. Eine Prämie für sauberen Guß und die Schonung des Ofens wirkte zudem als unpersönliches Kontroll- und Motivierungsinstrument^". - Mit der schriftlichen Festlegung der Tätigkeit des Betriebstechnikers im Werk III war eine weitere Stufe der Formalisierung erreicht. In den , .Instruktionen für den Betriebstechniker Werk III" von 1895^® wurden Aufgaben und Befugnisse schriftlich festgelegt. Der Betriebstechniker, der sämtliche Meister, Vorarbeiter und Arbeiter unter sich hatte, war verantwortlich für die Leitung und Überwachung der Werkstätten. Er war dem ,,Betriebschef" unterstellt, der 38
ihn durch tägliche Rapporte im Büro kontrollierte und anleitete. Im einzelnen waren ihm die Überwachung des Gießens und Schmelzens, der Appretur und Kontrolle sowie der Ordnung in den Werkstätten (Arbeitsdisziplin, Zeitdisziplin, Arbeitseinteilung) übertragen. Zur Personalführung wurde festgehalten: ,,Neben Energie und Strenge soll er auch eine humane Behandlung gegen die Untergebenen walten lassen Um dem Arbeitspersonal zu imponieren, soll der technische Leiter möglichst auf der Hut sein, sich vor demselben irgendwelche Blößen zu Schulden kommen zu lassen, sei es durch Fachunkenntnis, Unzuverlässigkeit, unbillige Behandlung usw."^® Ihm oblagen analysierende und gestaltende Funktionen wie die Beurteilung bzw. Abänderung der Modelle und die Vervollkommnung der Maschinenformerei, ,,damit in kürzerer Zeit mehr, exaktere und billigere Arbeit geliefert werden kann als bis anhin" Aufgrund genauer Beobachtungen des Schmelz-, Gieß- und Temperprozesses sowie der Begutachtung fehlerhafter Stücke sollten ihm neue Erkenntnisse aufgehen und Verbesserungen gelingen^^. Ferner hatte der Betriebstechniker durch verwaltende und registrierende Funktionen wie Führung der Schichtenbücher, Arbeitsbücher, Schmelzregister, Lagerbücher, Modellverzeichnisse, Unfallstatistik und Akkordtarifsverzeichnisse Aufwand und Kosten zu überwachen. In den Instruktionen heißt es dazu: ,,Es ist ferner eine möglichst ausgedehnte Statistik, daneben eine genaue Kalkulation zu führen über den Rohmaterialverbrauch, Arbeitsaufwand und Produktion; nur hierdurch bekommt der Betriebführende eine richtige Einsicht, wie und wo gespart werden kann und was für Abänderungen angezeigt erscheinen."^® SchließHch blieb dem Betriebstechniker ein Rest merkantiler Funktionen wie die Durchsicht eingegangener Bestellungen und die Behandlung von Reklamationen. Den unmittelbaren Anstoß für den Erlaß der Instruktionen dürfte die schlechte Erfahrung mit den beiden vorübergehend angestellten deutschen Stahlingenieuren gegeben haben. Die allgemeine Tendenz zur FormaHsierung und Bürokratisierung können wir aber schon früher feststellen. So etwa in den 1892 von Bachmann verfaßten Ausführungen über ,,Buchführung, Calculation und Statistik"^'. Durch die Einführung eines Systems von Schichtenbüchern, Bestellbüchern, Materialbüchern, Inventarbüchern, Akkord tabellen, Werkzeugbüchern, Ablieferungsbüchern, Schmelzregistern usw. für alle Werkstätten nach genau vorgeschriebenen Schemata sollten Übersichtlichkeit und Koordination gewährleistet werden. Diese Unterlagen dienten dem kaufmännischen und dem technischen Leitungspersonal als Instrumente, mit welchen Kontrolle und Koordination vom Büro aus erfolgen konnten. Durch die Führung von Bestellbüchern z. B. wollte man allzu große und kostspielige Spontaneität in der Fabrikation verhindern:
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„ A u s dem Hauptbestellungsbuch, welches auf dem Bureau geführt wird, sollen täglich, und zwar am besten jeweils abends zwischen 6 und 7 Uhr die Gießereibestellungsbücher eingetragen werden, damit nicht der Gießermeister Modelle in Arbeit gibt, bevor er die Stückzahl und die Art des Materials kennt." Mit Büchern wurde festgestellt, ,,wenn zuviel oder zu wenig Gußstücke eines Modells angefertigt wurden, oder wenn sich die Ablieferung zu lange verzögerte", und konnten ,,der Controlleur und nachher Gießermeister und Gießer zur Rechenschaft gezogen werden Schriftlichkeit war oberstes Prinzip; es durfte nichts gegossen werden, wofür keine ,,schriftliche Bestellung" vorlag.
Dem Betriebsbüro wurde die Führung von Arbeiter-, Lohn-, Akkord-, und Qualifikationslisten, die Registrierung von Zeichnungen und Modellen sowie die Herstellung weiterer Kalkulationsunterlagen übertragen. Nicht nur die Tätigkeit des Leitungs- und Verwaltungspersonals wurde genau geregelt, sondern auch die Tätigkeit der Arbeiter konnte mit Schichtbüchern, Akkordtabellen usw. vom Büro aus besser überwacht werden. So wurde beispielsweise die Erfassung der Arbeitszeit systematisiert: ,,Ein jeder Arbeiter erhält bei seinem Eintritt in das Geschäft eine Controllmarke, die er täglich, vormittags und nachmittags bei der Arbeitsaufnahme vom Markenbrett wegnimmt und nach Schluß der Arbeit beim Ausgang wieder an ihrem Platz aufhängt." Der Portier führte darüber auf genau festgelegte Art einen Rapport, ,,aus welchem der Werkführer und die Meister jederzeit die Anwesenheit der Arbeiter ersehen können Die Rapportformulare werden jeweils am anderen Morgen auf das Bureau abgegeben"
Die verstärkte Bürokratisierung diente einerseits der Koordination der Arbeit in und zwischen den Abteilungen, andererseits der Kontrolle aller Vorgänge und Ereignisse vom Büro aus. Durch sie wurde der noch von Georg Fischer II praktizierte spontane und wenig formelle Leitungsstil abgelöst, wobei allerdings Georg Fischer III sich mit dieser Tendenz nie ganz befreunden konnte^®. Die treibende Kraft dieser neuen Ordnung war vielmehr der Techniker Bachmann. In seinen Anordnungen zeigt sich die ,,objektivierende Ingenieurshaltung" (Kocka), die die Organisation als ebenso mach- und konstruierbar betrachtete wie eine Maschine^ Der mittelbare Anlaß für diese Reorganisation war die Stagnation von 1892, die bei Bachmann die Einsicht förderte, daß das gewachsene Unternehmen adäquatere Koordinations- und Kontrollmechanismen brauchte. Damit sollte die Effizienz der größer und komplizierter gewordenen Organisation verbessert und den Leitern jene Übersicht verschafft werden, die sie brauchten, um die Firma den wechselnden Bedingungen anzupassen. Das Muster, an dem sich Bachmann bei der Reorganisation orientierte, war dabei bestimmt nicht die Vorstellung von ,Bürokratie', sondern die Vorstellung eines funktionierenden ineinandergreifenden Mechanismus, analog zur Maschine. - Die Formalisierung der Tätigkeiten blieb allerdings vorerst noch weitgehend auf den technisch-betrieblichen Bereich beschränkt. Im Kontor war wegen des geringen Umfanges und. der damit garantierten 40
Übersicht des kaufmännischen Leiters ein personengebundener und weniger formeller Stil weiterhin möglich und üblich. Die Rationalisierungsmaßnahmen, mit denen die Leitung von GF die sozialen Vorgänge, die ökonomischen Kosten und die technischen Prozesse in den Griff zu bekommen versuchte, waren für ein Großunternehmen jener Zeit und jener Phase des Industriekapitalismus durchaus typisch. GF stand wie andere schweizerische Großfirmen, deren Konkurrenten deutsche und englische Großunternehmen waren, unter einem ständigen Rationalisierungsdruck. - Rationalisierungen werden im übrigen in kapitalistischen Unternehmen immer wieder durchgeführt; in gewissen Perioden der Wirtschafts- bzw. Unternehmensentwicklung kommt es indessen zu regelrechten Rationalisierungsschüben und zum Durchbruch neuer Konzepte. Eine derartige allgemeine Tendenz zur organisatorischen und ökonomischen Rationalisierung war seit der Mitte der 1870er Jahre, während der ,,Großen Depression", auch in den USA und Deutschland festzustellen^^. Dabei traten neben die Frage nach der technischen Rationalität einer Produktionsmethode vermehrt auch die Fragen nach der organisatorischen und ökonomischen Rationalität im Fabrikunternehmen. Denn je mehr sich die von den Unternehmen verwendeten Technologien anglichen, um so eher wurden die organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten zu einem wichtigen Faktor im Konkurrenzkampf. Das Beispiel von GF scheint zu zeigen, daß die Entwicklung auch in der Schweiz in diese Richtung lief^^, ob mehr oder weniger als in anderen Ländern läßt sich allerdings auf dieser Grundlage noch nicht allgemein sagen, und andere Studien liegen dazu nicht vor. Bis 1896, als Georg Fischer III das Unternehmen in eine AG überführte, war unter seiner Oberleitung die Firma ausgebaut und reorganisiert worden. Es war dabei eine Funktions- und Autoritätsstruktur entstanden, mittels welcher er das Unternehmen leiten konnte, ohne selbst ständig und überall zugegen zu sein. Damit verlagerte sich auch der Schweφunkt seiner Tätigkeit. Immer mehr überließ er die Betriebsleitung und -Verwaltung seinen Angestellten und widmete sich vermehrt Markt-, Finanz- und Vertriebsfragen sowie grundsätzlichen technischen Problemen. Die Trennung von Unternehmens- und Betriebsleitung verstärkte sich. Nur bisweilen und ungern Schloß er die Hierarchie kurz. Dies zeigte sich etwa, als die Schmelzer am Martin-Ofen wegen Trunkenheit zuwenig aufgepaßt hatten und der Ofen zu Schaden kam. Techniker Schneckenburger informierte Fischer darüber, dieser kam in den Betrieb, meinte aber zu den Gießern nur lakonisch: ,,Es sieht so aus, wie wenn man den Ofen einer Herde von Negern in die Hände gegeben hätte''^·*. Schneckenburger interpretierte diese Reaktion in seinen Erinnerungen moralisch statt organisationssoziologisch, wenn er meinte, daß er das, was der ,,gutmütige Herr Fischer" hätte sagen sollen, dann selber nachholen mußte. Obwohl sich die Beziehungen des Unternehmers zu den Arbeitern mittlerweile noch stärker 41
versachlicht und entpersönlicht hatten, die Arbeiter vermehrt reine ,Lohnarbeiter' waren, so behielt Fischer doch bestimmte, fast rituelle Elemente des patriarchalischen Managementstils bei. Bisweilen wurde z. B . den Ofenarbeitern nach einer gelungenen Charge Wein ausgeschenkt^^. Den Höhepunkt im Betriebsjahr bildete die Fabrikweihnacht - mit Gesang und Kindergeschenken, die von Frau Fischer ausgesucht und verpackt worden waren. Dazu gehörte (z. B . 1893) auch eine Ansprache des Schaffhauser Pfarrers: ,,Als 22jähriger Mann mußte der gegenwärtige Inhaber in die große Lücke treten. Wie er diese Lücke ausfüllte, das beweist die großartige Ausdehnung, die das Geschäft in den letzten Jahren erfahren, das beweist der Weltruf, dessen es sich erfreut, das beweist aber auch die große Familie von 400 Kindern und deren Eltern, die sich hier um ihren Arbeitgeber geschart, um mit ihm und seiner lieben Frau Weihnachten zu feiern."з® Unternehmer wie Arbeiter mögen in solchen Augenblicken, wo im Gegensatz zum normalen Alltag ein unmittelbarer und anschaulicher Kontakt bestand, ein gewisses Gemeinschaftsgefühl empfunden haben. Mit einer Familie vergleichbar war der Betrieb mit seiner differenzierten Struktur und den formalisierten Beziehungen jedoch kaum mehr. Fischer selbst sprach denn auch im Zusammenhang mit seinem Unternehmen nie von einer Familie. Solche Ideologisierungen überließ er dem Pfarrer, denn er selbst war mit einer anderen, harten Realität des Fabrik-Alltags konfrontiert, die ihn darüber nachzudenken zwang, wie im Großbetrieb das Verhältnis der Leitung zu den Arbeitern optimal gestaltet werden konnte, ohne daß die Entscheidungsautonomie der Unternehmensleitung eingeschränkt würde. In den 1890er Jahren lösten sich die für den patriarchalischen Managementstil konstitutiven Bedingungen rasch auf^''. Mit der Ausdehnung der Organisation und zunehmender Arbeiterzahl, mit gesteigerter Arbeitsteilung und vergrößertem Leitungsapparat verloren die traditionellen - vom Unternehmer ausgehenden Muster der Loyalitätserzeugung ihre Wirkung. Dieser Managementstil mußte zunehmend unbrauchbar werden, wo der Unternehmer die Übersicht über Betriebe und Arbeiter verlor und so auch seine Rolle als ,fürsorgerischer Herr' nicht mehr ausfüllen konnte. Auf der anderen Seite wurde der Unternehmer von einem Großteil der Arbeiter, die keine Beziehung zu ihm hatten, nicht mehr als ein am persönlichen Schicksal des einzelnen Interessierter betrachtet^®. N o c h vor der Jahrhundertwende kam es auch bei G F zu Bewegungen der Arbeiter, die stark von den un- und angelernten Arbeitern ausgingen, und in denen es nicht nur um materielle Ziele, sondern auch um die Behandlung des Industriearbeiters im Betrieb ging^®. Teile der Arbeiterschaft begannen, die Gestaltung ihres inner- und außerbetrieblichen Lebens bewußter selbst in die Hand zu nehmen, wozu ihnen soziaUstische und gewerkschaftliche 42
Ideen eine Grundlage gaben. 1898 bildete sich bei GF eine „HülfsarbeiterGewerkschaft", die - allgemein anerkannt - eine Lohnbewegung anführte. Fischer wollte diese Organisation zwar nicht als Gesprächspartner akzeptieren, andererseits aber angesichts der günstigen Konjunktur auch keinen Streik riskieren. Er mußte einen Weg finden, der beiden Bedingungen gerecht wurde und gründete deshalb die Arbeiterkommission, womit die Gewerkschaft ausgeschaltet werden sollte und trotzdem eine Vertretung der Arbeiter als Verhandlungspartner vorhanden war. Diese Form der Institutionalisierung der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitern war nun nicht eine Neuschöpfung Fischers, sondern er bediente sich dabei eines Organisationsmusters, das in einigen schweizerischen und deutschen Unternehmen schon im Gebrauch war^". Die erste Arbeiterkommission in der Schweiz wurde 1890 im 1700-Mann-Unternehmen Sulzer gegründet, dessen Leitung auf das deutsche Organisationsmuster der ,,Arbeiterausschüsse" zurückgriff, um einen Konflikt abzubauen. Wir haben mithin bei der Arbeiterkommission ein Beispiel für die Verbreitung eines gewerkschaftsfeindlichen Managementmodells von Deutschland in die Schweiz, wobei die Verbreitung in der Schweiz entscheidend gefördert wurde durch die Empfehlung des Vereins Schweizerischer Maschinenindustrieiler von 1897, Arbeiterkommissionen einzuführen. Die Statuten der GF-Arbeiterkommission von 1899 sahen vor, daß durch diese Institution die ,,guten Beziehungen" und das ,,gegenseitige Vertrauen" zwischen Geschäftsleitung und Arbeiterschaft gepflegt und gefördert werden sollten. In den Kommissionssitzungen konnten die Arbeiterinteressen in Form von Wünschen, Klagen, Anträgen vorgebracht und diskutiert und andererseits die Informationen der Geschäftsleitung den Arbeitern vermittelt werden''^ Die Arbeiterkommission war eine Clearing-Stelle der Meinungen, sie diente der Konsultation und Information. In ihr wurde nicht entschieden, sondern verhandelt. Für den Geschäftsleiter bedeutete diese zentralisierte Form der Kommunikation mit Arbeitern aus den verschiedensten Abteilungen, daß er besser informiert war, was .draußen' vor sich ging"^. Die neu institutionalisierte Kommunikation war eine Rationalisierung des Kontaktes zu den Arbeitern. Sie löste das nur noch dem Schein nach vorhandene patriarchalische Gegenseitigkeitsverhältnis ebenso ab, wie dies die damals geschaffene Alterssparversicherung tat, die an die Stelle der individuellen und damit zunehmend zufälligen Fürsorge gesetzt wurde'*^. War die Einrichtung der Arbeiterkommission tatsächlich ein ,,umstürzender Einbruch in das patriarchalische Ordnungsdenken"*"*, wie dies Teuteberg interpretierte? Bedeutete die Arbeiterkommission einen Übergang von der ,,absoluten zur konstitutionellen" Herrschaft im Betrieb, wie dies der Spezialist für industrielle Beziehungen in der schweizerischen Metallindustrie, Sulzer-Ziegler, formulierte? ,,Was das Wesen einer solchen Kommission betrifft, so bedeutet sie den Beginn der Fabrikkonstitution. Es geht da etwas vor auf sozialem Gebiete, was an Vor43
gänge auf politischem Boden erinnert. Die Fabrikkommission ist das Ende des Absolutismus in der Fabrik. Wie es auf politischem Gebiet eine Zeit gab, wo der Absolutismus eine Notwendigkeit war, so gab es eine solche Zeit auch in der Industrie Heute sind wir so weit, daß wir der Arbeiterschaft ruhig Konzessionen im Mitreden im Betriebe machen können. Die Arbeiterschaft, wenigstens die in der entwickelten Industrie, ist heute reif hierfür.'"*® Wenn wir von Harbisons und Myers' sinnvoller Definition des konstitutionellen Managements ausgehen, wonach ,,die Macht, Gesetze und Regeln zu machen, vom Arbeitgeber verfassungsmäßig mit anderen Institutionen geteilt wird'"*®, so können wir schließen, daß es sich bei diesen Arbeiterkommissionen keinesfalls um ein konstitutionelles Management im politisch-verfassungsrechtlichen Sinne handelte. Denn die Entscheidungsmacht wurde nicht geteilt; die Entscheidungen wurden nicht in der Kommission, sondern weiterhin von der Geschäftsleitung allein gefällt. Die Verhandlungen in der Kommission trugen jedoch zur Entscheidungsfindung bei. Das neue Moment bestand darin, daß die Verhandlungsfähigkeit der Arbeiter anerkannt wurde, indem sie in den Entscheidungsfindungsprozeß einbezogen wurden. Andererseits verpflichteten sich die Kommissionsmitglieder dazu, bei der Durchsetzung der Entscheide in der Arbeiterschaft mitzuhelfen. - Daß die Arbeiterkommission einen Einbruch ins patriarchalische Denken des Unternehmers bedeutete, ist auch im Falle von Georg Fischer III, dessen patriarchalisches Denken zweifellos nicht sehr hoch entwickelt war, nicht ganz von der Hand zu weisen. Viel wichtiger scheint mir aber die Tatsache zu sein, daß sich die objektiven Grundlagen eines derartigen Denkens immer mehr aufgelöst hatten und daß sich der Patriarchalismus damit zunehmend zu einer Ideologie zurückentwickelte, die eigentlich nur noch dem Unternehmer - und bisweilen nicht einmal mehr ihm - nützen konnte. Abschließend sollen einige Aspekte der Entwicklung in den ersten hundert Jahren noch einmal zusammengefaßt werden. J . C. Fischer, der Gründer von GF, übernahm in einer damals üblichen Art technologische Verfahren und Arbeitsmethoden aus dem westlichen Ausland. Er fand den entscheidenden Übergang auf die ,Zukunfts'-Werkstoffe Eisen und Stahl, entwickelte viele Produkte und suchte dafür - eigentlich stets der Entwicklung etwas vorauseilend - Märkte. Managementprobleme waren in den relativ kleinen Betrieben eher zweitrangig; vieles funktionierte nach herkömmlichen Mustern (handwerklich-patriarchalische Personalbehandlung). Anderes baute auf institutionalisierte, familiäre Beziehungen auf, d. h. die Rekrutierung, Qualifizierung und Motivierung der Manager und Unternehmernachfolger war eine Familienangelegenheit. - J. C. Fischers Nachfolger waren theoretisch und praktisch ausgebildete Industrielle, die, an die Produkte und Techniken ihres Vorgängers anschließend, das Fabrikationsprogramm bereinigten, die Fabrikanlagen ausbauten und neue Märkte gezielt erschlossen. Im übrigen war Georg Fischer II stärker mit der 44
Rekrutierung, Qualifizierung und Disziplinierung der Arbeiterschaft im expandierenden Unternehmen beschäftigt. Er etablierte das Meistersystem, ergänzte die technisch-betriebliche Hierarchie mit der Anstellung des ersten Technikers und entlastete sich durch die Einstellung von kaufmännischen Angestellten. Der Leitungsstil blieb prinzipiell wenig formalisiert, unternehmerzentriert und mündlich, wobei vielleicht die - familienfremden Angestellten zeitweise doch etwas mehr waren als bloße Repräsentanten des Unternehmers. Die Behandlung der Arbeiter wurde sachlicher und weniger persönlich; trotzdem hielten sich anscheinend einige patriarchalische Elemente, was mit der doch beschränkten Größe bzw. dem langsamen Wachstum und gewissen Eigenheiten der Branche zusammengehangen haben dürfte. - Der zweite Generationenbruch (1887) zeigte, wie wichtig der Wechsel der Unternehmergeneration damals sein konnte. Unter Georg Fischer III erfolgte wieder ein bedeutender struktureller Wandel. In der raschen, durch die günstigen äußeren Umstände geförderten Entwicklung kam Aufgestautes zum Durchbruch und Aufgeschobenes wurde ausgeführt. Nachdem das Produktionsprogramm gestrafft worden war, wurden größere, leistungsfähigere, aber auch technisch anspruchsvollere, managementintensivere Anlagen und Verfahren eingeführt. Die Beschäftigtenzahl stieg rasch. Unter diesen Umständen mußte Georg Fischer den Leitungsund Verwaltungsapparat ausbauen; neue Funktionen mußten geschaffen werden, die Arbeitsteilung wurde differenzierter, Unternehmens- und Betriebsleitung liefen langsam auseinander. Durch stärkere Formalisierung und SchriftUchkeit, d. h. durch eine genauere Festlegung der Funktionen, Kompetenzen und Beziehungen sowie durch neue Koordinations- und Kontrollmethoden versuchte die oberste Leitung, die Vorgänge im Unternehmen in den Griff zu bekommen. U n d je mehr sich die Grundlagen eines patriarchalischen Verhältnisses zwischen Unternehmer und Arbeiter auflösten, um so mehr sah sich die Leitung gezwungen, diese Beziehungen durch einen rationaleren und für sie effizienteren Managementstil teilweise neu zu gestalten. Die Gründung der Arbeiterkommission bedeutete einen wichtigen Schritt in diese Richtung.
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TEIL 2
Wirtschaftlicher Aufschwung und Expansion 1896-1913
Bis zur Gründung der Aktiengesellschaft im Jahre 1896 war G F ein Eigentümer-Unternehmen, in dem der Eigentümer-Unternehmer die langfristigen wie auch einen großen - aber abnehmenden - Teil der alltäglichen Leitungsentscheidungen fällte. Entscheidungsprozesse waren, sozial gesehen, relativ unkomplizierte Vorgänge. Die Unternehmer der verschiedenen Generationen, bzw. zunehmend deren funktionale Stellvertreter (Angestellte), waren die Entscheidungsträger, die zu verschiedenen Zeiten und innerhalb sehr unterschiedlicher Erfahrungsfelder mit spezifischen Problemstellungen die ihnen richtig erscheinende Lösung wählten; dies geschah, indem sie das Fabrikationsprogramm regelten, die Beziehungen zu den Märkten gestalteten, Technologie, Arbeitsmethoden und Arbeitsgestaltung bestimmten, die Rekrutierungs- und Qualifizierungsprobleme lösten, die Leitungs- und Verwaltungsstruktur einrichteten und den Managementstil festlegten. D a s Gewicht und die Dringlichkeit der Aufgaben änderten sich nicht nur kurzfristig, sondern tendenziell auch im langfristigen Zeitverlauf, wobei die Management- und Organisationsprobleme sicher zunehmend wichtiger wurden. Mit dem Ausbau vom 700-Mann-Unternehmen (1895/1896) zur kapitalstarken Großorganisation mit 4000 Beschäftigten (1913), größeren und schneller zirkulierenden Waren- und Geldflüssen, neuen Technologien und Arbeitsmethoden und durch die Konfrontation mit einer sich rasch wandelnden Umwelt stellten sich alte und neue Management- und Organisationsprobleme in bisher ungewohntem Ausmaß', und bisweilen scharfer Dringlichkeit. Die Entscheidungsvorgänge wurden zudem seit der Gründung der A G und der damit verbundenen Institutionalisierung neuer Entscheidungsorgane und -regeln sowie mit dem weiteren Ausbau der Leitungs- und Verwaltungsorganisation zunehmend komplizierter. Im folgenden Teil geht es darum, die Voraussetzungen und Folgen von Entscheidungen über Strukturen, Techniken, Praktiken und Strategien zu untersuchen sowie die daran beteiligten oder davon betroffenen Individuen und Gruppen zu beschreiben und zu analysieren. Wie wirkte sich die Umgründung in eine A G auf die Leitung und die Unternehmenspolitik 46
aus? Wie entwickelten sich die Unternehmens- und Betriebs- sowie die Leitungs- und Verwaltungsorganisation? Wie, warum und mit welchen Schwierigkeiten entwickelten sich der kaufmännische und der technische Leitungsapparat? Wer nahm eine (was für eine?) Angestelltenposition in ihm ein, und welchen Anforderungen mußte er dabei genügen? Was und wie arbeiteten diese Angestellten, was dachten und hofften sie, wieviel verdienten sie, und wie sahen ihre außerbetriebliche Lebensführung und Lebenschancen im allgemeinen aus? Was trennte sie von den Arbeitern, was hatten sie mit diesen gemeinsam; wie war das Verhältnis der Angestellten zu den Arbeitern und umgekehrt? Mit einigen Zahlen soll zunächst ein Überblick über die Unternehmensentwicklung von 1896-1913 gegeben werden, die für GF eine Periode mit kontinuierlichem starkem Wachstum war, unterbrochen nur von der scharfen Krise 1901/02 und von dem schwächeren Einbruch 1908. Diese Entwicklung entspricht grob dem gesamtwirtschaftlichen Konjunkturverlauf in den fortgeschrittenen Ländern^. - Die Hauptprodukte waren die ganze Zeit über Weichguß (speziell Fittings) und Stahlformguß aller Art, speziell zunehmend der ,Automobilguß' Der Gesamtabsatz (in Kilogramm) verdoppelte sich von 1896 bis 1900, ging in der Krise 1901/02 um ein knappes Drittel zurück, stieg bis 1907 an und sank 1908 vorübergehend wegen Absatzschwierigkeiten beim Automobilstahlguß; am Ende des folgenden Aufschwungs, 1913, betrug er das 8,5fache von 1896^. Für den Umsatz gelten dieselben Bewegungen, 1913 betrug er das achtfache von 1896. - Das Aktienkapital stieg von 3 Mio. (1896) auf 10 Mio. Franken (1913), das Obhgationenkapital von 1,8 Mio. (1897) auf 6,5 Mio. Franken 1913. Von den Bruttoinvestitionen her läßt sich unsere Periode aufteilen in drei Phasen starker Expansion (1897-1899, 1905-1907, 1910-1913), unterbrochen von zwei krisenhaften Phasen mit vorwiegend innerer, weniger kostspieliger Reorganisation (1900-1904, 1908-1909). Der kontinuierliche Aufschwung äußerte sich in der Verfünffachung des Buchwertes und in der Ausdehnung der Werkstättenfläche von 13 500 m^ (1895) auf 105 ООО m^ (1915)^. Die Zahl der instaUierten PS stieg von 460 (1896) auf 7 700 (1913), der Stromkonsum von 1,625 Mio. kWh auf 7,466 (für Schaffhausen und Singen). Die starke Zunahme der ,installierten Leistung in PS' und des Energieverbrauchs verweist auf die zunehmende Mechanisierung der Fabrikation, wobei der große Sprung zwischen 1909 und 1913, mit dem Ausbau der Werke I und III, erfolgte. Mit dem Ausbau wuchs die Zahl der Beschäftigten - die dem Konjunkturverlauf entsprechend schwankte - von 546 (1896) auf 2401 (1913) in Schaffhausen und von 762 (1896) auf 4084 (1913) im ganzen Unternehmen'*. Eine solche Ausdehnung verlangte schon zu Beginn Mittel, die dem Einzelunternehmer aus seinen Erträgen allein nicht zur Verfügung standen. Deshalb gründete Georg Fischer 1896 eine Aktiengesellschaft.
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I. Die Entwicklung der Leitungsstruktur und das Funktionieren der Leitung in den ersten Jahren der ,,AG der Eisen & Stahlwerke von Georg Fischer" (1896-1902) Während Fischer den Bau des Werkes Singen noch aus eigenen Mitteln hatte finanzieren können, so steUten sich ihm bei der weiteren Expansion Finanzierungsprobleme in den Weg, mit denen er nicht mehr allein fertig wurde. Seine Situation legte er in einem Schreiben an verschiedene möghche Kapitalgeber folgendermaßen dar: ,,Die Nachfrage nach Fittings in Deutschland und Österreich hat sich bereits dermaßen gesteigert, daß jetzt schon eine beträchtliche Vergrößerung der Neuanlage in Singen notwendig ist. Ebenso ruft der Aufschwung, den die Stahlgußfabrikation in Schaffhausen genommen, bedeutenden Erweiterungen dieses Etablissements in allen Theilen, sowie der Erstellung eines Bureau-Gebäudes, einer größern Anzahl von Arbeiterwohnungen und anderer Bauten. Die Ausführung aller dieser Vergrößerungen nimmt aber ein Kapital in Anspruch, das meine sonstigen Mittel übersteigt. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine Aktiengesellschaft zu gründen, welche mit vermehrten Mitteln im Stande ist, die gebotenen Erweiterungen an die Hand zu nehmen."^ Aus der Inanspruchnahme fremden Kapitals ergab sich der Zwang, die Leitungsstruktur zu verändern, da die Kapitalgeber ihr Risiko durch die Partizipation am Entscheidungsprozeß und durch Uberwachungsbefugnisse kontrollieren wollten. D e r bisherige Eigentümer-Unternehmer mußte in vielen Beziehungen seine Entscheidungsmacht mit dem Verwaltungsrat von den Funktionen her mit dem deutschen ,,Aufsichtsrat" zu vergleichen - und mit der Generalversammlung der Aktionäre teilen. Als weiterhin aktiver Unternehmensleiter stand Fischer gleichzeitig unter der Kontrolle der Aktiengesellschafts-Organe®. Immerhin war die A G aber jene rechtlich-organisatorische Form, mit der er die Finanzen für den raschen Ausbau der Firma zusammenbrachte. Fischer wählte jene Gesellschaftsform, die in den Aufschwungsjahren am Ende des 19. Jahrhunderts in der Schweiz wie in anderen fortgeschrittenen Ländern stark an Bedeutung gewann. Immer häufiger griffen Unternehmer zur A G - F o r m , die das Risiko des einzelnen verringerte, die Finanzbeschaffung erleichterte und je nach der herrschenden Gesetzgebung weitere Vorteile bot''. V o m Gründungskapital von 3 Mio. Franken übernahm Georg Fischer die Hälfte, für die Zeichnung des Restes versuchte er Verwandte und Bekannte zu gewinnen. Der sechzehn Personen umfassende Aktionärskreis der ersten Jahre läßt sich folgendermaßen differenzieren®: Fünf Aktionäre gehörten zum weiteren Kreis der Familie Fischer; ihre Vertreter im Verwaltungsrat waren Georg Fischer und dessen Schwager B . A. von Ziegler. Ingenieur L. Erzinger vertrat im Verwaltungsrat eine Vierergruppe von Schaffhauser .Kapitalisten' Ein weiteres Viertel der Aktionäre stellte eine Winterthurer Rentiersgruppe, deren Interessen E. H . Rieter vertrat. Aus 48
dem Kreis der restlichen wurde der Zürcher Bauunternehmer F. Locher, der das Werk Singen errichtet hatte, in den Verwahungsrat gewählt. Am 12. April 1896 versammelten sich die Verwaltungsräte zur ersten Sitzung im Hause von Georg Fischer^. Die Ingenieure bildeten mit Fischer, Erzinger und Locher die Mehrheit, von Ziegler war Rentner und Landgutsbesitzer, E. H . Rieter ein aus der Leitung der Winterthurer Maschinenbaufirma Rieter ausgeschiedener Unternehmeri". Erzinger, Fischer und von Ziegler waren schon als Verwaltungsräte bzw. Revisoren der Bank in Schaffhausen miteinander in geschäftlichem Kontakt gestanden. Erzinger wurde nun Präsident des GF-Verwaltungsrates, von Ziegler dessen Vizepräsident. In der Direktion (Vorstand) änderte sich faktisch nichts: Fischer behielt als ,,Delegierter des Verwaltungsrates" die Oberleitung über die Werke, Eduard Tague wurde kommerzieller Direktor für Schaffhausen und Singen, Jakob Bucher erhielt die Prokura für Singen. Technischer Leiter in Schaffhausen blieb Bachmann, dem Werk Singen stand Wanner vor^^. Die Firma schien zunächst weiterhin Fischers Unternehmen zu bleiben, was sich symbolisch schon darin äußerte, daß er die Verwaltungsräte meist in seinem Hause empfing. (Dies änderte sich erst, als das Unternehmen nach und nach von der Person Fischers ,abgelöst' wurde^^.) Fischer blieb aber nicht nur symbolisch der ,Unternehmer', sondern er versuchte diese Rolle auch tatsächlich zu behalten. Dies wird sich immer wieder in seinem Verhalten gegenüber den anderen Mitgliedern des Verwaltungsrates zeigen, nämlich in seiner Eigenmächtigkeit, seiner mangelnden Kommunikationswilligkeit und seinem beschränkten Vertrauen in das Funktionieren des Verwaltungsratskollegiums. Die Zeit von 1896 bis 1900 war gekennzeichnet durch bedeutende quantitative und qualitative Veränderungen der Produktionsstruktur, und es soll hier 1. untersucht werden, welche Gründe für diese Veränderungen entscheidend waren und wie die Entscheidungen in einem kollektiven Emscheidungsorgan, dem Verwaltungsrat, zustande kamen. Dabei läßt sich 2. das Entscheidungsverhalten Fischers und sein Verhältnis zum Verwaltungsratskollegium herausarbeiten und zeigen, wie ein Unternehmen in einem längeren Prozeß vom Familienunternehmen über Zwischenstufen zum Managerunternehmen wurde. - Anhand der Darstellung der ersten Verwaltungsratssitzung lassen sich einige grundsätzliche Aspekte des Denkens und Verhaltens von Fischer herausarbeiten. Dieser hatte die Aktiengesellschaft gegründet, um seine Vergrößerungspläne realisieren zu können. Entsprechend drängte er schon in der ersten Sitzung darauf, die Produktionskapazität zu erweitern, denn seiner Meinung nach mußte das Werk im Mühlental das ,.doppelte und dreifache" liefern können, wenn man nicht riskieren wollte, ,,νοη der Concurrenz verdrängt zu werden"^^. Der Expansion wurde grundsätzlich zugestimmt. Da Fischer aber keine genauen Pläne vorlegte, ergaben sich Differenzen darüber, wie die Erweiterungen in Schaffhausen konkret aussehen sollten. Als er hierauf auch auf 49
einen schnellen Ausbau der Singener Fittingsfabrik drängte, begegnete sein forsches Vorgehen bereits einer besonneneren Haltung seiner Verwaltungsratskollegen. Hatte Fischer als Alleinunternehmer noch Entscheidungen über den Ausbau gefällt, ohne genauere Pläne und Analysen zur Hand zu haben, so verlangten die Verwaltungsräte nun detaillierte Auskünfte über die Art der Erweiterungen und die geschäftlichen Aussichten. Fischer antwortete ihnen, daß zwar noch keine Pläne und Berechnungen vorlägen, doch war er optimistisch. Indessen wurde ein Antrag Lochers angenommen, wonach Fischer die erforderlichen Pläne und Kostenvoranschläge beschaffen und in einer der nächsten Sitzungen dem Verwaltungsrat vorlegen sollte. Auch der Wunsch nach einem neuen Bürogebäude wurde zurückhaltend aufgenommen, obwohl Fischer energisch darauf verwies, daß die Büros längst zu klein seien und auf verschiedene Gebäude verteilt werden müßten, was den ,,Mechanismus" sehr erschwere^'^. Dieser Vorschlag war zwar schon besser ausgearbeitet, doch erhielt er auch hier den Auftrag, ,,die Sache weiter zu studieren"^®, damit man später darauf zurück kommen könne. In der auch in den folgenden Verwaltungsratsprotokollen häufig angeführten Wendung ,,erhält den Auftrag" kommt die neue Funktion und Stellung Fischers zum Ausdruck. Den Angestellten und Arbeitern gegenüber blieb er zwar weiterhin der ,Herr im Haus', aber auf der höchsten Ebene wurde er nach und nach auf genau bestimmte Funktionen und Kompetenzen festgelegt. Zunehmend wurde der Status des ,Unternehmers' auch faktisch abgebaut und der Status des ,Delegierten' geformt. Fischer fiel dieser Wechsel nicht leicht. Man bemerkt immer wieder seinen Widerwillen, vom alleinverantwortlichen ,Eigentümer-Unternehmer' zum kontrollierten ,Unternehmensfunktionär' abzusteigen^^. Das Werk Singen wurde bald erweitert, während sich die Diskussion über den Ausbau in Schaffhausen und die Errichtung einer neuen Stahlgießerei längere Zeit hinzog. Immerhin verlief dieser Entscheidungsprozeß, sozial gesehen, schon unproblematischer; Fischer schien sich nun auch an die Informationsansprüche des Kollegiums gewöhnt zu haben. - Für die Stahlgießerei wurden die verschiedensten Standorte - bis nach Aarau und Bülach - ins Auge gefaßt, schließlich wurde in Beringen Land gekauft. Aber schon bald darauf hatte sich die Situation auf dem Markt - vorübergehend - derart verschlechtert, daß beschlossen wurde, mit diesem Projekt zuzuwarten. In der Verwaltungsratssitzung vom 5. April 1897^'' wurde die Expansion anhand eines längeren, von Fischer verfaßten Exposés, das vier alternative Konzeptionen behandelte, noch einmal grundsätzlich diskutiert. Der Verwaltungsrat entschied nun, das Gießereiprojekt in Beringen aufzugeben, die Fittingsfabrikation im hinteren Werk (III) auszubauen und die Stahlgießerei einschließlich Appretur im vorderen Werk zu vergrößern. Etwas später wurde zudem die Anschaffung eines Konverters beschlossen^®, was eine bedeutende technische Neuerung darstellte. Der Entscheid, den Ausbau im Mühlental vorzunehmen und auf eine Filiale in Beringen zu 50
verzichten, entsprach ganz den Wünschen Fischers, der empfohlen hatte, ,,die Anlage möglichst nahe bei Schaffhausen zu machen es würde daselbst eine technische Leitung genügen, währenddem die Administration in Schaffhausen verbleiben könnte Fischer, der mit Koordinations- und Überwachungsproblemen wegen der Verteilung der Büros und Betriebe schon hinreichend konfrontiert war, suchte weitere Schwierigkeiten zu verhindern. Er widersetzte sich einer Dezentralisierung, die mit schlechter Kontrollierbarkeit und einer Zunahme des Verwaltungspersonals verbunden gewesen wäre. Im übrigen hatte er zu befürchten, daß seine zentrale Stellung weiter beschnitten worden wäre, denn es war damit zu rechnen, daß der Filialleiter ein gewisses Autonomiestreben entfaltet hätte. Fischer erreichte, daß die Zentralisierung, die seine Position stärkte, beibehalten wurde. Während die Projektierungsphase im Verwaltungsrat ohne größere Spannungen verlief, häuften sich in der Ausführungsphase die Kooperationsund Kommunikationsprobleme zwischen dem Delegierten und den übrigen Verwaltungsräten. Locher bemängelte in der Sitzung vom 26. 8. 1899, ,,daß zum Teil Bauten und Einrichtungen zur Ausführung gekommen seien, die nicht beschlossen worden sind und andere nicht ausgeführt worden seien, die s. 2 . beschlossen worden sind"^". Er schränkte allerdings ein, ,,daß man mit den Verhältnissen rechnen mußte, mit den Neuerungen, die sich auf allen Gebieten einstellten Nach einer von Fischer erhaltenen Erklärung habe er sich zwar beruhigt und sei vollständig befriedigt durch die Art und Weise, wie im Interesse des ganzen Geschäftes vorgegangen worden sei." Fischer gab Locher recht, betonte aber, daß man ,,alles vorkehren müßte, was die Verhältnisse verlangten, deren oft rasche Entwicklung nicht aufgehalten werden konnte, besonders wenn es sich darum handelte, der Konkurrenz gegenüber nicht in Nachteil zu kommen" Nicht alle Schwierigkeiten im Verhältnis Fischer-Verwaltungsrat konnten auf das eigenwillige Gebaren Fischers zurückgeführt werden. Probleme ergaben sich auch wegen der mangelnden Flexibilität des Verwaltungsrates. Der Delegierte, der stets zur Stelle war, bildete das flexibelste Glied der Leitungsstruktur, und er konnte am raschesten entscheiden. Der Verwaltungsrat trat hingegen nur periodisch zusammen und war somit weniger beweglich. Fischer kam dies immerhin sehr entgegen, weil dadurch sein Entscheidungsspielraum vergrößert wurde. Zwar war in der Sitzung vom 29. 3. 1898^1 beschlossen worden, daß der Delegierte die Verwaltungsräte monatlich über Verkäufe und Ergebnisse orientieren müsse, doch genügte diese Formalisierung der Kommunikation noch längst nicht. In der Sitzung vom 26. 8. 1899 wurde beklagt, daß die Verwaltungsräte zu kurzfristig informiert würden, so daß man sich schwer entscheiden könne. Etwas später kritisierte von Ziegler, daß sich der Verwaltungsrat seit fünf Monaten nicht mehr zusammengefunden habe, worauf Fischer antwortete, daß die Erweiterungen eben nach und nach 51
durchgeführt worden seien, und es wären ,,die einzelnen Objekte stets zu geringfügig gewesen, als daß er die Anberaumung einer Sitzung für notwendig erachtet hätte" Locher verteidigte dagegen die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsrates: ,,Wenn einmal die Erweiterung beschlossen sei, sollte das vorgezeichnete Programm möglichst genau eingehalten werden, allfällige Änderungen müßten besprochen und beschlossen werden, damit man immer orientiert sei."^^ Die Diskussion über weitere Ausbauprojekte für die Stahlgießerei zeigte dann den Unterschied zwischen dem Geschäftsverhalten Fischers und demjenigen seiner Verwaltungsräte. Während Rieter mit dem Entscheid über den weiteren Ausbau zuwarten wollte, bis die Zahlen von 1898 als definitive Anhaltspunkte vorliegen würden, drängte Fischer auf eine rasche Entscheidung ohne diese Sicherheit. Denn ,,selbst mit Zuwarten bis Mitte nächsten Jahres [sei] ein richtiges Bild der erst anno 1901 complet funktionierenden Anlagen noch nicht erhältlich er möchte dringend anraten, die gegenwärtigen günstigen Verhältnisse nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, denn man müsse doch auf die Höhe der Lieferungsfähigkeit kommen, um der Konkurrenz die Spitze zu bieten"^^. Im Gegensatz zu von Ziegler und Erzinger, die die Zurückhaltung Rieters teilten, befürwortete Locher prinzipiell die Expansionsabsichten Fischers, ,,denn man dürfe nicht vernachlässigen, die Konjuncturen auszunützen"^". Was ihn allerdings von Fischer unterschied, war die Besonnenheit, mit der er die Finanzierungsfrage und die Beziehung zu den Aktionären behandelte. Er forderte, ,,daß man sich jetzt genau klar lege, wie viel, im Maximum, man Kapital gebrauche, damit man nie mehr in Schwulitäten gelange, wie sie gegenwärtig vorliegen. Den Actionären soll ganz genauer Aufschluß erteilt werden, und sei dafür zu sorgen, daß man genügend Kapital beschaffen werde. Im Anschluß daran sei ein genaues Programm aufzustellen, wie die projektierten Ausbauten vorzunehmen seien, und zwar so, daß das Budget nie überschritten w e r d e . L o c h e r verwies damit auf die Finanzierungsprobleme, die beim raschen Ausbau aufgetreten waren und die dazu führten, daß GF, nachdem die 3-Millionen-Obligationenanleihe verbraucht gewesen war, mit Blankokrediten arbeiten mußte^^. In der Diskussion zeigten sich also drei verschiedenartige Einstellungen zur Expansion: 1. Fischer, der sich stark auf die positive Einschätzung des Marktes stützte, d. h. vor allem auf äußere Informationen schaute, wollte unbedingt ausbauen. 2. Rieter machte (wie Erzinger und von Ziegler) seinen Entscheid für den grundsätzlich gutgeheißenen Ausbau von den jüngsten Erfahrungswerten aus dem Unternehmen abhängig. 3. Schließlich war die Einschätzung Lochers die überzeugendste; er schaute weder bloß auf die bisherigen Ergebnisse, noch ließ er sich von den Marktchancen blenden, sondern bezog auch den Faktor ,,Finanzierung" 52
realistisch in seine Überlegungen ein. Man entschied sich in diesem Sinne für die Expansion und beauftragte Fischer mit den Verhandlungen für eine Aktienemission^^. Diese Verhandlungen führten schließlich zur Veränderung der Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Der Delegierte, der die Verhandlungen mit den Banken führte, kam dui\h die Vermittlung des Zürcher Bauunternehmers Locher erstmals mit Altdirektor Wuhrmann von der Bank in Zürich (BiZ) in Kontakt, der als Gegenleistung für die Übernahme der Aktienemission einen ,,Bankmann" in den Verwaltungsrat von G F piazieren wollte^®. Nachdem für die Bank in Zürich von Wuhrmann, Direktor Wäber und Ingenieur Brunner-Vogt eine positiv lautende Expertise über die Betriebe ausgefertigt worden war, übernahm sie die Aktienemission. Am 27 4. 1900 nahm dafür Wuhrmann als neuer Verwaltungsrat erstmals an einer Verwaltungsratssitzung teil. Wieder hatten Finanzierungsfragen zu einer - vorerst nur personellen - Veränderung der Leitungsstruktur geführt. Die bisherigen Ausführungen zeigen Fischers Neigung, die ünternehmerrolle auch im neuen Rahmen der Aktiengesellschaft, mit ihrer vergesellschafteten Oberleitung, weiterzuspielen, und welche Reibungen sich dadurch ergaben. Die Spannungen waren aber auch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß Fischers Kompetenzen und Pflichten nicht genau und schriftlich geregelt waren. Man versuchte diesen Zustand durch den Erlaß vereinzelter Vorschriften nach und nach zu verbessern, diese erwiesen sich aber angesichts der lockeren Kontrolle durch den Verwaltungsrat als ungenügend. Ende 1899 wurde deshalb die Beziehung Fischers zum Verwaltungsrat und zum Unternehmen in einem Vertrag schriftlich geregelt^'. Fischer war als Delegierter grundsätzlich verantwortlich für die ,,Oberleitung, Überwachung und Kontrolle der gesamten Geschäftsführung, des Geschäftsbetriebes, der Erneuerungen und Erweiterungen desselben, des Verkehrs nach Außen, der Wohlfahrtseinrichtungen [und die] Ausführung der Beschlüsse des VerwaUungsrathes" Seine Informationspflichten wurden institutionalisiert und die Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat genau umschrieben^". Damit sicherte sich dieser gegen die eilig vorgelegten und zu wenig ausgearbeiteten Projekte ab und schuf die Voraussetzungen für eine rationalere Entscheidungsfindung. Bericht und Antrag hatte der Delegierte zu stellen bei außergewöhnlichen Krediten, größeren Anschaffungen, Anstellung und Entlassung höherer Angestellter, Erteilung von Unterschriften und Einführung resp. Aufgabe von Fabrikationsmethoden und -zweigen. Der Verwaltungsrat übernahm endgültig die Unternehmerfunktionen. Fischer wirkte einerseits als Mitgüed des Unternehmergremiums, andererseits als angestellter Manager mit einem Gehalt von 22 ООО Franken jährhch sowie einer hohen Tantieme. Schließlich war er als Aktionär weiterhin Kapitalist. Seine Stellung als Manager hing von seiner Stellung als Kapitalist in der Aktionärsversammlung ab. So wurde in bezug auf die Vertragsdauer festgelegt:
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„Dieser Vertrag ist während der ersten Amtsdauer beidseitig unkündbar. Wenn nach Ablauf der ersten Amtsperiode Herr Fischer wieder zum Mitglied des Verwaltungsrathes und von diesem zum Delegierten erwählt wird und diese Wahl annimmt, so gilt der Vertrag ohne weiteres als für die neue Amtsperiode beidseitig unkündbar festgesetzt, und in gleicher Weise soll es auch bei späteren Amtsperioden gehalten sein."^^ Die Formalisierung der Tätigkeiten der Geschäftsleitung zeigte sich im weiteren auch in den Verträgen des technischen Betriebschefs (Bachmann), des neuen kaufmännischen Direktors (Rothmund) sowie der kaufmännischen und technischen Leiter der Filiale Singen. - Bachmann stand unter der ,,Oberleitung und Kontrolle des Delegierten des Verwaltungsrathes, dessen Weisungen und Entscheidungen er nachzukommen" hatte. Unterstellt waren ihm ,,die sämtlichen Angestellten des technischen Bureau, sämtliche Abteilungschefs und Betriebstechniker, Meister und Arbeiter der Fabrik in Schaffhausen" sowie der Fabrikationsbetrieb Singen, dessen technische Leitung ,,seinen Weisungen nachzukommen" hatte. In Fragen, die auch kaufmännische Aspekte (z. B . Lieferfristen) betrafen, sollte er ,,gemeinsam mit dem kaufmännischen Leiter" an den Delegierten gelangen^2. Der kaufmännische Direktor leitete das gesamte Personal des kaufmännischen Büros in Schaffhausen und hatte in enger Fühlung mit dem technischen Betriebschef und der Betriebsleitung von Singen zu stehen: ,,Diejenigen Angelegenheiten, welche außer dem Stammhaus in Schaffhausen zugleich auch die Filiale in Singen betreffen, wird Herr Rothmund mit deren Chef gemeinsam beraten und ordnen Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Herrn Rothmund einerseits und dem technischen Betriebschef in Schaffhausen oder dem Chef der Filiale Singen andererseits, entscheidet der Delegierte des Verwaltungsrates. Die Gesamtleitung der Filiale Singen versah weiterhin Bucher, der dem Delegierten direkt unterstellt war. Unterstützt wurde er vom technischen Betriebsleiter (Wanner), den er in allen technisch-betrieblichen Fragen zu Rate ziehen mußte und dessen Meinungen er in jedem Fall an den Delegierten weiterzuleiten hatte. Zusätzlich zu den normalen geschäftlichen Funktionen wahrte er die Interessen des Werkes ,,am Platze"^'*. Die 1899 begonnene Formalisierung der Leitung bestand in der genauen Festlegung der Kompetenzen sowie der Beziehungen der einzelnen Instanzen zueinander. Durch die Institutionalisierung von kollektiven Entscheidungsinstanzen (z. B . technischer Betriebschef und kaufmännischer Leiter Schaffhausen) wurde ein reibungsloseres Funktionieren angestrebt. - Nachdem Bucher wegen eigenwilligen Verhaltens gegenüber Fischer - ein Verhalten, in dem sich ein gewisses Autonomiestreben zeigte - entlassen worden war, wurde die Leitung völlig nach Schaffhausen ausgerichtet^®. Das im Jahre 1900 erlassene Reglement über die ,,Organisation der Fittingsfabrik Singen" legte in allgemeinen Zügen fest, ,,wie die kaufmännische Oberleitung nach Schaffhausen centralisiert werden solle, was in jeder 54
Hinsicht vortheilhafter wirken werde"^^. Von nun an erstreckten sich alle Rechte und Pflichten Rothmunds auch auf Singen, für dessen kaufmännische Geschäftsführung die einander gleichgestellten Prokuristen Maurer und Oechslin zuständig waren. Ferner ernannte man den Reisenden Welzhofer und den Betriebsleiter Wanner, die ihre ,,Unzufriedenheit" geäußert hatten, zu Prokuristen. Georg Fischer betonte, daß sich die Beförderung der beiden Singener ,,Beamten" weniger aus funktionalen Erfordernissen, denn aus sozialpsychologischen Gründen aufgedrängt habe. Diese typische ,Titelbeförderung' erfolgte, weil ,,νοη den Genannten das Verdienst langjähriger Anstellung und das in Deutschland doch eine große Rolle spielende öffentliche Ansehen speziell hervorgehoben" worden war^''. Auch G F hatte der ,Titelsucht' im kaiserlichen Deutschland Konzessionen zu machen^®. Unter den Extrembedingungen der Krise 1900-1902 mußte es sich nun erweisen, ob die formalisierte Geschäftsleitung tatsächlich so funktionierte, wie sich der Verwaltungsrat das bei der Abfassung der Verträge und Reglemente vorgestellt hatte. In einigen Schritten soll im folgenden dargestellt werden, wie sich die Krise bei G F äußerte, wie die verschiedenen Organe und Personen der Geschäftsleitung darauf reagierten und wie sie sich auf die Leitungsstruktur und deren Besetzung auswirkte. Im März des Jahres 1900 berichtete der Delegierte noch über ein gutes Geschäftsjahr, die baulichen Fortschritte und die Aufnahme der BessemerStahl-Produktion in großem Maßstab^^. Es wurde noch ernsthaft vom Ausbau des Werkes Singen gesprochen und der Bau von Arbeiterwohnungen in Schaffhausen geplant^®. Erst Ende September 1900 erwähnte Fischer eine ,,nicht unbedeutende Windstille" im Geschäftsleben, und Ende November bezeichnete er den Rückschlag in der Eisenbranche als ,,anhaltend" und ,,eher noch etwas mehr fühlbar", was ihm auch anläßlich einer Sitzung der größeren deutschen Stahlgußproduzenten in Essen bestätigt worden sei'*^ Der Verwaltungsrat hoffte, daß die Firma den Winter noch ohne Entlassungen überstehen würde. Im übrigen beabsichtigte man, während des ruhigeren Geschäftsganges die Kontakte zu Kunden und potentiellen Abnehmern zu verbessern sowie die Fittingslager wieder aufzufüllen"*^. Ernsthafte Probleme stellten sich dem Verwaltungsrat aber schon bald in der Stahlgießerei, denn die Schwierigkeiten mit der neuen Fabrikationsweise und das Sinken der Verkaufspreise wirkten sich gemeinsam negativ auf das Ergebnis aus. Die Fabrikationsprobleme wollte man vorerst durch die Rekrutierung eines Gießereimeisters von Krupp (Annen) lösen, d. h. G F versuchte, die Stellung auf dem Stahlgußmarkt durch Integration des Wissens der Konkurrenz zu verbessern. Schneckenburger schildert, daß z. B. die Lokomotivfabrik in Winterthur kein Zutrauen in die Gießerei von G F hatte und deshalb die Lieferungen trotz Bewerbung durch Fischer vor allem an Krupp in Annen vergab, was sich erst nach der Einstellung eines Kruppschen Gießermeisters geändert habe: 55
„Ich erinnere mich aus der Zeit unter Georg Fischer, wie Herr Studer, damals Ingenieur der Motorenabteilung der Lokomotivfabrik Winterthur, einmal herkam ins Büro zu Herrn Fischer mit den Worten: ,Grüß Gott Herr Fischer, händ Ihr wieder Rossbolle igschmolze, es isch wieder alles en Schwyzerchäs, mier chönds nid brache.' So war natürlich begreiflich, daß uns die Loki so wenig wie möglich zu gießen gab. Wir beschlossen deshalb, nebst Gießermeister Werner noch einen Gießermeister von Krapp in Annen zu engagieren, um der Lokomotivfabrik sagen zu können, daß wir nun auch Lokomotivguß machen könnten." Dieser Gießermeister, Reinsch, habe sich zwar beträchtlich umstellen müssen, aber der Begriff ,Krappscher Gießermeister' habe GF ,,doch sehr viele Aufträge eingebracht, speziell von der Lokomotivfabrik Winterthur'"'^. Doch vorerst blieben wegen der Krise auch die Aufträge der Lokomotivfabrik in bescheidenem Rahmen. Fischer mußte im März 1901 feststellen, daß der Rückschlag in Schaffhausen ausschließlich von der Stahlgießerei herrührte, die nach einem vollen Betriebsjahr immer noch das ,,Schmerzenskind" war^". Trotzdem hoffte der Verwaltungsrat auf eine Besserung bei günstigerer Konjunktur. D a man mit dem eigenen "Wissen nicht weiterkam, wurde das Gutachten des deutschen Gießerei-Experten T h . Ehrhardt eingeholt, der die Lage durchaus nicht als hoffnungslos beurteilte, sondern an die Auftraggeber des Gutachtens schrieb, daß ,,die Schwierigkeiten in der Fabrikation hinter Ihnen liegen'"*®. Mit einigen Änderungen, besserer Übung des Personals, neuen Artikeln und einer günstigeren Konjunktur (,,was doch nur eine kleine Zeitfrage sein dürfte") könnten durchaus gute Resultate erzielt werden. Im Sommer 1901 mußte Fischer dem Verwaltungsrat aber eröffnen, daß die Situation ziemlich hoffnungslos sei: „Gestützt auf die vor einigen Tagen fertig gewordene Calculation der Gestehungskosten des Stahlgusses sind wir jetzt im Falle, und stehen nicht an, dies sofort zu tun, Ihnen die def. Mitteilung machen zu können, daß sich die früher auf diese Branche gesetzten großen Hoffnungen bis heute nicht erfüllten und nicht abzusehen ist, ob sie sich überhaupt und bis wann erfüllen werden. Die genaue Rechnung der Gestehungskosten, welche eine große Summe von Arbeit repräsentiert und deshalb unmöglich früher hätte zum Abschluß gebracht werden können, ergibt, daß dieser Zweig mit bedeutendem Verlust arbeitet er absorbiert ungefähr dasjenige, was wir mit den andern Betrieben verdienen.'"*^ Von Ziegler verlangte die sofortige Schließung der Stahlgießerei. Auch Wuhrmann glaubte, daß nur mit der Aufgabe dieses Betriebszweiges weitere Verluste vermieden werden könnten und bemängelte, daß der Sachverhalt nicht schon früher besprochen worden sei. Wie Locher kritisierte er überdies, daß von der Direktion zu viele Gelder in den Fittingslagern gebunden worden seien. Locher wünschte eine genaue Zusammenstellung der Unterlagen, damit man sich klar Rechenschaft geben könne. Fischer verteidigte die Menge der auf Lager produzierten Fittings, erklärte sich aber mit der Einschränkung der Fittingsfabrikation einverstanden und verlangte,
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daß eine Untersuchung über die möglichen Aussichten des Stahlgusses an die Hand genommen werde. „Es sei Sünd und Schad diesen Artikel, der das Zukunftsmaterial, das Constructionsmaterial par excellence genannt werden dürfe, fallen lassen zu müssen; und doch müsse er mit den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsrates einsehen, daß ein solch' verlustbringender Betrieb eben auf die Länge nicht gehalten werden dürfe.""'' Die ausländisch^ Konkurrenz sei eben zu stark. Erzinger verlangte zwar eine nochmalige Prüfung der Kalkulation, die ihm zu pessimistisch gehalten war, doch wurde beschlossen, den Betrieb der Stahlgießerei sofort einzustellen. In der nächsten Sitzung schon wurde dieser Entscheid gemildert, d. h. die Schheßung sollte ,,nach und nach" durchgeführt werden"*®, da man den vorhandenen Kalkulationsunterlagen nicht recht traute und weil eine sofortige Liquidation bedeutende Nachteile mit sich gebracht hätte''^. In der Frage der Schließung der Stahlgießerei waren zwei Dinge deutlich geworden: Erstens war der Verwaltungsrat weiterhin nicht in der Lage, die Geschäftsführung Fischers und seiner Untergebenen wirklich zu kontrollieren; zweitens machte sich ein Mangel an genügenden Grundlagen bemerkbar, der den unsicheren und oft bald wieder überholten Entscheidungen des Verwaltungsrates mit zugrunde lag. In der Sitzung vom 7. August 1901 wurde deshalb einer einschneidenden Änderung der Leitungsstruktur zugestimmt. Angesichts der schwierigen Verhältnisse und ,,besonders auch in Anbetracht ihrer Verantwortlichkeit als Verwaltungsratsmitglieder" waren die ,,Herren L. Erzinger, B. Aug. von Ziegler, Oberst Fritz Locher und Herr Wuhrmann übereingekommen, den Antrag auf Errichtung eines Directions-Comité, oder man könnte auch sagen eines Ausschusses des Verwaltungsrates, zu stellen, um mit der Direction engere Fühlung zu bekommen, als dies bislang der Fall gewesen"^". Der neu geschaffene Ausschuß hielt pro Woche mindestens eine Sitzung ab, der der Delegierte mit beratender Stimme beiwohnte. Er bildete den geschäftsführenden Teil des Verwaltungsrates, indem er die Wochenrapporte des Delegierten und dessen Vorschläge zur Vorberatung entgegennahm, wichtigere, bisher dem Delegierten allein überlassene, Entscheidungen fällte sowie die Geschäftsbücher und die bedeutendere Korrespondenz kontrollierte. Durch die Einführung des Directions-Comités wurde der Delegierte einerseits in seinen Kompetenzen beschnitten, andererseits wurden seine Informationspflichten ausgebaut, d. h. Fischers Autonomie wurde beträchtlich reduziert. Sein Widerstand war erstaunlich zurückhaltend, meinte er doch nur, daß er die Bezeichnung ,,Ausschuß des Verwaltungsrates" genauer finde als ,,Directions-Comité" In solch verklausulierter Form äußerte sich sein Widerwille dagegen, daß ihm als faktischem Direktor eine neue Instanz übergeordnet wurde. Den neuen Informationspflichten wollte er ,,tunhch nachleben"®^. Am negativen Geschäftsabschluß zeigte sich im Krisenjahr 1901 die 57
bedrohliche finanzielle Lage der Firma, und es wurde deutlich, daß die rasche Expansion der vorangehenden Jahre zu sehr auf Fremdkapitalien teilweise sogar auf Blankokrediten von Banken - basierte®^. Die intensivere Kontrolle der Geschäftsführung durch die Ausschußmitglieder Erzinger (der auch Verwaltungsrat der Bank in Schaffhausen war), Locher (seit 1900 auch Verwaltungsrat der BiZ) und Wuhrmann (BiZ) führte dazu, daß die unsolide FinanzpoHtik aufgedeckt wurde. Anläßlich einer Besprechung des Verwaltungsrates in Lochers Büro in Zürich wurde festgestellt, daß der kommerzielle und finanzielle Direktor, Rothmund, trotz wiederholter Mahnungen, eine falsche Finanzpolitik geführt habe. Es seien z. B. Blankokredite zu festen Anlagezwecken verwendet worden, ,,eine Ungeheuerlichkeit, welche sich nur durch absolute Unfähigkeit des kommerziellen und finanziellen Leiters der Gesellschaft erklären" lasse®^. Rothmund wurde die Kündigung nahegelegt, da ihm mit seinem ,,Mangel an Scharfblick, Übersicht der Marktlage und einer gewissen Beurteilung der Konjunkturen etc. diejenigen Eigenschaften" fehlten, ,,welche für die Aufgaben eines kaufmännischen Leiters einer Gesellschaft von dem Umfang" unbedingt erforderlich seien^''. Der Ärger über das Verhalten Rothmunds war aber gleichzeitig - wenn auch noch unausgesprochen - ein Ärger über dessen Vorgesetzten, Fischer, der allerdings nicht so leicht zu entlassen war. Im Frühjahr 1902 machten verschiedene Verwaltungsräte erneut Bedenken gegen die Geschäftsführung geltend. Wuhrmann z. B. erklärte in der Sitzung vom 25. 3. 1902 nach dem Verlesen der Bilanz, diese ,,sei ihm vollkommen unklar und unverständlich, so daß er zu gar nichts stimme, bis die mit der Überprüfung betrauten Experten ihren Bericht abgegeben hätten"®®. Bei den Experten handelte es sich um Vertreter der drei kreditgebenden Banken, BiZ, Bank in Schaffhausen und Bank in Winterthur. Erst nachdem diese über die Bilanz beraten hatten, wurde die Geschäftsrechnung in der folgenden Sitzung angenommen. In unübersehbarer Weise wurde demonstriert, daß die Autonomie der Firma weitgehend aufgehoben war. Die Entscheidungen fällten letztlich die Banken, deren Vertreter im Verwaltungsrat dominierten. Zu diesem Zeitpunkt machte sich auch erstmals eine Opposition aus dem Aktionärskreis bemerkbar, indem ein Aktionär eine personelle Veränderung in der Direktion verlangte®®. Im Verwaltungsrat geriet Fischer wegen seines unbürokratischen Verhaltens in Schwierigkeiten: Weil er ohne die Einwilligung des Verwaltungsrates dem austretenden Rothmund für dessen Übergabearbeit zusätzlich zum Gehalt eine Sonderentschädigung ausgezahlt hatte, kam es zu einer heftigen Diskussion im Verwaltungsrat, in der es mehr um das allgemeine Verhalten des Delegierten ging als um die umstrittene Auszahlung, die z. B. von Rieter und Erzinger durchaus für richtig befunden wurde. Vor allem die beiden auswärtigen Vertreter der Bank in Zürich, Locher und Wuhrmann, nahmen nun - wie der folgende 58
Ausschnitt aus dem Verwaltungsratsprotokoll zeigt - keine persönlichen Und sozialen Rücksichten mehr und attackierten das eigenmächtige Verhalten Fischers: „Herr Oberst Locher findet, daß sich in dieser Angelegenheit der Delegierte über die Köpfe der anderen Verwaltungsratsmitglieder hinweg gesetzt habe. Mit Rücksicht auf die Verantwortung, die der gesamte Verwaltungsrat trage, sei dies ein gefährliches Signal, und er beantrage, es sei der erfolgten Zahlung die Genehmigung nicht zu erteilen." Er wurde unterstützt von Wuhrmann, der als Vertreter der BiZ zu Protokoll gab: ,,Ich constadere: daß Herr Fischer während acht Tagen auf Reisen im Ausland vom Geschäft abwesend gewesen ist, ohne vom Ausschuß gemäß dessen Beschluß die Genehmigung einzuholen." Ferner unterstützte er Locher in der Frage der Auszahlung an Rothmund und hielt fest: ,,Daß Herr Fischer somit eine offene Mißachtung der Beschlüsse des Verwaltungsrates und seines Ausschusses gezeigt hat. - Ich protestiere und verwahre mich gegen ein solches Gebahren des Herrn Fischer und erhebe Anklage gegen ihn auf offene Widersetzlichkeit gegen den Verwaltungsrat
Ein Beschluß gegen Fischer wurde vorerst noch - gegen den Willen der zwei Vertreter der BiZ - auf die nächste Sitzung verschoben. Unterdessen arbeiteten die Banken neue Statuten für die Firma aus, die in der Sitzung vom 20. Mai beraten wurden^®. Fischer bemerkte gleich, daß das Amt eines Delegierten fehlte und wünschte, den Grund für die Änderung zu erfahren. Wuhrmann antwortete, ,,daß sich die Institution eines Delegierten des Verwaltungsrates nicht bewährt habe und daß die bezügliche Änderung auf einen einstimmigen Vorschlag der Delegierten der drei Credit gebenden Banken zurück zu führen sei" Auf die Frage Erzingers nach der künftigen Stellung Georg Fischers wollte Wuhrmann nicht eingehen, und auf Erzingers und Rieters leichte Vorbehalte gegenüber einer statutarischen Formulierung, wonach in der Geschäftsleitung nur Direktoren aber kein Generaldirektor figurierten, antwortete er, ,,daß die heutige Redaktion das Produkt mehrfacher Beratungen der drei Banken sei, welche an der jetzigen Fassung nicht gerüttelt wissen wollen"®'. Die Macht lag bei den Banken. Diesen ging es nun darum, ihre Position durch eine Statutenveränderung und eine neue Zusammensetzung des Verwaltungsrates zu institutionalisieren. In der Generalversammlung vom 28. Mai gelang ihnen allerdings erst die Neuwahl des Verwaltungsrates. Die im Verwaltungsrat vorberatene Statutenänderung scheiterte, da der Großaktionär Georg Fischer durch sein Nichterscheinen das Zustandekommen der Beschlußfähigkeit (zwei Drittel der Aktien) verhinderte. In den Verwaltungsrat wurden gewählt^® : Oberst Diethelm (Gebr. Sulzer) A. Gemperle-Beckh (Direktor Elektrizitätswerk Kübel, Vertrauensmann der BiZ) Oberst F. Locher (Locher & Co., Zürich, Verwaltungsrat BiZ) C. Schäfer (Direktor der Bank in SH) J. Freimann (Direktor der Bank in Winterthur)
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J. Schäfle (Direktor der Maschinenfabrik Rauschenbach SH, Verwaltungsrat Bank Schaffhausen) Ferd. Wuhrmann (eh. Bankdirektor BiZ). Ausgeschieden waren die bisherigen Verwaltungsratsmitglieder Erzinger, von Ziegler, Georg Fischer und Rieter-Bodmer. Dagegen opponierten Fischer und sein Schwager von Ziegler, die mit dem Aktienbesitz von Fischer immer noch ein starkes Druckmittel in der Hand hatten®^. Die Ergebnisse der zweiten Generalversammlung vom 30. Juni zeigen, daß sich Fischer und die Banken in der Zwischenzeit auf einen Kompromiß hatten einigen können: Fischer überließ die Vertretung seiner Aktien Locher^^ und erreichte damit, daß sein Schwager von Ziegler wieder zum Verwaltungsrat in das auf zehn Personen erweiterte Gremium gewählt wurde. Dafür ermöglichte er die Beschlußfassung über die neuen Statuten, was faktisch einer Zustimmung zu seinem Ausscheiden aus der Geschäftsleitung gleichkam. Eine andere Wahl war ihm offensichtlich in der heiklen geschäftlichen Situation nicht gelassen worden. Nachdem der Verwaltungsrat gegenüber dem gesundheitlich und nervlich angeschlagenen Georg Fischer noch eine Zeitlang offengelassen hatte, ob ihm eine Stelle als Direktor eingeräumt würde, entließ er ihn mit dem Beschluß vom 13. 11. 1902 endgültig: ,,Ιη Erwägung 1), daß die einläßliche Untersuchung der Situation unserer Gesellschaft seitens des neuen Verwaltungsrates Mißstände enthüllte, welche durch die frühere Geschäftsleitung hervorgerufen und großgezogen, die Existenz unserer Gesellschaft geradezu bedrohten, 2) daß zur Abwehr dieser Mißstände eine rasche und durchgreifende Neuordnung in der ganzen Geschäftsleitung eine dringende Notwendigkeit war, 3) daß diese Neuordnung sofort ins Werk gesetzt wurde und nunmehr durchgeführt ist, 4) daß die in Folge dieser Neuordnung entstandenen Personalfragen gelöst sind und alle in Frage kommenden Stellen ihre definitive Besetzung gefunden haben, wird beschlossen: a) von einer Wiederanstellung des Herrn Fischer-Hanhart wird definitiv abgesehen und darüber zur Tagesordnung geschritten Die BiZ hatte in der entscheidenden G V vom 30. Juni 1902 66,4% des Aktienkapitals (verteilt auf 9 Vertreter oder Vertrauensleute) in der Hand, wobei Locher das etwa 3 7 % ausmachende Paket Georg Fischers vertrat! Unterstützt wurde die BiZ von der Bank in Schaffhausen (5,51% auf 4 Vertreter) und der Bank in Winterthur (0,22%; 1 Vertreter). Das restUche Aktienkapital verteilte sich auf die Familie Fischer (exkl. Georg 8,16% auf 3 Vertreter), Famihe Rieter (5,35%; 2), Abnehmerfirmen wie Sulzer, S L M und Bell (je 0,22%), leitende GF-Angestellte (Bachmann: 0,44%; Bucher: 0,18%) und eine Gruppe von Schaffhauser Bürgern. In den nächsten Jahren bemühten sich die Banken keineswegs mehr um eine Vermehrung ihres Aktienbesitzes; bis 1906 ging der Anteil der drei Banken - Bank in Zürich, Bank in Schaffhausen und Bank in Winterthur - auf 7 , 2 % zurück, der 60
Anteil der BiZ betrug 5,8%^". Damit wird deutlich, daß es der BiZ, der es 1902 gelungen war, für die entscheidende Sitzung die Mehrheit unter Kontrolle zu bekommen, langfristig weniger um eine finanzielle Majoritätsstellung ging, sondern eher um eine solide Kontrollminorität, mit der auch verschiedene vorsichtige Versuche Fischers, wieder zu einer einflußreicheren Position im Unternehmen zu gelangen, abgewehrt wurden. Trotz abnehmenden Kapitalbesitzes stellten die Banken nun für längere Zeit die meisten und einflußreichsten Vertreter im Verwaltungsrat, in welchen in der Sitzung vom 30. Juni 1902 neben von Ziegler noch zusätzHch E. KochVlierboom als Mann der BiZ und Direktor H. W. Hall von der SLM Einsitz genommen hatten. Die ortsfremden, d. h. von lokalen Rücksichtnahmen unabhängigen Bankenvertreter Wuhrmann und Locher hatten angesichts der bedrohlichen finanziellen Lage einen diffizilen Entmachtungsprozeß zu Ende geführt, in dem Georg Fischer vom Eigentümer-Unternehmer zum weiterhin vermögenden, aber einflußlosen Rentier degradiert wurde. In der letzten Phase der Entmachtung und in der anschließenden Reorganisation trat mit A. Gemperle-Beckh immer mehr ein Mann in den Vordergrund, der bis 1900 vorübergehend als Berater und Statthalter im Familienunternehmen Bühler (Uzwil) gewirkt hatte und den wir 1903 bei der ,Reorganisation' der Maschinenfabrik Oerlikon wieder antreffen, als Vater und Sohn Wegmann (Mitglieder einer der beiden Gründerfamilien) ausschieden®^. GemperleBeckh, der offenbar über ein ,,großes Organisationstalent" verfügte, gehörte als ,trouble-shooter'-Typ in jener Zeit des raschen, aber krisenhaften industriellen Aufschwungs, in der Umstrukturierungen und Umbesetzungen nichts Außerordentliches waren, ebenso zum Bild wie die Figur des ,erfolglosen' ,unglücklich handelnden', ,der Sache nicht gewachsenen' oder ,ausgebooteten' Unternehmers oder Managers^®. Für die Leiter vieler damals schnell expandierender Unternehmen war es bisweilen äußerst schwierig, die anstehenden neuartigen Probleme (zu einem rechten Teil Management- und Organisationsprobleme) richtig zu lösen, bzw. sie hatten schon Mühe, die Problemstellung richtig zu definieren. Diese Tatsache blieb in guten Jahren relativ folgenlos, konnte sich aber in Krisenzeiten um so verheerender auswirken. Dies war der Augenblick, in dem sich die Banken um die investierten Gelder zu sorgen begannen. Bei einigen dieser Banken scheint sich nach und nach ein bestimmtes Managementwissen angesammelt zu haben, das ihnen erlaubte, strandende oder gestrandete Unternehmen wieder flott zu machen. Wuhrmann oder Gemperle-Beckh sind in diesem Sinne frühe Managementexperten, unter deren Leitung GF reorganisiert wurde. Die zeitgenössische Öffentlichkeit interpretierte indessen Fischers Ausscheiden anders als dies hier der Fall ist; für sie war das Schicksal Fischers ein - je nachdem - bedauerlicher, peinlicher oder erfreulicher Sonderfall. Für das Bürgertum hatte Fischer als Unternehmer versagt. Die bürgerliche 61
Presse war höflich genug, dies mit Schweigen zu übergehen®'', dafür wucherten unter der Decke der diskreten Wohlanständigkeit die Gerüchte®®. Für die ,proletarische Öffentlichkeit' war Fischers Ausscheiden keine bedauerliche Angelegenheit. Die sozialdemokratische Zürcher ,,Arbeiterstimme" meldete:,,Gegangen. Die Krise fordert ihre Opfer bis in die ,höchsten' Gesellschaftsschichten hinauf Und im Kommentar des sozialistischen ,,Echo vom Rheinfall" äußerte sich Schadenfreude: ,,Wie er's so oft den Arbeitern gemacht, ist es jetzt auch Herrn Georg Fischer im Mühlenthal ergangen Die genauen Umstände des Ausscheidens Fischers blieben bisher im Dunkeln. Die Festschrift 1926 nannte als Grund, daß er bei der Lösung der Probleme nicht habe mitwirken wollen. Die Festschrift 1952 begründet seinen unfreiwilligen Austritt damit, daß er die ,,sich aus der Krisensituation ergebenden Probleme nicht mehr selber zu lösen" vermochte^^. Der Mangel solcher Begründungen besteht darin, daß sie faktisch nur Einstellungen oder Fähigkeiten des Unternehmers für sein Ausscheiden verantwortlich machen. Sie resultieren fast zwangsläufig aus einem historischen Ansatz, der - ob bewußt oder nicht - Unternehmensgeschichte als Unternehmergeschichte angeht. Einer wissenschaftlichen Geschichtsschreibung muß es hingegen darum gehen, Struktur und Funktionieren der Leitung im Zusammenhang mit den Unternehmensproblemen im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung zu analysieren, womit schließlich auch das Ausscheiden Georg Fischers erklärt werden kann''^.
II. Die ,Herrschaft
der Manager' - Die von 1902-1913
Unternehmensleitung
Der Wechsel der Unternehmergeneration vollzog sich 1902 nicht mehr innerhalb der Familie, denn die neuen Unternehmer waren ,,angestellte Unternehmer", bzw. ,,Manager" oder ,,Unternehmensfunktionäre"i, die ohne größeren eigenen Kapitalbesitz als Angestellte oder Beauftragte der Banken das Unternehmen führten. Den Banken bzw. den Verwaltungsräten von G F mußte es nun als erstes darum gehen, eine neue Leitungsstruktur zu schaffen und die richtigen Personen in diese zu berufen. Die folgenden Ausführungen zeigen, wie die Verteilung der Aufgaben, Pflichten und Rechte innerhalb der Geschäftsleitung neu geordnet wurde und wie Beziehungen und Kommunikation geregelt wurden. Schon im Spätsommer 1902 begann der Verwaltungsrat mit der Reorganisation der Leitungsstruktur, indem er - noch bevor Fischer die endgültige Entlassung mitgeteilt worden war - ein neues ,,Reglement für die Organisation der Direktion" beschloßt, wonach die Leitung des Unternehmens bei einem kaufmännischen und einem technischen Direktor lag, die dem Ver62
waltungsrat bzw. dem Verwaltungsratsausschuß unterstellt waren. Der kaufmännische Direktor nahm mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verwaltungsratsausschusses teil, zu denen der technische Direktor hingegen nur in besonderen Fällen eingeladen wurde. - Dem neuen kaufmännischen Direktor, Ernst Homberger, war das kaufmännische Personal in Schaffhausen und Singen unterstellt. In der ersten Zeit standen Vertriebsfragen im Zentrum seiner Tätigkeit; gestörte Beziehungen zur Kundschaft mußten normalisiert und der Kundenkreis weiter ausgebaut werden, wenn gewisse Geschäftszweige auf ein höheres Rentabilitätsniveau kommen sollten^. Dem ihm nebengestellten technischen Direktor waren ,,die Fabrikation, das technische Bureau und das dazu gehörende Beamten- und Arbeiterpersonal speziell unterstellt, und zwar sowohl in Schaffhausen als in Singen"". Für Fragen, die nur in Zusammenarbeit der beiden Direktoren entschieden werden konnten, wurde ein täglicher Rapport ,,unter Zuzug des allfällig notwendigen kaufmännischen und technischen Personals" festgelegt®. Bei Meinungsverschiedenheiten schHchtete der Verwaltungsrat bzw. der Verwaltungsratsausschuß (VRA). Die teamartige Leitung verschiedener Sachbereiche eignete sich sehr gut zur Einführung Hombergers durch den praktisch erfahreneren Bachmann, und zudem ließen sich durch die kollektive Leitung gewisse Nachteile einer starren, ,bürokratischen' Struktur vermeiden. - Die beiden Direktoren hatten den in der Regel alle acht Tage zusammentretenden VRA genau über den Geschäftsgang auf dem laufenden zu halten und alle vierzehn Tage ,,unter Benutzung specieller Formulare" schriftlich jedes Verwaltungsratsmitghed über den Geschäftsgang zu informieren®. Die Oberleitung des Unternehmens lag nach der Abschaffung des Delegiertenpostens beim Verwaltungsratsausschuß, der nicht bloß Kontrollfunktionen ausübte, sondern der eigentliche Initiator und Träger der Reorganisationstätigkeit war. In diesem eigentlichen Unternehmerkollektiv arbeiteten Locher und Gemperle (als BiZ-Vertrauensleute) sowie Schäfer (Bank in Schaffhausen) und Diethelm (Sulzer), als technischer Experte, eng zusammen''. Ihr Bericht auf der Verwaltungsratssitzung vom 13. November 1902 vermittelt einen Eindruck von der hektischen Tätigkeit der ersten Zeit: „Seit der letzten Verwaltungsratssitzung vom 10. September haben sieben Sitzungen stattgefunden, deren Protokolle Ihnen zugestellt worden sind. In Wirklichkeit waren aber die Mitglieder des Ausschusses viel öfter, als aus den Protokollen ersichtlich, in Schaffhausen und Singen, um an Ort und Stelle die nötigen Erhebungen zu machen und Material für die gemeinschaftlichen Sitzungen sowie für die Ihnen nunmehr zugestellten Berichte zu sammeln. Durch die bisherige mangelhafte Organisation wurden die Arbeiten erschwert und verzögert Die Ausschußmitglieder mußten erst die Verhältnisse im Unternehmen genau durchleuchten, bevor sie Reorganisationsmaßnahmen vorschlagen 63
und sich selbst ein Pflichtenheft ausarbeiten konnten, das ,,den Verhältnissen angepaßt" und „praktisch"' sein sollte. Am 13. November 1902 wurde schließlich das „Reglement für den Ausschuß" verabschiedet, das in vielen Beziehungen an das Reglement über das Direktions-Comité von 1901 anschloßt". Dem Verwaltungsratsausschuß wurden ,,die Organisation der Geschäftsleitung und des Geschäftsbetriebes sowie des Verkehrs zwischen Schaffhausen und Singen" sowie Überwachungs- und Leitungsfunktionen übertragen. Er sollte ,,sich über den ganzen technischen und kaufmännischen Betrieb in Schaffhausen und Singen genau orientiert halten, mit der Direction stets in enger Fühlung bleiben und im Verein und Einverständnis mit derselben allfällig notwendig erscheinende Verfügungen, Änderungen oder Neuerungen veranlassen"^^. Das bedeutete, daß der VRA in der Reorganisationsphase Funktionen innehatte, die in normalen Zeiten der Direktion überlassen wurden, und daß er andererseits der Teil des Verwaltungsrates war, der imstande war, die Kontrolle über die Tätigkeit der Direktion tatsächlich auszuüben. Schaubild 1 zeigt den Aufbau der Leitungsspitze nach der Reorganisation. Schauhild 1: Organisation der Geschäftsleitung Ende 1902
Unter- resp. Ueberstellungsverhdltnisse Möglichkeit der g e m e i n s a m e n B e h a n d l u n g bestimmter Fragen
Der Vergleich mit der Organisation von 1899 und 1900 (Schaubilder 2 a und 2 b) zeigt, daß 1) der VRA als kollektives Leitungsgremium die Stelle des Delegierten übernommen hatte, 2) die Zentralisierung nach Schaffhausen beibehalten worden war und daß 3) die verschiedenen Hierarchien und 64
Stufen besser verbunden wurden, was einer effizienten Arbeit zweifellos zustatten kam. Schaubild
2 a: Organisation der Leitung 1899
U n t e r - b z w . Ueberstellung gemeinsame
Beratung
in bestimmten
Schaubild
Fragen
2b: 1900 (ab 16. 5. 1900)
-—-
Unter-bzw stellung
Ueber-
gemeinsame
Beratung
in
bestimmten
Fragen
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Nachdem sich die Banken in den ersten Jahren der Reorganisation durch ihre Vertreter im Ausschuß sehr stark im Management des Unternehmens engagiert hatten, wünschte der Vertreter der Bank in Zürich, Wuhrmann, bereits anfangs 1904, daß sie sich wieder stärker auf die Komrollfunktionen zurückzögen. Er regte an, das Verhältnis zwischen Ausschuß und Direktion in dem Sinne zu ändern, ,,daß die Stelle eines Generaldirectors geschaffen und der aus einem Generaldirector, einem kaufmännischen und technischen Director bestehenden neuen Direction weitergehende Competenzen eingeräumt würden"^^. Der Vorschlag konnte aber nicht so bald realisiert werden, weil man Mühe hatte, für Homberger, der als Generaldirektor vorgesehen gewesen wäre, einen kaufmännischen Direktor zu finden. Im übrigen schien dem Verwaltungsrat ganz allgemein ein Rückzug aus dem Management noch nicht angebracht zu sein, solange die Direktion zu schlecht dotiert war: „ N o c h ist der Stab unserer kaufmännischen und technischen höheren Angestellten nicht complet, indem es außerordentlich schwer hält, tüchtige, für solche Stellungen geeignete Leute zu finden. Schon mehrmals schienen Engagements von gut empfohlenen Leuten perfect zu sein, als in der letzten Stunde wieder Absagen kamen, weil die betreffenden sich inzwischen mit ihren gegenwärtigen Chefs geeinigt und Zulagen erhalten hatten N o c h immer ruht unser Geschäft auf den Schultern der beiden Directoren, und es fehlt an Nachwuchs, der im Falle von Krankheit oder sonstiger Verhinderung die Direction auch nur vorübergehend ersetzen könnte.
Man hielt deshalb an der Institution mit zwei Direktoren fest, stellte aber den kaufmännischen Direktor deutlich über den technischen. Der kaufmännische Direktor hatte die Überwachung des ganzen Geschäftes wahrzunehmen und ,,nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, sich so viel wie möglich über den technischen Betrieb informiert zu halten und seine Beobachtungen in den Conferenzsitzungen zur Sprache zu bringen"^'·. Aus den früheren ,,täglichen Rapporten" der Direktoren wurden ,,Directions-Conferenzen", die so oft als nötig stattfanden. Den Vorsitz führte in der Regel der kaufmännische Direktor, und es wurden ,,je nach Bedürfnis die höheren Angestellten des kaufmännischen und des technischen Personals beigezogen", wobei es jedem der beiden Direktoren freistand, Angestellte aus dem einen oder andern Betrieb zu bezeichnen. Mit diesen Konferenzen zur ,,Wahrung des Contaktes zwischen den Abteilungen" hatte man eine hervorragende Integrations-Einrichtung, die angesichts der schon weitgehend differenzierten Leitungsstruktur immer wichtiger und nützlicher wurde^®. Trotz der Vorbehalte des Verwaltungsrates gegen einen Rückzug des Ausschusses aus der Geschäftsleitung wurden doch schon im Direktionsreglement von 1904 die Kompetenzen der Direktion geringfügig erweitert und das Verhältnis der Direktion zum Ausschuß etwas weniger formal ausgestaltet; wobei der Ausschuß das Recht behielt, sich jederzeit über alles zu informieren. 66
Die schon im Reglement von 1904 beobachtete Tendenz zur Höherstellung des kaufmännischen Direktors gegenüber dem technischen setzte sich im Vertrag mit Homberger (1905) und im „Reglement über die Organisation der Geschäftsleitung (1907)" fort. Homberger erhielt in seinem neuen Vertrag die Einzelunterschrift für Singen und Schaffhausen^® und hatte nun ,,die Oberleitung des ganzen Geschäftes im allgemeinen und die commercielle und finanzielle Leitung desselben im speziellen"^' inne. 1907 wurde Homberger zum Generaldirektor ernannt, der Chef der Korrespondenzabteilung, Zündel, wurde ,, kaufmännischer Subdirektor" und der technische Leiter, Bachmann, blieb technischer Direktor. Die Titelbeförderung H o m bergers begründete man folgendermaßen: ,,Daß übrigens die Kreierung des Postens eines Generaldirektors nicht etwa eine ungewöhnliche Ausnahme bildet, sei dadurch bewiesen, daß andere, weit weniger bedeutende industrielle Unternehmungen diese Institution schon früher oder dann in neuester Zeit eingeführt haben . Hieven abgesehen glauben wir im Namen des gesamten Verwaltungsrates unserm geschätzten Direktor, Herrn Homberger, durch die Ernennung zum General-Direktor eine Ehre zu erweisen, die ihm vermöge seiner aufopfernden geschäftlichen Tätigkeit und seiner Erfolge verdientermaßen gebührt.
Mit dieser Belohnung wollte man zweifellos Homberger an G F binden, nachdem dieser 1905 durch seine Heirat mit der Schaffhauser Industriellentochter Marguerite Rauschenbach Teilhaber der Uhrenfabrik Rauschenbach geworden war. Die damals übliche Schaffung von Generaldirektorenposten hing ganz allgemein mit der Vergrößerung der Leitungsapparate der Großunternehmen zusammen. Die Spitze sollte nach der herrschenden Ansicht nicht zu breit werden und durch einen ,GeneraÜsten', den Generaldirektor, zusammengefaßt werden. Der Verwaltungsrat folgte hier einer Mode, die aber für G F durchaus einen rationalen Kern hatte. Gemperle wies darauf hin, indem er betonte, daß ,,die konstante Weiterentwicklung unserer Unternehmungen nach innen sowohl als nach außen" es notwendig machte, ,,die Organisation der Geschäftsleitung mit den heutigen Verhältnissen und Anforderungen in Einklang zu bringen"^'. Gemeint war, daß die technischen Fragen im großen Ganzen gelöst waren und die wichtigsten Unternehmensprobleme im Finanzierungs- und Vertriebsbereich lagen, was die Höherstellung des kaufmännischen Direktors begründete. Homberger, dem bei dieser Gelegenheit im Reglement auch der ,,Verkehr mit Fabrikanten und Berufsverbänden"^° weitgehend selbständig übertragen wurde, hatte zusammen mit den Leitern der deutschen Großunternehmen (und Hauptkonkurrenten) Lauchhammer und Bergische Stahl-Industrie (BSI) maßgeblich bei der Schaffung des Weichguß-Fittings-Verbandes (ein Preiskartell) im Jahre 1906 mitgewirkt. Zudem hielt er seit 1902 die Kontakte zum deutschen Stahlformguß-Verband, dem G F als nichtdeutsches Werk angehörte^^. Schließlich war unter ihm in kurzer Zeit eine Vertriebsorganisation für den 67
Massenartikel Fittings entstanden, die für den geschäftlichen Erfolg sehr entscheidend war. Dies begann mit der Gründung einer Filiale in Paris (1902), der Gewinnung von Alleinvertriebspartnern in Rußland (1903), England (1905), Holland (1906), usw. 1905 hatte GF feste Vertretungen mit Lagern in London, Glasgow, Buenos Aires, Johannesburg, Wladiwostok, Archangelsk, Baku, Warschau, Moskau, Petersburg, Rom und Campinas (Rumänien) sowie an allen wichtigeren Handelsplätzen Zentraleuropas^^. Die Kartellierung der Märkte sowie die aktive Vertriebspolitik, verbunden mit der Erschließung und dem Ausbau von Absatzgebieten, führten dazu, daß der Geschäftserfolg in vermehrtem Maße vom geschäftlichen und diplomatischen Geschick des kaufmännischen Leiters abhing, während der Zusammenhang zwischen der Leistung des technischen Direktors und dem Geschäftserfolg immer vermittelter wurde. Es ist unter diesen Umständen leicht verständlich, daß die Banken den von ihnen gewählten Homberger gegenüber dem technischen Direktor bevorzugten, um so mehr als sich Homberger hervorragend bewährte, während Bachmanns Verhalten als technischer Direktor intern wiederholt zu Beanstandungen Anlaß gab^^. Immerhin erreichte Bachmann durch einen Protest, daß er weiterhin die unmittelbare Aufsicht über das technische Personal behielt, obwohl laut Reglement das gesamte ,,kommerzielle und technische Personal"^'^ dem Generaldirektor unterstellt war. Allerdings konnte Bachmann nicht verhindern, daß der technische Leiter des Werkes Singen zum Betriebsdirektor ernannt und damit gegenüber Bachmann beträchtlich aufgewertet wurde. Und als er im Februar 1909 erkrankte, übernahm der Generaldirektor, assistiert vom technischen Adjunkten de Boor und unterstützt vom technischen Experten des Verwaltungsrates, auch die technische Leitung^®. Der nur halbwegs genesene Bachmann wurde in der Folge entlastet, indem ihm nur noch die beiden Schaffhauser Stahlgießereien unterstellt blieben, während de Boor die Leitung der Fittings- und Nebenbetriebe erhielt^®. Nachdem Bachmann anfangs 1910 aus gesundheitlichen Gründen endgültig ausgeschieden war, wurde die Zweiteilung der technischen Leitung fest institutionalisiert. De Boor leitete die Fittings- und Nebenbetriebe und der von Haniel & Lueg rekrutierte Moersen die Stahlgießereien. An dieser Leitungsstruktur änderte sich bis in den Ersten Weltkrieg nichts mehr^'^. Es wäre zu erwarten gewesen, daß mit dem 1908 beschlossenen ,,Reglement für den Ausschuß" das weitgehende Engagement des Verwaltungsratsausschusses in der Leitung des Geschäftes etwas reduziert worden wäre. Tatsächlich war dies zum Teil der Fall, indem er nur noch einmal pro Monat zusammenkam. Dennoch bHeb sein aktives Engagement im Management erhalten, denn ein Zusatzprotokoll bestimmte, daß der Präsident des Ausschusses (Gemperle) zu ständigem Kontakt mit der Geschäftsleitung und dem Generaldirektor verpflichtet sei. Wöchentlich sollte eine Sitzung mit dem Generaldirektor stattfinden, und durch Informationsbesu68
che hatte sich Gemperle selbst über die Verhältnisse zu orientieren. Der technische Experte im Ausschuß, Ingenieur В runner-Vogt^®, bheb durch wöchentliche Besprechungen mit der Geschäftsleitung, den Betriebsleitern und Abteilungschefs in engem Kontakt mit den Managern. Verwaltungsrat Streuli befürwortete zwar einen stärkeren Rückzug des Ausschusses aus der aktiven Leitungstätigkeit, weil er fand, daß die im Reglement vorgesehenen Kompetenzen des Ausschusses weiter gingen, als dies normalerweise bei andern Gesellschaften der Fall sei^®. Trotzdem entschied sich der Verwaltungsrat mehrheitlich für das vorgeschlagene Reglement, das sich grundsätzlich an der bisherigen Ordnung orientierte. Die Mehrheit des weiterhin von Bankenvertretern dominierten Verwaltungsrates wünschte somit ein weitgehendes Engagement des Ausschusses in der Geschäftsleitung. Im Krisenjahr 1908 waren nur wenige bereit, auf eine enge Kontrolle zu verzichten. - Das folgende Schema faßt die Ausführungen über die Leitungsstruktur noch einmal optisch zusammen.
Schaubild 3: Leitungsstruktur ab 1908 VR
Gemper Kontakt und TD
Ueber- bzw. Unterstellung Teilnehmer der Ausschusssitzung ( Ix monatlich ) '
Direktions-Conferenz i.d. Regel tägl. unter Zuzug d e s nötigen kaufm u techn. P e r s o n a l s weitere Möglichkeiten der g e m e i n s a m e n B e r a t u n g in bestimmten Fragen
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Wieder fällt auf, daß die verschiedenen Hierarchien und Stufen durch integrierende Institutionen verknüpft wurden. Dies war m. E. das wichtigste Ergebnis des mehrere Jahre dauernden Suchprozesses nach der besten Leitungsstruktur für ein Unternehmen ohne einen Unternehmer im alten Sinne, dessen Autorität auf Besitz oder Tradition beruhte. In einem im wesentlichen durch Bankenvertreter und Manager geleiteten Unternehmen waren koordinierende, dem Informations- und Meinungsaustausch und der kollektiven Entscheidungsfindung dienende Sitzungen (Direktionskonferenzen, Ausschußsitzungen zusammen mit den Direktoren usw.) besonders wichtig und notwendig, denn sie erlaubten gegenseitige Kontrolle und garantierten einen gewissen Standard der geschäftlichen Rationalität, der unter Georg Fischer III in einigen Bereichen gefehlt hatte^®. Derartige Ausschüsse, Kommissionen u. ä. finden wir seit ungefähr der Jahrhundertwende auch bei der M F O , schweizerischen Banken (SKA, SBV), aber auch in deutschen und nordamerikanischen Großunternehmen. Vermutlich war dieses Management-Muster häufiger in Firmen mit größerem, differenzierterem Leitungsapparat und mit fortgeschrittener Trennung von Eigentum und Verfügung anzutreffen als in Familienunternehmen. In einem alten Familienunternehmen wie der Basler Chemiefirma Geigy wurden genaue Kompetenzgliederung der Direktion und die Institution der Direktionssitzung erst 1924 eingeführt, zu einem Zeitpunkt, als der Charakter eines Familienunternehmens verlorenging^ ^. Gleichzeitig mit dem Ausbau der Leitungsstruktur und der personellen Konsolidierung in der Leitung verminderte sich die Bedeutung der Aktionärsversammlung, die im Falle der ,Palastrevolution' von 1902 noch eine wichtige Rolle gespielt hatte. Die Aktionäre mußten die Banken Vertreter nun nolens (wie z. B. der Großaktionär Georg Fischer) oder volens (wie wohl in der Regel die meisten übrigen Aktionäre) gewähren lassen, weil nur diese nach der Sanierung von 1903 der Firma wieder eine gewisse Zukunftschance geben konnten. 1903 stellten die Bank in Zürich, die Bank in Schaffhausen und die Bank in Winterthur zusammen sieben von zehn Verwaltungsräten; 1913 hatten die Schweizerische Kreditanstalt (die 1905 die BiZ übernommen hatte), die Bank in Winterthur (die 1912 mit der Toggenburger Bank zur ,,Schweizerischen Bankgesellschaft" verschmolzen war), die Bank in Schaffhausen und die Bank Sarasin zusammen sieben von elf Verwaltungsratssitzen inne. Tabelle 3 zeigt die nicht unbeträchtliche Fluktuation im Verwaltungsrat und gibt in der hintersten Kolonne die jeweilige Zahl von Bankenvertretern (Verwaltungsräte, Direktoren oder Vertrauensleute) an. Die Macht der Banken beruhte letztlich darauf, daß sie als Türhüter zum Finanzmarkt die Kapitalbeschaffung durch Aktienemissionen regeln konnten und daß sie der Firma die Betriebskapitalien zur Verfügung stellten. Die Aktionäre machten bei den Emissionen zwar offenbar öfter von ihrem Vorzeichnungsrecht Gebrauch - die Aktionärsstruktur dürfte sich deshalb 70
Tabelle 3: Eintritte und Austritte im GF-Verwaltungsrat nach der tatsächlichen Amtszeit" Austritte
Eintritte Jahr
Name, Firma
1904 R. Ernst (BiW/SBG) C.F.W. Burckhardt (BiZ, ab 1905 Sarasin) 1905 R. Wäber (BiZ) C. Sturzenegger (BiS) 1906 1907 1908 A. Koch (Ver. Kammgarn) H.E.Streuli-Hüni (SKA) 1909 C.Müller-Landolt (MRS) R. Neher (SIC, BiS) 1910 W.C. Escher (SKA) 1911 В. Peyer-Frey
В SH Name, Firma χ χ χ χ
χ χ
χ χ χ
χ χ χ
Bankenvertret. В SH insges.
J. Freimann (BiW) С. Diethelm (Sulzer)
χ
F. Wuhrmann (BiZ)
χ
F. Locher (BiZ) E. Koch-Vlierboom (BiZ) B.A.v. Ziegler (Fam.) C. Sturzenegger (BiS)
χ χ χ
R. Wäber (SKA) Η. E. Streuli-Hüni (SKA)
χ χ.
