Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 123 September 1911 [Reprint 2021 ed.] 9783112467701, 9783112467695


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Verhandlungen, Mitteilungen und Berichte des Centralverbandes Deutscher Industrieller: Band 123 September 1911 [Reprint 2021 ed.]
 9783112467701, 9783112467695

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Verhandlungen, Mitteilungen nab

Berichte beS

Cklltnlmballdes AeWhtt IMstcklln. M 123. herausgegeben •M

Dr. jur. Kehwri-hoWer, Generalsekretär des Lentralverbandes Deutscher Industrieller, Berlin W9, tinkstr. 25 (Fuggerhaus). Telephon: Amt VI, Nr. 2527.

September 1911.

Berlin 1911.

I. Sutteutuß, BerlußStuchhuudluu-, e. m. b. H.

Inhaltsverzeichnis. ©nie einten. Die deutschen Interessen in Marokko................................................................ 5 Schuh der Arbeitswilligen..................................................................................... 7 Verfahren bei Genehmigung gewerblicher Anlagen.................................... 16

lleberblitk über weitere Eingabe« und Arbeite«............................. 20 Der staatliche Bergbau in Breitsten................................................... 21 Zur Aenderung der deutschen Handelspolitik ..................................45

Reichsgesetzliche Zwang-versicherung und private Versicherung «ach »em entwerf eines Versicherung-gesetzes für Angestellte 57 Erholungsurlaub für Arbeiter........................................................... 66

Mitteilungen des Instituts sie ausländisches Recht..................... 70 Kartellgedanke und Kartellpraxi-....................................................... 74

Die gegenwärtige Krisis in der deutschen BolkswirtschastSlehr e 83 Das Unternehmertum und die Sffeutliche» Zustände in Deutsch­ land .......................................................................................................87

Der AuSschutz des Eentralverbandes................................................... 90

l

Eingaben. Die deutschen Interessen in Marokko. Eingabe an den Herrn

Reichskanzler.

Berlin, den 19. August 1911. Ueber da- Ergebnis der deutsch-französischen Verhandlungen in

der

sind

Marokko-Angelegenheit

der Oeffentlichkeit bisher amtliche

Mitteilungm nicht gemacht worden. amtlich,

ES verlautete lediglich halb­

daß zwischen dm Vertretern der beiden Staaten eine Ueber­

einstimmung

über

die

grundsätzlichm

alle Einzelheitm

während

noch

der

Fragm

näheren

erzielt

wordm

Prüfung

sei,

und Ver­

einbarung bedürften.

Französischen

Zeitungsnachrichten

zufolge

soll

diese

Ueber­

einstimmung auf der Grundlage erzielt worden sein, daß Deutschland in Marokko auf politische Einflußnahme verzichtet und

Frankreich

eine anderweitige,

bisher noch

Entschädigung zugebilligt erhallen wird.

hierfür von

nicht gmau abgegrenzte

Denn nach diesm Meldungm

auch nicht ohne weiteres ein Grund zu der Annahme gegebm ist, daß

durch einen solchen Verzicht auf politische Rechte in Marorro auch die

wirtschaftlichen Ansprüche Deutschlands gefährdet werdm, so erachtet

da»

Direttorium

des

Centralverbande»

Deutscher Industrieller

in

Wahrnehmung der Interessen, derm berufliche Vertretung chm obliegt, es doch

für gebotm,

Euer Exzellenz gegenüber die Auffassung zur

Gellung zu bringm, die in weiten Kreism unserer deutfchm Industrie hinfichtllch der Bedmtung Marokkos für die deutsche Volkswirtschaft

gehegt wird.

6 Nach der Ansicht namhafter Kenner ist Marokko ein Land, dessen

und Entwickelung der deutschen Industrie

wirtschaftliche Erschließung

neue günstige Absatzmöglichkeiten bringen wird,

und daS nach sach-

verstündigen Gutachten reiche Erdschätze birgt.

Auf diese Erdschätze,

sehr eismreichen Erzes,

insbesondere daS Vorkommen

ist schon

seit

einer Reihe von Jahren in Wort und Schrift hingewiesen wordm und bekannte Forscher habm diese Angaben bestätigt.

von in

deutschen Jntereffentm Versuche,

größerem Umfange zu

ES sind ferner

in Marokko die Wollschafzucht

betreiben, mit günstigem Erfolge gemacht

worden, und eS kann angenommen werden, daß in Marokko auch die Möglichkeit gegeben ist, dm Anbau von Rohbaumwolle ertragreich zu gestatten.

E» industrie,

ist daher

erklärlich,

daß nicht nur unsere deutsche Eisen­

die in hohem Maße auf die Einfuhr ausländischer Eisen­

erze angewiesm ist,

fonbent auch die deutsche Textilindustrie,

die in

dem Bezüge ihrer Rohmaterialim vom Auslande gänzlich abhängig

ist, für

die

das der deutschen Industrie

als ein Gebiet betrachten,

Marokko

Befriedigung

ihrer

wirtschaftlichen

gesichert

Bedürfnisse

bleiben muß.

Wie sehr ist,

unsere heimische Industrie schon jetzt geneigt gewefm

in Marokko festen Fuß zu soffen und ihre Tätigkeit nach dorthin geht aus der Tatsache hervor,

zu erstreckm, ungünstigen

daß trotz der derzeitigen

wirtschaftlichen Verhältnisse bereits be-

politischen und

beutenbe Handels- und Jndustriebeziehungen zwischen Deutschland und

Marokko bestehen.

Wir gestatten unS,

in dieser Hinsicht darauf zu

verweism, daß Deutschlands Anteil an dem Gesamthandel Marokkos, der bereits vor zehn Jahren 14 pCt. des mehr als 50 Millionen Mark

betragenden Gesamthandelswertes ausmachte,

sehr

erheblich

gestiegen

ist,

und

daß

in

in den

den

letztm Jahren

südlichen Häfen

der

dmtsche Handel den französischen bei weitem und auch den englischen

nicht

unwesmtlich

übersteigt.

Deutsches

Kapital

ist

mit

vielen

Millionm an industriellm Unternehmungen in Marokko beteiligt und die

deutschen SchiffahrtSintereffen

übertreffen

die

ftanzösischen ganz

allgemein und die englischen im Süden Marokkos sehr beträchtlich. Diese Tatsachen

taffen demnach vom Standpunkte der deutschen National­

wirtschaft aus die Forderung berechtigt erscheinen,

daß das deutsche

Interessengebiet in Marokko ungeschmälert erhalten wird, und daß die Position, habm,

die

auS

sich

die deutschen Untemehmer dort bereits

geschaffen

wirffchaftlichen wie kolonialpolitischen Gründen für die

Zukunft vor jeder Gefährdung unbedingt

solche Forderullg

ist um

so

begründeter,

sichergestellt wird.

Eine

als Frankreich bekannter-

7

nuchen in

denjenigen Auslandsgebieten,

in denen eS sich den poli­

tischen Eigmbesitz angeeignet hat, die wirtschaftliche Su-dehnung der anderm Nationen mit allen Mitteln zu hindern sucht und die Praxi»

verfolgt, diese Gebiete zugunsten feine» eigenen Stetste» dem übrigen Ausland

zu verschließen.

E» wird somit bestimmter, zuverlässiger

Bürgschaften dafür bedürfen, daß, wenn Frankreich auch in Marokko da» politische Uebergewicht eingeräumt wird, hierdurch die bedeutsamen wirtschaftlichen Interessen Deutschland» in diesem Lande in keiner

Weise eine Beeinttächtigung erfahren, und daß die deutschen Ansprüche

auf uneingeschränkten wirtschaftlichen Wettbewerb auch in Zukunft zu Recht bestehen bleiben.

Hierauf ziett auch der entschiedene, einmütige

Wille der überwiegenden Mehrheit de» deutschen Bolle» ab und e» ist

vor allem da» deutsche Unternehmertum, da» die marovanische Frage in einer Weise gelöst zn sehen wünscht, wie e» der wirtschaftlichen Machtstellung Deutschlands,

Aufgaben entspricht,

unserem Anteil am Wetthandel und bett

die da» Deutsche Reich al» politische Großmacht

zu erfüllen hat. Mit vollkommener Hochachtung und Ehrerbietung Centralverbaud Deutscher Industrieller.

Da» Direktorium.

Der Geschäftsführer.

Der Borsitzende.

Rötger.

Dr. Schweighoffer.

Schuh der Arbeitswilligen. Eingabe an den Herrn Reichskanzler.

Berlin, den l.Juli 1911.

Der gewaltige Aufschwung, dm in dm letztm drei Jahrzehntm

die dmtsche Industrie und da» deutsche wirtschaftliche Lebm gmommm

haben, hat al» eine wmig erfteuliche Begleiterscheinung einm Gegensatz

zwischm Arbeitgebern und Arbeitnehmem gezeitigt, der mit dm Jahrm an Schärfe ständig zugmommm hat.

Lerkündung

Die Hoffnung, die sich an die

der Allerhöchstm Botschaft

vom

17. November

1881

knüpfte, daß auf dem Wege der pofitivm Förderung de» Wohle» der

Arbetterschaft dieser Gegmsatz gemildert und der soziale Friede gesichert werdm würde, hat sich nicht erfüllt.

Die erregten parlamentarischen

Verhandlungen, die kürzlich im Reich»tag anläßlich de» Ausbaues der

8

staatlichen Arbeiterversicherung stattgefunden haben, und die Aeuße­ rungen der sozialdemokratischen und linksliberalm Preffe zu der nun­

mehr Gesetz gewordenen Reichsversicherungsordnung zeigen, daß auf

diesem Wege auch in Zukunft die Gegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht ausgeglichen werden können. Eine Bestätigung findet diese Annahme auch durch die auffallende Tatsache, daß das Deutsche Reich,

obwohl es auf dem Gebiete des staatlichen Schutzes und der staatlichen Fürsorge für die arbeitenden

Klaffen weitaus an der Spitze aller Kulturnationen steht, doch zugleich auch das an Streiks reichste Land Europas ist. Aus der vom Kafferlich Statistischen Amt herausgegebenen Zusammenstellung geht

hervor, daß die Zahl der Streiks in Deutschland in den letzten zehn Jahren, abgesehen von dm Jahrm 1907 und 1908, in einer fast dauernden Aufwärtsbewegung begriffm gewesm ist. ES fandm statt: ES streikten Arbeiter:

im Jahre:

StteikS:

in Betrieben:

1901

1056

4 561

55262

1902 1903

1060

53 912

1374

3 437 7000

1904

1870

10 321

1905 1906 1907

2 403 3 328 2 266

14 16 13 4

113 480 408 145 272 218 192 430

1908

1 347

1909

1537

1910

2113

481 246 092 774

4811 8 276

85 603

68 392

96 925 155 680

Nach dieser Statistik hat nicht nur die Zahl der Streiks, sondern auch die Zahl der bestteikten Bettiebe vom Jahre 1902 bis zum Jahre 1906 ununterbrochen zugenommen. Die Zahl der Streikenden zeigt bis

zum Jahre 1905 biefetoe steigende Tendenz. Wenn in den Jahren 1907 und 1908 sich ein Rückgang bemerkbar gemacht hat, so ist dieser lediglich auf die damalige schlechte Wirtschaftskonjunktur zurückzuführen und auch bezeichnmd für die Stimmung, aus der heraus oft Streifs ent­

stehen.

Denn den Arbeitern ist sehr wohl bekannt, daß bei schlechter

Konjunktur dem Untemehmer sehr oft ein Stteik nicht nur nicht un-

angenehm, sondern im Gegenteil willkommen ist, da er ihm den erwünschtm Anlaß zur Einschränkung des Betriebes durch die unfteiwillige

Verringerung seines Arbeiterbestandes gibt. Vom Jahre 1908 an zeigt die Stattstik wiederum eine ständige Zunahme der StteikS, der bestreiktm Bettiebe und eine auffallende Zunahme der Zahl der stteikenden Arbeiter.

Vergleicht man die Jahre

9 1901 und 1910, so ergibt sich, daß sich die Zahl der Streiks genau

die Zahl der bestreiften Betriebe gleichfalls fast die

verdoppelt hat,

hoppelte geworden und die Zahl der streikenden Arbeiter nahezu auf

da- Dreifache gestiegen ist. Der Grund für diese Zunahme der Streiks liegt nicht etwa in einem Mangel der Steigerung der Arbeitslöhne oder in einem Stillstand der

sind

der ArbeitSbedingungm.

Verbesserung

dm

in

wefmtlich

zehn

letzten

die

gestiegm,

Jahren

Dmn

die

erheblich

Arbeitsstunden

die Arbeitsbedingungen für

Arbeiter

die

erwiesen ermofjen

Durchschnittsarbeitslöhne

verringert

und

jeder Beziehung ver­

in

bessert wordm.

Diese Steigerung der Arbeitslöhne wird auch im sozialdemokra-

So wird von Calwer in den „Sozia-

tischm Lager selbst anerkannt.

listischm Monatsheften" (8. Heft, S. 479) berechnet, daß „der nominale Lohn der in dm bemfSgenossmschastlichm Betrieben beschäftigtm Boll­ arbeiter seit

dem Jahre 1895 (bis 1906) um rund 37 bis 38 pCt.

gestiegm sei.

Demgegmüber sei das WarenpreiSnioeau in der gleichm

Zeit um runb 25 pCt. gewachsen", so daß, wie Calwer ausführt, der

Reallohn in der Zeit von 1895 bis 1906 um ca. 12 bis 13 pCt. ge­ wachsen ist, d. h. durchschnittlich jährlich um 1 pCt. für die Zunahme der Streiks liegt hiemach nicht

Der Grund

etwa in dem Bestreben, günstigere Löhne und ArbeitSbedingungm zu erlangen, sondem er entspringt nur dem Wunsche, das Machtgebiet der sozialdemokratischen Gewerkschaften zu erweitem.

läßt

dieser Behauptung

im

auS

Jahre

95,7 pCt.

1901

Die Zahl der „Angriffsstreiks",

66 pCt. aller Streiks

im Jahre 1906 und,

Die Richtigkeit

der eingangs erwähntm amllichm

ohne weiteres nachweism.

Statistik die

sich

nachdem

betrug, stieg

bis

auf

die Jahre 1907 und 1908

infolge des Rückgangs der wirffchastlichm Konjunktur eine Abnahme bis

auf

82,1 pCt.

93,6 pCt.

gebracht hatten,

Die „Abwehrstreiks"

fallende Tmdmz.

Im Jahre 1901

Jahre 1910 nur noch

im Jahre 1910 wieder bis auf

zeigen

demgegenüber eine durchweg

machten sie 34 pCt.

6,4 pCt. aller Streiks

aus.

Es

und

im

ergibt sich

demnach, daß die Arbeitnehmer in immer steigendem Maße die Rolle

der Angreifer übemehmm, der Verbesserung in den

letztm Jahrm mit

gleichfalls

durch

trotz der Erhöhung

der Arbeitsbedingungen. jene

Und

bestem Gelingm

Statistik

festgestellt

der Löhne und trotz daß sie diese Rolle

durchgeführt habm, wordm;

während

ist im

Jahre 1909 nur 18,4 pCt. aller Streiks vollen Erfolg und 33,8 pCt.

einen teilweisen Erfolg hattm, find diese Prozentsätze im Jahre 1910 auf 19,8 und 43 pCt. gestiegm.

10 Auf diese Zunahme der Streiks und die Steigerung des Prozentsatzes, in dem sie von ganzem oder teilweisem Erfolg begleitet

gewesen sind, ist ohne Zweifel die Tatsache von maßgebendem Einfluß gewesen, daß nach dem heutigen Stande unserer Gesetzgebung der Durchführung und Ausbreitung eines Streiks Schranken kaum ge­ zogen sind, und daß vor allem eine gesetzliche Handhabe zum Verbot

des

unentbehrlichsten

und

wichtigsten

Kampfmittels

nämlich des Streikpostenstehens, nicht gegeben ist.

beim

Streik,

Dieses Streik­

postenstehen dient dazu, durch eine planmäßige Ueberwachung aller Arbeitsplätze, der Straßen, öffentlichen Plätze und vor allem auch der Bahnhöfe dm Zuzug von Arbeitem zu verhindem und alle

ArbeitSwilligm durch Belästigung jeder Art, Verhöhnung, Be­ schimpfung, Bedrohung und oft Mißhandlung von der Aufnahme der Arbeit abzuhalten. Um ihr Ziel zu erreichm, wird heutzutage von dm Streikendm ein jeder, der nicht der von ihnm ausgegebmen

Streikparole folgt,

als

„ehrloser Streikbrecher"

verächtlich

gemacht

und mit Verfolgungm bedroht, betten er sogar nach Bemdigung des

Streiks noch ausgesetzt bleibt. Es bedarf angesichts der Beobachtung, die man bei einem jeden bedeutmderen Streik machm kann, wohl nicht erst des Nachweises, daß die Gewerkschaften, die, wie Bernstein in seinem Buch „Der Streik"

öffentlich erklärt hat, in allererster Linie Streikvereinigungen sind, sich eine förmliche Herrschaft über die Arbeiter angemaßt haben und

letztere mittels Gewalt oder Einschüchtemng unter die Beschlüffe einer streiklustigm, oft nur geringen Minderheit zu beugen verstehen.

Hierin wird ihnm in weitgehender Weise Unterstützung durch die sozialdemokratische Presse zuteil, die sich nicht scheut, Arbeiter, die an einem Arbeitskampfe sich nicht beteiligm, als „Verräter", als „Ehrlose"

zu brandmarken, ohne daß dabei ein Unterschied dahin gemacht wird, ob eS sich um einen Ausstand handelt, dem eine gewisse sachliche Be­ rechtigung zugmnde liegt, oder um einen Streik, der der Arbeiterschaft in frivoler Weise von dm Agitatoren aufgedrängt worden ist. Diese Taktik hat eS bereits dahin gebracht, daß von einer Frei­ heit der Arbeit, vor allem in den Städten, überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann. Der Arbeitswillige wird in seinem Willen zur Arbeit gehindert, er wird durch das Streikpostenstehen wider seinen Willen gezwungen, sich an dem Streik zu beteiligen: Das gesetzlich erlaubte Koalitionsrecht wird in sein Gegenteil, den Koalitions-

zwaug, verwandelt. Einer solchm Gesetzwidrigkeit mit Nachdmck entgegenzutreten, erfordert das eigenste Interesse eines jeden geordneten StaatSwesms,

11 da dem Rechte des einen Arbeiters, durch die Koalition bessere Arbeits­ bedingungen zu erkämpfen, ebenbürtig das Recht eines jeden anderen Arbeiters gegenüberstehen muß, unbehelligt dort arbeiten zu können, wo es ihm möglich ist. Mit Recht hat es daher der preußische Minister

des Innern, Herr von Dallwitz, am 8. April d. I. im Preußischen Herrenhause als eine der vornehmsten Aufgaben des Staates be­ zeichnet, dafür zu sorgen, „daß jedem Staatsbürger in seinem Gewerb,

und in seiner Arbeit die Möglichkeit gegeben wird, unbehindert und friedlich seinem Berufe und seiner Beschäftigung nachzugehen, daß der Arbeitgeber das Recht haben muß, seinen Betrieb fortzuführen, solange ihm die dazu erforderlichen Mittel und Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, und daß der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben muß, seine

Arbeit zu suchen und zu finden, wo es ihm beliebt".

Mit diesem Grundsatz ist

aber die heutige Streikpraxis

der

sozialdemokratischen Gewerkschaften und vor allem die Praxis, durch das Mittel des Streikpostenstehens die Willensfreiheit der anderen zu knechten, völlig unvereinbar. Wie eine vom Centralverband Deutscher

Industrieller und von der Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände bei 274 industriellen und Arbeitgeber-Verbänden, Handelskammern und Berufsgenossenschaften veranstaltete Umfrage Gegeben hat, sind seit dem Jahre 1904 in 120 bestreikten Betrieben die Arbeitswilligen durch die Streikpostm in der rigorosesten Weise terrorisiert und in ihrer

freien Willensbestimmung behindert worden. Es sind von feiten der Streikposten nicht nur in zahlreichen Fällen die Arbeitswilligen mit Revolvern und Messern bedroht und bis in ihre Wohnungen ver­ folgt, sondern oft direkt überfallen und bis zur Arbeitsunfähigkeit mißhandelt worden. In einem nachgewiesenen Falle ist der Arbeits­ willige von seinen Verfolgern erschlagen worden und in 39 Fällen wurden die Arbeitswilligen derart eingeschüchtert, daß eine voll­ kommene Stillegung des Betriebes eintreten mußte, zumal die Arbeits­ willigen keinen gmügenden Schutz bei der Polizei fanden.

Derartige Zustände müssen in der Tat als unhaltbare bezeichnet werden, und sind es um so mehr, als von den sozial­ demokratischen „freien" Gewerkschaften die Arbeitswilligen nicht nur gezwungen werden, sich zu koalieren, sondern auch genötigt werden, einer bestimmten Vereinigung, nämlich den freien Gewerkschaften, bei­

zutreten. Diese Anmaßung der Sozialdemokraten und die in den letzten Jahren andauernd gewachsene Verschärfung des Kampfes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern legen die Befürchtung nahe, daß, wenn nicht Mittel gefunden werden, einer solchen. Bewegung Einhalt zu

tun,

das wirtschaftliche Leben in Deutschland in der

12 ernstesten Weise gefährdet wird, und es der organisierten Arbeiter­ schaft, die nur */* der gesamten Arbeiterschaft Deutschlands beträgt, gelingt, alle Arbeiter ihrer Botmäßigkeit zu unterwerfm und unter ihrer Fahne zu sammeln. Um dieser den Bestand des Staates selbst in Frage stellenden Gefahr wirksam zu begegnen, muß daher der Freiheit der Arbeit durch gesetzliche Vorschriften der erforderliche Schutz gegeßen werden, und es muß den einer geläuterten Rechtspolitik unwürdigen Auswüchsen des Koalitionsrechts, zu denen vor allem das Streikpostenstehen gehört, ein Ende gesetzt werden. Gegen dieses Streikpostenstehen sind zurzeit nach der heutigen Rechtsprechung, die auf höchstrichterlichen Entscheidungen beruht, Verwaltungs- und Gerichtsbehörden zum großen Teil machtlos, und da­ mit erklärt sich die schrankenlose Anwendung dieses Mittels und die schon oben nachgewiesene so erhebliche Zunahme, speziell der Angriffsstreiks. Die heutige Rechtsprechung bezüglich des Streikpostenstehens ist folgende: Der § 152 der Reichsgewerbeordnung gibt den gewerblichen Gehilfen, Gesellen und Fabrikarbeitern das Recht, zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit- Verabredungen und Vereinbarungen zu treffen. Er garantiert damit den gewerblichen Arbeitern unter Aufhebung aller landesrechtlichen Verbote und Strafandrohungen die sogenannte Koalitionsfreiheit. Nach der Enffcheidung des Kammer­ gerichts ist ferner das Streikpostenstehen an sich nicht strafbar, da es nur eine Vorbereitungshandlung für die vorhergenannten „Verab­ redungen und Vereinbarungen" sei und das Reichsgericht hat gleich­ falls in seinem Erkenntnis vom 4. Februar 1901 (Band 34 S. 121) landesgesetzliche Verbote über das Streikpostenstehen für ungültig erklärt und eine das Gegenteil besagende Lübecker Verordnung aufgehoben. Demgegenüber bestimmt nun zwar der § 153 RGO., wonach der Zwang, bzw. der versuchte Zwang, einen andern durch Gewalt, Drohung, Ehrverletzung oder Verrufserklärung zum Beitritt zu solchen Verabredungen zu Bestimmen, verboten und strafbar sein soll. Diese Strafbestimmung ist aber insofern außerordentlich eng, als sie eine bestehende Verabredung zum Behufe der Erlangung günstiger Arbeits- und Lohnbedingungen voraussetzt. Sobald der Zweck der Vereinigungen andere Fragen des Arbeitsverhältnisses als Lohn- und Arbeitsbedingungen betrifft, ist der § 153 nicht anwendbar und. er greift auch dann nicht Platz, wenn die Nötigung zur Arbeitseinstellung ohne eine vorherige Verabredung dieser Maßnahme erfolgt, da in dem Streikpostenstehen allein eine Verabredung oder Vereinigung im Sinne

13

Solche können vielmehr nur

des § 152 nicht erblickt werden kann.

durch

Versammlungen,

gemeinsame

Besprechungen

usw.

zur Aus­

führung kommen. Hieraus ergibt sich, daß weder der § 152 noch der § 153 der Reichsgewerbeordnung auf das Streikpostmstehen Anwendung findet, und man muß dem Kammergericht und dem Reichsgericht nach der heutigen Rechtslage beipflichten, wenn fie ausführen, daß nach der

Reichsgewerbeordnung das Streikpostenstehm nicht verboten ist. Die mit dem Streikpostmstehen verbundme Abficht, Arbeitswillige von der Arbeit abzuhaltm, bringt es nun allerdings mit sich, daß,

wmn der

„Streikbrecher"

dem einfachm Zuspruch nicht folgt, der

Streikposten leicht dazu veranlaßt wird, von dem einfachm Zuredm

zu

Beleidigungen, Drohungm und äußerstmfalls zu Tätlichkeitm In diesm Fällen wird dann freilich hiermit oft das

überzugehm.

Tatbestandsmerkmal einzelner strafrechtlicher Delikte, wie z. B.

der

Erpressung, Bedrohung oder Nötigung, der Beleidigung, der Körper­ verletzung und deS Widerstands gegm die Staatsgewalt gegebm sein.

Da aber ein Teil dieser Delikte (Körperverletzung und Beleidigung) nur Antragsdelikte sind und auch uach dem vorliegenden Entwurf zu einem neuen Deutschen Strafgesetzbuch Antragsdelikte bleiben sollen, so wird nach wie vor bei dem Terrorismus,

dm die organisierten

Arbeiter auS-ben, ein ganz erheblicher Prozmtsatz der Delikte straflos bleibm, da die Streikbrecher aus Angst dm erforderlichen Antrag nicht zu stellen pflegen, und es kann ein wirksamer Schutz nur dadurch

erwartet werdm, daß das Streikpostenstehen als delictum 8ui

generis in die Rechtsordnung eingeführt wird. Denn wmn auch heutzutage die Polizei das Recht hat, auf Grund des Polizeigesetzes vom 11. März 1850, des allgemeinen Landrechts § 10, II. 17 und des § 366 Ziffer 10 des Strafgesetzbuches polizeiliche Verfügungm und

zu erlassen, nach denen sie bestimmte Anordnungm über die Sicherheit, Ordnung und öffmtliche Ruhe, sowie über die Regelung und Bequemlichkeit des

Polizeiverordnungm (Straßenpolizeiverordnungm)

Verkehrs treffen kann, so reichen doch diese behördlichm Maßnahmm schon mit Rücksicht aus die Geringfügigkeit der festzusetzmdm Strafe in keiner Weise aus,

um dem Streikpostmstehen wirksam entgegentreten

zu können. Zur Anwmdung der polizeilichm Verfügung muß außer­ dem nach hmte gültigem Recht noch festgestellt werden, daß das

Streikpostenstehm

nach

dm

totalen

und

zeitlichen

Umständen in

jedem einzelnm Falle die Annahme einer Gefährdung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung rechtfertigt, eine Annahme, die sehr oft von feiten der Gerichte vemeint wordm ist.

In dm Polizeiverordnungm

14 können zwar des weiteren auch Bestimmungen zur Erhaltung der Bequemlichkeit getroffen werden (cf. § 366 Nr. 10 Strafgesetzbuch), so daß, wenn die Polizeioerordnung

sehr kasuistisch und sorgfältig ge­

faßt ist, in manchen Fällen das Streikpostenstehen sich verbieten lassen würde, weil eS mit der Bequemlichkeit des Verkehrs in Widerspruch

steht. Aber abgesehen davon, kaum so

eingehend

daß auch die beste Polizeioerordnung gefaßt werden kann, daß alle Fälle des Streik­

postenstehens mit betroffen werden, ist der Erlaß von Polizeiverordnungen in erster Linie ganz in das Belieben der die Polizeigewalt ausübenden Organe gestellt, und die Bereitwilligkeit, derartig scharfe Polizei­

verordnungen zu erlassen und sie vor allem strikt zu handhaben, ist erfahrungsgemäß bei allen kommunalen Behörden nicht gleichmäßig

groß.

Es wird daher stets eine starke Rechtsungleichheit in den ver-

schiedenm Polizeigebieten bestehen bleiben: waS in dem einen Kreise in dieser Beziehung gilt, wird in der Nachbarstadt vielleicht nicht rechtens sein, und wenn in der preußischen Stadt Altona eine scharfgefaßte

Straßenpolizeiverordnung besteht, braucht in der Nachbarstadt, dem Bundesstaate Hamburg, eine solche nicht gültig zu sein. — Hieraus ergibt sich, daß der heutige Schutz, dm die Polizeigewalt gegen das Streikpostmstehen ermöglicht, einerseits nicht einheitlich, andererseits nicht umfassend und wirksam genug ist, daß es vielmehr, um den

Arbeiter in seinem freien Willen zu schützen, geeigneter Strafbestimmungen bedarf, die für das ganze Reich gleichmäßig gelten müssen und das

Streikpostenstehen

als

solches

verbieten.

Die Notwmdigkeit einer

solchen gesetzlichen Regelung hat der preußische Minister des Jnnem

Herr von Dallwitz am 8. April d. I. im Preußischen Herrenhause auch bereits anerkannt mit den Worten: „Bei der Reform des Strafgesetzbuchs wird der Versuch gemacht werden, die Frage besser zu lösen,

als es jetzt der Fall ist.

der StaatSregiemng muß es sein,

in allen Fällm dahin zu wirken,

Sorge

daß durch rechtzeitigen und auSreichendm polizeilichen Schutz

den

arbeitswilligen Arbeiten die Möglichkeit gegeben wird, ohne Gefährdung

ihres Lebens und ihrer Gesundheit ihrer Arbeitsbeschäftigung nachzugehen." Dm gleichm Standpunkt hat auch bereits der Herr Reichskanzler in der Sitzung vom 10. Dezember 1910 eingenommen, in der er eine Prüfung der Frage zugesagt hat, ob das Strafgesetzbuch auch in der

Richtung zu ergänzen sei, daß die persönliche Freiheit und das per­ sönliche Selbstbestimmungsrecht nachdrücklicher geschützt werden müsse

als bisher. Ein strafrechtliches Verbot des Streikpostenstehens,

das bereits

von Dielen Interessentenkreisen als unabweisbare Notwmdigkeit be-

15

zeichnet wird, ist auch durchaus nicht etwas Neues auf dem Gebiete der Strafrechtspflege, denn in einigen Gesetzen des Auslandes finden sich bereits solche Bestimmungen.

