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German Pages 249 Year 2013
Volkswirtschaftslehre für die Immobilienwirtschaft Studientexte Real Estate Management Band 1 von
Prof. Dr. Günter Vornholz
EBZ Business School Bochum
Oldenbourg Verlag München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: www.thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik & Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71646-7 eISBN 978-3-486-72983-2
Vorwort Das vorliegende Buch ist das erste Lehrbuch für Immobilienökonomie nach einer Reihe von Standardwerken und Sammelbänden. Dabei stellt dieses Lehrbuch eine Ergänzung und nicht eine Konkurrenz zu den anderen Werken dar. In diesem Buch wird die Immobilienökonomie (Real Estate Economics) als Teil der Wissenschaft verstanden, die sich mit Immobilien und Immobilienmärkten aus insbesondere volkswirtschaftlicher Sicht beschäftigt. Dabei wird ein Zusammenhang zwischen der allgemeinen ökonomischen Theorie und der immobilienwirtschaftlichen Praxis hergestellt. Es ist aber weder die Grundlage für das Studium der allgemeinen Volkswirtschaft noch für einen Kurs über die praktische Immobilienwirtschaftslehre. Es soll helfen zu verstehen, wie die Immobilienwirtschaft und die Immobilienmärkte funktionieren und wie sich die Nutzungen und Werte von Immobilien verändern, wenn sich Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ändern. Mit Hilfe der Immobilienökonomie kann erklärt werden, wie Veränderungen von Immobilienwerten, -nutzungen und -aktivitäten entstehen. Es ist beabsichtigt, dass dieses Buch sowohl Studierende der Immobilienökonomie bzw. Immobilienwirtschaft und verwandte Bereiche verwenden können als auch für volkswirtschaftlich-interessierte Beschäftigte aus der Immobilienwirtschaft interessant ist. Das Buch ist konzipiert als Lehrbuch, das aufgrund seiner didaktisch aufbereiteten Lehrstoffe und -materialien für Vorlesungen bzw. für den Unterricht verwendet werden kann. Von mir werden die Inhalte dieses Buches in meinen Vorlesungen „Einführung in die Immobilienökonomie“, Immobilienmarktentwicklung“ und „Internationale Immobilienmärkte“ an der privaten Hochschule EBZ Business School in Bochum eingesetzt. Die fachlichen Inhalte werden mit Hilfe von Übungsfragen und Fallstudien didaktisch aufbereitet und können so für das Selbststudium verwendet werden. Für das Erarbeiten des Lernstoffes dienen die Lernziele sowie die fachlichen Informationen mit jeweils theoretischen und praktischen Inhalten. Mein Dank gilt allen, die mir beim Entstehen dieses Lehrbuches behilflich waren. Glück auf!
Lüdinghausen, im Dezember 2012
Günter Vornholz
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Abkürzungsverzeichnis
IX
1
Einleitung
1
2
Einführung in die Immobilienökonomie
3
2.1
Ökonomie .................................................................................................................. 3
2.2
Immobilien ................................................................................................................. 5
2.3
Immobilienwirtschaft ................................................................................................. 8
2.4
Immobilienmärkte...................................................................................................... 9
2.5
Immobilienökonomie ............................................................................................... 13
3
Makroökonomik des Immobilienmarktes
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft..................................... 16 Die Größe der Immobilienwirtschaft ....................................................................... 16 Realwirtschaftliche Bedeutung ................................................................................ 18 Finanzwirtschaftliche Bedeutung............................................................................. 24
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5
Volkswirtschaft und Immobilienmärkte .................................................................. 25 Staat und Immobilienmärkte .................................................................................... 26 Der reale Sektor und Immobilienmärkte .................................................................. 29 Der monetäre Sektor und Immobilienmärkte ........................................................... 44 Demografische Entwicklung und Immobilienmärkte .............................................. 71 Nachhaltigkeit und Immobilienwirtschaft ............................................................... 79
4
Mikroökonomik des Immobilienmarktes
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Mikroökonomische Grundlagen .............................................................................. 87 Wirtschaftssubjekte.................................................................................................. 88 Bedürfnisse, Bedarf und Nachfrage ......................................................................... 90 Güter und Dienstleistungen...................................................................................... 91 Knappheit und Wirtschaften .................................................................................... 92
4.2 4.2.1 4.2.2
Preisbildung auf vollkommenen Märkten ................................................................ 93 Vorbemerkungen ..................................................................................................... 93 Die Analyse des Nachfrageverhaltens ..................................................................... 98
15
87
VIII
Inhaltsverzeichnis
4.2.3 4.2.4
Die Analyse des Angebotsverhaltens .....................................................................109 Preisbildung: Marktgleichgewicht und Marktungleichgewichte ............................124
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3
Preisbildung auf unvollkommenen Märkten ...........................................................130 Preisbildung bei unvollkommenen Marktformen ...................................................130 Politische Preisbildung ...........................................................................................132 Externe Effekte und Öffentliche Güter ...................................................................134
4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4
Der „unvollkommene“ Immobilienmarkt ...............................................................136 Heterogene Güter ....................................................................................................137 Begrenzte Anzahl an Marktteilnehmern .................................................................137 Geringe Markttransparenz ......................................................................................138 Geringe Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen ..........................................139
5
Immobilienmarktentwicklungen
5.1 5.1.1 5.1.2
Immobilien-Research..............................................................................................144 Aufgaben des Immobilien-Research .......................................................................144 Informationsrecherche ............................................................................................146
5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Immobilienmarktanalysen ......................................................................................148 Bestimmung des Einzugsgebietes...........................................................................151 Standortanalyse.......................................................................................................153 Marktanalyse ..........................................................................................................156 Ergebnisse einer Immobilienmarktanalyse .............................................................161
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland.....................................163 Immobilien-Investmentmarkt .................................................................................163 Büroimmobilienmarkt ............................................................................................179 Einzelhandelsimmobilienmarkt ..............................................................................192 Wohnimmobilienmarkt ...........................................................................................203
6
Internationale Immobilienmärkte
6.1
Globalisierung der internationalen Immobilienmärkte ...........................................223
6.2
Besonderheiten der internationalen Immobilienmärkte ..........................................229
143
223
Literatur
233
Index
237
Abkürzungsverzeichnis BBSR BGB BGF BIP c.p. CSR DIX DGNB E Ek ETW EZB f G g GBP gif GPI HVPI IPD IVD IW-Institut K Kf Kvar k kf kvar K′ LTV MBS
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Bürgerliches Gesetzbuch Brutto-Grundfläche Bruttoinlandsprodukt ceteris paribus (unter sonst gleichen Bedingungen) Corporate Social Responsibility Deutsche Immobilien Index Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen Ertrag, Erlös, Umsatz Einkommen Eigentumswohnungen Europäische Zentralbank Funktion, funktionale Beziehung Gewinn Stückgewinn britische Pfund Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung German Property Index Harmonisierten Verbraucherpreisindex Investment Property Databank GmbH Immobilienverband Deutschland Institut der deutschen Wirtschaft in Köln Kosten fixe Kosten variable Kosten Stückkosten fixe Stückkosten variable Stückkosten Grenzkosten Loan to Value Mortgage Backed Securities
X MF-G NGF p P-A-F V v1, v2 vdp VGR VPI v.H. WZ x, y xS xK ZEW ZIA
Abkürzungsverzeichnis Mietfläche für gewerblichen Raum Netto-Grundfläche Preis Preis-Absatz-Funktion Verlust Produktionsfaktoren Verband deutscher Pfandbriefbanken Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Verbraucherpreisindex von Hundert (Prozent) Wirtschaftszweige Güter, Output Gewinnschwelle Kapazitätsgrenze Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim Zentrale Immobilien Ausschuss
1
Einleitung
Die Immobilienbranche, umfassend gesehen, besteht aus der Entwicklung, dem Bau und dem Verkauf sowie der Vermietung und Nutzung bis hin zur Modernisierung und zum Abriss von Immobilien für wohnliche oder gewerbliche Zwecke. Nicht nur aufgrund der sich daraus ergebenen Vielfalt, sondern auch wegen der folgenden Faktoren gehört sie aus volkswirtschaftlicher Sicht zu den interessantesten Märkten überhaupt. Erstens sind die Immobilien von einer ausgeprägten Heterogenität gekennzeichnet. Dies, verbunden mit der Standortgebundenheit, sorgt für lokale Märkte mit sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren. Somit sind auch sehr unterschiedliche Entwicklungen auf den einzelnen Immobilienmärkten festzustellen. Zweitens ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive die Immobilienbranche ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Immobilienbranche leistet einen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftsleistung, so dass rund vier Mio. Menschen in diesem Sektor beschäftigt sind. Gleichzeitig hängen die Wertentwicklung und die Nutzungsmöglichkeiten einer Immobilie wesentlich von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Drittens sind aus mikroökonomischer Sicht Immobilien üblicherweise mit der Erfüllung menschlicher Existenzbedürfnisse verbunden. Wohnen, Arbeiten und Einkaufen erfolgt größtenteils in Immobilien. Auch bei Sport- und Freizeitaktivitäten sind im Allgemeinen entsprechende Immobilien notwendig. Grund- und Immobilienbesitz bildet darüber hinaus eine wichtige Komponente des privaten Vermögens. Für die Unternehmen sind Immobilien bedeutende Produktionsfaktoren und für Kapitalanleger sind sie zu einem attraktiven Investment geworden. Viertens sind die Immobilienmärkte zunehmend internationaler geworden, die Globalisierung hat auch diese Märkte erreicht. Einerseits profitierte der deutsche Immobilienmarkt vom Interesse ausländischer Investoren. Andererseits hat die durch die US-Immobilienkrise entstandene Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, wie stark sich immobilienwirtschaftliche Krisen auf die Volkswirtschaft bis hin zu den einzelnen Privathaushalten auswirken können. In dem einführenden Kapitel 2 geht es um Grundsätzliches: Was ist die Immobilienökonomie? Dieses zusammengesetzte Wort hat zwei Stämme „Immobilien“ und „Ökonomie“. Auf der einen Seite wird die Ökonomie bzw. Wirtschaftswissenschaft dargestellt; auf der anderen Seite werden Immobilien und Immobilienwirtschaft und -märkte erläutert. Diese Bereiche werden hier in Grundzügen vorgestellt. In Kapitel 3 geht es um den Zusammenhang von Immobilienmärkten und der Makroökonomik, der theoretisch-orientierten Lehre von den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Dabei wird zum einen auf die Bedeutung der Branche für die Volkswirtschaft eingegangen und zum anderen auf die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten gesamtwirtschaftlicher Faktoren mit den Immobilienmärkten.
2
1 Einleitung
Das Kapitel 4 befasst sich mit der Mikroökonomik und dem Immobilienmarkt. Der Immobilienmarkt ist aus mikroökonomischer Sicht das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage nach Immobilien. Es werden jeweils zunächst die wesentlichen, fundamental theoretischen Grundlagen der Mikroökonomik dargestellt, um diese Erkenntnisse danach auf die Immobilienmärkte anzuwenden. Im Kapitel 5 werden die in den vorangegangenen Kapiteln der Makro- und Mikroökonomik gewonnenen theoretischen Erkenntnisse verwendet, um die Immobilienmärkte in Deutschland und deren Entwicklung zu analysieren. Diese Analyse ist eine der wesentlichen Aufgabe des Immobilien-Research, das die Immobilienmarktanalysen durchführt. Dabei werden sowohl die Immobilien-Investmentmärkte als auch die Vermietungsmärkten von Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien in Deutschland analysiert. Das letzte Kapitel 6 befasst sich mit den internationalen Immobilienmärkten, die durch die Globalisierung und die Deregulierung der Finanzmärkte in den letzten Jahren deutlich an Gewicht gewonnen haben. Internationale Immobilienmärkte weisen im Vergleich zu den nationalen (deutschen) Märkten noch weitere Besonderheiten auf.
2
Einführung in die Immobilienökonomie
In dem folgenden Kapitel werden die begrifflichen und inhaltlichen Grundlagen der Immobilienökonomie gelegt. Für die Beschäftigung mit dem Thema ist es zunächst notwendig, sich kurz mit den grundlegenden Begriffen auseinandersetzen. Neben den Definitionen werden insbesondere die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Begriffen dargestellt und erklärt. Dazu wird in dem ersten Kapitel 2.1 ein Einblick in die Ökonomie mit ihren Teilbereichen Betriebs- sowie Volkswirtschaft mit den Teilbereichen Makro- und Mikroökonomik gegeben. Danach werden aus der Sicht verschiedener Wissenschaftsdisziplinen Immobilien definiert (Kapitel 2.2) und deren fachspezifischen Besonderheiten aufgezeigt. Weiterhin werden die zwei verschiedenen Abgrenzungen für die Immobilienwirtschaft (Kapitel 2.3) dargestellt. Die Immobilienmärkte als das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage nach Immobilien lassen sich nach verschiedenen Kriterien abgrenzen, die im Kapitel 2.4 dargestellt werden. Abschließend wird auf die Wissenschaftsdisziplin „Immobilienökonomie“ eingegangen, die hier als volkswirtschaftliche Analyse der Immobilienbranche in seinen vielfältigen Ausprägungen interpretiert wird. Lernziele zu Kapitel 2 Immobilien werden von einzelnen Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich definiert. Immobilien sind aufgrund ihrer Eigenschaften Unikate und weisen im Vergleich zu anderen Gütern weitere Besonderheiten auf. Die Immobilienwirtschaft wird unterschiedlich definiert, so dass hierdurch unterschiedliche Bedeutungen für die Volkswirtschaft bestehen. Es gibt nicht „den“ Immobilienmarkt, sondern aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Abgrenzungen ergeben sich unterschiedliche Märkte und Marktbedingungen. Die Immobilienökonomie als interdisziplinärer Ansatz beschäftigt sich aus verschiedenen Perspektiven mit den Immobilienmärkten und der Immobilienwirtschaft.
2.1
Ökonomie
Die Ökonomie oder Wirtschaftswissenschaft ist die Lehre von der Wirtschaft. Sie beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Handlungen von Personen bzw. Gruppen, die im Zusammenhang mit der Produktion, dem Tausch und dem Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen stehen. Die Wirtschaftswissenschaft ist eine Teildisziplin der Sozialwissenschaft. Nachbardisziplinen der Wirtschaftswissenschaft sind die Psychologie, die Soziologie und die Politologie. Diese Wissenschaften beschäftigen sich alle mit dem Verhalten von Individuen und Gruppen sowie mit ihren Entscheidungsprozessen. Hilfswissenschaften der Ökonomie sind insbeson-
4
2 Einführung in die Immobilienökonomie
dere die Mathematik und die Statistik. Im deutschen Sprachraum wird die Wirtschaftswissenschaft in die Unterdisziplinen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft unterteilt. Aufgaben der Wirtschaftswissenschaft Beschreibung des wirtschaftlichen Geschehens Erklärung der Zusammenhänge des wirtschaftlichen Geschehens Prognosen über den zukünftigen Ablauf des Wirtschaftsgeschehens Aufzeigen von Möglichkeiten zur Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs Die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt sich insbesondere mit dem Wirtschaften in Unternehmen. Dabei liegt die Betrachtungsebene beim einzelnen Betrieb und seinen Problemen. Untersucht werden betriebliche Funktionsbereiche (z.B. Finanzierung, Rechnungswesen, Beschaffung, Produktion, Absatz) sowie Methoden der Planung und Betriebsführung. Die Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft vom Einsatz knapper Ressourcen zur Produktion wertvoller Güter und Dienstleistungen und deren Konsum sowie von der Verteilung der Einkommen in der Gesellschaft. Die Volkswirtschaftslehre wird zum einen getrennt in Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft. Die Aufgabe der Wirtschaftstheorie besteht darin, das wirtschaftliche Geschehen theoretisch zu erklären. Gewöhnlich geschieht dies in Form von Kausalaussagen, also Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, so z.B.: „Wenn die Preise steigen, verringert sich die Nachfrage.“ Die Wirtschaftspolitik hat die Aufgabe der Beratung. Sie fragt nach den wirtschaftspolitischen Zielen und sucht nach geeigneten Maßnahmen, diese zu erreichen, so z.B.: „Ziel ist ein möglichst hoher Beschäftigungsstand. Wie kann dies erreicht werden?“ Die Finanzwissenschaft beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Staat und seinem Wirken in einem ökonomischen System. Zum anderen untersucht die Volkswirtschaftslehre das Wirtschaftsgeschehen auf zwei unterschiedliche theoretischen Ebenen, je nach der Betrachtungsebene wird zwischen dem gesamtwirtschaftlichen Bereich der Makroökonomik und dem einzelwirtschaftlichen Gebiet der Mikroökonomik unterschieden. Volkswirtschaftslehre Die Makroökonomik betrachtet gesamtwirtschaftliche Aspekte, die i.d.R. die Volkswirtschaft eines Landes betreffen. Die Mikroökonomik analysiert das ökonomische Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte auf Märkten und deren Wechselwirkungen. Die Makroökonomik befasst sich auf theoretischer Ebene mit den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen von wirtschaftlichen Aggregaten wie Bruttoinlandsprodukt, Einkommen und Beschäftigung sowie monetären Größen wie Geldmenge, Zinsniveau und Inflation. Aus der Zusammenfassung (Aggregation) der einzelnen, mikroökonomischen Bestandteile einer Volkswirtschaft ergeben sich gesamtwirtschaftliche Größen, die in der Makroökonomik analysiert werden. Die Summe der privaten Verbrauchsausgaben aller privaten Haushalte ergibt beispielsweise die volkswirtschaftliche Makrogröße „privater Verbrauch“. Die theoretisch-orientierte Mikroökonomik analysiert die wirtschaftlichen Aktivitäten einzelner Wirtschaftssubjekte wie Haushalte und Unternehmen auf einzelnen Märkten. Sie be-
2.2 Immobilien
5
schäftigt sich mit den typischen Verhaltensweisen einzelner Wirtschaftssubjekte und deren Beziehungen zu anderen Wirtschaftsakteuren. Die Mikroökonomik erklärt den Preisbildungsprozess in Marktwirtschaften als Ergebnis des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage auf Märkten. Es geht also beispielsweise um die Reaktion eines einzelnen Haushaltes auf eine Preiserhöhung eines bestimmten Produktes, z.B. Immobilien. Bezüglich der Immobilienwirtschaft hat sich die Volkswirtschaftslehre schon recht früh mit dem Produktionsfaktor „Boden“ beschäftigt, hat ihre Aufmerksamkeit jedoch dann primär den anderen beiden Produktionsfaktoren „Arbeit“ und „Kapital“ zugewandt. Entsprechend kam es erst in den letzten Jahrzehnten zu einer grundlegenden volkwirtschaftlichen Analyse der Immobilienmärkte im Rahmen der „Immobilienökonomie“.
2.2
Immobilien
Es gibt keine einheitliche Definition von Immobilien, da, wie auch in Abbildung 2.1 gezeigt wird, jede Wissenschaftsdisziplin diese aus ihrem eigenen Blickwinkel erläutert. Daher werden in den verschiedenen Wissenschaften sehr unterschiedliche Immobilienbegriffe verwendet. Im allgemeinen Sprachgebrauch sind Immobilien „unbewegliche Güter (lateinisch immobilis: eine unbewegliche Sache)“. Dazu zählen neben Gebäuden auch unbebaute Grundstücke. Wenn ein Grundstück bebaut ist, wird das Grundstück inklusive der sich darauf befindlichen Gebäude als Immobilie bezeichnet. Eine erste Annäherung an den Begriff der Immobilie kann über deren Funktionen erfolgen. Die Hauptfunktionen von Immobilien liegen in Wohnen, Arbeit, Freizeit, Ver- und Entsorgung. Darüber hinaus erfüllen sie einige zusätzliche Funktionen, wie beispielsweise Altersvorsorge oder Kreditbesicherung. Die wichtigsten Definitionskategorien sind physischer, juristischer und ökonomischer Art.
physisch
juristisch
umbauter Raum
Grundstück inkl. Aufbauten
ökonomisch
Investitionstheoretisch
Kapitalanlage, Assets
Substanzorientierung, Herstellungskosten Abb. 2.1:
Immobiliendefinitionen; Quelle: eigene Darstellung
Produktionstheoretisch
Produktionsfaktor
Nutzenorientierung, Ertragswert
6
2 Einführung in die Immobilienökonomie
Aus physischer bzw. ingenieurwissenschaftlicher Sicht werden allein die materiellen Eigenschaften der Immobilie betrachtet. Hiernach wird die Immobilie als umbauter Raum oder dreidimensionales Gebilde gesehen, welches für verschiedene Zwecke verwendet werden kann. Die physische Definition, die materiell-orientiert ist, hat ihre Bedeutung beispielsweise für die Wertermittlung nach dem Sachwertverfahren. Dieses wird vorwiegend bei Immobilien für die Eigennutzung angewandt. Da hier Renditeüberlegungen eine untergeordnete Rolle spielen, erfolgt die Bewertung von Immobilien auf der Basis der Aufwendungen, die für die Erstellung vergleichbarer Gebäude notwendig wären. Eine in sich geschlossene juristische Definition für den Begriff „Immobilie“ gibt es nicht, auch wenn viele Aspekte der Immobilienwirtschaft die Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen erfordern. Nur in wenigen Gesetzen (z.B. im Investmentgesetz) wird der Begriff „Immobilie“ verwendet. In Gesetzestexten wird üblicherweise die Immobilie über den Grund und Boden oder das Grundstück definiert. Ein Grundstück bezeichnet nach der juristischen Definition einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche; dazu gehören der Raum über der Erde und der Boden unter der Oberfläche. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks werden somit die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen gerechnet, insbesondere die darauf stehenden Gebäude. Zum Grundstück gehören ferner die das Eigentum betreffenden Rechte. Ökonomisch gesehen existieren zwei unterschiedliche Konzepte des Immobilienbegriffes. In der ökonomischen Definition werden Immobilien auf der einen Seite als Produktionsfaktor und auf der anderen Seite als Kapitalanlage oder Sachvermögen („Asset“) eingeteilt. Der wirtschaftliche Charakter einer Immobilie begründet sich somit nicht durch ihre Produktion, sondern durch ihre Nutzung. Aus produktionswirtschaftlicher Sicht gehören Immobilien zum Ressourcen- bzw. Produktionsfaktorenbestand von Unternehmen. Die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden sind die Inputs, die im betrieblichen Leistungsprozess zur Erstellung anderer Güter eingesetzt werden. Dazu gehören neben den o.g. Faktoren auch die Immobilien, da Grundstücke und Gebäude zu den wesentlichen Faktoren für die Produktion zählen. Aus investitionstheoretischer Sicht werden hingegen Immobilien als Investitionsgut oder Vermögensgegenstand gesehen. Dabei gibt es die verschiedensten Anlageformen. Die Motive der Investoren liegen sowohl in der Erzielung laufender Erträge als auch in der Aussicht auf ein Wertsteigerungspotenzial bei den Immobilien. Die nachfolgende immobilienökonomische Definition berücksichtigt die bisherigen Definitionen von Immobilien und verbindet diese mit der volkswirtschaftlichen Sicht. Immobilien aus Sicht der Immobilienökonomie „Immobilien sind Wirtschaftsgüter, die aus unbebauten oder bebauten Grundstücken mit dazugehörigen Gebäuden und Außenanlagen bestehen. Sie werden von Menschen im Rahmen physisch-technischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und zeitlicher Grenzen für Produktions-, Handels-, Dienstleistungs- und Konsumzwecke genutzt“ (Bone-Winkel, u.a., 2008, S. 16.). Immobilien unterscheiden sich aufgrund mehrerer Besonderheiten wesentlich von anderen Wirtschaftsgütern. Dies ist vor allem auf die folgenden charakteristischen Merkmale zurückzuführen, die alle Nutzungsarten aufweisen. Bei den Besonderheiten sind es vor allem die
2.2 Immobilien
7
ersten beiden Eigenschaften, die dominierend bei den Immobilien sind und erhebliche Auswirkungen haben. Standortgebundenheit bzw. Immobilität Die Immobilität und damit die Standortgebundenheit ist die wesentliche Eigenschaft einer Immobilie. Bei Immobilien handelt es sich um unbewegliche Güter, bei denen der Standort letztlich für die Einzigartigkeit der Immobilien verantwortlich ist. Da sie durch das Grundstück fest mit der Erdoberfläche verbunden sind, bestimmt der spezifische Standort zum einen die Nutzungsmöglichkeiten und prägt zum anderen den ökonomischen Wert und die Wertentwicklung einer Immobilie. Das Angebot ist räumlich gebunden, so dass die Immobilie auch nur an einem Ort angeboten werden kann. Die Nutzer müssen zu den Immobilien kommen und nicht umgekehrt. Die Immobilität in Verbindung mit der Lage führt dazu, dass es zu geografischen Immobilienmärkten kommt.
Heterogenität
Die Eigenschaft der „Immobilität“ impliziert bereits die weitere Besonderheit der „Heterogenität“. Immobilien sind heterogen, da jede Immobilie ein Unikat bezüglich des Gebäudes, der Ausstattung oder der Lage sein kann. Selbst große Mehrfamilienhäuser, bei denen das Aussehen vieler Häuser identisch ist, befinden sich an anderen Orten oder weisen unterschiedliche Lagen auf. Es gibt nicht die gleiche Immobilie mit demselben Standort und denselben Eigenschaften. Die Heterogenität von Immobilien spielt in der Immobilienökonomie eine herausragende Rolle, so dass beispielsweise die Annahme der mikroökonomischen Theorie bezüglich eines vollkommenen Marktes nicht angewandt werden kann (siehe Kapitel 4). Die nachfolgenden Merkmale treten bei Immobilien in besonders starkem Ausmaß auf, gelten aber auch bei anderen besonderen Wirtschaftsgütern wie z.B. Containerschiffen oder großen Flugzeugen. Begrenzte Substituierbarkeit Bei Immobilien besteht eine nicht bzw. nur eingeschränkt mögliche Substituierbarkeit. So gehört Wohnen zu den Grund- und Existenzbedürfnissen eines Haushaltes. Ebenso können Büro- und Einzelhandelsflächen nur in beschränktem Ausmaß von den Nutzern substituiert werden. Dies schränkt die Drittverwendungsmöglichkeiten einer Immobilie ein, da sie i.d.R. nur für einen Zweck gebaut werden und damit eine alternative Nutzung schwierig ist.
Hohes Investitionsvolumen und hohe Transaktionskosten
Immobilien weisen üblicherweise ein hohes Investitionsvolumen auf. Dies reduziert die Anzahl potenzieller Investoren für den direkten Immobilienerwerb. Indirekte Anlageformen wie offene Immobilienfonds bieten jedoch eine Alternative. Neben der Investitionshöhe bestehen bei Immobilien relativ hohe Transaktionskosten bei der Eigentumsübertragung wie beispielsweise Grunderwerbsteuer oder Grundbuch- oder Notargebühren. Weiterhin entstehen durch die Heterogenität und geringe Markttransparenz häufig hohe Transaktionskosten in Form von Such- und Informationskosten für die Investoren.
Länge des Entwicklungs- und Lebenszyklus
Lange Entwicklungs- und Lebenszyklen sind eine weitere Eigenschaft von Immobilien. Die Dauer des Entwicklungsprozesses von Immobilien ist im Vergleich zu anderen Gütern relativ lang. Von der Projektidee bis zur Baufertigstellung dauert es üblicherweise mehrere Jahre. Aber auch die Fertigstellung einmal begonnener Neubauten kann aus betriebswirtschaftli-
8
2 Einführung in die Immobilienökonomie
chen oder produktionstechnischen Gründen nicht beliebig verändert werden. Das macht das Immobilienangebot kurzfristig unelastisch in Bezug auf Marktveränderungen. Immobilien besitzen außerdem eine lange Nutzungsdauer und einen wesentlich längeren Lebenszyklus als die meisten anderen Güter. Üblicherweise ist dabei die technisch mögliche Nutzungszeit sogar höher als die ökonomische. So entsteht selten ein Ersatzbedarf, sondern eher ein neuer oder veränderter Bedarf. Hieraus ergibt sich auch die relativ hohe Bedeutung des Bestandes im Verhältnis zum Neubau.
2.3
Immobilienwirtschaft
Die Immobilienwirtschaft (Synonyme: Immobilienbranche oder -sektor) ist die Branche, die sich als Teil der Volkswirtschaft mit Immobilien beschäftigt. Für eine exakte Definition sind wie nachstehend weitere Abgrenzungen notwendig. Unterschieden werden kann zwischen der Immobilienwirtschaft im engeren Sinn (i.e.S., Grundstücks- und Wohnungswirtschaft) nach der Definition der Wirtschaftszweige-Systematik des Statistischen Bundesamtes und der Immobilienwirtschaft im weiteren Sinn (i.w.S.) nach der Abgrenzung des Institut der deutschen Wirtschaft (IW-Institut) in Köln und des Zentrum für Europäische Wirtschaftsentwicklung (ZEW) in Mannheim in der Studie „Wirtschaftsfaktor Immobilien (2009, S. 21)“. Immobilienwirtschaft i.e.S. Unternehmen der Branche „Grundstücks- und Wohnungswesen“ (WZ-Nr. 68) kaufen, verkaufen und vermieten Grundstücke, Gebäude und Wohnungen sowie erbringen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Immobilien. Dazu gehört ebenso die Tätigkeit von Hausverwaltungen. Eine Möglichkeit besteht in der Abgrenzung nach der amtlichen Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ), die als Grundstücks- und Wohnungswesen (WZ-Nr. 68) bzw. als Immobilienwirtschaft i.e.S. bezeichnet werden kann. Die Branche umfasst den Kauf und Verkauf von eigenen Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen sowie die Vermietung, und Verpachtung von eigenen oder geleasten derartigen Objekten. Darüber hinaus gehört dazu auch die Vermittlung und Verwaltung von Grundstücken und Immobilien für Dritte. Die immobilienwirtschaftlichen Leistungen anderer Wirtschaftszweige wie beispielsweise von Immobilienbanken oder der Bauwirtschaft werden darin nicht erfasst. Immobilienwirtschaft i.w.S. Die Immobilienwirtschaft ist der Wirtschaftszweig, der sich mit der Entwicklung, Produktion, Bewirtschaftung und Vermarktung von Immobilien beschäftigt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass bei Immobilienwirtschaft i.w.S. die Branchen einer Volkswirtschaft berücksichtigt werden, die während des Lebenszyklus von Immobilien mit diesen beschäftigt sind. Die Immobilienwirtschaft ist der Wirtschaftszweig, der sich mit der gesamten Wertschöpfungskette bzw. dem Lebenszyklus von Immobilien beschäftigt. Somit werden auch alle die immobilienwirtschaftlichen Leistungen berücksichtigt, die bei
2.4 Immobilienmärkte
9
der Immobilienwirtschaft i.e.S. fehlen. Die Immobilienwirtschaft beschäftigt sich zum einen mit den Beständen und den Veränderungen von diesen sowie zum anderen mit der Bewirtschaftung und Nutzung von Immobilien. Bei der Betrachtung der Immobilienwirtschaft wird zwischen den vier Teilbereichen – Bewirtschaftung, Baugewerbe, Immobilienvermögen und Finanzierungsbereich – unterschieden. Hinzu kommen noch vor- und nachgelagerte Dienstleistungen wie z.B. Facility Manager oder Immobilienberater. Statistische Daten über die Bedeutung und Entwicklung der Immobilienwirtschaft i.w.S. stammen aus der Studie „Wirtschaftsfaktor Immobilien“ des IW-Instituts und des ZEW aus dem Jahr 2009.
2.4
Immobilienmärkte
In der Volkswirtschaftslehre werden Märkte definiert als Orte des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage, von daher sind Immobilienmärkte solche, auf denen Immobilien bzw. Immobiliendienstleistungen gehandelt werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es „den“ Immobilienmarkt aufgrund der Heterogenität der unterschiedlichen Immobilien nicht gibt. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Immobilienmärkten, die sich nach unterschiedlichen Kriterien abgrenzen lassen. Die Strukturierung des Marktes nach verschiedenen Kriterien macht insbesondere deshalb Sinn, da dadurch unterschiedliche Einflussfaktoren auf die einzelnen Segmente identifiziert und in ihrer Wirkung analysiert werden können. Immobilienmärkte können erstens nach unterschiedlichen Gebäudetypen in Abhängigkeit ihrer jeweiligen Nutzungs- oder Objektart unterschieden werden. Hierbei haben sich vier Hauptkategorien herausgebildet.
In den Büroimmobilien werden insbesondere Verwaltungstätigkeiten durchgeführt. Wichtige Unterscheidungskriterien sind zum einen die Lage (z.B. Central Business District, Bürostandort, Backoffice-Standort oder Stadtumland) und zum anderen die Bürokonzepte wie beispielsweise Zellenbüros (Ein- oder Mehr-Personen-Büros) oder Gruppen- oder Großraumbüros. Die Einzelhandelsimmobilien sind der Ort, an dem der stationäre Einzelhandel mit dem Absatz von Waren an die Verbraucher stattfindet. Diese Immobilien können beispielsweise nach den Kriterien Lage (z.B. 1a-Lage, Innenstadt oder „Grüne Wiese“) oder der Größe oder der Betriebsform (Kaufhaus oder Discounter) bzw. dem Sortiment (Lebensmittel oder Möbel) unterteilt werden. Die Wohnimmobilien sind Gebäude, die überwiegend oder ausschließlich Wohnzwecken dienen. Sie können zum einen nach den Kriterien Eigen- und Fremdnutzung unterschieden werden. Ein- und Zweifamilienhäuser werden überwiegend selbst genutzt, während die Wohnungen in Mehrfamilienhäuser eher vermietet werden. Zum anderen können Kriterien der Abgrenzung die Lage oder die Ausstattung der Wohnungen sein. Weitere Objektarten können z.B. Logistikimmobilien, die zur Lagerung, Kommissionierung oder Distribution von Waren errichtet werden, oder Industrieimmobilien für Produktionsunternehmen sein. Außerdem gehören hierzu Betreiber- oder Managementimmobilien wie Hotels oder Freizeitimmobilien, deren betriebswirtschaftlicher Erfolg vorwiegend vom Management abhängt. Betreiberimmobilien sind auch die Sozialimmobilien, die weiter nach Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen unterteilt werden können.
10
2 Einführung in die Immobilienökonomie
Als Gewerbeimmobilien oder gewerbliche Immobilien werden alle Objektarten außer Wohnimmobilien zusammengefasst. Je mehr bei einer Objektart nach der Nutzung differenziert wird, desto homogener wird das daraus resultierende Marktsegment. Innerhalb eines Segmentes können die verschiedenen Immobilien nach Größe, Ausstattung und weiteren Kriterien unterschieden werden. Aufgrund der Standortgebundenheit von Immobilien können Immobilienmärkte zweitens nach ihrer Lage bzw. ihrer regionalen Abgrenzung (Standort) bestimmt werden. In Bezug auf ihre räumliche Lage können somit lokale, regionale, nationale und internationale Immobilienmärkte unterscheiden werden. Diese räumlichen Teilmärkte können sich aufgrund ihrer spezifischen Marktbedingungen unterschiedlich entwickeln. In Deutschland gibt es keinen dominanten Metropolenmarkt, sondern aufgrund der föderalen Struktur existieren mehrere wichtige lokale Märkte wie die sieben A-Städte Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart und München. Aber auch in diesen lokalen Märkten gibt es weitere Teilmärkte. Bedingt durch die Heterogenität des Gutes „Immobilie“ können unterschiedliche Objektarten in Teilmärkten zusammengefasst werden. Dies führt zu der üblicherweise zu beobachtenden zweidimensionalen Marktabgrenzung nach der Lage und der Nutzungsart der Immobilie. Es gibt damit eine Vielzahl von Immobilienmärkten, wie in Schaubild 2.2 gezeigt wird.
Immobilienmarkt Wohnimmobilien • Eigentumswohnungen • Einfamilienhäuser • Zweifamilienhäuser • Mehrfamilienhäuser
Gewerbeimmobilien • Bürogebäude • Einzelhandelsimmobilien • Industrieimmobilien • Freizeitimmobilien • Spezialimmobilien
Immobilien des öffentlichen Sektors
• Infrastruktur • Verwaltung
Lage, Standort Abb. 2.2:
Immobilienmärkte nach Lage und Objektart; Quelle: eigene Darstellung
Drittens können Immobilienmärkte nach dem Lebenszyklus unterschieden werden. Bei den Grundstücken bestehen je nach dem Entwicklungszustand unterschiedliche Phasen der Baulandentwicklung, die vom Agrarland über das Bauerwartungsland, dem Rohbauland und baureifem Land, auf dem dann die Neubauprojekte entstehen, gehen. Bei den Immobilien selbst kann, wie in der Abbildung 2.3 gezeigt wird, ebenfalls zwischen verschiedenen Phasen unterschieden werden. Zunächst gibt es die Projektentwicklungsphase, die von der Projektidee über die Planung einschließlich der Finanzierung bis zu der Bauausführung und Fertigstellung führt. Im Anschluss daran folgt die Nutzungsphase und zum
2.4 Immobilienmärkte
11
Schluss die Verwertungsphase, die oftmals weniger durch physischen Verfall als durch Leerstand oder Alternativnutzungen bedingt ist. Diese Phase umfasst den Abriss, Rückbau oder das Flächenrecycling. Von den Phasen her kann somit zwischen den Märkten für die Projektentwicklung (Neubau), die Vermietung oder Nutzung und der Verwertung sowie den Investmentmärkten unterschieden werden.
Projektentwicklungsmarkt
Vermietungs-/Nutzermarkt Angebot
Neubauaktivität
Nachfrage
Verwertungsmarkt Umbau oder Abriss
Mieten Leerstand
Rentabilität
Immobilien-Investmentmarkt Cash Flow
Rendite
Abb. 2.3:
Transaktion Wert Preis
Angebot Verkäufer Nachfrage Investoren
Immobilienmärkte nach dem Lebenszyklus; Quelle: eigene Darstellung
Auf dem Projektentwicklungsmarkt sind Developer und Bauunternehmen tätig, die entsprechend ihren Rentabilitätsüberlegungen Neubauten erstellen. In ihre Entscheidung gehen dabei sowohl die Kosten als auch Erträge (Mieten und Kaufpreise) ein. Der Projektentwicklungsmarkt fügt durch seine Bautätigkeit neue Projekte zum Bestand hinzu und kann damit mehr oder weniger die Flächenabgänge ausgleichen. Der Vermietungs- bzw. Nutzermarkt umfasst alle Immobilien, die zur Vermietung angeboten werden. Dies ist bei allen Objektarten nur ein Bruchteil des gesamten Bestandes. Durch Angebot und Nachfrage nach den Immobilien ergibt sich die Entwicklung bei den Mieten und den Leerständen. In der abschließenden Verwertungsphase entspricht die Immobilie nicht mehr der Nachfrage der Nutzer. Es gibt nach der Nutzungsphase generell zwei Optionen. Die Immobilien kann abgerissen oder umgebaut bzw. revitalisiert (Refurbishment) werden, was von einer Teilmodernisierung bis zur Kernsanierung reicht. Der Immobilien-Investmentmarkt, der über alle drei beschriebenen Phasen reichen kann, ist definiert als Markt für Kapitalanlagen in Immobilien für profitable Zwecke. Es werden alle Investitionen (bzw. Investments) in Immobilien oder Immobiliengesellschaften zum Zwecke der Kapitalanlage oder der gewerblichen Eigennutzung erfasst. Ein Investor ist vor allem an den potenziellen Erträgen aus dem Investment und/oder an einer möglichen Wertsteigerung interessiert.
12
2 Einführung in die Immobilienökonomie
Die vierte Abgrenzung stellt die subjektbezogene bzw. nach den Marktteilnehmern dar. Dabei kann bei der Einteilung nach Marktteilnehmern zum einen auf die Abgrenzung nach den Wirtschaftssubjekten (wie im Kapitel 4.1.1) zurückgegriffen werden. Somit wird zwischen den privaten Haushalten, den Unternehmen, dem Staat und dem Ausland unterschieden, die (fast) alle auf den verschiedenen Immobilienmärkten als Anbieter oder Nachfrager aktiv sein können. Zum anderen ist aber auch möglich, die Marktteilnehmer nach dem Lebenszyklus einer Immobilie einzuordnen. Dabei können jeweils die Anbieter und Nachfrager für die Phasen der erstens der Projektentwicklung, zweitens der Nutzung und drittens der Verwertungsphase unterschieden werden. Die folgende Tabelle 2.1 zeigt diese Betrachtung nach den zwei Kriterien. Tab. 2.1:
Marktteilnehmer Immobilienmarkt; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Gondring, 2009, S. 35
Phasen
Planung, Entstehung und Vermarktung
Nutzung
Verwertungsphase
Angebotsseite
Grundstückseigentümer, Architekt, Bauherr, Bauträger, Projektentwickler und -steuerer, Generalunternehmen und -übernehmer, Investor, Finanzierer, Notar, Bauunternehmen, Makler, Sachverständige, Verkäufer, Vermieter
Eigentümer, Facility Management, Finanzierer, Handwerksbetriebe
Facility Management, Finanzierer, Investor, Architekt, Handwerker, Statiker, Sachverständige, Abrissunternehmen
Nachfrageseite
Architekt, Investor, Projektentwickler und -steuerer, Bauherr, Käufer, Mieter, Notar
Nutzer, Eigentümer, Mieter, Untermieter, Pächter
Eigentümer
Es wird deutlich, dass zum einen eine derartige Einteilung nicht überschneidungsfrei sein kann. Die unterschiedlichen Phasen sind sowohl hinsichtlich ihrer Abgrenzung und Erklärung nicht eindeutig bestimmt, deshalb überschneiden sich die Phasen auch häufig. Zum anderen kann festgehalten werden, dass die Marktteilnehmer sehr heterogen sind. Die Immobilienmärkte unterscheiden sich aufgrund der Besonderheiten des Gutes „Immobilie“ (siehe Kapitel 2.2) von vielen anderen Märkten und führen dazu, dass Immobilienmärkte unvollkommene Märkte sind. Vertiefend wird auf die Marktunvollkommenheiten im Kapitel 4.4 eingegangen. Da es sich bei den Immobilien um Unikate handelt, werden auf den Immobilienmärkten heterogene Güter gehandelt. Aufgrund der Heterogenität und weiterer institutioneller Aspekte weisen die Märkte eine geringe Markttransparenz auf. Die Standortgebundenheit der Immobilien ist wesentlich dafür verantwortlich, dass es sich um lokale Märkte handelt, auf denen häufig nur eine begrenzte Anzahl an Marktteilnehmern vorhanden sind. Insbesondere auf der Angebotsseite besteht eine geringe Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen, da es längere Zeit braucht, um eine Immobilie zu planen und zu bauen.
2.5 Immobilienökonomie
2.5
13
Immobilienökonomie
Der Begriff Immobilienökonomie wurde 1990 von Prof. Karl-Werner Schulte „entwickelt“. Die Immobilienökonomie steht für den interdisziplinären Ansatz dieses Fachgebietes. Sie bezieht ihre Aussagen zum einen aus der Übertragung von Erkenntnissen der Betriebswirtschaftslehre als Basisdisziplin, zum anderen interdisziplinär aus den benachbarten Disziplinen Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft, Stadtplanung, Architektur oder Ingenieurwesen. Die Immobilienökonomie beschäftigt sich mit den Wirtschaftssubjekten und ihren wirtschaftlichen Aktivitäten, die sowohl die Nutzungen als auch die Werte von Immobilien beeinflussen. Im Mittelpunkt steht die Erklärung und Gestaltung realer Entscheidungen von mit Immobilien befassten Wirtschaftssubjekten. Dabei wird nicht nur das Verhalten der Immobilienunternehmen analysiert, sondern auch das der privaten Haushalte, des Staates und der Nicht-Immobilienunternehmen, bei denen die Immobilien nicht zum originären Unternehmenszweck gehören. Die Immobilienökonomie versteht sich als eine praktisch-angewandte Wissenschaft, die ihre Aussagen nicht als bloße Information über die Realität begreift, sondern auf die Umsetzung ihrer Empfehlungen in konkretes Managementhandeln drängt. Ziel ist es, die Entscheidungsprozesse der Praxis zu unterstützen und durch Lösungshilfen zu deren Verbesserung beizutragen. Karl-Werner Schulte verbildlicht die Immobilienökonomie mit einem Haus (siehe Abbildung 2.4). Die Grundfläche bilden die schon beschriebenen interdisziplinären Aspekte. Die Pfeiler des Hauses der Immobilienökonomie sind die typologischen Aspekte, d.h. die Systematisierung der Immobilien nach Objekt- bzw. Nutzungsart, sowie die institutionellen Aspekte, nämlich den Akteuren der Immobilienwirtschaft (siehe Kapitel 2.4). Das Dach bilden die Managementaspekte, die wiederum in drei Unteraspekte unterteilt werden. Die strategischen Aspekte befassen sich mit der langfristigen Entwicklung und dem Erfolg eines Unternehmens, so dass hier das Portfoliomanagement, das Corporate Real Estate Management (CREM) sowie das Public und Private Real Estate Management (PREM) analysiert werden. Die funktionsspezifischen Aspekte umfassen die Bereiche Immobilienmarktanalyse, -bewertung, -finanzierung und -marketing. Die phasenorientierten Aspekte beziehen sich schließlich auf den Lebenszyklus einer Immobilie, wobei sich die Immobilienökonomie mit allen Phasen beschäftigt und diese analysiert. In diesem Buch wird die Immobilienökonomie als Teil der Volkswirtschaftslehre verstanden. Die Immobilienökonomie beschäftigt sich demnach mit Immobilien und Immobilienmärkten aus volkswirtschaftlicher Sicht. Sie analysiert wie die Immobilienwirtschaft und die Immobilienmärkte funktionieren und wie sich die Nutzungen und Werte von Immobilien verändern, wenn sich Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ändern. Immobilienwirtschaftliche Nutzungen und Bewertungen hängen von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ebenso wie von weiteren makroökonomischen Größen wie Zinsen, Inflationsraten oder Wechselkursen ab. Mit Hilfe der Immobilienökonomie soll erklärt werden, wie Veränderungen von Immobilienwerten, -nutzungen und -aktivitäten entstehen und wie diese wiederum die Immobilienmärkte beeinflussen. Auch analysiert die Immobilienökonomie das mikroökonomische Handeln der Wirtschaftssubjekte auf den Immobilienmärkten.
14
2 Einführung in die Immobilienökonomie
Immobilienökonomie Managementaspekte
Institutionelle
Typologische
Aspekte
Aspekte
Interdisziplinäre Aspekte Abb. 2.4:
Haus der Immobilienökonomie; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schulte, 2008, Bd. I, S. 58
Immobilienökonomie Die volkswirtschaftlich orientierte Immobilienökonomie ist die Wissenschaftsdisziplin, die ökonomische Prinzipien verwendet, um zu untersuchen, wie verschiedene mikro- und makroökonomische Veränderungen und Trends die immobilienwirtschaftlichen Nutzungen und Werte beeinflussen.
Übungsfragen und Fallstudien 1. Welche Definitionen von „Immobilien“ existieren und wie unterscheiden sich diese? 2. Erklären Sie die immobilienökonomische Definition von Immobilien. 3. Erläutern Sie die Besonderheiten von Immobilien, durch die diese sich von anderen Gütern unterscheiden. 4. Die Immobilienmärkte können nach verschiedenen Kriterien abgegrenzt werden. Erläutern sie die wesentlichen Abgrenzungen. 5. Was verstehen Sie unter „Immobilienökonomie“?
3
Makroökonomik des Immobilienmarktes
Die Makroökonomik ist der theoretisch-orientierte Teil der Volkswirtschaftslehre, der sich mit den ökonomischen Vorgängen in der Gesamtwirtschaft bzw. der Volkswirtschaft beschäftigt. Die Immobilienbranche als Teil der Volkswirtschaft (Makroökonomie) hat aufgrund ihrer Größe eine hohe gesamtwirtschaftliche Bedeutung, die sich auch durch die zahlreichen Wechselwirkungen und Abhängigkeiten mit der gesamten Volkswirtschaft begründet. Anhand unterschiedlicher Merkmale wird im Kapitel 3.1 die Bedeutung der Immobilienwirtschaft aus volkswirtschaftlicher Sicht analysiert, dabei werden sowohl real- als auch finanzwirtschaftliche Indikatoren verwendet. Für die Entwicklung der Immobilienmärkte ist insbesondere die Sensitivität bezüglich makroökonomischer Veränderungen entscheidend. Das Kapitel 3.2 zeigt die verschiedenen Zusammenhänge zwischen der Immobilienwirtschaft und der Volkswirtschaft bzw. Makroökonomie auf. Die Immobilienwirtschaft ist von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig, aber auch die Entwicklung der Immobilienwirtschaft wirkt sich auf die Gesamtwirtschaft aus. Für die hier analysierten drei für die Immobilienmärkte wesentlichen Bereiche der Makroökonomie (Volkswirtschaft), nämlich dem öffentlichen, realen und monetären Sektor, werden diese Beziehungen beleuchtet. Weiterhin werden die wesentlichen Herausforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel und dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) ergeben, in ihrer Bedeutung für den Immobiliensektor analysiert. Lernziele zu Kapitel 3 Mit Hilfe unterschiedlicher real- und finanzwirtschaftlicher Kriterien bestimmt sich die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft. Der Staat greift auf vielfältige Art in den Immobilienmarkt ein und beeinflusst dadurch das Marktgeschehen. Der reale Sektor der Volkswirtschaft determiniert speziell die Bedingungen des Vermietungsmarktes sowie insbesondere die Nachfrage nach Immobilien und damit auch die Miete bzw. den Wert einer Immobilie. Immobilieninvestitionen sind ohne die entsprechende Finanzierung durch das Kapital (Liquidität) des monetären Sektors nicht möglich. Weiterhin determinieren monetäre Faktoren insbesondere die Immobilienpreise und beeinflussen indirekt die Vermietungsmärkte. Der demografische Wandel wirkt sich langfristig auf die Entwicklungen der Immobilienmärkte aus. Nachhaltigkeit ist in seiner ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimension eine der wesentlichen zukünftigen Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft und die Immobilien (Green Building).
16
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
3.1
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft
Um die volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft zu erfassen, können verschiedene Indikatoren aus unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Bereichen und Statistiken herangezogen werden. Üblicherweise ist ein wichtiger Indikator für die volkswirtschaftliche Bedeutung die Größe des Marktes, die vielfach mit Hilfe des Umsatzes erfasst wird. Ein weiterer Maßstab ist der Beitrag der Branche zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung oder der Anteil am Volksvermögen. Bei der Immobilienwirtschaft kann deren Bedeutung auch anhand finanzwirtschaftlicher Kennziffern gemessen werden.
3.1.1
Die Größe der Immobilienwirtschaft
Der Umsatz ist der gebräuchlichste Indikator, um die Größe und damit die Bedeutung eines Marktes zu beschreiben. Für den Immobilienmarkt i.e.S. (siehe Kapitel 2.3) ist dies die Entwicklung des wertmäßigen (realen) Umsatzes der Branche Grundstücks- und Wohnungswesen.
120 in Mrd. Euro
100 80 60 40 20 0 1991 Abb. 3.1:
1993
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
Immobilienumsätze Grundstücks- und Wohnungswesen (Immobilienwirtschaft i.e.S.); Quelle: Statistisches Bundesamt
Der Umsatz ist gemäß Abbildung 3.1 seit der Wiedervereinigung stetig angestiegen, jedoch auch von der konjunkturellen Entwicklung beeinflusst. So führten die New-Economy-Blase und auch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem Rückgang bzw. geringem Anstieg der Umsätze. Mehr als drei Viertel des Umsatzes wurden 2010 durch die Vermietung oder Verpachtung von eigenen oder geleasten Immobilien realisiert. Der Rest entfällt auf die Teilbranchen Handel mit eigenen Immobilien sowie der Vermietung und Verwaltung von Immobilien für Dritte. Der Anteil der Branche am Umsatz der Volkswirtschaft stagniert langfristig. Der Umsatzanteil liegt seit Mitte der 1990er Jahre relativ konstant bei 2 v.H., so dass daraus
3.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft
17
nur auf eine relativ geringe Bedeutung der Branche Grundstücks- und Wohnungswesen für die Gesamtwirtschaft geschlossen werden kann. Die Umsatzentwicklung in dem Schaubild 3.1 bezieht sich auf die Immobilienwirtschaft i.e.S. und damit auf die Branche Grundstücks- und Wohnungswesen. Der Umsatz der Immobilienwirtschaft kann aber auch auf andere Weise ermittelt werden. Zum einen wird der Umsatz für die Immobilienwirtschaft i.w.S. berechnet. Nach der Studie des IW-Instituts und des ZEW belief sich der Umsatz im Jahr 2007 auf rund 385 Mrd. Euro und damit auf ca. 8 v.H. aller umsatzsteuerpflichtigen Umsätze in Deutschland. Der höchste Umsatzanteil kommt dabei aus der Bauwirtschaft. Ein hoher Anteil der Unternehmen erreicht dabei nur einen Umsatz von weniger als 250.000 Euro im Jahr. Zum anderen kann für die Ermittlung der Umsätze für die Immobilienwirtschaft (in einer dritten Abgrenzung) das jährliche Aufkommen der Grunderwerbsteuer nach den amtlichen Steuerstatistiken verwendet werden (siehe Abbildung 3.2). Aus dem Steueraufkommen kann dann auf den Umsatz geschlossen werden. Im Vergleich zu den Umsätzen der Branche i.e.S. zeigen sich hier weitaus stärkere Schwankungen.
200
in Mrd. Euro
180 160 140 120 100 80 60 40 20 0
1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Abb. 3.2:
Immobilienumsätze; Quelle: Immobilienverband Deutschland IVD, Gutachterausschüsse
Die Entwicklung der Immobilienumsätze spiegelt das Wachstum der Immobilienbranche wider. Steigende Umsätze implizieren eine Zunahme der Bauaktivitäten und des Immobilienhandels. Nach einer langen Wachstumsphase, die bis zur Mitte der 90er Jahre andauerte, ist nach diesen Daten die Immobilienwirtschaft in eine Phase mit stärkerer Volatilität übergegangen. Zunächst wirkte sich in den 1990er Jahren vor allem der Wiedervereinigungsboom aus. Nach dem New-Economy-Boom zum Jahrtausendwechsel, der auch zu Impulsen für Immobilienkäufe führte, kam es in der anschließenden Krise zu einem Rückgang des Transaktionsvolumens. Danach war wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, der zum einen auf Vorzieheffekte bei den privaten Haushalten (Abschaffung der Eigenheimzulage 2006) basierte. Zum anderen erfuhren die Immobilienmärkte einen erheblichen Schub durch den Einstieg internationaler Investoren. Danach wirkte sich die Finanz- und Wirtschaftskrise
18
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
auf die Immobilienwirtschaft negativ aus. Nach einer Phase der Zurückhaltung kehrten die Käufer zuletzt wieder auf den Markt zurück. Im Jahr 2011 betrug der Umsatz rund 170 Mrd. Euro bei über einer Million Kaufverträge, was vor allem auf den Handel mit Wohnimmobilien zurückzuführen war.
3.1.2
Realwirtschaftliche Bedeutung
Im Folgenden wird die realwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft anhand von drei unterschiedlichen Indikatoren dargestellt. Erstens geschieht dies anhand der Betrachtung sowohl der globalen und der deutschen Immobilienbestände als auch des Beitrags der Immobilienbranche zum Volksvermögen. Zweitens kann die Bedeutung durch die jährlichen Bauinvestitionen im Rahmen der Inlandsnachfrage aufgezeigt werden. Drittens wird die Bedeutung anhand des Anteils der Immobilienwirtschaft an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung sowie bei den Unternehmen und bei der Beschäftigung dargestellt. Immobilien als Teil des gesamtwirtschaftlichen Vermögens Immobilien sind ein Teil des volkswirtschaftlichen Vermögens, das u.a. als Kapitalgüter im Produktionsprozess eingesetzt werden kann oder als Anlagegut dient. In unterschiedlichen Statistiken werden die globalen und nationalen Immobilienbestände erfasst und somit deren gesamtwirtschaftliche Bedeutung dokumentiert. Die globalen gewerblichen Immobilien-Investmentbestände wurden für das Jahr 2011 von der DTZ auf 31,2 Bio. USD geschätzt (vgl. DTZ, 2012). Dies geschah zum Teil auf der Grundlage nationaler Statistiken und zum Teil auf Basis von Schätzungen, in denen das Immobilienvermögen in Bezug zur Höhe des Bruttoinlandsprodukts gesetzt wurde. Jeweils rund 30 v.H. des Immobilien-Investmentbestandes befanden sich in Europa und Nordamerika sowie rund 40 v.H. in Asien.
in v.H.
USA 29%
Rest Welt 33%
Australien 4% Deutschland 4%
Abb. 3.3:
Frankreich 4%
Großbritannien 4%
China 11%
Globaler Immobilien-Investmentbestand; Quelle: DTZ, 2012, S. 4
Japan 11%
3.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft
19
Der gesamte Immobilien-Investmentbestand (siehe Abbildung 3.3) setzt sich aus drei Teilen zusammen. Ein Teil ist nicht-investierbarer, da er von den Eigentümern selbst genutzt wird. Dieser Bestand ist für Investoren wegen der Nutzungsart oder der Qualität der Immobilien nicht verfügbar. Weltweit ist dies ca. ein Drittel und in Europa knapp ein Fünftel des gesamten Bestandes. Ein zweiter Teil ist zwar potenziell für Investoren geeignet, befindet sich aber aktuell noch im Eigentum der Nutzer. Grundsätzlich wären diese Immobilien aufgrund der Nutzungsart und der Immobilienqualität eine geeignete Investmentmöglichkeit. Das größte Potenzial liegt hier in Europa, wo noch gut ein Drittel des Bestandes dieser Kategorie zugeordnet wird, global ist dies nur ein Viertel des Bestandes. Ein dritter Teil ist der investierte Bestand, d.h. die Immobilien, die sich in den Händen von gewerblichen Investoren befinden. In Europa sind das ca. 4,5 Bio USD sowie in Nordamerika und Asien jeweils knapp 4 Bio. USD. Der investierte Immobilienbestand wies eine sehr dynamische Entwicklung vor allem in der Mitte des letzten Jahrzehnts auf. Noch im Jahr 2000 betrug der Wert der investierten Immobilien nur 5 Bio. USD und im Jahr 2011 schon über 12,1 Bio. USD. Der gesamte Immobilienbestand in Deutschland wird in der amtlichen Statistik im Rahmen der Vermögensrechnung nur teilweise erfasst. Die Daten beziehen sich im Wesentlichen auf den Bestand an Wohnimmobilien sowie auf das Anlagevermögen, das im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ermittelt wird. In der VGR werden die produzierten Vermögensgüter erfasst und als Kapitalstock bzw. Volksvermögen ausgewiesen. Aufgrund der Neuinvestitionen und der Abschreibungen aufgrund unterstellter Nutzungsdauer wird der Vermögenswert laufend fortgeschrieben. Dabei wird zwischen dem Bruttound Nettoanlagevermögen unterschieden. Beim Bruttoanlagevermögen werden die Anlagen zu ihrem Neuwert – ohne Berücksichtigung von Wertminderungen – dargestellt, während beim Nettoanlagevermögen die aufgelaufenen Abschreibungen abgezogen werden. Im Jahr 2011 belief sich das Bruttoanlagevermögen von Bauten (Bauten-Kapitalbestand) auf 11,8 Bio. Euro und war damit preisbereinigt knapp 8 v.H. höher als 2005. Das Nettoanlagevermögen betrug gut 8,15 Bio. Euro. Die Wohn- und Nichtwohn-Bauten hatten dabei einen Wert von 7,1 Bio. Euro und mit rund 85 v.H. des gesamten Nettoanlagevermögens einen herausragenden Anteil am deutschen Anlagevermögen. Der Rest des Anlagevermögens entfiel auf Ausrüstungen und immaterielle Anlagegüter wie z.B. Software. Bebaute Grundstücke und Bodenflächen werden als „nichtproduziertes Vermögensgut“ in der VGR nicht im Anlagevermögen erfasst. In der VGR entfallen vom Bauten-Nettoanlagevermögen rund 60 v.H. auf Wohnbauten und gut 40 v.H. auf Gewerbe- und Infrastrukturbauten. Aufgrund der langen Lebensdauer von Immobilien ist der Anteil der Bauten im Zeitverlauf relativ konstant.
20
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes in v.H. Industrie- und Gewerbeflächen 24%
Hotel 2% Einzelhandel 9%
Abb. 3.4:
öffentliche und gewerbliche Wohnungsbestände 50%
Büroflächen 15%
Immobilienbestand in Deutschland; Quelle: Bulwien, 2011, Folie 4
Eine detailliertere, aber zu anderen Ergebnissen kommende Aufstellung des Immobilienvermögens erfolgt in der Schätzung des Immobilienbestandes durch die BulwienGesa AG aus dem Jahr 2011. Nach Abbildung 3.4 gibt es in Deutschland einen Immobilienbestand in Höhe von 8,7 Bio. Euro, der sich wie folgt auf die einzelnen Objektarten aufteilt. Der größte Anteil des Bestandes entfällt auf Wohnungen, die sich im Besitz entweder der privaten Haushalte (ca. 17,5 Mio. Wohneinheiten mit einem Wert von jeweils rund 236.000 Euro) oder von Unternehmen bzw. der öffentlichen Hand (ca. 22,5 Mio. Wohneinheiten mit einem Wert von jeweils rund 100.000 Euro) befinden. Der Wert der Büro- und Einzelhandelsimmobilien wird unter der Annahme einer durchschnittlichen Miete (Büro: 10 Euro/m²; Einzelhandel: 20 Euro/m²) und einer Rendite von jeweils 7 v.H. berechnet. Darüber hinaus werden Hotels sowie Industrie- und Gewerbeflächen berücksichtigt, so dass die Gewerbeimmobilien insgesamt einen Wert von rund 2,3 Billionen Euro aufweisen. Auch in der amtlichen Vermögensbilanz des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Bundesbank werden Immobilien als Vermögensbestandteil des Wirtschaftssektors Private Haushalte berücksichtigt. Bei den privaten Haushalten haben Immobilien einen bedeutenden Anteil am gesamten Privatvermögen. Von dem Gesamtvermögen in Höhe von knapp 10,9 Bio. Euro entfallen rund 55 v.H. auf Immobilien (einschließlich Bauland) und der Rest auf Geldvermögen wie Einlagen oder Wertpapiere. Der von institutionellen Anbietern gehaltene Immobilien-Investmentbestand in Deutschland wurde im Jahr 2010 auf rund 420 Mrd. Euro geschätzt. Die folgende Abbildung 3.5 zeigt die Aufteilung des Investmentbestandes auf die unterschiedlichen gewerblichen Investorengruppen.
3.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft
Ausländische Investoren ca. 110 Mrd. Euro
Immobilien-AGen ca. 15 Mrd. Euro
Immobilien-Leasing ca. 90 Mrd. Euro
21%
26%
4% 8%
Versicherungen und Pensionskassen ca. 35 Mrd. Euro
4%
Immobilien-Spezialfonds ca. 15 Mrd. Euro (+ 15 Mrd. Euro im Ausland) Abb. 3.5:
21
31% 6%
Offene ImmobilienPublikumsfonds ca. 25 Mrd. Euro (+ 60 Mrd. Euro im Ausland)
Geschlossene Immobilienfonds; ca. 130 Mrd. Euro (200 Mrd. Euro, davon ca. 40 Mrd. Euro im Ausland ./. 20 % „weiche“ Kosten)
Immobilienbestand institutioneller Investoren; Quelle: Bulwien, 2011, Folie 17
Der gesamtwirtschaftliche Beitrag der Immobilienwirtschaft Neben diesen Bestandsgrößen aus der Vermögensrechnung kann die Bedeutung der Immobilienwirtschaft auch anhand verschiedener Stromgrößen gemessen werden, hierzu zählen u.a. die Daten über die Bauinvestitionen. Die Bauinvestitionen werden wie in Abbildung 3.6 untergliedert in Wohnbauten und Nicht-Wohnbauten und die letzteren wieder in Hoch- und Tiefbau. Weitere Differenzierungen sind möglich nach Wohnbauten, öffentlichen und gewerblichen Bauten. Jährlich werden seit Mitte der 1990er Jahre über 200 Mrd. Euro (2010: über 230 Mrd. Euro) in den Bau von Immobilien investiert, was mehr als die Hälfte der gesamten Bruttoanlageinvestitionen in Deutschland ausmacht. Von den Bauinvestitionen entfallen wiederum derzeit gut 55 v.H. auf Wohnbauten und der Rest auf Nichtwohnbauten (u.a. Gewerbeimmobilien). 300
in Mrd. Euro
250 200 150 100 50 0 1991
1993
1995
1997
1999
Wohnbauten Abb. 3.6:
2001
2003
2005
2007
Nichtwohnbauten
Nominale Bauinvestitionen in Deutschland; Quelle: Statistisches Bundesamt
2009
2011
22
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Aufgrund des Baubooms nach der Wiedervereinigung stiegen die Bauinvestitionen zunächst an und waren seit Mitte der 1990er Jahre rückläufig. Auch der Anteil der Bauinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt wuchs zunächst, ging danach aber zurück. Der Anteil sank von 14,5 v.H. (1996) auf knapp 9 v.H. Mitte des letzten Jahrzehnts. Erst seit dem Jahr 2005 ist eine Umkehr zu verzeichnen; die Bauinvestitionen sind seitdem wieder um mehr als 15 v.H. angestiegen und auch der Anteil am BIP stieg auf rund 9,5 v.H. (2011). Für die Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung ist die jährliche Wertschöpfung einer Branche eine wichtige Größe. Die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens oder einer Branche ergibt sich durch den Wert aller hergestellten Waren und Dienstleistungen abzüglich der verbrauchten Vorleistungen. In der folgenden Abbildung 3.7 wird die Wertschöpfung für die verschiedenen Abgrenzungen der Immobilienwirtschaft dargestellt (siehe Kapitel 2.3).
500
in Mrd. Euro
in v.H.
25
400
20
300
15
200
10
100
5
0
0 1991
Abb. 3.7:
1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 Immobilienwirtschaft i.w.S. in Mrd. Euro Immobilienwirtschaft i.e.S. in Mrd. Euro Immobilienwirtschaft i.w.S. als Anteil an der vwl. Bruttowertschöpfung Immobilienwirtschaft i.e.S. als Anteil an der vwl. Bruttowertschöpfung
2011
Bruttowertschöpfung; Quelle: Statistisches Bundesamt; IW-Institut und ZEW Mannheim, 2009
Für die Immobilienwirtschaft i.e.S. nahm die Bruttowertschöpfung seit der Wiedervereinigung kontinuierlich zu. Von 122 Mrd. stieg die nominale Wertschöpfung der Branche auf knapp 266 Mrd. Euro (2011) an. Der Anteil des Grundstücks- und Wohnungswesens an der gesamten Bruttowertschöpfung der deutschen Wirtschaft betrug nach der Wiedervereinigung gut 9,0 v.H. und erreichte 2011 ca. 11,5 v.H. Die Bruttowertschöpfung der Branche stieg seit 1991 preisbereinigt um knapp 90 v.H., während die Gesamtwirtschaft in dem gleichen Zeitraum nur ein Plus von 33 v.H. aufwies und das Baugewerbe einen Rückgang von 22 v.H.
3.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft
23
Für die Immobilienwirtschaft i.w.S. wird die Bruttowertschöpfung nach den letzten für das Jahr 2007 verfügbaren Daten auf rund 406 Mrd. Euro und damit fast 19 v.H. der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung geschätzt, wobei den größten Beitrag dabei die Vermieter von Wohn- und Gewerbeimmobilien leisteten. Die Bruttowertschöpfung der Immobilienwirtschaft war in der Vergangenheit deutlichen Schwankungen unterworfen. Hierfür war vor allem die Entwicklung der Bauwirtschaft verantwortlich, die in den letzten Jahren deutlich rückläufig war und zusätzlich stark schwankte. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft kann zudem anhand weiterer Indikatoren wie die Anzahl der Unternehmen oder die Beschäftigung dargestellt werden. Auch hier wiederum erfolgt die Darstellung jeweils für die Immobilienwirtschaft i.e.S. sowie für die Immobilienwirtschaft i.w.S. Für die Immobilienwirtschaft i.e.S. waren im Jahr 1991 rund 125.000 Unternehmen tätig. Die Branche ist geprägt durch überwiegend kleine und mittlere Unternehmen. In den Jahren danach stieg die Zahl unter größeren Schwankungen auf knapp 175.000 im Jahr 2010. Die Unternehmen hatten durchschnittlich drei Mitarbeiter und nur rund 200 Unternehmen hatten mehr als 100 Beschäftigte. Gut 2 v.H. der Unternehmen der Branche entfiel auf die Teilbranche „Kauf und Verkauf von eigenen Immobilien WZ-Nr. 68.1“ und knapp 20 v.H. auf den Bereich „Vermittlung und Verwaltung von Immobilien für Dritte WZ-Nr. 68.3“. Einen ähnlichen Entwicklungstrend gab es auch bei der Beschäftigung. Diese wies ebenfalls eine hohe Volatilität auf und letztlich waren im Jahr 2010 gut 440.000 Beschäftigte im Grundstücksund Wohnungswesen tätig. Der größte Anteil der Erwerbstätigen war in dem Bereich „Vermietung, Verpachtung von eigenen oder geleasten Immobilien WZ-Nr. 68.2“ mit einem Anteil von rund 65 v.H. beschäftigt. Die Immobilienwirtschaft i.w.S. stellt nach der Studie „Wirtschaftsfaktor Immobilien“ des IW-Instituts und des ZEW einen der größten, aber auch recht kleinteiligen Wirtschaftszweig in Deutschland im Jahr 2007 dar. Zur Immobilienwirtschaft zählten über 700.000 Unternehmen mit einem Anteil von rund 22 v.H. an den Unternehmen in Deutschland. Besonders viele Unternehmen kamen allerdings aus der Bauwirtschaft. Dabei arbeiteten knapp 4 Mio. Erwerbstätige in der Immobilienwirtschaft i.w.S., was einen Anteil an der Volkswirtschaft in Höhe von 10 v.H. bedeutete. Rund 58 v.H. der Beschäftigten waren in der Bauwirtschaft und weitere 20 v.H. in der Gebäudereinigung tätig. Nach dieser Studie war die Immobilienwirtschaft i.w.S. einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland (siehe Tabelle 3.1). Einzig im Verarbeitenden Gewerbe (Industrie) war die Bruttowertschöpfung noch höher als in der Immobilienwirtschaft. Bei der Anzahl der Beschäftigten war die Immobilienwirtschaft sogar größer als der Handel. Weiterhin waren rund 23 v.H. aller Unternehmen in der Immobilienwirtschaft tätig, erwirtschafteten jedoch nur 8 v.H. des Umsatzes.
24 Tab. 3.1:
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes Immobilienwirtschaft i.w.S.; Quelle: IW-Instituts und ZEW, 2009, S. 56
Architekten und Ingenieure Bauindustrie Banken Vermittler und Verwalter Vermieter Immobilienfonds sonstige Immobilienwirtschaft Gesamtwirtschaft Anteil Immobilienwirtschaft
3.1.3
Anzahl Unternehmen 70.555
Umsätze in Mio. Euro 16.897
Erwerbstätige 178.000
336.131 2.088 51.015
205.075 27.575
2.226.000 197.000 146.400
198.733 1.888 46.955 707.365 3.099.493 22,8
89.176 10.474 34.635 383.832 4.930.000 7,8
232.300 4.130 846.100 3.829.930 39.097.000 9,8
Finanzwirtschaftliche Bedeutung
Die finanzwirtschaftliche Bedeutung des Immobiliensektors für die Volkswirtschaft in Deutschland soll im Folgenden anhand der von durch die Banken an den Immobiliensektor vergebenen Kredite beurteilt werden. Die Immobilienwirtschaft hat laut den Statistiken der Deutschen Bundesbank für die Kreditwirtschaft eine hohe Bedeutung. Im Jahr 2011 entfielen von sämtlichen Krediten an inländische Unternehmen und Privatpersonen in Höhe von ca. 2,3 Bio. Euro rund 1,1 Bio. Euro auf Wohnungsbaukredite. Diese Kredite werden sowohl für den Neubau als auch für den Bestand (Kauf oder Modernisierung) verwendet. Hinzu kommen Kredite an Wohnungsunternehmen in Höhe von rund 180 Mrd. Euro, deren Bestand in den letzten Jahren relativ konstant geblieben ist. Ebenso mittelfristig konstant waren die Kredite an das sonstige Grundstückswesen in ungefähr der gleichen Höhe. Für die Gewerbeimmobilienfinanzierung weist die Bundesbank einen Darlehensbestand im Inland von gut 250 Mrd. Euro aus. Dabei stieg der Bestand gegenüber 2001 um über 15 v.H., seit 2005 ist aber eine Stagnation festzustellen. Die Hypothekenbanken als Mitglied des Verbandes vdp haben daran einen Anteil von ca. der Hälfte. Deren Darlehensbestand hat sich gegenüber 2001 um ungefähr die Hälfte erhöht, was aber auch auf eine steigende Mitgliederzahl zurückzuführen ist. Auch hier zeigte sich der Immobilienboom in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
350.000 300.000
25
in Mio. Euro
250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 2000
2001
2002
2003
2004
2005
Darlehenszusagen Inland Darlehensbestand Inland Abb. 3.8:
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Darlehenszusagen Ausland Darlehensbestand Ausland
Aggregierte Darlehensbestände und -zusagen der Hypothekenbanken; Quelle: vdp Jahresbilanzen
Bei den Auslandskrediten zeigt sich die Internationalisierung der Immobilienmärkte (siehe Kapitel 6.1). Bis zum Jahr 2009 kam es im vergangenen Jahrzehnt zu einem drastischen Anstieg der Bestände im Ausland. Entsprechend verliefen die Zusagen der Kreditinstitute für Gewerbeimmobilien im In- und Ausland. Auch hier zeigten sich die Auswirkungen des Booms zur Mitte des letzten Jahrzehnts und der anschließende Rückzug der Banken aus der Immobilienfinanzierung vor allem im Ausland. Die Abbildung 3.8 zeigt jeweils aggregiert sowohl die Bestände als auch die Zusagen im In- und Ausland. Im Jahr 2011 betrugen die Darlehenszusagen im Inland 24 Mrd. Euro und im Ausland knapp 22 Mrd. Euro, was insgesamt zu einem Darlehensbestand im Inland in Höhe von 154 Mrd. Euro und von 143 Mrd. Euro im Ausland führte.
3.2
Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
Die theoretisch orientierte Makroökonomik betrachtet die Volkswirtschaft als Ganzes und analysiert die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten der Wirtschaftssektoren sowie das Wirtschaftsgeschehen in seiner Gesamtheit. Die Volkswirtschaft oder Makroökonomie lässt sich in drei Bereiche einteilen: in einen öffentlichen, einen realen und einen monetären Sektor. Zum öffentlichen Sektor bzw. Staat zählen alle Bereiche, die mit dem staatlichen Handeln zu tun haben. Der Staat setzt der Volkswirtschaft und auch der Immobilienwirtschaft den politischen und rechtlichen Rahmen, greift aber auch selbst in das Marktgeschehen ein. So determiniert der Staat sowohl direkt als auch indirekt das Geschehen auf den Immobilienmärkten. Der reale Sektor einer Volkswirtschaft umfasst die Bereiche der Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Die Realwirtschaft beeinflusst den Immobilienmarkt: den Vermietungsmarkt direkt und eher indirekt die Investmentmärkte. Ausgangspunkt vieler immobilienwirtschaftlicher Fragestellungen und wichtigster Indikator des realen Sektors ist das Bruttoinlandsprodukt.
26
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Der monetäre Sektor umfasst alle Märkte, auf denen Kapital gehandelt wird. Im realen Sektor ist Kapital einer der Produktionsfaktoren, während es sich in diesem Kapitel bei „Kapital“ um Liquidität bzw. finanzielle Mittel handelt. Der Handel mit Geld, Kapital und Devisen wird zum einen vom Immobilienmarkt beeinflusst, und zum anderen wirken sich die Ergebnisse dieser Märkte auf die Immobilienwirtschaft aus. Vom monetären Sektor kommt die Liquidität für immobilienwirtschaftliche Aktivitäten und monetäre Indikatoren wie Inflation, Zinsen und Wechselkurse haben Auswirkungen auf die Wertentwicklung und auch die Nutzungsmöglichkeiten der Immobilien. Somit beeinflusst der monetäre Sektor direkt den Investmentmarkt und eher indirekt die Vermietungsmärkte. Schließlich wird zukünftig die Immobilienwirtschaft auf der einen Seite durch die demografischen Faktoren und auf der anderen Seite durch die Umsetzung der Ziele der Nachhaltigkeit („Sustainable Development“) wesentlich geprägt. Diese Faktoren werden einen, sicherlich zukünftig noch zunehmenden, Einfluss auf die Entwicklung der Immobilienmärkte nehmen und sollen hier daher abschließend in den Kapiteln 3.2.4 und 3.2.5 analysiert werden.
3.2.1
Staat und Immobilienmärkte
Auf die Immobilienmärkte und das Marktgeschehen wirkt der Staat durch seine Aktivitäten auf verschiedene Weise ein. Dies ist darauf zurückzuführen, dass aufgrund der Eigenschaft von (Wohn-)Immobilien als lebensnotwendiges Gut und zugleich ihrer Bedeutung für das Wachstum einer Wirtschaft der Immobilienmarkt für den Staat eine besondere Bedeutung hat. Staatseingriffe werden auch deshalb als notwendig angesehen, da sich das Angebot auf den Immobilienmärkten aufgrund der langen Planungs- und Bauzeiten nur langsam an veränderte Nachfragebedingungen anpasst. Außerdem ist das Angebot relativ stark konjunkturreagibel, da eine hohe Zins- und Einkommensabhängigkeit vorliegt. Letztlich ist das Angebot immobil, so dass Anpassungen nur schwerlich möglich sind. Der Staat hat daher weitere Gründe für sein Eingreifen, um die entstandenen Marktungleichgewichte zu reduzieren. Für die Interventionen stehen dem Staat grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung. Auf der einen Seite werden vom Staat durch die Ordnungspolitik Rahmenbedingungen für die Akteure des Immobilienmarktes gesetzt. Auf der anderen Seite greift der Staat auch selbst durch die Prozesspolitik in das Marktgeschehen ein. Insgesamt wird der Markt durch staatliche Aktivitäten viel stärker beeinflusst als durch viele andere Faktoren. Ordnungspolitik Die Aufgabe des Staates ist es, mit Hilfe der Ordnungspolitik für die Akteure der Immobilienwirtschaft einen verlässlichen Rahmen mit Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen. Diese besteht u.a. in der Festlegung der Rechtsvorschriften und deren Überwachung. Durch die ordnungspolitischen Maßnahmen wird der Rahmen geschaffen, innerhalb dessen dann die prozesspolitischen Instrumente eingesetzt werden können. Die Ordnungspolitik umfasst u.a. sowohl die grundlegenden Wirtschaftsgesetze als auch gesetzliche Regelungen bei der Wettbewerbspolitik, Währungs- und Geldpolitik.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
27
Ordnungspolitik Summe aller rechtlich-organisatorischen Maßnahmen, durch die der Staat über eine entsprechende Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung die längerfristigen Rahmenbedingungen setzt. Ein funktionierendes Rechtssystem mit hoher Rechtssicherheit und -stabilität ist die grundlegende Voraussetzung für funktionsfähige Immobilienmärkte. Der Rechtsrahmen und die Rechtssicherheit haben für die Akteure des Immobilienmarktes eine überragende Bedeutung. Da die Immobilieninvestoren die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in ihren Entscheidungsprozessen berücksichtigen und ihre Anlage in Immobilien vorwiegend als langfristige Investition sehen, ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen auch langfristig bestehen bleiben. Durch Gesetze soll langfristige Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer geschaffen werden, was sowohl für die Vermietungs- als auch für den Investmentmärkte gilt. Im Detail betreffen dies u.a. einheitliche und klare steuerliche Regelungen, Vertragsusancen oder Fördermöglichkeiten. Wesentliche Gesetze betreffen die Eigentumsrechte an Grund und Boden, die garantiert und gewährleistet sein müssen. Dies betrifft Regelungen über den Besitz und den Transfer von Eigentumsrechten. Der freie Erwerb von Grundstücken und Immobilien durch Investoren bildet eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Immobilien-Investment- und Vermietungsmärkte. Einen weiteren Bereich des rechtlichen Rahmens stellt das staatliche Planungsrecht dar, das im Sinne von stadt- und regionalentwicklungsstrategischen Zielen eingesetzt wird. Das Planungsrecht regelt u.a. die Möglichkeiten der Bebauung von Grundstücken. Dabei obliegt die Planungshoheit zunächst der Gemeinde, aber erfolgt auch auf der Regional- oder Landesebene. Die staatliche Planungshoheit steht grundsätzlich im Widerspruch zur Eigentumsfreiheit. Die Grundstückseigentümer können in diesen Fällen nicht frei entscheiden, sondern die Interessen des Staates überwiegen. Dabei ist das Planungsrecht jedoch auch kritisch zu betrachten, da hiermit teilweise eine Wettbewerbsbeschränkung verbunden ist. So werden beispielsweise die Anliegen von Investoren zur Ausweisung neuer Einzelhandelsflächen mit dem Hinweis auf den bereits bestehenden Einzelhandel in der Innenstadt abgewiesen. Damit wird jedoch letztlich der Wettbewerb zu Lasten insbesondere des großflächigen Einzelhandels eingeschränkt. Ein freier Kapitalverkehr ist eine weitere wichtige Voraussetzung für (internationale) Immobilieninvestments. Für Transaktionen auf internationalen Märkten muss gewährleistet sein, dass Kapital uneingeschränkt in ein Land kommen und auch wieder abfließen kann. Ein weiterer für die Immobilienwirtschaft wichtiger Bereich ist das Mietrecht, das auch die Nutzung des Eigentums beschränkt. Es ist unbestritten, dass ein gewisses Maß an Mieterschutz notwendig ist, um die Marktmacht des Vermieters zu begrenzen. Je nach Wohnungsart sind die Regeln zu der Höhe der zulässigen Miete sowie die einzelnen Mieterhöhungsmöglichkeiten unterschiedlich. Bei Neuvermietungen gibt es hingegen bislang keine gesetzlichen Regelungen. Wichtige Rahmenbedingungen für die Immobilien-Investmentmärkte werden ebenso vom Staat festgelegt. Neue Regelungen werden sich für die Banken durch Basel III ergeben, wobei durch dieses Reformpaket eine ausreichende Kapitalausstattung und Liquidität des Ban-
28
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
kensektors sichergestellt werden soll. Für die Versicherungswirtschaft soll entsprechend durch Solvency II eine Reform des Versicherungsaufsichtsrechts in Europa erreicht werden. Dadurch entstehen für die Finanzinstitutionen neue Rahmenbedingungen, die sie bei ihrem unternehmerischen Handeln zu beachten haben. Über die konkrete Ausgestaltung der Ordnungspolitik, die für Rechts- und Planungssicherheit sorgt, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Dies ist nicht zuletzt auf unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstellungen zurückzuführen und darauf, dass politische Prozesse von unterschiedlichen Interessengruppen beeinflusst werden. Prozesspolitik In Deutschland greift der Staat durch die Prozesspolitik in das Geschehen auf den Immobilienmärkten ein. Die Prozesspolitik ist der Teil der Wirtschaftspolitik, bei der der Staat direkt die Wirtschaftsprozesse beeinflusst, um u.a. die Wirtschaft zu stabilisieren oder Wirtschaftswachstum zu fördern. Die Prozesspolitik umfasst somit die Konjunktur-, Wachstums- und Strukturpolitik sowie weiterhin die Sozial- und Verteilungspolitik zur Korrektur der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Prozesspolitik Die Prozesspolitik umfasst die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs durch den Staat. Die Prozesspolitik als Konjunktur- oder Stabilisierungspolitik hat sich nicht zuletzt bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise als notwendig erwiesen. Die Strukturpolitik als eine Form der Prozesspolitik konzentriert sich darauf, Unternehmen und Arbeitnehmern die Anpassung an den wirtschaftlichen Strukturwandel zu erleichtern und erforderliche Infrastrukturen bereitzustellen. Aus wirtschaftspolitischen und sozialen Gründen kann die Erhaltung bestimmter Strukturen notwendig sein (z.B. Landwirtschaft, Stahl). Die Sozialpolitik ist ein weiterer wichtiger Teil der Prozesspolitik und zeigt sich beispielsweise in der staatlichen Wohnungspolitik. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Wohnen ein lebensnotwendiges Bedürfnis und ein nicht-substituierbares Gut ist. Aus sozialen Gründen soll den Haushalten ein angemessener Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen. Prozesspolitik kann auch als Eingriff des Staates in den mikroökonomischen Marktprozess interpretiert werden. Der Staat wirkt auf die Immobilienmärkte auf sehr unterschiedliche Weise ein. Er ist einer der Nachfrager und gleichzeitig Eigentümer von Immobilien (z.B. Wohnungen). Der Staat kann einerseits sowohl das Angebot als auch die Nachfrage beeinflussen, wofür ihm zahlreiche Mittel zur Verfügung stehen. Zur Beeinflussung der Immobiliennachfrage werden direkte oder indirekte Transfers an die privaten Haushalte bzw. Subventionen an die Unternehmen gezahlt oder steuerliche Vorteile (z.B. Gewährung von Sonderabschreibungen oder Förderprogramme) gewährt. Ein Beispiel für derartige Maßnahmen der Förderung ist z.B. der Wohn-Riester. Die Maßnahmen können die private Nachfrage fördern oder auch die Investitionsnachfrage stärken. Daneben existieren aber auch Eingriffe, die die Transaktions- und Unterhaltungskosten erhöhen und damit eher dämpfend auf die Nachfrage wirken können. Als Beispiele seien die Verpflichtung zur notariellen Beurkundung bei Immobiliengeschäften oder die Belastung des Immobilienbesitzes mit Grundsteuern in Deutschland genannt.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
29
Die Angebotsbedingungen werden in Deutschland ebenfalls spürbar vom Staat beeinflusst. Um die Angebotsseite zu steuern, werden Subventionen gewährt, Steuern erhoben oder ein staatliches Angebot, vor allem im Wohnungsbereich, geschaffen. Der Staat ist selbst Marktteilnehmer und stellt etwa Immobilien zur Eigennutzung oder Infrastruktur als Vorleistung für die private Leistungserstellung bereit. Der Staat hat ein darüber hinaus gehendes Interesse an der Entwicklung des Immobilienangebotes, was beispielsweise durch den Ausweis von neuem Bauland geschieht. Durch das Instrument der Subventionierung nimmt er ebenfalls Einfluss auf die Entscheidung der Anbieter. Wichtiges Betätigungsfeld ist hierbei der soziale Wohnungsbau, der eine ausreichende Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherstellen soll. Daneben verursacht der Staat durch gesetzliche Vorgaben und Genehmigungsverfahren Bürokratiekosten, welche die Angebotsseite belasten. Durch Ge- oder Verbote (z.B. Bauvorschriften) verteuert sich das Immobilienangebot und trägt seinen Teil zur Inflexibilität der Angebotsseite im Immobilienzyklus bei. Ein weiterer Eingriff seitens des Staates erfolgt direkt auf das Marktgeschehen, so durch Mindestpreise oder durch Höchstpreise (siehe Kapitel 4.3.2). Die Durchführung von Mieterhöhungen auf dem Wohnungsmarkt unterliegt außerdem in vielen Marktbereichen staatlich regulierten Prozessen.