8
9 8 7 χ χ
7 8 8 7
Abkürzungen: Für die Firmenbezeichnung vgl. das Abkürzungsverzeichnis. - В = Bankenvertreter - SH = Vertreter des Finanzplatzes Schaffhausen
bis 1913 nicht bedeutend verändert haben - , u n d sie besuchten recht fleißig die Generalversammlungen und das daran anschließende gesellige Mittagessen. D o c h ihre wirkliche Rolle bestand nur noch im .Absegnen' der vorgelegten Beschlüsse u n d Anträge, die der Verwaltungsrat (bzw. dessen Ausschuß) in Zusammenarbeit mit der Direktion ausgearbeitet hatte^^. Aber selbst eine derartige, auf die Elementarfunktionen reduzierte Aktionärsversammlung konnte zu einem hemmenden Faktor werden, wenn größere Projekte rasch in Angriff genommen werden sollten. 1914 wünschte der Verwaltungsrat deshalb im Zusammenhang mit der G r ü n dung einer russischen Filiale eine E r h ö h u n g der Kompetenzsumme f ü r Neuinvestitionen und Auslandsgründungen, weil er angesichts der vorhandenen Geschäftsgröße eine ,, wesentlich größere Aktionsfreiheit" brauchte^"*. Damit wurde die Macht des Verwaltungsrates, b z w . der in ihm vertretenen Aktionäre, die eine genau umrissene ,,dominant coalition" (Thompson)^® bildeten, weiter gefestigt. Wer gehörte zu dieser Koalition der Herrschenden? Bis zum Ersten Weltkrieg stellten die Banken wie schon erwähnt die meisten Verwaltungsräte. D a z u kamen jeweils einige Persönlichkeiten des schaffhausischen oder ostschweizerischen Finanz- oder Industriekapitals. Von Ziegler, der als Vertreter von Georg Fischer Verwaltungsrat war, schied 1908 gezwungenermaßen aus, weil Georg Fischer mit der Gründung einer neuen Firma (der ,,Elektrostahlwerke") ein geschäftlicher Konkurrent von G F geworden 71
war. Nicht direkt repräsentiert war jeweils auch eine größere Anzahl von Kleinaktionären, die den Vertreter des .Platzes Schaffhausen' oder des ,Platzes Winterthur' als ihren Mann betrachten mußten^^. Die Tätigkeit und das Gewicht der einzelnen Verwaltungsräte war dabei recht unterschiedlich; das starke Engagement des Verwaltungsrates in der Geschäftsleitung führte zur Differenzierung des Verwaltungsrates in beisitzende, nur Kontrollfunktionen wahrnehmende, und aktiv in die Geschäftsleitung eingeschaltete Mitglieder. Die Folge war, daß ab 1908 die Tantiemen nach dem Ausmaß der Beanspruchung eines Mitgliedes ausgerichtet wurden. Verwaltungsrat Ernst sprach sich für die Einführung des .Leistungslohnes' im Verwaltungsrat aus. Er bemerkte, ,,daß die Verteilung der Tantieme früher mehr mit Rücksicht auf die von allen Mitgliedern des Verwaltungsrates gleichmäßig zu tragende Verantwortlichkeit erfolgte als mit Rücksicht auf die persönliche Beanspruchung einzelner Mitglieder. Dies war wohl nicht ganz gerechtfertigt; es scheint billig, daß diejenigen Herren, welche den Hauptanteil der vom Verwaltungsrat zu bewältigenden Arbeit übernehmen, auch einen erheblich größeren Tantieme-Anspruch erhalten als ihre übrigen K o l l e g e n . D i e Ausschußmitglieder erhielten größere Anteile, wobei die beiden faktischen Top-Manager Gemperle und Brunner-Vogt noch besonders hervorstachen. Der weiteren Entwicklung teilweise etwas vorgreifend soll hier die Zusammensetzung des Verwaltungsrates bis 1930 unter ausgewählten Gesichtspunkten dargestellt werden. Von 1896-1930 waren insgesamt 32 Personen für kürzere oder längere Zeit im Verwaltungsrat. Ein Großteil dieser Verwaltungsräte hatte Direktorenstellen oder Verwaltungsratsmandate in bedeutenden schweizerischen Unternehmungen inne, vor allem im Bank- und Versicherungswesen sowie in der Metall-, Maschinen- und Elektroindustrie. Von den 21 Verwaltungsräten, bei denen die Ausbildung eruiert werden konnte, hatten 9 eine kaufmännische Ausbildung, 4 waren Juristen und 8 Hochschulingenieure (7 Ingenieure, 1 Chemiker). Das Schwergewicht verschob sich mit der Zeit insofern, als die Zahl derjenigen mit technischer Ausbildung abnahm und die Kaufleute und Juristen dominierten^®. Je mehr sich also der Verwaltungsrat dank dem Vorhandensein eines qualifizierten technischen Kaders®' auf die unternehmerischen Initiativen und Kontrollfunktionen beschränken konnte, um so mehr wurden kaufmännisch und juristisch gebildete Personen rekrutiert. Rückläufig war auch die Vertretung der Banken, wogegen die Repräsentanten der Maschinenund Metallindustrie, d. h. der Kundschaft, seit dem Kriegsende zahlreicher waren. Darin spiegelte sich nicht zuletzt eine Bedeutungsverschiebung zwischen den Faktoren Finanzmarkt und Absatzmarkt. Ausgehend von einer elitesoziologischen Fragestellung kann ansatzweise untersucht werden, inwiefern die Mitglieder des Verwaltungsrates auch hohe Funktionen in Politik und Armee innehatten. Politische Ämter konn72
ten bei 9 (28%) der 32 Verwaltungsratsmitglieder festgestellt werden. Vier gehörten dem Zürcher, einer dem Basler und einer - der gleichzeitig auch Nationalrat war - dem Schaffhauser Kantonsparlament an; drei saßen im Winterthurer Stadtrat. Soweit feststellbar, gehörten alle zur Freisinnigen Partei (Liberale). Es fällt auf, daß erst mit dem 1917 eingetretenen Schaffhauser National- und Großrat Spahn ein Vertreter des engeren Umweltbereiches ,Politik' in den Verwaltungsrat kam*". GF versuchte also nicht durch direkte Vertretung in den Behörden die lokale und regionale Politik zu beeinflussen, sondern verließ sich auf die bürgerliche Mehrheit in den schaffhausischen Behörden. Viele Verwaltungsräte wirkten als verbandspolitische Interessenvertreter in Vorstand oder Ausschuß des Arbeitgeberverbandes Schweizerischer Maschinen- und Metallindustrieller (ASM) und des Vereins Schweizerischer Maschinen-Industrieller (VSM)"*^. Vier bekleideten eine sehr hohe militärische Position (vom Oberst an aufwärts). Vereinzelte spielten eine wichtige Rolle im Kulturleben: Koch-Vlierboom war Präsident der Zürcher Tonhallegesellschaft, W. C. Escher Förderer des Kunsthauses, der Zentralbibliothek und des Schweizerischen Landesmuseums'*^. Bei aller Unvollständigkeit zeigt die grobe Analyse der für das schweizerische Bürgertum durchaus typischen Gruppe der GF-Verwaltungsräte, daß wirtschaftliche, politische, kulturelle und militärische Elitepositionen eng verknüpft waren. Trotz der Verschiedenheit der einzelnen Verwaltungsräte bezüglich der Herkunft, des Einkommens, der Qualifikation usw. läßt sich ohne, weiteres verallgemeinern, daß ihr Lebensstil und Erfahrungshorizont insgesamt sehr deutlich von demjenigen der meisten Angestellten oder der Arbeiter abgehoben war^^. Zu diesem Kreis des schweizerischen Bürgertums gehörte auch Ernst Homberger, der 1869 in Ebnat-Kappel (Kanton St. Gallen) als Sohn eines Textilunternehmers geboren wurde'·'*. Nach dem Besuch der obligatorischen Schulen in St. Gallen und Zürich absolvierte er die Handelsschule in Neuenburg, die damals eine wichtige Ausbildungsstätte für Manager und Unternehmer war. Hierauf folgte die praktische Ausbildung, wovon er zwei Jahre in einem Zürcher Handelsgeschäft und zwei Jahre in Londoner Bank- und Exporthäusern verbrachte. Anschließend arbeitete er fünf Jahre bei der Barclays Bank, Sitz Westindien. 1896 kehrte er in die Schweiz zurück und übernahm eine Stelle als kaufmännischer Angestellter bzw. kaufmännischer Leiter der Kraftübertragungswerke Rheinfelden. In der Leitungskrise von 1902 beriefen ihn die Banken zu GF, wo er als kaufmännischer Leiter die Nachfolge Rothmunds und Fischers antrat. Hier stieg er rasch zum Generaldirektor auf, wurde 1923 Delegierter und Vizepräsident des Verwaltungsrates sowie schließlich 1929 Präsident des Verwaltungsrates. 1902 als ,fremder' Manager, als Vertrauensmann der teilweise auswärtigen Banken nach Schaffhausen geholt, wurde er 1905 durch seine Heirat mit der Rauschenbach-Erbin Marguerite Rauschenbach Teilhaber der Uhrenfabrik Rauschenbach - und damit Schaffhauser Indu73
strieller - , später auch Mitbesitzer der Maschinenfabrik Rauschenbach'·^. Bei G F wandelte er sich zunehmend vom ,fremden' Manager zum Direktor-Unternehmer, mit eigenem - über einen bloßen Pflichtanteil hinausgehenden Aktienpaket, das auch noch nach seinem Tod der Famihe Homberger einen Verwaltungsratssitz eintrug. Daß er eindeutig als Kapitalvertreter zu gelten hat, wird nicht nur daran sichtbar, sondern auch an der Art seines Einkommens. Homberger bezog ein relativ bescheidenes festes Gehalt (Fr. 10 ООО jährlich), wozu eine Tantieme in der Höhe derjenigen des gesamten Verwaltungsrates kam. An Tantiemen erhielt er schon in den ersten Jahren ein Mehrfaches seines Fixums, d. h. er war schon sehr bald auch von der Art seines Einkommens her mehr Unternehmer als Angestellter^®. Schon in den ersten Jahren seiner Tätigkeit war er Verwaltungsrat in den GF-Tochtergesellschaften und vertrat die Firma in den Kartellen sowie in den Unternehmer- und Arbeitgeberverbänden. Von seinen schaffhausischen Positionen aus wurde Homberger dann vor allem seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in verschiedene Verwaltungsräte'^'' und eidgenössische Kommissionen berufen. Der Exportpionier Homberger war nun eine bedeutende Persönhchkeit im schweizerischen Wirtschaftsleben. Seiner Stellung und seinem Lebensstil nach war Homberger Unternehmer. Dies äußerte sich in seinem Verhältnis zu Angestellten und Arbeitern und in deren Beziehung zu ihm. Seine Tätigkeit spielte sich in den Direktionszimmern und in den Sitzungszimmern der Verwaltungsräte, Kartelle und Kommissionen ab, fern von den Arbeitsplätzen der Arbeiter. Allerdings suchte er solange wie möglich etwas Kontakt mit der Arbeiterschaft zu behalten, indem er bis 1921 - dann löste ihn der Jurist und stellvertretende Direktor Bührer endgültig ab - meist an den Sitzungen der Arbeiterkommission teilnahm. Den Arbeitern gegenüber war er eine Autorität mit Verständnis, das heißt mit Verständnis für die Interessen der Arbeiter, aber stets entschlossen, die Interessen der Leitung durchzusetzen. In härteren Auseinandersetzungen trat er zwar persönlich auf, überiieß aber die Ausführung der PoHtik seinen Untergebenen (Betriebsleitern u. ä.). Dies dürfte mit ein Grund sein, weshalb er trotz seiner enormen Machtposition in Schaffhausen als Person kaum je von den Arbeiterorganisationen offen angegriffen wurde. In der Leitung pflegte er den von den Banken eingeführten teamartigen Stil mit Konferenzen der Direktoren und Sachverständigen, die soziale Distanz zu diesen Angestellten wuchs aber zunehmend. In diesem Sinne schildert der ehemahge GF-Stahlgußreisende und spätere Unternehmer August Maier das Verhältnis der oberen Angestellten zu Homberger: ,,Homberger hatte Kennerblick für seine Mitarbeiter, wählend, kritisch prüfend, ausscheidend. Wem einmal Vertrauen geschenkt, Verantwortung übertragen, Last und gewöhnlich nicht zu knapp - auferlegt, der hatte Raum, sich zu bewähren. 74
Mußte schon ganz fehl ausarten, bis Homberger ihn fallen ließ. Freilich, sentimental ging es da nicht zu. Alles und jedes mußte der Sache des Unternehmens dienen. Der Chef zog voran, aber es mußte mitziehen, wer es bei ihm zu etwas bringen wollte. Und den besten Zug erwartete er nicht von den fetten Gäulen: Man konnte lange Zeit knapp gehalten sein, mußte sich auf weite Sicht einstellen können. Zuerst leisten, säen, sich mühen dann konnte man gelegendich von E. H. auch angenehme Überraschungen erleben. Aber großzügig war er eigentlich mehr im Großen, als im Individuellen: Wohnungsbauten großen Stils, Altersrücklagen für die Arbeiter, Pensionskasse für die Angestellten alles auf die Dauer, auf Bestand, auf Zusammenhalten des großen Ganzen berechnet . Für seine Mitarbeiter existierte Homberger wohl nur im Geschäft. Hier allerdings spürte jeder wesentlich seinen Kontakt, stand weithin unter seinem Willenseinfluß. Man mußte es ihm recht machen wollen. Hombergers autoritärer, aber gleichzeitig ausgesprochen sachlich-funktionaler Führungsstil war zweifellos recht typisch für schweizerische G r o ß unternehmen jener Zeit^®. - Auch in seinem Lebensstil unterschied sich Homberger von den höheren Angesteliten der Firma derart, daß sie eine große Kluft zwischen ihm und sich wahrnahmen: Die Wochenenden verbrachte er auf seinem Sitz im Toggenburg, wo er ritt, jagte und fischte. Dazu trieb er in seinen jüngeren Jahren exklusive Sportarten: ,,E. H. war ein früher Automobilist. Herkulischer Gestalt, scharfen Blicks, lag ihm der neue Sport. Reiter, Jäger, Bob-Fahrer. Immer leitende, beherrschende, siegende Betätigung, auch in der Erholung. Es versteht sich hiernach, daß der Stahlguß für's Auto in E. H. einen auch gefühlsmäßig, nicht nur geschäftlich bereiten Förderer fand."^" In die Politik mischte sich Homberger nur vereinzelt offen ein. Er war ,,den Verhältnissen der kleinen Stadt ziemlich entrückt"^i; diese Tätigkeit überließ er in der Regel Untergebenen und Freunden. Er war nicht der Typ des patriarchalischen Ostschweizer Textilherrn, sondern internationaler Geschäftsmann. Homberger war ganz ,Rationalist', tat das, was der Firma am meisten nützte und konnte dabei bisweilen recht unorthodox handeln.
III.
Die Rationalisierung von Verwaltung und Fabrikation der Ausbau der Betriebe bis zum Ersten Weltkrieg
und
Es waren nicht in erster Linie technische Probleme gewesen, die das Unternehmen um die Jahrhundertwende in die schwere Krise gebracht hatten, sondern vor allem Markt- und Managementprobleme, die gemeinsam die finanziellen Schwierigkeiten auslösten. Auf die seither unter der neuen Leitung durchgeführten Änderungen in der Vertriebs- und Marktorganisation ist bereits hingewiesen worden. Ebenso dringlich war nun aber auch die Lösung der ,inneren' Managementprobleme. Mit der neuen Lei75
tungsgeneration kam viel schon längst überfällig Gewordenes, aber Aufgestautes zum Durchbruch. Einen Komplex bildeten dabei die Reform der Buchhaltung, der Kalkulation, des Terminwesens sowie der Informationstechniken. Die finanziellen Engpässe und die Rentabilitätsprobleme bei der Stahlgießerei waren zu einem Teil darauf zurückzuführen, daß der erste Verwaltungsrat - und besonders dessen Delegierter - stark auf Informationen von außen (Marktdaten usw.) orientiert war und es dabei versäumte, die Entwicklung von tauglichen Bewertungsinstrumenten für die Erfassung der unternehmensinternen Vorgänge wirklich ernsthaft zu fördern. Die Mangelhaftigkeit des Rechnungswesens wirkte sich dabei weniger beim gut eingeführten Geschäft mit dem Massenartikel Fittings aus, sondern war besonders folgenschwer für die Entwicklung im härter konkurrenzierten Stahlformgußgeschäft, wo es öfter um größere, komplizierte und in der Fabrikation aufwendige Spezialstücke ging, an denen man ebensogut verlieren wie gewinnen konnte, wenn man sich nicht auf dem Boden einer realistischen Kalkulation bewegte. Ein ungenügendes betriebliches Rechnungswesen und das daraus resultierende Fehlen aussagekräftiger buchhalterischer und kalkulatorischer Unterlagen hatten 1901 den Verwaltungsrat in der Frage der (Nicht-)Einstellung der Stahlgießerei in größte Unsicherheit gebracht. Und 1902 gelang es den Ausschußmitgliedern Gemperle und Diethelm trotz intensiver Bemühungen nicht, ,,aus der bisherigen Buchhaltung genaue Anhaltspunkte über das Ergebnis der Stahlguß-, Fittings- & Tempergußfabrikation in Schaffhausen in den Jahren 1900 und 1901 herauszuschälen, weil dafür alle nötigen Unterlagen fehlen" i. Man lobte bei dieser Gelegenheit den technischen Leiter Bachmann, der den Mangel eines geordneten Rechnungswesens schon lange empfunden hatte. Dessen Versuche, zuverlässige Ziffern für 1900 und 1901 zusammenzustellen, seien gescheitert, ,,weil Vergleiche mit früheren Jahren fehlten und wie bereits gesagt aus der kaufmännischen Buchhaltung Schlüsse auf die Richtigkeit der gefundenen Werte für die einzelnen Fabrikationszweige nicht gezogen werden konnten"^. Die Vorstellungen der neuen Leiter über ,geschäftliche Rationalität' waren anspruchsvoller als jene Georg Fischers. Das hieß, daß sie das Buchhaltungs- und Kalkulationswesen grundlegend umgestalten mußten, damit es als Entscheidungsgrundlage brauchbar und als Kontrollinstrument leistungsfähig war. - U m die neueren Entwicklungen stärker zu profilieren und in den Entwicklungszusammenhang zu stellen, werden die folgenden Abschnitte über einzelne Aspekte des Rechnungswesens bzw. des Informationswesens mit kurzen historischen Exkursen eingeleitet. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Rationalität bzw. der ,Rechenhaftigkeit' des modernen Kapitalismus^. Das Rechnungswesen von G F begann mit dem Schreibkalender von Johann Conrad Fischer, in den er Einnahmen und Ausgaben notierte, 76
ohne allerdings 1. die privaten Vorgänge von den geschäftlichen zu unterscheiden und 2. die verschiedenen Posten (Löhne, Reisen, MateriaHen, Werkzeuge) systematisch auseinanderzuhalten. Durch den monatlichen Vergleich von Ausgaben und Einnahmen erreichte er einen globalen Überblick, aber natürlich keine exakte Durchdringung der Kosten. Dies war allerdings angesichts der geringen Größe und Komplexität der Werkstätten und der Produkte weniger nötig als später, um so mehr als der Unternehmer auch noch sonst einen guten Überblick hatte. J . C . Fischer erstrebte zwar sicher mehr als ein ,standesgemäßes' Handwerkereinkommen, doch fehlte ihm die Neigung, die Kapitalverwertung mit allen Mitteln zu ,optimieren' Die Tendenz, alles und jedes regelmäßig zu messen bzw. in Geldeinheiten auszudrücken, war noch nicht voll entwickelt'^. Über die Buchhaltung und Kalkulation seiner Nachfolger sind wir nicht informiert, doch ist nicht anzunehmen, daß sie soweit entwickelt gewesen wäre, daß alle betrieblichen Vorgänge oder die einzelnen Produkte kostenmäßig exakt erfaßt worden wären. Die deutschsprachige Managementliteratur der 1870er Jahre - und darunter an hervorragender Stelle ,,Die Grundsätze der Industrie-Verwaltung" von J . J . Bourcart^, Privatdozent am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich und Ingenieur in der Firma Escher-Wyss & C o . - machte zwar energisch auf die Wichtigkeit der Betriebsbuchführung und der Unkostenberechnung aufmerksam, doch scheinen Reformen in der Praxis nur nach und nach durchgeführt worden zu sein. Bourcart z. B . machte klar, daß alle Vorgänge inner- und außerhalb der Betriebe notiert werden müßten®; in seinem Buch, das er im Untertitel als ,,praktischen Leitfaden" bezeichnete, finden sich detaillierte Anweisungen und Beispiele zur ,,Technologie der Verwaltung", worunter er die ,,Buchung der inneren Angelegenheiten und der Erfolge" verstand. Es ist offensichthch, daß der technische Leiter Bachmann Bourcarts Leitfaden oder etwas Vergleichbares kannte, als er 1892 und 1895 seine Ideen zur Verbesserung des betrieblichen Rechnungswesens und der Verwaltung skizzierte. 1897 beurteilte er die früher eingeführten Methoden aber schon skeptisch, weil sie angesichts der gestiegenen Komplexität der Betriebe und der Produkte sowie wegen des angeschwollenen Volumens der durch das Unternehmen bewegten Güterflüsse nicht mehr genügen konnten. In seinen 1897 verfaßten ,,Vorschlägen zur Anlage einer FabrikComptabilität"'' befand er: ,,Die bisherige Kalkulationsmethode, welche nur einen annähernden pauschalen Mittelwert der Fabrikationskosten jeder Branche herausrechnete, erweist sich als ungenügend, besonders da die Anforderungen an die Fabrikation sowie deren Vielseitigkeit sich von Jahr zu Jahr steigern. Aus ihr sind weder statistische Zusammenstellungen für die Verwaltung, noch Voranschläge oder Nachrechnungen einzelner Objekte möglich; es ist überhaupt die Richtigkeit ihrer Resultate aus manchen Gründen zu bezweifeln und darf behauptet werden, daß sie zu ganz unrichtigen Anschauungen führte und für unsere jetzigen Verhältnisse absolut
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unzureichend ist." Bachmann war überzeugt, daß das Rechnungswesen im Interesse einer rationalen Entscheidungsfindung verbessert werden mußte. ,,Ιη jedem Fabrikationsgeschäft ist die Kalkulation der Erzeugnisse eine der wichtigsten Aufgaben des Verwaltungswesens. In derselben allein liegt die Basis für sämtliche Dispositionen, die den Betrieb angehen, von ihr hängt meistens der Ausgangspunkt der geschäftlichen Unternehmungen und oft nicht zum mindesten das Wohl und Wehe eines Geschäftes ab Die Führung der Kalkulationsbücher soll daher den Zweck haben, den Geschäfts-Vorsteher jederzeit, hauptsächlich aber am Ende jeden Monats durch einen kompletten Rechnungs-Abschluß vom Geschäftsbetrieb und dessen Rentabilität zu überzeugen, ihm also vorzulegen, wie der Stand des Betriebes, des Umsatzes usw. ist oder wie er sein sollte." Die Erreichung dieses Zweckes sei aber ,,illusorisch", wenn das Rechnungswesen nicht mit der notwendigen Regelmäßigkeit und Genauigkeit besorgt werde und man immer die Ergebnisse der Jahresabschlüsse erwarten müsse. Bachmann forderte also ein geeignetes Führungs- und Kontrollinstrument für die Geschäftsleitung, das auch der Betriebsleitung als ,,Grundlage zur Beurteilung der Rentabilität der verschiedenen Arbeitsmethoden" dienen konnte, indem es zeigte, ,,welche Apparate und Arbeitsverfahren nutzbringend und welche zu verwerfen" seien. Der Zwang zur Einführung einer verbesserten Kostenrechnung ergab sich aus der Situation der verstärkten Expansion in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre. Bachmann verlangte neue Methoden, ,,um mit dem ganzen Betriebs- und Verwaltungswesen nicht länger im Dunkeln wandeln zu müssen und das überall nur so aus dem Vollen heraus Wirtschaften durch eine ordentliche Kontrolle über den Betrieb zu ersetzen" Buchhaltung und Kalkulation sollten klären helfen, auf welche Faktoren der Geschäftserfolg zurückzuführen war, ,,in welcher Weise und in welchem Umfange dem Geschäfte Vorteile zugeführt werden, ob durch kaufmännische Konjunkturen, durch Wechsel des Verwaltungspersonals oder durch eingreifende Neueinrichtungen im Betriebe" Im Gegensatz zu Bachmann und einigen Verwaltungsräten war Georg Fischer gegenüber derartigen Managementtechniken nicht sehr offen; wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie, indem sie die Transparenz erhöhten, auch den übrigen Verwaltungsräten einen besseren Überblick über das Unternehmen verschaffen und damit seine Unternehmerrolle relativieren konnten. Der neue Verwaltungsrat bedauerte nach Fischers Ausscheiden denn auch, ,,daß die frühere Geschäftsleitung für die Verbesserung der Buchhaltung so wenig Verständnis gezeigt und so wenig getan habe"®. Die auf den 1. Januar 1903 eingeführte neue Buchhaltungsmethode, mit einem erweiterten und differenzierten Kontensystem, brachte dann die gewünschte ,,wesentliche Vereinfachung mit bedeutend größerer Übersichtlichkeit"®. Und 1906 konnten die Revisoren in ihrem Bericht mit Genugtuung feststellen, daß die Buchhaltung in beiden Büros sehr sorgfältig geführt werde und 78
daß daraus ,,im Gegensatz zu früher die Resultate der einzelnen Geschäftsbranchen genau ersichtlich" seien^°. Weiterhin schlecht gelöst war aber die Kalkulation der Stahlformgußprodukte, die sich bis 1909 im wesentlichen an der Preisliste des deutschen Stahlformgußverbandes orientierte. Eine Ausnahmeregelung galt nur für einige schweizerische Großabnehmer, für die die Stahlgußstücke ,,nach besonderen S k a l e n " " berechnet wurden. Die nötigen Kalkulationsunterlagen lieferten Betriebsleiter Schneckenburger und Bürochef Zündel nach täglicher R ü c k s p r a c h e " . Wieviel Umstände eine immer noch sehr spontan vorgenommene Kalkulation verursachen konnte, beschreibt Ith in seinen Erinnerungen: ,,Es waren die Herren Schneckenburger und Gassner, zu denen sich noch die Herren Felix und Bölsterli, [die] Chefs des Kalkulations- und Einkaufsbüros gesellten, fast ständig auf dem Weg zu Herrn Zündel - Herr Bölsterli brachte es einmal auf 40mal im Tag Den Anlaß zur Reform der Stahlgußkalkulation bildete die Stagnation der Stahlgießerei im Jahre 1908. Die mangelnde Rentabilität verlangte nach einer Überprüfung der Gestehungskosten. Nach Modellen oder Zeichnungen wurden nun von einem Kalkulator die Gewichte errechnet und gemäß dem Titelverzeichnis des Deutschen Stahlgießerei-Verbandes klassifiziert, worauf Zündel den Verkaufspreis festlegte. Doch schon bald zeigte es sich, daß man die starke Orientierung an einer vorgegebenen, die besonderen Verhältnisse nicht berücksichtigenden Verbands-Preisliste aufgeben und zu einer echten, eigenen Berechnung kommen mußte. Überdies hatte es sich erwiesen, daß die ,,ausländische Konkurrenz die Vorschriften der Preisliste nicht strikte beachtete" Der 1910 eingetretene neue Leiter der Stahlgießerei, Mörsen, der von der deutschen Firma Haniel & Lueg zu G F kam, brachte ein neues System zur Ermittlung der Stahlguß-Gestehungskosten mit, worauf man feststellte, ,,daß G F die schwierigen Aufgüsse zu billig verkaufte" und daß deshalb früher auch meistens gerade diese Artikel bestellt worden waren^"*; Der damalige Kalkulationschef, Jules Felix, beschreibt in seinen Erinnerungen, wie der kaufmännische Subdirektor auf diese Feststellung reagierte: ,,Ich erinnere mich noch gut, wie Herr Zündel die Hände über dem Kopf zusammenschlug beim Vergleich der früheren Preise mit den ihm jetzt unterbreiteten Gestehungskosten. Er besprach die Sache mit Herrn Mörsen und machte darauf aufmerksam, daß wir viele Kunden verlieren würden. Herr Mörsen ließ sich aber nichts abmarkten von den errechneten Gestehungskosten. Nach einiger Zeit kamen die verlorenen Kunden wieder mit ihren Spezialstücken, nachdem sie wahrscheinlich bei der Konkurrenz ihre Erfahrungen gemacht hatten."'® Neu war, daß nun vermehrt schon bei der Ausarbeitung einer Offerte die Zeichnungen und Konstruktionen genau studiert wurden. Damit man vor späteren Überraschungen geschützt war, mußten gießereitechnische Schwierigkeiten frühzeitig aufgedeckt werden^^. Dies bedeutete, daß der 79
Kontakt mit den Kunden intensiviert wurde, indem man Konstruktion, Herstellung und Preis von vornherein vereinbarte. Das intensivere Verfahren führte zwangsweise zu einer Vergrößerung des Kalkulationsbüros, das bis 1908 nur aus einem Beamten und einem Gehilfen bestanden hatte^^. Mit der Verbesserung der Kalkulation veränderte sich auch das Verhältnis zwischen Büro und Werkstatt. Die Herrschaft des ,Büros' über die Werkstatt nahm zu, indem die Anordnungen für die Werkstatt genauer wurden^®. Der Leiter der Stahlgießerei, Schneckenburger, personalisiert in seinem Bewußtsein diese Herrschaft: ,,Das Kalkulationsbüro erweiterte sich rasch, so daß Herr Felix einen ganzen Stab von Leuten beschäftigte, und er selbst ist so mein täglicher ,Plagegeist' geworden."^' In den folgenden fünfundzwanzig Jahren blieb die von Mörsen innovierte Kalkulationsmethode in den Grundlinien in Kraft. Erst gegen Ende der Weltwirtschaftskrise erfuhr sie eine wesentliche Veränderung. Nun erst konnten ,,die Gestehungskosten eines Stückes wirklich seinem Charakter entsprechend ermittelt werden"^". Im Rahmen der Reorganisation in den Jahren nach 1902 wurden auch das Termin- und das Bestellwesen der Stahlgießerei rationalisiert^i. Eine bessere Produktionssteuerung sollte den regelmäßigen Warenfluß durch die verschiedenen Abteilungen (Bearbeitungsstufen) sicherstellen und die fristgemäße Ablieferung an den Kunden ermöglichen. In früheren Jahrzehnten hatte man die Einhaltung der Liefertermine nicht immer gleich wichtig genommen. Ein erstes Beispiel liefert uns Johann Conrad Fischer, der am 1. Mai 1805 mit der Gemeinde Bichwil bei Oberuzwil einen Lieferungsvertrag für eine Feuer-Spritze abschloß. Als Abheferungsdatum wurde Ende Dezember 1805 festgelegt. Am 12. Oktober meldete er nach Bichwil, daß er danach trachten werde, den Auftrag früher als vorgesehen auszuführen, indessen habe er noch einige Reisen vor. Am 28. Dezember 1805 mußte er eine Verspätung um einige Wochen anmelden. Am 5. März 1806 ersuchte er ein weiteres Mal um Aufschub. Am 17. März 1806 scheint es schließlich geklappt zu haben^^. Daß auch die Nachfolger J . C . Fischers Terminprobleme hatten, geht z. B . aus einem Brief an die Firma Flückiger in Zofingen aus dem Jahre 1856 hervor, in dem der damalige Geschäftsleiter über eine mißlungene Lieferung klagte: ,,Es ist für mich ein so schlimmer Handel, als ich damals viele Bestellungen hintan setzte, um Ihnen desto schneller zu entsprechen."^^ Wiederholt mußte sich Georg Fischer III wegen der Nichteinhaltung der Termine an seine Kunden wenden. Ein besonders pointiertes Beispiel dafür stellt die Korrespondenz mit der Firma Pasotti in Brescia dar^"*. Fischer teilte am 7. 2. 1890 seinem Kunden mit, daß er nicht imstande sei, einen Liefertermin zu vereinbaren, weil sich Schwierigkeiten bei der Modellherstellung ergeben hätten und zudem die Hälfte der Arbeiter wochenlang krank gewesen sei^®. Einen Monat später hatte er sich gegen den Vorwurf Pasottis zu wehren, daß er den Auftrag nicht mit genügender Ernsthaftig80
keit behandle^®. Je länger Fischer die Lieferung hinauszögerte, um so ärgerUcher wurden die Mahnungen Pasottis. Aber auch der Tonfall in der Korrespondenz Fischers wurde heftiger: „Sie übergehen ständig meine Ausführungen, Sie drängen mit Karten und Briefen. Aber das nützt nichts, weil das Unmögliche unmöglich ist Sie können sicher sein, daß Sie nicht der einzige Kunde sind, der sich gedulden muß. Aber keiner der anderen hat sich so beklagt wie Sie. Dieses Geschäft hat mir so viel Ärger gebracht, daß es mir recht gewesen wäre, wenn Sie eine andere Firma beauftragt hätten. Aus dem Briefwechsel geht hervor, daß damals in der Stahlgießerei die exakte Einhaltung von Lieferterminen oft nicht möglich war. Eben dies bewog verschiedene Maschinenfabriken, sich eine eigene Gießereiabteilung anzughedern^®. So richtete 1896 die Maschinenfabrik örlikon, ein bedeutender Kunde von GF, eine eigene Gießerei ein, weil GF mit den MFOAufträgen nicht nachkam, sich lange Lieferfristen sicherte und diese noch überschritt^®. Dieses Ereignis wurde von Georg Fischer sehr ernst genommen, begründete er doch in den folgenden Aufschwungjahren seine Ausbauwünsche wiederholt damit, daß man auf die Höhe der Lieferungsfähigkeit kommen müßte, um nicht von der Konkurrenz verdrängt zu werden. Trotz der ständigen Erweiterungen stand es aber mit der Einhaltung der Lieferfristen nicht zum besten. Schneckenburger beschreibt die Verhältnisse um die Jahrhundertwende recht drastisch: ,,Der Platz wurde von der Stahlguß-Putzerei belegt. Da gab es manchmal ganze Berge von Guß. Die Gießerei war Jahre hindurch viel produktiver als die Putzerei und Appretur, die nicht soviel bewältigen konnten, wodurch die vielen Reklamationen wegen zu langen Lieferfristen entstanden."^" Der Güterfluß stockte aber nicht bloß wegen der ungleichen Verarbeitungskapazitäten der einzelnen Abteilungen, sondern zumindest teilweise wegen des Fehlens einer klaren und einheitlichen Produktionssteuerung. Es konnte vorkommen, daß, wenn in der Gußputzerei und Appretur ,,Berge von Gußstükken" lagen, die zuletzt hinzugekommenen Stücke ,,am ehesten fertig gemacht und versandt, die dringenderen und schon verspäteten Stücke immer wieder zugedeckt" wurden^^. Erst eine um die Mitte des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts eingeführte neue Methode erlaubte dem Terminbeamten, die Lieferfälligkeiten zu überblicken. Der damalige Stahlgußreisende und mit Lieferproblemen besonders konfrontierte August Maier schildert das einfache Kontrollsystem und die Reaktion auf dessen Einführung hin folgendermaßen: ,,Eine Kartei der laufenden Bestellungen wurde entworfen, damals ein Novum. ,Reiter' wurden auf die Kartenreihen gesetzt, welche die zeitlichen Fälligkeiten der vielen Bestellungen kennzeichneten und mit einem Blick übersehbar machten. Verschiedenen Formen und Farben der Reiter riefen die Aufmerksamkeit auf bestimmte, wichtige Kunden oder durch Ausschuß besonders verspätete oder gefährdete Abgüsse. Wie alles Neue fand das System zunächst Widerstand bei 81
Gießereimeistern und Versand man hatte doch schon lange seine Pflicht getan und wird wohl am besten wissen, was zu machen ist Zur Durchsetzung des Systems, das die ,Freiheit' der Gießermeister und der Versandangestellten beträchtlich limitierte, wurde deshalb der Termindienst unter die spezielle Aufmerksamkeit des kaufmännischen Direktors gestellt, der den Reisevertreter mit besonderen Vollmachten ausstattete. Ungefähr zur selben Zeit ersetzte man einen Teil der Bücher durch Formulare. Bis 1903 waren z. B. die Bestellungen von Hand in die Bestellbücher der Betriebe und ein zweites Mal in die Speditionsbücher notiert worden. Neu wurde nun die Bestellung nur noch einmal auf ein Formular geschrieben und vervielfältigt^^. Derartige Neuerungen im Informationswesen wurden wesentlich gefördert durch die neue Vervielfältigungstechnik. Die Kopiermaschine trat an die Stelle der alten, schwer zu handhabenden Kopierpresse, an der früher mancher Lehrling versucht hatte, nicht verschmierte und leseriiche Kopien herzustellen^'*. Zur Reform der Verwaltung gehörte auch die verstärkte Maschinisierung^® des Büros. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden von GF Maschinen und maschinenähnliche Geräte angeschafft, mit denen das gestiegene Arbeitsvolumen einfacher, schneller oder übersichtlicher erledigt werden konnte. Neben der Kopiermaschine handelte es sich vor allem um die Schreibmaschine und das Telefon. Die erste Schreibmaschine wurde 1898 erworben und nur für die Abfassung der wichtigeren externen Korrespondenz verwendet^®. Noch 1905 schrieben die Korrespondenten ihre Briefe meist von Hand, ebenso wurden die Fakturen handschriftlich abgefaßt^·'. Dies änderte sich erst in den letzten Vorkriegsjahren langsam. Die zögernde Einführung der Schreibmaschine hing wohl nicht zuletzt damit zusammen, daß Schreibkräfte dafür noch längere Zeit knapp waren, weil die männlichen kaufmännischen Angestellten wenig Bereitschaft zeigten, Stenographie und Maschinenschreiben zu lernen^®. Das Telefon erleichterte die Kommunikation zwischen den einzelnen, teilweise weit auseinanderliegenden Abteilungen^'. U m die Jahrhundertwende hatte sich die Verwendung des Telefons bei GF bereits derart verallgemeinert, daß eine Telefonzentrale geschaffen werden mußte. Deshalb wurde am 1. Juli 1899 die erste Frau eingestellt, die in der Buchhaltung mithelfen sollte und für die ,,Bedienung des Telephons" zuständig war'*". - Pirker nimmt allgemein an, daß die Frau mit der Schreibmaschine in die Verwaltungsarbeit eingedrungen sei; und auch in den Jahresberichten des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurde wiederholt auf den engen Zusammenhang zwischen der Einführung von Schreibmaschine und Stenographie einerseits, und der Feminisierung der Büroarbeit andererseits hingewiesen"·!. Tatsächlich nahm bei GF in der Korrespondenzabteilung, wo sich die Schreibmaschine zuerst durchsetzte, die Zahl der beschäftigten Frauen (Typistinnen und weiblichen Bürohilfen) am 82
raschesten zu'*^. Ob damit der allgemeine Zusammenhang bestätigt ist, bleibt indessen fraglich. Denn billige, unqualifizierte Frauenarbeit wurde im Büro auch für eine Anzahl anderer einfacher Funktionen gebraucht; nur ein Teil der Frauen saß an der Schreibmaschine. In den Reformen und Neuerungen in der Verwaltung äußerte sich eine Tendenz zur Rationalisierung des Rechnungs- und Informationswesens. Als Initianten und Förderer dieses Prozesses wirkten vor allem die Ausschußmitglieder, deren verwaltungstechnisches Wissen auf Erfahrungen in Banken und anderen großindustriellen Unternehmen beruhte. Eine wichtige Rolle spielten bei diesen Vorgängen schließlich bisweilen auch neu rekrutierte Angestellte, die unter anderem gewisse verwaltungstechnische Kenntnisse mitbrachten. Wenden wir uns nun der technischen und betrieblichen Entwicklung in den Stahl- und Tempergießereien zu. Welche Maßnahmen wurden hier von der neuen Leitung nach dem Ausscheiden Georg Fischers bis zum Ersten Weltkrieg angeregt und durchgeführt - und warum? Kam es zu bedeutenden technischen und betrieblichen Neuerungen, oder wurden neue Managemen tmethoden eingeführt? Welche Probleme ergaben sich in der Unternehmensorganisation durch die Expansion des Unternehmens? Im Vergleich zur Verwaltung funktionierte der technisch-betriebliche Bereich zur Zeit des Ausscheidens von Georg Fischer recht effizient. Mit Hilfe der technischen Experten Ehrhardt (Deutschland) und Tropénas (Frankreich) gelang es den Technikern der Stahlgießerei jene Maßnahmen zur effizienteren Gestaltung zu Ende zu führen, die schon unter Georg Fischer angelaufen waren"*^. Nach und nach scheint es gelungen zu sein, die Qualität zu heben und die Kosten zu senken, denn 1903 schon wurde im Verwaltungsrat festgestellt, daß die Stahlgießerei nunmehr so eingerichtet sei, daß ,,Aussicht bestehe, die Qualität des Stahlgusses wieder auf die Höhe zu bringen'"*". 1903 übernahm G F sogar noch die Gießereiabteilung der Maschinenfabrik örlikon samt Personal. Und 1905, am Ende der Reorganisationsphase, erklärte der Ausschuß, daß ,,dieser Fabrikationszweig ein lukrativer" geworden sei, ,,welchen sorgfältig zu hegen und pflegen wir gewiß allen Anlaß haben""®. - Die Fittingsfabrikation wurde zwischen 1903 und 1905 nicht nur rationalisiert, sondern auch leicht ausgebaut. Im Zentrum standen aber klar die Rationalisierungstendenzen; unter den leitenden Angestellten und bisweilen im Verwaltungsrat wurden immer wieder technische und organisatorische Verbesserungen"^ erörtert, die im Laufe der Zeit nach und nach in die Praxis umgesetzt wurden. Nachdem es den Managern gelungen war, das Unternehmen innerlich zu reformieren und zu konsolidieren, mußte es sich in der wirtschaftlichen Aufschwungsperiode von 1905-1907 zeigen, ob sie das Unternehmen auch in einer expansiven Phase, verbunden mit dem Zwang zu raschen strukturellen Veränderungen, erfolgreich leiten würden. Die folgende Schilderung der Diskussionen und Beschlüsse im Verwaltungsrat zeigt 1. die Hektik 83
dieser Zeit und 2. die Versuche der Leitung, die Expansion bewußt und planend zu vollziehen. - Im Januar 1905 beschloß der Verwaltungsrat, eine halbe Million Franken für Gebäude, Maschinen und Öfen zu investieren. Doch schon im Juni stellte man fest, daß ,,die Leistungsfähigkeit beider [Fittings-JFabriken trotz aller bisherigen Vergrößerungen und Neuanschaffung von Maschinen nicht nur bis aufs äußerste ausgenutzt [war], sondern den sich immer noch steigernden Aufträgen bereits nicht mehr genügen [konnte]'"··'. Zum beabsichtigten Weiterausbau gab der Verwaltungsratsausschuß immerhin zu bedenken, daß ,,das Tempo, in welchem die Vergrößerung" vor sich gehe, ,,ein ziemHch schnelles" sei und daß die Erweiterungen viel Kapital absorbierten. Auf der anderen Seite sei aber hervorzuheben, daß die stets steigende Nachfrage geradezu zur Expansion dränge. Wenn nichts Unvorhergesehenes eintrete, werde man die gesteigerte Produktion mühelos absetzen. Der Ausschuß fühlte sich angesichts der massiven Ausbauwünsche nach Jahren der Zurückhaltung sehr zu Rechtfertigungen gedrängt, indem er betonte, daß man weder ,,den Compaß verloren" habe, noch ,,an Größenwahnsinn leide" Mit einem Seitenblick auf die wenig solide, ziemlich ungeplante Expansion in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre bemerkte der Ausschußvertreter, daß man für die folgenden Jahre einen wachsenden Absatz an Fabrikaten erwarte, der nicht bloß auf einer ,,allgemeinen geschäftlichen Konjunktur, sondern viel mehr auf guter Qualität und steter Ausdehnung unserer Absatzgebiete" beruhe. Die Gelder sollten vorwiegend für die Verbesserung oder Ersetzung älterer Einrichtungen verwandt werden, damit man ,,rationeller arbeiten" und gleichzeitig die ,,Gestehungskosten verringern" könnte. Der Verwaltungsrat verlangte seinerseits nun einen Rahmenplan für den weiteren Ausbau und forderte die Direktion auf, ,,ein Zukunftsbudget für die drei nächsten Jahre so gut als immer möglich aufzustellen", das zwar einen ,,rein akademischen Charakter" haben werde, aber doch als Fingerzeig dienen könne. Im November 1905 genehmigte er aber schon ein neues Projekt des Ausschusses, wonach mit 1,5 Mio. Franken die Kapazität der Fittingsfabrik Schaffhausen um beinahe die Hälfte ausgedehnt werden sollte"*®. Ferner nahm der Verwaltungsrat die erfreuliche Situation in der Stahlgießerei zur Kenntnis und beschloß den Ausbau dieses Betriebszweiges, der ,,jahrelang das Sorgenkind" gewesen war^®. Auch der bewußtere, planende Leitungsstil wurde fortwährend auf die Probe gestellt. Schon im Mai 1906 war die Nachfrage nach Stahlgußartikeln derart, daß trotz intensivster Ausnützung der Anlagen bereits wieder Aufträge verloren gingen und das Aufkommen einer schweizerischen Konkurrenz befürchtet wurde^®. Der Verwaltungsrat stimmte deshalb der Errichtung einer auf Automobilstahlguß spezialisierten Kleinstahlgießerei im Birch, etwas nördlich der schon vorhandenen Anlage im Mühlen tal, zu. Als alternativer Standort war das einige Kilometer entfernte Beringen zur Debatte gestanden, doch entschied man sich für Birch, weil hier ,,die Verwaltung des 84
Werkes durch die bestehende und nahegelegene Organisation im Mühlental bewerkstelligt werden" konnte®!. Diese Lösung war nicht nur in bezug auf die Kosten, sondern auch in bezug auf das Management günstiger; es ließen sich damit jene Kontroll- und Koordinationsprobleme vermeiden, die sich immer wieder im Verhältnis zur FiHale Singen Die neue Fabrik kam 1907 als „Werk IV" oder „Werk Birch" in Betrieb. Bereits im Frühling 1907 wurde die Expansion angesichts der leicht ,,rückläufigen Konjunktur" gebremst". Homberger und der Verwaltungsrat glaubten zwar „an die Theorie der periodischen Schwankungen im wirtschaftlichen Leben", kamen aber zum Schluß, daß das Unternehmen trotz des ,,Wetterleuchtens" an der Börse weiterhin vorsichtig expandieren sollte, um die erreichte Stellung nicht zu gefährden. ,,Gerade in der Gießereibranche bedeutet Stillstand nur zu leicht Rückschritt, und wir brauchen nicht besonders zu betonen, daß es um die viele Arbeit & Mühe, welche Verwaltungsrat und Direktion unserm Geschäft angedeihen ließen, schade wäre, wollte man die Vorzugsstellung, welche sich unsere Gesellschaft im Laufe der Jahre errungen hat, nicht gehörig ausnützen." Die Leitung verfügte über ein ausgeprägtes Konjunkturbewußtsein. Die ab Herbst 1907 spürbare Krise rechtfertigte tatsächlich den Optimismus Hombergers und des Verwaltungsrates, wurde doch davon nur die Stahlgießerei berührt. Zu Beginn der Krise 1907/08 wurde der Verwaltungsrat auf Rentabilitätsprobleme in der Großstahlgießerei aufmerksam. Bachmann erklärte diese mit den teureren Rohmaterialpreisen, gestiegenen Lohnkosten, dem Abzug geübter Fachkräfte ins Werk Birch und der hohen Belastung der Großstahlgießerei durch die allgemeinen Unkosten. Zudem beständen Führungsprobleme zwischen Meistern und Arbeitern, die aber lösbar seien®'*. Doch gerade hier hakte der Verwaltungsrat ein. Seiner Ansicht nach war die wichtigste Ursache der Schwierigkeiten das ,,Nachlassen in der Handhabung früherer strammer Ordnung und Disziplin und besonders in der Überwachung der gesamten Fabrikation wie der einzelnen Abteilungen " Die Schuld dafür treffe ,,diejenigen Organe, denen die Fabrikation, ihre Organisation, Oberleitung und Kontrolle anvertraut worden" sei®®. Der (falsche) Leitungsstil wurde als Erklärungsfaktor für die schlechten Resultate herangezogen, und es kam dabei zum Ausdruck, welcher Führungsstil vom Verwaltungsrat als der richtige angesehen wurde. Das Insistieren auf dem Management als ,Faktor' ist typisch für die Krise. Eine Korrektur gerade dieses Faktors bot sich um so eher an, da er leichter und billiger verändert werden konnte als gewisse andere innerorganisatorische und die meisten außerorganisatorischen Faktoren®®. Wie erfolgreich diese Strategie war, ist allerdings schwer abzuschätzen. Eine zweite, aufwendigere und riskantere Möglichkeit, mittels Veränderung der Technologie die Rentabilität zu verbessern, wurde im August 1908 erörtert, als die Leitung die Frage studierte, ob sich die Einführung des z e i g t e n ^ ^
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elektrischen Schmelzverfahrens für die Stahlgießerei lohnen würde®'' Angesichts der unsicheren Lage auf dem Stahlgußmarkt war es nicht erstaunlich, daß der Verwaltungsrat nach einer lebhaften Diskussion zur Ansicht kam, ,,daß eine rationelle, wirtschaftlich convenierende und also praktische Lösung des in Frage stehenden Problems erst noch zu erwarten sein wird und sich demzufolge die bisherige reservierte Stellungnahme unserer Direktion durchaus rechtfertigt"®®. Man war nicht bereit, eine jedenfalls mit großen Kosten verbundene technische Methode einzuführen. Dies ist um so verständlicher, wenn man bedenkt, daß sich die Leitung noch an die unangenehmen Erfahrungen mit der Einführung des Konverterverfahrens zu Beginn des Jahrhunderts erinnerte. Schon in der Reorganisationsphase hatten sich Ausschuß und Direktion für Probleme der Leistungsmotivation und des "Werkstättenmanagements interessiert; man las und sammelte Berichte über leistungsfördernde Lohnsysteme und über die ,,Kunst der industriellen Organisation", vor allem in den USA®'. Genauso wie deutsche Unternehmer unternahmen Schweizer Industrielle seit der Jahrhundertwende Amerikareisen zum Studium rationeller Betriebsformen®". Ein Teil der schweizerischen Industriellen war offensichtlich auf dem laufenden über den Stand der amerikanischen Managementdiskussion, die primär die Arbeits- und Betriebsorganisation sowie den Zusammenhang von Lohn und Leistung t h e m a t i s i e r t e ® G F entsandte 1906 den Ingenieur Messner in die U S A mit dem Auftrag, die dortigen Gießereiverhältnisse, und vor allem die Situation in der Fittingsindustrie zu untersuchen. Der Verwaltungsrat erhoffte sich Anregungen für die rationelle Fittingsfabrikation, und er wurde von Messner, der ein sehr aufmerksamer Beobachter war, nicht enttäuscht. Messner lobte in seinem Amerikabericht den Leitungsstil, die fortgeschrittene Spezialisierung der Arbeiter, die betrieblichen Transportsysteme, den weitverbreiteten Gebrauch der Sandstrahlerei und die vergleichsweise vorbildlichen sanitarischen Verhältnisse in den amerikanischen Gießereien. ,,Beim Eintritt in eine amerikanische Gießerei fällt einem sofort die große Ruhe auf, mit welcher der ganze Betrieb geleitet wird. G a n z besonders ist dies während des Gießens der Fall. Die Meister und Vorarbeiter machen sich kaum bemerkbar Für eine Gießerei ist gewöhnlich nur ein Gießermeister im Amte, dem je nach der Größe der Anlage ein oder mehrere Vorarbeiter unterstellt sind, welche ihrerseits gruppenweise die Aufsicht führen. Die einzelnen Leute bleiben immer an derselben Arbeit, ein jeder macht jahraus jahrein dasselbe Gußstück. Geht die Arbeit darauf aus, so wird der Mann entlassen, oder man versucht ihn auf eine andere Arbeit einzudrillen In beinahe allen Gießereien sah ich das Hängebahnsystem in ausgedehnter Weise in Anwendung, und jedermann ist voll Lobes über diese Transporteinrichtung. Besonders fasziniert war Messner von der .fließenden' Produktion in der ,,Western Tube C o m p a n y " in Kewanee, Illinois: ,,Das gesamte Equipement und die wirklich fein bis ins Detail ausgedachte Succession des einzelnen Betriebes, wirkt auf den europäischen Gießereimann überwältigend; denn
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es läßt sich leicht erkennen, wie leicht es möglich wird bei einer solchen Anordnung, die Maximalleistung aus jedem einzelnen Elemente der Fabrikationanlage herauszubringen und gegenseitig in Harmonie zu bringen, [was] zugleich aber auch dahin führt, jedem einzelnen Arbeiter klar zu machen, wie wenig er eigentlich im ganzen Betriebe bedeutet, und wie leicht seine Arbeit durch die einer Maschine ersetzt werden kann."®'
Man meint eine Stelle aus den Büchern Taylors vor sich zu haben, wenn man im Bericht Messners liest, daß der für diese Produktionsweise nötige ,,gewöhnliche, nicht denkende Arbeiter sich willig zur bezahlten Maschine [mache], solange er nebenbei anständig behandelt [werde]" Gleichzeitig errege dieses System ,,die Ambition des besseren Mannes", der zum Vorarbeiter oder Meister aufsteigen wolle^"*. Messner legte nach seiner Rückkehr im Frühjahr 1908 der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat ein Projekt zur Errichtung eines ,,kontinuierlichen Gießereibetriebes für die Fittingsfabrik Singen"®^ vor. Die Grundidee des Projektes bestand darin, daß die einzelnen Herstellungsfunktionen (Formen, Gießen, verschiedene Appreturarbeiten) miteinander durch ein Transportsystem (Bänder u. ä.) verbunden und die Arbeiten stärker aufgeteilt und spezialisiert worden wären. Messner versprach sich davon eine Reduktion der Aufsichtsarbeiten und weniger Probleme mit dem Arbeiter, weil dieser ,,einfach leisten muß, was der zwangsweise Betrieb in seine Hände gelangen läßt"; denn das Denken werde ,,νοη der Maschine besorgt"^®. Er ,missionierte' die Leitung mit tayloristischen Ideen und verwies zum Beweis der Richtigkeit seiner Argumente auf den Aufschwung zweier bedeutender nordamerikanischer Fittings werke®'. Sein Projekt löste heftige Diskussionen und eine große Unruhe aus. Die Fittingsgießereileiter de Boor, Wanner und Boller stellten in einem Bericht die Ausführbarkeit der Ideen Messners in Frage. Der technische Direktor Bachmann, der ein Obergutachten hätte anfertigen sollen, setzte sich vorbehaltlos für das Projekt Messner ein®®. Vom Verwaltungsrat wurde nach langwierigen Diskussionen die Ablehnung beschlossen, obwohl das Projekt allgemein eingeleuchtet hatte. Immerhin wollte man aus dem Vorschlag das Nützliche schrittweise einführen, d. h. die ,,Versuche für die Adoptierung unserer bestehenden Formmaschinen zum kontinuierlichen Betrieb unter möglichster Anpassung an unsere Arbeiter- und sonstigen Verhältnisse" fortsetzen, ,,so daß unter allen Umständen ein gewisser praktischer Nutzen aus unserm amerikanischen Experiment"®^ resultieren werde. Man befürchtete, daß ein Teil der GF-Gießereiarbeiter (und davon besonders die Facharbeiter) sich schwerlich widerstandslos mit einer raschen und stufenlosen Umstellung auf eine einfache, repetitive, bis ins letzte Detail fremdbestimmte und normierte Arbeit abfinden würde''". Für die Ablehnung waren aber letztlich Rentabihtäts- und Legitimationsprobleme entscheidend. Dem Verwaltungsrat schien es nicht ratsam zu sein, 87
„eine absolut bewährte, durchstudierte und mit der Sicherheit vieljähriger Erfahrungen arbeitende Fabrikationsmethode zu verlassen und gegen ein Novum zu vertauschen, welches eine förmliche Umwälzung mit all' ihren Risiken hinsichtlich Qualität der Fabrikate, unvorhergesehenen Kosten und vorübergehender Verschiebung der Gestehungskosten involviert" hätte''^. Er hätte ferner Mühe gehabt, seine Kompetenz glaubhaft zu machen! Man fand, daß es ,,den Aktionären gegenüber ein Armutszeugnis" wäre, ,,heute, nachdem die Erneuerungsanlagen speziell in Singen kaum fertig geworden sind, sagen zu müssen: Wir hätten damals, anstatt die Erweiterungen zu beantragen, ein neues System wählen sollen und sind also damals nicht auf der Höhe der Situation gestanden"^^. - 1908 scheiterte also der Versuch, ein integriertes Fabrikationssystem für Fittings einzuführen. Die (amerikanischen) Ideen Messners waren in den folgenden Jahren allerdings wegleitend beim weiteren Ausbau der Einrichtungen; stufenweise wurden Methoden des amerikanischen Werkstätten-Managements (,,shop management") mit den schweizerischen Gegebenheiten verbunden. Amerikanische Konzeptionen wurden ,helvetisiert', nicht unverändert übernommen. Nach den ruhigeren Jahren 1908/09 begann 1910 eine längere Ausbauund Rationalisierungsperiode. Im neuerbauten Werk III wurden die gesamte Fittingsproduktion zentralisiert, die Gießerei ausgebaut und die Mechanisierung einzelner Werkstätten vorangetrieben^^. Mit der Zentralisierung entfiel ein Teil der belastenden internen Transportkosten; mit der Vermehrung der Produktion ergab sich eine günstigere Verteilung der Allgemeinkosten; Rationalisierung und Mechanisierung brachten ,,wesentliche Lohn-Ersparnisse und eine sparsamere Verwendung der menschlichen Arbeitskraft"·''*. Die Stahlgießerei wurde 1911/12 ebenfalls erweitert. Auch diese Neueinrichtungen sollten nicht nur die Produktionskapazität vergrößern, sondern ,,eine bessere und rationellere Ausnützung bestehender Anlagen und Einrichtungen" ermöglichen, indem die Kapazität der Appreturanlagen derjenigen der Schmelzerei und Gießerei angeglichen wurde''®. Insgesamt resultierten aus all diesen strukturellen Veränderungen beträchtliche Produktions- und Produktivitätssteigerungen''^. Wenn Homberger 1911 im Verwaltungsrat äußerte, daß zur Erreichung höherer Leistungen ,,Betriebsverbesserungen Hand in Hand mit verbesserter Organisation"'' gehen müßten, so können wir dies als das eigentliche Leitmotiv jener Zeit betrachten. Bei GF wie bei einigen anderen schweizerischen Großunternehmen scheint man schon vor dem Ersten Weltkrieg die Bedeutung des Begriffs ,industrielle Organisation' erkannt zu haben''®. In den Jahren, in denen die Kartelle dem Unternehmen eine relativ stabile Markt-Umwelt garantierten, waren die Betriebe also modernisiert und ausgebaut worden'". Mit erweiterten und rationalisierten Fabrikationsbetrieben im Rücken hoffte der Verwaltungsrat nach der Auflösung des Fittingsverbandes 1912 mit Ruhe in den wieder offenen Konkurrenzkampf eintreten zu können. Verwaltungsrat W. C. Escher äußerte optimistisch, 88
daß „die niedrigeren Gestehungskosten die beste Waffe gegen die Konkurrenz"®" seien. Die Expansion war 1912 faktisch abgeschlossen. Zwei weitere Projekte, der Bau einer Stahlgießerei und die Gründung einer Fittingsfabrik in Rußland, scheiterten. - Angesichts der günstigen Zukunftsaussichten, die man dem Autostahlguß gab, war 1913 der Bau einer weiteren Stahlgießerei in Schaffhausen in Betracht gezogen worden. Die Marktchancen hatte der GF-Reisevertreter Maier studiert, der im Herbst 1912 in eineinhalb Monaten die amerikanische Industrie auf ihre Bedeutung für GF untersucht und gesichtet hatte und dabei noch keine ebenbürtige Konkurrenz im Automobilguß-Geschäft festgestellt hatte®^ Doch als sich ab 1913 in der (Auto-) Stahlgießerei ein geschäftlicher Rückschlag zeigte, legte man die Ausbaupläne wieder beiseite®^. Der Verzicht fiel leicht, plante man doch - nachdem die Expansionsbehinderung durch die Auflösung des Fittingskartells weggefallen war - die Errichtung einer Fittingsfabrik in Russisch-Polen®'. Doch auch dieses Projekt wurde nicht realisiert; wegen des Kriegsausbruchs mußte es im Einrichtungsstadium abgebrochen werden. Immerhin bleibt dieses Projekt von einer organisationssoziologischen Fragestellung her von Bedeutung, handelte es sich doch um den Anfang einer Konzernbildung; denn aus politischen Gründen mußte eine selbständige russische Gesellschaft gegründet werden, für welche Homberger und de Boor als schweizerische Mitglieder des Verwaltungsrates vorgesehen waren. Weil die Frage so wichtig war, hatten sich die Verwaltungsräte in der Entscheidungsphase eingehend mit der Problematik der Unternehmensstruktur befaßt. So wies Escher auf die administrativen und organisatorischen Schwierigkeiten eines Betriebes in einem so entfernten Land hin. Er sah einen Hauptvorteil der bisherigen Organisation in ihrer ,,außerordentlich intensiven Betriebsweise und in ihrer Centralisation in Schaffhausen und fürchtete, daß die Decentralisation Gefahren in sich berge, mit denen man zur Zeit nicht rechne"®**. Auch die Ansicht, daß personell vorgesorgt worden sei, und der Hinweis, daß man eine Organisation besitze, die ,,ohne Schwierigkeiten auch auf das russische Geschäft übertragen werden könnte " , konnten ihn nicht völlig beruhigen®®. Doch er blieb in der Minderheit; erstmals entschloß sich der Verwaltungsrat zu einer weitergehenden Dezentralisierung im Rahmen eines Konzerns, was bei anderen inund ausländischen Großunternehmen damals schon länger üblich war. Bevor ich im folgenden auf einzelne Angestelltengruppen eingehe, soll hier abschließend skizziert werden, wie sich die geschäftliche Entwicklung auf die Angestellten- und Arbeiterzahlen insgesamt auswirkte. Der Vergleich in Schaubild 4 zeigt, daß die beiden Beschäftigtenkategorien mittelfristig ähnlich wuchsen, daß es aber auch Jahre gab, in denen die Entwicklungen verschieden verliefen. Diese Entwicklungsunterschiede konnten konjunkturelle oder strukturelle Ursachen haben. Wegen der rückläufigen Konjunktur wurden z. B. 89
Schaubild
4: Entwicklung der Angestellten- und Arbeiterzahlen vor d e m Ersten Wehkriegse (Index 1913 = 100)
Index
1896
1897 1S98 1899 1900 1901 1902 19'o3 190i ΐ ά ) 5 1906 1 ¿ 7
1908 1909 1910 1911 1912
1913
Jahr
Arbeiter schneller entlassen als Angestellte, deren Arbeitsvolumen tendenziell nicht so eng mit dem Absatz verknüpft war wie das der Arbeiterschaft; deshalb stieg in den Krisenjahren der Anteil der Angestellten am Gesamtpersonal stets an. In der Tatsache, daß längerfristig der Anteil der Angestellten leicht wuchs, drücken sich aber auch strukturelle Veränderungen aus (Rationalisierung, Kommerzialisierung), aus denen eine bedeutendere Rolle der Angestellten im arbeitsteiligen Unternehmen resultierte.
IV Ingenieure und Techniker - Die Entwicklung betrieblichen Leitungsapparates als Funktions- und
des technischAutoritätssystem
Fragen wir nun im einzelnen, wie Vergrößerung und Differenzierung, neue Technologien und Fertigungsmethoden den Bedarf an planenden, arbeitsvorbereitenden, arbeitsleitenden und kontrollierenden Funktionen beeinflußten, wie das notwendige Personal rekrutiert wurde, welche Qualifikationen es hatte und wie ein Leitungsapparat entstand, in dem Funktionen, Kompetenzen, Beziehungen, Kommunikation und Kontrolle so geordnet waren, daß die Fertigung sozial und technisch einigermaßen effizient 90
ablaufen konnte. Als erste untersuchen wir die Gruppe der Techniker und Ingenieure, die aufgrund ihrer spezifischen - auch theoretischen - Qualifikation umfassendere oder spezialisiertere Funktionen in der Planung, Arbeitsvorbereitung oder Leitung einnahmen und so einerseits an der Herrschaftsausübung über die unterstellten Angestellten und Arbeiter partizipierten, andererseits als selber lohnabhängige Arbeitnehmer aber auch im weitesten nach ihrem Wert für das Unternehmen beurteilt, belohnt und behandelt wurden^. Im folgenden werden die Mitglieder dieser Gruppe einerseits von den Erfordernissen der Organisation her, dann aber auch aus der Perspektive des einzelnen Technikers untersucht. Wie entwickelte sich die technisch-betriebliche Leitungsstruktur funktional und herrschaftsmäßig, und wie sahen die Beziehungen zwischen den einzelnen Individuen konkret aus? Wie entwickelten sich die Anforderungen und die Qualifikation? Wer wurde rekrutiert? Was für Bewußtseinsformen, Denkweisen und Verhaltensarten entstanden oder verfestigten sich im Rahmen des betrieblichen Autoritäts- und Funktionssystems? In den Ausführungen über die Zeit vor der AG-Gründung wurde bereits erwähnt, wie Georg Fischer zurückhaltend begonnen hatte, Techniker zu rekrutieren und die technisch-betriebliche Hierarchie zu erweitern. Auch in den Expansions]ahren vor der Jahrhundertwende erfolgte die Anstellung von Technikern und Ingenieuren weiterhin nur zaghaft, denn viele der neu hinzugekommenen Aufgaben übertrug man ganz einfach den wenigen vorhandenen Technikern, deren Arbeitsgebiet immer umfassender wurde. Schneckenburger erinnert sich, wie im Betrieb Singen und in der Konvertergießerei in Schaffhausen ,,alles, was neu in Betrieb kam", anfänglich ihm unterstellt wurde^. Auch die Einführung einer neuen Technologie vermehrte vorerst die Funktionen von Schneckenburger und erst etwas später die Zahl der technischen Angestellten: ,,Von Herrn Gay der Firma Tropénas Paris lernten wir - und zwar Herr Emil Messner ., der einige Jahre auf unserem techn. Bureau arbeitete, unser erster Chemiker, Herr Lichtenstein, und ich - das Stahlblasen. Später häufte sich die Arbeit im Laboratorium so, daß Herr Lichtenstein das Blasen aufgeben mußte. Für ihn haben wir einen Herrn Segesser angelernt, dem die Konverter-Schmelzerei unterstellt wurde. Nach dessen Tode wurde Schmelzermeister Schurter zum Blasen nachgenommen Der Verwaltungsrat erörterte die Problematik der Überlastung bzw. der Gefahr der Überforderung des Leitungspersonals im Herbst 1899. Von Ziegler erkundigte sich, ,,ob für den bedeutend vergrößerten Betrieb nicht noch eine ganz tüchtige Kraft mit Hochschulbildung engagiert werden sollte" Fischer wies zwar ,,das Studium nicht von der H a n d " , betonte aber, ,,daß für unsere Verhältnisse speziell die langjährige Erfahrung von Vorteil sei, viel mehr als theoretische Bildung. Übrigens habe man bereits Schritte getan, den Betriebschef nach unten zu entlasten und ihm tüchtige Hilfe an die Hand zu geben; sollte dies noch in erhöhtem Maße notwendig 91
werden, werde man in dieser Beziehung nichts unterlassen.'"* Tatsächlich wurden in jenen Jahren verschiedene Betriebstechniker angestellt, denen man die Leitung einer oder mehrerer Abteilungen übertrug. Derartige Bereiche für Betriebstechniker waren z. B. die Fittings- und Weichgußabteilung, der allgemeine Betrieb (elektrische Anlagen, Heizung, Maschinenhaus), Appreturwerkstätte und Gewindeschneiderei, die Modellschreinerei sowie gewisse Bereiche der Stahlgießerei. Insgesamt waren gleich nach der Jahrhundertwende ca. sieben qualifizierte Techniker in solchen Positionen beschäftigt®. Die Betriebstechniker spielten nun auch eine wichtige Rolle bei der Modernisierung der Betriebe. Der technische Leiter, Bachmann, vertraute immer weniger bloß auf das praktische Erfahrungswissen der Meister, sondern stützte sich vermehrt auf die analytischen, konstruktiven und organisatorischen Fähigkeiten der auch theoretisch vorgebildeten Techniker. Im Rahmen der Reorganisation und RationaHsierung der Stahlgießerei nach der Jahrhundertwende verlangte Bachmann, daß die Betriebstechniker die schwachen Punkte der Fabrikation speziell überwachten: ,,Der technische Leiter soll stets die möglichst günstigen Fabrikationsmethoden und deren Verbilligung im Auge halten. Täglich wiederkehrende Fabrikationsmängel und UnVollkommenheiten, unrichtige Arbeitseinteilungen der Meisterschaft müssen ihm auffallen, und hat er zu studieren, wie solche zu vermeiden sind, hierfür steht ihm die Oberleitung stets zur Seite."® Die Meister verloren einen weiteren Teil ihrer Neuerungs- und Verbesserungsfunktion, und es verstärkte sich die Tendenz, planende und beschließende Funktionen bei den Technikern zu konzentrieren und die Meister auf die Fertigungsaufsicht festzulegen. Noch deuthcher äußerte sich diese Richtung in den ,,Instruktionen für den Betriebsleiter der Stahlgießerei"'^ von 1904, wo Bachmann den Betriebsleiter bzw. die Betriebstechniker aufforderte, die Arbeit der Meister noch intensiver zu überwachen und alle Operationen zu kontrollieren. Angesichts der stärkeren Belastung mit organisatorischen, konstruktiven und kontrollierenden Funktionen entlastete man die Betriebstechniker von routinemäßigen Verwaltungsaufgaben. In einem Rapport von 1902 hieß es: ,,Beschäftigungen minderwichtiger Art, wie Erledigung von Korrespondenzen und Reklamationen, wozu es nicht technisches Personal erfordert, sollen an Unterbeamte verwiesen werden."® Mit diesen Unterbeamten waren aber nicht etwa die Meister gemeint, denn auch diese ,,sollten von unwesentlichen Arbeiten, auch von schriftlichen Arbeiten möglichst entlastet werden"', sondern die Schreiber oder andere kaufmännisch-verwaltende Betriebsangestellte. Von der Tätigkeit der Techniker in den Betrieben wurden also zunehmend die weitgehend routinemäßigen Verwaltungsarbeiten (Betriebsstatistik, Kalkulationsunterlagen, Betriebsbuchhaltung, Lohnwesen), die einen immer größeren Aufwand verursachten, abgetrennt. Sie konnten sich auf die technischen Fragen konzentrieren. Wegen der scharfen Konkurrenz war die Rationalisierung der Fittingsfa92
brikation in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre erstes Gebot. Diese Tendenz wurde in der Arbeiterpresse anläßlich von Intensivierungsmaßnahmen in der Gewindeschneiderei beargwöhnt, wobei die Kritik auf die unmittelbaren Träger der Rationalisierung, die Techniker, gerichtet war. ,,Eine Erscheinung, die man andemwärts in industriellen Betrieben auch wahrnehmen kann, macht sich in letzter Zeit in den Stahl- und Eisenwerken ebenfalls immer mehr bemerkbar. Es wird an maßgebender Stelle weniger Wert darauf gelegt, tüchüge Berufsleute - also Männer, die von unten herauf angefangen und sich in ihrem Fache praktische Erfahrung angeeignet haben - an Meisterstellen zu piazieren, als vielmehr Leute, die frischweg vom Technikum kommen und vom Praktischen herzlich wenig verstehen." Diese ,,bartlosen Leutchen" würden die ,,Berufsmeister" und die Arbeiter schlecht behandeln. Sie hätten z. B. auch mit Versuchen, die Geschwindigkeit der Bearbeitungsmaschinen zu erhöhen, die Werkzeuge überbeansprucht, was zu Betriebsstörungen - und damit Lohneinbußen der Arbeiter geführt habe. „Wir sind überzeugt, daß es im Mühlental Meister gibt, die gestützt auf ihre Kenntnisse des Werkzeuges zu dieser Art Forcierung nur mitleidig lächeln. U n d die Arbeiter fragen sich, warum, wenn es doch möglich sein sollte, warum ist man nicht früher auf den Gedanken verfallen, schnelleren Gang für alle Maschinen zu bewerkstelligen
Derartige Rationalisierungsmaßnahmen bedrohten nicht nur vorübergehend das Interesse an einem guten Lohn, sondern sie stellten viel grundsätzlicher die Stellung und die Erwartungen des Arbeiters in Frage. Warum wandten sich diese aber dagegen, daß die Neuerungen von Technikern eingeleitet wurden? Oberflächlich gesehen könnte man die Ablehnung der Techniker vergleichen mit der Abneigung, mit der die Arbeiter einige Jahrzehnte früher den ersten Meistern begegnet waren. Wichtiger ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß sie spürten, daß die ,unerfahrenen' Techniker über ein Wissen verfügten, welches über das normale Erfahrungswissen der Meister, die immerhin die besten ,Arbeiter' waren, hinausging. Die Techniker hatten trotz ihrer Unerfahrenheit im Praktischen eine ,,Technikerweisheit" die dem Arbeiter kaum zugänghch war. Ansatzweise nahmen die Arbeiter die forcierte Trennung von geistiger und manueller Arbeit wahr. Sie merkten auch, daß die Techniker weder ihresgleichen waren, noch ihre Interessen vertraten. Indem die Arbeiter normalerweise den Technikern kaum direkt gegenüberstanden, sondern deren Anordnungen über Meister oder Einrichtungen vermittelt bekamen, vergrößerte sich die soziale Distanz noch. Das vermehrte Auftreten von Technikern in der Leitung der Betriebe durchbrach auch die Vorstellung, daß der Vorgesetzte eher etwas älter und erfahrener sein sollte. Eine Untersuchung von über hundert Werkmeistern und Kontrolleuren aus vier Winterthurer Maschinenindustrieunternehmen im Jahre 1903 zeigt, daß die Meister tatsächlich mehrheitlich älter und dienstälter waren als die Arbeiter, sicher aber auch oft älter als die damals eintretenden Techniker (Tabelle 4). 93
Tabelle 4: Alter und Dienstalter bei Wimerthurer Meistern und Kontrolleuren in der Maschinenindustrie 1903" Altersgruppen (128 Personen) bis 34 J. 35-50 J. 51 u. m. Anzahl
15
72
41
Dienstaltersgruppen (160 Personen), 0-5 6-10 11-15 16 u. m. 18
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25
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Bei GF dürften die Meister-Verhältnisse recht ähnlich gewesen sein, und bei den Technikern handelte es sich offenbar bis auf Bachmann und Schneckenburger mehrheitlich um jüngere Leute mit wenigen Dienstjahren^^. Einer dieser jungen Betriebstechniker war Emil Ganz, der nach einer zweijährigen Einarbeitungszeit in Singen 1902 nach Schaffhausen kam. Die Modernisierung der Betriebe war für ihn ein technisches, organisatorisches und soziales Problem, für das er sich absolut zuständig fühlte. Er mußte die räumlich schlecht koordinierte und ungenügend ausgerüstete Fittingsfabrikation in Schaffhausen auf den Stand des Werkes Singen bringen, wobei folgende Grundsätze maßgebend waren: ,,1. Verbesserung und Modernisierung des Maschinenparkes und der Einrichtungen. 2. Ersetzung der ungenauen Formeinrichtungen durch genaue. 3. Verbesserung der Arbeitsmethoden. 4. Erziehen der Meister und Arbeiter zu exakter und rationeller Arbeit. "1'· Ganz war als Techniker von der Geschäftsleitung beauftragt, die Qualität zu verbessern und die Arbeit zu intensivieren, damit die Rentabilität gesteigert würde. Die von seinen Maßnahmen betroffenen Arbeiter meinten über seine Funktion ironisch, daß er sich anstrenge, ,,Mögliches und Unmögliches durchzuführen" i®. Ganz und mit ihm die anderen Techniker und Ingenieure stießen wegen ihrer Funktion als angestellte Repräsentanten des Unternehmens, die Macht und Wissen zur Beschleunigung des Arbeitstempos und zur Steigerung der Arbeitsqualität einsetzten, wohl nicht nur beim bewußteren Teil der Arbeiter auf Ablehnung; denn sie verlangten stets mehr Leistung und bedrohten die Routine und den Lohn der manuellen Arbeiter. Nachdem um die Jahrhundertwende gleich eine größere Anzahl von Technikern eingestellt worden war, nahm deren Zahl im Laufe des ersten Jahrzehnts nicht mehr stark zu. Die vorhandenen Techniker wurden mit zunehmender Erfahrung leistungsfähiger und überdies von arbeitsintensiven Verwaltungsarbeiten entlastet. Schließlich etablierte sich nach der ausgesprochenen Rationalisierungsperiode von 1900-1904 wieder ein ,Meisterbetrieb' auf einem höheren Niveau, d. h. daß im normalen Betriebsalltag für den Arbeiter wieder der Meister zur hauptsächlichen Bezugsperson wurde^®. Erst in der großen Expansionsphase seit 1910 wurden wieder vermehrt Techniker rekrutiert^'' Waren die ersten Techniker noch alle in arbeitsleitender Funktion direkt in den Fabrikationsprozeß involviert, so entstanden um die Jahrhundertwende für die Ausarbeitung und Planung größerer Projekte Stabsstellen für 94
Techniker: die Funktion des Bürotechnikers wurde geschaffen. Jules Felix, einer der ersten Bürotechniker der Firma, beschreibt das ,junge' technische Büro folgendermaßen: ,,Im technischen Büro arbeiteten im Jahre 1899 drei Techniker unter der Leitung des Betriebschefs, Herrn Bachmann, wo wir uns mit der Konstruktion von allgemeinen Gießerei-Einrichtungen beschäftigten für die neu erbaute Konverterstahlgießerei."i® Das technische Büro war vorerst noch ganz die Stabsabteilung des technischen Direktors. ,,Jeden Morgen nach dem frühen Gang durch die Werke stand Bachmann im techn. Büro am Reißbrett, prüfte und korrigierte die Entwürfe seiner Techniker. Hier konnte er seine großen Betriebserfahrungen voll verwerten und seine Mitarbeiter inspirieren, stets bemüht, die bisherigen Resultate seiner Arbeit mit den neuesten Errungenschaften der Technik zu k o o r d i n i e r e n . E i n Teil der Neuerungen wurde indessen weiterhin aber tendenziell doch abnehmend - von den Technikern in den Betrieben ausgearbeitet und durchgeführt. Deshalb nahm auch das Personal des technischen Büros im ersten Jahrzehnt kaum zu. 1909 standen im technischen Büro erst fünf Reißbretter, an denen unter der Leitung von Ingenieur Nievergelt vier Techniker beschäftigt waren. Dieser kleine technische Stab hatte, neben verschiedenen Verbesserungen, auch die gesamten Ausbauprojekte der folgenden Jahre zu bearbeiten^®. Unter de Boor, dem Nachfolger Bachmanns, stieg die Autonomie des technischen Büros gegenüber den .Betriebsleuten' dann beträchtlich. Bürotechniker Stämpfli schildert, wie der Versuch, die Sandzufuhranlage zu verbessern, wegen eines Fehlers der Betriebsleute scheiterte, und welche Folgerungen daraus gezogen wurden. ,,Es lag nahe, daß in erster Linie die Gießer [gemeint sind die Vorgesetzten im Betrieb] zur Rechenschaft gezogen wurden. Es lag ganz im Naturell von Herrn de Boor, mich und meine Mitarbeiter im technischen Büro nach Möglichkeit zu schonen und w o nötig zu stützen Ich war nun sicher, daß wir f ü r das Weitere in Fragen der Mechanisierung ihrer Betriebe uns nicht in allen Fällen auf die Zuverlässigkeit unserer Gießer verlassen konnten. Dieses Gebiet war auch ihnen damals noch sehr wenig vertraut. So mußten wir uns beim Projektieren und Konstruieren vermehrt auf uns selber besinnen und immer mehr uns selbst als verantwortlich denken.
In der Folge wurden die Techniker in den Betrieben zunehmend von der Planung der Anlagen ausgeschlossen, sie hatten sich auf die arbeitsleitenden Aufgaben in der Fertigung zu konzentrieren. Dieser Prozeß verlief zwar relativ langsam und widersprüchlich, er wurde aber vom technischen Experten des Ausschusses, Brunner, ebenso vorangetrieben wie von de Boor, von dem Wäffler meinte, daß er mehr ein ,,Planer" und ,,Theoretiker" als ein ,,praktischer Betriebsmann" gewesen sei^^. Eine entscheidende Bedeutungszunahme erfuhr das technische Büro schheßhch, als es 1913 zweigeteilt wurde: Nievergelt leitete das Büro für Maschinen- und Werkzeugkonstruktionen, Stämpfli die Abteilung für Neubauten und Einrich95
tungen^^. Beide Abteilungen erhielten im vergrößerten Verwaltungsgebäude einen Raum, „jeder groß genug zur Aufnahme von 20-30 Zeichnern und Konstrukteuren"^''. Insgesamt zeigt diese Entwicklung, daß ein Teil der planenden und konstruktiven Arbeiten auf die technischen Büros konzentriert wurde, während die Techniker in den Betrieben mehr auf die Leitung und technische Überwachung festgelegt wurden. Immerhin nahmen sie im normalen Alltag weiterhin ohne die Hilfe des technischen Büros analytische und konstruktive Funktionen in der Produkteherstellung wahr. Dies war besonders in der wenig normierten Stahlgußfabrikation der Fall. ,,Ιη sehr vielen Fällen", schreibt Schneckenburger, sei er ,,bei Neukonstruktionen zugezogen worden zur Beurteilung, ob Ausführung in Stahlguß möglich sei und wie die Modelle angefertigt werden müssen. Während das technische Büro zur Bearbeitung von Aufgaben, die vorher von den Betriebstechnikern gelöst worden waren, geschaffen wurde, entstand das chemische Labor wegen der Einführung einer neuen Technologie, des Konverterverfahrens, im Jahre 1899. ,,Zu jener Zeit mußte ein Laboratorium eingerichtet werden, denn ohne ein solches war es nicht möglich, sauren Konverterstahl zu machen. Zudem haben wir damals einen englischen Magnetisierungsapparat angeschafft, so daß wir die Magnetisierungskurven selber machen konnten, denn die erste Magnetisierungskurve stammte noch von der deutschen Reichsversuchsanstalt her. Vorher, ohne Laboratorium, haben wir höchst selten eine Analyse machen lassen durch das Polytechnikum, und nur dann, wenn die Stahlqualität durch außergewöhnliche Einsätze verpfuscht war."^® Von allen Schmelzmaterialien wurden nun Analysen gemacht und auf dieser Grundlage die Schmelzeinsätze festgelegt^^. Damit kam der erste Hochschulchemiker in die Firma, der zusammen mit einer vorerst noch kleinen Anzahl Laboranten die richtige Herstellung des Schmelzmaterials kontrollierte. Von einer eigentlichen Verwissenschaftlichung der Produktion kann aber nur mit Vorbehalten gesprochen werden. So konstatierte 1906 der Experte der Geschäftsleitung, Messner, in einem Gutachten über die Weichgußabteilung, daß mit dem vorhandenen Laborpersonal nur ,,Routineanalysen", nicht aber wissenschaftliche Forschungen möglich wären^®. ,,Neues schaffen kann man im jetzigen Laboratorium nicht; es fehlt an der notwendigen Ausrüstung, und vor allem sind die Lokalitäten für diesen Zweck absolut unbrauchbar und ungeeignet Dabei sollte man nach seiner Ansicht gerade in der Weichgießerei, wo im Gegensatz zur Stahlgießerei keine technische Literatur Klarheit verschaffte, ,,selber den Schleier, der noch über manche nachteilige Erscheinung in dieser Fabrikadon gelegt ist, zu heben suchen, um endlich ein einwandfreies Material erzeugen zu können Eine rechte Basis für das Studium des Weichgusses hat man noch nicht, man muß ganz von vorn beginnen. Den Forderungen nach einer produktionsorientierten und grundlegenden wissenschafthchen Forschung im Labor wurde allerdings nicht ent96
sprochen. Für produktionstechnische Neuerungen verließ man sich weiterhin auf diejenigen Resultate, welche die Techniker in den Betrieben in ihren Experimenten hervorbrachten^ oder man adaptierte fabrikationsreife Verfahren von Dritten. In den Kontrollabteilungen der Fittingswerke und Stahlgießereien schließlich wurden jene routinemäßigen Kontrollarbeiten geleistet, die auch ohne wissenschaftlich qualifiziertes Personal erledigt werden konnten. - Bis in die Neunzigerjahre hatte man die Fittings nur sporadisch auf die Qualität geprüft, indem man öffentliche Institutionen (ΕΤΗ Zürich, Versuchsanstalten deutscher Hochschulen) beauftragte. Seit der Jahrhundertwende wurden nun aber Routinekontrollen (Druck- und Schlagproben) am fertigen Produkt im Unternehmen selbst regelmäßig durchgeführt. Die Konkurrenz zwang die Firma, der Qualität mehr Beachtung zu schenken. Dadurch entstanden aber nur wenige Angestelltenfunktionen, da die Fittingskontrolle von Arbeitern erledigt wurde. So waren 1910/11 in den Abteilungen ,,Fertigkontrolle" und ,,Probieranstalt" unter der Leitung eines Meisters zusammen dreißig Arbeiter beschäftigt, in den Stahlgießereien war die Kontrolle an besonders erfahrene Arbeiter, die Kontrolleure, übertragen, die rangmäßig zwischen Vorarbeiter und Meister standen und die unterste Kategorie der Angestellten bildeten. Mit der Bildung von besonderen Abteilungen für planende, arbeitsvorbereitende und kontrollierende Funktionen verstärkte sich die Trennung von geistiger und manueller Arbeit weiter. Während die Labors Instrumente in der Hand der Betriebsleiter waren, so wuchs mit der Zentralisierung vieler konstruktiver Funktionen in den technischen Büros die Fremdbestimmung des technischen Leitungspersonals. Denn ohne das Dazutun der Betriebsleute wurden Strukturen festgelegt, in welchen sie in der Folge arbeiten mußten^^. Für die Arbeiter bedeutete die Arbeit der Techniker in Betrieb und Büro, daß der Gestaltungsspielraum am Arbeitsplatz eingeschränkt wurde^^. Die verstärkte Fremdbestimmung konnte nun aber für den Arbeiter demotivierend wirken, da damit tendenziell die Chance verlorenging, durch bessere Arbeitsgestaltung das Arbeitsresultat - und damit den Lohn zu verbessern. Zudem fehlte wegen der organisatorischen Trennung zwischen jenen, die die Arbeit bestimmten, und jenen, die sie ausführten, die Kontrolle über die Richtigkeit der Maßnahmen, sofern sie nicht von den Meistern gewährleistet werden konnte, was nicht garantiert war. Der Geschäftsleitung ging es unter diesen Umständen darum, mögliche disfunktionale Auswirkungen der Anordnungen der Techniker zu reduzieren und die immer noch teilweise vorhandene , geistige Potenz' - die Erfinderfunktion im Detail - der unmittelbaren Produzenten zu nutzen. Deshalb führte sie um 1905 das Vorschlagswesen ein. In einem Artikel im Echo vom Rheinfall wurde 1906 berichtet, daß ,,die Stahlfabrik im Mühlental das Interesse der Arbeiter dadurch zu heben trachtet, daß sie alljährlich ein Preisausschreiben erläßt für Neuerungen oder Verbesserungen im Betrieb" 97
Im vergangenen Jahr seien 18 Meister und Arbeiter mit Preisen bedacht worden^"*. GF war damit wohl eine der ersten schweizerischen Firmen, die dieses Managementmittel einführten. Einige Jahre später erst (ca. 1909) folgte Sulzer, wo der ,Managementtheoretiker' der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie, Sulzer-Ziegler, mit dem Vorschlagswesen einen ,,Impuls zu geben" versuchte, ,,damit jeder fähige Arbeiter über seine Aufgaben und die Dinge des Geschäftes nachdenke"^®. Der Vergleich mit deutschen und amerikanischen Verhältnissen, wo damals auch die ersten Versuche, z. B. bei Zeiss Jena oder General Electric, liefen, zeigt auch hier, daß man bei GF früh versuchte, die neuesten Managementpraktiken nutzbar zu machen^®. Es scheint allerdings, daß das Vorschlagswesen im Laufe der folgenden Jahre irgendwann wieder in Vergessenheit geriet und daß es erst im Zweiten Weltkrieg wieder etabliert wurde^''. Während bisher der technische Leitungsapparat als Funktionssystem sowie als Herrschaftsapparat gegenüber den Arbeitern untersucht wurde, so wird er im folgenden Abschnitt als Autoritätssystem problematisiert, indem die Herrschaftsbeziehungen und Machtverhältnisse innerhalb des technisch-betrieblichen Leitungsapparates (vorläufig exklusive Meister) dargestellt und analysiert werden. - Erfolg oder Mißerfolg eines Managements hängen sowohl von den Eigenschaften der Mitglieder wie auch vom strukturellen Rahmen, worin diese arbeiten, ab^®. Es muß der Leitung gelingen. Strukturen zu schaffen, in denen Mitarbeiter verschiedener hierarchischer Stufen ohne allzugroße Reibungsverluste zusammenarbeiten können; Strukturen, die gleichzeitig den Ordnungsvorstellungen der involvierten Individuen soweit entsprechen, daß deren Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit möglichst gefördert werden. Wie entwickelten sich die Autoritätsstrukturen in der Leitung bzw. die Ordnungsvorstellungen der Techniker und Ingenieure in einem Großbetrieb zu Beginn des 20. Jahrhunderts? - Als Muster für die Gestaltung der formalen Struktur standen der damaligen obersten Geschäftsleitung die Linien- und Stabsorganisation und das Konzept der teamartigen Leitung (Konferenzen, Ausschüsse) zur Verfügung. Entsprechende Praktiken wurden oben verschiedentlich dargestellt. - Schwieriger ist es, die Ordnungsvorstellungen und Verhaltensweisen der Angestellten auf den Begriff zu bringen. Im folgenden verwende ich vereinfacht eine auch historisch einigermaßen einleuchtende und offene Typologie der Ordnungsvorstellungen von Angestellten im Betrieb, die von Braun und Fuhrmann entwickelt wurde^'. 1. In der ,,traditionell-autoritären" Ordnungsvorstellung wird Autorität entweder traditionell oder mit dem Hinweis auf Recht, Eigentum u. ä. begründet. ,,Versuche der einzelnen ., eigene Interessen zu vertreten und auf Veränderungen hinzuwirken, die die klare Abhängigkeit aller von der zentralen und absoluten Autorität verwirren können, werden als illegi98
tim betrachtet Der einzelne hat sich zu unterwerfen und keine riskanten Reflexionen über die Ordnung zu unternehmen." 2. Gemäß einer „sachlich-funktionalen" Ordnungsvorstellung beruht die Autorität in erster Linie auf „sachlicher Notwendigkeit und Sachverständigkeit. Alles ist gut, was aus dem unmittelbaren sachlichen Arbeitszusammenhang sich als notwendig erweist. Die Autoritätsbeziehungen und das Verhalten der Individuen müssen sich diesen sachlichen Erfordernissen unterordnen Interessen sind legitim, sofern sie den sachlichen Funktionszusammenhang nicht stören und auf unmittelbare und evidente Ziele gerichtet sind . Das individuelle Verhalten muß sich am Funktionszusammenhang und an der arbeitsmäßigen Effizienz des Betriebs orientieren."'*" Neuere Untersuchungen zeigen, daß der zweite Typ unter den technischen Angestellten häufiger zu finden ist'·!. Bis 1902 entwickelte sich in den Betrieben unter Bachmann eine zentralistische Leitungshierarchie, in der der technische Direktor bestimmend war. Bachmann hatte eine Linien-Stabsorganisation aufgebaut, deren autokratischer Herrscher er war. Er war der ,organization-builder' und begründete damit seine Herrschaftsansprüche. Idealisierend - aber unübertrefflich beschreibt Wäffler diesen ,Mann der ersten Stunde': ,,Seine praktische Laufbahn begann noch im alten, primitiven Werklein und war so recht der Dienst von der Pike auf, in Rauch und Staub und Hitze. Zugleich mit dem Aufbau und Umbau des Werkes aufsteigend von Stufe zu Stufe erlebte er die große Entwicklung der Firma Bachmann war beteiligt am Ausbau der Fittingsfabrikation insbesondere aber an der Einführung des Stahlgusses, beginnend mit dem ersten Martin-Ofen 1890. Den ganzen Kampf um die Entwicklung dieses Arbeitsgebietes, weitab von den Zentren der Konkurrenz, ohne Meister oder Arbeiter, die vom Martin-Ofen irgend eine Ahnung hatten, machte er von Anfang an an vorderster Stelle mit Bachmanns Ordnungsvorstellungen und Verhaltensweisen müßte man als traditionell-autoritär bezeichnen. ,,Bachmann war von mittelgroßer, kräftiger Statur, energischem bis rauhem Wesen und großer Arbeitskraft. Sein scharfes graues Auge hatte etwas Herrisches und in Verbindung mit seinem Naturell oft Verletzendes, was ihm manche Gegner schaffte. Sein straffes Regime war aber das unerläßliche Gegengewicht zu der ungemein weichen, gütigen Art seines Chefs, Herrn Georg Fischer.'"*^ Während etwa Wäffler sich mit Bachmann arrangieren konnte, so gab es gleichzeitig Leute, die dessen Verhalten und Einstellungen nicht ertrugen und austraten. Der 1899 hinzugekommene Leiter der Fittingsgießerei, Rahm, verUeß die Firma, weil er Bachmanns ,,Brüllerei" nicht ertragen konnte. Schmelzermeister Schurter, der durchaus kein zimperlicher Mann war^"*, wechselte 1896 zur M F O und kam nach der Angliederung der Gießereiabteilung der M F O an G F nur unter der Bedingung wieder zurück, nicht unter Bachmann arbeiten zu müssen·*^. Daß Bachmanns Verhalten indessen nicht etwa einfach mit dem ,,cholerischen Naturell" zu erklären war, sondern damals
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recht üblich war, zeigt exemplarisch die Schilderung, die Meister vom Führungsstil des damaligen technischen Direktors der Maschinenfabrik Rauschenbach Schaffhausen, Ingenieur Karl Bänninger-Arbenz, gibt: ,,Jeder Techniker erhielt seine Arbeit durch Herrn Dir. Bänninger Es wurde allgemein streng geschafft, denn dieser kleine grobe, aber auf allen Gebieten überaus bestens versierte Ingenieur konnte recht ungemütlich werden. Kam er mit einer Zeichnung, an einer der vier Ecken in der Hand nach sich ziehend, aus der Werkstatt gelaufen, die Bürotüre hinter sich zuschmetternd, durfte jeder Techniker auf einen ungemütlichen Auftritt gefaßt sein. Einen Tritt mit seinem Fuß auf unsere Absatzseite oder einen Puff auf den Oberarm konnte jeder, auch die Bürochefs gewärtigen. Der einzige Tag der Ausspannung war es, wenn dieser Direktor hie und da seine Jagdpacht in der badischen Nachbarschaft beunruhigte.""® Das zunehmende Selbstvertrauen und die Initiative der Betriebsleiter und Betriebstechniker erschwerten von einem bestimmten Punkt an das rigide Funktionieren der von Bachmann bestimmten formalen Organisation. Wie Bachmanns traditionell-autoritäres Verhalten mit der sachlich-funktionalen Orientierung des Leiters der Stahlgießerei, Schneckenburger, kollidierte, zeigt das folgende Ereignis. Nachdem Bachmann das nordfranzösische Hirson'*·' besucht hatte, wollte er in Schaffhausen Methoden einführen, die er dort beobachtet hatte. Er wollte alles ,,belgisch" machen, wie es Schnekkenburger nannte. Bachmann versuchte Schneckenburger zu bewegen, auch den Lokomotivguß mit solchen Verfahren herzustellen, doch dieser wehrte sich lange dagegen, da er die bisherige Fabrikationsweise geeigneter fand. ,,Auf jedem Rundgang", so erinnert sich Schneckenburger, ,,mußte ich lange Zeit ,dummer Hagel', ,Kalber', ,Kameler' und ähnliches einstekken, bis ich mir erlaubte, gegen ihn Stellung zu nehmen und zu erklären, ich würde für Lokomotivguß nur zur neuen Methode übergehen, wenn Bachmann selbst die volle Verantwortung trage. Dazu war er bereit. So fing ich an, nach der belgischen Methode auch Lokomotivguß zu machen Der Guß wurde uns waggonweise z u r ü c k g e s a n d t . S c h n e c k e n b u r g e r wurde zum Verwaltungsrat zitiert und verwies diesem gegenüber darauf, daß Bachmann die Verantwortung übernommen habe. Bachmann habe dadurch an Ansehen eingebüßt. Der Verwaltungsrat suchte nun derartige disfunktionale Wirkungen eines rigide gehandhabten Liniensystems durch die Einführung von Elementen einer teamartigen Leitungskonzeption zu vermeiden. Er legte in den Direktionsreglements fest, daß zu den Direktionssitzungen bei Bedarf auch die verantwortlichen Angestellten zugezogen werden sollten, wobei seit 1904 jeder der beiden Direktoren Angestellte nach seiner Wahl einladen konnte. Dies war faktisch eine Kontrollmöglichkeit für Homberger über Bachmann und eine Chance für die unterstellten Techniker, ihren Anspruch auf eine sachliche Diskussion ihrer Vorstellungen und Wünsche zu realisieren. Wegen dieser Konferenzen kam es auch wiederholt zu Konflikten. 100
Der Abbau des absoluten Regimes von Bachmann und die Praxis der Beratung in Gremien wurde entscheidend gefördert durch die Einsichten, die die oberste Leitung anläßlich eines Konfliktes zwischen Bachmann und dem Leiter des Singener Fittingswerkes, Wanner, gewann. 1904 wollte Wanner kündigen mit der Begründung: ,,Die Behandlung, welcher er seitens des Herrn Bachmann ausgesetzt sei, sei ihm dermaßen verleidet, daß er lieber anderswo mit geringerem Salär arbeite Er beklagte sich, daß Bachmann die Diskussion bzw. die Konferenz sabotiere. ,,Bachmann lasse es ihm jedesmal entgelten ., wenn er in den Conferenzen seine Meinung frei ausspreche" oder wenn er Homberger bzw. dem Ausschuß eine Mitteilung mache®".