So sagt z. B. der § 154 des Straf­

gesetzbuchs des Kantons Zürich: „Wer entweder ohne Recht oder mit Ueberschreitung der Grenzen seines Rechts durch körperliche Gewalt oder Drohungm jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt, soll, insofern die

Tat nicht unter eine andere Strafbestimmung fällt, wegm Nötigung mit Gefängnis, verbunden mit Buße bis zu 2000 Frcs. oder mit der

letzteren allein bestraft werden. Derselben Strafe unterliegt, wer ohne Recht oder mit Ueber­ schreitung seines Rechts durch körperliche Gewalt, Drohung oder ernst­ liche Belästigung jemand von der Ausübung seines Berufes

abhält

oder abzuhalten versucht." Inhaltlich ähnliche Besümmungen enthalten die Gesetze mancher

anderer Kantone, z. B- Bern. Auch Australien hat gleiche

Besümmungen,

und die Nord­

amerikanische Republik bestraft nach der neuesten Judikatur das Streikpostenstehen als „unordentliches Betragen" und setzt dabei gleichzeitig Entschädigungssummen, die von dm Gewerkschaften getragen werden müssen, in einer Höhe fest, die keine Strafandrohung im Deutschen Reiche auch nur annähernd erreicht. Mit der Schaffung einer gleichen straftechtlichen Besümmung würde daher Deutschland nur dem Beispiel dieser ©todten folgen und es

dürfte hierzu um so mehr einen Anlaß haben, als die letztjährigen Unmhm in Berlin-Moabit und in Bremm gezeigt habm, daß die Mitwirkung einer mit ausreichenden Strafmitteln ausgestatteten Rechts­

pflege zur Verhütung derartiger Ausschreitungen bei uns unentbehr­ lich geworden ist. Der Einwand, daß mit einer solchen Straf­ besttmmung die KoalitionSfteiheit der Arbeiter beeinträchttgt und die

Beseitigung eines Gutes, das diese sich errungen haben, angestrebt

werde, muß

demgegenüber ass

völlig

hinfällig

bezeichnet werdm.

Die KoaliüonSfteiheit an sich wird nicht angetastet, nur die unerlaubte Einwirkung auf andere soll verbotm werdm, in der Ueberzeugung, daß, falls der Staat dm Arbeitem gestattet zu streiken, um dadurch bessere Lohnbedingungm zu erreichen, er auch auf der anderm Seite

verpflichtet ist, diejenigen zu schützm,

die sich dem Stteik nicht an-

schließm, sondem in der Arbeit beharrm oder in ein Arbeitsverhältnis eintreten wollen. Ein derartiger Schutz liegt im eigensten Interesse der Arbeiter­

schaft, wie es im Interesse der staatlichm Ordnung und der Rechts-

16

orbnung liegt, alle Mittel der Nötigung unter Strafe zu stellen, welche, wie daS Ausstellen der Streitpoften, sehr häufig den Anlaß zu strafbaren Handlungen und Gewalttätigkeiten bilden.

Der Erlaß

einer solchen Strafbestimmung bildet die einmütige Forderung der deutschen Industrie, die mit schwerer Sorge auf den sich ständig ver­ schärfenden Klassenkampf blickt und mit Recht fürchtet,

schrantmlvse

Weiterentwickelung

Wohlfahrt zu dienen,

chr

die

Aufgabe,

daß seine

der. nationalen

immer mehr erschweren, wenn nicht ganz un­

möglich machen wird. ES muß demgemäß als unbedingt erforderlich erachtet werden, in

daS neue Sttafgesetzbuch das Verbot des Streikpostenstehens auf­

zunehmen, und dieser Zweck würde erreicht werden, wenn dem § 241 des Entwurfs eines neuen SttafgesetzbuchS folgende Fassung ge­

geben wird. § 241.

Wer durch gefährliche Drohung einen anderen in seinem Frieden

stört, wird mit Gefängnis oder Haft bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 1000 M. bestraft. Einer gefährlichen Drohung im Sinne des ersten Absatzes macht sich auch derjenige schuldig, der es unternimmt, Arbeitgeber, Arbeit­

nehmer, Arbeitsstätten, Wege,

Straffen, Plätze, Bahnhöfe,

Wasser­

straßen, Häfm oder sonstige Verkehrsanlagen planmäßig zu überwachen.

gerfdjrtn bei Genehmigung gewerblicher Anlagen.

In Zufammenarbeü mit einer Anzahl näher interessierter großer industrieller Verbände hatte der Centralverband Deutscher In­

dustrieller nach eingehenden Umfragen und Erörterungen dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe in einer Denkschrift die Klagen und Wünsche wegen des Verfahrens bei Genehmigung gewerblicher Anlagen gemäß § 16 ff. der Gewerbeordnung dargelegt. Daraufhin

fand im November v. I. unter dem Vorsitz des Herrn UnterstaatS-

fekretärS Schreiber im Ministerium eine ausführliche Besprechung zwischm Regierungsvertretern und geladenen Vertretern der Industrie statt.

Nunmehr hat der Herr Minister Sydow an die Regiernngs-

17 Präsidenten und dm Polizeipräsidenten von Berlin einen Erlaß gerichtet, in welchem dm geäußertm Beschwerdm und Wünschm teil­

weise Rechnung getrogen wird.

Der Erlaß lautet: „Berlin, dm IS. IM 1911.

Die Klagen,

die aus

gewerblichm Kreism seit längerer Zeit

wegm der Durchführung deS Verfahren- bei Genehmigung gewerb­ licher Anlagen gemäß § 16 ff. der Gewerbeordnung erhobm werdm, hobm mich veranlaßt, diejmigm Fragm, welche dm Anlaß zu Be­

schwerdm gegebm habm, mit Bertretem der beteiligtm Jndustrim mündlich erörtern zu lassen.

Wenn diese Berhandlungm auch nicht

dazu geführt habm, im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Aenderung der gesetzlichm Bestimmungm anzuregm, so erscheint eS mir doch erwünscht,

mit möglichstem Nachdruck im Verwaltungsweg auf die Abstellung von Unzuträglichkeiten deS BerfahrmS hinzuwirkm. In erster Linie richtm sich die Beschwerdm dagegen, daß da» Verfahrm ein zu langsame» sei und dem Gewerbetreibendm hierdurch

ost erheblicher Schadm zugefügt werde.

Wmn eS auch zutrifst, daß die Dauer de» Verfahrm» vor­ nehmlich durch die Innehaltung der gesetzlich vorgeschriebmm Fristm verursacht wird, und wmn auch bereits in der Ausführungsanweisung

vom 1. Mai 1904 auf die Maßnahmen, welche eine möglichste Befchlmnigung sichem, hingewiesm wordm ist, so verkenne ich doch nicht, daß in manchm Fällm eine raschere Behandlung der schwebmdm Anträge hätte durchgeführt werdm könnm, und ich ersuche Sie erneut, in dieser Richtung auf die Beschluß- und BerwaltungSbchördm Fhrm

Einfluß geltmd zu machm. Allerdings wird ost die rasche Abwickelung des Verfahren» dadurch verzögert, daß die von dm Untemehmem eingereichtm Unter« logen nicht dm Anforderungen des Gesetze» und der AnSführungS-

anweffung zur Gewerbeordnung vom 1. Mai 1904 entsprechen. Bereits in Nr. 16 Abs. 3 dieser Ausführungsanweisung ist darauf hingewiesm, daß in solchm Fällm der Untemehmer von dm zur Begutachtung Berufenen beamteten Sachverständigen auf kürzestem

Wege durch tnündliche Verhandlung oder unmittelbarm Schriftwechsel zur Abstellung solcher Mängel zu veranlaffm sst. Indes werdm manche Berhandlungm dieser Art dann überflüssig werdm, wenn die

Untemehmer schon vor der Einreichung ihrer Unterlagm mit dm Sachverständigen,

namentlich

mit

dm

GewerbeaufsichtSbeamtm in

mündliche Erörtemngm treten, und Anstände des Projekt» auf diese

Weise au» dem Wege geräumt werdm. $«ft 128.

Ich ersuche Sie, nach dieser

2

18 Richtung hin auf die Kreise der Untemehmer, soweit dies möglich ist,

einzuwirkm und die Nachgeordneten Beamten anzuweisen, solche münd­ liche Erörterungen nach Möglichkeit zu begünstigen.

Auch in den späteren Stadien des Verfahrens wird ein un­ mittelbares Benehmen der sachverständigen Beamten mit dem Unter­ nehmer dann am Platze sein, wenn die Sachverständigen die Auflage besonderer, für dm Untemehmer erheblicher Bedingungm vorschlagen. Wmn auch der Untemehmer in nieten Fällen, namentlich wenn ein ErörtemngStermin stattgefundm hat, oder wmn er selbst auf dm

Rekurs verzichtet hat (Nr. 26 Abs. 3 a. a. £).),

Kenntnis von dm

vorgefchlagmm Bedingungm erhaltm wird, so ist es doch nicht auS-

geschlossm, daß ihm Mitteilungen darüber erst in der mündlichm Ver­ handlung vor der Beschlußbehörde gemacht werdm und er nicht mehr

in der Lage ist, eine eingehende Prüfung solcher Bedingungm vor der Beschlußfaffung der ersten Instanz vorzunehmen. Es ist daher

erwünscht, daß der Untemehmer von dahingehmden Borschlägm der sachverständigm Beamten möglichst frühzeitig KmntniS erhält, und es wird sich

empfehlm, daß der Vorsitzmde der Beschlußbehörde in

denjenigen Fällen, in denen der Untemehmer von solchm Be­ dingungm noch keine Kenntnis erlangt hat, dem Untemehmer zugleich mit der Anberaumung deS Termins Mitteilung von den Bedingungen macht, die von den Sachverständigen vorgeschlagen worden sind. Weiter ist von gewerblicher Seite namentlich wegen der allgemeinm Vorbehaltsklausel Klage

geführt

und

ihre

möglichste

Ab­

schaffung empfohlen worden. Demgegenüber ist hemorzuhebm, daß eine solche Klausel unter den Voraussetzungen der Nr. 28 Abs. 6 der

AuSfühmngSanweisung nicht nur rechtlich zweifellos zulässig ist, sondem daß sie auch oft im Interesse der Industrie selbst liegt, da die Mög­ lichkeit eines solchm Vorbehalts in manchm zweifelhaften Fällen allein eine Genehmigung rechtfertigen kann. NichtSdestowmiger ist anzuerkennm, daß die obm bezeichnetm Voraussetzungen für die Aufnahme

der BorbehaltSklausel von dm Beschlußbehörden nicht immer eingehmd genug

geprüft sind, und deshalb mehrfach in der Rekursinstanz hat

Abhilfe geschaffm werdm muffen. Namentlich die Verwendung vorgedmckter Formulare für die Beschlüsse der Bezirks- und KreiSauSschüsse, in denen der Wortlaut der allgemeinm Vorbehaltsklausel bereits Aufnahme gefunden hat, verleüet zu einer schematischen Anwmdung jener Bestimmungen,

die unter offen Umständen zu ver­

meiden ist. Hinsichllich der im Interesse des Arbeiterschutzes notwmdigm

Bedingungm ist darauf hingewiesm wordm,

daß bei chum die tun-

19

lichste

Uebereinstimmung

Vorschriften

die

mit

Ausnahme

sei.

Allerdings

entsprechender

Genehmigungsurkunde keineswegs

ans

berufsgenossenschastlichen

den

anzustreben

oerhütungSvorschristen

Unfall»

solche

machen

Bestimmungen

in

überflüssig, unter anderem

die

schon

dem Grunde, weil die Verletzung solcher Vorschriften alsdann

nur durch beruf-genossenschaftliche Ordnungsstrafen,

aber nicht ans

deS § 147 der Gewerbeordnung geahndet werden kann.

Grund

Ich

halte indes ein verständnisvolle- Zusammenarbeiten der (Bewerbe» auffichtsbeamtm mit den BernfSgenoffenschasten für erstrebenswert und

jede Anregung der BemfSgenoffenfchasten in dieser Richtung für will­

kommen.

Ich

ersuche,

auch

in

dieser Beziehung die Nachgeordneten

Beamten mit Weisung zu versehen.

zu tragen, der

Begriff

Endlich ersuche ich, dafür Sorge

daß bei Anwendung des § 25 der Gewerbeordnung der

einer besonders

wesentlichen Aenderung

Prüfung unterzogen wird.

eingehenden

Allerdings muß die in gewerblichen Kressen

und in Veröffentlichungen vertretene Auffassung, daß Verbesserungen

deS

bestehenden Zustande- nicht einer Genehmigung nach § 25 der

Gewerbeordnung bedürfen, auf Grund der bestehenden Rechtsprechung als unzutreffend bezeichnet werben.

Die Frage,

ob

es sich

bei der

geplanten Veränderung im Gesamtergebnis um eine wirkliche Ver­ besserung des bestehenden Zustande- handelt oder nicht, ist unter den

Parteien

oft strittig,

und gerade diese Frage soll von der Beschluß­

behörde entschieden und nicht dem Unternehmer oder den Verwaltungs­ Entscheidend ist allein, ob die Aenderung,

behörden überlassen bleiben.

selbst wenn sie an sich eine Verbesserung darstellt,

einwirken kann,

die nach

ans die Rücksichten

dem Eingänge deS § 16 der Gewerbe­

ordnung die Anlage genehmigungspflichtig madjen,

daß

nämlich die

Anlage durch die Beschaffenheit der Betrieb-stätte für die Besitzer oder

Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für da- Publikum über­

haupt

erhebliche

Nachteile,

Gefahren

oder

Belästigungen

rufen kann.

Ich ersuche Sie, hiernach da- Weitere zu veranlassen.

Dr. Sydow.

An die Herren Regierungspräsidenten und ben Herrn Polizeipräsidenten

in Berlin."

Hervor­

20

Heberblick über weitere Eingaben und Arbeiten.

Neben dm vorstehend zur Beröffmtlichung gelangenden Eingabm usw. hat der Centraloerband Deutscher Industrieller seit dem Monat IM 1910 — wo zum letztenmal in Heft 119 der „Ver­ handlungen, Mitteilungen und Berichte" Eingabm usw. publiziert sind — sich in einer großm Reihe von bedeutenden Fragm be­ tätigt. So wurden nach eingehmdm Erhebungm in dm Kreisen der Mitglieder Eingabm ausgearbeitet und an die zuständigm Stellm gerichtet über die Handelsverträge mit Schweden und Japan, über die HandelSbeziehungm zu dm Niederlanden, über das Patentwesen, über dm Ausschluß deutscher Fabrikate bei staatlichen und kommunalm Lieferungen des Auslands, über dm Entwurf eines BersicherungSgesetzeS für Angestellte, über die -onkurrenzklausel, über das Hefemischverbot, über verschiedme Fälle bezüglich Beredelungsoerfahren, über die Anregung, wonach Gesellschastm zur Anlegung eines Teils chrer Reservefonds in Staatsanleihen verpflichtet werdm sollten, über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen in Glas­ hütten, über das statistische Warenverzeichnis, die obliga­ torische Wertanmeldung für die deutsche Einfuhr usw. Auf Grund einer Umfrage wurde ferner eine vertrauliche Denkschrift über dm Wert der Industrieausstellungen angefertigt.

21

Der staatliche Hergbau m Arenßen.

Der Umstand, daß seit einer Reche von Jahrm die Ueberfchüffe

der staatlichen Bergwerksoerwaltung einen starken Rückgang aufweisen, hat dazu geführt, daß im vorigen Jahr, am 1. März 1910, im Hause

der Abgeordneten auf Antrag des Abgeordneten von Pappenheim

beschlossen wurde,

eine Unterkommission

der Budgetkommission

ein­

zusetzen mit dem Auftrage:

prüfen,

a) zu

in

welcher

Weise

die

staatliche

Bergwerks­

verwaltung, unbeschadet chrer volkswirtschaftlichen und sozial­ politischen Aufgaben, einträglicher als bisher gemacht werben könne,

b) über das

Ergebnis

der Untersuchungen

einen schriftlichen

Bericht zu erstatten.

Die Unterkommission ist dem ihr erteilten Auftrage nachgckommen. Sie hat die Berhältniffe der staatlichen Bergwerksverwaltung einer Prüfung unterzogen und die Ergebnisie der Prüfung in einem Bericht

niedergelegt, welchen

sie

der Budgetkommission am 15. März 1911

eingereicht hat.

Die

Budgetkommission ihrerseits hat dm Bericht

kommission zum

der Unter­

Gegmstande einer eingehendm Beratung

gemacht,

derm Ergebnisie im KommisfionSbericht wie folgt zusammengefaßt find. Ergebnisse:

Die Ursachm der im Vergleich mit dm Ergebniffm deS Prioat-

bergbaueS unzureichenden Erträgniffe deS staatlichen Bergbaues find •

nicht in dm Saften zu suchen, die dem staatlichen Bergbau a) aus der Erfüllung der ihm obliegmdm volkswirtschaftlichen Aufgabm, sowie b) aus

der sozialpolitischen

und stmerlichm

Gesetzgebung

er-

wachsen,dmn diese Saften treffen in gleicher Weffe auch dm Privatbergbau. Die unzureichmdm Erträgniffe erscheinm c) auch durch

gebieten

die Unterschiedlichkeit

des

staatlichm

der in dm Produktions­

Bergbaues

Verhältnisse nicht genügmd begründet.

gegebenen

natürlichen

22 Dagegen wird die vergleichsweise Rentabilität nachteilig be­ einflußt: a) durch die Lohnpolitik, welche die staatliche Bergverwaltung im Hinblick auf die historische Entwickelung der Arbeiter­ verhältnisse im Saargebiet und am Harz aus sozialpolitischen Erwägungen glaubt befolgen zu müssen;

b) durch besondere, die Produktion de- staatlichen Bergbaues wesentlich beeinträchtigende und erschwerende Mängel organi­ satorischer Art auf dem Gebiete der Beamten- und Arbeiter­ verhältnisse;

c) durch eine den Produktions- und Absatzverhältnissen des preußischen Bergbaues nicht genügend Rechnung tragende Preis- und Tarifpolitik.

Im Hinblick auf diese Ergebnisse wurde alsdann auf Vorschlag des Berichterstatters, Abgeordneten Hirsch-Essen, nach längerer Dis­ kussion die nachstehende Ensschließung einstimmig angenommen: Entschließung:

Die Budgetkommission beantragt: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staats­ regierung zu ersuchen, Maßnahmen zu treffen, die geeignet erscheinen, I. den in dem Bericht der Unterkommission klargestellten Mängeln

a) in den Verhältnissen der höheren Beamten; b) in den Verhältnissen der mittleren Beamten; c) in den Verhältnissen der Arbeiter abzuhelfen. Hierbei ist insbesondere auch zu prüfen, ob die von der Bergoerwaltung im Saarrevier befolgte Lohnpolitik im Interesse nicht nur einer gedeihlichen Entwickelung des staatlichen Bergbaues, sondern auch der in ihm beschäftigten Arbeiter aufrechterhaltm werden kann;

II. eine Verbilligung des Staatsbetriebes bezüglich gewisser, die Betrieb-ergebnisse erheblich beeinflussender Selbstkosten — namentlich der Materialkosten — sowie eine Hebung durchschnittlichen Förderleistungen zu gewährleisten, und

der

UL eine stetige, den jeweiligen Verhältnissen angepaßte Preis­ politik sowie eine den Wettbewerbsverhältniffen des preußischen Bergbaues Rechnung tragende Tarifpolitik in die Wege zu leiten. Die Königliche Staatsregierung wolle zu diesem Zweck erwägen, ob und unter welchen Voraussetzungen, unter

23 Wahrung

der allgemein-wirtschaftlichen Interessen,

sammengehen

des staatlichen Bergbaue-

ein Zu­

mit dem privaten

Bergbau auf dem Gebiete der Preispolitik, insbesondere durch Beteiligung des staatlichen Bergbaues am Rheinssch-

Westfälischen Kohlmsyndikat, in Frage gezogen werden kann

und ob ferner nicht durch Erstellung geeigneter Tarife dem der Erzeugnisse

Absatz

-er

deutschen Kohleniudustrie

nach

wichtigen und von anderer Seite stark umstrittenen Gebieten

Borschub zu leisten ist.

Bon dem Ergebnis dieser Erwägungm ist dem Hause der Abgeordneten Mitteilung zu machen.

Ferner

wolle

die Königliche Staatsregierung

Sorge

tragen, daß

IV. durch eine übersichtlichere Ausstellung de- Etats in Einnahme

und Ausgabe sowie durch regelmäßige jährliche Vorlage von Nachweisungen

genauen

-ergebniffe

über

der einzelnen

die Betrieb-verhältnisse und

unter

Werke,

Hervorhebung

der

Haupsselbstkostenfaktoren auf die Tonne berechnet, dem Land­ tage jeweilig ein Einblick in die Lage de» staatlichen Berg­

baues ermöglicht wird und daß feste Bestimmungen über die auf Ordinarium,

Extraordinarium

und Anlrihe

zu

über-

nehmenden Aufwendungm getroffen werdm. Endlich

wolle

Königliche

die

Staatsregierung

oer-

anlaffm, daß V. eine

Feststellung

des

staatlichm

im

angelegtm

Bergbau

Kapitals erfolgt, unter schätzungsweiser Bewertung auch der

Grubmgebäude

sowie

der

geschlossmm Felder, in

im

derm

Betriebe Besitz

befindlichm

der Staat

auf-

ohne be­

sondere Kapitalaufwendungm — auf Grund des Bergregals,

durch Einverleibung neuer Landesteile oder

durch Mutung

— gelangt ist.

Die in der vorstehmden, wie bereüs hervorgehobm, einstimmig gefaßtm

Entschließung zum Ausdruck gelangte Stellungnahme der

Budgetkommission

des

Preußsschm Abgeordnetenhauses

dürste

da­

hohe Interesse aller derjmigen Kresse erweckm, die der Entwickelung der wirtfchastlichm Berhältniffe im Bergbau ihre Aufmerksamkeit zuwmdm. Bericht

erscheint

ES

der

daher

Unterkommifsion

angezeigt, wie

in

dm

au»

dem

in

Berhandluvgm

dem

der

Budgetkommsssion enthaltmm reichhaltigm Material die Hauptpunkte herauSzugreifm.

24

Den Anstoß zu der von der Budgetkommission vorgenommenen Untersuchung gab, wie angedeutet, der Umstand, daß die Ueberschüsse

der staatlichen Berg-, Hütten- und Salinenoerwaltung seit einer Reihe von Jahrm immer

geringer geworden find.

In welchem Umfang

dies der Fall gewesen ist, zeigm die nachstehenden Ziffern.

der rechnungsmäßige Ueberschuß von

Es stieg

24 Millionen Mark im Jahre

1890 auf 47 Millionen Mark im Jahre 1900 (Hochkonjunktur). da ab fiel er nahezu

Bon

17 Millionen Mark im

andauemd bis auf

Jahre 1909.

Diese Erscheinung ist um so bemerkenswerter, als die Belegschaft in

diesem Zeitraume von 56000 im Jahre 1890 auf

102000 Mann im Jahre 1909

Jahre 1900 und auf

Bezieht man

so

72 000

im

gestiegen ist.

auf einen Mann der Belegschaft,

den Ueberschuß

tritt die ungünstige Entwickelung

deutlicher hervor.

noch

Der

Ueberschuß auf einen Mann der Belegschaft betrug im Jahre

Nun

433,— M.

1890 ................................





1900 .................................... 647,—





1909

darf man

166,67

allerdings nicht vergessen,

Bergwerksverwaltung, worauf auch vom Betriebe"

hingewiesen wird,

Aufwendungen

für Neuanlagen

haben — einschließlich

„ „

daß

die staatliche

in den amtlichen

„Nachrichten

gerade im letzten Jahrzehnt große

Diese Aufwendungen

gemacht hat.

der Aufwendungen

für die neuen Werke in

Westfalen, aber ohne die Ausgaben auf Anleihe — betragen: 1900

.

2,6 Mill. M.

1905

.

.

13,8 Mill. M.

1901

.



40

ft

1906

.



17/^

1902

.

3,37





1907

.

.

1903

.



9,0





1908

.

1904

.

.

10,0





1909

.

20,0

ff

n

ff

20,6





25,4









Im ganzen sind in den letzten zehn Jahrm 126,7 Millionen Mark für Nmanlagen aufgewmdet worden*).

Das sind sicherlich sehr be-

deutmde Aufwendungen, die dm Rückgang in bett Betriebsüberschüssen

zum Teil erklärlich erscheinm fassen. Selbst roenn man

aber diese aus Betriebsmitteln bestrittenen

Nmanlagen als BermögmszuwachS betrachtet und sie dem Ueberschuß

*) Zu diesen Aufwendungen auö dem Betriebe, kommen dann noch die Äofittt der Erwerb» der westfälischen Grubenfelder sowie die Aufwendung an» Mitteln de» Anlei-egesehe» von 1908, durch welche» die Königliche Staat»regierung ermächtigt wurde, eine Anleche von 15 Millionen Mark auf-«nehmen.

25

zurechnet, und wenn man in gleicher Weise mit den Verwaltungskosten für die Ministerialinstanz, die Lehranstalten usw., welche gleichfalls vor Feststellung des rechnungsmäßigen Ueberschusses aus dem Betriebs­ überschuß genommen werden, verfährt, bleibt das Bild, welches die Erträgnisse der staatlichen Bergwerksoerwaltung bieten, noch ein ver­ hältnismäßig ungünstiges. Es erhellt dies aus der Zahlentafel 1. Es betrug im

Zahlentafel 1.

Jahr

1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909

Verwaltungskosten Ueberschuß für Ministerialeinschließl. Aus­ Abteilung, Ober­ gaben für bergämter, Berg­ technische Lehr­ Neuanlagen anstalt, Geologische Landesanstatt der staoltlichen Bergverrvaltung (JährlBoranschlg.) M. M. M. M.

Rechnungs­ mäßiger Ueberschuß

47 056 859 41273138 33970279 24272541 27 659 200 30651588 27 444848 14622 756 16136 710 17 000052

Ausgaben für Neuanlagen

2 629500 4015 700 3 371100 9009400 10021500 13801 700 17 709 700 20 685000 25430200 20054200

49686359 45288 838 37 341379 33 281941 37 680 700 44453 288 45154548 35307 756 41566910 37 054252

3076 794 3 332 520 3438 863 3 579 824 3 764030 3923860 4044 720 4292 230 4524580 4633 660

Ueberschuß im weiteren Sinne

M.

auf 1 Mann M.

52 763153 48621358 40780242 36 861765 41444 730 48377148 49 199 268 39599986 46091490 41 687 912

725,50 649,37 529,17 460,21 502,07 574,25 551,99 426,83 475,93 408,94

insgesamt

Hiernach stellt sich der Ueberschuß in dem wirtschaftlich ungünstigen Jahr 1909 gegen das Hochkonjunkturjahr 1900 nur noch um rd. 11 Millionen Mark — 20,99 pCt. niedriger, gegen einen Rückgang um 30 Millionen Mark, wenn man nur den rechnungsmäßigen Ueberschuß in Betracht zog. Größer ist allerdings die Abnahme in dem wirtschaftlichen Erträgnis auf einen Mann der Belegschaft; dieses zeigt im Jahre 1909 gegen 1900 einen Abfall um 316,56 M. = 43,63 pCt. Die im vorstehenden gegebenen Ziffern beziehen sich auf die gesamte staatliche Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung. Geht man speziell auf den Kohlenbergbau ein, so ergibt sich für die fiskalischen Steinkohlenbergwerke in Öberschlesien und im Saarbezirk

nachstehmdes Bild:

26

Zahlentafel 2. Jahr

Rechnungsmäßiger Ueberschuß M.

1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909

1900 1901 1902 1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909

Ausgaben für Neuanlaaen und sonstige BetriebSmaßnahmen M.

Ueberschuß im weiteren Sinne

insgesamt

auflt Förderung

M.

M.

Staatlicher Steinkohlenbirrgbau in Obverschieden 13122280 1209 700 14331980 2,71 14267 996 2450 700 16 718 696 3,25 12125099 2,63 1605900 13 730999 8 147 799 2,04 2260100 10407 899 4292 600 11283198 6990598 2,10 2,43 7 452 909 5992 300 13445209 5434500 18 893 441 2,21 7 458 941 6 719693 6019 300 2,17 12 738 993 2,60 7 751296 7 531600 15 282 896 7 548402 13 679902 6131500 2,27

25436527 24 987 739 19 020 264 14682111 16877 872 16 979 712 14412222 8 472 666 12928 771 6497 273

Staatlicher S aarbergbau 26856 327 1419 800 1565000 26 552 739 20 785464 1765 200 ,2 183 400 16865511 2 965900 19 843 772 2366000 20345 712 5 824100 20 236 322 6 312000 14 784666 19 480 771 6 552000 6451200 12948473

2,86 2,86 2,15 1,66 1,89 1,89 1,85 1,37. 1,77 1,18

Danach ist der Ueberschuß im weiteren Sinne in Oberschlesien der absoluten Höhe nach in dem fraglichen Zeitraum nicht sehr stark zurückgegangen, und auch auf die Tonne ist der Abfall, roettn man nicht gerade das Ausnahmeergebnis des Hochkonjunkturjahres 1900 zum Vergleiche heranzieht, nicht sehr erheblich. Im Gegensatz dazu verzeichnet der Saarfiskus für die letztm Jahre eine sehr beträchtliche Abnahme seines Ueberschusses; im Jahre 1909 war dieser nicht einmal halb so hoch wie im Jahre 1900, und auf die Tonne Förderung beträgt die Abnahme sogar 58,74 pCt. Danach ist in erster Linie der Saarkohlenbergbau für das un­ günstige Ergebnis des staatlichen Bergwerksbetriebes in den letztm Jahrm verantwortlich zu machen.

27

Welches sind nun die Ursachen für die rückgängige Entwickelung

der Rentabilität des staatlichen Saarkohlenbcrgbaues?

Die staatliche Bergverwaltung selbst hebt in den „Nachrichten

vom Betriebe" für die Jahre 1908 und 1909 einige Ursachen heraus, die zweifellos ganz erheblich dazu mitgewirkt haben, die Rentabilität An erster Stelle verweist sie auf die groß« Auf­

herunterzudrücken.

wendungen für Reuanlagen, die im letzten Jahrzehnt aus Betriebs­ mitteln gemacht find und die nach Ansicht der staatlichen Berg­

verwaltung vorübergehender Natur fein soll«.

Diese Aufwendung«

find bei der vorstehenden Betrachtung bereits in Rücksicht gezogm.

Sie haben zweifellos wesentlich

dazu mitgewirkt,

den rechnungs­

mäßig« Ueberschuß herunterzudrückm. Ob diese Aufwmdungm für Neuanlag« allerdings als solche vorübergehender Natur anzusprrchm

find, wird

erst die Zukunft lehr« könn«.

Unter Hinweis auf die

seit zehn Jahren ständig ansteigmde Linie dieser Aufwendung« möcht« wir uns indes erlaub«, schon jetzt nach dieser Richtung einige Zweifel laut werd« zu laffm. Weiter hebt die staatliche Bergverwaltung in d« „Nachricht«

vom Betriebe" eine Reihe von Gründ« dauemder Natur hervor. Zunächst das starte Ansteigen der Aufwendungen für soziale Zwecke und das Anwachsm der st«erlich« Belastung.

Diese Last«

find, wie fich aus dm „Nachricht« vom Betriebe" für da» Jahr 1909 ergibt, allerdings außerordentlich groß. In dm Jahr« 1877 bis

1909

sind

die

von

den Saarbrücker

Staat-wert« zu

leistend«

Knappschaftsbeiträge von rd. 900 000 M. auf rd. 5,3 Million« Mart (einschließlich der reichsgesetzlichen Jnvalidenversichemng) gestieg«, hab« sich also versechsfacht, während die Belegschaft von rd. 23000 auf rd. 52 400 Köpfe gewachsen sei, sich also nur etwas mehr als verdoppelt hat. Allein die Knappschaft-novelle vom 19. Juni 1906 hat dem Saarbrücker Bergbau, wmn berücksichtigt wird, daß die dm Arbeite«

zur Last

fallenden

Lohnerhöhung«

Erhöhungen

ausgeglichen

der

werd«

Beiträge

durch

mtsprechmde

eine

unmittelbare

mußt«,

Mehrausgabe von 1,6 Million« jährlich gebracht.