3.2.2
Der reale Sektor und Immobilienmärkte
In dem realen Sektor einer Volkswirtschaft (auch Realwirtschaft oder realwirtschaftlicher Sektor genannt) erfolgt die gesamtwirtschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Das ökonomische Leistungsniveau und die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkswirtschaft ist der realwirtschaftliche Rahmen, innerhalb dessen sich das Marktgeschehen auf den Immobilienmärkten vollzieht. Sie beeinflussen direkt und/oder indirekt sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsbedingungen und somit die Mieten und Werte von Immobilien. Die Wirtschaftsleistung sowie die wirtschaftliche Entwicklung des realen Sektors werden gemessen anhand des zentralen ökonomischen Indikators Bruttoinlandsprodukt (BIP), der im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ermittelt wird. Bruttoinlandsprodukt als Maßstab Den Ausgangspunkt für die Berechnung der verschiedenen BIP-Begriffe bildet der (Brutto-) Produktionswert einer Volkswirtschaft. Der gesamte Umsatzwert einer Volkswirtschaft ergibt sich, indem die produzierte Menge der Güter und Dienstleistungen mit dem jeweiligen Marktpreis multipliziert wird. Dieser Wert wird Produktionswert genannt, gelegentlich auch Bruttoproduktionswert. Werden die Produktionswerte aller Sektoren addiert, so ergibt sich der Produktionswert der gesamten Volkswirtschaft. Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden die Vorleistungen abgezogen. Vorleistungen sind die von anderen Sektoren in der gleichen Periode produzierten und bereitgestellten Güter, die im Produktionsprozess anderer Sektoren eingesetzt werden. Zur Verdeutlichung der BIP-Berechnung kann beispielsweise der Werdegang einer Immobilie in einem dreistufigen Produktions- oder Wertschöpfungsprozess dargestellt werden. Unter der vereinfachten Annahme, dass Kies und Beton die einzigen Rohstoffe bei der Immobilienerstellung sind, ergibt sich die folgende Darstellung in der Abbildung 3.9.
30
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes Kieswerk Wertschöpfung I
Kies
Betonwerk Vorleistung I
Bauunternehmen
Beton
Wertschöpfung II
Vorleistung II Immobilie Wertschöpfung III
Abb. 3.9:
Wertschöpfungsprozess; Quelle: eigene Darstellung
In einem Kieswerk wird ohne Vorleistungen eine bestimmte Menge Kies produziert. Bei der Produktion werden Produktionsfaktoren als Inputs (z.B. Arbeit) eingesetzt. Der wertmäßige Input entspricht auch den Einkommen für die Bereitstellung von Produktionsfaktoren in Form von z.B. Löhnen, Gehältern, Zinsen und Abschreibungen. Diese werden auch Wertschöpfung genannt (hier: Wertschöpfung I). Das Kieswerk verkauft den Kies an das Betonwerk (Vorleistung I), das es in der gleichen Periode unter Hinzufügung von weiteren Inputs (Wertschöpfung II) zu Beton verarbeitet und an das Bauunternehmen weiterverkauft (Vorleistung II). Das Bauunternehmen wiederum verarbeitet den Beton unter Hinzufügung weiterer Inputs (Wertschöpfung III) und erstellt daraus eine Immobilie und verkauft diese. Werden modellhaft die drei Unternehmen zu der gesamten Volkswirtschaft aggregiert, so ergibt sich folgendes Bild in Abbildung 3.10.
Gesamte Volkswirtschaft Vorleistung I
Kies
Vorleistung II
Beton
Wertschöpfung I WertschöpfungsInput
Wertschöpfung II
Immobilie
Wertschöpfung III
Abb. 3.10:
Endprodukte
Bruttoproduktionswert
VorleistungsInput
Wertschöpfung der Volkswirtschaft; Quelle: eigene Darstellung
Der Produktionswert ist der Wert aller in einer Periode hergestellten Güter und Dienstleistungen incl. der Vorleistungen. Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden die Vorleistungen (incl. importierter Vorleistungen) vom Produktionswert abgezogen. So ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt, was auf der Inputseite der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
31
entspricht. Diese Größe ist ein geeigneter Maßstab zur Beurteilung der inländischen Produktions- und Einkommensentwicklung. Bruttoinlandsprodukt Das Bruttoinlandsprodukt ist der Gesamtwert aller in einem bestimmten Zeitraum in den geografischen Grenzen einer Volkswirtschaft erstellten Waren und Dienstleistungen, bewertet mit ihren Marktpreisen.
20,0 in v.H.
2.500 in Mrd. Euro 2.000
15,0
1.500
10,0
1.000
5,0
500
0,0 -5,0
0 1991
1993
1995
1997
1999
BIP, real in Mrd. Euro Abb. 3.11:
2001
2003
2005
2007
2009
2011
BIP-Wachstum gg. Vorjahr in v.H.
Bruttoinlandsprodukt in Deutschland; Quelle: Statistische Bundesamt
Das Bruttoinlandsprodukt misst den Wert aller Sachgüter und Dienstleistungen, die im Inland erzeugt werden, soweit sie nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Güter verwendet werden. In der Abbildung 3.11 ist die Entwicklung des BIP in Deutschland dargestellt; bis auf zwei Jahre ist die Wachstumsrate des BIP stets positiv. Das BIP ist der beste Gradmesser für die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und auch der Wohlstandsmaßstab einer Volkswirtschaft (wenn dieser auch sehr kritisch beurteilt wird). Je höher dieser Wert ist, desto größer ist die Anzahl der verfügbaren Güter und Dienstleistungen. Das BIP ist auch gleich dem Einkommen (= Wertschöpfung), das aus der Produktion entsteht. Das in einer Periode erstellte Angebot an Gütern und Dienstleistungen führt stets in voller Höhe zu Einkommen entweder der Arbeitnehmer, der Unternehmer oder der Vermögenseigentümer. Das BIP kann auf unterschiedliche Art berechnet und ausgewiesen werden. (1) Entstehungsrechnung Aus den Beiträgen der einzelnen Wirtschaftsbranchen und Sektoren wird das gesamtwirtschaftliche Angebot sowie der Beitrag der einzelnen Branchen zum Bruttoinlandsprodukt ermittelt. Derartige Branchen sind Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Handel und Dienstleistungen sowie auch die Immobilienwirtschaft. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft wird im Kapitel 3.1.2 analysiert.
32
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
(2) Verwendungsrechnung Das Bruttoinlandsprodukt kann für unterschiedliche Nachfragezwecke verwendet werden. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage setzt sich aus den Konsumausgaben der privaten Haushalte, Konsumausgaben des Staates, Bruttoinvestitionen und dem Außenbeitrag zusammen. Als Konsumausgaben der privaten Haushalte werden vor allem die Nachfrage bzw. die Käufe inländischer privater Haushalte für Konsumzwecke ebenso wie der Eigenverbrauch der Unternehmen als auch die Ausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (z.B. Parteien) bezeichnet. Zu den Konsumausgaben gehören u.a. auch die Ausgaben der Haushalte für die Wohnungsmiete. Die Konsumausgaben des Staates umfassen den Wert der Güter, die vom Staat selbst produziert und die der Allgemeinheit ohne spezielles Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Hier werden z.B. allgemeine Verwaltungsleistungen oder Sicherheits- und Gesundheitsleistungen erfasst. Die Bruttoinvestitionen setzen sich aus den Investitionen für Ausrüstungen (Maschinen, Fahrzeuge usw.), Bauten (Wohnbauten und Nichtwohnbauten wie Verwaltungsgebäude) und sonstigen Anlagen (u.a. Computersoftware oder Urheberrechte) zusammen. Der Außenbeitrag ergibt sich schließlich aus der Differenz zwischen Exporten und Importen von Gütern und Dienstleistungen. (3) Verteilungsrechnung Die wichtigste Größe für die Verteilungsrechnung ist das Volkseinkommen. Es ist die Summe aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen, die den Inländern letztlich zugeflossen sind. Im Einzelnen besteht es aus den Arbeitnehmerentgelt sowie dem Unternehmer- und Vermögenseinkommen. Das Arbeitnehmerentgelt setzen sich aus der Bruttolohn- und gehaltssumme (u.a. Löhne, Gehälter und Zulagen) und den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber zusammen. Werden die Arbeitnehmerentgelte vom Volkseinkommen abgezogen ergibt sich das Unternehmer- und Vermögenseinkommen als Restgröße. Dieses besteht u.a. aus Zinseinkommen, Dividenden und unverteilten Gewinnen der Unternehmen. Bei der sekundären Einkommensverteilung (Umverteilung) wird von den an die einzelnen Sektoren verteilten Einkommen ausgegangen. Zusätzlich werden die Umverteilungstransaktionen des Staates berücksichtigt, um so das verfügbare Einkommen zu ermitteln. Weiterhin ist die Unterscheidung zwischen realem und nominalem Bruttoinlandsprodukt wichtig. Die Aussagekraft des nominalen BIP ist eingeschränkt, da die Höhe des BIP auch von dem Preisniveau abhängt und so ein höheres nominales BIP allein durch Inflation entstehen kann. Das reale BIP wird hingegen zu konstanten Preisen, d.h. zu Preisen einer Basisperiode berechnet. Das BIP bzw. dessen Veränderung beschreibt damit die Wirtschaftskraft bzw. deren Entwicklung.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
33
Bruttoinlandsprodukt und Immobilienbestand Die Höhe des Bruttoinlandsprodukts dokumentiert den Entwicklungsstand eines Landes und hat Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. Voraussetzung für die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen ist ein entsprechender Immobilienbestand. Immobilien sind zudem wichtiger Bestandteil des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft und somit Indikator für deren Entwicklungsstand. Je größer das Ergebnis der wirtschaftlichen Entwicklung ist, desto höher sind der Immobilienbestand bzw. die Immobilienwerte. In entwickelten Staaten ist daher ein Immobilienmarkt mit einem beachtlichen Marktvolumen zu beobachten. In Entwicklungsoder Schwellenländern ist hingegen der Immobilienmarkt nicht in gleicher Weise entwickelt. Darüber hinaus ergibt sich bei Immobilienmärkten in entwickelten Staaten ein hinreichend großer Ersatzbedarf, der Folge des hohen Bestandes ist und dem realen Sektor weitere Impulse gibt. Im Folgenden wird jeweils für die Welt (siehe Abbildung 3.12) und für Deutschland (Abbildung 3.13) dieser Zusammenhang empirisch dargestellt, wobei es sich jeweils um den bewerteten Immobilienbestand handelt.
12.000
4.000
BIP
Immobilienbestand
9.000
3.000
6.000
2.000
3.000
1.000
Abb. 3.12:
or ea
N
A
K
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BIP in Bio. USD
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0
St ate s
0
Immobilienbestand in Bio. USD
Bruttoinlandsprodukt und Immobilienbestand; Quelle: DTZ, 2012, S. 4
Wie auf der internationalen Ebene bestehen ebenso für Deutschland Berechnungen, die den Immobilienwert und die Höhe des Bruttoinlandsproduktes einer Stadt miteinander vergleichen. Diese Berechnungen für Deutschland stammen von der BulwienGesa AG. Die Städte sind aus Übersichtlichkeitsgründen jeweils mit ihrem Autokennzeichen abgekürzt worden.
34
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
100.000 BIP
250 Immobilienbestand
80.000
200
60.000
150
40.000
100
20.000
50
0
0 B
M
HH
K
F
S
BIP in Mio. Euro Abb. 3.13:
D
H
N
E
Do
HB DU DD
L
Immobilienwert in Mrd. Euro
Bruttoinlandsprodukt und Immobilienbestand in Deutschland; Quelle: Bulwien 2011, Folie 8
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und Immobilienmarktes Neben dem Zusammenhang zwischen der Höhe des Bruttoinlandsprodukts und dem Immobilienbestand hat auch das Wachstum des realen BIP Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. Das Wirtschaftswachstum und damit die Entwicklung des realen Sektors stehen in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Immobilienmärkte. Mit wachsender Produktion, Beschäftigung sowie zunehmenden Einkommen steigt gewöhnlich der Bedarf an Immobilien. Bei den Büroimmobilien hängt die Flächennachfrage von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Wenn die Wirtschaft wächst, dann steigen die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie die Umsätze. Dies wiederum führt zu einem steigenden Bedarf an gewerblichen Flächen. Die Nachfrage nach Büroimmobilien wird primär durch die Anzahl der Bürobeschäftigten bestimmt, die wiederum von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängt. Eine wachsende Wirtschaft ist verbunden mit einer steigenden Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch die Unternehmen. Über längere Zeiträume betrachtet geht Wirtschaftswachstum mit einer deutlichen Erhöhung der Beschäftigung. So wird eine wachsende gesamtwirtschaftliche Nachfrage die Unternehmen veranlassen, mehr zu produzieren, wozu sie mehr Arbeitskräfte benötigen. Insbesondere das Wachstum der Dienstleistungssektoren und der Zahl der in diesen Sektoren Beschäftigten wirken sich auf die Nachfrage nach Büroflächen aus. Ein wichtiger Einflussfaktor sind auch die Gewinne bzw. die Gewinnerwartungen der Unternehmen. Die Investitionsentscheidungen der Unternehmen entwickeln sich aber zeitverzögert zum Konjunkturverlauf. Durch die Investitionen können die Produktionskapazitäten erhöht werden, so dass mehr Arbeitsplätze und Bürofläche entstehen. Wenn dagegen die Wirtschaft schrumpft, sinken die Umsätze und die Unternehmen geben ihre Expansionspläne auf. Dies wirkt sich negativ auf die Nachfrage nach Bürofläche aus.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
35
Weiterhin führt das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts nicht nur zu einer steigenden Nachfrage nach Bürofläche, sondern wirkt sich auch auf den Leerstand und die Mieten aus. Bevor es zu Impulsen für den Bau von Bürofläche kommt, wird eine steigende Nachfrage zu einer Reduktion der bestehenden Leerstände führen. Erst mittel- bis langfristig wird durch Projektentwicklungen das Angebot an Büroflächen durch Neubauten erhöht. Ist die BIPSteigerung nachhaltig, dann ist zu erwarten, dass es aufgrund der höheren Nachfrage mit einem Time-Lag ebenfalls zu einer Mietsteigerung kommen wird.
135 130
1992 = 100
125 120 115 110 105 100 95 1992
1994
1996
reales BIP Abb. 3.14:
1998
2000
Beschäftigung
2002
2004
2006
Bürobeschäftigte
2008
2010
Bürobestand
Bruttoinlandsprodukt und Büroflächen in Deutschland; Quelle: Statistisches Bundesamt, BulwienGesa AG
Die obige Abbildung 3.14 zeigt den gleichlaufenden Verlauf von Bruttoinlandsprodukt, Beschäftigung und Bürofläche. Die Entwicklung des Bürobestandes bezieht sich dabei auf die sieben A-Städte. Eine ähnliche Entwicklung zeigt auch der Büroflächenbestand in den insgesamt 125 Städten, die von der BulwienGesa AG untersucht werden. Für Deutschland insgesamt gibt es keine Daten über das Wachstum der Büroflächen, sondern nur aufgrund des Verlaufs der Bürobeschäftigtenzahl unter Berücksichtigung der Fläche pro Bürobeschäftigten und des Leerstands Schätzungen für einzelne Jahre: z.B. für 2010 rund 410 Mio. m². Die Einzelhandelsflächennachfrage ist ebenfalls abhängig von der konjunkturellen Entwicklung, wenn auch andere Abhängigkeiten bestehen. Die Nachfrage nach Einzelhandelsflächen hängt im Wesentlichen von der Entwicklung der Einkommen der Nachfrager ab. Eine wachsende Wirtschaft ist nicht nur gleichbedeutend mit einer steigenden Produktion von Gütern und Dienstleistungen, sondern auch mit höherer Wertschöpfung und somit höheren Einkommen für die Wirtschaftssubjekte. In den Unternehmerhaushalten erfolgt diese Anpassung üblicherweise unmittelbar und in den Arbeitnehmerhaushalten mit einer Zeitverzögerung. Für den durchschnittlichen Haushalt bedeutet dies, dass generell bei wachsender Produktion auch deren Bruttoeinkommen steigen werden. Das c.p. wachsende Nettoeinkommen, das sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ergibt, kann gespart oder ausgegeben werden. Ein Teil der zusätzlichen Ausgaben wird auch im Einzel-
36
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
handel ausgegeben, so dass von den steigenden Einkommen auch diese Ausgaben der Bevölkerung profitieren werden. Dies führt zu wachsenden Umsätzen im Einzelhandel. Da im Einzelhandel vielfach umsatzabhängige Mieten zwischen Mietern und Eigentümern vereinbart sind, werden sich die Mieteinnahmen entsprechend mit den Umsätzen ausweiten. Weiterhin sind auch positive Effekte bei den Leerständen zu erwarten. Steigende Mieten und Preise für Einzelhandelsobjekte stellen letztlich für Investoren und Projektentwickler einen Anreiz dar, neue Einzelhandelsflächen zu errichten. Die Nachfrage nach Wohnimmobilien wird ebenfalls von der konjunkturellen Entwicklung beeinflusst. Die Wohnflächennachfrage hängt dabei stark von der Einkommensentwicklung ab, aber diesmal die der Haushalte. Eine wachsende Wirtschaft ist identisch mit einer höheren Beschäftigung und steigenden Einkommen für die Haushalte, die auch die Nachfrager nach Wohnungen sind. Kurzfristig ist nur mit einer geringen Änderung des Konsumverhaltens zu rechnen. Falls der Einkommensanstieg dagegen nachhaltig sein sollte, werden die Haushalte als Folge wachsender Einkommen mehr Wohnfläche nachfragen und auch bereit sein, dafür höhere Mieten zu zahlen. Die höhere Nachfrage nach Wohnraum kann sich sowohl quantitativ (Wohnungsgröße) als auch qualitativ (Lage, Ausstattung) auswirken. Hindernisse für eine schnelle Reaktion der Nachfrage sind zum einen die Transaktionskosten wie beispielsweise Umzugskosten und zum anderen auch die Verfügbarkeit von Wohnraum. Auch der Investmentmarkt für Wohnimmobilien kann von dem steigenden Einkommen profitieren. Die Nachfrage nach Immobilien sowohl zur Eigennutzung als auch als Kapitalanlage wird mit wachsenden Einkommen steigen. Zudem nimmt das potenzielle Kreditvolumen für die Immobilienfinanzierung zu, da mit höheren Einkommen die Kreditrestriktionen für die Haushalte seitens der Banken gelockert werden. Durch eine leichtere Immobilienfinanzierung wird die Nachfrage der Haushalte nach Immobilien steigen und c.p. zu höheren Preisen führen. Sind diese Entwicklungen nachhaltig, wird die insgesamt höhere Nachfrage sowohl auf dem Vermietungs- als auch Investmentmarkt zu Impulsen für Investoren und Projektentwicklern führen, neue Wohnungen zu bauen. Konjunkturschwankungen und Immobilienzyklus Das Wachstum einer Volkswirtschaft verläuft nicht gleichmäßig. Vielmehr kommt es immer wieder zu Abweichungen der wirtschaftlichen Aktivität vom langfristigen Trend. In den Volkswirtschaften gibt es zyklische Schwankungen beim Bruttoinlandsprodukt, der Beschäftigung oder der Einkommensentwicklung. In Deutschland ist die wirtschaftliche Entwicklung ebenfalls nicht gleichmäßig verlaufen, sondern sie ist Schwankungen unterworfen, die verschiedene Erscheinungsformen und Ursachen haben. Es existiert auf der einen Seite ein langfristiger Wachstumstrend der Volkswirtschaft, der sich in einer stetigen Aufwärtsbewegung gezeigt hat. Bei den Schwankungen sind unregelmäßige (hervorgerufen durch plötzliche und unvorhergesehene Ereignisse) von regelmäßigeren Schwankungen, die unterschiedliche Längen der Zyklen aufweisen, zu unterscheiden. Regelmäßige Schwankungen (siehe Abbildung 3.15) können erstens saisonaler Art sein, die jährlich mit großer Regelmäßigkeit wiederkehren (z.B. winterliche Bauumsätze) oder zweitens mittelfristige, konjunkturelle Schwankungen, die als typische Phasen in einem Zeitraum von mehreren Jahren in relativ gleicher Reihenfolge auftreten. Drittens gibt es langfristige Schwankungen, die aufgrund bedeutender technischer Entwicklungen entstehen (z.B. Erfindung des Computers).
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
37
Zyklische Wirtschaftsschwankungen
kurzfristige Perspektive = saisonale Schwankungen (während des Jahres) Abb. 3.15:
mittelfristige Perspektive = konjunkturelle Schwankungen (ca. 4 - 7 Jahre)
langfristige Perspektive = langfristige Schwankungen (ca. 50 - 70 Jahre)
Zyklische Wirtschaftsschwankungen; Quelle: eigene Darstellung
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die konjunkturellen Schwankungen, die grafisch dargestellt einer Wellenbewegung gleichen. Die Konjunkturschwankungen können in verschiedene Phasen eingeteilt werden. Den idealtypischen Konjunkturzyklus unterstellt, ergibt sich eine Einteilung in 2 Phasen, Auf- und Abschwung (Rezession), und zwei Wendepunkte, oberen Wendepunkt (Boom) und unteren Wendepunkt (Depression). Die Entwicklung zwischen Beginn der ersten und Ende der letzten Konjunkturphase wird als Konjunkturzyklus bezeichnet. Die Dauer und Intensität (Stärke) der Konjunkturschwankungen können in der Realität sehr unterschiedlich ausfallen. In der Volkswirtschaftslehre existieren verschiedene Theorien für die Erklärung konjunktureller Schwankungen, wobei weitgehende Übereinstimmung darüber herrscht, dass es dafür nicht eine alleinige Erklärung gibt, sondern diese durch die Kombination verschiedener Faktoren entstehen. Die Überinvestitionstheorie sieht die Ursache von Konjunkturschwankungen in dem Investitionsverhalten der Unternehmen. Im Aufschwung orientieren die Unternehmen ihre Investitionen an den steigenden Gewinnen und positiven Absatzerwartungen. Dies kann dann zu einer zu starken Ausweitung der Produktionskapazitäten führen, wenn die Nachfrage nicht mehr Schritt halten kann. Es folgen sinkende Wachstumsraten, die zu niedrigeren Investitionen führen und damit zum Um- und Abschwung. Bei der Unterkonsumtionstheorie wird die Ursache bei den Masseneinkommen (insbesondere Lohneinkommen) gesehen, die sich anders als die gesamtwirtschaftliche Produktion entwickeln. Da die Löhne im Aufschwung zunächst hinter den Gewinneinkommen zurückbleiben, fehlt im Boom die erforderliche Kaufkraft, so dass die Kapazitäten nicht voll ausgelastet werden. Pessimistische Absatzerwartungen der Unternehmen und sinkende Gewinne leiten dann den Abschwung (Rezession) ein. Bei der dritten Theorie erfolgt eine erklärende Beschreibung des Konjunkturverlaufs. Das Ende einer Rezession erfolgt durch eine Erhöhung eines Teils der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Der Nachfrageimpuls kann z.B. durch steigende Exporte, durch staatliche Maßnahmen (z.B. Ausgabenprogramme) oder durch unternehmerische Maßnahmen (neue Produkte oder Produktionsverfahren) erfolgen. Kommt ein Aufschwung in Gang, so wird er durch die folgenden Faktoren verstärkt:
Multiplikatoreffekt: Der Nachfrageimpuls führt zu steigender Produktion, diese zu steigendem Einkommen und damit wieder zu steigender Nachfrage. Akzeleratorprinzip: Die steigende Güterproduktion veranlasst steigende Investitionen, die wiederum zu mehr Beschäftigung und Einkommen führen. Der Multiplikatoreffekt und das Akzeleratorprinzip verstärken sich gegenseitig.
38
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Prozyklisches Verhalten der Wirtschaftssubjekte: Ein Aufschwung führt zu positiven Zukunftserwartungen bei Haushalten und Unternehmen. Sie konsumieren und investieren mehr, was den Aufschwung verstärkt. Umgekehrt erfolgt dies im Abschwung.
Immobilienzyklus Die Immobilienmärkte unterliegen ebenfalls zyklischen Schwankungen. Üblicherweise kann sich kein Immobilienmarkt diesen Zyklen entziehen, auch wenn sich die Dauer und die Stärke der Zyklen auf den regionalen Teilmärkten oder bei den einzelnen Objektarten deutlich unterscheiden können. Die Entwicklung eines Immobilienmarktes ergibt sich aus der Kombination der verschiedenen saisonalen, konjunkturellen und langfristigen Schwankungen sowie den strukturellen Veränderungen. Immobilienzyklen Kurzfristige Schwankungen Mittelfristige bzw. konjunkturelle Schwankungen Langfristige Schwankungen Der Begriff des Immobilienzyklus wird in der Immobilienwirtschaft eher mehrdeutig verwendet. Gewöhnlich werden unter einem Immobilienzyklus wiederkehrende, aber unregelmäßige mittelfristige Bewegungen verstanden, die sich im Verlauf ähneln, aber in den Abschnitten nie gleich sind. Weiterhin werden unterschiedliche Indikatoren verwendet, um einen Immobilienzyklus abzubilden. Immobilienzyklen können beispielsweise als Schwankungen bei den Projektentwicklungen oder Neubauten, beim Bauvolumen oder auf den Miet- und Investmentmärkten auftreten. Indikatoren anhand denen die Zyklen aufgezeigt werden können sind z.B. Miete, Rendite, Leerstand oder Preise. In der folgenden Abbildung 3.16 sind es die Bürospitzenmieten in Frankfurt und die Gesamtrendite bei deutschen institutionellen Immobilienportfolios (DIX), bei denen sich die konjunkturellen Schwankungen zeigen.
10 9
in v.H.
Miete in €/m²/Monat
50 48
8
46
7
44
6
42
5
40
4
38
3
36
2
34
1
32
0
30 1989
1991
1993
1995
1997
1999
DIX Total Return Abb. 3.16:
2001
2003
2005
Frankfurt Büromiete
Immobilienzyklen; Quelle: IPD; Jones Lang LaSalle
2007
2009
2011
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
39
Die Immobilienzyklen haben einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis von Investitionsentscheidungen sowohl bei Projektentwicklungen als auch bei Investoren bzw. Käufern. Im Folgenden erfolgt daher zunächst die Beschreibung der unterschiedlichen Zyklen und danach der Ursachen für die zyklischen Entwicklungen. Beschreibung der Immobilienzyklen Kurzfristige, saisonale Schwankungen wirken sich dahingehend aus, dass die Einnahmen in den saisonschwachen Zeiten deutlich niedriger ausfallen können. Dies zeigt sich am Beispiel von Hotels in Skigebieten oder Ferienwohnungen, die im Allgemeinen nur während der Saison vermietet werden können. Wenn diese in den Monaten außerhalb der Saison leer stehen, dann werden auch keine Einnahmen bei weiterhin laufenden Kosten erzielt. Damit sind genügend Einnahmen während der Saison zu erzielen, um die notwendigen Ausgaben in den anderen Monaten finanzieren zu können. Zyklische, konjunkturelle Schwankungen sind vor allem für Immobilieninvestoren wichtig. Die Konjunkturzyklen verursachen Veränderungen bei BIP, Beschäftigung oder Preisen, die alle einen signifikanten Einfluss auf die Immobilienmarktentwicklung haben. Leerstandsquoten oder Mietniveaus sind eng verbunden mit Veränderungen dieser volkswirtschaftlichen Größen. Beim Kauf einer Immobilie kommt es sehr darauf an, ob dieser im konjunkturellen Boom oder in einer Rezessionsphase geschieht. Auch langfristige Veränderungen oder Megatrends haben wichtige Auswirkungen für die Immobilienwirtschaft. Der strukturelle Wandel schlägt sich vor allem auf die langfristige Wertentwicklung der Immobilien nieder. Langfristige Trends bei den Immobilienmarktaktivitäten werden beeinflusst von allmählich fortschreitenden Veränderungen bei Einflussfaktoren wie dem demografischen Wandel oder der langfristigen Einkommensentwicklung. Weitere mögliche Formen struktureller Veränderungen sind politische Umbrüche (z.B. die Wiedervereinigung Deutschland) oder die Globalisierung oder der technische Fortschritt (z.B. neue Informations- und Kommunikationstechnologien) oder das wachsende Umweltbewusstsein (Sustainable Development).
Angebot und Nachfrage
Erholung
Expansion
Überbauung
Marktbereinigung
Nachfrage Angebot up-cycle
down-cycle Zeit
Abb. 3.17:
Immobilienzyklen; Quelle: eigene Darstellung
40
3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Die konjunkturellen Immobilienzyklen sind das Ergebnis des zeitlichen Wechsels von Überangebot und Übernachfrage auf den Immobilienmärkten (siehe Abbildung 3.17). Die Immobiliennachfrage und das Immobilienangebot (Bautätigkeit) fallen zeitlich auseinander. Die verschiedenen Ungleichgewichtssituationen haben zur Folge, dass der Immobilienmarkt sich nur selten im Gleichgewicht befindet. Die Schwankungen wirken sich dann auf die Marktergebnisse und die -entwicklungen, d.h. bei den Miet- oder den Leerstandsentwicklungen auf den Vermietungsmärkten oder den Preisen und Renditen auf den Investmentmärkten aus (siehe Abbildung 3.16). Die zyklischen, konjunkturellen Schwankungen der Aktivität auf den Immobilienmärkten können grundsätzlich in vier Phasen unterteilt werden. Der „up-cycle“ des Immobilienzyklus besteht in der hier verwendeten Form aus der Erholungs- und Expansionsphase. In der ersteren, auch Marktstabilisierung genannt, kann ein Konjunkturaufschwung verbunden mit einer Knappheit an verfügbaren Immobilien und günstige Finanzierungsbedingungen ein möglicher Ausgangspunkt für den Beginn eines Immobilienzyklus sein. Eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivität in einer konjunkturellen Aufschwungsphase führt zu expansiven Impulsen für die Nachfrage nach Immobilien. Die Nachfrage nach Nutzungsfläche erhöht sich und die Nettoabsorption steigt, wodurch wiederum die Leerstände abnehmen. Da zunächst nur wenige neue Flächen angeboten werden, steigen die Mieten und Preise, was neue Projektentwicklungen stimuliert. Die Developments werden durch vermehrte Bankkredite finanziert (siehe Abbildung 3.18). Ein Anstieg bei den Fertigstellungen ist die Folge, aufgrund der langen Planungs- und Bauphasen dauert es aber bis die neuen Immobilien zur Verfügung stehen. Das Ausmaß des Aufschwungs hängt davon ab, wie stark die Ursachen, d.h. die Impulse sind. In der folgenden Expansionsphase (bzw. Projektentwicklungsphase) kommt es aufgrund des zunehmenden Optimismus zu einer weiteren Ausdehnung der Flächennachfrage. Die Projektentwicklungen nehmen jetzt zu und es kommt zu einer ansteigenden Bautätigkeit. Insgesamt steigt in diesem Zyklusabschnitt auch das Interesse an Finanzierungen bei Banken und Investoren. Nach dem kurzfristigen Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage beginnt der „downcycle“, der die Phasen der Überbauung und der Marktbereinigung umfasst. In der ersten Phase des Angebotsüberhangs (Überbauung) gibt es zunächst noch eine weitere Flächenausdehnung durch wachsende Fertigstellungen, obwohl die Nachfrage bereits wieder schrumpft. Das Resultat sind fallende Mieten und Preise. Dies führt zu einem Immobilienabschwung mit niedrigeren Mieten und Preisen, höheren Leerständen sowie Insolvenzen in der Immobilienwirtschaft. Die Entwicklung mündet in die vierte Phase: der Marktbereinigung. Bedingt durch das Überangebot an Baufertigstellungen kommt es bei sinkender Flächennachfrage zu deutlicher zunehmenden Leerständen. Daraus resultieren entsprechend weiter sinkende Mieten. In dieser Marktphase ist ebenfalls der Investmentmarkt üblicherweise in einem Abschwung. Die Amplitude, die Geschwindigkeit und die Dauer eines Immobilienzyklus sind abhängig von der Zusammensetzung zahlreicher Einflüsse, wie z.B. Änderungen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Änderungen im technischen Know-how oder politische Veränderungen, welche das Angebot und die Nachfrage beeinflussen.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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Ursachen der Immobilienzyklen Für die Entstehung der Immobilienzyklen gibt es verschiedene Erklärungen, die zum einen auf exogene Faktoren (aus dem realen oder monetären Sektor) und zum anderen auf endogene Faktoren (vom Immobilienmarkt) zurückzuführen sind. Auch wenn die Immobilienzyklen verschiedene Ursachen und Ausgangspunkte haben, so gibt es doch Zusammenhänge zwischen diesen. Die Einflussfaktoren können sich einerseits gegenseitig verstärken und andererseits dämpfend aufeinander auswirken. Exogene Einflüsse auf den Immobilienmarkt sind aus makroökonomischer Sicht vorwiegend die Folge von zyklischen Konjunkturschwankungen. Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und des Angebots haben entsprechende Folgen für den Immobilienmarkt und zeigen sich in den Immobilienzyklen. Es wird davon ausgegangen, dass es eine Beziehung zwischen auf der einen Seite den aggregierten realwirtschaftlichen Marktgrößen wie BIP oder Beschäftigung und den Einflüssen monetärer Größen wie Liquiditäts-, Zinsoder Wechselkursentwicklungen sowie auf der anderen Seite dem zyklischen Verhalten des Immobilienmarktes gibt. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivität während einer konjunkturellen Aufschwungsphase auch zu vermehrten Impulsen für die Nachfrage nach Immobilien führt. Diese Wirkung kommt allerdings erst mit einer gewissen Zeitverzögerung zum Tragen, da beispielsweise die Wirtschaftssubjekte ihre individuellen Planungen erst verspätet an die neuen Bedingungen anpassen. Neben dem Konjunktureinfluss ist das eher prozyklische Kreditvergabeverhalten der Banken ein weiterer wichtiger exogener Auslöser von Immobilienzyklen. Die Bauunternehmen und Projektentwickler sind auf Fremdkapital angewiesen, um ihre Projekte durchzuführen. Hierdurch entsteht eine Abhängigkeit von Kapital bzw. Liquidität und deren Kosten und somit insgesamt von der Kreditpolitik der Banken bzw. des monetären Sektors (siehe Abbildung 3.18). Häufig fällt ein Immobilienaufschwung zusammen mit einem konjunkturellen Aufschwung und mit nachlassenden Restriktionen bei der Kreditvergabe. Der Anstieg bei der Nachfrage führt dazu, dass die bestehenden Flächen schnell belegt werden und Preise und Mieten anwachsen – leicht zugängliche Kredite verstärken diesen Effekt. In der Abschwungsphase ändert sich lediglich die Richtung der Effekte, hier wirken sie kontraktiv auf die Nachfrage. In der folgenden Abbildung ist der Einfluss von realem und monetärem Sektor dargestellt und wie sich dieser in einem Immobilienzyklus idealtypisch zeigt. Die endogenen Ursachen des Immobilienzyklus basieren vorwiegend auf Unvollkommenheiten der Immobilienmärkte. Es sind vor allem Time-Lags, die zu den zyklischen Entwicklungen führen. Immobiliennachfrage und Immobilienangebot (Bautätigkeit) fallen auseinander. In Zeiten starker Nachfrage gibt es zunächst wenig neue Angebote, so dass die Mieten und Preise anziehen. Die aufgrund dieser Signale begonnenen Neubauten können aber erst dann fertiggestellt sein, wenn die Nachfrage eventuell bereits wieder zurückgeht. Damit wird der bereits begonnene Abwärtstrend verstärkt. Wesentliches Problem für den Immobilienmarkt sind also Time-Lags auf der Angebotsseite, d.h. verzögerte Reaktionen des Marktes auf neue Rahmenbedingungen.
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Reale Sektor Aufschwung
Immobilienmarkt steigende Immobiliennachfrage
Monetäre Sektor Kreditexpansion
Angebotsdefizit Boom
steigende Mieten/Preise
Kreditboom
Bauboom ansteigendes Angebot Abschwung
Kreditzurückhaltung nachlassende Nachfrage fallende Mieten/Preise
Rezession
Kreditklemme Immobilienkrise
Abb. 3.18:
Zusammenhang von Immobilienzyklus, realem und monetärem Sektor; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Jowsey, 2011, S. 117
Dafür verantwortlich sind die besonderen Eigenschaften des Gutes „Immobilie“. Hierzu zählen die relativ lange Herstellungsdauer (Planung und Errichtung) einer Immobilie wie auch deren lange Lebensdauer. Durch die lange Nutzungsdauer einer Immobilie ist es schwierig, in kürzester Zeit ein zu großes Angebot zu reduzieren, da nur schrittweise alte Flächen vom Markt genommen werden. Die relativ langen Entwicklungs- und Bauphasen machen es hingegen schwierig, in kürzester Zeit einen Nachfrageüberschuss abzubauen. Dies macht insgesamt das Immobilienangebot zumindest kurzfristig recht unelastisch, so dass der Markt auf Veränderungen der Nachfrage- oder Angebotsbedingungen zunächst nur mit Veränderungen bei Preisen oder Mieten reagieren wird. Selbst diese Reaktion setzt auf den Vermietungsmärkten zumeist nicht unmittelbar, sondern erst mit einer Verzögerung ein, da u.a. die bestehenden Mietverträge nur bedingt sofort geändert werden können. Die Preisreaktion ist somit zunächst zumeist auf die Neuvertragsmieten begrenzt. So kommt es durch die fehlenden kurzfristigen Reaktionsmöglichkeiten der Marktteilnehmer auf die resultierenden Marktungleichgewichte in der Folge auch zu ausgeprägten zyklischen Bewegungen. Weitere vom Immobilienmarkt ausgehende endogene Ursachen sind psychologische Faktoren wie sie sich in den Stimmungen der Marktteilnehmer zeigen. In Aufschwungszeiten kommt es häufig dazu, dass die Marktteilnehmer die zukünftige Entwicklung falsch einschätzen, da sie häufig zu optimistisch über den weiteren Verlauf sind. Immobilien werden daher trotz bereits hoher Preissteigerungen in der jüngsten Vergangenheit erworben und auch Projektentwicklungen vorgenommen, da eine einfache Fortschreibung der Vergangenheitsentwicklung angenommen wird. Diese Fehleinschätzungen der künftigen Entwicklung können aber auch auf unvollkommene Marktinformationen zurückgeführt werden.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
43
Exkurs: Investmentzyklus Von dem Immobilienzyklus ist der Investmentzyklus zu unterscheiden, was hier am Beispiel der Preisblase an den amerikanischen Wohnimmobilienmärkten exemplarisch gezeigt werden soll. Der typische Ablauf eines Investment-Booms wurde von Charles Kindleberger in seinem Aufsatz „Anatomy of a Typical Financial Crisis“ (2009) untersucht, wobei fünf charakteristische Phasen unterschieden werden. Am Startpunkt der Entwicklung steht oft ein exogener Schock („Displacement“), bei dem es sich um eine Miss- oder Rekordernte, Kriegsbeginn oder Kriegsende, politische Faktoren oder die Einführung grundlegender neuer Technologien handeln kann. Entscheidend ist, dass sich ein niedriges Zinsniveau als Resultat der Veränderung einstellt. Ist die Veränderung lang anhaltend genug, wird sie die ökonomischen Erwartungen und Gewinnmöglichkeiten verändern. Nach dem Ende der „Dot-Com-Blase“ im Jahr 2000 und den Anschlägen vom 11.09.2001 hatte die US-Notenbank ihre Leitzinsen auf ein historisch niedriges Niveau von 1 v.H. gesenkt und damit den Ausgangspunkt für die folgende Preisblase gelegt. Im Anschluss an die Veränderung kommt es nun zur Euphorie („Euphoria“). Die neuen Gewinnmöglichkeiten locken immer mehr Anleger an. Der Bankensektor versucht in dieser Situation seine Möglichkeiten, der Geld- und Kreditschöpfung voll auszunutzen. Darüber hinaus werden neue Finanzierungsinstrumente zur Schaffung von mehr Liquidität entwickelt. In dieser Phase kann es auch zu einem gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsschub kommen, wenn z.B. in Folge der Euphorie die Nachfrage überproportional zunimmt. Dieser Schub wiederum heizt die Euphorie der Marktteilnehmer noch weiter an. Im Stadium der Manie („Mania“) überhitzen die Märkte und es kommt zu Blasenbildungen. Die Marktteilnehmer haben extrem optimistische Zukunftserwartungen und gehen von einem Szenario mit dauerhaft steigenden Preisen aus. Dies führt zur Zunahme spekulativer Geschäfte, die Anlagen werden lediglich zum Zweck des späteren Verkaufs zu einem höheren Preis getätigt. Die Gewinne der bislang erfolgreich agierenden Anleger werden zum Magnet für immer neue Investoren, die hyperaktiv nach irgendwelchen Anlagemöglichkeiten suchen, um ihrerseits von der Gesamtentwicklung zu profitieren. So verdoppelte sich der Case-Shiller Home Price Index als Maßstab für die Entwicklung der Hauspreise vom Jahresanfang 2000 bis zur Jahresmitte 2006 in den Metropolen der USA. Erreicht der Investment-Boom seinen Höhepunkt, werden die ersten Insider beginnen aus dem Markt auszusteigen. Dies ist der Beginn der Phase der Besorgnis bzw. des Umschwungs („Revulsion“). Einzelne Ereignisse können diese auslösen, z.B. das Auffliegen eines Schwindels oder der Zusammenbruch eines Unternehmens. Es setzt eine allgemeine Ernüchterung angesichts der Erkenntnis der viel zu hoch getriebenen Preise ein, die den fundamentalen Wert der Anlage nicht mehr wiedergeben. Nun fallen die Preise, Unternehmensinsolvenzen nehmen zu und es beginnt die letzte Phase, die Torschlusspanik („Panic“). Beim Wohnimmobilienboom wurden Ende 2004 die Zinsen in den USA wieder deutlich angehoben, was ein Auslöser der Finanz- und Wirtschaftskrise war. Haushalte konnten ihre Häuser nicht mehr finanzieren und mussten diese verkaufen. Wie auch die Manie treibt die Torschlusspanik sich mit wachsendem Momentum selber an. Nun wollen möglichst alle Anleger den Markt wieder verlassen und aus ihren Investments aussteigen. Dies bringt die Preise noch weiter unter Druck und das Geschäftsmodell der Kursspekulation bricht zusammen. So kam es zu dem Crash bei den Hauspreisen in den USA. Drei Dinge könnten diese Entwicklung stoppen: Erstens fallen die Preise auf ein
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
derartig niedriges Niveau, dass Investoren wieder zurückkehren. Der Handel mit den Assets wird zweitens zeitweilig bei der Unterschreitung von Preisuntergrenzen ausgesetzt. Schließlich kann drittens die Zentralbank die Marktteilnehmer überzeugen, dass sie Liquidität in ausreichender Menge bereitstellen wird, um die Nachfrage zu stimulieren. Quelle: Deutsche Hypo, 2010, S. 26
3.2.3
Der monetäre Sektor und Immobilienmärkte
Der monetäre Sektor, auch als Finanzmärkte oder Finanzsektor oder monetäre Ökonomie bezeichnet, umfasst sämtliche Märkte, auf denen Geld und Kapital gehandelt wird. Der monetäre Sektor ist die Gesamtheit der Märkte, auf denen sich der Anlagebedarf (Angebot) und der Finanzierungsbedarf (Nachfrage) nach finanziellen Mitteln treffen. Der monetäre Sektor hat heute eine erhebliche Bedeutung für die Entwicklung der Immobilienwirtschaft. Nicht zuletzt die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, wie abhängig die Real- bzw. Immobilienwirtschaft vom Funktionieren des monetären Sektors ist. Zunächst wird auf die vielfältigen, teilweise wechselseitigen Beziehungen zwischen dem monetären Sektor und den Immobilienmärkten eingegangen, wie sie in Abbildung 3.19 dargestellt sind. Vom monetären Sektor kommt das notwendige Kapital (Liquidität) für die Aktivitäten der Immobilienwirtschaft (Kauf oder Projektentwicklung). Dabei kommt das Kapital von den verschiedenen Teilmärkten des Finanzsektors, bei denen hier zwischen Geld- und Kapitalmarkt sowie neueren Formen unterschieden wird (siehe Abschnitt „Herkunft der monetären Mittel“). Den Investoren stehen verschiedene Anlagealternativen zur Verfügung, die unterschiedlich abgegrenzt werden können. Zum einen kann zwischen direkten und indirekten Investments unterschieden werden. Zum anderen kann zwischen Investments in Eigen- oder Fremdkapital differenziert werden, wobei das Kapital entweder öffentlich oder privat gehandelt wird (siehe Abschnitt „Verwendung der monetären Mittel“). Da insbesondere in Deutschland die Banken als Finanzintermediäre den größten Anteil an der Finanzierung der Immobilieninvestitionen tragen, wird hierauf näher eingegangen (siehe Abschnitt „Rolle der Banken“). Weiterhin werden auf den Finanzmärkten Einflussgrößen wie Inflationsrate, Geldpolitik, Zinsen oder Wechselkurs determiniert (siehe die entsprechenden folgenden Abschnitte). So beeinflusst der Finanzsektor die Volatilität und die Entwicklung der Immobilienpreise und setzt Rahmenbedingungen für die Vermietungsmärkte von Immobilien.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
Kapital
Immobilienmarkt
Finanzierung
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direkte / indirekte Anlageprodukte
Liquidität
Inflation Zinsen
monetäre Sektor
Wechselkurs
Refinanzierung
Banken Einlagen
Abb. 3.19:
Haushalte
Finanz- und Immobilienmärkte; Quelle: eigene Darstellung
Der monetäre Sektor spielt somit eine bedeutende Rolle für die Immobilienmärkte: Die Finanzmärkte stehen in vielfältigen, teilweise wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten zu den Immobilienmärkten. Die Entwicklungen insbesondere im ImmobilienInvestmentmarkt werden maßgeblich durch die Trends an den Finanzmärkten getrieben. Im Zuge der Globalisierung entwickelten sich die Finanzmärkte. Der Kapitalbedarf der Wirtschaft wie auch der Immobilienbranche stieg, aber die Finanzmärkte expandierten noch weitaus schneller. Durch die Deregulierungen des Finanzmarktes in den vergangenen Jahrzehnten wurden u.a. die Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des Bankensektors gefördert. Zu den klassischen Aktien- und Anleihemärkten kamen neue Märkte mit neuen Marktteilnehmern und neuen Produkten. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich der monetäre Sektor zunehmend vom realen Sektor abgekoppelt. So werden internationale Immobilienfinanzierungen heute auch stärker denn je über den Finanzmarkt finanziert. Der monetäre Sektor ist in den letzten 20 Jahren sehr viel stärker gewachsen als der reale Bereich. Das globale Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1990 fast verdreifacht – doch die Finanzmärkte haben sich noch sehr viel rasanter entwickelt. Die Kapitalisierung an den Aktienmärkten ebenso wie das gehandelte Anleihevolumen haben sich im gleichen Zeitraum mehr als verfünffacht. Noch viel stärker ist das Volumen der Devisengeschäfte mit mehr als das 6,5fache angestiegen. Am stärksten wuchsen die außerbörslich gehandelten Finanzderivate, die um mehr als das Dreihundertfache auf 601.000 Mrd. USD im Jahr 2011 zunahmen. Ein stabiles Finanzsystem ist die Grundlage für das Wachstum der Real- und Immobilienwirtschaft. Die eine volkswirtschaftliche Funktion der Finanzmärkte für die Immobilienmärkte besteht darin, dass die Akteure des Immobilienmarktes einen effizienten Zugang zu den Finanzmitteln (u.a. Kredite, Liquidität) haben, um ihnen die Finanzierung ihrer Investitionsvorhaben (Kauf und Projektentwicklungen) zu ermöglichen. Die Finanzmärkte sollen die finanziellen Mittel bereitstellen und für eine effiziente Allokation zwischen Kapitalangebot und -nachfrage sorgen. Mit dem Kapital werden Investitionen im realen Sektor und auch im Immobiliensektor finanziert. Da Immobilien als Assetklasse sehr kapitalintensiv sind, ist
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
der Immobilien-Investmentmarkt in besonderer Weise von der Entwicklung des monetären Sektors abhängig. Der monetäre Sektor stellt dem Immobilienmarkt die Liquidität in der Form von Eigen- oder Fremdkapital für die Finanzierung von Immobilieninvestitionen zur Verfügung. Im monetären Sektor wird über die optimale Kapitalanlage entschieden. Die Akteure des Finanzmarktes entscheiden darüber, wie viel Liquidität direkt oder indirekt der Immobilienmarkt erhält. Dabei stehen die Immobilien in Konkurrenz zu anderen Assets als Anlagealternativen. Weiterhin ist die Finanzierung durch die gestiegene Bedeutung des Assets Immobilie zu einem wesentlichen Bestandteil der Investitionsentscheidung und der Renditeberechnung von Investoren geworden. Die andere volkswirtschaftliche Funktion der Finanzmärkte besteht darin, dass im Finanzsektor die monetären Konditionen bestimmt werden. Dies betrifft sowohl die Höhe als auch die Entwicklung von Inflation, Zinsen oder Wechselkursen. Diese Konditionen beeinflussen die Entwicklung und Dynamik der Immobilienmärkte. Die Real- und Immobilienwirtschaft orientiert sich an den Signalen, die vom Finanzmarkt ausgehen. In den letzten Jahren hat die Bedeutung von Immobilien an den Kapitalmärkten zugenommen. Diese wurden von Gebrauchswerten zu „financial assets“. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat diese Entwicklung kurzfristig unterbrochen, aber sicherlich nicht zu einer Trendumkehr geführt. Das Asset Immobilie hat aber noch weitere Folgen, da die Rendite auf den Finanzmärkten das Anlageverhalten eher lenkt als die Nachfragebedingungen auf den Vermietungsmärkten. Auf den Finanzmärkten hängen die Portfolioentscheidungen u.a. von den unterschiedlichen Zinssätzen bzw. Spreads (Zinsunterschiede) ab. Damit ist der Immobilienmarkt nicht nur von eigenen Zyklen betroffen, sondern zusätzlich den Liquiditätsschwankungen am Finanzmarkt unterworfen. Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, wie abhängig der Immobilienmarkt vom Funktionieren der Finanzmärkte ist. Herkunft der monetären Mittel für den Immobilienmarkt Der monetäre Sektor differenziert zwischen den Teilbereichen Geldmarkt und Kapitalmarkt (längerfristige Finanzierungen). Auf dem Geldmarkt werden Geld und kurzfristige Geldanlagen gehandelt. Der Begriff „kurzfristig“ kennzeichnet i.d.R. Geldanlagen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr. Gehandelt werden Geld (Tages- und Termingeld mit einer Anlage bis zu 12 Monaten) und Geldmarktpapiere, die eine Laufzeit bis zu zwei Jahren haben. Dazu zählen u.a. kurzfristige Schuldtitel des Staates und Commercial Papers (ungesicherte Inhaberschuldverschreibungen). Der Geldmarkt läuft überwiegend zwischen den Banken (Interbankenmarkt) ab, aber auch die Zentralbanken und der Staat nehmen teil. Der Handel mit diesen Papieren hat vor allen Dingen die Aufgabe, mit Hilfe der finanziellen Mittel kurzfristige Liquiditätsengpässe u.a. der Banken zu decken und ist wichtig für die geldpolitische Steuerung der Zentralbanken. Von Bedeutung für die Immobilienfinanzierung ist diese Refinanzierungsquelle vor allem für die Zwischenfinanzierung sowie für Kredite mit variablen Zinskonditionen. Auf dem Kapitalmarkt werden mittel- bis langfristige Wertpapiere gehandelt, die Papiere weisen Laufzeiten von länger als einem Jahr auf. Der Kapitalmarkt, oft auch als Finanzmarkt bezeichnet, stellt die Verbindung der Beziehungen von Kapitalgebern und -nehmern dar. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kapitalmarktes liegt insbesondere darin, dass den Investoren langfristig Mittel zur Finanzierung ihrer Investitionen zur Verfügung gestellt werden und dass die Kapitalgeber hierfür einen Ertrag (z.B. Fremdkapitalzinsen) erhalten. Für ein Immobilieninvestment ist der Kapitalmarkt die bedeutendste Refinanzierungsquelle für Fremdkapital. Die folgenden Abgrenzungen basieren auf Baßeler, 2011, S. 491ff.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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Auf dem Kapitalmarkt werden zum einen klassische Papiere wie Aktien oder Anleihen gehandelt.
Auf den Aktienmärkten sind dies die Beteiligungspapiere, mit denen sich der Anleger an einem Unternehmen beteiligt. Auf den Anleihemärkten erfolgt der Handel mit Forderungspapiere, mit denen der Anleger einem Unternehmen oder Staat Finanzmittel zeitlich begrenzt zur Verfügung stellt. Sie werden auch Schuldverschreibungen oder Bonds genannt. Zum anderen haben sich auf dem Kapitalmarkt neue Märkte mit neuen Finanzmarktprodukten entwickelt. Zwischen den Kapitalanbietern und -nachfragern werden neben den Banken zunehmend Kapitalanlagegesellschaften aktiv.
Zertifikate sind eigentlich Anleihen, bei denen die Bedingungen frei vereinbart werden und die ein breites Spektrum abdecken. Anleger können sich mit Hilfe von Zertifikaten an der Wertentwicklung des zugrunde liegenden Assets beteiligen. Investoren können Anteile an Investmentfonds kaufen. Investmentfonds sind Gesellschaften, die ihnen übertragenes Kapital für Rechnung der Anleger anlegen, so u.a. in Immobilien. Dies können offene oder geschlossene Fonds oder Spezialfonds sein. Derivate, auch als Sammelbegriff für Finanztermingeschäfte verwendet, sind Finanzinstrumente, deren Wertentwicklung von den künftigen Kursen anderer Größen (z.B. DIX) abhängt. Immobilienderivate sollen immobilienbezogene Risiken transparent und übertragbar machen. Weiterhin sollen sie die Möglichkeit schaffen, Immobilien liquide zu handeln bzw. an deren Wertentwicklung zu partizipieren, ohne diese selbst zu besitzen. Anleger können mit Hilfe von Strukturierten Wertpapieren Kredite gegen das Ausfallrisiko versichern. Diese Versicherungen gegen den Zahlungsausfall werden Credit Default Swaps genannt und sind rechtlich gesehen Finanzprodukte und keine Versicherungen. Bei einer Kreditverbriefung werden aus illiquiden Krediten handelbare, also liquide Wertpapiere. Wenn eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle) die Kredite kauft und sich durch die Emission von Wertpapieren refinanziert, dann handelt es sich bei den Wertpapieren um Verbriefungen (Asset Backed Securities, ABS). Handelt es sich um Immobilienkredite oder Hypothekendarlehen so werden diese Mortgage Backed Securities (MBS) genannt, Sind die Sicherheiten private Wohnimmobilien, so handelt es sich um Residential MBS, bei gewerblichen Immobilien hingegen um Commercial MBS.
Verwendung der monetären Mittel: Immobilie als Anlageobjekt Unabhängig davon, ob ein Investor in eine Immobilie investiert, um sie zu nutzen oder um Kapital anzulegen, benötigt er für diese Investition Liquidität in Form von Eigen- oder Fremdkapital, das aus dem monetären Sektor stammt. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, in Immobilien zu investieren. Den Investoren stehen verschiedene Anlagealternativen zur Verfügung, wobei erstens zwischen direkten und indirekten Investments unterschieden werden kann. Die direkte Immobilienanlage ist der Kauf von Immobilien mit Hilfe von Eigen- oder Fremdkapital. Der Käufer wird Eigentümer und kann die Immobilie entweder selbst nutzen oder im Rahmen z.B. eines Mietverhältnisses an Dritte zur Verfügung stellen. Ein Sonderfall der direkten Immobilienanlage ist der Kauf einer selbst genutzten Wohnimmobilie. Bei dem indirekten Immobilieninvestment werden Beteiligungen an Unternehmen erworben, deren Geschäftsschwerpunkt auf Investitionen in Immobilien gerichtet ist. Bei indirek-
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
ten Anlageformen investiert der Anleger nicht selbst in Immobilien, sondern erwirbt Anteile an einem „Finanzvehikel“, welches seinerseits mit Immobilien handelt oder diese bewirtschaftet. Solche Finanzvehikel werden im weitesten Sinne am Kapitalmarkt gehandelt. Zu den indirekten Immobilienanlageklassen zählen die geschlossenen und offenen Fonds, Spezialfonds, Immobilien-AGs oder REITs und alternative Investmentvehikel, wie z.B. Beteiligungsgesellschaften. Bei einem indirekten Investment über Finanzintermediäre erfolgt die Geldanlage bei Banken etc. (z.B. über Pfandbriefe), die für Immobilieninvestments Fremdkapital zur Verfügung stellen. Der Anleger hat selbst keinen Einfluss auf die Immobilienfinanzierung wie dies beispielsweise bei den Einlagen bei Kreditinstituten der Fall ist. Über die Verwendung der Einlagen entscheidet die Bank. Zweitens kann zwischen Investments in Eigen- oder Fremdkapital differenziert werden, wobei das Kapital entweder öffentlich oder privat gehandelt wird. Den Anlegern stehen grundsätzlich verschiedene Alternativen für Immobilieninvestments mit teilweise komplexen Eigenkapital- und Fremdkapitalprodukten zur Verfügung. Es gibt eine Vielzahl von finanzmarktbasierten Anlagemöglichkeiten in Immobilien, die aufgrund unterschiedlicher Risiko, Ertrags- und Rückgabemöglichkeiten ein breites Feld von Anlagebedürfnissen bedienen. Dies erhöht die Attraktivität von Immobilien als Anlageprodukt sowie die verfügbare Liquidität, die vom monetären Sektor dem Immobilienmarkt potenziell zur Verfügung gestellt werden kann. Es können die folgenden Typen von Immobilieninvestmentvehikeln unterschieden werden. Ein Engagement im Immobiliensektor kann zum einen über die Eigenkapitalseite erfolgen:
Dieses sind zum einen börsennotiertes Eigenkapital (Public Equity, öffentliches Eigenkapital) wie Immobilienaktien, REITs, offene Immobilienfonds, Zertifikate oder Derivate und zum anderen privates Eigenkapital (Private Equity, Privates Beteiligungskapital), d.h. privates, nicht börsen-gehandeltes Eigenkapital wie Direktanlagen, Joint Venture, geschlossene Immobilienfonds sowie Spezialfonds. Mit der Eigenkapitalanlage erwirbt der Investor direkt oder indirekt Anteile an der Immobilie. Eigenkapital stellt eine Beteiligung an z.B. Unternehmen dar, wobei der Anleger bestimmte Eigentumsrechte erhält. Das Kapital wird für unbestimmte Zeit überlassen. Es besteht kein Anspruch auf eine regelmäßige Zinszahlung, sondern der Kapitalgeber kann eine Gewinnausschüttung erhalten. Eigenkapitalprodukte werden durch den indirekten öffentlichen oder nicht-öffentlichen Markt aufgelegt, um Immobilienanlagen zu tätigen. Die Investoren erhalten regelmäßige Erträge aus Mieteinnahmen, ergänzendes Ziel des Investments kann auch die Partizipation an der Wertsteigerung der Objekte sein. Für die Anlage in Immobilien mittels Eigenkapitalinvestments stehen verschiedene Alternativen zur Verfügung:
Bei den Direktanlagen (direkte Investments) kauft der Investor direkt eine Immobilie. Real Estate Investment Trusts (REITs) gibt es in Deutschland seit 2007, die eine standardisierte und international bekannte Form von börsengehandelten Immobilienaktiengesellschaften sind. Sie unterliegen speziellen, landesspezifischen Marktregulierungen. Sie sollen die Vorteile einer Immobilienanlage aufweisen, aber die Nachteile der Direktanlage vermeiden. Aufgrund schwieriger Rahmenbedingungen (administrativ und steuerlich) haben sich REITs in Deutschland bislang nicht durchgesetzt.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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Die Immobilienaktiengesellschaften sind Kapitalgesellschaften, von denen einige auch börsennotiert sind. Diese Unternehmen haben sich auf die Bewirtschaftung spezialisiert und/oder investieren überwiegend in Immobilien. Viele Immobilienaktiengesellschaften sind aus dem Outsourcing von Immobilienbeständen bei Industrieunternehmen entstanden. Börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften sind in Deutschland eher gering verbreitet. Bei den Immobilienfonds wird zwischen offenen und geschlossenen Fonds unterschieden. Erstere sind weder in der Zahl der Anleger noch in ihrem Volumen begrenzt. Bei der Anlageentscheidung steht für diese Fonds der Wert bzw. die Wertentwicklung der Immobilie im Vordergrund. Geschlossene Immobilienfonds sind dagegen sowohl in der Zahl der Anleger als auch im Fondsvolumen beschränkt und dienen der Finanzierung einzelner Objekte oder Objektgruppen. Weiterhin sind Spezialfonds aus den beschriebenen zwei Fondstypen hervorgegangen und grundsätzlich nur institutionellen Anlegern zugänglich. Zum anderen können Immobilieninvestments über die Fremdkapitalseite erfolgen.
Dieses ist zum einen börsennotiertes Fremdkapital (Public Debt, öffentlich platziertes Fremdkapital) auf organisierten Kapitalmärkten wie Hypothekenpfandbriefe, Verbriefungen (MBS) oder Anleihen und zum anderen privates Fremdkapital (Private Debt, nicht börsen-gehandeltes Fremdkapital), so z.B. Immobilienkredite wie Hypothekendarlehen, Mezzanine-Kapital oder Non Performing Loans (notleidende Kredite, Problemkredite). Der Fremdkapitalgeber ist an dem Unternehmen nicht beteiligt, sondern er ist Gläubiger, der einen Anspruch auf Rück- bzw. Auszahlung sowie eine eventuelle Zinszahlung hat. Die Investoren erhalten je nach Besicherung des Fremdkapitals eine risikoadjustierte Verzinsung des Kapitaleinsatzes. Eine Immobilienfremdkapitalinvestition wird primär zur Erwirtschaftung eines stabilen Cash Flows getätigt. Die Immobilien können eine Sicherheit für die Investitionssumme darstellen. Für die indirekten Anlagen in Immobilien mittels Fremdkapitalinvestition stehen verschiedene Alternativen zur Verfügung:
Ein Pfandbrief ist von einer Pfandbriefbank emittierte Anleihe, die im Falle des Hypothekenpfandbriefs durch Immobilien besichert ist. Verbriefungen (Mortgage Backed Securities, MBS) sind besicherte Anleihen, deren Bargeldflüsse durch die Zins- und Tilgungszahlungen eines Pools von grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen getragen werden. Im Unterschied zu Pfandbriefen sind MBS nicht in der Bilanz der originierenden Stelle (z.B. einer Bank) enthalten, sondern bei einer Zweckgesellschaft. Das Ausfallrisiko einer Verbriefung ist unabhängig von der emittierenden Bank und der als Sicherheit dienende Hypothekenbestand ist für jede MBS individuell abgegrenzt. Immobilienkredite (Loans) stellen eine weiter Immobilienfremdkapitalanlage dar, die zumeist ausschließlich für institutionelle Investoren besteht. Hierbei werden üblicherweise die Cash Flows oder der gesamte Kredit dem ursprünglichen Kreditgeber abgekauft. Der Kurs wird bestimmt durch die Risikoeinschätzung und das Marktzinsumfeld. Nach DTZ (2012, S. 5) stammt das global investierte Kapital in Immobilienmärkten zu ungefähr der Hälfte aus privatem Fremdkapital und einem Drittel aus privaten Eigenkapital. Eine untergeordnete Rolle spielen börsengehandeltes Eigenkapital (Anteil von 7 v.H.) und öffent-
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liches Fremdkapital (12 v.H.). In den einzelnen Staaten sieht das jedoch sehr unterschiedlich aus. In Deutschland dominieren privates Eigenkapital und öffentliches Fremdkapital mit jeweils einem Anteil von rund 40 v.H. die Finanzierung. Hingegen ist das private Fremdkapital in den USA (ca. 50 v.H.) und in China (gut 60 v.H.) sowie fast allen weiteren großen Immobilienstaaten die beherrschende Kapitalquelle für Immobilieninvestments. Rolle der Banken Die Banken nehmen in Deutschland eine wichtige Funktion als Intermediäre zwischen dem monetären Sektor und der Immobilienwirtschaft ein, da die klassischen Bankkredite zu den wichtigsten externen Finanzierungsinstrumenten gehören. Neben den Banken zählen auch Investmentbanken, Investment- oder Kapitalgesellschaften oder Versicherungen und i.w.S. auch Ratingagenturen oder die Regulatorische Aufsicht zu den Finanzintermediären. Ihre Aufgabe ist es, entsprechende Dienstleistungen anzubieten, Informationen zur Verfügung zu stellen oder den Markt zu kontrollieren. Banken und andere Finanzintermediäre übernehmen die Rolle eines Vermittlers, in dem sie Sparer und Investoren zusammenführen. Die Banken nehmen auf den Finanzmärkten finanzielle Mittel auf, um diese an den Immobilienmarkt für Investitionen (Neubau oder Kauf) weiterzugeben. In Europa haben die Banken eine wichtige Funktion als Intermediäre, während in den USA der Kapitalmarkt eine wesentlich bedeutsamere Rolle hat. Dominierend bleibt für das Bankgeschäft in Deutschland die Kreditfinanzierung, und hierbei insbesondere für die Immobilienfinanzierung. Etwa die Hälfte aller Kredite wird für den Kauf und den Bau von Immobilien verwendet (siehe Kapitel 3.1.2). Immobilienfinanzierungen können dabei sehr unterschiedlich gestaltet werden, vor allem hinsichtlich der Zinsbindungsdauer, der Tilgung und des Beleihungsauslaufs. Spätestens seit der Finanzund Wirtschaftskrise ist offensichtlich, dass es bei den Banken zwei potenzielle Engpassfaktoren für die Kreditvergabe gibt: die Liquidität (mangelnde Refinanzierungsmöglichkeiten) und das Eigenkapital. Eine Restriktion für die Kreditvergabe der Banken kann, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigte, die Refinanzierung der Banken für Immobilienfinanzierungen sein. Diese erfolgte in früheren Zeiten fast ausschließlich über die Einlagen ihrer Kunden sowie über die Zentralbank, den Interbankenmarkt oder durch Eigenkapital. Heute hat die Finanzierung über den Kapitalmarkt eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Für den deutschen Markt sind Pfandbriefe typisch, aber auch verschiedene Formen von Anleihen am Kapitalmarkt oder auch der Verkauf der Forderungen (z.B. Verbriefung) sind möglich. Ausreichende Refinanzierungsquellen sind eine zwingende Voraussetzung für ein entsprechendes Fremdkapitalvolumen der Banken für den Immobilienmarkt. Eine weitere Restriktion kann die Eigenkapitalsituation der Banken sein. Das Eigenkapital der Banken stellt die Sicherheit bei der Kreditvergabe dar und ist aufsichtsrechtlichen Regulierungen unterworfen. Aufgrund dieser Regelungen kann dies für die Banken Einschränkungen bei der Kreditvergabe bedeuten. Beide Restriktionen beeinflussten die Kreditvergabe für Immobilieninvestitionen in den letzten Jahren erheblich. Neuere Entwicklungen zeigen, dass zum einen Versicherungen die Funktion von Banken übernehmen und auch Kredite zur Finanzierung von Immobilientransaktionen geben. Zum anderen werden von institutionellen Anlegern Kreditfonds aufgelegt, bei denen die Liquidität institutioneller Investoren als Kredit für Immobilienfinanzierungen verwendet wird.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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Inflation und Immobilienmärkte Immobilien gelten als eine Anlageklasse, die weitgehend vor Inflation schützen soll. Die „Flucht ins Betongold“ ist geradezu sprichwörtlich, der Inflationsschutz gilt als ein wesentlicher Vorteil von Immobilieninvestitionen. Zunächst soll hier geklärt werden, was unter Inflation verstanden wird. Daran schließt sich die Analyse der Auswirkungen von Inflation auf die Immobilienmärkte an, um schließlich die Frage zu klären, ob die Kapitalanlage in Immobilien einen Schutz vor Inflation darstellt. Inflation Wenn die Preise für Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft allgemein steigen, so wird diese Entwicklung als Inflation bezeichnet. Die Kaufkraft, die bei einer Inflation sinkt, ist der Tauschwert des Geldes gegenüber Gütern und Dienstleistungen und wird auch als Binnenwert des Geldes bezeichnet. Das Gegenteil von Inflation ist Geldwertstabilität. Inflation Inflation als ein anhaltender Prozess spürbarer Preisniveausteigerungen bedeutet ein Sinken der Kaufkraft des Geldes und somit eine Geldentwertung. Das allgemeine Preisniveau in Deutschland wird durch den Verbraucherpreisindex (VPI) abgebildet. Die Stabilität des Geldes drückt sich in der bleibenden Kaufkraft des Geldes aus. Hierbei kann unterschieden werden zwischen dem Binnenwert, der sich auf das Problem „Inflation“ bezieht, und dem Wert des Geldes im Vergleich zu ausländischen Währungen, der mit Hilfe des Wechselkurses gemessen wird. Voraussetzung für die Existenz eines stabilen Geldes im Inland ist die Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Von Inflation wird nur dann gesprochen, wenn sich die Preise im Durchschnitt und nicht nur Preise einzelner Güter erhöhen und soweit dies über mehrere Jahre andauert. Gemessen wird die Inflationsrate in Deutschland an dem Verbraucherpreisindex, bei dem sich die Preissteigerungen der Konsumgüter niederschlagen und insofern als Kaufkraftschwund bei den Haushalten spürbar sind. Seine Veränderungsrate gegenüber z.B. dem Vorjahr gilt als Messgröße für die Inflation. Im Rahmen der EU wird der „Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI)“ zur Berechnung der Inflation verwendet, wobei die Abweichungen zum deutschen Verbraucherpreisindex gering sind. Die EZB sieht das Ziel der Geldwertstabilität als erreicht an, wenn der Anstieg des HVPI unter 2 v.H. liegt. Dieser Definition folgend, wäre das Ziel also immer dann verfehlt, wenn der Preisanstieg über 2 v.H. liegt oder gar eine Deflation (Preisrückgang) zu verzeichnen ist. Bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex (VPI) geht das Statistische Bundesamt von einem für einen Durchschnittshaushalt repräsentativen Warenkorb aus, der im Zeitablauf entsprechend der Veränderung der Verbrauchsstruktur aktualisiert wird. Bei dem Verfahren werden monatlich repräsentativ im gesamten Bundesgebiet die Güterpreise ermittelt, mit den entsprechenden Verbrauchsmengen multipliziert und zu einer Konsumsumme zusammengefasst. Die Konsumsumme eines Basismonats wird gleich 100 gesetzt und mit Hilfe der Konsumsummen in den folgenden Monaten wird der Verbraucherpreisindex ermittelt. Die Inflationsrate ergibt sich dann wie folgt:
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Inflationsrate VPIt – VPIt-1 Inflationsrate = –––––––––––– · 100 VPIt – 1 Unterschieden werden können verschiedene Formen von Inflation. Eine schleichende Inflation bezeichnet geringe (unter 5 v.H.), während eine galoppierende sehr hohe Preiserhöhungen darstellt. Die Extremform ist eine Hyperinflation, wie sie in den 1920er Jahren in Deutschland mit einer Inflationsrate von über 10.000 v.H. auftrat. Ein Rückgang der Inflationsrate wird als Disinflation bezeichnet. Eine Deflation ist hingegen ein Rückgang des Preisniveaus, wobei die Preise im Durchschnitt sinken. Außerdem wird zwischen einer offenen, bei der die Preise sichtbar steigen, und einer verdeckten Inflation unterschieden. Bei der verdeckten Inflation steigen z.B. aufgrund staatlicher Verfügungen (Preisstopp) die Preise nicht, als Ausweichreaktion sinkt aber oftmals die Qualität der Produkte oder es entstehen Schwarzmärkte. Die Ursachen der Inflation lassen sich in monetäre und nichtmonetäre Ursachen unterscheiden. Als eine monetäre Inflationsursache wird die Ausweitung der Geldmenge angesehen. Die Erhöhung der Geldmenge ist eine notwendige Bedingung für einen langanhaltenden Inflationsprozess. Das Preisniveau in einer Volkswirtschaft steigt, wenn und weil die Wachstumsrate der Geldmenge größer ist als die Wachstumsrate des realen Inlandsprodukts. Der Wert des Geldes wird dabei bestimmt durch das Verhältnis von Geldnachfrage und -angebot: Übersteigt das Geldangebot (verursacht durch die Zentralbank) die Geldnachfrage (entspricht der volkswirtschaftlichen Nachfrage), so steigt das Preisniveau und der Wert, d.h. die Kaufkraft des Geldes, sinkt. Steigt die Geldmenge über einen längeren Zeitraum stärker als das BIP, so wird eine steigende Inflationsrate befürchtet. Eine nichtmonetäre Ursache wird darin gesehen, dass die Gesamtnachfrage einer Volkswirtschaft schneller steigt als das volkswirtschaftliche Angebot an Gütern und Dienstleistungen. Bei der Nachfrageinflation ist es üblicherweise jedoch nur eine Komponente der Nachfrage (private, staatliche oder ausländische Nachfrage bzw. die der Unternehmen), die eine Ursache der Preissteigerung darstellt. Die zweite nichtmonetäre Ursache liegt auf der Angebotsseite (Angebotsinflation), wobei von steigenden Produktionskosten die Impulse für die Preissteigerungen ausgehen. So werden z.B. bei der Lohn-Preis-Spirale die Lohnerhöhungen als Ursache für Preissteigerungen angeführt. Dadurch ergibt sich bei den nächsten Tarifverhandlungen die Forderung der Gewerkschaften nach einem Inflationsausgleich und das führt wiederum zu Preissteigerungen. Diese Argumentation beruht u.a. auf der Annahme, dass die Lohnerhöhungen über den Produktivitätszuwachs hinausgehen, da nur dann die betriebswirtschaftlichen Kosten steigen und erst damit inflationär wirken können. Weitere Gründe einer Kosteninflation können zurückgeführt werden auf steigende Kapitalkosten (Zinsen, Gewinne) oder politische Entscheidungen, die für eine Vielzahl von Leistungen Gebühren verlangen und darüber hinaus Steuern erheben. Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass auch durch sich verteuernde Importwaren die Inflation im Inland gesteigert werden kann (importierte Inflation). Die Auswirkungen der Inflation sind vielschichtig und bei den Volkswirten umstritten. Weiterhin betreffen sie die verschiedenen Gruppen von Wirtschaftssubjekten unterschiedlich stark. Bei den Einkommensbeziehern sind vor allem Rentnerhaushalte und Bezieher fester
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Nominaleinkommen (z.B. Arbeitnehmer) von der Inflation eher negativ betroffen, da deren Einkommen erst mit einer zeitlichen Verzögerung der Inflation angepasst werden. Kurzfristig werden zu den Gewinnern einer Inflation die Unternehmen gezählt, deren Erlöse aufgrund der Preissteigerungen steigen; die eingesetzten Produktionsfaktoren haben sie aber noch zu den geringeren Kosten bezogen. Die Schuldner sind tendenziell Gewinner, da durch die Inflation der Realwert des Kreditbetrages (inflationsbereinigte Wert des Kredites) ständig abnimmt. In welchem Umfang eine derartige Umverteilung stattfindet, hängt im Wesentlichen davon ab, wie die Inflationsrate bei der Bestimmung der Nominalzinsen berücksichtigt worden ist. Eine Umverteilung zugunsten der Schuldner findet insbesondere dann statt, wenn die Nominalverzinsung minus der erwarteten Realverzinsung (Zinssatz bei Preisstabilität) unterhalb der Inflationsrate liegt, d.h. besonders Schuldner von Kreditverträgen mit einem festen, niedrigen Nominalzinssatz sind die Gewinner, falls höhere Inflationsraten eintreten. Die Gläubiger hingegen erhalten zwar ihr Geld (Schuldendienst) zurück, das aber eine geringere Kaufkraft aufweist. Von einer Inflation wird auch der Staat profitieren. Zum einen ist der Staat einer der größten Schuldner, so dass er bei den oben getroffenen Annahmen zu den Gewinnern zählen wird. Zum anderen bewirkt das progressive Steuersystem (bei Einkommen- und Körperschaftsteuer) eine Umverteilung zugunsten des Staates. Aufgrund von Lohnerhöhungen, die selbst nur die Preissteigerungen ausgleichen, steigen die Steuerzahlungen überproportional an, da mit höheren Einkommen auch der Steuersatz ansteigt. Die Einkommensbezieher kommen in eine immer höhere Steuersatzprogressionsstufe und haben damit höhere Grenzsteuersätze zu bezahlen (sog. „kalte Progression“). Langfristig ergeben sich durch inflationäre Prozesse erhebliche wirtschaftliche Unsicherheiten, die das Risiko von ökonomischen Fehlentscheidungen erhöhen. Aufgrund der Flucht in die Sachwerte wird Geld statt in produktivitätssteigernde in eher unproduktive Bereiche wie Gold umgelenkt. Insgesamt wird die Inflation damit langfristig zu geringeren Wirtschaftsaktivitäten und -wachstum führen. Auswirkungen der Inflation auf die Immobilienmärkte Die Inflation wirkt sich auf unterschiedliche Weise über den gesamtwirtschaftlichen Konsum auf die Immobilienmärkte aus. Eine inflationäre Preisentwicklung schränkt bei Annahme konstanter oder nur geringer steigender Nominaleinkommen die Kaufkraft der Haushalte ein. Dies reduziert allgemein die Konsumnachfrage und betrifft so ebenfalls die Nachfrage auf den Immobilienmärkten, wenn auch nicht unmittelbar. Direkte Wirkungen auf die Immobiliennachfrage sind von Veränderungen der Bau- und der Immobilienpreise und des Mietniveaus als Teilbereiche der allgemeinen Preisentwicklung zu erwarten. Diese Parameter wirken unmittelbar auf die Immobilienmärkte, da bei steigenden Preisen und Mieten die Nachfrage sinkt. In Zeiten hoher Inflationsraten gehören die Gläubiger von Immobilienkrediten (u.a. Banken) zu den Verlierern. Ursache hierfür ist, dass das Geld, was die Gläubiger durch die Tilgungen zurückerhalten weniger wert ist als das Geld, welches sie ursprünglich verliehen haben. Bei den Zinszahlungen hängt es davon ab, wie die Zinskonditionen (fest oder variabel) vereinbart worden sind.
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Ein weiterer Effekt könnte sich noch indirekt ergeben. Die Banken werden die Zinsen erhöhen, um sich in Zeiten hoher Inflation zu schützen. Aber ein Zinsanstieg verursacht einen höheren Schuldendienst für die Immobilienkäufer, so dass sich die potenzielle Nachfrage verringert. Als Effekt für die Schuldner (Immobilienkäufer) ergeben sich durch die höheren Inflationsraten ein höherer Schuldendienst bzw. höhere Zinszahlungen. Bei bestehenden Kreditverträgen gilt dies nur, wenn die Zinsen flexibel sind und entsprechend den höheren Inflationsraten angehoben werden. Bei neuen Verträgen ergeben sich höhere Zinszahlungen als bei den bestehenden. Dadurch wird die Anzahl der Haushalte reduziert, die genügend Einkommen haben, um sich eine eigene Wohnimmobilie zu kaufen. Aufgrund der höheren Zinsbelastungen werden die Haushalte teilweise nicht in der Lage sein, eine Immobilie zu kaufen. Dies wird dazu führen, dass zum einen einige Immobilien nicht verkauft werden können. Zum anderen können sich die Verkäufer veranlasst sehen, den Preis zu reduzieren, um die höheren Zinszahlungen zu kompensieren. Weitere Effekte der Inflation betreffen die Eigentümer von Immobilien. Falls die Immobilien zu einer fixen Miete vermietet sind, erhalten die Besitzer bzw. Vermieter Geld, das jedes Mal weniger wert ist. Das führt dazu, dass die Eigentümer veranlasst werden, nur Mietverträgen mit indexierten bzw. steigenden Mieten abzuschließen. Aber nicht alle Mieter haben die Möglichkeit die höheren Mieten zu bezahlen und fallen so als Nachfrager aus. Auch für die Immobilien-Investmentmärkte sind potenzielle Auswirkungen zu erwarten. Die Inflation kann die Investoren dazu veranlassen, ihre Portfolioentscheidungen zu überdenken. Um die Inflationswirkungen zu kompensieren, können Investoren sich veranlasst sehen, Anlagen mit einer höheren Rendite zu suchen, z.B. auf dem Kapitalmarkt. Dies kann dazu führen, dass die Investoren weniger Kapital dem Immobilien-Investmentmarkt zur Verfügung stellen. Weiterhin steigen in Inflationszeiten die Kosten für die Baumaterialien (Land, Arbeit, Material) an, wodurch die Baukosten insgesamt anwachsen werden. So waren die Steigerungen bei den Baukosten für Wohnungen in den letzten Jahren vor allem auf Kostensteigerungen bei Baumaterial und Energie. In den letzten 10 Jahren stiegen diese Baukosten um ungefähr 20 v.H. an. Dies kann dazu führen, dass c.p. einige Projektentwicklungen nicht durchgeführt werden, weil sie nicht mehr rentabel sind. Dies hätte eine Reduktion des Angebots zur Folge. Indirekte Auswirkungen durch die Inflation auf weitere Immobilienmärkte sind darauf zurückzuführen, dass hohe Preissteigerungen dazu führen, dass die Kosten für die Lebenshaltung steigen. Falls nicht die Einnahmen entsprechend ansteigen, werden weniger Einkommen für andere Ausgaben zur Verfügung stehen. Die Ausgaben für Wohnen werden aufgrund bestehender Verträge i.d.R. kurzfristig nicht verändert werden können. Dementsprechend werden zunächst die nicht-lebensnotwendigen eingeschränkt. Dies wird sich z.B. auf die Erholungs- und Freizeitimmobilienmärkte und damit Immobilien wie beispielsweise Ferienimmobilien oder touristische Attraktionen negativ auswirken. Letztlich wirkt sich eine hohe Inflationsrate auf alle immobilienrelevanten Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte aus. Immobilieneigentümer, Vermieter und Mieter können von einer Inflation negativ betroffen sein. Außerdem können höhere Inflationsraten Investoren dazu veranlassen, ihre Immobilieninvestments zu überdenken bzw. aufzuschieben. Dies alles kann zu massiven Störungen für alle Sektoren der Immobilienwirtschaft führen.
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Immobilieninvestments als Schutz vor Inflation? In Zeiten hoher Inflationsraten versuchen Anleger ihre Liquidität zu reduzieren bzw. ihre Investmententscheidungen zu überdenken und suchen Alternativen wie Gold, Kunst oder Immobilien. Immobilien gelten als eine Anlageklasse, die weitgehend vor Inflation schützt. Die Investoren erwarten, dass Immobilien einen besonders wirksamen Schutz vor der Entwertung ihres Vermögens darstellen. Dazu ist es zunächst notwendig zu präzisieren, was unter Inflationsschutz verstanden werden soll. Ob es durch die Investitionen in Immobilien zu einem wirklichen Inflationsschutz kommt, hängt entscheidend von den Investoren bzw. Immobilieneigentümer sowie ihren Interessen und Zielen ab. Weiterhin ist dies davon abhängig, welche Objektarten betroffen sind. Dementsprechend können unterschiedliche Indikatoren herangezogen werden. Ein Inflationsschutz kann dann gegeben sein,
wenn die Mieten entsprechend der Preisentwicklung ansteigen. wenn eine Indexierung bei den Mietverträgen vorgenommen wird. wenn der Wert einer Immobilie mit der Preisentwicklung ansteigt. wenn sowohl die Mieten als auch die Immobilienpreise im gleichen Ausmaß ansteigen wie das allgemeine Preisniveau. Nominale Immobilienpreise und -mieten steigen dann mit der Inflationsrate, so dass die realen Preise und Mieten konstant bleiben. wenn die Summe aus allen Mieteinnahmen plus dem Anfangswert minus Wertveränderungen einer Immobilie größer ist als der mit der Inflationsrate aufgezinste Anfangswert. Analysen über die Korrelation zwischen Preis- und Mietentwicklung und der Inflationsrate sind allein nicht ausreichend, da hierdurch keine Aussage getroffen wird, welcher Indikator die höheren Zuwächse aufweist. Erstens gibt es Bestandshalter bzw. Investoren mit einer „buy-and-hold“-Strategie, die langfristig in ihre Immobilien investiert sind und „ewig“ ihre Immobilien halten wollen. Ein Beispiel dafür ist das klassische Zinshaus, bei dem die Immobilien (das Miethaus) für den Investor als Kapitalanlage Zinsen (hier: Mietzinsen) erbringt. Diese Investoren sind daher eher nicht an Wertsteigerungen interessiert, sondern es kommt ihnen darauf an, dass die Mieten real mindestens konstant bleiben. Die Mieten sollen nominal entsprechend mindestens mit der Inflationsrate ansteigen. Indikatoren können zum einen die empirische Mietentwicklung und zum anderen die Indexierung sein. Ein Indikator für die Bestätigung des Inflationsschutzes durch Immobilien kann ein empirischer Vergleich mit der Mietentwicklung sein. Hierzu wird die Entwicklung des Verbraucherpreisindex mit der Entwicklung der Mieten in einzelnen Marktsegmenten verglichen.