Die Konferenz war eine Institution, die den Vorstellungen Bachmanns über die Autoritätshierarchie direkt zuwiderlief. Um seine alleinige Autorität zu erhalten, nahm er selbst die Ergebnisse von Versuchen in Singen nicht mehr zur Kenntnis und beauftragte - unter Umgehung der Hierarchie einen Obermeister aus Schaffhausen mit der Veranstaltung von anderen Experimenten in Schaffhausen und Singen. ,,Dieser letztere kommt und geht in Singen aus und ein, ohne sich bei Wanner zu melden", bemerkte das Ausschußmitglied Koch-Vlierboom. ,,Uberhaupt hat Herr B. quasi ein Polizeispitzeltum in Singen eingeführt, von den Rapporten der Spitzel erhält Wanner keine Kenntnis, wie wir dies übrigens in der letzten Sitzung selbst haben constatieren können. Solche Praktiken widersprachen nicht bloß den sachlich-funktionalen Ordnungsvorstellungen des Singener Betriebsleiters, sondern auch den Vorstellungen des Verwaltungsrates über eine effiziente Leitung. Der Verwaltungsrat war entschlossen, die Kontrolle Bachmanns durch den kaufmännischen Direktor und den Ausschuß zu verstärken. Wanner wurde aufgefordert, jeweilen eine Kopie seiner Berichte und Eingaben an Bachmann Homberger zuzustellen, ,,um die Controlle zu ermöglichen" Man bemerkte, daß es allerdings ,,sehr unerquicklich" sei, ,,wenn zu derartigen Mitteln gegriffen werden" müsse, ,,um den Kniffen des Herrn B. auf die Spur zu kommen". Zu solchen Kontrollen sah sich der Verwaltungsrat aber auch veranlaßt, weil der technische Direktor das Werk Singen ausstattungsmäßig vernachlässigte und Schaffhausen bevorzugte. ,,Selbst wenn der Ausschuß die Anschaffung für Singen beschlossen hat, geniert sich Bachmann nicht im geringsten, dieselbe so lange zu verschleppen, wie es ihm gerade paßt, oder sie auch ganz zu unterlassen. Dergl. muß in Zukunft aufhören."®^ Als Bachmann im folgenden Jahr anläßlich eines Vergrößerungsprojektes für Singen dem Ausschuß die Informationen des erkrankten Wanner vorenthielt und deshalb ein ungenügendes Projekt beschlossen worden wäre, wenn Wanner nicht rechtzeitig interveniert hätte, beschloß der Verwaltungsrat, die Vorlagen des ,,technischen Direktors noch viel genauer unter die Lupe zu nehmen und namentlich stets seine Adjunkten zu den Beratungen bei[zu]ziehen"®^. 101
1906 wurde Ingenieur Fritz de Boor als technischer Assistent des kaufmännischen Direktors eingestellt. De Boor kam logischerweise schon bald in einen aus seiner speziellen Stellung resultierenden Gegensatz zum technischen Direktor. Dieser strukturelle Gegensatz wurde noch verschärft durch die Eigenschaften und Aspirationen de Boors. Denn de Boor hoffte, von dieser zentralen Stabsfunktion aus in eine hohe Linienposition einsteigen zu können. Er setzte alles daran, dieses Ziel zu erreichen®'^. Zusammen mit Wanner und dem Betriebsleiter der Schaffhauser Fittingsgießerei, Boller, bildete er ein gegen Bachmann gerichtetes ,Bündnis' Schneckenburger schreibt darüber: ,,Um sich der Fittings-Leute zu vergewissern, veranstaltete de Boor Zusammenkünfte mit den Herren Wanner und Boller und intrigierte gegen Bachmann. Jeweils nach diesen Zusammenkünften hat mich de Boor am Morgen aufgesucht und mir lachend erzählt, was sie jetzt wieder gegen Herrn Bachmann ausgeheckt hätten. Ich habe mich gehütet, irgendwie darauf einzugehen Im Agieren de Boors zeigt sich deutUch der enge Zusammenhang zwischen der Entfaltung des professionellen Wissens und dem Aufstiegsstreben in der Hierarchie. Da er glaubte, über ein größeres Wissen als Bachmann zu verfügen, wollte er eine entsprechende Stellung einnehmen®®. Immer noch stand ihm aber Bachmann im Weg. Erst als dieser 1909 krank wurde und hierauf nur noch beschränkt arbeitsfähig war, erhielt de Boor provisorisch, nach dem endgültigen Ausscheiden Bachmanns fest die Leitung der Fittings-, Weichguß- und Nebenbetriebe. Das Aufstiegsstreben brachte de Boor nicht bloß in einen Gegensatz zu Bachmann, sondern zeitweilig, bei der Frage der Einführung der kontinuierlichen Gießerei, auch in ein Konkurrenzverhältnis zum Fittingsexperten Messner. Schneckenburger behauptet, daß de Boor dessen Vorschläge ,,sabotiert" habe, ,,sonst wäre das Conveyor-System damals schon eingeführt worden"®·'. Tatsächlich hatte sich de Boor zusammen mit Wanner und Boller gegen das Projekt der kontinuierlichen Fittingsfabrikation von Messner ausgesprochen, und es war damals offensichtlich, daß es den ,,Fittings-Leuten" nicht nur darum ging, die Einführung eines ihrer Ansicht nach ungeeigneten Projektes zu vermeiden, sondern mit der Ablehnung der neuen Fertigungsmethode war auch der Aufstiegskonkurrent Messner gemeint. Denn wäre das Projekt Messners angenommen worden, so hätte er die versprochene leitende Stellung in den Fittingswerken erhalten®®; de Boor sowie die Betriebsleiter Wanner und Boller hätten auf längere Zeit hinaus keine Chance mehr gehabt aufzusteigen, und sie hätten sich unter die Führung Messners stellen müssen, der einen großen Informationsvorsprung besaß®'. Die Rivalitäten in der technischen Leitung verloren ihren manifesten Charakter, als 1910 die technische Leitung zweigeteilt wurde und Moersen die Leitung der Stahlgießerei erhielt. Angesichts der überlegenen Kompetenz Moersens begrub de Boor weitere Aspirationen, 102
um so mehr als auch der Betriebsleiter der Stahlgießerei, Schneckenburger, bei Homberger gegen ihn interveniert hatte®". Insgesamt läßt sich festhalten, daß das erste Jahrzehnt des Jahrhunderts eine Periode des Suchens nach einer effizienten technischen Leitungsstruktur war. Wir konnten den Wechsel von einem autokratisch beherrschten Liniensystem zu einer Linien- und Stabsorganisation mit teamartigen Elementen feststellen. Diese Konzeption förderte - und hatte als Voraussetzung - ein bestimmtes Maß an sachlich-funktionalen Ordnungsvorstellungen bei den Mitgliedern des Autoritätssystems. Dies war bei Bachmann, der mit dem neuen System nur zu verlieren glaubte, nicht gegeben. Sein schrittweiser Macht- und Prestigeverlust erinnert in manchem an den Abstieg Georg Fischers einige Jahre zuvor. - Bis 1910 gelang es dem Verwaltungsrat mit einiger Mühe, einen effizienten Leitungsapparat zu schaffen. 1911 konnte Brunner im Verwaltungsrat den ,,tüchtigen und regsamen Geist und das harmonische Zusammenarbeiten auch der technischen Organe, woran es früher so sehr gefehlt" habe, loben®^. Unter der Leitung von de Boor und Moersen etablierte sich ein Autoritätssystem, in dem die sachlich-funktionalen Ordnungsvorstellungen dominierten, sich aber weiterhin bedeutende Reste traditionell-autoritärer Tendenzen erhielten oder neu herausbildeten. In diese Richtung weist das Urteil Wäfflers über Moersen, den er als ,,zielsicher und selbstbewußt, anpassungsfähig, aber auch Aufnahmewilligkeit verlangend"®^ charakterisierte. Daß auch hier die hierarchisch geprägten Beziehungen unter den Technikern nicht unproblematisch waren, konstatiert Maier zum Verhältnis Moersen-Wäff1er. Wäffler, ,,jeder Liebedienerei unfähig, langsam urteilend und stets überlegt beschließend", habe sich nur mit Mühe auf Moersen einstellen können. Die Beziehung sei erst besser geworden, nachdem Moersen erkannt hatte, ,,daß er in Wäffler einen aufrechten Untergebenen hatte, auf den unbedingter Verlaß war, der sich übrigens zum eigentlichen Spezialisten in Kleinstahlguß und Lastwagenrädern entwickelte"®^. Ähnlich, aber zunehmend autoritär akzentuiert, waren die Beziehungen zwischen de Boor und ,seinen' Technikern. Stampili schreibt: ,,Ich machte die Beobachtung, daß Herr de Boor sehr enge Grenzen zog im Urteil über die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter. Konnte er im täglichen Verkehr mit uns Technikern, Konstrukteuren und Zeichnern gute Auffassungsgabe und strebsames Mitgehen in der Arbeit erkennen, so durfte man bestimmt auf ein gutes Einvernehmen und Fortkommen rechnen. Wer aber seinen Ideen und Anweisungen nicht aufs verläßlichste nachkam, der fiel ohne lange Prozedur in Ungnade und mußte das Feld räumen. Dieses Schicksal war nicht nur der untersten Kategorie von Angestellten beschieden, sondern mit der gleichen Härte wurden Fälle in der unmittelbaren Nähe von Herrn de Boor behandelt."®^ In früheren Kapiteln ist bereits auf die Schwierigkeiten von GF (und anderen schweizerischen Gießereien) bei der Rekrutierung von wissenschaftlich qualifiziertem Leitungspersonal hingewiesen worden®'. Mit der 103
weiteren Ausdehnung des Unternehmens und der Anwendung komplizierterer Methoden wurde das Rekrutierungsproblem nun noch akuter. Weil der relativ hochentwickelte deutsche technische Arbeitsmarkt für das schwerindustriell gesehen - periphere Schaffhauser Unternehmen schwer zugänglich war®®, verlegte sich die Firma darauf, schweizerische Maschinentechniker betriebsintern zu qualifizieren. Die Fluktuationsneigung von jüngeren Technikern war dabei allerdings in den ersten Dienstjahren noch groß, doch bei vielen stieg parallel zur zunehmenden Spezialisierung auf die Stahl- oder Tempergießerei auch die Betriebstreue, bzw. wurde es für sie immer schwieriger, eine passende andere Stelle zu finden. Die einmal hoch spezialisierten Gießereitechniker blieben deshalb in der Regel bei G F . Doch es dauerte bis weit ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hinein, bis genügend betriebsintern ausgebildete Spezialisten vorhanden waren. Als der Weichgußspezialist Rahm 1901 austrat, hatte die Geschäftsleitung die größte Mühe, einen Nachfolger zu finden. In diesen Jahren wies der Verwaltungsrat verschiedentlich auf ,,die schlechte personelle Dotierung mit technischen Angestellten"®^ hin. 1903 wurde mit Boller ein Leiter der Fittingsabteilung gefunden, der zwar kein Weichgußspezialist, aber immerhin ein Gießereif achmann war®®. Laut Stämpfli waren die gießereitechnischen Kenntnisse de Boors und seiner nächsten Mitarbeiter auf dem technischen Büro anfänglich ,,sehr bescheiden"®', d. h. de Boor wurde bei G F zum Gießereifachmann. Ebenso der Fittingsexperte Messner, der anläßlich der Diskussion um die Revision der Konkurrenzklausel in seinem Vertrag auf seine technische Ausbildung hinwies, ,,die ihn vorzugsweise für die Spezialität der Fittings prädestiniert[e]"·'·'. Indessen muß hier eingeschränkt werden, daß nicht jeder Techniker ein Gießereispezialist sein mußte. Gerade mit der Differenzierung in Leitungsbereiche ergab sich die Möglichkeit, in den Bearbeitungswerkstätten und Nebenbetrieben Techniker mit geringer oder gar keiner gießereitechnischen Qualifikation einzusetzen·'!. Die Rekrutierung dieser Techniker war problemloser. Sie kamen entweder direkt von der Schule oder von Maschinenbauunternehmen zu G F . Auf verschiedene Weisen gelang es der neuen Leitung, bis 1907 die Personalstruktur auf den gewünschten Stand zu bringen. Homberger konnte damals feststellen, daß es gelungen sei, ,,im Laufe der Jahre einen tüchtigen Stab von technischen und kaufmännischen Beamten" heranzuziehen''^. Die Rekrutierung einer ausländischen technischen Spitzenkraft blieb die Ausnahme. Mit der Einstellung des Ingenieurs Bruno Moersen, bisher Betriebschef des Stahlwerks von Haniel & Lueg in Düsseldorf, sicherte man sich 1910 gleichzeitig auch ein besseres Know-how. Die Beurteilung Moersens durch den Generaldirektor von Haniel enthält eine Darstellung der wichtigsten Qualifikationselemente eines leitenden technischen Angestellten und schildert zudem einen wohl nicht untypischen Werdegang.
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„ H e r r Moersen hat eine gute wissenschaftliche Bildung und hat hier Gelegenheit zu einer gründlichen und vielseitigen Ausbildung in der Praxis gehabt und gut ausgenützt. Anfangs hatte ich mit demselben mehrfach Schwierigkeiten, da er ein sehr starkes Hochschulbewußtsein hatte, und mit demselben vielfach anstieß, besonders bei anderen Assistenten, die ihm an Erfahrung weit vor waren. D a er sich aber als tüchtiger Mensch erwies, habe ich die Mühe seiner Erziehung mir nicht verdrießen lassen. Heute ist Moersen in jeder Beziehung, sowohl als Stahlmann wie als Stahlformgießer, sowie auch als Fabrikleiter in bezug auf Personalverhältnisse eine erste Kraft, von der ich bedauere, sie abgeben zu müssen. Als Geschäftsmann im Umgang mit der Kundschaft, sowie als Einkäufer hat er sich gut bewährt.""
Mit Moersen gewann man einen ,fertigen' Fachmann, der über kaufmännische Kenntnisse verfügte, was angesichts des Zwangs zur Kommerzialisierung der Stahlgießerei besonders wichtig war. Zudem stand er technisch auf der Höhe, eine Tatsache, die seine Mitarbeiter in den Erinnerungsschriften hervorheben. Moersen wird von Wäffler geschildert als ,,impulsiv, intensiver Arbeiter und vorzüglicher Gießereifachmann", und Maier ergänzt, daß er ,,in das gute Alte den Sauerteig der neuesten Technik" gemischt habe'''*. - 1910 bestand ein solider Stamm von technischen Fachleuten, den man in der Folge durch die Einstellung einer größeren Anzahl von Maschinentechnikern aus den Technika Burgdorf und Winterthur nach und nach vergrößerte''®. Wenn gesagt wurde, daß die Qualifizierung der Techniker innerhalb des Unternehmens eine wichtige Rolle spielte, so muß hier noch die Frage interessieren, wie diese Aus- und Weiterbildung ablief. Die betriebsinterne Qualifizierung bestand zunächst darin, daß die vorhandenen Fachleute einen Teil ihres Wissens an die unterstellten Techniker weitervermittelten. Die Fachleute selbst bildeten sich theoretisch und praktisch durch die Lektüre von Fachliteratur, eigene Versuche und Diskussionen weiter, auch durch Besuche in anderen Werken und in Beratungen mit Experten. Stampili erwähnt, daß man sich ,,durch die deutschen Fachzeitschriften" regelmäßig über die Mechanisierung von Gießereien unterrichtete. Die ,,amerikanische Literatur" hingegen sei ,,νοη der Leitung sehr skeptisch als ungeeignet für europäische Verhältnisse abgelehnt" worden''^. Ein wichtiges Mittel der Weiterbildung war auch die Diskussion in den Direktionskonferenzen oder informell während der Arbeit, doch autoritäre Chefs wie Bachmann und de Boor waren dieser Form des Lernens nicht sehr zugetan. Stämpfli meint, daß wegen der Unerfahrenheit des technischen Büros viele ,,nutzlose Unkosten" entstanden seien. Dies sei teilweise darauf zurückzuführen gewesen, daß sich de Boor nicht um eine optimale Ausnützung des im gesamten Unternehmen vorhandenen Wissens gekümmert habe. Er habe sich gefragt, ,,ob der verantwortliche Chef sich wirklich auch um die Unterstützung und um den Rat unserer kompetenten Gießereifachmänner, wie Dir. Hans Wanner und Fritz Leuenberger oder die Herren A. Schnek105
kenburger und H. Wäffler in den Werken I und IV, bemüht habe. Ich glaube, daß nach Ablauf eines Jahres ich mir schon bewußt sein mußte, daß Herr de Boor diesen Weg als für ihn nicht interessant umgangen hatte Bemerkenswert ist, daß auch die Diskussion mit erfahrenen Meistern zur Verbesserung der Kenntnisse der Techniker beitragen konnte. Wäffler erwähnt, wie er als junger, unerfahrener Betriebsleiter ,,in den Diskussionen mit den beiden Gießermeistern Leu und Werner in die Geheimnisse des Stahlgießens" hineingewachsen sei''®. - Schließlich wurden ausgewählte Angestellte zu Informationsbesuchen in andere Firmen entsandt, so z. B. Bachmann nach Hirson oder Messner in die USA. Gespräche mit Stahlgußkunden trugen ebenfalls zur Vertiefung des Wissens bei^'. Experten wurden im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erst dann hinzugezogen, wenn die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat den eigenen Spezialisten die Lösung der Probleme nicht zutrauten. Man verfolgte damit die Absicht, die Arbeit der eigenen Fachleute zu kontrollieren und sie besser zu qualifizieren. Nicht nur 1901, sondern auch 1907/08 zog man Experten zur Unterstützung bei der Lösung der Schwierigkeiten der Stahlgießerei zu. Als permanenter Experte wirkte bis zu seinem Tod der technische Vertrauensmann des Verwaltungsrates, Brunner. Jede Woche hielt er eine Sitzung mit den technischen Leitern ab. Brunner war Spezialist für Industriebauten und Industrieeinrichtungen und kannte die Anlagen vieler größerer europäischer Stahl- und Eisenunternehmen. Als Berater von de Boor machte er die Grobentwürfe für die Expansionsprojekte. Stämpfli bezeichnete ihn als,,geistigen Mentor"®", der als Experte selber aktiv in der Planung im Zeichnungsbüro mitwirkte. Der enge Kontakt eines technisch versierten Verwaltungsratsmitgliedes mit den technischen Leitern wurde erst nach dem Tod Brunners 1920 aufgegeben. Man glaubte nach dem Krieg, ein absolut kompetentes technisches Management zu haben, das autonom funktionierte. In diesem Kapitel ist die Entwicklung des technischen Leitungs- und Verwaltungsapparates dargestellt worden, der aus einer Anzahl von größeren oder kleineren Statusgruppen®^ wie Direktoren, Betriebsleitern, Betriebstechnikern, Bürotechnikern, Meistern, Betriebsschreibern u. ä. Modellverwaltern und Kontrolleuren bestand. Zusammenfassend ist zur betrieblichen Lage der Angehörigen der ,,technischen Intelligenz"®^ folgendes zu sagen: Mit der Rationalisierung und der Anwendung komplizierter Techniken ergab sich tendenziell eine Verwissenschaftlichung der Produktion. Damit änderten sich die Qualifikationsanforderungen, die an die Träger leitender Funktionen gestellt wurden. Leitende technischbetriebliche Funktionen waren nur noch höher fachgeschulten Personen zugänglich, während unter Georg Fischer II ehemalige Arbeiter mit großem Erfahrungswissen noch bis zum Werkleiter hatten aufsteigen können. In der obersten technischen Leitung zeigte sich zudem eine Verschiebung von den Technikern zu den Ingenieuren: 1910 waren beide technischen 106
Direktoren Hochschulabsolventen. (Allerdings waren damals in der schweizerischen Metallindustrie - auch in den Großunternehmen - höchste Stellen für Technikumsabsolventen weiterhin, wenn auch in abnehmendem Maße, zugänglich®^.) Diese Ingenieure standen über jenen Technikern, die als Betriebsleiter oder Betriebstechniker mehr oder weniger Leitungsbefugnisse hatten. Mit der Entwicklung von Stabsstellen entstand auch schon eine Gruppe von Technikern ohne direkte Autoritätsbefugnisse, die aber als Mitglieder der technischen Leitung doch in vermittelter Weise an der Bestimmung über die Arbeit in den Betrieben partizipierten. Bis zum Ersten Weltkrieg waren eine effiziente Autoritätsstruktur für die technische Leitung geschaffen und die Tätigkeiten und Pflichten der meisten Techniker stärker formalisiert worden. Doch blieb ihnen die Autonomie im Detail noch in beträchtlichem Maß erhalten. In wichtigeren Fragen wirkte die Mitsprachemöglichkeit in den Konferenzen für die zunehmend auch fremdbestimmten und spezialisierten Techniker ausgleichend und motivierend. Allgemein haben wir schon früher eine zunehmende Unterordnung der Betriebsvorgänge unter kommerzielle Richtlinien konstatiert, der die institutionelle Unterstellung der technischen Leitung unter die kommerzielle entsprach. Diese Tendenz störte aber die Techniker weniger als der Despotismus Bachmanns, da die kommerzielle Leitung unter Homberger ihrem Bedürfnis nach Entfaltung ihres professionellen Wissens besser entgegenkam. Der Abschnitt über die Rekrutierung und Qualifizierung zeigte, wie schwierig die Schaffung eines leistungsfähigen technischen Leitungsapparates war. Durch die Bildung eines Stammes von qualifizierten Technikern wurde das Monopol einzelner gebrochen und die Unabhängigkeit der Firma gegenüber bestimmten Angestellten gefördert. Auch der Bestqualifizierte war schließlich ersetzbar®"*.
V. Aspekte der sozialen Lage, der Lebensgestaltung und des Bewußtsetns der technischen Angestellten Im Rahmen der Darstellung der Funktions- und Autoritätsordnung bzw. der betrieblichen Lage der technischen Intelligenz ist verschiedentlich ansatzweise auf ihr mit der Arbeit zusammenhängendes Denken und Selbstverständnis Bezug genommen worden. Sichtbar wurde u. a. ein ,,Professionalismus" 1 der Techniker, d. h. eine Berufsauffassung, die auf einer (halb-)wissenschaftlichen, systematischen Ausbildung basiert und neben einer universellen Leistungsorientierung ein bestimmtes Autonomiebedürfnis enthält. Die Qualifikation und die aus der Arbeit resultierenden Erfahrungen waren zweifellos auch damals Faktoren, die das Denken und 107
Handeln der technischen Angestellten stark prägten^; sie förderten oder behinderten die Entstehung neuer Denk- oder Verhaltensformen, bedrohten oder verfestigten Normen, Werte und Handlungsweisen, die aus anderen Lernfeldern (Familie, Schule usw.) stammten. Darüber hinaus haben wir uns im folgenden einer Reihe von weiteren Merkmalen der Angestelltenexistenz zuzuwenden, deren Einfluß auf Denken und Verhalten ebenfalls von Bedeutung ist. Dabei geht es vorerst um die eng mit der Arbeit zusammenhängenden Faktoren wie Einkommen und Anstellungsbedingungen (Vertragsdauer, Kündigungsfristen, Konkurrenzklausel, Erfinderschutz, Arbeitszeit, Ferien). In einem nächsten Schritt wird nach den sozialen Kontakten und Erfahrungen in Arbeit und Freizeit gefragt. Wie waren die Kontakte der Techniker untereinander? Was für Beziehungen hatten die Techniker zu anderen Angestelltengruppen (Kaufleute, Meister), zum Bürgertum, zum selbständigen Kleinbürgertum und zu den Arbeitern? Im Hintergrund steht dabei stets die allgemeine Frage, ob, wieweit und warum die technischen Angestellten ein Sonderbewußtsein, ein spezifisches Angestelltenbewußtsein oder ein allgemeines Arbeitnehmerbewußtsein entwickelten? Die Angestellten unterscheiden sich von den Unternehmern dadurch, daß ihr Einkommen nicht aus den Gewinnen stammt, sondern ebenso wie die Löhne der Arbeiter als Unkostenfaktor in die Unternehmensrechnung eingeht. Trotzdem unterscheiden sie sich von den Arbeitern durch die besondere Form des Einkommens, indem sie ein Gehalt beziehen. Mit der Gehaltsform ist eine bestimmte Sicherheit verbunden; der ,Lohn'-Arbeiter muß jeden Tag um sein Einkommen kämpfen, der Angestellte hat sein Gehalt in einer im voraus bekannten Höhe am Ende des Monats sicher. Die Höhe des Angestellteneinkommens hängt allerdings teilweise von ähnlichen Bestimmungsfaktoren ab wie das Arbeitereinkommen; sie wird einerseits durch den Wert bestimmt, den der Arbeitgeber der Arbeitskraft zumißt, andererseits wird der Angestellte seine besondere Fachgeschultheit mögHchst gut zu verkaufen suchen. Wie weit ihm dies gelingt, hängt unter anderem von seiner speziellen Qualifikation, dem Verhandlungsgeschick, dem Alter oder Dienstalter sowie generell der Arbeitsmarktsituation ab. Aus sozialpolitischen Gründen wird zudem die Geschäftsleitung darauf achten müssen, daß sie die Arbeiter- und Angestellteneinkommen in einem gewissen Maße differenziert, d. h. z. B. daß die Gehälter des direkt arbeitsleitenden Angestelltenpersonals etwas höher liegen müssen als die Löhne der unterstellten Arbeiter^. Über die Gehälter der technisch-betrieblichen Angestellten von GF liegen für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg nur vereinzelte Angaben vor. Einigermaßen systematisch kann die Gehaltsstruktur nur für das Jahr 1900 gezeigt werden. Es lassen sich eindeutig vier Gehaltsgruppen fassen: 1. Die Betriebsleiter mit einem Jahreseinkommen zwischen Fr. 3000 und 3600; 2. die Gruppe der Betriebstechniker mit einem Jahresgehalt um Fr. 2400; 3. 108
die Bürotechniker mit zwischen 1800 und 2160 Franken (auf diese Höhe kamen auch die qualifizierten oder gut eingearbeiteten kaufmännischverwahenden Angestellten in den Betriebsbüros); 4. eine kleine Gruppe von unqualifizierten oder ganz jungen Angestellten, die als Hilfspersonal aber im Angestelltenverhältnis - in Betriebsbüros, Modellmagazinen, Spedition usw. arbeiteten und zwischen Fr. 720 und 1200 Jahresgehalt hatten". Ein Arbeiterdurchschnittslohn betrug demgegenüber 1900 Fr. 1113®; d. h. ein Betriebsleiter verdiente etwa das dreifache, ein Betriebstechniker das doppelte, ein Bürotechniker mindestens noch das l,6fache von dem, was ein durchgehend beschäftigter Werkstattarbeiter im Durchschnitt nach Hause trug. Die untersten Angestellten lagen mit ihren Gehältern jedoch öfter unter dem Durchschnittslohn eines Arbeiters. Es wäre allerdings hier nicht angemessen, von einer ,Verproletarisierung der Angestellten' zu sprechen, da es sich hier faktisch zumeist um Leute handelte, die aus der Arbeiterschaft rekrutiert worden waren und keine besonderen Angestelltenqualifikationen geltend machen konnten; von der Firma wurden sie zwar zu den Angestellten gerechnet, behandelt wurden sie aber eher wie Arbeiter^. Verglichen mit dem Jahresdurchschnittslohn eines Stahlgießers, der zur bestbezahlten Arbeiterkategorie gehörte, lagen auch die Bürotechnikergehälter nicht mehr hoch, denn die Gießerlöhne betrugen 1900 durchschnittlich um Fr. 1 600'' Es ist anzunehmen, daß die bestverdienenden Gießer einen Lohn im Bereich eines unteren Technikergehaltes bezogen. Dabei stand aber der Techniker am Anfang seiner Salärkurve, der Arbeiter indessen schon auf der Höhe. Und schheßhch muß festgehalten werden, daß es nur eine sehr kleine Gruppe von Arbeitern war, deren Löhne auf die Stufe von Gehältern der qualifizierten technischen Angestellten kamen. Für die Gehaltsentwicklung in den folgenden Jahren liegen nur noch sehr vereinzelte Angaben aus der Firma vor, die darauf verweisen, daß die Einkommen langjähriger quaUfizierter Angestellter etwa in derselben Größenordnung stiegen wie die Arbeiterlöhne®. Im Gegensatz zu den Arbeitern bezog ein - mir nicht genau bekannter — Teil der höheren und mittleren technischen Angestellten zusätzlich noch eine Gratifikation^. Während die Gratifikation jedoch nur noch in sehr vermittelter Form eine Teilnahme am Geschäftserfolg suggerieren konnte und immer mehr zum selbstverständhchen Lohnbestandteil wurde, so stand die Tantieme in viel unmittelbarerer Beziehung zum Geschäftserfolg. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war allerdings Bachmann der einzige technische Angestellte, der eine Tantieme bezog. Er erhielt zusätzlich zu seinem Gehalt 1% des Reingewinns von Schaffhausen und 1/2% des Reingewinns von Singen^®. Bachmann leistete auch als einziger neben dem Singener Betriebsleiter Wanner tint Kaution ,,für die richtige Erfüllung der eingegangenen V e r p f l i c h t u n g e n " A u s den Vertragsaufstellungen geht hervor, daß die Techniker im Gegensatz zu den höheren oder verantwortHcheren kaufmännischen Angestellten im Normalfall keine Kaution zu 109
leisten hatten^^. Dies mag einen funktionalen Sinn gehabt haben, waren doch die Techniker vom Umgang mit Geld ausgeschlossen^^. Die Hinterlegung einer Kaution mag bisweilen das Gefühl für unternehmerische Mitverantwortung gestärkt haben. Die Regelung der Rechte in der Frage der Angestelltenerfindung hingegen muß auch den höheren Angestellten ein Gefühl der Abhängigkeit gegeben haben. Während sich der ErfinderUnternehmer noch den vollen Wert seiner Erfindung aneignen konnte, so war dies dem angestellten Erfinder nur noch sehr beschränkt möglich. Die im weiteren Arbeitszusammenhang entstandenen Erfindungen gehörten der Firma, die den Erfinder in besonderen Fällen nach eigenem Ermessen speziell honorierte. Diese Regelung war schon länger in der gesamten schweizerischen Industrie üblich, im Obligationenrecht von 1912 wurde sie fixiert^". Sie galt auch bei GF, wie dies etwa aus dem Vertrag mit Bachmann von 1899 hervorgeht. ,,Alle Verbesserungen und Erfindungen des Herrn Bachmann, welche er während der Dauer dieses Vertrages macht und welche eine direkte Folge des ordentlichen Geschäftsbetriebes und für denselben verwertbar sind, sowie alle seine Arbeiten und Resultate sind ausschließlich Eigentum der Gesellschaft. Letztere ist demnach auch berechtigt, diese Erfindungen und Verbesserungen des Herrn Bachmann auf ihren Namen patentieren zu lassen. Es ist dabei der Gesellschaft anheimgestellt, eine besondere Entschädigung zu entrichten, sowie ob und unter welchen näheren Bestimmungen in gewissen Fällen Herrn Bachmann selbst die Ausbeutung einer seiner Erfindungen gestattet sein soll. Diejenigen patentfähigen Erfindungen, welche nicht eine direkte Folge des ordentlichen Fabrikbetriebes sind, bleiben Eigentum des Herrn Bachmann, bezüglich Erwerbung derselben behält sich die Gesellschaft das Vorkaufsrecht vor."^' Tatsächlich erhielt Bachmann als Entschädigung der Erfindung von Stahlgußriemenscheiben einen Anteil aus dem Reingewinn dieses Fabrikates Als Angestellte hatten die Techniker und Ingenieure generell längere Kündigungsfristen als die Arbeiter. Dies war für sie in der Regel wohl eher ein Vorteil als ein Nachteil. Besonders wichtige technische Fachkräfte wurden durch längere Verträge von zwei bis drei Jahren Dauer verpflichtet. Die Vertragsdauer erhöhte zwar deren Arbeitsplatzsicherheit, sie sicherte aber auch das Unternehmen vor dem plötzlichen Verlust eines schwer zu ersetzenden Fachmanns. Eine zusätzliche Sicherheit verschaffte sich das Unternehmen durch die Konkurrenzklausel, mit welcher - unter genauer Bestimmung von Ort, Zeit und Gegenstand - die Eröffnung einer Konkurrenzfirma oder die Anstellung in einem Konkurrenzunternehmen verhindert wurde. Bachmann verpflichtete sich beispielsweise, ,,während 12 Monaten nach Austritt, aus welchem Grund derselbe auch erfolge, weder in ein Konkurrenzgeschäft einzutreten noch ein solches zu gründen, zu betreiben oder für ein solches tätig zu sein, sofern dasselbe nicht mindestens 500 Kilometer von Schaffhausen entfernt ist. Unter Konkurrenzgeschäften sind nicht nur Fabriken verstanden, sondern auch Handelsfirmen, welche 110
Konkurrenzfabrikate auf den Markt bringen."^'' Einschränkungen dieser Art enthielten alle Verträge der leitenden technischen Angesteliten. Diese Klauseln stellten anfänglich eine realistische Maßnahme für jene Bereiche dar, in denen besondere Fabrikationsgeheimnisse von der Konkurrenz nur auf dem Weg über die Rekrutierung von Speziahsten erworben werden konnten. Der Geheimnischarakter verlor sich in der Stahlgießerei schon bald, da hier die wissenschaftliche Diskussion offener und fortgeschrittener war. Dagegen waren die vorwiegend in der Praxis gewonnenen .Geheimnisse' der Fittingsherstellung noch länger an bestimmte Personen gebunden. Ausgesprochene Fachleute wie Messner erhielten für das Gebiet der Fittingsherstellung ein absolutes Verbot für die ganze Welt. Als Messner dem Verwaltungsrat gegenüber geltend machte, daß er eine technische Ausbildung habe, ,,die ihn vorzugsweise für die Spezialität der Fittings prädestiniert" und die Abänderung der vertraglich eingegangenen Konkurrenzklausel verlangte, wurde er darauf verwiesen, daß die Konkurrenzzone für die Graugießerei Ja frei sei, und die 400 Kilometer-Karenzzone für Stahlguß lasse ihm ,,ein großes Gebiet in Europa offen"^®. Die Konkurrenzklausel konnte in solchen Fällen zu einer bedrückenden Regelung werden^®. Zum Nachteil der Techniker konnte zudem ins Gewicht fallen, daß die Konkurrenzklausel auch dann, wenn sie zur Wahrung von Fabrikgeheimnissen nicht mehr unbedingt erforderlich war, als disziplinierendes Instrument oder als Druckmittel gegen Gehaltsforderungen eingesetzt werden konnte^®. Immerhin verweist die Tatsache, daß die Meister in Singen noch zu einem Zeitpunkt, da sie nur noch sehr beschränkt als Geheimnisträger gelten konnten, ein unbegrenztes Konkurrenzverbot hatten, auf diese Möglichkeit. Daß diese Maßnahme nur noch ein - fragwürdiges - disziplinierendes Moment war, geht implizit auch aus der Aussage in der Verwaltungsratssitzung vom 11. März 1913 hervor: ,,Ιη Singen existieren mit den Meistern Diensrverträge nach einem gedruckten, aus früheren Jahren datierenden Formular. Dieselben enthalten in Art. 10 für den Austrittsfall ein unbegrenztes Konkurrenzverbot, was nach der heutigen Rechtsanschauung und Gerichtspraxis kaum mehr zulässig sein dürfte. Die Länge der Arbeitszeit entschied wesentHch darüber, wieviel Zeit und Energie dem Angestellten neben der Arbeit noch für soziale Kontakte, Weiterbildung, politische und verbandliche Aktivitäten, Reisen usw. zur Verfügung standen. Die Normalarbeitszeit der Techniker lag deutlich unter derjenigen der Arbeiter, wobei die Techniker in den Betrieben allerdings länger arbeiteten als die Bürotechniker^^. Die tatsächliche Arbeitszeit im Betrieb richtete sich nach den jeweiligen Anforderungen des Betriebs; leitende Angestellte waren verpflichtet, ihre ,,ganze Zeit und Tätigkeit ausschließlich dem Geschäft zu widmen", konnten also auch über die normale Arbeitszeit hinaus verpflichtet werden. Diese Tätigkeit über die normale Arbeitszeit hinaus wird denn auch von Betriebstechnikern und III
Betriebsleitern in ihren Erinnerungsschriften erwähnt. Der Betriebstechniker Ganz bemerkte über seine Tätigkeit in Singen, daß er die Wohnung im Bürogebäude hatte, womit er sich verpflichtete, ,,abwechslungsweise mit "Wanner nachts Kontrollgänge im Betrieb zu machen"^^. Wäffler hatte Schneckenburger als ,,unermüdlichen Schaffer an Sonn- und Werktagen" in Erinnerung, der ,,anspruchslos für sich und ohne andere Interessen als seine Arbeit"^'* lebte. Bei derartigen Arbeitsbelastungen war natürlich auch nicht mehr viel Zeit und Energie für andere Aktivitäten übrig. Die Arbeitszeit dieser Angestellten konnte zwar sehr lange sein, doch war die Zeiteinteilung weniger rigoros als bei den Arbeitern. Konkret richtete sich der Arbeitsrhythmus nach den Aufgaben, was zwar Pausen erlaubte, aber auch mit ausgesprochenen Streß-Situationen verbunden war. So berichtet z. B. Wäffler im Zusammenhang mit anfänglichen Schwierigkeiten im Werk Birch: ,,Es wurde an solchen Gießtagen oft ein bis zwei oder drei Uhr nachmittags, bevor ich oder jemand vom Schmelzerei-Personal einige Minuten Ruhe oder irgend etwas zu Essen bekamen, und dies bei schwerster körperlicher Arbeit in Hitze und F u n k e n r e g e n . W a r die Belastung der Techniker durch lange Arbeitszeiten bisweilen ähnlich groß wie die der Arbeiter, so konnten sie doch jährlich 1-2, selten 3 Wochen bezahlte Ferien genießen. Dies stellte eine deutliche Privilegierung gegenüber den Arbeitern dar26. Wie die Techniker ihre arbeitsfreie Zeit verbrachten, ist nur bruchstückhaft aus Autobiographien, Nachrufen^'' oder Vereinsprotokollen zu erschließen und kann hier anhand einiger ausgewählter typischer Beispiele gezeigt werden. Eine große Rolle spielte zweifellos die Famihe, die viele erst gegen Dreißig gründeten^®, nachdem sie sich nach mehreren Ausbildungs- bzw. Wanderjahren eine einigermaßen feste oder aussichtsreiche berufliche Position geschaffen hatten. Die Familie war ihnen ein physisches und psychisches Rekreationszentrum nach dem meist strengen Arbeitsalltag. Der Typ, der in Familie und Arbeit aufging, war vermutlich recht häufig. Viele brauchten allerdings - in unterschiedlichem Ausmaß - ein breiter gefächertes soziales Leben. Das Minimum repräsentierte dabei jener Typ, der jährlich einige gesellige oder weiterbildende Abende im Berufsverband (Schweizerischer Techniker-Verband, STV) verbrachte; so z.B. der Chef des Transportwesens von GF, der 1911 eingetretene Walter Künzli, der Mitghed des STV und zeitweise Vorstandsmitglied der Schaffhauser Sektion war, in dessen Nachruf aber betont wurde, daß er ,,wenig nach außen hervorgetreten" sei, d. h. kaum außerhalb des familiären und fachlich-berufUchen Bereichs aktiv wurde. Stärker außengerichtet war schon der Leiter der Stahlgußkalkulation, Jules Felix; er war ,,ganz der Technik, der Muse und der Natur zugetan und als froher Gesellschafter geschätzt " Felix war Gründungsmitglied des STV, sang im Männerchor Schaffhausen und war als Mitglied der Schaffhauser Sektion des Schweizerischen Alpenclubs ein eifriger Bergsteiger. Solche Aktivitäten 112
brachten ihn auch in Kontakt mit den Kreisen des schaffhausischen Bürgerund Kleinbürgertums^®. Mit den „Belangen der Politik" konnte er sich laut Nachruf - allerdings „nie stark" befreunden. - In anderen Milieux bewegte sich Fritz Spahn wie Felix ein Bauernsohn - , der 1912 als Konstrukteur ins technische Büro von GF eingetreten war. Die Jahre des Ersten Weltkriegs verbrachte er vorwiegend als Feldwebel bei der Truppe, 1918/19 wurde er von der Geschäftsleitung mit der Reorganisation des Lehrlingswesens betraut und konnte in diesem Zusammenhang verschiedene Studienreisen in die Industriegebiete des Niederrheins und Berlins unternehmen. Sein Beruf wurde ihm in der Folge auch zur Freizeitbeschäftigung, indem er der kantonalen Lehrlingsprüfungskommission vorstand und in der Lehrlingskommission des ASM mitwirkte. Daneben war Spahn Mitglied der Rebleutezunft und zeitweilig Vorsteher der Schaffhauser Zünfte, die sich nach der Aufhebung der Zunftverfassung zu (klein-) bürgerlichen Traditionsvereinen gewandelt hatten. Seltener war wohl bei GF hingegen der Typ des technischen Angestellten, der sich, wie z. B. Betriebsleiter Wäffler als Christlichsozialer, direkt in der städtischen oder kantonalen Politik engagierte. Die Beziehungen unter den besser qualifizierten technischen Angestellten waren durch die formale Qualifikation und durch die hierarchische Stellung geprägt. Man gehörte entweder zu den wenigen Viochschui-Ingenieuren oder zur größeren Gruppe der Mittelschul-Tec^wj^er, die prinzipiell etwas weniger Prestige hatten. Vor dem Ersten Weltkrieg spielte diese Differenzierungslinie bei G F aber im Betriebsalltag nur eine beschränkte Rolle, es zählten vielmehr der hierarchische Status, die Kompetenz, die Umgänglichkeit usw.· Techniker in höheren Positionen ließen sich denn auch als ,,Ingenieure" bezeichnen. Die Technikerschaft von GF gehörte, nachdem 1907 eine Schaffhauser Sektion gegründet worden war, großenteils dem Schweizerischen Techniker-Verband an. Der Schweizerische Techniker-Verband war 1905 aus der Fusion verschiedener Ehemaligen-Organisationen der technischen Mittelschulen (Technika) von Winterthur, Burgdorf und Biel hervorgegangen. Seine Mitgliedschaft setzte sich aus selbständigen und angestellten Technikern der verschiedenen Fachrichtungen zusammen. Die hauptsächlichen Zielsetzungen waren Geselligkeit, Berufs- und Bildungspolitik, wogegen die Ansätze zu einem sozialpolitischen Engagement bis 1917 noch schwach waren^®. Als 1907 auch eine Schaffhauser Sektion gegründet wurde, waren von den vierzig Gründungsmitgliedern ein Viertel GF-Angestellte, darunter die ganze Garde der Betriebsleiter, vereinzelte Betriebstechniker sowie die Mehrheit der Beschäftigten des technischen Büros und der Kalkulation^ i. Auch in den folgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg waren die meisten GF-Techniker Mitglied des STV, wobei das Engagement der einzelnen allerdings recht unterschiedlich war. Höhergestellte beteiligten sich auffällig wenig an der (Vorstands-)Arbeit des Vereins, wogegen die 113
Techniker der Abteilungsleiterstufe eher hervortraten. Die starke Vertretung der GF-Angestellten in der STV-Sektion berechtigt zur Annahme, daß die folgende Analyse des Vereins auch etwas zur Klärung der sozialen, politischen und kulturellen Einstellungen und Verhaltensweisen der GFTechniker beitragen kann^^. Die Zahl der aktiven Mitglieder stieg in den beiden ersten Jahren des Bestehens der Sektion von vierzig auf sechzig an, in der Folge war das Wachstum bis zum Krieg dann allerdings nur noch bescheiden^^. Zahlenmäßig dominierten die angestellten Maschinentechniker, die vorwiegend bei den drei Großunternehmen GF, SIG und MRS beschäftigt waren. Die nächste starke Gruppe bildeten die Bautechniker, die großenteils als selbständige Architekten und Bauunternehmer wirkten (Tabelle 5). Tabelle 5: Die Techniker der STV-Sektion Schaffhausen nach Fachrichtung und Status im Jahre 1912'' Fachrichtung
Angestellte
Selbständige
Insges.
Maschinentechniker Bautechniker Verschiedene u. Unbekannte
34 8 8
1 16 2
35 24 10
Insgesamt
50
19
69
Der Anteil der Selbständigen betrug ca. ein Viertel, wozu allerdings noch eine größere Anzahl von Passivmitgliedern (Firmen, Gönner) hinzukam. In einer derartigen Sektion sammelten sich die verschiedensten Gruppen, nämlich die angestellten Techniker aller hierarchischen Stufen, die kleinen und mittleren (mittelständischen) Unternehmer und die unselbständigen Architekten und Bauingenieure, die als Beamte tätig waren. Soziologisch handelt es sich um eine interessante, heterogene Zwischengruppe, bestehend aus Teilen der neuen Angestelltenschicht, des alten Mittelstandes, der Beamten und des Bürgertums. Welches waren die gemeinsamen Aktivitäten und Vorstellungen dieser Gruppe? Die Initiative zur Gründung einer lokalen STV-Sektion ging von einem kleinen Kreis von Technikern aus, die sich jeweils im Restaurant,,Frieden" oder im ,,Hotel Bahnhof" trafen: E. Schmid (Betriebsleiter MRS), О. Vogler (selbst. Architekt), R. Müller (Direktor der Elektrizitätswerke), H. Fischer (Ing.)^®. Dieser Kerngruppe gelang es sehr bald, einen Großteil der Techniker der Region zu mobilisieren. Die Techniker, die bisher unorganisiert zwischen Arbeitgeberorganisationen und der erstarkenden Arbeiterbewegung gestanden waren, hatten offensichtlich in puncto Zusammenschluß einen gewissen Nachholbedarf. In der ersten Zeit bis 1912 war die Schaffhauser STV-Sektion im wesenthchen ein Geselligkeits- und Bildungsverein, in dem die integrierende Persönlichkeit des Architekten, freisinnigen Politi114
kers, Zünfters und Offiziers Otto Vogler, den sein Biograph als „Seele einer großen Tafelrunde" charakterisierte, eine wichtige Rolle spielte^®. Die Techniker veranstalteten gemeinsame Rheinfahrten, Spargelfahrten, Familienabende, oder sie gingen nach der Versammlung zusammen zu einem Bier oder zur ,,Metzgete", d. h. eine Schlachtplatte essen. Ein Teil von ihnen traf sich jeden Samstagabend am Stammtisch. Dazu fanden regelmäßig Bildungsveranstaltungen statt, seien es Vorträge zu technischen, künstlerischen oder juristischen Themen oder Exkursionen in Betriebe. Gegenüber der Öffentlichkeit präsentierten sich die Schaffhauser Techniker, indem sie 1908 die Generalversammlung des Schweizerischen TechnikerVerbandes durchführten: Die erste Sitzung fand im Regierungsgebäude statt, der Abendschoppen im Casinogarten, das Bankett und die Abendunterhaltung des zweiten Tages auf der Schloßanlage des ,,Munot" Anwesend waren 240 Gäste und die Regierungsvertreter der Stadt, des Kantons sowie eine Anzahl von Vertretern des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins (SIA), des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins (SEV) und der Presse^''. Der STV war zu einem anerkannten bürgerlichen Verein geworden. Immer wieder wurde ein gewisses Bedürfnis sichtbar, sich von den Arbeitern bzw. allem ,Nichtbürgerlichen' abzusetzen^®. Dagegen galt es als selbstverständlich, daß im politisch und religiös »neutralen' Technikerverband Schaffhausen offen für die herrschende politische Partei, die Freisinnigen geworben wurde. Sowohl Vogler wie sein Nachfolger auf dem Präsidentenstuhl, Meyer, gehörten der freisinnigen (liberalen) Partei an^^. Es galt in den Kreisen der Techniker offensichtlich als normal, daß man zur bürgerlichen Partei (Freisinn) gehörte oder wenigstens mit ihr sympathisierte. Politisch aktiv waren dabei vor allem die selbständigen Architekten und Unternehmer^®, die, unterstützt vom Technikerverband, verschiedentlich politische Ämter einnahmen. Die angestellten Techniker waren - wie dies schon aus den Bemerkungen über die GF-Techniker deutlich geworden ist - dagegen in politischen Ämtern eher untervertreten. Sie suchten im STV eher die Geselligkeit und die Weiterbildung sowie, - zunehmend einen gewissen sozialpolitischen Rückhalt. 1912 wurde die alte Kerngruppe der Direktoren und Selbständigen in der Vereinsleitung abgelöst durch eine Gruppe von angestellten Technikern, die großenteils etwa auf Abteilungsleiterstufe standen''^. Das Vereinsgeschehen änderte sich dadurch nicht bedeutend. Immerhin wurden nun die Akzente etwas anders gesetzt, indem die Geselligkeit etwas reduziert und dafür die Profilierung zum Berufsverband verstärkt wurde, was eher den Interessen der großen Gruppe der (noch) nicht arrivierten angestellten Techniker entsprach. Diese Ausführungen machen deutlich, wie die angestellten Techniker von GF auf vielfältige Weise mit dem Bürgertum, dem Mittelstand und den Beamten verknüpft waren, während die Beziehungen zu den Arbeitern sehr beschränkt gewesen sein müssen. Eine wegen der Dürftigkeit der zugängli115
chen Quellen notwendigerweise sehr unvollständige Untersuchung der Herkunftsbeziehungen bestätigt diese Tendenz im wesentlichen, wobei zu den vorgenannten Gruppen neu auch die Bauern ins Blickfeld kommen. Nach den Erhebungen des STV im Jahre 1908 verteilten sich die 294 antwortenden Maschinentechniker folgendermaßen auf die Herkunftskategorien: Handwerker u. Arbeiter: 22%; Kaufmännische Angestellte, Bankbeamte und Verwaltungsangestellte: 21%; Landwirte, Gärtner u. ä.: 13%; freie Berufe u. Lehrer: 13%; Werkführer und Lok.führer: 9%; Unternehmer: 6%; Architekten, Ingenieure und Techniker: 5%; Sonstige: 11%"^. Die wenigen bekannten Fälle der Herkunft von damaligen GF-Technikern lassen sich nur sehr beschränkt mit diesen Angaben vergleichen. Immerhin finden sich darunter keine Arbeitersöhne, dagegen vier Bauernsöhne (Wanner, J. Felix, Spahn, Tanner), zwei Söhne von Gewerbetreibenden, ein Werkmeisterssohn (Ganz), ein Posthalterssohn (Bachmann), ein Arztsohn (Rahm) sowie ein Baumeisterssohn (Stämpfli)'^^. Bei Stämpfli kam die Rolle der Herkunft für das Bewußtsein besonders deutlich zum Ausdruck, als er in seinen Erinnerungen mit Bezug auf seine relativ großen betrieblichen Dispositionschancen bemerkte, daß die ,,obwaltenden Umstände" ihm Gelegenheit boten, ,,dem ererbten Unternehmergeist weitgehend freien Lauf zu lassen'''^". Trotz seiner Unternehmerherkunft entwickelte er als Angestellter keine Ressentiments gegen die großindustriellen Arbeitsverhältnisse, da sie ihm durchaus Chancen zur Entfaltung boten. Sein Beispiel illustriert die Tendenz, daß sich bei den technischen Angestellten die Reste kleinbürgerlichen Selbständigkeitsstrebens recht rasch verloren"^. In der bisherigen Darstellung wurde u. a. gezeigt, wie und auf welchen Grundlagen sich die Techniker als betriebliche und soziale Gruppe herausbildeten und formierten. Zur Formierung als soziale Gruppe gehörte dabei unabdingbar eine gewisse Abgrenzung nach ,außen', d. h. die Definition des Verhältnisses zu anderen Gruppen inner- und außerhalb des Unternehmens. In diesem Sinn wird im folgenden das Verhältnis der Techniker zu den Arbeitern, den kaufmännischen Angestellten und zu den Unternehmensleitern bzw. Kapitalbesitzern untersucht. Die Kontakte der ersten Techniker zu den Arbeitern - vor allem aber zu den Gießern und Schmelzern - waren zunächst noch recht intensiv gewesen. Mit der Vergrößerung der Betriebe, der zunehmenden Arbeiterzahl und der Verschiebung der Schwergewichte der Technikerfunktion wurde der Umgang mit den Arbeitern im normalen Betriebsalltag vorwiegend den Meistern überlassen; nur noch in besondern Fällen kamen Techniker und Arbeiter in unmittelbare Berührung. Bachmann z. B. war in den frühen Jahren seiner Karriere noch häufig im Kontakt mit den Arbeitern gestanden'^®. Später verloren sich diese Kontakte, ja Meister und Arbeiter gingen Bachmann sogar möglichst aus dem Weg'·''. Bachmann erschien den Arbeitern (oder zumindest einigen von ihnen) als ,,mittelalterlicher Fronvogt" 116
oder ,,Fabrikpascha", der aus der Fabrik im Mühlental eine „Zwingburg" gemacht hatte'*®. Die zunehmende Distanz Bachmanns zu den Arbeitern ist aus der strukturellen Differenzierung des technischen Leitungsapparates zu erklären, die dazu führte, daß er als technischer Leiter vorwiegend im Büro arbeitete. Was für ein Verhältnis hatten aber die Betriebstechniker zu den Arbeitern? Sie hatten in der Regel ursprüngHch auch einen Arbeiterberuf erlernt und hierauf das Technikum besucht. Dort entwickelten sie ein Technikerbewußtsein. Anschließend kamen sie ,νοη oben' in die Leitungshierarchie hinein, hatten wenig mit den Arbeitern direkt zu tun und wurden von diesen auch nicht leicht anerkannt. Berührungspunkte waren noch am ehesten in der Stahlgießerei gegeben, wo öfter eine enge Zusammenarbeit zwischen Techniker und Arbeiter erforderlich war^'. Allgemein bestand unter den technischen Angestellten ein Sonderbewußtsein, das bis zu ihren untersten Kategorien wirkte. Der vom Kernmacher zum Modellverwalter aufgestiegene Neuweiler, dessen ,,Gedanken waren, vorwärts zu kommen"®", erwähnt in seinen Erinnerungen keinen einzigen Arbeiter. Er orientierte sich völlig auf die Angestellten hin, mit denen er oft in Berührung kam. Die Tatsache der Untergeordnetheit seiner Stellung, die in heikleren Situationen akut spürbar wurde, verdrängte er, indem er nach dem Motto ,,der Gescheitere gibt nach" handelte®^. Solange die Beziehungen zwischen der Fabrikation und den kaufmännischen Büros nicht vollständig durch ein Offerten- und Kalkulationsbüro vermittelt waren, blieben die beruflichen Beziehungen zwischen den leitenden kaufmännischen und technischen Angestellten besonders intensiv. Vor allem die Probleme der Preisgestaltung beim Kundenguß förderten die Kontakte, indem etwa Schneckenburger immer wieder mit dem kaufmännischen Subdirektor Zündel die Kalkulation festlegen mußte. Zündel ließ bei solchen Gelegenheiten den Stahlgießereileiter seine Macht spüren. ,,Lange Zeit hat er mich wegen jeder Kleinigkeit auf sein Büro rufen lassen; auf das konnte ich nicht mehr reagieren und war einfach unabkömmhch, selbst wenn er mehrere Male telefonierte. Dann ist er mir in seinem Eifer mehrmals am Tag ins Werk nachgesprungen mit seinen Briefen unter dem Arm "" Mit dem Ausbau des Kalkulations- und Offertenbüros änderten sich die Verhältnisse. Jules Felix berichtet darüber: ,,Als Chef des nach dem Eintritt von Herrn Moersen ausgebauten Offertenbüros war ich sozusagen das Bindeglied zwischen der Stahlgießerei und dem kaufmännischen Büro, das heißt Herrn Dir. Zündel. Mit diesem ungemein arbeitsfreudigen Herrn war der Verkehr nicht immer leicht, denn er glaubte nicht ohne weiteres den Angaben, die er von den Technikern erhielt. Oft kam es vor, daß er Offertunterlagen zurückwies und dann auch mit Herrn Moersen, respektive mit Herrn Schneckenburger ins Gefecht kam."®^ Wir beobachten hier das Mißtrauen des Kaufmanns gegenüber dem Techniker und den aufwen117
digen Abstimmungsprozeß zwischen technischer und kommerzieller Rationalität. Die kommerzielle Leitung wurde zwar zunehmend der technischen übergeordnet, doch hieß dies nicht, daß nicht auch die oberste technische Leitung - in allerdings abnehmendem Maße - Einfluß auf kaufmännische Fragen nehmen konnte. Stampili betont, wie lange ,,auch ein Techniker in wichtige Gebiete der Betriebsbuchhaltung Einblick und Einfluß nehmen konnte" In der Frage etwa, welchem Konto die Kosten für Neuanlagen und Reparaturen zugerechnet werden sollten, habe es sich de Boor nicht nehmen lassen, ,,das Richteramt zu spielen, oft auch über Gegenstände, die nicht in seinem Verantwortungsbereich lagen"^". Leitende kaufmännische und technische Angestellte mochten zwar bisweilen in einem Rivalitätsverhältnis stehen, gesellschaftlich betrachteten sich aber die Angehörigen beider Gruppen als ,höhere Angestellte', die auch private Beziehungen pflegten. Schneckenburger z. B. traf Zündel auch in der Freizeit®®; Stämpfli und seine Frau waren des öfteren zusammen mit dem Gießereitechniker und späteren Direktor der Fittingsabteilung, Fritz Leuenberger, und seiner Frau Gäste beim Chefbuchhalter Weber ,,im schönen Sitz auf dem oberen Tannenberg"®^. Typisch für den Lebensstil dieser Schicht war die Freitagsgesellschaft bei de Boor. ,,AIs Herr de Boor den prächtigen Landsitz an der Weinsteigstraße bezogen hatte, konnte man einen enggezogenen Kreis von Mitarbeitern jeden Freitagabend bei Herrn de Boor zu angenehmer Unterhaltung, Spiel und Musik, vereinigt finden. Den Humor besorgten die Herren Fritz Leuenberger und Dr. Stamm Unsere Frauen wurden von Frau de Boor im Nebenzimmer betreut. Punkt 11 Uhr, und mochte es mitten im Spiel sein, erging die Einladung: ,Meine Herren, es ist 11 Uhr, morgen ist auch wieder ein Tag' Dies waren die Leute, die nur ausnahmsweise im Uberkleid arbeiteten®® und mehr oder weniger an der bürgerlichen Kultur partizipierten. Sie waren auf beruflichen oder privaten Reisen in der Welt herumgekommen, hatten Kulturgüter bestaunt und Konzerte besucht. Pointierter Ausdruck eines solchen Kulturbewußtseins ist die Aufzählung der Objekte und Ereignisse, die Stämpfli während eines Amerikaaufenthaltes gesehen hatte. ,,Ιη New York Besuche: Bronce-Park, Museen, Singer-Gebäude, Chinesenviertel, Brücken und Aquarium. In Metropolitan-Opera: Oper Elektra erlebt. In Cincinnati-Music-Hall: Konzerte erlebt von Caruso, Schumann Obwohl sich bei den Technikern Ansätze zu einem berufsgruppenübergreifenden Angestelltenbewußtsein zeigten, so verstanden sie sich doch in erster Linie immer noch als Angehörige einer besonderen Berufsgruppe, eben als Techniker. Schneckenburger, der in allen größeren Kundenfirmen herumkam, freute sich offensichtlich darüber, etwa bei Escher-Wyss ,,Stahldoktor"^" genannt zu werden. - Im Spannungsverhältnis zwischen Arbeitern und Kapital standen die leitenden Techniker auf der Seite des Kapitals. Sie zählten sich zur ,,Wir-Gruppe" derjenigen, die das ,Geschäftsinteresse' vertraten. Dies kommt sprachlich in der folgenden 118
typischen Bemerkung Schneckenburgers zum Ausdruck. „Viel zu schaffen machte uns damals ein gefährlicher Aufwiegler, der Gewindeschneider Wehrli, wir nannten ihn den ,roten' Wehrli. Es ging ziemlich lange, bis wir ihn draußen h a t t e n . D i e Identifikation mit der obersten Leitung ergab sich von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr einfach zwangsläufig aus der betrieblichen Stellung in der Nähe des Unternehmers, sondern wurde nach der Ausdehnung und Differenzierung des technischen Leitungsapparates besonders gefördert. Betriebsleiter und -techniker nahmen in besonderen Fällen auf der Seite der Geschäftsleitung an den Sitzungen der Arbeiterkommission teil^^ oder wurden zu den Direktionssitzungen oder den Aussprachen mit den Ausschußmitgliedern zugezogen. Stämpfli, der einmal zu einer Nachfeier der Generalversammlung ins Casino eingeladen wurde, bemerkte rückblickend, daß dadurch ,,nicht nur das Band der Zugehörigkeit zum Unternehmen enger gezogen" werde, sondern es wachse auch ,,das Pflicht- und Verantwortungsgefühl des Untergebenen Derartige Mittel traten im großen Unternehmen an die Stelle der früher alltäglichen Kontakte des Angestellten mit der Geschäftsleitung (dem .Prinzipal'), die auch damals schon durch besondere, aber weniger anonyme Anlässe®·* ergänzt worden waren.
VI. Die Meister Nachdem schon verschiedentHch auf den mit der Veränderung der Betriebsstruktur zusammenhängenden Wandel der Werkmeisterstellung hingewiesen worden ist, geht es im folgenden darum, die Entwicklung der Meisterfunktion und der Meistergruppe bei GF gründlicher zu untersuchen. Wie und warum nahm die Zahl der Meister zu? Wie setzte sich die Meistergruppe zusammen? Wie erfolgte die Rekrutierung? Wie entwickelten sich die Arbeitsanforderungen, wie wurden die Meister qualifiziert und kontrolliert? Wie gestalteten sich die besonders problematischen Beziehungen nach oben und nach unten? Als Meister werden hier die Inhaber einer Funktion betrachtet, für die folgende vier Merkmale einigermaßen zutreffen: ,,L Keine regelmäßige Arbeitsleistung an dem zu erstellenden Produkt der betreffenden Werkstätte. 2. Unmittelbare Leitung einer Arbeitsgruppe, Beaufsichtigung und Verantwortung der Arbeitsleistung. 3. Eigenständiger Repräsentant dieser Gruppe innerhalb des Betriebes gegenüber den anderen Abteilungen und Organen. 4. Inhaber einer Stelle in der betrieblichen Gesamtorganisation, die mit selbstverantwortlichem Ermessensspielraum ausgestattet ist, in dem die Arbeitsplanung und -Vorbereitung in die Arbeitsausführung umgesetzt wird . . 119
Die Stellung des Meisters ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihr zwei Grundfunktionen nebeneinander wahrzunehmen sind, nämlich die technische und die soziale^. ,,Der Meister ist an der technischen Leistung beteiligt durch seine Dispositionen der Arbeit, seine technischen Detailkenntnisse, seine Mitwirkung bei Neuerungen und Verbesserungen; er ist beteiligt an der Kontroll-Leistung durch seine unmittelbare Überwachung und Prüfung der Arbeitsausführung und der Arbeitsergebnisse; er ist beteiligt an der Sozial-Leistung durch seinen Einfluß auf die Gestaltung der sozialen Beziehungen und der Zusammenarbeit innerhalb seiner Arbeitsgruppe; er ist beteiligt an der Fertigungsleistung durch seine Hilfeleistungen bei der Arbeitsausführung. Im folgenden sollen die Veränderungen in sowie die Schwergewichtsverschiebungen zwischen diesen Aufgabenbereichen beschrieben und analysiert werden. Gleichzeitig wird die Stellung der Meister in der Entscheidungshierarchie problematisiert; indem Planung, Leitung und Kontrolle vermehrt auf andere Mitglieder des technischen Leitungsapparates konzentriert wurden, verringerten sich für den Meister die Chancen, selbständig jene Normen festzulegen, die er im betrieblichen Alltag durchsetzen mußte''. Die spezielle Problematik der Meister ergibt sich daraus, daß sie betrieblich und gesellschaftlich in einer besonderen Zwischenstellung zwischen den (leitenden) Angestellten und den Arbeitern stehen. In ihrer betriebsorganisatorischen Stellung ,,überschneiden sich die betrieblichen Grundfunktionen der Arbeitsplanung und -Vorbereitung und der Arbeitsausführung", wobei von unten und von oben ganz unterschiedliche Anforderungen an den Meister gerichtet werden; zweitens stehen sie ,,an der Grenze von zwei stark voneinander abgehobenen sozialen Kreisen"^. Aus Gründen der Quellenlage konzentriert sich der folgende Abschnitt auf den ersten Aspekt, ohne dabei den zweiten ganz auszuklammern. Wie sich mit der Erweiterung und Differenzierung des Produktionsprozesses, der Intensivierung der Arbeit sowie der Anwendung neuer Techniken die Zahl der Meister vergrößerte und ursprünglich umfassende Meisterstellen in spezialisierte differenziert wurden, läßt sich für die StahlgießereiAbteilungen zeigen, wo dieser Prozeß um die Jahrhundertwende erfolgte, d. h. etwas später als in der Fittingsgießerei. Gießermeister in der Stahlgießerei war in den Neunzigerjahren Ulrich Werner, der noch unter Johann Conrad Fischer gelernt hatte und nach langen Wanderjahren gegen Ende der Achtzigerjahre wieder zu GF zurückgekehrt war. Ihm waren neben den Gießern auch die Kernmacher unterstellt®. Seine umfassende Funktion wurde nach der Einführung der Konvertergießerei aus arbeitstechnischen Gründen aufgespalten, indem zuerst die Kernmacherei abgetrennt und einem eigenen Meister unterstellt wurde''. Da mit der Konvertergießerei auch die Möglichkeit entstand, größere Stücke zu gießen, trennte man schon bald die Stahlabteilung in eine Groß- und eine Kleingießerei, und die erst vor kurzem gebildete Kernmacherei wurde entsprechend 120
aufgeteilt in eine Groß- und eine Kleinkernmacherei. Jede dieser Abteilungen wurde einem Meister unterstellt. - Daß ein Meister mehreren Abteilungen vorstand, war in den Neunzigerjahren noch allgemein üblich, kann für die spätere Zeit aber nur noch bei Kleinabteilungen festgestellt werden. Die sich aus der Differenzierung ergebende Spezialisierung bedeutete zwar einerseits einen Funktionsverlust für den betreffenden Meister, andererseits nahmen aber die technischen und sozialen Anforderungen mit der Komplizierung und Intensivierung der Fabrikation sowie der Vergrößerung der Abteilungen zu. Wie durch eine neue Technologie (a), Ausdehnung und Intensivierung der Produktion (b) und durch Integration von Arbeiten (c) neue Meisterfunktionen entstanden, illustrieren die folgenden Beispiele. a) Die Aufsicht über die Schmelzerei am Martin-Ofen hatten in der ersten Zeit die Techniker Bachmann und Schneckenburger inne. Schneckenburger schreibt: ,,Am Martinofen hatten wir seinerzeit keinen Meister, jede Charge wurde vor dem Vergießen durch Herrn Bachmann oder durch mich abgenommen, und bei jedem Guß waren wir von A-Z dabei."® Die teure und wenig vertraute Einrichtung überließ man nicht sofort einem aus der Arbeiterschaft hervorgegangenen Praktiker. Erst etwas später delegierte man die Aufsicht einem Schmelzermeister, der durch besondere Anreize zu sorgfältiger Arbeit motiviert wurde'. b) Wegen der Vermehrung der Öfen bildete sich schon bald eine weitere Meisterfunktion heraus, jene des Maurermeisters. ,,Maurermeister Seibold, als ursprünglicher Ofenmaurer, der sämtliche Trockenöfen, Glühöfen etc. aufzumauern geholfen hatte, machten wir dann zum Maurermeister. Alle Martinofen-Reparaturen und anderen Ofenreparaturen sind später unter ihm gemacht worden."'" c) In der ersten Zeit unter Georg Fischer III wurden die Modelle noch hauptsächlich von anderen Firmen bezogen. ,,Die Modelle wurden uns immer zugeschickt. Erst später fingen wir an, für die Kundschaft Modelle nach Zeichnungen anzufertigen."" Zur Modellherstellung wurde die Modellschreinerei eingerichtet, deren erster Meister der 1896 von der Basler Maschinenbaufirma Alioth hergekommene Wilhelm war. Die Zahl der Meister wuchs so bis 1903 auf ca. zwanzig, und 1910 umfaßte diese heterogene Gruppe bereits 45 Leute'^. Einen weiteren Wachstumsschub brachte dann die Expansion in den letzten Vorkriegsjahren'^. 1910/11 entfielen auf einen Meister durchschnittUch gut vierzig Arbeiter; die kleinste Meisterabteilung umfaßte 9, die größte 105 Arbeiter. Tabelle 6 zeigt, daß zwar ein Drittel der Arbeiter, aber nur ein Fünftel der Meister in der Fittingsfabrikation beschäftigt waren. Im Fittingswerk, mit schon weitgehend standardisierter und mechanisierter Massenproduktion, war die durchschnittliche Kontrollspanne mit 64 Mann pro Meister besonders hoch. N u r halb so groß war die Kontrollspanne in den Stahlgießereien mit weniger standardisierter Arbeit, die mehr Aufsicht und vor allem Anleitung erforderte. In den Nebenbetrieben finden wir neben den kleineren Spezial121
Tabelle 6 : Verhältnis Meister und Arbeiter in den verschiedenen Fabrikationsbetrieben" Anteil an Anteil an Arbeiter- Meisterschaft schaft Fittingsfabrikation Werk III Stahlgießerei Werkl Kleinstahlgießerei Werk IV (Birch) Nebenbetriebe
Kontrollspanne (Arbeiter pro Meister)
32%
20%
64
29%
35%
32
17% 22%
20% 26%
33 32
abteilungen (Schweißerei, Achsbüchswerkstatt u. ä.) auch die in ihrer Größe vom aktuellen Bedarf abhängigen Versorgungs- und Dienstleistungsabteilungen. Es liegt auf der Hand, daß die Abteilungsgröße ein Faktor war, der den Leitungsstil eines Meisters im weitesten determinierte. Der Führungsstil in einer Großabteilung mit Routine- und Akkordarbeit konnte kaum genau derselbe sein wie jener in einer mittelgroßen Facharbeiterabteilung, in der der Vorgesetzte auf Vorlieben und Eigenschaften seiner Arbeiter mehr Rücksichten nehmen konnte und (meist) mußte^®. Von daher ergaben sich für die Meister der unterschiedlichen Abteilungen auch besondere Anforderungen; Gußputzermeister Pfeiffer mit über hundert unqualifizierten Arbeitern hatte andere Probleme als Gießereimeister Werner! Einen Eindruck von der Heterogenität der Meistergruppe gibt Tabelle 7. Die Meister in der Kleinstahlgießerei Birch waren 1911 mehrheitlich um vierzig Jahre alt, d. h. älter als ein Großteil der damaligen GF-Techniker. Das Dienstalter konnte selbst bei ungefähr gleichaltrigen Meistern beträchtlich variieren, für die Lohnhöhe scheint es keine besondere Rolle gespielt zu haben. Wichtiger für die Lohnhöhe war die Art der Arbeit, die vom betreffenden Meister bzw. seiner Abteilung geleistet wurde. Die Lohnunterschiede konnten dabei sehr beträchtlich sein. Die Gehälter der bestbezahlten (Gießer-)Meister lagen auf der Stufe der Gehälter jüngerer Betriebstechniker; die untersten Meistereinkommen standen auf der Höhe eines besseren Arbeiterlohnes. Das Durchschnittseinkommen der Meister und Kontrolleure im Werk Birch lag 75 % über dem Durchschnittsarbeiterlohn von GF. Der differenzierte Vergleich von Arbeiterlöhnen und Meistergehältern, die beide vierzehntäglich ausbezahlt wurden, zeigt, daß der Meister einer Abteilung einen deutlich höheren Lohn erhielt als seine direkten Untergebenen. Ein Handlangermeister stand zwar einkommensmäßig schlechter da als ein durchschnittlicher Gießer, aber er hob sich doch deutlich von ,seinen' Arbeitern ab. 122
Tabelle 7: Merkmale der Meister im Werk Birch 1911" Name
Funktion
Werner, H. Gießermstr. Meier, Ch. Gießermstr. Leu, H. Gießermstr. Bötsch, E. Gießermstr. Matter, A. Appreturmstr. Pfister, R. Kemmachermstr. Pfeiffer, H. Gußputzermstr. Kunst, Gh. Handlangermstr. Ankele, K. Handlangermstr. Merk, J. Kontrolleur Meister, J. Kontrolleur/Gießermstr. Stahlgießer (Durchschnittslohn) Gußputzer (Durchschnittslohn) Handlanger (Durchschnittslohn) Alle Arbeiter (Durchschnittslohn)
Kontrollspanne 62 >
26 19 105 40
Jahreslohn 1911 Fr. 3510 2600 2860 3120 2860 2600 2340 2080 2080 2340 2600 2260 1470 1310 1545
Jahres- Geburtslohn jahr 1914 Fr.
Eintritt beiGF
Angestellt seit }
3510 2860 3120 3120 3120 2470 2600
1857 1869 1871 1876 1869 1867 1881
1881 1889 1893 1898 1904 1897/1913 1904
1910 1895 1907 1904 1899/1913 1909
2340 2470 2730
1874 1874 1879
1899 1903 1906
1909 1907 1910
Für die Einordnung in die informelle Meisterhierarchie spielte die Arbeit neben dem Lohn vermutlich die wichtigste Rolle. Ein qualifizierter Gießermeister genoß ein höheres Prestige als ein Gußputzermeister, Schmirglermeister oder Handlangermeister. Wenn sich schon der gewöhnliche Gießer dem Gußputzer überlegen fühlte", warum sollten solche Prestigekriterien nicht auch auf der Ebene der Meister eine Rolle spielen? Besonderes Ansehen genossen einige ältere Gießermeister, wie etwa Heinrich Werner, der noch ,,die Aufgußtechnik beherrschte und völlig selbständig die Formarbeiten und deren Preisbildung in der Hand hielt"^®. Eine Ausnahmestellung hatten schließlich die meist aus Deutschland rekrutierten Obermeister inne, denen jeweils mehrere Gießermeister ,,zweiter Stellung", Kernmachermeister, Kontrolleure und das gesamte Personal unterstanden^^. Westfälische Obermeister wie Reinsch oder Schwalbenbach besaßen ein Spezialwissen, mit dem sie auch erfahrenen Betriebstechnikern überlegen waren. Und sie wurden dementsprechend hoch bezahlt: Reinsch erhielt 1901 ein Jahresgehalt von Fr. 5000, dazu eine Prämie, die nach der verkauften Menge Stahlguß berechnet wurde. Sein Vorgesetzter verdiente damals dagegen bloß Fr. 3600 im Jahr. Auch Reinschs Nachfolger, Obermeister Schwalbenbach, bezog 1909 mit Fr. 6750 noch deutlich mehr als ein erfahrener Betriebstechniker^". Die Rekrutierung von derartigen hochqualifizierten Meistern aus ausländischen Firmen mit besonderem technischem Know-how war die Ausnahme; sie konnte bei den einheimischen Arbeitern nationale Ressentiments wecken und damit die ohnehin oft gespannten Sozialbeziehungen in 123
der "Werkstatt weiter komplizieren. Wichtig war diese Maßnahme bei der Einführung des Konverterverfahrens (a) um die Jahrhundertwende sowie bei der Innovation der Elektro-Stahlgießerei 1917 (b). a) Reinsch, den man von Krupp abwarb, sollte helfen, die Probleme in der Stahlgießerei zu beheben. Als er wegen häufiger Konflikte mit den Arbeitern entlassen wurde, folgte ihm 1906 ein weiterer westfälischer Gießermeister (entlassen 1908) und hierauf Schwalbenbach, der dann trotz viel Streits mit der Arbeiterschaft von der Geschäftsleitung wegen seiner Kompetenz solange wie möglich gehalten wurde^'. Die Rekrutierung von hochqualifiziertem Personal aus dem Ausland mochte in technischer Beziehung eine glückliche Maßnahme sein, konnte aber zu erheblichen sozialen Schwierigkeiten führen. Eine Ahnung von diesen Problemen vermittelt der Artikel im Echo vom Rheinfall mit dem Titel ,,Die nationale Industrie" ,,Es scheint in den großen Betrieben der Schweiz Sitte zu werden, Aufseher, Vorarbeiter, Meister aus dem Ausland zu beziehen. So hat die Stahlfabrik, nachdem sie den preußischen Gießermeister Reinsch infolge des einmütigen und energischen Zusammenhaltens der Gießer entlassen hatte, auf diesen Posten einen Westfalen berufen. An und für sich wäre das nicht besonders schlimm, allein der neue Vorgesetzte hat zugleich auch noch eine Anzahl Gießer mitgebracht, was ebenfalls nicht schlimm wäre, wenn er diese Landsleute nicht auf Kosten der einheimischen langjährigen Arbeiter bevorzugte. b) In bedeutendem Maße wurden Meister einer Firma mit überlegenem technischem Wissen übernommen, als GF 1917 die vom früher ausgeschiedenen Georg Fischer gegründeten Elektrostahlwerke kaufte. Der Verwaltungsrat betonte, daß sich durch diese Übernahme das Elektroverfahren günstig, ,,unter Ausmerzung des sonst unvermeidlichen Zeitverluste und der Kinderkrankheiten", erwerben lasse. Mit dem Elektrostahlwerk wollte man auch gleich ,,eingearbeitetes und geschultes Personal übernehmen", womit unter anderem eine Anzahl von Schmelzermeistern gemeint war. Wie groß das Interesse von GF an diesen Schmelzermeistern war, zeigt die Tatsache, daß diesen ,,zur Erhöhung des Interesses an ihrer jetzigen Stellung" eine jährliche Dienstprämie zugesprochen wurde^'. Nur in besonderen Fällen wurden Meister also organisationsextern rekrutiert, und es stellt sich jetzt die Frage, wie die betriebsintern rekrutierten Meister ihre Qualifikation erhielten und worin diese bestand. Grundsätzlich war für die richtige Erfüllung ihrer Aufgaben eine technische und eine soziale Qualifikation erforderlich. - Drei Viertel der 1910 beschäftigten Meister hatten eine Berufslehre absolviert und waren nach meist längerer Dienstzeit, oft über die Zwischenstufe des Vorarbeiters, zum Meister aufgerückt^"*. Meister ohne Berufslehre waren schon fast die Ausnahme und solche mit einer über die Berufslehre hinausgehenden Ausbildung (Fachschule) eine Seltenheit. Über Berufslehre und Betriebserfahrung konnte man die technische Quahfikation einigermaßen systematisch erlernen; die sozialen Fähigkeiten bildeten sich nebenher aus — oder nicht. Insgesamt mußten die Meister einem historisch beschränkt wandelbaren Bild vom ,guten Meister' genügen, das von der Betriebsleitung und von den Erfordernissen des Betriebsablaufs bestimmt war und den Erwartungen der
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Arbeiter einigermaßen entsprach, ferner durch Traditionen und die Interpretation des einzelnen Meisters modifiziert wurde. Die technischen Fähigkeiten der Meister wurden von den Vorgesetzten im allgemeinen als befriedigend bezeichnet, was etwa in Worten wie ,,mittelmäßig", ,,gut", ,,intelligent", ,,gute Fachkenntnisse" zum Ausdruck kam^^. Die technische Quahfikation war schon vor dem Aufstieg am leichtesten feststellbar und gab denn auch höchstens in Perioden mit bedeutenden technischen Umstellungen zu Klagen Anlaß. Über die allgemein technisch gut quahfizierten A^eister ragten bloß einige ältere, besonders erfahrene Gießermeister hinaus, die man als technische Meisterelite bezeichnen könnte^^. Welches waren erwünschte soziale Qualifikationen! Das Verhältnis zum Geschäft und zu den Vorgesetzten mußte loyal und kooperativ sein, verbunden mit eigener Initiative. Als ungeeignet beurteilte man Meister, von denen gesagt wurde ,,Nur fleißig, wenn er sich beobachtet glaubt" oder ,,Benötigt laufend Aufsicht und Kontrolle" Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit in der Erfüllung der Aufträge waren wesentlich, doch ging darin das Geschäftsinteresse noch nicht auf. Hierzu gehörte auch, daß man ,,Tag und Nacht bereitwiUigst zur Verfügung"^^ stand, und die (pohtische) Loyalität zur Geschäftsleitung. Von einem Meister, dessen ,,Fachkenntnisse und Inteüigenz gut" waren, argwöhnte man, daß er nicht genügend für die Firmeninteressen eintrete, indem er in vorsichtiger Weise radikale Arbeiter beschütze und bevorzuge. Deshalb sei er als Meister ungeeignet. Meister, die offen oder versteckt mit den Arbeitern oder Mitgliedern von Arbeiterorganisationen sympathisierten, waren allerdings die Ausnahme^®. In der Regel vertraten sie die ,Geschäftsinteressen' so, wie es die Leitung für richtig hielt. Politische Loyalität genügte aber nicht, um ein guter Meister zu sein. So wurde das Betragen eines Meisters in dieser Beziehung als gut bezeichnet, doch bemängelt, daß er ,,wenig Initiative und Einfluß auf die Arbeiter" habe. Erforderlich waren also auch gewisse Führungseigenschaften, wie z. B. energisches und geradliniges Auftreten. Von einem, der ,,gutmütig, aber zu wenig energisch" war, wurde geurteilt, daß er ,,mehr Arbeiter als Meister" sei; von einem anderen: ,,Eignet sich nicht als Meister, da zu wenig energisch" Das energische Auftreten mußte beherrscht sein: ,,Ungeeignet als Vorgesetzter, da bald zu nachgiebig, bald zu schroff gegen die Arbeiter. Leicht erregbar und darum nicht im Stande, sich zu beherrschen. Wegen Gebrauchs unstatthafter Titel gegen die Arbeiter entlassen worden." Idealqualifikationen in bezug auf das Verhältnis zur Arbeiterschaft waren etwa: ,,Seine ihm unterstellten Hand- und Maschinenformer behandelte er ruhig, bestimmt und gerecht." Oder: ,,Er war ruhig, besonnen und gewissenhaft und seine Führung gut." Solche Eigenschaften lagen auch im Bereich der Erwartungen der Arbeiter. Dagegen kam es einige Male zu größeren Reibereien mit Meistern, die selbst von ihren Vorgesetzten als ,,streng" und 125
„auf Zucht bedacht" charakterisiert wurden, da sie „noch in der strengen Schule des vorigen Jahrhunderts aufgewachsen" wären^'. Was tat die Leitung zur Weiterbildung der Meister, und welche Überlegungen stellte sie über die Meister an? Bis nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte die technische Ausbildung fast ausschließlich im Betrieb. Betriebstechniker Ganz erwähnt, daß es eine seiner Aufgaben war, tüchtige Meister zu erziehen^". In Abteilungen mit niedrigem Qualifikationsniveau und technisch einfacheren Anforderungen konnte eine gute Arbeiterqualifikation schon genügen. Für die Handlanger in der Gießerei, die fast alle Italiener waren, wählte man ,,aus ihrer Mitte" einen Handlangermeister aus, dessen besondere Eigenschaften waren, daß er körperlich alle überragte und deutsch sprach^^. Hingegen wurden die Meister in den Abteilungen mit technisch qualifizierterer Arbeit fortlaufend durch ihre Vorgesetzten weitergebildet. Bachmann forderte 1902, daß ,,die Gießermeister von der Betriebsleitung täglich auf die Fehler der von der Controlle ausgeschlossenen Gußstücke ernstlich verwiesen werden [ m ü ß t e n ] " ^ ^ U n d zwei Jahre später beauftragte er den Betriebsleiter der Stahlgießerei damit, die Gießermeister auch mit den Problemen der Putzerei und der Appretur vertraut zu machen, denn ,,damit ein rationelles Gießen möglich sei, müßten sich auch die Gießereimeister mit den Maschinen und diesen Arbeiten vertraut machen"^^. In Ausnahmefällen förderte die Firma die technische Qualifikation bestimmter Meister durch Aufenthalte in anderen Firmen. Schweißermeister Landert, der ab 1896 die elektrische und autogene Schweißerei betreute, war zuvor zu Pintsch nach Berlin abgeordnet worden, um die Schweißerei zu erlernen^". - Nachdem der französische Gießerei-Technologe Ingenieur Tropénas 1901 in seinem Gutachten die unrationelle Stahlgußproduktion in Schaffhausen vermerkt und die Arbeit des Gießermeisters, der ,,nach empirischen Formeln im alten T r o t t " drauflosproduziere^^, gerügt hatte, entsandte die Leitung Bachmann, Reinsch und einen Arbeiter in eine von Tropénas empfohlene Gießerei im nordfranzösischen Hirson. Bachmann rapportierte, daß Gießermeister Reinsch und Arbeiter Gstrein beliebig lange in der Stahlgießerei praktisch tätig sein konnten, ,,um die Arbeitsmethoden zu studieren"®®. Die technische Ausbeute schätzte er allerdings gering ein: ,,Ohne uns selbst zu rühmen, müssen wir betonen, daß wir mit unserer Stahlgußfabrikation punkto Qualität, sauberer Ausführung und Zuverlässigkeit des Materials dem Stahlwerk Hirson voran sind Aus Bachmanns Bericht über die fremde Gießerei geht implizit seine Managementideologie noch einmal hervor. Laut Bachmann wurde die 80-Mann-Gießerei in Hirson von einem Chef geleitet, der ,,in einer Person technischer Leiter, Gießermeister, Chemiker, Lohn- und Calculationsbeamter, Gußputzmeister, Schmelzer und Spediteur" war. N u r in der mechanischen Werkstätte vertrat ihn ein Meister. Bachmann fehlte hier eine differenzierte und klar geregelte Führung: ,,Der Mangel an 126
tüchtigem Aufsichtspersonal macht sich hier aber zum Schaden des Geschäftes fühlbar; ob den vielen Kleinigkeiten behält der technische Leiter die Wichtigkeit des ganzen Betriebes zu wenig im Auge, es steht auch tatsächlich die ganze Arbeiterschaft in zügelloser Selbstregierung. Er fand es befremdend, daß die unmittelbare Herrschaft über den Arbeiter nicht ausschließlich durch Meister ausgeübt wurde. Für ihn, für Messner und die ganze Leitung von G F war es selbstverständHch, daß der Werkmeister für den Arbeiter die Leitung und die Firma verkörperte und daß dieser mit anderen Angestellten kaum in Kontakt zu kommen hatte^'. Messner formulierte diese Ansicht einmal so: ,,Mit dem Meister allein ist der Arbeiter im Contakt, für ihn allein wird und soll er arbeiten, das Werk, die Aktiengesellschaft im Weitern, das geht über seinen Begriff hinaus."*" Wenn nun also der Arbeiter im Normalfall die betriebliche Herrschaft über die Person des Meisters erfuhr, so wird die Frage interessant, was für soziale Kompetenzen die Meister hatten, wie die disziplinarischen Funktionen erlernt, ausgeübt und kontrolliert wurden? Äußerlich bestand die soziale Aufgabe darin, die Bestimmungen der Fabrikordnung zu handhaben. Diese Regelung war schon in der Fabrikordnung von 1873 enthalten, und in derjenigen von 1899 wurde bestimmt: ,,Die Betriebsbeamten, Meister und Vorarbeiter haben über die sittliche und anständige Aufführung der Arbeiter zu wachen und die allgemeine Ordnung in den Fabriklokalitäten zu handhaben.'"*! Wiederholt ermunterte die technische Direktion die Meister zur strengen Handhabung der disziplinarischen Aufgaben. Bachmann wies 1902 die Betriebsleiter darauf hin: ,,Im allgemeinen sind die Meister, Vorarbeiter und Kontrolleure zu strenger Beaufsichtigung des Betriebes anzuhalten; sie haben absolut dafür zu sorgen, daß während der Arbeitszeit streng gearbeitet wird, daß an allen Stellen die Arbeitszeit pünktlich eingehalten wird Demgegenüber bestanden aber auch Tendenzen, die Ordnungsfunktionen der Meister zu reduzieren und nach oben zu delegieren, indem die Betriebsleiter gewisse Aufgaben übernahmen"®. Einen bewußten Vorschlag zur Reduktion der disziplinarischen Funktionen des Meisters machte Messner 1906 mit Blick auf die Verhältnisse in der Fittingsabteilung. Erstens wollte er den Meistern die Rekrutierung selbst überlassen und dadurch Disziplinprobleme vermeiden'"*. Zweitens verlangte er mehr Meister, die sich vor allem stärker ums technische Detail kümmern sollten: ,,Diese Vorarbeiter scheinen zu glauben, daß mit der Meisterschaft das Nichtstun zusammenhänge, das heißt, sie glauben, daß die Sache schon getan sei, wenn sie Polizeidiener spielen. Es scheint denselben nicht einzuleuchten, daß sie Instructoren und Lehrer sein müssen." Deshalb sähe der Arbeiter den Meister nicht mehr als solchen, ,,sondern als eine Art Polizisten; er arbeitet nicht mehr aus freiem Willen für ihn, sondern einzig und allein aus Furcht vor ihm, und über dieses MißVerhältnis sollten wir nun einmal kommen"'*®. Messners Vorschläge dürften allerdings nicht allzuviel bewirkt haben. 127
Im Gegensatz zu heute wurden damals keine speziellen Kurse über Betriebspsychologie, Arbeitsorganisation, Menschenführung u. ä. für Meister durchgeführt. Derartigen Konzepten gegenüber blieben die "Werkmeister und viele Arbeitgeber noch bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein skeptisch"®. Im Untersuchungszeitraum nahm man mehrheitlich an, daß die sozialen Fähigkeiten kaum in der Theorie erlernbar wären. Wer nicht schon vor seiner Beförderung zum Meister eine praktikable Vorstellung von der disziplinarischen Funktion des Werkmeisters verinnerlicht hatte, schwamm eben nach seiner Beförderung, bis er das Nötige gelernt hatte - oder er scheiterte'*''. Der Leiter der Schaffhauser Fittingsgießerei urteilte über einen Meister, daß dieser nicht geeignet sei, weil er eben nicht die , , G a b e " habe, ,,als Meister aufzutreten" An gutem Willen und Verständnis habe es kaum gefehlt'*®. N o c h deutlicher erscheint diese implizite ,Theorie von der natürlichen Begabung' in der Qualifikation eines anderen Meisters, der zu gutmütig war: ,,Er ist mehr Arbeiter als Meister. Die Geschäftsleitung hatte zur Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit der Werkmeister zwei Mittel: Im Normalfall kontrollierte der Vorgesetzte die Arbeit des Meisters; in einigen Fällen funktionierte die Arbeiterkommission als Kontrollorgan, indem sich die Arbeiter bei der Geschäftsleitung über die unmittelbaren Vorgesetzten beschwerten. Die Arbeiterkommission können wir als eine ,,eigene formale Organisation innerhalb des Betriebes"^" betrachten, in welcher die Spitze und die Basis in direkte Beziehung zueinander traten. Die Arbeiter hatten so eine ,,zweite Kommunikationsbahn"®^, was den Meistern bisweilen nicht sehr angenehm war. 1911 brachte ein Arbeitervertreter in der Sitzung vor, er habe während der Arbeitszeit in seiner Funktion als Arbeiterkommissionsmitglied etwas besprochen, ,,was aber von den Meistern nicht geduldet werde Homberger gab dem Arbeiter recht. Die Bedenken der Arbeiter, daß sich die Meister für gegen sie gerichtete Klagen der Arbeiter in der Arbeiterkommission rächen würden, blieben grundsätzhch immer bestehen. So befürchtete ein Arbeiter deswegen ,,durch den Meister chicaniert"®^ zu werden; in der Tat wehrten sich offensichtlich die Meister auf diese Art manchmal gegen die ihnen lästige Kontrolle. Daß die Arbeiter die Chance erkannten, über die Arbeiterkommission Druck auf die unmittelbaren Vorgesetzten auszuüben, wurde schon in einer der ersten Arbeiterkommissionssitzungen deutlich, als die Frage der Beilegung von Konflikten zwischen Meistern und Arbeitern zur Sprache gebracht wurde^". Schon 1899 wünschte die Arbeitervertretung die Entlassung eines Meisters wegen schlechter Behandlung eines Arbeiters. Das Begehren wurde jedoch abgewiesen®^. Klagen über schlechte Behandlung brachten die Arbeiter in den folgenden Jahren wiederholt vor, die Geschäftsleitung (Fischer oder Homberger, ab ca. 1920 Bührer) antwortete jedoch beinahe stereotyp, daß sie ,,immer wieder auf eine anständige Behandlung der Arbeiter von Seiten der Meister" dränge®^. 128
Die folgenden zwei Beispiele belegen die Art der Klagen der Arbeiter sowie die Reaktion der Geschäftsleitung darauf. In der Sitzung vom 16. Juli 1900'^ wurde das Verhalten eines Gußputzermeisters angeprangert, der die Arbeiter ständig mit Bußen bedrohte und „ z u m Teufel" schicken wollte, dabei aber selber zu spät komme und am Pult schlafe. Der Meister hatte seinerseits vor der Sitzung in einem Gespräch der Geschäftsleitung gegenüber geäußert, daß er sich als gelernter Schmied von den ,,groben Leuten" in seiner Abteilung nicht alles gefallen lasse. Bachmann mahnte zur Geduld und hoffte, daß mit der Zeit in der Gußputzerei zwischen Meister und Arbeitern wieder Zufriedenheit einkehren würde. Zudem versicherte Fischer, daß die Sache im Auge behalten werde, und es ,,solle der erste wieder vorkommende Fall bei Herrn Bachmann vorgebracht werden Bis zum erzwungenen Austritt des , Kruppschen* Gießermeisters Reinsch wurden vielfach Beschwerden gegen ihn vorgebracht. Seine ,preußischen' Ordnungsvorstellungen und sein unbeherrschtes Temperament kollidierten mit den Erwartungen der Arbeiter, was sich in gegenseitigen Beschimpfungen und Verwünschungen äußerte^®. Klagen gegen den schwer zu ersetzenden Reinsch wurden von der Geschäftsleitung zurückhaltend beantwonet; so etwa von Homberger, der einmal versprach, Reinsch zur Rede zu stellen, gleichzeitig aber auch betonte, ,,daß es eben überall in Gießereien nicht immer gelinde hergehe"^'. Reinsch wurde dann schließlich doch endassen, als ein technisch gleichwertiger Ersatzmann gefunden war. Derartige Konflikte ereigneten sich immer wieder. Wiederholt mußten Meister verwarnt werden, wobei der G r u n d s a t z galt, den Bührer im Falle eines ,umherschreienden' Meisters formulierte: ,,Unanständigkeiten vermeiden, aber hart bleiben Während Klagen über technische U n z u länglichkeiten der Meister k a u m je vorgebracht wurden®^, so kritisierten die Stahlgießerei-Arbeiter öfter die willkürliche H a n d h a b u n g der A k k o r d e durch die Meister. Diese Beschwerden wurden erst seltener, nachdem 1918 systematisch begründete A k k o r d a n s ä t z e eingeführt worden waren, die die ,,Willkür der M e i s t e r " einschränkten®^. Allerdings gab der den Meistern verbliebene Spielraum bei der Arbeitszuteilung weiterhin Anlaß zu P r o t e s t " . Insgesamt scheint es, daß mit der A b n a h m e der inhaltlichen K o m p e t e n z e n der Meister sich auch das Konfliktpotential zwischen Arbeitern und Meistern verringerte und damit die Klagen über Meister in der Arbeiterkommission eher seltener wurden b z w . sich in andere Bereiche verlagerten®'*. Abschließend sollen die Veränderungen der Meisterfunktion seit den 1890er Jahren noch einmal zusammengefaßt werden. D i e erste Stufe des A b b a u s der alten ,Meisterwirtschaft' bestand darin, daß die Techniker über die Meister gesetzt wurden und diesen einen Teil der planenden, konstruktiven und sozialen Funktionen abnahmen. Hatten die Meister anfänglich noch mehrere Abteilungen geleitet, so standen nun die Betriebstechniker und in einzelnen Fällen Obermeister mehreren Abteilungen vor, während die Meister nur noch für je eine Spezialabteilung verantwortlich waren. Ein Teil der administrativen Tätigkeiten w u r d e z u d e m nach und nach an die kaufmännisch-verwaltenden Betriebsangestellten (Schreiber u. ä.) übertra129
gen. Im Rahmen der Kommerzialisierung gerieten die Meister zudem vermehrt unter das K o m m a n d o der kaufmännischen Büros (Terminwesen, Kalkulation). Beim Wandlungsprozeß der Werkmeisterfunktion handelte es sich um eine allgemeine Tendenz, wobei die Entwicklungen in den verschiedenen Fabrikationsbereichen durchaus recht unterschiedlich verliefen. Zum besseren Verständnis der nachstehenden Darstellung von Betriebsleiter Wäffler über die Wandlung der Meisterfunktion in der 1907 gegründeten Kleinstahlgießerei Birch muß deshalb angemerkt werden, daß es sich dabei um einen im Vergleich zu den anderen GFFabrikationsbetrieben leicht verspäteten Vorgang handelte®^. In den ersten Jahren, ,,als fast die ganze Produktion noch aus Einzelguß mittels Handformarbeit bestand und ich der einzige Techniker und mein eigener Schmelzermeister war", habe die ,,Bestimmung über Gießtechnik und Verwendung der Materialien sowie die Uberwachung der Arbeiter weitgehend in der Hand weniger Meister" gelegen. ,,Es war die damals übliche, ausgeprägte Meisterwirtschaft; in sich schon begrenzt durch die engen Wissensgrenzen dieser sonst überaus tüchugen, erfahrenen und unermüdlichen Berufsleute."®® Mit der steigenden Arbeiterzahl und den Erweiterungen der Produktionsanlagen in den Jahren unmittelbar vor und während des Ersten Weltkrieges stieg die Zahl der Meister, gleichzeitig wurden aber auch die ersten Techniker im Werk Birch eingestellt. Über diese Zeit von 1910-1920 resümiert Wäffler: ,,Im zweiten Dezennium, mit der steigenden Produktion, dem sich rasch mehrenden Einsatz von Formmaschinen wurde das Aufsichtspersonal stark vermehrt. Ich erhielt zwei Techniker als Assistenten, Herrn Freihofer für die Formerei und Herrn Ackermann für die Schmelzerei, sodann Herrn Nägeli für die Kalkulationen und eine ganze Anzahl Meister und Vorarbeiter. Damit wurde es möglich, daß sich Betriebsleiter und Techniker voll in die Aufsicht einschalteten und höheren technischen Einsichten Gewicht und Nachachtung verschaffen konnten." Dadurch ergab sich eine Verschiebung in der Meisterfunktion. ,,Selbstredend wurde hierdurch die Meisterschaft nicht ausgeschaltet, sondern die engste Zusammenarbeit aller Aufsichtsorgane durchgesetzt " Der Funktionsverlust der Meister bezog sich nach Wäffler - nur auf jene Kompetenzen, denen sie nicht gewachsen waren: ,,Die Meister und Vorarbeiter wurden lediglich von Aufgaben entlastet, die sie nicht selbständig leisten konnten." Dafür erhielten sie eine zusätzliche Kontrolle über die Arbeiter - was deren Fremdbestimmung vergrößerte: ,,Es wurde ihnen aber dafür eine vermehrte Kontrolle der Detailarbeit übertragen und ihre nähere soziale Verbundenheit mit der Arbeiterschaft, aus der sie aufgestiegen waren, dazu benützt, mit ihrem Rat und ständiger Hilfeleistung derselben einen wesentlichen Teil der Erziehungsarbeit zu leisten, welche Ziel aller Bemühungen und Voraussetzung jedes Erfolges in qualitativer Hinsicht ist. Die entlasteten und vermehrten Aufsichtsorgane vermochten nun auch dem ungleich rascher als vordem ablaufenden Arbeitsgang der Formmaschinen und Kernformmaschinen zu folgen und die Kontrolle aller Details der Produktionsvorgänge durchzuführen." Die dritte Stufe des Abbaus kann - der übrigen Darstellung etwas vorgreifend damit charakterisiert werden, daß die technischen Bestimmungsmöglichkeiten der Meister in den Ζ wanzigerjähren noch weiter reduziert wurden. „Aber erst mit den hoch gestiegenen Ansprüchen der Automobilkundschaft, mit den Schwierigkeiten, 130
die besonders die Simplexräder und Bremstrommeln brachten, 'aber auch mit den Möglichkeiten, welche die Serienarbeit bot, verließ ich endgültig die Meisterwinschaft und legte die Verantwortung für das technische Genügen aller Produkte bewußt in die Hände von Technikern." Das Schwergewicht der Meisterfunktion lag nun in der verantwortlichen Leitung der weitestgehend von oben festgelegten und normierten Arbeit einer Spezialabteilung. Sie waren verantwortlich für die Erbringung der Menge und Qualität der Produktion, für die Wirtschaftlichkeit (richtiger Einsatz von Menschen, Maschinen und Material) und für den Unterhalt der Betriebseinrichtungen. Dazu kamen soziale Funktionen wie die Aufrechterhaltung von Betriebsdisziplin und Arbeitsfreude, Ausbildung der Unterstellten u. ä. und schließlich noch ein Rest administrativer Arbeit (Rapporte und Meldungen). Sozial gesehen bildeten die Meister eine heterogene, aber relativ scharf umrissene Gruppe zwischen Arbeitern und Technikern, die ständig gewissen Statusbedrohungen von oben ausgesetzt war und andererseits ein Distanzierungsbedürfnis nach unten empfand. Es scheint, daß die Meister außerberuflich eher mehr Kontakte zu den Technikern als zu den Arbeitern hatten, unter denen der private Umgang mit den ,Unternebmer-Stellvertretern' verpönt war. Die Werkmeister waren auch kaum in den Arbeiterorganisationen vertreten; nicht zuletzt deshalb, weil sie dort gar nicht willkommen waren. Einige GF-Werkmeister gehörten zur Schaffhauser Sektion des Schweizerischen Werkmeister-Verbandes. Der SWV war ein politisch neutraler, wirtschaftsfriedlicher Standesverein, der sich die gegenseitige Unterstützung (Altersversicherung, Sterbeversicherung) und Weiterbildung zum Ziel setzte. Insgesamt bildeten die Meister eine Gruppe, die weder zu den schon höher gebildeten Technikern noch zu den Arbeitern - aus deren Reihen sie hervorgegangen waren - gehörten. Die relativ bessere Einkommenslage half mit, die Distanzierung zur Herkunftsschicht zu unterstreichen, und sie bildete die Grundlage für eine etwas bessere Lebensgestaltung. Dies war die Entschädigung für eine interessante, aber aufreibende Arbeit und das soziale und politische Wohlverhalten.