Im Jahre 1909

hat die Erhöhung der Beiträge zur Krankenkasse wieder y$ Million Mehrbelastung verursacht. Die gesamte Geldausgabe für die gesetzlich vorgeschriebmm und für die fteiwillig

übernommenen sozial« Leistung« (Tit. 11

de-

Etats) ist im Saarbrücker Bezirk von rd. 958 000 M. im Jahre 1877

auf rd. 8 092 000 M. im Jahre 1909

gestieg«.

Auf einen Mana

der Belegschaft berechnet, bedeutet die- eine Steigerung von 42,44 M.

28

im Jahre 1877

auf 154,41 M. im Jahre 1909; auf die Tonne

Förderung berechnet, bedeutet es eine Steigerung von 0,21 M. im Jahre 1877 auf 0,74 M. im Jahre 1909. Währmd sich die Belegschaft nur etwas mehr als verdoppelt hat, habm sich die fozialm Leistungen auf den Mann um das

3,6 fache, die AuSgabm für die Tonne Kohlm um das 3,5 fache, die absoluten Aufwendungm um mehr als das 8 fache vermehrt. Die stmerlichm Soften sind in dm Jahren 1900 bis 1909 von 1,5 auf 2,2 Millionen hinaufgegangen. Insgesamt sind währmd dieser zehn Jahre stmerliche und soziale Soften von 5,2 auf 9,9 Millionen gewachsen.

Im Verhältnis

zum Ueberschuß sind diese Ausgabm von 20,1 pCt. auf 133,8 pCt.

gestiegen. um

Die Tonne Kohle ist im Jahre 1909 durch diese Ausgabe

Das bedmtet bei einer Produktion

1,08 M. verteuert wordm.

der Saarbrücker Gruben von 9,8 Mllionm Tonnm Steinkohlm eine

jährliche Belastung von mehr als 10 Mllionm Mark. Danach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß durch das rapide Anwachfm der fozialm und fteuerlichm Saften die Rentabilität der StaatSgrubm stark beeinträchtigt ist. Als weitere Gründe bauernbet Natur werden seitens der Berg­

verwaltung sodann angeführt:

die Erhöhung der Söhne und die

Erhöhung der Materialkosten. Auch dieser Hinweis ist

zutreffmd,

sich

wie

aus der nach-

folgmdm, dem Bericht der Unterkommission entnommenen Zusammen­ stellung ergibt, welche die Entwickelung der wesmtlichstm Selbstkosten-

Danach standen im Jahre

Faktoren der Saargrubm veranschaulicht. 1909 höher als im Jahre 1900:

die Söhne nm....................... „

Generalkosten um.

.

.



Materialkosten um

.

.



Neubaukostm um.

.

.

.

.

.

80 Pf.

.

.

70

.

. .

.

46

„ „

.

.

.

49



der Erlös um.......................

. . . 28 „ Rechnet man diese Steigerungen — abgesehen von dm Neubanfosten, die nach dm vorhergehmden Darlegungm als Ueberschuß angenommen sind und hier deSwegm außer Betracht Bleiben tonnen — zusammen und bezieht die Summe auf die Gesamtjahresförderung des

Saarreviers im Gesamtbeträge von ungefähr 10 Mllionm Tonnen, so ergeben sich daraus Mehrbelastungen, die sich fast auf 20 Millionen Mark jährlich belaufen und benen in der Steigerung des Erlöses

von 28 Pf. übersteht.

für die Tonne kein ausreichendes Aequivalmt

gegen®

29 Endkch wird seitens der Bergverwaltung in den „Nachrichten

vom Betriebe" unter den Gründen für den Rückgang der Ueberschüsse auch der Rückgang der Leistung auf dm Kopf der Belegschaft an» gegeben. Auch dies ist zutreffmd. Die Schichtleistungm auf dm Kopf der Belegschaft im Saarrmier haben im Jahre 1900 0,795 t,

im Jahre 1909 dagegen nur noch 0,745 t betragen. Im Ruhrbergbau dagegm stellten sich für 1909 die Leistungen auf 0,833 t auf dm

Kopf der Belegschaft.

Auf die

unterirdische Belegschaft betrug die

Leistung im Jahre 1909 im Saarrmier 0,908 t, im Ruhrreoier 1,101 t. Von welcher Bedeutung der Rückgang der Leistungm ist, wird im nachfolgendm noch des näherm erörtert werdm. Als dauemde Mommte, die zu einer starten Belastung des

staatlichen Saarkohlenbergbaues und infolgedessm zu einer Beeinträchti­

gung

seiner Wirtschaftlichkeit

geführt

habm,

kommm

danach

in

Betracht: das starke Ansteigm der sozialm und stmerlichm Lastm,

die starte

Erhöhung

der

und der Mann der Belegschaft. Materialkosten

Löhne,

die

Rückgang

erhebliche

Steigerung

der Förderleistungen

auf

der

dm

Um nun ein Urteil darüber zu gemimten, wie diese Mommte im einzelnm abzuwägm sind, hat die Untertommission die Berhältniffe

des PrioatbergbaueS

im Ruhrrevier

zum Vergleich

herangezogen.

Wie aus dm Verhandlungen der Kommission hervorgeht, ist feiten» der Bergverwaltung die Zulässigkeit eines Vergleichs des staatlichm Bergbaues an der Saar mit dem Prioatbergbau in Westfalm bestritten wordm. Demgegenüber ist auS der Kommission, unseres

Erachtens mit Recht, betont worden,

daß ein solcher Vergleich auf

breiter Basis nicht umgangen werden könne,

roenn man eine klare

Vorstellung davon gewinnm wolle, welche Ansprüche hinsichtlich der ^Rentabilität an dm Staatsbergbau zu stellen seien. Ein solcher Vergleich erscheine auch, unbeschadet der Würdigung etwa oorhandmer Verschiedenheiten in dm beiderseitigm Produktions- und Arbeiterverhältniffm, sehr wohl durchführbar. Die Zulässigkeit eines solchm

Vergleiches

vemeinen,

hieße

die

Möglichkeit

einer wirtschastlichm

Untersuchung wie der, um die es sich hier handele, überhaupt »er»

«einen. Stellt man nun einen solchm Vergleich an, so ergibt sich, wie dem Bericht der Unterkommifsion im einzelnm nachgewiesm wird, daß die starte Steigerung der sozialm und stmerlichm Lastm beim

in

Prioatbergbau zum mindestm in gleichem Maße vorhandm ist wie beim Staatsbergbau und daß auch das starke Ansteigm der Löhne dm Prioatbergbau nicht minder als dm Staatsbergbau belastet

30 Diese beiden Momente können daher die Rentabilität des Staats-

bergbaueS

gegenüber

derjmigen

Prioatbergbaues

deS

nicht

be­

einflußt haben. Eigentümlich dagegen find dem Staatsbergbau das starke An­ steigen und die Höhe der Materialkosten und ferner die im Rückgang begriffene Förderziffer auf den Kopf der Belegschaft.

Bevor auf die letztgenannten beiden Punkte des näheren ein-

gegangen wird, mag es gestattet sein, aus den Erörterungen der Kommission über die volkswirtschaftlichen und sozialen Verpflichtungen deS staatlichen Bergbaues noch einiges hervorzuheben.

Die Unterkommission hat

es

sich angelegen sein lassen, gegen­

über der in manchen Kreisen verbreiteten Anschauung, daß der staatliche Bergbau, weil er staatlich sei, besondere Verpflichtungen

volkswirtschaftlicher und sozialer Art zu erfüllen habe,

an der Hand

eines reichen wirtschaftlichen und statistischen Materials darzutun, daß der staatliche Bergbau in Wirklichkeit nach der gedachten Richtung

hin durchaus nicht mehr leistet als

der Privatbergbau.

Darüber

hinaus hat sich die Unterkommission grundsätzlich auf den Standpunkt gestellt, daß der staatliche Bergbau, ebenso wie der Privatbergbau, bei seiner Betriebsführung die Forderung der Wirtschaftlichkeit an die

Spitze stellen müsse. Der staatliche Bergbau habe, lediglich weil er staatlich sei, keine anderen sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Aufgaben zu erfüllen als der Privatbergbau. Der staatliche Bergbau sei weder eine Wohltätigkeitsanstalt für die Arbeiter, noch eine Ver­

sorgungsanstalt für Beamte, sondern er sei ein Erwerbsbetrieb, dessen Ziel darin bestehen müsse, an seinem Teil die von der heimischen wirtschaftlichm Tätigkeit benötigten Bodenschätze unter möglichst

billigen

Gestehungskosten

zu

gewinnen

und

die

gewonnenen

Er­

zeugnisse möglichst günstig abzusetzen. Das sei genau dasselbe Ziel, welches der Privatbergbau auch zu verfolgen habe. Wie der Privat­ bergwerksbetrieb

feinen

Arbeitern

wendungen zu machen habe,

und

Beamten

diejenigen

Zu­

die nach den Konkurrenzverhältnissen

und nach den Anschauungen der Zeit als angemessen zu erachten seien, so auch der staatliche Bergbau. Weitere Verpflichtungen sozial­

politischer Art,

als sie der Privatbergbau zu leisten habe, seien auch

dem staatlichen Bergbau nicht aufzuerlegen. klar

ins

Licht

gerückt

werden,

wenn

man

Diese Sachlage müsse auf

eine

gedeihliche

Förderung des staatlichen Bergwerksbetriebes abziele. Auch die volkswirtschaftliche Aufgabe des staatlichen Bergbaues erschöpft sich im wesentlichen darin, die von der heimischen WirtschastS-

31 tätigtet! benötigten Bodenschätze zu gewinnen und am Absatz des

Gewonnenen zu verdienen. In gewissen Fällen könne zugestanden werden, daß der staatliche Bergwerksbetrieb auch über die rein erwerbSwirtschastlichen Gesichtspunkte hinaus noch andere Rücksichten zu nehmen habe.

Dies treffe beispielSwesse beim Harzer Bergbau zu.

Der Zusammenhang des Harzer Bergbaues mit der ClauSthaler Bergakademie, die Bedeutung jenes Bergbaues für die Ausbildung unserer Erzbergleute, die Bedeutung ferner für die Bewohnerschaft

der Bergstädte des Harzes,

betten

nur schwer auf andere Weffe

Erwerbsquellen erschlossm werden könntm, ließen es angezeigt erscheinen, mit dem Aufgebm des staatlichen Bergbaubetriebes im Harz vorsichtig oorzugehm. Dazu könne man sich im vorliegenden Falle

um so

eher entschließen, als alles in allem der Harzer Berg- und

Hüttenbetrieb nicht als unrentabel angesehen werdm könne.

Jeder

einzelne Fall dieser Art, wo eine Zurückstellung der rein erwerbSwirtschaftlichen Gesichtspunkte in Frage komme, sei aber besonders genau zu prüfen, wenn man nicht Gefahr laufen wolle, auf eine schiefe Ebene zu kommen.

Die Budgetkommission schloß sich bei ihrer Stellungnahme dieser Auffaffung

der Unterkommission

an.

In der Besprechung wurde

seitens der staatlichen Bergverwaltung zwar in Frage gezogen, ob eS die Aufgabe des staatlichen Bergbaues sei, jeden, auch den sprung­ haftesten Bedarf, der vielleicht gar nicht einmal dauernd sei, zu be­ friedigen. Demgegenüber wurde aber darauf hingewiesm, daß, wenn man die Fordemng, daß der staatliche Bergbau an seinem Teil mit

zur Deckung deS Kohlenbedarfs beizutragm habe, soffen lasse, über­ haupt jede Veranlassung, einen staatlichen Bergbau zu betreiben, entfalle. Bon der Deckung jeden, auch des sprunghaftesten Bedarf­ brauche dabei nicht die Rede zu sein. Einer der Hauptoorwürfe, die gegen die heutige staatliche Bergbaupolitik erhoben werdm müßtm,

fei gerade der, daß der staatliche Bergbau sich außerstande gezeigt habe, in Zeitm stark hervortretmden KohlmbedarfS dm Markt an seinem Teile mit dem erforderlichm Brennstoff zu versorgm. Die

Staatswerke

der

hättm auf die

Hochkonjunktur

sondern

die Deckung

so

gut

deS

Steigerung

des

Bedarfes

in

Zeiten

wie gar keine Rücksicht genommen, erhöhten Bedarfes in der Hauptsache

dem Privatbergbau überlaffm. Zum Belege hauptung wurdm folgende Ziffern angeführt.

für diese Be­ Es betrug die

Zunahme (+) oder Abnahme (—) der Eteinkohfenförderung gegen

das Vorjahr:

32

tat Jahre

tat Vberbergamtsde-irk Dortmund

pCt.

auf den Staat-werken bei Saarbrücken pCt.

Staats werke

Prioatwerke

pCt.

PCt.

ta Vberschlefien

1891

+

5,45

+ 2,86

+ 1,88

+

5,99

1899 1900

+

7,14

+ 2,93

+ 0,81

+ 4,12 + 4,63

+ 3,75 t 7,43

5,39 6,36

1906

+ 9,11 + 17,50

+ +

1907

+

- 3,94

+ 0,83

Die Ursache

4,39

dieser

+ 10,38 + 10,55

mangelhastm Leistungsfähigkeit des

staatlichen

Bergbaues wurde in dm KommissionSverhandlungm auf die fehler­ hafte und unzeitgemäße staatliche Lohnpolitik zurückgeführt. Diese

Politik wird weiter unten noch zu besprechen sein.

ES mögm nunmehr die beidm Punkte näher erörtert werden, die nach Ansicht der Unterkommission wie der Budgetkommission die Rentabilität des staatlichm Bergbaues gegmüber derjmigen des PrioatbergbaueS wesmtlich beeinträchtigt haben, nämlich das starke

Ansteigen und die Höhe der Materialkostm und ferner der Rückgang der durchschnittlichm Förderleistung. Bezüglich des Ansteigms der Materialkostm wurde in der Kommission als besonders auffallend hervorgehoben, daß trotz der

rückläufigen Preisbewegungen der Materialien seit 1908 die Kostm

im Jahre 1909 noch um 18 Pf. für die Tonne höher waren. ES liege die Vermutung nahe, daß die Steigemng der Materialkostm gesteigerten Holzverbrauch, der vielleicht mit dem

zum Teil in dem

Reden« Unglück im Zusammenhang stehe, chre Erklärung finde; im vollm Umfange ab« w«de die Steigemng hi«durch nicht klargestellt.

Alles

in allem seien die Materiallosten im Saarrevi« unverhältnis-

mäßig hoch; sie übersteigm bei weitem die Materialkostm im Ruhr-

reoi«, obwohl dort die Holzkosten höher feien. So betrugen die Materialkostm auf 1 t Fördemng ein« großen Gesellschaft im Ruhr-

teoi« im Jahre 1900 1,24 M., im Jahre 1905 1,39 M., 1909

1,50 M.

Für das

Saarrevi«

dagegen

stellten

im Jahre

sich

die

Materialkostm im Jahre 1900 auf 1,65 M., im Jahre 1905 auf 1,61 M. und im Jahre 1909 auf 2,11 M.; das seien Unterschiede,

die auch durch den, seitens d« Bergverwaltung in der Unterkommission

auf die von der Oberrechnungskammer vor­ geschriebene Art der Berechnung d« Sprengmaterialien nicht «klärt würdm; dmn durch diese Art der Berechnung «scheinen nach den gemachten Hinweis

33 Darstellungen der Bergverwallung die Selbstkosten im Saarreoier nur um 10 Pf. für die Tonne höher, als sie wirklich seien.

In der Budgetkommission wurde zur Erklärung der vorliegenden Unterschiede in der Höhe der Materialien darauf hiugewiesen, daß im

Staatsbergbau mancherlei Dinge unter Materialien verrechnet würden, die beim Prioatbergbau anderen Konten zugeschrieben würden.

So

würden unter Materialim auch sämtliche Utensilien, z. B. unterirdische

Lokomotiven, unterirdische Ventilatoren, Maschinen mit komprimierter

Schüttelrutschen, Luftleitungen u. a. gerechnet.

Lust, sich

das Ansteigen der Materiallosten in den

Daher erkläre

letzten zehn Jahren.

Wolle man alle diese Dinge unter die Neuanlagen rechnen, so müßten sie jedesmal veranschlagt und in

dm Etat ausgenommen werden.

Ein Vergleich mit der Privatindustrie bezüglich der Materiallostm sei Diese Art der Verrechnung auf Material­

gut möglich.

somit nicht

konto führte in der Budgellommission zu eingehmdm Erörterungm,

auf die hier nicht näher eingegangm werdm kann.

Einer genaueren Betrachtung dagegen bedarf der Rückgang der

durchschnittlichen Förderleistung im Saarrwier und die Unterschiedlich­ keit

im Saarrwier einerseits

der durchschmttlichm Förderleistungm

dem Ruhrrwier andererseits.

und

Bezüglich

der Unterschiedlichkeit

der durchschnittkichm Förderleistung in dm beidm genannten Revieren

wurde in der Kommission heworgehobm,

im Jahre

rwier

1909

die

daß, während im Saa»

durchschnittliche Förderleistung für dm

Mann und die Schicht 0,7451 betragen hat, im Ruhrreoier eine Durch­ schnittsleistung von 0,833 t erzielt wurde.

Die Differenz zuungunstm

des SaarrwierS betrage also 0,088 t für den Mann und die Schicht. Bei

300

ArbettStagen

Mann

50 000

bedeute

17s Million Tonnen,

Jahre

im die-

eine

und

einer

Belegschaft

Minderförderung

entsprechend — wenn ein Preis

von

etwa

von

von 12 M.

für die Tonne angegebm wird — einer Summe von rd. 15 bis

16 Millionen Mark. Eeitms der Bergverwaltung wurde diesem Hinweise gegenüb«

betont, daß die geringere Leistung im Saarrevier in d« Ungunst ber natürlichen Verhältnisse in diesem Revier,

Kohle,

in der

Lagemng und Unreinhest

Schlagwettergefahr in Westfalen

ihre Erklärung finde.

im allgemeinen

in d« größ«m Härte d«

d« Flöze,

d« größerm

ES spreche auch mit,

ein kräftig«« Menschenschlag

in

daß

dm

Bergwerken tätig sei.

Aus

gemacht,

der

Ruhrbergbaues

-«ft 123.

Kommission

daß nach

wie

heraus

wurde

bemgegenüb«

geltend

dem Urteil and««, mit den B«hältniffm des auch

des Saarbergbaues

ebenfalls vertrauter

s

34

Fachleute die Unterschiedlichkeit der natürlichen Verhältnisse in

den

beiden Revieren nicht auSreiche, nm die Differenz in der Einzelleistung

zu erklären. Saarreoier

Hingewiesen wurde auch selbst

die

auf den

Durchschnitt-förderleistung

daß

hii

von 0,795 t

im Die

Umstand,

Jahre 1900 auf 0,745 t im Jahre 1909 zurückgegangen sei.

Differenz von 0,05 t bedeute bei 300 Arbeitstagen und 50 000 Mann

Belegschaft einen Förderausfall von 750 000 t entsprechend einem

Werte von 9 bis 10 Millionen Mark. Eine ausreichende Erklärung für diesen Rückgang sei seitens der Bergverwaltung nicht gegeben; aus die Verschärfung der Sicherhettsvorschriften,

der Hinweis

die

naturgemäß eine Verringerung der Förderung habe mit sich bringen muffen, könne als ausreichend nicht angesehen werden; denn diese

Verschärfung

der Sicherhettsvorschriften

sei

auch für den Privat­

bergbau eingetteten. Auch der weitere Hinweis der Bergverwaltung, daß im staat­ lichen

Saarbergbau

im

allgemeinen

auch

schwächere und weniger

rentable Flöze noch abgebaut würden, wurde fettens der Kommission nicht als durchschlagend erachtet; bcrtn auch im Privatbergbau werde,

wie der Bericht der Unterkommission dartue, kein Raubbau gettieben. Dagegen wurde aus der Kommission darauf aufmerksam gemacht, daß

im Saarbergbau zurzeit verschiedentlich „alle Reste" fortgenommen wurden und daß hierauf vielleicht der Rückgang der durchschnittlichen Förderziffer zum Teil seine Erklärung finde. Was es mit diesen „ölten Resten" nicht ersichtlich.

auf sich hat, ist aus

dem Bericht der Kommission

Alles in allem ging in der Kommission die Ansicht dahin,

daß

der Rückgang der Durchschnittsleistung im Saarrevier weniger in deu natürlichen Verhältnissen, als vielmehr in den Mängeln begründet sei, die schon seit Jahrm — in der Budgetkommission wie im Ab­

geordnetenhause — bezüglich der Beamtenorganisation und der im Saarbrücker

Bergbau befolgten Arbeiter-

und Lohnpolittk geltend

gemacht feien.

Diese Mängel sind allerdings, wie aus dem Bericht der Unterkonnnission und weiter aus dm Verhandlungen der Budgetkommission

hervorgeht, außerordmtlich schwerwiegende. ES mag daher gestattet fein, auf diesm Punkt etwas näher einzugehen. Erörtert wurdm zunächst die Berhältniffe der höheren Beamtm. ES wurde betont, daß ihre vergleichsweise große Zahl, ihr spätes Aufrückm, ihr starker Wechsel, ihre beschränkte Dispofittonsfteiheit, ihre Belastung mit formalen Arbeiten zu starten Bedenken Anlaß

geben müßtm.

Die gerügten Mängel wurden dann auch seitens der

35

Bergverwaltung

im

als

wesentlichen

vorhanden

anerkannt.

Sie

liegen in der Hauptsache im Staatssystem begründet, und eS dürste nicht leicht sein, im Rahmen dieses Systems durchgreifende Abhilfe

An einigen wesentlichen Punkten sollte sich aber doch wohl eine Besserung erzielen laffen. Bor allem erscheint dies not­ zu schaffen. wendig es

hinsichtlich

hiermit

steht,

des

erhellt

häufigen

aus

kommission entnommenen Ziffern.

Wechsels

folgenden,

Wie

der Direktoren.

dem

Bericht der Unter­

Bon 82 fiskalischen Werksdirektoren

find in ihren Diensten geblieben 1 Jahr 6 Direktoren, 2 Jahre 11,

3 Jahre 8, 4 Jahre 7, 5 Jahre 7, 6 Jahre 9, 7 Jahre 9 Herren. Rund 70 pCt. aller Direktoren der Kgl. Bergiuspektionen des Saar­ brücker Bezirks haben also nur 7 Jahre und weniger das ihnen an­ vertraute Werk geleitet. Berücksichtigt man, daß drei, vier und unter Umstand« noch mehr Jahre dazu gehör«, bis ein Werksdirektor seine Grube genau kennt, und daß von der konsequenten Durch­

führung der einmal ins Auge gefaßt« Abbaupläne die Rentabilität

einer Grube in weitem Umfang abhängig ist, so liegt auf der Hand, daß ein derartig starker Wechsel von einer überaus schädlichen Ein­ wirkung auf die Ergebnisse des staatlichen Bergbaues sein muß, ganz

abgesehen davon, daß die Aussicht auf ein« baldigen Stellenwechsel

den einzelnen Direktor unwillkürlich dahin führen muß, für die kurze Zeit seiner Betriebsleitung möglichst viel aus der Grube herauszuwirsschaften. Seitens der Unterkommission war, um dem starken Wechsel zu steuern, vorgeschlagen worden, die Direktoren durch die Gewährung von Tanticmm mchr an chr Werk und an den staatlichen Bergbau zu fesseln. Die Budgetkommission hält diesen Weg für ungangbar und schlägt statt dessen vor, eine Besserstellung der höheren Beamten

durch Ob

die Gewährung von blonderen Gratißkattoneu vorzunehmen.

das erstrebte Ziel hierdurch erreicht wird, und ob es nicht viel-

mehr richtiger wäre, die Werksdirektoren ganz aus dem Rahmen der

staatlich« Beamtenschaft herauSzunehmeu, um die Möglichkett zu ge­ winnen, sie in einer den Verhältnissen der Privatindustrie sich mehr annähernden Wesse zu besolden, muß fraglich erscheine». Bezügllch der mittleren Beamten wurde in der. Unterkommsssion sowie in der Budgetkommission darauf hingewieseu, daß die Ler-

leihung des StaatsbeamteucharakterS an diese Beamten nicht günstig gewirkt habe. Die Bergverwaltung selbst hat keinen Anstand genommen, die» anzuerkenuen. Die mittleren Beamt« find heute, nachdem sie, nicht ohne Schuld

des Parlaments, Staatsbeamte geworden sind, un-

»•

36 kündbar^ auch wenn sie durchaus mangechafte Leistungen ausiveisen, und die Möglichkeit, die leistungsfähigeren durch Extrazuwendungen, durch Prämim u. dgl. zu besonderer Sorgfalt und besonderer An­

strengung anzusporncn, ist im staatlichen Betriebe nicht gegeben. Auch bei Vergehen ist es nicht möglich, diese Beamten einfach aus dem Dienst zu entfernen,- so harren nach den Mitteilungen des Ober­

berghauptmanns in Saarbrücken Disziplinarverfahren seit vier Jahren der Erledigung. Daß derartige Verhältnisse vom Standpunkte der Aufrechterhaltung von Autorität und Disziplin zu schweren Bedenken Veranlassung geben und die Ergebnisse des staatlichen Bergbaues un­

günstig beeinflussen müssen, bedarf für niemand, der die Bedeutung der Tätigkeit der mittleren Beamtenschaft für den Bergbau und seine Erträgnisse kennt, einer näheren Erörterung. Um in diesm Verhältnissen eine Besserung herbeizuführen,

um

die Möglichkeit zu gewinnen, die mittleren Beamtm durch besondere Zuwendung zu besonderen Lesstungen anzuspornen,

andererseits aber

auch, um unfähige oder gar faule Beamte aus dem Dienste entfernen zu können, haben Unterkommission wie Budgetkommission sich ein­ stimmig dafür ausgesprochen, daß in Zukunft die mittleren Beamten auf Vertrag anzustellen seien, wie dies im Privatbergbau und auch

im Westfälischen Staatsbergbau geschieht. Die gegenwärtig im Staatsbeamtenverhältnis stehenden mittleren Beamten würden natürlich

nicht gegen ihren Willm ihres Charatters als Staatsbeamte zu ent­

kleiden sein, dagegen könnten die in Zukunft einttetenden mittleren Angestelltm wohl auf Verttag angestellt werden. Hierdurch würde nicht in bestehende Rechte eingegriffen, andererseits aber die Möglich­ keit gegeben, die mittleren Beamten durch Exttazuwendungen von Prämim u. dgl. zur Entfaltung ihrer besten Kräfte anzuspomm und

ihre Bezüge zu erhöhm. Wie wmig gerechtferttgt es ist, wenn die mittleren Beamtm des Saarrwiers in diesem Beschluß eine Beeinttächtiguug ihrer Stellung erblicken wollm, ergibt sich aus dem Umstande, daß in Westfalen, wo die WerkSbeamtm bei den Staats-

werkm auf Berttag angestellt werdm,

diese Beamten, wie der Ober­

gar nicht Staatsbeamte werden wollen. Zu sehr eingehmden Erörterungen gab dann weiter die vom

berghauptmann hervorhob,

Fiskus betriebene Lohn- und Arbeiterpolittk Veranlassung. Bericht der Unterkommission war bezüglich der Arbeiter

Lockemng der Disziplin hingewiesen worden, vielfach

schwächlichm,

die

Autorität

In dem auf die

die infolge der früher

untergrabmdm

Haltung

der

Ministtrialinstanz in Fällm von Konfliktm zwischm Vorgesetzten und Arbeitern unter der Belegschaft der Staatswerke in zunehmendem

37 Maße hervortritt. hingewiesen,

auf die Gleichmacherei

Auch

derzufolge

der Löhne wurde

den Leutm der Antrieb

in

erstatt werde,

durch bessere Leistung mehr zu verdienen. Seitens der staatlichen Bergverwaltung wurde die Berechtigung

beider Borwürfe bestritten.

nicht zurückstehe.

Die Bergverwaltung behauptet,

Sie erkennt jedoch

nehmendem Maße, an

sie wüßten,

unter Umgehung

Beschwerden sofort

an,

in zu­

Schreibereim und

Un­

eS sei daher vielfach Gewohnheit

der unmittelbarm Borgesetztm mit

die höhere Stelle zu wmden.

an

daß gewisse

daß sie ihren Vorgesetzten durch Be-

die vorgesetzte Behörde viel

annehmlichkeiten bereitm tonnten;

geworden, sich

ausdrücklich

Die Arbeiter beschwerten sich

Uebelstände vorhanden seien.

schwerden

daß die

der Staatswerke hinter der der Prioatwerke

Disziplin der Arbeiter

Im Staats­

bergbau sei es nicht so leicht wie im Prioatbettieb, aus disziplinarischen Gründm

einm Arbeiter

zu

in solchen Fällm meist bis

manchen Fällm beschäftige sich

Entlassung. . .

Beschwerderecht werde

auch

der Landtag

und in

mit einer solchm

Berückfichttge man dann noch die begreifliche Schm

der Werksbeamtm, zu werden, so

Das

mtlaffm.

zur letztm Instanz auSgeübt,

in

werde

der Arbeiterpresse als Leuteschinder dmunziert es

erklärlich,

daß

die Neigung

gerade

der

Werksbeamten, dm Interessen des Dimstes gegebmmfalls auch durch

ein sttmges Vorgehen gegm dmtmd beeinttächttgt werde.

dm Arbeiter zu entsprechen, ganz beDer Beamte habe das „natürliche

Gefühl", daß bei vielen Beschwerden über seine Dienstführung, selbst wenn

er sich in jedem Falle rechtferügm könne,

doch immer etwas

hängm bleibe.

Unterkommission und Budgetkommission waren darin einig, daß einer derarttgm, in jeder Beziehung überaNS bedenklichm Entwickelung ein starker Riegel vorgeschobm werden müsse, und zwar dadurch, daß

die Autorität der Lokalinstanz, deS Werkdirektors, mit Entschiedenheit

gestärtt werde.

Bezüglich

deS

Rechts

der Arbeiter,

sich

an das

Parlament zu wenden, tonnten selbstverständlich Beschränkungen nicht vorgmommen werben.

Auch

könne

daS Parlammt sich des Rechts

und der Pflicht nicht begeben, Petittonen zu prüfen und auf ihren Inhalt einzu^ehen. Wohl aber müsse jeder einzelne Abgeordnete es sich zur Pflicht machen, Einzelfälle, die an ihn herangebracht »erben,

erst auf

das genaueste zu prüfen, bevor er sie etwa an die Budget­

kommission oder vor das Plenum des Hauses bringe.

Bezügüch des im Saarreoier vom Staate befolgtm Lohnsystems weist die Bergverwaltung darauf hin, daß eS sich in dem genannten

Revier um historisch

entwickelte Verhältnisse,

um

ein geschloffmeS

38 Revier handele- die Arbeiter seien an das Revier gekettet, worauf man bei der Entlöhnung gewisse Rücksichten nehmen müsse. Daraus

erkläre

sich die spezielle Lohnpolitik,

die

der FiSkus

treibe.

Die

StaatSbergverwaltung verfahre nach dem Grundsatz, die durchschnitt­ lichen Löhne in guten und schlechten Zeiten möglichst auf gleicher

Höhe zu halten.