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
160 150
Index 1990 = 100
140 130 120 110 100 90 80 70 1990
Abb. 3.20:
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
Inflationsrate Wohnungsmiete Wiedervermietung
Wohnungsmiete Neubau EH-Miete 1a-Lage
EH-Miete Nebenlage
Büromiete City
2010
Inflationsrate und Mieten; Quelle: Statistische Bundesamt, BulwienGesa AG
Bei einem langfristigen Vergleich der Inflationsrate mit den Mietentwicklungen zeigt sich, dass einzig die Wohnungsmieten bei der Wiedervermietung insgesamt leicht stärker als die Inflationsrate angestiegen sind (siehe Schaubild 3.20). Während die Verbraucherpreise in Deutschland im Durchschnitt um über 50 v.H. gegenüber 1990 anstiegen, lagen sowohl das Mietniveau bei Einzelhandelsimmobilien in Nebenlagen als auch die durchschnittlichen Büromieten deutlich unter dem Ausgangsniveau. In der kürzeren Frist seit der Jahrtausendwende ist das allgemeine Preisniveau im gleichen Ausmaß wie die Wohnungsmieten und die 1a-Lage-Einzelhandelsmieten angestiegen. Selbst hier wiesen die Büromieten in Deutschland einen Rückgang von 10 v.H. auf. Während der Verbraucherpreisindex in den letzten 20 Jahren eine relativ gleichmäßige Entwicklung aufweist, sind die Schwankungen bei den Mieten erheblich stärker ausgefallen. Als Folge des Wiedervereinigungsbooms waren seit Mitte der 1990er Jahre die Mieten sogar allgemein rückläufig. Auch für die einzelnen Objektarten ist eine differenzierte Entwicklung festzustellen. Nur in den Jahren nach der Wiedervereinigung und in Zeiten des „Dot-ComBooms“ lagen die Steigerungen bei den Büromieten höher als die allgemeinen Preissteigerungen. Dies gilt auch für die Mieten von Wohnungsneubauten, die zudem seit 2008 deutlich höhere Steigerungsraten als die Inflationsrate aufweisen. Ein Inflationsschutz bei den Mieten ist daher insgesamt nur bedingt gegeben. Eine Möglichkeit des Inflationsschutzes ist die Indexierung der Mieten. Die Indexierung ist eine Wertsicherungsklausel in Verträgen, die sicherstellen soll, dass der Gläubiger auch künftig den Betrag erhält, der wertmäßig der ursprünglich vereinbarten Miete entspricht. In Mietverträgen kann vereinbart werden, dass die Mieterhöhungen durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex bestimmt werden. Insbesondere die Mieten von Gewerbeimmobilien werden häufig an die Inflation gekoppelt, in Deutschland trifft dies ungefähr auf die Hälfte der Verträge zu. In wirtschaftlich schwächeren Zeiten liegt der Anteil niedriger, da dann die Durchsetzbarkeit einer Indexierung schwieriger ist. Bei Wohnimmobilien im Ausland ist die Indexierung nicht ungewöhnlich, in Deutschland ist diese hingegen nur selten vereinbart. Bei den Einzelhandelsimmobilien sind die Mieten häu-
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
57
fig abhängig vom Umsatz (neben einer Sockelmiete). Von daher kann damit gerechnet werden, dass es bei umsatzabhängigen Mieten zumindest zu einer partiellen Anpassung kommt. Dies setzt aber auch voraus, dass der Einzelhandel seine Umsätze bei wachsenden Preisen steigern kann. Bei indexierten Bestandsmieten kann die Indexierung während der Laufzeit der Miete helfen, aber zum einen kommt es zunächst auf die konkrete Regelung an. Bei Indexmieten kann vereinbart sein, dass erst ein bestimmter Schwellenwert überschritten sein muss, damit es zu einer Mietanpassung kommt. Diese Schwellenwerte führen dazu, dass eine Anpassung bei den Mieten erst ab einem gewissen Wert des Anstiegs der Verbraucherpreise erfolgt. Die verspätete Anpassung würde aber dazu führen, dass eine vollkommende Kompensation nicht erreicht wird. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Eigentümer eine höhere Miete nach Ende der Vertragslaufzeit wieder durchsetzen können. Die aktuelle Marktmiete kann zu diesem Zeitpunkt höher oder niedriger als die indexierte Miete sein. Weiterhin sind bei Neuvermietungen häufig Incentives üblich, so dass die Marktmiete niedriger ausfällt. Außerdem könnte infolge der gestiegenen Nominalmieten der Leerstand steigen, zumal die wirtschaftliche Aktivitäten im Zuge der Geldentwertung abnehmen könnten. Zweitens sind Investoren bzw. Käufer am Markt aktiv, die das Ziel der Eigennutzung haben und daher nicht an der Entwicklung der Mieteinnahmen, sondern an der Wertentwicklung interessiert sind. Ein jüngerer Haushalt kauft z.B. ein größeres Einfamilienhaus im Umland, um dort zunächst mit den Kindern zu leben. Im Alter will er dieses wieder verkaufen, um zurück in die Stadt zu ziehen. Unternehmen kaufen z.B. eine Büroimmobilie, um diese entsprechend zu nutzen. Beide Wirtschaftssubjekte können das Ziel haben, dass kein realer Wertverlust bei der Immobilie entsteht und damit der Immobilienpreis mit der Inflationsrate ansteigen soll. Wenn die Immobilieneigentümer vor allem an einer Preissteigerung interessiert sind, kann als Indikator die Wertsteigerung mit der Inflationsentwicklung verglichen werden. Im Folgenden wird dazu vom German Property Index (GPI) nur der Capital Growth Return verwandt. Der GPI ist ein Immobilien-Performance-Index und kann als Benchmark für deutsche Immobilienportfolios dienen. Er setzt sich zusammen aus dem Cash Flow Return und dem Capital Growth Return für 127 Städte und die wichtigsten Objektarten. Der Cash Flow Return ist hier aber als Indikator ungeeignet, da dieser den gesamten Cash Flow (in Relation zum Immobilienwert) misst und nicht dessen Veränderungsrate. Der Capital Growth Return stellt hingegen die Veränderung des Wertes von Bestandsimmobilien dar. Der Capital Growth Return war in den letzten 20 Jahren deutlich volatiler als die Inflationsrate wie die folgende Abbildung 3.21 zeigt. Nur während vier Perioden war das Wachstum der Immobilienwerte höher als die allgemeine Preissteigerung. Dies betraf die Zeiten nach der Wiedervereinigung und des „Dot-Com-Booms“ sowie des Immobilienbooms Mitte des letzten Jahrzehnts und die letzten drei Jahre. Die Wertzuwächse fallen daher vor allem in Phasen kräftigen Wirtschaftswachstums. Im längerfristigen Vergleich gibt es aber immer wieder auch Zeiten, in denen die Wertzuwächse deutlich unterhalb der Inflationsrate lagen. Daher stieg in den letzten 20 Jahren das Preisniveau ungefähr ähnlich stark wie die Immobilienwerte. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Immobilienwerte bei den Bestandswohnungen deutlich stärker angestiegen sind. Der Wertezuwachs bei den Gewerbeimmobilien war dagegen langfristig insgesamt negativ. In der kurzen Frist, den letzten 10 Jahren, war der Anstieg beim Verbraucherpreisindex höher als beim Capital Growth Return.
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Insgesamt ergibt sich anhand dieses Vergleichs ein differenziertes Bild bezüglich eines Inflationsschutzes. Ein ähnliches Bild zeigt die Wertveränderungsrendite des DIX (Deutsche Immobilien Index), die von der IPD Investment Property Databank GmbH für Deutschland berechnet wird. Der DIX ist ein Indikator für die Wertentwicklung von Immobilien, die sich vorwiegend im Bestand institutioneller Investoren befinden. Die Wertentwicklung ergibt sich durch die einmal jährlich durch das Ertragswertverfahren festgestellten Werte. Nur in drei von elf Jahren war bei der Wertentwicklung der Portfolios institutioneller Anleger ein Zuwachs festzustellen. Die Inflationsrate lag immer oberhalb der Wertänderungsrendite, so dass hiernach nicht von einem Inflationsschutz gesprochen werden kann. Ein dritter Investorentyp kann daran interessiert sein, dass er seine einst erworbene Immobilie auch wieder verkaufen kann oder will. Der Immobilieneigentümer hat demnach das Ziel, dass sowohl die Preise als auch die Mieten mindestens real konstant bleiben bzw. diese mindestens mit der Inflationsrate anwachsen. Der Indikator BulwienGesa-Immobilienindex kann hier als Vergleichsmaßstab verwendet werden, wenn Immobilienbesitzer den realen Wert ihrer Immobilie und die realen Mieteinnahmen mindestens konstant halten wollen. Demnach müssen die Immobilienpreise und die Mieten im gleichen Ausmaß ansteigen wie das allgemeine Preisniveau. Dieses kann am Immobilienindex gemessen werden, der in der folgenden Abbildung 3.21 dargestellt ist. Der Immobilienindex analysiert die Immobilienmarktentwicklung für 125 deutsche Städte. Der Index umfasst neun Einzelobjektsegmente wie Preise und Mieten für Wohnen sowie Ladenmieten, Büromieten und Grundstückspreise. Im langfristigen Vergleich zur Inflation hat sich der Immobilienmarkt gemäß des Immobilienindexes in den letzten 20 Jahren unterdurchschnittlich entwickelt. Während die Preise um insgesamt 50 v.H. angestiegen sind, betrug der Zuwachs beim Immobilienindex nur 20 v.H., wobei die Gewerbepreise und -mieten sogar noch schwächer wuchsen. Auch kurzfristig seit der Jahrtausendwende lagen die allgemeinen Preissteigerungen über der allgemeinen Wert- und Mietentwicklung von Immobilien. Lediglich in drei Phasen waren die in dem Index dargestellten Miet- und Preissteigerungen höher als die Inflationsrate. Dies war der Fall in den frühen 1990er Jahren des Wiedervereinigungsbooms, danach während des „Dot-Com-Booms“ zur Jahrtausendwende und in den letzten drei Jahren. Während in den ersten beiden Zeiträumen der Anstieg des Index auf hohes Wirtschaftswachstum zurückzuführen ist, war es in der nahen Vergangenheit insbesondere der Anstieg der Preise und Mieten auf dem Wohnungsmarkt. Gemäß dem Immobilienindex hat es in Deutschland somit keinen vollständigen Inflationsausgleich gegeben.
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10,0 8,0
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v.H.
6,0 4,0 2,0 0,0 -2,0 -4,0 -6,0 1991
1994
1997
Inflationsrate Abb. 3.21:
2000
2003
GPI-Capital Growth
2006
2009
Immobilienindex
Inflation und Immobilienmärkte; Quelle: Statistische Bundesamt, BulwienGesa AG
Der vierte und letzte Investorentyp ist der institutionelle Anleger. Dieser ist es gewohnt, die Performance seines Immobilieninvestments mit denen anderer Assets bzw. mit der Preisentwicklung zu vergleichen. Der Indikator ist der Vermögensansatz, bei dem ein Inflationsschutz dann gegeben ist, wenn die Summe aus dem Anfangswert plus aller Mieteinnahmen aus den Immobilien plus den Wertveränderungen größer ist als der mit der Inflationsrate aufgezinste Anfangswert. Den Vergleichsindikator kann somit der GPI oder der DIX bilden. Insgesamt waren langfristig der Total Return sowohl beim DIX als auch beim GPI höher als die Inflationsraten. Der Cash Flow Return beim GPI und die Netto-Cash-Flow-Rendite beim DIX lagen im Durchschnitt der letzten Jahre bzw. Jahrzehnte deutlich über 5 v.H. Diese Wertänderungsraten waren nicht so negativ, so dass sowohl der Total Return beim GPI als auch der DIX Total Return i.d.R. größer als Null war. Immobilieninvestoren hatten daher einen Inflationsschutz, wenn sie entsprechend der obigen Überlegung handeln. Insgesamt zeigt sich, dass das Thema Immobilien und Inflation sehr differenziert zu betrachten ist. Empirische Studien kommen für die Vergangenheit zu unterschiedlichen bzw. divergierenden Ergebnissen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Immobilienmärkte im In- und auch Ausland für unterschiedliche Zeiträume sowie für verschiedene Objektarten analysiert worden sind. Allgemein gültige Aussagen sind auch deshalb schon unwahrscheinlich, da es sich bei Immobilien immer um Unikate handelt. Auswirkungen der Geldpolitik auf die Immobilienmärkte Die wichtigste Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB) ist es, Inflation zu verhindern bzw. das Preisniveau stabil zu halten. Besteht z.B. eine verstärkte Inflationsgefahr, dann muss die EZB versuchen, über ihre Geldpolitik das Preisniveau zu stabilisieren. Die Geldpolitik ist für die Geldwertstabilität verantwortlich und wirkt sich aber auch indirekt auf die Immobilienmärkte aus.
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Ziele der Europäischen Zentralbank (Art. 105, Abs. 1 EG-Vertrag) Das vorrangige Ziel der EZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft. Eine moderne Volkswirtschaft ist ohne Geld nicht vorstellbar. Die Geldnachfrage bzw. Geldhaltung der Wirtschaftssubjekte basiert auf den wichtigen Funktionen, die Geld in der Volkswirtschaft hat. So stellt Geld erstens die Grundlage für einen funktionierenden Tauschhandel dar. Schließlich wäre es ungemein schwierig, Partner für Transaktionen zu finden, da in den wenigsten Fällen beide Seiten ein Gut einsetzen möchten, das die jeweils andere Seite auch braucht. Darüber hinaus dient Geld zweitens als Wertaufbewahrungsmittel (Geld über eine längere Zeit halten) und drittens als Rechengröße, um den Wert verschiedener Güter miteinander vergleichen zu können. Das Geldangebot ist der volkswirtschaftliche Bestand an Geld in den Händen von NichtBanken (z.B. Haushalten und Unternehmen). Es wird vom Bankensystem determiniert, etwa durch die Ausgabe von Banknoten und das Zusammenwirken der Notenbanken und der Geschäftsbanken. Wie das Geldangebot abzugrenzen ist, hängt davon ab, welche Funktionen dem Geld definitionsgemäß zugewiesen werden. Geldmengenaggregate bzw. -konzepte Zentralbankgeldmenge, Geldbasis Bargeld der Nichtbanken und Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank. Die Geldbasis kann von den Zentralbanken direkt beeinflusst werden, die Geldmenge nur mittelbar. Geldmenge M1 Bargeldbestände (Banknoten und Münzen) und die täglich fälligen Sichteinlagen der Nichtbanken bei den Banken, bei denen die traditionelle Zahlungsmittelfunktion des Geldes im Vordergrund steht. Geldmenge M2 Summe aus Geldmenge M1 und Einlagen der inländischen Nichtbanken mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren oder eine Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten. Geldmenge M3 Summe aus Geldmenge M2 und Geldmarktpapieren, Geldmarktfonds-Anteilen sowie Wertpapieren mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren. Hierbei wird auch Geld mit der Funktion als Wertaufbewahrungsmittel erfasst. Das Geldangebot kann wichtige gesamtwirtschaftliche Variablen und Zielwerte der Wirtschaftspolitik beeinflussen, so z.B. die Inflationsrate (siehe vorherigen Abschnitt) oder die Investitionen. Wird unterstellt, dass die Investitionen zinsabhängig sind und der Zinssatz durch Geldnachfrage und -angebot bestimmt wird, so lassen sich z.B. über eine Veränderung des Geldangebots die Zinsen reduzieren und somit die gesamtwirtschaftlichen Investitionen und damit das Bruttoinlandsprodukt steigern.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank Damit Geld die o.g. drei Funktionen wahrnehmen kann, muss die Geldwertstabilität gesichert werden. Dies ist die Aufgabe der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Sie muss mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarium dafür sorgen, dass die Geldmenge nicht zu weit ausgedehnt wird. Auf der anderen Seite darf sie die Geldzufuhr jedoch auch nicht zu stark drosseln, da anderenfalls eine wirtschaftliche Schrumpfung droht. Die Geldpolitik versucht, durch Beeinflussung des Geldangebots, d.h. der Geldmenge und der kurzfristigen Zinssätze, Preisstabilität zu gewährleisten. Die EZB kann, soweit die Preisstabilität nicht gefährdet wird, auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisieren. Das Ziel der Preisstabilität kann die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank über verschiedene Alternativen erreichen. Die EZB setzt im Wesentlichen auf die Offenmarktpolitik, bei der Wertpapiere von der EZB an- und verkauft werden. Die Offenmarktpolitik wird eingesetzt, um die Zinssätze und Geldmenge/Liquidität am Markt zu steuern und Signale bezüglich des geldpolitischen Kurses zu geben. Dabei leiht die EZB den Geschäftsbanken im Austausch für die Überlassung von Sicherheiten Geld. Dieses Geld hat für die Banken die gleiche Bedeutung wie eine zusätzliche Einlage, d.h. es steht für die Kreditvergabe zur Verfügung. Da die Transaktion jedoch befristet ist, kann die Zentralbank regelmäßig nachsteuern, je nachdem, ob die Geldmenge zu schnell oder zu langsam steigt. Wie jede andere Bank verlangt die Zentralbank für die Kredite Zinsen. Gerade die Höhe dieser Zinsen bestimmt den Geldmengenprozess. Schließlich geben die Banken die Konditionen im Wettbewerb an ihre Kunden weiter. Je höher der Zinssatz ist, desto weniger Kredite werden c.p. die Banken vergeben können. Bei der Offenmarktpolitik stehen der EZB verschiedene Instrumente zur Verfügung. Wichtigstes Instrument sind die befristeten Transaktionen in Form des Hauptrefinanzierungsinstruments und der Längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte. In unterschiedlichem Abstand und mit unterschiedlicher Laufzeit erhalten die Geschäftsbanken hierbei Liquidität. Die EZB steuert so die Liquidität und die Zinssätze am Markt. Bei den Offenmarktgeschäften geht die Initiative von der EZB aus, die auch über das einzusetzende Instrument und die Bedingungen für die Durchführung der Geschäfte entscheidet. Der große Vorteil der Offenmarktpolitik ist die Möglichkeit der EZB, ständig nachsteuern zu können. Im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich die Laufzeiten und die Rhythmen der beiden Instrumente deutlich ausgeweitet. Zum einen wurde das Volumen der Kredite an die Banken deutlich erhöht und zum anderen wurden die Modalitäten dahingehend geändert, dass die Laufzeit deutlich verlängert wurde: von drei Monaten auf drei Jahre. Die EZB hat im Rahmen der Offenmarktpolitik weitere Instrumente, die Banken mit Liquidität zu versorgen oder ihnen diese zu entziehen. Dies kann in Form von Feinsteuerungsoperationen oder Strukturellen Operationen durchgeführt werden. Sie werden auch zur Steuerung der Liquidität und der Zinssätze durchgeführt. Ergänzend zur Offenmarktpolitik haben Banken mit Hilfe von Ständigen Fazilitäten die Möglichkeit, kurzfristig bei der EZB Liquidität zu bekommen oder überschüssige Liquidität anzulegen. Bei der Spitzenrefinanzierungsfazilität können Banken sich zum einen auf eigene Initiative gegen Sicherheiten Liquidität zwischen zwei Geschäftstagen (Übernachtkredit) zu einem vorgegebenen Zinssatz von der Zentralbank beschaffen. Diese Ständige Fazilität ist zur Deckung eines vorübergehenden, kurzfristigen Liquiditätsbedarfs bestimmt. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität ist so hoch, dass er die Obergrenze für
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
den Tagesgeldsatz am Geldmarkt zwischen den Banken bildet. Keine Bank wird einer anderen Bank für die Aufnahme eines Tagesgeldkredits mehr bezahlen wollen, als es bei der Zentralbank üblich und das Volumen zudem nicht begrenzt ist. Bei der Einlagenfazilität haben die Banken zum anderen die Möglichkeit, Zentralbankguthaben bis zum nächsten Geschäftstag (Übernachtguthaben) zu einem vorgegebenen Zinssatz bei den nationalen Zentralbanken anzulegen. Der Zinssatz für diese Ständige Fazilität bildet im Allgemeinen die Untergrenze für den Tagesgeldsatz am Geldmarkt im Interbankenhandel. Keine Bank wird sich bei der Geldausleihe an andere Banken mit weniger Zinsen begnügen, als sie bei der Zentralbank bekommt. Letztlich gibt es die Mindestreservepolitik, über die die Zentralbank die Geschäftsbanken zwingen kann, einen Teil ihrer Mittel bei der Zentralbank zu hinterlegen. Über Veränderungen des Mindestreservesatzes kann sie dann die Geldschöpfung anregen oder aber drosseln. Dieses Instrument wird jedoch eher selten verwendet, da Veränderungen des Mindestreservesatzes die Geschäftspolitik der Banken massiv beeinträchtigen. Die Geldpolitik der EZB unterstützt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, soweit dies nicht das Ziel der Preisstabilität beeinträchtigt. Je nach konjunktureller Lage setzt die Zentralbank ihre geldpolitischen Instrumente ein, zum einen expansiv, um die Konjunktur zu stimulieren oder zum anderen kontraktiv, um die konjunkturelle Dynamik zu bremsen. Bei einer Rezession wird von der Zentralbank erwartet, dass sie zum einen durch die Erhöhung der Zentralbankgeldmenge vor allem mit Hilfe einer expansiven Offenmarktpolitik die Kreditvergabemöglichkeiten der Geschäftsbanken erhöht. Bei einer expansiven Geldpolitik steht den Banken mehr Geld zur Vergabe von Krediten zur Verfügung. Gleichzeitig sinkt aber auch der Preis des Geldes, nämlich der Zins. Bei einem erhöhten Angebot durch die Banken sinkt das Zinsniveau und folglich wird die Investitionstätigkeit der Unternehmen angeregt. Dadurch wird das Ausgabeverhalten stimuliert und es wächst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Zum anderen hat die Zentralbank die Möglichkeit, durch eine Verringerung der Geldkosten den Geschäftsbanken die Möglichkeit zu Zinssenkungen zu ermöglichen. Durch niedrigere Zinsen wird die zinsabhängige Nachfrage stimuliert. Durch eine Veränderung dieser Zinsen können direkt die Zinsen sinken oder indirekt führt eine höhere Geldmenge tendenziell zu niedrigeren Zinsen. Eine expansive Geldpolitik der Zentralbank wird üblicherweise somit einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten auslösen, der auch zu einem höheren Beschäftigungsniveau führen kann. Geldpolitische Auswirkungen auf die Immobilienmärkte Geldpolitische Maßnahmen der EZB wirken sich letztlich auch auf die Immobilienmärkte aus. Eine expansive Geldpolitik mit einer Erhöhung der Geldmenge und niedrigeren Leitzinsen kann die Immobilienpreise beeinflussen und hat eine mittelbare Wirkung auf die Konjunktur einer Volkswirtschaft. Dieser sogenannte geldpolitische Transmissionsmechanismus besteht aus verschiedenen Übertragungswegen. Dabei sind diese Mechanismen nicht isoliert zu betrachten, sondern bedingen sich teilweise gegenseitig. Die Geldpolitik beeinflusst die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Immobilien. Dabei kommen die Impulse von der Zentralbank, die dadurch sowohl das Geld- sowie Kreditmengenwachstum als auch die Refinanzierungskosten der Banken beeinflusst. Eine expansive Geldpolitik (niedrigere Leitzinsen und eine höhere Zentralbankgeldmenge) soll dazu führen, dass die Banken ihre Kreditmenge ausweiten (steigende Geldmenge) und die Zinsen für die Unternehmen und Haushalte sinken. Die höhere Geldmenge stimuliert die volkswirtschaftli-
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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che Nachfrage auch nach Immobilien und die niedrigen Zinsen haben geringere Kosten der Immobilienfinanzierung zur Folge. Der Rückgang der Darlehenszinsen belebt schließlich auch direkt den privaten Konsum und die Unternehmensinvestitionen. Da die Darlehensnehmer geringere Zinszahlungen leisten müssen, sinkt ihre Finanzierungslast, und sie erhalten einen größeren Spielraum für mehr Konsumausgaben und Investitionen sowie auch für Immobilienausgaben. Kann diese insgesamt höhere Immobiliennachfrage nicht durch mehr Fertigstellungen kompensiert werden, dann werden kurz- bis mittelfristig die Immobilienpreise und -mieten steigen. Ein weiterer Effekt expansiver Geldpolitik zur Ankurbelung der Wirtschaft ergibt sich über den Immobilien-Investmentmarkt. Da zu Beginn eines Aufschwungs noch eine geringe Kreditnachfrage von den anderen Bereichen der Volkswirtschaft besteht, sind die Kapitalanleger aufgrund der hohen Liquidität auf der Suche nach profitablen Anlagen, welche die Immobilieninvestments darstellen können. Durch die höhere Liquidität und niedrigeren Zinsen kann die Nachfrage nach Vermögensgegenständen wie Immobilien ansteigen. Dies führt üblicherweise auch zu steigenden Preisen, da das Angebot erst mit einer Zeitverzögerung reagieren kann. Der durch die beiden vorangegangenen Effekte ausgelöste Anstieg der Immobilienpreise erhöht das Vermögen der Wirtschaftssubjekte. Höhere Immobilienpreise steigern zum einen das Reinvermögen der Unternehmen und verbessern deren Bilanzen. Dies erleichtert die Kreditvergabe an die Unternehmen und es verbessern sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmensinvestitionen. Höhere Wohnimmobilienpreise steigern zum anderen das Vermögen der privaten Haushalte. Die Haushalte können ihre Konsumneigung erhöhen, weil sie nun über ein größeres Vermögen verfügen. Tendenziell können die Haushalte in Anbetracht ihres gestiegenen Vermögens auch andere Ersparnisse auflösen und/oder ihre Sparaktivitäten reduzieren. In beiden Fällen führen gestiegene Immobilienpreise zu einem höheren privaten Konsum. Nutzen die Unternehmen und Haushalte außerdem ihre höheren Kreditlinien für Investitionen oder Konsumausgaben aus, dann wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vielfach stimuliert. Ein langfristiger Effekt der expansiven Geldpolitik kann darüber hinaus ein allgemeiner Anstieg der Transaktionen (Käufe und Vermietungen von Immobilien) sein. Dies führt zu einem Einkommensanstieg in allen Sparten der Immobilienwirtschaft, wie z.B. bei den Banken, Maklern oder Bewertern. Durch die höhere Nachfrage steigen bei zunächst konstantem Angebot die Preise. Aufgrund der verbesserten Nachfrage und der anziehenden Preise wird das Angebot mit neuen Fertigstellungen – wenn auch mit einer Zeitverzögerung – reagieren. Angesicht der Größe und Bedeutung der Immobilienwirtschaft kann ein höheres Fertigstellungsniveau dabei helfen, die Wirtschaft aus der Rezession zu führen. Mit den höheren Fertigstellungen werden sich auch die Beschäftigung, das Einkommen und die Konsumausgaben erhöhen. Mit Hilfe dieser Multiplikatoreffekte können insgesamt die Wirtschaftsaktivitäten angekurbelt werden und für die Wirtschaft einen Aufschwung auslösen bzw. unterstützen. Die Bedeutung des Zinses für die Immobilienwirtschaft Für die Immobilienwirtschaft ist die Entwicklung der Zinsen von besonderer Relevanz. Die Zinshöhe und -entwicklung wirkt sich als Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten auf die Nachfrage und das Angebot an Immobilien aus. Diese wird im Folgenden vor allem am Beispiel des Wohnimmobilienmarktes aufgezeigt. Die Angebots- und Nachfrageveränderun-
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
gen führen zu Veränderungen der Immobilienpreise, was wiederum realwirtschaftliche Folgen hat. Volkswirtschaftliche Analyse des Zinses Der Zins ist der Preis für die Überlassung von Kapital bzw. monetären Mitteln. Da der Zins einen Preis darstellt, kann er durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage erklärt werden. Die Immobilieninvestitionen werden heute mit einem kürzeren Anlagezeithorizont finanziert, so dass neben dem langfristigen Zins auch die kurz- bis mittelfristigen Zinsen und deren Entwicklungen an Bedeutung gewonnen haben. Es gibt verschiedene Zinstheorien, welche die Höhe und die Entwicklung des volkswirtschaftlich relevanten Zinssatzes – zunächst wird nur von einem Zinssatz ausgegangen – erklären. Der dominierende Ansatz der Neoklassik setzt auf die Stabilität des Marktmechanismus und ist angebotsorientiert. Nach der neoklassischen Zinstheorie wird der Zins realwirtschaftlich erklärt. Der Zins ergibt sich auf dem Gütermarkt durch die reale Investitionsnachfrage und dem Angebot an Ersparnissen (Konsumverzicht). Investitionen und Ersparnisse sind selbst Funktionen des Zinses. Bei einem hohen Zinssatz werden nur wenige Investitionen durchgeführt, aber viel gespart und umgekehrt. Zinsveränderungen werden somit zu Veränderungen von Ersparnissen und Investitionen führen. Für die Erklärung der Zinsstruktur bzw. Zinsstrukturkurve wird eine Differenzierung bei den Zinsen vorgenommen. Bei den verschiedenen Anlageprodukten mit unterschiedlichen Laufzeiten bildet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Zinssätze, die zusammen die Zinsstruktur darstellen. Dabei ist üblicherweise festzustellen, dass erstens der langfristige Zins normalerweise höher als der kurzfristige ist (ansonsten wird von einer inversen Zinsstrukturkurve gesprochen). Zweitens entwickeln sich die kurz- und langfristigen weitgehend parallel, d.h. steigen oder sinken gleichzeitig. Eine normale Zinsstruktur mit niedrigeren kurz- als langfristigen Zinsen kann durch zwei Ansätze erklärt werden. So wird angenommen, dass sich zum einen der langfristige Zinssatz aus der Aggregation der erwarteten kurzfristigen Zinsätzen der Zukunft ergibt. Zum anderen wird weiterhin darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftssubjekte für die kurzfristigen Papiere einen niedrigeren Zins akzeptieren, da diese ein geringeres Risiko und eine größere Liquidität aufweisen. Langfristige Papiere werden demnach nur gehalten, wenn eine Prämie in Form höherer Zinsen gezahlt wird. Diese beiden Ansätze erklären eine normale Zinsstruktur. Einflussfaktoren auf die Höhe und Struktur des Zinses ergeben sich neben den Angebotsund Nachfragebedingungen durch institutionelle Faktoren. Auf dem Geldmarkt handeln vor allem Banken Geld und kurzfristige Geldanlagen, um einen kurzfristigen Liquiditätsausgleich zu erreichen. Hier ergeben sich die kurzfristigen Zinsen, die von der Zentralbank durch die geldpolitischen Instrumente beeinflusst werden. Dies geschieht in Abhängigkeit vor allem vom Grad der Zielerreichung bei der Preisstabilität. Auf dem Kapitalmarkt findet der Handel mittel- bis langfristiger Wertpapiere statt. Der Kapitalmarkt dient als Transformationsstelle zwischen den Ersparnissen auf der einen und den Investitionen von Wirtschaft und öffentlichen Haushalten bzw. Ausland auf der anderen Seite. Die langfristigen Zinsen sind das Ergebnis von Angebot und Nachfrage auf den (internationalen) Kapitalmärkten. Da die Immobilieninvestitionen eher langfristig orientiert sind, wirkt sich besonders der langfristige Zinssatz (Kapitalmarktzins) auf das Marktgeschehen aus. Neben dem aktuellen wirkt sich der erwartete Zins auf Investitionsentscheidungen aus. Wird z.B. ein weiterer Zinsans-
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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tieg erwartet, so wird kurzfristig die Bautätigkeit trotz eines relativ hohen Zinssatzes weiter gesteigert. Effekte von Zinsentwicklungen auf die Immobilienmärkte Die Zinsentwicklung hat eine Reihe von Folgen für die Immobilienmärkte, was im Folgenden anhand eines steigenden Zinses dargestellt werden soll. Bei einem Rückgang der Zinsen werden hingegen die gegensätzlichen Reaktionen erfolgen. Eine Ursache für einen Zinsanstieg kann eine restriktive Geldpolitik der EZB sein. Der Anstieg der Geldmarktzinsen führt üblicherweise auch zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen, da diese monetären Märkte miteinander verbunden sind. Die weiteren Auswirkungen hängen stark davon ab, ob es sich um einen festen/fixen oder variablen/flexiblen Zins handelt. Der Zinssatz spielt erstens eine wichtige Rolle als Einflussfaktor auf die Immobiliennachfrage. Durch ihn bestimmen sich direkt die Konditionen für die Finanzierung von Objekten, da sich mit steigenden Zinsen die Finanzierung der Immobilien verteuert. Durch die höheren Zinsen ergibt sich ein höherer Schuldendienst aufgrund der gestiegenen Zinszahlungen. Je höher der Zinssatz ist, desto höher sind die laufenden Zinskosten der Finanzierung. Da aber i.d.R. für die Finanzierung nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen, sinkt die Nachfrage nach Immobilien folglich mit steigendem Zinssatz. Bei bestehenden Kreditverträgen gilt dieser Zusammenhang nur, wenn die Zinsen variabel sind und von den Gläubigern entsprechend angehoben werden können. Bei den neuen, an die Zinserhöhung angepassten Verträgen entstehen allerdings aufgrund der gestiegenen Zinsen automatisch höhere Zinszahlungen. Dadurch wird die Anzahl der Haushalte reduziert, die genügend Einkommen haben, um eine Immobilie nachzufragen. Darüber hinaus müssen die Haushalte für einen Kredit über ein ausreichendes Einkommen als Sicherheit verfügen. Dies gilt auch für Gewerbeimmobilien, bei denen aufgrund einer höheren Zinsbelastung ebenfalls die Nachfrage der Unternehmen sinkt. Die höheren Zinsen können insgesamt dazu führen, dass zum einen einige Immobilien nicht verkauft werden können. Zum anderen können die Verkäufer sich gezwungen sehen, den Preis zu reduzieren, damit die Nachfrage der Käufer wieder steigt. Schließlich wird über den Anstieg der Darlehenszinsen auch der private Konsum belastet. Da die Darlehensnehmer höhere Zinszahlungen leisten müssen, steigt ihre Finanzierungslast, und sie haben einen geringeren Spielraum für Konsumausgaben (z.B. für Mieten). Einen weiteren Effekt haben die höheren Zinsen für die Immobiliennachfrage aufgrund negativer Sekundäreffekte. Potenzielle Käufer, die für den Immobilienerwerb hauptsächlich Fremdkapital verwenden, werden aufgrund der gestiegenen Zinsen mit höheren Darlehenszinsen belastet. Durch die höheren Zinsen wird der Erwerb von Eigentum relativ ungünstiger im Vergleich zum Mieten von Immobilien. Somit ist zu erwarten, dass es zu einem Rückgang der Nachfrage nach Eigentum und darüber hinaus der Preise kommt. Das Zinsniveau hat zweitens Effekte auf das Immobilienangebot aufgrund einer veränderten Investitionstätigkeit der Unternehmen. Höhere Zinsen bedeuten größere Kapitalkosten und somit eine deutliche Belastung der üblicherweise mit einem hohen Anteil an Fremdkapital gebauten Immobilien. Veränderungen beim Angebot auf den Immobilienmärkten werden durch die Verfügbarkeit von Krediten und der Höhe der Zinsen für Darlehen verursacht. Da die meisten Immobilieninvestments Fremdkapital benötigen, hängt von dessen Verfügbarkeit und der Höhe der Zinsen das Ausmaß der Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt ab. Steigen die Zinsen an, so werden c.p. die Neubauaktivitäten sinken, da die Finanzierung der Neubau-
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
ten teurer wird. Hohe Zinsen dämpfen so die Investitionsbereitschaft für Projektneubauten, was sich negativ auf die Angebotsseite auswirkt. Die Projektentwickler reagieren sensibel auf Zinsänderungen. Ein höherer Eigenkapitaleinsatz könnte die Bedeutung des Zinses allerdings reduzieren. Drittens kann das allgemeine Zinsniveau als Benchmark (Referenzzinssatz) Auswirkungen für Investments institutioneller Investoren in Immobilien haben. Die Investitionsbereitschaft in Immobilien wird im Besonderen durch die Zinsentwicklung auf dem Kapitalmarkt beeinflusst. Zum einen steigen aufgrund der höheren Zinsen die Fremdfinanzierungskosten. Bei einem steigenden Zins wird die Kapitalbeschaffung sowohl von Fremd- als auch von Eigenkapital schwieriger und vor allem teurer. Hierdurch werden die Immobilieninvestitionen teurer. Die Erlöse müssen folglich hinreichend steigen, damit die Rendite mindestens konstant bleibt. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass die Investmenttätigkeit in Immobilien reduziert wird. Zum anderen sind mit steigenden Zinsen gleichzeitig die Renditen vergleichbarer Investments gestiegen, deshalb werden die Investoren versuchen, die Erträge aus ihrem Investment zu steigern. Steigende Zinsen bei alternativen Investments machen Immobilieninvestments relativ unattraktiver. So kann es zu Umschichtungen bei diesen Portfolioentscheidungen zu Lasten von Investments in Immobilien kommen, wenn Investitionen in andere Assets attraktiver geworden sind. Der Devisenmarkt und seine Auswirkungen auf die Immobilienmärkte Durch die zunehmende Internationalisierung der Immobilienmärkte hat in den vergangenen Jahren der Devisenmarkt für die Immobilienwirtschaft eine wachsende Bedeutung gewonnen (siehe Kapitel 6.1). Bei allen Zahlungen über die Grenzen hinweg wird entweder heimische Währung in fremde oder fremde in heimische Währung umgetauscht, so wie dies bei grenzüberschreitenden Immobilieninvestments oder Mietzahlungen geschieht. Der auf den Devisenmärkten erzielte Wechselkurs und seine Entwicklung können zu zusätzlichen Erträgen bzw. zu Ertragseinbußen führen. Die ausländischen Zahlungsmittel werden Devisen genannt und auf dem Devisenmarkt gehandelt (siehe Abbildung 3.22). Der Wert ergibt sich bei freien Märkten (flexiblen Wechselkursen) aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage von Devisen und drückt sich im Wechselkurs aus. In anderen Wechselkurssystemen wird der Wechselkurs von den beteiligten Ländern bzw. Zentralbanken festgelegt oder durch feste Bandbreiten vorgegeben. Der Wechselkurs spiegelt das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen auf dem Devisenmarkt wider. Die Notierung des Wechselkurses erfolgt in Deutschland in der international üblichen Mengennotierung. Die Mengennotierung zeigt die Menge an ausländischer Währung an, die für eine Einheit inländischer Währung erhältlich ist: z.B. 1,34 USD für 1,00 Euro. Es ist auch der in ausländische Währung ausgedrückte Preis für eine Einheit Inlandswährung. Auf dem Devisenmarkt entsteht ein Angebot an inländischer Währung (Devisennachfrage), wenn inländische Wirtschaftssubjekte
ausländische Güter und Dienstleistungen importieren, z.B. wenn deutsche Schüler Bücher in britischen Buchläden kaufen. Transferzahlungen an Ausländer leisten, z.B. wenn Gastarbeiter in Deutschland einen Teil ihres Einkommens in ihre Heimatländer überweisen.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
67
ausländisches Finanzvermögen erwerben (Kapitalexport), z.B. wenn Touristen gegen Euro ausländische Devisen kaufen. Außerdem entsteht auf dem Devisenmarkt ein Angebot an inländischer Währung, wenn Ausländer ausländische Vermögenstitel kaufen oder ihren Bestand an inländischer Währung reduzieren und damit auf dem Markt anbieten. Auf dem Devisenmarkt entsteht eine Nachfrage nach inländischer Währung (Devisenangebot), wenn ausländische Wirtschaftssubjekte z.B. inländische Güter und Dienstleistungen erwerben (Export) oder inländisches Finanzvermögen kaufen (Kapitalimport).
Wechselkurs
USD Euro
Angebotsfunktion
USD Euro
*
Nachfragefunktion Euro Abb. 3.22:
Flexibler Wechselkurs (mengennotiert); Quelle: eigene Darstellung
Der Anstieg des Preises (Wechselkurs) der einheimischen Währung gegenüber ausländischen Währungseinheiten wird auch als Aufwertung bezeichnet. Die Aufwertung der inländischen Währung gegenüber der ausländischen Währung bedeutet gleichzeitig eine Abwertung der ausländischen Währung gegenüber der inländischen Währung. Das Sinken des Preises der einheimischen Währung gegenüber ausländischen Währungseinheiten wird demgegenüber als Abwertung bezeichnet. Die Abwertung der inländischen Währung gegenüber der ausländischen Währung bedeutet gleichzeitig eine Aufwertung der ausländischen Währung gegenüber der inländischen Währung. Die wichtigsten Folgen der Aufwertung für das „aufwertende Land“ sind die Verteuerung der Exportgüter und damit ein Rückgang des Exports sowie die Verbilligung der Importgüter und somit ein Importanstieg. Wechselkurse und Effekte auf Immobilienmärkte Der Wechselkurs und seine Veränderungen haben teilweise deutliche Auswirkungen auf die Immobilienaktivitäten im Ausland. Die Renditen, die sich aus dem Cash Flow (u.a. Mieteinnahmen) und den Wertänderungen zusammensetzen, können durch Wechselkursänderungen beeinflusst werden. Diese Wechselkursbewegungen können erhebliche Auswirkungen haben wie das folgende Beispiel zeigt.
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Wechselkurseffekte bei Immobilieninvestments Ein deutscher Investor kauft eine Wohnung für 300.000 USD. Nach zwei Jahren ist der Wert der Immobilien auf 400.000 USD angestiegen und der Investor will nun die Immobilie wieder verkaufen, um den Gewinn von 100.000 USD ohne Steuern und Gebühren zu realisieren. Während der zwei Jahre des Wohnungsbesitzes veränderte sich aber der Wert des Dollars zum Euro. Als die Immobilie gekauft wurde, war der Euro 1,46 USD wert (1,46 USD = 1 Euro). Für den Kauf der Immobilie musste daher der Investor 205.479 Euro (300.000/1,46) ausgeben. Zum Zeitpunkt des geplanten Verkaufes ist aber der Wert des Dollars gefallen und der Wechselkurs beträgt nun nur 1,95 USD pro Euro (1,95 USD = 1 Euro). Der Verkaufspreis von 400.000 USD wäre damit in Euro nur noch 205.128 Euro wert (400.000/1,95). Die Wechselkursentwicklung hat damit den Wertzuwachs der Immobilie wieder aufgehoben. Ein anderes Beispiel zeigt in Abbildung 3.23 der theoretische Kauf einer Büroimmobilie in London zu Beginn des Jahres 1997 durch einen institutionellen Investor aus Deutschland. Dies geschah somit in der Endphase des Immobilienbooms des vergangenen Jahrzehnts. Das Gebäude wurde für 630 Mio. britische Pfund (GBP) oder umgerechnet 950 Mio. Euro gekauft. Wenn nun angenommen wird, dass sich der Wert der Immobilie entsprechend der Markt-Wertentwicklung verändert, kam es schon bald zu deutlichen Wertverlusten. Der Wert des Bürogebäudes betrug zur Jahresmitte 2009 in GBP nur noch 45 v.H. des Ausgangswertes. Da es sich um einen deutschen Investor handelt, wäre in seinen Bilanzen auch der Wert der Immobilie in Euro auszuweisen und somit der Wechselkurs zu berücksichtigen. Dadurch sinkt der Wert der Büroimmobilien in Euro sogar um fast zwei Drittel. Zur Jahresmitte 2012 hat sich der Büroimmobilienwert wieder deutlich erhöht, liegt aber in GBP noch um 20 v.H. und in Euro um gut ein Drittel unter dem Ausgangswert. Darüber hinaus hat der Investor auch mit Einnahmen aus der Vermietung der Büroimmobilie kalkuliert, die an die Kapitalanleger ausgeschüttet werden. Bei einer vollvermieteten Immobilie erhielte der Investor zwar die anfangs vereinbarte Miete in GBP, aber aufgrund seines Sitzes in Deutschland wäre auch hier eine Umrechnung in Euro notwendig. Der Investor würde nur noch Mieteinnahmen in Höhe von gut zwei Drittel des Ausgangsniveaus zum Jahresende 2009 (Tiefpunkt) haben. Zur Jahresmitte 2012 müsste der Investor immerhin noch auf rund 20 v.H. seiner ursprünglichen Miete in Euro verzichten. Falls das Bürogebäude zum Zeitpunkt des Kaufs nicht voll vermietet war, könnte der Investor die Büroflächen aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise dann nur noch zu deutlich reduzierten Mieten vermieten. Am Tiefpunkt zur Jahresende 2009 hätte die Miete um gut 25 v.H. unter dem Anfangswert gelegen.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
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1.000 Mio. 900
GBP / Euro
1,00 0,95
800
0,90
700
0,85
600
0,80
500
0,75
400
0,70
300
0,65
200
0,60
100
0,55
0 I. Q. 07
0,50 I. Q. 08 Preis in Mio. GBP
Abb. 3.23:
I. Q. 09
I. Q 10
Preis in Mio. Euro
I. Q 11
I. Q 12
Wechselkurs GBP/Euro
Entwicklung des Wechselkurses GBP und Immobilienpreis und Miete; Quelle: Bundesbank, eigene Darstellung
Wechselkursentwicklungen können aber auch bei der Kreditfinanzierung mit Hilfe von ausländischen Währungen negative Folgen haben. So wurden vor rund einem Jahrzehnt viele – auch bekannte – Bauprojekte wie die Allianz-Arena in Schweizer Franken oder andere Objekte auch in japanischen Yen finanziert. Durch die Fremdwährungsfinanzierung sollten trotz des Wechselkursrisikos und der Transaktionskosten die Vorteile eines niedrigen Zinsniveaus gesichert werden. Die Gesellschaft Allianz Arena (Tochterunternehmen von Bayern München AG) nahm ein Darlehen über 75 Mio. Euro bei einem Kurs von rund 1,50 Schweizer Franken auf (= 115 Mio. Franken). Der Euro sank aber aufgrund der Stärke des Schweizer Frankens auf ca. 1,20 Franken (2012) pro Euro. Nun wären 95 Mio. Euro notwendig, um den Kredit in Schweizer Franken zurückzuzahlen. Trotz der jährlichen Zinsersparnisse dürfte sich der Schaden laut SportBild für die Schalendiebe bei knapp 17 Mio. Euro gelegen haben. Exkurs: Finanzkrise und Immobilienmärkte Die Finanzkrise ist eine durch die Immobilienkrise der USA ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich zu einer Bankenkrise sowie Staatsschuldenkrise ausweitete. Der Ursprung der Krise liegt im Wohnungsmarkt der USA. Nach dem Ende der „Dot-Com-Blase“ im Jahr 2000 und den Anschlägen vom 11.09.2001 hatte die US-Notenbank ihre Leitzinsen auf ein historisch niedriges Niveau gesenkt und gleichzeitig den Geldmarkt mit Liquidität geflutet. Eine weitere Ursache war das dynamische Wachstum der Märkte für Verbriefungen (Mortgage Backed Securities (MBS)). Um insgesamt deutlich mehr Kredite zu vergeben und ihre Kreditrisiken zu reduzieren, hatten die Banken mit Hilfe von MBS die Ansprüche aus den Hypothekenkrediten zusammen mit den Risiken an Investoren weltweit weitergegeben. Die große Menge verbriefter Kredite und ihre weltweite Verbreitung verstärkten wesentlich die Auswirkungen der US-Immobilienkrise. Die Konjunkturabschwächung in den USA ab 2005 und der Anstieg des US-Zinsen lösten eine Kettenreaktion aus. Einkommensschwache Schuldner konnten die gestiegenen Zinsen für ihre variabel verzinsten Hauskredite nicht mehr aufbringen und mussten ihr Haus ver-
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
kaufen. Wegen der zunehmenden Verkäufe brachen die Häuserpreise ein und die Banken und Investoren verfügten zunehmend über ungesicherte Kreditforderungen und machten Verluste. Die Krise wurde im Jahr 2007 offensichtlich, nachdem ein Hypothekenfinanzierer in den USA Gläubigerschutz beantragen musste und mehrere Hedgefonds in Zahlungsschwierigkeiten gerieten. Im Herbst 2008 verschärfte sich die Situation erneut, als die USRegierung die beiden größten Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac übernahm, um deren Insolvenz zu verhindern. Mitte September 2008 kam es zu der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers. Dies führte zu einer weltweiten Vertrauenskrise in das Finanzsystem, so dass die Versorgung der Wirtschaft mit Bankleistungen in Gefahr geriet. Um den Zusammenbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftssysteme zu verhindern, kam es zu umfangreichen Staatsgarantien und Hilfen für die Banken weltweit. Gleichzeitig wurden weltweit staatliche Rettungsmaßnahmen und Hilfsprogramme für die Banken in Form von Garantien, Eigenkapitalbeteiligungen oder dem Ankauf notleidender Kredite gestartet. Darüber hinaus übernahmen die Zentralbanken die Funktion des Geldmarktes zwischen den Banken. Neben diesen Maßnahmen zur Stabilisierung der Banken legten die Staaten auch zahlreiche Konjunkturprogramme auf, um den realen Sektor zu unterstützen. Ab dem Herbst 2009 brach dann die Staatsschuldenkrise im Euroraum aus. Ausgangspunkt war, dass Griechenland seine „wahre“ Finanzlage offen legte. Eine wesentliche Ursache für die Schuldenkrise der europäischen Staaten lag darin, dass es als Folge der Bankenrettungen und der staatlichen Konjunkturprogramme sowie den Folgen der Wirtschaftskrise (u.a. Arbeitslosigkeit) zu einem starken Anstieg der Staatsschulden gekommen war. Die Finanzmärkte waren aber nicht mehr bereit, weitere Kredite an diese Länder zu geben. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hatte auch ihre Auswirkungen auf die Immobilienmärkte, wobei sich die Brache insgesamt gut behauptet hat. Besonders deutlich betroffen war der Investmentmarkt in Deutschland. Begünstigt von günstigen Rahmenbedingungen, u.a. ausreichende Liquidität und niedrige Zinsen, kam es im Verlauf des letzten Jahrzehnts zu einem Hype bei Immobilieninvestitionen. Innerhalb weniger Jahre stieg das Transaktionsvolumen um mehr als das Dreifache bis zum Jahr 2007. Aufgrund der Krise kam es im II. Halbjahr 2008 und im I. Halbjahr 2009 zu fast keinen Transaktionen. Da das Preisniveau während des Hypes aber nur schwach angestiegen war, kam es nur zu vergleichsweise geringen Preisrückgängen. Auf den Vermietungsmärkten waren die Auswirkungen in Deutschland hingegen geringer. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der BIP-Rückgang nur kurzfristig war und zum anderen die konjunkturellen Gegenmaßnahmen (u.a. Kurzarbeit) wirkten. Auf dem Büromarkt kam es nur zu kurzzeitigen Rückgängen bei der Nettoabsorption, die Leerstände stiegen um bis zu 20 v.H. (2010 gegenüber 2008) in den Bürohochburgen an und die Mieten sanken leicht um rund 5 v.H. Im Einzelhandel waren die Effekte insgesamt gering, während die Wohnungsmärkte sogar durch die Nachfrage nach dem „Betongold“ profitierten. Spekulative Übertreibungen waren in Deutschland weitestgehend nicht festzustellen. International war auch ein Rückgang des Transaktionsvolumens zu verzeichnen, das Volumen fiel um ungefähr zwei Drittel. In London stiegen z.B. im Vorfeld der Krise die Preise für Büroflächen um gut das Dreifache an, um in Folge der Krise um die Hälfte einzubrechen. Nachhaltige negative Auswirkungen auf die Immobilienmärkte waren insbesondere in den Krisenländern wie Griechenland oder Spanien zu verzeichnen. Die Investmentmärkte dieser Länder kamen zum Stillstand und in vielen Vermietungsmärkten stiegen die Leerstände drastisch an.
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
3.2.4
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Demografische Entwicklung und Immobilienmärkte
Der demografische Wandel ist für die zukünftige Entwicklung der Immobilienmärkte von großer Bedeutung. Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden demografischen Veränderungsprozess, was die Daten für die demografische Entwicklung der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2009 zeigen. Die grundlegenden Trends haben sich im Vergleich zu den vorherigen Prognosen – zum Teil sogar verstärkt – fortgesetzt. Diese beiden wesentlichen Trends sind zum einen die Abnahme der Bevölkerungszahl und zum anderen die Veränderung der Altersstruktur mit der Zunahme der Anzahl älterer Menschen. Grundlage für die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sind Annahmen bezüglich der drei maßgebenden Einflussgrößen auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung:
die Geburtenhäufigkeit, die als annähernd konstant angenommen werden kann und keinen sprunghaften Veränderungen unterliegt, die Lebenserwartung, die weiter leicht steigen wird sowie die Migration, d.h. Wanderungsbewegungen von und nach Deutschland, wobei von einem positiven Saldo ausgegangen wird. Die demografischen Prozesse vollziehen sich sehr langsam und lassen sich kurzfristig kaum verändern. Von daher sind auch langfristige Prognosen über die zukünftige Entwicklung und Struktur der Bevölkerung recht valide. Natürliche Veränderungen wie die Geburtenhäufigkeit und die Sterbewahrscheinlichkeit lassen sich für die nächsten Jahrzehnte sehr gut einschätzen. Zusätzlich ist für die Prognosen von Vorteil, dass die meisten Menschen, die längerfristig in Deutschland leben werden, schon heute hier sind. Kommt es zu keinem starken Strukturbruch, wird die Einwohnerzahl sinken und die Bevölkerung in den nächsten Jahren deutlich altern. Dabei wird der demografische Wandel regional sehr unterschiedlich ausfallen. Absoluter Bevölkerungsrückgang Die Bevölkerungszahl in Deutschland wird, wie Chart 3.24 zeigt, langfristig abnehmen. Schon seit dem Jahr 2003, in dem Deutschland mit 82,5 Mio. Personen den bisher höchsten Bevölkerungsstand erreichte, setzte ein tendenzieller Rückgang ein. Einzig 2011 gab es aufgrund von gestiegenen Zuwanderungen eine leichte Zunahme der Bevölkerung. Der negative Trend wird aber nach allen Varianten der o.g. Prognosen des Statischen Bundesamtes in den kommenden Jahren anhalten. Der Rückgang der Bevölkerungszahl erklärt sich einerseits durch die zu niedrige Geburtenhäufigkeit bei einer im Vergleich dazu zu hohen Zahl von Sterbefällen. Andererseits kann dieses Geburtendefizit nicht durch eine entsprechende Zuwanderung kompensiert werden.
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
85.000
in Tsd.
80.000 75.000 70.000 65.000 60.000 55.000 2010
2015
2020
2025
optimistische Variante Abb. 3.24:
2030
2035
2040
2045
pessimistische Variante
2050
2055
2060
Wanderung = 0
Bevölkerungsentwicklung; Quelle: Statistisches Bundesamt
Bei den Prognosen wird angenommen, dass die Geburtenziffer von 1,4 Kindern je Frau konstant bleibt. Weiterhin wird eine Nettozuwanderung von 100.000 Personen oder von 200.000 Personen angenommen. Dieses ist aber weit geringer als die Zahl, die nötig wäre, um eine konstante Einwohnerzahl zu erreichen. Die Bevölkerung in Deutschland wird demnach bis zum Jahr 2060 je nach Prognose um zwischen 11 und 17 Mio. Menschen schrumpfen. Für den Prognosezeitraum bedeutet dies je nach Variante einen Rückgang zwischen 14 v.H. und 21 v.H. Wird hingegen ein Wanderungssaldo von Null angenommen, so wird die Bevölkerung bis 2060 sogar um knapp 30 v.H. oder um ca. 25 Mio. abnehmen. Die Schrumpfung der Bevölkerungszahl kann in einer Region eine Negativspirale auslösen. Die Bevölkerung nimmt ab, weil regional immer mehr Menschen fortziehen. Wichtiger Grund hierfür ist, dass Arbeitsplätze fehlen. Weniger, insbesondere junge kaufkräftige Einwohner und ein reduziertes Angebot an Arbeitsplätzen bedeuten eine sinkende Kaufkraft und auch nachlassende Steuereinnahmen. Wenn immer weniger Geld ausgegeben werden kann, verstärkt das den negativen Trend nach unten. Demografische Struktureffekte: älter und bunter werdende Gesellschaft Die zu niedrige Geburtenhäufigkeit führt in Verbindung mit der steigenden Lebenserwartung zudem zu deutlichen Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung. Der demografische Wandel ist gekennzeichnet durch eine deutliche Alterung der Bevölkerung, also der Zunahme der Älteren und der Abnahme der Jüngeren. Dies zeigt eine Gegenüberstellung der zahlenmäßigen Veränderung der Personen in unterschiedlichen Altersgruppen. Die Zahl der Personen unter 20 Jahren wird von einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 19 v.H. auf 15 v.H. kontinuierlich abnehmen. Die Personen zwischen 20 und 65 Jahren machten 2008 noch einen Anteil von gut 60 v.H. an der Bevölkerung aus. Dieser wird bis 2060 auf knapp 49 v.H. zurückgehen. Einzig der Anteil der über 65-jährigen Personen wird von gut einem Fünftel auf 36 v.H. steigen, obwohl er absolut betrachtet stagniert bzw. leicht zurückgeht. Daher wird der Altenquotient ansteigen.
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Altenquotient Der Altenquotient ist definiert als das zahlenmäßige Verhältnis der Personen im Altern von 65 Jahren und älter zu 100 Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren. Darüber hinaus wird die Gesellschaft in Deutschland „bunter“, d.h. die Zahl und der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund werden weiter wachsen. Nach dem Mikrozensus 2010 lebten in Deutschland 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, weil sie entweder selbst eingewandert oder weil sie in Migrationsfamilien in Deutschland aufgewachsen sind. Die Mehrheit (8,8 Mio.) sind Deutsche mit Migrationshintergrund und einem deutschen Pass: Spätaussiedler oder eingebürgerte Ausländer. Bis 2060 wird sich insgesamt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung weiter erhöhen. Je nach Annahmen über die Höhe der Zuwanderungen kann dieser Anteil auf knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung anwachsen. Aufgrund des relativ jungen Alters und der etwas höheren Geburtenrate der Migrationsbevölkerung wird vor allem der Anteil der Jungen mit Migrationshintergrund in den kommenden Jahren deutlich steigen. Regionale Effekte Die zu erwartende Entwicklung der Bevölkerungszahl und die damit einhergehende Veränderung der Bevölkerungsstruktur werden sich in der regionalen Perspektive allerdings sehr unterschiedlich zeigen. Auf der regionalen Ebene ist neben den Unterschieden in der Familienbildung und der Lebenserwartung vor allem die Wirkung der Binnenwanderung zu berücksichtigen. Die Prognosen über die regionalen Effekte fallen unterschiedlich aus, da die Binnenwanderungen zwischen den Regionen in Deutschland nur schwer zu prognostizieren sind. So ergeben sich hohe Unsicherheiten bei den Ergebnissen. Nach Untersuchungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nimmt die Zahl der Kreise, die bis 2025 eine schrumpfende Bevölkerungszahl zu verzeichnen haben, weiter zu. Das früher gängige Bild von Ostdeutschland als der alleinigen „Fortzugs-“ und Westdeutschland als der „Zuzugsregion“ ist jedoch nicht mehr eindeutig. Dennoch ist die zahlenmäßige Abnahme der Bevölkerung in Ostdeutschland nach wie vor stärker ausgeprägt als in Westdeutschland. Allerdings werden bis 2020 auch Regionen in Westdeutschland von einem Rückgang der Bevölkerungszahl betroffen sein (z.B. das Saarland und das Ruhrgebiet) und in Ostdeutschland wird es Regionen mit einer wachsenden Bevölkerungszahl geben, wie etwa in dem so genannten „Speckgürtel“ um Berlin oder anderen größeren Städten. Auf der lokalen Ebene kam es in den letzten 10 Jahren zu einer stärkeren Polarisierung. Großstädte wurden immer mehr zu Wachstumsregionen, da der Suburbanisierungsprozess (Abwanderungsprozess ins Umland) vielfach gebremst wurde. Diese Städte und Teile ihres Umlands können teilweise starkes Wachstum verzeichnen. Dieses ist weniger auf die zurückkehrenden Senioren zurückzuführen, sondern eher auf die geringeren Fortzüge jüngerer Haushalte in das Umland. Die betroffenen Regionen sind in Westdeutschland die Boomregionen München und Hamburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main oder Stuttgart. Während Berlin selbst erst seit Mitte des letzten Jahrzehnts wächst, wachsen bereits die Städte und Gemeinden im Umland seit der Wiedervereinigung. Aber auch in einigen ostdeutschen Städten wächst die Bevölkerung, wie in Dresden, Erfurt, Jena oder Magdeburg. Der Reurbanisierungsprozess wird auch zukünftig anhalten, da zum einen die Entscheidungsträger in der
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
Politik der Zersiedelung aus Gründen der Nachhaltigkeit Einhalt gebieten und weniger Bauland ausweisen wollen. Zum anderen rechnen viele Haushalte mit weiterhin steigenden Mobilitätskosten aufgrund wachsender Energiekosten und sind weniger bereit, ins fernere Umland zu ziehen. Viele Kommunen – auch in Westdeutschland – müssen damit rechnen, dass sie (weiter) schrumpfen werden. Die Entwicklungschancen vieler Gemeinden außerhalb des Einflussbereichs großer Zentren werden negativ betroffen sein. Insbesondere in strukturschwachen ländlichen Regionen geht die Bevölkerung zurück. Der demografische Wandel hat in der langfristigen Betrachtung eine erhebliche Wirkung auf die Immobiliennachfrage. Durch die Bevölkerungszahl und die Einkommensentwicklung wird das Nachfragepotenzial eines Marktes determiniert. Daneben sind auch die Altersstruktur einer Gesellschaft sowie deren Lebensgewohnheiten von Bedeutung für die Nachfrage nach Immobilien. Bei Veränderungen dieser Einflussgrößen sind Wirkungen auf das Nachfragevolumen und die Art der benötigten Objekte zu erwarten. Die Betrachtung des regionalen/lokalen demografischen Wandels ist für die Immobilienwirtschaft von besonderer Bedeutung, da es sich bei den Immobilienmärkten üblicherweise um lokale Märkte handelt. Demografischer Wandel und Effekte auf den Büroimmobilienmarkt Für die Nachfrage nach Büroimmobilien hat die demografische Entwicklung eines Landes (bzw. einer Region) eine wichtige Rolle (vgl. Vornholz, 2009). Die Entwicklung der Anzahl der Bürobeschäftigten, also der Nutzer von Büroflächen, ist ein Einflussfaktor für die Büroflächennachfrage. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies damit das Arbeitskräfteangebot einer Volkswirtschaft. Gleichzeitig wird die Arbeitskräftenachfrage und die Büroflächennachfrage von der Nachfrage der Unternehmen bestimmt. Der demografische Wandel wird zunächst über das Arbeitsangebot wirksam. Während die Gesamtbevölkerung vergleichsweise langsam abnehmen wird, sinkt die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Erwerbspersonenzahl) und damit das vorhandene Arbeitskräftepotenzial wesentlich schneller. Die Bevölkerungszahl geht bis 2060 um bis zu 20 v.H. zurück. In der für das Arbeitsangebot relevanten Gruppe der 20- bis unter 65-jährigen Personen beträgt die Abnahme im selben Zeitraum gut ein Drittel. Wird der Prognosehorizont bis 2030 verkürzt, beträgt der Rückgang schon rund 15 v.H. Dies ist eine Folge davon, dass die geburtenstarken Jahrgänge bis 2030 bereits begonnen haben, die Altersschwelle von 65 Jahren zu überschreiten. Regional zeigt sich eine differenzierte Entwicklung. Die ostdeutschen Länder verlieren nach der vorliegenden Prognose am stärksten an Erwerbspersonen. Das Land Sachsen-Anhalt wird im Zeitraum von 2005 bis 2030 mit 33 v.H. unter allen Bundesländern den größten Rückgang verkraften müssen. Hamburg weist mit 1 v.H. als einziges unter allen Ländern eine Zunahme der Zahl der Erwerbspersonen auf. Die verbleibenden westdeutschen Länder verlieren in der Prognosezeit zwischen knapp 5 und 17 v.H. Der starke Rückgang der Erwerbspersonenzahl gilt allerdings nur unter der Annahme sonst gleicher Bedingungen, wobei jedoch Anpassungsreaktionen zu erwarten sind. Schon heute ist festzustellen, dass ein früherer Einstieg in das Erwerbsleben und ein späterer Übergang in den Ruhestand erfolgen. Dies spiegelt sich in einer höheren Erwerbsbeteiligung und damit einer steigenden Erwerbsquote wider. Weiterhin besteht mit den Erwerbslosen derzeit ein Potenzial, welches nicht im Arbeits- bzw. Produktionsprozess genutzt wird. Außerdem wird
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ein Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials für den Bürobereich durch weitere Mechanismen gemildert. Durch den gesamtwirtschaftlichen Strukturwandel erhöhten sich die Bürobeschäftigtenquote und damit die Anzahl der Bürobeschäftigten. Unter Berücksichtigung dieser Anpassungsmechanismen relativiert sich zwar die starke Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials, aber die demografische Entwicklung bleibt eine wesentliche langfristige Restriktion für das Angebot an Bürobeschäftigten. Die Arbeitsnachfrage hängt hingegen vor allem vom Produktionsniveau der Gesamtwirtschaft ab, steigt dies, nimmt auch die Arbeitsnachfrage der Unternehmen zu. Damit wird die Entwicklung des realen Bruttoinlandsproduktes zur bestimmenden Größe für die Nachfrage nach Arbeitskräften und letztlich auch nach Bürobeschäftigten. Eine Erhöhung der Arbeitsnachfrage seitens der Unternehmen führt auch zu einem höheren Bedarf an Büroflächen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wird langfristig auch durch die demografische Entwicklung beeinflusst. Die in Deutschland langfristig zurückgehende Bevölkerungszahl führt c.p. zu einer Abnahme der gesamtwirtschaftlichen Binnennachfrage. Gerade für die deutsche Wirtschaft ist aber vor allem die Exportnachfrage von Bedeutung, da das Wirtschaftswachstum in Deutschland sehr stark durch die Exporte getragen wird. Die langfristig steigende Weltbevölkerung bedeutet damit c.p. für die deutschen Unternehmen ein enormes Nachfragepotenzial. In der Summe ist es durchaus wahrscheinlich, dass bedingt durch eine deutlich steigende Auslandsnachfrage die Wirtschaft weiter wachsen wird. Somit ist damit zu rechnen, dass als Folge die Nachfrage nach Büroflächen in Deutschland sogar zunehmen wird. Zusammenfassend gibt es ein rückläufiges Arbeitsangebot und eine vermutlich steigende Nachfrage der Unternehmen nach Bürobeschäftigten. Demnach ist der Effekt auf die letztlich beschäftigten Büroarbeitskräfte unbestimmt. Es wird erwartet, dass insgesamt die Anzahl der Bürobeschäftigten zunächst weiterhin ansteigen wird, allerdings mit niedrigeren Raten als in der Vergangenheit. Regional unterschiedliche Entwicklungen überlagern dabei die durchschnittliche Entwicklung. Aus den Bürobeschäftigten und dem Büroflächenbedarf pro Beschäftigtem leitet sich schlussendlich die Nachfrage der Unternehmen nach Bürofläche ab. Die Nachfrage wird somit vermutlich weiter leicht ansteigen, wenn auch regional sehr stark differenziert. Demografischer Wandel und Effekte auf den Einzelhandelsimmobilienmarkt Die demografischen Veränderungen wirken sich langfristig auf die Nachfrage im Einzelhandel (Umsatz) und damit indirekt auf die Einzelhandelsimmobilien aus. Auch hier ist zwischen den Effekten einer sinkenden absoluten Bevölkerungszahl, der sich verändernden Altersstruktur und der regionalen Verteilung der Effekte zu differenzieren. Die sinkende Bevölkerungszahl in Deutschland hat c.p. einen negativen Effekt für den Einzelhandel, da weniger Personen unter sonst gleichen Bedingungen zu weniger Nachfrage führen. Für Deutschland fällt die Belastung aber mittelfristig noch relativ gering aus, so dass zumindest im Durchschnitt keine merkbaren negativen Effekte entstehen. Auf der regionalen Ebene gilt dies angesichts starker unterschiedlicher Bevölkerungsrückgänge aber nicht mehr. Eine geringe Nachfrage führt zu Umsatzrückgängen im Einzelhandel, aufgrund der vielfach vorhandenen umsatzabhängigen Mieten kommt es somit zu geringeren Mieteinnahmen für die Eigentümer der Einzelhandelsimmobilien. Dadurch verringern sich c.p. auch die Anreize für Investoren, neue Projektentwicklungen in diesem Bereich vorzunehmen.
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Weiterhin ergibt sich ein struktureller Effekt mit einer zunehmend älteren Bevölkerung. Diese veränderte Bevölkerungsstruktur wirkt sich auf unterschiedliche Weise auf den einzelhandelsrelevanten Konsum aus. Negative Effekte sind zum einen aufgrund des niedrigeren Einkommensniveaus der älteren Bevölkerungsgruppe zu erwarten. Das Einkommen der über 65-jährigen liegt deutlich unter dem einer Person in der erwerbsfähigen Altersgruppe, was darauf zurückzuführen ist, dass die Renten niedriger als die Erwerbseinkommen sind. Da die ältere Bevölkerungsgruppe langfristig deutlich ansteigen wird, werden die gesamten Einkommen c.p. niedriger ausfallen als unter den heutigen strukturellen Bedingungen. Geringere Einkommen führen zu einer niedrigeren einzelhandelsrelevanten Kaufkraft. Zum anderen sind Effekte durch strukturelle Verschiebungen beim Konsum zu erwarten – allerdings nur geringe. Trotz beispielsweise höherer Ausgaben der älteren Menschen für Gesundheit bleiben die Anteile der Ausgaben im Einzelhandel an den Konsumausgaben relativ konstant, so dass der Einzelhandel durch diese altersbedingte Veränderung der Nachfragestruktur nur gering betroffen sein wird. Der regionale Einzelhandel wird ebenfalls durch die Demografie beeinflusst. Orte oder Regionen mit hoher Zuwanderung verfügen auch häufig über eine entsprechend hohe Kaufkraft, so dass hier mit einer insgesamt höheren Nachfrage für den Einzelhandel gerechnet werden kann. Die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland verändert zudem auch die Anforderungen an die Einzelhandelsimmobilien. Altengerechte Handelsformate mit einem entsprechenden, auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Sortiment werden an Bedeutung gewinnen. Hierzu zählen eine gute Erreichbarkeit des Standortes, um die in ihrer Mobilität eingeschränkten Kunden weiterhin ein Einkaufserlebnis ermöglichen zu können. Bei der Ladengestaltung (u.a. breitere Gänge und kurze Wege) als auch bei der Ladenkonzeption (z.B. geringere Angebotsbreite als Folge) sind die Anforderungen einer älter werdenden Gesellschaft zu berücksichtigen. Vermehrter Service und mehr Online-Angebote werden ebenfalls aus demografischen Gründen für den Einzelhandel bedeutender. Demografischer Wandel und Effekte auf den Wohnimmobilienmarkt Aus Sicht der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist die Zahl der Haushalte der wichtigste demografische Einflussfaktor auf die Nachfrage nach Wohnungen. Diese stellen die eigentlichen Nachfrager dar und müssen mit Wohnraum bzw. Wohneinheiten versorgt werden. Die Entwicklung der Zahl der Haushalte steht somit auch im Vordergrund der Analyse und nicht die Bevölkerungsentwicklung, auch wenn diese in bestimmten Zusammenhängen mit der Haushaltsentwicklung steht. Die Auswirkungen auf die Wohnungsmärkte in Deutschland werden nicht so stark ausfallen, wie aus dem Rückgang der Einwohnerzahlen zu schließen wäre. Die Zahl der Haushalte wird deutlich später und dann auch langsamer sinken als die Zahl der Einwohner. Die Zahl der Haushalte hängt von den Lebensgewohnheiten der Bevölkerung ab und ist eine sich im Zeitablauf verändernde Größe. Der stetige Rückgang der durchschnittlichen Haushaltsgröße führt zu diesem Effekt, der für die Nachfrageentwicklung am Wohnungsmarkt von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus ist die Haushaltsgröße verantwortlich für die benötigte Größe der Wohnungen. Anhand der Zahl der Personen in einem Haushalt lässt sich der künftige Bedarf nach mehr oder weniger Wohnfläche bzw. Wohnräume ableiten. Die Zahl der Haushalte hat seit der Wiedervereinigung um 10 v.H. zugenommen, wohingegen die Bevölkerung in Deutschland nur um 3 v.H. gestiegen ist. Im letzten Jahrzehnt stieg
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die Zahl der Haushalte um gut 2 Mio. bzw. knapp 6 v.H. an. Eine Ursache ist die abnehmende Zahl der Personen je Haushalt. Die Zahl der Haushalte wird in den kommenden Jahren steigen, wenn auch mit einer abnehmenden Dynamik. Dies liegt einerseits an der sinkenden Zahl der Kinder pro Haushalt, andererseits leben z.B. ältere Menschen überwiegend in Einoder Zwei-Personen-Haushalten. Erst ab dem Jahr 2020 ist damit zu rechnen, dass die sinkende Bevölkerungszahl sich auch in einer Abnahme der Zahl der Haushalte zeigt. Die Haushaltsentwicklung wird in Deutschland eine regional sehr unterschiedliche Dynamik aufweisen, was vor allem auf die Binnenwanderungen zurückzuführen ist. Trotz rückläufiger Bevölkerungsentwicklung steigt die Zahl der Haushalte als Nachfrageeinheiten (noch) in vielen Regionen oder geht zumindest nur sehr leicht zurück. Auch in Ostdeutschland wirkt diese Verkleinerung noch dämpfend auf die deutlichen Rückgänge der Bevölkerungszahl. Insgesamt steigt trotz der stagnierenden Bevölkerung aktuell die Zahl der Haushalte, was auch in Zukunft noch für viele Regionen in Deutschland gelten wird. Die Lasten des demografischen Wandels werden sich eher asymmetrisch in Deutschland verteilen. Waren in den 90er Jahren noch die Kreise mit wachsender Haushaltszahl insgesamt in der Mehrheit, kehrt sich dieses Verhältnis allmählich um. Nach der Prognose des BBSR schrumpft in 27 von insgesamt 96 Regionen in Deutschland die Anzahl der Haushalte. In einzelnen Regionen soll bis zum Jahr 2025 die Zahl der Haushalte bis zu 15 v.H. sinken. Daneben nimmt die Polarisierung zwischen wachsenden und schrumpfenden Kreisen zu. Nach Kreisen werden ungefähr noch 55 v.H. eine steigende Zahl von Haushalten aufweisen, wobei ein deutliches Ost-West-Gefälle zu beobachten ist. Bis auf wenige städtische Regionen um beispielsweise Berlin oder Dresden werden fast alle ostdeutschen Kreise von einer sinkenden Zahl betroffen sein. In Westdeutschland werden die alten Industrieregionen und einige ländlich periphere Gebiete Haushalte verlieren. Bei der Bestimmung der zukünftigen Wohnflächennachfrage sind neben der Entwicklung der Haushaltszahlen darüber hinaus verschiedene Effekte zu berücksichtigen. Zunächst ist der Lebenszykluseffekt bzw. Alterseffekt zu beachten. Ein Haushalt passt über seine Lebenszeit die Nachfrage nach Wohnungen an die jeweilige Familien- und Einkommenssituation an. Mit einer Familiengründung und steigendem Einkommen fragt ein Haushalt mehr Wohnfläche nach, während sie letztlich im höheren Alter wieder, wenn auch leicht abnimmt. Der Remanenzeffekt (Beharrungstendenz) sagt aus, dass im höheren Lebensalter die Wohnflächennachfrage gehalten wird, auch wenn sich die Lebensumstände ändern. In jungen Jahren nimmt die Wohnungsnachfrage zunächst deutlich zu (siehe Lebenszykluseffekt). Im Alter wird jedoch nicht immer in kleinere Wohneinheiten gewechselt, auch wenn sich durch familiäre Veränderungen wie Auszug der Kinder oder Tod des Lebenspartners der Bedarf an Wohnfläche eigentlich vermindert. Auch wenn sich z.B. durch den Renteneintritt das Einkommen verringert, kommt es nicht zu einer geringen Flächennachfrage. Es bleibt häufig bei einer großen Wohnung und damit verbunden bei einer hohen Flächeninanspruchnahme. Die Ursachen hierfür sind u.a. bestimmte Gewohnheiten („Einen alten Baum verpflanzt man nicht“) oder die hohen Transaktionskosten eines Umzugs. Neben diesen Wirkungen innerhalb des Lebenszyklus einer Generation unterscheiden sich auch verschiedene Generationen hinsichtlich ihres Wohnverhaltens und damit ihres Bedarfes an Wohnfläche. Als Kohorteneffekt wird die Beobachtung beschrieben, dass die Wohnungsgröße in Abhängigkeit von der Generationszugehörigkeit (Kohorte) variiert. Nachfolgende Generationen leben zumeist in größeren Wohnungen als die vorangegangenen Kohor-
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ten, was die steigenden Einkommen und den höheren Wohlstand einer Gesellschaft widerspiegelt. Empirische Studien weisen diesen Effekt vor allem für die Haushalte älterer Menschen nach. Während der allgemein zunehmende Wohlstand eher für einen anhaltenden Kohorteneffekt spricht, kann eine zunehmende Altersarmut eher zu geringeren Wohnflächen führen. Diese drei Effekte zusammen relativieren den negativen Einfluss der demografischen Entwicklung (langfristige Haushaltsabnahme) auf die Nachfrage nach Wohnraum in Deutschland. In Verbindung mit der zunächst noch zunehmenden Zahl der Haushalte wird die Nachfrage nach Wohnflächen in den nächsten Jahren leicht steigen, was sich auch in einer moderaten Zunahme der Zahl der nachgefragten Wohnungen niederschlagen wird. Dabei ist zu beachten, dass diese Auswirkungen regional sehr unterschiedlich ausfallen werden. Die Struktur der Haushalte ist weiterhin wichtig für die Wohnungsnachfrage, wobei die Verschiebungen in der Größen- und Altersstruktur bedeutsam sind. So wird von dem Trend einer weiteren Schrumpfung der Haushaltsgröße ausgegangen, da in Deutschland die Zahl der Single-Haushalte immer mehr zunimmt. Insgesamt ist der Anteil dieser Haushaltsgruppe in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. 1991 betrug er deutschlandweit noch 33 v.H. Im Jahr 2011 waren von den insgesamt rund 40 Mio. Haushalten gut 40 v.H. Einpersonenhaushalte (15,9 Mio.), wobei im Osten der Anteil mit gut 43 v.H. höher ausfiel. Im Bundesländervergleich gab es in den Stadtstaaten überproportional viele Single-Haushalte. Statistisch gesehen leben zwei Singles in mehr Wohnraum als ein Paar, so dass dadurch insgesamt die Wohnraumnachfrage steigt. Auch die Senioren spielen eine immer wichtigere Rolle als Nachfrager. Quantitativ gesehen wird die Zahl der Haushalt von über 65-jähringen deutlich ansteigen. Da ältere Menschen in spürbar größeren Haushalten leben als Menschen unter 30 Jahren, wird sich dies zudem noch positiv auf die Wohnungsnachfrage auswirken. Qualitativ ergeben sich durch die Alterung der Bevölkerung andere Anforderungen an die Wohnungen. Wohnen im Alter hat andere Ansprüche an die Ausstattung und die Formen der Wohnungen (altengerechte Wohnungen). Der Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung wird langfristig deutlich ansteigen. Insbesondere die Großstädte in Deutschland und dort bestimmte Stadtteile sind und werden auch zukünftig bevorzugte Ziele der Zuwanderung sein. Mit zunehmender Integration unterscheiden sich jedoch aufstiegsorientierte Migrantenhaushalte nicht mehr von deutschen Haushalten ähnlicher Struktur. Sie verlassen die ethnisch segregierten Stadtteile. Auch ist zu vermuten, dass es zukünftig zu einer verstärkten Abwanderung von Familien mit Migrationshintergrund in die ländlichen Räume der Ballungsgebiete kommen wird. Insgesamt wird damit gerechnet, dass die Nachfrage nach Wohnfläche mittelfristig noch weiter ansteigen wird. In Abhängigkeit von der Anzahl der Zuwanderer wird die Wohnfläche auch langfristig mehr oder weniger stark über der aktuellen Wohnfläche liegen. Globale demografische Entwicklung Weltweit ist der demografische Wandel gleichermaßen von gemeinsamen und unterschiedlichen Entwicklungstrends geprägt. Die Weltbevölkerung wird noch spürbar steigen und sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts voraussichtlich auf über 10 Mrd. Menschen erhöhen. Bei einer hohen, aber abnehmenden durchschnittlichen Geburtenhäufigkeit kommt es weltweit zu einer steigenden Lebenserwartung.
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Diese beiden Tendenzen zusammen führen in einzelnen Regionen und Ländern zu recht differenzierten Veränderungen der Bevölkerungszahl. In den Schwellen- und Entwicklungsländern nimmt die Anzahl der Einwohner deutlich schneller zu als in den industrialisierten Volkswirtschaften. Insbesondere in Lateinamerika und Asien wird sich der Zuwachs aber voraussichtlich spürbar verlangsamen. Indien, Indonesien und Südafrika erwarten eine anhaltende Bevölkerungszunahme, während in China und Brasilien in den kommenden Jahrzehnten die Bevölkerungszahl ihren Höhepunkt überschreiten wird. Das Bevölkerungswachstum in Europa wird etwa ab dem Jahr 2020 rückläufig sein. Deutschland wie auch Japan, Italien und Russland gehören zu den wenigen Ländern, in denen zukünftig sogar immer weniger Menschen leben werden. In Frankreich, Kanada, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten wird hingegen bis 2050 eine weiter steigende Bevölkerungszahl erwartet. Hinsichtlich der Altersstruktur und insbesondere der Alterung der Bevölkerung wird es ebenfalls eine international differenzierte Entwicklung geben. Der Altenquotient dürfte sich in Europa bis zum Jahr 2050 fast verdoppeln. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich abgeschwächt auch in Nordamerika ab. In Teilen Asiens und Lateinamerikas, die derzeit eine relativ junge Bevölkerungsstruktur aufweisen, stehen die demografischen Umwälzungen erst noch bevor. Die Schwellenländer werden häufig eine starke Alterung erfahren. Die stärkste Alterung wird in China („Ein-Kind-Politik“), Brasilien und Russland erwartet. Zusammenfassend wird das starke Bevölkerungswachstum verbunden mit dem Trend zu kleineren Haushaltsgrößen einen enormen Bedarf nach Wohnraum haben. Da sowohl die demografischen Veränderungen als auch die Einkommenszuwächse regional sehr unterschiedlich ausfallen werden, ist auch mit regional signifikant unterschiedlichen Entwicklungen zu rechnen.
3.2.5
Nachhaltigkeit und Immobilienwirtschaft
Die Anforderungen der Nachhaltigkeit an die Immobilienwirtschaft sind mehr als nur Green Building und mehr als Zertifizierung. Die Immobilienbranche als ein großer Wirtschaftszweig hat eine besondere Bedeutung für das Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft. Die OECD verweist darauf, dass durch die Errichtung, die Nutzung und den Abriss von Gebäuden und baulichen Anlagen ungefähr bis zu 40 v.H. des Energieverbrauchs, ca. 30 v.H. der Rohmaterialnutzung und ca. 40 v.H. der Treibhausgasemissionen sowie bis zu 30 v.H. der Abfallproduktion entstehen. Eine nachhaltige Entwicklung betrifft somit sowohl die Unternehmen und Beschäftigten in der Immobilienwirtschaft als auch die von der Immobilienwirtschaft erstellten und genutzten Immobilien selbst. Definition von Nachhaltigkeit Die für das heutige Verständnis grundlegende Definition von Nachhaltigkeit („nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development)“) findet sich im Abschlussbericht der UNKommission für Umwelt und Entwicklung, dem Brundtland-Bericht aus dem Jahr 1987. In diesem heißt es: „Die Menschheit ist einer nachhaltigen Entwicklung fähig – sie kann gewährleisten, dass die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu beeinträchtigen.“ Damit kommt jeder Generation die Verantwortung zu, nachfolgenden Generationen die gleichen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung zu hinterlassen, welche sie selbst vorgefunden hat.
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Bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse wird zwischen der intra- und intergenerativen Gerechtigkeit unterschieden. Unter der intragenerativen Gerechtigkeit wird verstanden, dass jeder Mensch, das Anrecht hat seinen Bedürfnissen nachkommen zu können. Dies betrifft z.B. die Gerechtigkeit innerhalb eines Landes oder zwischen Industrie- und Entwicklungsländer. Die intergenerative Gerechtigkeit zielt auf die Beziehung und die Abhängigkeit zwischen der heutigen und den nachfolgenden Generationen ab. Die entspricht einer Form des Generationenvertrages z.B. über den Umgang mit Ressourcen. Somit erfordert Nachhaltigkeit einerseits den Ausgleich zwischen den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen und andererseits innerhalb der heutigen Generation (vgl. Vornholz, 1993). Die Nachhaltigkeit umfasst die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft, wobei alle drei Dimensionen (Säulen) gleichwertig nebeneinander stehen und zudem eng miteinander verflochten sind (siehe Abbildung 3.25). Dieses Konzept stammt von der EnqueteKommission des Deutschen Bundestages mit ihrem Bericht „Schutz des Menschen und der Umwelt“, der diesem Ansatz zu internationaler Geltung verhalf. Nachhaltiges Handeln bedeutet, dass die Wirkungen auf die Umwelt mindestens gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten behandelt werden sollen. Entscheidungen sind derart zu treffen, dass gegenwärtige und nachfolgende Generationen intakte ökologische, soziale und ökonomische Strukturen haben.