VII. Expansion und Differenzierung der Verwaltung - Die Angestellten vor 1914
kaufmännischen
Wie wirkten sich die Ausdehnung des Geschäftsvolumens, die verstärkte Kommerzialisierung und die teilweise neue Arbeitsaufteilung in den Betrieben auf die Entwicklung und Struktur des kaufmännisch-verwaltenden Apparates aus? Wie wurden die zusätzlichen Angestellten rekrutiert, ausgebildet und eingesetzt? Wieviel verdienten sie? Wie konnten sie ihr Leben gestalten? Was dachten sie? Aus dem bis zur Mitte der Neunzigerjahre entstandenen Kontor entwikkelte sich in der Folgezeit durch Vergrößerung und Differenzierung ein
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Verwaltungsapparat. Aus den Ein-Mann-Bereichen im Kontor (z. B. Korrespondent, Buchhalter u. ä.) entwickelten sich mit der Zunahme des Geschäftsvolumens verschiedene spezialisierte Abteilungen, an deren Spitze ein Abteilungsleiter, mit Dispositionsbefugnissen über eine Anzahl nichtleitender kaufmännischer Angestellter, die mit unterschiedlichen Aufgaben beauftragt waren, stand. Am schnellsten dehnten sich bis 1900 - mit der vermehrten Vertriebsarbeit - die Korrespondenzabteilung und das Fakturenbüro aus. Stark wuchs auch die Zahl der mit statistischen Aufgaben und Verwaltungsarbeiten beschäftigten Betriebsangestellten, während um die Jahrhundertwende die zentrale Buchhaltungs- und Kalkulationsabteilung sowie die Kasse und das Lohnbüro noch höchstens Zwei-MannBereiche waren. In den verschiedenen Büros waren 1902 relativ abgeschlossene Arbeitsgebiete zusammengefaßt. So zum Beispiel im Fakturenbüro: ,,Aufgabe des Fakturen-Bureau war neben der Verrechnung der ausgehenden Fabrikate und der Führung der Warenstatistik die Kalkulation der Verkaufspreise für Temperguß und Fittings Die Rechnungsstellung erfolgte nach den sogenannten Prima-Noten, die aus den Werkspeditionen einliefen, nachdem sie das Speditions-Bureau zur Ausfertigung der Frachtbriefe und Versandanzeigen passiert hatten Innerhalb des Büros bestand weitgehende Arbeitsteilung. Der Chef des Fakturenbüros hatte die von den Angestellten ausgefertigten Fakturen zu kontrollieren, die Warenausgangsstatistik zu führen, die Fittingskalkulation zu besorgen und die Preise zu überprüfen; sein Stellvertreter assistierte ihm dabei. Die nichtleitenden Angestellten standen in einer Funktionshierarchie, die vom verantwortlichen und qualifizierten Kaufmann bis zum Angestellten, dem nur leichte Routinearbeiten übertragen waren, reichte: ,,Henri Arnstein: Er erstellt die Gußfacturen (Ansetzen und Ausrechnen der Preise). Gemeinsam mit Herrn Oberhänsli revidiert er die Ausrechnung der Fittingsfacturen und vergleicht die Facturen mit der Primanota. Ernst Hauser: Er erstellt die Fittingsfacturen, setzt die Preise an und rechnet die Beträge aus. A. Ragaz: Er erstellt den Text der Facturen an Hand der Primanoten. Kann nur zu Abschreibearbeiten verwendet werden."^ Der Korrespondenzabteilung stand der 1899 vom Schweizerischen Bankverein hergekommene Kaufmann Zündel zuerst als ,,1. Korrespondent", dann als ,,Bürochef" vor. Grundsätzlich waren ihm sämtHche kaufmännischen Angestellten unterstellt, er war verantwortlich für die Arbeitsverteilung und den raschen Arbeitsablauf, über ihn liefen die Kontakte mit den anderen Büros, mit den Betrieben, den Reisenden usw. Als Chef der Korrespondenz schrieb er ,,diejenigen deutschen und französischen Briefe, die Schwierigkeiten bieten" und kontrollierte ,,sämtliche ausgehenden Korrespondenzen"^. Ihm unterstanden die verschiedenen Korrespondenten und Hilfsangestellten, deren Tätigkeiten unterschiedliche Anforderungen stellten: ,,Max Siegrist: Correspondent für Deutsch und Französisch, 132
jedoch mit Ausschluß der eigentlich schwierigen Briefe und aller derjenigen, welche rein buchhalterischen Charakters sind Hans Brandii besorgt die leichtere deutsche Correspondenz die Vervielfältigungen der Briefe und überwacht die Copiatur Frl. Joh. Müller besorgt das Telephon (in erster Linie), das Copiren der Briefe und Facturen Frl. Ad. Fehr besorgt die Registratur der Briefe und Copien und die Francatur der abgehenden Correspondenz "" Die dritte größere Gruppe bildeten allerdings auf die einzelnen Betriebsbüros verteilt - die kaufmännisch-verwaltenden Angestellten in den Betrieben. Auf etwa ein Dutzend solcher Angestellter, die hierarchiemäßig dem Chef des Statistischen Büros und des Einkaufs, Bölsterli, faktisch aber den Betriebsleitern unterstellt waren, verteilten sich 1902 die folgenden Arbeiten: ,,1. Zahltagsweise Führung der Fabrikationslisten nach Branchen, sowie der Nebenbetriebe, 2. Zusammenstellung und Ausrechnung dieser Listen zwecks 3. Calculationen und Gestehungskostenrechnungen. 4. Führung aller Betriebs-Arbeitsbücher und Zusammenstellung sowohl dieser Arbeiten als auch des Materialverbrauchs nach Titeln. 5. Calculationsbücher über Eigenfabrikate. Bearbeitungskosten und Modellanfertigungskosten für Kunden. 6. Führung der Lohnungs-, Rohmaterialien-, Amortisations- und Inventarbücher."® Dazu kamen zu jedem Betriebe die Lohnbeamten® und die Speditionsangestellten. Die kaufmännischen Angestellten waren mit Ausnahme der Betriebsangestellten - seit 1901 im neuen Verwaltungsgebäude im Mühlental untergebracht. Die Funktionsstruktur war überlagert durch eine Autoritätshierarchie. Zuoberst stand der kaufmännische (General-)Direktor, der nur noch mit dem kaufmännischen Subdirektor sowie mit den wichtigeren Abteilungsleitern in Kontakt stand''. Eine Beziehung zum ,Prinzipal', resp. Generaldirektor, war für die meisten kaufmännischen Angestellten nicht mehr vorhanden®. Unter den Abteilungsleitern standen die qualifizierten kaufmännischen Angestellten, die unter Umständen über jüngere, weniger qualifizierte oder Hilfsangestellte gebieten konnten. Die Beziehungen im kaufmännischen Verwaltungsapparat waren weniger formalisiert als jene in der technischen Verwaltung. Das war auch weniger nötig, da in den überschaubaren Büros die direkte Aufsichtsmöglichkeit die Formalisierung weniger nötig machte. Dies erleichterte allerdings auch, daß sich trotz der ,humanen' Verhaltenserwartungen der Kaufleute willkürliche, despotische Beziehungsformen, wie sie der Bürovorsteher und Subdirektor Zündel pflegte, entfalten konnten'. In den Berichten damaliger Angestellter wird vom ,,Gerbers-Sohn" und ,,StockSchaffhauser" Zündel gesagt: „Bewußt unbeliebt . ein Hüne; blondbärtiger, kurzsichtiger, vorgeneigter Kopf, mit hohem Schädel und kleinem Gesicht auf kurzem Hals auf mächtigen Schultern. Stets in Eile mit fliegenden Rockschößen, von den Alten der ,fliegende Holländer' genannt." Er war ,,zeitweilig überarbeitet, ungeduldig und reizbar, mit manchen Untergebenen brüsk bis grob . . ,J4ur 133
wenige langjährige Angestellte und Büro-Fräuleins dürften ganz heil, viele aber mehr oder weniger angeschlagen oder sonstwie aus dem Gleichgewicht geworfen aus der Ära Zündel hervorgegangen sein." „Selten waren die lichten Augenblicke, in denen er, mit einer Zigarre im Munde, menschliche Regungen aufkommen ließ und den Leuten freundliche Worte gönnte Trotz mehrmaliger Ermahnungen durch Homberger blieb die Atmosphäre im Autoritätsbereich Zündeis sehr gespannt. Anders verhielt sich Zündel gegen oben: ,,So schroff Zündel seinen Untergebenen gegenüber war, so servil war er vor seinen Vorgesetzten Wenn sich auch die Angestellten gegen das Verhalten Zündeis aussprachen, so betonten sie doch entschieden seine fachlichen Fähigkeiten: ,,. nach kurzer Zeit war Zündel das Herz, von dem aus zügiges Leben in das Büro und in die Betriebe hinaus pulste. Erst recht als unter der neuen Direktion Homberger die geistige Arbeit in dem neuen Direktionsgebäude zentralisiert war." Ith charakterisierte ihn als einen ,,unermüdlichen Schaffer und tüchtigen Korrespondenten" Der harte Leitungsstil des ständig überlasteten, zur Delegierung^' unfähigen Zündel mag innerhalb der Verwaltung noch halbwegs funktional gewesen sein. Disfunktional konnte aber sein kühles Verhältnis zu den Händlern wirken. Der Leiter einer Fittingsverkaufsabteilung, A. Felix, meinte dazu: „Herr Zündel hatte den Grundsatz befolgt, so wenig als möglich mit den Händlern zusammenzukommen; er schärfte allen unseren Leuten, die auf Reisen gingen, ein: ,Gönd nid zu de Händlere! Die wend jedesmol, wenn sie eine vom Fischer gsehnd, irgend e Konzession im Pris' " So sei der Kontakt zu den Händlern kühl gewesen, was sich nachteilig ausgewirkt habe'^. D a s Unterordnungsverhältnis und die eintönige Arbeit konnten für viele Angestellte allerdings auch ohne die beständigen direkten Schikanen Zündeis unerträglich werden. Bei G F kamen nun wie bei anderen Großfirmeni^ mit umfangreichen, stark arbeitsteiligen Büroabteilungen neuartige Probleme des Arbeitsklimas und der Motivation auf, die individuell und betriebsorganisatorisch vorerst eher verdrängt als gelöst wurden. Ith beschreibt diese Phänomene für den Fall des Fakturenbüros, w o ,,die Arbeitsbegeisterung keine hohen Wellen" geschlagen habe. ,,Folgender Vers, den der Fakturist Waldvogel A d o l f , nachmaliger Lagerhausverwalter und späterer Prokurist in der Tonwarenfabrik, seinem N a c h f o l g e r Vogelsanger T h e o d o r , dem späteren Gemeindepräsidenten von Beggingen, hinterlassen hat, schildert die Stimmung im damaligen Fakturen-Bureau: Wenn D u dies Büchlein nimmst zur H a n d , So denk an den, der mit D i r stand A m Pult im gleichen Saal. Wenn D i r der J a m m e r wird zu dick, D u ' s nicht mehr kannst ertragen. So tröste D i c h , s'wird auch für D i c h die Stund' der Freiheit schlagen.
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Mit „Stund' der Freiheit" ist zweifellos eine höhere, befriedigendere Tätigkeit gemeint, wie sie von den beiden ,poetischen' Angestellten denn auch erreicht wurde. Dies entsprach der gängigen Erwartung der jungen qualifizierten Kaufleute, die eine uninteressante Tätigkeit in untergeordneter Stellung als mehr oder weniger unausweichhche Notwendigkeit, als Durchgangsstation auf dem Weg zu einer höheren, verantwortHchen Stellung oder gar zur Selbständigkeit interpretierten. Ihr Widerstand blieb deshalb platonisch. Die Arbeit im Fakturenbüro galt tatsächlich als eigenthche Vorbereitung auf höhere Tätigkeiten: ,,Eine ganze Anzahl Angestellter anderer Abteilungen durchlief zuerst das Fakturen-Bureau, gewissermaßen als Vorstufe zu ihrer weiteren Ausbildung, namentlich aber zur Erlangung von W a r e n k e n n t n i s s e n . E r r e i c h t e n sie im Unternehmen selbst keine bessere Stellung, so konnten sie - was allerdings von der Arbeitsmarktsituation abhing - leichter als etwa speziahsierte Techniker zu einer anderen Firma wechseln. Da ihre kaufmännischen Fähigkeiten tendenziell an keinen besonderen Produktionszweig gebunden waren, stand ihnen ein größerer Markt offen. Die Gleichgültigkeit der Firma ihnen gegenüber hatte eine Entsprechung in der Gleichgültigkeit der jungen, qualifizierten Angestellten der Firma gegenüber^®. In den Jahren der Expansion des Verwaltungsapparates bei GF bestand in der Schweiz bereits ein entwickelter Arbeitsmarkt für kaufmännisches Personall·'. Qp i^^^jg keine größere Mühe, kaufmännische Arbeitskräfte zu gewinnen; das einzige Problem bestand vielleicht darin, daß man sich noch nicht auf einen regionalen Arbeitsmarkt abstützen konnte, sondern auf den schweizerischen und teilweise den süddeutschen zurückgreifen mußte. Die Anwerbung erfolgte im Normalfall durch eine Meldung an das Stellenvermittlungsbüro des SKV oder durch Inserate in Zeitungen wie der Neuen Zürcher Zeitung. Höhere Angestellte suchte man zusätzlich durch Herumfragen im Bekanntenkreis der Verwaltungsräte und Geschäftsleiter. Auf die Ausschreibung der Stelle des kaufmännischen Leiters meldeten sich 1899 zweihundert Bewerber^®, denen aber ein persönlich empfohlener Kandidat vorgezogen wurde, da die Qualifikation der meisten Bewerber für diese Stelle ungenügend schien. Man wählte schheßhch den branchenkundigen Prokuristen der Maschinenfabrik und Gießerei Weber in Niederuster, Conrad Rothmund^', der sich in der Folge als ungeeignet erwies. Er scheint in dieser Beziehung kein Einzelfall gewesen zu sein. Denn mochte auch die Rekrutierung von Verwaltungspersonal, oberflächlich gesehen, unproblematisch scheinen, so stellte sich doch das Qualitätsproblem bisweilen akut. Die kaufmännischen Angestellten waren Inbegriffen, als 1902 im Verwaltungsrat die mangelhafte Personalstruktur kritisiert wurde: ,,Um das Geschäft fortlaufend auf der Höhe der Conkurrenz zu erhalten, bedarf es eines Stabes tüchtiger und erfahrener, sicherer Angestellter und Ingenieure, wie dies bei anderen Geschäften von demselben Umfang der Fall ist. Das ganze Geschäft und der technische Betrieb ruht auf einigen wenigen Personen. Wir haben wohl ca. 130 Angestellte, aber nur 135
wenige dürften den vorhin bezeichneten Eigenschaften entsprechen. Wir haben zu viel Angestellte dritter, aber zu wenige erster und zweiter Qualität."^" Im Rahmen der Reorganisation begann man sofort mit der „Säuberung": ,,Ιη erster Linie wird nun der Ausschuß im Verein mit der Direction seine Aufmerksamkeit den Personalverhältnissen zuwenden und, wo nötig, eine rücksichtslose Säuberung von ungeeigneten Elementen vornehmen. In dieser Beziehung ist von der früheren Geschäftsleitung viel gesündigt worden, indem sie zu wenig Sorgfalt auf die Auswahl neuer Angestellter verwendet und nachher wiederum mehr Nachsicht und Geduld geübt hat, als den Geschäftsinteressen zuträglich war.''^^ ( Zweifellos war die Lösung der Personalfrage auf allen Ebenen ein zentrales Problem im Übergang vom Mittelbetrieb zum Großunternehmen. Welchen Ansprüchen mußte das kaufmännische Personal genügen? Welche Eigenschaften charakterisierten einen guten kaufmännischen Angestellten? - Das Bild des ,guten Angestellten' läßt sich anhand von Arbeitszeugnissen^2 rekonstruieren. Bewertet wurden die Einstellung zur Arbeit, das Arbeitsverhalten (Leistungsfähigkeit, Einsatz), das soziale Verhalten im Büro und das Verhältnis zum Unternehmen ailgemein^^. Die Arbeitseinstellung und die Einstellung zum Betrieb wurden mit den Worten ,,willig", ,,eifrig", ,.pünktlich", ,,pflichtgetreu", ,,zuverlässig" beschrieben; das Arbeitsverhalten mit ,,arbeitsam", ,,fleißig", ,,tüchtig", ,,intelligent"; das soziale Verhalten mit ,,er hat sich eines tadellosen Betragens beflissen", ,,über das Betragen können wir uns nur lobend aussprechen" Beurteilt wurden bei diesen unteren Angestellten also nicht Initiative oder spezifische kaufmännische Fähigkeiten, was bei der Art der von ihnen geleisteten Arbeit auch nicht sinnvoll gewesen wäre, sondern die Erfüllung der aufgetragenen Pflichten, die Kooperationswilligkeit und das angenehme Betragen, das die Ordnung nicht störte. Es zeigte sich, daß die dominierenden Werte der Kaufmannsideologie ,Initiative', ,kaufmännischer Geist', ,Selbständigkeit' u . a . - tatsächlich nur für eine obere Schicht der kaufmännischen Angestelltengruppe eine reale Basis hatten. Für die Mehrzahl der Angestellten galten andere Normen. Die Werte der oberen Schicht prägten aber auch das Bewußtsein der großen Masse der Angestellten. Jene, die diese Werte repräsentierten, waren Leitbilder, auf deren Höhe man einmal zu gelangen hoffte. Den austretenden jungen Kaufleuten wurden denn auch in ihren Arbeitszeugnissen ,,die besten Wünsche für ihr Fortkommen" oder die ,,besten Wünsche für die zukünftige Karriere" mitgegeben. Wie sah die Ausbildung des kaufmännischen Angestellten aus, und was leistete die Firma für die Lehrlingsausbildung? Gegenüber den Arbeitern machten die Angestellten immer wieder ihre besondere Qualifikation und ihr spezielles Verhältnis zur Bildung geltend, womit nicht nur das Funktionswissen, sondern auch das Allgemeinwissen gemeint war^"*. Tatsächlich hatten die qualifizierten kaufmännischen Angestellten im Durchschnitt schon eine bessere schulische Vorbildung als die Arbeiter, denn in der Regel mußten sie vor dem Lehrantritt mindestens die Sekundärschule besucht 136
haben^®. Seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war das kaufmännische Ausbildungswesen in der Schweiz fest institutionalisiert, das heißt, daß in der Regel eine dreijährige praktische Lehre mit begleitendem Besuch einer kaufmännischen Fortbildungsschule und eine Abschlußprüfung verlangt wurden^^. Obhgatorisch war der Besuch von Kursen in den folgenden Fächern: Aufsatz in der Muttersprache, Geschäftskorrespondenz in der Muttersprache und in einer fremden Sprache, kaufmännisches und Kopfrechnen, doppelte Buchhaltung, handelsrechtliche Grundbegriffe, praktische Kenntnisse (Geschäftskunde), Handels- und Wirtschaftsgeographie, Handschrift. Dazu konnten freiwillig weitere Sprachen, Stenographie und Maschinenschreiben gelernt werden. Das Anstellungsverhältnis war seit 1897 nach dem zwischen dem SKV und dem SHIV vereinbarten Normal-Lehrvertrag^·' geregelt. Dies waren auch die Rahmenbedingungen für die Ausbildung von kaufmännischen Angestellten bei den Eisen- und Stahlwerken. Im ersten Jahr erhielt der Lehrling (um 1900) kein Salär, im zweiten monathch Fr. 25, im dritten Lehrjahr Fr. 30. Die neben der Arbeitszeit obligatorisch zu besuchende kaufmännische Fortbildungsschule mußte vom Vater bezahlt werden. Die praktische Ausbildung bestand darin, ,,den Lehrling während der Lehrzeit nach und nach in den bei seinem Geschäftsbetrieb vorkommenden Arbeiten zu unterweisen, oder durch geeignete Personen unterweisen zu lassen, und zwar insbesondere in Buchhaltung, Korrespondenz und Branchenkenntnis" ,Soziale' Ausbildung bedeutete für den Lehrherrn, ,,den Lehrling human zu behandeln, auf ihn erzieherisch einzuwirken" Der Lehrling verpflichtete sich seinerseits, ,,dem Lehrherrn und den anderen Vorgesetzten Gehorsam zu leisten, die ihm übertragenen Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und alle ihm zugewiesenen Arbeiten mit Fleiß und Treue auszuführen, sowie sich innerhalb und außerhalb des Geschäftes eines gesitteten Betragens zu befleißigen, die Interessen seines Lehrherren wahrzunehmen und über alle Geschäftsvorfälle strenge Verschwiegenheit zu beachten" Einer der ersten kaufmännischen Lehrlinge, der spätere Prokurist Ith, erfuhr von einem in seiner Gemeinde wohnhaften Gießer, daß bei GF ein kaufmännischer Lehrling gesucht würde und meldete sich in Begleitung seines Vaters bei Direktor Rothmund^®. Er besorgte zuerst allgemeine Büroarbeiten, machte Botengänge und war meist im Fakturenbüro beschäftigt. Warenkenntnisse erwarb er sich durch zeitweilige Arbeit außerhalb der Geschäftszeit im Fittingsmagazin oder durch Stellvertretungen in der Spedition. Nach längerer Tätigkeit im Fakturenbüro erhielt er einen kurzen Lehrgang in der Buchhaltung und trat nachher in die Korrespondenzabteilung ein^^. Neben der Ausbildung im Geschäft lief jene in der kaufmännischen Fortbildungsschule: ,,Ab 1902 besuchte ich zusammen mit Gottfried Weber, der im selben Jahr als Lehrling in der Buchhaltung eingetreten war, 137
die Handelsschule des hiesigen Kaufmännischen Vereins. Die Unterrichtsstunden lagen außerhalb der damals ohnehin langen Geschäftszeit, so im Sommer zwischen 1/4 6 und 1/4 7 Uhr, im Winter über die Mittagszeit oder abends nach 7 1/4 Uhr.''^" Im Frühjahr 1905 bestand er mit zwölf anderen Lehrlingen die Lehrlingsprüfung. Nach der Lehre existierten außer den vom Kaufmännischen Verein veranstalteten Abendkursen keine speziellen schulischen Fortbildungsmöglichkeiten für Absolventen einer kaufmännischen Lehre^^. Der weitere Weg bestand deshalb meist darin, durch Praxis in verschiedenen Stellen sowie unterschiedlichen Sprach- und Kulturregionen das Funktionswissen und die Allgemeinbildung zu erweitern^^. Bevorzugt wählten sich die jungen Schweizer Kaufleute alte Kulturzentren als Arbeits- und Wohnort aus, so vor allem die Großstädte Frankreichs und Englands. Dementsprechend ging auch Ith 1909 nach Paris zur GF-Vertretung. Fachlich profitierte er dort zwar nichts^^; da seine Mitarbeiter auch Schweizer waren, war er ,,zur sprachlichen Fortbildung auf den Umgang mit Franzosen in der Pension und auf Abendstunden angewiesen" Sein Auslandsaufenthalt diente aber auch der Förderung des Allgemeinwissens, der kulturellen Bildung, ,der Erweiterung des Horizontes' ,,Galt der Sonntagmorgen Streifzügen in die Parkanlagen, die Faubourgs, die Fortifications oder auf die Marktplätze, so diente der Nachmittag dem Besuch der Museen, des Jardin d'acclimation und der näheren Umgebung von Paris, die leicht zu erreichen waren." Nach zwei Jahren Paris ging Ith für drei Jahre nach London, bevor er 1914 wieder nach Schaffhausen zurückkehrte. Den üblichen Pariser und Londoner Aufenthalt hatte auch Arnold Felix hinter sich, bevor er die Leitung einer Fittingsexportabteilung bei GF übernahm^'*. Mit den Kenntnissen, die sie sich in in- und ausländischen Firmen erworben hatten, hofften die Kaufleute eine interessantere Arbeit, eine bessere Stellung und ein höheres Salär zu erhalten. Eine größere, international tätige Firma wie GF brauchte eine bestimmte Anzahl derartiger Angestellter, um die anfallenden Aufgaben zu lösen. Für die Mehrzahl der Stellen genügten allerdings auch geringere Kenntnisse. Eine Analyse der Zusammensetzung der kaufmännisch-verwaltenden Angestelltenschaft vor dem Ersten Weltkrieg zeigt, daß diese Gruppe bei GF um 1900 ca. fünfzig Leute zählte und damit mehr als die Hälfte der gesamten Angestelltenschaft ausmachte. Bis 1910 stieg die absolute Zahl der kaufmännischen Angestellten deutlich weiter an^®. Gelernte Kaufleute arbeiteten eher in der kaufmännischen Unternehmensverwaltung, während die Angelernten vorzugsweise als Betriebsangestellte wirkten. Für leitende Funktionen kamen nur gelernte Kaufleute in Frage^®. 1900 stand ein Viertel der kaufmännischen Anges'tellten der Unternehmensverwaltung in einer leitenden Stellung (Direktor bis Abteilungsleiter)^^, der große Rest hatte eine mehr oder minder anspruchsvolle untergeordnete Stellung. Etwa die 138
Hälfte des kaufmännischen und administrativen Personals der Firma stand in einer leitenden oder verantwortlicheren Position (Tabelle 8). Tabelle 8: Differenzierung der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten nach Funktionsstatus im Jahr 1900^® Gruppe Leitende kaufm. Angestellte Sachbearbeiter Hilfs- und Routinepersonal, Andere Kaufm.-verw. Betriebsangestellte
in % aller Angestellten 10 17 13 15
In den folgenden Jahren nahm das nichtleitende Personal relativ zum Leitungspersonal stärker zu^^. Im Großunternehmen wuchs also die Gruppe derjenigen, die als Mitglieder des Verwaltungs- und Vertriebsapparates indirekt Herrschaft über die Werkstätten und Arbeiter ausübten, doch sank unter den Verwaltungsangestellten gleichzeitig der Anteil jener, die in der Verwaltungshierarchie direkt Herrschaft ausüben konnten. Der rasche Ausbau der Verwaltung vor dem Weltkrieg führte im übrigen dazu, daß die Arbeitsplätze vieler Angestellter schlecht waren und verstreut lagen. Der Verwaltungsratsausschuß stellte 1912 fest, daß ,,die derzeitigen Verhältnisse unhaltbar [seien], da einesteils sämthche Büros überfüllt, andernteils ein großer Teil des Personals in provisorischen Büros im Betrieb untergebracht sei, wo eine richtige Aufsicht und Überwachung wesentlich erschwert [sei]"*". Trotzdem nahm in den folgenden Jahren der relative Anteil des in den Betrieben beschäftigten kaufmännischen Personals weiter zu, bis in den Zwanzigerjahren diese Entwicklung korrigiert wurde. Ungeachtet der jeweiligen konkreten Tätigkeit und Stellung war es für die Selbstund Fremdeinschätzung vieler Angestellter vermutlich aber schon wichtig genug, daß sie zur ,Verwaltung' gehörten und nicht in schmutzigen Werkhallen arbeiten mußten wie die Arbeiter und die Meister^^. Von diesen unterschied sie in der Regel auch die Einkommensform, das Monatsgehalt*^, das als äußerUches Merkmal das soziale Geltungsbewußtsein mitbegründete. Von der Frage, ob mit der besonderen Lohnform auch eine besondere Lohnhöhe verbunden war, hing allerdings ab, ob die Angestellten sich auch tatsächUch ein besseres, ,standesgemäßes' Leben leisten konnten*^. Für den am besten dokumentierten Zeitraum, um die Jahrhundertwende, lassen sich vier grobe Einkommensgruppen unterscheiden**. Die unterste Gruppe bildeten mit Jahreseinkommen bis Fr. 1 200 die angelernten Bürogehilfen, die unerfahrenen Commis und die Frauen. Beispiele dafür sind etwa: A. R. : ,,Er erstellt den Text der Facturen an Hand der Primanoten. Kann nur zu Abschreibearbeiten verwendet werden." (Eintritt 1901, Monatssalär: Fr. 75.) E. H.: ,,Er erstellt die Fittingsfacturen, setzt die Preise an 139
und rechnet die Beträge a u s . " (Eintritt 1900, Monatssalär Fr. 50.) Frl. J . M . : „Besorgt das Telephon (in erster Linie), das Copieren der Briefe und Facturen und hilft daneben der Buchhaltung " (Eintritt 1900, Monatssalär Fr. 70.)"= Ferner gehörten dazu einige ungelernte Schreiber aus den Betrieben. D i e G e h ä l t e r dieser D u r c h s c h n i t t s l o h n , der k a u f m ä n n i s c h gelernten ben F r a u e n u n d andere
A n g e s t e l l t e n k a t e g o r i e lagen unter d e m Arbeiterd a m a l s F r . 1113 p r o J a h r betrug"*®. W ä h r e n d die A n f ä n g e r diese S t u f e sehr bald überschritten, blieU n g e l e r n t e ö f t e r jahrelang auf diesem N i v e a u .
Ith Schilden den Fall eines angelernten Angestellten des Fakturenbüros, der nach fünf Dienstjahren bloß Fr. 75 im Monat erhielt: ,,Als die Steuerbehörde dieses Gehalt bezweifelte und einen Lohnausweis verlangte, stellte Herr Zündel, statt dem jungen Mann eine kleine Aufbesserung zu geben, einen solchen aus mit der Erklärung, daß der Steuerpflichtige als Hilfsarbeiter beschäftigt sei. Hauser Ernst verließ das Geschäft spontan und trat bei der Bettfedernfabrik Pfeifer in die Lehre. Wir treffen den Mann später wieder in der Filiale Paris.""'' Bei diesem ,Büroarbeiter' zeigt sich die ,,Gehaltsillusion""®; die ökonomische Form der Bezahlung brachte keineswegs eine abgehobene ökonomische Stellung zum Ausdruck. In dieser G r u p p e finden sich - neben den sehr j u n g e n G e l e r n t e n " ' - jene Angestellten, die t r o t z ihres Angestelltenstatus nicht nur e i n k o m m e n s m ä ßig ,proletarisch' w a r e n , s o n d e r n auch keine b e s o n d e r e A u s b i l d u n g hatten. Z u r zweiten G e h a l t s g r u p p e gehörte eine A n z a h l Angestellter mit nichtleitender Tätigkeit leichten bis mittelschweren C h a r a k t e r s , wie H i l f s b u c h halter, C o m m i s im K o r r e s p o n d e n z b ü r o , F a k t u r e n b ü r o , B e s t e l l b ü r o s o w i e die Betriebsangestellten mit mittelschwerer, relativ selbständiger A r b e i t . D i e s e hatten je nach Dienstalter u n d Tätigkeit ein J a h r e s g e h a l t z w i s c h e n 1 500 u n d 2 100 F r a n k e n . Ein Beispiel dafür ist: , , H . O . : Er revidiert die Ausrechnung der Guß- und eventuell auch der Fittingsfacturen, hilft Herrn Gassner, dessen Stellvertreter er ist, bei der Statistik des Warenausganges " (Eintritt 1900, Monatssalär Fr. 125.) Zwei Betriebsangestellte mit den folgenden Aufgaben verdienten je Fr. 1 800: „ D i e s e zwei Herren führen zu Händen der Fittings- und Kundengießerei die Bücher über anzufertigende Fittings und diverse Artikel, ebenso ein solches für die Gewindeschneiderei über zu schneidende Fittings. Sie führen die Controlle über die beim Auftreiben und beim Gewindeschneiden sich ergebenden Ausschußstücke, endlich die Statistik über den Eingang aus der Fabrik aufs Magazin und den Versand von Fittings und diversen Artikeln."®" Auf derselben Höhe stand auch etwa der Korrespondent für ,,leichtere deutsche Correspondenz" D i e s e G r u p p e b e f a n d sich gehaltsmäßig auf der H ö h e der jungen B ü r o techniker, der untere Teil n o c h auf der Stufe der bestverdienenden A r b e i ter. D i e s e G e h a l t s k l a s s e entsprach etwa den D u r c h s c h n i t t s g e h ä l t e r n der 2 1 - 2 7 j ä h r i g e n , wie sie v o n der Stellenvermittlung des S K V ermittelt w u r den^^. Allerdings waren bei G F auch einige ältere Angestellte d a r u n t e r ; denn w e r nach einigen Dienstjahren i m m e r n o c h dieselbe Stelle bekleidete, 140
bekam trotz der größeren Zahl Dienstjahre nicht mehr automatisch eine jährliche Aufbesserung. Zur dritten Gehaltsklasse gehörten Angestellte in nichtleitender, aber sehr qualifizierter oder verantwortlicher Tätigkeit sowie Abteilungsleiter. So der „Correspondent für Deutsch & Französisch" (Monatsgehalt Fr. 220), der Zahltagsbeamte (225), der Kassierer (225), der Chef des Statistischen Büros (200), der Chef der Spedition (200), der Chef des Fakturenbüros (200)^2. Darüber standen nur noch der dienstalte Chefbuchhalter und der Stahlgußreisende mit je Fr. 3 600 Jahresgehalt, der Bürochef Zündel mit 5 ООО sowie der kaufmännische Leiter mit 10 ООО Fr. Jahresgehalt. Indem wir die vorstehenden Angaben über Funktionen und Gehälter auf die Daten über die Verteilung auf Funktionsgruppen (Tabelle 8) beziehen, können wir schätzen, daß ein Drittel der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten Einkommen auf dem Niveau eines durchschnittlichen Arbeiterlohnes bezog - oder nicht einmal®'. Vermutlich kam etwa die Hälfte der Verwaltungs- und Vertriebsangestellten gehaltsmäßig nicht höher als ein besserverdienender Gießer®"*, wobei immerhin zu bemerken ist, daß es sich um eine relativ junge Angestelltenschaft mit geringem Dienstalter handelte. Zufrieden waren diese Angestellten damit wohl nicht. Ith, der nach einigen Dienstjahren gehaltsmäßig zum oberen Bereich der zweiten Gehaltsgruppe gehörte, erinnerte sich an die damaligen Dienstverhältnisse mit einer gewissen Bitterkeit: ,,Eine Entschädigung für die Überzeitarbeit gab es nicht, es sei denn, daß sie in der auf Jahresende anfallenden Gratifikation erblickt werden mußte, die indessen wiederum auch nicht gerade fürstlich ausfiel. - Hart war die Arbeit, karg der Lohn!"®® Über die Angaben zur allgemeinen Einkommenstruktur hinaus besitzen wir nur spärliche Quellen zur Gehaltsentwicklung. Generell wurden zwischen 1899 und 1902 bei ganz geringfügiger Teuerung Nominallohnerhöhungen von durchschnittlich 16% vorgenommen, während das nominelle Arbeiterdurchschnittseinkommen nur um 7 % stieg®®. Für die folgende Zeit bis zum Ersten Weltkrieg können wir annehmen, daß der allgemeine Trend ähnlich wie bei den Durchschnittslöhnen des SKV sowie den Arbeiterlöhnen von GF lief. Demnach wären die Reallöhne von 1906-1910 - mit teilweise kleinen Rückschlägen - um maximal ca. zehn Indexpunkte gestiegen und hierauf wieder auf das Niveau von 1906 gesunken®''. Angesichts der geschilderten Einkommensverhältnisse war es für einen großen Teil der Angestellten kaum möglich, in allen Bereichen einen von den Arbeitern abgehobenen, »bürgerlichen' Lebensstil zu pflegen. In gut sichtbaren Lebensbereichen wie dem Essen und Trinken scheint man indessen noch ,Bürgerlichkeit' demonstriert zu haben®®. So erwähnt Ith, daß in ,,Speisewirtschaften in der Stadt Mittagessen zu 65 Rappen für die Arbeiter ., das Glas Bier zu 20 cts." zu bekommen waren, wohingegen ,,Angestellte . . . für ein Mittagessen 80 Rappen zuzüglich 35 Rappen für 141
einen Dreier Weißwein" auslegten®^. Erst jene, die eine höhere leitende oder eine besonders qualifizierte, verantwortliche Tätigkeit ausübten und auf eine gewisse Anzahl von Dienstjahren zurückblicken konnten, bezogen als ,Arrivierte' Gehälter, die ihnen ein .standesgemäßes' Leben gestatteten. Diese oberste Gruppe der Angestellten unterschied sich von den übrigen auch dadurch, daß sie in einem a priori festgelegten Maß am Geschäftserfolg beteiligt wurde. So bezog Homberger zu seinem Jahresgehalt von Fr. 10 ООО zusätzlich eine Tantieme, so hoch wie diejenige des gesamten Verwaltungsrates. Sein Vorgänger Rothmund hatte bei demselben Gehalt 1,5% des Reingewinnes von Schaffhausen zugesichert bekommen®". Prokuristen wurden mit einer genau bestimmten Gratifikation am Geschäftserfolg interessiert®^. Nicht bestimmt war dagegen die Höhe der Gratifikation der übrigen kaufmännischen Angestellten, doch konnten sie in jedem Fall mit einer - wenn oft auch geringen - Gratifikation rechnen. Kaufmännische Angestellte in leitenden und verantwortlichen Stellen hatten allerdings auch eine Kaution zu entrichten. Diese betrug bei Homberger 1905 Fr. 50 ООО, für den Subdirektor Zündel Fr. 8 ООО. Der Hauptkassier, der Chef der Buchhaltung und die Abteilungsleiter stellten zu diesem Zeitpunkt Fr. 5000 als Kaution®^. Es zeigte sich, daß leitende kaufmännische Angestellte vor allem wegen ihrer größeren Veruntreuungschancen viel eher Kautionen zu hinterlegen hatten als technische Leiter. Dies schränkte natürlich die Zugänglichkeit zu diesen Stellen ein. Wer die Summe selbst nicht aufbringen konnte - was bei den damaligen Gehältern schwierig gewesen sein dürfte - , mußte schauen, daß er einen Bürgen fand. Als Bürgen wurden i. d. R. nahe Verwandte ausgewählt, und es scheint, daß viele leitende Angestellte von GF aus dem Bürgertum und Kleinbürgertum stammten®^. Insgesamt dürfte sich die kaufmännische GF-Angestelltenschaft herkunftsmäßig ähnlich zusammengesetzt haben wie die gesamtschweizerische kaufmännische Angestelltenschaft, von der Winkler grob annimmt, daß sie mehrheitlich aus dem selbständigen und unselbständigen Bürgertum und Kleinbürgertum, minderheitlich aus der Arbeiterschaft stammte®"*. Mit der Nähe®' zum selbständigen (Klein-)Bürgertum wird in der Literatur dann teilweise auch das Selbständigkeitsideal der kaufmännischen Angestellten begründet. Wie weit dies in den Köpfen der damaligen StahlwerksAngestellten vorhanden war, läßt sich nicht feststellen, doch es scheint, daß der Schritt zur Selbständigkeit nur wenigen gelang, vor allem den schon etwas höhergestiegenen. So etwa dem kaufmännischen Ex-Direktor Tague und dem Singener Leiter Bucher, die nach ihrem Austritt zusammen eine eigene Fabrik eröffneten. Oder dem 1902 ausgetretenen Kassier Kellenberger, der ein Papeteriegeschäft gründete®®. Obwohl sich ein großer Teil der Angestellten durchaus in keiner beneidenswerten Lage befand, so genossen doch auch sie anstellungsmäßig gegenüber den Arbeitern gewisse Privilegien: so in bezug auf die Arbeits142
platzsicherheit. Dies erwies sich besonders in der Krise 1900-1902, als viele Arbeiter entlassen wurden, während es für die Angestellten bei der bloßen Kündigungsdrohung blieb®''. In vielen Fällen wird sich die vergleichsweise längere Kündigungsfrist der Angestellten (zwei Monate gegen vierzehn Tage bei den Arbeitern) auch eher als Vorteil erwiesen haben. Sie konnte aber auch zur Fessel werden, wenn ein Angestellter auf ein Stellenangebot rasch reagieren mußte. Die kaufmännischen Angestellten hatten tendenziell etwas kürzere Arbeitszeiten als die Arbeiter. Nach der Jahrhundertwende betrug die tägliche Arbeitszeit 9 1/2 Stunden, nämlich von 7-12 und 14-18.30 h im Sommer und von 7.30-12 und 14-19 h im Winter. Normalerweise wurde auch am Samstag gearbeitet®®. Zur normalen Arbeitszeit kamen wie damals in der Schweiz absolut üblich - je nach den Erfordernissen des Geschäftes Überstunden®', die die freie Zeit massiv verkürzen konnten. Zwar war die Arbeitszeit der kaufmännischen Angestellten mit all den Überstunden bisweilen unerträglich lang, doch war trotz Intensivierung der Arbeit die Gestaltung der Arbeitszeit freier als bei den Arbeitern. Bisweilen konnte man sich sogar trotz strenger Aufsicht des Bürovorstehers eine Pause verschaffen. „Neben den alten kaufmännischen Büros befand sich das Modellmagazin mit Alfred Neuweiler. - Dessen dunkle Gänge eigneten sich besonders gut zur Einnahme des nassen Znüni, der für Bureauleute verboten war. Auch die unter Herrn Zündel stehenden, aber bereits im neuen Verwaltungsgebäude untergebrachten Herren Korrespondenten frönten häufig diesen Genüssen. Wenn Neuweiler auf die telephonische Anfrage des Herrn Brändli, ob das Modell No. 57 865 da sei, nach kurzer Nachschau bejahend antwortete, verschwand dieser aus seinem Büro und begab sich in die feuchten Reviere des Modellmagazins. - Auch sein Kollege Max Siegrist fand sich ab und zu zur Rast dort ein und ließ Herrn Zündel Zündel sein."'"' Schließlich hatten die kaufmännischen Angestellten auch schon Anspruch auf voll bezahlte Ferien, die je nach Rang und Dienstalter zwischen ein bis zwei, selten drei Wochen betrugen^'; dies war zu einem Zeitpunkt, als die Arbeiter noch kaum wagten, Ferien zu fordern'^. Insgesamt bildete die kaufmännisch-verwaltende Angestelltenschaft eine heterogene Gruppe, deren Mitglieder sich mehr oder weniger von den Arbeitern abhoben. Es scheint, daß im Denken eher die Distanz betont wurde, die Gemeinsamkeiten dagegen verdrängt wurden. Ein Großteil der kaufmännischen Angestellten stand hierarchisch und einkommensmäßig eher ungünstiger da als die technisch-betrieblichen Angestellten, ünd von dieser großen Gruppe der kaufmännischen Angestellten konnte sich vielleicht die Hälfte berechtigterweise eine zukünftige Verbesserung ausrechnen - durch individuelle oder kollektive Anstrengungen inner- oder außerhalb des Betriebs. Die einzige Organisation, die dem kaufmännischen Angestellten damals dabei gewisse Dienstleistungen und Hilfestellungen 143
bieten konnte, war der Schweizerische Kaufmännische Verein (SKV) bzw. dessen Schaffhauser Sektion. Der SKV, der kaufmännisch qualifizierte Arbeitgeber und Angestellte organisierte, war Träger der kaufmännischen Fortbildungsschulen und allfälliger Weiterbildungskurse; er bot einen geselligen Rahmen (Versammlungen, Feste) und leistete dem Mitglied bestimmte Dienste durch die Stellenvermittlung, die Rechtshilfe oder durch Petitionen an die Arbeitgeber um Lohnerhöhungen u. 'iJ^. Von den kaufmännischen GF-Angestellten waren vor dem Ersten Weltkrieg etwa ein Fünftel in der Sektion des KV Schaffhausen organisiert; ihr Anteil an der gesamten Sektionsmitgliedschaft betrug 1910 um fünf Prozent. Es ist deshalb natürlich nicht unproblematisch, von der KV-Ideologie oder -Programmatik auf das Denken der GF-Angestellten zu schließen. Aber wir können immerhin annehmen, daß die Meinungstendenzen im KV auch in den Köpfen der GF-Angestellten vorhanden waren. Generell waren es vor allem die besser qualifizierten und dienstälteren GF-Angestellten, die KV-Mitglieder waren^"*. Vor dem Ersten Weltkrieg waren die leitenden Angestellten von GF vergleichsweise stärker im KV organisiert als die Sachbearbeiter und die Hilfsangestellten. Dies erstaunt nicht, denn der KV Schaffhausen war ein typischer Bildungs- und Geselligkeitsverein, der erst ab ca. 1910 sehr vorsichtig und zurückhaltend sozialpolitisch aktiv zu werden begann''^. Eine derartige Politik entsprach tendenziell stärker den Interessen der Leitenden und Selbständigen als denjenigen der Schlechtergestellten. Die Hoffnung, durch die Weiterbildung im KV einen Sprung in eine bessere Funktion machen zu können oder die Chance, an den geselligen Veranstaltungen gute Beziehungen anzuknüpfen, konnten die kleinen Angestellten z. B. in Teuerungsphasen nicht über ihre mißliche Lage hinwegtrösten. 1905 stand die Leitung des KV Schaffhausen den ,,sozialpolitischen" Tendenzen im Zentralverband - so gemäßigt sie waren - aber noch polemisch und reserviert gegenüber. ,,Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Schweiz. Kaufmännischen Vereins fällt mehr und mehr auf die Förderung der Standesinteressen. Es gilt, die sozialen Verhältnisse der Handelsangestellten zu bessern. Man wird sich dabei vor einem allzu extremen Fahrwasser hüten müssen. Unsere Sektion wird schwerlich wünschen, daß sich der Verband des SKV zu einer eigendichen Kampforganisation der Arbeitnehmer gegen die Prinzipalschaft und Arbeitgeber entwickelt. Wir würden uns dadurch viele Männer entfremden, die wir ungern in unseren Reihen missen, und deren Gewogenheit uns manchmal sehr zustatten kommt."''® Die offiziell deklamierte Kaufmanns-Ideologie des KV war für viele jüngere oder schlechter gestellte kaufmännische Angestellte wahrscheinhch ermutigend, aber sie befriedigte doch nicht die alltäglichen Entfaltungsund Anerkennungsbedürfnisse: ,,Wir müssen unsern jungen Kaufleuten immer und immer wiederholen: an wenige Berufsarten werden in der 144
Gegenwart so vielerlei Anforderungen gestellt, wie gerade an den Kaufmann. Er muß ehrlich, treu, gewissenhaft, fleißig, arbeitsam, anständig, verschwiegen sein, d. h. er muß einen gediegenen Charakter haben. Er muß in den Sprachen, Büroarbeiten, Branchen versiert und routiniert, also in hohem Grade leistungsfähig sein. U n d dies nicht umsonst! Hängt doch von der Tüchtigkeit des Kaufmannsstandes zum guten Teil der wirtschaftliche Erfolg eines Landes ab."''·' Schließlich mußte der KV Schaffhausen sich doch etwas mehr für die materielle Besserstellung seiner schlechtbezahlten Arbeitnehmermitglieder einsetzen, während die ,Geselligkeit' drittrangig wurde''®. Den gewöhnlichen Angestellten gelang es in der Vorkriegszeit allerdings erst ansatzweise, ihre Interessen zu formulieren und sich gegen die Führungsrolle der Selbständigen und Leitenden etwas durchzusetzen. Ähnlich wie im STV begannen sich aber auch im KV die Angestellten zu profilieren. Am Schluß des zweiten Teils dieser Studie können wir festhalten, daß die große Expansion von 1896-1913 beträchtliche und teilweise schwierige Organisations- und Managementprobleme mit sich brachte, die richtig erkannt, definiert und gelöst werden muß ten. Georg Fischer III scheiterte daran. Seine Nachfolger waren Manager und Bankiers, die (gemeinsam) über ein größeres Managementwissen verfügten, das ihnen erlaubte, die Firma wieder flott zu machen. Sie schufen eine Leitungsstruktur für ein Unternehmen ohne Unternehmer im alten Sinn, dessen Autorität auf Besitz und Tradition aufbaute. Unter ihnen wurden - nicht ohne bisweilen große Schwierigkeiten - die Betriebe, die Verwaltung und die Verkaufsorganisation rationalisiert, reorganisiert und vergrößert. Mit der Expansion und Differenzierung der Unternehmensorganisation, der Verwaltung und der Betriebsleitung wuchsen innerhalb des Unternehmens größere, heterogene Gruppen von technisch-betrieblichen bzw. kaufmännisch-verwaltenden Angestellten heran, die betrieblich eine soziale Zwischenschicht zwischen der Unternehmensleitung und den Arbeitern bildeten. Für die Techniker, die kaufmännischen Angestellten und die Meister konnte gezeigt werden, wie diese Gruppen zunehmend über den innerunternehmerischen Rahmen hinaus, lokal und national ein eigenes soziales Gruppenprofil entwickelten. Die Ansätze zur Bildung einer berufsgruppenübergreifenden Angestelltenschicht waren hingegen noch schwach. Schwächer jedenfalls als in Deutschland, wo ein ausgeprägteres bürokratisches und mittelständisches Denken sowie die 1911 geschaffene Angestellten-Versicherung schon etwas früher die Bildung eines ,Angestelltenbewußtseins' und den organisatorischen Zusammenschluß verschiedener Angestellten-Gruppen begünstigten.
145
TEIL 3
Das Großunternehmen in einer instabilen Umwelt 1914-1929 - Kriegskonjunktur, Krise, Stabilisierung und Expansion
Bis 1914 hatte G F die wesentlichen strukturellen Wandlungen zu einem Großunternehmen hinter sich gebracht. Wie entwickelte sich das Großunternehmen unter den instabilen Verhältnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit nun weiter? Welche Auswirkungen hatten die instabilen Umweltverhältnisse auf Struktur, Zusammensetzung und Funktionieren der Unternehmensleitung? Welches waren die Hauptprobleme, mit denen die Leitung konfrontiert war, und wie löste sie sie? Wie entwickelten sich Unternehmensorganisation, Verwaltungsapparat und Betriebsorganisation? Welche Auswirkungen hatten diese Entwicklungen auf die Managementmethoden und auf die Zusammensetzung der Angestelltenschaft? Wie waren die Lage und die Lebenschancen der Angestellten, und was dachten und taten diese in der allgemeinen sozialen und politischen Krise der ersten Nachkriegsjahre? Wuchsen die bis dahin weitgehend selbständigen Berufs- bzw. Tätigkeitsgruppen der Angestellten betrieblich und gesellschaftlich zu einer Mittel- oder einer Angestelltenschicht zusammen, oder verstärkten sich Annäherungsprozesse zwischen Angestellten und Arbeitern? Welche Faktoren förderten oder behinderten den Entwicklungsprozeß in der einen oder anderen Richtung? Geschäftlich gesehen war der Krieg für das an der deutschen Grenze gelegene, aber zur neutralen Schweiz gehörende Metallunternehmen trotz aller Schwierigkeiten eine Phase der Prosperität. Einem leichten absatzmäßigen Rückgang 1914 - verursacht durch die Geschäftsstockung bei Kriegsbeginn - folgte in den nächsten Jahren ein starker Aufschwung mit dem Höhepunkt 1917^. Typisch war in dieser Zeit eine Akzentverschiebung zwischen den Hauptproduktezweigen; im Vergleich zu den Vorkriegsjahren gingen die Fittings zurück, während andererseits das Stahlformgußund das allgemeine Tempergußgeschäft (Kriegs- und kriegswichtige Güter) enorm ausgedehnt werden konnten^. Der gewichtsmäßige Absatz betrug 1917 das Doppelte von 1910 und 2 3 % mehr als im besten Vorkriegsjahr (1913). Nach einem ersten Rückschlag 1919 folgten ein neuer relativer 146
Aufschwung 1920 und hierauf die starke Krise 1921/1922. Bis zu diesem Zeitpunkt verlagerten sich auch die Schwergewichte in der Produktion wieder, indem Stahlformguß und Temperguß (exkl. Fittings) auf den Anteil, den sie in der Vorkriegszeit gehabt hatten, zurückgingen. A n die Krise 1921/1922 schloß ein sehr schwacher, aber kontinuierlicher Aufschwung bis 1925 an. 1925 war (gewichts-)absatzmäßig u n d umsatzmäßig wieder etwa das Niveau von 1916/1917 erreicht. D e r weitere Aufschwung bis 1929/1930 w u r d e 1926 noch einmal durch eine vor allem in der Stahlgießerei spürbare Krise unterbrochen. V o n den Bruttoinvestitionen her läßt sich der Untersuchungszeitraum aufteilen in Jahresfolgen mit über- resp. unterdurchschnittlicher Investition^.In den Jahren 1914-1916 wurden n u r die nötigsten Investitionen vorgenommen; man lastete die in den letzten Vorkriegsjahren geschaffenen Kapazitäten voll aus"*. V o n 1917 bis 1921 hingegen wurde zur Ausnützung der Kriegskonjunktur und zur Umstrukturierung auf die Friedenswirtschaft ständig überdurchschnittlich investiert. Darauf folgte eine Rationalisierungs- und Schrumpfungsphase mit schwacher Investitionstätigkeit (1922-1925) und schließlich in den späten Zwanzigerjahren eine Periode mit kostspieliger Expansion^. Schaubäd 5: AG der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer 1930 (Aktienkapital 25 Mio. Fr.)« S C H A F F H A U S E N (STAMMHAUS) , Wll Nebenbetriebe
SINGEN WIV Stahlguss
W III Fittings Temperguss
(1907»)
Werk Maschinenfabrik, GrauEbnat giesserei Stahlgiesserei (1921·) (1927·)
Werk Singen Fittings Temperguss
(1895·)
1929 integriert
Bauges. Breite Société pour Société de MéAG. SH la Vente des tallurgie SA. (1906·) Raccords SuisParis. ses. Paris (1923·) M904*) Wohnungsbau
Verkaufsbüro Mailand. (1919·)
Verkauf
Eisen bergwerk Gonzen A G . Sargans. (1919·)
Electric Steel Britannia Iron Wagner ec EngCastings Co. and Steel Work len G m b H . Ltd. Sheffield. Ltd. Benford. Mettmann. (1917·) Liqui(1933·) (1928·) diert 1933 Produktion
Beteiligung
Rohstoffe
Ein großer Teil der Investitionen seit 1917 w u r d e f ü r Aufkäufe und Beteiligungen verwendet; indem sich G F im In- und Ausland R o h s t o f f u n ternehmen und Produktionsbetriebe angliederte, w u r d e die Firma zu einem beträchthchen Konzern. Das Kernstück bildeten aber weiterhin die 147
Betriebe in Schaffhausen und Singen. Hier nahm die Werkstättenfläche zwischen 1915 und 1925 um 7 0 % zu. Die Zahl der installierten PS, die als Indikator für die Mechanisierung dienen kann, stieg zwischen 1914 und 1924 um 1 5 0 % . 1925 wurde 17,4mal mehr Strom konsumiert als 1896, bzw. 4,3mal mehr als 1914'' In den Kriegsjahren mit ihrer Produktionshetze, Rohstoff- und Arbeiterproblemen sowie in den instabilen Jahren bis weit in die Zwanzigerjahre hinein war die Produktivität geringer als in den letzten Vorkriegsjahren. Langfristig ging aber auch hier die Tendenz deutlich aufwärts. Die Beschäftigtenzahl® in Schaffhausen und Singen wurde bei Kriegsbeginn 1914 drastisch reduziert, wobei die Entlassungen fast ausschließlich das Arbeiterpersonal betrafen. In Singen schrumpfte das Arbeiterpersonal vorübergehend von über 1000 auf 200, in Schaffhausen auf vorübergehend 865^. Insgesamt stieg die Beschäftigtenzahl bis zum Jahresende jedoch wieder auf drei Viertel der Beschäftigten von 1913. Sie verdoppelte sich hierauf bis ins Haussejahr 1917 von 3059 (1914) auf 6115 und betrug dann bis 1920 über 5000. Der Anteil der Schaffhauser Belegschaft sank dabei nie unter 6 7 % , während er in den zehn Vorkriegsjahren durchschnittlich um 5 5 % betragen hatte. Von 1920 bis 1921 fiel wegen der Krise die Gesamtbeschäftigtenzahl auf 4195, schrumpfte bis 1924 weiter bis auf 3894 und nahm hierauf, unterbrochen vom Rückgang 1926/1927, wieder zu. Fast unbedeutend war die Abnahme der Schaffhauser GF-Angestelltenschaft nach Kriegsausbruch. In der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit stieg die Zahl der Angestellten in Schaffhausen von 256 (1914) auf 516 (1920). Durch die Entlassungen in den Jahren 1921/1922 schrumpfte die Angestelltenschaft dann aber doch wieder auf 417 Personen im Jahre 1922. Erst 1929 arbeiteten in den Schaffhauser Stammbetrieben von G F wieder ähnlich viele Angestellte wie anfangs der Zwanzigerjahre.
/. Machtverschiebungen in der Unternehmensspitze und die Gestaltung der Leitung im Konzern-Unternehmen Bei Kriegsausbruch hatte G F eine erfahrene und eingespielte Führungsmannschaft aus Bankenvertretern und Managern. Wie wirkten sich nun die instabilen Verhältnisse und die weitere Expansion, verbunden mit dem Konzernausbau, auf das Funktionieren der Leitung und auf die Machtverhältnisse innerhalb der herrschenden Koalition aus? - Was für Leitungsprobleme ergaben sich aus dem weiteren Unternehmenswachstum, und vor allem mit der Konzernbildung? Die instabilen Verhältnisse während des Krieges und in der unmittelbaren Nachkriegszeit verstärkten tendenziell die Autonomie des Managements gegenüber dem Verwaltungsrat. Besonders deutlich wurde dies in 148
den ersten Monaten des Krieges, wovon die folgenden Worte von Verwaltungsratspräsident Gemperle zeugen: „Jeder von uns hat an seiner Stelle die Zeiten der ersten Augustwochen miterlebt und kann sich daher auch eine Vorstellung machen über die Lage, in welche unsere Direktion mit den beiden großen Betrieben in Schaffhausen und Singen und bei der vorübergehenden Unmöglichkeit, mit unserer Singener Fabrik und unsern hauptsächlichsten auswärtigen Verbindungen zu verkehren, versetzt worden ist." Die Einberufung einer Verwaltungsratssitzung sei nicht möglich gewesen. ,,Außerdem lagen die Dinge so, daß die Aufstellung bestimmter Direktiven durch den Verwaltungsrat oder die Fassung bindender Beschlüsse zu Händen der Direktion praktisch gar keinen Wert gehabt hätte, weil die weitere Gestaltung der Verhältnisse sich unmöglich voraussehen ließ.''^" Unter diesen Umständen erteilte der Verwaltungsrat Generaldirektor Homberger die Vollmacht, alles Notwendige zu unternehmen, in besonderen Fällen nach Rücksprache mit dem Verwaltungsratspräsidenten. Die Vollmachten wurden 1915 noch einmal verlängert, doch schaltete sich der Verwaltungsrat in der Expansionsphase 1916/1917 sowie in der instabilen unmittelbaren Nachkriegszeit wieder vermehrt ein, bevor er sich ab 1920 wieder stärker auf die allerwichtigsten Funktionen zurückzog^^. - Tatsächlich hatten natürlich gerade die Banken (vor allem BiS und SKA) auch in der Vollmachtenperiode stets ein letztes Wort mitzureden, indem sie dem Unternehmen Blankokredite bewilligten, mit denen die wegen der Immobilisierung von Guthaben usw. entstandenen Liquiditätsprobleme gelöst wurden!^. 1917 entlastete man Homberger durch die Einstellung des Juristen Dr. Bührer, der den Generaldirektor im Verkehr mit den Behörden vertrat und bei der Lösung rechtlicher Fragen unterstützte. Die Stelle des 1918 verstorbenen technischen Direktors de Boor übernahm Ende 1918 Ingenieur Victor Sauter, der nach seiner akademischen Ausbildung während neunzehn Jahren in leitender Betriebsstellung beim ,,Bochumer Verein" tätig gewesen war. Wie schon bei Moersen ließ man für die höchste Stellung nicht ein Mitglied der eigenen Hierarchie nachrücken, sondern wählte Sauter, der eine ,,Praxis in zweifellos ausgezeichneter Schule"!^ vorweisen konnte. Waren die Umstrukturierung und personellen Veränderungen der Leitung bis 1920 noch relativ spontane Anpassungsmaßnahmen an neu entstandene Bedürfnisse, so wurde nach der Übernahme der Schaffhauser Maschinenfabrik Rauschenbach im Jahre 1921 die Leitungsstruktur neu überdacht und festgelegt. Die MRS blieb formell eine selbständige Gesellschaft, und die Unternehmensleitung mit Direktor C. Müller - der auch GF-Verwaltungsrat war - wurde belassen. Im Verwaltungsrat der MRS hatten schon vor der Übernahme die GF-Verwaltungsräte Gemperle, Homberger und Spahn mitgewirkt, so daß sich auch hier keine besonderen organisatorischen oder personellen Probleme ergaben. Immerhin wurden 149
im Zusammenhang mit der MRS-Übernahme Bedenken geäußert, daß die Geschäftsleitung der Stahlwerke durch die Angliederung neuer Branchen von wichtigen Aufgaben abgelenkt werden könnte. D e m wurde einerseits entgegengehalten, daß Homberger diese Firma schon längere Zeit kenne und daß unter der Oberaufsicht der Generaldirektion die M R S von einer eigenen Direktion geleitet werde. Andererseits wies die Spezialkommission des Verwaltungsrates darauf hin, es sei ,,eine Neuorganisation der Direktion der Stahlwerke bereits in die Wege geleitet, welche der Oberleitung wesentlich mehr Zeit für neue an sie herantretende Aufgaben lassen sollte"i^ Im Herbst 1921 legte der Verwaltungsrat die neue Leitungsstruktur^^ fest. D e m Generaldirektor unterstanden vier ,,Dikasterien" (Direktionsbereiche). Er selber behielt die unmittelbare Leitung und Aufsicht über die Export-Abteilung (Prokurist Felix), die auswärtigen Verkaufsorganisationen und Vertretungen, die Verkaufsabteilung der ,,Elektrostahlwerke" (Prokurist E. Müller) sowie Buchhaltung (Prokurist Weber) und Kassawesen. Homberger blieben somit einige ,strategische' Abteilungen unmittelbar unterstellt: die Verkaufsabteilung der Elektrostahlwerke, weil hier dringend ein neues Fabrikationsprogramm gesucht werden mußte; die Exportabteilung und die auswärtigen Verkaufsorganisationen, weil es hier um die Schaffung, Vergrößerung und Organisierung der Märkte ging, eine Aufgabe, in der er große Erfahrung hatte und die durch die persönliche Kontinuität erleichtert wurde. Schließlich sicherte er sich den Überblick über die geschäftliche Lage durch die direkte Aufsicht über Buchhaltung und Kasse. Den 1. Direktionsbereich leitete Zündel, der für Preise, Förderung der Absatzverhältnisse und Verkehr mit der Kundschaft, Lagerhaltung und Rohmaterialien sowie für die Debitoren-Buchhaltung und Wertschriftenverwaltung verantwortlich war. Den 2. Direktionsbereich übernahm Dr. Bührer als stellvertretender Direktor. Er war verantwortlich für die innere Organisation und die allgemeine Verwaltung, d. h. für Verträge, Steuerwesen, juristische und wirtschaftliche Angelegenheiten, Wohlfahrtseinrichtungen, Wohnungswesen, Unfall- und Versicherungswesen. Ferner unterstanden ihm die Kontakte mit Behörden, Vereinen, Fachverbänden und Presse. Schließlich war er zuständig für Arbeiterfragen, das Lohnwesen und die Lehrlingsausbildung, wobei er über die Festlegung der Anstellungsbedingungen, Gehälter, Ferien, Urlaube, Einstellung, Entlassung usw. in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen technischen Direktor zu befinden hatte. Bührer war damit der erste Verwaltungsdirektor von G F . Bei der Funktion des Verwaltungsdirektors handelte es sich um eine Stelle, die damals in verschiedenen in- und ausländischen Großfirmen geschaffen wurde, um die umfangreicher und vielfältiger gewordenen Personalprobleme zentral und rationeller zu lösen^®. Den dritten Direktionsbereich bildete die Stahlgießerei unter dem technischen Direktor Moersen. Im 150
vierten Bereich waren die Tempergießereien und der allgemeine Betrieb (Maschinenbetrieb, Gas, Wasser, Elektrizität, Güterbeförderung, Lagerverwaltung) unter der Direktion Sauters zusammengefaßt^^. Schließlich wertete man die Leitung in Singen auf, indem der bisherige Subdirektor Welzhofer zum Direktor befördert wurde. Homberger verblieb mit dem neuen Reglement wie bisher die Oberleitung. Nach wie vor liefen ,,in seiner Hand alle Fäden zusammen", und er hatte ,,das entscheidende Wort in allen Fragen der G e s c h ä f t s p o l i t i k " D o c h sollte ihm, der ,,jahrelang die gewaltige Geschäftslast allein auf seine Schultern genommen" hatte, die neue Organisation ,,die dringend nötige Entlastung bringen und es ihm noch recht viele Jahre ermöglichen, seine Tätigkeit auf alles das zu concentrieren, was für die Gesellschaft von lebenswichtiger und fundamentaler Bedeutung"^'war. Andererseits ging es darum, die Mitarbeiter des Generaldirektors ,,zu einem größeren Maße von Selbständigkeit und Verantwortlichkeit heranzuziehen"^". Weiterhin wurde ,,das System einer kollegialen Geschäftsführung" beibehalten, indem unter dem Vorsitz des Generaldirektors sich die Direktoren regelmäßig zur Behandlung ,,wichtiger Geschäfte, welche die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Direktoren in gleicher Weise berühren", versammelten. Zudem sollten ,,nach Zweckmäßigkeit die einzelnen Mitglieder der Direktion unter sich Besprechungen führen "2i(Schaubild 6). Die Beziehung der Geschäftsleitung zu Verwaltungsrat bzw. Verwaltungsratsausschuß wurde leicht modifiziert. Homberger nahm nicht bloß an den Ausschuß-, sondern auch an den Verwaltungsratssitzungen mit beratender Stimme teil. Die Rechte der Direktoren wurden ausgebaut, konnten sie doch ,,auf besonderen Wunsch des Verwaltungsrates oder des Generaldirektors" ebenfalls an den Verwaltungsrats- bzw. Ausschußsitzungen teilnehmen^^. Die Intensivierung der Beziehungen erleichterte die Überwachung der Direktion durch den Verwaltungsratsausschuß^^, förderte aber auch die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen der beiden Instanzen. Eine wichtige Rolle kam dabei weiterhin Gemperle zu, der als Präsident des Verwaltungsratsausschusses speziell die Verbindung zwischen Direktion und Ausschuß herstellte, indem er ,,in ständigem Kontakt" mit dem Generaldirektor und den Direktoren stand. Hingegen war die technische Kontrolle der Betriebsdirektoren durch ein Ausschußmitglied nicht mehr vorhanden, da nach dem Ausscheiden des technischen Experten des Ausschusses, Brunner, kein neuer technischer Fachmann mehr in den Verwaltungsrat berufen wurde, der dessen direkte Kontakte mit der technischen Leitung fortgeführt hätte. Man hatte darauf schon seit 1920 verzichtet, weil man glaubte, daß die Firma über ein gutes technisches Management verfügte^'*. Im Zusammenhang mit der Umbildung der Leitungsstruktur formulierte Industrieanwalt und GF-Verwaltungsrat Spahn einige Überlegungen zum Thema Organisation und Verwaltung, die zeigen, daß dieser typische 151
Schaubild 6: Geschäftsleitung gemäß Reglement vom 26. 9. 1921
Linienbeziehungen kollektive Beratung oder Entscheidung
Ausw. V e r k a u f s organisationen
Vertretungen
FittingsEx portabt
Vertreter der schweizerischen Großindustrie über ein entwickeltes organisationssoziologisches Wissen bzw. Reflexionsvermögen verfügte. „ D i e getroffene Organisation ist präzis u n d bestimmt genug, um f ü r eine klare Kompetenzausscheidung die erforderlichen Richtlinien zu geben. Sie entbehrt aber andererseits auch nicht der nötigen Elastizität, um den mannigfachen Verhältnissen u n d Bedürfnissen der zukünftigen Entwicklung sich anzupassen."^® Eine gute Leitungsstruktur m u ß also einerseits präzise funktionieren wie ein Apparat, d. h. die Qualitäten einer Bürokratie haben; andererseits aber auch flexibel sein f ü r die Anpassung an innere und äußere Entwicklungen, d. h. sie wird implizit als offenes System betrachtet. Zweifellos wurden derartige ,Theorien' durch eine große Praxis sowie durch die Rezeption von organisationstheoretischer Literatur angeregt. Sie passen in den Rahmen der damaligen internationalen Diskussion über Industrieorganisation und Industrieverwaltung, die in einer reichen Publizistik ihren Ausdruck fand^®. Die nächsten bedeutenden Reformen im Bereich von Verwaltungsrat und Direktion spielten sich dann 1923 ab. - N a c h d e m die personelle Zusammensetzung des Verwaltungsrates von 1912 bis 1919 bis auf die Ersetzung Schäfles durch den Ex-Stadtpräsidenten und Industrieanwalt Spahn gleich geblieben war, kam es zwischen 1920-1923 zu einer großen Erneuerung (Tabelle 9). 152
Tabelle 9: Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates 1916-1923" Jahr
Eintritte Name, Firma
1916 1917 C. Spahn (Ind. Anwalt) 1919 1920 Ch.Schlumberger (SBV) 1923 E. Homberger (GF) O.Denzler (SLM) L. Peyer-Reinhart (Ind. Anwalt)
Austritte В SH Name, Firma X X X X
В SH
J. Schäfle (MRS, BiS)
X
C. Schaefer (SBV) E. Brunner-Vogt (BiZ) C.F.W.Burckhardt (Saras.) Α. Gemperle-B. Α. Koch R.Neher (SIG) B. Peyer-Frey
X X X
X
X
В tot. 6 6 5 4
(X) X X
3
В = Bankenvertreter, S H = Schaffhauser Vertreter В tot. = Anzahl der Bankenvertreter im Verwaltungsrat
Der Verwaltungsrat bestand 1923 nur noch aus acht Mitgliedern, darunter drei Bankenvertreter (SKA, SBV, S B G ) . Von den Hausbanken von 1902 war nicht nur die Bank in Zürich in der S K A aufgegangen, sondern 1920 auch die Bank in Schaffhausen im Schweizerischen Bankverein (SBV)^®. Neben dem Rückgang der Bankenvertretung fällt vor allem die stärkere Vertretung der Schaffhauser Industrie- und Finanzkreise auf, die nun die Hälfte der Verwaltungsräte stellten. Diese Verstärkung war nicht zuletzt ein Resultat der Fusion von G F mit der M R S , bei der sich der Kreis um Homberger-Rauschenbach eine stärkere Machtposition im GF-Konzern sichern konnte^'. Es war unter den verschiedenen genannten Umständen nur logisch, daß Homberger 1923 auch Einsitz im Verwaltungsrat und im Verwaltungsratsausschuß nahm und schließlich bei gleichbleibender Funktion - zum ,,Delegierten" ernannt wurde^". Damit war sein Aufstieg vom ,fremden Manager' zum ostschweizerischen Großunternehmer aber noch nicht abgeschlossen. Noch 1923 wurde er nach dem Tode Gemperles und dem Aufrücken Eschers zur Präsidentschaft zum Vizepräsidenten des Verwaltungsrates gewählt; und 1928 löste er den verstorbenen Escher im Präsidentenamt ab^^. Umbesetzungen und kleinere Umstrukturierungen erfolgten 1923 auch auf der Direktorenebene. Wegen der Erkrankung Zündeis wurde dem bisherigen stellvertretenden Direktor Bührer unter Beförderung zum Direktor auch das Fittingsgeschäft zugeteilt. Den bisherigen Prokuristen der Elektrostahlwerke, Ernst Müller, ernannte man zum Prokuristen der Stahlwerke mit den Aufgabenbereichen Stahlgußverkauf Inland und Tempergußverkauf (exkl. Fittings)^^. In der technischen Leitung wurde der 1918 angestellte Victor Sauter als Direktor der Fittings- und Nebenbetriebe durch Fritz Leuenberger ersetzt. Sauter hatte sich als Leiter dieser Abteilungen nicht durchsetzen können, da ihm nach Ansicht des Verwaltungsra153
tes „die wichtigsten Anlagen für die Bekleidung einer leitenden Stellung: Initiative und Selbständigkeit"'^ abgingen. Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter, Fritz Leuenberger, der im Gegensatz zu Sauter bei GF aufgestiegen und ein ausgesprochener Fittingsspezialist war'". Die bisherige Darstellung konnte zeigen, wie sich die herrschende Koalition an der Spitze des Unternehmens langsam veränderte und wie insgesamt das Gewicht der Gruppe Homberger/Rauschenbach zunahm. Im Laufe der Entwicklung setzte sich auch der schon vor dem Weltkrieg feststellbare Bedeutungsverlust der Generalversammlung der Aktionäre fort. 1917 wurde angesichts der Liquiditätsprobleme die Kompetenz des Verwaltungsrates zur Herausgabe von Obligationen erweitert'®. Der Aktienumtausch bei der Fusion von MRS und GF im Jahre 1921 wurde durch die teilweise personell identischen Verwaltungsräte von MRS und GF vorbereitet und den nicht in der herrschenden Koalition vertretenen Aktionären als fait accompli zur Zustimmung vorgesetzt. Wer nicht einverstanden war, konnte höchstens noch in der Presse seinem Ärger Luft verschaffen. ,,Worauf es eben ankommt", meinte ein einflußloser Aktionär in der Schweizerischen Finanzzeitung, ,,ist genau ersichtlich: es handelt sich um die Rettung des größten Teiles der Rauschenbach-Aktien, und diejenigen Aktionäre von Rauschenbach, welche ihre Aktien in Fischer-Aktien umwandeln können, werden sich glücklich schätzen; woher diese ,offerierten' Rauschenbach-Aktien übrigens stammen, wird wohl jedem klar sein, wenn er über die verschiedenen Beziehungen genügend orientiert ist." Zur Charakterisierung des Loses der Aktionäre zitierte er das geflügelte W o r t ,,Les actionnaires sont des lions ou des moutons, mais toujours des bêtes"'®. W o z u anzufügen wäre, daß dies nur für die nicht im Verwaltungsrat vertretenen (Klein-)Aktionäre galt, deren Zahl aber seit 1 9 1 7 deutlich zugenommen hatte^'.
Einen weiteren Schritt zur Zementierung der Vorherrschaft der Gruppe um Homberger bedeutete schheßhch die Schaffung von Namensaktien mit Mehrfachstimmrecht im Jahre 1930, die unter dem Vorwand der Überfremdungsgefahr geschaffen wurden'®. Nachdem sich in den 1920er Jahren angesichts der Finanzkraft" von GF (Selbstfinanzierung!) auch die Abhängigkeit von den Banken weiter verringert hatte, war GF nun wieder eine Art ,FamiHenunternehmen'; zwar nicht mehr ein Familienunternehmen im alten Sinn, aber doch ein Unternehmen, in dem eine Famihe bzw. ein Familienkreis den Ton angab. Hombergers Macht war funktional und finanziell begründet. Er hatte im wachsenden Unternehmen eine dominante Stellung aufbauen können und war über seine famihären Beziehungen durch die Fusion von MRS und GF auch zum Exponenten einer starken Aktionärsgruppe von GF geworden. Die Banken heßen soweit sie überhaupt noch einen größeren Einfluß hatten - ihm weitgehend freie Hand"". Wie löste die Konzernspitze die Organisations- und Leitungsprobleme, die sich im Zusammenhang mit der Anghederung von bestehenden Firmen 154
ergaben, die einige hundert Beschäftigte hatten und deren Produktionsstruktur nur teilweise sinnvoll zu integrieren war? 1917 erwarb G F die Elektrostahlwerke (ESW) in Schaffhausen (Geißberg) und in Giubiasco, die der nach der Jahrhundertwende bei G F ausgebootete Georg Fischer aufgebaut hatte! Die ESW wurden zu einer Konzerngesellschaft von G F , in den Verwaltungsrat der ESW wurden die GF-Verwaltungsräte Gemperle, C . Müller und Homberger abgeordnet^i. Die Geschichte wiederholte sich: Georg Fischer wurde noch einmal von Homberger und Gemperle abgelöst - diesmal allerdings freiwillig! G F ging es beim Erwerb der ESW vor allem um die neue Technologie^^. Georg Fischer hatte als Pionier 1906 eine Lizenz des Héroult-Verfahrens für die elektrische Stahlbereitung gekauft - als die Diskussion über das Elektroschmelzverfahren noch in vollem Gange war - und 1909 auf dem Geißberg in Schaffhausen eine Gießerei gegründet^^. Bei der Einführung der elektrischen Schmelzerei mit einem Héroult-Ofen der Bauart Lindenberg half ihm sein Vetter, der Metallurg Berthold Schudel. Schon bald trennten sich aber die beiden, und Fischer engagierte den österreichischen Schmelzermeister Johann Arbeiter, den er zusammen mit einigen von G F abgeworbenen Arbeitern zur Erlernung des Schmelzbetriebes einige Zeit in das Elektrostahlwerk Richard Lindenberg in Remscheid entsandte'*'*. Wie schon Jahrzehnte vorher, war der Pionier Georg Fischer mit Rekrutierungsproblemen konfrontiert. Es erstaunt denn nicht, daß er 1910 einen Engländer als Räderkonstrukteur und 1912 einen anderen Engländer als Werkstättenchef engagierte. Zudem beschäftigte er stets eine Reihe deutscher Ingenieure und Techniker. Vorerst scheint der Erfolg der Firma, die Achs- und Getriebegehäuse, Bremstrommeln, Räder usw. produzierte, noch nicht überwältigend gewesen zu sein, was Fischer angesichts seiner großen finanziellen Reserven aber kaum irritieren konnte. Der mangelnde Erfolg bestätigte vorläufig jedoch die wirtschaftlich denkenden GF-Spitzentechniker in ihrer Ablehnung der Elektrostahlgießerei. So urteilte Moersen 1911 in einem Gutachten: In Deutschland sei zwar die Werbetrommel für dieses Verfahren eifrig gerührt worden, ihm sei aber nur eine kleine Gießerei bekannt, die damit arbeite. ,,Ιη der Schweiz sind zwei, ebenfalls kleine Gießereien auf das neue Verfahren hereingefallen und soviel mir bekannt, arbeiten beide mit negativem finanziellem Erfolg. In Deutschland ist man denn auch mit Bezug auf den elektrischen Gießerei-Betrieb sehr pessimistisch und wohl mit Recht, denn das Verfahren ist einfach zu teuer, und wenn auch seine Befürworter geltend machen, daß im Elektro-Ofen besser raffiniert werden kann, so zahlt doch die Kundschaft eben für die elektrisch hergestellten Formstücke nicht mehr als für die aus dem Martin-Ofen oder Kupol-Ofen gegossenen, welch letztere für alle Zwecke vollauf genügen.'"" Indessen konnte das Werk Georg Fischers langsam expandieren und beispielsweise 1913 an der N e w Yorker Madison Square Garden Motor 155
Show größere Aufträge von bekannten amerikanischen Lastwagenfabriken für sich buchen, wodurch Homberger alarmiert wurde und einen G F Vertreter zur Informationsreise in die U S A entsandte"®. Mit der Kriegskonjunktur wurden die ESW endgültig zu einem wirtschaftlichen Erfolg. „ B e i lohnenden Preisen konnten" - so Ith - „ d i e billigen und zum Teil sehr primitiven Fabrikanlagen voll ausgenützt werden. Die Haupterzeugnisse der Stahlformgießerei wie Lastwagenräder, Hinterachsgehäuse und andere Autoteile erreichten einen Grad der Vollkommenheit, der ihnen reißenden Absatz verlieh."·*^ Die Beschäftigtenzahl betrug 1916 vierhundert, und in diesem Jahr gründete Georg Fischer eine zweite Firma in Giubiasco, die vor allem Werkzeug- und Magnetstahl herstellte. Von ihren Möglichkeiten her boten diese beiden Werke für G F in der Kriegskonjunktur eine wertvolle Ergänzung, größere Anpassungsprobleme ergaben sich nach der Eingliederung nicht. Der Verwaltungsrat wurde ausgewechselt, der technische und der kaufmännische Leiter der ESW wurden der GF-Direktion unterstellt, behielten aber eine gewisse Selbständigkeit. Kaufmännischer Leiter wurde der bisherige GF-Korrespondent Ernst Müller"®, die technische Leitung wurde belassen. Von Schaffhausen aus war man in der Folge verschiedentlich mit Reibereien in der technischen Leitung von Giubiasco beschäftigt''^, wobei es sich grundsätzlich um Rivalitäten handelte, wie sie bei G F vor allem zwischen 1902 und 1910 aufgetreten waren. Gefährlich wurden die Konflikte nur, wenn sie mit Methoden aus dem kaiserlichen Deutschland ausgetragen werden wollten: Ith erinnert sich, daß der deutsche Stahlwerkschef nach einem Streit mit dem ebenfalls deutschen Betriebsleiter von Giubiasco diesen auf ,,schwere Säbel" forderte. N u r weil Moersen mit dem Nachtzug nach Giubiasco fuhr und noch rechtzeitig vermitteln konnte, sei es nicht zu dem blutigen Treffen gekommen®". - Nach dem Krieg integrierte G F den besten Teil der Anlagen und des Personals nach und nach in die bestehenden Strukturen der bisherigen GF-Werke. Nachdem verschiedene Versuche, die ESW autonom weiter bestehen zu lassen, gescheitert waren^i, wurden sie stillgelegt und die Räumlichkeiten (in Schaffhausen) für Nebenabteilungen u. ä. verwendet. Von ganz anderer Bedeutung und ingesamt eher mit größeren Schwierigkeiten verbunden war die Integration der 1921 fusionierten Maschinenfabrik Rauschenbach in Schaffhausen, die bis 1929 noch als selbständige Gesellschaft (im Konzern) figurierte. Es war einigermaßen erstaunlich, daß G F eine traditionsreiche Maschinenbaufirma übernahm, die mit Holzbearbeitungs-, Müllerei- und Landwirtschaftsmaschinen Produkte herstellte, mit denen zum Zeitpunkt der Übernahme sicher, vermutlich aber auch mittelfristig keine großen Geschäfte zu machen waren. Die Verantwortlichen betonten denn auch, daß es eher um den Erwerb von Raum gehe, mit dem die GF-Betriebe künftig besser gestaltet werden könnten®^. Wichtiger war aber zweifellos, daß den MRS-Aktionären ihr Besitz nicht entwertet 156
wurde, nachdem die Firma in eine bedrohliche Krise gekommen war. Deshalb eröffnete das G F - und MRS-Verwaltungsratsausschußmitglied Gemperle die Übernahmeverhandlungen mit dem an den MRS-Verwaltungsrat und GF-Generaldirektor Homberger gerichteten Vorschlag: „ N a c h meiner Ansicht gibt es nur eine einzige Lösung, und zwar durch eine Kombination mit den S t a h l w e r k e n . D o c h nicht nur Gemperle und Homberger waren an der Vermeidung einer ,,Katastrophe"®'* interessiert. In der Leitung der M R S saßen weiter die GF-Verwaltungsräte Müller (als Direktor) und Dr. Spahn (VR), zudem war die MRS-Kreditgeberin S B G in beiden Verwaltungsräten vertreten. Nach diffizilen Verhandlungen einigte man sich auf die Übernahme der M R S durch G F durch einen Aktienumtausch®®. G F ging damit eine Interessengemeinschaft mit einem technisch relativ modernen, ökonomisch aber kriselnden Unternehmen ein und versuchte, eine gewisse Kooperation zu etablieren. Schon nach kurzer Zeit wurde positiv festgehalten, daß Rauschenbach die gesamten Reparaturen und Umänderungen von Maschinen für das Stahlwerk besorge®^. Nach einem Bericht aus dem Jahre 1924 scheinen die MRS-Leiter die Kooperation aus ihrer Warte aber eher ungünstiger beurteilt zu haben. ,,Der gegenseitige Verkehr war eine Zeitlang ein recht unerfreulicher. Unsere Leute erhielten den Eindruck und auch vielfach die Überzeugung, daß sie eben als Stiefkinder vom St. W. [Stahlwerk] betrachtet und behandelt wurden Der Schreibende selbst hat den Eindruck, daß hie und da eingetretene Meinungsverschiedenheiten zum Teil auf die Beamten der Stahlwerke zurückzuführen sind, indem die letzteren allzusehr nur für ihre eigenen Interessen, resp. an diejenigen der Stahlwerke dachten. Viele überlegten sich jedenfalls zu wenig, ob die in Auftrag gegebenen Arbeiten in den Arbeitsplan der MRS hineinpassen Die Direktion und die leitenden Angestellten von M R S hätten zwar nach dem Bekanntwerden der ,,Interessengemeinschaft" versucht, möglichst die Wünsche der Stahlwerke vorzuziehen, ,,oft unter Zurücksetzung der eigenen geschäftlichen Vorteile", worunter jedoch der Geschäftsgang der M R S leide. ,,Interessengemeinschaft" scheint vielfach bedeutet zu haben, daß die GF-Leute der ,eroberten' M R S gegenüber ein Ausbeutungsverhalten zeigten. 1924 mußte die M R S - ein Unternehmen mit 448 Arbeitern und 103 Angestellten - saniert werden®®. In diesem Zusammenhang kam im MRSVerwaltungsrat auch die Qualität der Direktoren ins Gespräch. Man traute weder dem technischen Direktor Degen noch dem kaufmännischen Direktor C . Müller die Lösung der großen äußeren und inneren Probleme dieser Firma zu. Im technischen Bereich führten die von Degen geförderten Rivahtäten unter den Technikern zu bedeutenden, kostspieligen Mißerfolgen®^. Dazu kamen häufige Konflikte mit der Arbeiterschaft, so daß Verwaltungsrat Lauster in einem Brief an Homberger zu der Feststellung 157
kam, Degen solle im Interesse der Werke möglichst rasch ausscheiden®". Ebenso ungünstig scheint das Arbeitsklima im kaufmännischen Bereich unter Direktor C . Müller gewesen zu sein, der aber als GF-Verwaltungsrat noch lange eine gewisse Immunität genoß, bis man sich auch dort allgemein der ungünstigen Meinung Lausters anschloß, der betonte, daß nach seinen Informationen Müller ,,als das Hindernis einer gedeihlichen Entwicklung" betrachtet werden müsse, denn dieser habe ,,weder das Vertrauen seiner Mitarbeiter resp. Untergebenen", noch genieße er ,,dasjenige der Kundschaft"". Nachdem der ehemalige GF-Reisevertreter Laporte Anfang 1925 die Stelle Müllers eingenommen hatte, verursachten die Suche nach einem technischen Direktor und prinzipielle Fragen zur Organisation der M R S Oberleitung noch einiges Kopfzerbrechen. Lauster wünschte einen kaufmännischen Leiter an der Spitze: ,,Für das verhältnismäßig kleine Werk, wie es Rauschenbach ist, scheint es mir in der Tat richtiger, einen kaufmännischen Leiter an die Spitze zu stellen. Die fortlaufende Kontrolle des Unternehmens wird hauptsächlich eine kaufmännische Aufgabe sein; wenn die richtige Fabrikation einmal eingeleitet ist, wird die Hauptarbeit gerade darin bestehen, das Unternehmen fortlaufend auf seine Rentabilität hin zu prüfen, und es mag zweckmäßig erscheinen, wenn die Prüfung nicht bei derjenigen Stelle liegt, die für die Ausführung der Arbeiten des Werkes zu sorgen hat, sondern bei der kaufmännischen Leitung, die eher in der Lage ist, diese Frage objektiv zu prüfen."®^ Der Verwaltungsrat der M R S entschied sich indessen für die Übertragung der Geschäftsleitung an eine Persönlichkeit, ,,welche in erster Linie für die technische Leitung befähigt ist (Ingenieur), daneben kaufmännische Anlagen besitzt, u m eine Zusammenarbeit der beiden Faktoren zu beurteilen und zu fördern"®^. Gewählt wurde der ETH-Ingenieur J a k o b Meier, der vordem Betriebsdirektor bei Deutz gewesen w a r ^ . Mit diesem Engagement waren die Leitungsprobleme vom personellen Aspekt her erfolgreich gelöst.
Einen weiteren Schritt zur Integration der M R S bedeutete schHeßHch die Errichtung der Stahlgießerei Ebnat 1925/1926 auf dem Gelände der M R S . Diese Gießerei wurde verkaufstechnisch und buchhalterisch völlig den Stahlwerken unterstellt, obwohl sie formalrechtlich zur M R S gehörte®^. 1929 wurde die gesamte M R S den Eisen- und Stahlwerken angegUedert und als Firma aufgehoben. N u r wenige Jahre nachdem die GF-Leitung in einem längeren Lernprozeß ein funktionierendes Management für Schaffhausen und Singen geschaffen hatte, war sie im Falle der übernommenen ESW und M R S mit der schwierigen organisatorischen Aufgabe konfrontiert, bestehende Firmen zu integrieren und zu leiten. Gerade im Zusammenhang mit der damals für ein Großunternehmen durchaus typischen Konzernbildung ließ sich zeigen, wie rasch eine Unternehmensleitung lernen mußte, für sie neuartige Organisations- und Managementprobleme zu lösen. Daß dies 158
nicht ohne Irrtümer und Umwege abging, erstaunt nicht, war aber im Falle einer finanzstarken Firma auch nicht besonders folgenschwer. Abschließend soll noch eine kriegsbedingte Besonderheit des WerkManagements in Singen erwähnt werden. - G F hatte als Lieferant der deutschen Armee auf Betreiben der deutschen Behörden 1917 in Singen ein neues Stahlwerk eingerichtet. Die kaufmännische Verwaltung wurde problemlos der bisherigen Administration der Fittings- und Tempergießerei übertragen, die technischen Leiter mußten indessen immer wieder ausgewechselt werden^®. Ein Phänomen des .Organisierten Kapitalismus'®'' in Kriegs-Deutschland war, daß die Leitung des Stahlwerks nicht autonom war, sondern unter der Kontrolle des 13. Armeekorps, vertreten durch einen Leutnant und einen Abnahmekontrolleur, stand®®. G F mußte sich diese lose Kontrolle gefallen lassen, hatte dafür aber eine sichere Rendite und konnte die Rekrutierung und Disziplinierung der Arbeitskräfte der Armee überlassen. Betriebsleiter Schneckenburger schreibt in seinen Erinnerungen: ,,Das 13. Armeekorps mußte mir für Leute sorgen Die Gefangenen [Kriegsgefangenen] wurden unter militärischer Deckung vom Gefangenenlager Singen ins Werk geführt und wieder abgeholt. Wir haben sie alle als Gußputzer verwendet, um sie in einer Halle zu haben. Diese Werkstätte war bewacht, und wenn ein Gefangener austreten mußte, wurde er von einem Wehrmann begleitet."®^ Nach Kriegsende wurde die Stahlgießerei in Singen wieder aufgehoben und die vorhandene Anlage den übrigen Werken angegliedert''*'.