Dadurch sollten dm Arbeitern in ihrer wirtschaft-

lichm Führung die Nachteile nicht fühlbar werben, die mit wechselnden Einnahmm im täglichm Leben verbunden sind.

Ferner solle diese

ständige Lohnpolitik auch in Zeiten ungünstigen Geschäftsganges die Kaufkraft der bergmännischm Bevölkerung hochhalten.

Anerkannt wird fettend der staatlichen Bergverwaltung,

diese Lohnpolitik die Anpassung an die Konjunktur erschwert.

daß

Da in

der Hochkonjunktur die Löhne nicht stärker steigen, so fthle für die Arbeiter der Anreiz zu besonders großer Leistung, andererseits lotsten die höheren Löhne der privatm Industrie zur Abwanderung. — Der Bericht sagt dann wörtlich:

„Ueber- und Nebmschichtm tonnten nur in mäßigem Umfange verfahrm werden. In der Hochkonjunktur, wenn es gelte, alle Kräfte auf daS äußerste anzuspannm, sei also im staatlichen

Bergbau einerseits eine Steigerung der Schichtleistung, andererseits eine Vermehrung der Schichtm und damit der Monatsleistung des einzelnen, endlich eine Vermehrung der Belegschaft und damit eine Steigerung der Gesamtleistung nur in geringem Grade möglich. Umgekehrt sollten in Zeiten niedergehender Kon­

junktur weder die Löhne erheblich zurückgehen, noch Arbeiter­ entlassungen vorgenommen und nur in Notfällen Feierschichten

eingelegt werden. Demgegenüber hat die Unterkommission den Standpunkt eingenommen, daß dem staatlichen Kohlmbergbau wie dem Kohlmbergbau überhaupt, an allererster Stelle die Aufgabe zusalle, dm Bedarf an Kohlen zu befriedigm. Die Erfüllung dieser Haupt­ aufgabe werde in weitem Umfange durch eine Lohnpolitik wie

die

eben gekmnzeichnete,

die die psychologische Folge habe, daß

in den Leuten der Antrieb zur Arbeit und zu möglichst hoher

Leistung zurückgedämmt werde, beeinträchtigt. Bon welcher Wirkung diese Lohnpolitik auf dm Staatsbergbau gewesen sei,

erhelle aus den im Bericht der Unterkommission gegebmen Ziffem. Aus diesen Ziffern gehe hervor, daß die staatlichen Bergwerke in

den Hochkonjunkturen bei stark steigmdem Bedarf ihre Produktion nur verhältnismäßig wenig gesteigert hättm, während der Privat­ bergbau eine wesmtliche Steigerung aufzuweism habe.

Daraus

39

daß der Staatsbergbau die Aufgabe, den Bedarf zu

ergebe sich, decken,

gewälzt

mit

der Hochkonjunktur auf den Prioatbergbau ab­

in Zeiten

habe.

Dieser sei

gezwungm

kolossalen Anstrengungen zu

verwaltung

habe

auch

gewesen,

Die staatliche Berg­

erhöhen.

anerkannt,

daß

seine Förderung

die

von

ihr

befolgte

Arbeiter« und Lohnpolitik naturgemäß eine langsame Entwickelung bedinge, und habe auf die Schattenseiten einer sprunghaften Ent­

wickelung,

wie

in

Westfalen,

hingewiesen.

Diese

spmnghaste

Entwickelung sei aber nötig gewesen, weil der staatliche Bergbau

die ihm an

erster Stelle obliegende volkswirtschaftliche Aufgabe,

nämlich

seinem

an

Telle den

heimischen

Kohlenbedarf

in

an­

gemessener Weise zu befriedigen, nicht immer und namentlich dann

nicht zu erfüllen vermocht habe, wenn eS am notwendigsten war. Darüber hinaus sei aber auch das Ziel,

die Arbeiter zu-

friedmzustellm, nicht erreicht." Wie unter dem System der Gleichmacherei der Löhne die Lohn­ verhältnisse im Saarreoier sich gestaltet haben, erhellt aus folgenden,

in der Kommission wiedergegebenen Ziffern.

Im Jahre 1909 hatten

einen reinen Schichtlohn von mehr als 5 M. 31 pCt. der Häuer im Saarrevier, im Ruhrrevier dagegen verdienten 64 pCt. aller Arbeiter über 5 M., 1907, also in einem Jahr der Hochkonjunktur, verdiente» an der Ruhr 61 pCt. der Arbeiter über 5,40 M., davon 51 pEt. über 5,80 M., während die Angaben für dm Saarbergbau für 1908 nur 2,39 pCt. und für 1909 nur 1,23 pCt. der Häuer mit mehr als

5,80 M. nachweisen*). Schon aus diesm Ziffern gehm eklatant die Unterschiede in dm Löhnm an der Ruhr und an der Saar hervor. *) Die Ziffern entstammen der Statistik des Allgemeinen Knappschafts­ vereins in Bochum. Leider gibt seit dem Inkrafttreten der Novelle zum Allgemeinen Berg­ gesetz vom 19. Juni 1906, nach welcher für die Beitrag-erhebung zur Kranken­ kaffe der Lohn über 5 M nicht mehr berücksichtigt werden kaun, di« Statistik des Allgemeinen KnappschastSvereinS die Lohngruppm nicht mehr in der Bollftändigkeit wie bis zum Jahre 1907. Andernfalls würde sich zeigen, daß unter den 225292 Bergleuten, die im Jahre 1909 über 5 M. an arbeits­ täglichem Berdienst bezogen, sich ebenfalls eine große Zahl von Leuten befindet, deren Einkommen bi» 5,80 M und darüber beträgt. Wie grob die absolutr Zahl dieser Leute sein dürfte, dafür gibt folgende Tatsache einen Anhalt. Im Jahre 1907 betrug im Oberbergamtsbezirk Dortmund die Gesamtbelegschaft 309311 Mann. Hiervon bezogm rinnt Lohn von über 5M. 210076 Mann. Unter diesen befandm sich wiederum 22569 mit einem Lohn von 5 bi» 5,40 M , 27243 mit einem Lohn von 5/41 bis 5,80 M und 160264 mit einem Lahn von über 5,80 R

40 mit

Der

dem

fiskalischen

wie weiter in

Lohnsystem

verfolgte

Zweck,

den

und die Leute zufriedenzustellen, werde,

Arbeiterhaushalt zu regeln

der Kommission

hervorgehoben wurde,

nicht erreicht.

Der Zweck könne auch nicht erreicht werden, solange nicht die Berg­

verwaltung

auch

die Konjunktur und die Kosten der Lebenshaltung

regulieren könne.

Im übrigen

treffe auch

die Voraussetzung,

daß es sich beini

Saarrevier um ein geschloffenes Revier handele, heute nicht mehr zu.

die Entwickelung der Privatindustrie,

Durch

die heute schon 23 pCt.

der gesamten Kohlenförderung deS weiteren Saarreviers leiste, sei die

frühere Geschloffenheit

des Reviers

durchbrochen wordm.

Nachdem

dies geschehen sei, erscheine auch eine Lohnpolitik, die früher vielleicht

chre guten Wirkungen gehabt habe, nicht mehr als angemeffen.

Eine

Aenderung deS staatlichen Lohnfystems fei daher sowohl im Interesse der Arbeiter als auch im Jntereffe einer gedeihlichen Weiterentwickelung

deS staatlichen Bergbaues

selbst ernstlich

zu

erwägen.

Wenn man

sich entschließen könne, wie im privaten Bergbau so auch im staatlichen Bergbau

die Arbeiter nach

den Leistungen zu entlohnen, so werde

man in die Lage kommen, nicht nur den Wünschen der Arbeiter nach höheren

Löhnen

in

werde auch erzielen,

erhöht

würden.

verlautbarte

Der

Wunsch

allerdings bei

erheblichem Umfange

zu

entsprechen,

sondern

daß die Leistungen insgesamt wie im einzelnen

aus nach

den Kreisen

von

Einführung

der Verschiedenartigkeit

der Arbeiterorganisationen

Tarifverträgen

werde

der Verhältnisse im Bergbau

nicht zu erfüllen sein.

Einen fundamentalen Unterschied zwischen dem staatlichen

und

privaten Bergbaubetriebe glaubte die Unterkommission darin erblicken

zu müssen,

daß

der staatliche Bergbau

betrieben werde,

ohne daß

hinsichtlich der Verzinsung und des Ertrages der investierten Kapitalien ein ausreichender Druck auf die leitmden Personen ausgeübt werde. Die Berechtigung dieses Borwurfes wird allerdings seitens der staat­ lichen Bergverwaltung energisch bestritten. Selbstverständlich werde bei jeder einzelnen betrieblichen Neuanlage auch bei dm Staats­

werken, ebmso wie bei dm Prioatwerkm, eine genaue Rentabilitäts­ berechnung unter Berücksichtigung der Verzinsung

und Tilgung

AnschaffungSkostm aufgestellt, ehe man zur Ausführung schreite.

der

Daß

einzelne Anlagm sich nachträglich als unwirtschaftlich herausstellten,

komme vor.

Solche Irrtümer

ergäben sich aber auch beim Privat­

betriebe.

Mit anderm Worten: wird

die Notwmdigkeit,

seitens der staatlichen Bergverwaltung

auf einen möglichst hohen Ertrag und eine

41 bestmögliche Verzinsung des Anlage- und Betriebskapitals hinzuwirken,

Die Kommission begnügte sich damit, dies fest«

durchaus anerkannt.

zustellen und die Erwartung auszusprechen, daß nach diesem Grundsätze in der Praxis auch gehandelt werde.

Bon besonderem Jntereffe sind sodann noch die Verhandlungen staatlichen Bergverwaltung verfolgte Preispolitik.

Hauptgrund,

der

gerade in den Staat nur

auf

die von der

und der Budgetkommission über

der Unterkommission

die Ausdehnung

für

geltend

letzten Jahren

Gegenüber dem

des staatlichen Bergbaues

gemacht worden ist,

daß der

einen Einfluß auf die Preispolitik der

diesem Wege

privaten Verbände gewinnen könne,

wurde in der Unterkommission

stark in Frage gezogen, ob es dem Staate bei der Art seiner Betriebs­

führung überhmipt möglich sein werde,

diesen Zweck zu erreichen, da

schon die erste Voraussetzung, nämlich die, daß der Staat billiger zu

produzieren vermöge als der private Bergbau, nach den vorliegenden Erfahrungen als nicht zutreffend angesehen werden müsse.

Der Bericht fährt dann fort:

„Im übrigen lasse aber auch der Staat hinsichtlich der von chm

verfolgten Preispolitik

Oberschlesien

gehe

Privaten Hand

der

jede Einheitlichkeit

in Hand.

vermissen.

der PreiSblldung

bei

Fiskus

An der

Saar, wo

In

mit

den

der Staat

das

Monopol habe, seien mit den Gestehungskosten auch die staatlichen Presse am höchsten, so daß die Industrie sich darüber beklage.

In Westfalm trete der Staat als Outsider auf und suche durch Unterbieten der Preise sich

im

Hinblick

Staatskasse

auf

Absatz zu verschaffen, was natürlich

die höheren Gestehungskosten des Staates

doppelt schädigm müsse.

kommission hätte

Nach

Ansicht

die

der Unter­

der Staat, wenn er den Gedanken,

eine Ein­

wirkung auf die Kohlenpreise zu erzielen, wirksam hätte »erfolgen

das

wollen,

in

müssen.

Man

ähnlich

wie

antwortung nehmen.

Rheinisch-wesssälische

in

Kohlensyndikat

augenscheinlich

Oberschlesien

auch

so

für die Gestaltung

in

gettagen,

Westfalen

die

Ver­

der Kohlenpreife mit zu über­

sich ziehen werde, werde eine nahe Zukunft

Schon jetzt sei zu erkennen,

einer Erneuerung

des

daß von manchen Setten

im Jahre 1915

ablaufenden Syndikats­

vertrages Schwierigkeiten gemacht würben. aber

eintteten

Bedenken

Ob diese Sonderstellung des Staates nicht noch einmal

schwere Folgen nach lehren.

aber

habe

ein Zusammenbruch

des

Syndikates

Bon welcher Tragweite

nicht

bloß

für dm

privatm Bergbau, sondem auch für den staatlichen Bergbau und die ganze nationale Wirtschaft sein

müsse,

bedürfe nur der An-

42 Alles, was man an Schwierigkeiten im Kalibergbau

deutung.

seinerzeit durchgemacht habe, werde gegenüber den deroutierenden

Wirkungen eines Zusammenbruches des Kohlensyndikats als Bagatelle erscheinen. Man werde sogar ernstlich dmnit rechnen

muffen,

daß ein großer Teil des heute nahezu ausschließlich in

deutschen Händen befindlichen westlichen Grubenbesitzes in französische

und belgische Hände übergehen werde.

Belgien und Frankreich, namentlich

Schon

aber aus

heute seien von den französischm

Erzdistrikten, ernste Angebote auf deutsche Gruben gemacht, die selbstverständlich abgelehnt seien. Wie die Dinge sich indes ge­ stalten würden im Falle einer allgemeinen Verwirrung, wie sie bei einem Zusammenbruch des Kohlensyndikats unzweifelhaft ein­ treten müsse, lasse sich gar nicht abschätzen. Hiernach werde der Staat ernsllich mit sich zu Rate gehen müssen, ob er seine Sonder­ politik fortsetzen solle oder ob er im Interesse der nationalen Wirtschaft nicht besser tue, auf einer angemessenen Basis mit den

privaten Verbänden Hand in Hand zu gehen." Gegenüber diesen Darlegungen stellte sich die staatliche Berg­ verwaltung auf den Standpunkt,

daß die Frage, wie der Staat sich

in Zukunft zum Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat stellen solle, wesentlich von dessen künftigen Aussichten und Zielen abhänge, über die indessen gegenwärtig noch keine Klarheit bestehe. Die Budgetkommission ihrerseits erkannte einstimmig an, daß die Ernmerung des Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats im dringenden

Interesse nicht nur des Bergbaues, sondern auch unserer Allgemeinwirtschast liege, und daß es deswegen angezeigt erscheine, wenn die fiskalische Bergoerwaltung an ihrem Teil dazu mitwirke, das Wieder­ zustandekommen des Syndikats zu fördern. Ob der Staat sich zu

diesem Zwecke dem Syndikat anzuschließen habe, werde natürlich erst zu entscheiden sein, wenn sich übersehen lasse, unter welchen Be­ dingungen

eine solche Beteiligung möglich sei.

steht aber,

daß das Zustandekommen des Syndikats gesicherter sei,

Unzweifelhaft fest

wenn der Staat sich bereit erkläre, an den Verhandlungen zur Neu­ bildung teilzunehmen. Im Hinblick hierauf beschloß die Budget­

kommission, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in Erwägungen

darüber einzutreten, ob und unter welchen Voraussetzungen, unter Wahrung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen, ein Zusammen­

gehen des staatlichen Bergbaues mit dem privaten Bergbau auf dem Gebiete der Preispolitik, insbesondere durch Beteiligung des staatlichen

Bergbaues am Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat, in Frage gezogen werden könne.

43 Es liegt auf der Hand, daß, wenn die staatliche Bergverwaltung für die Zukunft ein Zusammengehen mit dem Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat in Aussicht stellen könnte, hierdurch das Wieder-

zustandekommm des Syndikats wesentlich gefördert werden würde. Schon eine Beteiligung des Staates an dm Vorverhandlungen würde zur Ueberwindung der mancherlei Schwierigkeiten, die sich hmte einer Erneuerung des Syndikats in den Weg stellen, erheblich beitragen.

Es wäre deswegm zu wünschen,

daß die Regierung dem an sie ge­

richteten Ersuchen Folge gibt. Im Interesse der Erreichung des gesteckten Zieles dürfte es auch liegen, daß dies möglichst bald

geschieht.

Die vorhandmm Schwierigkeiten sind derartig groß, daß

ein starker Optimismus dazu gehört, anzunehmen, sie würdm sich in

kurzer Frist und ohne besondere Anstrengungen überwinden lassen.

Wmn die fiskalische Bergverwaltung dadurch, daß sie ihr Schwer­ gewicht beizeiten in die Wagschale wirft, die Weiterentwickelung der

Dinge im Sinne einer Erleichterung und womöglich Sicherung des Wiederzustandekommens des Syndikats zu beeinflussen in der Lage ist, so würde sie — darin ist der Unter kommission wie der Budget­ kommission durchaus beizustimmen — durch Ausnutzung dieser Möglichkeit nicht nur dem Bergbau, sondern darüber hinaus unserer gesamten Erwerbstätigkeit einen großen Dienst leisten.

Es verdient hohe Anerkennung, daß die Budgetkommission dieser Sachlage durch ihren Beschluß unumwunden Rechnung getragen hat.

Man wird hierin die feste Absicht erkennen dürfen, dem Bergbau in Zukunft eine bessere Förderung zuteil werden zu lassen, als dies in

den letztverflossmen Jahren und Jahrzehnten leider der Fall gewesen ist. Von dieser festen Absicht zeugt auch der weitere Beschluß der

Budgetkommission, die Staatsregierung zu ersuchen, eine den Erwerbs­ verhältnissen des preußischen Bergbaues Rechnung tragende Tarif­

politik durch Herstellung

geeigneter Tarife nach wichtigen und von

anderer Seite stark umstrittenen Gebieten in die Wege zu leiten. Ins Auge gefaßt ist Bei diesem Beschluß die Wiederherstellung der vor einigen Jahren auf Drängen des Parlaments beseitigten Kohlen­ ausfuhrtarife nach Frankreich, Italien, der Schweiz. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Beseitigung dieser Tarife sowohl dem privaten als auch dem staatlichen Bergbau Millionen gekostet hat, ohne daß

für die Allgemeinheit irgendwelcher Nutzen geschaffen wurde.

Man kann nur wünschen, daß die Wiederherstellung dieser Tarife mit möglichster Beschleunigung in die Wege geleitet wird. Schließlich mag noch auf die Erörterungen der Unterkommission

wie der Budgetkommission über die Notwendigkeit einer Schätzung

44 des Wertes der im Betriebe befindlichen Grubenfelder, in deren Besitz der Staat ohne besondere Kapitalaufwendung, auf Grund des Berg­ regals, durch Einverleibung neuer Landesteile oder durch Mutung

gelangt ist, hingewiesen werden.

Seitens der Bergverwaltung wurde

die Vornahme einer derartigen Schätzung als unzweckmäßig abgelehnt. Die Kommission glaubte ihrerseits aber auf der Forderung nach einer

solchen Schätzung bestehen zu müssen.

Sie war der Ansicht,

daß,

wenn man zu einem klaren Bilde von den Verhältnissen der Bergverivaltung kommen wolle, man nicht umhin könne, den Wert der in

Rede stehenden Felder wenigstens schätzungsweise festzustellen.

Be­

sondere Schwierigkeitm, eine derartige Schätzung vorzunehmen, lägen nicht vor. Für die in Betracht kommenden Felder könne ihr jetziger

Verkaufswert feftgestellt werden. Hierfür biete der Wert eines Maximalfeldes bei neueren Uebertragungen im benachbarten bayerisch­ lothringischen Steinkohlenrevier und im rheinisch-.westfälischen Industrie­ gebiet brauchbare Anhaltspunkte. Zu einer anderen Form der Be­ wertung werde man bei großer Annäherung gelangen können, wenn man die für die Tonne berechnetm Vermögenswertzahlen der Gruben im rheinisch-westfälischnen Industriegebiet in Rücksicht ziehe. Aus

diesen Erwägungen

heraus wurde schließlich,

trotz des

Widerstandes der Bergverwaltung, an die Staatsregierung das Ersuchen gerichtet, eine schätzungsweise Feststellung des Wertes der in

Rede stehenden Felder vorzunehmen. Wie eingangs angedeutet, sind in den vorstehenden Darlegungen nur die Hauptpunkte des in den Berichten und Verhandlungm der Unterkommission wie der Budgetkommission enthaltenen reichhaltigen Materials zur Beurteilung der Verhältnisse des staatlichen Bergbaues Wer an den Verhältnissen ein tiefergehendes, praktisches oder wissenschaftliches Interesse nimmt, muß jene Berichte in Preußen berührt.

und Verhandlungen selbst lesen. Für die Stellungnahme zu der Frage, ob im Bergbau staatlicher oder privater Betrieb das Empfehlens­

wertere ist, bieten sie ein überaus wertvolles Material. So wie der Staatsbetrieb sich jetzt entwickelt hat, wird man nicht sagen können, daß er den Anforderungen des in seinen Ergebnissen mehr wie irgendein anderer Betrieb von der individuellen Betätigung jedes einzelnen — mag er nun Arbeiter, mittlerer Beamter oder Werks­ leiter sein — abhängigen Bergbaues entspricht. Eine durchgreifende

Reform dürfte daher nicht zu umgehen sein.

45 Im

Hause

der Abgeordneten stand der Antrag der Budget­

kommission betr. die Lage der staatlichen Bergwerke zur Be­ ratung. Abgeordneter Hirsch-Effm befürwortete als Berichterstatter den Antrag der Budgetkommission. Handelsminister Dr. Sydow sprach für die gründliche Arbeit seinen wärmsten Dank aus und erklärte sich mit der Forderung einer übersichtlichen Etatsaufftellung

einverstanden.

Die Preispolitik

gewissem Sinne in Schutz,

der Bergoerwaltung nahm er in

erkannte aber insbesondere die auf die

Stetigkeit der Preise, die wirtschaftliche Stärkung der Zechen und vor allem auf die Hebung der Arbefterlöhne hinzielende Tätigkeit des

Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats durchaus an.

Für den Beitritt

des Staates zu dem genannten Syndikat betrachtet der Handels­ minister es als mtfcheidend, ob es bereit ist, angemessene Bedingungen für die Beteiligung des Staates zuzugestehen,

„die eine

Gewähr für hinreichende Sicherstellung der Interessen der Allgemein­

heit bieten".

Zur Aenderung der deutschen Handelspolitik.*) Bon - A. vneek.

Der Bund der Industriellen hat anläßlich der Neuregelung der handelspolitischen Verhältnisse zwischen Holland und dem Dentschen

Reich

in

führungen

seinem zur

Organ

deutschen

„Deutsche

Industrie"

Handelspolitik

allgemeine

veröffentlicht.

In

AuSdiesen

Ausführungen wird zunächst die Besorgnis ausgedrückt, daß der in Vorbereitung befindliche neue niederländische Zolltarif den Absatz der deutschen Ausfuhrindustrie auf dem niederländischen Markt empfindlich

erschweren werde.

ES wird darauf hingewiesen, daß Deutschland

nicht in der Lage gewesen sei, die empfindliche Schädigung seiner Ausfuhr durch die Erhöhung

der Zölle in Frankreich zu verhüten.

*) Zuerst in der Zeitung „Der Lag" veröffentlicht.

45 Im

Hause

der Abgeordneten stand der Antrag der Budget­

kommission betr. die Lage der staatlichen Bergwerke zur Be­ ratung. Abgeordneter Hirsch-Effm befürwortete als Berichterstatter den Antrag der Budgetkommission. Handelsminister Dr. Sydow sprach für die gründliche Arbeit seinen wärmsten Dank aus und erklärte sich mit der Forderung einer übersichtlichen Etatsaufftellung

einverstanden.

Die Preispolitik

gewissem Sinne in Schutz,

der Bergoerwaltung nahm er in

erkannte aber insbesondere die auf die

Stetigkeit der Preise, die wirtschaftliche Stärkung der Zechen und vor allem auf die Hebung der Arbefterlöhne hinzielende Tätigkeit des

Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats durchaus an.

Für den Beitritt

des Staates zu dem genannten Syndikat betrachtet der Handels­ minister es als mtfcheidend, ob es bereit ist, angemessene Bedingungen für die Beteiligung des Staates zuzugestehen,

„die eine

Gewähr für hinreichende Sicherstellung der Interessen der Allgemein­

heit bieten".

Zur Aenderung der deutschen Handelspolitik.*) Bon - A. vneek.

Der Bund der Industriellen hat anläßlich der Neuregelung der handelspolitischen Verhältnisse zwischen Holland und dem Dentschen

Reich

in

führungen

seinem zur

Organ

deutschen

„Deutsche

Industrie"

Handelspolitik

allgemeine

veröffentlicht.

In

AuSdiesen

Ausführungen wird zunächst die Besorgnis ausgedrückt, daß der in Vorbereitung befindliche neue niederländische Zolltarif den Absatz der deutschen Ausfuhrindustrie auf dem niederländischen Markt empfindlich

erschweren werde.

ES wird darauf hingewiesen, daß Deutschland

nicht in der Lage gewesen sei, die empfindliche Schädigung seiner Ausfuhr durch die Erhöhung

der Zölle in Frankreich zu verhüten.

*) Zuerst in der Zeitung „Der Lag" veröffentlicht.

46 auch

nicht

maßregeln Seiten

die

zugefügte

zu

erwidern.

oorgeschlagenen,

Schädigung

An

die

mit

entsprechenden

Aufzählung

durchaus

der von

ungenügenden

Gegen­ einzelnen

Maßregeln

zur

Abwehr der von den Niederlanden drohenden Schädigung wird die

Frage geknüpft:

ob sich wirklich in solchen Mittelchen die Handels­

politik des Deutschen Reiches

erschöpfe.

Dmtschland sei mit einer

Einfuhr von neun Milliarden Mark der erste Käufer des Weltmarktes, er sollte beginnen, dieses Gewicht mit in die Wagschale zu werfen.

Es habe sich jedoch der seltsame Zustand herausgebildet, daß Dmtsch­

land zu handelspolitischen Verhandlungen fast mit

leerm Händen

Die Ursache dieses Zustandes erblickt der Bund der In­

herantrete.

dustriellen in der aus alten Berträgm und längst überwundenm handelspolitischm Verhältnissen stammenden Meistbegünstigung. Am Schluß dieser AuSfühmugm heißt es: „Wird nun auch gegenüber Holland die deutsche Industrie die Erfahrung machm muffen, daß im Vertrauen auf den uneingeschränkten weiteren Genuß unseres Bertrags­

tarifes die Holländer seelenmhig ihre Zölle auf deutsche Ausfuhr­ artikel erhöhen und uns, den ersten Käuferstaat der Erde, mit der Frage abfinden: „Was kannst du armer Teufel bieten?" — Oder wird

man

sich

daran

erinnern,

daß dieser deutsch-niederländische

Meistbegünstigungsvertrag von 1851

mit halbjähriger Frist kündbar

ist, und daß das Deutsche Reich den drohenden Schädigungen auf Grund seines autonomen Tarifes und seines Zolltarifgesetzes auch einmal mit Gegenmaßregeln antworten könnte?" Diese Ausfühmngen sind in der Hauptsache vollkommen zu­

treffend- zu bedauern ist nur, daß der Bund der Industriellen, hier weiter nur als Bund bezeichnet, um den Kern der Sache hemmgeht, indem er nicht sagt, wie dem Uebel abzuhelfen sei. Hinweis

auf

die

Möglichkeit,

den

Denn mit dem

Meistbegünsügungsoertrag

mit

Holland mit halbjähriger Frist zu kündigen, und auf das durch § 10

des Zolltarifgesetzes gegebene Recht, Kampfzölle einzuführm, allein ist nicht viel anzufcmgen. Dieses Recht zumal wird schwerlich angewmdet werden sonnen, da es nur ausgeübt werden darf,

wenn Dmtschland

irgmdwie ungünstiger als andere Nationen behandelt werden sollte:

das zu tun, werden sich die Niederlande wohl hütm. Die AuSfühmugm des Bundes gipfeln in dem Hauptpunkte, daß infolge der in alle Verträge eingefügtm MefftbegünstigungSklausel

das Deutsche Reich

bei handelspolitffchm

Verhandlungen an das

Ausland mit leeren Händen herantrete und damit den Schädigungen durch die Handels- und Tarifpolitik der anderm macht- und einflußlos

preisgegeben sei.

47 Das ist durchaus richtig, aber keine von dem Bund gemachte

neue Entdeckung.

Die von dem Cmtraloerband Deutscher Industrieller,

der Zentralstelle für die Vorbereitung von Handelsverträgen und dem

Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutsch­

lands gebildete Interessengemeinschaft hat sich mit der jetzt vom Bund in der Oeffentlichkeit angeschnittenen Frage bereits im Lauf des ver­ gangenen Winters eingehend beschäftigt.

Ihren Arbeiten lag eine

umfangreiche, mit höchst wertvollem Material ausgestattete, von dem Geschäftsführer der Zenttalftelle Herrn Dr. Etienne verfaßte Denk­ schrift zugrunde.

gebildet,

Sie hat auch die Grundlage einer Besprechung

die in dieser Sache bereits vor längerer Zeit zwischen Der«

treten! der Interessengemeinschaft und dem Herrn Staatssekretär des

Innern stattgefunden hat. Die Interessengemeinschaft hielt es für zweckmäßig, mit dieser Sache erst vor die Oeffentlichkeit zu treten, wenn gleichzeitig bestimmte Vorschläge für die zur Besserung der für Deutschland jetzt so un­ günstigen handelSpoliüschen Lage notwendigen

Aenderungen

seiner

Handelspolittk gemacht werden könnten. Darüber schweben indes noch die durch die gewöhnliche Sommerpause zeitweilig unterbrochenen Verhandlungen. Da jedoch diese bedeutungsvolle Frage jetzt vom

Bund aufgerollt worben ist, möchte ich mit Darlegung meiner rein

persönlichen Ansicht als Beitrag zu chrer Beurteilung nicht zurückhalten. Obgleich eine Meistbegünstigung-klausel berett» in dem von Preußen mit den Bereinigten Staaten abgeschloffenen Handelsvertrag gewann sie ihre große Bedeutung

vom Jahre 1828 vorhanden war,

als Wendepunkt in der Zollpolitik der meisten europäischen Staaten erst durch den von Napoleon III. zwischen Frankreich und England unter dem 25. Januar 1860 abgeschlossenen Handelsvertrag.

Sie war in

dem Artikel 19 dieses Vertrages enthalten und lautete: „Eine jede der beiden hohen kontrahierenden Mächte verpflichtet sich, der andaen jede

Begünstigung, Beoorrechügung

oder Ermäßigung der Einfuhr

von den in dem gegenwärttgen Verttag erwähnten Artikeln zuteil werden zu lassen, welche die besagte Macht irgendeiner dritten Macht zugestehen sollte.

Sie machen sich ferner verbindlich, die eme gegen

die andere keinerlei Einfuhr- und Ausfuhrverbot in Kraft zu setzen,

das nicht zu gleicher Zeit auf

wendung findet." In der Mitte des

d ergangenen

zum Freihandel übergegangen.

hatten

die

Neuregelung

alle

der

anderen Nationen

seine An­

Jahrhunderts war Deutschland

Die Ereigniffe deS JshreS 1866 handelspolitischen Bezichungm zu

Oesterreich-Ungarn erforderlich gemacht,' sie erfolgte durch den Vertrag

48 vom 9. Mai 1868.

Mit diesem Vertrag hatte sich auch Oesterreich

dem Freihandel zugewendet.