Ökonomische Dimension Wertstabilität höhere Flächeneffizienz
Ökologische Dimension Fokus auf erneuerbare Energien Abfall- und Schadstoffminimierung Abb. 3.25:
Soziale Dimension Stärkere Beachtung von Mitarbeiterinteressen mehr Sozialräume
Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit; Quelle: eigene Darstellung
Die ökologische Nachhaltigkeit verfolgt das Ziel, nachfolgenden Generationen Natur und Umwelt bestmöglich zu erhalten. Um den kommenden Generationen eine Lebens- und Wirtschaftsgrundlage bieten zu können, muss die Natur erhalten bleiben. Dazu bedarf es für den Schutz der Erdatmosphäre der Begrenzung der Klimaerwärmung. Neben dem Ziel der Erhaltung der Arten- und Landschaftsvielfalt sollen erneuerbare und nicht-erneuerbare Ressourcen nachhaltig genutzt werden. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet dies, dass der Einsatz nicht-erneuerbarer Ressourcen minimiert und erneuerbare Ressourcen nur nachhaltig genutzt
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werden sollen. Abfälle sollen vermieden werden und beim Bau und bei der Nutzung sollen umweltschonende und recycelbare Materialien verwendet werden. Die ökonomische Nachhaltigkeit erfordert eine dauerhaft tragfähige Wirtschaftsweise, die insbesondere Folgen für die Nutzung natürlicher Ressourcen durch eine Generation hat. Neben der Gewährleistung der Grundbedürfnisse mit nachhaltigen Produkten soll gesamtwirtschaftliche Stabilität erreicht werden. Dazu gehört auch eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit bei gleichzeitiger Minimierung der Rohstoffimporte. Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit beschäftigt sich mit der Wirtschaftlichkeit einer Immobilie über den gesamten Lebenszyklus. Angestrebt werden sollen niedrige Lebenszykluskosten und eine hohe Flächeneffizienz, um die Werte der Immobilien stabil zu halten. Dies führt auch dazu, dass nachhaltige Immobilien höhere Mieten und Preise erzielen können. Die soziale bzw. gesellschaftliche Nachhaltigkeit zielt auf die Entwicklung einer dauerhaft lebenswerten Gesellschaft, in welcher die Menschenrechte geachtet werden und soziale Gerechtigkeit ein hohes Gut darstellt. Zu den sozialen Zielen der Nachhaltigkeit gehört eine partizipative Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in allen Lebensbereichen sowie die Vermeidung von Armut und das Streben nach sozialer Sicherheit. Die Immobilien sollen dazu beitragen, dass sich die Menschen sowohl in der Arbeitswelt als auch in ihren Häusern wohlfühlen. Nachhaltige Immobilienunternehmen Das Problembewusstsein für eine nachhaltige Entwicklung ist in den vergangenen Jahren bei allen Beteiligten gestiegen. Auf Unternehmensseite belegen dies unterschiedlichste Leitbildvorgaben, in denen das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) in der Unternehmensstrategie fester Bestandteil geworden ist. Corporate Social Responsibility bedeutet für ein Unternehmen, auf freiwilliger Basis gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Das freiwillige Engagement von Unternehmen, seine Aktivitäten über die gesetzlichen Vorgaben hinaus sozial und umweltgerecht (also nachhaltig) auszurichten, wird als Corporate Social Responsibility bezeichnet. Eine glaubwürdige unternehmerische CSR umfasst alle Unternehmensbereiche und -funktionen und berücksichtigt die Arbeitnehmerinteressen, den betrieblichen Umweltschutz und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette, eine integrierte Produktpolitik und den Verbraucherschutz. Entscheidend für die Entfaltung der Wirkung von CSR ist die Glaubwürdigkeit der Aktivitäten: ethische, soziale und ökologische Werte müssen verbindlich in die Strategien und die Ziele des Unternehmens integriert werden. Auch für die Unternehmen der Immobilienwirtschaft ist Nachhaltigkeit bzw. CSR zunächst eine allgemeine gesellschaftliche Herausforderung. Jedes einzelne Unternehmen muss sich dieser Aufgabe als Verpflichtung bewusst sein. Nachhaltiges Handeln ist nicht nur eine einseitige Fokussierung auf ökologische Aspekte, sondern dazu gehört auch die ökonomische Nachhaltigkeit und die gesellschaftliche Verantwortung. Die Unternehmen der Immobilienwirtschaft handeln dabei gemäß einer ihnen entsprechenden CSR. Die Immobilienwirtschaft umfasst eine Vielzahl von Unternehmen in ganz unterschiedlichen Teilbranchen. Daraus resultieren dann auch unterschiedliche Nachhaltigkeitsansprüche gesellschaftlicher Gruppen an diese Unternehmen, da auch deren ökologisches, soziales und ökonomisches Handeln anders sind. Die zentrale Bezugsgröße für die unternehmerischen Tätigkeiten der Immobilienwirtschaft ist die Immobilie. Entlang des Lebenszyklus einer
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Immobilie gibt es eine Fülle von Aufgaben, die aggregiert die Vielfalt der Geschäftsprozesse in der Branche ausmachen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat in seinem Nachhaltigkeitskodex für die Immobilienwirtschaft dieser Heterogenität der Branche Rechnung getragen. So hat die ZIA Selbstverpflichtungen sowohl für alle Unternehmen der Branche als auch clusterspezifische, zusätzliche Ergänzungen für die verschiedenen Gruppen der Immobilienwirtschaft herausgegeben. Die Unternehmen, die sich diesem Nachhaltigkeitskodex verpflichten, unterschreiben die nachfolgenden Grundsätze. ZIA-Nachhaltigkeitskodex für die Immobilienwirtschaft Wir sehen unsere gesellschaftliche Verantwortung und nehmen diese an! Das Prinzip Nachhaltigkeit prägt unsere Werte und unser Verhalten! Unsere Ziele sind nicht eindimensional, sondern orientieren sich an nachhaltigen Grundsätzen! Unsere Produkte, Leistungen und Geschäftsbeziehungen basieren auf nachhaltigen Prinzipien! Mitarbeiterauswahl, -entwicklung, -fortbildung und -führung bilden Grundlage nachhaltigen Handels! Wir beziehen unsere Stakeholder aktiv bei der Suche und Implementierung nachhaltiger Lösungen ein! Wir handeln nach hohen Compliance-Anforderungen und streben kontinuierliche Verbesserungen an! Wir veröffentlichen unsere Ziele, Maßnahmen, Aktivitäten und Fortschritte in Nachhaltigkeitsberichten! Wir leben Transparenz vor und unterstützen Aktivitäten der Nachhaltigkeitsmessung! Wir leben nachhaltige Unternehmensführung vor und ermutigen andere, dasselbe zu tun! Quelle: ZIA, 2011, S. 16 Kernelement des Nachhaltigkeitskodex der Immobilienwirtschaft ist die Verpflichtung zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes, der die Grundlage für eine nachprüfbare Messung der Unternehmensaktivitäten bezüglich der Nachhaltigkeit bildet. Wie die Nachhaltigkeit jeweils konkret in einem Unternehmen der Immobilienwirtschaft umsetzt wird, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Noch sind die Unternehmen der Immobilienwirtschaft nicht im Sinne der Nachhaltigkeit aufgestellt – wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Chancen sind klar: nachhaltige Unternehmen gewinnen Glaubwürdigkeit, positionieren sich erfolgreich im Wettbewerb, haben gute Argumente zum Absatz ihrer Produkte und erhöhen ihre Attraktivität beim Werben um qualifiziertes Personal. Glaubwürdigkeit ist aber auch gleichzeitig die Gefahr. Bei Greenwashing als grüner Etikettenschwindel geht es eben nicht um den verantwortungsbewussten Umgang mit Nachhaltigkeit, sondern nur um aus PR-Gründen sich ein „grünes Mäntelchen“ umzuhängen.
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Nachhaltige Immobilien / Green Buildings Zur Kennzeichnung von Immobilien, die sich durch ihre Nachhaltigkeit auszeichnen, wurde der Begriff Green Building eingeführt. Dabei gibt es aber auch nachhaltige Immobilien, die nicht zertifiziert wurden (siehe Abbildung 3.26).
Nachhaltigkeit / Sustainable Development ruht auf den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales
Green Buildung ist eine nicht geschützte Bezeichnung für nachhaltiges Bauen mit Fokus auf Ressourcen- und Energieoptimierung
Abb. 3.26:
Zertifizierung schafft nachgewiesene geprüfte Nachhaltigkeit für Immobilien
Nachhaltigkeit ist mehr als Green Building; Quelle: eigene Darstellung
Als Green Building wird eine Immobilie bezeichnet, deren Ressourceneffizienz verbessert wurde und gleichzeitig die Umweltbelastung und schädliche Auswirkungen auf den Menschen reduziert worden sind. Um die Nachhaltigkeit von Immobilien zu beurteilen, sind mit den Zertifikaten spezifische Bewertungssysteme eingeführt worden. Mit ihrer Hilfe sollen verschiedene Objekte miteinander verglichen werden können. Einen international einheitlichen Standard gibt es jedoch bislang nicht. Das deutsche Zertifikat wurde von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung entwickelt. Das Gütesiegel wird seit 2008 vergeben und basiert auf 48 Kriterien, denen sechs Themenfelder zugeordnet sind. Davon kennzeichnen fünf Themenfelder mit insgesamt 42 Kriterien die Gebäude- und Prozessqualität, die sich zusammensetzt aus der ökologischen Qualität, ökonomischen Qualität, soziokulturellen und funktionellen Qualität, technische Qualität sowie Prozessqualität. Sechs weitere Kriterien beurteilen die Standortqualität, die separat bewertet wird. Das Zertifikat wird in den drei Stufen Gold, Silber und Bronze verliehen. Damit handelt es sich bei dem deutschen Zertifikat um ein sehr umfassendes, welches versucht, alle Dimensionen der Nachhaltigkeit in die Bewertung zu integrieren. Dies geht allerdings erstens zu Lasten der Transparenz, da eine vergleichsweise hohe Informationsdichte in die Bewertung eingeht und zweitens wird der Zertifizierungsprozess dadurch relativ aufwendig. Während die besonderen Anforderungen an die Qualität und Prozesse bei Neubauprojekten Standard werden, sind diese im Bestand schwieriger umzusetzen. Daher hat die DGNB 2011 eine eigene Systematik dafür entwickelt. In einem zweistufigen Prozess führt der Eigentümer
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3 Makroökonomik des Immobilienmarktes
zunächst eine Bestandsanalyse durch, um sich einen Überblick zu verschaffen und Optimierungspotenzial zu identifizieren. Danach wird bei Bedarf eine Zertifizierung durchgeführt. Der Vorteil der Zertifizierung besteht in der Dokumentation des Standards der Nachhaltigkeit gegenüber Dritten. Damit kommt ihr ein hoher Stellenwert in Bezug auf Marketing und Außendarstellung zu. Zudem wird von neutraler Seite die Gebäudequalität hinsichtlich der Nachhaltigkeit geprüft und belegt. Problematisch ist die Existenz unterschiedlicher Gütesiegel mit sehr verschiedenen Anforderungen an die zu bewertenden Immobilien. Die Spanne reicht von pragmatischen Verfahren bis zu relativ aufwendigen Zertifizierungsprozessen, welche einzelne Kriterien in unterschiedlicher Tiefe berücksichtigen. Dies erschwert die Vergleichbarkeit der verschiedenen Zertifikate. Die verschiedenen Zertifizierungssysteme nutzen unterschiedliche Informationsquellen, Systematiken und Bewertungskriterien. Dadurch können sich für die einzelnen Immobilien Bewertungsergebnisse in Abhängigkeit von dem gewählten System ergeben, die sich stark unterscheiden können. Übungsfragen und Fallstudien 1. Warum greift der Staat in die Wirtschaft ein? Spielt die Politik eine bedeutende Rolle auf den Immobilienmärkten? 2. In Deutschland gibt es zahlreiche öffentliche, insbesondere kommunale Wohnungsgesellschaften – ist das eine der Aufgaben des Staates in der Immobilienwirtschaft? 3. Beschreiben Sie die Beziehung zwischen dem Konjunkturzyklus und dem Immobilienmarktzyklus. 4. Die verschiedenen Teilmärkte des Immobilienmarktes werden von der wirtschaftlichen Entwicklung beeinflusst. Nach Objektarten lassen sich die folgenden Teilmärkte unterscheiden: a) Büroimmobilien, b) Einzelhandelsimmobilien und c) Wohnimmobilien. Wie wirkt sich das für dieses Jahr für Deutschland prognostizierte Wirtschaftswachstum auf die verschiedenen Immobilienmärkte aus? 5. Angenommen es wäre vorauszusehen, dass die Volkswirtschaft in den nächsten fünf Jahren hohes Wirtschaftswachstum mit gleichzeitig hohen Inflationsraten aufweisen wird. Wären dann Investitionen in Immobilien heute sinnvoll oder sollte damit einige Jahre gewartet werden? Erläutern Sie Ihre Entscheidung. 6. Welche Probleme verursachen inflationäre Prozesse für die Immobilienmärkte? 7. Werden bei fixen Darlehenszinsen und nicht vorher antizipierten (angenommen) hohen Inflationsraten eher die Schuldner oder die Gläubiger profitieren. Begründen Sie Ihre Aussage anhand eines Beispiels aus der Immobilienwirtschaft. 8. Wie können Wechselkursbewegungen die Immobilieninvestments beeinflussen? 9. Die verschiedenen Teilmärkte des Immobilienmarktes werden von der demografischen Entwicklung (weniger, strukturell: älter, bunter sowie regional differenziert) beeinflusst. Nach Objektarten lassen sich die folgenden Teilmärkte unterscheiden a) Büroimmobilien, b) Einzelhandelsimmobilien und c) Wohnimmobilien. Wie wirkt sich der demografische Wandel auf die verschiedenen Immobilienmärkte aus?
3.2 Volkswirtschaft und Immobilienmärkte
85
10. Was ist mit „Sustainable Development“ gemeint und welche Auswirkungen hat die Nachhaltigkeit auf die Immobilienwirtschaft und die Immobilien? 11. Beschreiben Sie die zentralen zukünftigen Herausforderungen und mögliche Reaktionsmöglichkeiten für die folgenden Immobilienmärkte: a) Büroimmobilienmärkte, b) Einzelhandelsimmobilienmärkte, c) Wohnimmobilienmärkte und d) Immobilien-Investmentmärkte. Fallstudie Herr Kuzorra, langjähriger Mitarbeiter und seit einigen Jahren Geschäftsführer der kommunalen Wohnungsgesellschaft WoBaBo Bochum (fiktiv). Die WoBaBo ist mit rund 40.000 Wohnungen der größte Wohnungsanbieter in Bochum, der vor allem im Niedrigpreissegment aktiv ist. Herr Kuzorra ist erfahren mit der Bewältigung der Auswirkungen struktureller Veränderungen im Ruhrpott auf dem Wohnungsmarkt seiner Stadt. Nicht zuletzt hat er den Niedergang des Bergbaus und der Stahlindustrie und die Anpassungen auf dem lokalen Wohnungsmarkt mitgestaltet. Aktuell liest Herr Kuzorra in der Zeitung, dass das größte Unternehmen und zugleich der größte Arbeitgeber der Stadt ankündigt, zum Ende des Jahres seine Produktion einzustellen. Dadurch werden dann über 5.000 Angestellte entlassen. Weiterhin sollen davon die Zuliefererunternehmen betroffen sein, die den Abnehmer für einen Teil ihrer Produkte verlieren. Es wird erwartet, dass hierdurch auch noch einmal über 5.000 Angestellte arbeitslos werden. In Bochum leben mit rückläufiger Tendenz rund 380.000 Einwohner in knapp 200.000 Haushalten. In Bochum arbeiten rund 125.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, so dass durch die Unternehmensschließung theoretisch knapp 10 v.H. der Beschäftigten arbeitslos werden könnten. Die praktischen Auswirkungen der Werksschließung werden jedoch unterschiedlich beurteilt. Die pessimistische Seite sieht drastische negative Effekte für den Arbeitsmarkt Bochum. Es werden ein erheblicher Anstieg der Arbeitslosigkeit und negative Effekte auf Einkommens- und Bevölkerungsentwicklung erwartet. Die eher optimistische Sichtweise erwartet hingegen nur geringe Auswirkungen, da nur ein Teil der Arbeitsnehmer in Bochum wohnt und die Zulieferer auch für andere Unternehmen arbeiten. Von Seiten der Eigentümer der WoBaBo Bochum erhält Herr Kuzorra den Auftrag eine Marktpotenzialanalyse anzufertigen, wie die kommunale Wohnungsgesellschaft von den sich verändernden makroökonomischen Rahmenbedingungen betroffen sein wird. Ihre Aufgabe: Unterstützen Sie Herrn Kuzorra und erarbeiten Sie eine Marktpotenzialanalyse für den Wohnungsvermietungsmarkt Bochum, bei der Sie die allgemeinen Einflussfaktoren und die erwarteten Auswirkungen der Produktionseinstellung auf den regionalen Wohnungsmarkt darstellen.
4
Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Die mikroökonomische Theorie oder Mikroökonomik beschäftigt sich mit dem Verhalten von Wirtschaftssubjekten (im Wesentlichen Haushalten und Unternehmen) auf Märkten. Im Kapitel 4.1 werden dazu zunächst die Grundlagen der Mikroökonomik einschließlich Begriffen und Definitionen erläutert, um ein Verständnis für die Vorgehensweise zu schaffen. Dabei wird jeweils beispielhaft auf den Immobilienmarkt eingegangen. Das Kapitel 4.2 beschäftigt sich mit der Preisbildung auf einem vollkommenen Markt. Dabei werden die Einflussfaktoren auf Nachfrage und Angebot sowie die Preisbildung analysiert. Die allgemeine Vorgehensweise wird am Beispiel des Marktes für Eigentumswohnungen veranschaulicht. Es liegt in der Natur ökonomischer Modelle, dass zunächst perfekte Marktmodelle angewendet werden und danach die Unvollkommenheiten (hier des Immobilienmarktes) eingeführt werden. Im Kapitel 4.3 wird daher die Annahme des vollkommenen Marktes aufgegeben und gezeigt, wie sich das Marktergebnis und die -entwicklungen unter den geänderten (unvollkommenen) Rahmenbedingungen verändern. Für den Immobilienmarkt wird erst im Kapitel 4.4 die Annahme des vollkommenen Marktes aufgehoben und vier wesentliche Gründe dargelegt, warum dieser Markt als unvollkommener Markt zu betrachten ist. Es werden die wesentlichen Unterschiede zwischen einem vollkommenen Markt und dem unvollkommenen Immobilienmarkt aufgezeigt. Lernziele zu Kapitel 4 Die Mikroökonomik analysiert das Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte, die ihre eigenen ökonomischen Ziele verfolgen. Der Markt ist das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage, auf dem sich die Preise bilden. Unterschiedliche Annahmen bezüglich Marktarten, Marktformen und Produktionsbedingungen führen zu differenzierten Marktergebnissen, was jeweils mit Hilfe des Immobilienmarktes verdeutlicht wird. Der Immobilienmarkt ist aufgrund der Eigenschaften von Immobilien ein unvollkommener Markt, der zu besonderen Marktergebnissen führt.
4.1
Mikroökonomische Grundlagen
Die Mikroökonomik ist die einzelwirtschaftliche Analyse der Märkte und im Wesentlichen eine Entscheidungstheorie. Sie untersucht die Entscheidungen und Handlungen von einzelnen Wirtschaftssubjekten bzw. Akteuren am Markt in Knappheitssituationen.
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4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Im Folgenden werden zunächst allgemein die verschiedenen Wirtschaftssubjekte beschrieben und dabei wird jeweils auf die Akteure auf den Immobilienmärkten eingegangen. Aufgrund der unendlichen Bedürfnisse (Kapitel 4.1.2), die im Gegensatz zu den endlich vorhandenen Gütern und Dienstleistungen (Kapitel 4.1.3) stehen, ergibt sich das ökonomische Knappheitsproblem (Kapitel 4.1.4).
4.1.1
Wirtschaftssubjekte
Unter Wirtschaftssubjekten werden die handelnden Personen oder Institutionen verstanden, wobei auf der Ebene der volkswirtschaftlichen Analyse nach Abbildung 4.1 im Wesentlichen zwischen Unternehmen, privaten Haushalten, Staat und dem Ausland unterschieden wird. Deren ökonomische Aktivitäten umfassen z.B. Tätigkeiten wie
arbeiten, konsumieren und sparen, produzieren und investieren, Steuern erheben und verteilen oder Kredite gewähren.
Wirtschaftssubjekte Private Haushalte
Private Haushalte
Abb. 4.1:
Organisationen ohne Erwerbscharakter
Öffentliche Haushalte
Gebietskörperschaften
Unternehmen
Ausland
Sozialversicherungen
Wirtschaftssubjekte; Quelle: eigene Darstellung
Private Haushalte In dieser Gruppe sind alle Privatpersonen zusammengefasst, ob es sich nun um Jugendliche oder Erwachsene, Unternehmer, Arbeitnehmer oder Rentner handelt. Zu den privaten Haushalten zählen sowohl die privaten Haushalte im engeren Sinne als auch die Organisationen ohne Erwerbscharakter wie Kirchen, Verbände und Parteien. Die privaten Haushalte sind diejenigen Wirtschaftssubjekte, deren primäre Funktion in der Erzielung und Verwendung von Einkommen liegt. Sie sind primär als Nachfrager auf dem Gütermarkt und als Anbieter von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt tätig. Auf den Immobilienmärkten sind die privaten Haushalte üblicherweise Nachfrager auf dem Wohnungsvermietungsmarkt für die Selbst- bzw. Eigennutzung von Wohnungen. Als Anbieter treten sie hier in Erscheinung, wenn sie diese vermieten. Bei den Gewerbeimmobilien-Mietmärkte sind sie nicht die Nachfrager, sondern können als Eigentümer diese Immo-
4.1 Mikroökonomische Grundlagen
89
bilien zur Vermietung anbieten. Auf dem Immobilien-Investmentmarkt können sie als Verkäufer und Käufer tätig sein. Private Haushalte sehen Immobilien und speziell Wohneigentum vor allem als „Betongold“ und erhoffen sich hierdurch ein wertstabiles Investment. Öffentliche Haushalte Zu den öffentlichen Haushalten zählen in Deutschland die Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) sowie weitere staatliche Einrichtungen, wie z.B. Sozialversicherungen. Der Staat produziert sowohl Leistungen zur Deckung der Bedürfnisse der Allgemeinheit als auch solche, die in einer marktwirtschaftlichen Ordnung von Unternehmen im Allgemeinen nicht in gleicher Weise erbracht und zu gleichem Preis angeboten werden können. Diese öffentlichen Leistungen finanziert der Staat durch Abgaben (Steuern, Zölle, Gebühren, Beiträge). In dem ökonomischen Entscheidungsbereich des Staates wird insbesondere darüber entschieden, welche Aufgaben er in welchem Umfang erfüllt und wie er die finanziellen Mittel dazu beschafft. Der Staat ist aber nicht nur ein Wirtschaftspartner wie jeder andere, sondern er steuert in seiner Eigenschaft als wirtschaftspolitische Instanz zugleich unter bestimmten, von ihm festgelegten Zielsetzungen, den wirtschaftlichen Ablauf. Das bedeutet, dass er im Rahmen der von ihm abgesteckten Grenzen, auch regulierend und lenkend die Marktkräfte zu beeinflussen versucht. Auf den Immobilienmärkten ist der Staat als Marktteilnehmer sowohl auf der Angebotsals auch auf der Nachfrageseite aktiv. Die Anlage von Vermögen auf dem Investmentmarkt spielt für die Akteure des öffentlichen Sektors dagegen keine Rolle. Bei den öffentlichen Baumaßnahmen kann zwischen Immobilien zur Selbstnutzung (Verwaltungsgebäude, Kasernen, Schulen etc.) und Infrastrukturprojekten unterschieden werden. Unternehmen Die Gruppe der Unternehmen umfasst die Wirtschaftssubjekte, deren wirtschaftliche Funktion in der Produktion von Gütern besteht. Neben privaten Unternehmen gehören auch die Unternehmen in öffentlich-rechtlichem Eigentum (z.B. Bundesbahn) zum Unternehmenssektor. In der Mikroökonomik sind die Unternehmen Anbieter auf dem Gütermarkt und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt. Die wirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmen umfassen Art und Umfang der zu fertigenden Produkte bzw. der zu erbringenden Dienstleistungen sowie die Zahl der zu beschäftigenden Arbeitskräfte bzw. Produktionsfaktoren. Auf den Immobilienmärkten ist bei den Unternehmen wiederum zwischen der Selbstnutzung von Immobilien oder den Kapitalanlegern zu unterscheiden. Bei der Selbstnutzung kann es sich um unterschiedlichste Objektarten handeln. Die Immobilien sind in diesem Fall als eine für die Produktion von Gütern und die Bereitstellung von Dienstleistungen des Unternehmens notwendige Ressource zu betrachten. Die Immobilien können aber auch von den Unternehmen auf den Gewerbeimmobilien-Mietmärkten nachgefragt werden, wobei Unternehmen auch selbst Anbieter sein können. Auf den Wohnungsmärkten treten Unternehmen dagegen nur als Anbieter auf. Auf dem Immobilien-Investmentmarkt erwarten die Unternehmen für ihre Kapitalanlage eine Rendite. Diese Unternehmen, auch institutionelle Anleger genannt, sind grundsätzlich an einer Selbstnutzung der Immobilie nicht interessiert. Demzufolge sind hier auch große Finanzintermediäre wie Versicherungen und Pensionskassen zu finden. Bei den traditionellen institutionellen Anlegern spielen Immobilienfonds eine wichtige Rolle, wobei zwischen offenen und geschlossenen und Spezialfonds unterschieden wird. Zu den institutionellen
90
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Investoren zählen auch die Immobilienaktiengesellschaften und die Real Estate Investment Trusts (REITs). Eine ausführliche Beschreibung dieser Investoren erfolgt im Kapitel 3.2.3. Ausland Die Beziehungen einer Volkswirtschaft über ihre Grenzen hinaus werden Außenwirtschaftsverkehr genannt. Dieser umfasst den Verkauf von heimischen Gütern und Dienstleistungen ins Ausland (Export) und den Kauf von ausländischen Produkten und Dienstleistungen (Import) ebenso wie reine Geld- und Kreditbewegungen zwischen in- und ausländischen Wirtschaftssubjekten. Es gelten für die internationalen Beziehungen eine Reihe von Sonderbedingungen, die auf die Entscheidungsfindung wesentlichen Einfluss haben. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang z.B. unterschiedliche Währungssysteme oder verschiedenartige Rechtssysteme (siehe Kapitel 6.2). Auf den Immobilienmärkten können die ausländischen Marktteilnehmer sowohl private Haushalte als auch Unternehmen und eher seltener ausländische Staaten sein (Ausnahme: Staatsfonds auf dem Investmentmarkt). Auf den verschiedenen Immobilienmärkten treten sie sowohl als Anbieter als auch als Nachfrager auf.
4.1.2
Bedürfnisse, Bedarf und Nachfrage
Menschen haben eine Vielzahl von Wünschen, die in der Ökonomie als Bedürfnisse bezeichnet werden. Die Bedürfnisse richten sich nach den subjektiven Wertvorstellungen eines Individuums. Sie können durch eine Vielzahl von Faktoren wie Grundbedürfnisse (Existenzminimum), Umwelt, soziale und psychologische Faktoren wie Snobeffekte, Nachahmung etc., beeinflusst werden. Weiterhin unterliegen die menschlichen Bedürfnisse einem stetigen Wandel. In der Ökonomie wird davon ausgegangen, dass die Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind. Abgrenzungen Bedürfnis: Subjektives Mangelgefühl verbunden mit dem Streben, den Mangel zu beseitigen; z.B. Hunger. Bedarf: konkretisiertes Bedürfnis, das sich mit Mitteln der Wirtschaft befriedigen lässt; z.B. Bedarf nach Brot. Nachfrage: Bedarf, der mit Kaufkraft ausgestattet ist; Art und Menge der Güter, die am Markt erworben werden sollen; z.B.: Jemand geht mit Geld zum Bäcker und kauft Brot. Die Bedürfnisse des Menschen resultieren aus dem Existenzwillen, seiner Bildung sowie den kulturellen, traditionellen und individuellen Umweltbedingungen des Einzelnen, wie sie sich in Abhängigkeit von Ort und Zeit darstellen. Nach der Dringlichkeit lassen sich die Bedürfnisse nach Existenz-, Kultur- und Luxusbedürfnisse unterscheiden. Eine starre Grenze zwischen diesen lässt sich aber nicht ziehen. Existenz- bzw. Grundbedürfnisse sind menschliche Bedürfnisse nach den lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen, wie Nahrung, Kleidung und Wohnung. Daneben haben die Menschen z.B. je nach Geschlecht, Alter, sozialer Stellung, Bildungsstand zusätzliche Bedürfnisse, die über die existentiellen Bedürfnisse hinausgehen. Diese werden auch Kulturbedürfnisse genannt. Als Luxusbedürfnisse
4.1 Mikroökonomische Grundlagen
91
werden solche bezeichnet, die sich die große Mehrzahl der Bevölkerung nicht oder nur bei größter Sparsamkeit kaufen kann. Dazu gehören z.B. Maßanzüge oder teurer Schmuck. Im Gegensatz zu den Bedürfnissen wird Bedarf als etwas Objektives und Konkretisiertes definiert. Der Bedarf stellt die Art und Menge der zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendigen Güter dar. Wenn der Bedarf mit Kaufkraft ausgestattet und am Markt wirksam wird, dann werden Güter nachgefragt. Die Nachfrage erfolgt, um den Bedarf zu decken und Bedürfnisse zu befriedigen. Bei den Immobilien wird üblicherweise davon ausgegangen, dass es sich bei der Nachfrage nach Wohnimmobilien um die Befriedigung von Existenzbedürfnissen handelt. Dies kann auch für Einzelhandels- und Büroimmobilien zutreffen, da hier die Grundbedürfnisse Einkaufen und Arbeiten erfüllt werden. Anders sieht es z.B. bei Freizeitimmobilien aus, die eher den Kultur- und Luxusbedürfnissen zugeordnet werden können.
4.1.3
Güter und Dienstleistungen
Die Mittel, die zur (kommerziellen) Befriedigung der Bedürfnisse dienen, werden in der Volkswirtschaftslehre als Güter bezeichnet. Eine Unterscheidung kann wie in Abbildung 4.2 vorgenommen werden, bei der nur die wirtschaftlichen Güter betrachtet werden. Sie können von ihrer Art her sowohl materielle Güter als auch immaterielle Güter (Dienstleistungen) sein. Die materiellen Güter (Sachgüter) finden Verwendung entweder in ihrem Urzustand oder nach Be- oder Verarbeitung unter Einsatz der in bestimmter Weise kombinierten Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden zu anderen bzw. neuen Produkten. Bei den Dienstleistungen handelt es sich um Produkte, die nicht immer direkt und unmittelbar fassbar sind. Hierzu zählen beispielsweise die Leistungen von Verwaltung, Polizei, Banken und Ärzten. Weiterhin gehören zu den immateriellen Gütern auch Rechte wie Patente und Lizenzen. Güter und Dienstleistungen stehen im Allgemeinen nicht in unbegrenztem Umfang zur Verfügung bzw. können nicht in unendlicher Zahl hergestellt werden. Die Begrenzung der Gütermenge beginnt schon bei der Gewinnung von Rohstoffen, da diese nicht unbeschränkt vorhanden sind. Die Knappheit ist also natürlich oder produktionsbedingt, d.h., die nicht in unendlicher Menge vorhandenen Rohstoffe bzw. das Volumen der Produktionsanlagen von Industrie und Handwerk sowie das vorhandene Potenzial an Erwerbspersonen begrenzen den Umfang der Güterversorgung.
Wirtschaftliche Güter
Sachgüter
Dienstleistungen
Konsumgüter Abb. 4.2:
Gütereinteilung; Quelle: eigene Darstellung
Rechte
Produktionsgüter
92
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Als Güter werden solche Mittel bezeichnet, die menschliche Bedürfnisse befriedigen. Sie können von ihrer Art her sowohl materielle Güter als auch immaterielle Güter, wie Dienstleistungen, Rechte oder Patente sein. Güter können mittels verschiedener Kriterien unterschieden werden: (1) nach ihrer Verfügbarkeit Wirtschaftliche Güter sind knappe Güter. Sie stehen nur begrenzt zur Verfügung und haben einen Preis. Freie Güter sind im Verhältnis zu den Bedürfnissen in so großer Menge vorhanden, dass jeder seine Bedürfnisse nach diesen Gütern in beliebigem Umfang befriedigen kann, ohne dass die Bereitstellung Kosten verursacht. Früher wurden Luft und Wasser als Beispiele für freie Güter angeführt. (2) nach der Unmittelbarkeit der Bedürfnisbefriedigung Konsumgüter sind alle produzierten Güter, die in die Verfügung von Haushalten übergehen. Dabei wird unterschieden zwischen Gebrauchsgütern wie beispielsweise Fernsehgeräte, die dauerhaft genutzt werden können, und den Verbrauchsgütern wie Bier. Produktionsgüter sind alle produzierten Güter, die im Unternehmen verbleiben und in den Produktionsprozess eingehen. Auch hier erfolgt eine Unterteilung in dauerhafte (wie Maschinen) und nicht dauerhafte Produktionsgüter (Beispiel: Energie). Ob ein Gut ein Konsum- oder ein Produktionsgut ist, ergibt sich oft nur aus der aktuellen Nutzung dieses Gutes. Ähnliche Unterscheidungen können bei Dienstleistungen getroffen werden. (3) nach der Art der Nachfragereaktion bei Preisänderungen Güter können danach unterschieden werden, wie die Nachfrage auf Preisveränderungen reagiert (siehe dazu Kapitel 4.2.2). (4) nach der Art der Güterbeziehungen Güter können weiterhin danach unterschieden werden, wie die Nachfrage auf Preisveränderungen anderer Güter reagiert, unterschieden werden substitutive und komplementäre Güter (siehe dazu Kapitel 4.2.2). Die Immobilien zählen ebenfalls zu den knappen Gütern. In der Immobilienwirtschaft wird zum einen das Gut „Immobilie“ gehandelt und zum anderen werden auch Dienstleistungen rund um die Immobilie erbracht. Eine Immobilie kann für den Haushalt ein Konsumgut (Wohnung) und für ein Unternehmen z.B. als Büro- oder Verwaltungsgebäude ein Produktionsgut sein. Da Immobilien eine knappe Ressource sind, ist es wichtig, dass diese effizient genutzt werden.
4.1.4
Knappheit und Wirtschaften
Güter und Dienstleistungen sowie Ressourcen stehen nicht in solcher Menge zur Verfügung, dass alle menschlichen Wünsche befriedigt werden können. Ressourcen und Güter sind knapp. Knappheit Knappheit bezeichnet das Missverhältnis zwischen den unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen und den zu ihrer Befriedigung zur Verfügung stehenden Gütern und Dienstleis-
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
93
tungen. Knappheit kann sich auf die Quantität oder die Qualität von Gütern, wie auch auf den Ort oder den Zeitpunkt ihrer Verfügbarkeit beziehen. Das entscheidende Kriterium für die Knappheit ist nicht die Tatsache, dass die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind, sondern dass sie im Vergleich zum Umfang der Bedürfnisse zu gering sind. Knappheit ist also stets ein relativer Begriff: Naturkatastrophen sind selten, aber nicht knapp. Viele ehemals freie Güter wie Boden oder Wasser sind heute zu knappen Gütern geworden. Der Boden wird durch das Größenwachstum der Städte und der industriellen Nutzung immer knapper. Sauberes Grundwasser wird durch die zunehmende Umweltverschmutzung stetig knapper. Dabei gibt es aber auch Bereiche, in denen das Knappheitsproblem nicht existiert. So sind in den Industrieländern die Arbeitskräfte nicht knapp, was die hohen Arbeitslosenquoten zeigen. Vielfach trifft dies auch auf die industriellen Produktionskapazitäten nicht zu, da sie ebenfalls nicht vollständig ausgelastet sind. Ökonomisches Handeln oder Wirtschaften ist eine menschliche Tätigkeit mit dem Ziel, durch den bewussten Einsatz knapper Mittel Bedürfnisse zu befriedigen. Der Gegensatz zwischen der Vielzahl der menschlichen Bedürfnisse und der Knappheit der Güter und Dienstleistungen zur Bedürfnisbefriedigung führt dazu, dass die Menschen gezwungen sind, wirtschaftlich zu agieren. Wirtschaften bedeutet somit, Entscheidungen über die Verwendung knapper Güter und Dienstleistungen zum bestmöglichen Ausgleich der Gegensätze zu treffen. Der Grundsatz rationalen Handelns wird auch als Wirtschaftlichkeitsprinzip oder ökonomisches Prinzip bezeichnet, das aus den zwei Ausprägungen Minimal- und Maximalprinzip besteht. Ausprägungen des ökonomischen Prinzips Minimalprinzip: ein gegebenes Ziel mit einem möglichst geringen Aufwand erreichen. Maximalprinzip: mit den verfügbaren Mitteln einen größtmöglichen Nutzen erreichen. In der Volkswirtschaftslehre gibt es kein „Minimax-Prinzip“ mit dem gleichzeitigen Maximierung des Outputs und Minimierung des Inputs. Es kann immer nur eines der beiden Ausprägungen des ökonomischen Prinzips angewendet werden. Wirtschaften ist somit jede planvolle und systematische Tätigkeit, die unter Beachtung des ökonomischen Prinzips mit dem Ziel erfolgt, die Bedürfnisbefriedigung der Menschen bei bestehender Knappheit der Güter zu optimieren.
4.2
Preisbildung auf vollkommenen Märkten
4.2.1
Vorbemerkungen
In einer Marktwirtschaft erfolgt die Preisbildung aufgrund von Angebot und Nachfrage auf einem Markt. Ganz allgemein wird im volkswirtschaftlichen Sinne unter „Markt“ der ökonomische Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage verstanden. Auf dem Markt treffen sich Anbieter und Nachfrager, um zu verhandeln und um die Güter und Dienstleistungen zu den ausgehandelten Preisen zu tauschen. In marktwirtschaftlich ausgerichteten
94
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Volkswirtschaften erfolgt die Koordination durch den Preismechanismus. Die charakteristischen Merkmale eines Marktes können dabei sowohl die Mengen als auch die Preise beeinflussen. Die Hauptfunktion des Preismechanismus besteht darin, die individuellen Angebots- und Nachfragepläne für alle Güter und Faktoren in einer Volkswirtschaft so aufeinander abzustimmen, dass diese miteinander kompatibel sind. Hierzu ist es erforderlich, den Prozess der Preisbildung auf einem einzelnen Markt genauer zu untersuchen. Bei einem Markt kann es sich z.B. um einen Weltmarkt für Erdöl, einen Wochenmarkt, einen Wohnungsmarkt oder einen Lebensmittelmarkt handeln. Um exakte Aussagen über den jeweiligen Markt treffen zu können, ist eine Abgrenzung der Märkte notwendig. Hierbei ergibt sich ein sachliches, räumliches und zeitliches Abgrenzungskriterium: Sachlich: Was ist das Gut? (z.B. Wohnung, Büro) Räumlich: Was ist die Raumdimension? (z.B. Lüdinghausen, Deutschland, Welt) Zeitlich: Welcher Zeitpunkt oder Zeitraum? (z.B. Tag, Woche, Jahr) Zum besseren Verständnis der Märkte und deren Besonderheiten werden die folgenden Unterteilungen vorgenommen. Im theoretischen Teil wird danach nur noch allgemein von dem „Markt“ die Rede sein. Marktarten
Marktarten
Faktormärkte
Auslandsmärkte
• Arbeitsmarkt • Kapitalmarkt • Bodenmarkt
Abb. 4.3:
Güter- und Dienstleistungsmärkte • Konsumgütermärkte • Investitionsgütermärkte • Dienstleistungsmärkte
Marktarten; Quelle: eigene Darstellung
Nach sachlichen Merkmalen lassen sich Märkte wie in Abbildung 4.3 nach dem Gegenstand des Tausches in folgende Marktarten einteilen:
Faktormärkte sind diejenigen Märkte, auf denen die Preisbildung für die Produktionsfaktoren Arbeit (Lohn), Kapital (Zins) und Boden (Miete, Pacht) erfolgt. Mit Güter- und Dienstleistungsmärkten sind die Konsumgütermärkte mit dem Zweck des Endverbrauchs (Konsumtion) und die Investitionsgütermärkte mit dem Zweck der Investition gemeint. Weiterhin können hierbei Dienstleistungsmärkte berücksichtigt werden. Von Auslandsmärkten bzw. internationalen Märkten wird gesprochen, wenn Anbieter und Nachfrager in verschiedenen Ländern ihren Wohnsitz haben. Diese Märkte unter-
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
95
scheiden sich von den nationalen Märkten vor allem durch unterschiedliche Währungen und staatlich kontrollierten Warenverkehr bei der Grenzüberschreitung. Märkte und Marktstrukturen Die Preisbildung wird von der Struktur der Angebots- und Nachfrageseite beeinflusst. Die Marktform kennzeichnet die Struktur von Angebot und Nachfrage, wobei die verschiedenen Marktformen nach der Anzahl der Marktteilnehmer (viele, wenige, einer) auf beiden Seiten gebildet werden. Diese drei grundsätzlichen Möglichkeiten auf der Angebots- und Nachfrageseite ergeben neun verschiedene Marktformen, die in der folgenden Abbildung dargestellt sind. Bei den verschiedenen Marktformen wird wie in Abbildung 4.4 diejenige Marktseite zuerst genannt, die den Preis auf dem Markt beeinflusst bzw. die größere wirtschaftliche Macht hat.
viele
wenige
einer
Polypol
Nachfrageoligopol
Nachfragemonopol
Angebotsoligopol
Bilaterales Oligopol
Nachfragemonopol mit oligopolistischem Angebot
einer
Angebotsmonopol
Angebotsmonopol mit oligopolistischer Nachfrage
Bilaterales Monopol
Abb. 4.4:
Marktformen; Quelle: eigene Darstellung
Nachfrager Anbieter viele
wenige
Das Polypol oder vollständige Konkurrenz weist eine atomistische Konkurrenz mit einer großen Zahl von Nachfragern und Anbietern auf. Bei dieser Marktform hat das einzelne Wirtschaftssubjekt (sowohl Unternehmen als auch Haushalt) keinen Einfluss auf den Marktpreis, da es nur einen sehr geringen Marktanteil besitzt. Das Angebotsmonopol ist das entgegengesetzte Extrem zum Polypol, das allgemein oft nur Monopol genannt wird. Hier tritt nur ein Anbieter am Markt auf, der vielen Nachfragern gegenübersteht. Der Monopolist kann unter Berücksichtigung des Nachfrageverhaltens den Preis auf dem Markt bestimmen. Bei dem Nachfragemonopol, das auch als Monopson bezeichnet wird, gibt es dagegen nur einen Nachfrager und viele Anbieter. Hier hat der Nachfrager einen entscheidenden Einfluss auf den Preis. Von einem Oligopol wird gesprochen, wenn nur wenige Anbieter und wenige Nachfrager am Markt zu beobachten sind. Bei einem Angebotsoligopol sind nur wenige Anbieter vorhanden. Jeder der wenigen Marktteilnehmer hat einen verhältnismäßig großen Marktanteil, mit dem er sowohl mengenmäßig als auch preislich einen bestimmten Einfluss auf den Markt ausüben kann.
96
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Vollkommene und unvollkommene Märkte Mit der Unterscheidung zwischen vollkommenem und unvollkommenem Markt ergibt sich ein weiteres wichtiges Merkmal für den Preisbildungsprozess. Allgemein wird ein Markt als vollkommen bezeichnet, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind. (1) Die Marktform des Polypols (vollständigen Konkurrenz) ist gegeben. (2) Homogenität: Güter müssen homogen (gleichartig) sein, d.h. es bestehen keine
sachlichen Präferenzen (d.h. es gibt keine objektiv feststellbaren Unterschiede hinsichtlich z.B. Qualität, Aufmachung oder Verpackung); personengebundene Präferenzen (d.h. es gibt keine Vorliebe für bestimmte Verkäufer bzw. keine Freundschaften, die dazu führen, dass sich unterschiedliche Preise bilden); räumliche Präferenzen (ein eng begrenzter Raum, wie z.B. die Börse, so dass das gleiche Gut gleiche Preise erzielt); zeitliche Präferenzen (es ist z.B. ausgeschlossen, dass das gleiche Gut je nach Kauftermin verschiedene Preise erzielt). (3) unendlich schnelle Anpassung an Veränderungen der Rahmenbedingungen bzw. Preise sowie Angebot und Nachfrage müssen gleichzeitig aufeinandertreffen. (4) Markttransparenz, d.h. alle Informationen über relevantes Marktgeschehen müssen den Marktteilnehmern vorliegen; die Anbieter und Nachfrager sind zu jeder Zeit über Mengen und Preise sowie die Rahmenbedingungen informiert. In einem vollkommenen Markt gibt es eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern, die vollständig informiert sind und keinen Marktzutrittsbeschränkungen unterliegen. Keine Marktseite hat Kontrolle über den Markt. Da angenommen wird, dass die Güter homogen sind, werden die Käufer die Güter auswählen, die zum niedrigsten Preis angeboten werden. Aus den Bedingungen des vollkommenen Marktes ergibt sich, dass es auf einem vollkommenen Markt zu jedem Zeitpunkt für jedes Gut nur einen Preis geben kann. In einem derart vollkommenen Markt wird der Preis allein durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Ein weiter wichtiger Aspekt eines vollkommenen Marktes ist, dass die Preise unendlich schnell an neue Bedingungen auf der Angebots- oder Nachfrageseite reagieren. Es gibt keine Hindernisse, die einer schnellen Anpassung im Wege stehen. Ist nur eine der o.g. Bedingungen nicht erfüllt, so besteht ein unvollkommener Markt. Auf einem unvollkommenen Markt kann es für das gleiche Gut unterschiedliche Preise geben. Ein vollkommener Markt ist in der Realität nicht anzutreffen. Immerhin gelten Wertpapierbörsen als gutes Beispiel für die annähernde Gültigkeit dieser Marktform. Wertpapiere sind vollkommen gleich, werden in einem Raum, der Börse, gehandelt, und der Kurs wird zu bestimmten Zeiten ermittelt. Den Akteuren an der Börse ist es gleichgültig, von wem oder an wem sie die Aktien verkaufen, und eine weitgehende Marktübersicht wird ihnen durch moderne Kommunikationssysteme ermöglicht. Im Folgenden wird an der theoretischen Idealform des vollkommenen Marktes festgehalten, um die grundlegenden Zusammenhänge analysieren zu können. Die Marktteilnehmer eines vollkommenen Marktes sind Mengenanpasser. Bei Annahme des vollkommenen Marktes ergibt sich für das einzelne Unternehmen die Situation, dass es den Preis nicht beeinflussen kann. Der Preis ist für das Unternehmen eine feststehende Größe, so dass der Anbieter nur seine Angebotsmenge am Markt verändern kann. Auch die
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
97
Haushalte als Nachfrager haben keinen Einfluss auf den Preis, sondern können ihre nachgefragte Menge nur an den vorgegebenen Preis anpassen. Preisbildung durch Angebot und Nachfrage Für die Herleitung des Marktergebnisses ist sowohl die Nachfrage als auch das Angebot zu beachten. Wie in Abbildung 4.5 dargestellt hängen diese wiederum von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Bevor konkret das Nachfrageverhalten der Haushalte und das Angebotsverhalten der Unternehmen untersucht werden soll, seien hier einige weitere Annahmen vorangestellt, die für die weitere Betrachtung von besonderer Bedeutung sind.
Preis des Gutes
Unternehmensziel
Preis anderer Güter Nachfrage
Markt Preis
Angebot
Marktform
Einkommen
Bedürfnisse
Abb. 4.5:
Produktionsbedingungen
Bestimmungsgründe der Preisbildung; Quelle: eigene Darstellung
(1) Die weitere Analyse erfolgt unter der Annahme des vollkommenen Marktes. Die Methode des Modelldenkens ist für die Volkswirtschaftslehre notwendig, da die vielfältigen Erscheinungsformen in der Realität auf ein einfaches System reduziert werden müssen. (2) Für die jeweilige Betrachtung gilt die ceteris-paribus-Klausel. Die „ceteris paribus“-Annahme (= unter sonst gleichen Bedingungen, kurz: c.p.-Klausel) bezeichnet eine typische Methode in der volkswirtschaftlichen Analyse. Die Wirkung der wesentlichen Einflussgröße kann nur erkannt werden, wenn sie einzeln betrachtet wird. Daher werden in dem Modell häufig bis auf diese eine Einflussgröße alle anderen Determinanten konstant gehalten (z.B. Preisänderung um Nachfragewirkungen zu untersuchen). (3) Die Haushalte verfolgen das Ziel der Nutzenmaximierung. Da die Haushalte nach dem ökonomischen Prinzip handeln, werden sie z.B. mit einem gegebenen Einkommen ein möglichst hohes Nutzenniveau zu erreichen versuchen. Nutzenmaximierung bedeutet in diesem Sinne ein Maximum an erreichbarer Bedürfnisbefriedigung. (4) Die Unternehmen verfolgen das Ziel der Gewinnmaximierung. Da auch die Unternehmen dem ökonomischen Prinzip folgen, werden sie versuchen, mit gegebenen Kosten einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Dieses Ziel wird erreicht, wenn als Folge der Erhöhung der Absatzmenge x um eine Einheit der Gewinn (Gewinn G = Erlös – Kosten) zunimmt. Der Erlös (Umsatz) ergibt sich als Produkt von Preis und Menge
98
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
(E = p · x) und die Kosten sind von der Menge x abhängig [K = K(x)]. Für die Bestimmung des Gewinns resultiert daraus folgender Zusammenhang: G = p · x – K(x). (5) Die grafische Darstellung erfolgt in Preis-Mengen-Diagrammen. (6) Bei den weiteren Ausführungen soll dies jeweils nach einer allgemeinen Einführung am Beispiel des Eigentumswohnungsmarktes in der Stadt GE veranschaulicht werden. Dabei wird in diesem Kapitel angenommen, dass es sich bei diesem Immobilienmarkt um einen vollkommenen Markt handelt. Beispiel: Eigentumswohnungsmarkt (ETW) in der Stadt GE Gut: Eigentumswohnungen in der Stadt GE Anbieter: Unternehmen (speziell: Wohnungsunternehmen), private Haushalte Nachfrage: Private Haushalte Preis: Kaufpreis Andere Güter: Mietwohnungen in GE; Eigentumswohnungen in Wanne-Eickel oder Lüdenscheid-Nord; Garagen oder Wohnausstattung Staat: Hier zunächst nicht weiter beachtet (ansonsten: Höchst- oder Mindestpreise, Steuern, auch Anbieter und Nachfrager)
4.2.2
Die Analyse des Nachfrageverhaltens
Die folgende Analyse erklärt das wirtschaftliche Verhalten der Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite und soll es nachvollziehbar machen. Generell wird die Nachfragemenge (Wirkung) in Abhängigkeit von den jeweiligen Bestimmungsgrößen (Ursachen) erklärt. Die Nachfrage der privaten Haushalte nach einem Gut wie z.B. einer Eigentumswohnung hängt von:
dem Preis des Gutes (1), den Preisen anderer Güter (2), dem verfügbaren Einkommen für den Konsum (3) und der Präferenzstruktur (4) ab.
(1) Nachfrage in Abhängigkeit vom Preis des Gutes Die Nachfrage ist die Menge, die die Käufer zu einem bestimmten Preis zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort kaufen wollen. Entsprechend der c.p.-Klausel wird hier die Nachfrage in Abhängigkeit vom Preis des Gutes betrachtet. Die Nachfrage wird somit vom Preis abhängen, unter der Voraussetzung, dass alle anderen Faktoren konstant gehalten werden. Dieser Zusammenhang lässt sich grafisch wie in Abbildung 4.6 durch das folgende Preis-Mengen-Diagramm darstellen.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
99
Preis p A p1
p2
Nachfragefunktion
x1 Abb. 4.6:
x2
B
Menge x
Preis-Mengen-Diagramm; Quelle: eigene Darstellung
Aus Vereinfachungsgründen werden in den Abbildungen üblicherweise Geraden verwendet. In der Realität sind die Nachfragefunktionen (auch die Angebotsfunktionen) üblicherweise Kurven, von daher werden auch die Ausdrücke „Angebots- und Nachfragekurven“ verwendet. Auf der senkrechten Achse (Ordinate) ist der Preis des Gutes und auf der waagerechten Achse (Abszisse) die Menge abgebildet. Die Nachfragefunktion (Verbindungslinie zwischen A und B; kurz: Nachfrage) repräsentiert das Nachfrageverhalten des Haushaltes. Die Nachfragekurve gibt an, welche Menge eines Gutes der Haushalt nachfragen würde, wenn der Preis des Gutes verschieden hoch ausfallen würde. Bei einem relativ hohen Preis p1 wird nur eine relativ geringe Menge x1 nachgefragt, und bei einem niedrigen Preis p2 wird eine relativ große Menge x2 nachgefragt. Wenn ein Gut auf derartige Weise auf Preisänderungen reagiert, verhält sich das Gut nach dem „Nachfragegesetz“. Nachfragegesetz: Gesetz der abnehmenden Nachfrage Steigt der Preis eines Gutes, so geht die Nachfrage zurück. Sinkt der Preis eines Gutes, so steigt die Nachfrage. Wenn sich also c.p. der Preis eines Gutes verändert, erfolgt eine Bewegung auf der Nachfragekurve. Wenn der Preis so hoch ist, dass die Nachfrage auf Null zurückgeht, so ist dieser Preis der Prohibitivpreis (Punkt A). Sobald der Preis auf Null fällt und sich die Nachfrage trotzdem nicht mehr erhöht, ist die Sättigungsmenge (Punkt B) erreicht. Eine höhere Gütermenge verschafft dem Haushalt keinen zusätzlichen Nutzen mehr, von daher bezahlt der Haushalt nicht mehr dafür. Preiselastizität der Nachfrage Neben der grafischen Darstellungsweise kann die Nachfragereaktion der Haushalte auf Preisveränderungen auch auf mathematische Weise dargestellt werden. Es bietet sich das Instrument der Elastizität an, das in den Wirtschaftswissenschaften sehr häufig benutzt wird.
100
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Bei der Elastizität handelt es sich um ein Maß für die Reagibilität von hier z.B. der Nachfrage. Es handelt sich um zwei relative Änderungen, die in Beziehung zueinander gesetzt werden. Elastizität Die Elastizität ist allgemein die relative Änderung der Wirkung in Bezug zu einer relativen Änderung der Ursache. In der Ökonomie ist die Elastizität definiert als relative Mengenänderung zu einer relativen Preisänderung. Um das Nachfrageverhalten in Abhängigkeit vom Preis des Gutes zu beschreiben, gibt es die direkte Preiselastizität der Nachfrage, die demnach eine relative Veränderung der Nachfragemenge (abhängige Größe) in Beziehung zu einer relativen Preisänderung (unabhängige Größe) setzt. Konkret untersucht sie, um wie viel Prozent sich die Nachfrage nach einem Gut ändert, wenn der Preis dieses Gutes um 1 v.H. steigt. Wird die ursprüngliche Menge mit x, ihre Änderung mit x, der ursprüngliche Preis mit p und seine Änderung mit p, so lässt sich die Preiselastizität wie folgt beschreiben: Δx 100 x Δp 100 p
Für die oben eingeführte Nachfragefunktion lassen sich verschiedene Preiselastizitäten der Nachfrage bestimmen, die in folgender Tabelle 4.1 zusammengefasst sind. Tab. 4.1:
Elastizitäten der Nachfrage; Quelle: eigene Darstellung
Elastizitätsbegriff
Elastizitätsgröße
Beispiel bzw. Erläuterung
elastisch
Σ < –1
Güter des gehobenen Bedarfs
unelastisch
0 > Σ > –1
Nahrungsmittel
proportional elastisch
Σ = –1
Ausnahmefall
vollkommen elastisch
Σ = –
vollkommener Verlust der Nachfrage
vollkommen unelastisch
Σ=0
Blutkonserven
Bei einer Elastizität zwischen unendlich und -1 (minus Eins) wird von einer elastischen Nachfrage gesprochen. Steigt der Preis um 1 v.H., so sinkt die nachgefragte Menge um mehr als 1 v.H. Bei einer Elastizität zwischen -1 (minus Eins) und Null handelt es sich dagegen um eine unelastische Nachfrage. Eine Preiserhöhung um 1 v.H. führt hier zu einem Nachfragerückgang von weniger als 1 v.H. Wenn die Nachfrage unabhängig vom Preis ist, ergibt sich eine Preiselastizität der Nachfrage die gleich Null ist. Diese preisunelastische Nachfrage gibt es z.B. bei lebensnotwendigen Medikamenten. Eine preisunelastische Nachfrage lässt sich wie in dem folgenden Chart 4.7 in einer senkrechte Nachfragefunktion darstellen.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
101
Preis p Nachfragefunktion
Menge x
x Abb. 4.7:
Vollkommen unelastische Nachfrage; Quelle: eigene Darstellung
Eine andere Form der anormalen Nachfrage sind Güter, die nach einer Preiserhöhung vermehrt nachgefragt werden. Bei diesen Gütern geht beispielsweise der Käufer davon aus, dass höhere Preise eine bessere Qualität des Produktes voraussetzen (siehe Abbildung 4.8). Hier ist die Preiselastizität der Nachfrage durchweg positiv.
Preis p Nachfragefunktion
Menge x Abb. 4.8:
Anormale Nachfrage; Quelle: eigene Darstellung
(2) Nachfrage in Abhängigkeit vom Preis eines anderen Gutes Ebenfalls von Bedeutung ist der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge (x) eines Gutes und dem Preis eines anderen Gutes (py). Zwei wesentliche Güterarten lassen sich
102
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
in diesem Kontext beschreiben. Dabei können sich die Güter entweder gegenseitig ersetzen und verdrängen (substitutive Güter) oder einander bedingen (komplementäre Güter). Substitutive Güter sind dadurch gekennzeichnet, dass mit steigendem Preis des anderen Gutes py c.p. mehr des einen Gutes x nachgefragt wird (siehe Abbildung 4.9). Dies lässt sich wie folgt erklären: Steigt der Preis des anderen Gutes py, dann sinkt die Nachfrage nach dem anderen Gut y und das eine Gut x wird mehr nachgefragt. Diese Art von Gütern wird auch Substitute genannt. Substitute könnten z.B. Butter und Margarine oder Waschpulver und Flüssigwaschmittel sein.
Preis py Nachfragefunktion
Menge x Abb. 4.9:
Substitutive Güter; Quelle: eigene Darstellung
Einen zweiten Fall beschreiben die komplementären Güter oder kurz Komplemente. Hier sinkt c.p. die nachgefragte Menge x mit dem Anstieg des Preises py, siehe dazu die Darstellung in der Abbildung 4.10. Dies bedeutet, dass wenn der Preis des anderen Gutes py steigt, dann sinkt die Nachfrage nach dem anderen Gut y und das eine Gut x wird weniger nachgefragt. Allgemeine Beispiele für Komplemente sind z.B. Tinte und Füllfederhalter oder Pkw und Pkw-Reifen oder Tabak und Zigarettenhülsen.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
103
Preis py
Nachfragefunktion
Menge x Abb. 4.10:
Komplementäre Güter; Quelle: eigene Darstellung
Mit Hilfe der Kreuzpreiselastizität (η) lässt sich der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge x eines Gutes und dem Preis py eines anderen Gutes darstellen. Die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage misst die Veränderung der nachgefragten Menge x aufgrund von Veränderungen des Preises eines anderen Gutes (py). Um wie viel Prozent ändert sich die Nachfrage nach dem Gut x, wenn der Preis des anderen Gutes py um ein Prozent steigt. Sie ergibt sich aus der prozentualen Veränderung der Nachfragemenge von Gut x geteilt durch die prozentuale Änderung des Preises von Gut y.
Δx 100 η x Δ py 100 py Bei substitutiven Gütern wäre die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage η größer als Null, da mit steigendem Preis py c.p. mehr Güter x nachgefragt wird. Komplementäre Güter weisen hingegen eine Kreuzpreiselastizität der Nachfrage η kleiner als Null auf. Das ist darauf zurückzuführen, dass mit steigendem Preis py c.p. weniger Güter von x nachgefragt werden. Bei unabhängigen Gütern ist die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage η = 0. (3) Nachfrage in Abhängigkeit vom Einkommen Aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, dass das Einkommen der Haushalte einen wesentlichen Einfluss auf den Konsum hat. Die Frage ist hier, wie die nachgefragte Menge c.p. auf Einkommensänderungen (Ek) reagiert. Steigt die nachgefragte Menge mit steigendem Einkommen, so werden diese Güter superiore (normale) Güter genannt (siehe Abbildung 4.11). Die Nachfragefunktion hat also einen steigenden Verlauf. Beispiele hierfür sind Möbel, PKW oder HiFi-Anlagen.
104
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Einkommen Ek Nachfragefunktion
Menge x Abb. 4.11:
Superiore Güter; Quelle: eigene Darstellung
Das Gegenteil zu diesen sind die inferioren Güter, die mit steigendem Einkommen weniger nachgefragt werden. Die Nachfragefunktion hat somit eine negative Steigung wie die Abbildung 4.12 zeigt. Die Einkommenselastizität der Nachfrage ist hier kleiner als Null, was z.B. für Margarine oder billigem Alkohol gilt.
Einkommen Ek
Nachfragefunktion
Menge x Abb. 4.12:
Inferiore Güter; Quelle: eigene Darstellung
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
105
Der Zusammenhang zwischen der nachgefragten Menge x eines Gutes und dem Einkommen eines Haushaltes lässt sich auch durch die Einkommenselastizität der Nachfrage (μ) darstellen. Die Einkommenselastizität der Nachfrage misst die Veränderung der nachgefragten Menge aufgrund von Einkommensveränderungen. Sie beschreibt, um wie viel Prozent sich die nachgefragte Menge x ändert, wenn das Einkommen um ein Prozent steigt. Sie ergibt sich aus der prozentualen Veränderung der Nachfragemenge geteilt durch die prozentuale Änderung des Einkommens.
Δx 100 μ x Δ Ek 100 Ek Bei superioren Gütern steigt mit steigendem Einkommen auch die nachgefragte Menge, so dass die Einkommenselastizität μ größer als Null ist. Hingegen wird bei inferioren Gütern mit steigendem Einkommen die nachgefragte Menge sinken und so ergibt sich eine Einkommenselastizität der Nachfrage μ kleiner als Null. (4) Nachfrage in Abhängigkeit von den Präferenzen Einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Nachfrage stellen die Präferenzen der Haushalte dar. Diese subjektive Nutzenvorstellung wird auch als Wertschätzung oder Bedarfsstruktur bezeichnet. Die Präferenzen der Haushalte sind nicht unveränderlich und werden von verschiedensten Einflussfaktoren bestimmt. Auf dem Markt spiegeln sich die unterschiedlichen Präferenzen der Haushalte in ihrem Ausgabeverhalten wider. Je stärker der Wunsch des Haushalts nach einem Gut ist, desto mehr wird ein Haushalt für dieses Gut ausgeben wollen. Gleichzeitig ist bei einem gegebenen Preis die Nachfrage der Haushalte umso höher je stärker die Präferenzen ausfallen. (5) Verschiebung der Nachfragekurve Streng von Bewegungen auf der Nachfragekurve zu unterscheiden sind Verschiebungen der Nachfragekurve selbst. Wenn auch hier wieder die c.p.-Bedingung vorausgesetzt werden, können die Ursachen für eine Mehr- oder Mindernachfrage bei konstantem Güterpreis analysiert werden. In der folgenden Abbildung 4.13 werden die Veränderungen der Preise anderer Güter, des Einkommens und der Bedürfnisse im ursprünglichen Preis-Mengen-Diagramm aufgezeigt.
106
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Preis p Nachfragefunktion
p0
N0
N1 Menge x
Abb. 4.13:
Verschiebung der Nachfragekurve; Quelle: eigene Darstellung
Im Folgenden werden die Ursachen für eine Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion bei konstantem Güterpreis p 0 angeführt: a) Verstärkung der Bedürfnisse bzw. des Bedarfs Das Bedürfnis nach einem Gut hat sich bei den Haushalten verstärkt und führt zu einer Mehrnachfrage. b) Preiserhöhung substitutiver Güter Eine Steigerung der Preise anderer Güter (y) reduziert die Nachfrage nach dem Gut y und führt aufgrund der Güterbeziehung zu zusätzlicher Nachfrage nach dem Gut x. c) Preissenkung komplementärer Güter Ein Preisnachlass bei komplementären Gütern y erhöht die Nachfrage nach dem Gut y und führt aufgrund der Güterbeziehung zu zusätzlicher Nachfrage nach dem Gut x. d) Einkommenserhöhung bei normalen Gütern Bei „normalen“ Gütern kommt es durch eine Einkommenserhöhung zu einer höheren Nachfrage. e) Einkommenssenkung bei inferioren Gütern Durch den Rückgang des Einkommens wird Fleisch durch Kartoffeln ersetzt, d.h. die Nachfrage nach Kartoffeln (als inferiores Gut) steigt. Eine Linksverschiebung der Nachfragekurve erfolgt entsprechend umgekehrt. (6) Marktnachfrage Die Marktnachfrage ergibt sich aus den individuellen Nachfragen. Sie wird benötigt, um später das Marktgleichgewicht bestimmen zu können. Diese Marktnachfragefunktion kann dadurch konstruiert werden, dass grafisch die einzelnen Nachfragekurven zusammengefasst
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
107
bzw. bei gegebenem Preis die individuellen Nachfragemengen addiert werden. Die Marktnachfrage ergibt sich dadurch, dass grafisch die beiden Nachfragefunktionen horizontal addiert werden.
Nachfragefunktionen Preis p
Preis p
p1
Preis p
p1
a
p1
b
p2
A
c
d
p3
p3 Haushalt I
Abb. 4.14:
Menge x
B
p2
p2 c
a + b
+
d
p3 Haushalt II
Menge x
Haushalt I + II
Menge x
Marktnachfragefunktion; Quelle: eigene Darstellung
Bei dem Preis p1 wird sowohl vom Haushalt I als auch vom Haushalt II keine Menge vom Gut x nachgefragt, somit ist auch die Marktnachfrage (in dem Schaubild 4.14: der beiden Haushalte) Null. Beim Preis von p2 fragt der Haushalt I die Menge a und der Haushalt II die Menge b nach. Die Strecke AB gibt demnach die Marktnachfrage (a + b) wieder. Entsprechendes gilt für den Preis p3, wo die Nachfrage aller Haushalte (c + d) beträgt. Die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve beschreibt das Mengenverhalten aller Haushalte bei alternativen Preisen für ein Gut. Der Nachfragepreis zeigt also die Zahlungsbereitschaft der Haushalte für ein Gut an. Diese Zahlungsbereitschaft gibt an, auf welchen Euro-Betrag die Haushalte zu verzichten bereit sind, wenn sie eine bestimmte Menge von einem Gut erhalten wollen. Der Nachfragepreis gibt also auch an, wie die Haushalte ein Gut bewerten. Die Nachfrage auf dem Markt für Eigentumswohnungsmarkt in GE Aus Sicht der Mikroökonomie sind es vor allem die folgenden Faktoren, von denen die Nachfrage der privaten Haushalte nach einer Eigentumswohnung abhängt: der Wohnungspreis, der Preis anderer Güter (z.B. Wohnungsmiete), das verfügbare Einkommen für den Wohnungskauf und der Präferenzstruktur hinsichtlich z.B. Ausstattung der Immobilie. Bei der Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist davon auszugehen, dass mit steigendem Wohnungspreis üblicherweise die Nachfrage nach Eigentumswohnungen zurückgeht. Der Markt für Eigentumswohnungen verhält sich somit entsprechend dem Nachfragegesetz. Ein Preisrückgang wird hingegen neue und mehr Käufer für die Immobilien interessieren. Die
108
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Preiselastizität der Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist normalerweise negativ, auch wenn es Ausnahmen geben wird. So ist vorstellbar, dass die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ansteigt, wenn deren Preis steigt. Dies dürfte bei Luxuswohnungen der Fall sein, bei denen der Snob-Effekt gilt. Eine preisunelastische Nachfrage dürfte hingegen nur für eine bestimmte Preisspanne gelten und die Ausnahme darstellen. Auch die Preise anderer Güter haben Einfluss auf die Nachfrage nach Eigentumswohnungen in der Stadt GE. Mit steigenden Preisen (Mieten) für Mietwohnungen in GE werden c.p. mehr Eigentumswohnungen nachgefragt. Weitere Substitute wären z.B. Eigentumswohnungen in Wanne-Eickel oder Lüdenscheid-Nord. Wenn dort der Preis steigt, sinkt die Nachfrage in den anderen Orten und die Nachfrage nach ETW in GE steigt. Komplementäre Güter könnten dagegen z.B. Garagen oder die Wohnausstattung sein. Steigt der Preis für diese Güter, so sinkt die Nachfrage nach den komplementären Gütern und ebenso nach ETW in GE. Das Einkommen hat für den Wohnungskauf eine wichtige Bedeutung. Für die Nachfrage nach Eigentumswohnungen kann davon ausgegangen werden, dass mit steigendem Einkommen die Nachfrage zunimmt. Die ETW wären damit superiore Güter. Es ist eher schwer vorzustellen, dass mit steigendem Einkommen die Nachfrage nach ETW zurückgehen wird. Möglich wäre dies in Lüdenscheid-Nord, wenn angenommen wird, dass die Haushalte irgendwann genügend Einkommen haben, um von dort wegzuziehen. Schließlich hat die Präferenzstruktur bzw. Änderung der Präferenzen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Eigentumswohnungen. Eigentumswohnungen können als Ergänzung der individuellen Altersvorsorge zunehmend Interesse finden, was dann zu einer zunehmenden Nachfrage führen würde. Ursachen für eine erhöhte Nachfrage (Rechtsverschiebung der Nachfragefunktion in einem Preis-Mengen-Diagramm) bei konstantem Hauspreis könnten sein:
Das Bedürfnis nach einer Eigentumswohnung hat sich bei den Haushalten verstärkt und führt zu einer Mehrnachfrage (Präferenzänderung). Eine Steigerung der Mieten für Wohnungen (substitutive Güter) führt zu zusätzlicher Nachfrage nach Eigentumswohnungen (Preisänderung bei anderen Gütern). Ein Preisnachlass bei Garagen oder Wohnausstattung (komplementäre Güter) führt zu zusätzlicher Nachfrage nach ETW (Preisänderung bei anderen Gütern). Da es sich bei Eigentumswohnungen um „normale“ Güter handelt, wird es durch eine Einkommenserhöhung zu einer höheren Nachfrage nach Eigentumswohnungen kommen. Sollte es sich hingegen um ein inferiores Gut handeln, so würde die Nachfrage sinken (Einkommensänderung). Die Ursachen für Veränderungen der Nachfrage können bei jeder Objektart und bei jedem einzelnen lokalen Markt unterschiedlich sein. Veränderungen bei der Immobiliennachfrage können verursacht werden durch bestehende oder erwartete Veränderungen bei der Bevölkerung, des Einkommens, der Verfügbarkeit von Immobilienkrediten, beim persönlichen Lebensstil oder der staatlichen Aktivitäten. Die Ursachen für Veränderungen der Nachfrage nach Wohnimmobilien sind oftmals unterschiedlich zu denen bei gewerblichen oder landwirtschaftlichen Immobilien.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
4.2.3
109
Die Analyse des Angebotsverhaltens
Die zweite Komponente der Preisbildung ist das Angebot der Unternehmen. Es stellt sich hier die Frage, welche Gütermenge Unternehmen auf dem Markt anbieten werden. Diese Frage lässt sich beantworten, wenn die Zielsetzung des Unternehmens, die technischen Bedingungen der Produktion, die natürlich ihren Niederschlag auf die Kostensituation haben, und die Organisation der Märkte (Marktform) berücksichtigt werden. Produktion Produktion Produktion ist die gesamte Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen, d.h. die quantitative, qualitative, zeitliche oder räumliche Umwandlung von Ressourcen, Gütern und Dienstleistungen in andere Güter und Dienstleistungen zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung. Der Begriff „Produktion“ der Unternehmung wird in der Volkswirtschaft in einem weiten Sinne gebraucht. Er umfasst nicht nur die technische Herstellung von Gütern, sondern auch alle anderen Aktivitäten, welche ein Unternehmen durchführen muss, um ein Gut in den Besitz der Konsumenten zu bringen. Der Begriff Produktion umfasst volkswirtschaftlich gesehen also z.B. auch die Forschung und Entwicklung, die Verwaltung, das Marketing und den Transport. Produktionsfaktoren In der Produktion werden Ressourcen sowie Güter und Dienstleistungen eingesetzt, um andere Güter zu produzieren. Produktionsfaktoren sind die bei einer gegebenen Technologie erforderlichen Einsatzfaktoren, um Güter und Dienstleistungen produzieren zu können. Die klassische Einteilung der Produktionsfaktoren unterscheidet zwischen Arbeit, Boden und Kapital. Produktionsfaktor Die Produktionsfaktoren sind die Faktoren Arbeit, Kapital und Boden, die eingesetzt werden, um Güter und Dienstleistungen herzustellen. Der Produktionsfaktor Arbeit ist der Teil körperlicher und geistiger Tätigkeiten eines Menschen, der zur Herstellung von Gütern benötigt wird. Der Faktor Arbeit umfasst sowohl die natürliche Arbeitskraft eines Menschen als auch spezifische erlernte Fähigkeiten oder Wissen. Als Gegenbegriff zum Kapital hat sich auch der Begriff Humankapital oder Arbeitsvermögen gebildet. Auch die Arbeitskraft ist in einem gewissen Sinne produziertes Produktionsmittel, dessen Wert durch Investitionen in Ausbildung und Gesundheit erhöht werden kann. Die Zahl der Arbeitskräfte, ihre Leistungsfähigkeit, physisch wie geistig, und ihre zeitliche Verfügbarkeit bestimmen den Bestand des Faktors Arbeit in einer Volkswirtschaft. Der Produktionsfaktor Kapital ist der Oberbegriff für alle produzierten Produktionsmittel. Dazu gehören dauerhafte Produktionsanlagen, wie z.B. Gebäude oder Maschinen. Der Produktionsfaktor Kapital ist die Menge an Produktionsgütern, die selbst durch Einsatz von
110
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Arbeit, Boden und Kapital erzeugt worden sind. In der Volkswirtschaft werden zwei Kapitalbegriffe voneinander unterschieden: Geldkapital und Realkapital. Geldkapital ist das Geld, welches nicht für den Konsum verbraucht wird, sondern für Investitionszwecke zur Verfügung steht. Das Unternehmen wandelt das Geldkapital durch die Investition in Realkapital um, welches dann die technischen Produktionsmittel bzw. die Investitionsgüter sind. Der Produktionsfaktor Boden umfasst alle der Produktion dienenden Naturstoffe. Der Beitrag des Bodens besteht zum einen in seiner Anbaufähigkeit durch die Land- und Forstwirtschaft (Anbau). Er liefert aber auch Ressourcen wie Erze, Erdöl oder Kohle, die im Produktionsprozess in Güter umgewandelt werden (Abbau). Der Boden dient ebenfalls als Standort für Produktionsbetriebe, Haushalte usw. Produktionsfunktionen Die Produktionsfunktion gibt an, welche Produktionsmengen (Outputs) maximal realisiert werden können, wenn die Faktoreinsatzmengen (Inputs) vorgegeben sind. Die Produktionsfunktion beschreibt die technische Beziehung zwischen den Faktoreinsatzmengen und der Produktionsmenge. Dabei beschränkt sie sich nur auf technisch effiziente Formen der Kombination von Inputs und Outputs. „Technisch effizient“ heißt, dass stets der mit den jeweils gegebenen Inputs maximal mögliche Output hergestellt wird. Aus der Fülle der denkbaren Produktionsmöglichkeiten wählt die Produktionsfunktion somit nur die Maximalpunkte aus. Produktionsfunktion Die Produktionsfunktion beschreibt einen funktionalen Zusammenhang zwischen den zur Herstellung eines Gutes benötigten Inputs und dem damit maximal zu erzielenden Output. Durch den Einsatz der Produktionsfaktoren werden Güter / Outputs produziert; es wird in diesem Zusammenhang auch von Erträgen gesprochen, wobei zwischen verschiedenen Begriffe unterschieden wird. Ertragsbegriffe Gesamtertrag: ist die Gesamtmenge des Produktionsergebnisses. Durchschnittsertrag: ist der Gesamtertrag dividiert durch die Menge des eingesetzten Faktors; durchschnittlicher Ertrag pro eingesetzter Faktoreinheit. Grenzertrag: ist die Zunahme im Gesamtertrag, die sich bei Erweiterung des variablen Faktors um eine Einheit ergibt; Ertrag der letzten eingesetzten Faktoreinheit. Als erstes wird von einer Produktionsfunktion mit einem Produktionsfaktor ausgegangen. In allgemeiner Form lässt sich eine solche Produktionsfunktion dann schreiben als x = f (v). Der Output x ergibt sich durch den Einsatz/Input des Produktionsfaktors v, wobei f den funktionalen Zusammenhang beschreibt. Dieser Zusammenhang kann unterschiedliche Formen haben. Es wird wie in Abbildung 4.15 zwischen proportionalen, degressiven und progressiven Input-Output-Verhältnissen unterschieden. Bei proportionalen Verhältnissen steht der Input in einem gleich bleibenden Verhältnis zu dem Output bzw. den hergestellten Gütern (grafisch: linear). Bei degressiven Verhältnissen nimmt der Output unterproportional im
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
111
Verhältnis zum zunehmenden Faktoreinsatz zu. Bei progressiven Verhältnissen wird der zunehmende Faktoreinsatz zu überproportional steigenden Outputs führen.
Menge x
Menge x
proportionale Produktionsfunktion
Menge x
degressive Produktionsfunktion
progressive Produktionsfunktion x = f (v)
x = f (v)
Produktionsfaktor v Abb. 4.15:
x = f (v)
Produktionsfaktor v
Produktionsfaktor v
Varianten von Produktionsfunktionen; Quelle: eigene Darstellung
Bei der Herstellung von Eigentumswohnungen sind in der Realität prinzipiell alle drei Produktionsfunktionen denkbar. Als zweites wird von einer Produktionsfunktion mit zwei Produktionsfaktoren (z.B. Arbeit und Kapital) ausgegangen. In allgemeiner Form lässt sich eine solche Produktionsfunktion dann schreiben als x = f (v1, v2). Der Output (x) wird also bestimmt von den eingesetzten Produktionsfaktoren v1 und v2. Wie der Zusammenhang zwischen den Inputs und dem damit erzielbaren Output beschaffen ist, wird von der Produktionstechnik bestimmt. In der Ökonomie werden dabei zwei Arten von Produktionsfunktionen unterschieden. Bei der ersten linear-limitationalen Produktionsfunktion stehen die Produktionsfaktoren in einem festen Verhältnis zueinander. Von daher kann der Output nur erhöht werden, wenn die Erhöhung der Faktoren im gleichen Verhältnis erfolgt. Soll die Produktion verdoppelt werden, so müssen auch beide Inputs verdoppelt werden. Die Erhöhung nur eines Faktors bringt keine Ertragssteigerung. Am Beispiel eines Baggers kann erläutert werden, dass ein zusätzlicher Baggerfahrer nichts bringt, wenn nicht gleichzeitig ein weiterer Bagger angeschafft wird. Bei der zweiten substitutionalen Produktionsfunktion können die Faktoren einander ersetzen (zumindest in bestimmten Grenzen). Die Erhöhung eines Faktors bewirkt c.p. also eine Produktionserhöhung. Ein bestimmter Output kann mit vielen Faktormengenkombinationen technisch effizient hergestellt werden. Bei der substitutionalen Produktionsfunktion kann zwischen der Produktionsfunktion nach erstens dem Ertragsgesetz und zweitens der neoklassischen Produktionsfunktion unterschieden werden.
112
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Für die substitutionale Produktionsfunktion nach dem „Ertragsgesetz“ dient als praktisches Beispiel häufig die landwirtschaftliche Produktion. Dieses Gesetz wurde im 18. Jahrhundert von dem französischen Ökonomen Jacques Turgot entdeckt. Er stellte fest, dass der Output je Hektar landwirtschaftlicher Fläche zunächst steigt, wenn man den Arbeitseinsatz erhöht. Von einer gewissen Arbeitsmenge nimmt er jedoch wieder ab; die Arbeiter stören sich dann gegenseitig. Gleiches gilt für den zweiten landwirtschaftlichen Produktionsfaktor, den Dünger, auch hier nimmt der Grenzertrag zunächst zu und danach ab. Grafisch lässt sich dieser Zusammenhang allgemein wie in der folgenden Abbildung 4.16 darstellen, wobei unterstellt wird, dass der Input des Produktionsfaktoren v1 ausgeweitet, während der Input des Produktionsfaktoren v2 konstant gehalten wird.
Output x
x = f (v1)
Produktionsfaktor v1 Abb. 4.16:
Produktionsfunktion nach dem Ertragsgesetz; Quelle: eigene Darstellung
Bei dem Ertragsgesetz wird zunächst von zu- und dann von abnehmenden Ertragszuwächsen ausgegangen. Mit der Erhöhung der Faktoreinsatzmenge wird zu Beginn der gesamte Ernteertrag überproportional zunehmen und danach unterproportional, um vielleicht im Extremfall sogar abzunehmen. Der Grenzertrag, also der Ertragszuwachs wird zuerst zunehmen und dann abnehmen. Von einer substitutionalen, neoklassischen Produktionsfunktion wird üblicherweise in der Volkswirtschaftslehre ausgegangen, die in Teilen einer ertragsgesetzlichen Produktionsfunktion entspricht (siehe Abbildung 4.17). Bei der neoklassischen Produktionsfunktion nimmt der Gesamtertrag stetig zu, die Grenzerträge sind aber von Anfang an abnehmend. Der Ertragszuwachs, der durch die letzte zusätzlich eingesetzte Einheit eines Produktionsfaktors – bei Konstanz des anderen Inputs – erzielt wird, wird immer geringer, er bleibt aber stets positiv.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
113
Output x x2 x1
Produktionsfaktor v
Grenzertrag x
x1
Abb. 4.17:
x2
Produktionsfaktor v
Neoklassische Produktionsfunktion; Quelle: eigene Darstellung
Kostenfunktionen Kosten entstehen für ein Unternehmen aus dem Einsatz von Produktionsfaktoren und diese können mit Hilfe einer Kostenfunktion dargestellt werden. Während die Produktionsfunktion nur den mengenmäßigen Zusammenhang zwischen In- und Output beschreibt, verdeutlicht die Kostenfunktion den wertmäßigen Zusammenhang. Kostenfunktion De Kostenfunktion beschreibt den Zusammenhang zwischen der Produktionsmenge und den dafür anfallenden minimalen Kosten. Kosten sind der in Geld gemessene Werteverzehr in Form der Produktionsfaktoren, der durch die Produktion von Gütern oder Dienstleistungen verursacht wird. In der Kostentheorie kann zwischen verschiedenen Begriffen unterschieden werden. Kostenbegriffe Gesamtkosten K: sind die Gesamtheit aller Kosten, die in einem Unternehmen im Zusammenhang mit der Produktion anfallen. Fixe Kosten Kf: sind unabhängig von der Höhe der Produktion und entstehen aufgrund der Existenz des Unternehmens sowie im Rahmen der Bereitstellung des Produktionsapparats, z.B. Mieten und ertragsunabhängige Steuern. Variable Kosten Kvar: entstehen mit der Aufnahme der Produktion und sind von der Ausbringungsmenge abhängig. Typische variable Kosten sind der Verbrauch von Rohstoffen und Energie für die Produktion sowie Akkordlohn. Stückkosten k: sind die Gesamtkosten bezogen auf eine produzierte Einheit. Fixe Stückkosten kf: sind die fixen Kosten pro produzierter Mengeneinheit.
114
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Variable Stückkosten kvar: sind die variablen Kosten pro produzierter Mengeneinheit. Grenzkosten K′: sind der Kostenzuwachs aufgrund einer zusätzlich produzierten Mengeneinheit. In allgemeiner Form lässt sich eine Kostenfunktion (Kosten als Funktion des Outputs) dann schreiben als K = f (x) = K (x). Je nach Produktionsverfahren bzw. Produktionsfunktion können sich unterschiedliche Kostenverläufe ergeben (siehe Abbildung 4.18). Die Kosten verändern sich proportional (linear), wenn mit wachsender Ausbringungsmenge der Kostenzuwachs je Einheit gleich bleibt. Von einem degressiven Kostenverlauf wird gesprochen, wenn mit wachsender Ausbringungsmenge der Kostenzuwachs je Einheit geringer wird. Bei progressivem Kostenverlauf wird mit wachsender Ausbringungsmenge der Kostenzuwachs je Einheit größer.
Kosten K
Kosten K
proportionaler Kostenverlauf
Kosten K
degressiver Kostenverlauf
progressiver Kostenverlauf K (x)
K (x)
K (x)
Menge x Abb. 4.18:
Menge x
Menge x
Kostenfunktionen; Quelle: eigene Darstellung
Aufgrund der unterschiedlichen Produktionsbedingungen ergeben sich auch entsprechend unterschiedliche Kostenverläufe. Im Folgenden soll erstens von einem proportionalen Kostenverlauf (einschließlich fixer Kosten) und zweitens von einer neoklassischen Produktionsfunktion mit entsprechendem Kostenverlauf ausgegangen werden. Bei einem proportionalen Kostenverlauf einschließlich fixer Kosten ergeben sich wie in Chart 4.19 verschiedene Kostenverläufe. In der Abbildung setzen sich die Gesamtkosten (K) aus dem fixen Kostenblock (Kf) und den outputabhängigen, variablen Kosten (Kvar) zusammen. Unter diesen Annahmen sind die variablen Stückkosten (kvar) über die gesamte Ausbringungsmenge konstant, was auch für die Grenzkosten (K′) gilt. Die Stückkosten (k) nehmen dagegen mit steigender Stückmenge (x) stetig ab, da die Fixkosten auf die höhere Produktionsmenge verteilt werden können.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
115
K
Kosten K Fixkosten Kf Variable K. Kvar
Kvar Kf Menge x
Stückkosten k Grenzkosten K' var. Stückk. kvar
k K', k var Menge x
Abb. 4.19:
Proportionale Kostenfunktion; Quelle: eigene Darstellung
Bei Annahme einer neoklassischen Produktionsfunktion ergibt sich ein progressiver Verlauf der Gesamtkosten (siehe Abbildung 4.20). Um die doppelte Produktionsmenge zu produzieren, benötigt ein Unternehmen mehr als die doppelten Inputs. Die Kosten werden mit steigender Ausbringungsmenge progressiv zunehmen. Der sich bei Ausweitung der Produktion um eine weitere Einheit ergebene Kostenzuwachs fällt also umso höher aus je mehr produziert wird.