II. Die Entwicklung der Betriebe - Kriegsprobleme Rationalisierungsbewegung
und
Nachdem sich bei G F in der Vorkriegszeit eine Tendenz zur Einsparung von Arbeit bemerkbar gemacht hatte, kam es in den ersten Kriegsjahren wieder zu extensiverem Einsatz; produziert wurde mit viel billigem Personal und langen A r b e i t s z e i t e n J e länger der Krieg- und damit die Kriegskonjunktur dauerte, um so weniger genügten die Anlagen, und die Geschäftsleitung mußte für den raschen Ausbau der Fabrikationskapazitäten sorgen. Zunächst wird zu untersuchen sein, durch welche Faktoren in einer noch unberechenbarer gewordenen Umwelt die Entscheidungen über die Betriebsstruktur bestimmt waren, bzw. wie diese Faktoren in die Überlegungen der Entscheidungsträger einflossen. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden verschiedene Aspekte der Rationalisierung in der Zwischenkriegszeit behandelt. In der Nachkriegszeit - mit starken sozialen Spannungen in Unternehmen und Gesellschaft sowie schwierigen Absatzmarkt- und Währungsverhältnissen - kam es bei G F zu einem neuerlichen Rationalisierungsschub. Die Rationalisierungen bei G F waren dabei Teil
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einer breiten nationalen und internationalen ,Rationalisierungsbewegung'. Es wird darum gehen, die Konzepte der damaligen Rationalisierer vorzustellen, die Rationalisierungsbewegung in der Schweiz ansatzweise zu untersuchen und in diesem Rahmen die Rationalisierung bei G F zu analysieren. In den ersten Kriegsmonaten wurde die Fittingsproduktion in den Weichgießereien völlig eingestellt, die Lieferungen erfolgten ab Lager. Doch schon bald häuften sich auch in der Weichgießerei wieder die Aufträge, nachdem es gelungen war, viele Bestellungen von Kriegsmaterial aus Temperguß zu beschaffen^. Ein Jahr nach Kriegsausbruch hatten sich auch die Absatzverhältnisse für Fittings verbessert, doch die Leitung war nun mit Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen und der Rekrutierung von Arbeitskräften konfrontiert. In der beginnenden Kriegskonjunktur mußte man angesichts des durch die Mobilisierung eingeschränkten Arbeitsmarktes jeden Eintrittswilligen einstellen, was nach Ansicht der Geschäftsleitung zur Folge hatte, daß sich die Gestehungskosten ,,infolge der mangelhaften Leistung einer zusammengewürfelten und ungeübten Arbeiterschaft"^ sehr erhöhten. 1916 entSchloß sich der Verwaltungsrat, der nicht nur die bessere Marktlage bemerkte, sondern auch einen baldigen Frieden erwartete, zu einer Kapazitätserweiterung im Werk III (Fittings- und Weichgießerei). Die Entscheidung für die Vergrößerung war zudem durch eine außenpolitische Einschätzung motiviert: ,,Der Neubau ist aber auch notwendig für die Vergrößerung der Fittingsfabrikation, falls der Wirtschaftskrieg nach Friedensschluß uns zwingen sollte, unsere Kundschaft in den derzeitigen Entente-Ländern mit Schweizerfabrikat zu versorgen.'"* Nachdem 1916/1917 noch die Appreturabteilung von Werk III ausgebaut sowie eine Kleingießerei im vierten Stock angegliedert worden war®, kam es ab 1918 zu einem weiteren, wiederum durch die politische Entwicklung nahegelegten, großen Ausbauschritt im Werk III. Einerseits wollte man sich nach dem Abflauen der kriegsbedingten Stahlgußkonjunktur wieder stärker auf die Fittings abstützen®, andererseits legten die neuen politischen Verhältnisse einen Ausbau der Fabrikationsanlagen in Schaffhausen nahe. ,,Wenn wir nun an der Ansicht festhalten, daß die alliierten Länder auch für die nächsten Jahre wieder von Schaffhausen aus bedient werden müssen, so bedingt dies eine weitere Vermehrung der Gewindeschneidmaschinen im Werk III, die uns alsdann erlaubt, auch Elsaß-Lothringen, eventuell Polen und Rumänien, von Schaffhausen aus zu versorgen."'' Der Entscheid, in Schaffhausen und nicht in Singen auszubauen, war aber auch durch die Bedenken der Verwaltungsräte wegen der vergleichsweise sehr instabilen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation in Deutschland beeinflußt®. Wie entwickelte sich die Stahlgießerei? Nach einem kurzen Produktionsstopp bei Kriegsausbruch begann der enorme Aufschwung dieses Fabrika160
tionszweiges. GF profitierte dabei vom Standort in der neutralen Schweiz und konnte sich in vielen Fällen, wo der Lieferant und der Abnehmer aus miteinander verfeindeten Ländern stammten, ,,an die Stelle der bisherigen Lieferanten setzen"®. Zur Weiterführung des ,,aufs äußerste gesteigerten intensiven Betriebs" wurden 1915 bedeutende Neuanschaffungen notwendigi", und Anfang 1916 beschloß der Verwaltungsrat die Erweiterung der Stahlgießerei Werk FV Im Herbst 1916 wurde die Appreturabteilung der Stahlgießerei I ausgebaut und im Dezember die Errichtung einer neuen Gußputzerei in die Wege geleitet, weil jene schweizerischen Firmen, die diese Bearbeitung bisher teilweise übernommen hatten, selbst überbeschäftigt waren^i. Wie schon ausgeführt, beschloß man zudem 1916 die Errichtung einer Stahlgießerei in Singen, da ,,Behörden, Militär- und MarineVerwaltungen, sowie Werften, welche sonst unsere dünnwandigen und komplizierten Gußstücke gern bestellen, besonderen Nachdruck auf deutsch-inländische Gußstücke" legten^^. GF verfügte nicht über eigene Rohstoffe. Die schweizerischen Betriebe von GF bezogen ihre Rohstoffe aus dem Ausland. Deshalb stellten sich dem Schaffhauser Gießereiunternehmen gerade in den Kriegsjahren und in der unmittelbaren Nachkriegszeit immer wieder Versorgungsprobleme. In der ersten Kriegszeit waren die Rohstoffmärkte im Vergleich zu später noch leichter zugänglich, und G F versuchte das Problem durch große Lagerhaltung zu lösen. Nach dem Motto, ,,daß man nur mit den Materialien sicher rechnen kann, die man auf dem Fabrikhof liegen hat"^^, deckte man sich 1916 mit Sand-, Brennmaterial- und Hämatitvorräten für ein Jahr ein. Diese Lagerhaltungspolitik war unter anderem durch eine vorübergehende Ausfuhrsperre Englands für Hämatite im Frühjahr 1915 ausgelöst worden. Zu jenem Zeitpunkt hatte man sich bei GF zudem für die Einschränkung des Verbrauchs von schwer zugänglichen Materialien entschieden, indem ein neuer Siemens-Martin-Ofen angeschafft wurde, der viel weniger teure und knappe Hämatite brauchte als das Konverterverfahren^"·. Als aber zudem der Koks nicht nur teurer, sondern auch schlechter wurde^^, ergriff man 1917 die sich bietende Gelegenheit, das elektrische Stahlherstellungsverfahren zu erwerben und dadurch den Gebrauch dieser Rohstoffe mindestens für einen Teil der Produktion zu vermeiden. Man erwarb damit ein Verfahren, das man in der Vorkriegszeit noch wegen der hohen Fabrikationskosten abgelehnt hatte. Den Auslöser zur Übernahme der neuen Technologie bildete ein Streit mit den Elektrostahlwerken von Georg Fischer auf dem Schaffhauser Geissberg, die sich aus der Ähnlichkeit ihrer Firmenbezeichnung mit jener von G F immer wieder Vorteile zu verschaffen suchten. Der Konflikt endete mit dem bereits geschilderten Verkauf der Elektrostahlwerke durch Georg Fischer an GF. Die GF-Leitung griff zu, weil sie ständig Schwierigkeiten mit dem Nachschub für die vorhandenen Öfen hatte und andererseits feststellte, daß ,,die Betriebskosten der Elektrostahlwerke nicht durch die 161
außerordentliche Erhöhung der Kohlenpreise und der Preise für Hämatite beeinflußt wurden"!®. Der Verwaltungsrat hoffte, daß somit noch weiterproduziert werden könnte, wenn man ,,wegen Mangels an Hämatiten oder Kohlen mit den Convertern nicht mehr und mit den Martin-Öfen nur noch beschränkt arbeiten" könnte. Zufriedenheit herrschte aber auch darüber, daß man einen lästigen Konkurrenten auf den Absatz- und Arbeitsmärkten los war^®. Die langfristige Bedeutung dieses Kaufes bestand im Erwerb einer zukunftsträchtigen Technologie. Die GF-Leitung äußerte, daß sich die Einführung der neuen Technologie durch Erwerb des Elektrostahlwerks auf einfache Art bewerkstelligen lasse, ,,unter Ausmerzung des sonst unvermeidlichen Zeitverlusts und der Kinderkrankheiten", denn mit dem Elektrostahlwerk würde man das ,,eingearbeitete und geschulte Personal mit übernehmen"!'. Die damaligen Gießereifachleute von G F betonten übrigens in ihren Erinnerungen, daß sich die Innovation, an deren Vorteil sie zuerst nicht geglaubt hatten, tatsächlich auch aus technischen Gründen aufgedrängt hatte; nachdem Versuche, mit dem Martin- oder Konverterverfahren Manganhartstahl u. ä. herzustellen, gescheitert seien, habe das Elektroverfahren ganz neue Möglichkeiten eröffnet^". Die Verwaltungsräte waren sich ihrerseits schon bald über den ökonomischen Erfolg im Klaren, als sie im September 1917 feststellten, ,,daß durch die Fortdauer des Krieges und durch die Verteuerung der Kohle der Erwerb von drei Elektrostahlöfen mit den entsprechenden Stromlieferungsverträgen gewonnen habe" und daß diese Neuerung auch ,,in der Zukunft von erheblichem N u t z e n " sein werde^!. Nicht unwesentlich war angesichts der vielen Aufträge in den beiden letzten Kriegsjahren auch die enorme Kapazitätsvergrößerung, denn die Werke Giubiasco und Geissberg produzierten 1918 gewichtsmäßig annähernd soviel Stahlguß wie die Werke I und IV (Birch)^^. Zwar wurde ein immer größerer Teil der Produktion elektrisch hergestellt, doch blieb in der Kriegs- und Nachkriegszeit, bis weit in die Zwanzigerjahre hinein, das Rohstoffversorgungsproblem akut. Deshalb beteiligte sich G F an verschiedenen Rohstoffgesellschaften, seien es Einkaufsgesellschaften wie die Kohlenzentrale, die Schweizerische Eisenzentralstelle u. ä. oder potentielle und tatsächliche neue Produktionsgesellschaften wie z. B . die Schweiz. Kohlenbohrgesellschaft oder die bedeutende Eisenbergwerk Gonzen AG^^ ¿gf Normalisierung in den Zwanzigerjahren wurden diese Schritte zur Integration der Rohstoffbasis dann wieder großenteils rückgängig gemacht. Als Fazit der Entwicklung der GF-Betriebe in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren können wir abschließend festhalten, daß die vorhandenen Betriebe beträchtlich erweitert wurden und daß neue Betriebe, teilweise Tochterunternehmen, zeitweilig oder für immer hinzukamen. Einen äußeren Eindruck von der Entwicklung der Stammbetriebe im Schaffhauser Mühlental gibt die Beschreibung der architektonischen Struktur; Stämpfli 162
schildert, daß man bis zum Krieg „im Werk I und III noch billig und in einem für Fabriken der Eisen-Industrie bewährten Stil, d. h. meist ein- und zweistöckige Gebäude" habe bauen können. Die Erweiterungen während des Krieges erforderten jedoch bereits kostspielige Hochbauten. ,,Das Areal war so weit wie möglich, bis an die Felswände überbaut, und wir mußten mit äußerst soliden fünf- und sechsstöckigen Hochbauten beginnen Teilweise schon in den letzten Kriegsjahren, zunehmend aber in den Zwanzigerjahren machte sich bei GF wieder eine stärkere Tendenz zur Rationalisierung bemerkbar. Im Laufe der Zwanzigerjahre wurde ,Rationalisieren' zum stärksten Leitmotiv der schweizerischen und internationalen Wirtschaft überhaupt. ,Rationalisierung' war jedoch, wie wir in früheren Kapiteln gesehen haben, gar nichts so Neues, wie dies die Vertreter der Rationalisierungsbewegung der Zwanzigerjahre immer wieder dargestellt haben. Das Neuartige an der Rationalisierungsbewegung der Zwanzigerjahre war ,nur' ihre Breite und die Vielfalt der angebotenen, relativ systematischen Konzepte, die, ob jüngeren oder schon älteren Datums, nun von einer größeren Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen und von einer beträchtlichen Anzahl von Unternehmen in die Praxis umgesetzt wurden. Einleitend sollen einige Formen der Rationalisierung, die teilweise in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, kurz beschrieben werden. - Unter den Begriff der technischen Rationalisierung fällt der Einsatz von besseren Werkzeugen, Maschinen, Energien, Transportsystemen usw. Die technische Rationalisierung führt normalerweise zur Intensivierung der Arbeit, ihre Grenzen liegen im Stand und in der Zugänglichkeit des technischen Wissens, im Anpassungsverhalten der betroffenen Werktätigen, in den Kosten usw. Sie ist die .klassische' Form der Rationalisierung. - Mit der sozial-technischen oder sozial-organisatorischen Rationahsierung, deren Beginn grob in die Zeit um die Jahrhundertwende fällt, wurde der Mensch zum Objekt der RationaUsierungsbestrebungen^®. Oie Arbeitswissenschaftler untersuchten systematisch den Einsatz der Arbeitskraft und die Möglichkeiten der Leistungssteigerung. Bekannte Beispiele dafür sind die Konzeption F. W. Taylors, die eine ,,möglichst ökonomische Ausnutzung der Arbeiter und der Maschinen"^® anvisierte; Gilbreth's Bewegungsstudien und Vorschläge zur Arbeitsgestaltung nach dem Prinzip des ,,besten Weges""; das von Henry Ford u. a. propagierte FUeßbandsystem, womit der Zwang zur wiederholten Ausführung einfacher Handgriffe gewissermaßen in ein technisches System verlegt war^®. - Die Arbeitsphysiologie und die Arbeitsmedizin interessierten sich für die Zusammenhänge zwischen den allgemeinen psychobiologischen Merkmalen der Arbeitenden und den Arbeiten bzw. Arbeitsbedingungen. Sie untersuchten z. B. die Ermüdungs- und die Pausenfrage, die Rolle der Arbeitszeit und die hygienischen Bedingungen der Arbeit^®. 163
- D a s Ziel derPsychotechnik war es, ein Instramentarium zu entwickeln, das erlaubte, den ,,Durchschnittsmenschen und die Berufsarbeit, besser als es durch die natürlichen Auslesemittel geschah, einander anzugleichen "30. Zu diesem Zweck wurden spezielle Eignungs- und Begabungstests geschaffen^!. - Die Kommerzialisierung oder die betriebswirtschaftliche Rationalisierung bezieht sich auf Maßnahmen zur Verbesserung der Rechenhaftigkeit (Buchhaltung, Kalkulation, Statistik u. ä.) sowie der Übersichtlichkeit und Effizienz der Verwaltung. Damit verbunden war vielfach die Verwaltungslehre, der es um die Schaffung einer funktionierenden Leitungs- und Verwaltungsstruktur ging. - Gerade in der deutschen Diskussion wurden auch immer wieder Kartellierung, Syndizierung und Konzernbildung als Rationalisierungsmaßnahmen erörtert^^. - Die starke Normungs- und Typungsbewegung in den Zwanzigerjahren leistete schließlich einen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Rationalisierung. Am Beispiel von GF läßt sich nun überprüfen, wie weit die verschiedenen Rationalisierungskonzepte von einem Großunternehmen der schweizerischen Metallindustrie zur Kenntnis genommen und/oder angewendet wurden. Als wichtigste technische Rationalisierungen in der Nachkriegszeit sind die Umstellung von der Transmission auf den Elektromotor, die Verbesserung der Werkzeugmaschinen sowie die verstärkte Verwendung der Elektroofen zu nennen. Motteks These, daß der ,,Hauptwiderspruch der Technologie des Fabriksystems" darin bestand, ,,daß die wachsende Energieintensität der Produktion auf Grenzen im Energieübertragungssystem, der Transmission, stieß"^^, wird von GF-Ingenieur Stämpfli auch für den Fall der Eisen- und Stahlwerke bestätigt, wo lange ein kompliziertes, energieschluckendes Übertragungssystem eine intensivere Betriebsweise der Maschinen behinderte^". In den Zwanzigerjahren erfolgte dann aber sehr rasch der Übergang zum Elektroantrieb. Diesen Prozeß schildert der GF-Techniker Wildberger in einem Bericht aus dem Jahre 1926: ,,. als dann von auswärtigen Werken elektrische Energie geliefert werden konnte, gestalteten sich ^ie Antriebsverhältnisse um in der Weise, daß eine gewisse Unterteilung in Gruppen vorgenommen werden konnte, die jede ihren eigenen Elektromotor hatte. Dieses System wurde mit der Zeit ausgebaut, und zwar so weit, daß viele Objekte nun direkten Einzelantrieb besitzen, entsprechend den Lehren der Fachleute. Durch die vermehrte Verwendung von Schnellschnittstahl und durch die dank dem elektrischen Antrieb erhöhte Betriebsgeschwindigkeit war die Leistungsfähigkeit des seit Kriegsende stark modernisierten Werkzeugmaschinenparks der Stahlgießereien stark gestiegen^®. Während die geschilderten Rationalisierungen eher durch allgemeine Entwicklungen in der Industrie angeregt worden waren, verließ man sich bei den Maschinen der Fittingsfabrikation sehr auf die Fähigkeiten des eigenen Konstruktionsbüros^^. 164
In den erst kurz vorher modernisierten Fittingsbetrieben in Schaffhausen wurden in der Krise von 1922 alle möglichen Sparmaßnahmen studiert, mit dem Ziel, durch die bis ins Detail gehende Mechanisierung möglichst viel manuelle Arbeit zu ersetzen^®. Noch radikaler war die 1922 einsetzende technische und organisatorische Rationalisierung in dem vergleichsweise älteren Singener Fittingswerk. Hier sollte ,,die Arbeit der Menschen womöglich durch maschinelle Einrichtungen" ersetzt werden. Angesichts der starken Fluktuation und der geringen Leistungsfähigkeit des Personals sollte die Fabrikleitung ,,jeden Betrieb in seinen Einzelheiten auf diese neue Richtlinie umstellen"^^. Dies bedeutete, daß alle dem Gießereiprozeß nachgelagerten Abteilungen reorganisiert wurden (bessere räumliche Koordination, günstigere Anordnung der Maschinen und verbesserte mechanische Einrichtungen). Als Beispiel sei hier die Einrichtung eines kontinuierlichen Rollfasses erwähnt, das den Guß von der Glüherei in die Gußputzerei transportierte, wo er auf einem ebenfalls neuen - Verleseband sorgfältig und rasch sortiert werden konnte. Dadurch konnte ,,jedem Arbeiter eine einheitlichere Ware zugeführt werden, so daß er bei dieser reduzierten Zahl von Sorten, die ihm durch die Hände [lief], eine größere Fertigkeit erlang[te]"''°. Die Spezialisierung bewirkte eine Leistungssteigerung der Arbeiter. Der Kampf gegen die Kosten auf technischer und organisatorischer Ebene wurde im sozialen Bereich ergänzt durch schärfere Zeitkontrollen, denn man hatte festgestellt, daß mit der Verkürzung der Arbeitszeit die Unpünktlichkeit relativ stärker ins Gewicht fiel. Das modernisierte Fittingswerk Singen hatte schließlich wieder deutlich geringere Gestehungskosten als der Schaffhauser Betrieb, was um so wichtiger war, als ihm die Belieferung der stärker umkämpften Märkte zufieP^. Nachdem 1924 die Verlängerung der Arbeitszeit in einer Volksabstimmung in der Schweiz abgelehnt worden war^^, konzentrierte sich die Geschäftsleitung wieder auf die Rationalisierung des Schaffhauser Fittingswerkes. Der Verwaltungsrat vertrat die Meinung, daß die Industrie wegen der hohen Lebenshaltungskosten und der Lohnverhältnisse in der Schweiz verpflichtet sei, ,,die Tendenz, menschliche Arbeitskräfte durch maschinelle Einrichtungen zu ersetzen", ganz vorne mitzumachen'*^. Den vorläufigen Höhepunkt der Rationalisierung der Fittingsfabrikation bildete endlich die Errichtung einer ,,kontinuierlichen Gießerei" im Werk Singen von 1925-1927"'·. Nachdem in den vorangegangenen Jahren die Leistungsfähigkeit in den der Gießerei nachgelagerten Abteilungen um 6 6 % pro Arbeiter/Stunde hatte gesteigert werden können, sollte nun auch die Gießerei selbst, die im wesentlichen noch gleich aussah wie bei Kriegsausbruch, auf eine entsprechende Stufe gebracht werden. Dies hätte mit konventionellen Anlagen und Verfahren realisiert werden können, doch der Verwaltungsrat entschied sich für eine neue, rationellere Konzeption, da die bisherige zu arbeitsintensiv war und die Verhältnisse auf dem Markt 165
kostensenkende Verfahren verlangten"*®. Die Forderung des Verwaltungsrates nach einem weniger arbeitsintensiven Verfahren wurde speziell damit begründet, daß in Singen die enorme Fluktuation, die damit verbundene verminderte Leistungsfähigkeit der Arbeiter, die Lohnpolitik der Arbeitnehmerorganisationen und die starke Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sich nachteilig auf die Geschäftsergebnisse auswirkten'*®. Im Sommer 1925 reiste Betriebstechniker Karl Zehnder zum Studium der modernsten Fabrikationsanlagen in die U S A . Wie schon 1906 erwartete man von den in den U S A praktizierten Verfahren entscheidende Anregungen. Tatsächlich brachte auch Zehnder reiches Studienmaterial nach Schaffhausen, und der Leiter der Fittingsabteilung, Leuenberger, setzte sich vehement für die neuen Ideen und Konzeptionen ein. Es sollten amerikanische Fließbänder und Sandverteileranlagen eingebaut sowie die Kernformerei und Modellsandaufbereitung erneuert werden. Leuenberger untermauerte die Forderung nach solchen Anlagen mit ,tayloristischen' Argumenten, die einen beredten Ausdruck von der Rezeption moderner Rationalisierungskonzepte darstellen. Durch die auf der Grundlage einer genauen Arbeitsanalyse gestaltete Fließarbeit sollte die Arbeit schneller vorangehen. Die Fittingsgießerei sei als Massenfabrikation besonders geeignet für die Einführung der Fließarbeit, denn ,,nirgends wie d a " sei es möglich, den Arbeiter von seinen strengen und ermüdenden Nebenbeschäftigungen (Herbeiholen der Kasten, Kerne und Gießmaterialien, Abgießen und Auspacken der Formen, Zusammenschaufeln des heißen Sandes etc.) zu entlasten ,,und ihn freizuhalten für sein eigentliches Arbeitsgebiet, die Maschinenformerei'"*'. Wie sah die neue Gestaltung aus? ,,Die Formmaschinen sind längs einem kont. Band, das sich in stetiger Bewegung befindet, aufgestellt. Der Maschinenformer, der hier nur noch formt, legt seine Formen auf das Band, dieselben wandern zur Arbeitsstelle, wo sie durch eine Extramannschaft abgegossen werden. Gegossen wird also immer an der gleichen Stelle; die Gießpfannen machen auf einer in sich geschlossenen Hängebahn einen Kreislauf zwischen der Gießstelle und dem Kupolofen, der ständig flüssiges Eisen abgibt. Die gegossenen Formen gelangen durch die Abkaltstrecke zur Auspackstelle, dort werden die Kasten ausgepackt, Sand und Guß von einander getrennt. Der Sand kommt mittelst Transportbändern zur Sandaufbereitung und von da in die Silos über den Formmaschinen. Der Guß wird auf dem Gußabschlägerband abgeschlagen und sortiert. Die leeren Formkasten wandern auf dem Conveyor wieder zu den Formmaschinen zurück." Die Arbeit des Maschinenformers wurde in Einzelfunktionen zerlegt, die von spezialisierten Arbeitergruppen ausgeführt wurden. Die Spezialisierung, das höhere - durch das Band vorgegebene - Arbeitstempo und die Einsparung von Transportarbeit führten zu einer größeren Produktivität. Durch solche Vorteile motiviert, beschloß der Verwaltungsrat die Bestel166
lung einer Anlage in den USA, die in Schaffhausen konstruktiv verbessert werden sollte"®. In der Stahlgießerei machte die Verwissenschaftlichung der Produktion weitere Fortschritte durch die Errichtung einer metallographischen Versuchsabteilung 1922*'. Schließlich strebte man auch für die Stahlgießerei den teilweisen Übergang zur Großserien- und eventuell Massenproduktion an, wofür das neu entwickelte Simplex-Rad für Lastwagen gut geeignet war^". Für diese Räderproduktion wurde auf dem Gelände der MRS die Räderfabrik ,,Ebnat" errichtet, die 1927, nach einigen wirtschaftlich bedingten Verzögerungen^^, in Gang kam und die Erwartungen der Geschäftsleitung sehr schnell erfüllte. In den Zwanzigerjahren machten schließlich bei GF auch die Normung und Typung beträchtliche Fortschritte. Nachdem sich G F wie viele andere Firmen lange nicht an der 1918 gestarteten Normalisierungsarbeit im VSM beteiligt hatte®^, wurden 1926 die den Bedürfnissen der Firma entsprechenden Normen gesammelt, und eine Verfügung vom 20. Juli bestimmte, daß in allen ,,Büros und Betrieben die VSM-Normalien grundsätzlich einzuführen" seien®^. Zurückhaltender verhielt man sich bei G F gegenüber den Tests und Anlernmethoden der Psychotechnik, die in der deutschen Schweiz vom Psychotechnischen Institut der Universität Zürich (gegr. 1924) und der Stiftung für Psychotechnik (gegr. 1927) propagiert und von einigen großen Maschinenbaufirmen (z. B. Bühler, Benninger, Saurer) ausgiebig verwendet wurden®". Wie bei BBC wurde dieses Instrumentarium von GF nur in Zweifelsfällen eingesetzt. ,,Die Lehrlings-Auslese wird aufgrund einer einfachen Prüfung über elementare Schulkenntnisse, geistige Regsamkeit und Vorstellungsvermögen, sowie unter Berücksichtigung der absolvierten Schulen und der dort erreichten Leistungen vorgenommen Psychotechnische Eignungsprüfungen werden nur in Spezialfällen durchgeführt . . Die hieraus sich ergebenden Resultate sind nützlich, um sowohl die betreffenden Jünglinge selbst, wie auch ihre Eltern bzw. Vormünder zu überzeugen, daß die Beobachtungen und Urteile des Lehrmeisters, nicht wie gewöhnlich angenommen wird, auf Antipathie, sondern auf vollständiger Richtigkeit beruhen."S5 Der Rationalisierung der sozialen Beziehungen zwischen der Geschäftsleitung und der Arbeiterschaft diente seit 1899 prinzipiell die Arbeiterkommission, die aber schon vor dem Krieg stark an Bedeutung verloren hatte. In der sozialpolitisch unruhigen Periode von 1918-1924 suchte die Geschäftsleitung, vor allem der neue Verwaltungsdirektor Bührer, nun wieder vermehrt das Gespräch mit der Arbeiterkommission. Weil die Geschäftsleitung laufend mit spontanen, kleinen Arbeiter-Bewegungen aus einzelnen Abteilungen konfrontiert war, verstärkte sich ihr Interesse an einer einheitlichen Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, die nur über die - nun auch von der Gewerkschaft benützte - Arbeiterkommission möglich war®®. 167
Je instabiler nun die äußeren Verhältnisse und die Anpassungszwänge wurden, um so eher mußte die Geschäftsleitung versuchen, die internen Faktoren zu kontrollieren. Dies war aber zunehmend schwieriger, weil die Arbeiter immer weniger bereit waren, die Entscheidungen der Leitung zu akzeptieren. In der Arbeiterkommission versuchte die Geschäftsleitung, mit komplexeren Begründungen die Arbeiter von der ,Vernünftigkeit' der Unternehmensentscheidungen zu überzeugen und damit die Herrschaft zu rechtfertigen^^. Sie wies auf Sachzwänge (Rohstoff-, Energie-, Absatz-, Zoll- und Währungsprobleme) hin und versuchte ihre Beschlüsse mit Zahlen zu rechtfertigen. Verschiedentlich griff sie auch auf das sozialpsychologische Instrument der Spaltungs-Strategie zurück, so z. B. als Bührer 1923 in der Frage der Arbeitszeitverlängerung die Arbeiterschaft in einen ,,Großteil" schied, der damit einverstanden sei, und eine Minderheit, die ,,mit formellen und tendenziösen Gründen" opponiere^®. Je wichtiger die Aktivitäten der Gewerkschaften im Zusammenhang mit den Kämpfen der Nachkriegszeit und mit den Konflikten in der Krise wurden, um so mehr stellte die Geschäftsleitung auf den Gegensatz von ,,in-group" und ,,outgroup" ab, wobei mit der ,,in-group" die ,ruhigen, firmenverbundenen' Arbeiter gemeint waren und mit der ,,out-group" die ,νοη außerhalb agitierenden Gewerkschaften' bzw. deren Mitglieder innerhalb der Firma®'. Insgesamt stellen wir aber fest, daß herkömmliche ad-hoc-Legitimationsmuster nur noch beschränkt nützlich waren^°. Die Geschäftsleitung sah sich immer mehr gezwungen, sich durch eine systematischere Beeinflussung der potentiellen oder tatsächlichen Opponenten jene Bedingungen zu verschaffen, die für die Realisierung ihrer Ziele unerläßlich waren. Durch Aufklärung über das Funktionieren der Wirtschaft und des Unternehmens sollten die Arbeiter für die Absichten der Leitung gewonnen werden. Die Firmenleitung praktizierte nun eine ,,ökonomische Erziehung" (Harbison/ Myers) der Arbeiter, die darauf abzielte, die Ziele des Managements zu den Zielen der Arbeiter zu machen®^. Wie erfolgreich dieser Versuch zur Rationalisierung der Herrschaft war, läßt sich schwer abschätzen. Problematisch war jedenfalls, daß die ,Aufklärungen' in der Arbeiterkommission von den Mitgliedern nicht oder nur ungenügend weitervermittelt wurden®^. Die Geschäftsleitung versuchte deshalb vereinzelt sogar, ihre Informationen mit Flugblättern an den Mann zu bringen^^. Es ist allerdings zweifelhaft, ob dies mehr nützte. Jedenfalls ist das Experiment der ,,ökonomisch en Erziehung" ein interessantes Beispiel dafür, wie ein Großunternehmen, das mit einer starken Arbeiterbewegung®^ konfrontiert war, das ökonomische, soziale und politische Bewußtsein der Arbeiter zu beeinflussen versuchte. Zusammenfassend können wir festhalten, daß sich die Rationalisierung bei G F zuerst, ganz wie in der übrigen schweizerischen Industrie, in der Tendenz zur vermehrten Mechanisierung und Automatisierung äußerte. 168
Angesichts der Umstrukturierung der Wirtschaft, der Arbeitszeitverkürzung und der für die Exportunternehmen ungünstigen Währungsverhältnisse®^ drängten sich - wie der Verband Schweizerischer Maschinenindustrieller 1918 bemerkte - Maßnahmen wie „Verbesserung in den Fabrikationsmethoden, Neuanschaffungen von Maschinen, Ersetzung der menschlichen Arbeit durch mechanische"®® auf. - Ein verstärkter Rückgriff auf die Arbeiterkommission sowie Versuche zur ,,ökonomischen Erziehung" scheinen auch in anderen Großunternehmen der Metallindustrie stattgefunden zu haben. Die 1919/1920 im VSM geführte Diskussion über die Institution der Arbeiter- oder Fabrikkommission zeigt®'', daß man sich sehr intensiv mit Fragen der Beziehungen zwischen Management und Arbeitern befaßte. In der Krise 1922/1923 ging bei GF die technische und organisatorische Rationalisierung weiter. Nach den Aussagen des gut informierten schweizerischen Fabrikinspektors wurde jene Krise ganz allgemein ,,für viele Betriebe zur Lehrmeisterin für eine bessere Organisation der Fabrikation, für eine rationellere Verwertung der maschinellen wie der menschlichen Arbeitskraft"®®. Einen starken Aufschwung nahm die Rationalisierungsbewegung bei GF wie in der übrigen Industrie dann aber vor allem nach 1924, d. h. nachdem sich die bürgerlichen Projekte zur neuerlichen Arbeitszeitverlängerung®' zerschlagen hatten und sich international eine günstigere Wirtschaftsentwicklung abzeichnete. 1927 notierte ein Fabrikinspektor in seinem Bericht, daß nun vermehrt ,,Fließarbeit und Arbeit am laufenden Band" eingeführt werde und daß sich immer mehr Firmen der Psychotechnik bedienten''·'. Insgesamt wird man sagen können, daß in der schweizerischen wie in der europäischen Rationalisierungsbewegung zuerst die Probleme der Technik und der technischen Organisation im Vordergrund standen, daß aber auch in der Schweiz immer mehr der Mensch zum Objekt der Rationalisierung wurde^^. GF scheint in bezug auf die technisch-organisatorische Rationalisierung durchaus mit an der Spitze der schweizerischen Industrie gestanden zu haben. Wie andere Großfirmen hatte das schaffhausische Exportunternehmen großes Interesse an den amerikanischen Fabrikationsmethoden''^, die man nun im Falle der Fittingsfabrikation differenziert übernahm, womit man sich weltweit konkurrenzfähig hielt. Bei Rationalisierungen in anderen Betriebsbereichen entwickelte man eigene Ideen oder orientierte sich an schweizerischen oder europäischen (vor allem deutschen) Vorbildern. Gegenüber Rationalisierungskonzepten wie Normung und Psychotechnik verhielt sich die Leitung vorsichtig und griff erst zu, nachdem sie sich bei anderen Großunternehmen bewährt hatten. In einigen Bereichen der Normung nahm dann aber GF schon bald eine führende Stellung ein.
169
III.
Expansion und Rationalisierung des Verwaltungsapparates Entwicklung und Zusammensetzung der Angestelltenschaft
-
Bei Kriegsausbruch wurden viel weniger Angestellte als Arbeiter entlassen, weil „infolge der umfangreichen Korrespondenz und Verhandlungen mit Abnehmern" in der Verwaltung genügend Arbeit vorhanden war^ und die Betriebsangestellten mit den Lohnabrechnungen reichlich beschäftigt waren. „Jeden Tag gab es neue Einberufungen, die von heute auf morgen abreisen mußten, und jeder sollte seinen verdienten Arbeitslohn erhalten. Die Lohnabrechnungen aus dem Betrieb konnten nur noch oberflächlich oder gar nicht mehr gemacht werden Als dann der größte Trubel vorbei war, hatten wir in der Stahlgießerei nichts mehr zu tun, denn unsere Kundschaft hatte alle ihre Anfragen zurückgezogen und die Bestellungen sistiert. Die Belegschaft mußte zu Hause bleiben, und nur die Angestellten und Meister mußten im Werk anwesend sein, da wurde dann ca. 4 Wochen lang von morgens bis abends in den Meisterzimmern gejaßt."^ Schon sehr bald kam aber die Produktion wieder in Gang, und mit der gewaltigen Ausdehnung des Unternehmens von 1915-1920 wuchs auch die Zahl der Angestellten beträchtlich an; es entstand ein ,,Angestelltenheer"^ von zeitweise um fünfhundert Angestellten (Tabelle 10). Tabelle 10: Entwicklung der Angestelltenschaft in den Schaffhauser Stammbetrieben 1913-1929' Jahr
Angestellte insgesamt
1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929
282 256 278 310 342 407 481 516 492 417 408 411 441 446 435 449 473
170
0/ /0 Veränderung in 5 Jahren
+22 (1910)
+86
-15
+ 7
0/ /о Veränderung Jahr/Jahr - 9,2 8,6 11,5 10,3 19 18,2 7,3 4,7 -15,2 - 2,2 0,7 7,3 1,1 - 2,7 3,2 5,3
Der Wachstumsschub 1915-1920 war derart, daß schließlich alle Büros bis zum letzten Platz besetzt waren®. Nach dem Eintritt der Krise wurde dann aber 1922 die Angestelltenschaft reduziert und in der Folge bis 1925 nur wieder beschränkt vergrößert. Erst 1928 kam es wieder zu einem Aufschwung, doch wegen der Rationalisierungen in der Verwaltung erreichte die Angestelltenschaft der Schaffhauser GF-Stammbetriebe nicht mehr den Umfang der unmittelbaren Nachkriegszeit. Wie entwickelte sich nun die Arbeitsorganisation in der Verwaltung und den Betriebsleitungen? Welche Folgen hatten die rasche Entwicklung des Verwaltungs- und Leitungsapparates einerseits, die Rationalisierungen in den Betrieben andererseits für die Zusammensetzung der Angestelltenschaft^? Generell setzte sich in der Verwaltung die Tendenz zur stärkeren Arbeitsteilung, verbunden mit Vereinfachung, Schematisierung, Intensivierung und verstärkter Maschinisierung, fort. Unter diesen Umständen waren für die meisten Verwaltungsangestellten Fleiß, Pflichtbewußtsein und angenehmer Umgang die ersten Erfordernisse. Dies zeigen die folgenden Qualifikationen aus Personalkarten von Angestellten, die zwischen 1919 und 1930 austraten. Man brauchte Angestellte, die ,,pflichtbewußt", ,,pflichtgetreu" und ,,arbeitsfreudig" waren und die Arbeit ,,zuverlässig", ,,rasch", ,,exakt", ,,produktiv" und ,.fleißig" erledigten. Die funktionale Kooperation in der großen Verwaltung wurde gefördert durch Verhaltensweisen wie ,,verträglich", ,,ruhig", ,,angenehm im Verkehr" oder gestört durch eine ,,bequeme", ,,faule" oder ,,anmaßende" Haltung''. Besonders rationalisiert wurden in den Zwanzigerjahren das Lohnwesen und die Buchhaltung, wobei man im wesentlichen dem Beispiel der großen Banken und Versicherungen folgte®. - Um 1890 waren noch wesentlich die Meister, zusammen mit den Kontrolleuren und Betriebsleitern, für die Herstellung der Lohnunterlagen und die Lohnberechnungen zuständig gewesen. In der Folge wurden diese Aufgaben speziellen Werkstattschreibern übertragen, und aus diesen Ein-Mann-Bereichen entstanden schließlich die Zahltagsbüros in den Betrieben^. Die von den Lohnbüros in den Betrieben erarbeiteten Angaben wurden der zentralen Lohnbuchhaltung und der Abteilung für Lohnstatistik zugeleiteti®. 1922 wurden die beiden letzteren Abteilungen zusammengelegt und die ersten Elioth-FisherMaschinen in Betrieb genommen. Bei diesem Maschinentyp handelte es sich um eine Kombination von Rechen- und Schreibmaschine, die die traditionelle Arbeit des ,klassischen' Buchhalters überflüssig machte, aber anstrengend in der Bedienung war^^. Der Rationalisierungseffekt dieser Maschine war enorm^^; nachdem schon 1922 teils wegen der Zusammenlegung der Lohnbuchhaltung und Lohnstatistik, teils wegen der neuen Maschinen elf Personen eingespart werden konnten^', stellte der Chef des Lohnwesens (Bosshard) für 1924 zufrieden fest: ,,Die Reduktion des Personalbestandes um einen Angestellten wurde möglich durch die Verlängerung der Arbeitszeit im Büro und das 171
immer bessser werdende Einarbeiten des Personals auf die nunmehr über 3 Jahre in Betrieb stehenden Elioth-Fisher-Maschinen. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Maschinen darf erwähnt werden, daß zu Beginn des Jahres 1924 1900 im Stundenlohn bezahlte Arbeiter und Arbeiterinnen im Werk beschäftigt waren, gegen 2420 per Ende 1924. Trotz dieser Vermehrung um über 500 Personen, sind wir mit dem heutigen Personal in der Lage, die Arbeit vollauf zu bewältigen."i"* In den folgenden Jahren wurde der Rationalisierungseffekt noch deutlicher, so daß Bosshard 1928 erneut begeistert konstatierte, daß diese Maschinen nicht unwesentlich dazu beigetragen hätten, ,,daß die große Arbeit in der Lohnbuchhaltung mit einem verhältnismäßig sehr niedrigen Personalbestand bewältigt werden konnte, und daß auch die Übernahme des Lohnwesens vom Werk Rauschenbach mit rund 850 Arbeitern ohne Vermehrung des Personals vollzogen werden k o n n t e " I m Rahmen der Verwaltungsreform wurden dann 1926 die fünf Lohnrechnungsbüros der einzelnen Werke - gegen den Widerstand einzelner Betriebsleiter - in einem zentralen Lohnrechnungsbüro zusammengefaßt, wodurch nicht nur neun Angestellte eingespart wurden, sondern auch eine starke Vereinheitlichung des Lohnwesens möglich wurde^®. Insgesamt ergab sich mit der Rationalisierung des Lohnwesens eine doppelte Reduktion der Lohnkosten; einerseits durch die Einsparung von Angestelltenpersonal, andererseits durch die Vereinheithchung der Arbeiterlöhne, indem teure Sonderregelungen gestrichen wurden. Doch nicht nur das Lohnwesen wurde rationahsiert, sondern auch die Unternehmens- und Betriebsbuchhaltung. Nachdem schon 1921 im Werk Singen und in der Maschinenfabrik Rauschenbach neue Buchhaltungsprinzipien eingeführt und erprobt worden waren, stellte man 1926, anläßhch der Gründung des formell zur MRS gehörenden Räderstahlwerks Ebnat, auch im Mühlenthal auf neue Grundsätze um^''. Die Buchführung wurde nun schärfer getrennt in eine interne Betriebsbuchführung und eine externe Geschäftsbuchführung. „Die Betriebsrechnung erstellt selbständige Kostenbilanzen, wogegen die Ermittlung der Betriebsgewinne der Geschäftsbuchführung vorbehalten ist. Die beiden Rechnungen stehen zueinander in einem Lieferungs- und Abnehmerverhältnis, wobei die Geschäftsrechnung die erzeugten Fabrikate zu Selbstkostenpreisen hereinnimmt und andererseits die Betriebsrechnung mit Rohmaterialien und Lohngeldern versorgt. Die Hauptvorteile der neuen Organisation bestehen in einer noch genaueren Kalkulation, in der genaueren Ermittlung der Betriebsergebnisse und der Selbstkostenpreise für jeden Fabrikationsbetrieb und die Nebenbetriebe. Die Ergebnisse der Stahlgießerei Ebnat z. B. wurden durch ein SpezialKonto bei den Stahlwerken ermittelt und kontrolliert, womit die Rentabilität des Ebnat-Werkes jederzeit überblickt werden konnte. Die Kalkulation der drei Stahlgießereien wurde zentralisiert, wodurch die Herstellungs172
kosten der einzelnen Werke vergleichbar wurden und es der technischen Oberleitung möglich war, die Arbeiten „unter dem Gesichtspunkt größter Rentabilität auf die drei Werke zu verteilen"i®. Damit verfügte das Unternehmen, das seit der letzten Reform des Rechnungswesens zu einer noch größeren und komplexeren (Konzern-)Organisation herangewachsen war, wieder über ein adäquates Rechnungswesen. Die Vollmaschinisierung der Buchhaltung war indessen 1931 noch nicht eingeführt, stand aber weit oben auf der Wunschliste der Verwaltungsabteilung: ,,Ιη Zeiten besseren Geschäftsganges wird die Frage der Mechanisierung der Buchungsarbeit als sehr wichtige und dringende Aufgabe zu prüfen sein. Eine wesentliche Arbeits- und dadurch Personaleinsparung ist ungeachtet der genaueren und qualitativ besseren Arbeit als Folge der Mechanisierung bestimmt vorauszusehen."2o Mit den Tendenzen zur Kommerzialisierung und Rationalisierung der Verwaltung und mit der - früher analysierten - zunehmenden Differenzierung der Produktionsarbeit in planende, konstruktive, leitende, kontrollierende und ausführende Funktionen^^ergab sich langfristig ein Zug zur Zentralisierung der kaufmännischen Verwaltung und der Bereiche Labor/ Entwicklung/Konstruktion (Tabelle 11). Tabelle 11: Verteilung der Angestellten auf drei Oberbereiche^ 1900 abs. % Labor/Enrwicklung/Konstruktion Untemehmensverwaltung Betriebe Andere (Landwirte, Gärtner u. ä.).
7 34 45
Insgesamt
86
-
8 40 52 -
100
1920 abs. %
1929 abs. %
49 160 294 8
10 31 58 2
62 195 252 5
12 38 49 1
511
101
514
100
Ein Teil der Verwaltungsarbeit war zwar zwischen 1900 und 1920 noch stark in die Betriebe ausgelagert worden, doch wurde diese Entwicklung in den Zwanzigerjahren gestoppt. Die Tendenz ging nun auf der kaufmännischen wie auf der technischen Seite dahin, daß den Betrieben nur noch die Ausführung und ein Teil der Kontrolle belassen wurde, während die verwaltenden sowie ein wachsender Teil der arbeitsvor- und -nachbereitenden Funktionen zentralisiert wurden. Die folgenden Analysen der kaufmännisch-verwaltenden bzw. technisch-betrieblichen Angestelltenschaft der Schaffhauser Stammbetriebe versuchen, langfristige Entwicklungen zu erfassen sowie die Veränderungen in den Zwanzigerjahren festzuhalten. Die Angaben zu Qualifikation, Funktion, Geschlecht usw. wurden für die Stichjahre 1900, 1910, 1920, 1929 aus der GF-AngesteUtenkartei ausgezogen und ausgewertet^^. Für die Betrachtung der längeren Entwicklung 173
werden die beiden letzten Stichjahre mit den Angaben für 1900 vergHchen, da die Ergebnisse für 1910 weniger repräsentativ sind. Die Gruppe der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten versechsfachte sich zwischen 1900 und 1920 beinahe, indem sie von ca. 50 auf 290 (1920) und 288 (1929) stieg. Bemerkenswerterweise veränderte sich der proportionale Anteil dieser Angestelltenkategorie trotz aller Wandlungen des Unternehmens langfristig nicht; mit 56/57% bildeten die kaufmännischen und administrativen Angestellten stets die Mehrheit der Gesamtangestelltenschaft^'*. Die Analyse der Qualifikationsstruktur in Tabelle 12 zeigt, daß die Angelernten die größte Gruppe ausmachten. Tabelle 12: Qualifikation der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten^' Ausbildung Hochschule/Mittelschule Kaufm. Berufslehre
1920 absolut 7
Kaufm. Angelernte
115 156
Insgesamt
278
1929
%
absolut
%
2,5 41,4
13 118
4,8 43,5
56,1
140
51,7
100
271
100
1941
1947
8 49 44
52 43
101
100
%
%
5
Dies war vermutlich schon in der Vorkriegszeit der Fall gewesen; es scheint aber auch, daß in der Kriegs- und Nachkriegszeit weiterhin mehr Angelernte als Gelernte angestellt wurden^®. G F beschäftigte, wie viele andere Unternehmen, für einfachere Arbeiten nach Möglichkeit billige, angelernte (oft weibliche) Arbeitskräfte^''. Seit den Zwanzigerjahren stieg das Qualifikationsniveau dann stetig. Die Angaben in Tabelle 13 lassen uns vermuten, daß die Funktionsstruktur nur etwa zur Hälfte besser qualifizierte Angestellte erforderte. Tabelle 13: Verteilung der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten auf vier Funktionskategorien" 1900 Funktion
% aller Ange-
1920 abs.
stellten
1929
%
abs.
%
aller
aller
Angestellten
Angestellten
1. Leitende Angestellte 2. Sachbearbeiter
10 17
22 87
4,3 17,0
28 116
3. Hilfs- und Routinefunktionen 4. Kaufm.-verw. Betriebsangest.
13 15
53 119
10,4
55
10,7
23,3
81
15,8
Sämtliche in diesen Kategorien Erfaßte
55
281
55
280
54,5
100
511
100
514
100
Sämtliche Angestellte inld. techn. betriebl. Personal
174
5,4 22,6
Die Zunahme der „Sachbearbeiter" in der Verwaltung hing teilweise damit zusammen, daß mit der Reform des Rechnungs- und Lohnwesens in den Zwanzigerjahren qualifiziertere Betriebsangestellte in die zentrale Verwaltung übernommen worden waren. Der Anteil der leitenden Angestellten, vom Direktor bis zum Abteilungsleiter, nahm langfristig eher ab, blieb seit 1920 aber recht konstant. Die große Mehrheit der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten war in nichdeitender, untergeordneter Stellung tätig. Angestellte mit besserer Bildung hatten anscheinend eher Zugang zu leitenden Positionen (Tabelle 14). Tabelle 14: Der Zusammenhang zwischen Qualifikation und Autoritätsstatus (Leitende, Nichtleitende) bei den kaufmännisch-verwaltenden Angestellten" Qualifikation Hochschule/Mittelschule Kaufm. Lehre Angelernte
Davon Leitende/Nichtleitende
1920 %
1929 %
Leitende Nichdeitende Leitende Nichdeitende Leitende Nichdeitende
57,1 42,9 16,5 83,5 1,9 98,1
53,8 46,2 15,2 84,8 2,8 97,1
Mehr als die Hälfte der Hoch- und Mittelschulabsolventen nahm eine leitende Position ein, während die Absolventen kaufmännischer Berufsschulen mehrheitlich und die Angelernten praktisch ausschließlich keine Autoritätsbefugnisse hatten. In der Unternehmensverwaltung (exkl. Betriebsverwaltungen) betrug 1900 der Anteil der leitenden Funktionen noch ein Viertel, zwanzig Jahre später dagegen nur noch ein AchteP". Damit entfielen in den Zwanzigerjahren auf einen Vorgesetzten durchschnitdich sieben Untergebene (Tabelle 15). Dieses Verhältnis war zwar viel kleiner als das Verhältnis Meister/ Arbeiter in den Betrieben, doch für die Angestellten bedeutete es, daß ihre Erwartungen bezüglich einer individuellen Behandlung weniger erfüllt wurden. Die Anonymität, ein Greuel für die Angestellten mit ihren meist doch noch stark individualistischen Vorstellungen, nahm zu. Tabelle Ii: Kontrollspanne in der Unternehmensverwaltung"
1900 1920 1929
Direkt Arbeitsleitende (Prokuristen, Abteilungsleiter)
Nichtleitende Angestellte
Kontrollspanne
8 21 26
26 140 171
3,25 6,7 6,6 175
Die ersten Frauen waren bei GF um die Jahrhundertwende für einfachere Büroarbeiten eingesteüt worden. Mit der stärkeren Arbeitsteilung und der zunehmenden Maschinisierung wurden in der Folge vermehrt unqualifizierte weibliche Angestellte rekrutiert. In den Zwanzigerjahren stellten die Frauen bereits 1/6 bis 1/5 der kaufmännisch-verwaltenden Angestelltenschaft (Tabelle 16). Tabelle 16: Frauenarbeit im Büro'^ Anzahl Frauen 1900
1920
1929
2
45
56
In % sämtlicher Angestellter 1900 1920 1929 2
9
11
In % der kaufm.-verw. Angestellten 1900 1920 1929 4
16
20
Die meisten Frauen arbeiteten als Stenotypistinnen oder Bürohilfen, wenige als Schreiberinnen in den Betriebsbüros; praktisch alle waren angelernt, und keine einzige Frau war in einer leitenden Position^^. Der Einzug der Frauen bei GF hatte - wie in die Büros der schweizerischen Industrie insgesamt^'* - allgemein den Charakter eines Unterschichtungsprozesses. N u r langsam begann sich mit der Zeit auch eine Schicht von qualifizierteren Frauen zu bilden; im Durchschnitt der Jahre 1941-1947 hatte von den 24,2% weiblichen kaufmännischen GF-Angestellten ca. ein Drittel eine Berufslehre oder entsprechende Handelsschulausbildung^^. Wie setzte sich die technisch-betriebliche Angestelltenschaft zusammen, und welche Entwicklungstendenzen zeichneten sich hier ab? Von der Jahrhundertwende bis 1920 hatte sich diese Gruppe versechsfacht^®. Die 12 Techniker oder die 3 Hochschulingenieure von 1900 waren noch Einzelerscheinungen gewesen; bis 1920 war die Zahl der Hochschulabsolventen auf 13 gestiegen, und die Techniker waren mit 55 Personen schon fast ein Massenphänomen. Praktisch neu hinzugekommen war die Gruppe der Zeichner und Laboranten. Besonders stark war der Zuwachs der Hochschulabsolventen, Techniker sowie Zeichner und Laboranten offenbar in der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit. 53% der Techniker, 70% der Hochschulabsolventen und 83% der Laboranten und Zeichner hatten 1920 0-5 Dienstjahre^^. Die vermehrte Einstellung von technischem Angestelltenpersonal war nötig, um den Betrieb während der Kriegskonjunktur zu sichern. Nach Wäffler war damals sogar eher zu wenig Leitungspersonal vorhanden: ,,Die Kriegszeit war für alle Werksangehörigen eine Zeit schwerster Anspannung, insonderheit für das Aufsichtspersonal, das nicht ohne weiteres vermehrt werden konnte wie die Arbeiterschaft, auf dem aber die Leitung und Kontrolle von Tag- und Nachtschichten lag und die Verantwortung für einwandfreie Lieferungen trotz der zeitbedingten Unzulänglichkeiten und dem starken Wechsel der Belegschaft."^® Wie bei 176
dem kaufmännischen Personal stieg auch bei der technisch-betrieblichen Angestelltenschaft langfristig die Qualifikation leicht an (Tabelle 17). Tabelle 17: Die Qualifikation der technischen Angestelltenschaft von GF" Qualifikation (E)TH/Universität Technikum Fachschule Laborant/Zeichner (Lehre) Handw. Berufslehre Handw. Angelernte Insgesamt
1920 abs. % 13 55 6 23 90 38
5,8 24,4 2,7 10,2 40,0 16,9
225 100
1929 abs. % 15 63 6 25 93 37
6,3 26,4 2,5 10,5 38,9 15,5
1941 1947 % % 9 31
10 25
12 41 8
19 38 8
239 100,1 101
100
Der Anteil der höher Qualifizierten nahm seit den Zwanzigerjahren tendenziell zu, während der Anteil der ehemaligen Arbeiter zurückging. Ein Blick auf die Funktionsstruktur in Tabelle 18 zeigt, daß dies damit zusammenhing, daß die oberen und mittleren Leitungsfunktionen zunahmen, die Gruppe der Meister dagegen deutlich schrumpfte. Nachdem offenbar in den Expansionsjahren 1915-1920 der Meisterkader relativ stark erweitert worden war, wurde er in den Zwanzigerjahren wieder teilweise abgebaut, wogegen die anderen Funktionsgruppen noch wuchsen. Tabelle 18: Die Zusammensetzung der technischen Angestelltenschaft nach Funktionen" 1920 1900 abs. % % Techn. Spezialisten (Bürotechniker) Techn. Dir./Stv. Betriebsleiter u. ä. Betriebstechniker Abt. -Leiter/Obermeister Meister Laborant/Zeichner Kontrolleure/Modellverw. Andere
13 3 3 18 8 39 5 11 -
100
37 2 7 15 12 102 17 26 4
16,7 0,9 3,2 6,8 5,4 45,9 7,7 11,7 1,8
222 100
1929 abs. % 37 4 8 17 14 87 22 37 5
16,0 1,7 3,5 7,4 6,1 37,7 9,5 16,0 2,2
231 100
Eine Differenzierung in arbeitsleitende und nichtleitende technische Funktionen in Tabelle 19 zeigt, daß der Anteil derjenigen, die direkte Autoritätsbefugnisse hatten, in den Zwanzigerjahren zwar leicht abnahm, 177
aber mit über fünfzig Prozent weit größer war als bei den kaufmännischverwaltenden Angestellten! Tabelle 19: Differenzierung der technischen Angestellten nach direkt arbeitsleitenden bzw. nichtleitenden Funktionen^'
Leitende Nichdeitende
1920
1929
62,2% 37,8%
56,3% 43,7%
Die Tatsache, daß viele technische Angestellte als Inhaber einer Autoritätsfunktion quasi als Stellvertreter der Unternehmensleitung gegenüber den untergeordneten Angestellten und Arbeitern wirkten, blieb vermutlich für ihr Bewußtsein und Ansehen nicht folgenlos. Eine Analyse des Zusammenhangs von Qualifikation und Autoritätsstatus bei Ingenieuren und Technikern ergibt indessen auch, daß viele Angehörige der höheren Qualifikationsgruppen nicht mehr direkt Autoritätsbefugnisse ausübten, sondern nur noch indirekt als Teil des technischen Apparates an der Herrschaft über Werkstätten und Arbeiter partizipierten (Tabelle 20). Tabelle 20: Prozentualer Anteil der Ingenieure bzw. Techniker mit direkten Autoritätsbefugnissen (Vorgesetztenfunktion) an sämtlichen Angehörigen der entsprechenden Qualifikationsgruppe
Hochschulingenieure Techniker
1900
1920
1929
33% 75%
38% 45%
53% 49%
1900 hatten noch drei von vier Technikern eine arbeitsleitende Stelle im Betrieb eingenommen, 1920 galt dies nur noch für knapp die Hälfte von ihnen. In einer betrieblich-arbeitsleitenden Stellung waren sogar nur 23 Techniker (42%), da zwei Techniker als Abteilungsleiter in der Verwaltung arbeiteten (z. B. Kalkulations- und Offertbüro). Von den 30 nichtleitenden Technikern arbeiteten die meisten, 25, als Bürotechniker (Konstrukteure u. ä.), 2 waren Lehrer an der Werkschule und 3 standen auf der Stufe von kaufmännisch-verwaltenden Betriebsangestellten. Auch von den Hochschulingenieuren war 1920 noch die Mehrheit als Bürotechniker beschäftigt·*^, doch in den Zwanziger)ahren drängten sie vermehrt in Autoritätspositionen hinein und begannen selbst auf mittleren Funktionsstufen die Techniker zu konkurrenzieren"*^. Während bis dahin die höheren leitenden Ingenieure noch von außen in die Hierarchiespitze gelangt waren, so begannen bei GF nun Hochschulingenieure ihre Karriere auch von unten her. Im Untersuchungszeitraum waren aber die meisten Betriebsleiter und 178
Betriebstechniker noch Technikumsabsolventen'^'*. Diese dienstälteren und in den Spezialitäten von GF erfahrenen Techniker bildeten immer noch die technisch-betriebliche Elite. Erst in den folgenden Jahrzehnten wurde sie nach und nach teilweise von den Hochschulabsolventen abgelöst. Ein Vergleich der Belegschaften von drei unterschiedlichen GF-Betriebszweigen und der Maschinenfabrik Rauschenbach soll im folgenden (Tabelle 21) zeigen, welche Zusammenhänge zwischen Arbeitsorganisation, Technologie, Produktart einerseits, und der Zusammensetzung des Personals bzw. der Angestelltenschaft andererseits bestanden. Tabelle 21: Das Verhältnis zwischen Angestelltenpersonal und Arbeiterschaft in den einzelnen Betriebszweigen und bei der Maschinenfabrik Rauschenbach'' Fittings-/ StahlNeben- MRS betriebe Tempergießerei gießerei 1920 1929 1920 1929 1920 1929 1923 Anzahl Arbeiter auf einen Angestellten Anzahl Arbeiter auf einen leitenden Angesteilten (exkl. Meister) Anzahl Arbeiter pro Meister
13
19
9
8
9
5
7
136 38
154 49
100 22
67 23
77 34
30 20
? 22
Es zeigt sich dabei, daß die stark rationalisierte Massenartikelfabrikation im Fittingswerk viel weniger Angestelltenpersonal erforderte als die anderen Betriebszweige und daß sich diese entgegengesetzten Tendenzen in den Zwanzigerjahren eher noch stärker ausprägten. Die Nebenbetriebe, deren Aufgaben nach 1920 teilweise in die Gießereibetriebe integriert oder z. B. durch Transportrationalisierung reduziert wurden, brauchten wegen der Vielfalt der anfallenden Spezialfunktionen bei kleinen Abteilungen relativ viel Leitungspersonal. Die Verhältnisse in den Stahlgießereien und der Maschinenfabrik dürften wesentlich mit der Herstellung von relativ komplizierten Produkten in Einzel- oder Kleinserienfertigung zu erklären sein. Der allmähliche teilweise Übergang zur Groß-Serienproduktion in der Stahlgießerei bis 1929 war noch nicht so ausgeprägt, daß er sich in einer geringeren Kontrollspanne hätte äußern können. Vielmehr zeigte sich in der Stahlgießerei, daß die immer komplizierteren und anspruchsvolleren Gieß- und Formarbeiten geringe Kontrollspannen und tendenziell eher mehr wissenschaftlich qualifiziertes Leitungspersonal erforderten. Die Zusammensetzung der Angestelltenschaft nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit (Dienstaltersstruktur) hat für eine Firma nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine soziale und sozialpsychologische Bedeutung. Zumindest ein Teil der Funktionen kann nur aufgrund längerer 179
Erfahrung gut ausgeübt werden, und hier zahlte sich ein Angestelhenstamm trotz relativ hoher Löhne für die Firma schnell aus. Aber auch ganz generell spielt die Dienstaltersstruktur eine Rolle für das Betriebsklima, die soziale und psychologische Situation in einer Abteilung oder einem Betrieb. Eine sehr rasche und starke Veränderung in der dienstaltersmäßigen Zusammensetzung kann sich in einer sozialen Instabilität auswirken, die von der Leitung nicht leicht zu handhaben ist. - Die Dauer der Betriebszugehörigkeit spielt andererseits auch für das Denken und Verhalten des einzelnen Angestellten eine wichtige Rolle; in den ersten Dienstjahren kann er die Stelle noch als Karrieresprungbrett oder als Durchgangsstation auf dem Weg durch verschiedene Firmen betrachten, und er wird sich entsprechend weniger mit der Firma identifizieren; mit zunehmendem Dienstalter werden Identifikation und Abhängigkeit von der Firma und der damit verbundenen sozialen Umgebung eher zunehmen und das Bewußtsein und Handeln mitprägen. GF betrieb in bezug auf die Arbeiter zeitweilig eine ausgesprochene Arbeiterstamm-Politik, indem sie einen Teil der Arbeiterschaft mit freiwilligen sozialen Leistungen privilegierte'*®. Für die Angestellten existierten bis zur Gründung der Pensionskasse 1919 keine derartigen Programme, doch es scheint, daß Angestellte auch ohne besondere personalpolitische Maßnahmen eher bei der Firma blieben als die Arbeiter (Tabelle 22). Tabelle 22: Firmenangehörige mit weniger bzw. mehr als zehn Dienstjahren bei GF 1925 (, Stammzugehörigkeit' ab elf Dienstjahren)'' Beschäftigungsdauer
Angestellte in % der 1925 Beschäftigten
Arbeiter in % der 1925 Beschäftigten
0-10 Jahre 11 und mehr Jahre
43 57
74,4 25,5
Der Stammanteil dürfte im ausgewählten Jahr 1925, das am Ende einer Abbaup^riode lag, eher hoch gewesen sein, doch galt dies für den Arbeiterwie für den Angestelltenstamm. - 1920, am Ende einer Expansionsperiode, wies nur gerade ein knappes Drittel der Angestellten mehr als zehn Dienstjahre auf (Tabelle 23), mehr als die Hälfte war weniger als sechs Jahre bei der Firma. (Unter den kaufmännischen Angestellten waren die unteren Dienstaltersgruppen dabei noch deutlich stärker besetzt als bei den technischen·*®.) Eine derartige Dienstaltersstruktur bedeutet, daß ein relativ großer Teil der Angestellten eher schlecht bezahlt war und sich vermutlich nur mäßig mit dem Betrieb identifizierte. Es war dies eine Konstellation, die der Entstehung und Verbreitung kollektiven Protests unter den Angestellten in der unmittelbaren Nachkriegszeit zweifellos förderlich war. Im Laufe der Zwanzigerjahre verschob sich bei relativ stagnierender Angestelltenzahl das Schwergewicht in der 180
Tabelle 23: Prozentuale Verteilung der Angestellten nach Dienstaltersgruppen (1920 und 1929)" Dienstalte:r in Jahren 6-10 11-15
0-5 Erhebungsjahr Technisch Qualifizierte inid. Angelernte Kaufm. Qualifizierte inkl. Angelernte Sämtliche Angestellte
16 u. m.
1920
1929
1920
1929
1920
1929
1920
1929
39%
27%
24%
9%
16%
23%
22%
41%
60%
38%
16%
11%
10%
24%
14%
27%
51%
33%
19%
10%
13%
24%
17%
33%
Dienstaltersstruktur wieder auf die höheren Alter (Tabelle 23, Zahlen für 1929). Zur sozialen Stabilisierung im Betrieb trug zweifellos auch die geringe Fluktuationsrate in der Angestelltenschaft bei (Tabelle 24). Tabelle 24: Wechsel in der Angestelltenschaft und beim Arbeiterpersonal in den Zwanzigerjahren" (Fluktuationsrate = Verhältnis Austritte zu Beschäftigtenzahl) Jahr
Mittl. Angestelltenzahl
Eintritte
Austritte
Fluktuationsrate
1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928
417 408 411 441 446 435 449
13 7 3 60 17 26 50
41 16 37 32 39 22 39
9,8 3,9 9,0 7,3 8,7 5,1 8,7
Fluktuationsrate der Arbeiterschaft
17 26 11 14
Warum die Angestellten weniger wechselten als die Arbeiter, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben und müßte sicher auch für die verschiedenen Angestelltengruppen differenziert beantwortet werden. In der Kriegs- und Nachkriegskonjunktur begann bei GF wie in anderen schweizerischen Großunternehmen der rasche Ubergang zu einem für die schweizerische Wirtschaft und Gesellschaft relativ neuartigen Phänomen, nämlich zur Groß-Verwaltung mit all ihren Problemen. Die Jahre zwischen 1915 und 1920 brachten einen starken, aber improvisierten Ausbau der Angestelltenschaft. Man rekrutierte viele neue Angestellte, ohne sich grundsätzliche Überlegungen zur Organisation der Angestelltenarbeit und zur Situation der Angestellten zu machen. In der Krise der Ζ wanziger jähre setzte dann erst ein vielfältiger Rationalisierungsprozeß ein, indem die Arbeit reorganisiert, maschinisiert und intensiviert wurde. Gleichzeitig 181
bemühte man sich auch je nach den technischen und betriebhchen Erfordernissen um eine gewisse Verbesserung der Qualifikationsstruktur, und fast von selbst ergab sich im Laufe der Zwanzigerjahre wieder eine sozial und ökonomisch wichtige Stabilisierung der Angestelltenschaft. Zwischen den beiden Perioden lag eine Übergangsphase (1918-1922), in der die Leitung mit Angestelltenproblemen konfrontiert war, die sie bisweilen in Verlegenheit brachten. Diese Probleme hingen teilweise mit der betrieblichen Lage der Angestellten zusammen, aber auch mit der Einkommenssituation und der damit verbundenen sozialen Lage, die im folgenden Kapitel zusammen mit den Mobilitätschancen analysiert werden sollen.
IV. Aspekte der sozialen Lage der Angestellten - Karrierechancen Einkommensentwicklung
und
Zwischen Karriere (vertikaler Mobilität) und Einkommen besteht bei den Angestellten ein enger Zusammenhang. Hierarchische Position und Funktion bestimmen einerseits die Entfaltungsmöglichkeiten und das Ansehen eines Angestellten im Betrieb, andererseits das Einkommen, den gesellschaftlichen Status und die Lebenschancen. Im folgenden wird zu untersuchen sein, - welches die Mobilitätschancen der Angestellten bzw. bestimmter Angestelltenkategorien waren und wie sie sich von denjenigen der Arbeiter unterschieden; - wie sich die Einkommen der Angestellten zwischen 1913 und 1929 entwickelten und welche Unterschiede zwischen Angestelltengehältern und Arbeiterlöhnen bestanden. Nach Ansicht verschiedener Soziologen ist die Karrierechance geradezu ein Definitionsmerkmal des Angestellten gegenüber dem Arbeiter^. Andere (Henze, Mills) verneinen derart allgemeingültige Karrierechancen und betonen zudem den in der Regel engen Rahmen einer Berufskarriere im Angestelltenverhältnis^. Eine vollständige Beantwortung dieser Fragen könnte zweifellos nur eine repräsentative Analyse von Angestelltenbiografien bringen. Die Mobilitätsuntersuchung über die GF-Angestellten kann aber, obwohl sie nur die Mobilität des einzelnen Angestellten innerhalb des Unternehmens erfaßt, durchaus auch einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten^. Dies hat die m. W. bisher einzige betriebsbezogene Mobilitätsstudie von Handke über die Bewegung von Arbeitern in Angestelltenpositionen in einem deutschen Chemieunternehmen zeigen können"*. Unter sozialer Mobilität verstehen wir ganz allgemein die Bewegung von Personen aus einer sozialen Position in eine andere, womit im vorliegenden Falle die Bewegung von einem Autoritäts- bzw. Funktionsstatus in einen anderen gemeint ist^. Primär interessiert die vertikale Mobilität, doch soll 182
auch die horizontale Mobilität (ähnliche oder gleiche Stellung an einem anderen Ort im Unternehmen) exemplarisch untersucht werden. Nicht bloß die statistische Feststellung von Mobilität und Karrierechancen ist von Interesse, sondern es wird auch nach den ,Kanälen' der sozialen Mobilität, nach typischen Karrieremustern sowie - wo möglich - nach den Bestimmungsgründen der Mobilität gefragt. Aus Tabelle 25 geht hervor, daß ein gutes Viertel der Angestellten von 1920 prinzipiell zls Aufsteiger betrachtet werden kann, wobei als Aufsteiger nicht nur jene gerechnet wurden, die bis 1920 bereits aufgestiegen waren, sondern auch jene, die damals schon bei G F arbeiteten, aber erst in der Folgezeit aufstiegen^. Tabelle 25: Anteil der Aufsteiger am Stichjahres-Sample für 1920' I. Anzahl Angestellte II. Anzahl Aufsteiger a) absolut b) in % von I III. Anzahl der aus der Arbeiterschaft Aufgestiegenen a) absolut b)in%II
511 141 28
90 64
IV. Aufsteiger im technischen Bereich a) absolut b) in % von II V. Aufsteiger im kaufm. Bereich a) absolut b) in % von II
117 83
24 17
Etwa vier Fünftel der registrierten Aufstiege entfallen auf Angestellte in der technisch-betrieblichen Hierarchie, ein Fünftel nur auf die Angestellten in der Verwaltungshierarchie. Die Mehrheit der Aufsteiger im technischbetrieblichen Bereich stammen aber ursprünglich aus der Arbeiterschaft! D. h. daß wir diese Aufstiege eigentlich nicht im engeren Sinne als Angestellten-Mobilität betrachten können. In bezug auf die ,echten' Angestellten-Aufstiege können wir festhalten, daß nur eine Minderheit der Angestellten von 1920 bei G F vorwärts kam®. Der sozial und kulturell wohl bedeutendste Aufstieg ist jener vom Arbeiter zum Angestellten. Arbeiter, die aufstiegen, wurden mehrheitlich Meister, und waren damit am Ende ihrer Karriere angelangt'. Typische Karrieremuster sahen folgendermaßen aus: a) Kernmachergehilfe, Kernmacher, Kernmacher-Vorarbeiter (im Stundenlohn), Gießermeister; b) Gießerlehrling, Gießer, Gießermeister; c) Schlosser, Schweißer (Spezialisierung), Vorarbeiter, Schweißermeister. In vielen Fällen war der VorarbeiterStatus die Vorstufe zur Meisterstellung, die in der Regel erst nach längerer Betriebszugehörigkeit erreicht wurde (Tabelle 26). Mehr als die Hälfte der Meister hatte über zehn Dienstjahre. Die Tatsache, daß im Stichjahr 1920 fast ein Viertel der gelernten oder angelernten Meister zur jüngsten Dienstaltersgruppe gehörte, hing mit der raschen Expansion in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren zusammen. Dies bestätigen die Zahlen für 1929, als der Anteil derjenigen mit einem raschen 183
Tabelle 26: Die Dienstaltersstruktur bei den Meistern (1920 und 1929)'° Dienstjahre
1920
1929
insgesamt
1 - 5 J.
6 - 1 0 J.
Meister mit Berufslehre
69 100%
15 22%
16 23%
14 20%
24 35%
Angelernte Meister
29 100%
7 24%
5 17%
6 21%
11 38%
62 99%
11 18%
4 6%
17 27%
30 48%
20 100%
0 0
0 0
7 35%
13 65%
Meister mit Berufslehre
Angelernte Meister
1 1 - 1 5 J. 16 u.m. J.
Aufstieg bei den Gelernten deutlich tiefer lag, bei den Angelernten sogar null war. Angelernte hatten offenbar überhaupt keine Chance mehr, Meister zu werden. Uber den Zahlen der Aufstiegsmobilität darf indessen nicht vergessen werden, daß auch Abstiege möglich waren. Diese konnten - selten - wegen Nichteignung erfolgen, häufiger waren wirtschaftliche Ursachen dafür verantwortlich, denn eine stärkere Reduktion der Fabrikation und des Arbeiterpersonals machte auch eine Anzahl Meister überflüssig. Der Verfasser der Geschichte des SWY, Marty, bemerkte dazu mit Blick auf die Zeit nach dem ersten Weltkrieg: ,,Nicht wenige dieser sogenannten ,Kriegsmeister', die unter der Konjunktur der Rüstungsindustrie zum ,Werkmeister' avanciert waren, verloren wieder sehr rasch ihre Stelle als Vorgesetzte und mußten als Arbeiter ihr Brot zu verdienen suchen. Damit war die Türe allerdings nicht in jedem Fall zugeschlagen. Vereinzelte Beispiele von GF-Meistern zeigen, daß die frühere Position wieder eingenommen werden konnte, sobald sich die Verhältnisse besserten. - Weniger häufig als der Aufstieg zum Meister war die Beförderung eines Arbeiters zum Kontrolleur oder Magazinverwalter im Angestelltenverhältnis. Nicht ganz unüblich war der Aufstieg eines Arbeiters in die Stellung eines kaufmännisch-verwaltenden Betriebsangestellten, selten konnte einer auch Zeichner werden. Die Meisterstellung war die oberste mögliche Stellung für ehemalige Arbeiter, ein weiterer Aufstieg wurde durch die Bildungsbarriere verhindert. Höhere und mittlere Positionen standen nur besser qualifizierten Angestellten offen. Doch zeigt sich auch hier, daß der Rahmen derartiger technisch-betrieblicher Angestelltenkarrieren in der Regel recht eng begrenzt war. Wer als Betriebstechniker eintrat, was nur bei Technikumsoder Hochschulabsolventen der Fall war, konnte ausnahmsweise in höchste Stellungen^^ gelangen oder sich zum technischen Spezialisten verändern. 184
Die Mehrheit der Betriebstechniker avancierte indessen - wenigstens innerhalb des Unternehmens - nicht mehr. Auch von den Bürotechnikern bUeben die meisten in ihrer Position. In vielen Fällen dürfte die Spezialisierung so weit gediehen sein, daß ein Stellenwechsel innerhalb des Unternehmens schwierig oder doch inopportun war. Selten gelangte einer dieser Bürotechniker aber auch in eine höchste Stellung^^. In der kaufmännischen Verwaltung konnten praktisch nur Qualifizierte aufsteigen. Als Sachbearbeiter Eingetretene, die über gute Qualifikationen verfügten, konnten bis in die allerhöchsten Stellen gelangen. Tatsächlich war dies in Anbetracht der wenigen vorhandenen Stellen auf den höheren Rängen der Hierarchie aber nur für wenige möglich. Wichtiger als die vertikale MobiUtät in der Autoritätshierarchie dürfte hier die Mobilität in der Gehalts-, Funktions- und Prestigehierarchie gewesen sein. Das Vorrükken von einer Position mit einfacherer, wenig verantwortlicher, stark fremdkontrollierter Routinearbeit in eine Position mit verantwortlicher, interessanter Tätigkeit wird von Angestellten als Aufstieg interpretiert. Eigen- und Fremdeinschätzung sind in einem erhebhchen Maße vom jeweiligen Tätigkeitsbereich des Angestellten beeinflußti"*. Ein kaufmännischer Angestellter z. В., der zuerst im Betriebsbuchhaltungs-Büro arbeitet und dann in die Geschäftsbuchhaltung wechselt, bekommt damit keine wesentlich andere Arbeit, aber doch ein höheres Prestige^®. Wie derartige Bewegungen in den Berichten von Vorgesetzten beschrieben werden, zeigt der folgende Ausschnitt aus dem Jahresrapport des Leiters der Abteilung Lohnwesen und allgemeine Verwaltung für 1926: ,,. Personalverschiebungen, speziell unter den Angestellten der Betriebsbuchhaltung wurden im Berichtsjahre durchgeführt, indem Herr Pletscher, weil für diese Tätigkeit nicht mehr brauchbar, in das Weichgußmagazin versetzt wurde. Herr Schenk wurde durch die Korrespondenzabteilung übernommen und Herr Dejung in das Fakturenbureau versetzt. Als Ersatz für diese drei Leute übernahm die Betriebsbuchhaltung die Herren Knöpfli und Luginbühl aus der früheren Abteilung Einkauf und K a l k u l a t i o n . E h e r als Abstieg müssen die Bewegungen von Pletscher (Weichgußmagazin) und Dejung (Fakturenbüro) gewertet werden; Schenk (Korrespondenzabteilung) sowie Knöpfli und Luginbühl (Betriebsbuchhaltung) konnten den Wechsel hingegen als Verbesserung interpretieren. Derartige Formen der Mobilität spielten für die Masse der kaufmännischen Angestellten eine bedeutende Rolle. Insgesamt kann zur Mobilität festgestellt werden, daß die Mehrzahl der Angestellten selbst bei längerer Tätigkeit und oft wohl auch trotz guter Leistungen ohne Firmenwechsel kaum mit einem Aufstieg rechnen konnte; und für jene, die aufstiegen, war der Rahmen der Berufskarriere meist relativ eng. Immerhin konnte ein Teil der Angestellten ohne Karriere wenigstens versuchen, eine ,interessantere' Arbeit oder eine ,bessere' Abteilung zu erreichen^·'. Die Mobilitätschancen für die Angestellten mögen gering erscheinen, doch legen alle möghchen vergleichbaren Schät185
Zungen zur Mobilität in der Arbeiterschaft die Vermutung nahe, daß die entsprechenden Werte dort noch tiefer lagen^®. Hier wie dort wären die Chancen aber nach der jeweiligen Qualifikationsgruppe zu differenzieren; die Qualifizierteren konnten sich durchaus eine gewisse Karrierechance erhoffen. Die Resultate bestätigen generell die eingangs geäußerten Ansichten von Henze und Mills, die die Karrierechance nicht zum Definitionskriterium für die Angestellten machen möchten und den normalerweise engen Rahmen einer Berufskarriere im Angestelltenverhältnis betonen. Bestand ein Zusammenhang zwischen militärischer und beruflicher Karriere? Vor dem Ersten Weltkrieg scheint der militärische Rang (in der Schweizer Milizarmee) bei GF kaum eine Rolle gespielt zu haben, in der Folgezeit dürfte aber die Bedeutung der militärischen Position für die berufliche Karriere etwas zugenommen haben^'. Vor allem auf den oberen und mittleren Stufen der technischen Hierarchie (Betriebsleiter, Betriebstechniker) war 1920 eine - relativ zur jeweiligen Stufe - nicht unbedeutende Menge von Unteroffizieren und Offizieren tätigt". Bis 1929 nahm die Zahl der Offiziere und Unteroffiziere weiter zu, und es läßt sich vermuten, daß teilweise Offiziere bei der Besetzung höherer Stellen bevorzugt wurden^^, was jedoch weder hieß, daß diese Stellen Nicht-Offizieren verschlossen waren, noch daß eine Offiziersfunktion in der Armee eine leitende Funktion im Unternehmen garantierte^^. Nur ein geringer Teil der GF-Manager hatte also seine Managementfähigkeiten aktiv in der Armee gelernt, und es wird in den Quellen denn auch nie ausdrücklich erwähnt, daß bei GF ein ,militärischer' Führungsstil geherrscht habe, wie dies zeitweise in deutschen, vermutlich auch in schweizerischen Unternehmen der Fall war^^. Dies schließt jedoch nicht aus, daß trotzdem real gewisse militärische Verkehrsformen herrschen konnten, die aber auf die Betriebserfordernisse hin funktional ausgeprägt sein mußten. Wie entwickelten sich die Angestelltengehälter bzw. die Einkommen verschiedener Angestelltenkategorien in den Teuerungsjahren der Kriegsund Nachkriegszeit? Ganz allgemein können wir feststellen, daß bis auf eine schmale Schicht von Direktoren, Prokuristen und Betriebsleitern, die am Geschäftserfolg finanziell beteiligt waren^'^, alle Angestellten zwischen 1916 und 1920 mindestens vorübergehend Reallohnverluste einstecken mußten. Etwa 1920 setzte dann eine Tendenz zur Besserung ein, die in den Ζ wanzigerjähren vor allem dank dem Teuerungsrückgang fortdauerte. Für die kaufmännischen Angestellten im Monatslohn liegen keine genügend zuverlässigen systematischen Entwicklungsreihen vor, doch es scheint, daß ein Großteil von ihnen in den Inflationsjahren einen beträchtlichen Einkommensverlust erlitt^®. Auch länger beschäftigte Betriebstechniker konnten 1917/1918 ihr Einkommen kaum halten (Schaubild 7). Die Entwicklung der realen Durchschnittslöhne der vierzehntäglich bezahlten ,,Wochenlohnangestellten" (Modellverwalter, Spediteure, Be186
Schaubild 7: Die reale EntwicHung der Durchschnittsgehälter verschiedener ausgewählter Gruppen der GF-Angestelltenschaft und der Arbeiter^® Reallohnindex 1913 = 100
UOH
130
120-
Wochenlohn Angestellte
110-
Meister
Birch
Betriebstechniker
100-
Birch Arbeiter
90-
70 1911 12 13
К
15 16 17
18
19 20
21
22
23 24 2 5 26
27 28 29 30
31
Jahr
triebsschreiber, Kontrolleure, Meister) verlief sehr ähnlich wie die der Arbeiterdurchschnittslöhne (Schaubild 7). In dieser Gruppe müssen indessen teilweise sehr schlechte Lohnanpassungen vorgekommen sein, denn die Entwicklung der Meistergehälter im Werk Birch zeigt, daß zumindest ein TeiP'' der Meister bei geringeren Reallohnverlusten recht stabile Einkommen hatte. Um die Lage und das soziale und politische Denken und Verhalten der Angestellten zu verstehen, genügt aber eine Darstellung der Entwicklung des Durchschnittseinkommens noch nicht. Wichtig ist vielmehr auch die Lohnstruktur, denn sie erlaubt dem Angestellten - soweit er sie kennt - , seine Lohnsituation zu beurteilen und mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen zu konfrontieren. Die Gehaltsstruktur kann für das sozialpolitisch interessante Jahr 1919 aus verstreuten Quellen einigermaßen rekonstruiert werden (Tabelle 27). Aufgrund der Angaben über die Zusammensetzung der Angestelltenschaft nach verschiedenen Merkmalen (Funktion, Dienstalter usw.) läßt sich schätzen, daß zwei Drittel bis drei Viertel der kaufmännischen Angestellten unter Fr. 4000 verdienten, d. h. weniger als die bestbezahlten Arbeiter (Stahlgießer). Viele bewegten sich auf dem Niveau von mittleren oder gar mäßigen Arbeiterlöhnen, die Frauen rangierten im Büro wie im Betrieb einkommensmäßig auf der untersten Stufe. Die Mehrheit der 187
Tabelle 27; Gehalts- und Lohnstruktur bei GF 1919" (nominale Jahresverdienste) Einkommensstufe Qahreslohn i. Fr.)
Kaufmännische Angestellte
Technische Angestellte
über 12 ООО
Direktoren, u. ä.
Direktoren, Betriebsleiter, Chef, Konstruktionsbüro u. ä.
Prokuristen
7-8000
Arbeiter
älterer ETH-Ingenieur T B
6-7000
gel. Kaufmann in verantwortl. Sachbearbeiterposition mit viel Erfahrung
erfahrene Betriebstechniker ab dreißig Jahren
5-6000
gel. Kaufmann in verantwortl. Sachbearbeiterposition um 30 Jahre
ältere, erfahrene Techniker im technischen Büro; Meister der Stahlgießereien
4-5000
ältere kaufm. Angestellte in mittlerer Sachbearbeiterposition
unter dreißig Jahre alte Techniker im techn. Büro
Stahlgießer (Durchschnittsjahreslohn: 4184)
3-4000
ältere u. jüngere kaufm. Angestellte in Bestell-, Fakturen- u. Lohnbüro
vereinzelte Meister; Zeichner, Laboranten; Techniker-Anfänger
Maschinenformer (3382) Schlosser (3812) Gewindeschneider (3583)
2-3000
jüngere steUte
junge Zeichner u. ä. ; Modellverwalter u . ä
Alle Arbeiter (2866) Gußputzer (2981) Gießereihandlanger (2694)
unter 2000
jüngere Stenotypistinnen; angel. jüngste Schreiber
kaufm.
Ange-
Frauen und jugendl. Arbeiter (1748)
kaufmännischen Angestellten unterschied sich einkommensmäßig nicht oder kaum mehr von den Arbeitern, die schon vor dem Weltkrieg feststellbare Angleichungstendenz hatte sich fortgesetzt, und es erstaunt nicht, daß damals in Angestelltenkreisen von einer ,Verproletarisierung' der Angestellten gesprochen wurde. - Davon waren die technischen Angestellten viel weniger betroffen. Schätzungsweise drei Viertel der technischen Angestellten von G F bezogen jährlich über Fr. 4 ООО, nur gerade die Einkommen vereinzelter Meister sowie einiger kleinerer Gruppen, wie der Zeichner, Laboranten und der Modellverwalter, gehörten in den Bereich der Arbeitereinkommen. An der inneren Lohnhierarchie der technischen Angestelltenschaft hatte sich gegenüber der Vorkriegszeit nichts verändert. Die Einkommen eines großen Teils der Angestellten mochten noch so bescheiden sein bei den Arbeitern hielt sich die Meinung, daß die Angestellten von der Firma bevorzugt würden. Ein Arbeiterkommissionsmitglied äußerte 1919 gegenüber der Geschäftsleitung, ,,daß an die Arbeiter 188
wohl, nachdem den Angestellten jährlich Gratificationen verabfolgt werden, etwas abgegeben werden könne", um so mehr als in den Büros, speziell in den Zeichnungsbüros, ,,gefaulenzt werde"^'. Obwohl die Gratifikation, um die der Arbeiter die Angestellten beneidete, für den Angestellten eine willkommene Aufbesserung seines Gehaltes darstellte, so muß doch festgehalten werden, daß die Gratifikationen für den normalen Angestellten deutlich weniger als ein Monatsgehalt betrugen und die Einkommensrelationen nicht wesentlich veränderten^®. Die Darstellungen zur Zusammensetzung der Angestelltenschaft, über die Mobilitätschancen und die Einkommensverhältnisse können wir abschließend grob folgendermaßen zusammenfassen: Es gab eine Minderheit von Angestellten, die sich status-, qualifikations-, einkommens- und prestigemäßig in jeder Beziehung deutlich von den Arbeitern unterschieden. Diese Spitzengruppe war aber auch sehr verschieden von den meisten übrigen Angestellten, die in der einen oder anderen Dimension oder durchgängig gar nicht gut dastanden. Bei dieser Mehrheit der schnell gewachsenen Angestelltenschaft von GF bestand ein gewisses Unzufriedenheitsmoment und ein Konfliktpotential, mit dem die Leitung umzugehen lernen mußte, das aber auch von den Angestellten selber in Bahnen gelenkt werden konnte.
V. Bewußtsein
und Verhalten der Angestellten in der
Nachkriegszeit
Wegen der allgemeinen Verschlechterung der Einkommen und der Lebensbedingungen nahmen gegen Ende des Ersten Weltkriegs in der Schweiz ähnlich wie in den umliegenden Ländern^ - die sozialen und politischen Spannungen stark zu^. Auf die Radikalisierung der Arbeiterbewegung, die im Generalstreik vom November 1918 ihren Höhepunkt fand, reagierten die verängstigten Behörden mit mihtärischen Maßnahmen, die die Gesellschaft an den Rand eines Bürgerkriegs brachten; aber vereinzelt auch mit Zugeständnissen, die eine stärkere Integration der Arbeiterbewegung in das politische System bewirkten. 1918/1919 radikalisierten sich auch die Angestellten. Die traditionellen Berufsverbände, wie SKV, STV und SWV, reagierten auf den sozialpolitischen Protest starker Mitgliedergruppen mit einer aktiveren Sozialpolitik. 1918 schlossen sich diese Verbände in der Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) zusammen, die eine allgemeinere Angestellten-Interessenpolitik formulierte und durchzusetzen versuchte. Ende 1918 gelang den in der VSA organisierten Verbänden der Abschluß einer gesamtarbeitsvertraglichen Regelung (,,Berner Übereinkunft") über Gehälter und Anstellungsbedingungen mit den Arbeitgeberverbänden, die von der auf die Vermeidung einer stärkeren sozialen Polarisierung bedachten Schweizer 189
Regierung zum Einlenken gedrängt wurden. Vorübergehend machte es den Anschein, als würden sich die alten Berufsverbände endgültig zu gewerkschaftlichen Interessenorganisationen der Angestellten wandeln, doch schon Anfang der Zwanziger]ahre wurde dieser Prozeß durch das Wiedererstarken der verbandspolitisch konservativen Kräfte in den einzelnen Organisationen, die ökonomische Krise und die unnachgiebigere Arbeitgeberpolitik wieder gestoppt. 1917/18 bildeten sich gerade in Städten und in den großbetrieblich strukturierten Branchen außerhalb der traditionellen Berufsverbände neue, sozialpolitisch radikalere Angestelltenorganisationen, wie z. B. die Verbände der Bank- und der Versicherungsangestellten. Diese waren zur Durchsetzung ihrer kollektiven Forderungen nach besseren Gehältern und Anstellungsbedingungen vereinzelt auch zu härteren Kampfmaßnahmen bereit: 1918 streikten die Zürcher Bankangestellten - mit Unterstützung der Arbeitergewerkschaften! Auch in der Folge behielten diese Organisationen teilweise den Charakter von Gewerkschaften, die Annäherung an die Arbeiterbewegung war indessen nicht von Dauer. In etlichen Großunternehmen der Metall- und Maschinenindustrie entstanden zwischen 1918 und 1921 berufsgruppenübergreifende Angestellten-Hausverbände, die teilweise als echte betriebliche Interessenorganisation aller Angestellten eines Unternehmens funktionierten - also kaum mit den , gelben' Vereinen in deutschen Unternehmen zu vergleichen sind. Ein Großteil dieser Hausverbände war in einer lockeren Dachorganisation, dem Verband Schweizerischer Angestelltenvereine der Maschinenindustrie (VSAM), zusammengeschlossen^. Am Beispiel der Angestellten von GF und in Schaffhausen soll im folgenden untersucht werden, - welche Zusammenhänge zwischen betrieblicher, ökonomischer und sozialer Lage einerseits, und dem Denken und Verhalten andererseits bestanden; - wie sich das Verhältnis der Angestellten zur Geschäftsleitung entwickelte und welche Lernprozesse beide Seiten dabei machten; - wie sich die verschiedenen Angestelltengruppen verhielten und welche Wege die einzelnen Angestelltenorganisationen, in denen sich die GFAngestellten organisierten, einschlugen; - welches die Bedingungen eines einheitlichen Zusammengehens der verschiedenen Angestelltengruppen waren; - wie sich das Verhältnis der Angestellten(-Organisationen) zu anderen sozialen Gruppen, speziell zur Arbeiterbewegung und zum Bürgertum, entwickelte. Nach den sozialpolitischen Unruhen von 1918 versuchten Unternehmer und bürgerliche Politiker die Lage wieder in den Griff zu bekommen, indem sie a) die Arbeiterlöhne etwas verbesserten und die politischen Aktivitäten unterdrückten und b) die Angestellten durch Zugeständnisse 190
(Berner Ubereinkunft, Schaffung von Pensionskassen'*) wieder stärker integrierten und deren brüchig gewordenes Vertrauen in die bürgerUche Gesellschaft wieder festigten. Die Geschäftsleitung von G F führte die Angestelltenpensionskasse Ende 1918 ein, um sich den Angestellten ,,erkenntlich zu zeigen", da ja die guten Geschäftsergebnisse auch der ,,ernsthaften und zuverlässigen Mitarbeit" dieser Gruppe zu verdanken seien^. Mit dieser Begründung hätte die Unternehmensleitung dieses ,,alte Postulat der Angestelltenschaft" allerdings schon früher erfüllen können; sie verhehlte denn auch nicht, daß sie durch die sozialpolitischen Verhältnisse zur Einführung der Angestelltenpensionskasse gedrängt wurde. Man stellte im Verwaltungsrat fest, daß die ,,sozialisierenden Bewegungen rascher fortgeschritten [seien] als es früher möghch erschien" und verwies auf den ,,neuen Geist" in der Sozialpolitik, der mehr , Weitherzigkeit' und ,Großzügigkeit in der Fürsorgepolitik' verlangte®. Während die Pensionskasse für die Geschäftsleitung ein Mittel zur besseren Integration des Angestellten darstellte, so bedeutete sie vielen Angestellten eine willkommene Befriedigung ihres Sicherheitsbedürfnisses und eine Aufwertung ihres Status' im Vergleich zu den Arbeitern. Nachdem anfänglich die untersten Angestellten (Werkstattschreiber u. a.) noch ausgeschlossen waren, da man erwartete, daß diese Kategorien bald von der eidgenössischen Alters- und Invalidenversicherung'' aufgenommen würden, öffnete sich die Kasse schon bald weiteren Kreisen. Trotzdem waren 1928 nur 4 3 , 5 % der Angestellten von Schaffhausen und Singen bzw. 55,7% aller gemäß den Statuten Aufnahmeberechtigten Mitglieder der APK®. Zu der großen Gruppe der Nichtmitglieder gehörten die Angestellten, die statutarisch® ausgeschlossen waren, weil sie jünger als 22 Jahre alt waren oder weniger als zwei Dienstjahre hatten, sowie jene, die die Beiträge in Höhe von 4 % des Jahresgehaltes nicht auslegen konnten oder wollten. Für die Firma war der Zweck aber doch erreicht, indem ein großer Teil des Angestelltenstammes besser an die Firma gebunden wurde. Die Pensionskasse bedeutete zweifellos eine gewisse Privilegierung der Angestellten. Darüber soll aber nicht vergessen werden, daß für die Arbeiter bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts eine Alterssparversicherung bestand, die mit Beiträgen der Firma gespeist wurde und immerhin einen minimalen Versicherungsschutz bot^". Die Angestellten holten hier also eigentlich nur nach, was die Arbeiter schon länger hatten. Sie konnten dank günstigen Umständen diese auch gleich überholen, denn die Leistungen der Pensionskasse scheinen besser gewesen zu sein als die der Alterssparversicherung. Mitte 1919 kam es bei G F erstmals zu einer kollektiven Lohnforderung der Angestellten, indem der neugegründete Hausverband ,,eine allgemeine, für jeden Angestellten gleich begrenzte Gehaltserhöhung"" verlangte. Die Geschäftsleitung reagierte darauf mit individuell bemessenen Erhöhungen, weil sie sich vom Grundsatz der individuellen Lohnbestimmung nicht abbringen lassen wollte: ,,Eine Gehaltsfestsetzung nach einem allgemeinen 191
Schema, wie es dieser Forderung zu Grunde liegt, ist undenkbar. Von dem Grundsatz, daß bei der Bezahlung unserer Angestellten die Eignung, die Tüchtigkeit, der Fleiß, das Dienstalter und weitere besondere Qualifikationen den Ausschlag geben, werden wir unter keinen Umständen abgehen."" Man versuchte die Angestellten zu überzeugen, daß dieser Grundsatz ,,nicht allein die Arbeitgeber-Interessen" berücksichtige, sondern sich auch ,,auf die Auffassung [stütze], welche bis heute unter der Kaufmannschaft und unter den Technikern im Ansehen war, wonach der qualifizierte Mann durch seine Leistungen und durch seinen Fleiß selbst seinen Weg und seine Entwicklung such[e]" Es sei den ,,einzelnen Abteilungsvorständen wieder neuerdings zur Pflicht gemacht worden, jeden einzelnen ihrer Mitarbeiter im Auge zu behalten und ihm je nach seinen Leistungen und Eigenschaften für seine Fortentwicklung in unseren Werken behülflich zu sein Indem die Geschäftsleitung an die traditionelle Auffassung der Techniker und Kaufleute appellierte, versuchte sie, eine in den Köpfen zwar immer noch vorhandene, aber von vielen Angestellten rational verworfene Ideologie zu reaktivieren. ,,Bis heute war mit dem Standesgefühl der Angestellten in Industrie und Handel, welche in ihrer Tätigkeit Selbständigkeit und Verantwortung suchen, eine Organisation mit dem Zwecke, ihre finanziellen Wünsche zu befriedigen, nicht vereinbar. A m sichersten ist der Fortschritt auch in dieser Hinsicht, wenn der Angestellte kraft seiner Tüchtigkeit und seiner Leistungen sich selbständig für seine persönlichen Wünsche einsetzt."1·* Die Geschäftsleitung gestand halbherzig gewisse Mängel in der Handhabung des Systems der individuellen Lohnbemessung zu, wehrte sich aber entschieden gegen eine systematischere und schematischere Lohnbestimmung und gegen kollektive Forderungen. Zu viele Angestellte befanden sich aber in einer schlechten finanziellen Lage, aus der sie nur noch kollektiv herauszukommen hofften. Zur kollektiven Interessenvertretung wurde 1919 bei G F der Angestellten-Hausverband gegründet. Während andere Unternehmensleitungen den Hausverband als repräsentatives Organ der Angestelltenschaft einigermaßen akzeptierten^®, so wandte sich G F energisch gegen die organisatorischen Bestrebungen unter den Angestellten, weil dieser Hausverband statutarisch das Recht beanspruchte, die Aufnahme von Mitgliedern nach eigenen Gesichtspunkten zu prüfen und eventuell zu verweigern. Dies bedeutete, daß privilegierte Angestellte unter Umständen ihren ,mäßigenden Einfluß' nicht hätten geltend machen können, aber auch, daß die Repräsentativität eingeschränkt gewesen wäre^®. Die Geschäftsleitung fürchtete offensichtlich, daß statt einer halbwegs willkommenen friedlichen Gesprächs-Vertretung eine eher gewerkschaftlich orientierte Angestelltenorganisation entstanden wäre. Sie verweigerte dem Hausverband jegliche Anerkennung und legte seinen Wortführern die Kündigung nahe.
192
In ihren Personalkarten sind drei Aktivisten des Hausverbandes, die Ende 1919/ Anfang 1920 die Firma verlassen mußten, .porträtiert': Bändel, Eduard: J g . 1895, Eintritt 1914, gel. Kaufmann, Abt. Lohnstatistik, Salär 340. - Fr. Qualifikation: ,,Leistungen sehr gut! Betragen schlecht, Hetzer, ganz extrem links stehend; Hausverband gegründet und präsidiert " Gerster, Emanuel: J g . 1888, Eintritt 1911, gel. Kaufmann, Abteilung Fakturenbüro, Salär: 395. - Fr. Qualifikation: ,,intelligent, sehr fleißig, exacter Arbeiter, anmaßend, Querulant, Schuldenmacher. H a t im Angestellten-Verband zweifelhafte Rolle gespielt." Hefti, Rudolf: J g . 1892, Eintritt 1912, gel. Kaufmann, Abt. Fakturenbüro, Salär: 350. - Fr. Qualifikation: ,,mäßig intelligent, ordentUch fleißig. Qualitative Leistungen zufriedenstellend. War ein ,rühriges' Vorstands-Mitglied des Angestelltenverbandes.""
Diese Hausverbands-Aktivisten waren also zwischen 24 und 31 Jahre alte gelernte Kaufleute. Indessen arbeiteten sie in wenig interessanten Funktionen ohne besondere Verantwortung und Selbständigkeit und mit geringen Aufstiegschancen. Gehaltsmäßig gehörten sie nicht zu den am schlechtesten Gestellten, aber bezogen auf die Lebenskosten waren ihre Einkommen doch bescheiden. Sie waren trotz guter Leistungen während fünf bis acht Jahren beruflich offensichtlich auf einem Abstellgeleise gelandet und erhofften sich vom kollektiven Vorgehen eine Verbesserung, die ihnen als Individuen so bald nicht erreichbar zu sein schien. Daß in den gewiß nicht zurückhaltenden Bemerkungen auf der Personalkarte zwei der drei nicht als linksstehend bezeichnet wurden, mag darauf hinweisen, daß auch bei G F selbst politisch-ideologisch gemäßigte Angestellte in gewerkschaftlicher Richtung aktiv wurden. Die politischen Beurteilungen dürften indessen stark durch Eigenarten des beurteilenden Vorgesetzten geprägt gewesen sein; dem einen war eine gewerkschaftliche Haltung bereits zu links, für den anderen galt ,erst' sozialistisch als links. Die Durchsicht der Personalkartei ergab, daß in jener Zeit linksstehende Angestellte Ausnahmen waren. Die Analyse der kleinen Zahl von linksstehenden Angestellten weist aber auf interessante Zusammenhänge zwischen Lage, Erwartungen und Denken hin: Auffällig ist die vergleichsweise starke Vertretung gelernter Kaufleute, die in nichtleitenden, relativ einfachen Funktionen mit wenig Prestige tätig waren und ein Salär im Bereich eines mittleren oder höheren Arbeiterlohnes bezogen. Sie waren meist ledig und stammten interessanterweise nicht alle aus derselben Generation. Angesichts der Häufung in der Lohnbuchhaltung kann fast von einer ,roten Lohnbuchhaltung' gesprochen werden. Soweit feststellbar, waren auch diese Angestellten beruflich durchaus gut qualifiziert^^. Gerade die Differenz zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlicher Leistung einerseits und niedrigem Funktions-, Autoritäts-, Einkommens- und Prestigestatus dürfte eine gute Disposition für die Übernahme linker Überzeugungen gewesen sein. Vor allem bei den nicht mehr 193
Name
Jg·
Beruf
Tscharner, R.
1899
Kaufm.
Lohnbuch.
280
ledig
1920
Brandii, Α . Künzli, E.
1877 1895
Kaufm. Kaufm.
Lohnbuch. Lohnbuch.
360 300
verh. ledig
1920 1920
Gugelmann, О .
1899
Kaufm.
Kalkulat.
245
ledig
1919
Pfeil, P.
1898
Kaufm.
Lohnbuch.
255
ledig
1921
Küffer, F.
1890
Lohnbüro
300
ledig
1922
Schneider, E.
1902
Kaufm. Ang. Masch.Zeichn.
TB
240
ledig
1924
Tätigkeit Bezahlung Zivil- Austrittsb. Austritt stand jahr (Fr./Mon.)
polit. Beurt.
„anarchistische Anschauungen" „stark rot" „stark rot und macht gerne gewerkschaftl. mit" „politisch ziemlich links stehend" „erheblich links orientiert" „kommunistische Anschauungen" „JungburschenIdeen"
ganz Jungen waren zu viele ,bürgerIiche'Erwartungen enttäuscht worden.Bemerkenswert ist schließlich, daß es einige gelernte Kaufleute mit einem Berufsbewußtsein und gewissen Erwartungen waren, die ihre Unzufriedenheit derart äußerten, während die Masse der Angelernten, trotz meist geringerer Entschädigung, oft noch eintönigerer Arbeit, absolut fehlender Aufstiegschancen usw., schwieg. Nach der anfänglich brüsken Ablehnung entschloß sich die Geschäftsleitung schließlich doch, den Hausverband als Institution anzuerkennen bzw. einigermaßen zu dulden. Anfänglich erhofften sich auch viele Angestellte noch etwas vom Hausverband, und dieser trat mit 370^® Mitgliedern 1921 dem Verband Schweiz. Angestelltenvereine der Maschinenindustrie (VSAM) bei, der zur VSA gehörte. Anläßhch des Abbaus der Nominallöhne 1922 versuchte der GF-Hausverband durch eine Massenversammlung mit Führern der schweizerischen Angestelltenbewegung zu protestieren, aber nun blieben die Mitgliedern fern und scheuten sich, ihre Opposition zu bekunden^!. Als Verhandlungspartner hatte die firmeninterne Angestelltenorganisation in der sozialpolitischen Defensive der Zwanziger]ahre keine Chance, und so bestand der Hausverband bei ständig abnehmender Mitgliederzahl schließlich bis 1926 nur noch dank seiner Aktivitäten als Einkaufsverein, der den Mitgliedern den billigeren Warenbezug ermöglichte, sowie als lockerer Geselligkeitsverein^^. Nach seiner Auflösung im Jahre 1926 hielt die Geschäftsleitung die Kontakte zu den Angestellten über den sog. ,,Arbeitsausschuß" aufrecht, dem die Aufgabe zukam, ,,die Angestelltenfragen mit der Geschäftsleitung im Geiste des gegenseitigen Vertrauens zu behandeln", und der sich aus Vorstandsmitgliedern der Angestelltenpensionskasse zusammensetzte". 194
Dies entsprach nun den Vorstellungen der GF-Leitung, die den Hausverband sowohl bei G F wie bei M R S stets eher abgelehnt hatte und damit die gleiche Politik verfolgt hatte wie die benachbarte SIG^'*. Der Sonderfall, daß die schaffhausischen Unternehmer im Gegensatz zu ihren Kollegen an anderen Orten die Hausverbände nicht recht dulden wollten, dürfte dabei mit der politischen Situation in der Stadt Schaffhausen zusammengehangen haben, wo die Angestellten zwischen der starken Arbeiterbewegung und der bürgerlichen Mehrheitspartei eine autonome Position aufzubauen suchten, was auf eine Schwächung der unternehmerfreundlichen Freisinnigen Partei hinauslieft®. Unter diesen Umständen glaubten die Geschäftsleitungen, die Einigungsbewegung der Angestellten schon in den Betrieben kontrollieren zu müssen. Nachdem festgestellt worden ist, daß es dem Hausverband als neuartiger, berufs- und statusgruppenübergreifender Organisation nicht gelang, die Interessen der Angestellten zur Geltung zu bringen, fragen wir im folgenden, welche Rolle die traditionellen Angestelltenverbände S K V , STV, SWV bei der Interessenvertretung der jeweiligen Angestelltengruppen spielten. Der Entwicklungsprozeß des KV Schaffhausen verlief im wesentlichen gleich wie jener des schweizerischen Gesamtverbandes. Nachdem der Verband und die Sektionen während des Krieges auf die ungünstigen Lohnverhältnisse vieler Angestellter mit in bittendem Ton abgefaßten ,,Teuerungszirkularen"t® an die Arbeitgeber reagiert und damit keine größeren Erfolge erzielt hatten, gingen sie gegen Kriegsende zu entschlosseneren Formen der Interessenvertretung über. In Schaffhausen wurden nun auch erste Ansätze zu einer kollektiv orientierten Sozialpolitik sichtbar, und der bürgerlich gesinnte Vorstand der KV-Sektion warnte 1918 die Freisinnige Partei, daß sie sich ,,mehr um die Interessen der Privatangestellten kümmern sollte als bisher, wenn diese nicht scharenweise ins sozialistische Lager getrieben werden soll[t]en"t^. Die Partei nahm die Warnung, daß sich Teile ihrer Stammwählerschaft von ihr abwenden könnten, zwar ernst, aber der sozialpolitische Radikalisierungsprozeß war nicht mehr zu stoppen. 1918 wurde im KV auf Betreiben der vielen finanziell schlechtgesteilten Angestellten eine ,,Kommission für Angestellteninteressen"^® geschaffen. Arbeitgeber und ihre Vertreter reagierten auf die sozialpolitischen Tendenzen im KV mit Druck und Drohungen. Sie konnten aber nicht verhindern, daß 1919 gegen den Widerstand der höheren Angestellten (so z. B. des GF-Prokuristen A. Felix) der Begriff der ,,gewerkschaftlichen" Interessenvertretung in die KV-Statuten aufgenommen wurde^'. Darauf erklärten verschiedene Arbeitgeber und höhere Angestellte (u. a. Prokurist E. Müller von den Elektrostahlwerken) den Austritt aus der Sektion^", die sich nun tendenziell von einer Berufs- zu einer Angestelltenorganisation wandelte. Die neue Politik des KV wurde teilweise von Aktivisten getragen, die wir bereits als Förderer des GF-Hausverbandes kennengelernt haben. Ed. 195
Bändel und К. Hefti wirkten in der Kommission für Angestellteninteressen, Bändel war bis zu seiner erzwungenen Abreise aus Schaffhausen ihr Präsident^^. 1919 wurde er zudem in den stark erneuerten neunköpfigen Sektionsvorstand gewählt, in dem die GF-Angestellten mit fünf Mitgliedern die Mehrheit hatten. Bei diesen VorstandsmitgHedern aus den Reihen der GF-Angestelltenschaft handelte es sich um jüngere und ältere gelernte Kaufleute, die mehrheitlich seit mehreren Jahren in mittleren Sachbearbeiterpositionen arbeiteten^^. Aus diesem Kreis stammten auch weitere Aktivisten des GF-Hausverbandes von 1919, die nicht dieselben harten Konsequenzen zu tragen hatten wie Hefti und Bändel, die aber auch schon bald den rauheren sozialpolitischen Wind der Zwanziger]ahre zu spüren bekamen. Die in der Tabelle 28 zusammengefaßten Ergebnisse einer Untersuchung über die GF-Angestellten, die dem KV angehörten, zeigen, daß die neue Angestelltenpolitik des KV den Interessen der unteren und mittleren kaufmännischen Angestellten recht gut entsprochen haben muß. Tabelle 28: Zeitpunkt des Verbandsbeitritts der GF-Angestellten, die 1920 dem KV angehörten" Qualifikation
Kaufm. Angelernt Kaufm. Berufslehre Hochsch./Mittelsch. Techn. Ausbildung
Eintritt bis 1 9 1 8 abs. %
Eintritt 1 9 1 9 abs. %
Eintritt 1920 abs. %
4 17 3
17 71 13
6 11 1 2
30 55 5 10
7 16
30 70
Autoritätsstatus Hilfs- u. Betr.-Ang. Sachbearbeiter Prok./Abt. It.
4 13 6
17 54 25
6 14
30 70
10 13
43 57
Insgesamt
24
-
20
23
Von den 67 KV-Mitgliedern unter den GF-Angestellten von 1920 waren zwei Drittel erst nach der Neuorientierung der Sektion eingetreten. Unter ihnen dominierten die Angehörigen der mittleren und unteren Qualifikations- und Funktionskategorien, während höhere Angestellte dem Verband seit 1919 fernblieben. Im Vergleich zur Vorkriegszeit war der Organisationsgrad der GF-Angestellten deutlich gestiegen; 1920 war ein Viertel aller Angestellten und zwei Fünftel der qualifizierten Angestellten, d. h. der traditionellen Rekrutierungsbasis des KV, organisiert^'*. Schlechter organisiert war hingegen die große Masse der Angelernten (11%) bzw. der Betriebsangestellten und der Inhaber von Hilfs- und Routinefunktionen (um 10%), die vom KV erst neuerdings und nicht vorbehaltlos aufgenommen wurden^®. Die Tatsache, daß 4 6 % der Sachbearbeiter organisiert 196
waren, zeigt, daß sie sich mit der neuen KV-Strategie besonders identifizierten; der im Vergleich zur Vorkriegszeit gesunkene Organisationsgrad der Prokuristen und Abteilungsleiter manifestiert deren abwartende oder ablehnende Haltung^®. Die arbeitnehmerorientierte Politik des KV Schaffhausen erlitt dann in den Jahren der ökonomischen Krise und der sozialpolitischen Reaktion ab 1921 beträchtüche Rückschläge, doch bis in die Mitte der Zwanziger)ahre konnte der KV seinen Mitgliedern noch eine minimale soziale Rückendekkung geben. 1925/1926 war allerdings die sozialpolitische Offensive des KV am Ende: Die Kommission für Angestellteninteressen wurde aufgelöst, das Angestelltenkartell aufgehoben, und der KV beschloß, fortan ,,unter Ausschaltung aller politischer Tendenzen" weiterhin berufs- und sozialpolitisch aktiv zu bleiben^·' Die Schaffhauser Sektion des Schweizerischen Techniker-Verbandes machte in der ersten Nachkriegszeit einen ähnUchen "Wandlungsprozeß durch wie der KV, allerdings in abgeschwächter Form und teilweise erst auf Druck von links hin, der vom gewerkschaftlich orientierten Bund technischer Angestellter (BTA) ausging. - Als der HTA Ende 1917 in Schaffhausen eine Propagandaversammlung durchführte, fanden sich dreißig interessierte Techniker ein, die dem STV ferngestanden hatten. Der ebenfalls anwesende Präsident des STV konnte die prekäre Situation nur noch retten, indem er persönlich intervenierte und dabei die - damals noch kaum praktizierte sozialpolitische Programmatik des STV anpries, womit er 28 Neumitglieder werben konnte^®. Die so veränderte Zusammensetzung der Mitgliedschaft begünstigte in der Folge die partielle Umorientierung des STV Schaffhausen, der schon bald dem Angestelltenkartell beitrat, obwohl einige Mitglieder davor gewarnt hatten, den ,,politisch-neutralen Boden zu verlassen" und sich ,,einseitig nach links" zu orientieren^^. Bei diesem im August 1918"'' gegründeten lokalen Angestelltenkartell handelte es sich um einen Zusammenschluß von KV, STV und SWV mit dem Ziel, ,,die Not der Zeit, die auf dem unselbständig erwerbenden Mittelstand mit aller Schwere lastet", zu überwinden, ,,damit diese Schicht der Bevölkerung nicht wirtschaftlich ruiniert, zum Proletariat hinuntergedrückt" werde. Die Angestelltenorganisationen wollten auch auf lokaler Ebene gemeinsam die Einkommen verbessern, für die Stabilisierung der Preise kämpfen (,,Konsumentenpolitik") sowie eine Reform der Anstellungsund Arbeitsbedingungen anstreben"**. Die Forderungen des Lokalkartells entsprachen damit weitgehend denjenigen der VSA, dem schweizerischen Angestelltenkartell. Gleich schon zu Beginn distanzierte man sich auch von den Methoden der Arbeiterbewegung und setzte auf eine Politik der Verständigung und des guten Einvernehmens mit den Arbeitgebern. Der STV profilierte sich zwar sozialpolitisch weniger scharf als etwa die Sektion des KV, was angesichts der relativ besseren Lage der Techniker im Vergleich zur Mehrheit der kaufmännischen Angestellten verständlich war. Aber die Arbeitnehmerorientierung an der Seite der kaufmännischen Ange197
stellten und der Werkmeister führte doch zu beträchtlichen sozialen und politischen Spannungen, weil sich die Arbeitgeber durch die neue Richtung bedroht fühlten. Die meisten Arbeitgeber und einige leitende Techniker reagierten auch hier mit dem Austritt, obwohl der STV weiterhin nur eine sehr gemäßigte Arbeitnehmerpolitik betrieb, sich deutlich von der Arbeiterbewegung abgrenzte und einige Mitglieder der Bürgerwehr stellte (worunter sich auch GF-Betriebsleiter Wäffler befand'^^). Die STV-Sektion war nun nicht mehr nur ein relativ geschlossener Geselligkeits- und Bildungsverein wie in den Kriegsjahren, sondern ein offener, auch sozialpolitisch engagierter Berufsverband^^, der eine gewisse Attraktivität für angestellte Techniker besaß und so zahlenmäßig zunahm oder trotz der Austritte von selbständigen oder höhergestellten Technikern wenigstens nicht schrumpfte'*". Die neue Politik wurde von neuen Vorständen getragen, deren Mitgliedschaft sta^k fluktuierte und die vorwiegend aus Technikern bestanden, die sich in einer unteren bis mittleren Angestellten-Stellung befanden, relativ jung waren und dem STV noch nicht lange angehörten·*®. Die Aktivisten scheinen aus jener Gruppe von Technikern gestammt zu haben, die noch nicht arriviert waren und sich noch etwas erkämpfen mußten. Gm \·ertreten waren die öffentlichen Angestellten und die Techniker aus den technischen Büros. Die GF-Technikerschaft stellte stets ein Viertel bis ein Drittel der Vorstandsmitglieder und Delegiertenabordnungen, wobei es sich meist um jüngere Angestellte der technischen Büros handelte, die wenige Dienstjahre im Betrieb und wenige Mitgliedschaftsjahre im Verband hatten. Es scheint, daß diese jüngeren Bürotechniker, mit relativ schlechteren Salären und ohne Leitungsfunktion, sich am ehesten gewerkschaftlich engagierten; um so mehr als sie auch nicht alltäglich gegenüber Untergebenen den Arbeitgeberstandpunkt vertreten mußten. Wirtschaftliche, politische und psychologische Faktoren mögen Anfang der Ζ wanzigerjähre bewirkt haben, daß bei einem großen Teil der Techniker die ,unpolitische' Tendenz wieder die Oberhand gewann. Die ansatzweise in Gang gekommenen Lernprozesse wurden abgebrochen, indem die Mehrheit der STV-Versammlung vom 23. 4. 1921 wünschte, daß der Verein wieder wie in der Vorkriegszeit nach dem Motto ,Technik und Freundschaft' funktionierte und die ,,einseitige Interessenpolitik" aufgegeben werde"*®. Begründet wurde die .Restauration' der Programmatik mit dem ,,individualistischen Charakter der Techniker", der sich nicht mit gewerkschaftlichen Organisationsprinzipien vertrage, weshalb man im November 1921 auch gleich noch das Angestelltenkartell verließ und in der Folge im schweizerischen Verband erfolgreich für den Austritt aus der VSA agitierte'*'. Tatsächlich dürfte die Taktik von 1918 vielen tendenziell besser bezahlten und in verantwortlichen, arbeitsleitenden Funktionen beschäftigten Technikern kurzfristig keine deutlichen Vorteile gebracht haben. Die angestelltenpolitische Linie entsprach eher den Interessen der Bürotechni198
ker sowie der öffentlichen Angestellten, denen der Sinn einer kollektiven Interessenvertretung viel mehr einleuchtete. Hinter der ganzen Diskussion stand aber stets auch die Frage, in welche Richtung man sich orientieren sollte: zu den Arbeitnehmern oder zu den Arbeitgebern? Angesichts der heterogenen Zusammensetzung des Technikerverbandes erstaunt es nicht, daß die Sektion anstelle eines geschlossenen Vorgehens der Angestellten (Kartell!) nun wieder gemeinsame Beratungen mit den Fachverbänden und Arbeitgebern pflegen wollte, ,,um dem Ausgleich der Klassengegensätze, d. h. dem sozialen Fortschritt näher zu kommen"*®. Dies bedeutete praktisch den Verzicht auf eine kollektive Sozialpolitik. Initiant der ,Restaurationspolitik' war Alfred Stamm, Leiter eines technischen Büros von GF, der von 1921-1927 als Präsident der Schaffhauser STV-Sektion wirkte. Stamms Hoffnungen, daß der STV als Bildungs-, Geselligkeits- und Dienstleistungsorganisation attraktiver wäre, erfüllten sich allerdings kaum, denn die Mitgliederentwicklung stagnierte während der ganzen Zwanziger;ahre'^'. 1929 gehörten weniger als die Hälfte der Techniker von GF dem STV an®°. 1937 zählte die Sektion 63 Mitglieder, wovon knapp die Hälfte in einer leitenden Stellung war, den Rest bildeten vorwiegend untergeordnete Maschinentechniker. Tabelle 29: Techniker in höherer Stellung in der Region Schaffhausen und ihre Zugehörigkeit zur STV-Sektion Schaffhausen" Stellung Insgesamt Davon in der STV-Sektion
Direktoren
Betriebsleiter u. ä.