Beiderseits wurden wesentliche Zoll­

ermäßigungen zugestanden und die beiderseitigen Tarife bis zum Ende des Jahres 1877, dem formellen Ablaufstermin des Deusschen Zoll­

vereins, gebunden. Die Oesterreich gemachten Zugeständnisse wurden von Deutschland generalisiert. Zu jener Zeit aber ließ sich die Re­

gierung

noch

von

dem

Grundsatz

letten,

daß

gegen

die

Zoll­

ermäßigungen entsprechende Zugeständnisse von den anderen Setten zu beanspruchen feien, die damals auch erlangt wurden. Dieser Grundsatz wurde jedoch von der Regierung in der Folge ausgegeben. Sie

erblickte ihre Aufgabe in der fortgesetzten Ausbildung des Vertrags­

tarifs in der Richtung weiterer, und zwar autonomer Zollermäßigungen und

Befreiungen

vom Zoll,

autonom,

weil

diese

dem Ausland

wesentlich zugute kommenden Aenderungen vollzogen wurdm, ohne Gegenleistungen irgendwelcher Art zu verlangen oder zu erhallen.

Diese freihändlerssche Handelspolittt erreichte ihren Höhepunkt mit dem Gesetz vom 7. Juli 1873, durch welches, unter anderem, der größere Tett der Essenzölle aufgehoben und bestimmt wurde, daß der Rest der Essenzölle am 31. Dezember 1876 fallen sollte. Dieser Beschluß gelangte ttotz der feit 1873 andauernden schweren Krisis rücksichtslos zur Ausführung. Der Freihandel hatte eS dahin gebracht, daß etwa

96 pCt. der Einfuhr zollfrei die deussche Grenze passierten. So lagen die Verhältnisse, als Dmsschland im Jahre 1877 seine Dele­ gierten nach Wien zur Verhandlung über den Abschluß eines neuen

Handelsvertrages entsendete. Der Abschluß eines Handelsverttages,

zumal

eines

Tarif-

verttages, ist ein Handelsgeschäft in des Wortes voller Bedeutung. Wer nichts bieten kann, weil er nichts zu bieten hat, kann nichts

erlangen.

So erging es unseren Delegierten zu Wien.

Deutschland

hatte seine Zölle umsonst weggegeben, die deusschen Delegierten waren mit leeren Taschen nach Wien gekommen, sie hatten nichts zu bieten

und mußten

daher unverrichtetersache abziehen.

Deusschland mußte

sich damit begnügm, unter dem 16. Dezember 1878

einen Meist-

begünstigungsoertrag mit Oesterreich-Ungarn abzuschließen, der in den achtziger Jahren mehrmals verlängert wurde. Im Jahre 1879 erfolgte der große Umschwung in der deusschen

Handelspolittt durch die Annahme eines autonomen,

maßvoll schutzzöllnerischen Zolltarifes. Nachdem die handelspolitischen Verhältnisse mit Frankreich durch den § 11 des Friedensvertrages aus Grundlage der Meistbegünstigung für alle Zeit geregelt waren und die Ver­

handlungen mit Oesterreich über

einen Tarifverttag nicht zum Ziel

49 geführt

hatten,

verzichtete

Deutschland

auf

den

Abschluß

von

Tarifverträgen; es regelte seine handelspolitischen Beziehungen zu den anderen Staaten lediglich auf der Grundlage der Meist­ begünstigung.

Diese Lage war für Deutschland nahm teil an

Deutschland außerordentlich allen Zugeständnissen, die

günstig. sich die

anderm Länder auf Grund ihrer Tarifverträge gegenseitig machten,

hatte

selbst

aber

fast

vollständig

freie Hand

hinsichtlich

seiner

Tarifpolitik. Dieser Zustand war Frankreich ein Dorn im Fleisch; es konnte

nicht verwindm, daß dem tiefgehaßten Deutschland die allm anderm Staatm gemachtm Zugeständnisse ohne Gegenleistung zufielm. Da es den § 11 des Friedensvertrages nicht abschütteln konnte, griff es zu

dem radikalm Mittel der Kündiguitg aller seiner Handelsverträge

zum 1. Februar 1892. Damit änderte sich die handelspolitische Lage Deutschlands gänzlich. Alle Anzeichen sprachen dafür, daß unter dem Vorgang Frankreichs die europäischen Staatm auf wirtschaftlichem Gebiet eine Abschließungspolitik verfolgtm. Dmtschland stand vor der Frage,

ob es diesem Beispiel folgen oder ob es darauf Bedacht

nehmen sollte, der weiteren Entwickelung jener Tendmzen und ihrer Folgen vorzubmgen und demgemäß sich einen bestimmten Einfluß auf die Nmgestaltung des europäischen Zollsystems im Sinne inter­ nationaler Verständigung zu sichem. Die Entscheidung fiel in letzterem Sinne und führte zu der Handelsoerttagspolitik des Reichskanzlers Grafm v. Caprivi. Ich habe im Verlaus der Zett diese Handels-

verttagspolitik mehrfach als eine in hohem Maße dankmSwerte und ruhmvolle bezeichnet, dabei aber nicht verfehtt, auch meinem Bedauem darüber Ausdruck zu geben, daß dieses verdienstvolle Werk getrübt wurde durch den mit Herabsetzung der Getteidezölle von 5 auf 3,50 M.

begangenen großen Fehler. Die den Reichskanzler v. Caprivi dieserhalb mit den unwürdigsten Schmähungen überhäuftm, hatten wohl übersehen, daß in den Sessionen 1889/90 und 1891 des Reichstags von den Sozialdemokraten und Freisinnigm gestellte Anträge auf Herab­

setzung bzw. Beseitigung aller Getreide- und Lebensmittelzölle ein­ gebracht waren. Der letzte Anttag Richter lautete unter I: „die Komzölle zunächst auf die bis 1887 bestandenen Sätze zu ermäßigen, sodann eine allgemeine Rmision des Zolltarifs einzuleitm, welche

unter gänzlicher Beseitigung der Zölle auf Kom, Vieh und Hölz auch eine Entlastung des Verbrauchs der Landwirtschaft herbeiführt". Alle diese Anträge, die, wie aus den letztm Worten des vorstehmdm zu

ersehen ist, Hkft 123.

sich auch gegen die Industriezölle richteten, wurdm erst

50 nach sehr stürmischen Verhandlungen vom Reichstag abgelehnt.

Auch

von den Oberbürgenneistern der größten deutschm Städte war eine starke Bewegung gegen die Getreidezölle organisiert worden, die ihren

Ausdruck in einer Protestversammlung in Berlin fand. Diese (Stimmung in weiten Kreisen des Volkes und der Umstand, daß Roggen im Jahre 1891 den exorbitanten Teuerungspreis von 208 M. erreicht hatte, mögen, neben nicht unerheblichen rein politischen Gesichtspunkten,

bestimmend auf den Reichskanzler eingewirkt haben, sie mögen auch zu seiner Entschuldigung dienen.

Verfehlt war es aber, daß infolge

des gewaltigen Sturmes gegen die Getreidezölle die Absicht, sie zu er­ mäßigen, bereits bekannt geworden war, als unsere Delegierten in Wien über den Abschluß des Vertrages unterhandelten. Damit hatte die für das damals noch Getreide ausführende Oesterreich so wert­ volle Ermäßigung die Kraft verloren, mit ihr Zugeständniffe seitens

Oesterreichs zu erlangen. Außerdem hat die Ermäßigung der Ge­ treidezölle die große agrarische Bewegung angefacht, die in ihrer extremen Richtung so unheilvoll auf unsere inneren politischen Ver­

hältnisse eingewirkt hat. Die in den Jahren 1891—1894 auf zwölf Jahre abgeschlossenen sogenannten Caprivischen Handelsverträge haben unstreitig zu dem großen

Aufschwung

unserer

wirtschaftlichen

Verhältnisse

wesentlich

beigetragen. Unmittelbar nach ihrem Abschluß wurden sie der Industrie im allgemeinen recht ungünstig beurteilt, und

von das

mit Recht. Der wesentlich nach den Vorschlägen des Centralverbandes aus­

gestaltete deutsche Zolltarif von 1879 war höchst maßvoll gehalten,seine niedrigen Sätze waren in den achtziger Jahren,

abgesehen von

den starken Erhöhungen der Getreidezölle, nur in' verhältnismäßig wenigen Posisionen mäßig gesteigert worden. Der Umschwung der

Handelspolitik und die Annahme eines im Prinzip schutzzöllnerischen

Zolltarifes hatten so außerordentliche, schwere und aufreibende Kämpfe ge­ kostet, daß es die Männer des Centralverbandes nicht gewagt hatten, auch noch ein anderes Tariffchema vorzuschlagen. Sie begnügten sich,

wahrlich gegen besseres Wissen, mit dem alten, rohen, vom Deutschen Zollverein stammenden Tariffchema.

Dieses mag für die Anfangszeit

der deutschen Industrie einigermaßen genügt haben,

dem weit vor­

geschrittenen, ungemein entwickelten Zustand der Industrie gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts enffprach es mit seinen verhältnis­

mäßig wenigen, gar nicht oder nur ganz grob gegliederten Positionen durchaus nicht. Denn dieses Tariffchema, im Verein mit den an sich niedrigen Sätzen, hatte zur Folge, daß die feineren und feinsten,

51 durch die Menge der zu ihrer Herstellung erforderlichen Arbeit wert­ vollsten Erzeugnisse nur einen äußerst geringen, durchaus ungenügenden Schutz genoffen.

Diesen schwachen Tarif, soweit eS die bestehenden

Verträge gestatteten, zu einer kraftvollen Rüstung für dm Abschluß von Tarifoerträgm vorher auszugestaltm, hatte der deutschm Regie­ rung

durchaus

fcmgclegcn; sie hätte damit auch bei der immerhin

noch starkm Freihandelspartei einm Sturm der Entrüstung erregt, und es wäre zweifelhaft gewesen, ob sie mit einer solchm Absicht im

Reichstag durchgedrungen wäre. Die anderm Staatm hattm, im Hinblick auf die durch die Kündigung aller Verträge seitms Frank­ reichs geschaffme unsichere Lage, sich durch außerordmtliche Er­ höhungen chrer Tarife überaus scharfe Waffm für dm Kampf be­ reitet.

Diesm stand Deutschland mit seinem schwachm Tarif gegen«

über- es mußte natürlich den kürzerm ziehen.

Dazu kam, daß Deutsch­

land unzweifelhaft ohne genügende Vorbereitung in die Berhandlungm eingetreten war, und daß die Berhandlungm selbst nicht mit genügenden

Kräften geführt wurden.

So waren beispielsweise nach Wim zwei

höhere Beamte zur Führung der Berhandlungm mtsmdet, von dmm der eine ein eingefleischter, oerbiffmer Freihändler war, der, nach dem

freihändlerischm Prinzip, jede Herabsetzung des deutschm Tarifes für eine dem Vaterland

erwiesene Wohltat erachtm mußte.

Daß die

Dorbereitnng ungenügend war, wurde durch die in zwölfter Stunde an die Interessenten hinsichtlich wichtiger Punkte gerichtetm Rückfragen

bestätigt, die leider, wegen der Kürze der Zeit, nur mangelhaft oder gar nicht beantwortet werden konnten. Für die Schwäche der dmtschm Unterhändler war es beffpielSweise auch bezeichnmd, daß sie einen

von der Schweiz ausdrücklich für den Vertragsabschluß ausgestellten exorbitant hohen Tarif als Grundlage für die Berhandlungm aner­ kannten, obgleich er noch nicht einmal in der Schweiz selbst Gesetzes­ kraft erlangt hatte. — So kam es, daß Deutschland in dm Handels­ verträgen die verhältnismäßig geringen Zugeständniffe der anderm mit großen Opfem erkaufen mußte, daß der Zustand nach Abschluß

der Verträge ein an sich niedriger Gmeraltarif mit einem in feinen Sätzen teilweise sehr ermäßigten Handelsvertragstarif war. Dieser niedrige Konventtonaltarif mußte

ohne

irgendwelche

Gegmleistung

allen den Ländem zugestanden werden, mit denen Deutschland ver­ traglich auch ferner nur aus dem Fuß der Meistbegünsttgung stand. Zu diesen Ländem gehören solche, mit denen Dmtschland bedmtmdm,

ja den größten Handelsverkehr unterhält.

Die unausgesetzten feindseligen Angriffe der Agrarier gegen die Handelsverträge, wohl auch die Unzufriedenheit mit ihnm in industriellm 4«

52 Kreisen hatten zur Folge, daß die Vorbereitungen für den Abschluß

der neuen Handelsverträge und für die Aufstellung eines hierzu er« forderlichen neuen Zolltarifes

sehr frühzeitig ausgenommen wurden.

Unumwunden muß der Regierung zugestanden werden, daß sie dieses Mal in großzügiger Tätigkeit und mit ausgiebiger Sorgfalt bemüht gewesen war, umfassendes Material für die Aufftellung des neuen

Tarifs zu beschaffm. DaS Ergebnis war die Ausarbeitung eines Tarifschemas mit zahlreicheren, feiner abgestusten und gegliederten Positionen,- demgemäß waren auch die Zollsätze für die feineren und feinsten Erzeugnisse in entsprechender Weise erhöht worden. Aber die Regierung war doch nicht gmeigt gewesen, in jeder Beziehung die Lehren der Vergangenheit auf sich einwirkm zu lassen. In dem Ent­ wurf zum Tarifvertrag hatte sie die Sätze von über achtzig Positionen freiwillig unter die Sätze des niedrigen Vertragstarifes herabgesetzt,

ein unglaublicher Fehler.

Denn die Regierung hatte sozusagen das

Geld weggeworfen, mit dem bei dm Vertragsoerhandlungen Zuge­ ständnisse von den anderen hätten erkauft werden können. Der neue Tarif brachte erhöhte, den extremen Agrariem freilich nicht genügende Getteidezölle,- sie sollten durch den § 1 des Zolltarifgesetzes als Minimal­ zölle festgelegt werden. Damit sollte eine Mindemng der Getreide­

zölle auf dem Wege des Abschlusses von Handelsverttägen

absolut

Weil diese Bestimmung unter Umständen den

ausgeschloffm werden.

Abschluß von Handelsverttägen gefährden, selbst unmöglich machen könnte, erklärte sich der Centtalverband, der übrigens gegen die von der Regierung vorgeschlagene Höhe der Getteidezölle nichts einzu­ wenden hatte, mit aller Entschiedenheit gegen deren Festlegung als Minimalsätze. Dadurch wurden die exttemen Agrarier in eine so feindselige Stimmung der Jndusttie gegenüber versetzt, daß sie in der

mit der Beratung des Zolltarifs beaufttagten Kommission des Reichs­

tages in Gemeinschaft mit den linksliberalm Freihändlem und den Sozialdemokraten wahllos gegen die Jndustriezölle vorgingen. So kam aus der Kommission ein mit zahlreichen .„Unstimmigkeiten" be­

hafteter, in den Zollsätzen planlos wesentlich ermäßigter Tarifentwurf an dm Reichstag zurück.

Die Vorgänge,

welche die Hoffnung der

Industrie auf die bessere Einsicht und bessernde Hand des Plenums vereitelten, sind wohl noch in frischer Erinnemng. Die Sozialdemokratie

und die äußerste Linke wollten das Zustandekommen des Tarifes un­ bedingt verhindern.

Die zu diesem Zweck geübte Obsttuktion konnte

nur durch eine, einem Gewaltakt ähnliche Aenderung der Geschäfts­

ordnung überwunden

werden.

Die ganze Lage aber bedingte dm

Verzicht auf eine der Bedeutung der Sache entsprechende Behandlung

53 und eine überstürzte Annahme des Tarifes mit allen feinen Unstimmig­

keiten und Schwächen. Mit diesem höchst unvollkommenen Werkzeug mußte die Re­ gierung den anderen Staaten zur Erneuerung der Handelsverträge gegenübertreten, die teilweise durch weitere Erhöhung ihrer Zolltarife

ihre Rüstung wesentlich verstärkt hatten. Dazu kam, daß die nicht unerhebliche Vermehrung und Erhöhung der agrarischen Zölle, von denen sogar wichtige Rohmaterialien für die Industrie ersaßt worden

waren,

und

bündeten

die Sicherungsmaßregeln gegen Seuchengefahr die Ver­

Regierungen

zu

weitgehmdm

Zugeständnissen

gegenüber

Rußland und besonders Oesterreich zwangen, die selbst das persönliche

Eingreifen des Staatssekretärs Grasm von Posadowsky in die in Wien geführten Verhandlungen nicht abzuwmdm vermochte. So kamen Handelsverträge

mit

einem

in nicht wenigen Sätzen noch

wesentlich ermäßigten Konventionaltarif zustande, Handelsverträge, über die laute Klagen aus der Industrie erschallten,- denn es war beispielsweise unsere hochentwickelte, blühende Maschinenindustrie dem Wettbewerb des Auslandes auf dem inländischen Markt fast voll­

ständig preisgegeben. Ich kann nicht uuchin, hier hervorzuheben, daß der Central­ verband bei Men diesen handelspolitischen Vorgängen bemüht gewesen war, die Interessen der Industrie in ernster, angestrengter Arbeit und mit äußerster Energie zu vertreten und zu wahren. Diese Arbeit ist

am wenigsten erforderlich gewesen und geleistet wordm im Jntereffe der sogenannten schweren Industrie. Der dieser von dm Berbüudetm Regierungen zugedachte Schutz war in dm Mermeisten Fällen als

Die Arbeit wurde im großm und ganzm hauptsächlich für die Fertigindustrie in fast allm ihren hauptsächlichsten gmügmd erachtet worden.

Zweigen geleistet, nicht ohne Erfolg. Ich will als Beispiel nur darauf verweisen, daß eS endlich bei dem letztm Zolltarif dm bereits in den siebziger Jahren des vorigm Jahrhunderts begonnmen Be­ strebungen deS Centralverbandes gelungen war, die durchaus rohe, unsachlich zolltechnische Unterscheidung der Gewebe nach Dichtigkeit

und Undichtigkeit umzuwandeln in die richtige Unterscheidung nach

Gewicht und Fadenzahl.

Der Webeindustrie würde noch besser gebient

worden sein, wenn die in dieser Sache von dem Centraloerband gestelltm Anträge unverkürzt angenommen wordm wären. Wenn es der unablässigen, irreführenden Agitation des Bundes gelungen ist, einen Teil der sogenannten Fertigindustrie in bittere Feindschaft dem

Centraloerband gegenüber zu versetzm, so liegt darin zum mindesten eine beklagenswerte Undankbarkeit,- denn der Centraloerband hat auch

54 auf

anderen Gebieten

getan.

Alles,

unendlich viel für die deutsche Fertigindustrie

was ich hier gesagt habe,

Wort für Wort,

dm Akten des Centraloerbandes erwiesen werden.

kann aus

Es würde erfreulich

sein, wenn einer oder der andere gerecht denkende Mann sich durch

die gern gewährte Einsicht in die Akten davon überzeugen wollte, ob seine Feindseligkeit gegen den Cmtralverband den Tatsachen entspricht

oder nicht. Alle vorerwähnten Opfer und Zugeständnisse, die Deutschland, selbstverständlich nicht ganz ohne Gegenleistungen, seitens der anderen in schwerem Kampfe abgemngen waren, kämm auch jetzt wieder allen

anderen im Meistbegünstigungsverhältnis zu Deutschland stehenden Nationen zugute. Daß eine zu solchen unleidlichen Zuständen führende Handelspolitik in Verbindung mit schwächlicher Rücksichtnahme seitens

der

Verbündeten

Regierungen

ist

unhaltbar

und

durch

andere

prinzipielle Gmndlagen ersetzt werden muß, lehrt ein kurzer Blick aus unsere handelspolitischen Verhältnisse mit einigen der anderen, nicht mit uns durch Tarifverträge verbundenen Staaten.

England kündigte seinen Meistbegünstigungsvertrag mit Deutsch­ land,

um seinen Kolonien zu ermöglichen,

die

fremde Einfuhr zu­

gunsten der Einfuhr aus dem Mutterlande durch höhere Zollsätze zu differenzieren. Kanada beeilte sich, so vorzugehen, worauf Deutschland

dem ihm gesetzlich zustehenden Rechte Gebrauch machte, seinen Zoll gegen die Einfuhr aus Kanada mit einem Zuschlag zu belege«. von

Das

beantwortete die englische Kolonie mit der Differenzierung der

deuffchen Waren der Einfuhr aus allen anderen Ländem gegenüber. Nach langen Jahren und schwerer Schädigung unserer Ausfuhr ist endlich eine Verständigung mit Kanada zustande gekommen, die durchaus nicht volle Gleichstellung mit den anderen Staaten enthält, immerhin aber leidliche Zustände, sogar die Aussicht auf den Abschluß

eines Tarifvertrages brachte, von Rede gewesen ist. Die

südamerikanischen

ausblühende Argentinien,

dem jedoch seither nicht mehr die

Republiken,

ließen sich

insbesondere

die ihnen

das

mächtig

auf dem Wege der

Meistbegünstigung zufließenden deutschen Begünstigungen gern gefallen und freuen sich des erleichterten, steigenden Absatzes ihrer Erzeugnisse

auf dem deutschen Markt. Sie selbst aber nehmen keinen Anstand, ihre Zölle beliebig und stark zu erhöhen und damit die deutsche Ausfflhr zu erschweren und zu schädigen.

haben Deutschland

seit Jahrzehnten

Die Vereinigten Staaten

in rücksichtslosester Weise

be­

handelt,- sie haben dabei selbst den Bruch bestehender Verträge nicht gescheut. Ihre, die unserigen uni das Mehrfache übersteigenden

55 höheren Zölle haben unsere Ausfuhr ungemein erschwert und einigen

unserer bedeutendsten gänzlich

ausführenden Industrien gegmüber eine fast

ausschließende Wirkung

ausgeübt.

Dazu

kamen wahrhaft

schikanöse Nebenbestimmungen, mit denen in den letzten gesetzlichen Maßnahmen sogar eine große Unsicherheit und die Möglichkeit un­

günstigerer Behandlung gegeben ist. Alles das hat Deutschland geduldig

ertragen, weil es nicht

vermochte, die Hinfälligkeit seines veraltetm Systems zu erkennen, sich von ihm zu trennen und durch ein anderes, besseres, zu ersetzen. Aber auch

denen

das Verhältnis zu dm europäischen Staaten,

die Handelsbeziehungm

geregelt

sind,

hat

sich

mit

lediglich durch die Meistbegünstigung

durchaus

nicht

befriedigend

gestaltet.

Frankreich hat in der langen Zeit alle unsere den Tarifvertrags­ staaten gemachten Zugeständniffe ruhig eingesteckt und dafür im vergangenen Jahre Tariferhöhungen einschneidendster Art oorgmommen,

durch die unsere Ausfuhr ernstlich

geschädigt worden ist.

Daß die

Niederlande sich zu einem gleichm Vorgehm anschicken, hat den Bund zu der öffmtlichen Behandlung dieser Frage veranlaßt. Daß die Verhältnisse sich für Dmtschland durch den Abschluß

von Tarifverträgm mit allen diesen Ländem, vielleicht, wegen der

bedeutungsvollen rein politischen Momente, mit Ausnahme von Frankreich, wesentlich günstiger gestalten würdm, kann wohl nicht be­ stritten werdm. Daß auch die Verbündeten Regierungen dieser Ansicht huldigen, beweist der in dem Vertrag mit Kanada in Aussicht gestellte Tarifvertrag. Was aber

in aller Welt sollte diese Staaten wohl veranlassen,

einen Tarifvertrag mit Deutschland abzuschließm?

In seinen Tarif­

verträgen ist Deutschland mit seinen Zugeständniffen so unendlich weit

gegangen,

daß alle,

auch jene Meistbegünstigungsstaaten,

so ziemlich

alles erlangt haben, was sie billigerweise erwarten und verlangen tonnten. Sie sehen ein, daß sie für weitere, auf dem Wege eines Tarifvertrages verlangte Zugeständniffe eigme Opfer würden bringen

müssen- das zu tun liegt für sie, nach den dargeslellten Berhältniffm,

keine Beranlcffsung vor. Daher wird Deutschland, bei seiner jetzigen Handelspolitik, wohl auf dm Ersatz seiner Meischegünstigungsverträge durch Tarifverträge

verzichtm müssen, und die in dem Vertrag mit Kanada ausgefprochmm Hoffnungen werden fromme Wünsche bleiben, es sei denn, daß eine

durchgreifmde Amderung unserer Handelspolitik oorgmommm würde.

Wie sie nach meiner persönlichm Ansicht beschaffen sein müßte, will ich hier unbeirrt durch irgmdwelche Rücksichten darlegen.

Deuffchland

56 müßte seinen mit Unstimmigkeiten und Fehlern bepackten, aber auch in vielen Beziehungen durchaus ungenügenden, d. h.

bedeutenden

Industrien bett erforderlichen Schutz nicht gewährenden Konventional­ tarif gründlich revidieren,

also von den Fehlern befreien und auch

besonders int Interesse zahlreicher Fertigindustrien erhöhen.

Erhöhungen werden auch unerläßlich sein,

Solche

um die so außerordentlich

und brüchig gewordene Rüstung für den Neuabschluß der Tarifverträge den anderen Staaten gegenüber mit einer neuen, starken, dünn

wirkungsvolleren zu vertauschen. Dann aber muß Deutschland, endlich dem erfolgreichen Beispiel mancher anderer Staaten folgend,

sich als Waffe einen viel höheren Generaltarif schaffen, nicht, um den so lange gegen uns verübten Druck und Zwang zu vergelten, sondern um zu bewirken, daß dieser zuweilen tatsächlich entwürdigende Zustand

endlich aufhöre, um zu erreichen, daß auch

die anderen Staaten

höchsten Wert daraus legen, mit Deutschland zu

angemessenen und

günstigen Handelsbeziehungen zu gelangen. Ich weiß, daß diese unumwundenen Darlegungen einen Sturnt

gegen mich, den alten Hochschutzzöllner, verstehen, daß bei

erregen werden.

Man wird

der langen Gewöhnung diese Bezeichnung keinen

Eindruck auf mich machen wird, zumal sie ja nur einen leicht zu

durchschauenden Trick der Freihändler, besonders bei ihrer letzten fast komischen Wendung bedeutet. Keiner von ihnen, keines von ihren Blättern will heute mehr freihändlerisch fein; um aber von diesem neuen Standpunkte aus die Bestrebungen der maßvollen Schutzzöllner nicht anerkennen zu müssen, werden diese alle von vornherein zu

Hochschutzzöllnern gestempelt. So ergeht es mir, und so ergeht es auch dem Centralverbande. Damit aber wird erreicht, daß weite Kreise von Industriellen, die ganz und voll in ihren handelspolitischen Anschauungen mit dem Centraloerband übereinstimmen, sich, nachdem er als hochschutzzöllnerisch gebrandmarkt wird, man verzeihe es mir, in Gedanken- und Urteilslosigkeit von ihm abwenden. Mich hat die

zu erwartende Hetze nicht abgehalten, lediglich im Interesse des wirt­

schaftlichen Gedeihens des

Baterlandcs meine Ansicht über die in

unserer Handelspolitik gemachten Fehler und über die Mittel zur Besserung der verfahrenen Zustände hier offen attszusprechen. Ich geben,

möchte

nochmals

meinem

Bedauern

darüber

Ausdruck

daß der Bund der Industriellen, bei der dankenswerten An­

regung dieser Frage und seiner durchaus zutreffenden Beurteilung der hierfür maßgebenden Verhältnisse, nicht auch seinerseits auf die Mittel zur Abhilfe der gerügten Uebelstände näher eingegangen ist. Ob er das tun kann und tun wird, erscheint mir freilich zweifelhaft bei der

57 Protektion, die ihm wohl wegm seiner ihm unschwer nachzuweisenden, je nach Opportunität schwankenden Haltung in der Schutzzollfrage und wegen des jetzt zur äußersten Schärfe zugespitzten Gegensatzes zu

dem vielgehaßten

Centraloerbande Deutscher Industrieller von den

linksliberalen radikalen Parteien und ihrer Presse zuteil wird. Im Grunde aber nehme ich an, daß die Auffassungen und Ansichten des Bundes über die deutsche Handels- und Zollpolitik im Jntereffe der

Industrie und

des

Wirtschaftslebens

der

-Ration mit

denen

des

Centralverbandes und mit den meinigen übereinstimmen sollten. Mir würde es Befriedigung bereiten, in Sachen der beffernden Umgestaltung unserer Handelspolitik mit meinen, fteilich im natürlichen Verlauf der Dinge nur noch schwachen Kräften an einem Strange mit dem Bunde der Industriellen zu ziehen.

Keichsgesehliche Zwangsversicherung und private Versicherung nach dem Entwurf eines Dersicherungsgefetzes für Angestellte. Der Entwurf eines Versicherungsgesetzes für Angestellte bestimmt im § 381, daß diejenigen Angestellten, die zurzeit der Verkündung des Gesetzes bei privaten Lebensoersicherungsunternehmungen bereits versichert sind, von der Beitragsleistung zur staatlichen Versicherung befreit werden können.

Die hiernach von wesentlicher Bedeutung

erscheinende Frage, ob es sich empfiehlt, durch Abschluß von privaten Versicherungsverträgen die staatliche ZwangSoersicherung noch vor In­ krafttreten des Gesetzes zu ersetzen, hat den Centralverband Deutscher Industrieller im Jnterefie der beteiligten zu einer Prüfung der Leistungen

beider Versicherungsarten veranlaßt.

Das Ergebnis dieser Prüfung

wird in folgendem dargestellt:

I. §ie Wartezeit. a) Der Gesetzentwurf für die staatliche Zwangsversicherung sieht für daS Ruhegeld bei männlichen Angestellten eine Wartezeit von 120 Beitragsmonaten vor, bei den weiblichen eine solche von 60

57 Protektion, die ihm wohl wegm seiner ihm unschwer nachzuweisenden, je nach Opportunität schwankenden Haltung in der Schutzzollfrage und wegen des jetzt zur äußersten Schärfe zugespitzten Gegensatzes zu

dem vielgehaßten

Centraloerbande Deutscher Industrieller von den

linksliberalen radikalen Parteien und ihrer Presse zuteil wird. Im Grunde aber nehme ich an, daß die Auffassungen und Ansichten des Bundes über die deutsche Handels- und Zollpolitik im Jntereffe der

Industrie und

des

Wirtschaftslebens

der

-Ration mit

denen

des

Centralverbandes und mit den meinigen übereinstimmen sollten. Mir würde es Befriedigung bereiten, in Sachen der beffernden Umgestaltung unserer Handelspolitik mit meinen, fteilich im natürlichen Verlauf der Dinge nur noch schwachen Kräften an einem Strange mit dem Bunde der Industriellen zu ziehen.

Keichsgesehliche Zwangsversicherung und private Versicherung nach dem Entwurf eines Dersicherungsgefetzes für Angestellte. Der Entwurf eines Versicherungsgesetzes für Angestellte bestimmt im § 381, daß diejenigen Angestellten, die zurzeit der Verkündung des Gesetzes bei privaten Lebensoersicherungsunternehmungen bereits versichert sind, von der Beitragsleistung zur staatlichen Versicherung befreit werden können.

Die hiernach von wesentlicher Bedeutung

erscheinende Frage, ob es sich empfiehlt, durch Abschluß von privaten Versicherungsverträgen die staatliche ZwangSoersicherung noch vor In­ krafttreten des Gesetzes zu ersetzen, hat den Centralverband Deutscher Industrieller im Jnterefie der beteiligten zu einer Prüfung der Leistungen

beider Versicherungsarten veranlaßt.