K
Kosten K, Fixkosten Kf, Variable K. Kvar
Kvar Kf Menge x
Stückkosten k Grenzkosten K' fixe Stückk. Kf var. Stückk. kvar
K' k kvar
kf Abb. 4.20:
Menge x
Neoklassische Kostenfunktion; Quelle: eigene Darstellung
Bei der neoklassischen Kostenfunktion steigen die Grenzkosten (K’) mit zunehmender Produktionsmenge an. Die Stückkosten bzw. durchschnittlichen Gesamtkosten (k) weisen einen
116
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
U-förmigen Verlauf auf. Diese ergeben sich als Summe von durchschnittlichen Fixkosten (kf), die stetig mit zunehmender Menge sinken, und den variablen Stückkosten (kvar), die stetig ansteigen. Die Ursache für den U-förmigen Verlauf der Stückkosten besteht darin, dass bei steigendem Output die variablen Stückkosten stärker ansteigen als die fixen Stückkosten sinken. Die Stückkosten steigen mit höherer Produktionsmenge wieder an. Ableitung der Angebotsfunktion des einzelnen Unternehmens Die Entscheidung eines Unternehmens über die angebotene Menge hängt von drei verschiedenen Bedingungen ab. Dies ist erstens die Zielsetzung des Unternehmens, wobei in der Mikroökonomik üblicherweise angenommen wird, dass ein Unternehmen Gewinnmaximierung anstrebt. Es kann aber auch das Ziel der Unternehmen sein, den Umsatz zu maximieren oder Marktanteile zu gewinnen oder eine bestimmte Rendite zu erreichen. Zweitens ist dies die Organisation der Märkte, wobei üblicherweise als Marktform die vollständige Konkurrenz angenommen wird. Da hierbei jedes Unternehmen nur eines von sehr vielen Anbietern ist, hat es nur einen geringen Marktanteil und keinen Einfluss auf den Produktpreis. Bei dem für das einzelne Unternehmen daher gegebenen Preis kann es jede produzierte Menge absetzen. Das Unternehmen wird die produzierte Menge so festlegen, dass es seinen Gewinn maximiert. Ein Unternehmen unter den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz verhält sich demnach als Mengenanpasser. Der Gewinn ergibt sich als Differenz von Erlösen (verkaufte Menge multipliziert mit dem Preis) und den Kosten: Gewinn = Erlös – Kosten G = E (x) – K (x) G = p · x – K(x). Ein Unternehmen kann durch eine zusätzliche verkaufte Mengeneinheit seinen Gewinn noch ausdehnen, solange der Erlös stärker zunimmt als die Kosten. Die Zunahme des Gesamterlöses ist der Grenzerlös. Im Fall der vollständigen Konkurrenz ist der Preis für das Unternehmen ein Datum. Bei Absatz einer zusätzlichen Menge erhält das Unternehmen dafür als Grenzerlös den konstant bleibenden Preis. Der Preis ist also der Grenzerlös. Die Ausdehnung der Produktion lohnt sich, wenn der Grenzerlös (Preis) größer ist als die Grenzkosten. Wenn dagegen die zusätzlichen Kosten für eine Einheit höher sind als der zusätzliche Erlös, dann bringt diese Einheit keinen Gewinn mehr, sondern reduziert ihn. Das Gewinnmaximum ist dort erreicht, wo die Differenz von Gesamterlös und Gesamtkosten am größten ist. Oder im Gewinnmaximum ist der Grenzerlös (= Preis) gleich den Grenzkosten: p = E′ = K′. Im Kapitel 4.3.1 wird die Annahme dieser Marktform (vollständige Konkurrenz) aufgegeben und analysiert, wie sich daraufhin das Marktergebnis verändert. Als Alternativen wird dann von den Marktformen Angebotsmonopol oder -oligopol ausgegangen. Drittens sind es die technischen Bedingungen der Produktion, die sich in der Kostenfunktion zeigen. Bei einer in der Mikroökonomie üblichen neoklassischen Kostenfunktion wird von einem progressiven Kostenverlauf mit steigenden Grenzkosten ausgegangen. Die gewinnmaximierende Produktionsmenge ergibt sich im Schaubild 4.21 dort, wo bei einem gegebenen Preis (p0) die Grenzkosten gleich diesem Preis (K′ = p) sind. Im folgenden Schaubild ist dies die Menge x*.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
117
Preis p Grenzkosten K'
K' K' > p
p0 K' < p
K' = p
x* Abb. 4.21:
Menge x
Gewinnmaximierende Produktion eines einzelnen Unternehmens; Quelle: eigene Darstellung
Bei einer Produktionsmenge links von x* könnte das Unternehmen noch durch eine Produktionsausdehnung seinen Gewinn steigern, da der zusätzliche Erlös immer größer als die zusätzlichen Kosten ist. Bei einer Menge rechts von x* könnte das Unternehmen seinen Gewinn nur steigern, wenn es die Produktionsmenge reduziert. Dadurch käme es zu einer Kostensenkung, die größer als der Umsatzrückgang ist, so dass der Gewinn steigt. Ändert sich der auf dem Markt gültige Preis für das Unternehmen, so ändert sich c.p. (gegebener Verlauf der Grenzkostenkurve) auch die jeweils angebotene Menge im Gewinnmaximum. Ein steigender Preis führt zu einer steigenden gewinnmaximierenden Angebotsmenge des Unternehmens. Somit stellt die steigende Grenzkostenkurve die Angebotskurve für das Unternehmen für unterschiedliche Preise dar. Die Angebotsfunktion ist aber nur weitgehend identisch mit der steigenden Grenzkostenkurve, wenn langfristig mindestens ein Gewinn gemacht wird. Diese langfristige Preisuntergrenze stellt das Betriebsoptimum dar. Ein Gewinn wird dann erzielt, wenn die Erlöse höher als die Kosten sind. In der Stückbetrachtung bedeutet dies, dass die Stückerlöse höher als die Stückkosten sein müssen. Da die Stückerlöse unter den Annahmen der vollständigen Konkurrenz gleich dem Preis sind, muss also der Preis höher als die Stückkosten sein. Somit beginnt die langfristige Angebotskurve erst bei der Menge, bei der die Grenzkostenkurve die Stückkostenkurve schneidet. Die Produktionsmenge x1 des folgenden Schaubildes 4.22 stellt das Betriebsoptimum sowie die langfristige Preisuntergrenze dar. Diese Produktionsmenge liegt im Minimum der Stückkostenkurve. In diesem Betriebsoptimum schneidet ebenfalls die Grenzkostenkurve die Stückkostenkurve. Dies lässt sich wie folgt erklären: Bei einer geringere Menge als x1 sind die Grenzkosten niedriger als die Stückkosten, so dass bei einer höheren Produktion die Stückkosten noch fallen werden. Bei einer Menge rechts von dem Betriebsoptimum x1 wären aber die Grenzkosten höher als Stückkosten, so dass die Stückkosten mit zunehmender Produktion steigen.
118
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Stückkosten k Grenzkosten K‚ Fixe Stückk. k f var. Stückk. kvar ,
K'
k kvar
kf Menge x
x1 Abb. 4.22:
Betriebsoptimum bei einer neoklassischen Kostenfunktion; Quelle: eigene Darstellung
Im Folgenden wird eine lineare Kostenfunktion anstatt der neoklassischen Produktionsfunktion angenommen. Bei diesen anderen technischen Bedingungen der Produktion wird sich das Ergebnis des Gewinnmaximierungsverhaltens des Unternehmens ändern. Hierbei wird angenommen, dass neben den fixen Kosten (Kf) die variablen Stückkosten konstant sind, es sich somit um lineare Kosten- und Erlösfunktionen handelt. Weiterhin wird vorausgesetzt, dass die produzierte Menge vollständig abgesetzt wird. Der Gewinn (G) ist wiederum gleich dem Erlös (E) minus Kosten (K): G=E –K G = E – Kvar – Kf G = p · x– kvar · x – Kf G = x · (p – kvar) – Kf.
E
Erlös E Kosten K Gewinn G Verlust V
G
K
V Menge x Preis p Stückkosten k Stückgewinn g g
xS Abb. 4.23:
xK
p k Menge x
Gewinnmaximierung bei einer linearen Kostenfunktion; Quelle: eigene Darstellung
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
119
Im obigen Teil des Schaubildes 4.23 ist die Gesamtkosten- und -ertragssituation dargestellt, bei linearen Kosten- und Erlösfunktionen tritt zunächst bei geringer Produktionsmenge ein Verlust (V) auf, erst ab der Gewinnschwelle xS beginnt die Gewinnzone (grafisch kann der Gewinn (G) als senkrechter Abstand zwischen der Erlös- und Kostenfunktion gezeichnet werden). Der maximale Gewinn entsteht an der Kapazitätsgrenze xK. Das Unternehmen maximiert seinen Gewinn, wenn die technisch maximale Menge produziert wird. Im unteren Teil der Abbildung ist die Stückbetrachtung veranschaulicht, und der maximale Stückgewinn (g) ergibt sich als Differenz von Preis (p) minus Stückkosten (k) auch wiederum an der Kapazitätsgrenze. Die Angebotsfunktion (1) Angebot in Abhängigkeit vom Preis des Gutes Die individuelle Angebotsfunktion eines Unternehmens, die durch die neoklassische Kostenfunktion bestimmt wird, hat folgendes Aussehen (siehe Abbildung 4.24). Vereinfachend wird hier zusätzlich angenommen, dass die Grenzkosten konstant steigen.
Preis p
Angebotsfunktion
Menge x Abb. 4.24:
Normale Angebotskurve; Quelle: eigene Darstellung
Die Angebotskurve gibt an, welche Menge das Unternehmen bei einem gegebenen Preis anbietet (siehe dazu die vorangegangenen Ausführungen). Je höher der Preis ist, desto mehr wird auf dem Markt von den Unternehmen angeboten. Im Gegensatz zum „Normalfall“ kann es aber auf einem Markt auch zu anderem Angebotsverhalten kommen, wie es die zwei folgenden Beispiele veranschaulichen.
120
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Preis p Angebotsfunktion
Menge x Abb. 4.25:
Preisunabhängiges Angebot; Quelle: eigene Darstellung
Ein Anbieter kann wie im Chart 4.25 gezwungen sein, eine bestimmte Menge an Gütern unabhängig vom geltenden Preis anzubieten. Bei einem Obsthändler kann es beispielsweise vorkommen, dass er sein (nicht lagerfähiges) Obst aus Gründen der Haltbarkeit unbedingt verkaufen muss. Er wird jeden Preis akzeptieren, wenn er nur dafür sein Obst verkaufen kann. Einen zweiten Fall beschreibt in der Abbildung 4.26 die Situation steigender Skalenerträge („economies of scale“). Bei zunehmenden Skalenerträgen führt eine Verdoppelung aller Inputfaktoren zu mehr als einer Verdoppelung der Produktionsmenge. Die variablen Kosten steigen also unterproportional zur Produktionsmenge. Ein Unternehmen kann aufgrund der technischen Bedingungen der Produktion ein Produkt mit zunehmenden Output kostengünstiger produzieren; die Stückkosten sinken. Dieses versetzt einen Anbieter in die Lage, bei sinkenden Preisen die angebotene Menge zu erhöhen.
Preis p
Angebotsfunktion
Menge x Abb. 4.26:
Anormales Angebot; Quelle: eigene Darstellung
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
121
(2) Angebot in Abhängigkeit weiterer Faktoren Nachdem in diesem Kapitel zunächst die Bewegungen auf der Angebotskurve betrachtet wurden, muss hiervon die Verschiebung der Angebotskurve unterschieden werden. Welche Ursachen sind dafür verantwortlich, dass sich das Angebot c.p., d.h. bei konstantem Güterpreis, ausdehnt oder reduziert? Beispielhaft sei im folgenden Chart 4.27 eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve mit einem höheren Angebot betrachtet.
Preis p
Angebotsfunktionen
p0
A0
A1 Menge x
Abb. 4.27:
Verschiebung der Angebotskurve; Quelle: eigene Darstellung
Folgende Ursachen für eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve bei konstantem Güterpreis p 0 lassen sich festhalten: a) Verbesserung der Produktionstechnik (Technischer Fortschritt)
Rationalisierungsmaßnahmen oder Verbesserungen im Produktionsablauf ermöglichen ein kostengünstigeres Angebot bzw. bei gleichem Preis kann mehr angeboten werden. b) Preise der Produktionsfaktoren sinken
Die Lohnkosten, Kosten für Rohstoffe oder Zinsen sinken und so kann bei einem gegebenen Preis die Angebotsmenge gesteigert werden. c) Steuern werden gesenkt
Eine Gemeinde senkt die Gewerbesteuer und ermöglicht damit eine Senkung der Produktionskosten. d) neue Anbieter
Zusätzliche Unternehmen (Markterweiterung) bieten diese Güter an.
Eine Linksverschiebung der Angebotskurve erfolgt entsprechend umgekehrt. (3) Marktangebot Um später das Marktgleichgewicht bestimmen zu können, wird auch hier noch das Marktangebot benötigt. Diese Gesamtangebotsfunktion kann ähnlich wie bei der gesamtwirtschaftli-
122
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
chen Nachfragekurve dadurch konstruiert werden, dass grafisch die einzelnen Angebotsfunktionen zusammengefasst bzw. bei gegebenem Preis die individuellen Angebotsmengen addiert werden.
Angebotsfunktionen Preis p Preis p
Preis p
c
p2
p2 a
b
Menge x Unternehmen I
+
d
p2
p1
p1
Abb. 4.28:
c
d
a + b
p1 Menge x Unternehmen II
Menge x Unternehmen I + II
Marktangebotsfunktion; Quelle: eigene Darstellung
Das Marktangebot ergibt sich wie in Abbildung 4.28 dadurch, dass bei alternativen Preisen die Angebotsmengen der beiden Unternehmen addiert werden. Zum Preis p1 bietet das Unternehmen I die Menge a und das Unternehmen II die Menge b an. Das Gesamtangebot zum Preis p1 ist dann (a + b). Analoges gilt für den Preis p2 und alle anderen Preise. Die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve auf einem Markt beschreibt also das Angebotsverhalten der Unternehmen bei alternativen Preisen unter der Annahme des Gewinnmaximierungsverhaltens der Unternehmen, der Marktform der vollständigen Konkurrenz sowie einer neoklassischen Kostenfunktion (vereinfachend hier: linear dargestellt). Das Angebot auf dem Markt für Eigentumswohnungsmarkt in GE Zur Herstellung von Eigentumswohnungen werden die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden benötigt. Dabei kann nicht von einer bestimmten Produktionsfunktion ausgegangen werden, da der Bau einer Wohnung sich aus vielfältigen Produktionsprozessen zusammensetzt. Es kann sowohl linear-limitationale (siehe Baggereinsatz) als auch substitutionale Produktionsfunktionen (z.B. Einsatz von Arbeitskräften oder Maschinen) geben. Auch die verschiedenen Produktionsfunktionen mit unterschiedlichen Verläufen der Grenzertragskurve sind beim Bau von Eigentumswohnungen denkbar. Dies wirkt sich entsprechend auf die Kostenfunktionen und die Kostenverläufe aus, die auch alle bei der Herstellung von Eigentumswohnungen möglich sind. Beim Angebot ist zwischen dem Bestandsmarkt sowie den Vermietungs- und Investmentmärkten zu unterscheiden. Beim Bestandsmarkt werden alle Objekte des lokalen Marktes berücksichtigt. Bei den Vermietungs- und Investmentmärkten werden hingegen nur diejenigen Objekte berücksichtigt, die auch tatsächlich vermietet bzw. verkauft werden sollen oder
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
123
können. Daher ist bei der Bestimmung des Angebots auf den Vermietungs- und Investmentmärkten zu beachten, dass nicht alle bestehenden Immobilienwohnungen das Angebot darstellen. Es wird nur ein Bruchteil des Bestandes jährlich verkauft oder vermietet. Dies liegt sowohl an den hohen Kosten einer Immobilie als auch den hohen Transaktionskosten, die mit einem Kauf oder Umzug verbunden sind. Bei dem Bestand an Eigentumswohnungen kann davon ausgegangen werden, dass dieser kurzfristig preisunelastisch ist. Wenn erst einmal eine Immobilie gebaut ist, wird sie normalerweise „ein langes Leben“ unabhängig von kurzfristigen Veränderungen auf den Immobilienmärkten bestehen. Das schützt das Angebot vor einem Rückgang. Ein Anbieter einer ETW wird diese nicht sofort wieder abreißen, nur weil die Nachfrage kurzfristig zurückgeht und daher zeitweilig nicht verkauft werden kann. Langfristig ergeben sich auf den Bestandsmärkten Veränderungen des Angebots bzw. des gesamten Immobilienbestands durch Fertigstellungen oder Abgänge bzw. Abriss oder Konversion zu anderen Objektarten oder durch staatliche Aktivitäten. Das Ausmaß an neu fertiggestellten Wohnungen wird bestimmt durch die Kosten der Inputs (Produktionsfaktoren) wie Grundstückspreise oder Lohn für die Arbeit oder Zinsen. Wenn die Kosten steigen, werden c.p. die Fertigstellungen reduziert. Weiterhin haben der Preis der ETW und die Produktionstechnologien Einfluss auf die Höhe der Fertigstellungen. Steigen die Preise für ETW aufgrund z.B. einer stärkeren Nachfrage, dann werden, wenn auch mit einer Zeitverzögerung, mehr neue Wohnungsprojekte gestartet. Eine verbesserte Produktionstechnologie führt zu sinkenden Baukosten, was wiederum zu mehr Fertigstellungen führt. Auch auf dem Wohn-Investmentmarkt ist beim Angebot an Eigentumswohnungen zwischen der kurzen und der langen Frist zu unterscheiden. Kurzfristig kann von einem preisunelastischen Angebot ausgegangen werden. Die Anbieter, die eine ETW verkaufen wollen, werden diese auch anbieten (wenn auch eventuell nur in einer bestimmten Preisspanne). Die Möglichkeit das Angebot kurzfristig auszuweiten, ist nur schwerlich möglich. Zum einen dauert es aufgrund der langen Planungs- und Bauzeiten bis neue Eigentumswohnungen fertiggestellt sind. Zum anderen werden Anbieter einer Mietwohnung bei kleineren Preissteigerungen für ETW ihre Wohnungen nicht sofort zum Verkauf anbieten. Bei stärkeren Preisanstiegen könnte dies durchaus möglich sein. Weiterhin besteht die Möglichkeit der Konversion. Eine Immobilie einer anderen Nutzungsart (z.B. Büros) in eine Eigentumswohnung umzuwandeln ist zwar potenziell machbar, ist aber mit deutlichen Schwierigkeiten verbunden. So erfordert die Umwidmung in eine andere Nutzungsart einen erheblichen Kostenaufwand, wenn dieses überhaupt technisch möglich ist. Auf jeden Fall ist viel Zeit erforderlich, um dieses durchzuführen. Daher kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass das Angebot kurzfristig konstant bzw. preisunelastisch ist. Von daher sind Veränderungen bei Immobilienpreisen kurzfristig das Resultat von Veränderungen der Nachfrage und eher nicht des Angebots. Eine Alternative für die kurzfristige Angebotsfunktion könnte auch eine „geknickte“ Angebotsfunktion sein, die im unteren Teil vollkommen unelastisch ist und erst ab einem bestimmten Preis elastisch. Die ökonomische Erklärung könnte sein, dass ab einem hohen Preis auch vermehrt Wohnungen aus dem Bestand angeboten werden. Bisherige Eigentümer, die dies eigentlich nicht vorhatten, werden dann bereit sein, diese zu verkaufen. Langfristig ist hingegen davon auszugehen, dass es zu Verschiebungen der preisunelastischen Angebotsfunktion kommen kann. Steigt der Preis, werden neue Wohnungen fertigges-
124
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
tellt, die aber aufgrund der Planungs- und Bauphase erst mit einer Zeitverzögerung angeboten werden können. Durch die neu fertiggestellten Wohnungen entsteht ein höheres Angebot an ETW. Steigen die Preise für ETW deutlicher, könnten die Eigentümer von Mietwohnungen auch bereit sein, diese zu verkaufen. Zusätzlich wäre auch eine Konversion interessant für die Eigentümer anderer Objektarten. Die Ursachen für die Veränderungen können bei jeder Objektart und jedem lokalen Markt unterschiedlich sein. Die Ursachen für Veränderungen des Angebots für Wohnimmobilien sind oftmals verschieden zu denen bei gewerblich oder landwirtschaftlichen Immobilienmärkten.
4.2.4
Preisbildung: Marktgleichgewicht und Marktungleichgewichte
Marktgleichgewicht Das Marktgleichgewicht ergibt sich durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf dem Markt. Mit der Erklärung von Angebot und Nachfrage sind die beiden Elemente der Preisbildung auf einem Markt bereits dargestellt. Der Preis (Marktpreis) bestimmt sich durch die Angebots- und Nachfragefunktion, wie dies in dem folgendem Schaubild 4.29 dargestellt wird.
Preis p Angebotsfunktion
P*
Nachfragefunktion x* Abb. 4.29:
Menge x
Marktgleichgewicht; Quelle: eigene Darstellung
Der Schnittpunkt beider Kurven gibt den Preis an, der den Markt räumt, d.h. die angebotene Menge stimmt mit der nachgefragten Menge überein. Der Preis p* wird Gleichgewichtspreis genannt. Die zugeordnete Menge x* stellt die Gleichgewichtsmenge dar. Auf einem Markt herrscht Gleichgewicht, wenn c.p. die ökonomischen Größen, also Preis und Menge, keine Tendenz zur Änderung zeigen.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
125
Gleichzeitig ist es auch möglich den Umsatz auf diesem Markt zu bestimmen. Der Erlös bzw. Umsatz (E) ergibt sich aus der Multiplikation von Preis und Menge im Marktgleichgewicht: E = p* · x*. Der Preis besitzt in der Ökonomie eine außerordentliche Bedeutung. Der Preismechanismus räumt den Gütermarkt und sorgt damit für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Er bewirkt, dass die geplanten angebotenen und nachgefragten Mengen übereinstimmen. Er sorgt für eine Markträumung (Markträumungsfunktion), so dass im Gleichgewicht keine Tendenz zur Änderung besteht. Der Preis hat die Aufgabe, die Käufer über den Wert des jeweiligen Gutes oder der Dienstleistung zu informieren und verdeutlicht gleichzeitig dessen Knappheit. Der Preis signalisiert auf der einen Seite die Zahlungsbereitschaft gemäß der Nutzenvorstellung der Nachfrager (Haushalte) und zeigt auf der anderen Seite die Bewertung von der Produktionsseite (Kostenseite) an. Der Preismechanismus koordiniert die Einzelpläne, d.h. er sorgt für eine Abstimmung der Haushalts- und Produktionspläne. Auf einem Markt mit vollkommener Konkurrenz ist das Marktgleichgewicht effizient, d.h. es gibt keine Verschwendung und es ist auch keine Verbesserung durch Tausch mehr möglich.
Preis p Angebotsüberschuss
Angebotsfunktion
P1 P* P2 Nachfrageüberschuss
x* Abb. 4.30:
Nachfragefunktion Menge x
Marktungleichgewicht; Quelle: eigene Darstellung
Vom Gleichgewicht zum Ungleichgewicht auf einem Markt ist es nicht mehr weit, was in der Abbildung 4.30 veranschaulicht wird. Bei einem Preis oberhalb des Gleichgewichtspreises p* (z.B. p1) entsteht ein Angebotsüberschuss. Das Angebot ist also hier größer als die Nachfrage. Diese Situation wird auch Käufermarkt genannt, weil die Käufer eine stärkere Position haben. Infolge des Angebotsüberschusses werden c.p. die Preise sinken, bis sich letztlich wieder ein Gleichgewicht auf dem Markt einstellt. Ein Preis unterhalb des Gleichgewichtspreises p* (z.B. p2) verursacht auf dem Markt einen Nachfrageüberschuss. Hier ist die Nachfrage größer als das Angebot; eine Situation, die auch Verkäufermarkt genannt wird. Ein Nachfrageüberschuss bewirkt einen Anstieg des Preises, bis das Gleichgewicht wieder erreicht wird.
126
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Exkurs: Wertparadox (Preis – Wert – Dilemma) Was ist der Wert einer Ware? Mit dieser Frage, die auch bei der Bewertung von Immobilien relevant ist, haben sich Ökonomen schon seit Jahrhunderten beschäftigt und versucht den objektiven Wert eines Gutes zu bestimmen. Bereits Adam Smith hatte auf den Unterschied zwischen Gebrauchswert und Preis eines Gutes hingewiesen: Wasser hat einen hohen Gebrauchswert, aber einen niedrigen Preis, bei Diamanten ist es umgekehrt. Der Tauschwert dieser Güter (Preis) verhält sich umgekehrt. Karl Marx versuchte mit Hilfe der Arbeitswerttheorie den Wert eines Gutes mit der für dieses Gut notwendigen Arbeitsmenge zu erklären. Die Ökonomie ist zu dem Schluss gekommen, dass der Wert von den Vorstellungen eines Individuums in einer bestimmten Situation sowie den Angebotsbedingungen abhängig ist. Die Mikroökonomie erklärt den Wert eines Gutes einerseits aus der subjektiven Einschätzung der Nachfrager bezüglich des Gutes. Der Wert (ausgedrückt als Preis) eines Gutes erklärt sich aus dem Grenznutzen: dem Nutzen der letzten Einheit eines Gutes für das Individuum. Demnach ist der Preis eines Gutes der Ausdruck für den Wert eines Gutes aus der Sicht eines Individuums. Diese werden am Markt offenbart, in dem das Individuum angibt, welchen Preis es bereit ist, für ein Gut zu bezahlen. Andererseits sind auch die Produktionskosten des Angebots ein wichtiger Einflussfaktor. Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage entsteht der Preis eines Gutes. Für die Immobilienwirtschaft bedeutet dies, dass eine Immobilie das wert ist, was ein Käufer dafür zu zahlen bereit ist und nicht das, was in dem Gutachten eines Bewerters steht.
Marktgleichgewicht bei Verschiebung von Angebots- oder Nachfragefunktionen Angebots- und Nachfrageveränderungen führen zu Veränderungen beim Gleichgewicht. Diese zeigen sich durch Verschiebungen in dem Preis-Mengen-Diagramm. Ausgegangen wird von einer „exogenen Störung“ auf der Angebots- oder Nachfrageseite, durch die es zu einem Übergang vom Ausgangsgleichgewicht in einem Anpassungsprozess zu einem neuen Gleichgewicht kommt. Kommt es c.p. zu einer Angebotsänderung (hier: erhöhtes Angebot, siehe Abbildung 4.31) führt dies dazu, dass bei jedem Preis des Gutes eine höhere Menge als zuvor angeboten wird. Die Angebotskurve verschiebt sich also nach rechts von A1 auf A2. Beim alten Gleichgewichtspreis läge nun ein Angebotsüberhang vor. Infolge dessen sinkt der Gleichgewichtspreis von p1* auf p *2 , während sich die gleichgewichtige Absatzmenge on x 1* auf x *2 erhöht. Bei einer unveränderten Nachfragekurve bewirkt eine Angebotserhöhung (Rechtsverschiebung der Angebotskurve von A1 nach A2) einen Preisrückgang und umgekehrt dagegen eine Angebotsverringerung (Linksverschiebung der Angebotskurve) eine Preiserhöhung.
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
127
Preis p A1 Angebotsfunktionen A2
P* 1
P* 2
Nachfragefunktion Menge x
x* 1 x* 2 Abb. 4.31:
Verschiebung des Gleichgewichts bei einer Angebotserhöhung; Quelle: eigene Darstellung
Kommt es c.p. zu einer Nachfrageänderung (hier: erhöhte Nachfrage, siehe Abbildung 4.32) führt dies dazu, dass bei jedem Preis des Gutes eine höhere Menge als zuvor nachgefragt wird. Die Nachfragekurve verschiebt sich also nach rechts von N1 auf N2. Beim alten Gleichgewicht läge nun ein Nachfrageüberschuss vor. Infolge dessen steigt der Gleichgewichtspreis von p1* auf p *2 und auch die gleichgewichtige Menge steigt von x 1* auf x *2 .
Preis p Angebotsfunktion
P* 2 P* 1
Nachfragefunktionen N2 N1 x* x* 1 2 Abb. 4.32:
Menge x
Verschiebung des Gleichgewichts bei einer Nachfrageerhöhung; Quelle: eigene Darstellung
Bei einer unveränderten Angebotskurve bewirkt eine Nachfrageerhöhung (Rechtsverschiebung der Nachfragekurve) einen Preisanstieg und umgekehrt dagegen eine Nachfrageverringerung (Linksverschiebung der Nachfragekurve) eine Preissenkung. Die Menge reagiert entsprechend.
128
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Angebot und Nachfrage Verändert sich der Preis eines Gutes, erfolgt eine Bewegung auf der vorhandenen Angebots- oder Nachfragekurve. Verändern sich die anderen Einflussfaktoren von Angebot oder Nachfrage, führt dies c.p. zu Verschiebungen der Angebots- oder Nachfragekurve und damit zu einem neuen Marktgleichgewicht.
Marktgleichgewicht und Marktungleichgewichte auf dem Markt für Eigentumswohnungsmarkt in GE Auf dem Markt für Eigentumswohnungen bildet sich das Marktgleichgewicht in dem Schnittpunkt der Angebots- und Nachfragefunktion. In dem Gleichgewicht ergibt sich ein markträumender Gleichgewichtspreis und -menge. Ein Anstieg der Nachfrage nach Eigentumswohnungsmarkt in GE wird im Allgemeinen die folgenden Konsequenzen haben. Relativ schnell werden die Preise in diesem Marktsegment ansteigen, da mehr Nachfrage auf ein bestehendes, starres Angebot trifft. Wenn die Nachfrage steigt und die Nachfragekurve sich nach rechts verschiebt, dann werden die Preise steigen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Käufer versuchen werden, sich gegenseitig bei einem starren Angebot zu überbieten. Selbst bei einem höheren Nachfrageanstieg bleibt es grundsätzlich kurzfristig bei einem preisunelastischen Angebot. Um das Angebot auszudehnen, benötigen Projektentwickler Zeit, um Land zu beschaffen sowie um Genehmigungen und die Finanzierung zu erhalten. Von daher kann kurzfristig von einer abwärts gerichteten Immobiliennachfragekurve und einer kurzfristig starren Angebotskurve ausgegangen werden, die sich im Schnittpunkt im Gleichgewicht befinden (siehe Abbildung 4.33).
Preis p
Angebotsfunktion
p*2 p1*
N2 N1 x* Abb. 4.33:
Nachfragefunktionen Menge ETW
Eigentumswohnungsmarkt mit einem kurzfristig preisunelastischen Angebot; Quelle: eigene Darstellung
4.2 Preisbildung auf vollkommenen Märkten
129
Das Angebot an Eigentumswohnungen ist temporär konstant und kann nicht problemlos entsprechend den kurzfristigen Nachfrageanforderungen gesteigert (oder verringert) werden. Ein Nachfrageanstieg führt also kurzfristig zu einem Anstieg der Preise, die Angebotskurve verändert sich kurzfristig nicht. Bei einem starren kurzfristigen Angebot wird eine Veränderung bei den Preisen vor allem von Veränderungen der Nachfrage nach den ETW ausgehen. Die Menge wird sich kurzfristig nicht verändern. Langfristig wird der Preis so stark angestiegen sein, dass es für die Investoren und Projektentwickler interessant wird, neue Projekte für Eigentumswohnungen zu entwickeln. Wenn die Finanzierung und die Genehmigungen vorliegen und neue Wohnungen gebaut sind, steigt das Angebot an Immobilien an. Die neu fertiggestellten Immobilien kommen auf den Markt, so dass das Angebot an Eigentumswohnungen insgesamt ansteigt. Wenn dies geschieht, kommt es zu einer Rechtsverschiebung der senkrechten Angebotskurve. Dadurch entsteht ein neues Gleichgewicht für Preise und Mengen (siehe Abbildung 4.34).
Preis p
Angebotsfunktionen A1
A2
p*2 p1*
N2 N1
x 1* Abb. 4.34:
x *2
Nachfragefunktionen Menge ETW
Langfristige Wirkungen auf dem Eigentumswohnungsmarkt in der Stadt GE; Quelle: eigene Darstellung
Langfristig kommt es aufgrund des Anstiegs der Nachfrage (N2) zu einem Anstieg des preisunelastischen Angebots, der sich in einer Verschiebung der Angebotsfunktion nach rechts (A2) zeigt. Langfristig kann mit der Fertigstellung neuer Wohnungen auf eine steigende Nachfrage reagiert werden. Falls die Nachfrage nach Wohnungen steigt und die Anbieter genügend Zeit haben zu reagieren, können die Nachfrager dann auch auf die zusätzlichen Neubauwohnungen ausweichen. In der obigen Abbildung 4.34 reicht die Angebotsausdehnung noch nicht aus, um den alten Gleichgewichtspreis wieder zu erreichen. Der neue Gleichgewichtspreis p *2 liegt oberhalb des alten Preises, wobei aber gleichzeitig die Gleichgewichtsmenge auf die Menge x *2 ansteigt. Wäre der Anstieg der Fertigstellungen aber stärker als der Nachfrageanstieg, können die Leerstände anwachsen. Dadurch würde aber erneut der Druck auf die Preise steigen.
130
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Eine sinkende Nachfrage nach Eigentumswohnungsmarkt in GE wird im Allgemeinen die folgenden Konsequenzen haben. So ist zunächst aufgrund der sinkenden Nachfrage mit einem Anstieg der Leerstände zu rechnen. Nicht immer kommt es zu einem sofortigen Preisrückgang, sondern oftmals werden zunächst Incentives (Anreize) oder Konditionszugeständnisse oder günstige Finanzierungsbedingungen für die Käufer eingeräumt. In einem zweiten Schritt werden die Preise fallen. Die Eigentümer werden versuchen, die Leerstände durch sinkende Preise zu vermeiden. Aber dieser kurzfristige Rückgang kann nicht sofort das gesamte Immobilienangebot verringern.
4.3
Preisbildung auf unvollkommenen Märkten
In diesem Kapitel wird die Annahme des vollkommenen Marktes aufgegeben und damit Marktunvollkommenheiten zugelassen. Dadurch verändert sich auch der Preisbildungsprozess. Zunächst wird im Kapitel 4.3.1 die Annahme der Marktform der vollständigen Konkurrenz (Polypol) aufgegeben. Der Preisbildungsprozess beim Monopol oder Oligopol gestaltet sich anders. Weiterhin greift der Staat aus unterschiedlichen Gründen korrigierend in das Marktgeschehen ein: dies kann sowohl direkt beim Preis (Kapitel 4.3.2) als auch mit dem Ziel, das Marktoptimum wieder herzustellen (Kapitel 4.3.3) geschehen.
4.3.1
Preisbildung bei unvollkommenen Marktformen
Eine Unvollkommenheit des Marktes, die ein Eingreifen des Staates erfordert, ist die Marktmacht sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Stehen den Haushalten nur einige oder im Extremfall sogar nur ein Unternehmen gegenüber, können die Haushalte ausgebeutet werden. Das ist gerade dann der Fall, wenn es um Güter geht, die nicht leicht substituiert werden können. In diesen und anderen Fällen kann der Staat durch Eingriffe das Marktergebnis verbessern. Allerdings bedingt eine Marktunvollkommenheit nicht zwangsläufig einen staatlichen Eingriff. Preissetzung im Monopol Im Gegensatz zur vollständigen Konkurrenz sind beim Monopol (Angebotsmonopol) definitionsgemäß nur ein Anbieter und viele Nachfrager auf dem Markt tätig. Da der Monopolist der einzige Anbieter ist, stellt seine Angebotskurve zugleich die Gesamtangebotskurve auf dem Markt dar. Monopole können aufgrund des Alleinbesitzes bestimmter Naturvorräte (z.B. Bodenschätze), besonderer persönlicher Begabungen (z.B. Maler auf dem Kunstmarkt), besonderer technischer Bedingungen (z.B. Abwasserkanal) sowie spezieller Produktionsbedingungen (z.B. steigende Skalenerträge) entstehen. Diese Monopole werden natürliche Monopole genannt. Davon zu unterscheiden sind die gesetzlichen Monopole, wie z.B. der rechtliche Schutz des Patent- und Urheberrechts und staatliche Monopole, wie etwa das frühere Monopol für die Briefbeförderung. In der vollständigen Konkurrenz muss sich das Unternehmen mit seiner Absatzmenge dem Preis am Markt anpassen (Mengenanpasser). Im Monopolfall kann der Monopolist den Preis selbst bestimmen. Er richtet sich dabei nach der Nachfragekurve (Absatzfunktion) der Kon-
4.3 Preisbildung auf unvollkommenen Märkten
131
sumenten und stellt damit das Verhalten dieser in Rechnung und berücksichtigt, dass i.d.R. umso weniger abgesetzt werden kann, je höher der Preis ist. Der gewinnmaximierende Monopolist wird diejenige Preis-Mengen-Kombination wählen, die ihm bei entsprechenden Kosten und Erlösen den höchsten Gewinn erzielen lässt. Der Monopolist steht also einer fallenden Nachfragekurve für sein Produkt gegenüber, die auch als Preis-Absatz-Funktion (in der folgenden Abbildung: P-A-F) bezeichnet wird. Setzt der Monopolist seinen Preis fest, so wird durch das Verhalten der Nachfrager (Nachfragefunktion) die absetzbare Menge bestimmt. Gleichzeitig wird auch angenommen, dass der Monopolist seinen Gesamtgewinn maximieren will, so dass, wie für jedes andere Unternehmen auch, für den Monopolisten die folgende Bedingung gilt: Grenzkosten = Grenzerlös. Im Gegensatz zur vollständigen Konkurrenz gilt im Monopol nicht, dass der Grenzerlös dem Preis entspricht. Da der Monopolist seinen Absatz nur steigern kann, wenn er den Preis senkt, ist der Grenzerlös kleiner als der Preis. Für die zusätzlich abgesetzte Einheit erhält er nur den geringeren Preis, gleichzeitig müssen die bisher abgesetzten Mengen ebenfalls zu dem niedrigeren Preis verkauft werden. Die Grenzerlöskurve verläuft im Schaubild 4.35 in seinem ganzen Bereich daher unterhalb der Nachfragekurve. Außerdem kann der Grenzerlös auch negative Werte annehmen, wenn die aufsummierten Preiseinbußen bei den bisherigen Absatzmengen den Preis der letzten Absatzeinheit übersteigen. Der Punkt, in dem sich die Grenzerlöskurve und die Grenzkostenkurve schneiden und damit die Grenzkosten gleich dem Grenzerlös sind, ist die gewinnmaximierende Menge xM. Der dieser Menge entsprechende Preis ist auf der Nachfragekurve durch pM gegeben. Dieser Punkt auf der Nachfragekurve wird auch als Cournotscher Punkt bezeichnet.
Preis p Nachfragekurve: P-A-F pM
Cournotscher Punkt Grenzkostenkurve
pK
Grenzerlöskurve xM Abb. 4.35:
xK
Menge x
Monopol; Quelle: eigene Darstellung
Würde sich der Monopolist hingegen wie ein Anbieter unter vollständiger Konkurrenz verhalten, so würde die „Preis = Grenzkosten“-Regel gelten und die Menge xK zum Preis pK anbieten. Der Monopolist produziert weniger und verlangt einen höheren Preis als der Anbie-
132
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
ter unter vollständiger Konkurrenz. Monopole sind in einer Marktwirtschaft weiterhin unerwünscht, weil die Kontrolle der wirtschaftlichen Macht durch die Konkurrenten wegfällt, und es fehlt der ständige Druck, die Produktivität zu erhöhen oder Produktionskosten zu senken oder neue Produkte anzubieten. Preissetzung im Oligopol Die Marktform des Oligopols mit wenigen Anbietern oder Nachfragern kommt in der modernen wirtschaftlichen Wirklichkeit am häufigsten vor und stellt eine weitere Marktunvollkommenheit dar. Der Markt ist überschaubar und die Einflussnahme des einzelnen Marktteilnehmers auf den Preis und die Mengen ist in gewissen Rahmen möglich. Trotzdem ist eine befriedigende und umfassende theoretische Erklärung des Oligopols noch nicht gelungen. Dies liegt vor allem daran, dass im Oligopol die Preisbildung nur sehr schwierig allgemeingültig erklärt werden kann. Beispiele für diese Marktform sind in großer Zahl zu finden: der Markt für bestimmte Pkw, Mineralöl und Zigaretten. Während der Monopolist bei seiner Preissetzung nur die Nachfragereaktion (= Preiselastizität der Nachfrage) zu berücksichtigen hat, muss der Oligopolist sowohl die Marktseite der Nachfrager als auch seine Konkurrenz beobachten. Generell kann davon ausgegangen werden, dass der Oligopolist Preise fordern kann, die im Wesentlichen durch die Preise der Konkurrenten bestimmt werden. Folgende Verhaltensweisen des Oligopolisten haben sich aus der Beobachtung der Realität im Kern herauskristallisiert. (1) Verdrängungspolitik Ein starker Anbieter versucht, die anderen Anbieter vom Markt zu verdrängen. Er versucht, die eigene Kapazität auszubauen und den Preis zu senken, um so den oder die Konkurrenten aus dem Markt zu werfen. Ist die Konkurrenz verschwunden, so hat er ein Monopol geschaffen und kann den Preis wieder heraufsetzen. (2) Preisführerschaft Bei der Preisführerschaft setzt ein Oligopolist den Preis, die anderen bleiben in seinem sog. Preisschatten. Der Preisführer ist so stark, dass die anderen Anbieter keine andere Möglichkeit haben, als seinem Preisverhalten zu folgen. Durchkreuzt ein Oligopolist die Preispolitik des Marktbeherrschers, so muss er mit Gegenmaßnahmen des Preisführers rechnen, die seinen Gewinn beeinträchtigen oder ihn sogar vom Markt verdrängen können. Aus diesem Grunde werden die anderen Oligopolisten dem Marktbeherrscher folgen. Insgesamt ist durch einen oligopolistischen Anbieter zwar das Marktgeschehen durch preisund absatzpolitische Maßnahmen bedingt zu beeinflussen, aber er muss damit rechnen, dass die anderen Anbieter auf seine Maßnahmen reagieren und Gegenmaßnahmen ergreifen. Typisch für ein Oligopol ist daher, dass sich auf diesen Märkten das Verhalten der Anbieter nicht so sehr auf der Ebene der Preise abspielt, sondern mehr bezüglich Qualität, Image, Service oder Ausstattung.
4.3.2
Politische Preisbildung
Oftmals sieht sich die staatliche Wirtschaftspolitik dazu veranlasst, im Rahmen der Prozesspolitik in die Preisbildung, vor allem aus sozialen Gründen, einzugreifen. Ziel ist es dabei, entweder die Angebots- oder die Nachfrageseite besser zu stellen. Indirekt kann der Staat
4.3 Preisbildung auf unvollkommenen Märkten
133
eingreifen, in dem er die Preise subventioniert und damit das Anbieter- und Nachfragerverhalten beeinflusst. Durch Transferzahlungen wie Wohngeld gewährt der Staat Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte, damit sie in der Lage sind, am Markt angebotene Mietwohnungen bezahlen zu können. Dies führt im Preis-Mengen-Diagramm zu einer Rechtsverschiebung der Nachfragekurve (siehe vorangegangenes Kapitel). Daneben kann der Staat durch steuerrechtliche Maßnahmen z.B. kleine oder mittlere Unternehmen fördern. Der Staat kann auch durch ein eigenes Angebot oder durch eigene Nachfrage in vielfältiger Weise in die Preisbildung eingreifen. Direkte Eingriffe des Staates erfolgen i.d.R. über Höchst- und Mindestpreise.
Preis p Angebotsfunktion
P* Höchstpreis
PH
Nachfragefunktion x1 Abb. 4.36:
x*
x2
Menge x
Höchstpreis; Quelle: eigene Darstellung
Der Höchstpreis (pH) in der obigen Darstellung 4.36 wird i.d.R. festgelegt, um einen zu hohen Gleichgewichtspreis, z.B. für lebensnotwendige Güter wie Medikamente, zu verhindern. Höchstpreise sollen die Verbraucher vor übermäßig hohen Preisen schützen und werden vom Staat festgesetzt. Der Höchstpreis liegt unterhalb des Gleichgewichtspreises p* und verursacht auf dem Markt einen Nachfrageüberhang (x2 – x1). Aus diesem Grund ist der Staat gezwungen, in geeigneter Weise im zweiten Schritt entweder die Nachfrage durch z.B. Bezugsscheine einzuschränken oder das Angebot durch Eigenproduktion oder Subventionierung auszuweiten. Neben der Höchstpreisfestsetzung muss der Staat auch eine entsprechende Mengenregulierung vornehmen. Eine Alternative wären Schwarzmärkte. Im Gegensatz zum Höchstpreis wird der Mindestpreis gesetzt, um einer Branche (z.B. Stahl, Werften oder Landwirtschaft) ein bestimmtes Preisniveau bzw. Einkommen zu garantieren. Der Mindestpreis (pM) liegt über dem Gleichgewichtspreis p*, wie in der folgenden Abbildung 4.37 zu sehen ist.
134
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Preis p Angebotsfunktion Mindestpreis
PM P*
Nachfragefunktion x1 Abb. 4.37:
x*
x2
Menge x
Mindestpreis; Quelle: eigene Darstellung
Durch die Einführung eines Mindestpreises entsteht auf dem Markt ein Angebotsüberschuss (x2 – x1), bei dem die angebotene Menge (x2) größer als die nachgefragte Menge (x1) ist. Es gibt hier kein Zuteilungsproblem wie beim Höchstpreis, sondern es muss ein Mechanismus gefunden werden, wie die überschüssige Menge aus dem Markt genommen wird. Üblicherweise reagiert darauf die staatliche Wirtschaftspolitik mit einer Intervention. Sie muss entweder das Angebot z.B. durch Anbauverbote in der Landwirtschaft verringern oder die Nachfrage entsprechend ausweiten. Hier wird oftmals der staatliche Aufkauf bestimmter Produkte vorgenommen. Nach bisherigen Erfahrungen haben Mindestpreise häufig zu einer starken Überproduktion in den entsprechenden Branchen geführt. Bei einer Mindestpreisfestsetzung muss daher der Staat auch eine entsprechende Mengenregulierung vornehmen.
4.3.3
Externe Effekte und Öffentliche Güter
Weitere Marktunvollkommenheiten sind zum einen externe Effekte, d.h., der Nutzen oder die Kosten Dritter unterliegen Einflüssen, die nicht über den Preismechanismus abgebildet werden und zum anderen sind dies Öffentliche Güter. Externe Effekte sind unkompensierte Auswirkungen ökonomischen Handelns auf den Nutzen oder die Kosten unbeteiligter Dritter. Entscheidend ist dabei, dass die Auswirkungen der Produktion oder des Konsums auf Dritte nicht über das Preissystem erfasst werden. Die externen Effekte können dabei sowohl positiv als auch negativ sein, d.h. den Nutzen Dritter erhöhen oder vermindern.
4.3 Preisbildung auf unvollkommenen Märkten
Preis p
135
aggregierte soziale Grenzkosten Externe Effekte
P*
aggregierte private Grenzkosten
P0
N x* Abb. 4.38:
x0
Menge x
Externe Effekte; Quelle: eigene Darstellung
In dem Schaubild 4.38 liegen die sozialen bzw. volkswirtschaftlichen Grenzkosten der Produktion des Gutes höher als die aggregierten privaten Grenzkosten. Die Unternehmen richten ihre Angebotsentscheidung allein an ihren privaten Grenzkosten aus, so dass sich im Gleichgewicht die Menge x0 und der Preis p0 ergeben. Es entsteht somit ein negativer externer Effekt, der sich als Differenz zwischen den aggregierten sozialen Grenzkosten und dem Marktpreis ergibt. Gesamtwirtschaftlich ist dies deshalb von Nachteil, weil zum Preis von p0 Konsumenten das Gut konsumieren, die ihm einen Wert beimessen, der viel geringer als seine (sozialen) Kosten ist. Der Staat wäre gefordert, z.B. durch eine Steuer die externen Effekte den Verursachern anzulasten oder durch Auflagen etc. die Menge auf x* zu begrenzen. Die ökonomische Theorie bezeichnet Güter ohne Preise als „Öffentliche Güter“ und auch diese beruhen Marktunvollkommenheiten. Sie sind durch zwei zentrale Merkmale gekennzeichnet:
Die Nicht-Ausschließbarkeit von Nachfragern (Ausschlussprinzip), die keine Zahlungsbereitschaft zeigen, und die Nicht-Rivalität im Konsum (Rivalitätsprinzip).
Bei privaten Gütern hingegen existiert die Rivalität im Konsum und das Ausschlussprinzip kann angewendet werden. Bei den meisten Gütern funktioniert das Ausschlussprinzip, so dass nicht-zahlende Nachfrager daran gehindert werden können, ein Gut zu konsumieren. Bei manchen Gütern ist ein solcher Ausschluss grundsätzlich nicht oder aber nur mit relativ hohen Ausschlusskosten möglich. Eine intakte Umwelt, die Landesverteidigung oder die innere Sicherheit sind Güter, bei denen es kaum möglich ist, nicht-zahlende Nutzer auszuschließen. Das Straßennetz und insbesondere die Autobahnen galten lange Zeit als Musterbeispiel für öffentliche Güter, bei denen der Ausschluss zwar möglich ist, aufgrund hoher Ausschlusskosten aber nicht praktiziert wird. Die Einführung der Autobahn-Maut in Deutschland zeigt, dass sich die Vorstellungen über tolerierbare Ausschlusskosten im Zeitablauf durchaus wan-
136
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
deln können. Entscheidend dafür, dass ein Gut keinen Preis hat, ist also die Tatsache, dass kein Ausschluss praktiziert wird – unabhängig davon, ob dies technisch möglich ist oder nicht. In der Literatur wird die Nicht-Rivalität bei der Nutzung von Gütern als ein weiteres konstituierendes Merkmal eines öffentlichen Gutes angesehen. Darunter wird verstanden, dass ein Gut von zusätzlichen Konsumenten genutzt werden kann, ohne dass damit weitere Kosten anfallen. Das Beispiel hierfür ist eine Rundfunk- oder Fernsehsendung, für deren Produktionskosten es völlig irrelevant ist, wie viele Menschen eine solche Sendung konsumieren. Auch bei vielen anderen Gütern ist es zumindest bereichsweise möglich, die Zahl der Konsumenten zu erhöhen, ohne damit zusätzliche Kosten hervorzurufen. In ein Fußballstadion oder eine Konzerthalle passen häufig mehr Zuschauer als die tatsächlich Anwesenden. Das Straßennetz könnte, zumindest an bestimmten Tageszeiten und in bestimmten Gebieten, von zusätzlichen Autofahrern benutzt werden, ohne dass die Kosten der Bereitstellung steigen würden. Die Grenzkosten sind gleich Null. Diese Beispiele zeigen jedoch, dass die NichtRivalität in der Nutzung von Gütern für sich genommen kein allzu großes Problem in einer Marktwirtschaft darstellt. Es wäre grundsätzlich jederzeit möglich, nicht-zahlungsbereite Nutzer am Konsum dieser Güter zu hindern.
4.4
Der „unvollkommene“ Immobilienmarkt
In einer Marktwirtschaft führt der Preismechanismus zu einer effizienten Allokation der Ressourcen (Kapital, Arbeit oder Güter) unter den verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten. Durch die Interaktion von Angebot und Nachfrage wird der Gleichgewichtspreis bestimmt. Homogene Güter, vollständige Konkurrenz, vollständige Informationen sowie sofortiges Gleichgewicht kennzeichnen den vollkommenen Markt. Sind alle diese Bedingungen erfüllt, findet der Markt eine effiziente Lösung. Am ehesten gleichen noch Börsen dem Ideal des vollkommenen Marktes. Es ist offensichtlich, dass es in der Realität keinen Markt gibt, der alle diese Bedingungen gleichzeitig erfüllt. Immobilienmärkte weichen mehr als andere Gütermärkte vom Idealbild eines vollkommenen Marktes ab. Der Immobilienmarkt entspricht nicht einem idealen Markt, der über den Preis Angebot und Nachfrage in ein effizientes Gleichgewicht bringt. Bei einem Vergleich der Annahmen des mikroökonomischen Marktmodells mit dem in der Realität vorzufindenden Immobilienmarkt gibt es deutliche Unterschiede. Diese sind vor allem auf die besonderen Eigenschaften des Gutes „Immobilie“ zurückzuführen, die sich direkt auf die Eigenschaften und Funktionsweisen des Immobilienmarktes auswirken. Die Transaktionen auf dem Immobilienmarkt sowohl beim Bau als auch dem Kauf einer Immobilie sind oftmals komplex und sehr ressourcen- und zeitaufwendig. Die Merkmale dieser Handlungen unterscheiden sich systematisch von denen in dem vorher beschriebenen vollkommenen mikroökonomischen Marktmodell. In der Realität sind die Immobilienmärkte unvollkommen, da die Bedingungen eines vollkommenen Marktes bei den Immobilien fehlen oder unvollständig sind. Dadurch wird verhindert, dass die Märkte effizient agieren können. In der folgenden Tabelle 4.2 erfolgt eine Gegenüberstellung der Bedingungen von vollkommenen Märkten und den Eigenschaften des „unvollkommenen Immobilienmarktes“.
4.4 Der „unvollkommene“ Immobilienmarkt Tab. 4.2:
Unterschiede zwischen „vollkommenen Märkten“ und „unvollkommenen“ Immobilienmärkten; Quelle: eigene Darstellung
vollkommene Märkte homogene Güter vollständige Konkurrenz Markttransparenz unendlich schnelle Anpassung an Veränderungen
4.4.1
137
unvollkommene Immobilienmarkt heterogene Güter begrenzte Anzahl an Marktteilnehmern geringe Markttransparenz geringe Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen
Heterogene Güter
Bei einem vollkommenen Markt sind die gehandelten Güter homogen, also gleichartig. Dadurch richtet sich die Nachfrage ausschließlich nach dem Preis und individuelle Vorlieben oder Qualitätsunterschiede spielen keine Rolle. Anders als bei den anderen Gütern gleicht aber keine Immobilie einer anderen, weil mindestens die Lage unterschiedlich ist. Die Heterogenität bei den Immobilien führt dazu, dass Märkte teilweise erst gar nicht entstehen können oder es Schwierigkeiten bei der Preisfindung bzw. keine eindeutigen Marktpreise gibt. Die Homogenität der Güter ist auf dem Immobilienmarkt offensichtlich nicht erfüllt, da die Besonderheit des Immobilienmarktes gerade die Heterogenität der gehandelten Güter ist. So bestehen zwischen verschiedenen Gebäuden große Unterschiede hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Ausstattung sowie der Lage. Letztlich ist jede Immobilie ein Unikat und damit verschieden von allen anderen: es gibt nicht zwei exakt gleiche Immobilien. Durch die fehlende Homogenität der Immobilien entstehen Präferenzen für bestimmte Angebote oder Anbieter, vor allem in räumlicher, zeitlicher oder persönlicher Hinsicht. Zudem führt die Standortgebundenheit dazu, dass der Immobilienmarkt aus vielen lokalen heterogenen Teilmärkten besteht, die sich nicht nur durch ihre geografische Lage, sondern auch in ihren Rahmenbedingungen und Strukturen unterscheiden. Die Nachfrager treffen wegen der Immobilität der Immobilie auf regionale Teilmärkte mit unterschiedlichen Angebots- und Nachfragebedingungen. Daher entsteht das Risiko, dass Immobilienpreise eine reduzierte Informationsfunktion haben. Durch die geringe Umschlagshäufigkeit und die regionalen Unterschiede der Märkte ergeben sich besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Repräsentativität der Daten. Da die Transaktionsdaten im Vergleich zum Gesamtbestand gering sind, können transaktionsbasierte Preisindizes erheblich durch zufällige Entwicklungen in einzelnen Betrachtungszeiträumen verzerrt sein. Es gibt aufgrund der Heterogenität der Immobilien keinen einheitlichen und homogenen Markt, der Marktpreise und andere entscheidungsrelevante Informationen widerspiegelt. Die mangelnde Informationsfunktion der Preise erschwert die Wahrnehmung von Tendenzen in der Nachfrage, was zu Fehlentwicklungen im Angebot und damit zu langfristigen Marktungleichgewichten führen kann.
4.4.2
Begrenzte Anzahl an Marktteilnehmern
Ein vollkommener Markt ist durch die Marktform der vollständigen Konkurrenz mit vielen Anbietern und Nachfragern gekennzeichnet. Diese Marktform verhindert, dass einzelne
138
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Marktteilnehmer Marktmacht besitzen und damit die Preise beeinflussen können. Weder ein einzelner Anbieter noch ein Nachfrager kann Einfluss auf den Markt nehmen oder die Preise kontrollieren. Bei einem Monopol bzw. Oligopol setzt der einzelne Anbieter einen höheren Preis durch, so dass einige Nachfrager keine Güter mehr erhalten werden. Hat ein Anbieter oder Nachfrager einen Einfluss auf das Marktgeschehen, so wird von einem unvollkommenen Markt gesprochen. Auf dem Immobilienmarkt in Deutschland gibt es insgesamt keine besondere Marktkonzentration, da eher kleine Unternehmen vorherrschend sind. Anders sieht die Situation teilweise aus, wenn lokale, objektbezogene Teilmärkte betrachtet werden. Auf diesen Teilmärkten kann es diese Marktunvollkommenheiten mit einem oder wenigen Anbietern geben. In einzelnen Wohnquartieren kann es beispielsweise eine oligopolistische Marktsituation geben, so dass z.B. das Wohnungsangebot von wenigen Wohnungsunternehmen oder das Angebot von Eigenheimen von wenigen Bauträgern bestimmt wird. Das gleiche kann auch für das Angebot von besonderen Dienstleistungen zutreffen, wie z.B. spezielle Bauunternehmen oder betreutes Wohnen. Auf diesen Märkten kann es dann bei einer geringen Anzahl an Marktteilnehmern auf der Angebotsseite zu einer hohen Marktmacht für diese kommen. Die können sowohl Einfluss auf die angebotene Menge als auch auf die Preise nehmen. Eine geringe Nachfragerzahl kann aber auch zu Marktmacht für diese führen. Wenn es einige Nachfrager und nur einen Verkäufer gibt, wird sich ein höherer Preis als unter den Bedingungen des vollkommenen Marktes ergeben. Im anderen Fall mit nur einem Käufer ist davon auszugehen, dass es zu einem niedrigeren Preis kommt. Von daher werden die Verkäufer einen „Verkäufer-Markt“ und die Käufer einen „Käufer-Markt“ dominieren und kontrollieren. Neben der Marktmacht besteht aber auch das Risiko, dass es aufgrund der geringen angebotenen bzw. nachgefragten Menge im Extremfall zu keiner Transaktion kommt. Die Vorstellungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der Objekte und Preise können auf kleinen Märkten so stark divergieren, dass es zu keiner Transaktion kommt.
4.4.3
Geringe Markttransparenz
In dem mikroökonomischen Modell wird angenommen, dass die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden und der Preismechanismus zum Gleichgewicht und somit Ausgleich von Angebot und Nachfrage führt. Dabei wird vorausgesetzt, dass Markttransparenz besteht und die Marktteilnehmer über vollständige Informationen verfügen. Nur wenn alle Marktteilnehmer einen umfassenden Überblick über Angebot und Nachfrage und die sonstigen Marktbedingungen besitzen, kann es zu einem marktgerechten Verhalten aller Akteure kommen. Auf dem Immobilienmarkt herrscht dagegen eine mangelnde oder stark begrenzte Markttransparenz, oftmals fehlen wichtige Daten und Informationen (siehe Kapitel 5.1.2). Aufgrund der Bestrebungen zur Vereinheitlichung und der Setzung von verbindlichen Standards hat die Transparenz zwar zugenommen, aber die Informationslage innerhalb der Immobilienbranche ist generell schwächer als in anderen Bereichen. Diese geringe Markttransparenz ist vor allem auf die Heterogenität und Standortgebundenheit der Immobilien mit den zahlreichen Teilmärkten zurückzuführen. Dadurch entstehen für die Marktteilnehmer teilweise erhebliche Suchkosten.
4.4 Der „unvollkommene“ Immobilienmarkt
139
Käufer und Verkäufer sind relativ uninformiert über die Immobilienmärkte, die Immobilien bzw. deren Werte sowie die Markttrends. Ein Mangel an Informationen bei Käufern und Verkäufern führt jedoch zu einem ineffizienten Agieren auf den Märkten. So kann es zum Matching- bzw. Zuordnungsproblem kommen. Sowohl Anbieter als auch Nachfrager wissen zu wenig über die Marktbedingungen, so dass sie nicht die jeweils optimale Entscheidung treffen können. Die bislang aufgezeigten Informationsprobleme betreffen sowohl die Anbieter als auch die Nachfrager von Immobilien. Es können aber auch unterschiedlich verteilte Informationen vorliegen, diese Informationsasymmetrien führen auf einem Markt systematisch zu suboptimalen Ergebnissen wie die Analysen der Institutionenökonomie zeigen. In einigen Bereichen besitzen die Immobilienanbieter gegenüber den Nachfragern Informationsvorteile, insbesondere mit Blick auf die baulichen und technischen Details einer Immobilie. In der Literatur wird dies als „adverse selection“ oder auch als vorvertragliches Informationsproblem bezeichnet. Die Informationen vor Vertragsabschluss sind ungleich verteilt. Die Anbieter verfügen i.d.R. über wesentlich bessere Informationen über die Qualität und den Zustand der Immobilie als die Nachfrager. Dies kann dazu führen, dass die Käufer einen zu hohen Preis bezahlen oder ein Abschluss erst gar nicht zustande kommt. Weiterhin besteht das nachvertragliche Problem „moral hazard“ (moralische Risiko). Bei Mietverträgen erwartet beispielsweise der Vermieter, dass mit dem Eigentum ordentlich umgegangen wird. Bei Vertragsabschluss hat der Vermieter aber zum einen wenige Informationen über das spätere Verhalten der Mieter und kann es zum anderen auch kaum kontrollieren. Außerdem fehlen dem Mieter die Anreize, sich im Sinne des Vermieters zu verhalten. Der Vermieter ist nach Vertragsabschluss im Nachteil. Das moralische Risiko kann dazu führen, dass eine Vermietung bzw. ein Markt erst gar nicht zustande kommt oder aber auch gegebenenfalls Risikoprämien verlangt werden, so dass die Kosten insgesamt steigen. Unterschiede bei der Markttransparenz gibt es auch zwischen privaten und institutionellen Marktakteuren. Privatleute agieren eher selten auf den Immobilienmärkten und verfügen daher nur über geringere Marktkenntnisse und -erfahrungen. Institutionelle Akteure nehmen dagegen regelmäßiger am Marktgeschehen teil und haben daher weit mehr Informationen und Erfahrungen. Diese Informationsasymmetrien können zu ineffizientem Marktverhalten führen. Sowohl die geringe Markttransparenz als auch die ungleich verteilten Informationen können auf den Immobilienmärkten dazu führen, dass ein Marktgleichgewicht nicht zustande kommt oder die Lösung nicht effizient ist.
4.4.4
Geringe Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen
Nach dem Ideal des vollkommenen Marktes sollen sich Märkte „unendlich schnell“ an veränderte Rahmenbedingungen anpassen können. Marktanpassungsprozesse stellen somit keine Restriktion für den Markt dar. Im Gegensatz dazu erfolgt auf dem Immobilienmarkt eine Reaktion nur mit relativ großen Zeitverzögerungen („Time-Lags“) und weicht damit stark von den Annahmen der mikroökonomischen Theorie ab. Marktungleichgewichte und -schwankungen sind daher typisch für den Immobilienmarkt. Aufgrund der Charakteristika der Immobilienmärkte kann es nicht zu sofortigen Anpassungen an exogen verursachte Veränderungen kommen. Die Anpassungen auf der Ange-
140
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
botsseite sind eher langsam, so dass es zu bemerkenswert zyklischen Volatilitäten kommen kann. Unterschiedlich hohe Elastizitäten auf der Angebots- und Nachfrageseite prägen die Immobilienmärkte. Der Immobilienmarkt verfügt über eine kurzfristig eher unelastische Angebotsfunktion, was insbesondere auf die lange Planungsdauer bzw. Bauzeit von Immobilien zurückzuführen ist. Die Nachfrage hingegen reagiert schneller auf Veränderungen. Somit erschwert z.B. im Falle eines Nachfrageüberhangs die lange Produktionsdauer selbst bei deutlichen Preissteigerungen aufgrund der spezifischen Produktionsbedingungen von Immobilien einen kurzfristigen Marktausgleich bzw. das Erreichen des Marktgleichgewichts. Kurzfristig könnte das Flächenangebot nur in begrenztem Umfang ausgeweitet werden. Eine Anpassung an eine veränderte Marktsituation durch eine Veränderung der Fertigstellungen erfolgt nur mittelfristig. Baufertigstellungen erhöhen das Flächenangebot erst oft nach einer mehrjährigen Planungs- und Bauzeit. Selbst bei einer hohen prozentualen Preisveränderung ist kurzfristig nur eine geringe Mengenveränderung möglich. Überschüsse auf der Angebotsund der Nachfrageseite passen sich auf den Immobilienmärkten daher kurzfristig zunächst über die Preise und Leerstände an. Auf vollkommenen Wettbewerbsmärkten reagieren Anbieter und Nachfrager augenblicklich auf Veränderungen im Marktumfeld. Auf den Immobilienmärkten ist hingegen das Angebot im Gegensatz zur Nachfrage kurzfristig relativ unelastisch und kann nicht sofort auf Marktveränderungen reagieren. So wird es üblicherweise mehrere Jahre dauern bis z.B. mehr Immobilien fertiggestellt sind und damit das Angebot ausgedehnt werden kann. Das Immobilienangebot wird sich üblicherweise relativ langsam verändern. Übungsfragen und Fallstudien 1. Erläutern Sie die in der Mikroökonomie verwendeten Wirtschaftssektoren und beschreiben Sie, wie diese Akteure auf dem Immobilienmarkt agieren. 2. Erläutern Sie die Bestimmungsfaktoren der Nachfrage der Haushalte auf den Immobilienmärkten. Warum verläuft die Nachfragefunktion auf dem Immobilienmarkt mit einer negativen Steigung? 3. Erläutern Sie die Bestimmungsfaktoren des Immobilienangebots eines Unternehmens auf den Immobilienmärkten. Warum verläuft die Angebotskurve auf dem Immobilienmarkt mit einer positiven Steigung bzw. ist vollkommen unelastisch? 4. Erklären Sie, welche Auswirkungen sich auf den Preis ergeben, wenn kurzfristig das Angebot unverändert bleibt und gleichzeitig die Nachfrage nach Immobilien sinkt. Welche langfristigen Auswirkungen auf das Angebot sind zu erwarten? 5. Warum ist das Immobilienangebot kurzfristig relativ unelastisch, warum reagiert es langfristig aber schon elastisch auf Preisveränderungen? 6. Erklären Sie, welche Auswirkungen sich auf den Preis ergeben, wenn die Nachfrage unverändert bleibt und gleichzeitig das Angebot an Immobilien steigt. Welche langfristigen Auswirkungen auf das Angebot sind zu erwarten? 7. Wie unterscheidet sich ein Monopol von der Marktsituation der vollständigen Konkurrenz? Warum sind viele monopolistische Märkte staatlich reguliert? 8. Beschreiben Sie die Auswirkungen auf den Markt für Studentenwohnungen, wenn der Staat aus sozialen Gründen hierfür verbindliche Höchstmieten vorgibt.
4.4 Der „unvollkommene“ Immobilienmarkt
141
9.
Immer wieder hört man Klagen über eine mangelnde Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum; vor allem fehlt es an preisgünstigen Mietwohnungen. Um diese „Wohnungsnot“ zu mildern, versucht die Regierung mit unterschiedlichen Eingriffen den Markt zu steuern. Überprüfen Sie (mit Hilfe von Preis-Mengen-Diagrammen) in welcher Weise folgende Tatbestände für die Versorgung mit Mietwohnungen marktwirksam werden: a. Die Regierung erhöht auf Drängen der Länder die Einkommensgrenzen zur Erlangung eines Wohnberechtigungsscheins. b. Bauherren, die bereit sind, Mietwohnungen zu bauen, erhalten umfangreiche Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten. c. Die Regierung beschließt ein Milliardenprogramm mit Sonderkonditionen (nur) für Mieter, die sich Eigenheime zur Selbstnutzung bauen. d. Auf Drängen des Mieterbundes verschärft die Regierung in erheblichem Maße den Mieterschutz. Neben verlängerten Kündigungsfristen gibt es z.B. für Eigentümer kaum noch die Möglichkeit, Wohnräume für den Eigenbedarf in Anspruch zu nehmen. 10. Die Immobilienmärkte weisen bestimmte Besonderheiten auf. a) Beschreiben Sie diese Besonderheiten. b) Welche Auswirkungen haben diese Besonderheiten auf den Immobilienmarkt und das Marktergebnis. Vollkommene Märkte
Immobilienmarkt
Konsequenzen
vollständige Konkurrenz homogene Güter unendlich schnelle Anpassung an Veränderungen Markttransparenz
Fallstudie 1 Zeitungsartikel aus der FAZ vom 02.12.2011 „ Der Wohnungsmarkt funktioniert“ „Da der Neubau auf dem deutschen Wohnungsmarkt über viele Jahre massiv zurückgegangen ist – im Mehrfamilienhaus-Segment betrug der Rückgang binnen zehn Jahren 80 Prozent –, kam es in großen Metropolen wie München, Hamburg, Berlin oder Köln zu einer Verknappung des Angebots. Diese Verknappung führt zu merklich steigenden Mieten. Die höheren Mieten wiederum setzen einen Anreiz für die Neubautätigkeit. Wenn jetzt die Baugenehmigungs- und Baufertigstellungszahlen steigen, wird dies zu einer Erhöhung des Angebots an Wohnungen führen und irgendwann auch den Anstieg der Mieten dämpfen. Freilich ist dafür ein wenig Geduld nötig. Im vergangenen Jahr stiegen die Mieten in den deutschen Metropolen um 2 bis 3 v.H. – der stärkste Anstieg seit Mitte der neunziger Jahre. Heute ist der Wohnungsmarkt in Deutschland intakt. Und zu einem intakten Markt gehören auch steigende Mieten. Wer nicht bereit ist, dies zu akzeptieren, hat einfach nicht verstanden, wie Märkte funktionieren.
142
4 Mikroökonomik des Immobilienmarktes
Übrigens gibt es auch nach wie vor viele Regionen in Deutschland, wo die Mieten nicht steigen, sondern fallen. Nur wird darüber üblicherweise wenig berichtet. Beides gehört zu einem funktionierenden Markt: sinkende Mieten bei einem Überangebot von Wohnungen ebenso wie steigende Mieten bei einem zu geringen Angebot.“ (Quelle: FAZ vom 02.12.2011; gekürzt) Ihre Aufgabe: Stellen Sie die einzelnen Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes in den letzten Jahren in Preis-Mengen-Diagrammen dar. Fallstudie 2 Herr Thon ist Mitarbeiter eines Immobilienmaklers, der im nördlichen Ruhrpott und im Münsterland tätig ist. Das Maklerunternehmen hat sich auf die Vermittlung von Häusern und Wohnungen für den privaten Bedarf spezialisiert. Herr Thon ist selbst Makler und in dieser Funktion heute zu Gast bei der Familie Fischer, bei der wieder einmal der Familienrat tagt. Es wird intensiv über das beherrschende Thema der letzten Wochen diskutiert. Vor einigen Wochen hat Herr Fischer erfahren, dass sein Arbeitgeber, eine bekannte US-amerikanische Unternehmensberatung, ihn von Stuttgart nach Essen in eine Niederlassung versetzen will. Herr Fischer wird dort als Geschäftsführer ein Jahresgehalt von rund 200.000 Euro erhalten. Er soll als Leiter die Niederlassung neu organisieren, da diese in den letzten Monaten aufgrund zahlreicher organisatorischer und personeller Probleme viele Aufträge verloren und hohe Verluste gemacht hat. Herr Fischer ist 42 Jahre alt, verheiratet und hat mit seiner Frau 2 Kinder (16 und 17 Jahre alt). Frau Fischer ist nicht mehr berufstätig, sondern kümmert sich um den Haushalt und die beiden Kinder. Sohn Egon besucht das Gymnasium und ist im 12. Abschlussjahrgang. Er wird in diesem Jahr voraussichtlich sein Abitur mit einer Bestnote abschließen. Nach der Schule möchte er am liebsten in Göttingen Medizin studieren. Die Tochter Emma ist ein Jahr jünger und wird im nächsten Jahr ihr Abitur machen und dann Naturheilkunde in Berlin studieren. In den verschiedenen Gesprächen ist schon offensichtlich geworden, dass die einzelnen Familienmitglieder sehr unterschiedliche Vorstellungen bezüglich ihres nächsten Heims haben. Von welchen Faktoren hängt ihre Entscheidung ab? Was spricht dafür, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen bzw. zu mieten? Ihre Aufgabe: Unterstützen Sie Herrn Thon bei seiner Aufgabe der Familie Fischer, adäquate Vorschläge für das neue Haus bzw. die neue Wohnung zu machen. Beachten Sie dabei die Wünsche der einzelnen Familienmitglieder.
5
Immobilienmarktentwicklungen
Das Immobilien-Research beschäftigt sich mit der systematischen und wissenschaftlichen Analyse von Immobilienmärkten, wobei aber sowohl die Aufgaben als auch die Art der Analysen unterschiedlich sind. Dies hängt entscheidend davon ab, in welchen Institutionen das Research angesiedelt ist. Auf die Aufgaben und Analysearten wird in Kapitel 5.1.1 eingegangen. Wesentliche Voraussetzungen für die Analysen sind das Vorhandensein von sowohl Informationen als auch Statistiken. Die verschiedenen Möglichkeiten bei der Informationsrecherche werden in Kapitel 5.1.2 beschrieben. Grundlegende Unterschiede und Probleme der Informationen aus amtlicher und privater Quelle werden ebenso dargestellt. Im Kapitel 5.2 wird auf die Immobilienmarktanalyse selbst eingegangen, wobei eine idealtypische Vorgehensweise aufgezeigt wird. Dabei werden die grundsätzlichen Aspekte der einzelnen Schritte der Immobilienmarktanalyse dargestellt. Das abschließende Kapitel 5.3 analysiert die Entwicklung der einzelnen Immobilienmärkte in Deutschland. Hierbei wird sowohl auf die Investmentmärkte als auch die drei wesentlichen Vermietungsmärkten für Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien eingegangen. Lernziele zu Kapitel 5 Das Immobilien-Research hat verschiedene interne und externe Aufgaben, so dass die hieraus entstehenden Immobilienmarktanalysen entsprechend unterschiedlich ausfallen. Die Informationsrecherche für das Immobilien-Research gestaltet sich relativ schwierig, da aufgrund der Besonderheiten des Gutes „Immobilie“ auch die Daten- und Informationslage vielfach ungenügend ist. Die Immobilienmarktanalyse setzt sich aus verschiedenen Teilbereichen zusammen, wobei neben der Analyse der Vergangenheitsentwicklung vor allem die Prognose der zukünftigen Entwicklung gefordert ist. Auf den Immobilienteilmärkten Deutschlands (Investment- und Vermietungsmärkten) gibt es unterschiedliche Akteure und verschiedene Einflussfaktoren wirken auf die Angebots- und Nachfrageseite. Entsprechend verliefen die Entwicklungen auf den einzelnen Märkten teilweise sehr unterschiedlich, was ebenfalls für die Perspektiven der Märkte gilt.
144
5 Immobilienmarktentwicklungen
5.1
Immobilien-Research
5.1.1
Aufgaben des Immobilien-Research
Unter Immobilien-Research (Synonyme: Immobilienmarkt-Research oder Real-EstateResearch oder Immobilienmarktforschung oder kurz: Research) hilft aus Sicht der Immobilienökonomie dabei, den zunehmenden Bedarf an differenzierten Informationen zur Situation der Immobilienmärkte zu decken. Die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft und die zunehmenden internationalen Verflechtungen verlangen eine größere Markttransparenz. Das Immobilien-Research sorgt dafür, dass Fehlinvestitionen vermieden und marktgerechte Entscheidungen getroffen werden. Immobilien-Research Das Immobilien-Research ist die systematische und zielführende Erfassung und Untersuchung des Marktes für Grundstücke und Gebäude (aller Immobilienarten) und dessen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren“ (gif, 2011, S. 1). Im Rahmen des Immobilien-Researchs werden alle wesentlichen Daten und Informationen über die Immobilienmärkte mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden gewonnen und analysiert sowie bewertet. Für eine langfristig erfolgreiche Investition sind fundierte und zuverlässige Analysen notwendig. Das Immobilien-Research kann Aufgaben zu einer Vielfalt von Themen erstellen, darunter fallen die Analysen zu Immobilienmärkten, Standorten, Zielgruppen oder Konkurrenten. Je nach Aufgabenstellung lassen sich immobilienmarkt-, investmentmarkt- oder objektnahe sowie immobilienökonomische Analysen unterscheiden. Die Analysen sollen im Wesentlichen Markttransparenz schaffen und somit alle wesentlichen Rahmenbedingungen im Marktumfeld, Chancen sowie Risiken eines Immobilienmarktes oder einer Immobilie aufzeigen und vor allem perspektivisch bewerten. Dies kann alle Teilbereiche im Lebenszyklus einer Immobilie betreffen, die von der Projektentwicklung über den Kauf, der Nutzungsphase bis hin zur Verwertungsphase (Refurbishment und Abriss) reichen. Zu den Aufgaben können z.B. Studien über den Bürovermietungsmarkt, Analysen im Rahmen von Portfolio-Entscheidungen oder Objektbewertungen, Einschätzungen über die Perspektiven des globalen Investmentmarktes oder Ausarbeitungen zu Nachhaltigkeit sein. Wesentliche Aufgaben des Immobilien-Research 1 Interne Aufgaben 1.1 Informationsmanagement: Informationen sammeln, analysieren und bewerten sowie an „relevante“ Stellen weitergeben 1.2 Beratung bei Einzelfallentscheidungen: u.a. Projektentwicklung, Investition oder Finanzierung 1.3 Strategische Entscheidungen vorbereiten: u.a. den Eintritt in neue Märkte, Mittelfriststrategie 2 Externe Aufgaben 2.1 Marketing, Public Relation: z.B. durch Publikationen 2.2 Dienstleistungen anbieten: u.a. Analysen und Berichte
5.1 Immobilien-Research
145
Die grundlegende Aufgabe des Immobilien-Research besteht als systematisches Informationsmanagement in der Erhebung von eigen erhobenen Primär- und externen, schon vorhandenen Sekundärdaten zu den einzelnen Immobilienmärkten, Objekten oder Standorten. Im Rahmen der Immobilienmarktanalyse werden darüber hinaus volkswirtschaftlich und immobilienwirtschaftlich relevante Zeitreihen untersucht. Dies ermöglicht auch Prognosen über die zukünftige Entwicklung der untersuchten Immobilienmärkte. Darauf aufbauend können Marktberichte oder Studien für interne und externe Zwecke erstellt werden.
Immobilienanalysen Basisanalysen • Standortanalyse • Marktanalyse • Gebäudeanalyse • Miet- und Vertragsanalyse Abb. 5.1:
Spezialanalysen • Bewertungsgutachten • Investitionsanalyse • Finanzierungsanalyse • Machbarkeitsstudie
Immobilienanalysen; Quelle: eigene Darstellung
Die vom Research durchgeführten Immobilienanalysen werden üblicherweise in Basisanalysen und Spezialanalysen unterschieden (siehe Schaubild 5.1). Die Basisanalysen liefern die Grundlageninformationen, deren Ergebnisse für Spezialanalysen verwendet werden können. Wie in Abbildung 5.1 dargestellt, können die Basisanalysen weiter unterteilt werden. Die Standortanalyse beurteilt die Qualität und den Nutzen eines Standortes in Abhängigkeit von der jeweiligen Objektart. In einer langfristig angelegten Sicht werden der Mikro- und Makrostandort und hierfür jeweils sowohl die harten als auch die weichen Standortfaktoren betrachtet (siehe auch Kapitel 5.2.2). Die Marktanalyse will auf der Grundlage der Einschätzung der derzeitigen und zukünftigen Angebots- und Nachfragesituation die Marktergebnisse und die -entwicklungen untersuchen und prognostizieren. Dabei sollen z.B. die Entwicklungsmöglichkeiten von Immobilien oder Märkten beurteilt werden (siehe auch Kapitel 5.2.3). Standort- und Marktanalyse werden oftmals nicht getrennt durchgeführt und auch als Immobilienmarktanalysen bezeichnet. Bei der Gebäudeanalyse wird die bauliche Gestaltung der Immobilie im Hinblick auf Ausstattungs- und Qualitätsstandards untersucht. Während die Gebäudeanalyse sich mit dem Immobilienobjekt selbst beschäftigt und die Nutzungskonzepte analysiert, stehen bei der Miet- und Vertragsanalyse insbesondere die Mietverträge im Mittelpunkt mit dem Ziel der Optimierung des Cash Flows aus der Immobilie. Bei Leerständen wird analysiert, welche Mietertypen geeignet sind und zu welchen Konditionen diese vermarktet werden können. Spezialanalysen sollen bestimmte immobilienbezogene Entscheidungen vorbereiten und unterstützen. Sie basieren auf den Basisanalysen und lassen sich wie folgt unterscheiden. Ein Bewertungsgutachten wird i.d.R. von Immobilienbewertern erstellt. Dadurch wird der Wert einer Immobilie auf der Basis eines genormten Wertermittlungsverfahrens geschätzt. Investitionsanalysen erlauben die qualitative und quantitative Beurteilung von Renditeobjekten und Risikoberechnungen; das Ergebnis ist die voraussichtlich erzielbare Rendite, die sich aufgrund von statischen bzw. dynamischen Rechenverfahren ermitteln lässt. Bei der Finanzie-
146
5 Immobilienmarktentwicklungen
rungsanalyse steht die Berechnung der Bonität bzw. Kapitaldienstfähigkeit im Mittelpunkt der Untersuchung. Sie berücksichtigt die Ertragskraft der Immobilie, die Bonität des Investors und den Risikograd der Investition. Die Machbarkeitsstudie ist u.a. die Entscheidungsgrundlage bei Projektentwicklungen. Sie dient dazu die ökonomische Sinnhaftigkeit eines Immobilienvorhabens zu beurteilen und optimale Nutzungsvariante zu erarbeiten. Die Machbarkeitsstudie ist die umfassendste Analyseform und eine Zusammenfassung der anderen beschriebenen Analyseformen.
5.1.2
Informationsrecherche
Die Grundlage für Immobilienanalysen bildet die Informationsrecherche mit der Erhebung und Auswertung von Daten und Informationen. Dazu gehört das systematische Sammeln, Gewichten und Bewerten von direkt und indirekt mit der zukünftigen Entwicklung von Immobilienmärkten zusammenhängenden Informationen über den Standort und den Markt (siehe Abbildung 5.2). Dabei wird grundsätzlich zwischen der Analyse vom Schreibtisch (Desk Research) und der Informationsbeschaffung vor Ort unterschieden. Neben der Erfassung von Daten und Informationen können auch Angaben durch Standortbegehungen oder Fachgesprächen vor Ort gewonnen werden. Idealtypisch ergeben sich folgende Anforderungen an die Daten und Informationen, die aber je nach Analysebedürfnis unterschiedlich ausfallen können. Datenreihen sollen für möglichst homogene Güter vorhanden sein, die nachbildbar, repräsentativ und für lange Zeitreihen vorliegen. Diese Informationen sollen je nach Analysezweck teilweise aggregiert und teilweise disaggregiert vorhanden sein. Auch hinsichtlich der zeitlichen und räumlichen Dimension können sich je nach Analyseerfordernis sehr unterschiedliche Anforderungen ergeben. Die Daten sollten weiterhin möglichst öffentlich zugänglich sein und, wenn überhaupt, zu annehmbaren Preisen zu erwerben sein. Falls die Daten aus unterschiedlichen Quellen stammen, muss eine Kompatibilität bei der Datenerhebung vorliegen.
Informationsrecherche Desk Research
Vor Ort Research
Daten sammlung
Informationsbeschaffung
Empirische Erhebungen
Standort/Objektbegehung
Fachgespräche
Amtliche Statistik
Standortbezogen
Zählungen
Standortfaktoren
Behörden
Nicht amtl. Statistik
Marktbezogen
Befragungen
Bestandsaufnahme
Verbände
Abb. 5.2:
Informationsrecherche; Quelle: eigene Darstellung
Die theoretischen Anforderungen werden aber in der Realität üblicherweise nicht erfüllt. Die Verfügbarkeit von Daten über das Marktumfeld und den Immobilienmarkt selber unterscheiden sich zunächst einmal je nachdem, ob sie aus amtlichen Quellen oder von privatwirtschaftlichen Anbietern stammen.