Abteilungschefs
Selbständige
Andere
12
15
15
18
3
3
8
9
8
2
Tabelle 29 zeigt, daß aber nur noch ein Teil der leitenden und selbständigen Techniker der Region Schaffhausen Mitglieder der Schaffhauser STVSektion waren. Je höher einer stand, um so eher blieb er der Sektion fern; dieser Zusammenhang traf auch für die GF-Techniker zu. Der lange Zeit noch über die gemeinsame Qualifikationsbasis vermittelte Zusammenhang zwischen den Technikern spielte nun gegenüber den gerade in Großunternehmen wie GF, SIG usw. großen Statusunterschieden eine sekundäre Rolle. Die Unternehmens- und höheren Betriebskader einerseits, die unteren und mittleren technischen Angestellten andererseits bildeten nun zunehmend eigene Kreise, deren Lebenszusammenhänge sich nur noch partiell überschnitten. Auch nachdem der STV 1921/1922 zu seiner alten Politik zurückgekehrt war, bestand für die Schaffhauser Techniker weiterhin eine gewerkschaftliche Alternative: der Bund technischer Angestellter (BTA), eine relativ kleine Schwesterorganisation des deutschen Bundes der technischen Ange199
stellten und Beamten (Butab)®^. D e m B T A gehörten auch einige Zeichner und Techniker von G F an; vereinzelte Angaben weisen darauf hin, daß es sich dabei um Angestellte in unteren Positionen und mit wenigen Dienstjahren handelte®^. Nach der Auflösung des B T A (1927) entfiel aber auch diese Alternativorganisation, die vom STV hart bekämpft worden war. Wie verhielten sich die Werkmeister in der Nachkriegszeit? Als 1918 das schaffhausische Angestelltenkartell gegründet wurde, trat ihm auch die Lokalsektion des Werkmeisterverbandes bei, die nun über die traditionellen Bildungs-, Geselligkeits- und Wohlfahrtsfunktionen hinaus auch die soziale und materielle Interessenvertretung wahrzunehmen begann. Die GF-Meister scheinen in der Frage einer gewerkschaftlich orientierten Angestelltenpolitik indessen zurückhaltend gewesen zu sein, und die Geschäftsleitung verhielt sich ebenso diplomatisch. Das Problem der GF-Werkmeister waren weniger die Löhne, sondern die Statusbedrohungen, die sich mit dem Wandel der Technik und der Arbeitsorganisation ergaben. Diese Bedrohung konnte durch Weiterbildung und damit ohne Auseinandersetzungen mit der Leitung abgebaut werden, und die Leitung bemühte sich in der sozialpolitisch unruhigen Nachkriegszeit, den Meistern entgegenzukommen, denn diese konnten eine gewisse Beruhigung in die Werkhallen bringen. Nachdem bis dahin die Ausbildung des Meisters in der Praxis erfolgt war, wurde im Sommer 1919 erstmals ein Kurs in ,,Gießtheorie verbunden mit allgemeiner Ausbildung"®'' für zehn Gießer- und Kernmachermeister durchgeführt. Der Kurs sollte den Gießermeistern mehr berufstechnische Kenntnisse vermitteln; so etwa durch eine Ausbildung im Zeichnen, ,,soweit sie für das Lesen einer Zeichnung unbedingt erforderlich" war; oder durch eine ,,nur oberflächliche" Behandlung von mathematischen und physikalischen Problemen sowie von Fragen der Wärmetechnik, der Eisenverhüttung, der Gießereitechnik, der Materialbearbeitungsmethoden und der modernen Kalkulation. G F war damit eine der ersten schweizerischen Firmen, die sich um die systematische Qualifizierung der unteren Kader kümmerte. Mit den damals gleichzeitig geplanten weiteren kostenlosen ,,Kursen für Werkmeister und Berufsarbeiter" verfolgte sie dann ausdrücklich nicht nur technische, sondern auch soziale und politische Absichten: ,,Sie [die Kurse] werden einerseits jungen strebsamen Leuten Gelegenheit zu weiterer Ausbildung geben, anderseits die dafür sich Interessierenden so beschäftigen, daß sie nicht genötigt werden, von irgend einer anderen Seite Unterrichtsbzw. Ausbildungsstunden zu genießen. Es ist nicht außer Acht zu lassen, daß von der sozialistischen Seite nichts unversucht bleiben wird, um sowohl ihre jetzigen, wie auch immer weitere Kreise mit allen möglichen Mitteln zu fesseln. Deshalb werden in jenem Lager Ausbildungskurse, Vorträge und Vergnügungen aller Art stattfinden, um speziell den jungen Leuten Gelegenheit zu geben, sich ihnen anzuschließen. Aus diesem Grunde sollten wir keine Möglichkeit unversucht lassen, 200
den lern- und wissenbegierigen Leuten durch Abhaltung von Kursen, Vorträgen und durch Gratis-Abgabe von Schulmaterialien bestmöglich entgegenzukommen.
Von den Teilnehmern her stand das Interesse an Weiterbildung, die einen Aufstieg ermöglichen oder wenigstens einen Abstieg verhindern sollte, im Vordergrund. Die Firma ihrerseits strebte damit eine bessere Qualifikation, Arbeitsmotivation und Betriebsverbundenheit an und versuchte gleichzeitig, die Mitarbeiter von den Arbeiterorganisationen fernzuhalten. In den nächsten Jahren brauchte die Initiative nicht mehr von der Leitung auszugehen, die Meister organisierten die Kurse selbst®®. 1922 kündigte der Werkmeisterverband Schaffhausen in einem Schreiben mit dem Titel,,Stillstand ist Rückschritt! Durch Bildung zum Sieg!" seinen Mitgliedern Weiterbildungskurse an: ,,Die nach dem Kriege angebrochene schwere Zeit erschwerter wirtschaftlicher Verhältnisse stellt in der Folge auch an den Werkmeister immer größere berufliche Anforderungen. Es soll deshalb unsere vornehmste Aufgabe sein, durch Schaffung einer Gelegenheit zur beruflichen Weiterbildung unsere älteren und jüngeren Kollegen im erschwerten Existenzkampf zu unterstützen."®''
Vorgesehen waren Kurse in Rechnen, Zeichnen, Geschäfts- und Gesetzeskunde, Elektrotechnik und Italienisch. In einem Schreiben an die MRSund GF-Geschäftsleitung wurde um die Überlassung der Schullokalitäten der Werkschule und um Übernahme der Bezahlung eines Lehrers gebeten, da die finanziellen Mittel der Sektion wegen der starken Belastung ihrer Unterstützungsinstitutionen aufgebraucht waren®®. Die Geschäftsleitung reagierte darauf positiv, denn ihr war es lieber, wenn die Angestellten versuchten, den Status durch Bildung, d. h. Steigerung der individuellen Leistungsfähigkeit zu verbessern, als durch kollektive, , gewerkschaftliche' Forderungen. Zusammenfassend können wir zur Entwicklung des Bewußtseins und Verhaltens der GF-Angestellten bzw. der schaffhausischen Angestellten folgendes festhalten: Angesichts der ungünstigen Verhältnisse lernten viele Angestellte, ihre Situation neu zu interpretieren und entsprechende Forderungen zu artikulieren. Dabei scheint es, daß beruflich qualifizierte Angestellte, die in ,reinen' Arbeitnehmerfunktionen (d. h. ohne delegierte Leitungsbefugnisse und umfassende Verantwortlichkeiten) standen, wie z. B. Sachbearbeiter und Bürotechniker, am stärksten zu einer gewerkschaftlichen Angestelltenorganisation neigten. Dagegen standen Angelernte und Bürohilfskräfte (Frauen) ziemlich abseits, obwohl gerade sie unter den Angestellten vergleichsweise in jeder Beziehung am schlechtesten dastanden. Gerade diese Gruppen waren aus verschiedenen Gründen nicht imstande, ihre Interessen zu artikulieren, und der Berufsverband der Kaufleute (KV) nahm sich ihrer nur zögernd an®'. 201
Die Geschäftsleitung hatte gegenüber der teilweise neuartigen Denk- und Verhaltensweise der Angestellten eine flexible Strategie: sie machte zuerst einige Zugeständnisse, um die Distanz zwischen Angestellten und Arbeitern sicherzustellen (Pensionskasse, Gehaltsverbesserungen für einzelne Gruppen), ging dann aber entschieden gegen den Hausverband vor, solange sich dieser ihrer Kontrolle entziehen wollte. Die Haltung gegenüber der Mehrheit der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten war deutlich unnachgiebiger als jene zu den Betriebskadern, deren Zufriedenheit und Loyalität für die Stabilisierung der Verhältnisse in den politisch unruhigen Betrieben unerläßlich war. N e u war, daß sich die traditionellen Berufsverbände nach Kriegsende tendenziell zu sozialpolitisch engagierten Angestelltenorganisationen wandelten und daß sich mit der Bildung des Angestelltenkartells Ansätze zur Formierung einer gesonderten, berufsübergreifenden Angestelltenschicht zeigten, die aber unter dem Druck der Krisen und der politischen Reaktion in den Zwanzigerjahren teilweise wieder verschwanden. Die Ausprägung der sozialpolitischen Orientierung in den einzelnen Verbänden hing generell mit der Lage und den Aussichten der Mitglieder bzw. der größten oder aktivsten Mitgliedergruppe zusammen. Die Tatsache, daß eine Mehrheit der kaufmännisch-verwaltenden Angestellten und eine Gruppe von Bürotechnikern und Zeichnern eher ungünstig gestellt waren, widerspiegelt sich in einer gewissen Radikalität im K V , im STV (vorübergehend) und vor allem im B T A . Auf die sozialpolitische Umorientierung bei Kriegsende folgte einige Jahre später in den meisten Verbänden eine Rücknahme der Positionen und eine teilweise Wiederbelebung der Vorkriegsverhältnisse. Diese ,Restauration' hing nicht zuletzt mit den Mißerfolgen zusammen, die die schaffhausische Angestelltenbewegung und ihre Hauptvertreter erlitten hatten, als sie sich über die gewerkschaftliche Ebene (Kartell) hinaus als politische Kraft hatten etablieren wollen^®. Die in zwei unabhängigen Kartellen zusammengefaßten öffentlichen bzw. privaten Angestellten präsentierten bei den Nationalratswahlen von 1919 als ,,Politisch unabhängige Wirtschaftsgruppe" den Gerichtspräsidenten J . Müller als Kandidaten. Müller wurde nicht gewählt, und auch die 1920 an den Kantonsratswahlen vom ,,Kartell staatlicher Funktionäre" und vom ,,Kartell der Angestelltenverbände von Schaffhausen" vorgeschlagene Wahlliste brachte es im Wahlkreis Schaffhausen nur auf 3 , 7 % . Eingeklemmt zwischen den sich scharf befeindenden Parteien der Arbeiter und des Groß-Bürgertums, hatten die Angestellten keine Chance, zu einem raschen politischen Erfolg zu kommen; um so mehr als sie sich vom Bürgertum nie klar genug absetzten. Jene Angestellten und Beamten, die noch Anfang der Zwanzigerjähre gehofft hatten, daß sich die Angestellten in einer Angestelltenpartei, nämlich der 1922 gegründeten ,,Demokratischen Partei" sammeln würden, resignierten schließlich 202
spätestens 1927, als die „ D e m o k r a t e n " wieder zum großbürgerlich dominierten Freisinn - als dessen liberaler Flügel - zurückkehrten® Trotz der Tendenzen zu einer stärkeren Arbeitnehmerorientierung blieben die meisten Angestellten gegenüber der Arbeiterbewegung auf Distanz, und diese tat nicht viel, um eine Annäherung zu fördern®^. Die Angestellten interpretierten und verhielten sich als eigenständige Schicht mit besonderen Interessen, was nicht nur auf der verbandlichen, sondern sogar auf der parteipolitischen Ebene zum Ausdruck kam. Auch innerhalb der Firma trieben die Angestellten ihre eigene Politik, ohne sie mit derjenigen der Arbeiter zu koordinieren. Im Generalstreik 1918 gingen sie trotz der Anfeindungen der Arbeiter zur Arbeit. Wäffler schildet die Situation im Werk Birch: ,,Vor dem Eingang beim Portier standen ca. 20 Mann Streikposten . Jenseits der Straße, an und auf dem erhöhten Straßenbord, stand dichtgedrängt ein Haufen Arbeitswilliger, denen die Streiker den Eintritt verwehrten. Meister, Angestellte und Lehrlinge waren durchgelassen und höchstens mit einigen Schlötterlingen [Schimpfworten] bedacht w o r d e n . " " Lohnforderungen und Hausverbandspolitik hefen neben und unabhängig von der Arbeiterpolitik ab. Ebensowenig beteiligten sich die Angestellten am Streik von 1924. So problematisch ein Schluß von manifestem Verhalten auf das Bewußtsein sein mag, so kann doch festgestellt werden, daß auch bei den G F Angestellten ein mittelständisches Bewußtsein dominierte.
203
Schluß
Abschließend gilt es, einige Hauptzüge der Unternehmensentwicklung noch einmal zusammenzufassen und die in der Einleitung gestellten Fragen zu beantworten. Wie entwickelten sich die Organisation und die Managementmethoden? Wer hatte die Unternehmerfunktion inne, wie war die Unternehmensleitung organisiert und wie funktionierte sie? Wie entwickelten sich Leitung und Verwaltung in Unternehmen und Betrieben, und was für Folgen hatte deren Wandel für die Struktur der Angestelltenschaft bzw. für einzelne Angestelltengruppen sowie für den einzelnen Angestellten? Die Geschichte von GF begann mit der Überzeugung von J. C. Fischer, daß Eisen und Stahl die Werkstoffe der Zukunft sein würden. Nachdem es ihm einmal gelungen war, technische Verfahren aus dem westlichen Ausland zu kopieren bzw. zu variieren, bestanden seine Hauptprobleme darin, marktgängige Produkte zu schaffen und Märkte zu erschließen. In bezug auf das Werkstättenmanagement hielt sich der Firmengründer noch weitgehend an handwerklich-zünftische Muster, hingegen war der internationale .Familienkonzern' eine organisatorische Schöpfung, wie sie damals eher bei Handelsunternehmen als bei Produktionsfirmen üblich war. Ohne die Ausnützung familiärer Beziehungen für die geschäftliche Kooperation wäre der lockere Unternehmensverband von J. C. Fischer undenkbar gewesen. Der Ausbau zur Fabrik vollzog sich in Schaffhausen erst unter den Nachfolgern von J. C. Fischer, erfolgsorientierten Ingenieuren, denen es gelang, einige Spezialitäten zu entwickeln, die nicht nur im damaligen wirtschafthchen Aufschwung, sondern teilweise bis heute die Grundlage des ökonomischen Erfolges der Firma bildeten. Mit dem Übergang zur mittelgroßen Fabrik in den 1870er Jahren wurden für sie Rekrutierung, Disziplinierung und Motivierung von Fabrikarbeitern zu wichtigen Managementproblemen. Zur Leitung und Verwaltung mußte schon Georg Fischer II zudem ansatzweise einen Apparat aufbauen, womit die Grundlagen für die Funktions- und Autoritätshierarchie gelegt waren. Trotz der tendenziellen Versachlichung der innerbetrieblichen Beziehungen versuchte er noch einen spontanen Leitungsstil mit patriarchalischen Elementen beizubehalten. Den Durchbruch zum Großunternehmen schaffte die Firma im Rahmen des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs der 1890er Jahre. Noch in der Zeit vor der AG-Gründung wurde die Organisation von Leitung und Verwaltung weiter differenziert, Unternehmens- und Betriebsleitung liefen 204
auseinander. Während Georg Fischer III sich vorwiegend um ,strategische' Unternehmensfragen kümmerte, versuchte Betriebsleiter Bachmann durch eine stärkere Formahsierung der Beziehungen und Kompetenzen sowie durch die Einrichtung von Kontroll- und Koordinationsmechanismen zu erreichen, daß die Leitung die komplizierten Vorgänge im Unternehmen nicht aus dem Blick verlor. Nachdem sich die realen Grundlagen des patriarchalischen Personalbehandlungsstiles weiter verflüchtigt hatten, versuchte die Geschäftsleitung 1898 die Beziehungen zu den Arbeitern durch Institutionen wie die Arbeiterkommission wieder effizienter zu gestalten. Derartige Maßnahmen waren für ein Großunternehmen unerläßliche Modernisierungsschritte. Sie genügten aber dann doch nur teilweise, als das Unternehmen zu einer Großorganisation mit mehreren Tausend Beschäftigten, modernen Technologien und enormen Waren- und Geldflüssen heranwuchs. Gerade im Fall der Krise nach der Jahrhundertwende wurde deutlich, daß es der Leitung angesichts des unheimlichen Expansionstempos nicht mehr gelungen war, gewisse Managementprobleme richtig zu erkennen und rechtzeitig zu lösen. Die Personalstruktur der Angestellten wies Schwächen auf, und im Falle der Stahlformgießerei war die Entwicklung von tauglichen Bewertungsinstrumenten versäumt worden. Erst unter der neuen Leitung kam es im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu einem Modernisierungsschub im Management, indem die Personalstruktur verbessert wurde und das Rechnungs- und Informationswesen reorganisiert wurden. Eine große Rolle spielte dabei das Managementwissen einzelner Verwaltungsräte und leitender Angestellter. Kaum war es mit der Hilfe von deutschen und französischen Experten gelungen, die Probleme der Stahlformgußherstellung zu lösen sowie mit Hilfe exportkundiger Kader die Vertriebsorganisation für die Fittings auszubauen, beabsichtigte die Geschäftsleitung, für die Fittingsproduktion amerikanische Fertigungsmethoden einzuführen. Aus verschiedenen Gründen mußte sie sich dann aber mit einer stufenweisen Amerikanisierung der Anlagen zufrieden geben. Diese ,Helvetisierung' von tayloristischen Konzepten gehörte zur allgemeinen Tendenz der Vorkriegszeit, durch bessere Organisation möglichst Arbeit zu sparen. Mit der Vergrößerung und Differenzierung des Unternehmens verbreiterte und verlängerte sich die technisch-betriebliche Leitungshierarchie. Die Werkmeisterfunktion wurde enger, spezialisierter. Die Initiative ging an die auch theoretisch qualifizierten Techniker und Ingenieure über, die in der Modernisierungsphase der Vorkriegszeit eine zentrale Rolle spielten. Nur nach und nach wurde auch ihnen ein Teil der planenden und konstruktiven Funktionen von der neu entstandenen Spezialistengruppe in den technischen Büros abgenommen. Die Untersuchung zur Entwicklung des technisch-betrieblichen Leitungsapparates machte klar, wie schwierig es war, eine Struktur zu schaffen, in der eine größere Anzahl von fachlich selbstbewußten und aufstiegs205
orientierten Technikern effizient kooperieren konnten. Die Lösung bestand schließlich darin, daß der autoritäre, zentralistische Stil Bachmanns im Laufe des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts abgebaut wurde. Stattdessen führte man kollektive Diskussions- und Entscheidungsgremien in die hierarchische Struktur ein, die den sachlich-funktionalen Ordnungsvorstellungen der Techniker eher entsprachen und auch den Rationalitätsbedürfnissen der kommerziellen Oberleitung entgegenkamen. Die weitere Entwicklung zeigte aber, daß sich mit der zunehmenden Stabilisierung der Verhältnisse die Bürokratisierungstendenzen immer wieder durchsetzten. In der bald umfangreichen und stark arbeitsteiligen kaufmännischen Verwaltung gedieh in der Vorkriegszeit die Formalisierung etwas weniger als im Betriebsmanagement. Doch machten sich hier neuartige Probleme des Arbeitsklimas bemerkbar, die allerdings von vielen Angestellten wie von der Leitung eher verdrängt als gelöst wurden. Der für jene Zeit gar nicht so untypische Managementstil des Bürochefs war ein Ausdruck davon, wie ein sozial und organisatorisch Überforderter Manager seine Mängel kompensierte. Die Tatsache, daß hier von der Geschäftsleitung nichts geändert wurde, kann dahingehend interpretiert werden, daß selbst ein derartiger Stil halbwegs als funktional erschien, solange die Angestellten mitmachten; sei es weil sie angesichts des tendenziellen Überangebots an normalen kaufmännischen Angestellten Angst hatten, sei es weil sie ihre Stellung nur als Durchgangsstation betrachteten. Unter den Extrembedingungen der Kriegskonjunktur konnten sich die betriebliche Organisation und das Werkstättenmanagement bewähren. Darauf folgte eine intensive Rationalisierungsphase: Die Betriebe wurden technisch und organisatorisch umgestaltet, teilweise mit amerikanischen Methoden der fließenden Fertigung. Angestrebt wurde eine Intensivierung der Arbeit bzw. die Einsparung von Arbeit. - Die Verwissenschaftlichung der Produktion machte Fortschritte. Die Trennung von Planung und Arbeitsvorbereitung einerseits, Ausführung andererseits wurde verstärkt. - Die Arbeiterkommission wurde als Instrument zur Pflege der industriellen Beziehungen wieder aufgewertet und eine Kampagne zur ,ökonomischen Erziehung' der Arbeiter gestartet. Es wurden erste Schritte zur wissenschaftlichen Personalselektion (Psychotechnik) unternommen. - Eine Werkschule für Lehrlinge wurde errichtet, und Kurse für Werkmeister wurden durchgeführt. In der kaufmännischen Verwaltung setzte sich die Tendenz zur Vereinfachung, Schematisierung, Intensivierung und Routinisierung fort, unterstützt durch die Maschinisierung einzelner Bereiche (Lohnwesen!). Im Rechnungswesen kam es in den Ζ wanzigerjähren zu einem weiteren Modernisierungsschub, nachdem wegen der Komplizierung des Unterneh206
mensaufbaus (Konzernierung) die früheren Praktiken nicht mehr adäquat waren. Seit der zweiten Kriegshälfte war bei GF ein Angestelltenheer beschäftigt, es war fast explosionsartig eine private Riesenverwaltung entstanden. Hier arbeitete neben einer Minderheit von Kaufleuten in leitender, verantwortlicher, interessanter, ausbaufähiger und gut bezahlter Stellung eine Mehrheit von Angestellten in untergeordneten, mäßig interessanten, wenig aussichtsreichen und mäßig bis schlecht bezahlten Stellungen. Die Geschäftsleitung hatte alle Mühe, geeignete - aber nicht zu kostspielige Methoden zur Behandlung dieser Angestellten zu entwickeln, um so mehr als durch die Organisierungsansätze und durch das allgemeine sozialpolitische Klima ein Druck entstand, der keine abwartende Reaktion erlaubte. Nur dank der Tatsache, daß die heterogene Angestelltenschaft mit flexiblen und differenzierten Strategien behandelt werden konnte, gelang es der Leitung, das unerwartete Problem nach und nach zu lösen oder abzudrängen. J. C. Fischer hatte teilweise einen Rollenwechsel vom zünftischen Handwerksmeister zum innovativen Unternehmer durchgemacht. Seine Nachfolger im Mühlental waren polytechnisch gebildete Ingenieure, die das Unternehmen als Eigentümer-Unternehmer - teilweise mit Hilfe von Familienangehörigen - führten und nach und nach gewisse Leitungsfunktionen an Angestellte delegierten. Mit der Gründung der AG erst wurde die Unternehmensleitung bewußt zu einem organisatorischen, funktionalen, sozialen und psychologischen Problem. Die Analyse des Funktionierens der Unternehmensleitung in den ersten Jahren der AG konnte zeigen, - wie Georg Fischer III in schwierigen Prozessen vom Eigentümer-Unternehmer zum Unternehmensfunktionär wurde, - wie die Unternehmensleitung bewußt gestaltet und formalisiert wurde - und wie schließlich ortsfremde, von lokalen und verwandtschaftlichen Rücksichten freie Bankenmanager bzw. Vertreter von Bankeninteressen die Geschäftsleitung übernahmen. Diese schufen eine flexible Leitungsstruktur, an deren Spitze ein Unternehmerkollektiv (Verwaltungsratsausschuß) stand und die mit integrierenden Institutionen (Konferenzen usw.) ausgestattet war, die in einem Unternehmen ohne eindeutige Zentralgewalt eine rationale Entscheidungsfindung und eine gegenseitige Kontrolle garantieren sollten. Gleichzeitig verlor die Aktionärsversammlung weiter an Bedeutung, denn es bildete sich im Verwaltungsrat eine ,Koalition der Herrschenden', in der die Bankenvertreter das Sagen hatten und der ,Vertreter des Platzes Schaffhausen' o. ä. eine legitimierende Minderheitsposition einnahm. Das Leitungskollektiv war ausgestattet mit einem breiten unternehmerischen und Managementwissen. Es gelang ihm, das Unternehmen zu vergrößern, zu reorganisieren, zu rationalisieren und schließlich einen Stab von leitenden Angestellten heranzuziehen, dem schrittweise mehr Macht anvertraut wurde. Bei 207
Kriegsausbruch hatte GF eine eingespielte Leitungsstruktur und eine erfahrene Führungsmannschaft, in der Direktor Homberger eine überragende Position einnahm, die unter den Bedingungen des Krieges noch ausgebaut wurde. Mit der Konzernierung ab 1917 komphzierte sich die Unternehmensleitung, und sie wurde deshalb zu Beginn der Zwanziger)ahre teilweise reorganisiert und umbesetzt. Die Argumentation des Verwaltungsrates bei der Reorganisation zeigte, daß die typischen Schweizer Industrieführer im GF-Verwaltungsrat über ein hochentwickeltes Organisationswissen verfügten. Die Reorganisation stärkte - ähnlich wie spätere Maßnahmen, z. B. die Schaffung von Namensaktien mit Mehrfachstimmrecht - die von den Banken und Abnehmern begünstigte Gruppe um Generaldirektor HombergerRauschenbach. Schheßhch war GF gegen 1930 wieder eine Art Familienunternehmen; allerdings kein Familienunternehmen im konventionellen, alten Sinn, sondern ein Unternehmen, in dem eine Familie faktisch dominierte. Die Untersuchung der Management- und Organisationsgeschichte von GF zeigt, - daß im 19. Jahrhundert die Modernisierungsschübe teilweise noch stark mit dem Wechsel der Unternehmergeneration verbunden waren, während im 20. Jahrhundert die Modernisierungstendenz stetiger wurde; - daß die Trennung von Eigentum und Verfügung/Leitung vermutlich für die Entwicklung des Managements günstig war, denn damit kamen erfolgsorientierte, legitimationsbedürftige Verwaltungsräte und Manager mit teilweise großem Managementwissen an die Spitze, die auch die mittleren Kader aktivierten. Aufgrund der teilweise vergleichenden Ergebnisse können wir in bezug auf die Managemententwicklung sagen, daß GF nicht nur für schweizerische, sondern auch für internationale Verhältnisse einen hohen Standard hatte. Die Eisen- und Stahlwerke in Schaffhausen waren als international engagiertes Unternehmen gezwungen, nicht nur die technischen und marktmäßigen Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch den Wandel der Managementtechniken und -methoden zu verfolgen und gegebenenfalls wichtige Neuerungen zu adaptieren. Bei GF wie bei anderen schweizerischen Großunternehmen kamen neben den eigenen Konzepten deutsche, englische, amerikanische usw. Managementmethoden zur Anwendung, falls sie erfolgversprechend und anwendbar waren. Insgesamt ist aufgrund der vorhandenen Ergebnisse mindestens zu vermuten, daß die Managementfähigkeiten eine recht wichtige Rolle für den Erfolg eines schweizerischen Großunternehmens spielten, wobei das Gewicht dieses ,Faktors' neben den anderen Faktoren kaum zu bestimmen ist. Unter genannten Umständen fällt es natürlich sehr schwer, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob es einen spezifisch schweizerischen Betriebsstil gab. Vereinzelte Beispiele, wie die Erfahrungen der Schaffhauser Arbeiter mit den preußischen Obermeistern, die Berichte von Ing. Messner über 208
seine Beobachtungen in den amerikanischen Gießereien u. ä. scheinen darauf zu verweisen. Die dort betonten Unterschiede betrafen jeweils aber nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit, generell dürften mit der zunehmenden internationalen Verflechtung der Wirtschaft und der Diffusion der verschiedenen Arten von Managementwissen die nationalen Unterschiede je länger je mehr eingeebnet worden sein, ganz besonders in den großen Exportunternehmen. Wenn von einem schweizerischen Betriebsstil gesprochen wird, so wäre darunter ein international mehr oder weniger üblicher Stil zu verstehen, der durch spezifische kulturelle und politische Bedingungen sowie durch die oft noch relativ überschaubaren sozialen Verhältnisse nuanciert war. Wie entstand betrieblich und sozial eine Angestelltenschaft bzw. Angestelltenschicht? Welche Beziehungen bestanden zwischen Lage, Bewußtsein und Verhalten bei verschiedenen Angestelltengruppen? Wie organisierten sich die Angestellten? Vorerst konnte man nur betrieblich von einer Angestelltenschaft sprechen, wobei es sich um das Personal in leitenden, planenden arbeitsvorbereitenden, kontrollierenden, verwaltenden, informationsbearbeitenden, registrierenden und verteilenden Funktionen handelte. Während ein Teil der Angestelltenfunktionen keine besondere ,Angestelltenqualifikation' erforderte, so konnten andere nur aufgrund einer bestimmten beruflich-fachlichen Qualifikation wahrgenommen werden. Die Angehörigen dieser qualifizierteren Angestelltengruppen - Kaufleute, Techniker und Werkmeister - schlossen sich teilweise schon vor dem Ersten Weltkrieg den Schaffhauser Sektionen der schweizerischen Berufsund Statusorganisationen an, die durch ihre Geselligkeits- und Bildungsfunktionen eine gewisse gemeinsame Identität, ein Berufs- oder Statusgruppenbewußtsein stiften und vermitteln konnten. Ein allgemeineres Angestelltenbewußtsein entstand damit aber noch kaum, und auch innerhalb des Unternehmens war man eher Techniker, Kaufmann usw. als ,Angestellter' Einig war man sich immerhin in der Abgrenzung nach unten und in einer gewissen ,Bürgerlichkeit'. Im Kleinen entstanden Beziehungsnetze zwischen technischen und kaufmännischen Angestellten durch die Arbeit und durch die teilweise gemeinsamen (klein-)bürgerlichen Lebenskreise in der Stadt Schaffhausen. Dies waren Grundlagen für ein mittelständisches Zusammengehörigkeitsgefühl . Unter den Bedingungen der Verwaltungsentwicklung und des Personalmanagements im Krieg veränderte sich die Lage der verschiedenen Angestelltengruppen teilweise beträchtlich: Eine kleine Gruppe von leitenden Angestellten hatte nicht nur eine interessante Arbeit, sondern wurde auch am Geschäftserfolg beteiligt; viele Meister und Techniker konnten trotz zeitweiliger materieller Einbußen ihre Position einigermaßen halten; die Mehrheit der Angestellten, d. h. jene, die in ,reinen' Arbeitnehmerfunktionen standen, wie kaufmännische Sachbearbeiter, Schreiber(innen), 209
Bürotechniker, Zeichner, Modellverwalter usw., erfuhren hingegen eine teilweise massive Verschlechterung ihrer Lage. Qualifizierte Kaufleutc, die arbeits- und einkommensmäßig ungünstig dastanden, entwickelten unter diesen Umständen im KV eine gewerkschaftliche Angestelltenpolitik. Ähnliche Tendenzen wurden vorübergehend im STV und im SWV, teilweise unter der Beteiligung von GF-Angestellten, stark. Die Gründung eines Hausverbandes im Unternehmen und des Angestelltenkartells in der Region bedeuteten einen wichtigen Schritt zur Formierung einer berufs- oder statusgruppenübergreifenden Angestelltenschicht, die allerdings ein spezifisches politisches Profil nicht recht ausprägte. Obwohl diese Angestelltenbewegung eine gewerkschaftliche Linie entwickelte, so betonte sie doch immer ihren ,mittelständischen' Charakter und ihre Eigenständigkeit. Die Abgrenzung gegenüber den Arbeitern und ihrer Bewegung war dabei stets viel deutlicher als jene gegenüber dem (Klein-)Bürgertum, dem viele Angestellte noch auf die eine oder andere Art verbunden waren. Eine Ausnahme bildeten nur die technischen Angestellten im BTA sowie vereinzelte KV-Mitglieder. Stumm blieb in der ganzen Zeit die große Gruppe der Angelernten und Frauen, die in jeder Beziehung ungünstig gestellt waren. Diese bildeten das eigentliche Angestelltenproletariat, um das sich der KV ebenso wenig richtig kümmern mochte, wie dies etwas früher die Berufsarbeitergewerkschaften gegenüber den Hilfsarbeitern getan hatten, das aber auch den Arbeitergewerkschaften suspekt war. Zu einer eigenständigen Artikulierung ihrer Wünsche kam diese Gruppe nicht. Unter dem Druck der ökonomischen Krise und der politischen Reaktion in den Zwanzigerjahren erlitt die Offensive der Angestelltenbewegung dann wieder manche Rückschläge, viele Ansätze bildeten sich zurück und mancherorts zeigte sich ein Rückfall zur engen Berufspolitik. Die Formierung der Angestelltenschaft als soziale und politische Schicht war damit vorläufig angehalten.
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Anhang Tabelle Jahr
1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 Quellen: C1.3.
Absatz in Tonnen
1.1: Zahlen zur Untemehmensentwicklung
Dav. Fittings
%
Anteil SH Werkstattfläche Eittings SH + Sim^ %
Installierte PS
13 500 1 2 2 3 3 2 2 3 4 5 6 8 7 8 9 12 14 14 13 16 17 18 16 11 13 8 9 11 13 17
746 186 562 173 427 372 674 142 494 877 835 070 827 517 646 753 058 865 092 511 827 282 696 711 664 310 974 042 474 612
47 46 49 49 47 53 51 55 49 47 50 48 50 51 48 49 47 49 43 34 36 30 28 40 39 50 59 48 50 52
54 48 40 33 32 25 29 29 32 36 40 40 40 40 39 38 44 40 37 43 47 48 52 53 46 49 48 62 56 52
44 407
105 ООО
132 ООО
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 3 5 6 7 8 9 12 9 12 15 16 16 19 18 20
460 950 025 025 025 025 025 025 025 220 550 670 670 635 295 164 124 700 219 282 501 719 623' 577· 382' 138' 782 503 682
178 500
Stromkonsum Mio. kW SH+~Si
Umsatz SH + Si in Mio. Fr.
1,6 1,8 2 2,5 2,7 2,4 2,2 2,6 2,8 3 3,2 3,6 3,5 4 5 5,5 6,8 7,5 6,7 10,5 11,8 12,6 17,6' 13,8' 23,2' 14,6^ 15,5^ 16,6^ 25,7^ 28,4^
2 2,6 3,1 3,9 4,5 3,2 3,4 4 5,5 7,1 8,8 11 10,9 11,9 13,3 16,1 17,3 16,4 13,6 21,4 29,1 39,9 50,9 32 42,5 21,9 21,5 25,8 29,6 37
Bruttoinvest. Mio, Fr.
0,9 1,3 1,4 0,8 0,6 0,1 0.3 0,5 1,1 3,8 1,5 0,4 0,4 2,3 1,7 3,4 2,7 0,5 1,3 0,9 2,5 4,2 2,7 3,8 2,9 0,9 1,4 1,4 2 2,4 1,9 3 12
Unterlagen FS 1926; Knoepfli, Konzernbildung (Anhang); Warenausgang Schaffhausen 10/
' Exklusive Giubiasco
Exklusive Giubiasco und M R S .
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2. Leitung Tabelle 2.1: Unternehmenstyp, Rechtsform und Beschäftigte der zehn personalmäßig größten schweizerischen Unternehmen der Maschinen- und Metallindustrie im Jahre 1905 Firma
Rechtsform
Unternehmenstyp
Beschäftigte
Sulzer, Maschinen von Roll, Eisenwerke Maschinenfabrik Oerlikon Eisen- und Stahlwerke GF
Kollektivges. AG AG AG
p-e e-m em
Maschinenfabrik Escher-Wyss Maschinenfabrik Rüti Maschinenfabrik Bühler Schw. Lokomotiv- u. Maschinenfabrik Maschinenfabrik Saurer SIG (Fahrzeuge)
AG AG Kollektivges. AG Einzelperson AG
m e p-e m
3590 3571 2104 1934 (inkl. Ausi.) 1511 1120 1090 1057 895 882
pm
Eine genaue Einstufung der einzelnen Finnen als Familien- oder Managerunternehmen bzw. als Zwischentyp fällt nicht immer leicht. Für die Zuordnung in der Tabelle wurde die auf den Dimensionen Entscheidungsbefugnisse und Besitz aufgebaute Typologie Chandlers verwendet. Chandler bezeichnet als „personal enterprise" jene Unternehmen, in denen der Eigentümer die langfristigen Entscheidungen trifft sowie die alltägUche Leitung innehat (Abk. in Tabelle:^). Im Zwischentyp, dem „entrepreneurial enterprise", liegen die langfristigen Entscheidungen beim Gründer, seinerFamihe oderFreunden, also beiPersonen oderGruppen, die dieBesitzmehrheit haben; die alltägliche Leitung übernehmen Manager bzw. Angestellte (Abk. in Tabelle: e). Diese beiden Typen werden im alltäglichen und teilweise im wissenschaftlichen Sprachgebrauch öfter undifferenziert als ,FamiUenunternehmen' bezeichnet. Angestellte Manager ohne größeren Kapitalbesitz treffen im „managerial enterprise", dessen Besitz weit gestreut ist, die alltäglichen wie die langfristigen Entscheidungen (Abk. in Tabelle: m). Vgl. zu dieser Typologie: A. D. Chandler u. H. Daems, Introduction. The Rise of Managerial Capitalism and its Impact on Investment Strategy in the Western World and Japan, in: H. Daems u. H. van der Wee (Hg. ), The Rise of Managerial Capitalism, Den Haag 1974, S. 1 -34, bes. S. 5 f. Die Realität läßt sich nicht in jedem Fall unproblematisch auf einen Typ bringen; deshalb werden in zweifelhaften Fällen Unternehmen zwei Typen zugeordnet, um die Position auf dem Kontinuum vom Gründerunternehmen zum Managerunternehmen anzuzeigen. - Die Angaben in der Tabelle beziehen sich ungefähr auf die Mitte des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhundens. Die Leitungs- und Besitzverhältnisse haben sich in der Folgezeit nicht nur in gerader Linie in Richtung auf das Managerunternehmen zu entwickelt, sondern es kam in einzelnen Fällen durchaus auch vorübergehend zu einer An Rückwänsentwicklung, indem eine Famihe neu zu einer dominierenden Stellung kam. Für die Einstufung der einzelnen Unternehmen vgl. die entsprechenden Firmenfestschriften sowie z. B. die interessante übergreifende Studie von M. Zollinger, Die Finanzierung der schweizerischen Maschinengroßindustrie, Diss. Bern, Weinfelden 1925. - Die Beschäftigtenzahlen stammen aus einer Zusammenstellung des schweizerischen statistischen Amtes: Einige Großunternehmungen der schweizerischen Industrie mit Ausschluß allfälliger im Auslande befindlicher Filialen nach der eidg. Betriebszählung vom 9. August 1905, in: ZSS, Jg. 47, 1911, S. 657-660.
212
Tabelle 2.2: Intensität der Sitzungstätigkeit des Verwaltungsrates Jahr
Sitzungen'
1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911
4 6 3 12 11 11 4 5 7 4 5 4 5 4 5
Jahr
Sitzungen
1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 Insgesamt 1896-1926
5 4 5 4 6 5 8 5 3 4 4 5 5 4 4 = 165
Quelle: Verwaltungsratsprotokolle. ' Zu diesen Angaben ist anzufügen, daß die Sitzungen in der Ablösungskrise, während der Zeit der zunehmenden Entmachtung Georg Fischers (1899-1902), besonders lang dauenen; während die Sitzungen vor und nach dieser Periode selten über zweieinhalb Stunden dauerten, so dauerten die längsten in dieser Zeit fünf Stunden.
213
Tabelle 2.3: Teilnahme von leitendem Personal an den Sitzungen der Arbeiterkommission 1898-1928 Name, Funktion Fischer, Delegierter Rothmund, kaufm. Leiter Bachmann, techn. Leiter Schneckenburger, BL SG Homberger, (General-)Direktor Boller, BL Fi Ganz, BT Brütsch, Kantinenvorsteher de Boor, techn. Direktor Moersen, techn. Direktor Forster, Chef Lohnwesen F. Leuenberger, BT, techn. Dir. Fi Wäffler, BL Bommeli, Statistik Reber, BL Nebenbetriebe Leutenegger, BT Dr. Leuenberger, BL Dr. Tobler, BT, BL Dr. Bührer, stv. Direktor Verwaltung, Personal Manz, Verwalter, Soziales Müller, BL Geissberg Sauter, techn. Dir. Bosshard, Lohnwesen Flubacher, BT, BL, WI Stämpfli, techn. Büro Buss, BT Bühlmann, TL Dr. Dornhecker, BL SG Ing. Zehnder, Techn. Dir. Ass. Ganz, BT Joh. Müller, Personalabteilung
1. Teilnahme
Häufigkeit der Teilnahme
vor 1902 vor 1902 vor 1902 vor 1902 1902 1904 1906 1906 1909 1910 1911 1916 1916 1917 1917 1917 1918 1918 1918 1918 1918 1919 1919 1920 1920 1923 1924 1925 1928 1928 1928
16 14 52 54 54 2 2 2 23 40 63 48 37 2 6 4 16 13 55 3 4 27 40 11 13 3 14 3 1 1 1
Quelle: Prot. AK 1898-1928. Abkürzungen:
214
BT BL TL
= Betriebstechniker = Betriebsleiter = Technische Leitung (höherer technischer Angestellter mit nicht eruierbarer Funktion)
J.
Beschäftigte
Tabelle 3.1: Beschäftigte in Singen und Schaffhausen Jahr
Personal SH +Singen
Personal Singen'
Jahr
Personal SH + Singen
Personal Singen'
1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910
754 833 1023 1344 1635 1368 993 1232 1621 1934 2617 3046 2445 2497 3158
216 275 355 482 586 517 353 501 667 795 1262 1475 1162 1135 1452
1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925
3414 4223 4084 3059 4485 5266 6115 5755 5036 5086 4195 4060 4059 3894 4458
1433 1907 1683 1001 1222 1419 1903 1711 1606 1495 1559 1856 1643 1327 1481
• Unterlagen FS 1926.
215
Tabelle 3.2: Angestellte und Arbeiter von GF (Schaffhauser Stammbetriebe) Jihr
Technisches und kaufmännisches Personal* im im Monjts- Wochenlohn lohn
% Verhältnis ML WL
insgesamt
Index 1913 = 100
% Veränderung pro pro Jahr 5 Jahre
Ar-
Total-
% Anteil
heiter^
b e s u n d Arheiter und Angestellte^
techn.-kaufm. Angestelltenpersonal am Totalbestand
1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929
31 31 33 37 48 61 47 36 44 49 57 67 79 85 85 103 129 153 160 144 165 191 229 266 294 303 311 272 270 279 309 330 343 368 395
25 25 26 30 40 48 52 54 58 60 63 83 100 99 110 125 124 125 122 112 113 119 113 141 187 213 181 145 138 132 132 116 92 81 78
55 55 56 55 55 56 47 40 43 45 48 45 44 46 44 45 51 55 57 56 59 62 67 65 61 59 63 65 66 68 70 74 79 82 84
45 45 44 45 45 44 53 60 57 55 52 55 56 54 56 55 49 45 43 44 41 38 33 35 39 41 37 35 34 32 30 26 21 18 16
56 56 59 67 88 109 99 90 102 109 120 150 179 184 195 228 253 278 282 256 278 310 342 407 481 516 492 417 408 411 441 446 435 449 473
19,9 19,9 20,9 23,8 31,2 38,7 35,1 32,1 36,2 38,7 42,3 53,8 63,5 65,2 69,1 80,9 89,7 98,6 100,0 90,8 98,6 109,9 121,3 144,3 170,6 183,0 174,5 147,9 144,7 145,7 156,4 158,2 154,3 159,2 167,7
12,0
87
-
12,0 13,6 31,3 23,9 9,2 9,1 13,3 6,9 10,1 25,0 19,3 2,8 6,0 16,9 11,0 9,9 1,4 - 9,2 8,6 11,5 10,3 19,0 18,2 7,3 4,7 -15,2
95
-
-
-
10
90
22
86
2,2 0,7 7,3
-15
1,1 2,7 3,2 5,3
7
488 482 519 601 774 940 752 550 629 845 1019 1205 1392 1099 1167 1478 1728 2038 2119 1802 2985 3537 3870 3637 2949 3075 2144 1787 2008 2156 2536 2114 2095 2286 2574
544 538 558 668 862 1049 851 640 731 954 1139 1355 1571 1283 1362 1706 1981 2316 2401 2058 3263 3847 4212 4044 3430 3591 2636 2204 2416 2567 2977 2560 2530 2735 3047
10,3 10,4 10,6 10,0 10,2 10,4 11,6 14,1 14,0 11,4 10,5 11,1 11,4 14,3 14,3 13,4 12,8 12,0 11,7 12,4 8,5 8,1 8,1 10,1 14,0 14,4 18,7 18,9 16,9 16,0 14,8 17,4 17,2 16,4 15,5
Durchschnittlicher Personalbestand der Werke Schaffhausen, 2/P 2. Die Unterscheidung in Monats- und Wochenlöhner (vierzehntägliches Salär) stammt von der Geschäftsleitung selbst. Zur Kategorie der Wochenlohnangestellten gehörten vor allem die Meister, Kontrolleure, Modellverwalter u. ä. sowie eine Ideinere Anzahl administrativer Betriebsangestellter. Dazu kamen wenige untere Angestellte aus der Unternehmensverwaltung. Im Laufe der Zwanzigerjahre wurde diese Kategorie immer mehr aufgegeben, 1930 ganz aufgehoben. Zur Bedeutung dieses Unterschiedes läßt sich festhalten, daß ein Wochenlohnangestellter zwar durchaus mehr verdienen konnte als etwa ein unterer Monatsangestellter. Vom Prestige her war der Wochenlöhner aber eindeutig tiefer gestellt. Zahlen aus Vetterli, S. 304. Ebd. und „Durchschnittlicher Personalbestand der Werke Schaffhausen", 2/P 2 (Angestellte).
216
Tabelle 3.3: Angestellte in der Schweiz und in der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie nach den Betriebszählungen von 1905 und 1929 1905
1929
Zunahme in %
84 697 221 612 558 163 743 497
Total Angestellte Total Arbeiter Total Angestellte in Metall-, Maschinenund Uhrenindustrie, Bijouterie, Feinmechanik, Musikinstrumente Total Arbeiter in Metallindustrie usw. Anzahl Arbeiter auf einen Angestellten Technische Angestellte in Metallindustrie usw. Arbeiter pro techn. Angestellter Kaufmännische Angestellte in der Metallindustrie usw.
162 33
7 508 84 760
20 447 160 035
172 88
11
8
3 655 23
6 640 24
82
3 853
13 807
258
Quelle: Statistische Quellenwerke der Schweiz, hg. vom Eidgen. Statist. Amt, Heft 146, Bern 1944, S. 148 ff.
4. Die Zusammensetzung
der Angestelltenschaft
4.1. Vorbemerkungen zur Angestelltenanalyse und Verzeichnis der Kategorien Zur Verfügung stand eine seit 1919 geführte Kartei der Angestellten, die heute außer Gebrauch ist. Auf den einzelnen Personalkarten sind die folgenden Angaben vermerkt: Name, Geburtsdatum, Zivilstand, Kinderzahl (nur wenn Kinder noch in jugendlichem Alter), militärischer Grad und Einteilung (nur wenn dienstpflichtig), Mitgliedschaft bei APK, Eintritt und Austritt bei GF, NationaUtät, Funktion und Status, Abteilung oder Werk, alle Veränderungen der Stellung, Lohnart (sehr unvollständig), Salär (nur vereinzelt bei Ausgetretenen), Ausbildung. Mit diesen Unterlagen sollte ein Bild über die Zusammensetzung der GFAngestelltenschaft gewonnen werden, wobei sich diese Studie mehr auf die beruflichen und betriebhchen Merkmale der Angestellten konzentriert. Aus forschungsökonomischen Gründen muß sich die Untersuchung auf Stichanalysen beschränken (Stichjahre 1900, 1910, 1920, 1929). Bei der Wahl der Stichjahre mußte darauf geschaut werden, daß gewisse Faktoren möglichst homogen gehalten werden konnten. Es wurden grundsätzlich ,gute'Jahre gewählt, die in drei Fällen am Ende eines Aufschwunges stehen (1900, 1920, 1929). Der Abstand zwischen den einzelnen Stichjahren sollte möglichst gleich sein. Dies konnte nur bei 1929 nicht absolut maßgeblich sein, da mit 1930 ein Krisenjahr erfaßt worden wäre. Zudem wurde 1930 die Angestelltenschaft der Maschinenfabrik Rauschenbach vollständig übernommen, was den Vergleich mit früheren Zuständen kompliziert hätte. 217
Die Angestelltenzahlen für die verschiedenen Stichjahre wären nach Tabelle 3.2 1900:109,1910:228,1920: 516,1929:473. Für das Stichjahr 1900 ließen sich aus der Personalkartei nur 34 Fälle herausnehmen. ZusätzUch lagen aber aus der Zeit um die Jahrhundertwende verschiedene Unterlagen vor, mit welchen schließlich weitere 52 Angestellte nach verschiedenen Dimensionen erfaßt werden konnten, allerdings nicht vollständig. Somit wurden 86, d. h. 79% aller damals laut Statistik beschäftigten Angestellten einbezogen. (Rekonstruktion der Personaldaten für 1900: Quittungsbücher 1899-1902 [2P/L1], Kopienbuch [2/W A - Z ] , Verzeichnisse der kaufm. und techn. Angestellten 1902 [2P/2], Schneckenburger, S. 34-38, Ith, S. 14-18 [Stichdatum der Erfassung: Oktober/November].) Problematischer ist die Zahl der erfaßten Fälle für das Jahr 1910. Hier konnten aus der Personalkartei nur 144 (63%) der 228 damals beschäftigten Angestellten erfaßt werden, genügende zusätzliche Angaben aus anderen Quellen fehlten weitgehend. Mit Aussagen für 1910 haben wir aus diesem Grund gezwungenermaßen zurückhaltend zu sein. (Dies gilt nur bei den Meistern nicht, wo vollständige Aufstellungen für 1910/1911 vorhanden sind.) Unter diesen Umständen hätte man sich für ein späteres Stichjahr entscheiden können, womit man aber zu nahe an 1920, das nächste Stichjahr, herangekommen wäre. Gut ist die Ζ ahi der F alle für 1920, mit 511 (= 99%) der laut Statistik beschäftigten Angestellten. Für 1929 ist die Abweichung etwas größer. Erfaßt wurden 514 Angestellte, 8,7% mehr als in der Statistik aufgeführt sind. Dies ist allerdings nicht problematisch, wenn man weiß, woher der Unterschied kommt: Die Statistik ist zusammengestellt aus Monatsrapporten und gibt einen durchschnittlichen Personalbestand an. Bei der Auswertung der Personalkartei habe ich prinzipiell jedoch nur jene Angestellten erfaßt, die am Jahresende dabei waren. Damit ist die Abweichung zu einem rechten Teil erklärt. Die Daten wurden organisiert mit Hilfe von Randlochkarten, größere Zuordnungsprobleme ergaben sich dank der Qualität der Personalkarten nur vereinzelt. Bei der Kategorienbildung orientierte ich mich an modernen soziologischen Untersuchungen, kam aber nicht darum herum, einige Kompromisse mit dem historischen Material einzugehen.
Verzeichnis der Kategorien (die vorgestellten Zahlen bezeichnen den Platz bei der Kodierung): 1 2 3 4 5 6 7
Weiblich Technische Tätigkeit Kaufmännische, verwaltende Tätigkeit Dienstalter im Stichjahr 0 - 5 Jahre Dienstalter im Stichjahr 6-10 Jahre Dienstalter im Stichjahr 11-15 Jahre Dienstalter im Stichjahr 16 und mehr Jahre
8 Technische Ausbildung 9 (E) T H , Universität 10 Technikum 11 Fachschule, nach Lehrzeit
218
12 Laborant, Zeichner 13 Handw. Berufslehre 14 Handw. Angelernt 15 Kaufmännische Ausbildung 16 Hochschule, höhere Mittelschule 17 Kaufm. Berufslehre 18 Kaufm. Angelernt 20 Autoritäts- und Funktionsstatus technisch-betnehlicher Bereich 21 Technische Spezialisten (z. B. in technischen Büros und nichtleitender technischer Assistentenfunktion im Betrieb) ohne Autoritätsbefugnisse 22 Kaufmännisch-verwaltende Betriebsangestellte (Schreiber, Speditionskaufleute, Ausführende von Kalkulations- und Lohnrechnungsarbeiten in den Betriebsbüros) ohne Leitungsbefugnisse 23 Andere, ohne Autoritätsbefugnisse (z. B. Werkschullehrer) 24 Technischer Direktor, Stellvertreter 25 Betriebsleiter, Stellvertreter, Chef techn. Büro, Stellvertreter 26 Betriebstechniker (Vorsteher einiger Abteilungen) 27 Obermeister, Abteilungsleiter (von Abteilungen, denen nicht ein Meister vorsteht) 28 Meister 29 Modellverwalter, Kontrolleure, Magazinangestellte im Angestelltenverhältnis 30 Laborant, Zeichner 51 Autoritätsstatus und Funktionsstatus im Bereich der Untemehmensverwaltung 52 Kaufm. Direktor, Stellvertreter 53 Prokurist, Leiter wichtigerer Abteilungen (Korrespondenz, Buchhaltung und ähnliches) 54 Leiter kleinerer oder weniger zentraler Abteilungen (z. B. Chef Kalkulationsbüro, Chef statistisches Büro, Fakturenbüro) 55 Sachbearbeiter (in Abgrenzung zu 56). Hier sind jene einbezogen, die nicht eindeutig Arbeit in der Art einer Stenotypistin oder eines sehr unselbständigen Hilfsangestellten leisteten. 56 Hilfs- und Routinefunktionen (vgl. 55) 57 Andere (Portier, Nachtwächter)
44 45 46 48
Konkrete Arbeitsbereiche Stahlgießereien (Werke I und IV) + 47 Ebnat (für 1929) Fittings- und Weichgießerei (III) Verwaltung (inkl. technische Büros) Nebenbetriebe (inkl. separate Magazine, Modellmagazine usw.)
Grobe Bereiche 64 Entwicklung, Labor, Konstruktion 65 Untemehmensverwaltung 66 Betriebe 67 Technische Leitungspersonen 68 Meister 69 Angestellte in Betriebsbüros 219
70 Andere (Kontrolle, Magazin u. ä.) Mobilität (unterste und oberste Stufe eines Individuums) 89 Angestellter mit Mobilität im technisch-betrieblichen Bereich 90 technischer Spezialist, technischer Stab 91 kaufmännisch-verwaltender Betriebsangestellter 92 Zeichner, Laborant 93 Technischer Direktor, Stellvertreter 94 Betriebsleiter 95 Betriebstechniker u. ä. 96 Obermeister, Leiter einer Abteilung 97 Meister 98 Kontrolleur, Modellverwalter u. ä. 99 Arbeitertätigkeit 82 Mobilität im kaufmännischen Bereich der Untemehmensverwaltung 83 Direktor, Stellvertreter 84 Abteilungsleiter wichtiger Abteilungen, Prokurist 85 Leiter kleinerer oder weniger zentraler Abteilungen 86 Sachbearbeiter 87 Hilfs- und Routinefunktionen 88 Andere
31 32 33 34 35
Militärischer Rang Nicht Militärdienst-Leistender, ohne Angabe, Ausländer, Frauen Soldat Unteroffizier Offizier Offiziere über Hauptmannsrang (in 34 eingeschlossen)
Tabelle 4.2: Zusammensetzung der Angestelltenschaft nach technischer Tätigkeit (2) und kaufmännisch-verwaltender Tätigkeit (3) 1900
1910 abs. %
1920 abs. %
abs.
%
(2) Technische Tätigkeit
37
43
76
53
213
(3) Kaufm.-verw. Tätigkeit'
49
57
68
47
290
0
0
0
0
86
100
144
100
nicht zugeordnet Insgesamt
Eingeschlossen kaufm.-verw. Betriebsangestellte (Kat. 22) ^ Landwirte, Gärtner, Chirurg u. a.
220
1929
abs.
%
41,7
222
43,2
56,8
288
56,0 0,8
1,6 511
100
514
100
Tabelle 4.3: Die Angestellten nach ihrer Ausbildung (Abgangsstufe)
abs.
Ausbildung (8) Technische Ausb. (9) (E) T H , Uni (10) Technikum (11) Fachschule (12) Laborant/Zeichner (13) Handw. Berufslehre (14) Handw. Angelernt
% von 8 % aller bzw. 15 Angest.
abs.
% von 8 % aller bzw. 15 Angest.
7 3
76 3 12 2 1 43 15
100 3,9 15,8 2,6 1,3 56,6 19,7
(15) Kaufm. Ausbildung (16) H'sch., Mittelsch. (17) Kaufm. Berufslehre (18) Kaufm, Angelernt Nicht zugeordnet
23 1 9 13 36
67 3 28 36 1
100 4,5 41,8 53,7
Insgesamt
86
144
27 3 12 2
52,8 2,1 8,3 1,4 0,7 29,9 10,4 46,5 2,1 19,4 25,0 0,7
Wegen der Mangelhaftigkeit der Unterlagen ist hier die Zuordnung unvollständig. Hierzu gehören Chirurgen, Badmeister, Gärtner, Landwirte.
Ю
1929
1920
1910
1900'
abs.
% von 8 % aller bzw. 15 Angest.
225 13 55 6 23 90 38
100 5,8 24,4 2,7 10,2 40,0 16,9
44,0 2,5 10,8
278 7 115 156 8^
100 2,5 41,4 56,1
54,4
511
1,2 4,5 17,6 7,4
1,4 22,5 30,5 1,6
abs.
% von 8 % aller bzw. 15 Angest.
239 15 63 6 25 93 37
100 6,3 26,4 2,5 10,5 38,9 15,5
46,5 2,9 12,3 1.2 4,9 18,1 7,2
271 13 118 140 4^
100 4,8 43,5 51,7
52,7 2,5 23,0 27,2 0,8
514
ю к> К)
Tabelle 4.4: Verteilung auf Funktions- bzw. Autoritätsstufen 1900 abs.
(20) Funktion im techn. hetriehl. Bereich (21) Techn. Spez./Bürotechn. (22) Kaufm.-verw. Betr.ang. (23) Andere (24) Techn. Dir./Stv. (25) Betriebsleiter u. ä. (26) Betriebstechniker u.ä. (27) Ob.-Mstr., Abt.-Leiter (28) Meister (29) Mod. verw., Kontr. u.ä. (30) Laborant, Zeichner (51) Funktion in Untemehmensverwaltung (52) Kaufm. Dir./Stv. (53) Prokurist u.ä. (54) Leiter kl. Abt. u.ä. (55) Sachbearbeiter (56) Hilfs- u. Routinefunkt. (57) Andere Nicht zugeordnet Insgesamt
% von 20 % aller bzw. 51 Angest.
51 5 13
100 9,8 25,5
59,3 5,8
1 1 7 3 15 4 2
2,0 2,0 13,7 5,9 29,4 7,8 3,9
1.2 1,2 8,1 3,5 17,4 4,6 2,3
35 1 2 6 15 8 3
100 2,9 5,7 17,1 42,9 22,9 8,6
40,7
-
86
1920
1910
15,1
1,2 2,3 7,0 17,4 9,3 3,5 -
abs.
% von 20 % aller bzw. 51 Angest.
abs.
1929
% von 20 % aller bzw. 51 Angest.
104 6 25 1 1 4 3 3 45 14 2
341 37 119 4 2 7 15 12 102 26 17
100 10,8 34,9 1,2 0,6 2,1 4,4 3,5 29,9 7,6 5,0
66,7 7,2 23,3 0,8 0,4
40 1 4 6 20 3 6
162 1 8 13 87 43 10 8
100 0,6 4,9 8,0 53,7 26,5 6,2
31,7 0,2
-
144
511
1,4 2,9 2,3 20,0 5,1 3,3
1,6 2,5 17,0 8,4 2,0 1,6
abs.
% von 20 % aller bzw. 51 Angest.
312 37 81 5 4 8 17 14 87 37 22
100 11,9 26,0
199 2 11 15 116 46 9 3
100
514
1,6 1,3 2,6 5,4 4,5 27,9 11.9 7,0
1,0 5,5 7,5 58,3 23,1 4,5
60,7 7,2 15,8 1,0 0,8 1,6 3,3 2,7 16,9 7,2 4,3 38,7 0,4 2,1 2,9 22,6 8,9 1.7 0.6
Tabelle 4.Í: Meister 1910/1911 Abteilung Fittingsfabrikation W III Maschinenformer Kernmacher Ofenarbeiter H'arb. Kontrolleure Schmirgl., Goißputzerei Rohmagazin Verzinkerei Gewindeschneiderei Fertigkontrolle Probieranstalt Glüherei
Meister
Roser, Gallmann Meier, Umiker Roser Haab Steinegger Steinegger Blum, Meier Tanner Tanner Maier 9
Stahlgießerei WI Martinstahlgießerei Convertergießerei Kernmacher Martinmannschaft Convertermannschaft Hilfsarbeiter Sandmacher Appretur Glüherei/Richterei Gußputzerei Bossen Gußputzerei Castagnaro Gußputzerei Hermann Guß transport
Gießerei Birch Gießerei Kernmacher Ofenarbeiter Hilfsarb. Gießerei
Appretur Gußputzerei Platzarbeiter Betrieb Birch Diverse
Schwalbenbach Werner Schwyn, Simmler
134 91 9 103 76 18 9 74 16 14 28
Da Pra, Meier, Fleisch Füllenmann Köng Diener, Landert Bossert Castagnaro Hermann Stierli 16
516
Werner Pfister Schuner Ankele, Kunst Matter Pfeiffer Ackermann Rahm Ackermann
62 19 7 40 26 105 8 9 25
Schurter
Wild Landert Egg
Kontroll- % der spanne Arbeiter ca. 67 ca. 45 112 (+67) 76 27 37 30 28
572
30 67 41 8 12 124 11 58 18 27 44 61 15
9 Nebenbetrieh Allg. Betrieb (Elektr.) Schweißerei Mech. Werkstatt
Anzahl Arbeiter
32.2
30 67 20 27 41 11 58 9 27 44 61 15 29.1
62 19 20 26 105 33 45
301
24 19 50
16.9
24 28 50
223
Tabelle 4 J: Meister 1910/1911 (Fortsetzung) Abteilung
Meister
Mech. Werkstatt Mach. Werkstatt Leitungsmonteur Modellschlosserei Modellschreinerei Bauleute Maurer Platzarbeiter Achsbüchswerkstatt
Ganz Germann Rahm Weiss Wilhelm Suter Seibold Müller Grütter 12
Total Arbeiter Dazu: Diverse, Büro, Magazin Quelle: Unfallstatistik 1910/1911, 2 Ρ Unfall 1.
224
Anzahl Arbeiter 13 16 36 45 33 20 52 65 14
Kontroll- % der spanne Arbeiter 13 16 45 33 20 52 65 14 21.8
387 1776 107
keine Meister
Tabelle
4.6: Die Verteilung der Angehörigen ausgewählter Qualifikationsgruppen auf die Dienstaltersstufen (1920, 1929) 0 - 5 Jahre
6-10 Jahre
11-15 Jahre 16 u.m. Jahre abs.
%
abs.
%
7 1 1
12,7 7,7 4,4
3
5,5
15,7 16,7
1 14 13
14,3 12,2 8,3
2 16 20
28,6 13,9 12,8
7 3 5
11,1 20,0 20,0
12 4 7
19,1 26,7 28,0
21 4 4
33,3 26,7 16,0
2 9 19
15,4 7,6 13,6
2 31 33
15,4 26,3 23,6
3 33 36
23,1 28,0 25,7
abs.
%
abs.
%
1920 Technisch Qualifizierte davon: Techniker Hochschuling. u. ä. Zeichner/Laboranten
29 9 19
52,7 69,2 82,6
16 3 3
29,1 23,1 13,0
Kaufm. Qualifizierte davon: Hoch- u. Mittelschulabsolventen Kaufm. Berufslehre Kaufm. Angelernte
4 67 97
57,1 58,2 62,2
18 26
1929 Technisch Qualifizierte davon: Techniker Hochschuling. u.a. Zeichner/Laboranten
23 4 9
36,5 26,7 36,0
Kaufm. Qualifizierte davon: Hoch- u. Mittelschulabsolventen Kaufm. Berufslehre Kaufm. Angelernte
6 45 52
46,2 38,1 37,1
225
5. Löhne Tabelle Í.1: Die Entwicklung der Durchschnittgehälter der Angestellten von 1913-1929 Jahr
Lebens-
Gehalts-
Durch-
Real-
Gehalts-
Durch-
kosten-
summe d.
schnitts-
lohn-
summe
schnitts-
Reallohn-
Gehaltssumme
Angestellten in
gehilt
index 1913 =
Wochenlöhner
gehalt
index
nominal
100
in Fr. 1000
1913 = 100
Monatslöhner
index
nominal
F r . 1000
1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929
100 100 113 131 163 204 222 224 200 164 164 169 168 162 160,5 161 161,5
Quellen:
774 730
817 1098 1817 2603 3211 2979 3213 2540 2353 2509 2719 2560 2559 2643
2745 2852 2939 3542 5313 6396 6676 5773 6530 6091 5767 6105 6166 5740 5883 5886
100 104 95 98 119 114 110 94 119 135 128 132 134 129 134 133
306 288 325 372 392 522 742 1004 833 694 665 662 661 577 476 424 409
Reallohn-
Bezüge
index
berger'
nominal
1913 = 100
in Fr. 1000
2925 3069 2982 3801 6223 7823 8398 6518 7653 6787 6252 6620 6660 6009 6073 6030
100 105 90 99 131 131 129 99 131 141 130 134 136 127 129 128
83 81 102 175 158 174 187
Durchschnitts gehalt
in
Hom-
F r . 1000
2508 2571 2876 3126 3469 3702 3968 4714 4602 4786 4819 5015 5008 4974 5174 5235 5244
100 103 101 95 85 72 71 84 92 116 117 118 119 122 128 130 129
468 442 492 726 1425 2081 2469 1975 2380 1846 1688 1847 2058 1983 2083 2219
Unterlagen FS 1926; 10/C 1.3; L A V div. Jahrgänge.
Geschäftsberichte G F . Homberger erhielt laut Vertrag vom 5 . 1 . 1905 (VR 6 5 , 5 . 1 . 1 9 0 5 ) zu seinem fixen Gehalt von Fr. 10 ООО eine „Tantième in der Höhe derjenigen des ganzen Verwaltungsrates". Diese Bestimmung wurde mindestens zweimal für fünf Jahre erneuert (VR 85, 18. 2. 1909; V R 109, 14. 3. 1914). Abgerechnet wurde Hombergers Honorar über das Lohnkonto, doch die Höhe wurde durch den Geschäftserfolg bestimmt.
Kommentar zu Tabelle 5.1 Während der Real-Index des Durchschnittgehaltes eines Angestellten, der allgemeinen schweizerischen Tendenz und den GF-Arbeiterlöhnen entsprechend, in den Kriegsjahren 1915/1916 noch sank, so stieg er laut Tabelle in den Jahren 1917—1919. Der allgemeinen Vorstellung nach hätte der Reallohn in diesen Jahren jedoch sinken müssen. Man kann sich nun fragen, ob sich G F eine besonders teure Angestelltenschaft leistete - wozu kein ersichthcher Grund bestand - oder ob die Durchschnittszahlen irreführend sind. Alles läßt auf das letztere schließen. Daß große Teile der Angestelltenschaft kaum Reallohnverbesserungen erzielten, bestätigt schon die Aussage der Geschäftsleitung Ende 1918 : „Es kann indessen kaum bestritten werden, daß unsere Firma in der Angestellten-Entlohnung mit der Zeit fortgeschritten ist, und daß bei uns das Gleichgewicht von Teuerung und Einkommen, soweit es überhaupt erreichbar ist, hergestellt wurde." VR 131, 30. 12. 1918. Verschiedene konkrete Gehaltsangaben weisen auch darauf hin, daß die errechneten Durchschnittsgehälter
226
nicht unkritisch akzeptiert werden können. Als Ursache für die hohen durchschnittlichen Reallohn-Zahlen kommen möglicherweise die Spitzengehälter in Frage. Allerdings sind wir nur über die Bezüge Hombergers informiert. Die Berechnung des Reallohnindexes ohne Hombergers Bezüge ergibt folgendes Bild: Jahr
Index real inkl. Homberger
Index real ohne Homberger
1913 1914 1915 1916 1917 1918 1919 1920
100 105 90 99 131 131 129 99
100 104 87 91 141 146 145 109
Abweichung
- 1 - 3 - 8 + 10 +15 + 16 + 10
Eine Berechnung ohne die Bezüge des Generaldirektors verändert den Reallohnindex sichtlich, aber ab 1917 kommen wir auch mit dieser Erklärung nicht mehr weiter. So hätten wir bei anderen Spitzengehältern zu suchen, doch haben wir dazu keine Angaben außer einigen Hinweisen zur Tendenz. Tatsächlich wurde 1916 und 1917 eine rechte Anzahl von Verträgen mit Spitzenkräften erneuert, die diesen angesichts ihres .Wertes' für die Firma bedeutende Einkommenserhöhungen gebracht haben dürften. Im Frühling 1916 stellte der Verwaltungsrat fest: „Als eine sehr zeitgemäße Maßnahme ist zu erwähnen, daß im Hinblick auf die große Nachfrage seitens des Auslandes nach technischem Personal, welche sich nach dem Krieg noch in vermehrtem Maße fühlbar machen dürfte, mit einer Reihe von Betriebsangestellten vorzeitige Erneuerung ihrer Verträge erfolgt ist, um sich dieselben auf länger zu sichern." VR 118, o.D. 1918. Es ist anzunehmen, daß die finanziellen Bedingungen für die verpflichteten Angestellten damals nicht schlechter waren als in jenen Verträgen, die am Ende des , mageren' Jahres 1922 abgeschlossen wurden. Verträge der leitenden Angestellten 1922 (bei VR 147) Stellung
Monatsgehalt in Fr.
Gratifikation
Betr.-Leiter Betr.-Leiter Konstr.-Büro, Chef Stellvertreter Chef-Ing. Konstr. Büro Betr.-Leiter
1000 1100
Fr. 500 pro % Dividende (4000 garantiert) 2000 fest + 6 0 0 für jedes % Div. über 6%
850
1800 fest + 5 0 0 für jedes % Div. über 8%
1083 900
3000 fest + nach Ermessen der Leitung 500 pro % Div. (2500 garantiert)
Es scheint, daß eine Gruppe von ca. zwanzig Angestellten in den Konjunkturjahren (mit entsprechenden Dividenden und Superdividenden) stark am Geschäftserfolg
227
beteiligt wurde. Auf die Großzügigkeit der Firma gegenüber den höheren Angestellten verweisen im übrigen auch jene Fr. 50 ООО, die beim Tode de Boors an seine Erben ausbezahlt wurden (VR 130, 23. 9. 1918). Daß sehr hohe Bezüge für Spitzenkräfte in der Kriegskonjunktur üblich waren, zeigen schließlich auch die Entschädigungen an den kaufmännischen Direktor der MRS, С. Müller, der 1916-1918 durchschnittlich an Fixum und Tantiemen jährlich Fr. 73 ООО bezog; oder die Entschädigungen des Leiters der Elektrostahlwerke Georg Fischers, Altenbach, der 1916/1917 im Schnitt Fr. 59 ООО erhielt, wozu 1917 noch eine Austrittsabfindung von Fr. 100 ООО in Aktien kam (2/MRS 1 und Ith, S. 30). Diese Erwägungen bedéuten, daß die Entwicklungsreihen des Reallohns für alle Angestellten und für die Monatsangestellten kaum verwendet werden können. Stimmiger sind vermutlich die Durchschnittsergebnisse und die Entwicklungen bei den Wöchenlöhnern, da sie weniger durch extreme Werte verzerrt sind. Sie zeigen grob dieselbe Tendenz wie die Arbeiterlöhne.
228
6.
Angestelltenorganisationen
Tabelle 6.1: Kaufmännische Angestellte von G F und ihre Mitgliedschaft im KV Schaffhausen a)
Organisationsgrad Kaufm.·•verw. Angestellte Insges. davon Frauen
1900 1910=^ 1920 b)
49 68'^ 281
Mitglied im KV
2
9 9
45
67
Org.-grad in % Männer Inges.
18 13 24
19 28
Qualifikationsgrad 1910* Insges.
im KV
3 28 36
2 5 2
Hochsch., Mittelsch. Kaufm. Berufslehre Kaufm. Angelernt Techn. Ausbildung c) Autoritäts-
im KV Org.-grad.in%19;
7 115 156 2
-
und Funktionsstatus
1920 Insges.
4 44 17
57 38 11
(ausgewählte Gruppen)
1900 1910* 1920 Insges. im KV Insges. im KV Insges. im KV
Prokurist u. ä. Leiter kl. Abt. Sachbearbeiter Kaufm.-verw. Betr.-ang. Hilfs- u. Routinepers.
2 6 15 13 8
3 2 1 2
4 6 20
2 2 4
3
1
8 13 87 119 43
2 4 40 15 4
Org.-grad in % 1920
25 31 46 13 9
Quellen: Mitgliederverzeichnisse KV SH und Personalkartei GF. * unvollständige Unterlagen
229
Tabelle
6.2:
Jahr
D i e Mitgliederzahlen der STV-Sektion Schaffhausen 1 9 0 7 - 1 9 3 5 ' Aktive
Passiv-
Insgesamt
Mitglieder
Sitzungsbesucher^
(Spender) 1907
40 55
1 25
41
1908 1909
60
30
90
1910
61
31
92
29
1911
59
34
93
29
1912
66
32
98
33
1913
66
31
97
25
1914
66
31
97
36
1915
63
1916
66
1917
}
1918
81
1919
um 9 0
1920
um 9 0
1920 (Ende)
78
1925
63
1929
64
1935
62
80
30
' Die Zahlen stammen aus den Versammlungsprotokollen der Sektion, die gedruckt in der STZ erschienen. Es wird die erste Zahl verwendet, die im entsprechenden Jahr genannt wurde. ^ Die Zahl der Anwesenden bezieht sich auf die Menge der Mitglieder, die in jener Versammlung anwesend waren, in der die Mitgliederzahl protokolliert wurde. Häufig war der Versammlungsbesuch hingegen schlechter.
230
Abkürzungsverzeichnis Angel. AK APK ASM ASQ BBC
Bis
BiZ BL
BR
BT BTA CVP DV DL Echo ESW ΕΤΗ FdP Fi Fr. FS GD GF
GV Handw. Intelligenzblatt Jb. Kaufra. KV KZfSS LAV MFO MRS NPL NZZ Oe SAC SBG SBV
Angelernt Arbeiterkommission Angestellten-Pensionskasse Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinen- und Metallindustrieller Administrative Science Quarterly Brown, Boveri & Cie, Baden Bank in Schaffhausen Bank in Zürich Betriebsleiter Bundesrat Betriebstechniker Bund technischer Angestellter Christlich demokratische Volkspartei Delegiertenversammlung Deutschland Echo vom Rheinfall Elektrostahlwerk Georg Fischer Eidgenössische Technische Hochschule Freisinnig-demokratische Panei Fittings Franken Festschrift Generaldirektor Eisen- und Stahlwerke von Georg Fischer ab 1896: A G der Eisen- und Stahlwerke von Georg Fischer ab 1903: A G der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer ab 1947: Georg Fischer A G Generalversammlung / Aktionärsversammlung Handwerklich Schaffhauser Intelligenzblatt Jahresbericht Kaufmännisch Kaufmännischer Verein K ö h e r Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Abteilung Lohnwesen, Betriebsbuchhaltung und allgemeine Verwaltung Maschinenfabrik Oerlikon Maschinenfabrik Rauschenbach Schaffhausen Neue Politische Literatur Neue Zürcher Zeitung Österreich Schweizerischer Alpen-Club Schweizerische Bankgesellschaft Schweizerischer Bankverein
231
SG SH Si SIG SHIV SKA SKV SKZ SLM SMAZ SSA STV Stv. STZ SWV TA TB TD TG TZ VR VRA VSA VSAM VSM VSWG W WG ZSS
232
Stahlguß Schaffhausen Singen Schweizerische Industriegesellschaft Neuhausen Schweizerischer Handels- und Industrieverein Schweizerische Kreditanstalt Schweizerischer Kaufmännischer Verein Schweizerisches Kaufmännisches Zentralblatt Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur Schweizerische Metallarbeiterzeitung Schweizerisches Sozialarchiv Zürich Schweizerischer Techniker-Verband Stellvertreter Schweizerische Techniker-Zeitung (ab 1925: Schweizerische Technische Zeitschrift) Schweizerischer Werkmeister-Verband Der technische Angestellte (Organ des BTA) Technisches Büro Technische Direktion Temperguß Teuerungszulage Verwaltungrat Verwaltungsratsausschuß Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände Verband Schweizerischer Angestelltenvereine der Maschinenindustrie und verwandter Industrien Verein Schweizerischer Maschinen-Industrieller Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Werk Weichguß Zeitschrift für Schweizerische Statistik
Anmerkungen
Vorwort 1 R. Vetterli, Industriearbeit, Arbeiterbewußtsein und gewerkschaftliche Organisation. Dargestellt am Beispiel der Georg Fischer AG (1890-1930), Göttingen 1978. 2 A. Knoepfli, Konzernbildung, Kartellpolitik und Unternehmensfinanzierung, dargestellt am Beispiel der Georg Fischer AG (1890-1930) (Dissertations-Entwurf). Erweiterte Fassung der Lizentiatsarbeit von 1975 mit dem Titel „Entwicklung zum Großunternehmen. Konzernbildung und Kartellpolitik am Beispiel der Georg Fischer A G "
Einleitung 1 Zur Diskussion über Kontinuität und Diskontinuität im Übergang zum Fabriksystem vgl. R. Braun, Sozialer und kultureller Wandel in einem ländlichen Industriegebiet, Erlenbach 1965; H. Freudenberger, On the ,,Genesis of Modern Management", in: Technology and Culture, Jg. 1С, 1969, S. 593-602; J . Kocka, Unternehmer in der deutschen Industrialisierung, Göttingen 1975, S. 30 ff. 2 Vgl. F. Harbison u. C. A. Myers, Management in the Industrial World, New York 1959; W. E. Moore u. A. S. Feldman (Hg.), Labor Commitment and Social Change in Developing Areas, New York 1960. 3 Die lebhafte Diskussion von aktuellen Managementproblemen in den 1960er Jahren gab der historischen Forschung zweifellos bedeutende Impulse. 4 S. Pollard, The Genesis of Modern Management, London 1965. 5 R. Bendix, Herrschaft und Industriearbeit. Untersuchungen über Liberalismus und Autokratie in der Geschichte der Industrialisierung, Frankfurt 1960. 6 Vgl. dazu vor allem J . Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847-1914, Stuttgart 1969; ders., Industrielles Management: Konzeptionen und Modelle in Deutschland vor 1914, in: VSWG, Bd. 56, 1969, S. 332-372; ders. Vorindustrielle Faktoren in der deutschen Industrialisierung. Industriebürokratie und ,,neuer Mittelstand", in: M. Stürmer (Hg.), Das Kaiserliche Deutschland. Politik und Gesellschaft 1870-1918, Düsseldorf 1970, S. 265-86; ders., Management und Angestellte im Unternehmen der Industriellen Revolution, in: R. Braun u. a. (Hg.), Gesellschaft in der industriellen Revolution, Köln 1973, S. 162-201; ders., Unternehmer. - Siehe zu diesen Problemen jetzt auch die erst nach der Fertigstellung dieser Arbeit erschienene Dissertation von G. Schulz, Die Arbeiter und Angestellten bei Feiten & Guilleaume. Sozialgeschichtliche Untersuchung eines Kölner Industrieunternehmens im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, Wiesbaden 1979. 7 A. D . Chandler, Business History as Institutional History, in: G. R. Taylor u. L. F. Ellsworth (Hg.), Approaches to American Economic History, Charlottesville 1917, S. 17-24. 8 A. D . Chandler, Strategy and Structure, Chapters in the History of the Industrial Enterprise, Cambridge/Mass. 1962. 9 A. D . Chandler, The Visible Hand. The Managerial Revolution in American Business, Cambridge/Mass. 1977. 10 Braun, Wandel.
233
Anmerkungen
zu Seite 12-1}
11 Es handelt sich dabei um ein sehr pauschales Urteil über die Firmenfestschriften und -monographien, die aber im übrigen von sehr unterschiedlicher Qualität sind. 12 Chandler, Visible Hand, S. 258 ff.; Коска, Unternehmer, S. 83 ff.; Pollard, S. 75 ff. 13 Vgl. dazu die Firmenfestschriften in der Bibliographie sowie als allgemeine Übersicht: H . Hofmann, Die Anfänge der Maschinenindustrie in der Deutschen Schweiz 1800-75, Diss. Zürich 1962. 14 Ich brauche wohl kaum besonders zu betonen, daß neben den gemeinsamen Problemen auch branchenspezifische bestanden. 15 Vgl. zu dieser Einordnung J. Kocka u. H . Siegrist, Die hundert größten deutschen Industrieunternehmen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Expansion, Diversifikation und Integration im internationalen Vergleich, in: N . H o r n u. J. Kocka (Hg.), Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 1979, S. 107 ff. 16 Tabelle: Beschäftigte in Industrie und Handwerk im Kanton Schaffhausen und bei GF.
(1) Erwerbstätige in Industrie u. Handwerk (2) Erwerbstätige in Metall- u. Maschinenindustrie (3) Beschäftigte von G F (nur Schaffhausen) (4) Anteil von (3) an (1) (5) Anteil von (3) an (2)
1888
1900
5 577 (39%·^)
8 105 (46%=^)
1 495
3 031
5 988
1 049 13% 35%
3 591 30% 60%
192 3% 13%
1920
11810(50%*)
Quellen: Verterli, S. 27 und Tabelle 3.1 im Anhang der vorliegenden Arbeit. Die mit einem Stern gekennzeichnete Prozentzahl gibt den Anteil der Erwerbstätigen in Industrie und Handwerk an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen im Kanton an. Der Anteil der GF-Beschäftigten stieg im erfaßten Zeitraum auf beinahe ein Drittel aller in Industrie und Handwerk Beschäftigten bzw. auf fast zwei Drittel aller in der Metall- und Maschinenindustrie Arbeitenden. (Dazu ist allerdings einschränkend anzumerken, daß nicht alle Arbeitnehmer von GF im Kanton Schaffhausen wohnten. Der Anteil der außerhalb des Kantons wohnenden GF-Mitarbeiter scheint allerdings nie sehr hoch gewesen zu sein. - Im industriellen Kerngebiet Schaffhausen-Neuhausen dürfte der Anteil der GF-Beschäftigten an der Erwerbsbevölkerung noch eher höher gelegen haben.) 17 Vgl. Tabelle 2.1 im Anhang und den dazugehörigen Kommentar. 18 Bei Escher-Wyss wie bei G F verwischte sich der relativ klare Charakter des Managerunternehmens später zeitweise wieder, indem einzelne Familien wieder zu einer stärkeren Stellung kamen. 19 Harbison u. Myers, S. 21 ff. 20 Vgl. dazu die Unternehmerbiographien in der schweizerischen Reihe ,,Pioniere der Wirtschaft und Technik" und viele Firmenfestschriften. 21 Demnächst sollen dazu einige Arbeiten erscheinen, die aus dem von R. Vetterli, M. König und dem Verfasser durchgeführten Projekt ,,Sozialgeschichte der Angestellten in der Schweiz" hervorgegangen sind. - Bei den bisher vorhandenen Publikationen über Angestellte in der Schweiz handelte es sich um ältere juristische Dissertationen oder um Schriften der Angestelltenverbände, die das Schwergewicht auf die Organisationsentwicklung und die Verbandsideologie legten. 22 Vgl. dazu und zu den folgenden organisationssoziologischen Überlegungen: N . Altmann u. G. Bechtle, Betriebliche Herrschaftsstruktur und industrielle Gesellschaft, München
234
Anmerkungen
zu Seite
16-18
1971; H. Bosetzky, Grundzüge einer Soziologie der Industrieverwaltung. Möglichkeiten und Grenzen der Betrachtung des industriellen Großbetriebes als bürokratische Organisation, Stuttgart, 1970; W. R. Dill, Environment as an Influence on Managerial Autonomy, in; Administrative Science Quarterly (ASQ), Bd. 2, 1958, S. 409-443; W. Littek, Industriearbeit und Gesellschaftsstruktur, Frankfurt 1973; R. Mayntz, Soziologie der Organisation, Reinbek 1963; dies. (Hg.), Bürokratische Organisation, Köln 1968; A. L. Stinchcombe, Social Structure und Organizations, in: J . D . March (Hg.), Handbook of Organizations, Chicago 1965, S. 142-191 ; J . D . Thompson, Organizations in Action: Social Science Basis of Administrative Theory, New York 1967; J . Woodward, Industrial Organisation. Theory and Practice, London 1965. 23 Mayntz, Soziologie, S. 81. 24 Die in der Anmerkung 22 erwähnten Thompson, Dill, Bosetzky und Littek sind Venreter einer relativ neuen Richtung der Organisationssoziologie, die im Unterschied zu den ,klassischen' Bürokratie-, Scientific Management-, Administrative Management- und Human Relations-Soziologen die Rolle der außerorganisatorischen Faktoren für das Funktionieren oder den Wandel der Struktur hervorheben und untersuchen. Thompson, Organizations, nennt die .Umweltbereiche' schärfer ,,task environments"; Bosetzky, S. 46 f., differenziert die Umweltbereiche in Oktroyierungs-, Orientierungs- und Interaktionssysteme. 25 Vgl. dazu die neueren Konzepte in der Soziologie, die unter dem Sammelbegriff ,,symbolischer Interaktionismus" erscheinen. (Z. B. H. Steinert (Hg.), Symbolische Interaktion. Arbeiten zu einer reflexiven Soziologie, Stuttgart 1973.) 26 Der amerikanische Ausdruck ,,decision maker" scheint mir passender zu sein als der deutsche Ausdruck ,,Entscheidungsträger", weil er mehr den Prozeß des EntscheidungenTreffens als das Tragen der Entscheidungsverantwortung betont. 27 Vetterli, S. 230 ff. versucht seinerseits die Lernprozesse der Arbeiterschaft von G F zu analysieren. 28 Die beste Zusammenfassung der Literatur zum Unternehmerbegriff gibt Kocka, Unternehmer, S. 13 ff., wobei er stark an Chandler und Fritz Redlich anschließt. Ich verzichte deshalb auf eine weitere Ausbreitung der Argumente und verwende in der Untersuchung i. d. R. einen Unternehmerbegriff, der im wesentlichen durch die Entscheidungsfunktionen bestimmt ist. 29 Kocka, Unternehmer, S. 8. 30 Ebd., S. 8 f. 31 Die Bezeichnungen variieren von Land zu Land und im Laufe der Zeit. Zu den Begriffen vgl. zusammenfassend J . Kocka, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten: USA 1890-1940 im internationalen Vergleich, Göttingen 1977, S. 28 ff. 32 Den Aspekt der Delegierung von Herrschaft betonten besonders Max Weber und seine .Schüler'; vgl. M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 5. rev. Aufl. Tübingen 1972; oder z. B. R. Dahrendorf. Konflikt und Freiheit. Auf dem Weg zur Dienstklassengesellschaft. München 1972. Den Aspekt der Delegierung von Funktionen arbeitsleitender, analysierender, verwaltender und merkantiler Art streicht Croner in seiner weit verbreiteten .Delegationstheorie' heraus, wobei er im übrigen den Herrschaftsaspekt völlig verdrängt. (F. Croner. Die Angestellten in der modernen Gesellschaft. Frankfurt 1954, v. a. S. 36ff.) Sein funktionalistischer Ansatz findet sich in einer ganzen Reihe von Angestelltensoziologien wieder. - Den Aspekt der Verlagerung von ,geistiger' Arbeit vom Arbeiter weg nach oben (in die Arbeitsvorbereitungsabteilungen usw.) formuliert am schärfsten N . Poulantzas, der bemerkt, daß die geistige Arbeit damit ..die Form eines Wissens annimmt, von dem die unmittelbaren Produzenten ausgeschlossen" sind. (N. Poulantzas. Klassen im Kapitalismus - heute. Berlin 1975. S. 203). 33 ,,Die Arbeit in der Verwaltung hat sowohl an der Autorität des ,Kapitals' als auch an der
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vom Arbeitsprozeß des Gesamtbetriebes abgetrennten ,geistigen Potenz der Arbeit' teil, mag sie auch tendenziell jenseits der Arbeitskräfte der Verwaltung, die man als Angestellte bezeichnet, konzentriert sein." (S. Braun, Zur Soziologie der Angestellten, Frankfurt 1964, S. 104.) Vgl. dazu weiter: D . Lockwood, Der Angestellte: Eine international vergleichende Darstellung, in: H. Bayer (Hg.), Der Angestellte zwischen Arbeiterschaft und Management, Berlin 1961, S. 145-169, spez. S. 145; H . Steiner, Soziale Strukturveränderungen im modernen Kapitalismus, Berlin (DDR) 1967, S. 61; P. Kuin, Schichtenbildung in der modernen Gesellschaft, in: Bayer, Angestellte, S. 29-62, bes. S. 49; Poulantzas, S. 235, faßt die Bürokratie auf als ,,die spezifische Vergegenständlichung einer von der manuellen Arbeit getrennten geistigen Arbeit in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung 34 Das gesellschaftliche Denken von Individuen und Gruppen muß aus der sozialen Erfahrung erklärt werden, wobei die ,,wesentlichen Elemente der sozialen Erfahrung im Bereich von Arbeit und Beruf zu suchen sind" (S. Braun u. J . Fuhrmann, Angestelltenmentalität, Neuwied 1970, S. 8). 35 E. Kogon, Die Stunde der Ingenieure. Technologische Intelligenz und Politik, Düsseldorf 1976, S. 255. 36 Dies hat Kocka in seinem Deutschland-Amerika-Vergleich hervorragend zeigen können. (Kocka, Sozialgeschichte der Angestellten.) 37 Vgl. dazu - anstelle einer längeren Bibliographie - einige neuere Berichte über die interessierende Literatur: Geradezu enzyklopädischen Charakter haben die Erörterungen von Kocka, Sozialgeschichte der Angestellten, S. 17 ff. Ferner: U . Kadritzke, Angestellte - Die geduldigen Arbeiter. Zur Soziologie und sozialen Bewegung der Angestellten, Frankfurt 1975, S. 15-72; H . Siegrist, Angestellte, technisch-wissenschaftliche Intelligenz und Arbeiterklasse, in: Neue Politische Literatur (NPL), Jg. 23, 1978, S. 367-380. Im übrigen verweise ich auf die Ausführungen im Text und auf die Bibliographie am Schluß dieser Arbeit.
Teil 1, I 1 Über J . C . Fischer liegen schon einige Studien vor, von denen ich hier nur die wichtigsten nenne: H . Bösch, Die Unternehmen von Johann Conrad Fischer, Thayngen 1951 ; W. Fischer, Drei Schweizer Pioniere der Industrie, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Göttingen 1972, S. 428-442; W. O. Henderson, J . C. Fischer und his Diary of Industrial England 1814-1851, London 1966; K. Schib u. R. Gnade, Johann Conrad Fischer 1773-1854, Schaffhausen 1954. Das vorliegende Kapitel ist ein Versuch, die frühe Geschichte der Fischer-Werke mit teilweise neuen Fragestellungen anzugehen. 2 Vgl. dazu Kocka, Unternehmer, S. 48. 3 J . C. Fischer, Tagebücher, Schaffhausen 1951, S. 11. Zur neuen Einstellung zur Zeit vgl. E. P. Thompson, Time, Work-Discipline, and Industrial Capitalism, in: Past and Present (PP), Bd. 38, 1967, S. 56-97. 4 Zitiert in: Schib u. Gnade, S. 218. 5 Fischer, Tagebücher, S. 396. 6 Fischer gelang um 1802 die Herstellung von Gußstahl, das heißt von Werkzeugstahl in flüssigem, vergießbarem Zustand. Zwar war das Verfahren von Huntsman in England schon längere Zeit bekannt. Aber auf dem Kontinent war man sich über die Huntsman-Methode noch nicht im klaren. In Tiegelöfen eigener Bauart und mit selbstverfertigten Tiegeln gelang es Fischer, Gußstahl in einfachen Schmiedeblöckchen herzustellen. Sein Stahl war nach dem Urteil damaliger Experten mit dem von Huntsman vergleichbar. Schib u. Gnade, S. 37 ff. 7 Ebd., S. 37ff. 8 Ebd., S. 81. 9 Die ostschweizerische Textil- und Maschinenindustrie war noch nicht weit entwickelt.
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10 Dies geht u. a. aus der Korrespondenz von J . C. Fischer mit der Gemeinde Bichwil hervor, die bei ihm eine Feuerspritze in Auftrag gegeben hatte, an der er längere Zeit arbeitete. Korrespondenz von Johann Conrad Fischer mit der Gemeinde Bichwil, Akten bei V R 115, 24. 8. 1915. 11 Schib u. Gnade, S. 97 ff. 12 Conrad hatte eine Lehre als Büchsenschmied in Morges absolviert, hierauf bei zwei ,,königlichen Büchsenmachern" in Paris gearbeitet und schließlich beim ,,königlichen Waffenfabrikanten" Collier in London eine Anstellung gefunden. Nachher erlernte er bei seinem Vater die Gußstahlfabrikation. Nach dem Scheitern des englischen Projektes trat er als Teilhaber in eine belgische Waffenfabrik ein. Bald darauf verunglückte er tödlich. 13 Fischer, Pioniere, S. 439 über J . C. Fischer. 14 Es handelte sich hier um die damals übliche Werkspionage. Vgl. die Beschreibung dieser Episode in: Fischer, Tagebücher, S. 250 ff. und 340 f. Die Informationsbeschaffung war, was die intensive Reisetätigkeit Fischers beweist, sehr aufwendig, und es ist ohne weiteres anzunehmen, daß die Entwicklung von Fischers Werken dadurch auch behindert wurde. ,.Unter Temperguß versteht man jede im Rohgußzustand graphitfreie, spröde und harte Eisenlegierung . die leicht zu Konstruktionsteilen beliebiger Gestalt vergossen werden kann und durch nachfolgendes Glühen zäh, hämmerbar und leicht bearbeitbar wird." 150 Jahre Georg Fischer Werke 1802-1952, verfaßt von. F. Aschinger, Schaffhausen 1952, S. 19. 15 J . C. Fischer konnte in den von ihm bevorzugten Märkten seine .englischen' Feilen billiger absetzen, als dies der englischen Konkurrenz möglich war; diese Chance nutzte er. Vgl. dazu Fischers Äußerungen gegenüber dem eidgenössischen Zollinspektor, in: Bericht des Eidgenössischen Zollrevisors Johann Kaspar Zellweger an den Eidgenössischen Vorort, Tagsatzung, Bd. 1738, S. 7. - Seine Orientierung nach Österreich äußerte sich auch darin, daß er seinen Sohn Georg (geb. 1804) zur Ausbildung in Chemie und Physik an das Polytechnische Institut in Wien schickte. 16 Unter ,,Kalkulation" kann wohl einfach die Preisfestsetzung verstanden werden. Diese Angaben stammen aus dem Werkkalender 1827. 17 Vgl. Pollard, S. 150 ff. 18 Schreibkalender. 28.-31. August 1838. in: Schib u. Gnade, S. I I I . 19 Benhold Fischer hatte mit der Unterstützung seines Vaters 1834 in Montbéliard ein Hammerwerk gegründet, dem aber kein Erfolg beschieden war. Schib u. Gnade, S. 101. 20 Ebd., S. 115. Wilhelm Fischer hatte vorher bereits in Wangen bei Lindau eine Werkstätte gegründet, die er offenbar aufgeben mußte. 21 Zitiert in: Schib u. Gnade, S. 117. 22 Vgl. K. Schib, Gründer und Gründung, in: FS SIG, S. 58 ff.; ders. (Hg.), Heinrich Moser. Briefe in Auswahl, Schaffhausen 1972. 23 Das Kloster Paradies liegt in der Nähe von Schaffhausen; die Anlage wurde schon 1839 wieder stillgelegt 24 Bösch, S. 50 ff. 25 Schib u. Gnade, S. 93. 26 Fischer, Tagebücher, S. 724 und 728 f. Die Gammel-Werke waren einer der größten damaligen Stahlproduzenten. Henderson, Fischer, S. 65 f. 27 Eduard Fischer war ursprünglich Arzt, arbeitete aber seit den 1830er Jahren im väterlichen Geschäft. 28 Vgl. dazu die vielen Beispiele in: Pollard (für Großbritannien); Kocka, Unternehmer (für Deutschland); Braun, Wandel (für die ostschweizerische Textilindustrie). - Eine systematische Diskussion dieser Zusammenhange findet sich jetzt bei J . Kocka, Familie, Unternehmer und Kapitalismus. An Beispielen aus der frühen deutschen Industrialisierung, in; Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 24. 1979. S. 99-135. 29 Fischer, Wirtschaft, S. 359 f.
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30 Werkkalender 1827. 31 Vgl. dazu Schib, Gründer, S. 51-65. 32 Fischer, Tagebücher, S. 361. 33 Zitiert in: Schib u. Gnade, S. 191 f. 34 Vgl. K. Schib, Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, Schaffhausen 1972, S. 451-457; H. Schärer, Johann Friedrich Peyer im Hof (1817-1900), Zürich 1973 (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik, Bd. 27). 35 Zitiert in: P. Witzig, Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Winterthur im 19. Jahrhundert, Diss. Zürich, Winterthur 1929, S. 46, Anm. 11. 36 Ebd., S. 43. 37 In den 1820er Jahren bedauerte J. C. Fischer einmal gegenüber dem eidgenössischen Zollrevisor, daß die Eisenindustrie in der Region noch nicht weiter entwickelt sei; dabei würden gute Aussichten bestehen, wenn man sich bei der Förderung der Eisenindustrie durch ,,Theorie, Übung und Erfahrung" leiten würde. Bericht des Eidgenössischen Zollrevisors, S. 7. 38 Fischer, Tagebücher, S. 776.
Teil 1, II 1 Der Besitzer der Hainfelder Firma, Georg Fischer, schrieb 1856 einem befreundeten Unternehmer, daß er für seinen Sohn, der in seiner Abwesenheit die Fabrik mit mehr als 150 Arbeitern ,,dirigiert" habe, einen Platz in einem westschweizerischen Etablissement suche, damit dieser ,,korrespondieren, zeichnen und formen" lerne. Ausgangsbuch, 6. 1. 1856. 2 Ausgangsbuch, 21. 5. 1856; 18. 7. 1856; 6. 9. 1860; 7. 10. 1860. - Die Quellenlage zur Reorganisationsphase ist - vor allem im Vergleich zu den nachfolgenden dreißig Jahren - relativ gut. Wertvoll ist vor allem das,,Ausgangsbuch 1855-1860", 7/TG No. 5 В (teilweise excerpiert und in lateinische Schrift übertragen von W. Liechti). Für die Zeit von 1860-1890 liegt in erster Linie eine Sammlung von Zeitungsausschnitten u. ä. vor. (W. Liechti, Erhebungen über die Anfänge der Fittingsfabrikation in den GF-Werken, Werkarchiv, Gr. 7, Nr. 6; und W. Liechti, Kurzbericht und Belege unserer Nachforschungen über den Beginn der Tempergußund Fittingsfabrikation, Werkarchiv, Gr. 7, Nr. 6.) 3 Ausgangsbuch, 25. 11. 1857. 4 Ausgangsbuch, 25. 11. 1857; November 1860. 5 Ausgangsbuch, 9 .8. 1860. 6 Georg I an seinen Bruder Wilhelm in Salzburg. Ausgangsbuch, Juni 1855. 7 Ebd. Die Einrichtung in Schaffhausen hänge ,.vorzüglich von dem Erträgnis zu Hainfeld" ab. 8 Ausgangsbuch, 9. 11. 1857. 9 Ausgangsbuch, 1856, o. D. 10 Ausgangsbuch, 6. 1. 1856. Georg I an eine Neuenburger Firma. 11 Ausgangsbuch, 18. 8. 1860. Siehe dazu auch den Artikel von Prof. Schmidt im Polytechnischen Journal 1860: ,,Seit etwas länger als einem Jahre hat das durch ausgezeichnete Stahlfabrikate in der ganzen technischen Welt wohlbekannte Etablissement von Fischer in Schaffhausen auch die Fabrikation von hämmer- und schweißbarem Guß aufgenommen und liefert hierin ein ganz ausgezeichnetes Produkt." (Polytechnisches Journal, Bd. 157, 1860.) 12 In einem Schreiben an seinen Sohn sorgte sich Georg: ,,Das Wasser wird nun so flau, daß ich den Moment für das Anlegen der Wehr ersehne . " (Ausgangsbuch, 10. 10. 1857). Beim Winter 1857/58 handelte es sich um eine besonders wasserarme Zeit. 13 Ausgangsbuch, 20. 9. 1856. 14 Ausgangsbuch, 27. 10. 1856.