Das Ergebnis dieser Prüfung

wird in folgendem dargestellt:

I. §ie Wartezeit. a) Der Gesetzentwurf für die staatliche Zwangsversicherung sieht für daS Ruhegeld bei männlichen Angestellten eine Wartezeit von 120 Beitragsmonaten vor, bei den weiblichen eine solche von 60

58

(§ 47). Diese Wartezeit kann mit Genehmigung der Reichsversicherungs-

anstalt in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes durch Einzahlung einer entsprechenden Prämienreserve abgekürzt werden, wenn eine ärztliche Untersuchung gegen eine solche Abkürzung keine Bedenken ergibt (§ 385).

Die Hinterbliebenenrente setzt eine Wartezeit von 120 Bei­ Nur für die Uebergangszeit der ersten zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes beträgt die

tragsmonaten voraus (§ 47 Abs. 2).

Wartezeit 60 Monate (§ 386). Auch für diese Reuten kann in den ersten drei Jahren durch Einzahlung einer entsprechenden Präniienreserve die Wartezeit nach vorhergehender ärztlicher Untersuchung ab­ gekürzt werden.

b) Die private Versicherung

gewährt den Anspruch aus die

Leistungen sofort nach Abschluß deS Versicherungsvertrages. In Ausnahmefällen, in denen bei unbefriedigendem Gesundheitszustand, oder wenn keine ärztliche Untersuchung

stattfand,

eine Wartezeit festgesetzt

wird, geht ein Versicherter, der die Wartezeit nicht erfüllt hat, seiner

Einzahlungen nicht verlustig, sondern er selbst oder seine Hinter­ bliebenen erhalten je nach der Versicherungsart den größeren Teil der Beiträge zurück. Die Festsetzung

einer LVartezeit ist namentlich für die älteren Angestellten von nachteiliger Bedeutung, da mit zunehmendem Alter die Sterbens- und Jnvaliditätswahrscheinlichkeit naturgemäß steigt. Ferner ist zu beachten, daß die 120 und 60 Beitragsmonate nicht

etwa immer gleich 10 und 5 Jahren sind, sondern sich infolge zeit­ weiliger Beschäftigungslosigkeit auf 15 oder Vjt Jahre erhöhen Dem steht allerdings wieder gegenüber, daß viele der älteren Angestellten von den privaten Versicherungsanstalten nicht

können (§ 48).

oder nur unter erschwerten Bedingungen (Wartezeit) in eine Versicherung ausgenommen und als minderwertige Risiken (schlechte Heredität, überstandene oder noch vorhandene Krankheiten, weniger widerstandsfähige Konstitutionen usw.) betrachtet werden, während die staatliche Versicherung ihre Leistungen von

der Frage des Risikos

bei den einzelnen unabhängig macht und den körperlich Schwachen ebenso behandelt, wie den körperlich Stärkeren.

II. Meiträge. a) Bei der staatlichen Zwangsversicherung wird eine Durchschnittsprämic erhoben, die nach der Höhe des jeweiligen Gehalts des Versicherten berechnet wird. Diese Beitragsleistungen, die in schematischer

Weise weder das Alter, noch

die Familien- noch die Vermögens-

59

Verhältnisse des einzelnen usw., sondem nur seine GehaltShöhe in

Betracht ziehen, haben zwar den Vorteil, daß sie gewissermaßen auto­ matisch sich dem steigenden und fallenden Gehalt anpassen. seits stellen diese Durchschnittsprämien

Anderer«-

sich aber für die jüngeren

Angestellten im Vergleich zu den älterm als zu hohe Leistungen dar und sind auch im Verhältnis zu den Leistungen zu hoch für Un­

verheiratete und kinderlose Verheiratete im Gegensatz zu den Ehemännern und Familimvätem. Als Durchschnittsprämie unterließen sie ferner einer periodischm Nachprüfung (§173) und werdm wentuell ein^r Erhöhung bedürfm, sofern nicht in dem gegebmm Falle eine Herabsetzung der Leistungen von feiten der Bersichemngsanstalt vor­

gezogen werden sollte (§ 175). b) Die private Versicherung kann sich dagegen den individuellen Verhältnissen besser anpaffen und dieselbe Leistung jüngerm gesunden Angestellten gegen erheblich geringere Jahresprämien garantieren, als älteren oder sonst ungünstigen Risiken. Im allgemeinen sind diese

Prämien nach festen Sätzen berechnet und blechen, sofern sie nicht mit den Jahren infolge der Beteiligung an den Dividenden sinken, dauemd in der gleichen Höhe bestehen. Der mit dem Steigen des Gehalts eintretenden Möglichkeit, die Anwartschaft aus dem privaten Ver­

sicherungsverträge zu verbessern, geben die „Versicherung gegen er­ mäßigte Anfangsprämie", die Zulässigkeit der allgemeinen Nachversicherung und die neuerdings eingeführte „Nachversicherung infolge von Gehaltserhöhung" genügendm Spielraum. Es ergibt sich daraus, daß für jüngere und gesunde Angestellte

die private Versicherung

günstigere Aussichtm bietet, während die

Durchschnittsprämie der StaatSversichemng älteren Angestelltm, vorausgesetzt, daß sie die Wartezeit erfüllm, größere Vorteile gewähr­ leistet. Zum Beispiel würde ein Angestellter, der sich mit 40 Jahren versichern läßt, gegen eine Prämie von 158,40 M. bei der privaten Lebensversicherung nur ein Kapital von 2580 M. versichern und

mithin nur eine Invalidenrente von 258 M. erhalten können. gegenüber

würde

die

Rmte

2000 bis 2500 M.) nach 594 M. betragen.

der

StaatSanstalt

10 Jahren 396 M.,

Dem­

(GehaltSklasse

F

nach 20 Jahren

Für dieselbe Prämie von 158,40 M. würde ein

Fünfzigjähriger bei der privaten Lebensversicherung nur noch ein

Kapital von 1400 M. versichern und demmtsprechend nur eine Rente

von 140 M. erhalten können, während das Eintrittsalter auf die Höhe der StaatSrmtm ohne Einfluß ist und der Versicherte in diesem Falle nach 10 Jahren ebenfalls 396 M., nach 20 Jahren 594 M. Rente erhalten würde.

Bei diesen älterm Angestellten wird allerdings

60

die Wartezeit der Staats Versicherung besonders ins Gewicht fallen

und andererseits für die private Versicherung der Umstand sprechen, daß bei ihr der Eintritt zu dm einzelnen Kassen und Versicherungszweigm ganz dem freien Belieben überlassen ist und auch bei der

Zahlung der Prämim von den großen Gesellschaften durch besondere Tarife jedem einzelnen Falle Rechnung getragen wird. Neben der

im Laufe der Jahre durch Verrechnung

der Dividenden mehr und

mehr abnehmendm PrämimzahlungSweise ist hier vielfach die Ver­

einbarung üblich,

daß eine im Anfang möglichst niedrig

gehaltene

Prämie allmählich mit der Zunahme des Einkommens, jedoch nur in einem der Zunahme entsprechenden Verhältnis

heraufgesetzt wird, wenn

stattgefunden hat.

und auch nur dann

eine Erhöhung des Einkommens tatsächlich

Es stellt sich ferner als eine Folge der Anpassungs­

fähigkett der privaten Versichemng an die jederzeitige Lage des Bersichertm dar, daß hier ein Versicherter erst bei seiner Verheiratung

eine Witwenversicherung eingehm und erst, falls er Kinder hat, eine Kinder- und Waisenversicherung mit den mtsprechenden Mehrleistungen

aufnehmen wird.

III. Leistungen. 1.

Form der Leistung.

a) Die staatliche Versicherung zahlt bei Einttitt des Versicherungs­ falles im allgemeinen nur Renten (§§ 19, 24). Ausnahmsweise wird

in folgenden Fällen als Kapitalabfindung gezahlt:

1. wenn ein Versicherter sich selbständig macht (§ 62),

2.

beim Tode einer weiblichen Versicherten (§ 59),

3. bei der Verheiratung einer weiblichm Versicherten (§ 61), 4. wenn ein Versicherter binnen

10 Jahren nach dem Jnkrast-

tteten des Gesetzes sttrbt, ohne einen Anspruch auf Leistungen

erworben zu haben (§ 388) die Hälfte der eingezahlte» Beiträge,

5.

bei Wiederverheiratung der Witwe das Dreifache der Jahresrente (§ 64),

6.

wenn begibt,

ein Berechtigter dauernd nach dem Ausland sich die Hälfte des Kapitalwertes der ihm gewährten

Bezüge (§ 46).

b) Die private Versicherung garantiert in erster Linie ein Wenn gegen eine gleiche Regelung int Entwurf eines Ver­

Kapital.

sicherungsgesetzes in der Begründung (@. 103) eingewendet ist,

daß

sich bei Kapitalsversicherungen keine genügende Vorsorge gegen zweck-

61 widrige Verwendung des Kapitals treffen lasse, so ist dem allerdings in gewiffem Umfange zuzustimmen. Aber es wird doch folgendes entgegenzuhalten sein: Wenn es in der Arbeiterversicherung auch richtig ist, nur Renten zu zahlen, da die Mehrzahl der Versicherten mit einem Kapital nicht zweckentsprechend würde wirtschaften können, so ist es doch in Rücksicht auf diejenigen, die auf einer höheren sozialen Stufe stehen, kaum zu billigen, wenn der Staat chnen die Verwendung der ausgeworfenen Mittel in einer ganz bestimmten Richtung vor­ schreibt und sie des eigenen Nachdenkens über die Anlegung des größeren oder kleineren Vermögens mthebt. Auch die wirtschaftlichen Vorteile, welche die Möglichkeit gewährt, über ein Kapital frei ver­ fügen zu können, sind gegenüber dem Bezüge einer Rente unstreitig sehr große. Das Kapital kann vorteilhaft verwendet werden, um entweder ein Geschäft anzufangen, die Aussteuer der Tochter zu be­ zahlen, oder die Mittel für die Ausbildung des Sohnes anfzubringen, der dann später für den Unterhalt der Eltern beitragen kann. ES kommt ferner hinzu, daß sich ein Kapital jederzeit in eine Amte um­ wandeln läßt, deren Höhe allerdings von dem Lebensalter des Rentenkäufers abhängig sein wird. Für ein Kapital von rund 5000 M., das man auf Grund eines mit einer prioatm Lebensversicherungs­ gesellschaft für den Erlebensfall abgeschloffenen Versicherungsvertrages bei einer Prämie von jährlich 158,40 M. nach etwa 20 bis 25jähriger Versicherungsdauer erhalten würde, könnte z. B. ein 6bjähriger Ver­ sicherter ungefähr eine jährliche Rente 500 M. kaufen. Die Wahl zwischen Kapital und Rente wird zweifelsohne von vielen als ein Vorzug erachtet werden.

2. Art der Leistung.

a) Die staatliche Versicherung gewährleistet: 1. Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit (§ 20);

2. Ruhegeld bei erreichtem 65. Lebensjahr (§§ 20, 24); 3. Hinterbliebenenrente (§§ 19, 27, 28, 29); 4. Sachleistungen, nämlich: a) ein Heilverfahren, bei dem die Angehörigen ein „Haus­ geld" erhalten (§§ 35, 37);

b) Unterbringung in ein JnoalidenhauS, Waisenhaus oder eine Trinkerfürsorgestelle (§§ 43, 44);

c) eine Entschädigung auch bei vorübergehender Invalidität (§ 24 Abs. 2).

62

b) Die

private

Versicherung

kennt

diese

„Sachleistungen"

(unter Nr. 4) nicht, die unzweifelhaft ein Vorteil der staatlichen Ver­ sicherung sind. Die übrigen Leistungen sieht sie jedoch ebenfalls vor. Ein Vergleich derselben ergibt folgendes Bild:

1. Bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gibt die private Ver­

sicherung das für diesen Fall versicherte Kapital bzw.

die

vereinbarte Rente ohne Rücksicht auf die Summe der hierfür an sie gezahlten Prämien.

Bei der staatlichen Versicherung

ist die Höhe des Ruhegeldes im Falle der Berufsunfähigkeit

von der Erfüllung der Wartezeit und der Höhe der ein­ gezahlten Prämien abhängig.

2. Ein Anrecht auf Altersrente besteht bei der staatlichen Versicherung erst bei Erreichung des 65. Lebensjahres. Die private Versicherung gibt entsprechend den Bedürfnissen der ein­

zelnen Angestellten die Möglichkeit, auch schon in einem früheren

Lebensjahr den Bezug der Altersrente eintreten zu lassen. 3. Die

ist

Hinterbliebenenrente

sicherung

anfangs nur gering,

bei

der

staatlichen

Ver­

da ihre Höhe nicht von dem

Alter der Witwe und der hinterlassenen Kinder, sondern von der Dauer der Versicherung des Verstorbenen abhängt. So zahlt die Reichsoersicherung

der Witwe eines Versicherten,

der lO Jahre 1800, 10 Jahre 2400, 5 Jahre 2800, 5 Jahre 4000 und 5 Jahre 4900 M. Gehalt bezogen hat, wenn er nach 35 jähriger Versicherungszeit stirbt, nur 364 M. Hinter­

bliebenenrente.

Stirbt er schon nach 30 Jahren, so beträgt

die Rente 304,20, nach 20 Jahren 194,40 und nach 10 Jahren 155,20 M. Diese Reuten werden jedoch nur bis

zur Wiederverheiratung gezahlt. — Die Waisenrenten betragen bei obigen Beispielen 72,80 M., 60,85 M., 38,80 M. und 31,05 M. und fallen fort, wenn die Waisen sich verheiraten

oder das 18. Lebensjahr vollenden (§ 64). Dagegen gibt die private Versicherung sogleich nach

dem Abschluß des Vertrages bett Hinterbliebenen einen An­ spruch, der in den ersten 20 bis 30 Jahren ohne Zweifel eine ausreichendere Versorgung in Aussicht stellt als bei der

Staatsversicherung. Es wird den Hinterbliebenen das ganze Kapital ausgezahlt, das bei frühzeitigem Tode des Versicherten

oft ein vielfaches der eingezahlten Prämien bedeuten und ihnen damit die Möglichkeit bieten wird, sich dafür eine

Rente zu kaufen.

63 Es ist ferner zu beachten, daß bei der staatlichen Ver­ sicherung die Hinterbliebenenrente im allgemeinen nur der Witwe, dem Witwer und den Kindern zusteht (§§ 27 bis 30), und die sonstigen Verwandten der männlichen Versicherten gar keinen und die der weiblichen nur in einzelnen Aus­ nahmen Anspruch auf eine Kapitalsabfindung oder Leibrente haben (§§ 59/60). Im Gegensatz hierzu zahlt die private Versicherung das Kapital an die Erben schlechthin auS.

3. Höhe der Leistung.

a) Was die Höhe der Renten anlangt, so sind diese bei der Staatsversicherung anfangs nur gering, steigen aber, abgesehen von der Hinterbliebenenrente, ziemlich schnell, so daß eine verhältnis­ mäßig hohe Altersrente gewährt wird. Der Wert einer solchen mag allerdings fragwürdig erscheinen, da die Aussichten auf eine lange Rentendauer um so geringer sind, je später die Altersrente einsetzt. b) Die private Versicherung richtet ihr Augenmerk hauptsächlich auf eine möglichst weitgehende Fürsorge für den Fall vorzeitigen Todes oder vorzeitiger Invalidität und garantiert dafür von Anfang an relativ hohe, sich dann aber auch bei den meisten Gesellschaftm gleichbleibende Renten (gewöhnlich lO pCt. des versicherten Kapitals), zu betten gegebenenfalls noch die aufgespeicherten Dividenden hinzu­ kommen. So erhält z. B. ein Versicherter, der mit 25 Jahren in die Dersicherungspflicht eintritt, wenn er eine Jahresprämie von 158,40 M. zahlt (Beitrag der Gehaltsklasse 2000 bis 2500 M ), im Jnvaliditätsfalle eine Rente von bei der Staatsanstalt

bei der Lebensversicherung (nach einem Tarif der Concordia in Köln)

nach „ „

10Jahren 396 M. 20 „ 594 „ 30 „ 793 „

474 M. 474 „ 474 „

Wie schon oben bemerkt, gibt es aber auch private Versicherungen mit steigenden Renten, und zwar werden diese bei gleichen Beiträgen wie zur staatlichen Versicherung regelmäßig höher sein können, als die von der Staatsanstalt gewährten Rentenzahlungen, da jeder Privat­ versicherte nur dem Risiko entsprechend behandelt wird, das er infolge seines Beitrittsalters und seines Körperzustandes für die Versicherung darstellt. 4. Fortfall der Leistung. a) Bei der staatlichen Berficherüng fällt, abgesehen von der Uebergangsvorschrift des § 388, der Anspruch fort, wenn die Warte-

64

zeit nicht erfüllt ist.

Ferner ruht der Anspruch auf Rente teilweise

oder ganz, wenn der Berechtigte im Besitze eines bestimmten Jahres­ einkommens ist (§§ 73 bis 75), wenn er eine Freiheitsstrafe verbüßt

(§ 76), ober sich gewöhnlich im Auslande aufhält (§ 77), oder endlich

bei der Hinterbliebenenrente, wenn Witwen- und Waisenrenten zu­ sammen den Betrag deS Ruhegehalts übersteigen, das der Berechtigte bezogen hat oder bezogen hätte, wenn er bei seinem Tode berufs­ unfähig gewesen wäre (§ 57). Endlich wird beim Wiederfortfall der

Berufsunfähigkeit oder der Bedürftigkeit der Hinterbliebenen die Rente entzogen (§§ 68/69).

b) Die private Versicherung zahlt dagegen, wenn

der Ver­

sicherungsfall eingetreten ist, das versicherte Kapital oder die Renten ohne Rücksicht auf die sonstigen Einnahmen des Berechtigten, seine

persönlichen Berhältniffe oder seinen Wohnort. Entziehen der Renten findet überhaupt nicht statt.

Ein Ruhen ober

IV. Krenzen der Versicherung. a) Die Staatsversicherung erreicht im allgemeinen ihr Ende, wenn der Versicherte die Gehaltsgrenze von 5000 M. überschreitet,

oder aus anderen Gründen aus der Versicherung ausscheidet oder ins Ausland geht. In diesen Fällen verfallen die sämtlichen geleisteten

Beiträge zugunsten der Staatsanstalt, ebenso in denjenigen Fällen, in denen der Versicherte vor Ablauf der Wartezeit, vor oder gleich nach Eintritt des Versicherungsfalles stirbt und eine Frau und Kinder unter 18 Jahren nicht hinterläßt. Dem Verfall der gezahlten Beiträge kann der Versicherte. nur dadurch vorbeugen, daß er die Versicherung freiwillig fortsetzt, was jedoch erst nach Bezahlung von 60 Monatsbeiträgen zulässig ist (§ 15).

anspruchs

Eine Erhöhung des Renten­

durch freiwillige Zahlung höherer Beiträge ist nicht vor-

gesehen (cf. § 18 und Begründung des Entwurfs S. 101).

b) Die private Versicherung ist unabhängig vom Gehalt des Versicherten und kann beliebig erhöht oder herabgesetzt und allen sonstigen Lebensumständen angepaßt werden. Dabei ist jedoch nicht zu

übersehen,

daß

auch

zahlreiche

Lebensversicherungen

verfallen

werden, wenn der Zwang aufhört, also namentlich, wenn jemand ins Ausland geht. Indessen kann selbst in den denkbar ungünstigsten

Fällen ein Verlust der gezahlten Prämien vermieden werden, wenn der Versicherte sich die Möglichkeit offen hält, die Versicherung in eine sogenannte prämienfreie mit entsprechend herabgesetzter Kapital­ summe umzuwandeln.

65

V. Iotgerungerr. Aus vorstehenden Darlegungen ergibt sich,

daß die private

Versicherung im allgemeinen deshalb günstiger ist als die staatliche, weil sie eine Wartezeit nicht kennt, sich den Verhältnissen des einzelnen

besser anpaßt, die Versicherten nicht der Möglichkeit einer ungewollten

Beitragserhöhung aussetzt, durch die Wahl zwischen Kapital und Rente eine größere wirtschaftliche Freiheit bietet, in weit höherem Maße für die Hinterbliebenen, und zwar auch für die entfernteren

Verwandten

sorgt

und

einen

Fortfall

der Leistungen

überhaupt

nicht kennt. Was den Angestellten selbst anlangt, so ist sie für dm jungen

(bis 30 jährigen) Angestellten, sowie für diejenigen älteren, die Familie

zu unterhalten haben, entschiedm vorzuziehen.

Für die anderen wird

in vielen Fällen die Staatsversicherung vorteilhafter sein,

beten

weitere Vorzüge — wie bereits bemerkt — darin bestehen, daß sie ein Heilverfahren in die Versicherung einschließt (§§ 35 bis 42), auch

bei vorübergehender Invalidität eine

Entschädigung gewährt (§ 24

Abs. 2) und infolge ihrer einheitlichen Gestaltung gewisse Erleichte­

rungen in der Regelung der Fürforgefrage beim AuSscheidm aus den Diensten des einen Arbeitgebers und Uebertritt in die Dimste eines ander« schafft. Für den Arbeitgeber bedeutet der Abschluß eines privatm Versicherungsvertrages keine Entlästung, da das Gesetz eine Befreiung von der Leistung der gesetzlich« Beiträge für chn in keinem Falle

vorsieht (§ 383). verursachen,

daß

Sie kann sogar eine stärkere Belastung durch

die

zahlreiche

dadurch

Lebmsversichemng

junger

gesunder Person« eine ungünstige Auslese für die Staatsanstalt ein­ tritt,

wodurch diese unter Umständm gmötigt wird, die Beiträge zu

erhöhen. Außerdem wird der Arbeitgeber alsdann unter sein« Angestellten stets zwei Kategori« hab«, nämlich solche Angestellte, für die er die ganz« und solche, für die er nur die halben Beiträge entrichten wird. nehmen,

da die

Erstere Gruppe wird natürlich mit der Zeit zu­ Befreiung von der staatlich« Zwangsoersichcmng

nur für die zur Zeit der Verkündung des Gesetzes bereits versichert« Angestellten gilt.

6tft 183.

5

66

Erholungsurlaub für Arbeiter.

Um einen Ueberblick über die auf diesem Gebiete vorhandenen Einrichtungen und gemachten Erfahrungen zu gewinnen, hatte der

Centraloerband am

1. Dezember 1910 ein Rundschreiben versandt.

Von dm eingegangenen Antwortm macht fast die Hälfte nur kurz

davon Mitteilung, daß regelmäßige Urlaubseinrichtungm in dm betreffmdm Betrieben nicht beständen und sie keine Erfahrungen auf

diesem Gebiete besäßm.

Von dm übrigen Eingängen, die die größere Hälfte ausmachen, ist etwa ein Drittel in mehr oder wmiger gegnerischem Sinne gehalten, während die anderen zwei Drittel bereits Urlaubseinrichtungen vorweisen oder der Einfühmng, sympathisch gegenüberstehen und sie in

Aussicht genommen haben. Zu

Gegnem

dm

eine

Anzahl

und

Hüttmgesellschastm,

regelmäßiger

Texttlindustrieller, einige

Urlaubsgewähmng

verschiedene Schiffswerften, Zuckerfabrikanten

und

gehören

Berg-

Industrie­

verbände. Sie machen im wesentlichm geltend, daß die obli­ gatorische Einführung einer jährlichen Urlaubsbewilligung mit den Betriebsverhältnisien nicht in Einklang zu bringm und mit Rücksicht auf die hohe sozialpolittsche Belastung ihrer Betriebe nicht zuzugestehm sei.

Sie verweigem vomehmlich ihre Zustimmung dazu, dem

Arbeiter ein Recht auf den Urlaub einzuräumen, aus dem er mtl. klagbar werden könnte. Eine Fortzahlung des Lohnes würde einer allgemeinen Lohnherauffetzung gleichkommm, die bei den ohnehin ttotz schlechter Konjunktur hohen Löhnm gegmwärtig undurchführbar

fei. Auch sei es unmöglich, für die ftagliche Urlaubszeit jeweils die geeigneten Ersatzleute herbeizuschaffen, denm man, ohne einen erheblichm Produkttonsrückgang befürchten zu müssen, die Bedienung der

komplizierterm Maschinm anverttauen könne.

Verschiedentlich würde

auch keine Veranlassung vorliegen, regelmäßig und jährlich Urlaub zu erteilen. So erklären z. B. einige Zuckerfabriken, daß ihre Arbeiter fast ganz auf dem Lande lebm, meistens Haus und Garten, auch

kleine Landparzellen besitzen, die sie bewirttchaften und reichlich Gelegenheit zur Erholung verschafften.

die

ihnen

in

Von dmjmigen Mitgliedern, die bereits Urlaubseinrichtungen irgendeiner Form getroffen haben, nehmen manche Betriebe

in

verschiedenen

Großindustrien

eine

Vorzugsstellung

ein.

Sie

67 haben vorzügliche Wohlfahrtseinrichtungen und Vergünstigungen für ihre älteren Arbeiter unter Festlegung bedeutender Kapitalien vorgesehen. Ihre Urlaubseinrichtungen knüpfen sich an die Form von Erholungsheimen, die, in landschaftlich schöner Gegend gelegen, mit den Errungenschaften moderner Technik versehen, gewöhnlich 30 bis 50 Arbeitern zugleich Aufnahme gewähren. Die Arbeiter erhalten hier, indem auf Vorschlag und Befinden deS Kaffen­ arztes vornehmlich die der Erholung Bedürftigen und die älteren Arbeiter je nach Verdienst und Würdigkeit bevorzugt werden, in der Zeit von Mai bis Oktober, in sich abwechselnden Trupps von 30 bis 50 Personen, freien Aufenthalt und freie Verpflegung auf die Dauer von 8 bis 14 Tagen, ja sogar darüber bis zu vier Wochen. Als Entgelt für den entgangenen Lohn wird ihnen meistens eine Pauschal­ oergütung in Höhe von 15 bis 18 M. pro Woche als Taschengeld gewährt, indem sie Gelegenheit haben, sich durch fteiwillige Garten­ arbeiten in den Anlagen des Erholungsheims ganz nmnenswerte Beträge dazu zu verdienen. Bedingung für die Aufnahme in das Erholungsheim, dessen Hausordnung zu befolgen ist, ist das Freisein von ansteckenden Krankheiten, tadellose Führung und mehrjährige Tätigkeit in dem betreffenden Betriebe. Die Erfahrungen, welche mit diesen Einrichtungen bisher gemacht wurden, haben sich als günstig herausgestellt, indem eS manchen Be­ trieben gelungen ist, sich einen Stamm von Hunderten oder Tausenden von Arbeitem heranzuziehen, die bis zu 10 Jahren und weit darüber ununterbrochen in demselben Werk gearbeitet haben. Denjenigen Mitgliedsfirmen, die bereits ständige eigentliche Urlaubseinrichtungen getroffen und mit diesen fast durchweg gute Er­ fahrungen gemacht haben, ist gemeinsam, daß sie den Jahresurlaub, d. h. seine zeitliche Ausdehnung und die Urlaubsfähigkeit von der mehr oder weniger langen ununterbrochenen Tätigkeit in demselben Fabrik­ betrieb abhängig machen. Gewöhnlich beginnt die Urlaubsfähigkeit mit dem vollendeten 2. Dienstjahr und erstreckt sich auf zuerst 2 bis 3 Tage; mit jedem oder mit je zwei weiteren Dienstjahren steigt dann die Anzahl der UrlaubStage bis zu einer Grenze, die gewöhnlich im 10. Dienstjahr mit 14 Tagen jährlichen Urlaubs gezogen ist. Häufig gewähren die Werke ihren Arbeitern aber auch von vornherein einen jährlichen Urlaub von 3 bis 8 Tagen unter voller Lohnzahlung, ja, einzelne kleinere Gewerbetreibende und Gruppen von solchen in Bayern haben Tarifverträge bewilligt, in denen von den Gewerkschaften die Urlaubsbewilligung unter Lohnfortzahlung ausdrücklich festgesetzt ist. Im allgemeinen aber sind solche Verträge abgelehnt worden Bei

$•

68 einigen Firmen erhalten

die Arbeiter dann einen jährlichen Urlaub

von 1 bis 2 Wochen unter Gewährung eines Lohnpauschale, wenn sie 25 Jahre im Betriebe tätig gewesen sind. Einige Firmen gewähren ihren sämtlichen Arbeitern einen regelmäßigen Urlaub unter Fortzahlung

des Lohnes in der Weise, daß sie ihnen den Sonnabend nachmittag

vor Pfingsten

und

den ganzen Dienstag nach Pfingsten frei geben.

Außerdem bekommen ihre Meister, welche 25 Jahre im Dienst sind,

Ueberhaupt sind Urlaubseinrichtungcn

jährlich eine Woche Urlaub.

für Meister, Vorarbeiter und die ältesten Arbeiter bei dem überwiegen­ den Teil der eingegaugenen Antworten sestzustellcn.

die einzelnen Branchen anbetrifft, fp scheinen namentlich

Was

Papierfabriken das Institut der Urlaubsbewilligung bemerkenswert aus­ gebaut zu haben. Aber es finden sich auch zahlreiche Anhänger in der Textilindustrie; Eisen- unb Stahlwerke, Walzwerke, Schiffswerften

und Maschinenfabriken

stellen ein erhebliches Kontingent,

und sehr

zahlreich sind die chemischen Fabriken mit Urlaubseinrichtungen ver­ treten.

Beispielsweise teilt ein großer Verein chemischer Fabriken mit,

daß die ihm angehörenden Werke Arbeitern, die dauernd Tag- und Nachtschicht zu verrichten haben, einen jährlichen Erholungsurlaub von einer Woche gewähren, und zwar:

bei mindestens lOjähr. Dienstzeit unter voller Lohnzahlung,



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Zahlung von ^/z des Lohnes,

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Die Gewährung von Urlaub ist auch int Buchdruckergewerbe stark verbreitet und wirb vom Buchdruckerverband fortwährend gefordert. Für die nächste Tarifperiode (Beginn 1912) soll, wie man uns mitteilt,

der Verband

amtlich Zwangsferien unter voller Lohnzahlung bean­

tragen und dabei auf England Hinweisen.

In England hat man

aber Zwangsferien unter Fortfall des Lohnes eingeführt, wozu sich die deutschen Buchdruckereibesitzer sehr gern und leicht entschließen könnten, da sie im Sommer gewöhnlich wenig zu tun haben und vielfach Arbeiter entlassen könnten.

Man

hält

eine regelmäßige Urlaubs­

bewilligung im Buchdnickgewerbe, wenn sie mit Lohnzahlung verbunden sei, ganz besonders deswegen für unbillig, weil der Buchdruckertarif für jede Minute Uebcrstundenarbeit die Bezahlung einer vollen halben Stunde oorsehe und überdies Ueberstunden mit 20, 50 und sogar

100 pCt. Lohnaufschlag bezahlt werden müßten.

Demgegenüber stelltett

die Ferien für kaufitiännischc und sonstige Angestellte nur eine gerechte Kompensation für die vielen kostenlosen Ueberstunden dar, ivelche die Saison erzwinge.

69 Eine Firma,

die ihren im Akkordlohn arbeitenden Maschinen­

schreiberinnen, wie den kaufmännischen Angestellten, jährlich nach zwei­

jähriger Dienstzeit 14 Tage Urlaub und 2,50 M. pro Tag gewährt, darauf

weist

hin,

daß in Oesterreich nach § 17 des Handlungs-

gehülfen-Gesetzes vom 16. Januar 1910 für Handlungsgehülfen und andere Dienstnehmer in ähnlicher Stellung Urlaubszwang eingeführt

sei, und zwar: vom 1. bis 5. Dienstjahr 10 Tage jährlich, vom 5. bis 15. Dienshahr 2 Wochen jährlich, bei längerer Dimstdauer 3 Wochen jährlich.