5.1 Immobilien-Research
147
Zahlreiche amtliche Statistiken über das Marktumfeld stehen als grundsätzliche Datenbasis auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zur Verfügung. Während diese makroökonomischen und sozio-demografischen Daten auf nationaler und auch regionaler Ebene von amtlicher Seite relativ ausreichend vorhanden sind, sieht es auf der lokalen bzw. mikroökonomischen Ebene schon schwieriger aus. Daten sind hier teilweise wenn überhaupt erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung erhältlich. Erhebungen über die Immobilienmärkte durch die staatlichen statistischen Ämter und ähnlicher unabhängiger Institutionen sind kaum vorhanden. Offizielle Daten sind selbst über grundlegende Merkmale wie z.B. die Größe des Marktes oder Umsatzzahlen einzelner Marktsegmente nur rudimentär verfügbar. Auf kommunaler Ebene stellen die Berichte der Gutachterausschüsse hingegen eine Informationsquelle für die Immobilienmarktanalyse dar. Die amtliche Statistik erfüllt aber oftmals nicht in ausreichendem Umfang die Informationsanforderungen der Marktakteure an eine transparente Datenbasis. Daten aus privatwirtschaftlichen Quellen ergänzen das Angebot der amtlichen Statistiken. Aufgrund der hohen Verfügbarkeit amtlicher Daten über das Marktumfeld werden derartige Daten üblicherweise nicht mehr von privaten Anbietern erhoben. Daten aus vielen Bereichen der Immobilienmärkte sind in den amtlichen Statistiken nur rudimentär vorhanden, wobei aus Sicht der Immobilienmarktanalyse die Aktualität und regionale Differenzierung der Daten häufig nicht gegeben ist. Darüber hinaus sind offizielle Daten für Gewerbeimmobilien in Deutschland fast nicht vorhanden. Dementsprechend werden diese Daten privatwirtschaftlich angeboten. Diese nicht-amtlichen Statistiken stammen von Verbänden oder aus Erhebungen von Beratungsunternehmen oder von Marktforschungsinstituten oder aus Maklerberichten oder von Banken. In der folgenden Tabelle 5.1 sind diese Informationsquellen dargestellt, wobei diese nach der Art der Informationen geordnet sind und nicht weiter nach amtlichen oder privaten Quellen unterschieden werden. Tab. 5.1:
Daten- und Informationsanbieter; Quelle: eigene Darstellung
Gesamtwirtschaftliche und sozio-ökonomische Daten
Statistisches Bundesamt (www.destatis.de, www.regionalstatistik.de), Statistische Landesämter, Kommunen (Homepage, Statistische Jahrbücher) Bundesagentur für Arbeit Deutsche Bundesbank (monetäre Daten) Demografie: BBSR, http://wegweiser-kommune.de
Gesamtwirtschaftliche Prognosen
Forschungsinstitute wie DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung oder ZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
Strukturdaten zum Marktumfeld
Thomas Daily, BulwienGesa AG, IPD, GfK GeoMarketing, empirica, Experian
Immobilienmarktdaten
Thomas Daily, BulwienGesa AG, IPD, GfK GeoMarketing, empirica, Experian, Gutachterausschüsse, Internetanbieter wie Immobilienscout24.de, gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung, Maklerberichte
Immobilienmarktberichte
Engel & Völkers, DIP – Immobilienpartner, Comfort-Marktberichte, Plötz Immobilienführer, FERI, Maklerberichte von CB Richard Ellis, Colliers, Jones Lang LaSalle, etc.
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5 Immobilienmarktentwicklungen
Es besteht ein vielfältiges Anforderungsprofil an die immobilienmarktrelevanten Informationen und Daten von Seiten des Immobilien-Research. Für eine quantitative Immobilienmarktanalyse sind hochwertige Daten und Informationen die grundlegende Voraussetzung. Für die Immobilienmarktanalyse werden einerseits Daten und Informationen über die gesamtwirtschaftlichen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren benötigt und andererseits auch Daten über die Immobilienmärkte selbst. Informationen aus beiden Bereichen sind notwendig, da Risiken für die Immobilienmärkte sowohl aus dem Marktumfeld als auch aus dem Markt selber kommen können. Durch die im Folgenden beschriebenen grundlegenden Probleme bei den Daten und deren Erhebung ergeben sich Risiken für das Immobilien-Research, was letztlich auch zu fehlerhaften Prognosen führen kann. Eine Herausforderung für die Immobilienmarktanalyse beginnt während der Informationsrecherche mit der Auswahl der Daten. Auf die grundsätzlichen Probleme bei den Daten, die aufgrund der Heterogenität der Immobilien entstehen, ist schon im Kapitel 4.4.1 hingewiesen worden. Trotz oder auch gerade wegen der teilweise verfügbaren Datenmenge gestaltet sich eine zielgerichtete Immobilienmarktanalyse mitunter schwierig. Entscheidend ist die richtige Auswahl und Gewichtung in Kombination mit einem soliden Verständnis für die Qualität und Bedeutung der Daten. Erst im richtigen Kontext werden aus Daten relevante Informationen für eine Immobilienmarktanalyse. Um die Daten miteinander vergleichen zu können, sind einheitliche Abgrenzungen und Definitionen notwendig. Falls dies nicht der Fall ist, sind auch die Daten nur schwerlich miteinander vergleichbar. Besonders gravierend ist dieses Problem bei internationalen Vergleichen. Weitere Schwierigkeiten können sich daraus ergeben, dass die Erhebung und Aufbereitung der Daten häufig an Verwaltungsgrenzen ausgerichtet wird. Dieses muss aber nicht unbedingt mit der empirischen Marktabgrenzung übereinstimmen. Dies zeigt sich z.B. bei der Bestimmung des Einzugsgebietes oder bei der Abgrenzung von Bürozentren in einer Stadt. Ein grundlegendes Problem der Statistik besteht weiterhin in der Zuordnung der einzelnen Gebäude zu den Objektarten. In der Gebäudestatistik werden Gebäude nach ihrer Hauptnutzfläche erfasst, so dass andere Nutzungsarten in einem Gebäude, die es auch noch geben kann, nicht berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen führt zu Verzerrungen, da der jeweilige Flächenbestand einer Objektart entweder über- oder untererfasst wird. Nur insgesamt einheitliche Definitionen und Abgrenzungen führen zu harmonisierten Daten und damit bei der Analyse zu gleichen Aussagen und Ergebnissen. Zusammenfassend ist die Datenlage hinsichtlich Quantität und Qualität für den Immobiliensektor als vergleichsweise schlecht zu beurteilen. Die Schwächen liegen in der bisweilen uneinheitlichen Erhebungssystematik sowie der teilweisen Überalterung des Datenbestandes. Die Problematik liegt aber vor allem in der generellen geringen Verfügbarkeit und der mangelnden räumlichen Aggregation statistischer Informationen. Letztlich können Statistiken aber nur die Basis der Analyse sein, da diese Bestandsaufnahmen der Vergangenheit sind. Eine qualifizierte Immobilienmarktanalyse sollte jedoch über eine Status-quo-Betrachtung hinausgehen und vor allem Aussagen über die Zukunft treffen.
5.2
Immobilienmarktanalysen
Die Immobilienmarktanalyse wird definiert als eine methodische und fachlich fundierte Analyse der wesentlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Aktivitäten auf den
5.2 Immobilienmarktanalysen
149
Immobilienmärkten. Das generelle Ziel einer Immobilienmarktanalyse besteht darin, die gegenwärtigen und perspektivischen Bedingungen im Marktumfeld sowie auf dem Immobilienmarkt zu erfassen, zu analysieren und vor dem Hintergrund der jeweiligen Nutzung zu beurteilen. Die Immobilienmarktanalyse untersucht sowohl den Immobilienmarkt selbst, das Marktumfeld sowie die sich daraus ergebenden Marktergebnisse und die -entwicklungen. Eine Immobilienmarktanalyse kann daher sehr vielfältig ausfallen und ist das entscheidende grundlegende Kriterium für Projektentwicklungen bzw. den Bau von Wohn- und Gewerbeimmobilien, den Kauf von Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie die Finanzierung von Immobilien und Immobilienportfolios. Fällt eine Immobilienmarktanalyse negativ aus, kann das ein entscheidendes Kriterium für die Ablehnung des Vorhabens sein. Folgende drei grundlegende Unterschiede können bei Immobilienmarktanalysen festgestellt werden. Zunächst einmal erfolgt eine Bewertung in Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung. Die Bewertung des Standortes und des Marktumfeldes ist oft nur vor dem Hintergrund eines konkreten Objektes möglich. Dies erfordert aber auch die Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen der verschiedenen Objekte. Eine zweite wesentliche Unterscheidung ergibt sich, ob ein Markt aus der Sicht eines Investors bezüglich einer möglichen Transaktion oder der gleiche Markt z.B. in seiner Funktion als Vermietungsmarkt analysiert werden soll. Zwar handelt es sich bei beiden Zwecken um denselben Markt, aber das Erkenntnisinteresse ist ein anderes. Für den ImmobilienInvestmentmarkt sind Preise und Renditen wesentliche Indikatoren. Für den Vermietungsmarkt sind dagegen Mieten und Leerstände die wesentlichen Kennzahlen des Marktergebnisses. Drittens hat die Lebenszyklusphase, in der sich die Immobilie befindet, Einfluss auf die Immobilienmarktanalyse. Ziele und Erwartungen an die Immobilienmarktanalyse hängen davon ab, ob der Untersuchungsgegenstand eine zu entwickelnde oder bereits bestehende Immobilie, eine anzukaufende oder bereits erworbene Immobilie ist. Dies betrifft einerseits die Freiheitsgrade, über die ein Investor oder Projektentwickler noch verfügt. Andererseits kann sich der Analyserahmen potenziell vergrößern, da mehr Alternativen untersucht werden können. Gleichwohl gibt es einige Gemeinsamkeiten, welche die Immobilienmarktanalysen auszeichnen. Zunächst ist das Immobilienmarkt-Research keine vergangenheitsorientierte Analyse der Immobilienmärkte, sondern besonders gefordert sind Prognosen über die zukünftige Entwicklung (siehe Abbildung 5.3). Da aber keine gesicherten Informationen über die Zukunft verfügbar sind, ist bei einer Immobilienmarktanalyse zunächst die Entwicklung von Markt und Marktumfeld in der Vergangenheit bis zur Gegenwart zu analysieren. Dabei sind die verschiedenen Teilbereiche Standort, Angebot und Wettbewerb sowie Nachfragepotenzial zu betrachten. Die jeweiligen Marktergebnisse und die -entwicklungen in Form von z.B. Preisen, Renditen, Mieten oder Leerständen haben sich vor dem Hintergrund bestimmter Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren gebildet. Eine Prognose des Marktgeschehens setzt somit erst die Prognose des Marktumfeldes mit seinen verschiedenen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren für die verschiedenen Teilbereiche voraus. Erst auf dieser Basis ist es ökonomisch sinnvoll, das weitere Geschehen auf dem Markt zu prognostizieren.
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5 Immobilienmarktentwicklungen
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Rahmenbedingungen, Einflussfaktoren
Immobilienmarktanalyse
Standort Abb. 5.3:
Angebot und Wettbewerb
Nachfragepotenzial
Zeitliche Dimensionen einer Immobilienmarktanalyse; Quelle: eigene Darstellung
Eine idealtypische Immobilienmarktanalyse setzt sich aus den folgenden Teilbereichen zusammen: Bestimmung des Einzugsgebietes, Beurteilung des Standortes, Analyse des Marktes mit Angebot (Wettbewerb) und Nachfragepotenzial sowie darauf aufbauend die Darstellung und Interpretation der Marktergebnisse (siehe Abbildung 5.4). In den folgenden Kapiteln soll dies jeweils für die wesentlichen Immobilienmärkte (Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien) verdeutlicht werden. Je nach dem Zweck der Analyse können dabei Inhalte und Methoden der Analyse unterschiedlich ausfallen.
Standort Einzugsgebiet Marktergebnis Angebot / Wettbewerb
Abb. 5.4:
Nachfragepotenzial
Teilbereiche einer Immobilienmarktanalyse; Quelle: eigene Darstellung
5.2 Immobilienmarktanalysen
5.2.1
151
Bestimmung des Einzugsgebietes
In diesem Kapitel geht es um die Abgrenzung bzw. Zonierung des Einzugsgebiets. Dabei sollen vor allem die Einwohnerzahlen und deren Entwicklung sowie die projektrelevante Kaufkraft ermittelt werden. Die Bestimmung des Einzugsgebietes ist für Objektarten wie Einzelhandels- oder Freizeitimmobilien eine wesentliche Voraussetzung für die weitere Marktanalyse. Für andere Objektarten wie Büro- oder Wohnimmobilien ist das Einzugsgebiet weniger relevant, da die Herkunft der Nachfrager üblicherweise nicht regional begrenzt ist. Daher wird in diesem Kapitel das Vorgehen am Beispiel der Einzelhandelsimmobilien aufgezeigt. Einzugsgebiet Das Einzugsgebiet einer Einkaufs- oder Dienstleistungseinrichtung ist der Bereich, innerhalb dessen die Einwohner ihren Bedarf zu einem nennenswerten Anteil decken. Das Einzugsgebiet einer Einzelhandelsimmobilie ist das Gebiet, aus dem die potenziellen Nachfrager stammen. In der Analyse wird das Einzugsgebiet der Einzelhandelsimmobilie in Bezug auf die Erreichbarkeit einer Immobilie und die im Einzugsgebiet vorzufindenden sozio-ökonomischen Strukturen untersucht. Das Einzugsgebiet kann aber sicherlich nicht exakt definiert werden, sondern stellt immer nur eine Näherungslösung dar. Das Einzugsgebiet unterscheidet sich zwischen den einzelnen Einzelhandelsimmobilien erheblich, da es vor allem von vier Einflussfaktoren abhängig ist. Die Ausdehnung des Einzugsgebietes hängt erstens zunächst von den Präferenzen ab, was auch als „PushFaktor“ aus dem Marketing bekannt ist. Das Ausmaß des Wunsches der Besucher nach einer Nutzung ist unterschiedlich ausgeprägt und zeigt sich letztlich in der Fahrbereitschaft der Konsumenten. Gewachsene Einkaufsbeziehungen oder Animositäten wirken sich dabei aus, so dass je intensiver die Präferenzen sind, umso wahrscheinlicher und umso häufiger wird eine Einzelhandelsimmobilie aufgesucht. Der zweite Aspekt betrifft die Attraktivität der Einzelhandelsimmobilie selbst („PullFaktor“). Dazu gehören die Größe und Attraktivität der Anlage (z.B. Parkplatzsituation), welche auch die Aufenthaltsdauer beeinflussen. Dabei ist aber eine Immobilie nicht isoliert zu betrachten, sondern im Verbund mit anderen Einzelhandels- und Dienstleistungsangeboten im Umfeld können sich Synergieeffekte ergeben. Je attraktiver eine Einzelhandelsimmobilie ist, umso größer ist c.p. das Einzugsgebiet und je häufiger der Besuch. Eine potenziell längere Aufenthaltsdauer und Attraktivität erhöht die Bereitschaft der Besucher, längere Anfahrtszeiten in Kauf zu nehmen. Andererseits ist aber auch die Attraktivität des Wettbewerbs zu beachten. Dabei gilt, dass je näher der Wettbewerber liegt und je stärker er ist, desto kleiner wird das Einzugsgebiet. Das Einzugsgebiet reduziert sich, wenn z.B. zwischen dem Wohnort der Kunden und dem Einkaufsort Wettbewerber liegen. Der dritte Einflussfaktor stellt die Erreichbarkeit dar. Wichtig ist die Erreichbarkeit des Standortes für die Kunden innerhalb angemessener Zeiträume. Je entfernter die Bewohner wohnen, desto geringer ist der Anteil der potenziellen Nutzer. Sowohl die Straßenverbindungen als auch das ÖPNV-Netz bestimmen hierbei die Anfahrtszeiten. Letztlich sind viertens noch die topografischen oder baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen, so können
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5 Immobilienmarktentwicklungen
Geländehürden wie Flüsse oder Barrieren wie große Straßenkreuzungen oder Einbahnstraßen die Erreichbarkeit der Immobilien be- oder verhindern. Ein wesentlicher Fehler bei der Bestimmung des Einzugsgebietes besteht darin, dass das Einzugsgebiet zu groß festgelegt wird. Dadurch werden mehr Einwohner und mehr Kaufkraft berücksichtigt als eigentlich Potenzial vorhanden ist. Ein Indikator für die Beurteilung der Zukunftschancen einer Immobilie stellt die Abschöpfungsquote dar, d.h. der Anteil des Umsatzes des analysierten Objektes in Prozent des einzelhandelsrelevanten Kaufkraftvolumens des Einzugsgebietes. Zur Abgrenzung des Einzugsgebietes stehen in der Immobilienmarktanalyse verschiedene Methoden zur Verfügung. Idealerweise können diese miteinander kombiniert werden, um hinreichende Sicherheit zu erlangen. Die verschiedenen Arten der Abgrenzung reichen über einfache theoretische Verfahren wie die „Radiusmethode“ über die „Zeit-Distanz-Methode“ (Isochronenmethode) bis hin zu empirischen Verfahren wie die Befragungsmethode. Die erste und einfachste Möglichkeit der Bestimmung des Einzugsgebiets ist ein Kreis um den Immobilienstandort zu schlagen. Der Radius hängt davon von der „reinen“ Entfernung ab, den die Nachfrager bereit sind zu fahren.
Abb. 5.5:
Isochronen des Einzugsgebiets Bochum; Quelle: GfK GeoMarketing
Das zweite Verfahren, wie in der Abbildung 5.5 für ein Einkaufszentrum in Bochum dargestellt, sind Isochronen, die sich aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung der Infrastruktur ergeben. Eine Isochrone ist die Grenzlinie mit gleicher zeitlich gemessener Distanz zu einem
5.2 Immobilienmarktanalysen
153
bestimmten Standort, die sich z.B. aufgrund der Pkw-Fahrzeit oder der Gehminuten unter Beachtung der Straßenverhältnisse ergibt. Dieser Indikator ist aussagekräftiger als eine Betrachtung der „reinen“ Entfernung, da er auch die Qualität der Verkehrswege berücksichtigt. Die Aktivierbarkeit der potenziellen Besucher nimmt mit wachsender Entfernung ab, da die Anlage innerhalb eines größeren Gebietes zunehmend mit anderen Angeboten konkurriert. So werden bei einer differenzierteren Analyse Isochronen mit unterschiedlichen Zeitabständen zum Standort gebildet. Die Einwohner innerhalb der jeweiligen Zone werden ein annähernd gleiches Verhalten zeigen, so dass die Besuchshäufigkeit als weitgehend identisch anzunehmen ist. Isochronen stellen aber nur das potenzielle Einzugsgebiet dar. Erst wenn z.B. die Wettbewerbsstrukturen oder die Standortbedingungen berücksichtigt werden, kann das tatsächliche Einzugsgebiet ermittelt werden. Für die Konkurrenzstandorte können ebenfalls Isochronen gebildet werden. Als Folge können sich die Einzugsgebiete überschneiden und sind somit beim tatsächlichen Einzugsgebiet zumindest teilweise nicht zu berücksichtigen. So kann das Einzugsgebiet in der Realität sehr stark von dem durch die Zeit-Distanz-Methode der Isochronen ermittelten potenziellen Gebiet abweichen. Bei vielen Analysen und Studien zeigen sich deutliche Fehleinschätzungen, da häufig selbst für kleinere Einzelhandelsimmobilie ein viel zu großes Einzugsgebiet ausgewiesen wird. Die dritte Möglichkeit besteht in der empirischen Ermittlung von Einzugsgebieten mit Hilfe von Befragungen, die sich insbesondere für bestehende Standorte eignet. Anhand der Befragungen von Kunden, Passanten oder Haushalten nach dem Herkunftsort, der Besuchshäufigkeit und dem Ausgabeverhalten in der Immobilie lässt sich das jeweilige Ausmaß der Bindung an eine Einzelhandelsimmobilie und somit das Einzugsgebiet abschätzen.
5.2.2
Standortanalyse
Ein Standort ist ein geographischer Ort eines Unternehmens oder einer Immobilie. Der Standort bildet für den wirtschaftlichen Erfolg eines Immobilienobjektes einen wesentlichen Faktor. Ein Standort determiniert die Nutzungsmöglichkeiten und auch die Wertentwicklung einer Immobilie. Die Grundlage für die optimale Wahl eines Standortes bildet eine Standortanalyse, bei der eine Beschreibung und Bewertung nach einheitlichen Kriterien erfolgen sollte. Im Rahmen der Immobilienmarktanalyse wird die langfristige Standortqualität in Abhängigkeit von der jeweiligen Objektart beurteilt. Die Eignung eines Standortes kann sich in Abhängigkeit von der Nutzung deutlich verändern. Ein Standort ist nicht von vorneherein gut oder schlecht, sondern diese Beurteilung hängt insbesondere von der beabsichtigten Nutzung ab. Standortanalyse Die Aufgabe der Standortanalyse im Rahmen einer Immobilienmarktanalyse besteht darin, alle derzeitigen sowie zukünftig absehbaren Faktoren im näheren und weiteren Umfeld einer Immobilie zu erheben, zu beschreiben und zu beurteilen. Die Standortlehre lässt sich auf den deutschen Nationalökonom Johann Heinrich von Thünen zurückführen. In seinem 1826 erschienenen Werk „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“ analysiert er, inwieweit ökonomische Gesetzmäßig-
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5 Immobilienmarktentwicklungen
keiten zur Herausbildung optimaler räumlicher Strukturen der Bodennutzung führen. Hieraus resultierten die „Thünen′schen Kreise“, die sich konzentrisch um die Stadt als zentralen Markt anordnen. Aufbauend auf diesen Annahmen entwickelte Walter Christaller 1933 die „Theorie der zentralen Orte“, mit der er versuchte, die hierarchische Struktur der räumlichen Wirtschafts- und Siedlungsordnung anhand ökonomischer Bestimmungsfaktoren zu erklären. Die von Christaller nachgewiesene Struktur spiegelt sich auch heute noch in der landesplanerisch festgelegten Zentrenhierarchie von Ober-, Mittel- und Unterzentren wider. Im Vergleich zu den bisher aufgezeigten Standorttheorien zeigen die Standortentwicklungstheorien Wachstums- und Entwicklungsrichtungen von Räumen auf. In der Volkswirtschaftslehre herrscht weitergehend Einigkeit, dass regionales Wirtschaftswachstum sowohl von internen (z.B. vorhandene Produktions- und Nachfragepotenziale) als auch von externen Einflüssen wie Exportnachfrage abhängt. Standortfaktoren Unter Standortfaktoren werden alle für eine Immobilie bedeutenden räumlichen Bedingungen verstanden, die den Standort wesentlich prägen und somit die nutzungsspezifische Qualität der Lage bestimmen. Die Standortqualität beeinflusst wiederum die Realisierungsund Marktchancen eines Immobilienprojektes.
Standortanalyse Makro- und Mikrostandort Geografische Lage Grundstück
Verkehrsstruktur
Wirtschaftsstruktur
Soziodemografische Struktur
Image Investitionsklima
harte und weiche Standortfaktoren Stärken und Schwächen des Standortes Entwicklungschancen und -restriktionen Abb. 5.6:
Standortanalyse; Quelle: eigene Darstellung
Bei der Standortanalyse (siehe Abbildung 5.6) wird zunächst unterschieden nach dem Makrostandort und dem Mikrostandort einer Immobilie. Des Weiteren kann dann jeweils eine Untergliederung in harte und weiche Standortfaktoren vorgenommen werden. Während sich die harten Faktoren relativ leicht erfassen und quantifizieren lassen, ist dieses bei den weichen eher nicht gegeben, da diese häufig subjektiven Bewertungen unterliegen. Die Analyse des Makrostandortes beschäftigt sich mit den Bedingungen im weiteren Umfeld der Immobilien (z.B. Umland, Kreis, Stadt). Der Makrostandort ist der Großraum, in
5.2 Immobilienmarktanalysen
155
dem sich ein Grundstück befindet sowie dessen Einzugsgebiet. Die Ausdehnung Makrostandort stimmt nicht unbedingt mit den Stadtgebietsgrenzen überein. Ein guter Makrostandort ist von hoher Bedeutung für jeden darin enthaltenen Mikrostandort. Die Makrostandortfaktoren sind üblicherweise kaum bzw. nur langfristig veränderbar. Wesentliche harte Faktoren, die hier betrachtet werden, bestehen aus der räumlichen Struktur, die in die geografischen Lagen, die Verkehrsstruktur und die Wirtschaftsstruktur unterteilt wird. Bei der Lage wird z.B. die Entfernung zu Nachbarstädten oder die Zentralörtlichkeit ermittelt. Die Verkehrsstruktur untersucht die Verkehrsanbindung und die Erreichbarkeit des Standortes. Bei der Wirtschaftsstruktur werden schließlich die allgemeine wirtschaftliche Attraktivität und die regionalen Entwicklungspotenziale analysiert. In diesem Zusammenhang sind die gesamtwirtschaftlichen und sozio-demografischen Rahmenbedingungen ein wesentlicher Faktor. Bei den weichen Standortfaktoren geht es u.a. um die Qualität der Arbeitskräfte sowie das Image und die kulturelle Ausstattung eines Standortes. Darüber hinaus werden als weiche Faktoren die Wohn- und Lebensqualität sowie das wirtschaftliche und politische Klima bewertet. Der Mikrostandort kennzeichnet hingegen die unmittelbare Umgebung einer Immobilie (z.B. Stadtteil, Quartier, Grundstück). Üblicherweise werden darunter das Grundstück und sein unmittelbares Umfeld gesehen. Der Mikrostandort hängt auf der einen Seite von der Entwicklung des Makrostandortes ab, auf der anderen Seite ergibt sich die Qualität des Makrostandortes aus der Summe der Beurteilungen der Mikrostandorte. Während ein Teil der Faktoren auf der Mikroebene sich im Zeitablauf nicht verändert, können sich andere Größen wie z.B. Prestige der Lage innerhalb weniger Jahre wesentlich verändern. Dementsprechend schwieriger gestalten sich hier Prognosen über die zukünftige Entwicklung. Die harten Standortfaktoren unterscheiden sich zum einen nach der Lage und zum anderen nach der Beschaffenheit des Grundstücks. Die Stärken und Schwächen der näheren Umgebung werden u.a. durch Faktoren wie die Art der Nutzung oder die Bebauung in der Umgebung bestimmt. Darüber hinaus ist auf Synergieeffekte ebenso wie auf mögliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten für eine zukünftige Expansion zu achten. Einen wichtigen Aspekt bei der Analyse bilden die Infrastruktur und die Parkplatzkapazitäten, da bei vielen Objektarten die Nutzer mit dem eigenen Pkw anreisen. Dementsprechend ist die Erreichbarkeit und eine gute Verkehrsanbindung ein wesentliches Kriterium für die Attraktivität des Mikrostandortes. Bei den weichen Standortfaktoren wird auf die Eigenschaften und das Image des Standortes eingegangen. Für ein gutes Standortimage sind die Qualität der Bebauung und die Attraktivität der Umgebung bedeutend. Zur Beurteilung von Standorten existieren drei unterschiedliche Methoden. Als erstes können Standortanalysen individuell bzw. nicht standardisiert erstellt werden. Zweitens können insbesondere zur Beurteilung von Alternativstandorten Checklisten erstellt werden. Dementsprechend werden die relevanten Einzelkriterien weitgehend standardisiert und getrennt voneinander bewertet. Drittens können auf der Basis von Checklisten Scoring-Modelle entwickelt werden, um die einzelnen Standortmerkmale in Abhängigkeit ihrer Bedeutung entsprechend individuell zu gewichten.
156
5.2.3
5 Immobilienmarktentwicklungen
Marktanalyse
Die Marktanalyse zielt auf die Einschätzung der jetzigen und zukünftigen Angebots- bzw. Wettbewerbsbedingungen und Nachfragesituation in den unterschiedlichen Immobilienmärkten. Dabei werden die Marktgröße, -struktur und -dynamik untersucht. Marktanalyse Die Marktanalyse im Rahmen einer Immobilienmarktanalyse ist eine objektive, methodisch orientierte, fachlich fundierte Untersuchung der Angebots- und Nachfragebedingungen und -perspektiven auf einem Immobilienmarkt.
Die Marktgröße wird durch das Marktvolumen gemessen. Es ist die Gesamtheit der realisierten Absatzmengen für einen Markt und wird in Mengen- oder Wertgrößen gemessen. Eine mengenmäßige Messung erfolgt anhand von Stückzahlen, wobei dies einfacher und genauer als die Messung in Wertgrößen ist, da diese zusätzliche Bewertungsprobleme mit sich bringt. Der Marktumsatz berücksichtigt neben der Mengenkomponente den (durchschnittlichen) Marktpreis. Neben dem derzeitigen Marktvolumen ist das zukünftige Marktpotenzial von Bedeutung. Die Marktstruktur beschreibt die Art und Anzahl der Marktteilnehmer. Eine Differenzierung kann nach Anbietern, Nachfragern und dem auf dem Markt gehandelten Gütern erfolgen. Die Struktur eines Marktes entsteht durch das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage. Die Marktdynamik kennzeichnet die Entwicklung eines Marktes und wird meist durch das Marktwachstum gemessen, das die Zunahme der Marktgröße innerhalb eines festgelegten Zeitraums darstellt. Neben dem generellen Marktwachstum sollten auch konjunkturelle und saisonale Einflüsse in die Betrachtung eingezogen werden. Beim Angebot sowie der Nachfrage werden die grundsätzlichen (siehe Kapitel 3) und die spezifischen (siehe Kapitel 5.3.2 bis 5.3.4) Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren analysiert. Dabei kann zwischen den grundsätzlichen Einflussfaktoren wie der demografischen Entwicklung und den marktspezifischen wie der Haushaltsentwicklung bei den Wohnungsmärkten unterschieden werden. Auf der Grundlage der Angebots- und Nachfrageverhältnisse ergibt sich das Marktergebnis und die -entwicklungen in Form von Preisen und Renditen für den Investmentmarkt sowie Mieten und Leerständen für die Vermietungsmärkte. Entscheidend ist auch hier jeweils die Prognose der zukünftigen Entwicklung (siehe Abbildung 5.7).
5.2 Immobilienmarktanalysen
157
Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren grundsätzliche markt-spezifische Angebot Marktergebnis: Preis, Rendite, Miete, Leerstand Nachfrage markt-spezifische grundsätzliche Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren Abb. 5.7:
Überblick Immobilienmarktanalyse; Quelle: eigene Darstellung
Angebotsanalyse Die Angebotsanalyse ist ein wesentlicher Baustein der Marktanalyse und analysiert die Bedingungen des Angebots im näheren und weiteren Umfeld. Eine ausschließliche Betrachtung der Nachfrage ist nicht ausreichend, um das zukünftige Potenzial eines Marktes einzuschätzen und damit marktgerechte Entscheidungen bei Investitionen oder Neubauprojekten vornehmen zu können. Als erste Komponente der Marktanalyse untersucht sie die Qualität und die Quantität des bereits vorhandenen, in Bau befindlichen, projektierten und geplanten Immobilienbestandes eines Marktes. Von dem Bestand wird jährlich nur ein geringer Anteil vermietet oder verkauft und stellt dann das Angebot auf den entsprechenden Märkten dar. Je nach Untersuchungszweck kann zum einen der gesamte Bestand oder zum anderen nur das gegenwärtige oder zukünftige Angebot analysiert werden. Die Angebotsuntersuchung hat zum einen das Ziel, den regionalen Teilmarkt mit seinem Bestand darzustellen. Der Bestand bzw. das Angebot kann nach quantitativen und qualitativen Kriterien untersucht werden. Die spezifischen Merkmale können die Lage und das Image oder die Klassifizierung nach Größe, der Art der Nutzung und der bauliche Zustand sein. Ein weiteres Kriterium ist der Gebäudebestand und dessen Altersstruktur. Weiterhin kann das Angebot hinsichtlich der Miet- und Mietnebenkosten geclustert werden. Diese Analyse kann darüber Aufschluss geben, ob eventuelle Angebotslücken oder -schwächen bestehen. Zum anderen sollen bei der Potenzialanalyse die jüngst realisierten und in Planung befindlichen Bauvorhaben im Projektumfeld und auf dem gesamten Teilmarkt aufgezeigt werden. Neben der Analyse des Ist-Bestandes ist es für die Potenzialabschätzung eines Marktes bzw. Standortes notwendig, wo, wie viel, von wem und insbesondere auch wann bzw. wie wahrscheinlich ein Projekt entwickelt wird. Lagevorteile oder konzeptionelle Vorteile können entscheidende Auswirkungen auf die Vermietungs- und Verkaufsaussichten haben. Amtliche Statistiken über den Flächenbestand liegen in Deutschland zwar für den Wohnungsmarkt, nicht aber für den Gewerbeimmobilienmarkt vor. Im Gegensatz dazu sind Daten über die Baufertigstellungen für alle Objektarten in den amtlichen Statistiken vorhanden.
158
5 Immobilienmarktentwicklungen
Das Angebot auf dem Immobilienmarkt wird jedoch nicht nur durch die Fertigstellung neuer Immobilien oder Flächen bestimmt. Auch innerhalb eines konstanten Bestandes kommt es zu Veränderungen. Maßgebliche Einflüsse gehen hier vom Alter und Zustand der Gebäude und der damit verbundenen Wertentwicklung aus. Daneben spielen alternative Nutzungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle, da die für die ursprüngliche Nutzung nicht mehr benötigten Immobilien eine weitere Verwendung erfahren können. Als Beispiel sei hier die weitere Nutzung alter Büroimmobilien als Wohnimmobilien genannt. Gemeinsam mit der Flächennachfrage bestimmt der Immobilienbestand auch die Leerstände, welche wiederum ein wichtiges Signal für die Projektentwicklung neuer Flächen sind. Werden die Leerstände durch eine zunehmende Flächenabsorption geringer, wird das Angebot in der Zukunft ausgedehnt werden. Wettbewerbsanalyse Die Wettbewerbsanalyse ist eine spezielle Form der Angebotsanalyse und ermittelt die relevante Marktposition eines Teils der Immobilienwirtschaft (z.B. Unternehmen oder Immobilien) im Vergleich zu dem Wettbewerb (Konkurrenz). Die Aufgabe der Wettbewerbsanalyse besteht darin, die vorhandene ebenso wie die zukünftige Wettbewerbssituation sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Dimension zu erfassen und zu bewerten. Bei der Beurteilung der Konkurrenz findet deren Standortqualität mit u.a. der Erreichbarkeit und der Anzahl der Parkplätze besondere Beachtung. Erst auf dieser Basis lässt sich eine Einschätzung der Marktanteile der anderen Anbieter vornehmen. Der Einfluss einer starken Konkurrenz wird sich ebenso auf die Ausdehnung des Einzugsgebietes auswirken. Darüber hinaus sind die angrenzenden Wettbewerber außerhalb des betrachteten Einzugsgebietes zu beachten, da es zu Überschneidungen der Einzugsgebiete kommen kann. Wichtig ist weiterhin, bei der Analyse nicht nur die jetzige Lage zu bewerten, sondern auch die zukünftige Konkurrenzsituation zu beachten. Eine hohe Dynamik bei der Nachfrage macht einen Markt attraktiv für neue Anbieter, so dass sich durch den Markteintritt der Marktanteil der bestehenden Anbieter verringern kann. In diesem Zusammenhang sind die Markteintrittsbarrieren zu beachten, die den Zugang neuer Konkurrenz ver- oder behindern. So zeichnen sich z.B. oligopolistische Märkte dadurch aus, dass es eher schwierig ist, für neue Anbieter einen Marktzugang zu erreichen. Daneben können es auch hohe Anfangsausgaben in Form von Finanzierungsmitteln (insbesondere Eigenkapital) oder Betriebsausgaben sein, die den Eintritt von neuen Anbietern erschweren. Weiterhin können Finanzierungsvorbehalte der Banken verhindern, dass neue Konkurrenz entsteht.
5.2 Immobilienmarktanalysen
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Potenzielle Konkurrenten
Verhandlungsstärke der Zulieferer
Brancheninterner Wettbewerb
Verhandlungsstärke der Kunden
Substitute Abb. 5.8:
Grundschema einer Wettbewerbsanalyse; Quelle: eigene Darstellung
Die Wettbewerbsanalyse sollte sich aber nicht nur auf die Konkurrenz zwischen den bestehenden Anbietern beschränken. Entsprechend der Wettbewerbsanalyse von Porter sind, wie in der Abbildung 5.8 dargestellt, weitere Faktoren zu berücksichtigen. Dies soll anhand des Beispiels eines Geschäftshauses mit Einzelhandels-, Büro- und Wohneinheiten in einer Haupteinkaufsstraße erläutert werden. Der brancheninterne Wettbewerb ist hier beschränkt, da es nicht einfach möglich ist, die Haupteinkaufsstraße zu verlängern. Gleichzeitig gibt es aber üblicherweise Konkurrenzgebäude mit einem ähnlichen Angebot an Flächen. Die Bedrohung durch neue Konkurrenten ist durch die räumlichen Marktzutrittsbarrieren begrenzt. Ein neues Geschäftshaus würde zu zusätzlichen Kapazitäten führen und damit den Wettbewerb verschärfen. Aber es gibt einerseits Hindernisse, da die räumliche Ausdehnung insbesondere der 1a-Lagen von Hauptgeschäftsstraßen begrenzt ist. Andererseits kann aber z.B. durch die Neuansiedlung eines Shopping Centers sich die gesamte Situation verändern, was aber hohe Investitionen voraussetzt. Der Einfluss von Lieferanten ist unbestimmt, da Lieferanten für ein Geschäftshaus schwer zu identifizieren sind. Dies können z.B. Unternehmen sein, die das Geschäftshaus bauen oder Investoren, die es verkaufen. Zunächst wäre hier eine exakte Abgrenzung notwendig, um dann den Einfluss zu bestimmen. Aber auch die Banken können Lieferanten darstellen, die für den Bau bzw. Kauf das notwendige Fremdkapital zur Verfügung stellen. Die Verhandlungsstärke der Kunden ist hingegen gering, wenn es sich bei den Kunden um Mieter des Geschäftshauses handelt. Da diese Flächen in den 1a-Lagen begrenzt sind, handelt es sich häufig um einen „Verkäufermarkt“ (siehe Kapitel 4.2.4), in dem der Vermieter über mehr Macht verfügt. Die Bedrohung durch Substitute hängt davon ab, welche Objektart in einem Geschäftshaus mit üblicherweise Einzelhandel, Büroräumen oder Wohnungen betrachtet wird. Wohnungen sind lebensnotwendige Güter und auch für Büroimmobilien gibt es bislang nur wenige Alternativen (Home-Office). Für Einzelhandelsflächen gibt es aber vielfältige Substitute, vor allem der Handel über das Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung.
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5 Immobilienmarktentwicklungen
Der Einfluss des Staates ist auf den Immobilienmärkten (mit Ausnahme der Wohnungsmärkte) in Deutschland eher gering. Beim Einzelhandel z.B. versucht der Staat vor allem durch ordnungspolitische Vorgaben Rahmenbedingungen zu setzen. Eine derartige auf Porter zurückgehende Wettbewerbsanalyse kann auch für andere Bereiche der Immobilienwirtschaft genutzt werden. So kann diese z.B. für verschiedene Immobilien oder Immobilienmärkte oder Zweige der Immobilienwirtschaft durchgeführt werden. Nachfrageanalyse Die Nachfrageanalyse ist die zweite Komponente der Marktanalyse, in der all die Faktoren untersucht werden, die über das Ausmaß der aktuellen und potenziellen Nachfrage Auskunft geben. Dabei werden sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren berücksichtigt. Die Nachfrageanalyse setzt häufig die Bestimmung eines Einzugsgebiets voraus wie es für Einzelhandels- oder Freizeitimmobilien üblich ist. Bei Büro- oder Wohnimmobilien ist eine regionale Abgrenzung der Herkunft der Nachfrager deutlich schwieriger möglich. Hier bietet sich eine Analyse nach anderen Kriterien wie Flächenbedarf der Nachfrager bei Büroimmobilien oder Einkommen bei Wohneigentum an. Die im Einzugsbereich gegebenen Strukturen haben entscheidenden Einfluss auf das Marktpotenzial. Je höher die Übereinstimmung mit der – je nach Angebot sehr unterschiedlichen – Zielgruppenstruktur, desto größer ist das Potenzial. Die unter den jeweiligen Rahmenbedingungen zu erwartenden Zielgrößen (z.B. Besucher, Pro-Kopf-Ausgabe, Marktanteil) zu ermitteln, ist eine der vordringlichsten Aufgaben der Nachfrageanalyse. Das Nachfragepotenzial ergibt sich zum einen aus dem Umfang und der Struktur der Bevölkerung in den einzelnen Bereichen des Einzugsgebietes. Zum anderen sind auch z.B. beim Einzelhandel Gäste und Touristen von außerhalb des Einzugsgebietes in die Analyse des möglichen Besucheraufkommens einzubeziehen. Diese Potenzialreserve wird häufig berücksichtigt, ist aber methodisch zweifelhaft. Problematisch ist dieses Vorgehen, wenn sich erst durch die Einbeziehung der Potenzialreserve die Voraussetzungen für ein rentables Objekt ergeben. Die Analyse weiterer sozio-demografischer Faktoren gibt zusätzliche Hinweise auf die Aktivierbarkeit des Nachfragepotenzials. So ist die Altersstruktur der Bevölkerung ein bedeutender Faktor zur Beurteilung des Nachfragepotenzials. Sie gibt wichtige Hinweise darauf, welche Überlegungen bezüglich der Konzeptionierung und der Zielgruppenansprache beim Aufbau eines Angebotes zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung der Nachfrage können auch sozio-demografische Faktoren wie Geschlecht oder Bildungsstand zusätzliche Hinweise liefern. Eine weitere Voraussetzung für die Aktivierung des Nachfragepotenzials ist die Mobilität der Nachfrager. Neben der Ermittlung der mengenmäßigen Anzahl der Nachfrage sind auch die monetären Aspekte der Nachfrage zu berücksichtigen. Von der Gesellschaft für Konsumforschung GfK sind verschiedene sozio-ökonomische Indikatoren entwickelt worden, die das Nachfragepotenzial der Bevölkerung widerspiegeln.
5.2 Immobilienmarktanalysen
161
Indikatoren für das Nachfragepotenzial Die Kaufkraftkennziffer ist eine Kennzahl für das Bewerten des Konsumpotenzials der Einwohner eines Gebiets. Die Kaufkraft ist die Summe der Nettoeinkünfte, die für Konsumzwecke zur Verfügung steht. Die Kaufkraftkennziffer mit einem Indexwert von 100 gilt für den Durchschnitt in Deutschland. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft umfasst die Anteile der Kaufkraft, die für Ausgaben im Einzelhandel nach Abzug von z.B. Mieten, Reisen oder Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Die Umsatzkennziffer beschreibt den Umsatz je Einwohner am Einkaufsort der Konsumenten und spiegelt die regionale Verteilung der Umsätze wider. Die regionalen Umsätze werden in Abweichung zum Bundesdurchschnitt von 100 angegeben. Die Zentralitätskennziffer gibt die Höhe der Zentralität eines Ortes an und ist ein Maß für die Attraktivität eines Standortes als Einkaufsort. Sie ergibt sich als Quotient von Umsatzkennziffer durch Kaufkraftkennziffer. Liegt der Wert über 100, so besteht ein Kaufkraftzufluss vor. Bei der Nachfragepotenzialanalyse ist allein eine statische Analyse nicht ausreichend, da sich erst durch eine langfristige Betrachtung genügend Erkenntnisse für die Bewertung ergeben. Zur Abschätzung der Trends sind insbesondere Prognosen über die ökonomische und soziodemografische Entwicklung bei den potenziellen Nachfragern notwendig.
5.2.4
Ergebnisse einer Immobilienmarktanalyse
Im Rahmen einer Immobilienmarktanalyse wird zunächst das Einzugsgebiet bestimmt (soweit notwendig) und sowohl der Standort als auch der Markt als Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage analysiert. Dabei wird nicht nur die Vergangenheitsentwicklung berücksichtigt, sondern auch eine Prognose über die zukünftige Entwicklung des Marktumfeldes und des Marktes selber erstellt. Als Konsequenz dieser Erkenntnisse ergeben sich das Marktergebnis und dessen Entwicklung, in denen sich alle Faktoren widerspiegeln. Die Indikatoren für die Märkte und die Marktergebnisse unterscheiden sich je nach dem welcher Markt betrachtet wird. Dies gilt insbesondere für die Unterscheidung von Vermietungs- und Investmentmärkten. Für die Vermietungsmärkte sind wesentliche Indikatoren die Höhe und die Entwicklung von Mieten und Leerständen, für die Immobilien-Investmentmärkte sind es die Trends bei Preisen und Renditen. Ein Hinweis auf den Umfang der Geschäftstätigkeit auf einem Markt ist der Flächenumsatz, der sowohl mengenmäßig (z.B. Anzahl der Transaktionen) als auch wertmäßig (z.B. Umsatzvolumen) dargestellt werden kann. Bei Gewerbeimmobilien hat der Flächenumsatz eine wichtige Rolle, bei dem alle Flächen erfasst werden, die in einem bestimmten Markt in einem Zeitraum vermietet werden. Diese Größe spiegelt den Umfang des Marktgeschehens und der Vermietungsleistung wider. Der Umsatz kann nach weiteren Kriterien analysiert werden, z.B. nach Teilmärkten oder Ausstattung oder Größen- oder Miethöhenklassen. Da dieser Indikator jedoch wenig über die tatsächliche Ausdehnung der Flächennachfrage aussagt, wird die Nettoabsorption herangezogen. Diese Größe misst die Veränderung der in Anspruch genommenen Fläche während eines Zeitraumes in einem Marktgebiet. Dieser Indikator wird üblicherweise nur für Büromärkte ausgewiesen.
162
5 Immobilienmarktentwicklungen
Durch das Zusammenspiel von Angebot (Flächenfertigstellungen) und der Flächennachfrage (Nettoabsorption) auf den Vermietungsmärkten ergibt den Leerstand. Der Leerstand umfasst alle Flächen, die nicht vermietet sind, aber unmittelbar zu beziehen sind. Auch der Leerstand kann nach der Ausstattung und anderen Kriterien unterschieden werden, um eine teilmarktgerechte Analyse vornehmen zu können. In den Immobilienpreisen und -mieten verdichten sich die Marktinformationen. Preise und Mieten sowie deren Veränderungen sind Indikatoren für Angebotsknappheiten oder -überschüsse auf einem Markt. Bei den Mieten spiegeln die Neu- und Wiedervermietungsmieten die aktuelle Marktlage am besten wider. Bestandsmieten lassen alleine nur wenige Rückschlüsse auf die aktuelle Situation am Mietmarkt zu. Je entspannter ein Markt ist, desto stärker nähern sich die Neu- und Wiedervermietungsmieten jedoch den Bestandsmieten an. In einem angespannten Markt liegen diese jedoch weiter von den Bestandsmieten entfernt. Aufgrund der unterschiedlichen Preiselastizitäten sind Schwankungen bei den Mieten häufig festzustellen. Erst mit einem Time-Lag reagiert das Angebot auf die gestiegenen Mieten, die auf eine erhöhte Nachfrage zurückzuführen sind. Entsprechend steigt oft auch noch das Angebot, wenn die Nachfrage bereits rückläufig ist; als Ergebnis sinken dann die Mieten wieder. Umgekehrt haben Mietentwicklungen wiederum Signalwirkungen: einerseits als Investitionsanreize in anziehenden Märkten und andererseits in abschwächenden Märkten, um Planungen zu verwerfen oder zurückzustellen. Auch hier ist wiederum jeweils mit einer Zeitverzögerung zu rechnen. Auf den Investmentmärkten bilden sich die Preise durch das Angebot (Verkäufer) und die Nachfrager, die eine Immobilie kaufen wollen. Während für Wohnimmobilien diese Preise auch ausgewiesen werden, werden bei Gewerbeimmobilien die Renditen oder als Kehrwert der Faktor bzw. Vervielfältiger (Multiplikator) angegeben. Die Renditen berechnen sich allgemein als Mieten durch Kaufpreis, wobei bei der Berechnung unterschiedliche Einnahmen und Kosten berücksichtigt werden können. Von den Maklern werden auch Kapitalwerte berechnet, die aus den geschätzten Spitzenmieten und -renditen abgeleitet werden und den theoretischen Wert der Flächen bester Qualität in bester Lage darstellen. Die folgende Übersicht zeigt einen Auszug aus einer Standort- und Marktanalyse für den Einzelhandel in Gelsenkirchen. Die komplette Studie ist auf der Homepage http://stadt.gelsenkirchen.de im Bereich Wirtschaft verfügbar. Das Einzelhandelskonzept für Gelsenkirchen ist detaillierter als viele andere Marktstudien, da sie jeweils die separaten Stadtteile und unterschiedliche Betriebstypen des Einzelhandels analysiert. Auszug aus dem Einzelhandelskonzept für die Stadt Gelsenkirchen 1. Vorbemerkungen 2. Bestandsanalyse: Angebots- und Nachfragestrukturen 2.1 Zentralörtliche Bedeutung 2.2 Der Makrostandort 2.3 Kaufkraftverhältnisse und Einzugsbereich 2.4 Nachfragepotenzial im Einzugsbereich 2.5 Leistungsdaten zum Einzelhandel: Betriebe, Verkaufsfläche, Umsätze, Flächendichte und Betriebstypenstruktur 2.6 Handelszentralitäten und Marktabschöpfung
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
3. 4. 5.
6.
163
2.7 Kaufkraftströme 2.8 Einschätzung des regionalen Wettbewerbs Zur Marktposition der Zentren Altstadt (City) und Buer Einzelhandelsstrukturen, Handelszentralität, Marktabschöpfung, Einkaufslagen und Handlungsansätze Angebots- und Nachfragestrukturen in den Stadtteilen Einzelhandelskonzept 5.1 Stadtteilspezifische Standortempfehlungen 5.2 Handelszentralitäten in den Stadtteilen: Nahversorgungskonzept 5.3 Maßnahmenempfehlungen für großflächigen Einzelhandel: Fachmärktekonzept Anhang
5.3
Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
Die in den beiden vorangegangenen Kapiteln der Makro- und Mikroökonomik gewonnenen theoretischen Erkenntnisse werden in den folgenden Abschnitten verwendet, um die Immobilienmärkte in Deutschland und deren Entwicklungen zu analysieren. Dabei wird zunächst auf den Immobilien-Investmentmarkt eingegangen, der zum einen alle gewerblichen Objektarten umfasst, sich aber zum anderen im Wesentlichen nur auf die institutionellen Investoren beschränkt. Danach werden die Vermietungsmärkte für Büros, Einzelhandel und Wohnen in Deutschland hinsichtlich der Einflussfaktoren und der Entwicklungen analysiert. Die im Folgenden verwendeten Definitionen zu den einzelnen Märkten orientieren sich an den Definitionssammlungen der Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung (gif). Darüber hinaus stammen sie von dem Statistischen Bundesamt oder anderen Marktresearchern.
5.3.1
Immobilien-Investmentmarkt
Der Immobilien-Investmentmarkt ist der Markt, auf dem Immobilien verkauft bzw. finanzielle Mittel in Immobilien angelegt werden. Auf dem Investmentmarkt treffen sich gemäß Schaubild 5.9 die Eigentümer, die eine Immobilie verkaufen wollen und die Nachfrager bzw. Investoren. Durch den Kauf bzw. Transaktion ergibt sich der Preis des Objektes, der nach volkswirtschaftlicher Auffassung auch dem Wert des Gutes entspricht. In Verbindung mit dem Cash Flow des Objektes kann entsprechend eine Rendite berechnet werden. Während beim Kauf von Wohnimmobilien vorwiegend der Kaufpreis im Vordergrund steht, sind es bei den (institutionellen) Investoren des gewerblichen Immobilienmarktes die Renditen.
164
5 Immobilienmarktentwicklungen
Projektentwicklungsmarkt
Vermietungsmarkt
Immobilien-Investmentmarkt Cash Flow Transaktion Wert Preis Rendite
Abb. 5.9:
Angebot Eigentümer Verkäufer
Nachfrage Investoren Käufer
Abgrenzung des Immobilien-Investmentmarktes; Quelle: eigene Darstellung
Es gibt jedoch keine einheitliche Definition des Immobilien-Investmentmarktes, so dass in den Marktberichten unterschiedliche Definitionen und Marktabgrenzungen vorgenommen werden. Dies führt zu differenzierten Ergebnissen und Entwicklungstrends. Institutioneller Immobilien-Investmentmarkt Der institutionelle Immobilien-Investmentmarkt umfasst alle Transaktionen mit Immobilien (Käufe und Verkäufe), bei denen die Immobilie gewerblich genutzt wird. Unter dem institutionellen Immobilien-Investmentmarkt wird i.d.R. der professionelle bzw. gewerbliche Teil des Immobilienmarktes verstanden, auf dem Transaktionen bzw. Investments in gewerbliche Immobilien stattfinden. Üblicherweise werden nur Anlagen ab einer Höhe von 5 Mio. Euro in Deutschland berücksichtigt. Die Investitionen erfolgen in gewerblich genutzte Immobilien zum Zwecke der Kapitalanlage oder in Entwicklungsgrundstücke mit künftiger gewerblicher Nutzung oder zur gewerblichen Eigennutzung. Investitionen in Wohnungen oder Wohnungsportfolios werden üblicherweise nicht berücksichtigt. Die Investitionen umfassen zum einen Einzelinvestments und Portfoliotransaktionen, darüber hinaus Verkäufe von Gesellschaften sowie den Verkauf von immobilienbasierten Kreditportfolios. Zum anderen wird zwischen direkten und indirekten Investitionen (Asset vs. Share Deal) unterschieden. Beim Asset Deal erwirbt ein Anleger eine Immobilie direkt, was einen Grundstückserwerb einschließt. Share Deals sind hingegen Transaktionen, bei denen die Investoren die Anteile von Objektgesellschaften erwerben, die Immobilien halten. Bei dem Immobilien-Investmentmarkt in der Abgrenzung des Immobilienverband Deutschland IVD sind alle Immobilienkäufe enthalten, bei denen eine Grunderwerbssteuer in Deutschland fällig wird. Neben den institutionellen Investoren werden ebenfalls private Käufer und Verkäufer einbezogen, welche Immobilien zur Eigennutzung oder Kapitalanlage erwerben. Nicht berücksichtigt werden hingegen Share Deals. Aufgrund der wesentlich größeren Marktabgrenzung resultieren hieraus auch höhere Immobilienumsätze (siehe Exkurs in diesem Kapitel).
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
165
Die Marktberichte über den Immobilien-Investmentmarkt weisen daher erhebliche Differenzen auf. Dies liegt zum einen daran, dass amtliche und damit objektive Statistiken nicht verfügbar sind. Zum anderen bestehen bei den privaten Marktteilnehmern häufig unterschiedliche Marktabgrenzungen. Eine unverbindliche Richtlinie für die Berichte und Auswertungen stellt die gif-Richtlinie zum Immobilien-Investmentmarkt dar (vgl. gif, 2008a). Aus der nicht trennscharfen Abgrenzung des Marktes resultieren unterschiedliche Ergebnisse (z.B. bezüglich der Investmenthöhe oder der Rendite) oder sogar verschiedene Entwicklungstrends. Der Immobilien-Investmentmarkt war mit seinen Transaktionen von jeher von großer Bedeutung für die gesamte Immobilienbranche. Auf diesem Markt bilden sich durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage die Preise für Immobilien. Wird die Relation zwischen dem Immobilienpreis und dem Cash Flow (u.a. Mieten) und/oder der Wertsteigerung des Objektes ermittelt, ergeben sich die entsprechenden Renditekennziffern. Marktteilnehmer und ihre Interessen Immobilien haben sich in den letzten Jahren als eigenständige Assetklasse weitgehend etabliert und sind zum wichtigen Bestandteil von Portfolioüberlegungen geworden. Am Immobilien-Investmentmarkt agieren die unterschiedlichsten Investoren, die kurz- oder langfristige Investitionsziele haben können (siehe Abbildung 5.10). Dabei sind die Investitionsstrategien und das Investitionsvolumen institutioneller und privater Anleger sehr unterschiedlich.
Kurzfristinvestoren Bauträger Projektentwickler
Mittel- bis Langfristinvestoren Eigennutzer
Ziel: Veräußerung nach Fertigstellung / Verwertung Abb. 5.10:
Private Einzelanleger
Institutionelle Investoren
Ziel: Bestandhaltung oder Aktives Management
Investorentypen; Quelle: eigene Darstellung
Kurzfristinvestoren Als klassische Kurzfristinvestoren treten im Regelfall Bauträger und Projektentwickler auf. Diese Investorengruppe beschäftigt sich mit zum einen dem Neubau von Objekten und zum anderen dem Erwerb von bestehender Bausubstanz, die u.a. heutigen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird und nach Modernisierung, Umbau und/oder Optimierung einer neuen Verwendung zugeführt wird. Die Bauprojekte können im Rahmen von Auftragsbau für einen feststehenden Mieter oder Eigennutzer errichtet werden. Daneben ist auch ein spekulatives Investment möglich. Das grundsätzliche Ziel besteht darin, die Immobilie während oder nach der Fertigstellung bzw. Vermietung mit möglichst hohem Gewinn zu veräußern.
166
5 Immobilienmarktentwicklungen
Eigennutzer Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Immobilien von Investoren, die die Immobilien selbst nutzen wollen, erworben statt gemietet werden. Die Eigennutzer können die Sicherung der uneingeschränkten Verfügungsgewalt über die Immobilie mit allen Möglichkeiten der individuellen Anpassung anstreben. Weiterhin erreichen sie durch den Kauf eine dauerhafte Standortsicherung, wie z.B. bei Einzelhandelsflächen. Darüber hinaus können auch steuerliche und/oder Renditeaspekte für den Kauf entscheidend sein. Private Einzelanleger bzw. Einzelinvestor Hierbei handelt es sich um Investoren, die nur bei einer einzigen oder sehr wenigen Immobilientransaktionen als Marktteilnehmer auftreten. Immobilien gehören bei diesen Investoren zu einem Teil ihrer Kapitalanlage als Renditeobjekt. Institutionelle/Gewerbliche Investoren Institutionelle Investoren sehen die Immobilie als Anlageprodukt und können in zwei Gruppen unterteilt werden. Dies sind zum einen „Non-Property-Unternehmen“, die in Immobilien zur Portfoliodiversifikation investieren. Dazu zählen die Versicherungen/Pensionskassen oder Unternehmen (allgemein). Zum anderen sind dies „Property-Unternehmen“, deren Geschäft in der Erstellung, dem Handel und dem Betreiben von Immobilien liegen, wie z.B. offene und geschlossene Immobilienfonds, Spezialfonds, Immobilien AGs etc. Institutionelle Investoren zielen auf die Realisierung einer Rendite, welche zum einen aus Vermögenszuwächsen durch Wertsteigerungen der Immobilien und zum anderen durch Mieteinnahmen erzielt werden kann. Institutionelle Investoren Bei diesen Investoren handelt es sich um Marktteilnehmer, die für eigene und/oder fremde Rechnung regelmäßig Objekte erwerben bzw. veräußern und entsprechend professionell am Immobilienmarkt agieren. Durch den Aufbau von diversifizierten Immobilienportfolios wollen institutionelle Investoren das Verhältnis zwischen u.a. Risiko und Rendite optimieren, wobei die Struktur des Portfolios sich aus der Zusammenstellung u.a. folgender Komponenten ergeben kann. Unterschiedliche Länder und Standorte Durch das Investment in unterschiedlichen Ländern besteht neben möglichen Steuervorteilen und einer größeren Auswahl von Anlageprodukten die Möglichkeit, unterschiedliche Marktzyklen in einzelnen Ländern auszunutzen. Darüber hinaus gibt es auch innerhalb einzelner Standorte äußerst unterschiedliche langfristige Entwicklungstendenzen der lokalen Märkte, die beim Investment berücksichtigt werden können.
Unterschiedliche Nutzungsarten
Standardimmobilien (Büro, Handel, Wohnungen) mit geringerem Risiko können zusammen in einem Portfolio mit Spezialimmobilien (z.B. Hotel, Logistik) mit höheren Renditen/höherem Risikoprofil gebracht werden, um so die Gesamtrendite zu optimieren.
Unterschiedliche Risikoklassen
Auch wenn es keine einheitliche Definition der Risikoklassen gibt, können gemäß der Definitionen von Jones Lang LaSalle (2011, S. 31) üblicherweise unter Core-Immobilien Objekte
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
167
in 1a-Lagen mit einer hohen Objektqualität und mit langfristigen Mietverträgen von einwandfreien Adressen verstanden werden. Die Core Plus-Immobilien befinden sich in BLagen mit guter Objektqualität. Die Mietverträge weisen eher kurze Vertragslaufzeiten und/oder es bestehen eingeschränkte Mieterqualitäten. Bei den Value Added-Immobilien müssen die Objekte erst durch Umbau/Ausbau/Neukonzeption am Markt neu positioniert werden. Sie bedürfen eines aktiven Managements, um so Wertsteigerungspotenzial zu haben. Die Gruppe der Opportunistic-Immobilien umfasst Projektentwicklung oder entwicklungsfähige Gebäude in B- und C-Lagen mit Mieten weit unter Marktniveau oder Problemfälle. Die verschiedenen Risikoklassen weisen unterschiedliche Chancen und Risiken auf. Dies schlägt sich auf den möglichen Fremdkapitaleinsatz und die Renditeanforderung seitens der Investoren nieder. Direkte oder indirekte Immobilieninvestments Häufig hat der Investor nicht die Möglichkeiten, die Ressourcen oder das Know-how, um ausschließlich direkt in Immobilien zu investieren. Als Alternative bieten sich diverse Formen der indirekten Immobilienanlage an, in die zur Portfoliooptimierung investiert werden kann (siehe Kapitel 3.2.3). Einflussfaktoren auf das Investmentverhalten Bei einem ökonomisch rationalen Vorgehen der Investoren werden die Merkmale und Risiken eines Investments mit den Präferenzen und Erfordernissen des Investors in Einklang gebracht. Bei diesem Vorgehen werden die verschiedenen Investmentalternativen hinsichtlich der folgenden Entscheidungskriterien analysiert. Die Rentabilität ist ein wesentliches Kennzeichen von Investments. Falls ein Investment erfolgreich ist, werden dadurch zukünftige Erlöse erzeugt und/oder der Immobilienwert wird ansteigen. Der Investor erwartet von seinem Investment einen Profit, wobei er neben seinen investierten Betrag noch einen Gewinn erzielen möchte. Je höher der Gewinn, desto größer ist der Wert des Investments. Dabei ist sowohl die Höhe des Gewinns als auch der Zeitpunkt entscheidend, an dem der Gewinn anfällt. Im Zusammenhang mit dem Rentabilitätsziel steht das Anlageziel der Sicherheit. Dabei kann der Investor z.B. das Ziel der Kapitalerhaltung oder der Diversifikation haben. Der Bedarf an Management und damit z.B. an Zeitaufwand ist bei den einzelnen Investmentformen recht unterschiedlich. So benötigt ein Sparbuch häufig keine weitere Bearbeitung, während dies bei Immobilien deutlich mehr sein kann. Die letztere Art der Investition sollte aufgrund des höheren Aufwands und der Zeit auch mehr Rendite einbringen. Die Besteuerung ist ein weiteres Entscheidungskriterium, da die Investments unterschiedlich besteuert werden. Dieses Kriterium ist vor allem dann bedeutend, wenn internationale Investmentalternativen bewertet werden. Investoren sind vor allem an dem Gewinn nach Steuern interessiert. Das Kriterium Liquidität bezieht sich auf die Geschwindigkeit, die Kosten und die Möglichkeit ein Asset in Cash bzw. Geld umzutauschen. Geldanlagen in Aktien oder Sparkonten können sehr liquide sein, währenddessen Immobilien eher als illiquide Assets anzusehen sind. Um eine Immobilien in Geld umzuwandeln, gibt es die Möglichkeit diese zu verkaufen oder eine Schuld aufzunehmen. Beide Alternativen benötigen aber Zeit und verursachen Kosten.
168
5 Immobilienmarktentwicklungen
Die Risiken variieren bei den einzelnen Investments, was als die Gefahr eines Wertverlusts definiert wird. Es gibt verschiedene Arten von Risiken:
Das finanzielle Risiko ist der potenzielle Verlust des investierten Betrages oder des Profits. Das Zinsrisiko besteht darin, dass sich aufgrund von Zinsänderungen der Wert der Investition verringert (siehe Kapitel 3.2.3). Das Kaufkraft-Risiko bezieht sich auf einen potenziellen Verlust durch Inflation. Zwar erhält der Investor nominal den gleichen Betrag, aber real kann er sich dafür weniger leisten (siehe Kapitel 3.2.3). Das Risiko gesellschaftlicher Veränderungen besteht darin, dass durch diese Veränderungen Angebot und Nachfrage beeinflusst werden und damit auch die Rendite. Durch ihre Standortgebundenheit sind Immobilien hierfür besonders anfällig. Gesetzliche Änderungen können ein weiteres Risiko darstellen. Neue Gesetze (z.B. durch höhere Steuern) können die Profitabilität eines Investments negativ beeinflussen (siehe Kapitel 3.2.1). Nach einer anderen Abgrenzung können die Risiken nach Marktrisiken (u.a. Leerstand, Mieten oder Preise) oder Objektrisiken (z.B. Altlasten, Mietermix oder Mikrolage) oder Liquiditätsrisiken (Wiederverkaufsrisiko wie bei Liebhaberobjekte, schlechter Zustand oder Image) unterschieden werden. Entwicklung des globalen Immobilien-Investmentmarktes Über die Entwicklung der globalen Märkte liegen von den Marktresearchern unterschiedliche Statistiken vor, da auch hier unterschiedliche Abgrenzungen vorgenommen werden. Neben den schon aufgeführten Aspekten in der Einleitung dieses Kapitels lassen sich weitere Unterschiede z.B. auf die Verwendung von Wechselkursen zurückführen, da alle Transaktionen in US-Dollar umgerechnet werden. Aber auch in den einzelnen Jahresberichten der gleichen Marktbeobachter sind die Datenreihen nicht miteinander kompatibel. Nach Angaben von DTZ stieg der weltweite Bestand an Immobilieninvestments von 5,5 Bio. USD im Jahr 2000 auf 11,4 Bio USD im Jahr 2010. Den größten Anteil dabei hatte dabei jeweils die USA, deren Anteil sank aber von knapp 50 v.H. auf gut 30 v.H. Der nächstgrößte Investitionsraum ist Asien und Pazifik, dessen Anteil bei knapp 30 v.H. relativ konstant blieb. Hingegen stieg sowohl absolut als auch relativ die Bedeutung Europas. Das Investitionsvolumen stieg von 1,5 Bio. USD auf 4,2 Bio. USD, wobei das einen Anteil von knapp 30 v.H. bedeutete.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
1.200
169
in Mrd. USD
1.000 800 600 400 200 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012* Asien Abb. 5.11:
Europa
Nordamerika
Rest
Jährliche Transaktionen auf dem globalen Immobilien-Investmentmarkt; Quelle: Cushman & Wakefield, eigene Berechnungen (2012* Prognose)
Wie in Abbildung 5.11 gezeigt, war bei den jährlichen Transaktionen auf dem globalen Immobilien-Investmentmarkt eine sehr dynamische Entwicklung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts festzustellen. Insgesamt haben sich die weltweiten Transaktionen während dieser Euphoriephase mehr als versechsfacht. So war z.B. das durchschnittliche Transaktionsvolumen eines Quartals im Jahr 2006 genauso hoch wie das im gesamten Jahr 2001. Auf dem Zenit im Jahr 2007 betrug das globale Transaktionsvolumen nach Cushman & Wakefield über 1.061 Mrd. USD (nach Jones Lang LaSalle 759 Mrd. USD). Im darauf folgenden Abschwung ging das Volumen aber bis 2009 wieder drastisch auf rund ein Drittel zurück. Nach diesem Tiefpunkt setzte eine zyklische Aufwärtsentwicklung wieder ein, die auch heute noch anhält. Die Entwicklung spiegelt sich auch bei den Renditen wider. Seit Ende der 90er Jahre sinken die Renditen (insgesamt im Durchschnitt aller Objekte) in den drei Weltregionen Nordamerika, Europa und Asien, wenn auch nicht bei allen Objekten und in allen Regionen im gleichen Ausmaß und jederzeit. Ausgelöst durch die seit 2004 stark steigenden Preise kam es zu dem vernehmlichen Rückgang der Renditen. Insbesondere in den sich entwickelnden Märkten war der Renditerückgang deutlich. Die Talsohle wurde im Verlauf des Jahres 2007 erreicht, wobei dies in Nordamerika und Europa im I. und in Asien im II. Halbjahr geschah. Danach erholten sich die Renditen wieder, kamen aber seit dem Jahr 2010 wieder unter Druck. Entwicklung des Immobilien-Investmentmarktes in Deutschland Der Immobilienbestand institutioneller Investoren in Deutschland wird von der BulwienGesa AG auf rund 420 Mrd. Euro für das Jahr 2011 geschätzt (siehe Abbildung 3.5). Dabei entfallen die größten Anteile mit rund einem Drittel auf geschlossene Fonds und zu einem Viertel auf Immobilien-Leasinggesellschaften. Gut ein Fünftel des Bestandes wird von ausländischen Investoren gehalten. In der Abbildung 5.12 sind die jährlichen Transaktionen auf dem gewerblichen Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland dargestellt.
170
80 70
5 Immobilienmarktentwicklungen
in Mrd. Euro
60 50 40 30 20 10 0 1981
1984
1987
1990
Immobilien-Leasing/Leasingfonds Offene Immobilien-Publikumsfonds Versicherungen/Pensionskassen Ausländische Investoren
Abb. 5.12:
1993
1996
1999
2002
2005
2008
2011
Geschlossene Immobilienfonds Immobilien-Spezialfonds Immobilien Aktiengesellschaften / REITs
Jährliche Transaktionen auf dem Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland; Quelle: BulwienGesa AG
In den vergangenen Jahren hat sich der deutsche Immobilien-Investmentmarkt spürbar gewandelt und ist deutlich dynamischer geworden. Geprägt wurde der Investmentmarkt durch Sonderkonjunkturen, wobei grundsätzlich vier Phasen unterschieden werden können. In der ersten Phase bis zur Wiedervereinigung war dieser Markt jahrelang fast ausschließlich von deutschen Investoren dominiert und wies nur eine geringe Investmenttradition auf. So gehörten Lebensversicherungen und Fonds zu den wenigen nennenswerten institutionellen Investoren, die überwiegend eine „buy and hold“-Strategie verfolgten. Die zweite Phase begann nach der Vereinigung, wo der Immobilien-Investmentmarkt in Deutschland einen ersten wesentlichen Aufschwung nahm. Das Investmentvolumen wurde u.a. durch eine den Immobilienerwerb fördernde Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz wesentlich verstärkt. Es blieb aber insgesamt ein vergleichsweise abgeschlossener Markt, da die ausländischen Investoren fast nicht vorhanden waren. In der dritten Phase ab Ende der 90er Jahre stand der Investmentmarkt unter den Zeichen der Internationalisierung. Die Anzahl ausländischer Investoren nahm stark zu, wozu vor allem die internationalen Beteiligungsgesellschaften (Private-Equity-Fonds) und deren Portfoliotransaktionen zählten. Es engagierten sich weiterhin zunehmend opportunistische Investoren, die immer risikofreudiger wurden und die günstigen Kapitalmarktbedingungen ausnutzten, um große Transaktionen durchzuführen. Einige Marktteilnehmer agierten in diesen Boomjahren primär wie Finanzinvestoren und waren zur Steigerung ihrer Eigenkapitalrenditen sehr hoch fremdfinanziert. Auch wenn es bereits ab Jahresmitte 2007 – dem Zenit des Investmentzyklus – zu einem deutlichen Rückgang der Aktivitäten kam, wurde 2007 das höchste jemals in Deutschland getätigten Gewerbeimmobilien-Transaktionsvolumen erreicht. Die vierte Phase wurde durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 eingeleitet, durch die sich auch die Rahmenbedingungen des Immobilien-Investmentmarktes (Finanzierungskosten und -bedingungen) geändert haben. Die opportunistischen, leveragegesteuerten Anleger (hohe Fremdkapitalfinanzierung, um die Rentabilität des Eigenkapitals zu steigern) zogen sich zurück und sicherheitsorientierte Anleger dominierten. Auf der Käu-
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
171
ferseite gab es nun wieder vorwiegend Anleger mit einem vergleichsweise hohen Eigenkapitaleinsatz. Als Resultat der veränderten Rahmenbedingungen hatte sich das Transaktionsvolumen 2008 um rund zwei Drittel verringert und halbierte sich 2009 noch einmal auf rund 13 Mrd. Euro. Dabei kam es aber im Verlauf des Jahres 2009 zu einer Trendumkehr. Im ersten Halbjahr waren die Aktivitäten fast vollständig zum Erliegen gekommen; im zweiten Halbjahr 2009 und in den Folgejahren kam es zu einer moderaten Belebung. Das Investmentvolumen der institutionellen Investoren lag 2011 bei rund 24 Mrd. Euro und damit deutlich über dem Vorjahresniveau. Dieses Volumen hatte damit ein Niveau erreicht, wie es vor den Boomjahren 2005 bis 2007 marktüblich war und auch in den kommenden Jahren zu erwarten ist. Die Statistiken über den deutschen Immobilien-Investmentmarkt weisen erhebliche Unsicherheiten auf. Dies zeigt sich z.B. daran, dass in den einzelnen Marktberichten sehr unterschiedliche Transaktionsvolumina genannt werden, da nicht alle Transaktionen von den Marktberichterstattern erfasst werden. Es wird „üblicherweise auf die erhobenen Zahlen ein gewisser Prozentsatz nicht bekannt gewordener Transaktionen aufgeschlagen“ (Jones Lang LaSalle, 2011, S. 31). Auch werden grundsätzlich nachträglich Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen, so dass die verschiedenen Jahresberichte vom gleichen Researcher unterschiedliche Daten aufweisen können. Exkurs: Immobilienumsätze des IVD Vom Immobilienverband Deutschland IVD werden die Immobilienumsätze näherungsweise aus dem Grunderwerbsteueraufkommen abgeleitet, das vom Bundesministerium der Finanzen erhoben wird. Das Immobilientransaktionsvolumen bzw. der Immobilienumsatz umfasst sämtliche private und gewerbliche Immobilientransaktionen, die der Grunderwerbsteuer unterliegen. Dementsprechend werden in der IVD-Statistik Share-Deals – also der Verkauf von Immobilienunternehmen – nicht erfasst. Da die überwiegende Zahl der Transaktionen dieser besonderen Umsatzsteuer auf Grundstücksumsätze unterliegt, ist die Statistik ein geeignetes Mittel, die jährlichen Immobilienumsätze zu erfassen. Die Immobilienumsätze des IVD spiegeln den gesamten Markt wider, wobei zu beachten ist, dass bei diesem Indikator die privaten Haushalte dominieren. Hingegen ist der Marktanteil institutioneller Investoren eher klein; vor dem Boom lag er bei durchschnittlich rund 20 v.H. und stieg während des Booms auf gut 30 v.H. Es ist zudem aufgrund der Zusammensetzung mit einer geringeren Volatilität bei diesem Indikator zu rechnen. Die privaten Haushalte reagieren relativ robust gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, während institutionelle Investoren sehr viel sensibler auf veränderte Rahmenbedingungen achten.
Ursachen der globalen und nationalen Marktentwicklung Die Entwicklung der Immobilien-Investmentmärkte im letzten Jahrzehnt wurde insbesondere durch die folgenden Faktoren geprägt. Diese Ursachen führten zu dem Investmentboom Mitte des letzten Jahrzehnts, der sich in vielen Ländern zu einem Hype entwickelte wie er in dem Exkurs im Kapitel 3.2.2 beschreiben wurde. Auch heute noch prägen diese den Immobilien-Investmentmarkt, wenn auch teilweise in abgeschwächter Form.
172
5 Immobilienmarktentwicklungen
Die grundlegende Voraussetzung war die globale Liquiditäts- und Vermögensentwicklung. Als Folge der Asienkrise und dem Platzen der „Dot-Com-Blase“ kam es durch eine weltweit expansive Geldpolitik zu einer drastischen Ausweitung der Geldmenge. Die mehr als ausreichende Verfügbarkeit internationaler Liquidität führte zu einer Niedrigzinsphase, welche es in dieser Form noch nicht gegeben hatte. Die niedrigen Zinsen waren im vergangenen Jahrzehnt in Verbindung mit dem Leverage-Effekt eine wichtige Basis für die deutliche Zunahme der Immobiliennachfrage, was sich in der Folge in einer Vermögenspreisinflation niederschlug. Die Globalisierung stellt einen weiteren Faktor für die rasante Veränderung der Immobilienmärkte dar. Nach den internationalen Finanzmärkten veränderte der Prozess der Globalisierung auch das Wesen der Immobilien-Investmentmärkte. Zunächst geschah dies im angelsächsischen Raum, dann aber auch in Europa und Deutschland. Da die gehandelten Objekte aber immobil und die Märkte zunächst häufig sehr intransparent waren, erreichte die Globalisierung die Immobilienmärkte mit einer Verzögerung. Durch die Öffnung von Märkten wie z.B. in Osteuropa und Asien nahm die Anzahl der Immobilien-Investmentmärkte zu. Vorangetrieben wurde diese Integration durch neue, international tätige Investoren, zu denen auch Banken und vor allem kurzfristig orientierte institutionelle Investoren gehörten. Eine weitere Ursache stellte die zunehmende Verzahnung von Immobilien- und Kapitalmarkt dar, die für weitere Dynamik auf den Investmentmärkte sorgte. In der Vergangenheit nutzte die Immobilienbranche den monetären Sektor zur Beschaffung von langfristigem Fremdkapital für Objektfinanzierungen. In der Zwischenzeit wurden durch die Liberalisierung des Finanzsektors neue Finanzprodukte eingeführt, die für die Finanzierung u.a. von Immobilien und für die Refinanzierung der Banken verwendet werden können. So gibt es heute auf dem Finanzsektor ein deutlich höheres Angebot an indirekten Immobilienanlagealternativen. Diese neuen Produkte wie Verbriefungen oder REITs oder Finanzinnovationen wurden auf dem Immobilien-Investmentmarkt eingeführt. Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise sind diese Instrumente zwar noch grundsätzlich vorhanden, werden aber nur in eingeschränktem Ausmaß eingesetzt und verwendet. Schließlich war die Etablierung der Assetklasse „Immobilie“ am Kapitalmarkt für den Investmentboom Mitte des letzten Jahrzehnts verantwortlich. Die Immobilie wurde von den Investoren als eine Anlageform neben den klassischen Investmentformen wie beispielsweise Aktien oder Wertpapiere entdeckt. Vor allem internationale, opportunistisch ausgerichtete Investoren sahen in Immobilieninvestitionen eine lukrative Anlage und versprachen sich neben einem stabilen Cash Flow vor allem hohe, kurzfristige Wertsteigerungen. Ihre Strategie ist das aktive Management des Immobilienbestandes, was vielfach auch den schnellen Verkauf einschloss. Vor dem Immobilienboom waren die Investoren vorwiegend Bestandhalter, welche die Immobilien als langfristige Kapitalanlage ansahen. Diese Investoren kamen zumeist aus der Immobilienbranche und waren durch diese geprägt. Wertbestimmend für eine Immobilie und ihr Entwicklungspotenzial waren maßgeblich der Vermietungsmarkt und dessen Perspektiven. Gleichwohl hat in der Summe die Entwicklung der letzten Jahre dazu geführt, dass die Immobilien-Investmentmärkte weitaus stärker durch die Entwicklung auf den Kapitalmärkten bestimmt werden. In gleicher Weise, wie die Kapitalmärkte an Bedeutung gewonnen haben, ist der Einfluss der Vermietungsmärkte auf die Marktentwicklung der Investmentmärkte zurückgegangen. Die Immobilienpreisentwicklung wird heute in wesentlichen Bereichen durch den monetären Sektor, dessen Entwicklung und seinen Anforderungen bestimmt.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
173
Marktergebnis und -entwicklungen Auf dem Investmentmärkten bilden sich die Preise durch das Angebot (Verkäufer) und die Nachfrager, die eine Immobilie kaufen wollen. Für Wohnimmobilien werden die Preise ausgewiesen und es werden üblicherweise Preisentwicklungen analysiert. Der Anschaffungspreis steht im Vordergrund, da Wohnimmobilien überwiegend von privaten Haushalten für ihre Eigennutzung oder als direkte Kapitalanlage verwendet werden. Bei Gewerbeimmobilien wird hingegen die Rendite oder als Kehrwert der Faktor bzw. Vervielfältiger genannt. Dies liegt daran, dass die institutionellen Investoren, die vorwiegend in Gewerbeimmobilien investieren, vor allem auf die Rendite als Benchmark achten. Von den Maklern werden teilweise auch Kapitalwerte angegeben, die aus den geschätzten Spitzenmieten und -renditen abgeleitet werden. Preisentwicklung Kaufpreis Der Netto-Kaufpreis stellt den Kaufwert (einschließlich Mehrwertsteuer) laut Kaufvertrag dar. Bei dem Brutto-Kaufpreis werden die objektbezogenen Erwerbsnebenkosten hinzu addiert. Die Preise für die Immobilien werden auf dem Investmentmarkt zwischen Anbietern und Nachfragern festgelegt. In den beiden folgenden Abbildungen und wird die Entwicklung bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien (Abbildung 5.13) und von Bürofläche (Abbildung 5.14) dargestellt.
2.500
260.000 in Euro 250.000
2.400
240.000
2.300
230.000
2.200
220.000
2.100
210.000
2.000
200.000
2.600 in Euro/m²
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Eigentumswohnung neu Abb. 5.13:
Reihenhaus
Preisentwicklung bei Wohnimmobilien in 125 Städten; Quelle: BulwienGesa AG
Die Preise der Wohnimmobilien stiegen nach der Wiedervereinigung zunächst stark an, da aufgrund günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine verstärkte Nachfrage nach Wohnimmobilien einsetzte. Erst mit einer Verzögerung konnte das Angebot auf die zunehmende Nachfrage reagieren, die dann in eine zehnjährige Phase der Marktstabilisierung
174
5 Immobilienmarktentwicklungen
mündete. Ein deutlicher Anstieg der Preise sowohl für Eigentumswohnungen und -häuser ist erst wieder in den letzten Jahren festzustellen, was auf nachlassende Fertigstellungen bei einer sich erholenden Nachfrage zurückzuführen ist.
9.000
in Euro
8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 1990
1992
1994
1996
1998
2000
Spitzenpreis Büro City Abb. 5.14:
2002
2004
2006
2008
2010
Durchschnittspreis Büro City
Preisentwicklung bei Büroflächen (gewichteter Durchschnitt der sieben A-Städte); Quelle: BulwienGesa AG
Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei der Preisentwicklung der Büroflächen in den sieben A-Städten in Deutschland festzustellen. Bei den Preisen handelt es sich um theoretische Werte, die aus der Entwicklung von Mieten und Renditen abgeleitet werden. Bei den Spitzenpreisen ist dabei die Volatilität höher als bei den Durchschnittspreisen wie die Abbildung 5.14 zeigt. Renditeentwicklung Die Rendite ist ein Indikator, um den Ertrag einer Immobilieninvestition zu messen, und ein Synonym für die Gesamtkapitalrentabilität. Sie bezeichnet den Prozentsatz, der dem Verhältnis des Jahresreinertrages einer Kapitalanlage und der ihr zugrunde liegenden Investitionssumme entspricht. Brutto-Anfangsrendite Brutto-Anfangsrendite
anfängliche monatliche Vertragsmiete * 12 = ––––––––––––––––––––––––––––––––––––– * 100 Netto-Kaufpreis
Bei der Brutto-Anfangsrendite werden sowohl die Mieteinnahmen ohne Abzug der nichtumlegbaren Nebenkosten als auch der Netto-Kaufpreis ohne marktübliche Erwerbsnebenkosten berücksichtigt. Bei der Netto-Anfangsrendite wird die Vertragsmiete (abzüglich nicht umlagefähiger Betriebskosten) in Relation zum Brutto-Kaufpreis, bei dem zusätzlich die Erwerbsnebenkosten einbezogen werden, gesetzt. Brutto- und Nettoanfangsrenditen entstammen einer Berechnung, bei der Jahresreinertrag des ersten Investitionsjahres ab Kauf-
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
175
zeitpunkt berücksichtigt wird. Anfangsrenditen werden vorrangig als Erstinformationen im Rahmen von Objektangeboten und Transaktionen verwendet. Bei der in Deutschland veröffentlichen Rendite handelt es sich üblicherweise um theoretische Markteinschätzungen der erzielbaren Spitzenrenditen. Diese Renditen basieren nicht auf einzelnen Transaktionen, sondern stellen eine Prognose dar, welche anhand der aktuellen Marktparameter und dem Transaktionsgeschehen von den Marktbeobachtern vorgenommen werden. Referenzobjekte sind Gebäude erstklassiger Qualität in bester Lage, die mit aktueller Spitzenmiete an bonitätsstarke Mieter langfristig voll vermietet sind. Diese Faktoren werden unter Berücksichtigung angenommener Erwerbsnebenkosten und nicht umlagefähiger Bewirtschaftungskosten in eine Spitzenrendite umgerechnet. Weiterhin kann auch eine Sollrendite berechnet werden, die aufgrund angenommener Werte und unter günstigen Bedingungen berechnet wird. Die Rendite bezieht sich dann auf den (angenommenen) Investitionszeitraum und setzt alle ausgezahlten zu den eingezahlten Beträgen unter Berücksichtigung aller Kosten und Zahlungstermine in Relation. Diese Werte sind somit Prognosen und keine Ist-Werte, die im Nachgang errechnet werden können. Ferner ist zu beachten, dass diese Rechengrößen nur für den Fall gelten, dass die berechneten Mieteinnahmen auch tatsächlich eintreffen, also eine entsprechende Vermietung erfolgt. Zudem muss der Mieter die Miete auch tatsächlich zahlen und es dürfen keine unerwartet größeren Kosten anfallen. In anderen europäischen Staaten wie Spanien, Italien oder Benelux wird üblicherweise die Bruttorendite verwendet. In den USA werden Cap Rates (Capitalization Rates: Net Operating Income (NOI) in Relation zum aktuellen Marktwert oder zum reinen Kaufpreis (exklusive Transaktionskosten) ausgewiesen und liegen damit i.d.R. höher. Üblicherweise handelt es sich bei diesen Renditekennziffern um eine Sollrendite, d.h. die erwartete Rendite.