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15 Ausgangsbuch, 10. 10. 1857. 16 Ausgangsbuch, 1860, o. D . 17 Schib erwähnt aufgrund der ,,Berichte über die dritte Schweizerische Industrieausstellung in Bern" (1857) für diesen Zeitpunkt 40 Arbeiter. K. Schib, Gießereigeschichtliches aus dem Kanton Schaffhausen, in: Beiträge zur Geschichte der schweizerischen Eisengießereien, red. von H . Bosch u. K. Schib, hg. v. der Eisenbibliothek Schaffhausen und dem Verband Schweiz. Eisengießereien, Schaffhausen 1960, S. 163-186, bes. S. 184. 18 So ist im Ausgangsbuch am 6. 4. 1856 notiert: ,,Franz ist ausgetreten, um sich selbständig zu machen. Es tut mir sehr leid, einen tüchtigen Arbeiter, der sich auch als Werkführer geeignet hatte, verloren zu haben." 19 Ausgangsbuch, November 1860. 20 Ausgangsbuch, 21. 5. 1856. Eduard bat einen Kupferschmied in Liechtenstein um Auskunft über einen Gesellen, den ihm dieser empfohlen hatte. 21 Ausgangsbuch, 21. 6. 1856. 22 Immerhin dürfte dies für andere Berufe weniger zugetroffen haben, bestand doch am Rheinfall die Eisengießerei der Familie Neher. Schib, Gießereigeschichtliches, S. 163 ff. 23 Ausgangsbuch, November 1860. 24 Dies trifft in erster Linie für den sozial-organisatorischen Aspekt zu. Weiterhin wurden aber etwa private und geschäftliche Korrespondenzen im Ausgangsbuch durcheinander geschrieben. 25 Liechti, Erhebungen. Liechti hat in systematischer Arbeit alle Quellen über die Zeit von Georg II gesucht und zusammengestellt. Allerdings liegen praktisch keine Firmendokumente vor, da diese 1898 beim Umzug von Georg III verbrannt wurden. Vgl. dazu Interview Emma Beugger-Fischer, 2/W G F I -I- IL Emma Beugger war die Tochter von Georg'II. 26 Ausgangsbuch, 6. 1. 1858. 27 Die Fabrikation von Fittings aus Temperguß, d. h. Verbindungsstücken für Gas- und Wasserröhren, wurde Mitte der 1860er Jahre aufgenommen. Hier eröffnete sich mit der Verbreitung der Gasenergie und mit dem Ausbau der Wasserinstallationen in den Städten ein guter Absatzmarkt. Die einzige Konkurrenz kam von den schmiedeeisernen Fittings. Fischer meinte in seinem Inserat im Journal für Gasbeleuchtung 1867 dazu: ,,Die Anwendung des Weichgusses, der in seinem [Fischers] Etablissement in einer dem guten Schmiedeisen durchaus analogen Qualität hergestellt wird, gewährt nicht nur den Vortheil billiger Preise und äußerst solider Fabrikate, sondern ermöglicht auch namentlich, die Fittings in Bezug der richtigen Form und der absoluten Dichtigkeit mit einer Sorgfalt und Genauigkeit herzustellen, wie dies bei den geschweißten eisernen Fittings nicht immer der Fall ist." Journal für Gasbeleuchtung, 5. 5. 1867. 28 E. Ganz, Aus den Erinnerungen eines alten Betriebsleiters, 1952, S. 7 f. 29 ,,Stahlformguß" heißt im Gegensatz zu ,,Gußstahl", daß der Stahl in flüssigem Zustand in eine Sandform vergossen wird, während der Gußstahl seine endgültige Form durch mechanische Bearbeitung (z. B. Schmieden) erhält. Schon J . C. Fischer war es 1845 gelungen, kohlenstoffarmen, im Tiegelofen erschmolzenen Stahl in eine Sandform zu vergießen. Er ließ sich dafür ein österreichisches Patent erteilen. Industriell nutzte er das Verfahren nicht; im Gegensatz zum Deutschen Jacob Mayer in Bochum, der etwa gleichzeitig den Stahlformguß erfunden hatte. Schib u. Gnade, S. 60 ff. 30 Liechti, Erhebungen. Die angegebenen Beträge stammen aus dem Steuerkataster und liegen somit sicher nicht zu hoch. Unter .Gesamtvermögen wurde verstanden: Gebäude + Güter + Betriebsfonds. 31 Personalbestand der Werke Schaffhausen, 2/P 2. Produktionszahlen liegen keine vor. 32 H. Böhi, Hauptzüge einer schweizerischen Konjunkturgeschichte, in: Ein Jahrhundert Schweizerischer Wirtschaftsentwicklung, Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, Jg. 100, Bern 1964, S. 71-105, bes. S. 71 ff.
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33 Interview Emma Beugger-Fischer. 34 Böhl spricht von einer Verknappung des Arbeitsmarktes in dieser Zeit. 35 Darauf weist eine Aufzählung der Herkunftsgemeinden der Arbeiter zwischen 1875 und 1890 hin (10/C 1.З.). 36 Fabrikordnung 1873, Werkarchiv. Sie unterscheidet sich nicht von den damals üblichen Fabrikordnungen. Den unmittelbaren Anstoß für die Herausgabe einer Fabrikordnung lieferte das neue schaffhausische Fabrikgesetz von 1873. Konkrete Angaben über das Arbeiterverhalten liegen nicht vor. 37 Fabrikordnung 1873. 38 Interview Emma Beugger-Fischer. 39 A. Stamm, -l-GF-l- Aktiengesellschaft Georg Fischer, Berufliche Weiterbildungskurse 1947, IV, S. 1. 40 J . Ith, 49 Jahre Angestellter der Georg Fischer Aktiengesellschaft, ihrer Niederlassung in Paris und der übernommenen Werke Geissberg und Giubiasco, 13. 12. 1956, S. 14. 41 Interview Emma Beugger-Fischer. Sie hat wohl nur die erste Zeit in der Erinnerung behalten. Tague wurde unter Georg III kaufmännischer Leiter. 42 Ebd. Bucher wurde später kaufmännischer Leiter der Filiale Singen. 43 Vgl. dazu u. a. A. Furrer, Volkswirtschafts-Lexikon der Schweiz, Bern 1887, Bd. 1, S. 267 ff. 44 Interview Emma Beugger-Fischer. 45 Ebd. 46 M. Haushofer, Der Industriebetrieb, Stuttgart 1874, S. 164; ähnlich: A. Emminghaus, Allgemeine Gewerkslehre, Berlin 1868, S. 9, 164. 47 Haushofer, S. 120 f. Allgemein zu den ,.Problemen zentralen Managements im entstehenden Großunternehmen": Kocka, Unternehmer, S. 80 ff. 48 Interview Emma Beugger-Fischer. 49 Harbison u. Myers nennen als Merkmale des ,,dictatorial or authoritarian management": ,,. the worker is an ,abstraction"; he is a unit of labor or a labor cost rather than a human being with wants, emotions, reactions, and goals of his own Thus the concept of the .independent worker' emerges; the employer is relieved of any responsibility." Für das patriarchalische Management hingegen gilt: ..The worker is to be cared for. but in return he is expected to be loyal." Harbison u. Myers, S. 50 ff. 50 Vgl. Braun, Wandel. 51 Vgl. VetterH, S. 29 ff. 52 Bäschlin, ein Zeitgenosse, bewunderte ihn deswegen sehr: ,,Von Jugend an mit Pferden vertraut, kühn und mutig. Cavalier von Natur, eine hervorragende, schöne Gestalt, war er wie zum Reiterhauptmann geschaffen und der Stolz seiner Truppe." J . H . Bäschlin, Notizen 15, abgeschlossen im Oktober 1892, S. 48, in: Liechti, Erhebungen. 53 Bürgin zählt Schaffhausen zu jenen zunftaristokratischen Städten, in denen sich das Bürgertum nach 1830 aus der Politik zurückzog und sich, weitgehend unpolitisch, u. a. der Industrie zuwandte. A. Bürgin, Geschichte des Geigy-Unternehmens von 1758 bis 1939, Basel 1958, S. 141 f. 54 Vgl. dazu Denkschrift zum fünfzigjährigen Bestehen der Schweizerischen Bindfadenfabrik Flurlingen bei Schaffhausen 1872-1922, o. O . o. J . ; FS Schweizerische Industriegesellschaft (SIG) Neuhausen 1853-1953, Neuhausen 1953. 55 Eine ausführlichere Darstellung des schaffhausischen Industrie-Bürgertums gibt Knoepfli.
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Teil 1, III 1 Interview Emma Beugger-Fischer. 2 „Abtretungs- bzw. Kaufvertrag zwischen Frau Wwe. Emma Fischer geb. Pfister und Frau Emma Beugger geb. Fischer und Georg Fischer", 2/W G F III. Georg erhielt die Firma für eine halbe Million Franken. 3 Vgl. Stamm IV, S. 2. 4 Allgemein zum Siemens-Martin-Ofen: H . R . Schubert, The Steel Industry, in: Ch. Singer u. a. (Hg.), A History of Technology, Bd. 5 (1850-1900), verb. Aufl. Oxford 1967, S. 57 ff. 5 Stamm, IV, S. 3 ff. 6 Georg Fischer an Joh. Rauschenbach, 7. 3. 1896, 2/WA-Z: ,,Als Anhaltspunkt über die bisherige RentabiUtät des Etablissements in Schaffhausen, dessen Entwicklung einzig und allein auf diese Erträgnisse angewiesen war, lasse ich die Nettogewinne der letzten 10 Jahre folgen 7 Diese Entwicklung verlief von Abteilung zu Abteilung verschieden. Vgl. Vetterli, S. 43-68. 8 Unterlagen: Sammlung einiger Akten, die anläßlich der Redaktion unserer Jubiläumsschrift 1926 als Unterlagen gedient haben, 1926; Fabriken-Verzeichnis 1888, in: FabrikenVerzeichnisse, zusammengestellt nach den eidgen. Fabrikinspektionen (1882-1911), Bundesarchiv Bern, Besund 7171, 2; 7172 (A) 1 u. 2. 9 A. Schneckenburger, Erinnerungen eines alten Betriebsleiters 1892-1936, Dezember 1944, S. 2. 10 Personalbestand der Werke Schaffhausen, 2/P2. 11 Schneckenburger, S. 1. Tague war kaufmännischer Leiter, Bachmann technischer Leiter. 12 Fotografie der Angestellten 1893, 2/W G F III. Ahnlich waren die Verhältnisse damals in der später von G F übernommenen MRS: ,,Auf der südwestlichen Seite, mit Ausblick auf die Straße, über der Schmiede gelegen, war das kaufmännische Büro. Unter der Leitung von Dir. Joh. Schäfle arbeiteten ca. 8 kaufmännische Angestellte; 1 Direktionssekretär, der Kassier, ein Spediteur für landwirtschaftliche Maschinen und allgemeinen Maschinenbau, 1 Spediteur für Müllereimaschinen, 1 Einkaufschef, 1 Buchhalter und 1-2 übrige Gehilfen." J . Meister, 100 Jahre Rauschenbach, 18. 8. 1949, S. 11 über die Verhältnisse der Maschinenfabrik Rauschenbach Schaffhausen um 1890. 13 Fabrikordnung G F 1899. 14 Zu den Meistern vgl. den Brief vom 16. 5. 1900 im Kopienbuch 1898-März 1901, 2/W A - Z . Uber die Vorarbeiter liegen fast keine Unterlagen vor; auch für die spätere Zeit nicht, wo sie den Arbeitern zugerechnet wurden. 15 Fotografie der Angestellten 1893, 2/W G F III. Meister, S. 11 schreibt über die Verhältnisse bei Rauschenbach um 1890: „Durch eine einfache Bretterwand war das kleine, allen Komfort entbehrende Büro des energischen technischen Direktors Karl Bänninger-Arbenz vom Zeichnungszimmer getrennt. Neben dem techn. Bürochef Gg. Vogel-Neidthart arbeiteten längere Jahre nur 3 Techniker und 2 Lehrlinge 16 Die Verallgemeinerung über die Verhältnisse in der Gießerei- bzw. Maschinenindustrie basiert auf vereinzelten und oft vagen Hinweisen über jene Zeit in Finnen- und Branchenmonographien. Der Unterschied hängt wohl damit zusammen, daß die Arbeit in der Gießerei damals noch weniger konstruktiven Aufwand erforderte bzw. daß Meister mit Erfahrungswissen noch etwas länger das Sagen hatten. 17 Uber Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des Martin-Ofens berichtet auch die Festschrift der Luzerner Gießerei von Moos. Von Moos hatte 1899 einen derartigen Ofen angeschafft. ,,Bot der Siemens-Martin-Betrieb schon im Ausland, wo doch zumeist technisch geschultes Personal vorhanden war, bei seiner Einführung größte Schwierigkeiten, so ist sehr
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verständlich, daß dies in Emmenweid in besonderem Maße der Fall war, da hier nur eine Belegschaft mit ganz ungenügender Erfahrung zur Verfügung stand." 100 Jahre von Moos'sche Eisenwerke Luzern 1842-1942, Luzern 1942. 18 Schneckenburger, S. 5. 19 Bachmann an Stotz, 7. 2. 1893, 2/W G F III. 20 Fischer an Stotz, 9. 2. 1893, 2/W GF III. In seinen Ausführungen verwies Fischer auf einen Schweizer, der als Direktor der Eisenhüttenwerke Querfurth in Schönheide arbeitete und gerne in die Heimat zurückgekehrt wäre. Dieser stelle allerdings hohe Gehaltsansprüche (Fr. 10 ООО plus Tantieme) und wolle sogar ,,Associé" werden. Fischer an Stotz, 24. 2. 1893, 2/W G F III. Fischer hatte mit diesem verhandelt, als er vorübergehend die Übernahme einer Gießerei in Netstal geplant hatte. 21 FS von Moos, o. S. 22 E. Gehrig, Zur Geschichte der Eisengießereien im Berner und Solothurner Jura sowie im übrigen Kanton Solothurn 1800-1914, in: Beiträge, S. 107-135, bes. S. 121 f. 23 Anstellungsvertrag für die Schmelzer am Martinofen, 7/SG W I. 24 Vertrag mit Jac. Schurter. 1 . 1 1 . 1892, 2/W G F III. 25 Instruktionen für den Betriebstechniker Werk III, 11. 1895, 2/W G F III. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Buchführung, Calculation und Statistik über den Fabrikbetrieb, Verf. Bachmann, 1892, 2/V2 A - Z 1. Ebenda die folgenden Zitate. 30 Vergleiche die Ausführungen auf S. 76-78 dieser Arbeit. 31 Kocka, Industrielles Management, S. 337ff. 32 Vgl. dazu für Deutschland: Kocka, Unternehmer, S. 73ff., S. llOff.; ders.. Industrielles Management; Chandler, Visible Hand, S. 272. Die Ingenieure spielten in dieser Bewegung eine bedeutende Rolle. 1886 lautete das Thema der Präsidialrede auf der Tagung der American Society of Mechanical Engineers ,,The Engineer as an Economist" 33 Es scheint tatsächlich, daß in jener Zeit auch andere große schweizerische Unternehmen der Metall- und Maschinenindustrie ähnliche Rationalisierungsmaßnahmen durchführten wie GF. Vgl. dazu z. B. W. Hatt, Rückblicke eines alten Praktikers, STZ 1927, S. 707 f. über organisatorische Verbesserungen und die Reform des betrieblichen Rechnungswesens bei Escher-Wyss in den 1880er Jahren. 34 Schneckenburger, S. 9. - Der implizite Rassismus war in der damaligen Zeit wohl nichts besonders Auffälliges. 35 Ebd., S. 11. 36 ,,Eine Weihnachtsfeier", Tagblatt für den Kanton Schaffhausen, 30. 12. 1893. 37 Dieser Abschnitt, der die Analyse der Unternehmer-Arbeiter-Beziehungen weiterführt, erscheint aus systematischen Gründen noch in diesem Teil. 38 Mit der raschen Zunahme der Belegschaftszahlen wurde der Anteil des Arbeiterstammes, der noch eine gewisse persönliche Beziehung zum Unternehmer hatte, immer kleiner; d. h. der für das Funktionieren des patriarchalischen Managements notwendige Arbeiterstamm fehlte zusehends. Nach der Gründung der AG im Jahre 1896 war zudem Georg Fischer auch nicht mehr allein die oberste Instanz. - Zum Arbeiterstamm vgl. Vetterli, S. 117 ff. 39 AusführUcher dazu: Vetterli, S. 143 ff. 40 Ebd., S. 146. Allgemeiner über Arbeiterkommissionen u. ä.: H. Welti, Die Arbeiterkommissionen in den privaten Betrieben, Diss. Zürich, Affoltern 1942 (für die Schweiz); H. J . Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland. Ursprung und Entwicklung ihrer Vorläufer im Denken und in der Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1961. 41 Statuten der Arbeiter-Kommission im Etablissement der Aktiengesellschaft der Eisen-
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und Stahlwerke von Georg Fischer in Schaffhausen, Schaffhausen 1898; Regulativ betreffend die Arbeiterkommission 1899. 42 In der vorliegenden Arbeit interessiert in erster Linie die Bedeutung, die die Arbeiterkommission für die Unternehmensleitung als Managementinstrument hatte. Die Rolle der Arbeiterkommission für die Arbeiter und die Arbeiterbewegung untersucht Vetterli, S. 147 ff. 43 Zur Alterssparversicherung: Vetterli, S. 326 f. 44 Teuteberg, S. 387. 45 E. Suker-Ziegler, Das Institut der Fabrikkommission, in: NZZ, 25. 3. 1909. Zur Person Sulzer-Zieglers vgl. A. Strässle, Eduard Sulzer-Ziegler 1854-1913. Ein Winterthurer Industrieller, Diss. Zürich, Winterthur 1968. 46 Harbison u. Myers, S. 60: ,,We find that the rulemaking power is shared in a .constitutional' manner with other agencies." Mit ,,agencies" sind Gewerkschaften, Behörden u. ä. gemeint.
Teil 2, I
1 Für die allgemeine Konjunkturentwicklung in der Schweiz vgl. Böhi, S. 79-84. 2 Dazu und zu den folgenden Angaben: Tabelle 1.1, Anhang; Knoepfli; Unterlagen FS 1926. 3 Es ist nur die Angabe für 1915 vorhanden, die aber auch für 1913 zutrifft. 4 Vgl. die Tabellen 3.1 und 3.2 im Anhang. 5 Georg Fischer an Joh. Rauschenbach, 7. 3. 1896, 2/W A - Z . Das Wohnungsangebot in den Kleinstädten Schaffhausen und Singen vermochte der rasch gestiegenen Nachfrage nicht zu genügen. Der Umweltbereich ,Wohnungsmarkt' wurde so für den Inhaber einer schnell expandierenden Firma zu einem Problem. 6 Zur Institution der Aktiengesellschaft vgl. v. a. R. Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftliche Studie, Jena 1922^; ders.. Die wirtschaftliche Bedeutung und Organisation der Aktiengesellschaften, Jena 1907. Passows Studien sind international vergleichend. 7 Für einen Überblick über die Entwicklung der Aktiengesellschaft und ihre Verbreitung in verschiedenen Ländern vgl. die Artikel unter dem Stichwort ,,Aktiengesellschaften" in: Handwönerbuch der Staatswissenschaften (HSt), Bd. 1, Jena 1923", S. 96-205; für die Schweiz besonders S. 123 u. S. 182-185. 8 Vgl. dazu ausführlicher Knoepfli. 9 V R 1, 12. 4. 1896. Gründungsversammlungen im Hause des Unternehmers waren offenbar nicht unüblich. Die erste Verwaltungsratssitzung der Firma Geigy 1901 fand im Hause von Geigy-Merian statt. Bürgin, S. 222. 10 E. H. Rieter-Bodmer war ein Sohn des Winterthurer Fabrikanten Heinrich RieterFenner, der bis 1901 Verwaltungsratspräsident der Maschinenfabrik Rieter AG war. E. H . Rieter und sein Bruder Arthur waren 1898 aus der Firma Rieter ausgeschieden. Arthur Rieter kaufte in der Folge die Maschinen-Fabrik Konstanz (Ziegeleimaschinen). 150 Jahre Joh. Jacob Rieter und Cie. 1795-1945, Winterthur 1947. 11 ,,Ich beehre mich, Ihnen die ergebene Mitteilung zu machen " , 3 1 . 5 . 1896, 2/W G F III. 12 Seit 1901 fanden die Sitzungen öfter im Sitzungszimmer des neuen Verwaltungsgebäudes statt. Zur Zeit der Leitungskrise 1901/02 und in der Reorganisationsperiode wurden Sitzungen verschiedentlich in den Räumen der Zürcher Banken, einmal im Zürcher Büro von Locher, einmal im Hotel Victoria in Zürich abgehalten. Zur Intensität der Verwaltungsratssitzungen siehe Tabelle 2.2, Anhang. 13 VR 1, 12. 4. 1896.
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14 Ebd. Fischer interpretierte sich vorläufig noch eher als ,Motor' denn als Teil dieses Mechanismus. 15 Ebd. 16 Zu den Begriffen vgl. E. Salin, Art. Manager, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (HSW), Bd. 7, Stuttgart 1961, S. 107-113; Kocka, Unternehmer, S. 115 ff. 17 V R 6, 5. 4. 1897. 18 ,,Der Konverterstahl, den Bessemer erfand, wurde im Kupolofen erschmolzen und als flüssiges Roheisen in einen kippbaren Konverter (Bessemerbirne) abgestochen. In diesen Birnen wurde dann ein starker Windstrom auf das Stahlbad gedrückt, dessen Sauerstoffgehalt den Kohlenstoff sowie das Mangan und Silicium aus dem Stahl herausbrannte, den Stahl dabei von ca. 1400 Grad auf ca. 1550 Grad erhitzte, und der infolge seiner Dünnflüssigkeit sich alsdann besonders zum Vergießen dünnwandiger Stahlgußstücke eignete." Stamm, IV, S. 8 f. Allgemein zum Bessemerverfahren: Schubert, S. 53 ff. 19 VR 3, 10. 7. 1896. 20 V R 19, 26. 8. 1899. 21 V R 12, 29. 3. 1898. 22 V R 19, 26. 8. 1899. 23 Ebd. 24 V R 2 0 , 18. 10. 1899. 25 V R 22, 28. 10. 1899. Zur Ausführung von Bauten, die nicht genehmigt waren, meinte Locher: ,,Es sei wohl möglich, daß der Verwaltungsrat von der Generalversammlung einen Vorwurf ruhig einstecken müsse, wenn auch mit guten Gründen aufgeklärt werden könne, wie sich die Sache entwickelt habe, und jedenfalls doch im Interesse des Geschäftes entwickelt habe." - Die abgeschlossenen Erweiterungen hatten so viel gekostet, daß das 1898 aufgenommene Obligationenkapital von drei Millionen Franken aufgebraucht war und mit großen Blankokrediten gearbeitet werden mußte. 26 Vgl. dazu Knoepfli. 27 V R 2 2 , 28. 10. 1899. Von Ziegler war in der Diskussion um die Finanzierung mit seinem Vorschlag, eine ,,Plazierung unter der Hand" vorzunehmen, in der Minderheit geblieben. Er hatte damit die Beibehaltung der bisherigen Zusammensetzung des Verwaltungsrates angestrebt. 28 VR 26, 13. 1. 1900. 29 Vertrag mit Georg Fischer, bei VR 24, 5. 12. 1899. 30 ,,Regelmäßige Berichterstattung über den Geschäftsgang in den ordentlichen Sitzungen des Verwaltungsrathes." - ,,Abfassung und Begutachtung aller von ihm dem Verwaltungsrathe zu unterbreitenden Anträge sowie Begutachtung aller ihm vom Verwaltungsrathe zur Behandlung zugewiesenen Fragen." V R 24, 5. 12. 1899. 31 Ebd. 32 Vertrag mit Jean Bachmann, bei VR 24, 5. 12. 1899. 33 Vertrag mit C. Rothmund, 1 . 4 . 1899, 2 P/2. Rothmund war der Nachfolger von Tague. 34 Vertrag mit Bucher, 1. 4. 1899, 2 P/2. 35 Bucher gründete in der Folge zusammen mit dem ebenfalls ausgeschiedenen Tague eine eigene Firma. - Die Filiale Singen war mittlerweile zu einem bedeutenden Werk angewachsen. Vgl. Tabellen 1.1 und 3.1 im Anhang. 36 V R 33, 16. 5. 1900. 37 Ebd. 38 Es handelte sich um eine typische ,,Titelbeförderung" aufgrund von Belohnungs- und Motivierungsgesichtspunkten. Vgl. dazu Bosetzky, S. 200 ff.; zur Titelsucht im kaiserlichen Deutschland: G. A. Ritter u. J . Kocka (Hg.), Deutsche Sozialgeschichte. Dokumente und Skizzen, Bd. 2, 1870-1914, München 1974, S. 81 f. 39 VR 29, 21. 3. 1900.
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40 V R 31, 12. 4. 1900 u. V R 34, 30. 6. 1900. 41 VR 35, 28. 9. 1900 u. V R 36, 28. 11. 1900. 42 Ebd. 43 Schneckenburger, S. 10. 44 V R 38, 20. 3. 1901. 45 Gutachten betreffend die Stahlformgießerei-Anlage der Firma Akt. Ges. der Eisenund Stahlwerke vorm. Georg Fischer Schaffhausen, Th. Ehrhardt, Ingenieur, Mannheim, Beauftragter der Süddeutschen Eisen-und Stahl-Berufsgenossenschaft Section IV, 15. 3. 1901, 7/SG W I. Ehrhardt, ein international renommierter Fachmann für rationelle Gießereieinrichtungen, hatte 1896 auch der Basier Maschinenfabrik Burckhardt eine Gießereianlage projektiert. Vgl. K. Oehler, Eisengießereien in den Kantonen Aargau, Baselstadt und Baselland, in: Beiträge, S. 141-162, bes. S. 156 ff. 46 V R 4 1 , 17. 7. 1901. 47 Ebd. 48 VR 42, 7. 8. 1901. 49 Verluste auf Rohmaterialien, Entschädigungen für Lieferungsabschlüsse, Entwertung der Anlagen, Schwierigkeiten bei dem allfälligen späteren Versuch, die Kundschaft wiederzugewinnen. 50 VR 42, 7. 8. 1901. 51 V R 43, 17. 9. 1901. Widerstand war angesichts der angeschlagenen Position Fischers und der geschäftlichen Situation zwecklos. 52 Vgl. dazu ausführlich Knoepfli. 53 V R o. Nr., 22. 11. 1901. 54 Ebd. Rothmund wurde später Direktor der Brauerei Chur und Verwaltungsrat der Actienbrauerei zum Gurten, Köniz. Ragionenbücher. 55 V R 46, 25. 3. 1902. 56 VR 48, 13. 5. 1902. 57 Ebd. Fischer orientierte in der folgenden Sitzung, daß er den Präsidenten des Ausschusses informiert habe und daß er keine Genehmigung vom Ausschuß erhalten konnte, da dieser keine Sitzung abhielt. Darauf wartete aber Wuhrmann mit neuen Punkten auf, so etwa, daß Fischer und Rothmund sich ohne Wissen des Verwaltungsrates im vergangenen Jahr bei verschiedenen Banken um Blankokredite bemüht hätten. V R 49, 20. 5. 1902. 58 VR 49, 20. 5. 1902. 59 Ebd. 60 Intelligenzblatt, 29. 5. 1902. 61 Georg Fischer, einer der 35 Aktionäre der G F , hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 3 7 % des Aktienbesitzes. Zur Verteilung der Aktien vgl. die Aufstellung der an der GV vertretenen Aktien 1902/03, lO.C. 62 VR 52, 30. 6. 1902. 63 V R 55, 13. 11. 1902. 64 Vgl. oben Anm. 61 sowie die ausführliche Analyse von Knoepfli. 65 Vgl. NZZ, 15. 11. 1903 u. NZZ, 22. 11. 1903 für die Änderungen in der M F O . Weiter dazu: Knoepfli, der die Rolle der Banken in diesem Prozeß detailliert untersucht. 66 Dazu auch: Kocka, Unternehmensverwaltung, S. 408-459. - A. Gemperle-Beckh war schon bei früherer Gelegenheit als von den Banken beauftragter Experte für die Bilanzprüfung bei G F in Erscheinung getreten. Gemperle hatte ursprünglich eine kaufmännische Lehre im Bankhaus Julian Brunner in St. Gallen absolviert. Vor 1900 wirkte er als Statthalter in der Maschinenfabrik Bühler in Uzwil. Deren Gründer, Adolf Bühler, hatte spät geheiratet, so daß seine Söhne nicht rechtzeitig zur Nachfolge bereit waren. 1900-1910 war Gemperle Direktor und Delegierter des Elektrizitätswerks Kübel, eines der ersten schweizerischen Speicherwerke. Seit 1902 hatte er eine führende Rolle bei G F inne. Peyer bezeichnet ihn sehr treffend als
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„trouble-shooter". Mündliche Mitteilung von Prof. H . C. Peyer vom 21. 2. 1974. Das große Organisationstalent attestierte ihm der Verfasser des Nachrufs im St. Galler Tagblatt, 28. 5. 1923. 67 Die bürgerUche schaffhausische und schweizerische Presse schwieg sich über den Vorfall praktisch aus. Sie rapportierte lakonisch die Zusammensetzung des neuen Venvaltungsrates und die Nichtwiederwahl Fischers. 68 In Schaffhausen wird gerade unter älteren Leuten noch heute über das Ausscheiden Fischers gemunkelt. Eine der zufälligen Erklärungen besteht darin, daß man Fischers Ausscheiden mit seinem Hang zum Alkohol in Verbindung bringt. 69 Arbeiterstimme, 25. 6. 1902. 70 Echo, 2. 10. 1902. 71 30 Jahre Aktiengesellschaft der Eisen- und Stahlwerke vormals Georg Fischer Schaffhausen 1896-1926, verfaßt von E. Ackermann u. W. Meier, Zürich 1926; FS GF 1952. - Die Rolle der Banken wird tabuisiert. 72 Im Gegensatz zum Aufsichtsrat von Siemens hatte der GF-Verwaltungsrat zeitweilig geradezu den Charakter eines Parlaments. Kocka, Unternehmensverwaltung, S. 425.
Teil 2, II 1 Zu den Begriffen vgl. Salin; u. Kocka, Unternehmer, S. 115 ff. 2 VR 54, 10. 9. 1902. 3 ,,Für geordnete Beziehungen zu der alten, durch unangenehme Zwischenfälle vielfach vor den Kopf gestoßenen Kundschaft und Vermehrung des Absatzes durch Aufsuchen neuer Absatzgebiete ist von der Direktion fleißig gearbeitet worden." VR 55, 13. 11. 1902. 4 VR 54, 10. 9. 1902. 5 Ebd. So bei grundsätzlichen kaufmännischen und technischen Fragen, wichtigen Reklamationen, Änderung der Arbeitszeit, grundsätzlichen Änderungen im Akkord- und Lohnwesen, Anschaffungen, Gestehungskosten, Kalkulationen, Statistik, Anstellung von Angestellten, Fürsorge für Arbeiter. 6 Ebd. 7 Nach der ersten Generalversammlung vom 28. Mai 1902 hatte auch noch Wuhrmann als Vizepräsident dem VRA angehört. Er trat aber schon am 30. Juni wieder zurück (,,wegen Verdruß in der letzten Zeit"), weil er glaubte, er sei bei der Verdrängung Fischers ,,in den Ruf der Gewalttätigkeit gekommen, was für das Geschäft nicht von Nutzen sein könne . " (VR 52, 30. 6. 1902). 8 VR 55, 13. 11. 1902. 9 VR 53, 9. 7. 1902. 10 VR 55, 13. 11. 1902. 11 Ebd. In die Kompetenz des VRA gehörten; Anstellung von Angestellten mit zwischen 3- und 10 ООО Franken Jahresgehalt. Entscheid über dringliche bauliche Ausgaben und Anschaffungen bis Fr. 10 ООО. Veranstaltung von Experimenten, Einführung neuer Fabrikationsverfahren, Erwerb von Patenten und Lizenzen bis Fr. 10 ООО. Festsetzung der allgemeinen Verkaufsbedingungen. Vorlage von Finanzfragen an den VR. Beschlüsse über die Kreditgewährung an Abnehmer. Steuer- und Versicherungsangelegenheiten. Genehmigung der Fabrikreglemente. Vorlage der Jahresrechnung, der Bilanz und des Geschäftsberichtes. Periodische Prüfung der Kasse, der Buchhaltung und der Wechselportefeuilles, sowie die Überwachung der Inventaraufnahme. Landkäufe bis Fr. 10 ООО in dringenden Fällen. Genehmigung von Auslandsreisen der Direktion. 12 VR 60, 20 .1. 1904. 13 Ebd.
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14 Direktionsreglement 1904, VR 61, 26. 3. 1904. Daraus stammen auch die folgenden Zitate. 15 ,,Die Conferenzen bezwecken die Wahrung des Contaktes zwischen den Abteilungen, wie auch zwischen den beiden Fabriken Schaffhausen und Singen. In den Geschäftssitzungen sollen sich die Directoren gegenseitig auf dem laufenden halten und sowohl die wichtigeren Vorkommnisse als namentlich auch die das Geschäft als ganzes betreffenden Angelegenheiten besprechen." VR 61, 20. 3. 1904. 16 ,,Infolgedessen ist die Kollektivunterschrift des kommerziellen Direktors mit dem technischen Direktor oder mit einem Prokuristen erloschen, und es zeichnen der technische Direktor kollektiv mit einem Prokuristen oder je zwei Prokuristen gemeinsam." Schweiz. Handelsamtsblatt, 20. 5. 1905. 17 Vertrag mit Ernst Homberger, 5. 1. 1905, bei V R 65, 5. 1. 1905. 18 VR 79, 26. 7. 1907. Allgemein: Kocka, Unternehmer, S. 113. 19 VR 79, 26. 7. 1907. 20 Reglement über die Organisation der Geschäftsleitung der Actiengesellschaft der Eisenund Stahlwerke vorm. Georg Fischer, bei VR 79, 26. 7. 1907. 21 Zur Vertriebs- und Marktorganisation vgl. ausführlich Knoepfli. 22 Ebd. 23 Vgl. dazu die Ausführungen über den Aufbau eines technisch-betrieblichen Leitungsapparates in Teil 2, Kap. IV - Mitte 1908 wurden wegen ,,gewisser Differenzen in der Leitung des technischen Betriebes, bzw. einzelner Abteilungen" Besprechungen abgehalten, die dazu führten, daß ,,protokollarisch festgelegte Rapporte für sämtliche Betriebsleiter mit dem technischen Direktor festgelegt wurden" V R 83, 16. 6. 1908. 24 Reglement über die Organisation der Geschäftsleitung der Actiengesellschaft der Eisenund Stahlwerke vorm. Georg Fischer, bei VR 79, 26. 7. 1907. 25 VR 85, 18. 2. 1909. 26 VR 89, 14. 12. 1909. 27 Über die Vorgänge im technischen Management vgl. die Ausführungen im Kapitel über technische Angestellte, Teil 2, Kap. IV. 28 Brunner-Vogt, ein international bekannter technischer Industrieexperte, war als technischer Vertrauensmann der Banken seit 1904 im Verwaltungsratsausschuß, wo er Diethelm nachgefolgt war. 29 VR 83, 16. 6. 1908. 30 Vgl. unten Kap. III dieses Teils. 31 Zur M E O : H. Staffelbach, Peter Emil Huber-Werdmüller und Emil Huber-Stockar. Vater und Sohn. Zwei Lebensbilder als Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Technik, Zürich 1943, S. 204. Für die Banken vgl. z. B. W. A. Jöhr, Schweizerische Kreditanstalt 1856-1956, Zürich 1956, S. 216 ff.; H. Bauer, Schweizerischer Bankverein 1872-1972, Basel 1972, S. 117 ff. - Für Deutschland: Kocka, Unternehmer, S. 113. Für den Fall von Standard Oil: Chandler, Visible Hand, S. 424; zu Geigy: Bürgin, S. 268 f. 32 Zur Rolle der Banken, zur Person der Banken Vertreter und zu den für G F wichtigen Veränderungen im schweizerischen Bankenwesen vgl. Knoepfli. 33 Die Aktionäre wurden im Verwaltungsrat verschiedentlich als Gruppe betrachtet, deren Wünsche nach hohen Dividenden dem ,Geschäftsinteresse', das auf Expansion und damit Reinvestition ausgerichtet war, entgegengesetzt waren. V R 76, 3. 4. 1907 und VR 112, 23. 12. 1914. Besonders fürchtete man die Stimmkraft von Georg Fischer. 1905 legte man deshalb fest, daß er für seine sämtlichen Aktien nur noch eine Stimme haben dürfe! VR 71, 15. 11. 1905. 34 VR 108, 3. 3. 1914. 35 Zum Begriff der ,,dominant coalition" vgl. Thompson, Organizations, S. 143. In der ,,dominant coalition" waren jene Aktionäre vertreten, die einen für das Unternehmen
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besonders zentralen Umweltbereich repräsentierten (schweizerischer oder lokaler Finanzmarkt, Abnehmerindustrien, technische Fachwelt, Politik). 36 1911 wurde der Schaffhauser Bernhard Peyer-Frey mit der Begründung vorgeschlagen, daß „durch dessen Nomination dem Wunsche der Schaffhauser Aktionäre um eine bessere Vertretung entsprochen würde" V R 94, 17. 3. 1911. 37 VR 81, 9. 3. 1908. 38 Von den acht mit technischer Ausbildung traten sieben spätestens bis 1903 ein. Die Ausnahme war Ingenieur Zölly von Escher-Wyss (Eintritt 1926). 39 VR 138, 24. 4. 1920. In der Diskussion um die Nachfolge des Ingenieurs Brunner-Vogt 1920 im Verwaltungsrat wies man darauf hin, daß ,,die Zeiten sich seit der Wahl des Herrn Brunner zum technischen Berater des Ausschusses so geändert hatten, daß ein Bedürfnis für eine technische Kraft im Verwaltungsrat heute nicht mehr besteht Heute besteht ein tüchtiger Stab von gebildeten Ingenieuren und Chemikern, die alle sich in unseren Speziahtäten ausgebildet haben, in welchen in der Schweiz wenige technische Persönlichkeiten existieren, die als Autoritäten angesehen werden könnten 40 Der Jurist Carl Spahn war Schaffhauser Stadtpräsident von 1894-1917, National- und schaffhausischer Großrat. Um 1920 zog er sich aus der Politik zurück und wirkte im Verwaltungsrat verschiedener Unternehmen. Vgl. Schib, Geschichte S. 507 ff.; E. Steinemann, Die Entwicklung der Stadt Schaffhausen unter den Stadtpräsidenten Dr. Carl Spahn und Hermann Schlatter 1894-1919, in: Mitteilungen aus dem Schaffhauser Stadtarchiv, Nr. 8, 1969. 41 VSM-Vorstand: 9; ASM-Vorstand und Ausschuß: 7. 42 Nachruf Koch-Vlierboom, NZZ, 20. 4. 1907; Nachruf W. C. Escher, NZZ, 18. 11. 1929. 43 Dem Lebensstil der einzelnen Verwaltungsräte kann ich im Rahmen dieser Studie nicht weiter nachgehen. In den Verwaltungsratsprotokollen findet sich indessen noch ein interessanter Hinweis darauf, wo sie ihre Ferien verbrachten. Ein Rundschreiben an die Verwaltungsräte in der Ferienzeit erreichte u. a. Ernst in Sils-Maria, Sturzenegger in Splügen, Burckhardt in Hohfluh, von Ziegler in Flims, Brunner in Davos-Dorf. Rundschreiben bei VR 69, 4. 10. 1905. Im übrigen verweise ich auf die Kurzdarstellung der einzelnen Verwaltungsräte von Knoepfli. 44 Ich arbeite hier - der Entwicklung teilweise schon vorgreifend - einige Züge der Person Hombergers heraus. Quellen: Daten E. Homberger, 3 / H B / l ; Nachruf Emst Homberger, NZZ, 19. 1. 1955. 45 Hombergers Schwager war übrigens der berühmt gewordene Psychologe C. G. JungRauschenbach. 46 Homberger dürfte seinen Aktienbesitz vor allem durch den Aktientausch zwischen der Maschinenfabrik Rauschenbach und G F im Jahre 1921 vergrößert haben. Damit wurde er endgültig vom Manager zum Mitbesitzer. - An Tantiemen hatte er zwischen 1903 und 1907 folgende Summen bezogen: Fr. 24 ООО, 54 ООО, 69 0000, 80 ООО, 91 ООО. Vgl. dazu auch die Tabelle 5.1 im Anhang und den dazugehörigen Kommentar. 47 So z. B. Schweizerischer Bankverein (ab 1925), Basler Lebensversicherungsgesellschaft „Baloise" (ab 1926), SLM (ab 1935), Salmenbräu Rheinfelden (ab 1914), Internationale Nahrungs- und Genußmittel AG (ab 1922). 48 A. Maier, Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kleinstahlgusses bei der Georg Fischer Aktiengesellschaft Schaffhausen 1900-1950, Mai 1950, S. 35. Diese Eindrücke bestätigt auch H. Wäffler, Der Kleinstahlguß G F 1900-1950, 7/SG Allg., S. 237ff. 49 Ich beziehe mich dabei auf noch unveröffentlichte Ergebnisse des Projektes ,,Sozialgeschichte der Angestellten in der Schweiz" 50 Maier, S. 35. Man könnte angesichts der Aussagen Maiers über Homberger zu Bedenken geben, daß sie mehr über ihn als über Homberger informieren. Tatsächlich sind sie sehr
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überschwenglich, in der Tendenz aber richtig. Noch heute sprechen ehemalige GF-AngesteUte in Schaffhausen mit einer Mischung von Bewunderung und Respekt von „Papa" Homberger, wobei allerdings - wie schon bei Maier - nicht verhehlt wird, daß das ,,Regime Homberger" streng war. 51 Der Betriebsleiter und CVP-Politiker Wäffler schreibt in seinen Erinnerungen, daß sich Homberger der Öffentlichkeit ,,nur im Interesse des Unternehmens und stets nur indirekt" bedient habe. Wäffler, S. 238.
Teil 2, III 1 VR 55, 13. 11. 1902. 2 Ebd. 3 Einen knappen Überblick zu dieser Frage gibt Kocka, Unternehmer, S. 73 ff. 4 Vgl. Pollard, S. 216 ff. Zur sehr beschränkten Rechenhaftigkeit des früheren Kapitalismus vgl. T. Pirker, Büro und Maschine. Zur Geschichte und Soziologie der Mechanisierung der Büroarbeit, der Maschinisierung des Büros und der Büroautomatisation, Basel 1962, S. 61. 5 J. J. Bourcart, Die Grundsätze der Industrie-Verwaltung. Ein praktischer Leitfaden, Zürich 1874. Einen Mangel an innerbetrieblicher Rechenhaftigkeit und häufige irrationale Preisbildung - mit Bhck auf den Konkurrenten, aber ohne eigene Berechnungen - konstatierte Roesky Ende der 1870er Jahre. E. Roesky, Die Verwaltung und Leitung von Fabriken speciell von Maschinen-Fabriken unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Standes der deutschen Industrie mit besonderer Bezugnahme auf die Eisenbranche, Leipzig 1878, S. 7. 6 Bourcart, S. 17. 7 Vorschläge zur Anlage einer Fabrik-Comptabilität für die Eisen- und Stahlwerke Schaffhausen, Verf. J. Bachmann, Januar 1897, 2/V2 A - Z 1. Daraus stammen auch die nächsten Zitate. 8 VR 55, 13. 11. 1902. 9 VR 56, 4. 2. 1903. 10 VR 72, 7. 3. 1906. 11 J. Felix, Erinnerungen. G F Stahlgußkalkulation 1908-1941, 18. 12. 1945, S. 1. 12 Ith, S. 21. 13 Ebd. Schneckenburger war der Betriebsleiter der Stahlgießerei, Gasser Chef des Fakturenbüros, Zündel kaufmännischer Subdirektor, Felix Chef der Kalkulation, Bölsterli Chef Einkauf. 14 Felix, Stahlgußkalkulation, S. 2. 15 Ebd. 16 Ebd. 17 Ebd., S. 6. 18 ,,Das Resultat der Kalkulation wurde dem Betriebschef, Herrn Schneckenburger, vorgelegt und ihm dazu mündliche Erklärungen gegeben über die der Rechnung zugrundeliegenden Annahmen. Je nachdem besprach Herr Schneckenburger mögliche Varianten mit den Werkmeistern und ordnete wenn nötig Änderungen der vorgeschlagenen Fabrikationsart und eventuell der eingesetzten Löhne an. Nach dieser Bereinigung wurde die fertige Kalkulation Herrn Dir. Mörsen vorgelegt " Ebd., S. 2. 19 Schneckenburger, S. 27. 20 „ E s zeigte sich im Verlaufe der Jahre, daß die seit 1909 [es müßte heißen 1910] übliche Kalkulationsmethode gewisse Mängel hatte. Ca. 1935 begann das Werk Ebnat eine ganz detaillierte Kalkulation aufzubauen, das heißt, es wurden alle Aufwendungen, welche ein Abguß in der Fabrikation erforderte, ermittelt Diese detaillierte Kalkulation erforderte natürlich viel mehr Arbeit und bedingte gegenüber der alten Methode viel mehr praktische
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Kenntnisse des Kalkulators. Sie hat sich dann 1938 für alle Abteilungen der Stahlgußkalkulation durchgesetzt, weil bei dieser Rechnungsart die Gestehungskosten eines Stückes wirklich seinem Charakter entsprechend ermittelt werden konnten." Felix, Stahlgußkalkulation, S. 3. 21 Bei den Fittings, die auf Lager produziert wurden, stellten sich derartige Probleme weniger bzw. anders; die rasche Lieferfähigkeit konnte mit einer geschickten Lagerhaltung und einer guten Vertriebsorganisation gelöst werden. 22 Korrespondenz von Johann Conrad Fischer mit der Gemeinde Bichwil, Akten bei VR 115, 24. 8. 1915. 23 Ausgangsbuch, 30. 7. 1856; ähnlich: 18. 8. 1860. 24 Kopienbuch 1889/90, 2/W GF ΙΠ. 25 Kopienbuch, 7. 2. 1890. 26 Kopienbuch, 5. 3. 1890. 27 Kopienbuch, 12. 4. 1890. (,,Voi sorpassate continuamente queste mie osservazioni, mi spingete con ogni cartolina, con ogni lettera, ciò che non serve a nulla, perche l'impossibile non è possibile Siete sicuro che voi non siete il mio solo cliente che ha dovuto aver pazienza, ma nessuno di quei tanti si è lamentato nel modo vostro Vi dico la verità questo affare ha fatto tanti dispiaceri che mi sarebbe stato grato se l'aveste conferito a qualche altra fabbrica.") 28 Zu den geplanten oder realisierten Angliederungen von Stahlgießereien durch Maschinenfabriken um die Jahrhundertwende vgl. Knoepfli. 29 Nach Schneckenburger, S. 6. 30 Ebd., S. 23. ,,Damals war Herr Albert Pfund Terminbeamter, und er mußte täglich Terminreklamationen erledigen und die Vorwürfe einstecken. Er tat das jeweils mit einer Armsündermiene und ließ seinen ,Seehundschnauz' furchtbar hängen - aber dabei hatte er eine dicke Haut, an der alles abprallte, denn was konnte er schon dafür, daß die Einrichtungen ungenügend waren." 31 ,,Ιη der Gußputzerei und Appretur lagen Berge von Gußstücken. Der neue Zugang solcher wurde am ehesten fertig gemacht und versandt, die dringenderen und schon verspäteten Stücke immer wieder zugedeckt." Maier, S. 5. 32 Ebd. 33 Über den Widerstand des Bestellbuchschreibers gegenüber der neuen Methode berichtet A. Neuweiler, Mein Lebenslauf in den Eisen- und Stahlwerken von G. Fischer, Schaffhausen, 15. 12. 1949, S. 4. 34 Vgl. dazu Ith, S. 2. Ith hatte als Lehrling im Fakturenbüro die handgeschriebenen Fakturen in ein Buch kopieren müssen, was eine Arbeit war, ,,die viel Geschick erforderte, wenn die Kopien nicht verschmiert oder sonstwie unleserlich sein sollten" Allgemein dazu: Pirker, Büro, S. 45, wonach das Kopieren ,,Aufgabe und Schrecken der Lehrlinge" war. 35 Im Anschluß an Pirker bezeichnen wir die Einführung von Maschinen und maschinenähnlichen Geräten als ,,Maschinisierung" Pirker, Büro, S. 3. In der Zeit selbst und in vielen späteren Schriften wird dieser Prozeß hingegen als ,,Mechanisierung" bezeichnet. Die Rationalisierungsfunktion der Schreibmaschine bestand in der klareren Fixierung der Information. 36 1898 wurden drei Briefe mit der Schreibmaschine geschrieben, 1899 keiner, 1900 waren es 10; erst 1901 wurde die Schreibmaschine öfter verwendet (11 schreibmaschinengeschriebene Briefe bis Anfang März). Kopienbuch 1898-März 1901, 2/W A-Z 1. Im Vergleich etwa zur Schweizerischen Kreditanstalt erfolgte die Anschaffung einer Schreibmaschine relativ spät. Jöhr schreibt in der Jubiläumsschrift der SKA: ,,Im Frühling 1890 wurde erstmals eine Schreibmaschine verwendet; allmählich konnte die Korrespondenz vollständig mit Maschinenschrift erledigt werden, während die Geschäftsbücher weiterhin von Hand geführt wurden." Jöhr, S. 223. 37 Ith erinnerte sich: ,,Die Ausbildung [in der Korrespondenz] war umso gründlicher und
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der Stil umso kürzer, als diese ausnahmslos von Hand am Stehpult des Herrn Zündel geschrieben werden mußte. - An Schreibmaschinen waren nämlich nur deren zwei vorhanden, die von den Korrespondenten bedient wurden. Auch meine Nachfolger in der Korrespondenz-Abteilung hatten ihre Briefe noch jahrelang von Hand zu schreiben." Ith, S. 3. Die Erinnerungen des 1903 eingetretenen Arnold Felix weisen bei Ideinen Abweichungen - in dieselbe Richtung: ,,Ich arbeitete nun in der Hauptsache unter der Leitung des Herrn Prok. Gottlieb Zündel, und schrieb von Hand - Schreibmaschinen hatten nur die beiden Stenotypistinnen, die für Herrn Homberger und Herrn Zündel arbeiteten . " A. Felix, Erinnerungsschrift 1903-1943, 1. 2. 1951, S. 2. 38 Allgemein dazu Pirker, Büro, S. 38. Für die Schweiz vgl. die Jahresberichte des SKV 1901/02 ff. 39 Ith erwähnt die telefonische Kommunikation zwischen den Büroangestellten im Verwaltungsgebäude und dem Modellmagazin. Ith, S. 19. 40 Venrag mit Frl. Hanna Müller, 2 P / A - L 1. 41 Pirker, Büro, S. 41. So behaupten die Verfasser des SKV-Jahresberichts 1905/06, daß es die Schreibmaschine und die Stenografie seien, ,,welche die Überflutung der kaufmännische n Bureaux durch weibliches Personal herbeigeführt haben" Jahresbericht SKV 1905/06, S. 2. Zur .Frauenfrage' im Schweizerischen Kaufmännischen Verein vgl. allgemein die kurze historische Darstellung von A. Wössner, Die Frau in den kaufmännischen und Bureauberufen, in: Für die weiblichen Handels- und Bureauangestellten, hg. vom Zentralkomitee des SKV, Zürich 1927, S. 3-28. 42 Genauere Angaben über die Beschäftigung von Frauen liegen für diese Zeit nicht vor. Ich stütze mich deshalb auf die Erinnerung von Ith ab, der in seiner Aufzählung des Personals vor 1910 für die Korrespondenzabteilung folgende Zahlen von Frauen erwähnt (er führte sie namentlich auf): 1903: 2; 1905: 4; 1908: 6. Ith, S. 18 ff. 43 Zu den Ausführungen S. 55 f. ist zu ergänzen, daß im Dezember 1901 der Verwaltungsrat ein Gutachten des französichen Lizenzgebers, Ingenieur A. Tropénas, anfertigen ließ. Auf dessen Anregung hin weilten Bachmann, Reinsch und ein Arbeiter für einige Wochen zwecks Weiterbildung im nordfranzösischen Stahlwerk Hirson, das ebenfalls das Tropénas-Verfahren anwendete. Gutachten von Ingenieur A. Tropénas, 3. Dezember 1901, 7/SG WI. Zur Kleinbessemerei-Methode von Tropénas vgl. Jahrbuch für das Eisenhüttenwesen, 1900, Düsseldorf 1902, S. 26 ff. 44 V R 56, 4. 2. 1903. 45 V R 68, 21. 6. 1905. 46 Typisch waren Berichte mit Titeln wie ,,Rapport über die Fabrikations-Methoden in der Abteilung Fittings-Fabrikation der Stahlgießerei Schaffhausen", Verf. Wanner, 20. 7. 1904, 7/ T G F. 47 VR 68, 21. 6. 1905. Daraus stammen auch die nächstfolgenden Zitate. 48 ,,Eine Steigerung der Production ist also nur noch erreichbar durch Erweiterung der Productions-Einrichtungen." V R 70, 4. 11. 1905. 49 ,,Was nun die Stahlguß-Fabrikation anbelangt, so war eine Entscheidung bezüglich deren weiteren Ausbau nicht so leicht zu treffen. Wie Ihnen bekannt, war gerade dieser Betriebszweig jahrelang das Sorgenkind unserer Gesellschaft Das hat sich nun aber glücklicherweise gründlich geändert erfreulich ist es zu constatieren, daß wir heute an Stahlguß in Schaffhausen mindestens soviel verdienen wie an der Fittings-Fabrikation daselbst. Bereits sind wir nun auch mit Stahlguß wiederholt in die Lage gekommen, Aufträge von Belang abweisen zu müssen, und diese Vorkommnisse haben es uns nahe gelegt, auf eine weitere Vergrößerung der Productionsfähigkeit unserer Stahlgießerei bedacht zu sein." Bericht der Direction an den Verwaltungsrat, VR 70, 4. 11. 1905. 50 ,,Wenn wir dies auf die Dauer verhindern wollen und wenn wir zu vermeiden wünschen, daß eine Konkurrenz im Lande selbst entstehe, so ist es absolut notwendig, daß die
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Produktionsmittel vergrößert werden, und das kann nur geschehen durch einen Neubau VR 74, 9. 5. 1906 (Homberger). 51 VR 74, 9. 5. 1906. 52 Streitigkeiten zwischen der technischen Leitung in Singen und der technischen Direktion in Schaffhausen machten dem Verwahungsrat wiederholt zu schaffen. (Vgl. S. 101.) Auch die kaufmännischen Beziehungen funktionierten nicht befriedigend. So wurde im März 1906 vom Verwaltungsrat festgestellt, ,,daß der Kontakt der Comptabilität und der kommerziellen Abteilung zwischen Stammhaus und Filiale überhaupt ein geregelterer und häufigerer sein sollte, umsomehr als die Bedeutung Singens ständig zunimmt". V R 72, 7. 3. 1906. - Allerdings entstand durch die Konzentration im Raum Schaffhausen für die Firma der Zwang, selbst Wohnraum für dié Arbeiter zu schaffen, da überhöhte Mietkosten einen Druck auf die Löhne ausübten. Deshalb wurde die Baugesellschaft Breite gegründet. Zur Schaffung von Arbeiterwohnungen vgl. allgemeiner Vetterli, S. 136 ff. 53 V R 76, 3. 4. 1907. Daraus stammen auch die nächstfolgenden Zitate. 54 Bachmann meinte: ,,Ιη den meisten Fällen werden, um mit den Leuten Frieden zu halten, von Seite des Gießermeisters Ausschußstücke ganz oder teilweise bezahlt, und es sollte künftig in dieser Beziehung etwas strenger vorgegangen werden " VR 80, 1. 10. 1907. 55 Ebd. 56 Vgl. auch die Ausführungen über die Reform der Stahlgußkalkulation im Jahre 1908 auf Seite 79. 57 Zur Wahl standen verschiedene Verfahren, die auch in einigen schweizerischen Gießereien erprobt wurden und über die in Fachkreisen intensiv diskutiert wurde. Damals gründete auch der aus den Eisen- und Stahlwerken ausgeschiedene Georg Fischer seine ,,Elektrostahlwerke" 58 V R 84, 29. 9. 1908. 59 In die von der Geschäftsleitung geführte Artikelsammlung wurden Zeitschriften- und Zeitungsausschnitte aufgenommen wie: ,,Die Leistung des amerikanischen Arbeiters und die Bemessung der Lohnsätze", Handelszeitung, 6. 12. 1902; ,,Die neuere Entwicklung der Lohnsysteme in der Metallindustrie", NZZ, o. D . August 1904 (Darin wurde u. a. ausgeführt: ,,Ιη England und namentlich Nordamerika haben sich in den letzten Jahren neue Methoden der Lohnberechnung eingebürgert, welche in vielen Betrieben eine namhafte Vermehrung ihrer Leistungsfähigkeit zur Folge haben und einen der Gründe des Aufblühens der dortigen Industrien bilden."); ,,Meinungen über Amerika", NZZ, o. D . November 1903 (,,. In der Kunst der industriellen Organisation, in dem disziplinierten Zusammenwirken, in der Herabsetzung der Produktionskosten ist auf der anderen Seite des Ozeans Vorbildliches in Hülle und Fülle vorhanden ."). 60 Für die deutschen Verhältnisse vgl. Kocka, Unternehmer, S. 110; zu Sulzer: Bericht Messner, o . D . 1908, 12/S/l; zu Aebi: STZ 1905, S. 176, wo über die Versammlung des Ehemaligenvereins des Technikums Burgdorf berichtet wird, an der der Maschinenindustrielle Aebi ,,Reisebetrachtungen über Amerika und meinen Besuch in der Weltausstellung St. Louis" anstellte. - Es ließen sich mit einigem Aufwand zweifellos noch weitere Belege finden. 61 Zur amerikanischen Rationalisierungs- oder Effizienz-Bewegung vgl. v. a. S. Haber, Efficiency and Uplift. Scientific Management in the Progressive Era 1890-1920, Chicago 1964. 62 Berichte über Werke der Gießerei- und Fittingsbranche der Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1906-1907, Ernst Messner, 7/Gießereien. Neben dem Vorbildlichen hielt Messner erstaunt fest, daß die Maschinenformerei in vielen amerikanischen Betrieben weniger in Gebrauch war als bei GF. 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Projekt Messner, 12/S/l.
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66 Antwort Messners auf die Bedenken, die von der Geschäftsleitung und vom Verwaltungsrat anläßlich der Sitzung vom 3. 4. 1908 formuliert wurden, Singen 12/S/l. 67 ,,Ein Erfolg kann nicht ausbleiben, wenn die Einführung des kontinuierlichen Gießereiprinzips mit Umsicht bis in die Details durchgeführt wird. Die Beweise hierfür finden Sie am ausgeprägtesten, wenn Sie einen Vergleich zwischen dem Aufschwung der bedeutendsten Fittingswerke Amerikas, der Crane Co. und Western Tube C o . , und dem Aufschwung unseres eigenen Werkes ziehen." Projekt Messner, 12/S/l. 68 Die Kompetenz der Gruppe um de Boor wurde von Messner nie anerkannt. Bachmanns engagierte Unterstützung Messners dürfte auf seine Spannungen mit den ,Fittingsleuten' zurückzuführen gewesen sein. Vgl. dazu die Ausführungen in Teil 2, Kap. FV. 69 V R 84, 29. 9. 1908. 70 Ausführlicher dazu; Vetterli, S. 61. 71 V R 84, 29. 9. 1908. 72 Ebd. 73 Vgl. die Verwaltungsratsprotokolle der Jahre 1910-12. 74 V R 100, 11. 4. 1912. Die zitierte Aussage wurde im Zusammenhang mit der Errichtung einer kontinuierlichen Glüherei-Rollerei gemacht; ähnliche Formulierungen finden sich in den Protokollen jener Jahre wiederholt. 75 V R 96, 15. 6. 1911. 76 V R 98, 14. 11. 1911. Homberger gab für die durchschnittliche Leistung per Arbeitsstunde die folgenden Steigerungen seit 1902 an: Gießerei 5 8 % , Glüherei 9 5 % , Gußputzerei 6 3 % , Gewindeschneiderei 106%. 77 V R 9 8 , 14. 11. 1911. 78 Zur Rationalisierung der Fabrikationsbetriebe bei der B B C vgl. FS Brown Boveri 1891-1966, Baden 1966, S. 189. Laut Prof. Daenzer wurde 1912 bei B B C von zwei deutschen Fachleuten eine systematische Produktionssteuerung eingerichtet. - Der Anfangspunkt der wissenschaftlichen Betriebsführung und der systematischen Rationalisierung wurde bis anhin in der Literatur eher in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg datiert. Dies mag einerseits damit zusammenhängen, daß sich am ehesten Betriebswissenschaftler und Managementexpenen zu diesem Thema geäußert haben, die zur Gründer- oder Nachfolgergeneration der Rationalisierungsbewegung der 1920er Jahre gehörten; andererseits ist diese Ansicht tendenziell richtig, weil die Rationalisierung und das wissenschaftliche Management tatsächlich erst damals etwas verbreiteter waren. Trotzdem sollte man aber m. E. die wichtigen Vorläufer nicht ignorieren und damit den Eindruck erwecken, als sei alles sozusagen über Nacht (und aus den USA) gekommen. Vgl. dazu meine Ausführungen S. 163 ff. 79 daß uns die Verbandsjahre in die Lage versetzt haben, unsere Betriebe in technischer Hinsicht auf die Höhe zu bringen und die Gestehungskosten zu reduzieren." V R 103, 25. 11. 1912. 80 V R 104, 11. 3. 1913. 81 Amerika-Bericht Maier, bei V R 104, 11. 3. 1913. 82 Zur Entwicklung des Autostahlgusses vgl. allgemeiner und ausführlich Knoepfli. 83 Zu früheren Gründungsplänen in Osteuropa vgl. Knoepfli. 84 V R 108, 3. 3. 1914. 85 Escher warnte ,,indessen vor der Eigentümlichkeit, die vielen ausländischen Gründungen anhafte, welche nach dem kleinen Finger die ganze Hand ergreifen". Ebd. 86 Tabelle 3.2., Anhang.
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Teil 2, IV 1 Vgl. allgemein zu diesen Zusammenhängen z. B. N. Beckenbach u. a., Ingenieure und Techniker in der Industrie, Frankfurt 1975, S. 3 ff. 2 Schneckenburger, S. 7. 3 Ebd., S. 13. 4 V R 2 0 , 18. 10. 1899. 5 Zur Anzahl vgl. Tabelle 4.4, Anhang. Zu den Bereichen vgl. Verzeichnis der technischen Angestellten, 1902, 2 P/2. - Auch Schneckenburger erhielt damals einen Assistenten zugeteilt. 6 Mutmaßliche Gestehungskosten per 1902, Verf. Bachmann, März 1902, 7/SG W I. 7 Instructionen für den Betriebsleiter der Stahlgießerei, Verf. Bachmann, 5. September 1904, 7/SG W I. ,,Durch hohe Production und Berücksichtigung nachfolgender Instructionen werden die Fabrikationskosten erniedrigt." 8 Mutmaßliche Gestehungskosten per 1902 9 Ebd. Es entstand also kein ,,Meister in Jacket und Stehkragen", der an Schreibarbeit gewann, was er an innovatorischen und konstruktiven Tätigkeiten verloren hatte. Vgl. Kocka, Unternehmensverwaltung, S. 223 ff. über die Meister bei Siemens. 10 Volksrecht, 9. 1. 1900. Interessant ist der Hinweis, daß der Einsatz von Technikern in jener Zeit zu einem allgemeinen Phänomen wurde. 11 Ebd. 12 H. Lotmar, Die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in der Maschinenindustrie zu Winterthur, in: ZSS, Jg. 43, 1907, S. 1-190, bes. S. 46 ff. über die Meister, Kontrolleure und Bureauarbeiter. 13 Über das Alter und Dienstalter der Meister bestehen für diesen Zeitpunkt noch keine genügenden Angaben, doch weisen die vorhandenen Informationen in die genannte Richtung; dasselbe gilt für die Techniker. 14 Ganz, S. 26 f. 15 SMAZ, 17. 1. 1903. 16 Vgl. Vetterli, S. 73 ff. 17 Mit der Tabelle 4. 6, S. 225, lassen sich gewisse Aussagen über die Vorgänge zwischen den Stichjahren machen. Es läßt sich feststellen, daß von den 1920 beschäftigten 55 Technikern deren 16 zwischen 1910 und 1914 eingetreten sein mußten. Das heißt, daß die Technikergruppe in der Zeit des Ausbaus vor dem Weltkrieg stark zunahm. Diese Tendenz bestätigt auch Wäffler, der schreibt, daß 1910/11 im Werk Birch zwei Techniker angestellt wurden. Wäffler, S. 43. 18 Felix, Stahlgußkalkulation, S. 7. Zur Entstehung von Konstruktionsbüros allgemein vgl. E. Barth, Entwicklungslinien der deutschen Maschinenbauindustrie von 1870-1914, Berlin 1973, S. 120 ff. 19 Wäffler, S. 229. 20 F. Stämpfli, Tätigkeitsbericht 1909-1918, S. 4. 21 Ebd., S. 18. 22 Wäffler, S. 236 f. Bachmann, der eher ein auch theoretisch gebildeter Praktiker war, hatte den Ausbau des technischen Büros nicht besonders gefördert. 23 Dies geschah, als sich die Geschäftsleitung entschlossen hatte, die Um- und Neubauten selbst durchzuführen und nicht mehr an andere Firmen zu vergeben. Die Autonomie dieser Büros war nach der Schilderung von Stämpfli relativ groß. Alle Angelegenheiten wurden spontan zwischen ihm, de Boor und dem Einkaufschef geregelt. ,,Wir verspürten den Einfluß der Generaldirektion eigentlich nur bei der Vergebung von ganz großen Aufträgen, oder bei Reklamationen unserer eigenen Kundschaft." F. Stämpfli, Zeitgemäße Betriebsbuchhaltung hält Einzug im Mühlental, S. 24. 24 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 22.
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25 Schneckenburger, S. 47. Er habe „manchen Sonntag für diese Zwecke geopfert" 26 Ebd., S. 12. 27 Ebd., S. 54 ff. 28 Technischer Bericht im Auftrag der Direktion, betr. Fittingsgießerei, Verf. Messner, 4. 7. 1906, 7 / T G F No. 1. 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Messner meinte kritisch zu diesem Vorgehen. ,,Es wird hier und anderen Orts fortwährend zwecklos hin und her gepröbelt, nicht etwa systematisch, sondern absolut willkürlich wie es eben dem betreffenden Vorgesetzten gerade einfällt. Und diese schon Jahre andauernden Versuche haben, trotzdem sie jährlich Tausende von Franken kosten, die Sache nicht im geringsten gefördert oder aufgeklärt." Ebd. Der Leiter des Fittingswerkes Schaffhausen, Boller, wies diese Kritik energisch zurück. Er konnte sich offensichtlich nicht mit dem Gedanken befreunden, daß ihm die Forschungsarbeit abgenommen worden wäre und in eine spezielle Abteilung, die er nicht mehr allein hätte kontrollieren können, verlegt worden wäre. Die Geschäftsleitung blieb beim alten Vorgehen. Vgl. ,Bemerkungen zum technischen Bericht vom 4. Juli 1906 betr. Fittingsgießerei, Verf. Boller, 14. Juli 1906", 7 / T G F N o . 1. 32 Vgl. dazu die Diskussion um das Projekt Ebnat in den Zwanzigerjahren, wo sich der als Betriebsleiter vorgesehene Wäffler dagegen wehrte, daß er in der Ausarbeitungsphase nicht zugezogen wurde. Wäffler, S. 211 ff. 33 Ausführlich zu dieser Frage: Verterli, S. 51 ff. 34 Echo, 8. 1. 1906. 35 Sulzer-Ziegler war maßgebender Berater der Industriellenverbände in Arbeiterfragen. Vgl. Strässle, S. 55. Seine Ausführungen über das Vorschlagswesen stammen aus der N Z Z , 25. 3. 1909, wo er berichtete, daß bei Sulzer ein Reglement ,,über die Beteiligung der Arbeiterschaft an Erfindungen und Verbesserungen" beraten werden sollte. 36 Vgl. dazu Teuteberg, S. 523; und ,,Geschäftsinteresse als Rationalisierungsfaktor", STZ 1927, S. 120 f. 37 Eine 1946 angefertigte Studie mit dem Titel ,,Das Vorschlagswesen bei G F " (Archiv 2/ V2 V I ) bezeichnet den Gedanken des Vorschlagswesens als ,,noch jung" 38 Vgl. dazu Harbison u. Myers, S. 47. 39 Braun u. Fuhrmann, S. 302 ff. 40 Das Verhalten einer Person kann sich ändern, sobald sie eine andere Position einnimmt. Ein Aufsteiger kann z. B. solange auf Sachlichkeit und Funktionalität verweisen, bis er .oben' ist. Dann besteht aber die Möglichkeit, daß er stärker von der Autorität her argumentiert, wobei er auf die Sachlichkeit noch hinweisen kann, wenn es ihm in Wirklichkeit gar nicht mehr darum geht. 41 Vgl. z. B. Beckenbach u. a.; Braun u. Fuhrmann; Kogon. 42 Wäffler, S. 228. 43 Ebd., S. 230. 44 Schneckenburger schildert Schurter als ,,jungen, hitzigen Mann und eifrigen Nationalturner" ,,Wenn er ungerechte Vorwürfe von Herrn Bachmann erhielt, so flogen die schweren Rührhaken auf der Setzbühne herum, daß selbst Herr Bachmann vor ihm auszog." Schnekkenburger, S. 35. 45 Ebd., S. 6 f. 46 Meister, S. 11 f. Bänninger trat 1907 nach Differenzen mit der kaufmännischen Leitung aus und gründete ein Fittingswerk in Deutschland. Vgl. Knoepfli. 47 Besuch des Stahlwerks Hirson, Frankreich, Verf. Bachmann, Juli 1902, 7/SG W L Das französische Hirson liegt an der französisch-belgischen Grenze. Deshalb schreibt Schneckenburger in seinen Erinnerungen von der ,,belgischen" Methode. 48 Schneckenburger, S. 13 f.
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49 Brief von Verwaltungsrat Koch-Vlierboom an die Mitglieder des Ausschusses über seine Besprechung mit Wanner, 6. 10. 1904. 50 Hier wird deutlich, daß die teamartige Konzeption von den untergeordneten Technikern geschätzt wurde. Sie gab ihnen die Möglichkeit zur Diskussion und zur Entfaltung ihres professionellen Wissens und förderte die Motivation. Sie entsprach sowohl ihrem Leistungswie ihrem Gerechtigkeitsbewußtsein. Diese Bewußtseinselemente kommen auch in den Erinnerungen des späteren MRS-Direktors Meier zum Ausdruck, der von seinen Vorgesetzten schrieb; ,,Alle haben viel verlangt, waren streng, aber gerecht." J . Meier, Lebenslauf, 31. 1. 1952, S. 2. 51 Brief von Verwaltungsrat Koch 52 Ebd. 53 VR 68, 21. 6. 1905. 54 De Boor war extrem aufstiegsorientiert. Dies war offenbar schon an seinem vorherigen Arbeitsort aufgefallen (nämlich bei der SLM), wo Schneckenburger anläßlich eines geschäftlichen Besuches gesagt wurde, de Boor ,,hätte in der Loki alles untereinander gemacht und den einen auf den anderen gehetzt" Schneckenburger, S. 32. 55 Ebd. 56 Den engen Zusammenhang von Wissen, Konkurrenz und Aufstieg bei Technikern haben Braun u. Fuhrmann verschiedentlich festgestellt (,Wer es besser weiß, soll befehlen'). Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Bemerkungen Kadritzkes, der annimmt, daß ,,die Entfaltung des professionellen Wissens in der Arbeit und das Aufsteigen in der betrieblichen Hierarchie" beim ,,technisch-wissenschaftlichen Lohnarbeiter" eine ,,naturwüchsige Einheit" bilden. Kadritzke, S. 121 f. 57 Schneckenburger, S. 32. 58 Besprechung von Präsident und Vizepräsident mit Generaldirektor Homberger und Direktor Bachmann über das Projekt Messner, 1. 7. 1908, Singen 12/S/l; Protokoll der Besprechung mit Herrn E. Messner, 19. 9. 1908, bei VR 84, 29. 9. 1908. Darin wurde über die Vertragsauflösung gesagt: ,,Im damahgen Vertrag wurde ihm bleibende Stellung im Geschäft in Aussicht gestellt. Nun zeigt es sich aber, daß für ihn kein Platz da ist, nachdem das Neue, das er uns als Frucht seiner Amerikareise gebracht, zur Zeit nicht zur Ausführung kommen kann." 59 Schneckenburger überschätzt letztlich doch die - zugegebenermaßen damals nicht unbeträchtlichen - Gestaltungschancen der Betriebsleute und ignoriert den größeren geschäftlichen Zusammenhang, der schließlich für den Entscheid des Verwaltungsrates bestimmend war. 60 Felix, Stahlgußkalkulation, S. 8. 61 VR 94, 17. 3. 1911. 62 Wäffler, S. 230. 63 Maier, S. 33. 64 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 60. 65 Vgl. S. 37f. 66 Vgl. Anm. 20, Kap. III, Teil 1. 67 Z. B. V R 55, 13. 11. 1902. Dazu auch die Klagen von 1904: „Noch ist der Stab unserer kaufmännischen und technischen Angestellten nicht complet, indem es außerordentlich schwer hält, tüchtige, für solche Stellungen geeignete Leute zu finden." V R 60, 20. 1. 1904. 68 Boiler hatte sich auf seiner Handwerkerwanderung durch Deutschland in Chemnitz entschlossen, eine Technikerschule zu absolvieren. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz arbeitete er als Gießerei-Assistent in den von Rollschen Eisenwerken in Choindez. Hierauf kam er zu G F . GF-Mitteilungen, 1952, S. 38. 69 Stämpfli, Tätigkeitsbericht S. 8. ETH-Ingenieur de Boor war vorerst Technikumslehrer in Burgdorf gewesen und hatte hierauf als Spezialist für Gasgeneratoren und Motoren bei der SLM gearbeitet.
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70 Protokoll der Besprechung mit Herrn E. Messner, 19. 9. 1908, bei V R 84. Messner hatte wegen seiner extremen Spezialisierung eine Revision der Konkurrenzklausel beantragt. 71 So auch in den Labors, wo bloß Routineuntersuchungen durchgeführt wurden. Hier waren von Anfang an junge Hochschulchemiker tätig, die sich auf diesem wenig interessanten und nicht ausbaufähigen Posten in kurzer Folge ablösten. 72 V R 76, 3. 4. 1907. 73 Brief von Julius Riemer an Homberger, 11. 5. 1910, bei V R 92. Bemerkenswert-aber in diesem Zusammenhang nicht von vorrangigem Interesse - ist die Andeutung Riemers über das anfängliche ,,Hochschulbewußtsein" Moersens, und wie dieser damit bei den Praktikern anstieß. 74 Wäffler, S. 230; Maier, S. 33. 75 De Boor bevorzugte offenbar die Absolventen des Technikums Burgdorf, wo er früher als Lehrer gewirkt hatte. Schneckenburger, S. 32 f. - Der Arbeitsmarktsektor der Techniker wurde durch die Ausbildungstätigkeit mehrerer Technika und einer technischen Hochschule beständig erweitert, andererseits wuchs aber auch zeitweilig die Nachfrage sehr stark. 76 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 8. 77 Ebd. 78 Wäffler, S. 42. 79 Darauf verweist Schneckenburger verschiedentlich. 80 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 8. 81 Zum Begriff der Statusgruppe vgl. G . Hortleder, Ingenieure in der Industriegesellschaft, Frankfurt 1973, S. 60 ff., wobei anzumerken ist, daß der Begriff hier - im Gegensatz zu Hortleders Begriffsverständnis - nicht unbedingt meint, daß die Angestellten einer bestimmten Statusgruppe gemeinsame Interessen artikulieren oder organisiert handeln. 82 Zur ,,technischen Intelligenz" gehören Ingenieure, Techniker u. ä., d. h. im weitesten die mehr oder weniger wissenschaftlich gebildeten Angehörigen der technischen und naturwissenschaftlichen Berufe. U m diesen Bedeutungskern kreisen in der Literatur verschiedene ähnliche Begriffe wie ,,technisch-wissenschaftliche", ,,technisch-naturwissenschaftliche", ,,technologische" Intelligenz. Vgl. dazu u. a. Hortleder, Kogon oder Autorenkollektiv am Institut für Soziologie der F U Berlin, Klassenlage und Bewußtseinsformen der technischwissenschaftlichen Lohnarbeiter. Zur Diskussion über die ,Technische Intelligenz', Frankfurt 1973. 83 Für die Verhältnisse bei G F zeigen dies die Resultate der Angestelltenanalyse. Zum Zusammenhang zwischen Qualifikation und Funktion in der schweizerischen Industrie vgl. H . Winawer, Die Bewegung der technischen Angestellten in der Schweiz, Diss. Zürich 1919, S. 11. 84 So z. B. auch Bachmann, der von den Folgen seiner Tätigkeit (Vergrößerung, Ausbildung von Fachleuten) eingeholt wurde. Daß auch ein hochqualifizierter technischer Fachmann entlassen werden konnte, wenn es den Geschäftsinteressen entsprach, mußte Messner erfahren. Teil 2, V 1 Vgl. zum Begriff, der mit gewissen Vorbehalten auch auf Gruppen von wissenschaftlich ausgebildeten Angestellten bezogen werden kann, obwohl er eigentlich am Beispiel der sog. liberalen Berufe (,professions') entwickelt worden ist, Art. Professionalismus u.ä., in: Lexikon zur Soziologie, Reinbek 1975, S. 523. 2 Dazu: Braun u. Fuhrmann, S. 8. Kritisch differenzierend: Kogon, S. 254 ff. 3 Deshalb profitierten Techniker unwillkürlich immer wieder von den Lohnbewegungen der Arbeiterorganisationen. Vgl. dazu z. B. J . Gasser, Die schweizerische Privatangestelltenbewegung von 1914 bis Mitte 1920, Diss. Zürich 1922, S. 89.
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4 Vgl. dazu die unsystematischen Angaben in den Quittungsbüchern 1899-1902, 2P L 1. 5 Zu den Arbeiterlöhnen vgl. Vetterli, S. 307. 6 Dies wird man zu beachten haben, wenn man für diese Zeit von ,Verproletarisierung' der Angestellten spricht, wie dies Kadritzke, S. 178 ff., und viele andere tun. Der in der Zeit häufig verwendete Begriff der Verproletarisierung müßte wohl mit mehr Vorsicht verwendet werden, da er apriorisch festlegt, daß die ,Angestellten' eigentlich nicht zum ,Proletariat' gehören, was ja erst für den besonderen Fall erwiesen werden müßte. Verproletarisierung, als mittelständischer oder berufsständischer, defensiver Kampfbegriff aufgekommen, kann nicht unproblematisch als wissenschaftlicher Begriff verwendet werden. 7 Vetterli, S. 311. Die Techniker scheinen noch zusätzlich Anrecht auf eine Gratifikation gehabt zu haben, was aber für diese Zeit nirgends schriftlich bestätigt ist. 8 Betriebstechniker Ganz verdiente 1909 lt. Vertrag 4 800 Franken pro Jahr; ein gut qualifiziener Mitarbeiter des technischen Büros 3 900. Vgl. Revision der Verträge, VR 89, 14. 12. 1909. Die GF-Technikergehälter scheinen etwa im Rahmen der schweizerischen Durchschnitte gelegen zu sein. Vgl. Statistische Erhebungen über die materielle und soziale Stellung der Mitglieder des Schweizerischen Techniker-Verbandes (Frühjahr 1908), o. O. o. J . Die Verfasser jener Enquete bemerkten mit Blick auf die meist bescheidenen Gehälter der jüngeren Techniker, daß diese in keinem Verhältnis zu den Ausbildungskosten stünden. Jahreseinkommen von über Fr. 5 ООО wurden von den Autoren als Ausnahmen bezeichnet. Zu den Arbeiterlöhnen vgl. Vetterli, S. 98 u. 307. 9 Vgl. Anm. 30, Kap. IV, Teil 3 über die Verhältnisse in den Kriegsjahren. 10 Vertrag mit Jean Bachmann, 1899, 2 P/2. 11 Bachmanns Kaution betrug 1899 10 ООО Franken, 1909 15 ООО Franken. 12 Revision der Verträge, VR 89, 14. 12. 1909. 13 Die Tatsache, daß Techniker seltener als leitende oder verantwortliche kaufmännische Angestellte eine Kaution stellen mußten, bedeutete, daß leitende technische Stellen in dieser Beziehung eher zugänglicher waren. Allerdings war die Technikerausbildung, die vor dem Ersten Weltkrieg zwischen fünf- und siebentausend Franken kostete, wesentlich aufwendiger als eine normale kaufmännische Ausbildung. Zu den Ausbildungskosten vgl. Statistische Erhebungen 14 Vgl. Winawer, S. 26. 15 Vertrag mit Jean Bachmann, 1899, 2 P/2. 16 VR 55, 13. 11. 1902. 17 Vertrag mit Jean Bachmann, 1899, 2 P/2. 18 Protokoll der Besprechung mit Herrn E. Messner, 19. 9. 1908, bei V R 84. 19 Nach der Erhebung des STV von 1908 waren jedoch diese Fälle relativ selten. Dies hängt damit zusammen, daß in jener Untersuchung sehr gut verdienende Techniker kaum vertreten waren. Gerade für diese höheren Leitungsfunktionäre und Spezialisten war bei G F die Konkurrenzklausel besonders restriktiv. Winawer, S. 25. - Messner z. B. arbeitete nach seinem unfreiwilligen Austritt von G F zeitweilig in England und wurde 1911 Leiter der Schweiz. Metallwerke Selve & Co. (höchster Titel: Generaldirektor). Im übrigen war er einer der eifrigsten Luftfahrtpioniere in der Schweiz und brachte es im Militär bis zum Oberst. Vgl. E. Messner, in: ,,Memoriam", Bd. 3, Zürich 1950, S. 24 (Biographisches Lexikon verstorbener Schweizer). 20 Wilhelm Mertens stellte 1907 fest, daß in der deutschen Großindustrie ,,die Konkurrenzklausel in der Mehrzahl der Fälle nur dazu [diene], den Besoldungsstand der Angestellten durch Beschränkung ihrer Freizügigkeit tief zu halten" W. Mertens, Zur Bewegung der technischen Privatbeamten, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 25, 1907, S. 649. 21 VR 104, 11. 3. 1913. In der Schweiz wurden mit dem neuen Zivilrecht von 1912 die Bestimmungen über das Konkurrenzverbot leicht zugunsten der Angestellten veränden.
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22 Allgemein zu den Arbeitszeiten der damaligen Techniker in der Schweiz: Statistische Erhebungen. Die Arbeiter-Normal-Arbeitszeil betrug 1895-1906: 59 Stunden; 1906-16: 57 Stunden. Vgl. Vetterli, S. 322. Die Angaben über die Arbeitszeit der GF-Techniker sind zu ungenau, als daß man zu scharfen Aussagen kommen könnte. Die Tatsache, daß Betriebstechniker in vielen Firmen länger arbeiteten als Bürotechniker, erwähnt auch Winawer, S. 21. 23 Ganz, S. 14. 24 Wäffler, S. 232. 25 Ebd., S. 49. 26 Vgl. Winawer, S. 22. Zu den Arbeiterferien, die erst viel später und zuerst nur für sehr wenige kamen: Vetterli, S. 324. 27 Vgl. dazu die Nachrufe von Technikern der GF AG in der Schweizerischen Techniker Zeitung (STZ): Alfred Goldschmid, 1882-1912, STZ 1912, S. 250; Hans Boiler, 1866-1913, STZ 1913, S. 310; Fritz Wyss, 1874-1916, STZ 1917, S. 21; Hans Läderach, 1885-1919, STZ 1919, S. 16 f.; Walter Künzli, 1884-1936, STZ 1937, S. 48; Jakob Deppe, 1879-1947, STZ 1947, S. 172; Emil Schaich, 1892-1950, STZ 1950, S. 550; Fritz Spahn, 1884-1953, STZ 1953, S. 781 f.; Alfred Stamm, 1878-1955, STZ 1955, S. 303 f.; Jules Felix, 1876-1961, STZ 1961, S. 556; Gottlieb Tanner, 1888-1965, STZ 1966, S. 60. Die Auswahl ist zwar recht klein, doch läßt sich mit Hilfe anderer Quellen und durch den Vergleich der GF-Techniker-Lebensläufe mit jenen anderer Firmen durchaus ein plausibles Bild von der Lebensgestaltung gewinnen. 28 Diese tendenziellen Aussagen basieren auf den verstreuten und unsystematischen Angaben in den erwähnten Nachrufen. 29 Zum bürgerlichen Charakter des Alpen-Clubs: M. Oechslin, Aus der Geschichte des Schweizer Alpen-Clubs, in: Die Alpen, Jg. 49, 1963, S. 9. 30 Vgl. E. Graner, Zum 25jährigen Bestehen des Schweizerischen Techniker-Verbandes, STZ 1930, S. 765-774. 31 Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Schneckenburger, Wäffler, Boller, Ganz (Betriebsleiter); Goldschmid, Wyss (TB); J . Felix (Kalkulation); Zotter, Mensch (Betriebstechniker, tw. unklar). In der folgenden Zeit traten auch der Leiter des Singener Fittingswerkes. Wanner, bei sowie de Boor (1908), Künzli (1911) und weitere vor dem Ersten Weltkrieg angestellte Techniker. Es scheint, daß den ,Neuen' der Beitritt angeraten wurde, d. h. daß wir vor dem Ersten Weltkrieg so etwas wie einen ,,closed shop" feststellen. 32 Der STV Schaffhausen ist dabei einigermaßen typisch für eine mittelgroße, mittelstädtische Sektion des STV. 33 Vgl. Tabelle 6.2, Anhang. 34 Vgl. Schweizerischer Techniker-Verband, Mitgliederverzeichnis 1912, Basel 1912. Erfaßt wurden nur die Aktivmitglieder. Die Abweichung von der Gesamtzahl in Tabelle 6.2 ist unerheblich. Die Zuordnung zu den einzelnen Kriterien war in den meisten Fällen unproblematisch, d. h. daß größere Abweichungen ausgeschlossen sind. 35 Vgl. Biografie E. Schmid-Habicht, STZ 1963, S. 410. 36 Vgl. Biografie Otto Vogler, STZ 1925, S. 138 f. 37 Vgl. STZ 1908, S. 292 f. u. S. 301 f. 38 Als im November 1909 unter der Leitung von de Boor und Wanner die Fittingswerke in Singen besucht wurden, war man beeindruckt von den Wohlfahrtseinrichtungen für die Arbeiter und hielt es für ,,fast unmöglich ., daß die Begehrlichkeit noch weiter gesteigert werden könnte" STZ 1909, S. 398. Als 1911 ein gewerkschaftlich orientierter Technikerverband, der Bund technischer Angestellter (BTA), entstand, stand man diesem sehr ablehnend gegenüber. Vgl. STZ 1912, S. 32. 39 Biografien O. Vogler und E. Meyer, STZ 1939, S. 139. An der Versammlung vom 22. April 1912 wurden die Mitglieder laut Protokoll ,,aufgemuntert, die Versammlungen der freisinnig-demokratischen Panei fleißig zu besuchen . . . " . STZ 1912, S. 200. Ähnlich STZ 1912, S. 561.
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40 Dies geht aus den Biografien von Vogler und Meyer hervor. Ferner dazu: J . Schneider, Baumeister, der Mitghed des schaffhausischen Großen Rates war (Biografie J . Schneider, 1877-1966, STZ 1966, S. 60); E. Herzog, Metalhndustrieller, ab 1910 Mitglied des Kantonsrates (Oberst Emil Herzog, 1874-1948, STZ 1948, S. 147). 41 Die Kerngruppe um Vogler, H . Fischer und R. Müller hatte die ganze Zeit über einen dominierenden Einfluß im Vorstand, in dem selbstverständlich auch stets einige weitere Techniker saßen. Die Ablösung der Gründergarde erfolgte offensichtlich nicht ohne eine gewisse Aufregung. Der Vorstand von 1913 setzte sich folgendermaßen zusammen: E. Meyer (Assistent, städt. Elektrizitätswerk), J . Felix (Abt. Leiter Kalkulation, GF), E. Pletscher, (1. Straßenmeister, Kanton Schaffhausen), W. Künzli (Abt. Leiter Transport, GF), J . Sorg, Konstrukteur, SIG), E. Frauenfelder (Architekt), A. Uehlinger (Direktor MRS, als Vertreter der Passivmitglieder). 42 Statistische Erhebungen Unter den Antwortenden waren die bessergestellten Techniker eher untervertreten. 43 Vgl. Anm. 27 oben sowie GF-Mitteilungen 1952, S. 249, und verschiedene Erinnerungsschriften von Angestellten. 44 Stämpflis FamiUe hatte ein Sägerei- und Bauunternehmen im Kanton Bern. Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 60. 45 Vgl. zu diesem Zusammenhang Kadritzke, S. 215. Dies trifft allerdings in jener Zeit vor allem für die fabrikindustriellen Zweige zu, während die Verhältnisse in der Baubranche etwas anders waren. 46 SMAZ, 31. 1. 1903. 47 Wäffler, S. 230. 48 Die Ausdrücke stammen aus einem Artikel im Echo vom 5. 5. 1903. Die Entfremdung wird mit Begriffen beschrieben und implizit interpretiert, die aus der schweizerischen Befreiungsgeschichte (Kampf der Eidgenossen gegen die Vögte der Habsburger) stammen. 49 Maier, S. 30. Die Art des Kontakts zu den Arbeitern hing natürlich auch von persönlichen Merkmalen des Technikers ab, die mitbestimmten, ob er von der Arbeiterseite als Person anerkannt wurde. ,Bartlose Bürschchen' stießen zum vornherein auf Ablehnung. 50 Neuweiler, S. 2. 51 Ebd. Es handelt sich dabei ganz eigentlich um eine Verdrängungsformel, die gewisse Erscheinungen der hierarchischen Kooperation erträglich machen kann. 52 Schneckenburger, S. 33. 53 Felix, Stahlgußkalkulation, S. 8. 54 Stämpfli, Betriebsbuchhaltung, S. 1 u. S. 5. 55 Schneckenburger, S. 33. 56 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 36. 57 Ebd., S. 63. 58 Wäffler schildert im Zusammenhang mit den Anfangsschwierigkeiten im Werk Birch, daß de Boor zur Behebung der Probleme im Werk Birch eine kurze Zeit ausnahmsweise ,,jeden Morgen von 5 Uhr früh an im Überkleid in der Gaserei und im Maschinenhaus" gestanden sei. Wäffler, S. 50. 59 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 3. 60 Schneckenburger, S. 47 u. 62. Er Schloß seine Erinnerungsschrift mit dem Satz: ,,Ich bin eben kein Schriftsteller geworden, sondern Ingenieur geblieben." 61 Schneckenburger, S. 28 (Hervorhebung vom Verf.). In den Qualifikationen auf den Personalkarten sind auch bei unteren Technikern nirgends irgendwelche Sympathien zu den Arbeitern vermerkt. Dies im Gegensatz zu einigen wenigen Meistern. 62 Siehe Tabelle 2.3 im Anhang. 63 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 61. 64 ,,Zur Zeit, als Herr Fischer noch allein war, haben wir im Herbst für die Angestellten
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jeweils eine Sauserfahrt veranstaltet. Etzensperger mußte die Droschken unentgeltlich stellen. Bei diesen Ausfahrten waren die Angestellten bis hinauf zu Herrn Fischer dabei und gewöhnlich, wenn die Spesen bezahlt werden sollten, hatte Herr Fischer schon alles beglichen." Schneckenburger, S. 25.
Teil 2, VI 1 R. M. Lepsius, Die soziale Stellung des Meisters im Industriebetrieb, München 1954, S. 7f.-Tendenziell weisen die in den 1894er Statuten des Schweizerischen Werkmeister-Verbandes festgelegten Aufnahmebedingungen in dieselbe Richtung. Man verlangte vom Kandidaten, daß er die selbständige Führung einer Abteilung mit einer größeren Anzahl Untergebener innehabe und über ein bestimmtes Maß an Fachkompetenz verfügte. Vgl. B. Many, 50 Jahre Schweizerischer Werkmeister-Verband, 1893-1943, Zürich 1944, S. 10 ff. - Vom Material her bin ich in der vorliegenden Arbeit gezwungen, jene als Werkmeister zu behandeln, die von der Betriebs- oder Unternehmensleitung als solche betrachtet wurden. Deren unausgesprochene Definition des Werkmeisters scheint der oben angeführten weitgehend entsprochen zu haben. Nur in seltenen Fällen war sich die Leitung nicht im klaren, ob ein betrieblicher Vorgesetzter als Meister oder als Vorarbeiter bezeichnet werden mußte. 2 Lepsius, S. 33. Ähnlich F. Weltz, Vorgesetzte zwischen Management und Arbeitern, Stuttgart 1964, S. 4 ff. u. 17 ff. Weltz spricht von einem ,,produktiven" und einem ,,disziplinarischen" Aufgabenbereich. 3 Lepsius, S. 33. 4 Ebd., S. 30. 5 Ebd., S. 151. 6 Schneckenburger, S. 9. 7 Ebd., S. 34. 8 Ebd., S. 9. 9 Schmelzermeister Schurter war verantwortlich für den Gang des Schmelzofens, der mit ,,größter Sorgfalt und Schonung" zu bedienen war. Er hatte seine Gehilfen ,,entsprechend zu instruieren und zu überwachen" Für die Schonung des Ofens wurde für die ganze Gruppe eine Prämie ausgesetzt. Vertrag mit Jacob Schurter, 1892, 2/W G F III. Dazu auch Anstellungsvertrag für die Schmelzer am Martinofen, 7/SG W I. 10 Schneckenburger, S. 36. 11 Ebd., S. 26. 12 Vgl. zu den Zahlenangaben: Ganz, S. 17; Schneckenburger, S. 34 ff. (für die Schätzung für 1903) sowie Tabelle 4.5 im Anhang und die Angestelltenanalyse (für 1910). 13 Wäffler, S. 41 ff. 14 Vgl. Tabelle 4.5 im Anhang. Kolonne ,,Anteil an Meisterschaft": Gerechnet mit 46 = 100%. Zur Kolonne ,,Kontrollspanne": Die Obermeister werden hier zu den Meistern gezählt. 15 Ausführlich zur konkreten Arbeitssituation der Arbeiter: Vetterli. 16 Löhne von Meistern und Wochenlohnangestellten im Werk Birch, verschiedene Aufstellungen 1911-1920, 7/St A - Z . Arbeiterlöhne nach Vetterli, S. 307. 17 Ebd., S. 46 ff. 18 Wäffler, S. 41. 19 Vertrag mit Reinsch 1901, bei VR 37, 30. 1. 1901. 20 ebd.; Quittungsbücher 1899-1902, 2P L 1; Revision der Verträge, bei VR 89, 14. 12. 1909. 21 Personalkarte Heinrich Schwalbenbach: ,,Gießermeister Werk I, kam von Krupp, 1908-1931. 1931: Kalkulator Werk I. Qualifikation: Guter Gießermeister und zuverlässig. Er
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konnte aber mit seinen Untergebenen nicht umgehen. Wir hatten viel Schreierei und Zankschlichtungen wegen ihm, bis es soweit kam, daß man ihn als Gießermeister absetzen mußte 22 Echo, 31. 5. 1906. Auf die Tatsache, daß in der schaffhausischen Industrie um die Jahrhundertwende noch etliche ausländische Meister beschäftigt waren, verweist Meister, S. 17, in seiner Erinnerungsschrift über die Maschinenfabrik Rauschenbach. Die quantitative Bedeutung dieser Meister sollte allerdings zu jenem Zeitpunkt nicht überschätzt werden, sie war wohl eher am Abnehmen. 23 VR 123, 11. 4. 1917; Aufzeichnung über die neuen Verträge, 25. 8. 1917, 2 P/A-L 1. 24 Angestelltenanalyse. Zur Laufbahn siehe S. 183 f. 25 Diese und die folgenden Begriffe, Charakterisierungen und anderen Zitate stammen, wenn nichts anderes vermerkt wird, von den Personalkarten der Meister. Verfaßt wurden sie d. R. von den Betriebsleitern. 26 So z. B . die besten Stahlgießermeister oder der erste Tempergießermeister Gallmann, von welchem gesagt wurde: ,,Gallmann, der die Gießereitechnik im Temperguß durch und durch kannte, verdient das beste Zeugnis." (Personalkarte) 27 Die Meister hatten deshalb wohl bisweilen noch längere Arbeitszeiten als die gewöhnlichen Arbeiter! 28 Die Werkmeister waren kaum in Arbeiterorganisationen vertreten; nicht zuletzt, weil sie dort bis nach dem Ersten Weltkrieg auch gar nicht willkommen waren. 29 Wäffler, S. 41 ff. über .seine' Gießermeister Heinrich Werner und Leu. 30 Ganz, S. 26 f. 31 Schneckenburger, S. 37. 32 Mutmaßliche Gestehungskosten per 1902, März 1902, Verf. Bachmann, 7/SG WL 33 Instruktionen für den Betriebsleiter der Stahlgießerei, 5. 9. 1904, Verf. Bachmann, 7/SG WI. 34 Schneckenburger, S. 35. 35 que le chef de montage (Gießermeister) travaillait suivant des formules empiriques et n'avait jamais cherché à sonir des voies de routine " Er arbeite mit einem ,,manque absolu d'intelligence". Gutachten von Ingenieur A. Tropénas, 2. 12. 1901, 7/SG WL 36 Besuch des Stahlwerks Hirson (Frankreich), Verf. Bachmann, Juli 1902, 7/SG W L 37 Ebd. 38 Ebd. 39 Vgl. dazu auch G. Briefs, Die Hierarchie im Betrieb, in: F. Fürstenberg (Hg.), Industriesoziologie I, Neuwied 1966, S. 73-86, bes. S. 80. 40 Technischer Bericht im Auftrag der Direction, betr. Fittingsgießerei, 4. 7. 1906, Verf. Messner, 7/TG F No. 1. Gerade den bewußteren Arbeitern ging die Aktiengesellschaft allerdings nicht ,,über den Begriff" 41 ,,Sämtliche Werkstätten mit den darin beschäftigten Arbeitern stehen direkt unter Aufsicht von Werkführern oder Vorarbeitern, welche die allgemeine Ordnung handhaben müssen . " Fabrikordnung 1873. Allerdings war jene Zeit noch geprägt durch eine Omnipräsenz des Unternehmers. - Fabrikordnung 1899. 42 Mutmaßliche Gestehungskosten per 1902, März 1902, Verf. Bachmann, 7/SG WL 43 Die Tendenz, angesichts einer erstarkenden Arbeiterbewegung die Ordnungsfunktion stärker zu zentralisieren, resp. zentral zu kontrollieren, wird aus einem Artikel im Volksrecht vom 5. 12. 1899, deutlich. 44 ,,Wäre es nicht angezeigt, dem Meister die Competenz einzuräumen, seine Leute selbst zu wählen anstatt einfach ihm solche zu senden, von deren Leistungsfähigkeit er keine Ahnung hat und die er ohne das äußerste probiert zu haben, nicht ohne weiteres wieder entlassen darf?" Technischer Bericht im Auftrag der Direction, betr. Fittingsgießerei, 4. 7. 1906, Verf. Messner, 7/TG F No. 1.