Endlich liegt ein erhebliches Material aus den Jahresberichten

der Gewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1908 vor, woraus hervor­

geht, daß in sämtlichen preußischen Regierungsbezirken ohne Ausnahme, ferner in den Kreishauptmannschaften Sachsens, in Württemberg und

Baden eine mehr oder weniger große Anzahl von Fabrikbetrieben fest­

gestellt ist,

in denen die Urlaubsgewährung unter Fortzahlung des

So wird in dm meisten städtischm Bettieben Urlaub

Lohnes üblich ist.

nach folgmdm Abstufungen erteilt:

5 Jahren

Bei einer Dimstzeit von

7

16

10

II

20

14

II

II II

II



II

II



5 Tage jährlichen Urlaubs,

8

Im Landespolizeibezirk Berlin sind im Berichtsjahre gelegentlich der Reyisionm etwa 120 Betriebe festgestellt wordm, wo UrlaübSbewilligungm zur Regel geworden sind. Das gilt insbesondere von sämt­ lichm Betrieben des Vereins der Brauereien Berlins und der Umgegend,

in dmm durch Tarifverttag mit dem Zenttalverband deutscher Brauerei­

arbeiter für die Zeit vom 1. Januar 1907 bis 31. März 1910 auch die Urlaubsfrage

einheitlich

geregelt wordm ist.

Auch in anderen

Betriebm der NahrungSmittelindusttie erfreuen sich die Arbeiter dieser

Einrichtung

in

wettem Maße.

In

denjenigm LandeSbezirkm,

in

welchm seltener Urlaub erteilt wird, handelt eS sich vorzugsweise um

katholische Arbeiter,- das hängt damit zusammm, daß hier die Fabrikation an dm vielm Feiertagm fast gänzlich ruht und damtt dem Erholungs­ bedürfnis der Arbetter über das anderweit übliche Maß hinaus Rechnung

getragen ist.

Zu erwähnen ist noch, daß auch der prmßische Staat im Bettiebe der Eisenbahnen und in feinen Kohlenrevieren seit einigen Jahrm mit

der Einführung regelmäßigen Jahresurlaubs

unter Lohnbezug

be-

gonnm hat.

In Anbettacht dessen, daß die allermeistm Firmm, welche Urlaubseinrichtungm in irgendeiner Form

gewiffen Dienstalter und

getroffen haben,

diese von einem

guter Führung abhängig machm und mit

70 Rücksicht darauf, daß die bisherigen Erfahrungen fast ohne Ausnahnie alS gut bezeichnet werden, scheint sich die Einführung eines regel­ mäßigen Jahresurlaubs unter Lohnfortzahlung als ein Mittel zu er­ weisen, die Seßhaftmachung der Arbeiter zu erleichtern, ihren häufigen Stellungswechsel zu beschränken und die Heranziehung eines Stammes von älteren bewährten Arbeitern zu ermöglichen.

Mitteilungen des Instituts des Gentraloerbaudes

Deutscher Industrieller für ausländisches Kecht. Befristung 6er Mängelrüge nach italienischem Htecht. Einer Firma, die mit ihrem Abnehmer in Italien in Differenzen

erstattete das Institut auf Befragen

geraten war,

folgendes Gut­

achten: Nach Art. 1505 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs besteht

eine Sperrfrist von 3 Monaten von der Uebergabe der Sache an, so daß also nach Ablauf dieser Frist überhaupt keine Mängel mehr geltend gemacht werden können, auch wenn sie erst später entdeckt

sein sollten. Ferner bestimmt Art. 70 des italienischen Handelsgesetz­ buches, daß bei Distanzgeschäften offenbare Mängel innerhalb zwei

Tagen nach Empfang der Ware,

verborgene Mängel innerhalb zwei

Tagen nach der Entdeckung gerügt werden müssen.

In vielen Fällen

werden jedoch Komplikationen entstehen, die sich aus der italienischen Rechtsprechung in Verbindung mit dem codice civile ergeben. Eigen­ tümlicherweise unterscheidet man nämlich im italienischen Recht zwischen redhibitorischen Mängeln (8rt. 1498 ital. BGB.) und

wesentlicher

Eigenschaften.

werden kann,

Letzteres

liegt

vor,

den» Fehlen

ivenn

behauptet

daß der Fehler die Sache zu einer anderen gestaltet

habe, !als vertragsmäßig ausgeniacht war, und die Judikatur geht dahin, alle ausdrücklich im Vertrage envähnten Eigenschaften als

wesentliche anzusehen.

Da nun

die italienische Rechtsprechung

die

oben angeführten Bestinimungen nur auf die redhibitorischen Mängel,

nicht jedoch auf das Fehlen wesentlicher Eigenschaften anwendet, so ergibt sich im Gegensatz zur deutschen Rechtsanschauung ein zeitlich unbeschränktes

anspruch

Rücktrittsrecht

nach Art. 1165 ital.

vom

Vertrage

resp.

Schadensersatz-

BGB. wegen Fehlens wesentlicher

70 Rücksicht darauf, daß die bisherigen Erfahrungen fast ohne Ausnahnie alS gut bezeichnet werden, scheint sich die Einführung eines regel­ mäßigen Jahresurlaubs unter Lohnfortzahlung als ein Mittel zu er­ weisen, die Seßhaftmachung der Arbeiter zu erleichtern, ihren häufigen Stellungswechsel zu beschränken und die Heranziehung eines Stammes von älteren bewährten Arbeitern zu ermöglichen.

Mitteilungen des Instituts des Gentraloerbaudes

Deutscher Industrieller für ausländisches Kecht. Befristung 6er Mängelrüge nach italienischem Htecht. Einer Firma, die mit ihrem Abnehmer in Italien in Differenzen

erstattete das Institut auf Befragen

geraten war,

folgendes Gut­

achten: Nach Art. 1505 des italienischen Bürgerlichen Gesetzbuchs besteht

eine Sperrfrist von 3 Monaten von der Uebergabe der Sache an, so daß also nach Ablauf dieser Frist überhaupt keine Mängel mehr geltend gemacht werden können, auch wenn sie erst später entdeckt

sein sollten. Ferner bestimmt Art. 70 des italienischen Handelsgesetz­ buches, daß bei Distanzgeschäften offenbare Mängel innerhalb zwei

Tagen nach Empfang der Ware,

verborgene Mängel innerhalb zwei

Tagen nach der Entdeckung gerügt werden müssen.

In vielen Fällen

werden jedoch Komplikationen entstehen, die sich aus der italienischen Rechtsprechung in Verbindung mit dem codice civile ergeben. Eigen­ tümlicherweise unterscheidet man nämlich im italienischen Recht zwischen redhibitorischen Mängeln (8rt. 1498 ital. BGB.) und

wesentlicher

Eigenschaften.

werden kann,

Letzteres

liegt

vor,

den» Fehlen

ivenn

behauptet

daß der Fehler die Sache zu einer anderen gestaltet

habe, !als vertragsmäßig ausgeniacht war, und die Judikatur geht dahin, alle ausdrücklich im Vertrage envähnten Eigenschaften als

wesentliche anzusehen.

Da nun

die italienische Rechtsprechung

die

oben angeführten Bestinimungen nur auf die redhibitorischen Mängel,

nicht jedoch auf das Fehlen wesentlicher Eigenschaften anwendet, so ergibt sich im Gegensatz zur deutschen Rechtsanschauung ein zeitlich unbeschränktes

anspruch

Rücktrittsrecht

nach Art. 1165 ital.

vom

Vertrage

resp.

Schadensersatz-

BGB. wegen Fehlens wesentlicher

71 vorbedungener Eigenschaften.

Es handelt sich also in solchen Fällen

um Kontraktsklagen, nicht um Wandelung-- und MindemngSklagea,

mit denen überhaupt ein Schadensersatz nur im Falle der Arglist ge­

fordert werden kann.

Dieselben Grundsätze finden auch

auf den

Werklieferungsvertrag Anwendung.

ZlolkstrecLung deutscher 'Ilrteite in Italien. Die Anfrage einer Firma, unter welchen Voraussetzungen ein in Deutschland erlassenes Urteil von dm italimischm Behördm voll­ streckt werde, beantwortete das Institut folgmdermaßm:

Nach

dm §§ 941 ff. der italienischen Zivilprozeßordnung find

die Urteile ausländischer Gerichte in Jtalim nur vollstreckbar, nachdem fie von dem Appellhof, in dessm Bezirk sie vollstreckt werdm sollen, auf Grund einer summarischm Untersuchung für vollstreckbar erklärt

wordm sind.

DaS italimische Gericht hat dabei zu prüfm, ob daS

Urteil von dem zuständigm Gerichte erlassen wordm ist, die Parteim ordnungsmäßig geladm, gesetzmäßig vertretm oder in gesetzlicher Weise kontumaziert sind, and ob das Urteil Bestnnmnngm enthält,

die der öffmtlichm Ordnung

oder dem öffmtlichm Rechte JtalimS

widersprechm. DaS zu oollstreckmde Urteil muß dm Formm ent» sprechmd überreicht werdm, welche das deutsche Gesetz vorschreibt. Die Unterschriftm muffen von dem italimischm Minister ober Konsul

legalisiert sein und es muß eine Uebersetzung in italienischer Sprache beigefügt werdm, welche mtweder von dem italimischm Konsul oder einem vereidigtm Dolmetscher als mit dem Original Übereinstimmmd bescheinigt werden muß. Die Kostm deS BerfahrmS belaufen sich

auf etwa 60 bis 100 Lire. Das im Gerichtsstand des Erfüllungs­ ortes erlassene deutsche Urteil würde auf solche Weise in Jtalim

Vollstreckung erlangen.

Llngcrrisches Patentrecht. Die anfragmde Firma erhielt in auffallend kurzm Zeitabständen

von ihrem Wiener Patmtbureau Benachrichtigungen, daß sie für ihre ungarischen Patente einen „Ausübungsnachweis" erbringen müsse, widrigenfalls sie ihrer Patmtrechte verlustig gehen würde, und bat

deshalb um mtsprechmde Aufklärung.

Die Auskunft deS Instituts

lautete: Das ungarische Patentrecht, welches durch Gesetz von 1895 geregelt ist, bestimmt, daß für jedes Patmt 15 Jahre hindurch

jährlich eine Gebühr zu entrichten ist, die im ersten Jahr 14 Kr. auSmacht und stufmweise im 15. Jahr die Höhe von 500 Kr. erreicht.

72 Nach

dieser Bestimmung

ist also tatsächlich jährlich eine bestimmte

Summe als Patentgebühr zu entrichten. Weitere Verpflichtungen hat der Patenteigentümer nicht, einen Ausführungsnachweis erfordert das ungarische Patentgesetz

überhaupt nicht.

Wenn das Patent nicht

auSgeübt wird, so kann zwar von dritter Seite eine Klage auf Rück­ nahme des Patentes erhoben werden, dringt der Kläger dmnit durch, so wird aber dem Beklagten nicht etwa das Patent genommen, sondern es ergeht an chn zunächst eine Aufforderung, das Patent auszuüben. Uns gewordener Jnformattonen zufolge soll es nun eine Gepflogenheit einzelner Wiener und ungarischer Patmtbureaus sein, daß sie scheinbar, um einer etwaigen Rücknahmeklage zu begegnen,

in

Wahrheit aber, um Gebühren zu verdienen, sogenannte Ausübungs­ oersuche machen, indem sie nämlich in dm Blättem inserieren, es sei ES ist dies ein Mißbrauch besonders

eine Patmtlizenz zu vergebm.

zweifelhafter Patmtbureaus, und es ist kein Patentinhaber verpflichtet, diese Ausübungsgebühr zu bezahlm.

Kigentnwsvorbehalt an Maschinen nach russischem -M-cht. Eine unserem Jnstttut angehörige Firma erhielt auf Beftagen folgmdes Gutachten:

Die Frage nach dem Eigmtumsvorbehalt ist verschiedentlich zu beantworten, je nachdem der Kauf der Maschinen ein Handelsgeschäft

bildet oder nicht.

Im ersteren Falle werden die allgemeinen Normen

des Handels- und Zivilrechts angewandt, und im zweiten das Sondergesetz über Verkäufe auf Abzahlung vom 9. Februar 1904, welches seit 1906 die §§ 15091 und 15096 des 10. Bandes der

mffischen Gesetzgebung bildet-

doch sei bemerkt,

daß der Unterschied

praküsch nicht bedeutend ist, und das Spezialgesetz den Käufer nur gegen Bewucherung, etwa durch Verfall der Teilzahlungen

schützen will.

Im

allgemeinen gewährt das russische Recht

einen sehr weitgehmden Schutz.

dem Verkäufer

Er kann sich das Eigentumsrecht

vorbehaftm, hat im Konkurse ein Absondemngsrecht und kann stets die Maschinen wieder von den Gebäudm trennen, auch wenn sie fest

eingebaut warm. Der Käufer, die Maschinen weiter veräußert,

welcher

ttotz

dieses

Vorbehalts

begeht eine Unterschlagung nach

Art. 1681, 1682 des russischen Strafgesetzbuchs. Gutgläubige dritte Enoerber

gmießen nur einen Schutz nach

dem vorerwähntm Gesetz vom 9. Februar 1904. Das allgemeine Recht front einen solchen Schutz nicht, und die Gerichte sind ihm

73 geradezu feindlich gesinnt-

mindestens verlangen sie den Beweis des

guten Glaubens. So

kann

muß man

man

des

Herausgabe

nach

sagen,

Eigentums

im

daß

allgemeinen

Nur in

durchgreist.

die

Klage

auf

gewissen Fällen dem

dem Rechte der Ostseeprovinzen und Polens

den Kaufpreis

gutgläubigen Erwerber

ersetzen,

niemals

dem

nach

allgemeinm russischen Recht. Zwangsvollstreckung kann sowohl in die verkauften Maschinen,

als

auch

in

das

nachgesucht werdm.

übrige Vermögen

käufer kann sowohl Vergütung als Schadensersatz

Der Ver­

vom Käufer bei

Rücktritt verlangen, nach dem Gesetz vom 9. Februar 1904 aber erst, nachdem zwei Raten verfallen sind.

Die schon erhaltenen Zahlungen

werden verrechnet, dürfen aber nicht einfach zugunstm deS Verkäufers

verfallen. Die Käufers,

verkauften

tonnen

Gegenstände

aber

auch

dort

gehören

zur

abgesondert

Konkursmaffe

des

wenn

der

werden,

Vertrag über den Eigentumsvorbehalt notariell abgeschlossen ist, also ein sicheres Datum trägt. Obwohl das Gesetz nichts Ausdrückliches hierüber bestimmt,

müssen

doch solche Berttäge,

fv

um Dritten gegenüber wirksam zu sein,

notariell geschloffen werden, sonst erkennt das Gericht das Datum

nicht an.

In das Grundbuch aber kann Eigentumsvorbehalt an Mobilien (und solche bleiben die unter EigmtumSvorbehatt verkauften Maschinen)

nicht eingetragen werden.

Bei diesen Entscheidungen stützt sich das allgemeine Recht fast ausschließlich auf die gesetzlichen Bestimmungm, welche die BertragSfteiheit garantieren,

also vor allem auf § 1528 und über den Kauf­

vertrag von Mobilien auf §§ 1510 ff. der 10. Bandes.

So ist die Rechtslage, anders sind die tatsächlichen Verhältnisse. Die Findigkeit der russischen Handelsleute und die Langsamkeit

der

russischen

Gerichte

ermöglicht

es

dm Käufern,

trotz strenger

Gesetze und Kontrakte dm Verkäufer um sein Recht zu bringm.

Fast

täglich hört man in Rußland von genial durchgeführten Operationen

zahlungsunfähiger schwindm laffm.

sein

Schuldner,

welche

ganze Fabrikm spurlos

ver-

Der Verkäufer muß also hier doppelt auf der Hut

und möglichst dm Kaufpreis

hinterlegm laffm oder sich durch

andere Sicherheit zu betten suchen, wenn er nicht seines Abnehmer­ vollständig sicher ist.

74

Kartellgedanke und Kartellpraris. Bortrag, gehalten auf Veranlassung de» Verband- Deutscher Tonindustrieller auf der Versammlung der Deutschen ZiegeleioerbLnde -u Dresden am 24. Juni 1911 von Dr. Ballerftedt

Die Tatsache, daß das Kartell- und Verbandswesen in unserer jetzigen WirtschastSära eine überaus große Rolle spielt, wird von Theorie und Praxis einmütig anerkannt. Auf der Mannheimer Tagung deS Vereins für Sozialpolitik im Herbst 1905 begann Pro­ fessor Schmoller seinen Bortrag über das Verhältnis der Kartelle zum Staat mit den Worten: dem volkswirtschaftlichen Thema der Kartelle komme heute kein anderes gleich; denn es schließe die un­ geheuren sozialen und organisatorischen Veränderungen in sich, die seit 40—50 Jahren im Begriff seien sich durchznsetzen. Und der zweite Hauptredner zur Sache, Geheimrat Kirdorf vom rheinisch­ westfälischen Kohlensyndikat, stimmte Schmoller durchaus dahin zu, daß durch die Notwendigkeit der Kartellbildung, die in unser in­ dustrielles Lebm gekommen, eine vollständige Umgestaltung der be­ stehenden volkswirtschaftlichen Berfaffung und ein Gegensatz zu alten volkswirtschaftlichen Idealen eingetreten sei. Wirklich handelt es sich hier, wenn man von größeren Gesichts­ punkten auszugehen versucht, um ein weiteres Glied in der Kette, welche wieder zurückführt von der auch bei uns ein paar Jahrzehnte in Geltung gewesenen Theorie des manchesterlichen Gewährenlassens und des individualistischen Systems zu einer staatlichen oder gesellschaftlichen Regelung der Verhältnisse. Am vollständigsten, so kann man wohl sagen, ist der Umschwung erfolgt auf sozialem Gebiet. Früher vertrat namentlich der Liberalismus, und zwar um so schärfer, je weiter er links stand, das Prinzip des laissez faire laissez aller und der Unzulässigkeit der Einmischung des Staats, dem nur eine Art Nachtwächterrolle zugeschrieben wurde. Schon seit einer Reihe von Jahren aber wollen alle Parteien Sozialpolitik treiben, ja leider überbietet man sich nur zu sehr in sozialpolitischm Zwangs­ maßregeln. Freihändlerisch warm bis weit in die siebziger Jtchre des vorigen Jahrhunderts hinein sogar unsere Konservativen, Md noch bei dem Umschwung unserer Handels- und Zollpolitik im Jahre 1879 galt politisch liberal und wirtschaftlich freihändlerisch als

75 durchaus

zusammengehörig.

liberalen

Partei,

Der kleine rechte Flügel der national»

die

damals

welcher

Politik

BiSmarcksche

des

der nationalm Arbeit mitmachte, ward nach dm Namen

Schutzes

seiner süddmtschen Führer Schauß und Völk als „schäußliche Böller­ verhöhnt und

schaft"

Jetzt,

treten.

in

aus der nationalliberalm Partei auS-

mußte

letztm

dm

hat

Jahrm,

sich

die

gesamte

nationalliberale Partei offen und ausdrücklich zu dieser Politik neunziger Jahrm

dm

Das eigmllich erst in

der nationalm Arbeit bekannt.

deS Schutzes

aufgekommme

Kartell-

und BerbandS-

wesen, welches man zuviel nur als eine Verschärfung und Konsequmz erfuhr grundsätzlich ähnliche mißtrauische

deS Schutzsollsystems ansah, Jüngst hat

Gegnerschaft.

in dieser Richtung das Blatt

sich sogar

bemerkmSwert gewmdet. Es ist gerade ein Jahrzehnt verflossm, seit zum erstenmal im

Reichstag

ein

speziell

gegm

welches

bis

das

ganze

Sturm

Kohlensyndikat,

die Angriffe am meisten richteten,

heute sich

System grundlegmd war und

nötiges Produkt

vom

der Kohlennot verlangten

gesetzgeberische

dringlich

da es für

Aus Anlaß

1900

gegm

ein allen Berbrauchem

Jahre

kontrolliert.

Hochära

wirffchastlichm

Parteien

die Kartelle und Syndikate losbrach,

gegm

rheinisch-westfälische

daS

Einschränkung

deS

in

der

verschiedene

KartellwesmS.

Es folgte die von der Regiemng veranstaltete Kartellenquete, jahraus erhobm sich neue Vorstöße und Kartelldebatten im Reichstage

jahrein

Im Winter 1906/07 nahm der Reichstag

und im prmßischm Landtag.

mit großer Mehrheit einen vom Zentrum und von denKonservatiom

eingebrachten Antrag an, welcher die Regiemng zur Vorlegung eines Kartellgesetzes

aufforderte und strenge Richtlinim dafür feststellte.

Die Regierung

hat sich jedoch wenigstms auf diesem Gebiete, ba*.

viel zu sehr im Fluß befindlich erklärte,

sie noch

Experimenten

dilatorisch

abweismd.

und

hergegebm.

nicht

vertröstmd,

Früher dm

in

zu gesetzgeberischen

verhielt

sie

fich

mehr

letztm Jahrm ziemlich rundweg

Staatssekretär Delbrück erklärte im vorigen Frühjahr, em

allgemeines Kartellgesetz würde doch ein Messer ohne Schneide bleiben, voraussichtlich mehr schaden als nützen; hmer stellte er nur nach dem

Vorgang

beim

mischung

bei einzelnen Verbänden in Aussicht,

ebenso

Kaligefetz

bedmklich

ist,

wie

im

Notfall

die

etwaige

Einschraubung

gesetzgeberische Ein­

was allerdings fast im

ganzen.

Dem

Reichstag machte bei dm Kartelldebqttm im März 1908 der jetzige Reichskanzler und

damalige Staatssekretär des Innern Herr vqn

Bethmann Hollweg dm Vorwurf, daß dort einseitig nur Angriffe

gegm das Kartellwesen laut, geworden seien, hgß kein Mensch da sei.

76 der einmal die Sache vom Standpunkt des Erwerbslebens darlege, die Regierung gelte dann als Verteidiger der Kartelle, weil sie versuche, unbefangen und gerecht die Verhältnisse gegeneinander ab­ zuwägen. Im vorigen Jahr konnte sich Staatssekretär Delbrück darauf berufen, wie auch der freisinnige Abgeordnete Kämpf manches Gute von dm Kartellen gesagt habe, dessen FraktionSgenosse Ab­ geordneter Gothein bekanntlich von jeher zu ihren schärfftm Gegnern gehörte. Femer warnte im Reichstag auch der freisinnige Abgeordnete Dove vor dem Erlaß eines Kartellgesetzes. Auf konservativer Seite hat der eifrigste und sachverständigste Widersacher, Graf Kanitz, seinen langjährigm Kampf gegen die Kartelle ziemlich eingestellt und auch die Kreuzzeitung hat schließlich gesagt, der Staat müßte sich mit dem Abwarstn begnügen. Ja man erlebte die erstaunliche Tatsache, daß jüngst das preußische Abgeordnetmhaus den Staat zum Eintritt in das früher so viel und bitter befehdete Kohlensyndikat aufforderte! 0 quae mutatio rerunj, rief dazu ein Berliner Freisinnsorgan: der früheren allseitigen Klagen über die rücksichtslose Preispolitik des Kohlensyndikats nehme sich jetzt nicht einmal eine Partei mehr an. Zeigt somit die Stimmung in den Parlamenten sich derzeit dem Kartellwesm augenscheinlich duldsamer, so dürste das zumeist auf der überhaupt allgemein gewordenm Ueberzeugung beruhen, daß, wohl oder übel, in unserem mobemen Wirtschaftsleben derartige Ver­ einigungen und Zusammenschlüsse notwmdig sind und nicht zu viel behindert werden dürfm. Versuche, welche u. a. der deutsche Juristen­ tag und der Verein für Sozialpolitik vor Jahren untemahmm, um auf diesem Gebiet regelnd einzugreifen oder Richtlinien aufzustellen, sind nicht wiederholt wordm. Auch die Rechtsprechung wurde im ganzm mehr und mehr dem praktischen Bedürfnisse gerecht. Der anfänglich von gegnerischer Seite erhobene Einwand, Kartelle, Syndikate, Konventionen, kurz alle mit einem gewissen Zwang be­ triebene Verbände widersprächen dem Grundsatz der Gewerbe­ freiheit, ist vom Reichsgericht zurückgewiesen worden, indem es verständigerweise mehr Rücksicht auf die Praxis als aus die Theorie nahm. Denn es läßt sich schließlich kaum leugnen, daß alle die, zum Teil recht scharfen und weitgehenden Einschränkungen und Verbote bei Kartellen mit dem früheren Dogma der Gewerbesteiheit nicht ganz harmonieren. Kann man aber von einer Gewerbesteiheit überhaupt noch reden, wo heutzutage der Staat dem gewerblichen Unternehmer durch unzählige sozialpolitische, polizeiliche, sanitäre usw. Vorschriften Freiheit und Selbstbestimmung in einer den entschiedensten Widerstand und nmhrhafte Verbitterung hervorrufenden Weist entzieht? Auch die

77 Gewerbefreiheit im Sinne des früheren Manchestertums gehört einer vergangenen Zeit an, ist beinahe nur zum Schlagwort geworden. Um den Kartellen die Möglichkeit zu gewähren, ihre Mitglieder zur Einhaltung der vertragsmäßigen Vorschriften und Verpflichtungen zu zwingen, hat das Reichsgericht leidlich weiten Spielraum gewährt. Noch vor etwa einem Jahrzehnt wurde einmal der Lester eines Ver­ bandes, der Außenstehende durch die Androhung der Lieferung-sperre gefügig machen wollte, wegen Erpressung zu ein paar Monaten Gefängnis verurteilt. Seither ist feststehende Rechtsprechung ge­ worden, daß der Boykott an sich nicht gegen die guten Sitten verstößt und erlaubt ist, solange damit nicht die Existenz des Bettoffenen vernichtet oder bedroht wird. Auch Hatz. B. das Reichs­ gericht dahin Stellung genommen, daß Bereinbamngen von Bewerbern bei Submissionen erlaubt find. Will der Ausschreibende in seinem Jntereffe möglichst bMg wegkommm und die Konkurrenten gegen­ einander ausspielen, so ist laut Erklärung des Reichsgerichts das Jntereffe der Gewerbetteibenden und Lieferanten ebenso berechttgt, wenn sie sich durch Abmachungen untereinander gegen ein Preis­ drücken bei Ausschreibungen schützen wollen, das sogar für das Allgemeinwohl schädlich sein könne. Nur muffen die Vereinbarungen derart Betätigt werden, daß nicht geradezu eine Täuschung Hervor­ gemsen roirb, die mit Recht strafbar bleibt. Gegenüber einer früher schwankenden Rechtsprechung haben die vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts im Jahre 1905 maßgebend entschieden, daß, wenn in einem Verbände ein Mitglied nach dem noch geltmden § 270 des alten preußischen Sttasgesetzbuchs sich strafbar macht, indem eS andere Mitglieder unter Versprechen von Borteilm vom Bietm bei einer durch eine öffmtliche Behörde veranlaßten Submission abhält, dadurch der Verttag an sich noch nicht als nichttg anzusehen ist. Also auch hier schützt das Reichsgericht möglichst die Bereinbamngen. Meine Herrm, der Kartellgedanke hat ferner bemerkenswerte Fortschritte gemacht in der Richtung, daß man die Arbeiterfragen und die Arbeiterorganisationen mit den Kartellvereinigungm der Untemehmer verquicken möchte. Das geschieht seitens theoretischer Sozialpolitiker, vereinzelt auch von praküsch wirksamen Fachmännem und seitens der Sozialdemokratie. Man hat schon früher überhaupt stellenweise dm Kartellen und ähnlichm Gebilden eine größere Rolle zuweisen wollm, als sie wirklich haben, nämlich wirffchaftlich die Er­ zeugung, dm Markt und die Preise von Warm zu regeln, unvemünftigem Wettbewerb mtgegenzuarbestm. Idem, derm Flug allzu kühn ins Weite geht, sind ja auch betteffs anderer wirtschaft-

78 licher und sozialer Einrichtungen gelegentlich

erwies

gehegt worden.

sich seinerzeit selbst Fürst Bismarck dem Gedanken

So

günstig

gesinnt, welcher dm als Träger der Unfallversicherung geschaffenen Berufsgenossenschaften ein viel weiteres Gebiet berufsständischer Vertretung, mit Hinübergreifen auch in die Politik, vorbehalten

wollte.

Es ist wahrscheinlich zum Vorteil der eigentlichen Aufgabe

der Berufsgenossenschaften gewesen,

daß sich jene umfassenden Ideen

nicht verwirklicht haben. Sehnlich dürfte es sich betreffs der Kartelle oerhaltm. Dabei kann man absehen von Vorschlägen, welche sich in das Gebiet der unbegrenzten Unmöglichkeiten verlieren, Herm Professor Kleinwächter,

wie jene des

der zuerst die Kartelle wissenschaftlich

erörterte und dann sehr stark ins Zeug ging.

Nach ihm sollten sie

verpflichtet sein, zum Entgelt für staatlichen Schutz die Arbeiter der ihnm angehörigen Betriebe lebenslänglich anzustellen mit genügendem Mindestlohn, mit Recht auf Borrückm, Pmsion, Versorgung von Witwm und Waism usw. Ja, leicht beieinander wohnen

die

Gedanken,

doch

hart

im

Raume

stoßen

sich

Sachen.

die

Soweit ist selbst die, wmigstens in ihrem Sinne praktischere Sozial­ demokratie nicht gegangen. Immerhin erscheint es charakteristisch,

auch sie sich ganz gern an den Unternehmerkartellen teiligm möchte und dies neuerdings offiziell dokumentiert

wie

be-

hat.

Grundsätzlich bekämpft sie dieselben als unmoralische kapitalistische Gebilde und Machtfaktoren- könnm sie aber dm Arbeiter- resp, sozialdemokratischen Interessen dienstbar gemacht werden — ja Bauer,

dann ist es ganz was anderes!

Bei der vorerwähnten Erörtemng

des Beitritts des preußischen Staats mit seinen Zechen zum Kohlen­

syndikat erklärte am 22. Mai d. I. der Sozialdemokrat Leinert im preußischen Abgeordnetenhause: seine Partei sei auch der Meinung, daß die Kartelle durchaus segensreich wirken könnten, indem durch dm Zusammmschluß eine Erhöhung der Löhne einträte, die Kartelle

berufm sein tonnten, Tarifverträge mit der Gewerkschaftsorganisation

abzuschließen,- unter solchen Garantien würde die Sozialdemokratie dem Eintritt des Staats in das Kohlensyndikat zustimmen.

Aehnliche

wonach, kurz gesagt, die Arbeitslöhne mit den Waren­ preisen des Kartells fest in Zusammenhang gebracht, d. h. mit ihnen

Ideen,

erhöht werden sollen, und zugleich zur Fernhaltung der Konkurrenz

mit Hülfe der Gegenpartei zwischen kartelliertem Unternehmertum und Gewerkschaften eine Art Bündnis abgeschlossen werden sollte, sind jüngst auch in literarischm Erscheinnngen bürgerlicher Fachschriftsteller eifriger

vertreten wordm, so

in Büchem von Liefmann, Tschierschky,

Utsch.