8,0 in v.H.
7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 1999 Büro Abb. 5.15:
2000
2001
2002
Shopping Center
2003
2004
2005
Fachmarktzentren
2006
2007
2008
2009
Geschäftshäuser
2010
2011
Lagerflächen
Nettoanfangsrenditen in Deutschland; Quelle: Jones Lang LaSalle
Die Renditen waren aufgrund des Immobilienbooms Mitte des letzten Jahrzehnts deutlich zurückgegangen, da eine hohe Nachfrage nach Immobilien bestand (siehe Kapitel 5.3.1).
176
5 Immobilienmarktentwicklungen
Nach einer Erholung sind die Renditen in den vergangenen Jahren wieder leicht unter Druck geraten. Eine ausschließliche Betrachtung der Entwicklung der Rendite kann aber die Besonderheiten bei der Preisentwicklung verdecken. In der obigen Abbildung 5.15 ist dargestellt, dass die Renditen für Büroimmobilien zwischen 4,5 und 5,5 v.H. schwankten. In dem gleichen Zeitraum ist aber der Preis für die Bürofläche in Deutschland im Durchschnitt zunächst bis zum Jahr 2005 um mehr als 15 v.H. gesunken, um dann bis zum Jahr 2010 um mehr als 10 v.H. zu steigen. Die Preise für Spitzenobjekte in den sieben A-Städten waren sogar noch volatiler. Von 1999 bis zum Jahr 2004 sind sie erst um 25 v.H. gesunken und dann wieder um mehr als 25 v.H. angestiegen. Bei der Darstellung der allgemeinen Renditeentwicklung in Deutschland kann auch der German Property Index (GPI) verwendet werden (siehe Abbildung 5.16). Dieser ist ein Immobilien-Performance-Index, der auf Basis verfügbarer Marktdaten für 127 Städte in den Segmenten Büro, Einzelhandel, Wohnen und Logistik von der BulwienGesa AG berechnet wird. Der GPI stellt die Gesamtrendite der Immobilie (Total Return) dar und ergibt sich aus dem Capital Growth Return (Wertänderungsrendite) und dem Cash Flow Return (Rendite aus laufenden Mieterträgen). Der zyklische Verlauf des GPI wurde insbesondere durch die Entwicklung des Capital Growth bestimmt, während der Cash Flow Return über die Jahre hinweg relativ stabil war.
30,0
in v.H.
30
25,0
25
20,0
20
15,0
15
10,0
10
5,0
5
0,0
0
-5,0
-5 -10
-10,0 1991
1993
1995
1997
Cash Flow Return Abb. 5.16:
1999
2001
2003
2005
Capital Growth Return
2007
2009
2011
Total Return
German Property Index (GPI); Quelle: BulwienGesa AG
Der GPI wies im Vergleich zum DIX in der Mehrzahl der Jahre positive Wertzuwächse auf. Der Cash Flow Return war relativ gleichmäßig und machte ungefähr 5 v.H. aus. Faktor Der Faktor, Multiplikator oder Vervielfacher ist ein Richtwert für viele Anleger, um zu beurteilen, ob eine Immobilie zu einem akzeptablen Kaufpreis angeboten wird. Der sich aus dem Faktor ergebende rechnerische Wert für ein Objekt resultiert einerseits aus der aktuellen
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
177
Verzinsung des eingesetzten Kapitals und andererseits aus den Erwartungen über die zukünftige Ertragsentwicklung des Objektes. Faktor / Vervielfältiger Der Faktor wird berechnet als Netto-Kaufpreis (d.h. ohne Erwerbsnebenkosten) durch die anfängliche Vertragsmiete p.a. Der Faktor ist das Vielfache der Nettojahreskaltmiete im Verhältnis zum Netto-Kaufpreis und somit der Kehrwert der Brutto-Anfangsrendite. Die Höhe des Faktors hängt im Wesentlichen von der Objektart und der Lage des Objektes ab. Unterschiedliche Multiplikatoren zwischen einzelnen Objektarten sind weiterhin auf unterschiedliche Ertrags- und Kostenrisiken zurückzuführen. Je höher das Risiko, desto niedriger der Faktor. Darüber hinaus kann auch noch die Restnutzungsdauer Einfluss haben: je länger die Restnutzungsdauer, desto höher der Faktor.
24,0
24,0
20,0
20,0
16,0
16,0
12,0
12,0
8,0
8,0
4,0
4,0 0,0
0,0 1990
1992
1994
1996
1998
2000
Vervielfacher Mehrfamilienhaus Durchschnitt Abb. 5.17:
2002
2004
2006
2008
2010
Vervielfacher Mehrfamilienhaus Maximum
Vervielfacher / Faktor für Mehrfamilienhäuser in 125 Städten; Quelle: BulwienGesa AG
Der Faktor wies nach der Abbildung 5.17 für die Mehrfamilienhäuser in Deutschland eine relativ gleichmäßige Entwicklung auf, so war es auch durch den Immobilienboom im vergangenen Jahrzehnt zu keinen nennenswerten Ausschlägen gekommen. Erst in den letzten beiden Jahren stieg der Faktor aufgrund des gewachsenen Investoreninteresses leicht an. Kapitalwert Als weiterer Indikator zur Beschreibung der Marktentwicklung auf den Investmentmärkten wird schließlich der Kapitalwert (Capital Value) verwendet. Von den Marktakteuren werden dabei unterschiedliche Märkte analysiert, im Folgenden wird insbesondere auf den Valuation Performance Indicator VICTOR von Jones Lang LaSalle eingegangen.
178
5 Immobilienmarktentwicklungen
Kapitalwert Der rechnerische Kapitalwert wird berechnet als Spitzenmiete (Jahreswert) durch die Spitzenrendite (in v.H.) mal 100. Beim VICTOR von Jones Lang LaSalle wird die Wertentwicklung der Büroflächen an den wesentlichen Bürostandorten in Deutschland ungewichtet gemittelt. Der Kapitalwert repräsentiert den theoretischen Wert eines Quadratmeters bester Qualität in bester Lage. Dieser wird zum jeweiligen Zeitpunkt von der aktuellen Spitzenmiete und Spitzenrendite abgeleitet. Von Jones Lang LaSalle wird die Wertentwicklung der 1a-Lagen in den fünf größten Städten untersucht. Die Analyse zeigt die Wertveränderung des vermietbaren Büroflächenbestandes auf und stellt deren Performance (Wertänderungsrendite) im Zeitverlauf dar. Die Marktwertermittlung erfolgt nach internationalen Wertermittlungsrichtlinien, wobei sich die Modellannahmen auf reale Marktdaten sowie auf die Einschätzungen von Jones Lang LaSalle beruhen. In einem Discounted Cash Flow Modell wird weiterhin sowohl die Inflationserwartung als auch das Marktmietwachstum berücksichtigt.
130 125
4. Q. 2003 = 100
120 115 110 105 100 95 90 1.Q. 04 Abb. 5.18:
1.Q. 05
1.Q. 06
1.Q. 07
1.Q. 08
1.Q. 09
1.Q. 10
1.Q.11
1.Q.12
VICTOR; Quelle: Jones Lang LaSalle
Die Wertentwicklung des VICTORs spiegelt entsprechend dem Chart 5.18 auch die Entwicklung der nationalen Investmentmärkte wider. Demzufolge war auch der höchste Indexstand im Betrachtungszeitraum in der Jahresmitte 2007. Nach einem zyklischen Abschwung steigt der Index seit Mitte 2009 wieder kontinuierlich an und spiegelt das wieder gewachsene Interesse der Investoren an Immobilien wider.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
5.3.2
179
Büroimmobilienmarkt
Zentrales Merkmal einer Bürofläche ist die Möglichkeit dort typische Schreibtischtätigkeiten durchzuführen. Büroimmobilien stellen die Flächen in Form abgeschlossener Räume dar, in denen spezielle Einrichtungen und geeignete Arbeitsmittel vorhanden sind, um allgemeine Verwaltungstätigkeiten oder die Tätigkeiten des Dienstleistungssektors erledigen zu können. Bürofläche Als Bürofläche werden diejenigen Flächen gezählt, auf denen typische Schreibtischtätigkeiten durchgeführt werden bzw. durchgeführt werden können und die auf dem Büroflächenmarkt (Vermietungsmarkt) gehandelt werden. Wenig umfangreich fällt die Datenbasis für den gesamten Bürosektor aus. Statistische Daten werden amtlicherseits bis auf die Bautätigkeit von Büro- und Verwaltungsflächen nicht erfasst. Es gibt keine offiziellen Erhebungen zum Flächenbestand und -struktur, stattdessen geben Marktberichte z.B. großer Maklerunternehmen Aufschluss über die Marktentwicklungen. Da diese sich vorwiegend auf wenige Büromarktzentren konzentrieren, wird zum einen nur rund ein Viertel des gesamten deutschen Büromarktes erfasst und zum anderen gibt es keine flächendeckenden Informationen. Darüber hinaus sind die Daten der verschiedenen Marktbeobachter häufig nur schwerlich miteinander zu vergleichen. Auch für die einzelnen Berichte werden keine totalen Erhebungen durchgeführt, sondern die Ergebnisse eher durch Befragungen ermittelt. Bei der BulwienGesa AG werden hierzu beispielsweise Marktteilnehmer befragt und die verschiedensten Quellen ausgewertet. Da nicht alle Werte erhoben werden können, sind die veröffentlichen Werte immer nur Schätzwerte, wenn auch „nach besten Wissen und Gewissen“. Die allgemeinen Rahmenbedingungen der Immobilienmärkte (dargestellt in Abbildung 5.19), die auch für den Büroimmobilienmarkt gelten, sind bereit in Kapitel 3.2 analysiert worden. Aus Kapitel 4 stammen die mikroökonomischen Grundlagen für die Analyse des Büroimmobilienmarktes. Unabhängig von ihrer spezifischen Ausprägung werden die Immobilienmärkte nachfrageseitig vor allem von gesamtwirtschaftlichen und soziodemografischen Faktoren und angebotsseitig vom Bausektor, der sich auf den Immobilienbestand auswirkt, bestimmt. Die auf den Märkten zustande gekommenen Preise und Mieten beeinflussen ihrerseits wiederum Angebot und Nachfrage. In diesem Kapitel wird zum einen noch auf die spezifischen Einflussfaktoren eingegangen und zum anderen die Entwicklung der Marktergebnisse, insbesondere die des Vermietungsmarktes, dargestellt.
180
5 Immobilienmarktentwicklungen Staatliche Rahmenbedingungen Wirtschaftsentwicklung Demografie und Nachhaltigkeit Arbeitsmarkt
Konjunktur
Strukturwandel
Finanzierungsbedingungen
Bürobeschäftigte Nachfrage Fläche pro Bürobeschäftigte
Büroimmobilienmarkt
Eigentümer etc.
Angebot Preise
Mieten Büroimmobilien Bestand/Leerstand Rendite
Baukosten
Fertigstellungen
Nettoneubau
Abriss
Investoren
Abb. 5.19:
Büroimmobilienmarkt; Quelle: eigene Darstellung
Angebot – Einflussfaktoren und Entwicklungen „Den“ Büroimmobilienmarkt in Deutschland gibt es in dieser Form nicht, vielmehr existieren mehrere Zentren („hot spots“), in denen sich die Marktaktivitäten konzentrieren. Hierzu gehören die sieben großen Standorte Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und München (auch A-Städte genannt). In den verschiedenen Marktberichten sind die Büromarktgebiete teilweise unterschiedlich abgegrenzt, so dass sich hierdurch Unterschiede ergeben können. Jedes dieser Zentren weist unterschiedliche Rahmenbedingungen für die einzelnen Akteure auf, die das Marktergebnis und die -entwicklungen wesentlich beeinflussen können. Der Büroflächenbestand setzt sich zusammen aus dem vorhandenen Bestand an Büroflächen und neuen Projekten, unabhängig davon, ob diese benutzt werden oder leer stehen. Beim Büroimmobilienmarkt handelt es sich um einen Bestandsmarkt, da die jeweils in einem Zeitraum neu fertiggestellte Bürofläche nur einen kleinen Anteil am Gesamtbestand ausmacht. Auf dem Büroimmobilien-Investmentmarkt oder -Vermietungsmarkt wird jeweils nur ein kleiner Teil des gesamten Büroflächenbestandes gehandelt. Büroflächenbestand Der Büroflächenbestand ist die Gesamtfläche der fertig gestellten, benutzten und leer stehenden Büroflächen in einem geografisch abgegrenzten Marktgebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
181
Der Büroflächenbestand in einem Marktgebiet ist ein Indikator für die Marktgröße und Marktbedeutung im Vergleich zu anderen Bürostandorten. Vergleiche zwischen den veröffentlichten Daten zu den Büroflächenbeständen in den verschiedenen Marktberichten sind nur bedingt möglich, da bei der genauen Erfassung des Flächenangebots verschiedene Bemessungsgrundlagen verwendet werden können. Die Flächenangaben von gewerblich genutzten Immobilien basieren entweder auf der DIN-277 oder MF-G (Mietfläche für gewerblichen Raum) der gif. Nach der DIN-Definition besteht die Brutto-Grundfläche (BGF) aus den Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks. Die Definition der gif legt darüber hinaus fest, welche dieser Flächen zur Mietfläche zählen und regelt die anteilige Zuordnung gemeinschaftliche genutzter Flächen. Im Vergleich ist die Mietfläche nach MF-G kleiner als die Brutto-Grundfläche nach DIN-277, da bestimmte Flächen zur BGF gerechnet werden, die nicht zur Mietfläche zählen. Der Bestand an Büroimmobilienfläche wird nicht von der amtlichen Statistik erfasst, sondern von privaten Marktteilnehmern. Vollerhebungen über den gesamten Büroflächenbestand gibt es nur für einige große Städte, so dass der Bestand für Deutschland hochgerechnet werden muss. Demnach stehen aktuell in Deutschland ca. 410 Mio. m² zur Verfügung (vgl. Bulwien, 2011, Folie 4). In der folgenden Abbildung 5.20 wird der Flächenbestand an den sieben AStandorten abgebildet. Da die Gesamtflächen auch an diesen Standorten nur selten erhoben werden, sind Fortschreibungen bzw. Schätzungen notwendig. Die Basis für diese Prognosen bilden die Entwicklung der Bürobeschäftigten und der jährliche Flächenneuzugang.
80
in Mio. m²
70 60 50 40 30 20 10 0 1990 Abb. 5.20:
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Büroflächenbestand (MF-G) (in Mio. m²) in den A-Städten; Quelle: BulwienGesa AG
In den sieben A-Städten ist in den vergangenen 20 Jahren der Büroflächenbestand um gut 20 Mio. m² auf knapp 80 Mio. m² in 2011 angestiegen. Ein überproportionaler Zuwachs war dabei nach der Wiedervereinigung und aufgrund der Euphorie der „Dot-Com-Blase“ nach der Jahrtausendwende zu verzeichnen. Die Zuwachsraten sind tendenziell rückläufig und lagen in der 1990er Jahren bei knapp 2 v.H. und in den letzten fünf Jahren durchschnittlich unter 1 v.H. Während der Zuwachs in den A-Städten durchschnittlich gut 1 Mio. m² jährlich
182
5 Immobilienmarktentwicklungen
betrug, war es in den restlichen von der BulwienGesa AG betrachteten 118 Städten ein mittlerer Anstieg von ca. 1,3 Mio. m² p.a. Die Entwicklung dort verlief ähnlich wie in den AStädten, wies aber eine geringere Dynamik auf. Der Bestand an Büroimmobilien in einem Marktgebiet kann weitergehend nach verschiedenen Kriterien analysiert werden. Ein erstes Kriterium, um genauere Informationen über den Bürobestand zu erhalten, ist die Differenzierung nach Lage bzw. einzelnen Teilmärkten. Diese differenzierte Analyse ist üblicherweise nicht in den regelmäßigen Berichten der Researcher verfügbar, sondern nur in speziellen Marktberichten. In der Differenzierung nach der Ausstattungsqualität besteht eine weitere Analysemöglichkeit. Danach kann zwischen erstklassigen A-Flächen sowie durchschnittlichen B-Flächen und veralteten C-Flächen unterschieden werden. Die A-Flächen sind hervorragend ausgestattet und befinden sich auf dem neuesten technischen Standard und weisen eine flexible Raumaufteilung auf. Demgegenüber ist der Ausstattungsstandard bei C-Flächen schlecht, so dass diese auch kaum vermarktbar sind. Auch diese Informationen sind nur selten öffentlich verfügbar. (Jones Lang LaSalle, 2011, S. 11). Nach Größenklassen lässt sich für die sieben Bürozentren festhalten, dass Objekte mit einer Größe zwischen 5.000 und 20.000 m² die größte Gruppe ausmachen. Die nächstgrößere Gruppe sind die noch größeren Gebäude mit Flächen von über 20.000 m². Jeweils rund 20 v.H. entfallen auf die Objekte mit Flächen unter 2.000 m² sowie zwischen 2.000 und 5.000 m². Dabei gibt es jedoch zwischen den Städten teilweise deutliche Unterschiede. In Frankfurt ist der Anteil der Objekte mit großen Büroflächen am höchsten. Insgesamt steigt mit zunehmender Bedeutung der Städte als Bürostandort der Anteil an großen Bürokomplexen. Das Gebäudealter des Bestandes ist relevant für notwendige Ersatzinvestitionen. Da der Lebenszyklus der Bürogebäude sich tendenziell verkürzt, sind Ersatzinvestitionen in immer kürzeren Intervallen notwendig. Nur aufgrund von Primärerhebungen sind diese Daten verfügbar, die zudem stark differieren. Im Durchschnitt aller A-Städte ist rund ein Drittel des Bestandes nach 1990 entstanden. Es ergeben sich aber auch erhebliche Unterschiede zwischen den Bürozentren. In Frankfurt ist der Anteil der neueren Gebäude am höchsten, während in Berlin dieser eher gering ist. Insgesamt ist der Anteil neuerer Gebäude höher als bei Wohnimmobilien, was sich auch auf die geringere Nutzungsdauer zurückführen lässt. Büroflächenangebot Vom Büroflächenbestand ist das Büroflächenangebot zu unterscheiden, das zur Vermietung angeboten wird. Dieses ist jeweils nur ein Bruchteil des Bestandes, es liegen hierüber jedoch keine statistischen Daten vor. Büroflächenangebot Das Büroflächenangebot umfasst die Flächen, die für eine Vermarktung zum Beobachtungszeitpunkt vorgesehen und die noch verfügbar sind, d.h. also nicht vertraglich gebunden. Fertigstellungen Der Bestand an Büroimmobilien selbst wird durch die Nettoneubauten (Baufertigstellungen abzüglich Abgänge) erhöht, wobei neben der Nachfrage die Kosten (einschließlich Grund-
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
183
stück) bei der Entscheidung über die Realisierung eines Projektes wichtige Orientierungsgrößen darstellen. Die Büroflächenfertigstellungen bestimmen im Zusammenspiel mit der Flächennachfrage die Höhe der Leerstände und wirken sich weiterhin auf die Mieten aus. Fertigstellungen Zu den Bürofertigstellungen zählen Flächen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes auf den Markt gekommen sind.
3,0
in Mio. m²
2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1994 Abb. 5.21:
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Fertigstellung von Büroflächen (in Mio. m²) in sieben A-Städten; Quelle: gif und Jones Lang LaSalle
Die Fertigstellungen von Büroflächen sind in den wesentlichen Bürozentren in Deutschland stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig (siehe Abbildung 5.21). Von daher befinden sich die Boomjahre bei den Fertigstellungen nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahren sowie während des „Dot-Com-Booms“ und während der Wachstumsphase nach der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Fertigstellungen sind tendenziell rückläufig und haben in den letzten Jahren nicht nur absolut abgenommen, sondern auch relativ. Noch zu Beginn des Jahrtausends wurde ca. 3 v.H. des Bestandes in den Bürohochburgen neu fertiggestellt, was insbesondere eine Folge des „Dot-Com-Booms“ und der damit verbundenen zusätzlichen Nachfrage nach Bürofläche war. In den letzten Jahren betrug die Fertigstellungsquote (als Anteil der Fertigstellungen am Bestand in Deutschland) nur zwischen 1 bis 1,5 v.H. Die Nettoersatzquote, die sich aus dem Neubau und der Totalsanierung im Verhältnis zum Bestand errechnet, liegt üblicherweise in den großen westeuropäischen Bürostandorten zwischen 2 und 3 Prozent. Über die Anbieter von Büroimmobilien auf dem Vermietungsmarkt liegen keine detaillierten Statistiken und Informationen vor. Selbstgenutzte Objekte sind vergleichsweise selten, wodurch sich ein breites Betätigungsfeld für Vermieter ergibt. Jedoch gibt es über die verschiedenen Anbieter (Eigentümer, Vermieter) bei der Vermietung von Büroimmobilien keine flächendeckenden Informationen. Die wenigen ausgewählten Daten über die Marktteilneh-
184
5 Immobilienmarktentwicklungen
mer auf dem Büro-Investmentmarkt, die Büroimmobilien besitzen, lassen wenig Rückschlüsse auf die Angebots- und Anbieterstruktur zu. Nachfrage – Einflussfaktoren und Entwicklungen Die Nachfrage nach Büroflächen profitierte in den letzten Jahren in Deutschland von der insgesamt positiven Wirtschaftsentwicklung zusammen mit dem Strukturwandel zugunsten der Bürotätigkeiten. Büroflächennachfrage Summe aller sich am Markt befindlichen aktiven Flächengesuche bezogen auf ein definiertes Marktgebiet innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Die Höhe der Nachfrage zeigt die Attraktivität des jeweiligen Büromarktes an und ist daher auch für potenzielle Investoren sehr interessant. Dieser Indikator ist aber nur schwer zu ermitteln und wird auch nur selten ermittelt bzw. veröffentlicht. Häufig wird statt der Nachfrage der Indikator „Umsatz“, der sich auf den Umsatz der Makler bezieht, verwendet. Als wesentlicher Bestimmungsfaktor für die Nachfrage nach Flächen auf dem Büroimmobilienmarkt gilt die Zahl der Bürobeschäftigten. Die Nachfrager von Büroflächen sind Unternehmen, die diese Flächen für Beschäftigte, die für ihre Tätigkeit Büroflächen in Anspruch nehmen, benötigen. Von der amtlichen Statistik in Deutschland gibt es keine Daten über die Zahl und die Entwicklung der Bürobeschäftigung. Von daher sind Schätzungen über die Bürobeschäftigtenzahl notwendig. Mit Hilfe einer Prognose der Zahl der Erwerbstätigen und des Anteils von Bürobeschäftigten an dieser (Bürobeschäftigtenquote) lässt sich dann die voraussichtliche Zahl der Bürobeschäftigten ermitteln. Ergänzt werden diese um bürobeschäftigte Beamte, Selbstständige und mithelfende Familienangehörige mit jeweils spezifischen Quoten. Der Großteil der Bürobeschäftigten mit derzeit fast 10,3 Mio. ist sozialversicherungspflichtig, während es rund 1,5 Mio. selbständige Beschäftigte sowie 0,5 Mio. geringfügige Beschäftigte und rund 700.000 Beamte gibt, die Bürofläche benutzen. Zusammen mit dem durchschnittlichen Bedarf an Fläche je Büroarbeitsplatz kann dementsprechend die voraussichtliche Gesamtnachfrage nach Bürofläche bestimmt werden. Bürobeschäftigte Bürobeschäftigte sind Beschäftigte, die für ihre Tätigkeit Büroflächen in Anspruch nehmen. Für das Jahr 2010 schätzt das Gutachten der Rat der Immobilienweisen (2012) die Zahl der Bürobeschäftigten auf 13 Mio. Menschen, was einen Anteil von rund 32 v.H. an der Gesamtbeschäftigung bedeutet. Regional ist diese Bürobeschäftigtenquote sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während die Spitzenposition mit knapp 50 v.H. Frankfurt einnimmt, weist Magdeburg als erste ostdeutsche Stadt in diesem Ranking nur eine Quote von knapp 37 v.H. auf. Nach Branchen differenziert sind die meisten Bürobeschäftigten im Produzierenden Gewerbe (1,9 Mio. Beschäftigte) beschäftigt, danach folgen die öffentliche Verwaltung (1,3 Mio.) und der Gesundheits- und Sozialbereich (1 Mio.). Das Kreditgewebe weist mit 95 v.H. eine relativ hohe Bürobeschäftigtenquote auf und hat knapp 900.000 Beschäftigte in Büros.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
185
Die Nachfrage nach Büroimmobilien wird durch zahlreiche makroökonomische Faktoren bestimmt. Die konjunkturelle Entwicklung, insbesondere des Bruttoinlandsproduktes bzw. auch die erwartete wirtschaftliche Entwicklung, sind wesentliche Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Büroflächen. Die Entwicklung des BIP wirkt direkt auf die Nachfrage nach Büroimmobilien, da eine wachsende Wirtschaft c.p. auch einen höheren Bedarf an Beschäftigten und ebenso Bürobeschäftigten zur Folge hat. Nimmt die wirtschaftliche Aktivität (BIP) zu und werden neue Arbeitsplätze geschaffen, zieht mit einer Verzögerung auch die Nachfrage nach Büroimmobilien an. Umgekehrt führt ein Wirtschaftsabschwung zu einem Rückgang der Büroflächennachfrage (siehe auch Kapitel 3.2.2). Die wirtschaftliche Entwicklung und die Nachfrage nach Büroimmobilien weisen eine deutlich höhere Korrelation auf als dies beispielsweise bei den Wohnimmobilien der Fall ist. Dies liegt darin begründet, dass der Büroimmobilienbedarf sich deutlich direkter an den Konjunkturverlauf anpasst. Neben diesen Faktoren hängt die kurzfristige Nachfrage der Marktteilnehmer nach Büroimmobilien auch von deren Erwartungen hinsichtlich der weiteren konjunkturellen Entwicklung der Gesamtwirtschaft ab. Optimistische Erwartungen beeinflussen die Nachfrage positiv, wohingegen pessimistische Erwartungen die Nachfrage dämpfen. Das folgende Schaubild 5.22 zeigt den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Nachfrage nach neuen Büroflächen (Nettoabsorption) auf.
5,0
BIP
Nettoabsorption
1,50
2,5
0,75
0,0
0,00
-2,5
-0,75
-5,0
-1,50
in v.H. gg. Vorjahr -7,5 Q1/04 Q1/05 Q1/06
in Mio. m² Q1/07
Wachstum BIP Abb. 5.22:
Q1/08
Q1/09
Q1/10
Q1/11
-2,25
Q1/12
Nettoabsorption
Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und Nettoabsorption in den sechs Top-Standorte; Quelle: Statistische Bundesamt, Jones Lang LaSalle
Die Nettoabsorption, als der Zuwachs an belegter Bürofläche, reagiert auf die konjunkturelle Entwicklung mit einer Zeitverzögerung. Wie das obige Schaubild zeigt, beträgt der TimeLag ungefähr sechs Quartale. So führte die Finanz- und Wirtschaftskrise erst Mitte 2010 zu einem Rückgang der belegten Fläche. In der langfristigen Betrachtung ist der wirtschaftliche Strukturwandel zu berücksichtigen, da sich mit der Veränderung der Wirtschaftsstruktur auch die Art der von den Unternehmen benötigten Immobilien ändert. Der „Drei-Sektoren-Hypothese“ folgend würde dies ein
186
5 Immobilienmarktentwicklungen
Wachstum des Dienstleistungssektors (tertiärer Sektor) in der Zukunft bedeuten, wohingegen Industrie und Landwirtschaft an Gewicht verlieren. Da die Dienstleistungsunternehmen wie das Kredit- und Versicherungsgewerbe oder die unternehmensnahen Dienstleistungen wichtiger Träger der Nachfrage nach Büroflächen sind, ist von dieser Entwicklung insgesamt ein positiver Effekt für die Büroflächennachfrage zu erwarten. Dies ist auf den höheren Anteil der Bürobeschäftigten an den Gesamtbeschäftigten im Dienstleistungssektor als etwa in den industriellen Sektoren zurückzuführen. Darüber hinaus sind positive Effekte für die Büronachfrage von einer weiteren Strukturkomponente zu erwarten, die auf einer Verschiebung der Beschäftigungsanteile innerhalb einer Branche beruht. Die sektorale Bürobeschäftigtenquote, der Anteil der Bürobeschäftigten an der Gesamtbeschäftigung einer Branche, nimmt für die Mehrzahl der Branchen zu. Weitere gesamtwirtschaftliche Einflussfaktoren auf die Büroflächennachfrage sind zum einen die Zinsentwicklung (siehe Kapitel 3.2.3) und zum anderen die durch den Staat festgelegte Rahmenbedingungen (siehe Kapitel 3.2.1) Für die Nachfrage nach Büroimmobilien hat weiterhin die demografische Entwicklung eines Landes (bzw. einer Region) eine wichtige Rolle (vgl. Vornholz, 2009). Wie in Kapitel 3.2.4 analysiert wurde, trifft ein rückläufiges Arbeitsangebot an Bürobeschäftigten auf die Nachfrage der Unternehmen nach Bürobeschäftigten, die sehr von der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung abhängt. Es ist zu erwarten, dass somit die Anzahl der Bürobeschäftigten zunächst weiterhin ansteigen wird, allerdings mit niedrigeren Raten als in der Vergangenheit. Regional unterschiedliche Entwicklungen überlagern dabei aber den durchschnittlichen Trend. Wachstumszentren wie die wesentlichen Bürostandorte in Deutschland werden auch in der Zukunft weiteren Bedarf an Büroflächen haben, andere Regionen werden hingegen Rückgänge zu verzeichnen haben. Die Entwicklung der Bürofläche pro Beschäftigten stellt eine weitere Einflussgröße für die Nachfrage nach Büroflächen dar. In dieser Größe spiegeln sich insbesondere Veränderungen im Lebens- und Arbeitsraum „Büro“ wider. Bei der Prognose der zukünftigen Flächenausstattung je Büroarbeitsplatz ist zu berücksichtigen, dass diese sich durch die Veränderung der Arbeitsabläufe und der Arbeitsorganisation der Bürotätigkeit wandeln wird. Die Möglichkeit, Bürotätigkeiten von „zu Hause“ (Stichwort Telearbeit) zu erledigen, wird weiter zunehmen. Dies wird die Büroimmobilie keineswegs überflüssig machen, der Flächenbedarf und die Anforderungen der Unternehmen an die benötigte Bürofläche werden sich jedoch verändern. Flexible Bürostrukturen als Anlaufstelle für Kunden und Mitarbeiter werden langfristig an Bedeutung gewinnen. Neben dem Neubaubedarf aufgrund höherer Nachfrage besteht ein Ersatzbedarf, wenn der bisherige Bestand an Büroimmobilien bzw. -flächen nicht mehr den Anforderungen moderner Nutzungskonzepte genügt. An das Büro der Zukunft werden andere Anforderungen als an die heutigen Büroimmobilien gestellt werden. Hier sei beispielhaft die Entwicklung neuer Bürokonzepte im Rahmen erhöhter Kommunikationsanforderungen oder der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik erwähnt, die flexible Strukturen hinsichtlich Zentralität, Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglichen. Nur wenn Gebäude diesen Anforderungen entsprechen, werden sie auch langfristig am Markt erfolgreich angeboten werden können. Die Nutzungsdauer von Büroimmobilien ist durch die wandelnden Anforderungen der Nutzer in den letzten Jahrzehnten schon deutlich gesunken. Deshalb sind zudem regelmäßig
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
187
Modernisierungsmaßnahmen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der Objekte auf den Vermietungsmärkten zu erhalten. Marktergebnis und -entwicklungen Ein Merkmal dieses Marktes ist die extreme Ausprägung der Zyklen bei den einzelnen Indikatoren des Marktergebnisses. Alle zyklusverursachenden und -verstärkenden Faktoren wirken in besonderem Maße auf die Marktsituation bei Büroimmobilien. Durch lange Planungsund Realisierungszeiten ist das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage träger als die Nachfrage in Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen, so dass die Zyklen ausgeprägter sind. Bei den Angaben zu den Marktergebnissen (Umsatz, Nettoabsorption, Spitzen- und Durchschnittsmieten) ist es in der Praxis nicht möglich, bei sämtlichen Angaben in Erfahrung zu bringen, nach welchen Definitionen (BGF oder MF-G) diese genau ermittelt wurden. Nach Jones Lang LaSalle handelt es sich daher „i.d.R. von Markt zu Markt abweichende Mischgrößen“ (Jones Lang LaSalle, 2011, S. 11). Der Vermietungsumsatz kann nur annäherungsweise geschätzt werden, da hierzu keine amtlichen Statistiken vorliegen. Er wird von den Maklerhäusern anhand der eigenen Abschlüsse und der Kenntnis über fremde „Deals“ berechnet und nach der räumlichen Lage sowie den Flächengrößen und Ausstattungsqualitäten analysiert. Mit Hilfe der Kennziffer Flächenumsatz kann festgestellt werden, in welchen Regionen und von welchen Marktteilnehmern die Büroflächen nachgefragt werden. Dieses kann sowohl für Projektentwickler als auch für Investoren wertvolle Hinweise liefern, in welchen Teilgebieten ihre Investitionen die größeren Erfolgsaussichten haben. Flächenumsatz Der Flächenumsatz ist die Summe aller Flächen, die in einem abgegrenzten Büroimmobilienmarkt innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vermietet, verleast oder an einen Eigennutzer verkauft oder von ihm oder für ihn realisiert werden. Der Flächenumsatz ist als Jahressumme definiert, er beschreibt hauptsächlich durch Vermietung umgesetzte Büroflächen, beinhaltet jedoch auch für Eigennutzer erfolgte Projektneubauentwicklungen. Falls eigengenutzte Flächen frei werden, vergrößern diese das Potenzial für Vermietungen und werden daher beim Flächenumsatz berücksichtigt. Bei den Flächenumsätzen werden auch Untervermietungen innerhalb von Hauptmietverträgen erfasst. Nach verschiedenen Marktanalysen werden rund 60 v.H. der Vermietungen (Deals) und gut 15 v.H. der gesamten Vermietungsfläche in den Top-Bürostandorten bei einem Vermietungsumsatzes von unter 500 m² abgeschlossen. Der Büroflächenumsatz wird aber üblicherweise erst für Abschlüsse über 500 m² ermittelt, so dass eine systematische Unterschätzung der Marktaktivitäten erfolgt.
188
5 Immobilienmarktentwicklungen
3,5 in Mio. m² 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1990 Abb. 5.23:
1992
1994
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Büroflächenumsatz (in Mio. m²) in den sieben A-Städten; Quelle: BulwienGesa AG
Der Flächenumsatz auf dem Büromarkt bewegt sich sehr zyklisch, aber in den letzten zehn Jahren auf einem höheren Niveau als während des vorherigen Jahrzehnts (siehe Abbildung 5.23). Boomphasen bestanden während des „Dot-Com-Booms“ und des Immobilienbooms Mitte des letzten Jahrzehnts. Die Nettoabsorption ist die Veränderung der belegten Büroflächen innerhalb eines Jahres und damit der Differenz der aktuell belegten Fläche zu der im Vorjahr belegten Fläche. Nach der gif wird die Nettoabsorption üblicherweise aufgrund der schwierigen Datenerhebung nach der folgenden praxisorientierten Methode berechnet. Dabei ergibt sich die Nettoabsorption als die neu auf den Markt kommenden Flächen abzüglich des Abgangs an Büroflächen und der Differenz zwischen Leerstand am Ende und zu Beginn der betrachteten Periode. Sie kann je nach Standort und betrachtetem Jahr positiv oder negativ ausfallen. Nettoabsorption Die Nettoabsorption ist die Veränderung der in Anspruch genommenen Büroflächen innerhalb eines bestimmten Zeitraums in einem Marktgebiet. Die statistisch schwierig zu erfassende Größe Nettoabsorption kann im Vergleich zum Vermietungsumsatz zur Messung der tatsächlichen Nachfrage verwendet werden wie das folgende Beispiel zeigt. Eine Firma A expandiert und mietet 500 m² Bürofläche an. Ihre derzeit benutzten 350 m² werden an die Firma B vermietet, die ihrerseits 300 m² Bürofläche leer zieht. Diese Fläche wird auf dem Markt weiter angeboten. Insgesamt wurden zwar 850 m² vermietet, aber nur um 200 m² reduziert sich der Leerstand. Somit ergibt sich eine Nettoabsorption von 200 m². Eine hohe Nettoabsorption wird vor allem in Boomzeiten realisiert und zeigt sich zunächst durch sinkende Leerstände.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
189
2,5 in Mio. m² 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 1994 Abb. 5.24:
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
Nettoabsorption (in Mio. m²) in den sieben Top-Bürostädten; Quelle: gif-Büroflächenerhebung
Die Nettoabsorption hängt sehr viel stärker von der wirtschaftlichen Entwicklung ab als die Vermietungsumsätze (siehe Chart 5.24). Aufgrund des Abschwungs nach dem „Dot-ComBoom“ kam es sogar zu einem Rückgang der belegten Bürofläche an den TopBürostandorten in Deutschland. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hatte hingegen nur eine Abschwächung der Nettoabsorption zur Folge. Der Flächenleerstand ergibt sich durch das Zusammenwirken von Angebot (Fertigstellungen) und Nachfrage (Nettoabsorption). Leerstand Zum Leerstand zählen alle fertig gestellten Büroflächen, die zum Erhebungszeitpunkt ungenutzt sind, zur Vermietung, zur Untervermietung oder zum Verkauf (zum Zwecke der Weiternutzung) angeboten werden und innerhalb von drei Monaten beziehbar sind. Der Leerstand bezieht sich im Allgemeinen auf die leerstehende Fläche, die in einem jeweiligen Marktgebiet aktiv angeboten wird (einschließlich Untervermietung). Dabei werden nur marktfähige Objekte berücksichtigt, nicht aber demnach der strukturelle Leerstand. So zählen Flächen, die zum Erhebungszeitpunkt ungenutzt sind, aber nicht zur Vermietung bzw. Verkauf angeboten werden, nicht zum Leerstand. Dies gilt z.B. für Gebäude, für die eine Sanierung oder ein Abriss vorgesehen ist. Beim Leerstand werden hingegen auch die Flächen im Bau (mittelfristig verfügbar) und die Flächen „in der Pipeline“, die das langfristig verfügbare Angebot darstellen, berücksichtigt. Daraus abgeleitet wird die Leerstandsquote berechnet, die das Verhältnis des Leerstandes zum Flächenbestand angibt. Diese Kennziffern geben Rückschlüsse auf die Attraktivität des jeweiligen Büromarktes. Ein hoher Leerstand kann auf potenzielle Schwierigkeiten bei der Vermietung oder dem Angebot hinweisen. Auch bei Entscheidungen über insbesondere spekulativen Projektentwicklungen spielen die Leerstände und deren Entwicklung eine wesentliche Rolle.
190
5 Immobilienmarktentwicklungen
8,0 in Mio. m²
in v.H. 12,0
7,0
10,5
6,0
9,0
5,0
7,5
4,0
6,0
3,0
4,5
2,0
3,0
1,0
1,5
0,0
0,0 1990
1992
1994
1996
1998
2000
Leerstand (in Mio. m²) Abb. 5.25:
2002
2004
2006
2008
2010
Leerstandsquote (in v.H.)
Leerstand in den sieben A-Städten; Quelle: BulwienGesa AG
Der Anstieg der Leerstandsquoten nach Abbildung 5.25 vollzog sich in Treppenstufen und ähnelt der Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland („Sockelleerstand“). Die Ursache für die gegenwärtigen Leerstände basiert auf der zu geringen Dynamik der Nachfrage im Verhältnis zum Angebot. Wesentlich dafür ist der Zeitraum nach der Jahrtausendwende und steht in engem Zusammenhang mit dem Platzen der „Dot-Com-Blase“. Im Zuge der Blasenbildung wurde die Bautätigkeit als Folge deutlicher Nachfrageanstiege massiv ausgeweitet. Die fertiggestellten Gebäude kamen aber auf dem Markt als die Beschäftigung und entsprechend die Nachfrage nach Büroflächen bereits wieder rückläufig war. In der Folge war somit ein viel zu großes Angebot an Büroflächen geschaffen worden. Für den Zeitraum von 2005 bis 2010 fiel der Zuwachs an Bürobeschäftigung in den Top-Standorten höher als der Zuwachs an Flächenbestand aus, so dass der Leerstand leicht zurückging. Hohe Leerstandsquoten sind aber nicht nur ein Phänomen der Metropolen, sondern auch viele Mittelstädte weisen hohe Quoten auf. In den größten 125 von der BulwienGesa AG analysierten Städten betrug die Leerstandsquote rund 7,5 v.H. Damit ist der Anteil der leerstehenden Büroflächen seit Beginn der 1990er Jahre um mehr als 5 Prozentpunkte angestiegen. Dies ist ein Indiz für ein Überangebot an Bürofläche bzw. für strukturelle Probleme auf dem Büroimmobilienmarkt. Die Leerstandsentwicklung ist wiederum eine der wichtigsten Variablen zur Bestimmung der Entwicklung der Mieten für Büroimmobilien. Die Büromieten werden üblicherweise in Euro je m² Mietfläche nach den Richtlinien der gif ausgewiesen. Miete Die Mieten beziehen sich auf neu abgeschlossene und üblicherweise nicht auf Bestandsmietverträge. Die Mieten werden auf Basis der Nominalmieten ausgewiesen, welche die im Vertrag ausgewiesene Anfangsmiete ohne Berücksichtigung von Incentives, Nebenkosten oder lokalen Steuern sind. Bei der Effektivmiete werden hingegen die Incentives berücksichtigt.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
191
In den Marktberichten werden unterschiedliche Mieten ausgewiesen und zwar wird unterschieden zwischen der Spitzen-, Höchst- und Durchschnittmiete. Die Spitzenmiete trifft eine qualitative Aussage über Lage und Gebäudeausstattung und ermöglicht die Beurteilung eines Standortes auch im Vergleich zu Konkurrenzstandorten. Bei den Spitzenmieten wird zwischen den realisierten und den erzielbaren Mieten unterschieden. Spitzenmiete Die realisierte Spitzenmiete umfasst das – bezogen auf ein Marktgebiet – oberste Preissegment mit einem Marktanteil von 3 bis 5 v.H. des Vermietungsumsatzes innerhalb eines bestimmten Zeitraums und daraus wird ein Mittelwert gebildet. Die erzielbare Spitzenmiete (international: prime rent) repräsentiert eine erzielbare nominale Miete für eine bestimmte Mietfläche. Dieser Schätzwert ist in erster Linie die Sicht der Entwicklung des Marktes, wobei allerdings auch aktuelle Transaktionen berücksichtigt werden. Sie sind somit Schätzgrößen bzw. Markteinschätzungen und kein repräsentativer Wert.
35
in Euro/m²
30 25 20 15 10 5 0 1990
Abb. 5.26:
1992
1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Spitzenmiete Büro City Durchschnittsmiete Büro City
2008
2010
Mieten in den sieben A-Städten; Quelle: BulwienGesa AG
Der Verlauf der Spitzenmieten zeigt den starken zyklischen, konjunkturabhängigen Charakter des Büromarktes, was in der Abbildung 5.26 dargestellt ist. Der Boom direkt nach der Wiedervereinigung sorgte für einen starken Mietanstieg, dem dann ein Abschwung folgte. Die Spitze bei den Mieten in den Jahren 2000/01 markiert das Ende der wirtschaftlichen Boomphase der New Economy. Auch danach folgte jeweils ein langjähriger Ab- und dann wieder Aufschwung. Dieser endete mit dem Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich aber auf die Büromieten nicht so stark auswirkte. Das lag daran, dass trotz des starken BIP-Rückgangs die Beschäftigung durch Kurzarbeitsmaßnahmen nicht so stark abgebaut wurde. Dementsprechend ging die Nachfrage nicht so stark zurück und im Zusammenspiel mit geringen Fertigstellungen fielen dann die Mietrückgänge auch nur verhalten aus.
192
5 Immobilienmarktentwicklungen
Die regelmäßig in der Presse kommentierten Spitzenmieten für Büroflächen sind zwar wichtige Indikatoren der Marktentwicklung, aber für eine Mietpreisanalyse allein nicht ausreichend. Höchstmiete Die Höchstmiete ist die höchste realisierte Miete innerhalb eines definierten Zeit- und Teilraums. Die Höchst- bzw. Maximummiete stellt die absolut höchste tatsächlich erzielte nominale Miete dar. Üblicherweise ist davon auszugehen, dass die Höchstmiete über der Spitzenmiete liegt. Nach den Analysen von Jones Lang LaSalle waren aber die Maximummieten z.B. am Standort Düsseldorf im letzten Jahrzehnt in rund 10 v.H. der Fälle niedriger als die Spitzenmiete. Dieses ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei der Höchstmiete um eine tatsächliche Miete handelt, während die Spitzenmiete oft das Ergebnis einer Schätzung ist. Die dritte Miete ist die Durchschnittsmiete, die teilweise in den Marktberichten veröffentlich wird. Durchschnittsmiete Für die Durchschnittsmiete werden die einzelnen Mieten aller neu abgeschlossenen Mietverträge in einem Zeitraum mit der jeweils angemieteten Fläche gewichtet und ein Mittelwert errechnet. Die Durchschnittsmiete ist die mit der jeweils angemieteten Fläche gewichtete durchschnittliche nominale Miete aller im Berichtszeitraum neu abgeschlossenen Mietverträge. Grundlage sind alle abgeschlossenen Mietverträge innerhalb eines zurückliegenden Zeitraums. Grundsätzlich sollen dabei mindestens 10 Mietverträge vorliegen und mindestens 50 v.H. der vorliegenden Mietverträge einen Mietpreis aufweisen.
5.3.3
Einzelhandelsimmobilienmarkt
Unter Einzelhandelsimmobilien werden Gebäude verstanden, die Verkaufsflächen bereitstellen, um Waren an den Endverbraucher verkaufen zu können. Das Spektrum reicht von klassischen Innenstadtimmobilien der Fachgeschäfte über Fachmärkte bis hin zu multifunktionalen Shopping Centern. Der Markt für Einzelhandelsimmobilien wird durch unterschiedliche Einflussfaktoren sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite bestimmt. Für den Einzelhandelsbereich liefert die von den Statistischen Ämtern durchgeführte Handels- und Gaststättenzählung wichtige Angaben zum Flächenbestand und Umsatzvolumen. Die letzte Einzelhandelszählung stammt aber aus dem Jahr 1993. Weiterhin gibt es in der amtlichen Statistik Informationen über die jährliche Bautätigkeit. Darüber hinaus existieren nicht-amtliche Statistiken wie zum Beispiel die Kaufkraft- und Umsatzkennziffern der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Weiterhin gibt es lokale oder regionale Erhebungen über Einzelhandelsmärkte, die üblicherweise privatwirtschaftliche Veröffentlichungen sind. Die allgemeinen Rahmenbedingungen des Einzelhandelsimmobilienmarktes, nämlich die staatlichen Rahmenbedingungen sowie die ökonomische und demografische Entwicklung
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
193
sind bereits in Kapitel 3.2 analysiert worden. Die verwendeten mikroökonomischen Grundlagen der Einzelhandelsimmobilienanalyse wurden in Kapitel 4 gelegt. Unabhängig von ihrer spezifischen Ausprägung werden die Immobilienmärkte nachfrageseitig vor allem von gesamtwirtschaftlichen und sozio-demografischen Faktoren und angebotsseitig vom Bausektor, der sich auf die Veränderung des Immobilienbestandes auswirkt, bestimmt. Die auf den Märkten zustande gekommenen Preise (Kaufpreise und Mieten) beeinflussen ihrerseits wiederum Angebot und Nachfrage. Diese Zusammenhänge werden in der Abbildung 5.27 dargestellt. In diesem Kapitel wird zum einen noch auf die spezifischen Einflussfaktoren eingegangen und zum anderen die Entwicklung des Marktergebnisses, insbesondere des Vermietungsmarktes, dargestellt. Staatliche Rahmenbedingungen Wirtschaftsentwicklung Demografie und Nachhaltigkeit Arbeitsmarkt
Konsumklima
Inflation, Zins
EH- unternehmen
verfügbares Einkommen Nachfrage
Einzelhandelsimmobilienmarkt
Eigentümer etc.
Angebot Preise
Mieten EH-Immobilien Bestand/Leerstand Rendite
Baukosten
Fertigstellungen
Nettoneubau
Abriss
Investoren, EH-Unternehmen
Abb. 5.27:
Einzelhandelsimmobilienmarkt; Quelle: eigene Darstellung
Einzelhandelsunternehmen treten dabei als Nachfrager von derartigen Immobilien auf, wobei deren Nachfrage stark von den wirtschaftlichen Erfolgsaussichten der jeweiligen Objekte abhängt. Hierfür stellt eine günstige Entwicklung der Konsumnachfrage der Käufer am Standort eine notwendige Bedingung dar. Angebot – Einflussfaktoren und Entwicklungen Das Angebot an Einzelhandelsimmobilien u.a. von den Immobilieneigentümern oder den Projektentwicklern wird vom Bestand und den Leerständen beeinflusst. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die jeweilige Lage und Branche besondere Anforderungen an die angebotenen Verkaufsflächen stellt.
194
5 Immobilienmarktentwicklungen
Verkaufsfläche / Bestand Unter der Verkaufsfläche wird die Fläche verstanden, die dem Verkauf von Waren dient, einschließlich z.B. Gängen, Treppen, Schaufenstern oder Freiflächen. Enthalten sind auch Freiflächen, die nicht nur vorübergehend für Verkaufszwecke genutzt werden. Im Gegensatz zur Verkaufsfläche kommt bei der auch in Marktberichten angegebenen Geschäftsfläche die gesamte genutzte Fläche hinzu, also neben der Verkaufsfläche u.a. auch die Lager, Büro- und Sozialräume. Die letzten amtlichen Daten zum Angebot kommen aus der Handels- und Gaststättenzählung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1993. In der Folgezeit erfolgte zunächst keine weitere kontinuierliche Datenerfassung. Erst ab Ende der 1990er Jahre hat die GfK GeoMarketing sich mit der Flächenentwicklung in Deutschland beschäftigt. Ab 2003 liegen detaillierte Statistiken über die Flächenentwicklung in Deutschland vor. Gleichzeitig gibt es aber auch andere, teilweise widersprüchliche Quellen über die Entwicklung der Verkaufsfläche. Unterschiedliche Daten stammen u.a. vom Einzelhandelsverband HDE, dem EHI Retail Institute oder von einzelnen Maklern.
120
in Mio. m²
115 110 105 100 95 90 1993 Abb. 5.28:
1995
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
Einzelhandelsverkaufsflächenentwicklung (in Mio. m²); Quelle: GfK GeoMarketing
Nach der Abbildung 5.28 ist die Verkaufsfläche in Deutschland in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 1950 waren es in Westdeutschland noch knapp 10 Mio. m², die bis 1980 auf knapp 60 Mio. m² anwuchsen. Im Jahr 1990 gab es dann in Deutschland insgesamt lt. Angaben des Einzelhandelsverband HDE 77 Mio. m² Einzelhandelsfläche. Seit der Wiedervereinigung ist ein weiterer kontinuierlicher Anstieg festzustellen. Dabei kam es in den ersten Jahren zu Wachstumsraten, die bei über 3 v.H. lagen. In den Jahren danach lag der Zuwachs zwischen 0,5 und 1 v.H. gegenüber dem Vorjahr. Einen Rückgang der Fläche gab es bislang nie. Zwischen West- und Ostdeutschland teilt sich die Verkaufsfläche ungefähr wie deren Bevölkerungsanteile auf, so dass ca. 83 v.H. der Gesamtfläche auf die alten Bundesländer entfallen. Das Flächenwachstum konzentriert sich räumlich zum einen auf nicht-integrierte, verkehrsorientierte Standorte, an denen häufig Fachmarktentwicklungen
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
195
stattfinden. Zum anderen sind es die Zentrenlagen, an denen vor allem neue Shopping Center errichtet wurden. Die Struktur ebenso wie die Entwicklung von Einzelhandelsstandorten ist das Ergebnis eines Zusammenwirkens der Entscheidungen von Konsumenten, Einzelhandelsunternehmen sowie von Politik und Verwaltung (siehe Abbildung 5.29).
Konsumenten • Einkommen • Verhalten • Demografie • topografische Faktoren
Erlöse
Kosten
= Nachfrage = Einzugsgebiet
= Standort = Miete
Politik und Verwaltung • politische und
Betriebsformen Wettbewerbsstrategien
gesellschaftliche Ziele • Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumente
Unternehmen, Betriebe des Einzelhandels Struktur und Entwicklung von Einzelhandelsstandorten Abb. 5.29:
Einflussfaktoren auf Einzelhandelsstandorte; Quelle: eigene Darstellung
Die Konsumenten bestimmen die Struktur und Entwicklung von Einzelhandelsstandorten mittels ihres Kaufverhaltens und ihrer Nachfrage. Die Ansprüche der Konsumenten an den Einzelhandel sind in den letzten Jahren deutlich gewachsen und gleichzeitig vielfältiger geworden, auch wenn der Umsatz (= Nachfrage) nur im geringen Umfang gestiegen ist. Entscheidungen und Vorgaben von Politik und Verwaltung bestimmen darüber hinaus den Handlungsrahmen der Unternehmen. Hierzu zählen Vorgaben stadtplanerischer Art (z.B. Ansiedlungsverbote für bestimmte Betriebsformen und Sortimente an einzelnen Standorten) wie auch der generelle gesetzliche Rahmen (siehe Kapitel 3.2.1). Einen Beitrag zur Flächenexpansion haben die Kommunen und die Verwaltung geleistet, indem sie zur Verbesserung der Attraktivität ihres Einzelhandelsstandortes und um Kaufkraft in ihrem Gebiet zu halten neue Betriebe ansiedelten. Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Standortgegebenheiten (Flächenverfügbarkeit, Standorterschließung oder teilweise Preise für Grundstücke) werden ebenso von den Kommunen beeinflusst. Die Unternehmen im Einzelhandel reagieren auf diese beiden Einflussgrößen durch die Wahl der für den Standort optimalen Betriebsform und die Auswahl einer geeigneten Wettbewerbsstrategie. Die Einzelhandelsunternehmen haben mit einer entsprechenden Ausdifferenzierung des Angebotes und Flächenexpansion reagiert und auch die Betriebsformen haben entsprechend ihre Marktanteile verändert. Die Unternehmen wollen einerseits über Umsatzsteigerungen ihre Marktstellung verbessern, was aber häufig nur über Flächenwachstum erreicht werden kann. Als Beispiele hierfür sei das Wachstum der Discounter, der Buchhandels- und Drogerieketten genannt. Zum Flächenwachstum trägt andererseits die weitere Expansion erfolgreicher Unternehmen bei. Gleichzeitig gibt es natürlich das Beharrungsvermö-
196
5 Immobilienmarktentwicklungen
gen der bestehenden Einzelhandelsunternehmen, die trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht sofort ihre Geschäfte aufgeben. Letztlich haben die Unternehmen die Sortimente in ihren Handelsgeschäften durch neue Konzepte ausgeweitet, so dass die durchschnittliche Fläche je Ladeneinheit seit der Vereinigung um rund 30 v.H. auf nunmehr knapp 300 m² angestiegen ist. Vor dem Hintergrund dieser Wirkungszusammenhänge ist es in den vergangenen Dekaden zu einem erheblichen Strukturwandel im Einzelhandel gekommen. Das Angebot an Einzelhandelsimmobilien wird auch weiterhin den sich verändernden Rahmenbedingungen Rechnung tragen müssen. Strukturwandel Veränderte Konsumentenwünsche und neue Unternehmensstrategien finden ihren Niederschlag in den sich wandelnden Marktanteilen für die einzelnen Betriebsformen. Bezüglich der Struktur des Einzelhandels haben sich in den letzten Jahren Verschiebungen ergeben, die sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen werden. Der Handel ist von einem ständigen Wandel betroffen, da sich das Einkaufsverhalten stetig ändert und auch die Handelsformen sich in immer kürzer werdenden Zeitabständen wandeln (siehe Abbildung 5.30).
Kaufentscheidung nicht preissensitiv
Delikatesshandel
Boutique
Shopping Center Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs
Warenhaus / Kaufhaus TanteEmmaLaden SB-Warenhaus Supermärkte Discounter
Bedeutungsgewinn Abb. 5.30:
traditioneller Facheinzelhandel
FactoryOutlet Center Preissensitive Kaufentscheidung
kaum Veränderung
Verbrauchsgüter mit langer Lebensund Nutzungsdauer
Fachmarkt
Bedeutungsverlust
Einzelhandelsimmobilienmarkt; Quelle: Rottke, 2010, S. 155, eigene Bewertung
Die einzelnen Betriebsformen sind durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet: Nahversorger Hierbei handelt es sich um Objekte mit sehr regionaler Bedeutung, die sich auf das umliegende, unmittelbare Einzugsgebiet beziehen und sich deshalb in entsprechend guter, zentraler Lage befinden sollten. Die Baustandards sind im Regelfall einfach gehalten; die Lebensdauer ist dadurch beschränkt. Da diese Art von Immobilie relativ leicht ersetzbar ist, ist es häufig kostengünstiger, neu zu bauen als ein bestehendes Objekt dem aktuellen Standard anzupassen.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
197
Fachmärkte / Fachmarktzentren Zusammenfassung oder Kombination von Fachmärkten an einem Standort. Früher haben sich solche Zentren aus der sukzessiven Ansiedlung von Einzelfachmärkten entwickelt, heute geht die Tendenz zu einer geplanten Zusammenstellung von Fachmärkten durch einen Investor mit dem Ziel der Angebots- und Wettbewerbsoptimierung. Bevorzugte Standorte befinden sich häufig an Ein- und Ausfallstraßen sowie in Gewerbegebieten. Kaufhäuser Ein Kaufhaus ist ein innerstädtischer Fachmarkt und bietet Waren nur aus einer oder wenigen Warengruppen auf einer Verkaufsfläche von mindestens 1.000 m² an. Beispiele sind Kaufhäuser mit Textilien (u.a. C&A) oder mit Elektrogeräten (u.a. Saturn oder MediaMarkt). Warenhäuser Ein Warenhaus ist ein großes, meist mehrstöckiges Geschäft, indem Waren jeglicher Art angeboten werden. Beispiele hierfür sind Karstadt oder die Galeria Kaufhof. Shopping Center In den 1960er-Jahren eröffneten die ersten Shopping Center in Deutschland. Gab es bis 1990 noch eine relativ moderate Zunahme auf rund 100 Center, nahm die Anzahl in der ersten Dekade nach der Wiedervereinigung rasant auf ca. 300 zu. Während in den 90er Jahren die Shopping Center noch überwiegend auf der Grünen Wiese eröffnet wurden, befinden sich heute neue Standorte in den Innenstädten und in Stadtteilen. Bis heute stieg die gesamte Fläche auf ca. 16 Mio. m², verteilt auf über 400 Shopping Center.
100%
80%
60%
11,3
10,7
10,8
10,8
11,1
10,8
11,1
11,3
11,3
11,5
11,3
11,2
11,1
8,4
9,6
9,3
8,8
8,8
8,2
7,4
7,1
7,2
7,3
7,4
7,3
7,4
11,0 7,4
8,6 4,2
7,9 4,2
8,4 4,0
10,0 3,9
10,5 3,8
10,6 3,6
10,8 3,3
11,5 3,2
11,8 3,1
12,8 3,0
12,8 2,5
12,7 2,5
12,6 2,5
12,6 2,4
20,5
21,0
21,2
21,4
22,0
22,3
22,5
22,7
22,8
23,1
23,6
23,9
24,1
24,1
27,9
27,4
27,2
25,9
24,0
24,8
24,3
23,9
23,1
21,6
21,2
20,6
20,5
20,4
13,4
13,4
13,5
13,2
13,0
12,9
13,4
13,5
13,6
13,8
13,9
14,2
14,3
14,4
5,7
5,7
5,6
5,9
6,9
6,8
7,1
6,8
7,1
6,8
7,3
7,3
7,5
7,7
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
40%
20%
0%
Distanzhandel Fachmärkte Supermärkte
Abb. 5.31:
Filialisierter Nonfood-Einzelhandel Warenhäuser SB-Warenhäuser / Verbrauchermärkte
Marktanteile der Betriebsformen; Quelle: GfK GeoMarketing
Traditionelle Fachgeschäfte Lebensmittel-Discounter
198
5 Immobilienmarktentwicklungen
Den Wandel der Betriebsformen dokumentiert anschaulich die Abbildung 5.31. Am stärksten zulegen konnten in den vergangenen gut 10 Jahren die Lebensmittel-Discounter, die ihren Anteil um mehr als 4 Prozentpunkte steigern konnten. Zu den Gewinnern gehörten auch die Fachmärkte. Im Vergleich zu vielen anderen ähnlichen Darstellungen stieg der Anteil des Versandhandels von 5,7 v.H. auf 7,7 v.H., was darauf zurückzuführen ist, dass in der Abbildung 5.31 der E-Commerce berücksichtigt worden ist. Der Internethandel nahm in den vergangenen Jahren mit teilweise zweistelligen Zuwachsraten zu. Der traditionelle Versandhandel allein hatte dagegen Einbußen bei den Umsatzanteilen hinzunehmen. Für den Internethandel sind jedoch keine speziellen Einzelhandelsimmobilien erforderlich, wohl aber Logistikimmobilien. Zu den Verlierern zählen vor allem die traditionellen Fachgeschäfte, die zumeist in den Innenstädten und in den integrierten Stadtteillagen liegen. Die Lage der Einzelhandelsimmobilien ist ein weiteres Abgrenzungskriterium, um die Bestände differenziert zu analysieren. In der Tabelle 5.2 sind die Kriterien von Jones Lang LaSalle wiedergegeben. Tab. 5.2:
Standortfaktoren Einzelhandelsbetriebe
Lage 1a-Lage 1b-Lage Nebenlage / Streulage Stadtteillage
Anteil an der Spitzenmiete Passantenfrequenz 80–100 v.H. 70–100 v.H. 40–80 v.H. 40–70 v.H. unter 40 v.H. unter 40 v.H. außerhalb des Citybereichs; von der Stadtplanung ausgewiesene Versorgungsschwerpunkte des Handels
Quelle: Jones Lang LaSalle, 2011, S. 23
Die 1a-Lage bezeichnet die umsatzstarken, hochfrequentierten Lagen einer Stadt, die zu den besten Einkaufslagen gehören. Sie liegen meist in Hauptgeschäftszentrum einer Stadt. Direkt an die 1a-Lage grenzen die 1b-Lagen (meist die Nebenstraßen der Haupteinkaufsstraßen), die dann in weiterer Entfernung in Streulagen bzw. Nebenlagen übergehen. Nachfrage – Einflussfaktoren und Entwicklungen Die Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien kommt von den Einzelhandelsunternehmen. Von grundsätzlicher Bedeutung für die Entwicklung des Einzelhandels und damit für die davon abhängige Nachfrage des Einzelhandels nach Verkaufsflächen ist die Umsatzentwicklung. Der Einzelhandelsumsatz hängt selbst wieder entscheidend von der Entwicklung der Wirtschaft, der verfügbaren Einkommen und den daraus bestrittenen Konsumausgaben der privaten Haushalte ab. Mit gut 82 Mio. Einwohnern ist Deutschland der größte Konsumgütermarkt in Europa.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
1.600
199
in Mrd. Euro
1.400
in v.H.
40 35
1.200
30
1.000
25
800
20
600
15
400
10
200
5
0
0 1995
1997
1999
2001
2003
Einzelhandesumsatz in Mrd. Euro Einzelhandelsanteil am privaten Konsum in v.H.
Abb. 5.32:
2005
2007
2009
2011
private Konsumausgaben in Mrd. Euro
Entwicklung des Einzelhandels und des privaten Konsums; Quelle: GfK GeoMarketing
Die Nachfrage im Einzelhandel (siehe Abbildung 5.32) wird wesentlich von der konjunkturellen Entwicklung beeinflusst. Von besonderer Relevanz ist hierbei die Entwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte. Im Vergleich zum BIP wachsen die privaten Konsumausgaben in Deutschland nur unterdurchschnittlich, so dass deren Anteil am BIP in den vergangenen Jahren abgenommen hat. Lag der Anteil zu Beginn des Jahrzehnts noch bei rund 59 v.H., ist er im vergangenen Jahr bis auf 56 v.H. gesunken. Wesentliche Ursache für die schwache Konsumentwicklung ist der geringe Anstieg der Einkommen der privaten Haushalte. Das verfügbare Einkommen ist real im letzten Jahrzehnt sogar leicht gesunken, obwohl nominal noch leichte Zuwächse zu beobachten waren. Weiterhin ist zu beobachten, dass der Anteil des Einzelhandels an den gesamten Konsumausgaben der privaten Haushalte von 37 v.H. im Jahr 1995 auf nur noch knapp 27 v.H. im Jahr 2011 gesunken ist. Gründe für diese Entkopplung der Einzelhandelsumsätze von den privaten Konsumausgaben liegen zum einen in einer spürbaren Reduktion der für Konsumzwecke frei verfügbaren Einkommenssumme und zum anderen in einer gestiegenen Präferenz für z.B. freizeitorientierte Dienstleistungen, die traditionell nicht über den Einzelhandel bezogen werden. Auch die Aufwendungen für Wohnnebenkosten sind weitaus stärker gestiegen. Zusätzlich werden vermehrt Güter über alternative Vertriebswege wie beispielsweise E-Shops im Internet verkauft, die keine Verkaufsfläche benötigen. Die demografischen Veränderungen wirken sich langfristig auf die Nachfrage im Einzelhandel aus. Hier ist zwischen den Effekten einer sinkenden absoluten Bevölkerungszahl, der sich verändernden Altersstruktur und der regionalen Verteilung der Effekte zu differenzieren (siehe Kapitel 3.2.4). Die Bevölkerungszahl wird in Deutschland bis 2060 deutlich zurückgehen. Eine sinkende Bevölkerungszahl hat c.p. aufgrund der geringen Nachfrage einen negativen Effekt für den Einzelhandel. Die veränderte Bevölkerungsstruktur mit einer zunehmend älteren Bevölkerung wirkt sich auf unterschiedliche Weise auf den einzelhandelsrelevanten Konsum aus. Negative Effekte sind zum einen aufgrund des niedrigeren Einkommensniveaus der älteren
200
5 Immobilienmarktentwicklungen
Bevölkerungsgruppe zu erwarten. Zum anderen sind Effekte durch strukturelle Verschiebungen beim Konsum zu erwarten – allerdings nur geringe. Die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland erfordert zudem altengerechte Handelsformate mit einem auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Sortiment. Diese Effekte werden regional sehr unterschiedlich ausfallen. Marktergebnis und -entwicklungen Die Umsätze im deutschen Einzelhandel sind im letzten Jahrzehnt zwar rund 5 v.H. gestiegen, in der jährlichen Betrachtung bedeutet dies allerdings lediglich eine Zunahme um durchschnittlich nominal 0,75 v.H. So ergibt sich für den gesamten Beobachtungszeitraum ein schwaches Umsatzwachstum für den Einzelhandel in Deutschland. Umsatz Der Einzelhandelsumsatz ist jeglicher Warenabsatz an den Endverbraucher. In der amtlichen Statistik und in den Auswertungen privater Marktbeobachter werden die einbezogenen Betriebe und Vertriebsformen unterschiedlich berücksichtigt. Die Schwäche der Gesamtkonjunktur in Deutschland und die aus unterschiedlichen Gründen forcierte Konsumzurückhaltung sowie die Verschiebung der Ausgaben für unterschiedliche Waren haben sich negativ auf den Einzelhandelsumsatz ausgewirkt.
130 Index 1993 = 100 125 120 115 110 105 100 1995
1997
1999
2001
2003
Umsatz nominal Abb. 5.33:
2005
2007
2009
2011
Einzelhandelsfläche
Einzelhandelsflächen- und -umsatzentwicklung; Quelle: GfK GeoMarketing
Das bereits seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachtende Flächenwachstum hat sich auch im vergangenen Jahrzehnt weiter fortgesetzt (siehe Abbildung 5.33). Im dargestellten Zeitraum ist bis 1996 ein deutlicher Anstieg der Verkaufsflächen zu beobachten, der in den Folgejahren zwar schwächer wird, sich dafür aber stabilisiert. Seit 2003 sind die Verkaufsflächen in Deutschland jährlich im Durchschnitt etwa anderthalb mal so stark
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
201
gewachsen wie die Umsätze. Damit steht der Umsatzentwicklung ein deutlich höheres Flächenwachstum gegenüber, wodurch die Flächenproduktivität nachhaltig belastet wird. Die Flächenproduktivität oder Flächenleistung als Umsatz je Fläche ist eine der wesentlichen Leistungskennziffern eines Einzelhandelsbetriebes. Überdurchschnittlich hohe Flächenproduktivitäten zeigen dabei zum einen an, dass besonders leistungsstarke Wettbewerber vor Ort sind. Zum anderen aber auch, dass sich noch zusätzliche Wettbewerber in dem relevanten Marktsegment ansiedeln können. Flächenproduktivität Die Flächenproduktivität berechnet sich durch den erwirtschafteten Umsatz bezogen auf die Geschäfts- bzw. Verkaufsfläche.
Wachstum von Umsatz und Fläche 3,0 in v.H.
Flächenproduktivität in Euro/m²
3.600
2,0
3.550
1,0
3.500
0,0
3.450
-1,0
3.400
-2,0
3.350
-3,0
3.300 2002
2003
2004
2005
nominale Einzelhandelsumsatz Abb. 5.34:
2006
2007
2008
Verkaufsfläche
2009
2010
2011
Flächenproduktivität (r.S.)
Flächen- und Umsatzentwicklung, Flächenproduktivität; Quelle: GfK GeoMarketing
Der deutsche Einzelhandel hat durch die Wettbewerbsverschärfung eine insgesamt rückläufige Flächenproduktivität erfahren (siehe Abbildung 5.34). Zwischen 1970 und 1993 konnte sich die Flächenproduktivität in Deutschland noch mehr als verdoppeln. In der Folge führte ein schwaches Wachstum der Einzelhandelsumsätze in Kombination mit einer deutlichen Ausweitung der Verkaufsflächen zu einer langfristigen Abnahme der Flächenleistung. In den vergangenen Jahren wuchsen Umsätze und Verkaufsflächen relativ gleichmäßig, so dass im Ergebnis die Flächenleistung leicht anstieg. Hinter dem allgemeinen Rückgang stehen allerdings teilweise gegenläufige Entwicklungen verschiedener Branchen und Betriebsformen. Über die Leerstände bei den Einzelhandelsflächen liegen keine bundesweiten Informationen vor, wenn überhaupt gibt es in den lokalen bzw. regionalen Einzelhandelsgutachten entsprechende Hinweise. Aber auch hier werden häufig nur die Hauptgeschäftslagen erfasst. Auf die Mieten im Einzelhandel hat die kleinräumige Lage innerhalb der innerstädtischen Zentrenstruktur einen wesentlichen Einfluss. Je nachdem, ob das Ladengeschäft innerhalb
202
5 Immobilienmarktentwicklungen
eines Geschäftskerns oder in einem Stadtteilzentrum liegt, weichen die Mieten i.d.R. erheblich voneinander ab. Die Spitzenmiete stellt in erster Linie die Sicht der Entwicklung des Marktes dar, basiert aber auf Auswertungen aktueller Transaktionen (keine Bestandsmieten), soweit diese registriert werden konnten. Die Spitzenmiete entspricht der Nettomiete ohne Nebenkosten, Incentives und lokalen Steuern. Das Mietniveau wird zum einen für verschiedene Lagen (1a- und 1b-Lagen sowie Nebenlagen) und zum anderen für die Top-Lagen mit ihren Spitzenmieten, wie sie von den Maklern (z.B. Comfort oder Brockhoff) ermittelt wird. Spitzenmiete Die Spitzenmiete repräsentiert die nachhaltig erzielbare nominale Spitzenmiete bei Neuvermietungen für Idealflächen (Erdgeschoss, bis 100 m², stufenfrei, mind. 6 m Schaufensterfront) in Top-Lagen. Die Entwicklung der Mieten hängt im Wesentlichen von der Lage ab, wobei einzig in den Spitzenlagen der Metropolen wesentliche Mietsteigerungen erreicht werden konnten. Dies wird u.a. durch die zunehmend in diese Lagen drängenden Filialisten verursacht (siehe Abbildung 5.35).
220 200
1998 = 100
180 160 140 120 100 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Berlin Abb. 5.35:
Düsseldorf
Frankfurt
Hamburg
Köln
München
Mietentwicklung in Top-Lagen; Quelle: BNP Paribas
Die Mieten für die unterschiedlichen Lagen in Deutschland entwickelten sich nach Chart 5.36 jedoch zunehmend auseinander: In den 1a-Lagen insgesamt waren die Mieten eher leicht steigend, während sie in den schwächeren Lagen rückläufig waren. Sinkende Flächenproduktivitäten und eine schwache Umsatzentwicklung haben zu Vermietungsproblemen in den weniger gefragten Lagen geführt.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland 80 70
203
in Euro/m²
60 50 40 30 20 10 0 1990
1992
1994
1996
1998
EH-Miete 1a-Lage Abb. 5.36:
2000
2002
2004
2006
2008
2010
EH-Miete Nebenlage
Mietentwicklung in Euro/m²; Quelle: BulwienGesa AG
Besonders stark sind die Mieten in den Metropolen angestiegen und hier vor allem in den 1aLagen. Schwächer und sogar teilweise negativ entwickelten sich die Randlagen in diesen Städten und die Mieten in den kleineren Städten.
5.3.4
Wohnimmobilienmarkt
Der Markt für Wohnimmobilien stellt wertmäßig den größten Teilmarkt des deutschen Immobilienmarktes dar. Marktgegenstand ist das Konsumgut Wohnung, das von den Haushalten nachgefragt und von der Wohnungswirtschaft angeboten wird. Wichtige Merkmale sind die Heterogenität und die Standortgebundenheit der Wohnungen, so dass es eine Vielzahl von Teilmärkten gibt. Im Gesamtmarkt gibt es eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern (vollständige Konkurrenz), während auf Teilmärkten auch anderen Marktformen auftreten können. Wohnungen werden als Räume definiert, die Wohnzwecken dienen und die eine selbständige Lebensführung ermöglichen. Zu einer Wohnung gehört u.a. eine Küche und eine Wohnung hat stets einen eigenen abschließbaren Zugang. Der Wohnimmobilienmarkt bezieht seine besondere Bedeutung aus der Stellung des Gutes „Wohnen“ als lebensnotwendiges Gut. Das Gut Wohnen ist für die Menschen nur sehr eingeschränkt substituierbar und hat auf der Nachfrageseite eine Sonderstellung (siehe Kapitel 4). Mit dem Wohnimmobilienmarkt ist im Folgenden vorwiegend der Vermietungsmarkt gemeint, auf den private Haushalte als Nachfrager zur Selbstnutzung auftreten und sowohl Unternehmen als auch private Haushalte als Anbieter. In Ausnahmefällen wird auch auf den Investmentmarkt mit seinen Transaktionen eingegangen. Der Vermietungsmarkt hat in Deutschland ein größeres Gewicht als der Markt für selbstgenutztes Wohneigentum. Über den Markt für Wohnimmobilien gibt es aus der amtlichen Statistik wenige Informationen, z.B. nur über den Wohnungsbestand oder die -fertigstellungen. Die letzte als Totalzählung durchgeführten Gebäude- und Wohnungszählung erfolgte für Westdeutschland 1987
204
5 Immobilienmarktentwicklungen
und für Ostdeutschland im Jahr 1995, danach entstammen die Daten aus Fortschreibungen. Im Rahmen des Mikrozensus 2010 kam es zu einer grundlegenden, repräsentativen Neuerfassung. Marktergebnisse wie Miet- oder Preisentwicklungen sind in der amtlichen Statistik nur stark aggregiert vorhanden, so dass häufiger privatwirtschaftlich erstellte Daten und Informationen notwendig sind. Die allgemeinen Rahmenbedingungen der Immobilienmärkte, die auch für den Wohnimmobilienmarkt gelten, sind bereit in Kapitel 3.2 analysiert worden. Mikroökonomische Grundlagen für die Funktionsweise der Wohnungsmärkte wurden in Kapitel 4 untersucht. Unabhängig von ihrer spezifischen Ausprägung werden die Immobilienmärkte nachfrageseitig vor allem von gesamtwirtschaftlichen und sozio-demografischen Faktoren und angebotsseitig vom Bausektor mit den Fertigstellungen, der sich auf die Veränderung des Immobilienbestandes auswirkt, bestimmt. Die auf den Märkten zustande gekommenen Preise (Kaufpreise und Mieten) beeinflussen ihrerseits wiederum Angebot und Nachfrage (siehe Abbildung 5.37). In diesem Kapitel wird zum einen noch auf die spezifischen Einflussfaktoren eingegangen und zum anderen die Entwicklung des Marktergebnisses, insbesondere des Vermietungsmarktes, dargestellt. Staatliche Rahmenbedingungen Wirtschaftsentwicklung Demografie und Nachhaltigkeit Arbeitsmarkt
Transfers
Konsumklima
Inflation
Finanzierungsbedingungen
verfügbares Einkommen Nachfrage Wohnimmobilien
Eigentümer etc.
Angebot Preise
Mieten Wohnimmobilien Bestand/Leerstand Rendite
Baukosten
Fertigstellungen
Nettoneubau
Abriss
Investoren, Projektentwickler
Abb. 5.37:
Wohnimmobilienmarkt; Quelle: eigene Darstellung
Angebot – Einflussfaktoren und Entwicklungen Der Wohnimmobilienmarkt ist ein Bestandsmarkt. Aufgrund der langen Nutzungsdauer der Wohnimmobilien sind sowohl die Zugänge bzw. Fertigstellungen als auch die Vermietungen als auch die Abgänge pro Jahr gering im Vergleich zum Bestand. Der Bestand wird von den statistischen Ämtern ausgehend von einem Basisjahr (Mikrozensus) jährlich auf der Grundlage der Wohnungsfertigstellungsstatistik und der genehmigten Wohnungsabgänge fortge-
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
205
schrieben. In dem folgenden Schaubild 5.38 sind die Daten bis 2009 und von 2011 von daher eine Fortschreibung, während die Daten für 2010 von dem entsprechenden Mikrozensus stammen. Wohnungsbestand Zum Wohnungsbestand werden alle Wohnungen in Wohngebäuden gezählt, die mindestens zur Hälfte – gemessen an der Gesamtnutzfläche – Wohnzwecken dienen.
45 40
in Mio.
35 30 25 20 15 10 5 0 1994
1996
insgesamt
Abb. 5.38:
mit 1 Wohnung
1998
2000
mit 2 Wohnungen
2002
2004
2006
mit 3 oder mehr Wohnungen
2008
2010
Wohnungen in Nichtwohngebäuden
Bestandsentwicklung, Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden; Quelle: Statistisches Bundesamt
Das Wohnungsangebot hat sowohl eine sachliche als auch zeitliche Dimension, da die Nutzung der Wohnung sich nur auf einen Zeitraum beschränkt. Innerhalb der Lebensdauer einer Wohnung wird diese jedoch jeweils mehrmals am Markt angeboten. Der größte Teil des vorhandenen Wohnungsbestandes ist vertraglich gebunden, so dass zur Neu- oder Wiedervermietung nur ein relativ geringes Angebot zur Verfügung steht. Das Wohnungsangebot setzt sich somit im Wesentlichen aus den freigezogenen Bestandswohnungen und aus den fertiggestellten Neubauwohnungen zusammen. Beim selbst genutzten Wohneigentum ist der Wohneigentümer im Hinblick auf die Nutzung sowohl Anbieter als auch Nachfrager gleichzeitig. Am Wohnungsmarkt gibt es weder den typischen Anbieter noch das typische Angebot, da die Wohnungen sehr heterogen sind. Sowohl die quantitative als auch die qualitative Wohnungsversorgung hat sich in den vergangenen Jahren insgesamt weiter verbessert. Zentraler Indikator für die Darstellung der quantitativen Wohnungsversorgung ist die Anzahl der Wohnungen. Im Jahr 2011 gab es in Deutschland ca. 40,5 Mio. Wohnungen, das waren knapp 700.000 Wohnungen oder 1,8 v.H. mehr als vor fünf Jahren und 20 v.H. mehr als im Jahr 1990. Durch den Mikrozensus wurden rund 37 Mio. bewohnte Wohnungen erfasst, darunter gut 36 Mio. in Wohngebäuden. Von letzteren waren rund 54 v.H. vermietet und ca. 46 v.H. von den Eigentümern selbst bewohnt.
206
5 Immobilienmarktentwicklungen
Bei einem Vergleich des Bestandes im Westen und Osten Deutschlands zeigen sich bei einzelnen Indikatoren deutliche Unterschiede. Die Wohnungsfertigstellungen erhöhen c.p. den Wohnungsbestand und basieren auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Wohnungsfertigstellungen Die Fertigstellungen sind die unter genehmigungs- oder zustimmungsbedürftigen Baugenehmigungen definierten Baumaßnahmen.