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45 Ebd. Er gebraucht die Ausdrücke Vorarbeiter und Meister gleichwertig ahernativ. 46 Vgl. dazu Marty, S. 142. 47 Vgl. dazu auch Lepsius, S. 135: „Die bei weitem größte Schwierigkeit [nach der Ernennung zum Meister] bestand dabei im Umgang mit den Arbeitern; die Hälfte der Meister, die von einer Umstellung berichteten, nannten dies als ihre größte Schwierigkeit." 48 Bemerkung zum technischen Bericht vom 4. Juli 1906 betr. Fittingsgießerei, Verf. Boller, 7/TG F. 49 Personalkarten. 50 H. Kluth, Soziologie der Großbetriebe, Stuttgart 1968, S. 36. Kluths soziologische Definition des deutschen Betriebsrates trifft auch einigermaßen für die Arbeiterkommission bei GF zu. 51 Lepsius, S. 96. - Auf diesen Aspekt wies auch Sulzer-Ziegler hin. Vgl. seinen Vortrag über ,,Das Institut der Fabrikkommission", NZZ, 25. 3. 09: ,,Von der Kommission werden allerlei kleine Mißstände zur Sprache gebracht, die der Fabrikleitung gar nicht bekannt sind Es werden Klagen über Vorgesetzte vorgebracht. Wir lassen sie ruhig zu, und wenn sie berechtigt sind, treffen wir die nötigen Maßregeln." 52 AK 49, 22. 2. 1911. 53 AK 84, 19. 7. 1919. 54 AK 4, 7. 6. 1898. 55 AK 9, 21. 7. 1899. 56 AK 36, 20. 12. 1905. 57 AK o. Nr., 16. 7. 1900. 58 AK 23, 11. 2. 1903. 59 Ebd. 60 AK, 17. 1. 1927. 61 Es sind mir nur zwei Fälle bekannt. Im ersten Fall wünschten die Arbeiter eine bessere Einteilung der Arbeit beim Gießen (AK 16, 7. 9. 1900). Im zweiten Fall klagten sie wegen des Minderverdienstes, der auf eine durch den Meister verursachte Betriebsstörung zurückzuführen war (AK 35, 15. 4. 1905). 62 Moersen in der Arbeiterkommissionssitzung Nr. 76 vom 15. 8. 1918. 63 Die Arbeitervertreter bemerkten in der Sitzung vom 19. 7. 1919, daß der Bruder des Gießermeisters bessere Arbeiten erhalte als die anderen. ,,Die ganze Gießerei habe den Eindruck, daß der Meister nicht konsequent vorgehe " AK 84, 19. 7. 1919. 64 Ausführlicher darüber: Vetterli, S. 108 ff. 65 Dieselben Vorgänge liefen in der Fittingsfabrikation und in der Großstahlgießerei um die Jahrhundertwende ab. 66 Wäffler, S. 199 f. Daraus stammen auch die folgenden Zitate. Teil 2, VII 1 Ith, S. 20. 2 Kaufmännische Bureaux, Verzeichnis der Angestellten anfangs 1902, 2P/2. 3 Ebd. 4 Ebd. 5 Ebd. 6 Ebd. ,,Herr J. Ehlers. Beamter für das Löhnungswesen. Er berechnet die Zahlugsbeträge zu Händen des Herrn Müller [Zahltagsbeamter der zentralen Verwaltung], stellt nach Weisung seines Vorgesetzten Arbeiter ein und besorgt daneben diverse Arbeiten für das Statistische Büro." 7 Vgl. dazu die Kapitel I und II von Teil 2.
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8 Die veränderte Stellung zum .Prinzipal' in den Großbetrieben beklagten die KV-Funktionäre Stoll und Bodmer auch schon vor dem Ersten Weltkrieg wiederholt. Dazu: J . Bodmer, Handlungsgehülfen, in: Handwörterbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, hg. von N. Reichesberg, Bd. 2, Bern 1903-11, S. 595-602; K. Stoll, Die Verteuerung der Lebenshaltung und die Einkomraensverhältnisse der Handelsangestellten, Sonderdruck aus: SKZ, Nrn. 9 u. 10, 1908. 9 Beim folgenden muß relativiert werden, daß Zündel ein besonders ausgeprägter Fall war, weshalb er auch in allen Erinnerungsschriften erwähnt wird. Als Bürovorsteher, dem der größte Teil des kaufmännischen Personals unterstellt war, prägte er aber das soziale Klima entscheidend, so daß sich eine ausführlichere Darstellung seiner Autoritätsordnung rechtfertigen läßt. 10 Die Zitate stammen aus Maier, S. 31; u. Ith, S. 21. Ith differenziert Zündeis Verhalten noch weiter: ,,Rücksichtslos, ja brutal war Herr Zündel nur im Verkehr mit denjenigen Untergebenen oder Leuten, die mit ihm zu tun hatten, die ihn fürchteten." Diese hatten dann allerdings auch Handgreifliches zu befürchten: ,,Seinen Korrespondenten und Bureau-Fräulein warf er oft nach, was gerade in seiner Reichweite lag, ganze Haufen Briefe, Bücher, Briefkörbchen usw. " 11 Felix, Stahlgußkalkulation, S. 9. 12 Felix, Erinnerungsschrift, S. 38 f. 13 Deshalb verlangte die Direktion der Schweizerischen Kreditanstalt in ihrer Instruktion für die Geschäftsführung der Filialen 1906 von den Abteilungsvorständen, daß sie sich um das ,,Wohl der ihnen untergebenen Angestellten möglichst interessieren sollten, um durch solche persönliche Teilnahme am Wohl und Wehe derselben die Nachteile des Großbetriebs hinsichtlich der persönlichen Beziehungen der Leitung zu den Angestellten möglichst abzuschwächen" Zit. in: Jöhr, S. 223. 14 Ith, S. 20. 15 Ebd., S. 21. 16 Kadritzke, S. 124 ff. 17 Die Angebots- und Nachfragestatistiken der Stellenvermittlung des SKV weisen darauf hin, daß in der Schweiz seit der Jahrhundertwende eher ein Überangebot an kaufmännischem Personal bestand, obwohl der Arbeitsmarkt ständig durch die, zeitlich allerdings begrenzte, Auswanderung junger Kaufleute entlastet wurde. Dazu: S. Feiwel, Über die schweizerischen kaufmännischen Angestellten und ihre Organisationen, Diss. Zürich 1917, S. 27; Jahresberichte der Stellenvermittlung des SKV; div. Statistische Jahrbücher der Schweiz mit Angaben über die Schülerzahlen an den kaufmännischen Fortbildungsschulen. 18 VR 14, 14. 1. 1899. Die Stelle wurde ausgeschrieben, nachdem man vergeblich versucht hatte, einen Kaufmann von der Maschinenbaufirma Bell in Kriens abzuwerben. 19 Besitzer dieser Fabrik war Johann Weber-Rothmund, also ein Verwandter Conrad Rothmunds. Ragionenbuch. 20 VR 49, 20. 5. 1902. 21 VR 55, 13. 11. 1902. 22 Kopienbuch 1898-März 1901, 2/W A-Z 1. 23 Die Arbeit eines kaufmännischen Angestellten kann weniger als diejenige des Produktionsarbeiters oder des Technikers vom äußerlichen Resultat her beurteilt werden. Deshalb spielen die sozialen Qualifikationen eine besonders wichtige Rolle. Vgl. dazu auch Braun u. Fuhrmann, S. 290. 24 Dies wird in der genannten Angestelltenliteratur immer wieder erwähnt. 25 Vgl. dazu Feiwel, S. 36. 26 Ebd., S. 33 f.; W. Winkler, Werden und Wachsen des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins, Genf 1969, S. 45 ff. Neben den öffentlichen Fortbildungsschulen des SKV, die subventioniert wurden, bestanden private Handelsschulen.
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27 Ein dem Normal-Lehrvertrag entsprechender Lehrvertrag ist im Archiv vorhanden. .Kaufmännischer Lehrvertrag', 2 P / L 1. Daraus stammen die folgenden Zitate. 28 Ith, S. 1. 29 Ebd., S. 2. 30 Ebd. 31 Die um die Jahrhundertwende nach und nach neu eingerichteten kaufmännischen und Verwaltungskurse an einigen schweizerischen Hochschulen bzw. Universitäten waren den kaufmännischen Angestellten zumeist nicht zugänglich. Sowohl die Vertreter des SKV wie viele Vertreter der Arbeitgeber vertraten damals übrigens die Meinung, daß eine Praxis an verschiedenen Orten einer Handelsausbildung an der Hochschule vorzuziehen sei. Vgl. dazu jetzt: R . Jaun, Gesellschaftliche Entwicklung und Verwissenschaftlichung der Betriebs- und Unternehmensführung in der Schweiz 1873-1929, Lizentiatsarbeit Universität Zürich (Mskr.), 1979. 32 Feiwel, S. 28. 33 ,,Meine Arbeit war denkbar eintönig, bestand sie doch nur aus der handschriftlichen Ausfertigung der Fakturen und der gelegentlichen Abfassung von Briefen." Ith, S. 25 (auch für das folgende). 34 Felix, Erinnerungsschrift, S. 1. 35 Tabelle 4.2, Anhang. 36 Angestelltenanalyse. 37 Tabelle 4.4, Anhang (Kategorien 52-34: 2 6 % ) . 38 Ebd. Kategorien 22, 52-57. 39 Ebd. 40 V R 100, 11. 4. 1912. 41 Vgl. dazu U . Jäggi u. H . Wiedemann, Der Angestellte in der Industriegesellschaft, Stuttgart 1966, S. 25: ,,Der Gehalt des innerbetrieblichen Statusbewußtseins entsteht letztlich immer aus dem Vergleich zwischen der Gruppe, zu der man sich zugehörig fühlt, und den anderen Gruppen." Lockwood meint, daß die Arbeitssituation des ,,clerk" einen gesellschaftlichen Kontext bilde, in dem die Büroangestellten dazu neigen, sich als Teil des Managements zu interpretieren. Durch den Arbeitszusammenhang, in dem sie stehen, sind die Büroangestellten von den Arbeitern isoliert und werden auch von diesen als Mitglieder eines Autoritätssystems gesehen, obwohl sie keine Autoritätsbefugnisse haben. D . Lockwood, The Blackcoated Worker. A Study in Class Consciousness, London 1958, S. 81. - Diese Zusammenhänge können hier indessen nur vermutet, aber nicht genügend empirisch belegt werden. 42 Mit Ausnahme einer Anzahl Schreiber in den Betrieben bezogen die kaufmännischen Angestellten Monatsgehälter. 43 Der Anspruch nach einem ,standesgemäßen' Leben kommt in der damaligen Angestelltenpublizistik immer wieder zum Ausdruck. 44 Für das folgende wurden in der Regel die Angaben für 1900 genommen. 45 Quittungsbücher 1899-1902, 2P L I ; Kaufmännische Bureaux, Verzeichnis der Angestellten, 2 P/2. 46 VetterU, S. 307. 47 Ith, S. 20. 48 Kadritzke, S. 117. 49 Nach Bodmer, S. 601 verdienten die von der KV-Stellenvermittlung erfaßten 18-20jährigen kaufmännischen Angestellten um die Jahrhundertwende durchschnittlich ca. Fr. 1 270. 50 Quittungsbücher 1899-1902, 2P L I ; Kaufmännische Bureaux, Verzeichnis der Angestellten, 2P/2. 51 Die 21-23jährigen verdienten im Durchschnitt der Jahre 1900/04 durchschnittlich Fr. 1552, d i e 2 4 - 2 7 j ä h r i g e n F r . 2 0 6 8 . Vgl. Bodmer, S. 601. Es handelte sich dabei um Anfangsgehälter für qualifizierte kaufmännische Angestellte.
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52 Quittungsbücher 1899-1902, 2P L I . 53 Diese Schätzung ergibt sich, wenn wir das gesamte Hilfs- und Routinepersonal, die Hälfte der betrieblichen Verwaltungsangestellten und einen kleinen Rest von Sachbearbeitern zusammennehmen. 54 Die besten Arbeiterlöhne, jene der Gießer, lagen damals durchschnittlich um Fr. 1 600. 55 Ith, S. 20. 56 Diese Steigerung des durchschnittlichen Angestellteneinkommens hing stark damit zusammen, daß gerade die unteren Angestelltenlöhne durch die Zunahme der Dienstjahre beträchtlich stiegen. Die unter Fr. 1 200 p. a. liegenden Gehälter wurden verhältnismäßig stärker erhöht. - Die Problematik bei der Bildung und Interpretation von Durchschnitten liegt u. a. in der wechselnden Zusammensetzung der Gruppe. 57 Quellen: Bodmer, S. 601 für die Durchschnittsgehälter aller vermittelten Stellen des SKV im Durchschnitt der Jahre 1895/1900 und 1900/1904; Feiwel, S. 19 ff. für die entsprechenden Zahlen ab 1906/07; Vetterli, S. 307 u. 312 für die GF-Arbeiterdurchschnittslöhne und den Lebenskostenindex. 58 Nach Bahrdt läßt sich bei den Angestellten eine ,,merkmalslose Bürgerlichkeit" feststellen. Diese waren Bürger ohne die realen Merkmale des Bürgers, wie Besitz, Selbständigkeit und hohe Bildung. Was ihnen dann noch blieb, waren die ,,bürgerlichen" Werte (Ehrbarkeit, Tüchtigkeit u. ä.), die Herkunft, die Hoffnung auf den Aufstieg oder Formen der ,,conspieious consumption". Vgl. dazu u. a. H . P. Bahrdt, Industriebürokratie, Stuttgart 1958, S. 127 ff. - Angesichts derartiger Entwicklungen verwundert es nicht, daß 1908 der Zentralsekretär des SKV ,seine' Angestellten, bzw. Teile davon, vor dem ,,Fahrwasser des Klassenkampfs" warnen wollte. Stoll. 59 Ith, S. 5 f. 60 Vertrag mit Rothmund 1899, 2 P/2. 61 1922 erhielt der Chef der Buchhaltung zu seinem Gehalt von Fr. 12 ООО eine Gratifikation von Fr. 600 pro Dividendenprozent, der Leiter der Fittingsexportabteilung eine Gratifikation von Fr. 400 pro Dividendenprozent. VR 147, 1.11. 1922. Es ist möglich, daß diese enormen Gratifikationen erst in der Kriegskonjunktur aufgekommen waren. 62 Vgl. dazu VR 27, VR 65, VR 89. 63 Diese Vermutung beruht auf der folgenden - fragmentarischen - Aufstellung über die Bürgen in den Verwaltungsprotokollen, Nr. 55 u. 89. Name
Funktion
A. Felix
Fittingsexportleiter
C. Müller G. Zündel
Hauptkassier Subdirektor
Welzhofer
Prok. Singen
Maurer
Prok. Singen
Bürgen Dr. Felix, Wädenswil; Notar Denzler, Winterthur C. Müller, Instrumentenmacher Dr. Keller, Winterthur; Zündel-Merkle, SH. Fam. Welzhofer; Bau- und Möbelschreinerei Maurer, Gemeindepräsident in einer aargauischen Landgemeinde
64 Winkler, Werden, S. 40. Genauere Angaben liegen m. W. erst für die Nachkriegszeit vor. 65 Mit ,,Nähe" zum Kleinbürgertum ist hier nicht bloß die herkunftsmäßige bzw. verwandtschaftliche gemeint. Selbstverständlich kann sich diese Nähe auch durch gemeinsame Lebenskreise etwa in kleineren Orten oder Vereinen u. ä. ergeben. 66 Tague und Bucher hatten gemeinsam eine Baubeschläge-Fabrik (Ragionenbuch). Kellen-
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berger gründete eine Papierhandlung (lt. Schweiz. Handelsaratsblatt, 7. 11. 1902). Alle drei Unternehmen blieben in einer relativ bescheidenen Größenklasse. 67 Ith, S. 4. 68 Genaue Angaben über die wöchentliche Arbeitszeit sind im Gegensatz zur Arbeitszeit der Arbeiter nirgends aufzufinden. Nach einer Enquete des SKV im Jahre 1910 arbeiteten von 26 802 erfaßten kaufmännischen Angestellten: 83,4% bis 9 1/4 Stunden pro Tag, 14,8% bis 10 1/4 Stunden, 1,8% 10 1/2 Stunden und mehr. Vgl. Feiwel, S. 32. 69 Vgl. Ith, S. 5 zu GF; Winkler, Werden, S. 46, u. Feiwel, S. 33 für die Schweiz. 70 Ith, S. 19. Znüni = Zwischenveφflegung. 71 Allerdings nur dann, wenn im betreffenden Jahr kein längerer Militärdienst geleistet werden mußte. Venragsformular 1900, 2P/A-L 1; Ferien von Angestellten, 1904, 2P/A-L. Im Gegensatz zu den Arbeitern wurde das Gehalt oder ein Teil davon auch während des Militärdienstes bezahlt: ,,Für Absenzen während des Militärdienstes bezieht Herr während der ersten vier Wochen jeder Dienstleistung das ganze und während nachfolgenden vier Wochen das halbe Gehalt." Vertragsformular 1900, 2P/A-L 1. 72 Zur Ferienregelung bei den Arbeitern vgl. Vetterli, S. 324. 73 Vgl. allgemein dazu Winkler, Werden. 74 Dazu und zum folgenden Tabelle 6.1, Anhang. 75 Vgl. Jahresberichte KV Schaffhausen 1900/01 ff. 76 Jb. KV SH 1905/06, S. 16. 77 Jb. K V S H 1912/13, S. 71. 78 KV SH, Vorstandsprot., 24. 12. 1911, mit der Diskussion, ob man ein TeuerungsRundschreiben verschicken solle.
Teil3, I 1 Vgl. dazu und zum folgenden die Tabelle 1.1 im Anhang. Für weitere Unternehmenskennzahlen siehe Knoepfli. 2 Die Fittingsproduktion wurde im Krieg vermehrt auf Schaffhausen konzentrien. 3 Die durchschnittliche Jahresinvestition betrug im Zeitraum 1914-1928 Fr. 2,1 Mio. (nominal). Knoepfli. 4 Wäffler, S. 77. 5 GF hatte grob denselben Konjunktur- und Krisenzyklus wie die übrigen metallindustriellen Unternehmen. 6 Knoepfli. 7 Tabelle 1.1, Anhang. 8 Tabellen 3.1, 3.2, Anhang. 9 Homberger meldete in seinem Schreiben vom 24. September 1914, in Singen habe die Reduktion des Betriebs nicht ohne Widerstände erfolgen können. Die deutschen Behörden hätten sich gegen die Reduktion der Arbeiterzahl auf 200 energisch gewehrt. VR I I I , Brief vom 24. 9. 1914. Schwierigkeiten verursachte auch die vorgesehene Gehaltsreduktion für die Beamten, die im Normalfall nicht entlassen wurden. Die ,,zuerst beabsichtigte Reduktion der Beamtengehälter hat viel böses Blut gemacht, und wir müssen überhaupt in Singen jetzt schon mit einem sich täglich stärker bemerkbar machenden deutschen Chauvinismus rechnen, der sich allem Nichtdeutschen gegenüber bemerkbar macht". 10 VR I I I , 24. 9. 1914. 11 Zur Sitzungsintensität, die einen groben Indikator für das Engagement des Verwaltungsrates in der Unternehmensleitung bildet, vgl. Tabelle 2.2, Anhang. 12 Zur Finanzierungsproblematik vgl. Knoepfli.
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13 VR 131, 30. 12. 1918. 14 Kommissionsbericht über den Erwerb der Aktien der MRS durch die Stahlwerke, V R 140, 6. 4. 1921. 13 VR 142, 26. 9. 1921. Reglement über die Organisation der Direktion, bei VR 142. 16 Dies ist ein vorläufiger Eindruck, der auf der Kenntnis verschiedenster Firmenmonographien basiert. 17 Die Unterschriftsberechtigung der beiden technischen Direktoren wurde durch eine firmeninterne Regelung eingeschränkt, damit diese ,,nicht zu viel von ihrer eigentlichen technischen Arbeit abgelenkt" würden. 18 Referat von Spahn über das neue Reglement, bei VR 142. 19 Ebd. 20 Ebd. ,,Es handelt sich eigentlich mehr darum, der seit einiger 2eit schon bestehenden Ordnung der Dinge die formelle Rechtskraft zu verleihen, und sie noch etwas auszubauen. Die Konsequenz davon ist, daß den Mitarbeitern des Herrn Homberger auch nach außen hin diejenige Stellung eingeräumt wird, die ihrem Aufgabenkreis und ihrer Verantwortung entspricht." 21 Ebd. und Reglement über die Organisation. 22 Ebd. 23 Ebd. ,,Dem Geschäftsausschuß liegt im allgemeinen die unmittelbare Überwachung der Direktion ob." 24 VR 138, 24. 4. 1920. 25 Referat von Spahn über das neue Reglement. Zur Rolle Spahns in der schweizerischen Industrie- und Finanzwelt siehe Knoepfli. 26 Vgl. dazu P. Devinât, Wissenschaftliche Betriebsführung in Europa, Genf 1927. 27 Bei Gemperle und bei Koch wird keine Firma mehr angegeben, da sie nicht mehr in ihren Stammfirmen bzw. für ihre Stammfirmen tätig waren. Einzelheiten zu den Verwaltungsräten bei Knoepfli. 28 Zur Bankenkonzentration in der Schweiz vgl. Knoepfli. 29 Die Gruppe Homberger-Rauschenbach besaß nach dem Umtausch von 1921 sicher mehr als zehn Prozent der Aktien. Ebd. 30 Dazu V R 149, 26. 3. 1923; VR 150, 7. 4. 1923; VR 152, 30. 10. 1923. 31 Als Delegierter wurde er 1940 von Ernst Müller abgelöst, das Präsidentenamt behielt er bis zu seinem Tod 1955. 32 VR 148, 2. 2. 1923. Diese Umstellungen traten nach und nach in Kraft, da Zündel - mit krankheitsbedingten Unterbrüchen - bis 1925 im Geschäft blieb. 33 VR 152, 30. 10. 1923. 34 Ebd. Leuenberger, von Beruf Techniker, war nach der Jahrhundertwende eine Zeitlang in Singen und Schaffhausen angestellt, verbrachte in der Folge auf Wunsch der Firma einige Wanderjahre als Gießereitechniker in verschiedenen ausländischen Betrieben, bevor er wieder in Singen eintrat. Von 1913-1917 war er Betriebsleiter im Werk III, 1917-1923 Assistent der technischen Direktion. (Personalkarte). - Es liegt bei dieser Ablösung die Vermutung nahe, daß die Rivalität unter den Technikern eine gewisse Rolle spielte, wobei der in der Fittingsfabrikation unerfahrene Sauter von Anfang an gegenüber aufstiegsorientierten Spezialisten wie Leuenberger im Nachteil war. Hinweise, die diese Vermutung bestätigen würden, fehlen jedoch. Dies hängt damit zusammen, daß die Quellenlage seit etwa 1910 für solche interessante und wichtige Details schlechter wird. Es dominieren zunehmend die offiziellen Quellen mit Dokumentencharakter, die offenen internen Berichte fehlen weitgehend. Dazu kommt, daß in den Erinnerungsschriften leitender Angestellter die früheren Jahre viel ausführlicher beschrieben sind als die späteren, wo sich alles in der ,Zeitlosigkeit' verliert. Offenbar waren sich diese Leute schon zu gewöhnt an die Verhältnisse, als daß sie ihnen in der Erinnerung haften geblieben wären.
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35 VR 127, 22. 10. 1917. Statuten der Aktiengesellschaft der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer in Schaffhausen, Revision vom 22. 10. 1917. 36 Schweizerische Finanzzeitung, 4. 5. 1921. Übersetzung des französischen Zitats: ,,Die Aktionäre sind entweder Löwen oder Schafe, aber immer Tiere", wobei ,,bête" nicht nur Tier, sondern auch Dummkopf bedeutet. - Den Teilnehmern der GF-Aktionärsversammlung war erklärt worden, daß die Stahlwerke auszubauen wünschten, damit nach der Einführung der 48-Stunden-Woche mit größeren Produktionsanlagen die frühere H ö h e der Produktion erreicht werden könne. Referat an die Aktionäre, 16. 4. 1921, bei VR 140, 6. 4. 1921. 37 1917 vertraten 29 Aktionäre 61,2% des Aktienkapitals; 1923 vertraten 119 Aktionäre 61,3% des Aktienkapitals. Die Erweiterung des Aktionärskreises war auf die Fusion mit der MRS sowie auf den Aktienhandel zurückzuführen. Dazu Knoepfli. 38 Ebd. 39 Ebd. 40 Über die Rolle der Banken in dieser Zeit sind wir nicht genügend informiert. 41 VR 124, o. D. 1917. Venrag Georg Fischer und Aktiengesellschaft der Eisen- und Stahlwerke, vorm. Georg Fischer 30./31. März 1917, bei VR 123, 11. 4. 1917. 42 Vgl. zur früheren Diskussion über die elektrische Stahlherstellung bei G F S. 86. 43 Dazu und zum folgenden: Ith, S. 26 ff. 44 Ebd. 45 Gutachten, ausgestellt von Herrn Ing. Moersen z. H . der Aargauischen Kreditanstalt in Aarau, Januar 1911, 7 / 0 1 A-Z. 46 Maier, S. 27. 47 Ith, S. 33. 48 E. Müller stieg später bei G F bis zum Delegierten des Verwaltungsrates auf. 49 Ith schildert auch Spannungen in der Geschäftsführung, die aber noch vor der Übernahme der ESW durch G F bereinigt worden waren, indem Direktor Altenbach noch von Georg Fischer entlassen wurde. Ith, S. 34 ff. 50 Ebd., S. 46. 51 Über die Kooperationsversuche der ESW u. a. mit der Bergischen Stahl-Industrie (BSI) vgl. Knoepfli. 52 Referat an die Aktionäre, 16. 4. 1921, bei VR 140, 6. 4. 1921. 53 Brief Gemperle an Homberger, 23. 12. 1920, bei VR 140. 54 Ebd. 55 Es fand ein Aktienumtausch im Verhältnis 7:5 zugunsten der GF-Aktien statt. 56 VR 142, 26. 9. 1921. 57 Die Arbeits- und Arbeiterverhältnisse bei der MRS, 1. 9. 1924, 2/MRS/2. 58 Zur Sanierung: Knoepfli. Zur Belegschaft: ,Programm über den beabsichtigten Abbau des Personalbestandes anläßlich der Wiederaufnahme der Arbeit nach dem Streik', 28. Mai 1924, 2/MRS/2. Die im Text angegebenen Zahlen beziehen sich auf Ende März, ein Viertel davon sollte abgebaut werden. - Zum Streik siehe Vetterli, S. 210 f. 59 Meister, S. 23 ff. 60 Korrespondenz Lauster/Homberger, 30. 9. 1924, 2/WR 1 A - Z . 61 Ebd.-Meister, S. 25, beurteilt C. Müller sehr negativ. Dieser habe ,,am laufenden Band" Fehler gemacht, und wer sich gegen seine Fehlentscheidungen gewandt habe, sei ,,erledigt" worden, „sofern er nicht in Folge seines Könnens seinen Posten behaupten konnte" 62 Korrespondenz Lauster/Homberger, o. D. (Oktober) 1924. 63 Ebd., 1. 12. 1924. 64 Vgl. Meier, S. 10 ff. 65 Vgl. S. 172 f. 66 Zuerst lag die Leitung bei Schneckenburger. Bald ersetzte ihn ein Techniker aus dem Werk Birch, der aber wegen UnZuverlässigkeit ersetzt werden mußte. Diesem folgte schließ-
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lieh ein Ingenieur aus dem ESW, der aber ebenfalls nicht in den Betrieb gepaßt habe. Schneckenburger, S. 42. 67 G. D. Feldman, Der deutsche Organisierte Kapitalismus während der Kriegs- und Inflationsjahre 1914-1923, in: H . A. Winkler (Hg.), Organisierter Kapitalismus, Göttingen 1974, S. 150-171. 68 Schneckenburger, S. 41 f. - Der erwähnte Abnahmekontrolleur, Schulze, hatte vorher als ZiviUst bei G F in Schaffhausen gearbeitet. 69 Schneckenburger, S. 41 f. 70 Zur Stahlgießerei Singen vgl. V R 122, 13. 12. 1916, Spezialprotokoll. - Von Anfang an hatte G F die gesamte Produktion bis Januar 1918 fest gesichen. Die Anlagen waren schon im Hinblick auf eine spätere Auflösung des Werkes konzipiert worden.
Teil3,
Π
1 Dies war möglich wegen der Außerkraftsetzung des Fabrikgesetzes und wegen der Schwäche der Arbeiterbewegung. Vgl. Vetterli, S. 190 ff. 2 VR 112, 23. 12. 1914. Aus Temperguß wurden verschiedene Autobestandteile sowie Granatzünder gefertigt. 3 VR 116, o. D. (Ende 1915). In Singen arbeiteten nur noch ganz junge und alte Männer sowie Frauen und Kriegsgefangene. 1922 wurde - rückblickend - in einem Bericht über die Gießerei in Singen festgehalten, daß wegen der ,,schwächlichen Leute" im Krieg z. B. Gießbänke hatten angeschafft werden müssen, die das ermüdende Bücken vermeiden ließen, aber keine Mehrleistung gebracht hätten. Bericht über die Gießerei Singen, bei VR 147, 1. 1. 1922. 4 VR 120, 25. 4. 1916. 5 VR 121, o. D. (Herbst) 1916; VR 122, 13. 12. 1916. 6 VR 131, 30. 12. 1918. Man ging für kurze Zeit sogar soweit, daß man die Autostahlgießerei Birch auf Fittingsfabrikation umstellte. 7 V R 132, 31. 3. 1919. 8 VR 128, o. D. (Ende) 1918; VR 132, 31. 3. 1919; VR 137, 13. 4. 1920. Der Betrieb in Singen mußte mehrmals wegen Rohstoffmangels eingestellt werden, und nach dem ersten Gußputzerstreik von 1918 kam es wiederholt zu Konflikten zwischen den Arbeitern oder Angestellten einerseits, der Geschäftsleitung andererseits. Einen Eindruck von der Stimmung in der Geschäftsleitung geben die folgenden Worte Hombergers: ,,Die Arbeiterverhältnisse in Singen sind durch die allgemeinen Verhältnisse im Deutschen Reich und besonders durch die Ernährungsschwierigkeiten sehr ungünstig beeinflußt Das und die ganze revolutionäre Bewegung hat auch in Singen zu Lohnforderungen geführt Zur Durchsetzung ihrer Forderungen glaubten die Arbeiter zur Einstellung der Arbeit während eines Tages greifen zu müssen " V R 132, 31. 3. 1919. 9 VR I I I , 24. 9. 1914. Zwei Monate nach Kriegsausbruch lagen bereits für drei Millionen Franken Aufträge aus der Automobilindustrie vor. Homberger bemerkte dazu gegenüber den Verwaltungsräten lakonisch: ,,Der Verschleiß an Last- und Personenwagen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen muß ein außerordentlich großer sein." Brief vom 14. 10. 1914, bei VR I I I . 10 VR 115, 24. 8. 1915. Unter den Neuanschaffungen stachen vor allem die Kranen und Hebezeuge hervor, womit dem Mangel an Hilfsarbeitern abgeholfen werden sollte. 11 V R 117, 6. 1. 1916. 12 VR 122, 13. 12. 1916, Spezialprotokoll. 13 VR 122, 13. 12. 1916.
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14 VR 120, 25. 4. 1916. Zur Zusammensetzung der Rohmaterialien der Einsätze bei den verschiedenen Verfahren vgl. Schneckenburger, S. 52 ff. 15 VR 123, 11.4. 1917. Der hohe Schwefelgehalt des Koks minderte die Gußqualität. 16 VR 123, 11. 4. 1917. 17 Ebd. Die Elektroofen verarbeiteten vor allem Schrott und brauchten keine Hämatite. 18 Der Verwaltungsrat mutmaßte außerdem, daß bei einem Verzicht auf den Kauf der Elektrostahlwerke durch G F möglicherweise eine Übernahme durch Fiat zustande gekommen wäre, was einen doppelten Schlag für GF bedeutet hätte: einen Großabnehmer weniger und einen Konkurrenten mehr. VR 123, Spezialprotokoll. 19 Ebd. 20 Schneckenburger, S. 18, 40; Stamm, S. 6. 21 VR 125, 17. 9. 1917. 22 Vgl. Knoepfli. 23 Ausführlich dazu Knoepfli. 24 Bericht ,,Technische Erwägungen über ein Projekt", F. Stämpfli, 25. 1. 1921, bei VR 140. 25 Natürlich waren die Qualität der Arbeitskraft und das Problem der Leistungsfähigkeit der Arbeiter in der Praxis schon länger Gegenstand von Überlegungen. Aber eben nicht in wissenschaftlicher Weise. 26 F. W. Taylor, Die Grundsätze wissenschafdicher Betriebsführung, München 1917, S. 10. 27 F. B. Gilbreth, Bewegungsstudien, Berlin 1921. 28 H . Ford, Mein Leben und Werk, Leipzig [1923]. 29 Vgl. dazu Devinât, S. 26 ff. 30 W. Eliasberg, Die Psychotechnik und die Motivationsstufen der Arbeit, in: Fürstenberg, S. 45. 31 Über den Aufschwung der Arbeitspsychologie nach dem Ersten Weltkrieg in den USA und über die ersten wissenschaftlichen Formen der Intelligenz-, Eignungs- und Persönlichkeitsdiagnostik vgl. L. Baritz, The Servants of Power, Middletown 1960. 32 Vgl. dazu z. B. M. Saitzew, Horizontal und Vertikal im Wandel der letzten Jahrzehnte, Jena 1927. Zur Kartellierung bei G F vgl. Knoepfli. 33 H . Mottek u. a., Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Bd. 3, Berlin (DDR) 1974, S. 28. 34 Stämpfli, Tätigkeitsbericht, S. 30 f. 35 H . Wildberger, Erzeugnisse, in: Unterlagen FS 1926, S. 73. 36 Ebd., S. 77 ff. Allgemein zur Einführung des Schnellschnittstahls K. Wittmann, Die Entwicklung der Drehbank bis zum Jahre 1939, Düsseldorf 1960, S. 103 ff. 37 Wildberger, S. 79. 38 „Das fortwährende Studium der Sparmaßnahmen führt auch hier zu vielen kleineren maschinellen Einrichtungen, als Ersatz für manuelle Arbeit, und mit sinkenden Materialpreisen und Löhnen wird es in Schaffhausen allmählich wieder möglich, für technische Anlagen eine Rendite zu erreichen, die noch vor kurzem zufolge der 3 Posten: Verzinsung, Amortisation und Betriebslöhne nicht mehr möglich war." VR 146, 14. 6. 1922. Man wählte also drei Wege, nämlich Rationalisierung, Personalreduktion und Lohnabbau. 39 VR 146, 14. 6. 1922 und VR 147, 1.11. 1922. 40 VR 146, 14. 6. 1922. 41 Vgl. Knoepfli. - VR 151, o. D. 1923. 42 Volksabstimmung vom 17. 2. 1924 über die Verlängerung der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 48 auf 54 Stunden. Dazu und zur Haltung von G F in dieser Sache vgl. Vetterli, S. 209 ff. 43 VR 158, 18. 3. 1925.
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44 Vgl. dazu „Continuierliche Gießerei in Singen", von F. Leuenberger, 16. 6. 1926, bei V R 162. 45 Die Konzentration der deutschen Metallindustrie und der Einstieg von nordamerikanischen Firmen in Märkte, von denen sich G F einiges erhofft hatte, spielten in den Überlegungen der Leitung eine wichtige Rolle. Vgl. Knoepfli. 46 VR 160, 10. 7. 1925. 47 Continuierliche Gießerei. 48 Nachdem man die Anschaffung von drei Anlagen ins Auge gefaßt hatte, wurde vorerst eine bestellt. Der Auftrag ging in die USA, weil in Europa keine Firma Erfahrungen im Bau von kontinuierlichen Gießereien hatte. 49 Bericht Moersen an Homberger, 21. 10. 1922, bei VR 147. 50 VR 155, 17. 7. 1924; VR 157, 1. 12. 1924; VR 162, 16. 3. 1926. 51 V R 164, 29. 6. 1926. 52 Vgl. dazu 25 Jahre Normalienbüro des Vereins Schweizerischer Maschinenindustrieller 1918-1943, Brugg 1943; u. die alljährlichen Ausführungen in den Jahresberichten des VSM. 53 VSM-Normalien, Begleitschreiben zur VSM-Mappe, 20. 7. 1926, 2/V2 V I . 54 Devinât, S. 92 f. und 236; Jahresbericht ASM 1928, S. 105 ff. über die Anwendung der Psychotechnik in der schweizerischen Maschinen- und Metallindustrie. 55 Schreiben von G F im Jahresbericht ASM 1928, S. 107f. 56 Vgl. dazu auch Vetterii, S. 217 ff. 57 Zur Rechtfertigung der betrieblichen Herrschaft vgl. Bendix, S. 19, der davon ausgeht, daß in einem Industrieunternehmen, wo einige befehlen und viele gehorchen, die Minderheit der Herrschenden sich selten damit begnügte, ,,ohne höhere Rechtfertigung zu herrschen, auch wenn sie allem Glauben an Ideen abgeschworen hatten". Andererseits seien die ,,vielen" selten fügsam genug, um nicht solche Rechtfertigungen notwendig zu machen. 58 AK, 19. 12. 1923. 59 Typisch dafür ist die folgende Formulierung Bührers: ,,Es scheint nun, daß über dem Willen derjenigen, die die verlängerte Arbeitszeit annehmen wollen, der gewerkschaftliche Wille steht " AK, 29. 12. 1923. 60 Gemeint sind damit ,Argumente', die in den Arbeiterkommissionssitzungen immer wieder geäußert wurden, wie ,wir tun ja nur das Beste', ,wir werden für Besserung sorgen', ,es war doch immer so', ,der Anstand gebietet', ,das geltende Recht verlangt', ,wir beharren auf die Eigenbestimmung der Geschäftsleitung in ihrem Unternehmen' usw. Vgl. dazu die Arbeiterkommissionsprotokolle. 61 Harbison u. Myers, S. 3 1 . - N a c h Harbison und Myers wäre die Gewinnbeteiligung eine der , ,ökonomischen Erziehung" funktional gleichwertige Form des Managements, indem der Unternehmer auch dort die Arbeiter zu überzeugen versucht, daß ihre Befriedigung vom Unternehmenserfolg abhänge. 62 AK 74, 17. 5. 1918; AK 80, 20. 1. 1919. 63 An die Arbeiter der Aktiengesellschaft der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer Schaffhausen, 2. JuH 1919, 2/P A-L 1. 64 Dazu Vetterii, S. 190 ff. 65 In der Schweiz waren es also weniger die Probleme eines raschen Wiederaufbaus der Wirtschaft, die die Rationalisierung dringlich machten. 66 Jahresbericht VSM 1919, S. 61. 67 Jahresbericht VSM 1920, S. 100-108. 68 Fabrikinspektorenbericht 1922/1923, S. 189. 69 Ein Fabrikinspektor hielt fest, daß als Symptom der darauffolgenden Beruhigung der hefdgen Streitereien um die Arbeitszeit gewertet werden müsse, ,,daß die Bemühungen [der Industriellen], Ausfälle und Verlust der Produktion in den Vordergrund zu stellen, sichtlich
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Anmerkungen
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zurücktreten vor dem Streben, sie wett zu machen und zu überwinden" Fabrikinspektorenbericht 1924/1925, S. 82. 70 Fabrikinspektorenberichte 1926/1927, II. und III. Kreis, S. 63 f. und 113. 71 Devinât, S. 17 ff. bemerkt dies für die europäische Rationalisierungsbewegung allgemein. 72 Zur Amerika-Orientierung vieler schweizerischer Unternehmer, Manager und Techniker, die sich in der ,,Gesellschaft Schweizer Freunde der USA" (SFUSA) organisierten, vgl. jetzt Jaun. TeiU,
III
1 VR I I I , 24. 9. 1914. 2 Schneckenburger, S. 50. 3 Der Chef der Abteilung Lohnwesen und Allgemeine Verwaltung sprach in seinem Bericht für 1929 von einem „Angestelltenheer" LAV 1929. 4 Auszug aus Tabelle 3.2, Anhang. 5 VR 140, 6. 4. 1921. 6 Für die folgende Darstellung muß darauf hingewiesen werden, daß im Unterschied zur Vorkriegszeit weniger beschreibende Quellen vorhanden sind, jedoch mehr mit statistischen Materialien gearbeitet werden kann. 7 Personalkarten. 8 Eine genauere Analyse der Rationalisierung in den Verwaltungen, Banken und Versiehe rungen liegt nicht vor. Das Urteil im Text basiert auf den Informationen aus vielen Festschrif ten und ist soweit plausibel, weil gerade in den Banken und Versicherungen viel schematisch und registrierende Arbeit anfiel. Einen Eindruck davon gibt detailliert die Festschrift de Schweizerischen Bankgesellschaft, S. 90, wonach seit 1914 laufend Rechen- und Buchungsma schinen angeschafft wurden. 1922 erfolgte die Einführung der damals noch weithin unbekann ten Journalführung auf losen Blättern, 1925 die Maschinisierung der Kontokorrentbuchhai tung. - Ahnliche Hinweise für die Zürcher Kantonalbank bei P. Hauser, 100 Jahre Zürcher Kantonalbank, Zürich 1969, S. 120. 9 Schneckenburger, S. 27. 10 ,,Nach dem Zahltagsschluß müssen die Werkstattschreiber in den Betrieben die nötigen Aufnahmen machen, der Ausschuß muß kontrolliert und die Produktion gewogen werden Dann kommen die Zahlen in die Lohnbuchhaltung und müssen dort verarbeitet werden." AK Nr. 93, 8. 1. 1920. 11 Zur Elioth-Fisher-Maschine vgl. L. F. Poster, Modern Office Machinery, London 1929. 12 Der Chef der Abteilung Lohnwesen lobte 1928 enthusiastisch: ,,Ich habe die feste Überzeugung, daß für die Bearbeitung des Lohnwesens kein Maschinensystem auf dem Markt ist, mit dem auch nur annähernd die gleichen Leistungen erreicht werden ." LAV 1928. Foster pries die Maschine: ,,Though expensive, these machines pay for themselves in about eighteen months, one operator being able to do the work of three clerks." 13 LAV 1922. 14 LAV 1924. 15 LAV 1928. 16 LAV 1927. 17 Stämpfli, Betriebsbuchhaltung, S. 32. 18 Bericht über die Revision in Schaffhausen und Singen über das 1. und 3. Quartal 1926, bei VR 165, 29 .11. 1926. 19 Wegleitende Gedanken über die verkaufstechnische Eingliederung der Stahlgießerei Ebnat, Moersen, 1С. 12. 1925, bei VR 162, 16. 3. 1926.
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20 LAV 1931. 21 Vgl. Teil 2, Kap. III u. IV 22 Die Daten stammen aus der Auswertung der Personalkarten („Angestelltenanalyse"). 23 Vgl. Anhang 4.1. 24 Die Umkehrung des Verhältnisses zugunsten der kaufmännischen Angestellten muß bei G F zwischen 1890 und 1900 erfolgt sein. In kleineren und mittelgroßen Maschinenbauunternehmen war offenbar das Verhältnis umgekehrt. Zur Situation in deutschen Maschinenbauunternehmen vgl. E. Barth, Entwicklungslinien der deutschen Maschinenbauindustrie von 1870 bis 1914, Berlin 1973, S. 110 ff. Für die Maschinenfabrik Rauschenbach iag das Verhältnis 1924 auch zugunsten der technischen Angestelltenschaft: 69 technische gegen 57 kaufmännische Angestellte. MRS, Programm über den beabsichtigten Abbau des Personalbestandes 28. Mai 1924, 2/MRS/2. - Zu G F vgl. Tabelle 4.2, Anhang. 25 Angestelltenanalyse und ,,Die berufliche Vorbildung der Angestellten", 10/C 1.3 F-l-S (für 1941 und 1947, mit Prozentzahlen). - Zahlen exkl. jene mit technischer Bildung. 26 Vgl. dazu Tabelle 4.6 im Anhang. 27 Vgl. die Ausführungen von ,,Bancarius", SKZ, 30. 3. 1917, über die entsprechenden Erscheinungen bei den Großbanken. 28 Vgl. Tabelle 4.4, Anhang. 29 Angestelltenanalyse. 30 Vgl. Tabelle 4.4, Anhang. 31 Ebd. Die Direktoren werden hier nicht als direkte Vorgesetzte gerechnet. 32 Angestelltenanalyse. 33 Für die allgemeine schweizerische Situation siehe A. Wössner, Die Frau in den kaufmännischen und Bureauberufen, in: Für die weiblichen Handels- und Bureauangestellten, hg. vom Zentralkomitee des SKV, Zürich 1927, S. 3-28. 34 In der Metall- und Maschinenindustrie stieg die Zahl der weiblichen kaufmännischen Angestellten in nichtleitender Stellung von 650 im Jahre 1905 auf 4632 (1929). Frauen mit Leitungsfunktionen gab es praktisch nicht. Statist. Quellenwerke der Schweiz, hg. vom Eidg. Statist. Amt, Bern 1944, Heft 146. 35 Die berufliche Vorbildung, 10/C 1.3 F-l-S. 36 Tabelle 4.4, Anhang. 37 Tabelle 4.6, Anhang. 38 Wäffler, S. 80. Tabellen 4.4 und 4.5, Anhang. 39 Tabelle 4.3, Anhang; Die berufliche Vorbildung, 10/C 1.3 F-l-S für 1941 und 1947. 40 Tabelle 4.4, Anhang. 41 Angestelltenanalyse. 42 Ebd. 43 Allgemein über die Konkurrenz zwischen HochschuHngenieuren und Technikern vgl. Winawer, S. 32 u. 45 f. 44 Angestelltenanalyse. 45 Ebd. Für die MRS: Programm über den Abbau; Personalbestand, 13. Januar 1925, 2/ MRS/2. 46 Verterli, S. 117 ff. 47 LAV 1925; Vetterli, S. 317 für die Angaben zu den Arbeitern. 48 Vgl. dazu auch Tabelle 4.6 im Anhang. 49 Angestelltenanalyse, N 1920 = 503, N 1929 = 510. Sehr wenige Angestellte waren nicht zuzuordnen. 50 LAV 1922 ff. Ein- und Austritte von und nach Schaffhausen (Stammhaus); Vetterli, S. 318, für die Arbeiter (ohne jene mit Probezeit).
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Teils,
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IV
1 Z. B. F. Croner, Soziologie der Angestellten, Köln 1962, S. 147 ff. 2 L. Henze, Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, Opladen 1961; C. W. Mills, Menschen im Büro, Köln 1955. 3 Zum Stand der historischen Mobilitätsforschung allgemein: H . Kaelble, Historische Mobilitätsforschung. Westeuropa und die USA im 19. und 20. Jahrhundert, Darmstadt 1978. 4 H . Handke, Soziale Mobilität oder Immobilität? Eine Studie über soziale Wandlungen in einem chemischen Großbetrieb zwischen 1915 und 1945, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Jg. 7, III, 1966, S. 66-118. 5 Zum Begriff: K. M. Boke, Mobilität, in: Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 1969, S. 709 ff. - Zu den Kategorien in dieser Studie vgl. Anhang 4.1. 6 Die Angaben stammen von den Personalkarten der ab 1919 geführten Angestelltenkartei. Erfaßt wurden der Eintritts-Status und die höchste je erreichte Position der Angestellten, die im Stichjahr 1920 bei G F arbeiteten. Eine komplexere Analyse war mit den bescheidenen Mitteln, die mir zur Verfügung standen (Randlochkarten), nicht möglich. 7 Untersucht wurden auch die Samples von 1900, 1910 und 1929, doch verzichte ich hier auf eine Präsentation der Resultate, da die Ergebnisse für 1900 und 1910 wegen der Zusammensetzung des Samples nicht zuverlässig sind und die Ergebnisse für 1929 weitgehend mit jenen von 1920 übereinstimmen. 8 Einige dürften allerdings in einer anderen Firma Karriere gemacht haben. 9 Mehr als zwei Drittel wurden Meister; die übrigen wurden Verwaltungsangestellte in den Betrieben, Kontrolleure u. ä. oder Zeichner. 10 Daß die Gesamtzahlen von jenen in Tabelle 4.4, Anhang, leicht abweichen, rührt daher, daß wenige mit anderen Qualifikationen Meisterpositionen einnahmen. Ebenso wurden jene wenigen, die als Meister eingetreten waren, hier nicht berücksichtigt. - Die Tabelle sagt ferner nichts darüber aus, ob die Dienstjahre als Meister, Vorarbeiter oder Arbeiter absolviert wurden. 11 Marty, S. 32. Dazu auch Handke, S. 78 ff., über den Abstieg von Meistern in der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre. 12 Von jenen sechs ursprünglichen Betriebstechnikern, die in der Stichprobe von 1920 als Aufsteiger figurieren, wurden zwei Betriebsleiter, einer technischer Direktor und drei traten ins technische Büro über. 13 Von fünf Angestellten, die ursprünglich als Bürotechniker eingetreten waren und dann weiter aufstiegen, wurden drei schließlich technische Direktoren oder Direktor-Stellvertreter und zwei Betriebsleiter. 14 Jäggi u. Wiedemann, S. 27 ff. 15 Braun u. Fuhrmann, S. 54. 16 LAV 1926. 17 Derartige Veränderungschancen haben allerdings auch die Arbeiter. 18 Zur Mobilität bei den Arbeitern vgl. Vetterli, S. 81 ff. - Auf eine Darstellung der eigenen Schätzungen wird hier verzichtet. 19 Dies ergab die Analyse der Personalkarten von Angestellten. Auf eine ausführliche tabellarische Darstellung der Resultate wird hier verzichtet. 20 Im Stichjahr 1920 waren 4 3 % der Betriebsleiter, 2 0 % der Betriebstechniker, 3 0 % der Bürotechniker Offiziere oder Unteroffiziere. Geringer war der Anteil von Offizieren und Unteroffizieren in der kaufmännischen Verwaltung. 21 Von 1920 bis 1929 stieg - bei etwa gleicher Angestelltenzahl - die Zahl der Offiziere von 12 auf 16, diejenige der Unteroffiziere von 40 auf 45. 22 Die Hälfte der 1920 im technisch-betrieblichen Bereich arbeitenden Offiziere wirkte
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indessen in nichtleitender Funktion (techn. Spezialisten, Kalkulatoren, Betriebsangestellte); dasselbe galt für 19 der 29 Unteroffiziere. 23 Für Deutschland vgl. Kocka, Industrielles Management, S. 367, v. a. für die Zeit der Industrialisierung. Für England während der Industrialisierung: Pollard, S. 134 ff. Für die Schweiz ist diese Frage nicht systematisch untersucht. 24 Vgl. den Kommentar im Anhang 5.1. 25 Dafür sprechen bekannte Lohnentwicklungen von Einzelpersonen sowie die Angaben über die Lohnhöhe für 1919 in den Personalkarten. Vgl. ferner Anhang 5.1. Die allgemeine Tendenz wird auch durch die folgende Aussage von Verwaltungsdirektor Bührer in der Arbeiterkommission bestätigt, die sicher nicht einfach als Irreführung abgetan werden kann: ,,Während des Krieges sind die Löhne der Arbeiterschaft jeweils viel früher erhöht worden als diejenigen der Angestellten. Auch haben die Erhöhungen der Angestelltensaläre bei weitem nicht die Erhöhungen der Löhne der Arbeiter erreicht." AK, 14. 4. 1921. 26 Unterlagen FS 1926; LAV div. Jahrgänge; div. Unterlagen Werk Birch, 7/St A-Z; Vetterli, S.307, für die Jahresdurchschnittslöhne der Arbeiter. - Eine kritische Beurteilung der Zahlen findet sich im Anhang 5.1. 27 Die Gehälter der Birch-Meister scheinen eher hoch gewesen zu sein. Dies ergaben vergleichende Gehaltsstudien im Rahmen des Projektes ,,Sozialgeschichte der Angestellten in der Schweiz" - Klagen waren aber auch in Schaffhausen von Meistern zu hören: In der Zuschrift ,,eines Meisters" im ,,Intelligenzblatt", die im ,,Echo", 20. 6. 1916, vollständig zitiert wurde, heißt es: ,,Daß aber die Geschäftsleitungen speziell die Meister bei Lohnerhöhungen immer vergessen, ist ungerecht." 28 Div. Unterlagen Werk Birch, 7/ St A-Z; Verträge, bei VR 147; Personalkarten von im Jahre 1919 ausgetretenen Angestellten; Vetterli, S. 307 u. S. 98, für die Umrechnung auf die einzelnen Arbeitergruppen. 29 AK 89, 10. 10. 1919. 30 Zur Gratifikation bestehen keine differenzierten Unterlagen. Zum Vorstehenden: VR 131, 30. 12. 1918; und Ith, S. 30, der die Verhältnisse im ESW schildert. - Die Zahl der Tantiemisten stieg im Vergleich zur Vorkriegszeit bedeutend an. Waren damals nur gerade die technischen und kaufmännischen Direktoren in dieser Weise am Geschäftserfolg beteiligt worden, so bezogen nun auch Betriebsleiter und Prokuristen vertraglich genau festgelegte Tantiemen. Teil 3, V 1 Vgl. z. B. für Deutschland: J. Kocka, Klassengesellschaft im Krieg 1914-1918, Göttingen 1973, S. 80 ff.; Kadritzke, S. 233 ff. 2 Zum Folgenden: W. Gautschi, Der Landesstreik 1918, Zürich 1968; Schweizerische Arbeiterbewegung. Dokumente zu Lage, Organisation und Kämpfen der Arbeiter von der Frühindustrialisierung bis zur Gegenwart, hg. von der Arbeitsgruppe für Geschichte der Arbeiterbewegung Zürich, Zürich 1975, S. 158ff.; Projekt Sozialgeschichte der Angestelken in der Schweiz, verschiedene noch unveröffentlichte Manuskripte. Zur Bewegung der kaufmännischen Angestellten in der Nachkriegszeit: M. König, Soziale Lage, Organisation und Bewegung kaufmännischer Angestellter in der Schweiz 1914-1920, Diss. Zürich 1979 (Manuskript). 3 Betriebsvereine von Angestellten bestanden vor allem in Maschinenfabriken, Banken und Versicherungen. Zu den Hausverbänden in der Metall- und Maschinenindustrie: Die Hausverbände des VSAM, Zürich 1927 (Sonderdruck aus dem Centralblatt des Verbandes Schweiz. Angestelltenvereine der Maschinenindustrie und verwandter Industrien). 4 Eine Übersicht über die Pensionskassen in der Metall- und Maschinenindustrie findet sich
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Anmerkungen
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im Artikel „Die Werkversicherungen in der Maschinenindustrie", Maschinenindustrie 1923, Nr. 2 ff. 5 VR 131, 30. 12. 1918. 6 Ebd. 7 Diese kam dann nach vielen mißlungenen Anläufen erst 1947 zustande! 8 Vorlage über die Einführung der Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung für die Werksangehörigen der Stahlwerke 30. 8. 1929, 9/SA 3. 9 Statuten der Angestelltenpensionskasse, 17. 1. 1919. 10 Vetterli, S. 326 f. 11 An die Angestellten der AG der Eisen- und Stahlwerke vorm. Georg Fischer, 19. August 1919, 2/P A-L 1. 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd. Die kollektiven Lohnverhandlungen der VSA mit den Arbeitgeberverbänden, die in der Berner Übereinkunft ihren Abschluß fanden, zeigen, wie fragwürdig großen Teilen der schweizerischen Angestelltenschaft in jenen Jahren die individuelle Erledigung der Gehaltsfrage geworden war. Die Idee des Gesamtarbeitsvertrages machte auch unter den Angestellten Fortschritte. So wurde etwa im SKZ vom 30. 7. 1920 der Gesamtarbeitsvertrag als gangbarer Weg erachtet, „der im Kampf gegen die Veφroletarisierung der Kopfarbeiter im allgemeinen und der kaufmännischen Angestellten im besonderen beschritten werden kann und muß" 15 So z. B. die Firma Sulzer, Winterthur. Vgl. Jahresberichte der Angestellten-Vereinigung der Firma Gebrüder Sulzer Winterthur, 1918 ff. 16 An die Angestellten 17 Personalkarten (Salär beim Austritt). 18 Ebd. 19 Ebd. 20 VSAM-Mitteilungen, 15. 4. 1921. 21 VSAM-Mitteilungen, 15. 3. 1922. 22 Maschinenindustrie, 15. 2. 1923. - Laut J b . VSAM für 1926 wurde der GF-Hausverband zusammen mit dem MRS-Hausverein 1926 aufgelöst. 23 J . Müller, Soziales Wirken, Thayngen 1949, S. 82. 24 50 Jahre Angestellten-Verein SIG, 1919-1969, o . O . o . J . 25 Dazu E. Joos, Parteien und Presse im Kanton Schaffhausen, Diss. Zürich, Schaffhausen 1975, S. 282; VR 135, 22. 9. 1919. 26 KV Schaffhausen (SH), Vereinsprot., 14. 1. 1916, 14. 7. 1916. 27 KV SH, Vorstandsprot., 22. 5. 1918. 28 Jb. KV SH 1917-1919; SKZ, 16. 8. 1918. 29 KV SH, Vereinsprot., 5. 1. 1919. 30 SKZ, 5. 3. 1920; KV SH, Vorstandsprot., 8. 1. 1920. 31 SKZ, 16. 7. 1920. 32 KV SH, Vorstandsprot. und Personalkarten der entsprechenden Personen. 33 Mitgliederverzeichnisse KV SH und Personalkarten. Die Angaben über den KV verdanke ich Mario König. 34 Vgl. Tabelle 6.1 im Anhang. 35 Ebd. 36 Ebd. 37 Jb. KV SH 1925/1926, S. 7. 38 Biographie E. Meyer, STZ 1917, S. 242. 39 Sektionsprot. STV SH, STZ 1918, S. 177. 40 Vgl. Anm. 28. 41 STZ 1918, S. 246.
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Anmerkungen
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42 Joos, S. 272. 43 Sektionsprotokolle des STV SH in der STZ. 44 Vgl. Tabelle 6.2, Anhang. 45 Technikerbiographien in Anm. 27, Kap. V, Teil 2; Personalkarten; Sektionsprotokolle in der STZ. 46 STZ 1921, S. 239. 47 Ebd., S. 483. Der Schaffhauser Delegierte Stamm verlangte auf der DV des STV von 1922 den Austritt aus der VSA, die zunehmend gewerkschaftlichen Charakter angenommen hatte. Prot. DV des STV vom 20. 5. 1922, STZ 1922, S. 296 ff. Auf der DV von 1923 forderte Stamm eine strikte Umorientierung der STV-Politik auf rein berufliche Interessen unter Ausschluß aller „Politik". Vgl. Prot. DV vom 14. 4. 1923, STZ 1923, S. 262 ff. Damit konnte er sich allerdings nicht ganz durchsetzen. 48 STZ 1921, S. 104. 49 Vgl. Tabelle 6.2, Anhang. 50 Dies ergibt der Vergleich des STV-Mitgliederverzeichnisses von 1937 mit den Namen der GF-Techniker im Jahr 1929. Wegen der zeitlichen Differenz zwischen den beiden Quellen muß die Schätzung sehr vorsichtig bleiben. 51 Quellen: Mitgliederverzeichnis STV 1937/1938, S. 47f.; und Verzeichnis von Technikern in höheren Stellungen, hg. vom STV, o. O. 1937, S. 26 f. 52 Bund technischer Angestellter, Das Werden, Wesen und Wirken des BTA im ersten Jahrzehnt seines Bestehens, TA, Nr. 9, 1921, S. 2-5. Der BTA war 1911 als Schwesterorganisation des deutschen Bundes der technisch-industriellen Beamten gegründet worden. Vgl. u. a. H. Speier, Die Angestellten vor dem Nationalsozialismus, Göttingen 1977, S. 30 ff. 53 Von sieben Vorstandsmitgliedern des BTA Schaffhausen waren 1922 drei Angestellte von GF, nämlich zwei Zeichner und ein Bürotechniker. Alle hatten weniger als fünf Dienstjahre bei GF. TA, Nr. 3, 1922, S. 7; Personalkartei GF. Über die Größe der Sektion bin ich nicht informiert, sie wird aber damals über zwanzig Mitglieder gehabt haben. Unter den BTAMitgliedern befanden sich offensichtlich auch einige aus dem STV ausgetretene Techniker! 54 Bericht über den bereits eröffneten Ausbildungskurs für Werkmeister, 2 P/L 1. 55 Ebd. 56 Zur Bildungspohtik des SWV in jener Zeit vgl. Marty, S. 137. 57 Schweizerischer Werkmeister-Verband, Sektion Schaffhausen, Flugblatt 1922, 2 P/L 1. 58 Schweizerischer Werkmeister-Verband, Sektion Schaffhausen, 25. 12. 1922, Schreiben an die MRS. 59 Vgl. dazu jetzt König. 60 Joos, S. 283 ff. Müller wurde einige Jahre später, nach seinem Rückzug aus der Politik, Personalchef von GF! 61 Ebd., S. 284 ff. 62 L. Sprecher, Die gewerkschaftliche Organisierung der Privatangestellten und das Verhältnis der Angestelltenorganisationen zu den Arbeitergewerkschaften, unveröffentlichte Seminararbeit bei Prof. R. Braun, Zürich 1974. 63 Wäffler, S. 89f.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte
Quellen
Die hier nicht aufgeführten Quellen aus dem Werkarchiv werden in den Anmerkungen angeführt unter Angabe des Titels und Standortes im Archiv. Angestelltenkartei. Arbeiterkommissions-VroxokoWe 1898-1928 (Zii.·. AK, N r . und Datum). Felix, Α., Erinnerungsschrift 1903-1943, 1. 2. 1951. Felix, J., Erinnerungen. GF Stahlgußkalkulation 1908-1941, 18. 12. 1945. Ganz, E., Aus den Erinnerungen eines alten Betriebsleiters, 1952. Ith, J., 49 Jahre Angestellter der Georg Fischer Aktiengesellschaft, ihrer Niederlassung in Paris und der übernommenen Werke Geissberg und Giubiasco, 31. 12. 1956. KV Schafßausen, Vorstands- und Wr««iprotokolle LAV, Bericht der Abteilung Lohnwesen, (Betriebsbuchhaltung) und Allgemeine Verwaltung des Werkes Schaffhausen, 1922-1931. Maier, Α., Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kleinstahlgusses bei der Georg Fischer Aktiengesellschaft Schaffhausen 1900-1950, Mai 1950. Meier, J., Lebenslauf, 31. 1. 1952. Meister, ]., 100 Jahre Rauschenbach, 18. 8. 1949. Neuweiler, Α., Mein Lebenslauf in den Eisen- und Stahlwerken von G. Fischer, Schaffhausen 15. 12. 1949. Schneckenburger, Α., Erinnerungen eines alten Betriebsleiters 1892-1936, Dezember 1944. Sieber, E., Zum Jubiläum 1802-1952, Erinnerungsschrift, 31. 3. 1950. Stämpfli, F. Tätigkeitsbericht Abschnitt 1909-1918. Oers., Zeitgemäße Betriebsbuchhaltung hält Einzug im Mühlental, 10. 9. 1950. Stamm, Α., + G F + Aktiengesellschaft Georg Fischer, Berufliche Weiterbildungskurse 1947, 5 Vorträge von A. Stamm, I-V. Unterlagen FS 1926 (,,Sammlung einiger Akten, die anläßlich der Redaktion unserer Jubiläumsschrift 1926 als Unterlagen gedient haben."). Verwaltungsrats-Protokolle 1896-1926, N r . 1-165 (Zit. VR, N r . , Datum). Rundfrage VSi4 1923, Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände, 20. August 1923, Antwort auf die Rundfrage über die rechtliche und soziale Lage der Privatangestellten, veranstaltet von der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, SSA. Wäffler, H . , Der Kleinstahlguß -I-GF+ 1900-1950, 7/SG AUg. Zeitungs-Ausschnitte 1896-1914, -l-GF-l- und andere Werke, 3 Bde., 1/P H-GF-l· & andere.
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Gedruckte Zeitungen, Zeitschriften, Jahrbücher,
Quellen
Jahresberichte
u. ä.
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Sachregister
Absatz, Absatzmarkt 13f., 21 f., 24, 26, 28, 30, 46f., 52, 55, 75, 84, 88f., 146, 150, 160, 165,168,204,211 Abteilungsleiter69, 79, 114f., 132f., 141, 152, 175, 177 Aktiengesellschaft 34, 41, 46, 48, 53, 59f., 91,204,207,212 Aktienkapital s. Kapital Aktionäre 14, 48f., 52f., 58-61, 70-72, 74, 88, 154,245,247, 269 Aktionärsversammlung48, 53, 70f., 119, 154,207, 244,269 Aktivisten der Angestelltenbewegung 193, 195f., 198 Alter(s. Dienstalter) 93f., 108, 122, 254 Amerika (USA), Amerikanisierung 41, 70, 86-89, 105f., 118, 156, 166f., 169, 205, 208f., 252, 272f. Angestellte s. Anforderungen, arbeitsleitende Angestellte, Beziehungen, Bewußtsein, kaufm. Angestellte, Konflikte, Manager, Qualifikation, Qualifizierung, Rekrutierung, technische Angestellte Anforderungen - an kaufmännische Angestellte 132-136, 144f., 171 - anMeister31, 119, 121 f. - an Techniker 37-40, 103, 106 Angestellten-Arbeiter-Unterschied (s. Angestelltenprivilegien, Beziehungen, Einkommen, Gehaltsstniktur) 12, 18, 47, 109, 139, 143, 146,186-189 Angestelltenbegriff 17f., 37, 74, 140, 182, 209 Angestelltenbewegung (s. Aktivisten, Angestelltenorganisation, Hausverband, Kaufmännischer Verein, Techniker-Verband, Bund technischer Angestellter, Werkmeister-Verband) 189f., 194, 202, 210 Angestelltenbewußtsein (s. Bewußtsein) 108, 118, 145 Angestelltengeschichte 15, 18 AngestelltenkarteU 197-200, 202, 210
Angestelltenorganisation (s. Angestelltenbewegung) 194f.,202,229 Angestelltenpanei 202 f. Angestelltenprivilegien (s. Anstellungsbedingungen) 112, 142, 191 Angestelltenstamm (s. Dienstalter, Fluktuation) 180, 191 Angestelltenzahlen 31, 36f., 51, 89-91, 121 f., 148, 157, 170f., 173-181, 216f. angestellter Unternehmers. Manager, Unternehmer Anstellungsbedingungen (s. Arbeitszeit, Erfindung, Ferien, Gehaltsform, Gratifikation, Kaution, Konkurrenzklausel, Kündigung, Prämien) 18, 37, 108, 190 Arbeiter 9, 19, 24, 28, 31, 48, 62, 80, 86f., 93, 97-99, 202, 223 f. Arbeiterbewegung, Arbeiterorganisation 42, 75, 131, 166f., 189f., 195, 262, 270 Arbeiterkommission (s. Beziehungen) 43-45, 128f., 167-169, 206, 214, 242, 272 Arbeiterstamm 180, 242 Arbeiterzahl 24, 89f., 148, 157, 216f., 238 Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinen- u. Metallindustrieller 73, 113 Arbeitsersparnis (s. Mechanisierung, Rationalisierung) 88, 159, 165, 169, 205f. Arbeitsmarkt (s. Rekrutierung) - Arbeiter 29, 240 - kaufmännischer Angestellter 135, 264 - der Techniker 37f., 104,257 Arbeitsklima (s. Managementstil) 134, 158, 206 arbeitsleitende Angestellte, Vorgesetzte (s. Autoritätsstruktur, Funktionsstruktur, Kontrollspanne) 17, 90f., 94-96, 108, 138f., 175, 177f. Arbeitsrhythmus 112 Arbeitsteilung (s. Differenzierung, Funktionsstruktur, Trennung von geistiger und manueller Arbeit) 1 1 , 2 4 , 2 8 , 4 5 , 9 0 , 132, 171 Arbeitsvorbereitung (s. Planung, technisches 287
Büro, Trennung von geistiger und manueller Arbeit) 17, 90 f., 173,206 Arbeitszeit 108, U l f . , 138, 141, 143, 159, 163, 165, 169, 171,259,262,267, 271 f. Autoritätsstatus (s. arbeitsleitende Angestellte, Autoritätsstruktur) 18, 178, 182, 222, 229 Autoritätsstruktur (s. Beziehungen, Herrschaft·, Leitungsapparat, Liniensystem) 11, 17,28,41 - im kaufm. Bereich 133-135, 175f., 222 - im technisch-betrieblichen Bereich 90, 98-103,178f., 222 Banken, Bankenvertreter 14, 49, 53, 58-63, 66-74, 83, 148f., 153f., 171, 190, 207f., 243,245f.,247,273 Befugnisse s. Kompetenzen Berufsverbände (s. SKV, STV, SWV) 189f., 195, 198,200,209 Beschäftigtenzahlen 13, 24, 30f., 35, 47, 89f., 148, 156,212,215,234 Besitz (s. Aktionäre, Eigentümer) 14, 23, 29, 35, 48f., 60-62, 70, 74,145, 154, 212, 245, 248 Betriebe s. Autoritätsstruktur, Betriebsleiter, Betriebstechniker, Fabrikationsanlagen, Fittingsgießerei, Nebenbetriebe, Stahlgießerei Betriebsleiter, Betriebsleitung 23f., 41, 54, 69, 74, 78-80, 87, 91 f., 97-103, 106f., 109f., 113, 126, 130, 133, 152, 171f., 177-179, 186-188,214 Betriebstechniker 37-40, 92, 94, 96, 100, 107, 109-113, 117, 122f., 126, 129, 177-179, 184-188,214 Betriebspsychologie (s. Psychotechnik) 128 Bewertungsinstrumente (s. Buchhaltung, Kalkulation) 11, 39-40, 52, 56f., 76-80, 205 Bewußtsein (Denken) von - Angestellten (s. Angestelltenbewußtsein) 18,189-203, 209f. - kaufm. Angestellten 136, 138, 143-145, 192-197, 201 f., 265 - Meistern 131, 200 f. - Technikern und Ingenieuren (s. ProfessionaUsmus) 91, 107-119, 197-200, 256f. Beziehungen 11, 36 - Angestellte-Arbeiter 190, 203,210 - Angestellte-Unternehmensleitung 74f., 108, 118f., 128f., 190-195,199, 202 - Büro-Werkstatt 18, 40, 80, 117f. - unter kaufm. Angestellten 133f., 144f. 288
- kaufm. Angestellte-techn. Angestellte 107 f., 117f.,209 - Meister-Arbeiter 85, 94, 125-129, 179 - Techniker-Arbeiter 93, 108, 115-119,260 - unter technischen Angestellten 91 f., 99-103, 108, 113,252 - Unternehmensleitung-Arbeiter (s. Arbeiterkommission) 11, 25, 29, 31-33, 41-45, 74f., 128f., 167-169 Buchhaltung, Buchhalter 25, 36, 76-79, 82, 92, 118, 132f., 141 f., 150, 152, 158, 164, 171-173, 185 Bund technischer Angestellter (BTA) 197, 199f.,202,210,259,278 Bürgertum, bürgerlich 18, 34, 60f., 73f., 113-115, 141f., 194,202f.,209, 240,266 Büro s. Arbeitsklima, Autoritätsstruktur, Funktionsstruktur, Maschinisierung, technisches Büro, Verwaltung Bürokratie, bürokratisch (s. Kontrolle, Management, Verwaltung) 39f., 58, 63, 145, 152,206 Commis s. kaufm. Angestellte Delegierter des Verwaltungsrates 49-51, 53-59, 63,65, 73,76,153 Deutschland, deutsch 11, 14, 18, 22, 37f., 41, 43, 48, 55, 67, 70, 83, 98, 105, 123f., 145, 155, 159, 161, 169, 190, 199, 205, 208, 239, 252, 267, 270 Dienstalter, Dienstjahre 94, 104, 122, 140, 143,176,179-181,183f., 191f., 198, 200, 225,254 Differenzierung (s. Arbeitsteilung) 18, 66f., 70, 104, 116, 131, 145, 173,205 Disziplin, Disziplinierung 11, 31, 45, 85, I I I , 127, 131, 159,204 Eigentümer-Unternehmer (s. Besitz) 46, 48-50,61,70, 207,212 Einkommen (s. Gehaltsstruktur) - der Arbeiter 25, 29, 109, 122f., 165, 187f. - kaufmännischer Angestellter 109, 139-141, 187f., 193 - der Meister 37,122f., 187f.,276 - der Techniker 108f., 187f., 258 Einkommensentwicklung 109, 141, 182, 187, 194,226-228,276 Elektroantrieb 164 Elektrostahlgießerei, Elektroofen 86, 124, 155, 161 f., 164 Elektrostahlwerk Georg Fischer (ESW) 71, 124, 150f., 155f., 161 f.
Energie 28, 163, 168 England21 f., 24f., 138, 155,208,237 Entlassung (s. Krise, Kündigung) 55, 148, 170 Entscheidungsprozesse 17, 27, 42-44, 46, 48-60, 76-79, 83-89, 154-158 Entscheidungsstruktur (s. Leitungsapparat, Verwaltungsrat) 46-55, 57-60, 62-70, 150-152 Entscheidungsträger 16f., 49, 159, 235 Erfahrung 17, 46, 91-95, 106f., 124, 180, 236,238,241 Erfinder, Erfindung 20-22,26, 97, 108, 110 Expansion (s. Entscheidungsprozesse, Organisation des Unternehmens) 13, 37, 46-53, 78, 81, 83-85, 88f., 91, 145-147, 170f. Export (s. Absatz, Vertriebsorganisation) 13, 15,74, 169 Fabrik, Fabrikunternehmen 11, 13, 16, 20, 24f., 29, 34,204, 233 Fabrikationsanlagen (s. Fittingsgießerei, Rationalisierung, Stahlgießerei) 23f., 30, 35, 44f., 48-52, 75, 83-89, 160-162,165-167 Fabrikationsprogramm 13, 20,22,26, 30, 33-35, 44-46, 56f., 77, 146f., 150, 204 Fabrikordnung 31, 33, 37,127, 240 Fakturenbüro 24, 82, 132-141, 185, 193 Familie (s. Untemehmerfamilie) 108, 112 Familienunternehmen (s. Unternehmerfamilie) 14, 49, 70, 154, 208, 212 Feilen 13, 23f., 35, 237 Ferien 108, 112, 143,248,259 Fest, Festkultur 42, 71, 102, 115, 118f., 144 Flexibilität der Organisation 16, 51, 152, 202 Finanzierung (s. Kapital) 24, 28, 35, 41, 47f., 52f., 58,67, 70, 72, 154,244 Filiale, Tochtergesellschaft (s. Konzern, O r ganisation des Unternehmens, Vertriebsorganisation) 24f., 50f., 54, 68, 74, 162, 244 Fittings 13, 30, 35,47f., 56, 67f., 76, 88, 104, 146f., 160, 205,211,239, 250 Fittingsgießerei, Fittingsfabrik 35, 50, 56, 68, 8 3 f . , 8 6 - 8 9 , 9 2 , 9 4 , 9 7 f . , lOlf., I I I , 120-122, 127, 151-153, 160, 164f., 168, 179,205,223 Fließfertigung (s. Rationalisierung) 86-88, 102, 163, 165f., 169,206 Fluktuation 104, 165, 181 FonnaHsierung 16, 33, 38-40, 51-55, 63, 82, 107, 133,205-207 Forschung (s. Verwissenschaftlichung) 39, 96,255
Frankreich 22, 83, 100, 126, 138, 205, 251 Frauenarbeit im Büro 82f., 139f., 176, 187f. Freisinnig-demokratische Partei (FdP) 73, 115, 195,203,259 Freizeit s. Lebensgestaltung Fremdbestimmung (s. Herrschaft) 97, 130 Funktionsstruktur - im technisch-betrieblichen Leitungsapparat 28, 36-41, 90-98, 173, 177f., 204, 222 - in der kaufm. Verwaltung 36f., 131-133, 138-141, 173-175, 185, 204, 207, 209, 222 Führungsstil s. Managementstil Fusion 83, 153 Gehalt s. Einkommen Gehaltsentwicklung s. Einkommensentwicklung Gehaltsforderungen 190-192, 203, 242, 270 Gehaltsform (s. Monatsgehalt) 37,108, 139 Gehaltsstruktur 109f., 139-141, 187f. Generaldirektor 59, 66-69, 73, 133, 149-152, 157, 208,214,254 Generalversammlung s. Aktionärsversammlung Gestehungskosten (s. Bewemingsinstrumente, Rationalisierung) 56f., 77-80, 84f., 88f., 133, 160,165 Gewerkschaften, gewerkschaftlich 34, 42f., 167f., 190, 192-196, 198-201,210, 278 Gießereiindustrie, schweizerische37f., 85 Glockengießer 25 f. Gratifikation 109,141 f., 189,227,258 Großunternehmen 12, 14, 19, 46f., 70, 75, 83, 89f., 136, 139, 146f., 150,164, 169, 181, 190, 204f.,208 Gußstahl21f.,28,236f.,239 Handwerksmeister, handwerklich 12-14, 2 0 f . , 2 3 , 2 5 f . , 77,207 Hausverband der Angestellten 190-195, 202f.,210 Helvetisierung (Anpassung an schweizerische Bedingungen) 88, 205 Herkunft, soziale 20, 29, 116, 142 Herrschaft (s. Autoritätsstruktur) 91, 98f., 127, 139, 168, 178,235,272 Herrschaft der Manager 18, 62 herrschende Koalition 71 f., 148, 154, 207 Hierarchie (s. Autoritätsstruktur, Funktionsstruktur) 64, 70, 90 Hochschule, Polytechnikum 23, 29, 38, 77, 91, 96f., 174-179, 237, 265 Industrialisierung 19f., 34
289
Industriegeschichte 12 Industriepionier, Industriegründer 20, 25 f. Informationsbeschaffung 22, 105f., 237 Information(swesen) 17, 50-53, 57, 63-66, 68,76, 81 f., 101 Ingenieur26,49, 56, 77, 86,90f., 94f., 102, 104,106f., 110,113,158, 176-178,204f., 207 Ingenieur-Unternehmer 32 f. Innovation (s. technische Entwicklung) 53, 78, 93, 97, 162, 207 Integration 66, 70, 162 Intensivierung der Arbeit 163, 171 Interessengemeinschaft 157 Investition 17, 28, 47, 71, 146f., 211 Italien 32, 80 Kalkulation, Kalkulationsbüro 23, 40, 56f., 76-80, 92, 117, 130, 132f., 164, 174, 185, 200,237,249f. Kapitalist, Kapitalgeber, Kapitalmarkt 24, 48,53,61,74 Kapital 13, 36, 47f., 53, 60, 70, 84 Karriere s. Mobilität Karrieremuster 135, 185f. Kartell 16, 67f., 74, 79, 88f., 164 Kaufmann 133, 136, 144f., 192, 209 kaufmännische Angestellte (s. Anforderungen, Beziehungen, Bewußtsein, Einkommen, Organisationsgrad, Qualifikation, Qualifizierung, Rekrutierung) 27, 31 f., 35-37, 64, 68, 73, 78, 82,92,104, 109, 129, 131-145, 170-176, 220, 229 kaufmännische(r) Direktion, Direktor 49, 54f., 57-60, 62-71, 74, 79, 82, 102, 133-137,150-153,157f., 175,186 kaufmännische(r) Lehre, Lehrling 37, 82, 136-138 Kaufmännischer Verein (KV) Schaffhausen (s. SKV) 138, 144f., 195-197, 202, 210 Kaution 109f., 142,258 Kleinbürgertum 108, 113, 142, 209, 266 Kommerzialisierung 90, 105, 118, 130, 164, 173 Kommunikation 11, 27, 43, 51, 62, 70, 82 Kompetenzen (s. Autoritätsstruktur, Entscheidungsstruktur, Formalisierung, Funktionsstruktur) 11, 38, 57, 62-71, 150f., 205 Komplexität 11, 36,46, 77 Konferenzen, kollektive Beratung und Entscheidung 27, 54, 63-70, 74, 98, lOOf., 105, 119, 151,207, 247, 256 Konflikte 290
- Angestellte-Angestellte 54 - AngesteUte-Geschäftsleitung 81 f., 191-195, 270 - in der Betriebsleitung 99-103, 156f.,268 - Geschäftsleitung-Arbeiter 42-45, 74, 157, 270 - Meister-Arbeiter 32, 124, 128 f. - Techniker-Arbeiter 93 f. - in der Unternehmensleitung 48-62, 68 Konjunktur 30,43, 47, 52, 58, 78, 84f., 89 Konkurrenz 13, 35, 41, 49f., 52, 57, 67, 71, 79, 81, 84, 89, 92, 97,99, llOf., 135,166, 239,251,271 Konkurrenzklausel 104, 108, llOf., 258 konstitutionelles Management 43 f. Konstruktionsbüro s. technisches Büro kontinuierlicher Betrieb s. Fließfertigung Kontrolle, Überwachung 11, 24, 36-40, 48, 51, 53, 57f., 61, 64-66, 70, 78, 81, 85, 90, 92, 97, lOOf., 106,119-122, 128-130, 139, 151, 158f., 173, 205, 207 Kontrolleure 37, 97, 123, 127, 171, 177, 184, 187 Konverter (s. Stahlgießerei) 35, 50, 91, 96, 120, 124, 161 f., 244 Konzern 89, 147f., 153-158, 164, 173, 204, 208 Koordination 11, 36, 39f., 85, 165 Korrespondenzabteilung, Korrespondent 24, 57, 6 7 , 8 1 f . , 9 2 , 1 3 2 f . , 1 4 0 f . , 1 8 5 Kredite 52f., 58f., 149, 244f. Krise47, 55, 57, 61 f., 69, 85,143, 146f., 171, 190 Kultur 73, 118, 138 Kunden, Abnehmer 21, 24, 35, 55, 60, 63, 72, 79-81,105f., 121,158,160,170,254 Kundenguß 13,117 Kündigung 108, 110, 143, 192 Kupferschmiede 12, 20, 25 f. Labor, Laborant28, 91, 96f., 173, 176f., 188,257 Lager28, 55f., 161,250 Lebensgestaltung, Lebensstil 34, 47, 73-75, 107f., 112,118,141f., 182,248 Legitimation 84, 87, 168, 208, 272 Lehrlingsausbildung (s. kaufm. Lehre) 113, 167, 206 Leitungspersonal s. arbeitsleitende Angestellte, Manager u. ä. Leitungsapparat (s. Autoritätsstruktur, Direktion, Funktionsstruktur, Unternehmensleitung, Verwaltungsrat) 11,18
- technisch-betrieblicher 32-34, 36f., 90-107, 116, 204 f. - kaufmännischer, administrativer 33, 35, 133, 204 Leitungsstil s. Managementstil L e m e n l 7 , 105, 158, 198,235 Liberalismus 27 Linien-, Linien-Stabs-System 98-100, 102 f. Lizenz 22, 24 Lohn s. Einkommen Lohnbüro, Lohnwesen 92, 133, 150, 170-172, 175, 193f. Macht 60f., 74, 94, 103, 117, 148, 154 Magazin, Magaziner 28, 32, 35, 37,109,223 Manager 11, 14, 22, 24, 27, 44, 60f., 66-70, 72, 75, 83, 100, 118f., 138, 142, 144f., 148, 153, 186, 195, 198, 206, 208, 212, 214 Manageruntemehmen 14, 49, 212, 234 Managementexperten, -theoretiker33, 43, 61,98,253 Managementwissen, -Fähigkeiten 13-15, 17, 61, 83, 86, 145, 186, 205, 207-209 Managementgeschichte, Organisationsgeschichte 11 f., 208 Managementkonzepte, -leitbilder, -muster, -modeUe25, 33f., 43f., 70, 98, 126f. Managementmethoden, -techniken 12f., 33, 39f., 78, 83, 146, 204 Managementproblem 11, 14f., 26f., 44, 46, 61,75f., 145, 158, 181,205,233 Managementstil 12, 14, 24f., 29, 33f., 39-46, 74f., 84-86, 99-101, 103, 122, 125-127, 137, 175, 186, 204, 206, 209f. Managementtheorie, -literatur 77, 86f., 152, 163 f. Markt s. Absatz, Arbeitsmarkt, Kapital, Rohstoffe (Siemens-)Martin-Ofen35, 37, 41, 99, 121, 155, 161 f., 241 f. Maschinenfabrik Rauschenbach (MRS) 37, 60, 74, 100, 149f., 153-158, 172, 179, 241 Maschinenindustrie-Untemehmen 26, 37, 59f., 81, 93f., 104,236 Maschinisierung der Büroarbeit 82 f., 171-173, 176, 206, 250 Massenfabrikation 13, 121, 166f., 179 Mechanisierung 25, 30, 34f., 47, 88, 95, 105, 121, 148, 165, 168f. Meister (s. Anforderungen, Bewußtsein, Beziehungen, Einkommen, Konflikt, Mobilität, Qualifikation, Rekrutierung, SWV) 93, 97f., 106, I I I , 119-129, 170, 177, 183f., 200f., 203, 209, 223f., 239, 261 f.
- -funktion24, 29,31, 38, 82, 86, 92,119, 129-131, 171,254 - -Problematik 32, 45, 129-131 Meisterbetrieb 32, 45, 129-131 Mittelstand, mittelständisch, Mittelschicht u.ä. 18, 114f., 145f., 197, 202, 209f. Mobilität, horizontale (s. Wanderung) 183, 185 Mobilität, vertikale - von Angestellten 182-186 - von Arbeitern 106,183f. - von qualifizierten kaufm. Angestellten 135,183,185, 193 f. - von Meistern 183 f. - von Technikern und Ingenieuren 99,102, 184-186 Monatsgehalt 37, 139, 186, 216, 226, 265 Motivierung 11, 23, 38, 121, 134,201,204, 256 Nebenbetriebe 68, 92, 102, 104, 121 f., 151 f., 179,224 Normung 164, 167-169
Obermeister 101, 123f., 129, 177, 208 ObUgationen 13, 47, 52, 154, 244 ökonomische Erziehung 169f., 206, 272 Offizier 21,34, 186,275 Ordnungsvorstellungen der Angestellten 98-103, 206 Organisation des Unternehmens (s. Konzern) 12, 33,47, 89, 146f.,204 Organisations- s. ManagementOrganisationsgrad - der kaufmännischen Angestellten 144, 196f., 229 - der Techniker 113 f., 199 Organisationsprobleme (s. Managementproblem) 11, 14, 27, 46, 61, 89, 145, 154-158 Organisationssoziologie 15f., 89, 152, 234f. Österreich, österreichisch 22f., 30, 48, 237, 239 Patriarchalismus, patriarchalisch (s. Managementstil) 25, 33f., 42-45, 75, 204f., 240, 242 Personalbehandlung s. Managementstil Pensionskasse für Angestellte (s. Sozialeinrichtungen) 75, 180, 191, 202, 276 Planung 17, 24, 49-52, 84, 90f., 94f. PoHtik34, 72-75, 113, 115, 160, 193-195, 202f.,240,278 Prämien 37, 123 f. 291
Präsident des Verwaltungsrates 4 9 , 6 8 , 149, 151-153 Prestige (Selbst- und Fremdeinschätzung) 103, 123, 139, 183, 193,216 Produkteprogramm s. Fabrikationsprogramm Produktionssteuerung 80 f., 253 Produktivität 88, 148, 165 f. Professionalismus (s. Bewußtsein von Technikern) 1 0 2 , 1 0 7 , 2 5 7 Prokura, Prokurist 49, 55, 6 9 , 1 4 2 , 1 5 2 f . , 175, 186,188 Psychotechnik 164, 167, 169, 206 Qualifikation - der Angestellten (allgemein) 18, 108f., 192, 209 - kaufmännische Angestellte 32, 58, 82, 135f., 174-176, 185, 193f., 221, 229, 264 - Manager, Leitungspersonal 58, 63, 66, 73 - Meister 1 1 9 , 1 2 3 - 1 2 5 - Techniker 3 2 f . , 3 9 f . , 72, 92, 107, 115 - technische Angestellte 55f., 177-179,221 - Unternehmer20f., 2 7 , 2 9 , 3 5 , 4 4 - Verwaltungsräte 72, 248 Qualifizierung - Arbeiter 31, 45, 94 - kaufm. Angestellte 138, 144 - Meister 94, 99, 126, 200f. - Techniker 91, 104-106 Qualität 5 6 , 9 7 , 1 2 6 , 1 3 1 Rationalität, Rationalitätsstandards 41, 70, 76, 118,206 Rationalisierung 1 9 , 4 1 , 4 3 , 75-90, 92-94, 106, 147, 159-169, 171-173, 181, 206f., 242, 253, 272 f. Rationalisierungsbewegung 163, 169, 252f. Rechnungswesen s. Bewertungsinstrumente, Buchhaltung, Kalkulation Region 14, 34, 73-75, 238 Rentabilität 63, 76-78, 85-87, 94, 158, 173, 241 Rekrutierung 11, 46 - Arbeiter29f.,45, 159f.,204 - kaufm. Angestellte 13, 135 - Manager, höhere Angestellte 53, 66 - Meister32, 5 5 f . , 119, 123f. - Techniker, Ingenieure 13, 3 7 f . , 91, 94, 103-105, 155 Reisender 28, 37, 55, 7 4 , 1 4 1 Rohstoffe 14-16, 28, 85, 147f., 160-162, 270 Rußland 23, 89
292
Salär s. Einkommen, Gehalt Schreibmaschine (s. Maschinisierung der Büroarbeit) 82 f. Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (SHIV) 137 Schweiz. Kaufmännischer Verein (SKV) (s. Kaufmännischer Verein) 82, 135,137, 140f., 144f., 189, 197 Schweiz. Techniker-Verband (STV) (s. Techniker-Verband) 112f., 189, 197, 202, 210, 230 Schweiz. Werkmeister-Verband (SWV) (s. Werkmeister-Verband) 131, 189, 197, 210 Selbständigkeitschance für Angestellte 114-116, 135, 1 4 2 , 1 4 4 - 1 4 5 Serienfertigung 1 3 , 1 3 1 , 1 6 7 , 1 7 9 Singen, Werk 3 5 , 4 7 - 5 5 , 63-68, 85, 8 7 f . , 91, 94, 101, 109, U l f . , 147-150, 159-161, 165, 1 9 1 , 2 1 4 , 2 4 4 Sozialismus, sozialistisch 34, 4 2 f . , 62, 193-195 Sozialeinrichtungen, Wohlfahrtseinrichtungen 43, 75, 150,191 Sozialpolitik 113, 115, 144, 189-191, 195, 200,207 Spedition 24, 27, 82, 109, 132 f. Spezialisierung 104, 111, 154, 165f., 185 Spindeln 13, 23 f. Stabsfunktion (s. Linien-Stabs-System) 94, 107 Stammhaus 12, 28, 54, 147f., 162, 170f., 216 Stahlformguß 30, 37, 4 7 f . , 67, 74-76, 79, 146f., 160, 239 Stahl(form)gießerei35, 50, 52, 55-57, 68, 76, 79-89, 92, 9 6 f . , 100, 103, I I I , 117, 120f., 130, 150-152, 158-162, 167, 172, 179, 205, 223,251 Statistik 76f., 92, 133, 164 Statusgruppe 106 Streik43,189f.,203 Tantiemen 53, 72, 74, 109, 142, 2 2 6 f . , 248, 276 teamartige Leitung und Entscheidung s. Konferenzen Techniker (s. Anforderungen, Betriebstechniker, Bewußtsein, Beziehungen, Einkommen, Konflikt, Mobilität, Organisationsgrad, Qualifikation, Qualifizierung, technisches Büro, Bürotechniker) 32, 37f., 83, 90-119, 121 f., 129-131, 176-178, 192, 197-200, 205f., 209 Techniker-Verband Schaffhausen (s. STV) 112-115, 197-199, 230
Technikum 3 2 f . , 39, 93, 107, 257 technische Angestellte (s. Beziehungen, Qualifikation) 31, 36, 54, 56, 63-65, 68, 104, 176-179, 188,220 technisches Büro, Bürotechniker 36, 54, 63, 91, 95-97, 104f., 109, 111-113, 140, 177f., 185, 1 9 8 f . , 2 0 2 technische(r) Direktion, Direktor 38, 4 9 f . , 54, 57, 62-71, 76, 87, 95, 9 9 - 1 0 2 , 1 0 6 f . , 149-153, 157f., 177, 186,214 technische Entwicklung (s. Fabrikationsanlagen, Innovation, Fittingsgießerei, Rationalisierung, Stahlgießerei, Verwissenschaftlichung) 1 7 , 2 6 , 2 8 f . , 44-49, 5 5 f . , 83-91, lOOf., 105, 120f., 161-167 technischer Experte 56, 63, 68 f., 83, 95, 105f., 151,205 technische Intelligenz 106f., 257 technisches Wissen 13, 94-97, 104-106 Telefon 82 Tempergießerei, Temperguß (s. Fittingsgießerei) 22, 76, 83, 132, 146f., 150, 237 Terminwesen 54, 76, 80-82, 130, 250 Textilindustrie 13, 26, 33, 73-75, 236 Tiegelofen21,30,35 Titelbeförderung 55, 67, 244 Tradition 20, 25, 27, 70, 125, 145, 192 Transmission 164 Transport 28, 8 6 - 8 8 , 1 6 3 , 1 7 9 Trennung von geistiger und manueller Arbeit 1 7 , 9 3 , 97, 235 f. Uhrenindustrie 13, 21, 24, 26 Umweltbereiche der Unternehmen 16, 46, 67, 73, 248 Unternehmensentwicklung 19, 24, 30, 3 5 f . , 4 5 ^ 7 , 6 7 , 146-148,204,211 Unternehmensgeschichte 12-15, 17, 62 Unternehmensleitung (s. Beziehungen, KonfUkte) 14, 41, 46-75, 89, 146, 148-159, 204, 207 f. Unternehmer 11-15, 17, 20-22, 27, 4 9 f . , 53, 61 f., 70, 74, 78, 145, 153, 204, 207, 235 Untemehmerfamilie 14, 22-25, 29, 44, 60, 74, 204 Unternehmerfunktion 17, 20, 24, 33, 41, 53, 64,72 Unternehmergeneration 24, 27, 4 5 f . , 6 2 , 2 0 8 Unternehmergeschichte 15, 62 Untemehmerkollektiv 63, 207
Unternehmerverbände (s. ASM, VSM, SHIV) 73 f. Verein Schweiz. Maschinen-Industrieller (VSM) 43, 73, 167-169 Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) 189, 197f., 277 Vereinigung Schweiz. Angestelltenvereine der Maschinenindustrie (VSAM) 190, 194 Verfügung 14, 208 Verproletarisierung 109, 140, 188, 258, 277 Venrag38, 54f., 108-111, 137, 189, 227, 277 Venriebsorganisation, Verkauf (s. Absatz, Kartell, Kunden) 13, 41, 6 7 f . , 75, 147, 150, 1 5 2 f . , 2 0 5 , 2 5 0 Verwaltung, Verwaltungsarbeit (s. Leitungsapparat) 11, 18, 24, 27, 32, 36, 4 0 f . , 48, 50f., 75, 92, 94, 117, 131-136, 159, 173-175,185 Verwaltungsdirektor 150, 167, 206 Verwaltungsrat (s. Qualifikation) 34, 48-74, 76, 78, 83-89, 1 0 0 - 1 0 6 , 1 4 8 - 1 5 8 , 1 6 0 - 1 6 2 , 191,207f. - Funktionieren 48-60, 83-89, 149-151,213 - Zusammensetzung 4 8 f . , 53, 59-61, 70-73, 152-154 Verwaltungsratsausschuß 57, 6 3 f . , 66-69, 72, 76, 83f., 95, 101, 151-153, 207, 246 Verwissenschaftlichung 20, 26, 96, 106, 167, 206 Vorarbeiter 31 f., 37, 86, 241 Vorschlagswesen 9 7 f . , 255 Wanderjahre 21, 26, 33, 112, 120 Weichgießerei, Weichguß 2 2 f . , 28, 35, 47, 96, 102 Weiterbildung s. Quahfizierung Werkmeister-Verband Schaffhausen (s. S W V H 3 1 , 1 9 7 , 200f. Werkspionage s. Informationsbeschaffung Wirtschaftsentwicklung 19, 23, 61, 83, 169 Wissenschaft s. Forschung, Verwissenschaftlichung Wochenlohn, Wochenlohnangestellte 28, 186f.,216,226 Zentralisierung 51, 5 4 f . , 64, 88f., 97, 134, 172f., 206 Zeichner 37, 96, 103, 176f., 1 8 8 f . , 2 0 0 , 202 Zunft, zünftisch 1 2 f . , 2 0 f . , 2 5 f . , 3 4 , 113
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KRITISCHE STUDIEN ZUR GESCHICHTSWISSENSCHAFT 1. Wolfram Fischer Winschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Aufsätze - Studien - Vorträge. 1972. 2 . Wolfgang Kreutzberger Studenten und PoUtik 1918-1933. Der FaU Freiburg im Breisgau. 1972. 3 . Hans Rosenberg Politische Denkströmungen im deutschen Vormärz. 1972. 4 . Rolf Engelsing Zur Sozialgeschichte deutscher Mittel- und Unterschichten. 2. Aufl. 1978. 5 . HansMedick Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Die Ursprünge der bürgerlichen Sozialtheorie als Geschichtsphilosophie und Sozialwissenschaft bei Sam. Pufendorf, John Locke und Adam Smith. 1973. 6 . Heinrich August Winkler (Hg.) Die große Krise in Amerika. Vergleichende Studien zur politischen Sozialgeschichte 1929-1939. 7 Beiträge. 1973. 7. Helmut Berding Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen 1807-1813. 1973. 8 . Jürgen Kocka Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914-1918. 2. Aufl. 1978. 9 . Heinrich August Winkler (Hg.) Organisierter Kapitalismus. Voraussetzungen und Anfänge. 11 Beiträge. 1974. 1 0 . Hans-Ulrich Wehler Der Aufstieg des amerikanischen Imperialismus. Studien zur Entwicklung des Imperium Americanum 1865-1900. 1974. 11. Hans-Ulrich Wehler (Hg.) Sozialgeschichte Heute. Festschrift für Hans Rosenberg. 33 Beiträge. 1974. 1 2 . Wolfgang KöUmann Bevölkerung in der industriellen Revolution. Studien zur Bevölkerungsgeschichte Deutschlands im 19. Jh. 1974. 1 3 . Elisabeth Fehrenbach Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht. Die Ein-
führung des Code Napoléon in den Rheinbundstaaten. 2. Aufl. 1978. 14. Ulrich Kluge Soldatenräte und Revolution. Studien zur Militärpolitik in Deutschland 1918/19. 1975. 15. Reinhard Rürup Emanzipation und Antisemitismus. Studien zur Judenfrage* der bürgerlichen Gesellschaft. 1975. 1 6 . Hans-Jürgen Puhle Politische Agrarbewegungen in kapitalistischen Industriegesellschaften. Deutschland, USA und Frankreich im 20. Jh. 1975. 17. Siegfried Mielke Der Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie 1909-1914. Der gescheiterte Versuch einer antifeudalen Sammlungspolitik. 1976. 18. Thomas Nipperdev Gesellschaft, Kultur, Theorie. Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte. 1976. 19. HansGerth Bürgerliche Intelligenz um 1800. Zur Soziologie des deutschen Frühliberalismus. Mit einer Einführung und einer ergänzenden Bibliographie von Ulrich Herrmann. 1976. 2 0 . Carsten Küther Räuber und Gauner in Deutschland. Das organisierte Bandenwesen im 18. und frühen 19. Jh. 1976. 2 1 . Hans-Peter UUmann Der Bund der Industriellen. Organisation, Einfluß und Politik klein- und mittelbetrieblicher Industrieller im Deutschen Kaiserreich 1895-1914. 1976. 2 2 . Dirk Blasius Bürgerliche Gesellschaft und Kriminahtät. Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz. 1976. 2 3 . Gerhard A. Ritter Arbeiterbewegung, Parteien und Parlamentarismus. Aufsätze zur deutschen Sozial- und Verfassungsgeschichte des 19. und 20. Jh.s. 1976 2 4 . Horst Müller-Link Industrialisierung und Außenpolitik. Preußen-Deutschland und das Zarenreich 1860-1890. 1977.
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN UND ZÜRICH
KRITISCHE STUDIEN ZUR
2 5 . Jürgen Kocka Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten: USA 1890-1940 im internationalen Vergleich. 1977. 2 6 . Hans Speier Die Angestellten vor dem Nationalsozialismus. Ein Beitrag zum Verständnis der deutschen Sozialstruktur 1918-1933. 1977. 2 7 . Dietrich Geyer Der russische Imperialismus. Studien über den Zusammenhang von innerer und auswärtiger Politik 18601914. 1977. 2 8 . Rudolf Vetterli Industriearbeit, Arbeiterbewußtsein und gewerkschaftliche Organisation. Dargestellt am Beispiel der Georg Fischer A G (1890-1930). 1978. 2 9 . Volker Hunecke Arbeiterschaft und industrielle Revolution in Mailand 1859-1892. Zur Entstehungsgesschichte der italienischen Industrie und Arbeiterbewegung. 1978. 3 0 . Christoph Kiessmann Polnische Bergarbeiter im Ruhrgebiet 1870-1945. Soziale Integration und nationale Subkultur einer Minderheitin der deutschen Industriegesellschaft. 1978. 3 1 . Hans Rosenberg Machteliten und Wirtschaftskonjunkturen. Studien zur neueren deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. 1978. 3 2 . Rainer Bölling Volksschullehrer und Politik. Der deutsche Lehrerverein 1 9 1 8 -
1933. 1978.
3 3 . Hanna Schissler Preußische Agrargesellschaft im Wandel. Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Transformationsprozesse 1763- 1847. 1978. 3 4 . Hans Mommsen Arbeiterbewegung und Nationale Frage. Ausgewählte Aufsätze. 1979. 3 5 . Heinz Reif Westfälischer Adel 17701860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite. 1979.
GESCHICHTSWISSENSCHAFT
3 6 . Toni Pierenkemper Die westfälischen Schwerindustriellen 1852-1913. Soziale Merkmale und unternehmerischer Erfolg. 1979. 3 7 . Heinrich Best Interessenpolitik und nationale Integration 1848/49. Handelspolitische Konflikte im frühindustriellen Deutschland. 1980. 3 8 . Heinrich August Winkler Liberalismus und Antiliberalismus. Studien zur politischen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jh.s. 1979. 3 9 . Emil Lederer Kapitalismus, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910-1940. Ausgewählte Aufsätze. Mit einem Beitrag von Hans Speier und einer Bibliographie von Bernd Uhlmannsiek. Hrsg. von Jürgen Kocka. 1979. 4 0 . Norbert Horn / Jürgen Kocka (Hg.) Recht und Entwicklung der Großunternehmen im 19. und frühen 20. Jahrhundert / Law and the Formation of the Big Enterprises in the 19th and Early 20th Centuries. Wirtschafts-, sozial- und rechtshistorische Untersuchungen zur Industrialisierung in Deutschland, Frankreich, England und den USA. 25 Beiträge. 1979. 4 1 . Richard Tilly Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung. Gesammelte Aufsätze. 1980. 4 2 . Sidney Pollard (Hg.) Region und Industrialisierung / Region and Industrialization. Studien zur Rolle der Region in der Wirtschaftsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte. 1980 4 3 . Wolfgang Renzsch Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung. Zur sozialen Basis von Gewerkschaften und Sozialdemokratie im Reichsgründungsjahrzehnt. 1980. 4 4 . Hannes Siegrist Vom Familienbetrieb zum Manager-Unternehmen. Angestellte und industrielle Organisation am Beispiel der Georg Fischer AG in Schaffhausen 1797-1930. 1980.
V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N U N D Z Ü R I C H