600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 1991
1993
1995
1997
1999
2001
Fertigstellungen Abb. 5.39:
2003
2005
2007
2009
2011
Abgänge
Fertigstellungen und Abgänge von Wohnungen; Quelle: Statistisches Bundesamt
Bei den Fertigstellungen neuer Wohn- und Nichtwohngebäude ergaben sich die kräftigsten Zuwächse an neuen Wohnungen zum einen als Folge der Beseitigung des Wohnungsmangels nach dem II. Weltkrieg. Zum anderen folgten sie jeweils zeitverzögert den Bevölkerungszuwächsen in den 1960er und 1970er Jahren sowie den Zuwächsen zum Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre als Folge der starken Zuwanderungen. Unterstützt wurde die rege Bautätigkeit oft durch staatliche Förderungen, so auch nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland (siehe Abbildung 5.39). Insgesamt ist die Bedeutung des Wohnungsneubaus seit Mitte der 90er Jahre kontinuierlich gesunken, wenn auch in den letzten Jahren wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen war. In den 1990er Jahren lag der Anteil des Neubaus am Bestand noch bei 1 v.H., seit einigen Jahren hat sich diese Quote aber auf 0,5 v.H. reduziert. Während bis 1997 Zuwächse im Wohnungsbestand vor allem im Geschosswohnungsbau gegeben waren, überwiegen seit dem die Fertigstellungen von Ein- und Zweifamilienhäusern. Diese sind auch eine relativ konstante Größe bei den Bautätigkeiten, während der Geschosswohnungsbau von einer erheblichen Zyklik geprägt ist.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
207
Während die Fertigstellungen neuer Wohnungen tendenziell sanken, stiegen die Maßnahmen im Bestand. Eine Analyse des Wohnungsbauvolumens zeigt, dass seit Ende der 1990er Jahre die Investitionen in den Wohnungsbestand (Modernisierung, Sanierung, Reparatur) größer sind als die Neubauinvestitionen. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts haben die Bestandsinvestitionen noch einmal deutlich Anteile hinzugewonnen und stiegen von knapp zwei Drittel auf knapp 80 v.H. des gesamten Wohnungsbauvolumens im Jahr 2010. Das entsprach einem Bauvolumen von rund 110 Mrd. Euro. Der Anteil der Neubaumaßnahmen an allen Wohnungsbauleistungen betrug gut 20 v.H. Zur Jahrtausendwende war der Anteil noch doppelt so hoch. Bei etwa jeder fünften Wohnung werden pro Jahr Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. In Ostdeutschland fielen diese Maßnahmen zuletzt geringer aus, da bereits in den 1990er Jahren umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen an Gebäuden und Wohnungen stattgefunden haben. Aufgrund der veränderten Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft und der Notwendigkeit energetischer Sanierungen werden diese Maßnahmen auch in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Der Neubaubedarf bestimmt sich zum einen aufgrund des Mehrbedarfs durch Bevölkerungszuwächse und Haushaltsneugründungen sowie den Wünschen der Haushalte nach mehr Wohnfläche. Zum anderen besteht ein Ersatzbedarf, da alte Häuser abgerissen werden oder weil der Bestand nicht mehr den (u.a. räumlichen) Präferenzen der Nachfrager entspricht. Die Prognosen über den Neubaubedarf gehen quantitativ weit auseinander, da sie auf unterschiedlichen Annahmen basieren. Bei den Prognosen mit hohem Bedarf wird die Notwendigkeit von vielen Wohnungssanierungen und dem Bau neuer altengerechter Wohnungen unterstellt. Bei der Nachfrage nach altengerechten Wohnungen ist aber zu berücksichtigen, dass die Menschen in ihren Wohnungen altern und nur bedingt in eine andere, z.B. altengerechte Wohnung umziehen wollen. Der altengerechte Umbau des Wohnungsbestandes wird daher häufig von den Bewohnern selbst vorgenommen, dies gilt besonders für Einfamilienhäuser. Häufig wird deshalb ein moderater Neubaubedarf prognostiziert. Das BBSR geht in seiner Wohnungsmarktprognose von einer weiter steigenden Wohnflächennachfrage aus. Das BBSR prognostiziert einen jährlichen Neubaubedarf bis 2025 von insgesamt 183.000 Wohnungen in Deutschland. Falls die einzelnen Fünf-Jahreszeiträume betrachtet werden, so geht das BBSR für die Jahre bis 2015 von einem Neubedarf von knapp 200.000 Wohnungen aus. In den Folgejahren sinkt der Bedarf kontinuierlich, bis dass dieser bei unter 170.000 Wohnungen p.a. in den letzten Jahren des Prognosezeitraums liegt. Regional ergeben sich große Unterschiede. Der zukünftige Wohnungsbedarf wird sich vor allem in den urbanen Regionen konzentrieren, auf die zehn Kreise in Ballungsregionen entfällt rund ein Viertel des Neubaubedarfs. In vielen Kreisen besteht dagegen kein Bedarf mehr. Wohnungsabgänge Als Abgang werden die Gebäude oder Gebäudeteile erfasst, die durch ordnungsbehördliche Maßnahmen, Schadensfälle oder Abbruch der Nutzung entzogen werden oder deren Nutzung zwischen Wohn- und Nichtwohnzwecken geändert wird. Die amtlich registrierten Abgänge von Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden betrugen in den 1990er Jahren unter 25.000 Wohnungen in Deutschland. Da viele Wohnungsabgänge nicht anzeigepflichtig sind (z.B. Wohnungszusammenlegungen), kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Werte deutlich höher sind. Nach der Jahrtau-
208
5 Immobilienmarktentwicklungen
sendwende stiegen die Abgänge kurzfristig auf knapp 60.000 Einheiten pro Jahr an, was vor allem auf das Umbauprogramm Ost zurückzuführen ist. In Westdeutschland liegen die Abgänge seit Mitte der 1980er Jahre relativ konstant bei 15.000 Wohnungen. Da in Ostdeutschland die Abgänge seit 2005 wieder stark rückläufig waren, lag die Anzahl der Abgänge im Jahr 2011 deutschlandweit wieder unter 30.000 Wohnungen. Die Wohnungsunternehmen sind die Hauptinitiatoren von Abrissmaßnahmen, da 2011 von diesen mehr als 18.000 Wohnungen abgerissen wurden (im Wesentlichen weiter durch den Stadtumbau Ost). Die durchschnittliche Wohnungsgröße ist nach den Auswertungen des Mikrozensus 2010 in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Sie stieg von 1991 von 82 m² auf gut 92 m² (2010), wobei die Zuwächse in Ostdeutschland besonders stark ausfielen. Aber nach wie vor sind die Wohnungen in Westdeutschland mit knapp 96 m² deutlich größer als in Ostdeutschland (79 m²). Der Trend zu größeren Wohnungen ist zum einen auf die tendenziell größeren Neubauwohnungen und zum anderen auf Zusammenlegungen im Bestand zurückzuführen. Die durchschnittliche Wohnung ist in Berlin nur 72 m² groß, dagegen im Saarland über 106 m². Jeweils ein Viertel der Wohnungen hat eine Wohnfläche in der Größe von 60 bis 80 m² oder mehr als 120 m². Durchschnittlich verfügt eine Person in Deutschland über eine Fläche von 45 m². Waren es nach der Wiedervereinigung erst 35 m² pro Kopf, so betrug die Fläche vor knapp 10 Jahren fast 40 m². Dabei steht in Sachsen einer Person die geringste Fläche und im Saarland die größte Fläche zur Verfügung. Weiterhin sind die Flächen in Eigentumswohnungen im Schnitt deutlich größer als die in Mietwohnungen. Eine Eigentumswohnung verfügt über knapp 120 m² Wohnfläche (Mietwohnung: 70 m²), so dass es pro in einer Eigentumswohnung lebenden Person eine Fläche von über 50 m² (Mietwohnung: knapp 40 m²) gibt. Bezüglich der Wohnungsstruktur befindet sich von den rund 40 Mio. Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden die Mehrzahl in Mehrfamilienhäusern. Weiterhin sind ungefähr 30 v.H. aller Wohnungen in Einfamilienhäusern und weitere 20 v.H. in Zweifamilienhäusern, im Vergleich zum Jahr 2006 konnte die Anteile dieser Wohnungen leicht zulegen. In den ländlichen Kreisen überwiegen in Ostdeutschland die Mehrfamilienhäuser und in Westdeutschland die typischen Ein- und Zweifamilienhaussiedlungen. Der Anteil der Mieter in Einfamilienhäusern liegt nur bei gut 10 v.H., während sich in Mehrfamilienhäusern weit überwiegend Mieter befinden. Das mittlere Alter der Wohnungen beträgt 52 Jahre in Deutschland, wobei die Eigentumswohnungen bundesweit im Schnitt leicht jünger und die Mietwohnungen ein wenig älter sind. Nach Bundesländern befinden sich in Bayern die jüngsten (45 Jahre) und in Sachsen mit rund 65 Jahren die ältesten Wohnungen. Von den bewohnten Wohnungen in Deutschland sind gut 45 v.H. in den 30 Jahren nach dem II. Weltkrieg gebaut worden und nur 5 v.H. im vergangenen Jahrzehnt. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. In Westdeutschland dominieren mit einem Anteil von rund 50 v.H. die Bauten, die in den Jahren nach dem II. Weltkrieg bis 1978 erstellt wurden, was vor allem aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus resultiert. In Ostdeutschland dagegen gibt es noch einen hohen Anteil von fast 45 v.H. aus der Vorkriegszeit bis 1948. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Krieg beschädigte Wohnungen in der DDR repariert und wiederhergestellt wurden. Der Anteil der Wohnungen, die nach 1978 gebaut wurden, ist aber in West- und Ostdeutschland mit gut 25 v.H. ungefähr gleich hoch.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
209
Die Eigentümerquote (Anteil der Eigentümer in allen Wohnungen) betrug nach dem Mikrozensus 2010 in Deutschland 45,7 v.H. und reichte von Berlin mit einer Quote von ungefähr 15 v.H. bis zum Saarland mit einer von fast 65 v.H. Die Eigentümerquote ist insgesamt in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen, so betrug nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) die Quote zum Jahresanfang 2008 ca. 43 v.H. und 15 Jahre zuvor noch rund 39 v.H. Die Anzahl der Mieterhaushalte entwickelte sich unterdurchschnittlich, diese nahmen im Zeitraum von 2000 bis 2010 um ca. 3 v.H. zu, während die Zahl der Haushalte um gut 2 Mio. Zukünftig ist mit einer weiter steigenden Eigentümerquote zu rechnen. Aufgrund des Anstiegs des Durchschnittsalters der Bevölkerung nimmt diese Quote zu, da ältere Menschen Wohneigentum häufiger als jüngere haben. Darüber hinaus wird in den nächsten Jahren erhebliches Vermögen vererbt, so dass vielen Haushalte erst die Wohneigentumsbildung ermöglicht wird. Da Eigentümer mehr Fläche als Mieter bewohnen, ist zudem eine steigende Wohnflächennachfrage zu erwarten. Im internationalen Vergleich ist die Eigentümerquote in Deutschland weiterhin sehr niedrig. Der Anteil in Spanien liegt bei über 85 v.H., in Italien oder Belgien bei fast 80 v.H. und in Großbritannien bei 70 v.H. sowie in Österreich und Frankreich bei gut 55 v.H. Während im Ausland überwiegend einkommensschwache Haushalte Mieter sind, wohnen in Deutschland auch einkommensstarke Haushalte zur Miete. In Westdeutschland ist die Eigentumsquote nach dem Mikrozensus mit 48,8 v.H. noch höher als im Osten Deutschlands mit 34,4 v.H. Ostdeutschland hat hier in den letzten Jahren allerdings deutlich aufgeholt: im Jahr 1993 lag die Eigentumsquote erst bei gut 20 v.H. Unterschiedlich hoch fällt die Eigentumsquote in Deutschland aus, wenn das Alter des Haupteinkommensbeziehers (gleichgesetzt mit dem Eigentümer) betrachtet wird. Je jünger der Haushaltsvorstand ist, desto geringer ist die Eigentumsquote. Der Anteil liegt bei den Personen über 60 Jahre bei ca. 55 v.H. und damit deutlich über dem Durchschnitt. Jüngere Wohnungsnutzer unter 30 Jahre weisen dagegen höchstens eine Quote von gut 10 v.H. auf. Die insgesamt niedrige Eigentumsquote ist auch historisch bedingt. Nach dem II. Weltkrieg wurde in Westdeutschland vorwiegend zunächst Wohnraum zur Grundversorgung der Bevölkerung geschaffen. Hierzu wurden in großem Umfang Mietwohnungen gebaut. Zudem sind in Deutschland die Ausstattungsansprüche und die Baulandpreise relativ hoch, so dass viele Haushalte nicht die Möglichkeit haben, Eigentum an der selbst genutzten Wohnung bzw. dem Eigenheim zu erwerben. Jedoch gewinnt das Eigentum an dem selbst bewohnten Wohnraum im Rahmen der Altersvorsorge und der individuellen Vermögensbildung eine wachsende Bedeutung. Eigentümerstruktur bei Wohnungen Eine sehr heterogene Eigentümerstruktur kennzeichnet den deutschen Mietwohnungsmarkt: die Selbstnutzer, die privaten Kleinanbieter und die professionell-gewerblichen Anbieter. Die privaten und institutionellen Anbieter von Wohnungen weisen unterschiedliche Merkmale und Ziele auf. 1. Selbstnutzer Die Selbstnutzer, die eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzen und daher keine Miete zahlen, stellen mit ca. 16 Mio. Wohnungen den größten Anteil am Wohnungsbestand dar. Die selbstnutzenden Wohnungseigentümer spielen auf der Angebotsseite auf dem Markt für Wohnimmobilien kaum eine Rolle, da sie ihr Eigentum nur selten veräußern.
210
5 Immobilienmarktentwicklungen
2. Private Kleineigentümer Die privaten Kleineigentümer, die einen Anteil von knapp 40 v.H. am gesamten Wohnungsbestand (ca. 14 Mio. Wohnungen) haben, treten als Vermieter und auch Verkäufer der Wohnungen auf. Damit wird der weitaus größte Teil (rd. 60 v.H.) des Mietwohnungsbestandes von privaten Einzeleigentümer bewirtschaftet, die überwiegend jeweils nur über ein oder wenige Gebäude verfügen. In Ostdeutschland konzentriert sich der Bestand der Kleineigentümer auf Altbauten, die häufig vor 1918 gebaut wurden. Durch die Restitutionsverfahren in den 1990er Jahren kam es zu umfangreichen Eigentumsveränderungen. Es wurden viele Häuser von Investoren erworben, die u.a. von den Steuererleichterungen des Fördergebietsgesetzes profitieren wollten. In Westdeutschland gibt es über dieses Marktsegment nur wenige Informationen, auch wenn es einen deutlich höheren Marktanteil als in Ostdeutschland hat. Die Attraktivität des Wohnimmobilienmarktes für private Kapitalanleger richtet sich nach den zu erwartenden Renditen. 3. Gewerbliche Anbieter Die gewerblichen Anbieter, die auch als professionelle oder institutionelle Anbieter bezeichnet werden, verwalten mit gut 9 Mio. Wohnungen nur rund 40 v.H. der vermieteten Wohnungen. Zu den gewerbliche Anbietern gehören im Wesentlichen die privatwirtschaftlichen Eigentümer und öffentlichen Wohnungsunternehmen sowie die Genossenschaften. Die privatwirtschaftlichen Eigentümer haben mit rund 45 v.H. den höchsten Anteil bei den professionellen Anbietern, wobei es sich aber um keine homogene Gruppe handelt. Diese reicht von traditionellen Bestandshaltern (u.a. Werkswohnungen) bis hin zu den Eigentümern, die erst durch Investments in den letzten Jahren Wohnungsbestände erworben haben. Die öffentlichen Wohnungsunternehmen haben eine besondere Stellung, da sie traditionell auf die Wohnungsversorgung bestimmter Zielgruppen ausgerichtet sind. Die größten Veränderungen ergaben sich in den letzten Jahren durch die Privatisierung und den Verkauf großer Wohnungsportfolios an private Wohnungsunternehmen. Dadurch hat sich der Bestand des Bundes und der Länder mehr als halbiert. Eine weitere wichtige Anbietergruppe stellen die Genossenschaften dar, die über zwei Mio. Wohnungen verfügen. In Ostdeutschland ist die Bedeutung der Genossenschaften wesentlich höher als im Westen. Deren Bestand hat aber deutlich abgenommen, da sie aktiv am Stadtumbau teilgenommen haben. In den letzten Jahren kam es zu deutlichen Änderungen in den Eigentümerstrukturen, da vorwiegend Wohnungen aus öffentlichem Eigentum und von Werkswohnungen an private Unternehmen verkauft wurden. Bei den öffentlichen Verkäufern waren vor allem finanzielle Aspekte ausschlaggebend, da durch den Verkauf die Haushaltslage verbessert werden sollte. Die privaten Unternehmen verkauften ihre Bestände, um sich vor allem auf ihr eigentliches Kerngeschäft zu konzentrieren. Bei den Käufern hatten ausländische Investoren die deutschen Mietwohnungen als Investitionsziel entdeckt, da sie den Markt als unterbewertet ansahen. Neben einem stabilen Cash Flow durch die Mieteinnahmen sahen die Investoren hohe Potenziale auf der Einnahmen- und Ausgabenseite, um die Rentabilität der Wohnungsinvestments zu steigern.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
211
Der Staat hat in Deutschland ein großes Interesse an der Entwicklung des Wohnimmobilienmarktes auf der Angebotsseite. Eine der Aufgaben des Staates ist die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern. Normalerweise wird diese Aufgabe durch ein funktionierendes Marktsystem abgedeckt. Überall dort, wo der Markt jedoch ein z.B. aus sozialen Aspekten nicht akzeptables Angebot produziert, kann der Staat in die Bereitstellung eingreifen. Dies trifft auf das Angebot von Wohnimmobilien insoweit zu, als eine Mindestversorgung mit Wohnraum zu günstigen Preisen gerade für Geringverdienende sichergestellt werden soll. Nach dem II. Weltkrieg förderte der Staat die Schaffung von Mietwohnungen äußerst erfolgreich wie der aktuelle Bestand an Wohnungen zeigt. Heute unterstützt der Staat die Bereitstellung von günstigen Wohnungen mit Subventionen und kann daneben Höchstmieten bzw. Grenzen für Mietsteigerungen festlegen. Ein weiteres Instrument des Staates, das auf die Höhe des Wohnungsangebots wirkt, besteht beispielsweise in der kommunalen Bereitstellung von Bauland. Mit Hilfe der Steuerpolitik kann der Staat darüber hinaus das Angebot an Wohnraum fördern. Will der Staat das Wohnraumangebot ausdehnen, kann er beispielsweise entsprechende Steuervergünstigungen gewähren oder Sonderabschreibungsmöglichkeiten einräumen. Letzteres wurde z.B. in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung eingesetzt, um die Versorgung mit Wohnraum zu verbessern. Nachfrage – Einflussfaktoren und Entwicklungen Die Nachfrage der privaten Haushalte nach Wohnungen erfolgt aus zwei Motiven; die Haushalte fragen zum einen Wohnungen zur Miete und zum anderen im Rahmen von Käufen zur Selbstnutzung oder zur Kapitalanlage nach. Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Nachfrage nach Wohnungen besteht in der Einkommenshöhe der Haushalte und deren Entwicklung. Haushaltseinkommen Alle Einnahmen der Haushalte aus selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit, aus Vermögen, aus öffentlichen und nichtöffentlichen Transferzahlungen sowie aus Untervermietungen bilden das Haushaltsbruttoeinkommen. Das Haushaltsnettoeinkommen errechnet sich, wenn Einkommenssteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag sowie die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung vom Bruttoeinkommen abgezogen werden. Für die Nachfrage nach Wohnraum ist eine wesentliche Größe die Höhe der Einkommen der Haushalte und daraus abgeleitet das Budget für Wohnen. Für die Beziehung zwischen Einkommenshöhe und Wohnungsnachfrage kann auf die Daten über die Verteilung der monatlichen Nettoeinkommen der Haushalte in Deutschland zurückgegriffen werden. Insgesamt ist eine breite Streuung der Einkommen in Deutschland festzustellen. Von den gut 40 Mio. Haushalten erhielten 2010 gut 12 v.H. oder knapp 5 Mio. Haushalte nur ein monatliches Nettoeinkommen von unter 900 Euro. Nur rund 7 v.H. der Haushalte in Deutschland weisen ein monatliches Nettoeinkommen von über 4.500 Euro auf. Da es sich um nominales und nicht inflationsbereinigtes (reales) Einkommen handelt, kommt es allein aufgrund von Einkommenssteigerungen zu einer langsamen Verschiebung der Verteilung nach oben und entsprechend eine Reduzierung der unteren Einkommensklassen. In den vergangenen 15 Jahren ist entsprechend der Anteil der untersten Einkommensklasse um
212
5 Immobilienmarktentwicklungen
fast sieben Prozentpunkte gesunken, auch in der folgenden Klasse bis 2.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen ist ein ähnlich hoher Rückgang festzustellen. Statistiken über die Verteilung der Einkommen in einzelne Einkommensklassen basieren auf Stichproben oder sozio-ökonomische Datenerhebungen und weisen im Vergleich zu anderen Statistiken erhebliche Unsicherheiten auf. Trotz dieser Unsicherheiten kann mit Hilfe der Einkommensschichtung gezeigt werden, dass es aufgrund der Einkommensverteilung natürlich auch eine sehr unterschiedliche Nachfrage nach Wohnungen und somit auch sehr differenzierte Wohnungssegmente geben wird. Die Entwicklung der Einkommen ist von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Bei günstigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen steigen üblicherweise auch die Einkommen und daher wird insgesamt mehr Wohnfläche nachgefragt. Die günstigen Einflussfaktoren bestehen in ausreichendem Wirtschaftswachstum, geringer und abnehmender Arbeitslosigkeit sowie ein Zuwachs bei Löhnen und Gehältern.
4.000 3.500
in Euro
3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 1998
2000
2002
Haushaltsbruttoeinkommen Abb. 5.40:
2004
2006
2008
2010
Haushaltsnettoeinkommen
Entwicklung des Haushaltsbrutto- und -nettoeinkommens; Quelle: Statistisches Bundesamt
Wie in Schaubild 5.40 dargestellt, stagnierten in Deutschland lange Zeit die realen Haushaltsnettoeinkommen, erst in den letzten Jahren ist ein in Folge des Wirtschaftsaufschwungs leichter Anstieg zu verzeichnen. Gegenüber 2005 ist das Bruttoeinkommen der Haushalte um 7,5 v.H. und netto um 5,6 v.H. angestiegen. Langfristig sind seit 1998 auch nur geringe Zuwächse zu verzeichnen, so lag der Anstieg brutto bei 15 v.H. und netto bei 12 v.H. und damit unter 1 v.H. jährlich. Die demografische Entwicklung in einer Volkswirtschaft bzw. Region ist für die Nachfrage nach Wohnfläche eine wesentliche Determinante (siehe Kapitel 3.2.4). Dabei spielt die Zahl der Haushalte die entscheidende Rolle, denn diese stellen die eigentlichen Nachfrager dar und müssen mit Wohnraum versorgt werden. Die Haushaltsentwicklung wird durch die Entwicklung der Bevölkerungszahlen, aber auch durch Veränderungen der Wohngewohnheiten (u.a. Haushaltsgröße) bestimmt. Nach den Haushaltsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes wird wegen des Trends zu kleineren Haushalten die Anzahl der Haushalte
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
213
insgesamt bis zum Jahr 2030 sogar noch um gut 2 v.H. zunehmen. Angesichts der steigenden Lebenserwartung dürfte der Anteil der Seniorenhaushalte zunehmen, während der Anteil der Haushalte der 35- bis 45-Jährigen tendenziell abnehmen wird. Gerade die letztere Gruppe ist aber bestimmend für die Nachfrage nach Neubaumaßnahmen privater Wohnimmobilien. Bei der Bestimmung der zukünftigen Wohnflächennachfrage sind verschiedene demografische Effekte zu berücksichtigen (siehe Kapitel 3.2.4). Gemäß dem Lebenszykluseffekt bzw. Alterseffekt passt ein Haushalt über seine Lebenszeit die Nachfrage nach Wohnungen an die jeweilige Familien- und Einkommenssituation an. Hinzu kommt der Remanenzeffekt, der dazu führt, dass auch im höheren Lebensalter die Wohnflächennachfrage gleich gehalten wird. Weiterhin kommt der Kohorteneffekt zu dem Ergebnis, dass die Wohnungsgröße in Abhängigkeit von der Generationszugehörigkeit (Kohorte) steigt. Diese Effekte zusammen relativieren den eher negativen Einfluss der demografischen Entwicklung (u.a. Bevölkerungsabnahme) auf die Flächennachfrage nach Wohnraum in Deutschland. In Verbindung mit der zunächst noch zunehmenden Zahl der Haushalte wird die Nachfrage nach Wohnfläche in den nächsten Jahren steigen, was sich auch in einer moderaten Zunahme der Zahl der nachgefragten Wohnungen niederschlagen wird. Wohnfläche Die Wohnfläche ist die Summe der anrechenbaren Grundfläche der Räume, die ausschließlich zu einer Wohneinheit gehören. Die Wohnflächennachfrage ist neben der wirtschaftlichen (z.B. Einkommen der Haushalte) und demografischen Entwicklung von weiteren Faktoren abhängig. Dies sind zusätzliche ökonomische Einflussgrößen wie z.B. die Zinsentwicklung (siehe Kapitel 3.2.3) Aus mikroökonomischer Sicht ist dies außerdem die Nachfrage nach Wohnfläche in Abhängigkeit von der Entwicklung von Preisen und Mieten von Wohnungen. Weiterhin ist das die Entwicklung der relativen Preise. Durch veränderte Preisrelationen kann zum einen die Nachfrage nach Wohnfläche absolut sich verändern und zum anderen auch mehr oder weniger Wohneigentum statt Mietwohnungen nachgefragt werden, wenn sich die Preis-Mieten-Relation verändert. Bei der Betrachtung der Alternativkosten des Eigentumserwerbs spielen die Mieten eine entscheidende Rolle. Sind diese relativ hoch, gewinnt auch der Bau oder Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum an Attraktivität. Zudem sind es die Präferenzen der Haushalte, die über eine größere Wohnung verfügen wollen (siehe Kapitel 4.2.2). Insgesamt kann zukünftig von einer, wenn auch langsamer steigenden Wohnflächennachfrage ausgegangen werden. Der Staat wirkt auf die private Wohnungsnachfrage auf vielfältige Weise ein. Staatliche Interventionsmöglichkeiten auf die Nachfrage können staatliche Gesetze und Verordnungen sein, z.B. zur (staatlich geförderten) Wohneigentumsförderung. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang auch das Motiv der Altersvorsorge. Je unsicherer die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Alterseinkommen sind, desto wichtiger kann die staatlich geförderte private Altersvorsorge insbesondere durch den Erwerb von Wohneigentum werden. Dies senkt im Falle der Selbstnutzung die Lebenshaltungskosten im Alter, oder erhöht im Falle der Vermietung die Einkommen. Insbesondere in Zeiten deutlich steigender Mieten und Preise kann der Staat mit einer Ausweitung seiner Subventionspolitik reagieren. Dabei wird meist die steuerliche Absetzbarkeit von Baukosten (Abschreibungsmöglichkeit wie degressive oder Sonder-Abschreibung) er-
214
5 Immobilienmarktentwicklungen
höht. Die Entspannung auf den Wohnungsmärkten zwischen der Mitte der 1990er Jahre und Ende der 2000er Jahre hat dazu geführt, dass Subventionen für den Neubau von Wohnungen nahezu vollständig abgeschafft wurden. Heute wird in Deutschland das selbstgenutzte Wohneigentum in Form der Wohn-Riester gefördert. Die staatliche Förderung der Nachfrage erfolgt 2012 durch direkte Wohnkostensubventionen für die privaten Haushalte. Dabei wird Wohngeld einkommensschwachen Mieter- und Eigentümerhaushalten als Miet- oder Lastenzuschuss gewährt. Wohngeldzahlungen erfolgen z.B. im Rahmen des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV). Weiterhin werden Zahlungen für die Kosten der Unterkunft vom Staat geleistet, die im Rahmen des Arbeitslosengeldes II oder als Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit gewährt werden (siehe auch Kapitel 3.2.1). Marktergebnis und -entwicklungen Die Käufe von Immobilien werden nach den Daten des Immobilienverbands Deutschland IVD bzw. der Gutachterausschüsse von den Transaktionen mit Wohnimmobilien dominiert, da Wohnimmobilien sowohl hinsichtlich der Umsätze als auch noch deutlicher bei den Kauffällen mit Abstand den größten Anteil haben. Rund zwei Drittel der Umsätze entfällt auf Wohnimmobilien. Innerhalb des Sektors werden hauptsächlich Ein- und Zweifamilienhäuser gehandelt und sind somit i.d.R. Einzelkäufe von privaten Haushalten. In den Jahren von 2007 bis 2010 stieg die Anzahl der Kauffälle von Eigenheimen um mehr als 20 v.H. auf 226.000 Einheiten an. Der Zuwachs fiel beim Wohnungseigentumskauf sogar noch stärker aus, hier stieg die Anzahl von 172.000 im Jahr 2007 auf 224.000 in 2010. Bei den für die gewerbliche Immobilienwirtschaft interessanteren großen Transaktionen mit Wohnungsportfolios entfällt auf den Wohnungsbereich nur der kleinere Anteil, da die Geschäfte mit Gewerbeimmobilien dominieren. Der Handel mit größeren Wohnungsbeständen war stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise gekennzeichnet. Während des vorangegangenen Booms wechselten nach Angaben des BBSR zwischen 2004 und 2007 zahlreiche große (über 800 Wohnungen) und mittelgroße (100 bis unter 800 Einheiten) Wohnungsportfolios ihre Besitzer. Nach 2008 kam dieser Markt fast vollständig zum Erliegen. Erst im I. Halbjahr 2010 setzte eine Belebung ein, die bis heute anhält. Der vorhandene Wohnungsbestand lässt sich kurzfristig nicht vom Markt nehmen, so dass z.B. ein Rückgang der Nachfrage einen Wohnungsleerstand zur Folge hat. Der Wohnungsleerstand wird in Deutschland nicht nach einer einheitlich Methode erhoben und weist somit deutliche Unterschiede auf. Teilweise werden die Leerstandquoten auf der Basis von Nebenkostenabrechnungen (z.B. Techem-Index), teilweise auf der Basis der Daten des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. ermittelt. Die Bestände der Mitgliedsunternehmen machen rund 30 v.H. aller Mietwohnungen in Deutschland aus. Damit wird zwar ein wichtiges Marktteilsegment betrachtet, aber die Ergebnisse sind nicht repräsentativ für den Gesamtmarkt. Insbesondere für die Bestände der privaten Kleineigentümer sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser liegen nur wenige Informationen über den Leerstand vor. Eine dritte Methode zur Ermittlung des Wohnungsleerstandes ist der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
215
Wohnungsleerstand Der Leerstand bezeichnet nicht vermietete, aber unmittelbar beziehbare Flächen in Neubauten und Bestandsobjekten. Die Höhe und die Entwicklung des Wohnungsleerstandes haben für den Wohnungsmarkt wichtige Funktionen. Ein hohes Leerstandsniveau weist auf eine erhebliche Störung der Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes hin. Die Entwicklung dieses Indikators zeigt die Tendenzen der allgemeinen Wohnungsmarktlage und die Entwicklung in den verschiedenen Teilmärkten und Regionen auf. Die absolute Höhe der Leerstände hat eine hohe wirtschaftliche/finanzielle Bedeutung für die Eigentümer, da dadurch zum einen Einnahmen fehlen und zum anderen bei einem eventuellen Rück- bzw. Umbau weitere Kosten anfallen.
18 16
in v.H. 1998
14
2002
12
2006 2010
10 8 6 4 2 0
D
h tsc eu
l.
Abb. 5.41:
. . n . rn lin enb men urg sen .-V. ers. -P and se n - A. .-H nge tdt. tdt. . b l RW inl. s BW aye Ber s h l s i r d s e d e es r c k e r m a e N O e i ü B H ch chl an B Ha W Sa ec N Sa Th Rh Sa Br M S
Leerstandsentwicklung; Quelle: Mikrozensus verschiedener Jahre
Vom Statistischen Bundesamt wird der Wohnungsleerstand regelmäßig durch den Mikrozensus ermittelt (sie Abbildung 5.41). Nach dem Mikrozensus 2010 waren 37 Mio. aller Wohnungen in Deutschland bewohnt und 3,5 Mio. unbewohnt. Wohngebäude mit einer Wohnung haben den höchsten Anteil an den gesamten Leerständen. Knapp die Hälfte der leerstehenden Wohnungen befindet sich in Gebäuden der Baualtersklasse 1949 bis 1978. Die Leerstandquote erhöhte sich bundesweit gegenüber 2006 von 8,1 v.H. auf 8,4 v.H. im Jahr 2010. In den neuen Ländern (einschließlich Berlin) ist diese Quote u.a. wegen der Rückbaumaßnahmen von 12,4 v.H. auf 11,5 v.H. gesunken. Die Höchststände waren im Jahr 2002 zu verzeichnen. Die Leerstände dort sind sowohl auf den Bauboom in den 1990er Jahren als auch auf die Abwanderungen zurückzuführen. Seitdem ist die Zahl der leer stehenden Wohnungen wieder deutlich zurückgegangen. Ohne staatliche Maßnahmen u.a. im Rahmen des Umbau Ost jedoch würden die Leerstände wohl höher ausfallen. Die Quoten lagen aber weiterhin über dem Durchschnitt des früheren Bundesgebietes von 7,8 v.H. Hier hatte die Leerstandsquote vor der Jahrtausendwende bei nur 6,1 v.H. gelegen. In Norddeutschland sind die Leerstände geringer als im Süden oder Osten Deutschlands. Nach Bundesländern
216
5 Immobilienmarktentwicklungen
reicht diese von 5,0 v.H. in Bremen bis zu knapp 15 v.H. in Sachsen-Anhalt. Generell zeigt sich der Zusammenhang zwischen demografischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie den Wohnungsmärkten. So ist in den stark schrumpfenden Regionen üblicherweise ein höherer Leerstand zu verzeichnen als in den wachsenden Regionen. Während die Preisentwicklungen auf den Immobilienmärkten üblicherweise durch starke Preiszyklen charakterisiert sind, weist der deutsche Wohnimmobilienmarkt eine relativ hohe Preisstabilität auf. Kaufpreis Der Kaufpreis ist der in Geldeinheiten ausgedrückte Wert für ein Haus oder eine Wohnung, der zwischen Verkäufer und Käufer bei einem tatsächlichen Verkauf ausgehandelt wird. In Deutschland fehlt es an einer aussagekräftigen Preisstatistik, weder die amtliche Statistik noch die privaten Marktakteure bieten eine bundesweite und hinreichend differenzierte Datengrundlage an. Verbände und kommerzielle Unternehmen decken zwar Teilsegmente, insbesondere städtische Märkte, ab, für den Einfamilienhausmarkt in ländlichen Räumen, in denen die meisten Transaktionen stattfinden, gibt es hingegen nur wenige Aussagen. Von den einzelnen Marktbeobachtern werden unterschiedliche Methoden angewendet. Eine Methode für die Bestimmung der Preisentwicklung ist der Auswertung von Preisdatenbanken wie die der IDN Immodaten GmbH für die empirica ag. In dieser Datenbank werden regelmäßig und deutschlandweit Angebotspreise aus den Inseraten von rund 100 Anzeigenquellen erfasst. Die Angebotspreise werden dann als so genannte hedonische Preise berechnet. Bei diesem Verfahren werden Qualitätsunterschiede (Baualter, Wohnfläche, Ausstattung oder Bauzustand) berücksichtigt und herausgerechnet, da die Objekte sich sehr stark unterscheiden können. Bei einer anderen Methode wird üblicherweise der Kaufpreis für ein Standardobjekt ermittelt. Dieser wird nicht nach einem speziellen statistischen Verfahren ermittelt, sondern typische bzw. übliche Werte werden aufgezeigt. Dabei werden oftmals die gesamten öffentlich zugänglichen Informationen (u.a. Mietspiegel, Befragungen, Artikel) ausgewertet, auf Plausibilität geprüft und zu den jeweiligen Werten verdichtet. Vom vdp wird eine weitere Methode genutzt, da die Wertentwicklungen auf tatsächlichen Transaktionsdaten von den finanzierenden vdp-Mitgliedsinstituten zurückzuführen sind. Auch hier wird ein hedonisches Verfahren angewandt, um die Preise um Qualitätsunterschiede zu bereinigen und damit qualitätsangepasste Preise zu bilden. Durch den Bauboom in den 1990er Jahren nach der Wiedervereinigung kam es in den folgenden Jahren zu einer Preisstagnation. Seit dem Jahr 2003 ist über den gesamten Zeitraum bis heute ein Anstieg der Preise von gut 12 v.H. für Einfamilienhäuser und knapp 12 v.H. für Eigentumswohnungen festzustellen (siehe Abbildung 5.42). Ab der Jahresmitte 2010 zeigen beide Indizes wieder eine deutlichere Aufwärtsentwicklung. Bei der Preisentwicklung gibt es dabei ein typisches Muster. Zunächst steigen die Preise in den Städten an und danach erst in den peripheren Gebieten.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland 114 112
217
2003 = 100
110 108 106 104 102 100 98 I/03
I/04
I/05
I/06
I/07
I/08
Eigentumswohnungen Abb. 5.42:
I/09
I/10
I/11
I/12
Eigenheime
Hauspreisindex; Quelle: vdp
In einer anderen Auswertung der Preisentwicklung wurden von der Immowelt AG die durchschnittlichen Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen für den Zeitraum von 2006 bis 2011 miteinander verglichen. Danach fielen in 47 der 80 Großstädte (mehr als 100.000 Einwohner) die Preise. Während vor allem Städte in Nordrhein-Westfalen von dem Preisrückgang betroffen waren, gab es die höchsten Preiszuwächse speziell in Süddeutschland. Prognosen über die zukünftige Entwicklung der Hauspreise sind sowohl von der Nachfrage- als auch der Angebotsentwicklung abhängig. Relativ unsicher sind daher Prognosen, die von einer positiven demografischen Entwicklung einer Region auf steigende Preise schließen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass in demografisch schwachen Regionen ein Preisrückgang zu erwarten ist. Dies ist dadurch zu erklären, dass das Wohnungsangebot nicht sofort auf die durch die abnehmende Haushaltszahl geringere Nachfrage reagiert. Die Mietentwicklung wird von amtlicher Seite vom Statistischen Bundesamt erfasst und ist Bestandteil des deutschen Verbraucherpreisindex. Dieser wird auf Basis von Umfrageergebnissen zu der Verbraucherpreisentwicklung (siehe Kapitel 3.2.3) erstellt und im Chart 5.43 dargestellt. Wohnungsmiete Die Miete ist der Preis für eine vertragsgemäße Nutzung von Wohnräumen. Bei den Mieten werden Nettokaltmieten, die als Entgelt für die Überlassung der ganzen Wohnung gelten, von den Bruttokaltmieten unterschieden. Die Bruttokaltmiete ist die Summe aus Nettokaltmiete und den umlagefähigen kalten Betriebskosten (wie z.B. Wasser oder Müllabfuhr).
218 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 01/96
5 Immobilienmarktentwicklungen
in v.H.
01/98
01/00
01/02
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01/12
Wohnungsmieten (netto) Abb. 5.43:
Mietentwicklung in Deutschland; Quelle: Statistisches Bundesamtes
Nach der amtlichen Preisstatistik war der Anstieg der Nettokaltmieten in den letzten Jahren nicht höher als 1,5 v.H. Weitere Daten über die Mietentwicklung stammen von dem Mikrozensus 2010. Die Bruttokaltmiete betrug im Durchschnitt 6,37 Euro pro m², so dass sich eine durchschnittliche Nettokaltmiete pro Wohnung von 376 Euro ergab. Dabei ist auch festzustellen, dass die Nettokaltmiete umso niedriger war, je älter die Wohnung war: so war für eine Wohnung aus der Zeit vor den Weltkriegen nur 6,10 Euro pro m² zu zahlen. Die teuersten Wohnungen gab es in Hamburg mit durchschnittlich knapp 450 Euro und in Sachsen die preisgünstigsten mit knapp 290 Euro Nettokaltmiete. Die Warmmiete betrug in Deutschland im Schnitt 522 Euro, so dass sich eine durchschnittliche Warmmiete pro Quadratmeter von ca. 7,50 Euro ergab. Die durchschnittliche Mietbelastung, d.h. der Anteil der Bruttokaltmieten am verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen, betrug im Jahr 2010 durchschnittlich 22,5 v.H. Während die Single-Haushalte eine Belastung von deutlich über 25 v.H. hatten, lag der Anteil bei den anderen Haushaltstypen nur bei gut 20 v.H. Extrem unterschiedlich war die Belastung für die Haushalte bei unterschiedlichen Einkommenshöhen. Bei den niedrigen Einkommen (unter 1.300 Euro) lag der Anteil bei über 30 v.H. Im Extremfall mussten die Haushalte mit weniger als 300 Euro Einnahmen mehr als 70 v.H. für die Miete ausgeben. Bei Einkommen über 2.000 Euro lag die Mietbelastung bei unter 20 v.H. Einige Haushalte wiesen zum Teil deutlich höhere Belastungen auf, z.B. gab jeder dritte Rentnerhaushalt 35 v.H. oder mehr für die Miete aus. Bei Alleinerziehenden stieg die Belastung mit der Zahl der Kinder: während bei Alleinerziehenden mit einem Kind unter 18 Jahren die Mietbelastung im Schnitt bei 28,5 v.H. lag, betrug sie bei Familien mit drei oder mehr Kindern über 31 v.H. des Haushaltsnettoeinkommens. Nach dem Mikrozensus 2010 war die Mietbelastung auch unterschiedlich hoch, wenn das Einzugsjahr der Mieter betrachtet wird. Am höchste war die Belastung für die Haushalte, die erst nach 2009 eingezogen waren. Je länger das Einzugsdatum zurücklag, desto niedriger fiel üblicherweise die Mietbelastung aus. Eine weitere amtliche Quelle stellen die Mietspiegel dar, die gewissen gesetzlichen Vorgaben genügen müssen. Diese existieren für größere und kleinere deutsche Städte und werden
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
219
normalerweise jährlich veröffentlicht. Außerdem erstellt die Bundesbank einen Index für den Wohnungs- und Häusermarkt, der auf den Daten der BulwienGesa AG basiert. Eine differenzierte Statistik gibt es von der BulwienGesa AG. Mieten werden grundsätzlich für den Erstbezug (Neubau oder Sanierung) und für die Wiedervermietung ermittelt (siehe Abbildung 5.44). Die Betrachtung der Mieten bestehender Mietverträge, der Bestandsmieten, lässt alleine nur wenige Rückschlüsse auf die aktuelle Situation am Mietwohnungsmarkt zu. Diese lassen sich vor allem aus der Analyse aktueller Neu- und Wiedervermietungsmieten gewinnen. Durch die Fokussierung auf 125 Städte sind ländliche Gebiete hier allerdings unterrepräsentiert. Bezugsgröße ist eine standardisierte Wohnung mit 3 Zimmern und eine Wohnfläche von ca. 65 bis 80 m² mit einer Standardausstattung. Aufgrund der Standardisierung ist somit die Mietentwicklung vor allem von der Lage bzw. dem Mikrostandort abhängig. Es werden die Nettokaltmieten als Minimal-, Maximal- und Durchschnittswerte ausgewiesen, wobei die angegebenen Werte typische bzw. übliche Werte sind. Die Daten stammen aus einer Vielzahl von Aussagen der Marktteilnehmer (z.B. Maklern, Banken, Gutachterausschüsse) und von Quellen wie Zeitungsartikeln oder Preisspiegeln. Daraus wird nach Prüfung von Plausibilität und Aggregation ein Mittelwert gebildet, der aber nicht einem statistischen Durchschnitt wie Median oder arithmetisches Mittel entspricht. Letztlich handelt es sich bei den Daten zur Mietentwicklung um Schätzungen von Marktteilnehmern, die ökonomisch plausibel erklärt werden.
12
in Euro/m²
10 8 6 4 2 0 1990
1992
1994
1996
Erstbezug 7 A-Städte Abb. 5.44:
1998
2000
2002
Erstbezug Deutschland
2004
2006
2008
2010
Wiedervermietung Deutschland
Mietentwicklung; Quelle: BulwienGesa AG
Die Mieten entwickelten sich im langfristigen Schnitt eher verhalten. Erst in den letzten Jahren war ein stärkerer Anstieg festzustellen, der aber zunächst nur ausgewählte Teilmärkte in den Metropolen betraf. Darüber hinaus hatte die Spreizung der Mieten zugenommen, da die Mieten in den demografisch schrumpfenden Regionen unter Druck geraten waren.
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5 Immobilienmarktentwicklungen
Übungsfragen und Fallstudien 1. Wodurch unterscheiden sich Basis- von Spezialanalysen? 2. Welche Aufgaben kann das Immobilien-Research grundsätzlich übernehmen und wovon hängt dieses ab? 3. Definieren Sie „Investment“ und grenzen Sie den Immobilien-Investmentmarkt von anderen Immobilienmärkten ab. 4. Welche fünf wesentlichen Einflussfaktoren beeinflussen die Investoren auf den Immobilien-Investmentmärkten? Wie wichtig – hoch oder niedrig – sind diese Einflussfaktoren beim Immobilienmarkt im Vergleich zu anderen Investmentmärkten bzw. Assets wie Aktien, Gold oder Wertpapieren? 5. Für ein Interview Ihres Vorstands mit einer Zeitung sollen Sie eine Argumentationshilfe erstellen. Das Thema des Interviews lautet: Sollen Kapitalanleger in Immobilien investieren? Beschreiben Sie sowohl für die Privatanleger als auch für institutionelle Anleger jeweils drei Pro- und Contra-Argumente. 6. Der Staat greift auf vielfältige Weise auf dem Wohnungsmarkt ein. Beschreiben Sie jeweils zwei Beispiele, wie der Staat das Angebot an Wohnungen einschränkt oder fördert. 7. Ihr Vorgesetzter bittet Sie für das morgige Jour fixe einen Kurzvortrag über die Perspektiven eines Immobilienmarktes vorzubereiten. Berichten Sie bitte in einem 5Minuten-Vortrag über die Entwicklung im laufenden Jahr und Ihre Erwartungen für das kommende Jahr für den folgenden Markt: a) Büromarkt Berlin, b) Büromarkt Frankfurt, c) Einzelhandelsimmobilienmarkt Deutschland und d) Wohnimmobilienmarkt Deutschland. 8. Es gibt unzählige Analysen zu den verschiedensten Immobilienmärkten. Recherchieren Sie drei unterschiedliche Analysen für einen Immobilienmarkt Ihrer Wahl und stellen Sie einen Vergleich zwischen den Analysen an. Dabei soll herausgearbeitet werden, welche Institutionen / Personen Immobilienmarktanalysen zu welchem Zweck betreiben. Wer ist Adressat dieser Analysen? Auf welcher Datenbasis beruhen die Analysen? Wie umfangreich und genau sind diese Analysen? Was gibt es für sonstige Anmerkungen? Fallstudie Herr Libuda ist Mitarbeiter einer Projektentwicklungsfirma, die sich mit der Projektierung von großen Einkaufszentren in den Innenstädten der großen deutschen Städte beschäftigt. Das Unternehmen möchte neue Standorte entwickeln und benötigt hierfür Informationen, die von Herrn Libuda recherchiert werden. Die aktuelle Planung sieht vor, dass ein Shopping Center in der Innenstadt von Bochum erstellt werden soll. Das Einkaufszentrum soll eine Fläche von 20.000 m² Verkaufsfläche aufweisen und über den üblichen Branchenbesatz mit Geschäften verfügen.
5.3 Die Entwicklung von Immobilienmärkten in Deutschland
221
Für das von der Stadt Bochum beabsichtigte Ausschreibungsverfahren soll Herr Libuda eine Standort- und Marktanalyse durchführen, so wie sie in Kapitel 5.2 beschrieben worden ist. Herr Libuda verwendet dabei das in der Abbildung 5.5 dargestellte Einzugsgebiet von Bochum. Weitere Informationen über den Einzelhandelsstandort Bochum sowie die Marktsituation bei Angebot bzw. Wettbewerb und dem Nachfragepotenzial sind im Internet zu recherchieren. Ihre Aufgabe: Unterstützen Sie Herrn Libuda bei seiner Researchtätigkeit und erstellen Sie für die Projektgesellschaft eine Standort- und Marktanalyse für den Shopping CenterStandort Bochum.
6
Internationale Immobilienmärkte
In den letzten Jahren sind immer mehr internationale Immobilienmärkte in den Fokus der Immobilienmarktteilnehmer geraten, sei es als Investmentalternative oder um Immobilien zu bauen oder zu mieten. Im ersten Teil dieses Kapitels wird die Entwicklung der Globalisierung der internationalen Immobilienmärkte nachvollzogen und die verschiedenen Einflussfaktoren analysiert. Immobilienmarktteilnehmer, die im Ausland Immobilien kaufen oder mieten wollen, haben bei ihren Projekten die Besonderheiten der einzelnen nationalen Immobilienmärkte zu beachten. Diese Besonderheiten basieren auf institutionellen Regelungen, die in einzelnen Ländern unterschiedlich sind. Auf die grundlegenden Unterscheidungen wird im Kapitel 6.2 eingegangen. Lernziele zu Kapitel 6 Die Entwicklung der internationalen Immobilienmärkte ist eng gekoppelt mit der internationalen Wirtschaftsentwicklung (Globalisierung) sowie der Liberalisierung des monetären Sektors. Trotz der Internationalisierung besteht aber eine hohe Konzentration auf wenige Standorte. Neben den schon analysierten allgemeinen Besonderheiten von Immobilien und -märkten weisen internationale Immobilienmärkte weitere Besonderheiten auf, die das Agieren auf den Märkten erschweren.
6.1
Globalisierung der internationalen Immobilienmärkte
Internationale Immobilienmärkte sind ein relativ junges Phänomen. Der gewerbliche Immobiliensektor unterliegt wie auch andere Branchen deutlichen Globalisierungstendenzen. Zwar kam es infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise zu einem heftigen Einbruch des weltweiten Geschehens, trotzdem ist der Trend zur Internationalisierung ungebrochen. Grenzüberschreitende Immobilieninvestitionen haben sich wieder von der Krise erholt und machen ungefähr die Hälfte aller getätigten Immobilieninvestitionen aus. Ein wichtiger Faktor für die rasante Veränderung der internationalen Immobilienmärkte stellt die ökonomische Globalisierung dar, welche die Immobilienmärkte mit allen positiven und negativen Konsequenzen erreicht hat. Die Globalisierung mit ihren zusammen wachsenden Märkten und einer zunehmend integrierten Weltwirtschaft zeigte auch Auswirkungen auf die Immobilienmärkte. War zunächst die internationale Wirtschaftsentwicklung der Treiber für die Expansion der internationalen Immobilienmärkte, waren es in den letzten Jahrzehnten vor allem die Deregulierungen und das Entfernen von Hindernissen für die internationalen Kapitalflüsse.
224
6 Internationale Immobilienmärkte
Globalisierung Globalisierung bezeichnet allgemein den Prozess der zunehmenden weltweiten Vernetzung nahezu aller Lebensbereiche. Hierzu zählen neben Ökonomie und Ökologie auch Politik, Kultur und Sicherheit. Die zunehmende Vernetzung der Welt schafft neue Abhängigkeiten, so dass Entwicklungen und Probleme, die zuvor isoliert betrachtet werden konnten, nun von zusätzlichen globalen Größen beeinflusst oder gar bestimmt werden. Einen deutlichen Wandel wiesen zunächst die internationalen Kapital- und Investmentmärkte auf und dann auch zunehmend die Immobilienmärkte. Da die gehandelten Objekte aber immobil und die Märkte zunächst häufig intransparent waren, erreichte die Globalisierung die Immobilienmärkte mit einiger Verzögerung. Eine wesentliche Voraussetzung war die jeweilige Öffnung der Märkte für internationale Akteure. Die Entwicklung der internationalen Immobilienmärkte war zunächst eng verbunden mit der internationalen Wirtschaftsentwicklung sowie der Globalisierung der allgemeinen Wirtschaftsaktivitäten. Über die Globalisierung der Finanzmärkte kam es dann zu einer zunehmenden Finanzmarktorientierung der Immobilienmärkte. Nach den internationalen Assetmärkten veränderte der Prozess der Globalisierung so das Wesen der Immobilien-Investmentmärkte. Nach dem II. Weltkrieg nahm die internationale Integration der zuvor eher nationalen Volkswirtschaften an Fahrt auf. Die Globalisierung führte zu einer fortschreitenden Zunahme und Liberalisierung der Märkte für Güter, Dienstleistungen und Kapital sowie zu einer internationalen Arbeitsteilung. Das entsprechende Wachstum von Einkommen und Wirtschaft führte zu einer wachsenden Nachfrage nach Immobilien. Unterstützung erfuhr dies auch durch die Gründung internationaler Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank, welche die globale Integration förderten. Das Welthandelsvolumen stieg in Relation zur Weltproduktion überdurchschnittlich an. Dies ist ein deutlicher Beleg für die sich global intensivierenden Handelsbeziehungen und die damit zunehmende Verflechtung. Die Internationalisierung bzw. Globalisierung der Produktion und des Handels erhielt ihre Impulse zunächst durch die multinationalen Unternehmen. Die Aktivitäten dieser Unternehmen beeinflussten direkt die wirtschaftliche Entwicklung und indirekt die der Immobilienbranche. Die multinationalen Unternehmen benötigten für ihre internationale Expansion und damit für ihre Standorte im Ausland auch Immobilien, die sie entweder mieteten oder kauften. In diesem Zusammenhang expandierten auch die Immobiliendienstleister wie Makler oder Rechtsanwälte. Dienstleistungen für Investments, Research oder Finanzierungen entwickelten sich zunehmend internationaler und nahmen auch im Volumen zu. Bis in die 1970er Jahre war aber die Globalisierung auf den Immobilienmärkten nur in geringem Ausmaß bemerkbar, die einzelnen nationalen Märkte waren wenig miteinander verflochten. Die Immobilienwirtschaft wies einen engen räumlichen Aktionsradius auf, grenzüberschreitende und überregionale Immobiliengeschäfte wurden kaum getätigt. Dazu trugen Regulierungen auf nationaler Ebene wie die Kontrolle ausländischer Immobilieninvestitionen oder die Besteuerung von Immobilienbesitz und -transaktionen und Regulierungen auf der lokalen Ebene wie Bauordnungen bei. Einen enormen Schwung erhielt die Globalisierung der Immobilienmärkte durch die Deregulierung und Liberalisierung der internationalen Finanzmärkte in den 1970er und 1980er Jahren. Die Deregulierung führte zu der Integration der nationalen Finanzsysteme in 9einen einzigen globalen Finanzmarkt, in dem es einzelnen Staaten schwer fällt, seinen eige-
6.1 Globalisierung der internationalen Immobilienmärkte
225
nen Finanzmarkt allein zu regulieren. Die Deregulierungen sind selbst-verbreitend und zwingen zu einer globalen Harmonisierung von finanziellen Regeln und Regulierungen. Die Deregulierungen führten dazu, dass die internationalen Finanzmarktgeschäfte massiv anstiegen. Die internationalen Flüsse des Finanzkapitals überstiegen die internationalen Handels- und Warenflüsse in den Folgejahren um ein Vielfaches. Es kam zu einer zunehmenden Verzahnung von Finanz- bzw. Kapital- und Immobilienmarkt. Nach Handel und Produktion wurde auch der Immobilienmarkt deutlich internationaler. Das nächste einschneidende Ereignis in der Weltwirtschaft war der Boom mit anschließender Krise in der „New Economy“. Für den globalen Immobilienmarkt war außerdem bedeutsam, dass in Folge dieser Krise die Notenbanken mit einer massiven Ausdehnung der Liquidität die Wirtschaftskrise bekämpften. Der Anstieg der globalen Liquidität war verbunden mit sinkenden Zinsen, was den Boom auf den globalen Immobilien-Investmentmärkten während der Mitte des vergangenen Jahrzehnts mit auslöste. Bei den internationalen Investitionen zeigt sich die deutliche Zunahme besonders bei den Direktinvestitionen. Diese umfassen im Allgemeinen Unternehmensbeteiligungen, Fusionen und Käufe sowie re-investierte Erträge von ausländischen Tochtergesellschaften sowie Kredite zur Gründung von Unternehmen im Ausland. Für die Entwicklung im Zeitraum von 1970 bis 2007 zeigt sich zunächst der rasante Anstieg in den 90er Jahren, aber auch die Auswirkungen der durch das Platzen der „Dot-Com-Blase“ ausgelösten Krise nach 2001. Nach 2003 hat die Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen allerdings zu alter Dynamik zurückgefunden bzw. diese sogar noch erheblich steigern können. Einen tiefen Einschnitt erfuhr die Entwicklung mit dem Ende des Immobilienbooms 2008, seit dem leidet auch die Immobilienbranche unter den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise (siehe Exkurs im Kapitel 3.2.2). Quantitative und qualitative Veränderung der Märkte Waren früher die Marktteilnehmer auf ihren nationalen Immobilienmarkt konzentriert, rückten im letzten Jahrzehnt stetig neue Länder und Märkte in das Blickfeld. Insgesamt orientierten sich Investoren wie Anleger in zunehmenden Maß international. Dabei ging der Impuls häufig von den internationalen, institutionellen Investoren aus, deren Kapital auf der Suche nach neuen Renditechancen die stark steigende Nachfrage nach Immobilienanlagen ausgelöst hat. Die für Investoren attraktiven Märkte haben im Zeitablauf deutlich zugenommen. Nach einer eher inlandsorientierten Sichtweise kamen zunehmend internationale Märkte in den Fokus der Investoren. Waren Anfang des letzten Jahrzehnts noch Tschechien und Polen die interessanten Märkte, kamen dann Russland oder Asien (speziell China) und anschließend weitere Emerging Markets hinzu. Insgesamt hat sich im Zuge der Globalisierung die Anzahl der im Blickfeld stehenden Märkte deutlich erhöht. Die Märkte werden anspruchsvoller, dynamischer und teilweise professioneller – aber auch offener für internationale Einflüsse. Deutlich zugenommen hat auch die Zahl der Marktteilnehmer, die sehr unterschiedliche Strategien aufweisen können. Vorangetrieben wurde die internationale Integration durch neue international agierende Investoren, zu denen auch Banken und vor allem kurzfristig orientierte institutionelle Investoren gehören. Auf dem deutschen ImmobilienInvestmentmarkt erreichte der Anteil ausländischer Investoren die höchsten Werte am Transaktionsvolumen in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2008, in denen mindestens zwei Drittel aller Aktivitäten ausländischen Anlegern zuzurechnen war. Diesen Investoren folgten
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6 Internationale Immobilienmärkte
die anderen Teilnehmer des Immobilienmarktes ebenso wie die finanzierenden Kreditinstitute. Neben den klassischen Immobilienmarktakteuren, die häufig primär auf die nationalen Märkte fokussiert waren, trat damit ein neuer Typus. International agierende, opportunistisch ausgerichtete Investoren mit einem eher kurzfristigen Anlagehorizont kamen hinzu, die vor allem großvolumige Transaktionen durchführten. Diese richten ihre Entscheidungen an Portfoliostrategien aus und suchen sich gezielt Anlageklassen aus, zu denen auch Immobilien zählen. Wichtige Akteure für diese rasante Entwicklung ausländischer Investments waren international agierende Hedge-Fonds, die durch eine spekulative Anlagestrategie charakterisiert sind. Zudem wird mit Hilfe des Leverage-Effektes versucht, die Eigenkapitalrendite zu steigern. Durch die Erzielung hoher Renditen verbreitete sich dieser Fondstyp ab Ende der 1990er Jahre sehr rasch und gewann deutlich an Einfluss auf die Marktentwicklung. Sie waren durch ihre Anlagestrategie in Verbindung mit ihrem aggressiven Auftreten in besonderem Maße dafür verantwortlich, dass die Immobilienpreise international stark anstiegen. Für die Immobilienmärkte bedeutete der vermehrte Markteintritt neuer Akteure mit anderen Geschäftsmodellen bis zum Ausbruch der Finanzkrise einen enormen Anstieg der Wettbewerbsintensität. Bei einem deutlich erhöhten Marktvolumen kam es zu höheren Preisen und Multiplikatoren und niedrigeren Renditen. Bei den immobilienfinanzierenden Banken sind durch die auch hier erhöhte Wettbewerbsintensität die Margen unter Druck geraten. Zudem wurden bei der Kreditvergabe die Konditionen gelockert (höhere Loan-to-Value-Relationen (LTV)). Das Geschäftsmodell opportunistischer Marktakteure funktioniert insbesondere in einem Markt mit steigenden Immobilienpreisen. Bei Investments in Immobilien sind aber kurzfristige Preissteigerungen bei deutschen Immobilien eher die Ausnahme. Ein Grund hierfür sind auch die im Vergleich zu Wertpapieren deutlich höheren Transaktionskosten (u.a. Grunderwerbsteuer, Notar oder Gutachter). Bis diese Kosten durch Wertsteigerungen aufgeholt werden, kann es einige Zeit dauern. Die Globalisierung mit neuen Märkten und Marktteilnehmern ist aber nicht ausreichend für die Dynamik, mit der sich die Internationalisierung der Immobilienmärkte ausdehnte. Eine weitere wichtige Voraussetzung war die zunehmende Verzahnung von Immobilien- und Finanzmärkten (siehe Kapitel 3.2.3). In der Vergangenheit nutzte die Immobilienbranche den Finanzmarkt vorwiegend zur Beschaffung von langfristigem Fremdkapital für Objektfinanzierungen. Dieses Bild hat sich in den vergangenen Jahren für Investoren und Banken deutlich gewandelt. Neben den typischen Marktakteuren ist der Anteil internationaler Investoren enorm angestiegen. Die vom Kapitalmarkt vorgegebenen Anforderungen für Investments in Immobilien wurden im Zuge dieser Entwicklung immer bestimmender für den Immobilienmarkt. Als Folge der zuvor dargestellten Verzahnung zwischen Immobilien- und Kapitalmarkt beeinflussen schließlich die Kapitalmarktentwicklungen nun auch die ImmobilienInvestmentmärkte. Immobilien stehen mit anderen Assetklassen um das weltweit zur Verfügung stehende Kapital im Wettbewerb. Durch neue Finanzierungsinstrumente ist aus ihnen eine fungible Anlagealternative auch für international tätige Investoren geworden. So kann die Immobiliennachfrage steigen, weil andere Anlagealternativen gerade eine Schwächephase durchlaufen und für die Anleger weniger attraktiv sind. Diese kapitalmarktgetriebenen
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Entwicklungen werden zukünftig unmittelbarer auf die Immobilien-Investmentmärkte wirken. Die klassischen Eigenschaften der Immobilie mit dem Ruf als wertstabiles Investment mit guten Erträgen machen sie zu einem für die international tätigen Investoren interessanten Asset. Spekulative Preisentwicklungen wurden auf diese Weise ermöglicht, welche eben nicht auf immobilientypische Marktentwicklungen zurückgingen, sondern ihre Ursache in Veränderungen des Kapitalmarktes hatten. Im Zuge der Globalisierung ist auch ein größerer Bedarf an Finanzierungen mit unterschiedlichen Volumina und Strukturen aufgrund der wachsenden Vielfalt auf Seiten der Investoren und ihrer Strategien festzustellen. Zusammen mit den Internationalisierungsprozessen wirkte sich auch hier die zunehmende Bedeutung der Assetklasse Immobilien aus. Früher erfolgten Immobilieninvestitionen vor allem mit dem Ziel, die erworbenen Objekte langfristig zu halten; die typische Form der Finanzierung waren Hypothekendarlehen. Danach wurde diese durch andere Finanzierungsformen abgelöst und/oder ergänzt, die aus dem Kapitalmarkt stammen. Traditionell war früher die Bonität des Kreditnehmers maßgeblich, danach stand dagegen die Ertragskraft der Immobilie im Mittelpunkt, da Immobilienfinanzierungen „non-recourse“ (d.h. mit geringeren Absicherungen) vergeben wurden. Zur Besicherung dienen die Immobilie und die aus ihrer Bewirtschaftung erzielten Cash Flows. Bei den Produkten der Finanzierung hatte dies zur Folge, dass im Rahmen des „Real Estate Investment Bankings“ die Verbindung von Immobilien- und Kapitalmarkt mit dem Erscheinen immer neuer Produkte erfolgte. Beispiele hierfür waren die Commercial Mortgages Backed Securities (CMBS; Verbriefungen) oder Versicherungsprodukte wie CDS bzw. CDO. Zusätzlich wurden mehr Möglichkeiten für Investitionen (z.B. REITs) geschaffen (siehe Kapitel 3.2.3). Folgen der Globalisierung für die Immobilienmärkte Neben den quantitativen Folgen des zeitweise drastisch höheren Marktvolumens sind auch wichtige qualitative Veränderungen festzuhalten. Dazu gehören andere Marktakteure und vor allem eine zunehmende Markttransparenz und die „Professionalisierung“ der Immobilienmärkte. Die Markttransparenz hat sich international im Zuge der Globalisierung deutlich verbessert. Zum einen haben sich vermehrt Analysten mit dem Marktgeschehen auseinandergesetzt. Die von ihnen angefertigten Analysen erhöhen die Markttransparenz für alle Akteure nachhaltig. Zum anderen erhöht die vermehrte Einführung internationaler Standards und international anerkannter und bekannter Produkte die Transparenz. Damit werden nationale Besonderheiten, die zu asymmetrischer Information unter den Marktteilnehmern führen, zunehmend reduziert. Trotz dieser Fortschritte ist in vielen Ländern die Transparenz der Immobilienmärkte noch gering. Unter Professionalisierung wird im Kern verstanden, dass Marktteilnehmer klar definierte Businesspläne erarbeiten und befolgen, die bereits geeignete Exit-Strategien für einzelne Objekte oder Immobilienportfolios enthalten. Damit wird die Abkehr von der traditionellen Strategie des „buy and hold“ der Immobilienbranche und die Zunahme renditegetriebener Deals zu einem Wesensmerkmal der Professionalisierung. Zudem wird Professionalisierung gleichgesetzt mit dem Einsatz moderner Portfoliostrategien und der Entwicklung neuer Produkte, wie sie auf den Kapitalmärkten bereits seit Längerem genutzt werden. Dadurch
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kommt es zu einer immer engeren Verzahnung zwischen dem Finanz- oder Kapitalmarkt auf der einen und dem Immobilienmarkt auf der anderen Seite. Die engere Verzahnung des deutschen Immobilien- mit dem internationalen Kapitalmarkt birgt allerdings nicht zu vernachlässigende Risiken. Immobilieninvestments werden hierdurch sehr viel anfälliger für geopolitische Risiken, Wechselkursschwankungen und Trends an den internationalen Kapitalmärkten. Zwar haben diese Entwicklungen auch in der Vergangenheit bereits Immobilienmärkte beeinflusst, aber die Wirkungen waren eher indirekt. Heute sind deren Folgen für die Immobilienmärkte unmittelbarer, schneller und massiver. Die neu auf dem deutschen Markt auftretenden Investoren unterscheiden sich von herkömmlichen Immobilieninvestoren. Für sie ist die Immobilie ein Investitionsobjekt wie andere Assets auch, welches primär Cash Flow erzeugen soll und jederzeit gegen andere Vermögenswerte ausgetauscht werden kann. Die Investoren sind zudem gezwungen, sich mit globalen politischen und ökonomischen Entwicklungen zu befassen, die im Kern zunächst den Kapitalmarkt betreffen. Die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalmarktes beeinflussen auf diese Weise zunehmend die Entwicklung der Immobilienmärkte. Durch die vorhandene internationale Liquidität, die Transparenz und globale Portfoliostrategien steht der deutsche Immobilienmarkt durch die Verzahnung mit dem Kapitalmarkt in verstärkter Konkurrenz zu anderen Assetmärkten. Trotz der Globalisierung und der Internationalisierung der Immobilienmärkte gibt es bislang eine starke regionale Konzentration bei den institutionellen Immobilieninvestments auf relativ wenige lokale Märkte. Allein ein Viertel der Gesamtinvestitionen verteilt sich auf die fünf größten Städte London, Tokio, New York, Hongkong und Paris. Nach Jones Lang LaSalle finden mehr als die Hälfte aller Immobilieninvestments in den weltweit größten 30 Städten statt. Diese 30 Städte haben auch einen wesentlichen Anteil sowohl beim Bürobestand als auch bei den Immobilieninvestments. Des Weiteren befindet sich die Hälfte des Büroimmobilienbestandes in den USA und mehr als ein Drittel aller Investitionen werden in amerikanischen Städten getätigt. In den letzten Jahren kam es aber schon zu einer globalen Ausweitung der Investments. Im Mittelpunkt des Interesses der Investoren standen noch vor knapp 10 Jahren nur zwei asiatische Städte (Tokio und Hongkong) und derzeit sind bereits fünf Investmentstandorte (Tokio, Hongkong, Singapur, Shanghai und Seoul) unter den Top 10-Investmentstädten. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass mehr Städte in den Fokus der Investoren geraten werden. Insbesondere die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) werden einen steigenden Anteil der Aktivitäten in den nächsten Jahren auf sich vereinen können. Ursachen hierfür sind zum einen die Portfoliodiversifikation bei den Investoren und zum anderen die zunehmende geografische Präsenz der Unternehmen. Unterstützt wird dieser Trend durch die zunehmende Markttransparenz in den Emerging Markets, deren höheres Wirtschaftswachstum (so sind die zehn am schnellsten wachsenden Städte in China) und die zunehmende Qualität des Immobilienbestandes. Neben diesen Städten in den Emerging Markets werden auch weitere Städte in den Industrieländer in den Fokus der Investoren geraten.
6.2 Besonderheiten der internationalen Immobilienmärkte
6.2
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Besonderheiten der internationalen Immobilienmärkte
Wenn die Marktakteure auf ausländischen Immobilienmärkten aktiv werden, dann haben sie es nicht nur mit den üblichen Besonderheiten lokaler Immobilienmärkte zu tun (siehe Kapitel 4.4), sondern es kommen zusätzliche Anforderungen hinzu. Diese Besonderheiten beruhen auf Institutionen (Regelungen), die nach der Definition der Institutionenökonomie sowohl formaler als auch informeller Art sein können. Eine Institution hat den Zweck, individuelles Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern. Die institutionellen Regeln sollen eigentlich Unsicherheiten vermindern und die Anreizstrukturen von Gesellschaften und Wirtschaften definieren. Die Institutionen können sich sowohl spontan ohne formale Übereinkunft bilden als auch durch legislativen Zwang entstehen. Die Regelungen sind in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich und wirken sich letztlich auch auf die Wirtschaftlichkeit von Projektentwicklungen oder Investments aus. Dies kann zu entsprechend höheren Kosten und geringeren Einnahmen führen und so die Profitabilität der Investitionen verändern. Die Institutionen, die für internationale Immobilienmärkte relevant sind, können in einzelnen Ländern auf unterschiedlichen Ebenen gegeben sein. Die nationalen oder gesellschaftlichen Institutionen sind solche, die nicht nur bei einer einzelnen Aktivität bestehen, sondern allgemein gegeben sind. Globale Institutionen können Chancen oder Risiken darstellen, welche die Aktivitäten auf ausländischen Immobilienmärkten beeinflussen. Auf dieser Ebene sind es vor allem die folgenden institutionellen Regeln, die Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen. Die institutionellen Rahmenbedingungen können politischer, wirtschaftlicher oder währungstechnischer Natur sein. Ein fremder Kulturkreis weist unterschiedliche kulturelle Gepflogenheiten und Sprachen auf, die schnell zu Barrieren für die Wirtschaftsaktivitäten und das Agieren der Wirtschaftssubjekte werden können. Weiterhin können politische Institutionen zu den Besonderheiten internationaler Märkte zählen, dies gilt sowohl für die politischen Systeme als auch für politische Risiken wie Umbrüche oder Spannungen. Wirtschaftliche Regelungen, welche die Aktivitäten auf den Immobilienmärkten beeinflussen können, sind unterschiedliche Rechtssysteme (u.a. Eigentumsrechte, Einschränkungen beim Kapitalverkehr) oder unterschiedliche Steuersysteme. Wichtig für internationale Immobilienmarktinvestments sind institutionelle Regelungen bezüglich der Marktoffenheit mit freiem Zu- und Abgang für ausländisches Kapital. Diese Offenheit bezieht sich auf alle Marktbereiche, sei es die Nutzung (Miete), Investments oder Developments. Bei effizienten Märkten soll ausländischen Unternehmen ein Zugang zu allen Marktbereichen möglich sein. Ein Kennzeichen entwickelter Märkte sind standardisierte Eigentumsrechte und Marktusancen. Des Weiteren bestehen institutionelle Handelsregelungen, wobei es vielfach zu Liberalisierung in den und Protektionismus zwischen den Handelsblöcken kommt. Dazu zählen auch die unterschiedlichen Währungen und deren Entwicklungen, die sowohl während der Kaufphase als auch zum Zeitpunkt des Verkaufs zum Risiko für Immobilienaktivitäten werden können. Wechselkurse implizieren ein höheres Risiko, da sich Wechselkurse auf die Kapitalflüsse zwischen verschiedenen Ländern auswirken (siehe Kapitel 3.2.3). Weitere institutionelle Regelungen finden sich bei den Immobilienmärkten, die sowohl für die Investment- als auch für die Vermietungsmärkte gelten. Die internationalen Immobilieninvestments sind eher komplexer, dauern länger und unterscheiden sich zudem von na-
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tionalen Deals. In vielen Ländern ist keine rechtliche Sicherheit wie in Deutschland gegeben, da z.B. die notarielle Beurkundung oder ein Grundbuchsystem fehlt. Die spezifischen institutionellen Regelungen im Ausland verursachen daher höhere Informationskosten, die z.B. auf unterschiedliche Rechtssysteme in einzelnen Staaten zurückzuführen sind. Hinzu kommen potenzielle Restriktionen oder Regulierungen, die ausländisches Eigentum betreffen. Durch politische Instabilitäten und Einflussnahmen können die Mieten und Preise beeinflusst werden. Insbesondere in kleineren, sich entwickelnden Märkten bestehen häufig wesentlich mehr Marktunvollkommenheiten, die ein effizientes Handeln der Marktakteure verhindern. Ein offener Informationsaustausch ist nicht selbstverständlich, so dass ohne Partner vor Ort nur geringe Chancen für ein erfolgreiches Engagement auf ausländischen Immobilienmärkten bestehen. Die größere Intransparenz der Märkte und auch eine höhere Instabilität können zu Markteintrittsbarrieren werden. Die unterschiedliche Markttransparenz der nationalen Immobilienmärkte stellt eine weitere Besonderheit dar. Markttransparenz ist die Voraussetzung für effiziente Handlungen der Investoren und Projektentwickler (siehe Kapitel 4.4). Ungenügende oder ungenaue Marktkenntnisse erfordern daher ein Research und die Zusammenarbeit mit lokalen Marktkennern. Daher werden Investitionen auf Märkten mit vergleichsweise hoher Markttransparenz bevorzugt. Die Markteilnehmer werden bei fehlender Transparenz keine Transaktionen durchführen oder dies zu fehlerhaften Bedingungen tun. Ein Mehr an Informationen hilft den Akteuren die Risiken in den Märkten besser einzuschätzen. Die Markttransparenz wird z.B. durch den Transparenz-Index von Jones Lang LaSalle gemessen. Der Index beruht auf einer Kombination von quantitativen Marktdaten und Umfrageergebnissen. Berücksichtigt werden Faktoren wie fundamentale Marktdaten, rechtliche und behördliche Rahmenbedingungen sowie Transaktionsprozesse. Während die traditionellen Märkte in den großen Industrieländern eine relativ hohe Transparenz aufweisen, ist diese bei Ländern aus der Gruppe der Emerging Markets i.d.R. wenig vorhanden. Unterschiedliche institutionelle Regelungen können bei den Finanzierungsusancen bei Immobilieninvestments bestehen. Dies betrifft sowohl die Finanzierungsbedingungen als auch die -strukturen. Die neuen Finanzprodukte (z.B. MBS oder strukturierte Finanzierungen) sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark vorhanden. Daneben kann es auch starke Unterschiede bei der Finanzierungshöhe (z.B. LTV) oder den Kreditkonditionen (z.B. Margen) geben. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob die Gewinne auch transferiert werden dürfen oder Kapitalverkehrskontrollen bestehen. Auch auf den Vermietungsmärkten bestehen unterschiedliche Institutionen, die für die Marktakteure zu Marktrisiken werden, aber auch für Sicherheit sorgen können. So haben sich insbesondere bei sich entwickelnden Immobilienmärkten die Lagequalitäten noch nicht klar herausgebildet und es gibt oftmals eine hohe spekulative Bautätigkeit. Die Gebäude entsprechen auch nicht dem internationalen Standard, so dass individuelle Verträge ausgehandelt werden müssen. Auch bei den Vermietungsusancen (z.B. Laufzeiten) können erhebliche Unterschiede existieren. Der Verwaltungsaufwand der Immobilien im Ausland kann aufgrund der Entfernung höher ausfallen, da z.B. eine höhere Mieterfluktuation vorliegen kann. Jeder nationale Immobilienmarkt hat seine Eigenarten und verschiedene institutionelle Regelungen für den Markteintritt, die einerseits Chancen und andererseits Risiken darstellen können. So können Gesetze für den Mieterschutz ein Hindernis für Investoren und Eigentümer sein, aber von Vorteil für multinationale Unternehmen als Mieter.
6.2 Besonderheiten der internationalen Immobilienmärkte
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Schließlich bestehen auch Besonderheiten bei den Immobilien selbst. Aufgrund historischer Entwicklungen, unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften und regionaler bzw. klimatischer Bedingungen weisen einzelne Standorte unterschiedliche Gebäudequalitäten auf. Wohngebäude in Skandinavien unterscheiden sich demnach erheblich von denen in Florida (als Extrem: Subprime-Gebäudequalität). Neben diesen allgemeinen Besonderheiten zwischen unterschiedlichen Ländern können die Unterschiede auch durch die generell anzutreffenden Marktstrukturen auf Mature und Emerging Markets erklärt werden. Die unterschiedlichen Ausprägungen bei den einzelnen Indikatoren sind in der Tabelle 6.1 dargestellt. Tab. 6.1:
Marktstrukturen; Quelle: eigene Darstellung
Beispiele Merkmale
Marktsituation
Wertung / Ausblick
Mature Markets G7-Staaten Hohes Wohlstandsniveau, hohe Kaufkraft, gesättigter Grundbedarf
Emerging Markets Asien, Osteuropa Geringes Wohlstandsniveau, mittleres bis hohes Wirtschaftswachstum, steigende Einkommen Moderates, aber relativ stabiles Hohes Wachstumspotenzial der Branchenwachstum Branche Relativ intransparenter Markt Relativ transparenter Markt Konzentration auf wenige Markt- Märkte bilden sich erst noch heraus standorte (CBD) Geringes absolutes, aber relativ Geringes relatives, aber absolut hohes Wachstum hohes Wachstum Preise und Mieten volatiler in A- Erst nach längerem Preisrückgang zeigt sich Volatilität als in B-Lagen Verteilung des Marktzuwachses Häufiger Verdrängungswettbewerb Höhere Risikoprämien Geringe Risikoprämien Hohe Risiken bei Rechts- und Rechts- und Eigentumsordnung Eigentumsordnung (Korruption) geregelt und transparent Relativ geringe staatliche Eingrif- Relativ starke und schwankende staatliche Eingriffe fe Stark schwankendes InvestorenRelativ stetiges Investoreninterinteresse esse Häufiger Blasen Selten Blasen Stabile Rahmenbedingungen in Häufig sich verändernde Raheinem moderat wachsenden menbedingungen in einem stark Markt wachsenden Markt
Die einzelnen internationalen Immobilienmärkte weisen ein relativ hohes Ausmaß an Diversifikation bezüglich Nutzer- und Investmentmöglichkeiten auf. Je reifer ein Markt ist, desto flexibler kann dieser sich auf die verschiedenen Ziele und Methoden der Marktteilnehmer einstellen. Gleichzeitig aber kann sich durch diese Flexibilität auch mehr Instabilität bzw.
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6 Internationale Immobilienmärkte
Volatilität auf diesen Märkten ergeben. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Preis- und Mietentwicklung auf dem Londoner Büroimmobilienmarkt. Gleichzeitig ist ein reifer Markt häufig mit mehr Professionalität der Marktteilnehmer verbunden. Diese ergibt sich durch eine verstärkte Ausbildung und durch deren Handlungen, um Risiken in einem relativ ineffizienten Immobilienmarkt zu reduzieren. Dies bezieht sich zum einen auf die Art, wie Immobiliengeschäfte durchgeführt und zum anderen auf die Breite an Berufen, die bei Developments, der Nutzung und bei Investments von Immobilien einbezogen werden. Mit der Globalisierung der internationalen Immobilienmärkte hat sich auch die Markttransparenz einzelner Märkte verbessert. Im Zuge dieser Entwicklung wurden Standort- und Marktanalysen und das Immobilien-Research ausgeweitet, so dass es dadurch mehr Marktinformationen gibt. Übungsfragen und Fallstudien 1. Warum gibt es internationale Immobilieninvestments? 2. Welches sind die wesentlichen Schwierigkeiten für internationale Immobilieninvestments? 3. Beurteilen Sie die Vor- und Nachteile von internationalen Immobilieninvestments. 4. Wieso kam es zu steigenden internationalen Immobilieninvestments in den letzten Jahren? 5. Beschreiben Sie die Auswirkungen der Globalisierung auf den deutschen ImmobilienInvestmentmarkt. Fallstudie Herr Raul arbeitet als international ausgerichteter Researcher bei einem offenen Immobilienfonds. Der regionale Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt dabei auf der Analyse der internationalen Wohnimmobilienmärkte. Er ist für die jährlichen Researchberichte verantwortlich, die den Kunden des Fonds kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Neben der damit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit liegen seine Schwerpunktaktivitäten bei der internen Beratung, beim eher strategisch ausgerichteten Portfoliomanagement und bei den kurzfristigen Investitionsentscheidungen. Der offene Immobilienfonds hat die Finanzkrise relativ gut überstanden. Gerade in den letzten Monaten hat der Zufluss an Liquidität wieder stark zugenommen. Die privaten Anleger haben auf der Suche nach attraktiven und sicheren Geldanlagen erneut den offenen Immobilienfonds entdeckt. Auf der letzten Anlageausschusssitzung ist daher beschlossen worden, ein neues Objekt für den Fonds zu kaufen. Angesichts der Anlagegrundsätze des Fonds hat dieses Wohnobjekt in einer globalen Stadt zu liegen. Entsprechend einer Vorauswahl kamen drei Wohnobjekte in die engere Auswahl, die sich in New York, London und Shanghai befinden. Herr Raul als der zuständige Analyst erhält von daher die Aufgabe, für die nächste Sitzung des Anlageausschusses seine Empfehlung zu liefern, welches Objekt der Fonds kaufen soll. Ihre Aufgabe: Unterstützen Sie Herrn Raul bei seiner Analyse und erstellen Sie eine SWOT-Analyse für die nächste Sitzung. Bei einer derartigen Vorlage werden für die einzelnen Standorte jeweils in kurzer Form die Stärken und Schwächen des Standortes für Wohnimmobilien aufgezeigt und weiterhin die Chancen und Risiken, die sich aus dem Marktumfeld (z.B. makroökonomische Einflüsse) ergeben.
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Index A Angebot 109 Angebotsänderung 126 Angebotsfunktion 119 economies of scale 120 Marktangebot 121 B Banken 50 Bauinvestitionen 21 Bedarf 91 Bedürfnisse 90 Bruttoinlandsprodukt 29 Entstehungsrechnung 31 Produktionswert 29, 30 und Büroimmobilien 34 und Einzelhandelsimmobilien 35 und Immobilienbestand 33 und Wohnimmobilien 36 Verteilungsrechnung 32 Verwendungsrechnung 32 Wohlstandsmaßstab 31 Büroimmobilienmarkt 179 Angebot 182 Bestand 180 Bürobeschäftigte 184 Bürofläche 179 Durchschnittsmiete 192 Fertigstellungen 182 Flächenumsatz 187 Höchstmiete 192 Leerstand 189 Nachfrage 184 Nettoabsorption 188 Spitzenmiete 191 D Demografische Entwicklung Altersstruktur 72 Bevölkerungsrückgang 71 internationale Trends 78 regionale Effekte 73 und Büroimmobilienmarkt 74 und Einzelhandelsimmobilienmarkt 75 und Wohnimmobilienmarkt 76 Deutsche Immobilien Index DIX 58
Devisenmarkt 66 Devisenangebot 67 Devisennachfrage 66 Dienstleistungen 91 E Einzelhandelsimmobilienmarkt 192 Angebot 193 Betriebsformen 196 Flächenproduktivität 201 Lage 198 Leerstand 201 Mieten 201 Nachfrage 198 Strukturwandel 196 Umsatz 200 Verkaufsfläche 194 Ertrag 110 F Finanz- und Wirtschaftskrise 69 und Immobilienmärkte 70 Finanzmarkt 44 G Geld Geldangebot 60 Geldnachfrage 60 Geldpolitik 59 Geldpolitik und Immobilienmärkte 62 German Property Index GPI 57 Güter 91 freie Güter 92 inferiore Güter 104 knappe Güter 92 komplementäre Güter 102 Konsumgüter 92 öffentliche Güter 135 Produktionsgüter 92 substitutive Güter 102 superiore Güter 103
238 I Immobilien 5 Besonderheiten 6 juristische Definition 6 ökonomische Definition 6 physische Definition 6 Immobilienbestand Bruttoanlagevermögen 19 Immobilienbestand Deutschland 20 Investmentbestand Deutschland 20 Investmentbestand global 18 Immobilienderivate 47 Immobilienindex 58 Immobilieninvestment direkt 47 indirekt 47 Immobilien-Investmentmarkt 163 Einflussfaktoren 167 Faktor 176 globale Transaktionen 169 Immobilienumsätze 164 institutionelle 164 Kapitalwert 177 Marktteilnehmer 165 Preise 173 Rendite 174 Transaktionen in Deutschland 170 Immobilienkredite 24 Auslandsimmobilienkredite 25 Gewerbeimmobilienfinanzierung 24 Immobilienmarktanalyse 148 Angebotsanalyse 157 Einzugsgebiet 151 Marktanalyse 156 Marktergebnisse 161 Nachfrageanalyse 160 Standortanalyse 153 Wettbewerbsanalyse 158 Immobilienmärkte 9 nach dem Lebenszyklus 10 nach Lage 10 nach Marktteilnehmer 12 nach Nutzungs- oder Objektart 9 Immobilienökonomie 13 Haus der Immobilienökonomie 13 Karl-Werner Schulte 13 Immobilien-Research 144 Aufgaben 145 Immobilienwirtschaft 8 Größe des Marktes 16 Grundstücks- und Wohnungswesen (i.e.S.) 8 Immobilienwirtschaft i.w.S. 9 Immobilienzyklus 38 Beschreibung 39
Index Investmentzyklus 43 Ursachen 41 Inflation 51 Auswirkungen 52 Berechnung 51 Definition 51 Formen 52 Inflationsschutz 55 Ursachen 52 Inflation und Immobilienmärkte 53 Informationsrecherche 146 Institutionelle Investoren 166 Institutionen 229 Institutionenökonomie 229 Internationale Immobilienmärkte 223 Besonderheiten 229 Globalisierung 223 Investmentfonds 47 Investmentzyklus 43 K Knappheit 92 Konjunkturschwankungen 36 Theorien 37 Kosten 113 Kostenbegriffe 113 Kostenfunktion 113 M Makroökonomie 15 Makroökonomik 4, 15 Markt 93 Abgrenzungen 94 Marktarten 94 Marktform 95 Marktgleichgewicht 124 Marktungleichgewicht 125 Marktunvollkommenheiten 130 Mengenanpasser 96 unvollkommene Immobilienmarkt 136 vollkommenen Markt 96, 136 Marktunvollkommenheiten 130 externe Effekte 134 Monopol 130 öffentliche Güter 135 Oligopol 132 Mieten Indexierung 56 Mikroökonomik 5 mikroökonomische Theorie 87 monetäre Sektor 44 Geldmarkt 46 Geldpolitik 61 Herkunft der monetären Mittel 46 Inflation 51 Kapitalmarkt 46
Index Verwendung der monetären Mittel 47 volkswirtschaftliche Funktion 45 Wechselkurs 66 Zinsen 63 Monopol 130 N Nachfrage 91, 98 Einkommenselastizität 105 Kreuzpreiselastizität 103 Marktnachfrage 106 Nachfrageänderung 127 Nachfragefunktionen 99 Nachfragegesetz 99 Präferenzen 105 Preiselastizität 100 preisunelastische 100 Nachfragepotenzial 160 Nachhaltigkeit 79 Corporate Social Responsibility (CSR) 81 Definition 79 Gerechtigkeit 80 Green Building 83 Säulen der Nachhaltigkeit 80 Zertifikate 83 ZIA-Nachhaltigkeitskodex 82 O Ökonomie 3 P Preisblase 43 Produktion 109 Betriebsoptimum 117 linear-limitationalen Produktionsfunktion 111 neoklassischen Produktionsfunktion 115 Produktionsfaktor 109 Produktionsfunktion 110 substitutionalen Produktionsfunktion 111 R REITs 48 S Staatliche Eingriffe 26 Höchstpreis 133 Mindestpreise 133 Ordnungspolitik 26 Prozesspolitik 28 Staatsschuldenkrise 70 Studie „Wirtschaftsfaktor Immobilien“ 23
239 U unvollkommene Immobilienmarkt 136 geringe Anpassungsfähigkeit 139 geringe Anzahl an Marktteilnehmern 137 geringe Markttransparenz 138 Heterogenität 137 V Verbriefungen 47, 49, 69 Mortgage Backed Securities 47 Volkswirtschaftslehre 4 W Wechselkurs Auf- und Abwertung 67 und Immobilienmärkte 67 Wert 126 Wertschöpfung 22 Wirtschaften 93 ökonomisches Prinzip 93 Wirtschaftssubjekte 88 Ausland 90 öffentliche Haushalte 89 private Haushalte 88 Unternehmen 89 Wirtschaftswissenschaft 3 Wohnimmobilienmarkt 203 Abgänge 207 Angebot 205 Bestandsmarkt 204 Eigentümerquote 209 Eigentümerstruktur 209 Fertigstellungen 206 Leerstand 214 Mieten 217 Nachfrage 211 Preise 216 Transaktionen 214 Wohnfläche 213 Z Zinsen 63 Einflussfaktoren 64 Finanz- und Wirtschaftskrise 69 und Immobilienmärkte 65 volkswirtschaftliche Analyse 64 Zinsstruktur 64