In die Praxis sind sie bei uns wenig überführt, einigermaßen aller-

79 dingS im Buchdruckergewerbe.

Selbst in England, wo man jene

sogenannten „Allianzverträge" — die weiter gehen als die gewöhn­ lichen Tarifverträge — seit Jahrzehnten zu entwickeln suchte, haben sie

sich nach dem Eingeständnis Professor LiestnannS nicht zu halten ver­ mocht. Sie roerbcn abgewiesen von der weit überwiegenden Mehrheit des deutschen Unternehmertums. Auf diesem Wege vermöchtm auch

die Kartelle Tummelplätze und Machtmittel der Sozialdemokratie zu werden. Mit gutem Bedacht hat man zur Regelung von Arbeitsfragen

besondere Arbeitgeberverbände gegründet, die allerdings stellenweise Verträge mit Kartellen abgeschlossen habm.

Uebrigens haben sich die

Arbeitgeberverbände im ganzen haltbarer erwiesen als die Kartelle; letztere mürben, menn man sie zu ihren überdies schwierigen Aufgaben noch mit Arbeitsstreitigkeiten belasten wollte, erst recht an Grundlage und Sicherheit verlieren und

Arbestern

nicht gedient.

damit

wäre

auch

den

interessierten

Gediehe aber erfolgreich ein allgemeines

Zusammenwirken von Unternehmerkartellen und Arbeiterorganisationen, dann würden natürlich mit der Erhöhung der Löhne die Warenpreise

entsprechend steigen, und die Konsumenten — darunter große Kreise der Industrie selbst — hätten die Kosten zu tragen, soweit sie es sich

gefallen lassen müssen. Aus ihrer Haut mürben die Riemen zum Zusammenhalt und Vorteil von Kartellen und Arbeiterorganisationen geschnitten. Meine Herren, diesen Fortschritt deS Kartellgedankens be­ züglich der Verquickung mit der Arbeiterstage wird man vom Stand­

punkt der Industrie kaum empfehlen. Aber zweifellos kann dem Kartellwesen förderlich sein die Tatsache, daß chm ein allgemeines Kartellgesetz mit unberechenbaren Einschränkungen und Heunnniffen nicht droht, jetzt weniger noch als früher; daß ihm die Stimmung

in

den

Parlamenten

feindselig sich

behandelt, -verbände,

zeigt;

und

in

politischm

daß die Rechtsprechung

besser sogar als deren Abmachungen

die nach

die Klagbarkeit abgesprochen wurde,

es

Kreisen

gut

weniger

oder leidlich

Arbeitgeberund Arbeiter* § 152 der Gewerbeordnung

während man sie den Kartell­

verträgen gewährt. Nun aber kommt die Kehrseite der Medaille.

Trotz dieser

günstigerm Umstände haben faktisch die Kartelle gerade in letzter Zeit keineswegs eine entsprechmd günstige Entwickelung genommen. Es haben

unter ihnm

mehr

Auflösungen

und

Erschütterungen

und

Streitigkeiten stattgefundm als neue Zusammenschlüsse und Festigungen. Selbst die mächtigsten Gebilde, das rheinisch-westfälische Kohlmsyndikat und der StahlwerkSoerband, erscheinm zurzeit in ihrem Bestände sehr

80 und selbst von nicht dem Kartellwesen

gefährdet,

geneigten Stimmen kann man überlebt und wir ständen

grundsätzlich ab­

lauter die Ansicht hören, es habe sich

im Uebergang zu einem Regime anderer

zur Herausbildung einzelner enormer Unternehmungen und Unternehmer-Konzerne nach Art amerikanischer Vertrustung. Zuni Teil führt ja die natürliche Entwickelung von selbst auf den Groß­

Art,

Aber man darf bezweifeln, ob es für unser ganzes Wirt­

betrieb hin.

nützlich

schaftsleben

ist,

kleineren und mittleren schleunigt wird.

wenn

in

dieser Prozeß der Aufsaugung

Riesm-Konzernen

mehr

der

a!8?. nötig be­

Dabei braucht man sich noch nicht allzusehr vor der

Argumentation der Sozialdemokratie zu fürchten,

daß ihr schließlich

die Enteignung weniger Riesenbetriebe leichter fallen würde als

von Tausenden oder Millionen kleinerer.

die

Besonders in der Montan­

industrie haben die Schwierigkeiten, welchen die Aufrechterhaltung des bisherigen Kartellsystems begegnete, großartige Fusionen hervor­ gerufen und beschleunigt. Die bedeutendsten Kohlenbergwerke schafften

sich

eigene Hüttenwerke an, umgekehrt legten sich Eisenwerke eigene richteten zugleich ihre Betriebe auf die Weiter­

Kohlenzechen zu und

verarbeitung

und

werke ufro.;

alles

ein,

Verfeinerung wesentlich

deshalb,

kauften Walz-

und

Röhren­

um möglichst für sich allein

gerüstet zu sein, und unabhängig alles selbst herstellen zu können für den Fall, daß die großen Verbände gesprengt werden und wieder ein

Kampf aller gegen alle anhebt. Gewiß haben die führenden Kohlenund Eisenunternehmungen diesem Expansions- und Fusionsdrang nicht

immer gern nachgegeben, sondern

sie fühlten sich durch die Verhält­

nisse mehr oder weniger getrieben.

In manchen anderen Industrien

enorme Zusammenballungen ohnedies nicht so leicht Fast überall aber ist in Wirklichkeit gemeinsam der

sind derartige

möglich.

Fehler der mangelnden Solidarität und der mangelnden ver­ ständigen Bescheidung. Und damit schädigt sich ein an sich gesundes

Kartellwesen nur selbst.

Es

heißt seine Grundlagen erschüttern oder

verneinen, wenn in einem Verbände die Mitglieder ihre Beteiligungen so hoch verlangen, daß das eigentliche Ziel des Verbandes, die Ein­ schränkung der Ueberproduktion

erreicht

und

der Schleuderpreise,

gar nicht

werden kann' oder wenn einzelne Werke, um bei Ablauf des Verbandes ein weit größeres Kontingent zu

und Erneuerung

erhalten, ihre Anlagen unmäßig vergrößern, ohne genügende Rücksicht darauf, daß daraus gerade in schlechten Zeiten die übelste Krise er­

wachsen kann. Es widerspricht weiter dem Geist des Kartellwesens nicht nur, sondern auch einem anständigen Geschäftsbetrieb überhaupt, wenn eingegangene Verpflichtungen nicht innegehalten, mit unschönen

81 oder geradezu gebrochen werden.

Mitteln zu umgehen gesucht

doch kommt so etwas nur zu oft vor-

hörte man häufiger,

mit

leider

einiger

Berechtigung,

brandmarkende Benennung „Mogelsyndikat". um den Absatzmarkt hart und man muß

die spöttisch

Gewiß ist der Kampf

im Erwerbsleben mehr mit

dem Egoismus des einzelnen als nut Gemeinsinn rechnm.

ist es auch besser, man

gestaltet

Und

gerade in den letzten Jahren

Deshalb

die Organisation möglichst stramm

mit schnell durchführbarem Zwang.

Die Ansicht ist immer allgemeiner

durchgedrungen, daß die höchste Kartellform, das Syndikat mit dem

Nur ist sie nicht

Verkauf durch eine einzige Stelle, die beste ist überall

und

gibt weüer

nicht immer

die Tatsache

erreich«.

von vornherein zu

einen untrüglichen Beweis

Indessen

für die Not­

wendigkeit der Kartelstiereinigungm und auch für die fortschrestende

Erkenntnis

dieser Notwendigkeit,

daß

trotz

allen Fehlschlägen,

trotz

unendlich viel vergeblicher Mühe und Arbeft und Verärgerung immer

wieder von

neuem Verabredung« und Bereinigungen zustande zu

bringen versucht wird.

ES ist ost eine wahre SyfiphuS-Arbeit; und

wmn trotzdem die in ihren Industriezweigen führenden Männer, die wahrlich

ohnedies

in

eigenen Betrieben und mit Ehrenämtern in

gemeinnützigen und sozial« Aufgaben genug zu tun haben, sich nicht

scheuen, die Quälerei zur Fertigbringung neuer Verbände oder Ver­

besserung und Verlängerung bestehmder, abermals und abermals auf sich zu nehmen, — dann muß wohl die zwingende Ueberzeugung bestehen,

daß eS ohne eine Einigung nicht geht.

Wo Syndikate schließlich

doch zerfiel«, wie die für Rohessen, Röhren, Drahtstifte usw., da strebte man alsbald von neuem aufzubauen, zunächst durch losere Konventionen

und mehr örtliche Bereinbarungm.

zur

Vielfach bemühen sich schon die

Wahrung allgemeiner gemeinsamer Interessen

begründet«

industriellen Verbände, Preisbestimmungen durchzusetzen.

Ich glaube,

nur

es gibt in der Entwickelungsgeschichte deS

deusschen Kartellwesens

kaum einen Fall, wo einmal bestandene oder angestrebte Vereinigungen

definitiv für immer fall« gelassen sind.

Und wie müht man sich, wenn man auf eine Weise nicht zum

Ziel kommt, andere Wege ausfindig zu machen.

Mannigfaltigkeit und

Für

diese enorme

Wandlungsfähigkeit nur ein Beispiel.

Schon

bei der Kartellenquete waren im Spätjahr 1905 die Verhandlungen über die Verbände in der Tapetenindustrie recht erregt gewesen.

1906 löste sich da- Hauptkartell,

fabrikant«,

suchen:

auf.

der Verein der deusschen Tapeten­

Nun wollte man

es mit einer Vertrustung ver­

1907 wurde zu deren Vorbereitung der „Verband Tapeten­

industrie" Heft 123.

gegründet-

1908

würd« wirklich

14

der bedeutendsten

82 Tapetenfabriken mit fast der Hälfte der deutschen Produktion zuin die „Tapeten-Jndustrie-Aktiengesellschast" (sog.

sammengeschweißt

„Tiag").

Aber die erstrebte Einverleibung weiterer Tapetenfabriken

gelang nicht;

es entstand

vielmehr

ein Gegenoerband unter dem

Zunächst bekämpften sich der Trust und dieses Kartell heftig, wobei, wie überhaupt in der Namen „Verein deutscher Tapetenfabrikanten".

Tapeteyindustrie, die Händlerfrage eine große Rolle spielte. Im Frühjahr 1909, nachdem man sich gegenseitig genug geschädigt,

und einen Kartelloertrag unter sich.

Der

Tapetentrust hatte schlechte Geschäfte und Erfahrungm gemacht.

Der

schlossen

beide Frieden

größte Betrieb, die Tapetenfabrik „Hansa", schied aus und schließlich gab die große Trust-Akiengesellschast sämtliche Fabriken an die Bor­ besitzer zurück. Einige waren zur Uebernahme nicht in der Lage, dafür wurden dann ein paar kleine Aktiengesellschaften errichtet. Das

sind doch wirklich komplizierte Schicksale; aber den Gedanken und das Streben nach neuer, befferer Einigung hat man auch in dieser Industrie der

nie

großen

und

heute

noch nicht verloren,

Spezialisierung

der

Produkte

obwohl dort wegen

Preisfestsetzung

und

Kartellierung besonders schwer ist. Mitte dieses Monats hat eine Versammlung einen neuen allgemeinen Zusammenschluß in der Tapeten­

industrie erörtert. Hier hat sich also eine große Fusion, ein Trust als nicht vor­ teilhaft erwiesen.

Ueberhaupt bleibt zu wünschen, daß wir auf diesem selbst wenn bei

Gebiet nicht zu sehr amerikanischem Muster folgen, uns die Trustbildung solider gehandhabt würde.

Unter bett deutschen

Berbandsformen der Konventionen, Kartelle und Syndikate bleibt doch dem Unternehmungssinn und

der Selbstbetätigung

des einzelnen

noch ein gewisser Raum, während der Trust alle Selbständigkeit ver­ schlingt. Dafür erfordert aber die deutsche DerbandSart auch noch

mehr Disziplin und Gemeinsinn des einzelnen.

Und in dieser Be­

ziehung scheint, wie gesagt, der Kartellgedanke keinen rechten Fort­ schritt gemacht zu haben. Die Daumschrauben eines Kartellgesetzes

drohen weniger; die Stimmung bei Politikern und im Publikum hat sich dem Kartellwesen günstiger gestaltet, weil man es unentbehrlich glaubt und aus dem Fall der grundlegenden Kartelle geradezu eine

wirtschaftliche Krise befürchtet.

nicht hinderlich.

Die Rechtsprechung

ist den Kartellen

Genug, der Boden ist üjtten mehr geebnet; es liegt

an der deutschen Industrie selbst, ihn entsprechend zu bebauen.

Sorgt man nicht genügend für Solidarität mit Selbständigkeit, so kommt

immer mehr die Zusammenschweißung ohne Selbständigkeit in Trusts

oder — die staatliche Einmischung und die Verstaatlichung, nach

83 der ohnedies viele der Industrie mit wenig Freundlichkeit nnd wenig Verständnis gegenüberstehende Politiker rufen. Verstaatlichung

mag

Die ganze oder halbe

im Einzelfalle aus der Not helfm, wird aber

als System zum Unheil und entspricht

sicherlich nicht dm Wünschm

Mr habm ohnedies

der deutschm Industrie in ihrer Gesamtheit.

übergenug

von

staatlicher Zwangsfürsorge.

Als

die Kaliindustrie,

das Kalisyndikat sich wegen unvernünftiger Kämpfe im eigenen Lager und Ueberproduktion und Außenseitem nicht mehr selbst helfm konnte, aber unter Be-

halfm allerdings der Staat und die Gesetzgebung-

dingungm,

die der sozusagm unter Kuratel

gestellten Kaliindustrie

schließlich selbst keine volle Freude machm börsten: staatliche Festsetzung der

Preise, Kontingentierung, besondere Befchränkungm wegm der Arbeits­ löhne und ArbeitSzestm.

Dieses Beispiel sollte die dmtsche Industrie

nicht reizm, die noch stolz ist darauf, auS eigmer Kraft hochgekmnmm zu

sein und ihre Selbständigkeit zu wahrm.

allem

kluger

Einsicht und

Opferwilligkeit.

möchte ich schließm mit dem Wunsch, sammenschluß

bedarf

Dazu

Und so,

eS

vor

meine Herrm,

daß heute dahier mit dem Zu­

der deutschm Ziegeleioereinigungm ein

nützliches und

zugkräftiges Beispiel und eine Probe gegebm werde, wie der Kartell­ gedanke trotz allem auch in der Praxis Fortschritte macht.

Pie gegenwärtige Krisis in der deutschen Volkswirtschaftslehre. Unter obigem Titel hat der Professor der StaatSwissmschastm an der Sozial- und Handelsakademie in Frankfurt a. Main Professor Pohle,

ein Buch erscheinm lassen (Leipzig, A. Deichert), daS die Beachtung aller

praktischen Volkswirte in hohem Maße verdimt.

Der Verfasser geht

davon aus, daß die wissenschaftliche Nationalökonomie zurzeit eine Krisis durchzumachen habe, bei der eS sich um folgmde Fragm handele: „Die deutsche

Nationalökonomie

moralischen

Gesichtspunkte,

muß die

entweder unter

die

politisch­

der Herrschaft

der

gewöhnlich kurz als KathedersozialiSmuS bezeichneten Rich­ tung tief in sie eingedrungen sein .... wieder auSscheiden,

83 der ohnedies viele der Industrie mit wenig Freundlichkeit nnd wenig Verständnis gegenüberstehende Politiker rufen. Verstaatlichung

mag

Die ganze oder halbe

im Einzelfalle aus der Not helfm, wird aber

als System zum Unheil und entspricht

sicherlich nicht dm Wünschm

Mr habm ohnedies

der deutschm Industrie in ihrer Gesamtheit.

übergenug

von

staatlicher Zwangsfürsorge.

Als

die Kaliindustrie,

das Kalisyndikat sich wegen unvernünftiger Kämpfe im eigenen Lager und Ueberproduktion und Außenseitem nicht mehr selbst helfm konnte, aber unter Be-

halfm allerdings der Staat und die Gesetzgebung-

dingungm,

die der sozusagm unter Kuratel

gestellten Kaliindustrie

schließlich selbst keine volle Freude machm börsten: staatliche Festsetzung der

Preise, Kontingentierung, besondere Befchränkungm wegm der Arbeits­ löhne und ArbeitSzestm.

Dieses Beispiel sollte die dmtsche Industrie

nicht reizm, die noch stolz ist darauf, auS eigmer Kraft hochgekmnmm zu

sein und ihre Selbständigkeit zu wahrm.

allem

kluger

Einsicht und

Opferwilligkeit.

möchte ich schließm mit dem Wunsch, sammenschluß

bedarf

Dazu

Und so,

eS

vor

meine Herrm,

daß heute dahier mit dem Zu­

der deutschm Ziegeleioereinigungm ein

nützliches und

zugkräftiges Beispiel und eine Probe gegebm werde, wie der Kartell­ gedanke trotz allem auch in der Praxis Fortschritte macht.

Pie gegenwärtige Krisis in der deutschen Volkswirtschaftslehre. Unter obigem Titel hat der Professor der StaatSwissmschastm an der Sozial- und Handelsakademie in Frankfurt a. Main Professor Pohle,

ein Buch erscheinm lassen (Leipzig, A. Deichert), daS die Beachtung aller

praktischen Volkswirte in hohem Maße verdimt.

Der Verfasser geht

davon aus, daß die wissenschaftliche Nationalökonomie zurzeit eine Krisis durchzumachen habe, bei der eS sich um folgmde Fragm handele: „Die deutsche

Nationalökonomie

moralischen

Gesichtspunkte,

muß die

entweder unter

die

politisch­

der Herrschaft

der

gewöhnlich kurz als KathedersozialiSmuS bezeichneten Rich­ tung tief in sie eingedrungen sein .... wieder auSscheiden,

84

oder sie muß selbst aus der Reihe der voraussetzungslosen Wissenschaften ausscheiden." Pohle betrachtet als dm Kem des Uebels, daß für viele Hochschullehrer heute daS Hauptziel des nationalökonomischen Unterrichts nicht in der Verbreitung von Ver­ ständnis für die Zusammenhänge der Volkswirtschaft, sondem in der Ueberzeugung von der Mangelhaftigkeit und Reformbedürftigkeit der gegmwärtigm volkswirtschaftlichen Organisation bestehe. Dem KathedersozialiSmuS, als bereit Hauptführer Männer wie Schmoller, Brmtano, LexiS, Cohn, Adolf Wagner und andere anzufehm find, fei es vor­ behalten gewesen, die Heranziehung der politisch -ethischm Gesichts­ punkte in die Wiffmschast zum formalen System zu erheben und dieses Berfahrm zugleich als einm der größtm Fortschritte der nationalökonomischen Wiffmschast zu verkündm. Statt die Aufgabe der Wiffmschast darin zu sehm, uns das Verständnis für das verschiedme politische Verhalten der Mmschm zu erschließm, betrachte eS diese Richtung, die heute in der deutschm Volkswirtschaftslehre zweifellos die Herrschaft besitze, als das Ziel der Wiffmschast, ihre Jünger zu einer bestimmten Stellungnahme zu den Problemm der Wirtschafts- und Sozialpolitik hinzulenkm, sie von der Richtigkeit bestimmter Maßnahmm und von der Unzweckmäßigkeit anderer zu überzeugen.

Diese politisierende Methode in ihrer inneren Berechtigung und in ihrm Folgm zu prüfen, ist die Aufgabe des Buches, das aus einer Reihe von Einzelauffätzm des VerfafferS in der von ihm herausgegebenm „Zeitschrift für Sozialwissenschast" 1910 hemorgegangen ist. DaS Buch zerfällt in vier Abschnitte: 1. Die Vorherrschaft der politffchm Gesichtspunkte in der deutschen Nationalökonomie der Gegenwart.

2. Die politisierende Methode in der theoretischen Volkswirt­ schaftslehre.

3. Die politisierende Methode in der praktischen Nationalökonomie und die wahrm Hufgaben in der wissenschaftlichen Behandlung der Streitstagen der Wirtschaftspolitik. 4. Die Folgm der Herrschaft der politisiermden Methode für dm Wirtschaftsbetrieb und für die Stellung der National­ ökonomie im öffentlichen Leben.

DaS Buch von Pohle zeichnet sich durch eine ebenso sachliche wie gründliche Darstellung aus. Es beruht offmsichtlich auf einer jahrelangen Beobachtung der Vorgänge und einem eindringenden Studium der Literatur. Bon einer bestimmten Tmdmz zugunstm der

85 einen oder

anderen politischen

dabei durchaus fern,-

Pohle

oder sozialen Richtung hält eS sich

erklärt vielmehr:

„Der wissenschaftliche

Kampf gegen den Kathedersozialismus darf nicht, wie das bisher meist

geschehen ist, in der Weise geführt werben, daß man seine wirtschastSund sozialpolitischen Forderungm für unberechtigt erklärt und ihnen andere entgegensetzt.

Wer so handelt,

verfällt in denselben Fehler

wie der KathedersozialiSmuS selbst: Er treibt Politik statt Wiffmschast. Nicht darum handelt eS sich etwa,

reformerische händlerische

konnnen,

Stelle

an

Stelle

an

sondern

Rationalökonom

daß wir künftig mehr antisozial­

kathedersozialistischen

der

oder

mehr

frei­

der schutzzöllnerischm Nationalökonomen be-

einzig

und allein

daß

darum,

der

akademische

die Grenzen seiner Wissenschaft besser kennen und

darauf verzichten laut, politische Urteile und politische Forderungen

mit der usurpierten Approbation der Wiffmschast versehm ht Umlauf zu setzen, wie das heute in großem Umfange geschieht." Pohle stellt als Ziel hin,

daß

die wissenschaftliche Erörterung

der Probleme der Wirtschaftspolitik fich

drei Aufgaben beschränkm solle: einzelnm Probleme,

der

wickelungm,

grundsätzlich

auf

folgmde

1. Die Schilderung der Entstehung

d. h.

derjenigm

Verhältnisse

Ent-

und

die zu Eingriffm des Staates in das Wirtschaftsleben

oder wmigstmS zur Erhebung hierauf gerichteter Forderungm an dm

Staat auf

dm Anlaß gegeben haben.

bestimmten Gebieten

2. Die

Untersuchung der Folgm, die durchgeführte oder verlangte wirtschafts­

3. Die Darlegung

politische Maßregeln notwmdig nach sich ziehm.

der

allgemeinen politischen und moralischen Prinzipien und Ideale,

von baten auS die wirtschaftspolitischen Parteim und Jdemrichtungm dazu gelangen, die Wirkungen der einen Maßregel als überwiegend dem Gesamtwohl nützlich, die der anderm aber atß überwiegend schädlich zu beurteilen.

Eine derartige Behandlung erfordert allerdings,

Probleme

wirtschaftlicher und sozialpolitsscher

wie Pohle betont,

eine ganz andere

Art der Arbeit, eine viel sorgfältigere Vorbereitung von dem Dozmtm,

eine

größere Kunst,

Methode,

dm

Stoff

anziehmder

darzustellm

die Zuhörer für irgendwelche soziale

als

die

oder wirtschaftliche

Reformen zu begeistern.

Mit Recht hebt Pohle hervor, daß die politisierende Art vieler heutiger Nationalökonomm

Volkswirtschaft

geradezu in

diese Wiffmschast bei dm Praktikem der Bermf gebracht hat.

Er sagt:

„Die

der Praxis habm Recht, wmn sie an die Unparteilichkeit der Vertreter der Wiffmschast nicht glauben, die so deutlich ertönten Vertreter

lassen,

daß

sie selbst ein bestimmtes wirtschast-politischeS Programm

86 besitzen, wenn sie in ihnen gleichsam Wölfe in Schafpelzen sehen." Pohle ist ferner der Ansicht, daß ein Verzicht der nationalökonomischen Wissenschaft auf das Politisieren in ganz anderem Maße versöhnend und beruhigend wirken würde, als eine Wissenschaft, die unter dem Deckmantel der Wiffenschaft vielfach Politik treibt. Diese Art Nationalökonomen hätten durch bett ewigen und meist ohne jede Begründung erhobenen Borwurf, daß alle die, die ihre Forderung nicht billigten, im Dienste egoistischer Geld- und WirtschaftSintereffen ständen, vielfach nur Haß und Erbitterung gesät. Nach der Meinung Pohles ist es für den wissenschastlichm Nationalökonomen das beste, um seine Objektivität zu wahren, sich von der Erörterung politischer Tagesfragen fern­ zuhalten; wenn er sich aber in bett Streit der Tagesmeinungen ein­ mische, dann markiere er scharf die Grenze zwischen Politik und Wiffenschaft und lasse klar hervortreten, daß eS nicht die Stimme der objektiven Wiffenschaft ist, die aus ihm spricht, sondern seine persön­ liche Ueberzeugung. Pohle beschränkt seine Darlegungen aber keineswegs auf die Auseinandersetzung seiner persönlichm Ansicht über die gegenwärtigen Strömungen der nationalökonomischen Wissenschaft, sondern er geht auf eine ganze Reihe von Einzelfragen ein, um zu zeigen, in welcher Weise tatsächlich wichtige Probleme der Wirtschasts- und Sozialpolitik heute öott den hervorragendsten Vertretern der akademischen Volks­ wirtschaft behandelt und wie sie eigentlich behandelt werden sollten. So zieht er unter anderem in den Kreis seiner Betrachtungen die Behandlung der Wohnungsftage, die Einkommenoerteilung und die Steuerlehre, den Arbeitervertrag und die Gewerkoereine, die Handels­ politik und das weite Gebiet der sozialpolitischen Forderungen. Der Praktiker der Volkswirtschaft, der bei aller Wahrung seines persönlichen wirtschasts- und sozialpolitischen Standpunktes sich die Fähigkeit und den Willen zu verständnisvollem Eindringen in die Anschauungsweise gegnerischer Ansichten bewahrt hat und bewahren will und der deshalb auch die Ergebnisse wahrer Wissenschaft hoch zu schätzen weiß, wird die Ausführungen von Professor Pohle mit großer Beftiedigung lesen und ihnen weiteste Beachtung wünschen, nicht nur im Interesse der Förderung der Volkswirtschaft, sondern auch im Jntereffe der Wiffenschaft selbst.

Meesmann.

87

Das Unternehmertum und die öffentlichen Zustände in Deutschland. (Ein« Zeitdetrachdmg von Paul Steller. (Lerlag von Julius Springer in Berlin, 140 Seiten, geheftet 2,40 M.)

Berufstätigkeit als

Der Verfasser hat in einer langjährigen

als Geschäftsführer wirt­

volkswirtschaftlicher Tagesschriftsteller und

schaftlicher Vereine vielfach Gelegenheit gehabt,

wie

wahrzunehmen,

schief die Beurteilung der Unternehmertätigkeit im Bolle sst und

wie üble Nebenwirkungen unsere als vorbildlich betrachtete Sozial­ politik

durch

und

unangemessener LebmSansprüche

Hervorrufung

durch Verminderung der Selbstfürsorge und der Selbstverantwortung zeitigt.

'Wie er eingehend darlegt,

hat er an zahlreichen Borgängm

empfunden, wie unzulänglich der Schutz des Staatsbürgers gegen Beleidigungen und des arbeitswilligen Arbeiters und Nötigung der Gewerkschaften ist.

Erscheinungen

lichen

hingen

mit

gegen Zwang

Auch diese letzteren, unerfreu-

unserer

Sozialpolitik

indem sie deren leitenden Gedanken entsprechen,

zusammen,

die, wie Steller kurz

zusammengefaßt sagt, Schutz der wirtschaftlich Schwachm zum Gegen­

stand haben, tatsächlich aber zu einer Zwangsherrschaft der angeblich Schwachm über die Starkm, d. h. die Leistungsfähigm, führm.

Auf

letzteren beruhe jedoch das vollSwirtschastliche und staatliche Dasein, beruhe tätigkeit

die

Kultur

hätten

wir

der Mmfchheit.

keinerlei

Dmn ohne UnternehmungS-

Gewerbe,

keine

Kunstfertigkeit,

daher bitter not,

gegen

die bei uns

keine

Es tue

Künste, keine Literatur, keine Fortmtwickelung der Mmfchheit.

vorherrschende Auffassung

im

öffmtlichen Leben durch tatsächliche Schilderung des wirklichm Sach­

verhalts Front zu machm, um die der Belehmng und

Unterrichtung richtigkeit und

zugänglichen

Angehörigen des

in die wir allmählich geratm feien.

Zweck sollen die Schilderungen erklärt,

Strömung, vielfach

dienen.

die ihm

Die

des Berfassers,

jetzt

im

Dolle

Un­

und seiner Jugmd

Selbstoertraum

kann

leisten,

die Unzu­

droht ein Krebs-

Nur der Optimismus, etwas

soziale

die eigene Tatkraft nimmt,

schlechte Instinkte und Neigungen wachmst und

schaden für unS zu werdm.

Diesem

die er in der Vor­ vorherrschende

friedenheit, dm Pessimismus systematisch großzieht,

das

der

Schädlichkeit der übermäßigm, ja uferlosen Sozial­

politik zu überzeugen,

rede

tatfächlichm

Bolls von

während

die Zuversicht,

das Uebermaß

88 von Sozialpolitik zu einem schlimmen Ende für Staat und Volk führen muß, indem letzterem der Gemeinsinn, das Selbstvertrauen, das Selbstbewußtsein geraubt, und an deren Stelle Neigungen, Be­ strebungen und Eigenschaften hervorgerufen werden, die alle zum Bestehen de- Gemeinwesens notwendigen Voraussetzungen beseitigen. Panem et circensia gab man in Rom dem Volk und verdarb es damit gründlich- Staatshilfe, Staatsfürsorge, Staatskrippe, dieses alles freilich auf Rosten der Tüchtigen unter den Menschen, ins­ besondere der Unternehmer — lautet die Losung heute in Deutsch­ land, die allmählich auch in anderen Staaten angewandt wird. Der von der Natur und durch die Sittlichkeft aus Selbschilse und Selbst­ zucht angewiesene Mensch wird dadurch in vieler Beziehung zum Schwächling und zugleich ost zum anmaßenden Gesellen, der, zur Maffe vereint und mit unangemessenen politischen Rechten auSgestattet, die Gesellschaft zwingt, nach seiner Pfeife zu tanzen. Welcher tüchtige und selbstbewußte Mensch möchte da mitmachen? An das arbeitsame, treue Volk, an unseren gebildeten Mittelstand, an dm Jungbrunnen unserer dmtschen Landwirtschaft werdm wir uns wmdm müssen, wmn die im ösfmtlichen Sieben herrschenden Klassen in dieser Lage versagm, wmn Gelehrte und Politiker zwar mit heißem Bemühm um die Arbeiterseele werbm, aber den tüchtigm Untemehmer in der Landwirtschaft und im Gewerbe übersehen, ihn, von dessm Sttebsamkeit und von dessen sonstigen sittlichen Eigenschaften größtenteiles die Zukunft unseres Volkes abhängt; ihn, dem weltstemde Idealisten, neidische Nichtbesitzer und voreingenommene Parteipolitiker die berechtigte und ausschlaggebende Bedeutung in unserem Wirt­ schaftsleben und seine daraus naturgemäß folgende hervorragende Stellung im öffentlichm Leben immer mehr raubm wollen, um dem doktrinären Sozialismus mit seiner öden Gleichmacherei, seiner naturnotwmdigen Mittelmäßigkeit und Schreckensherrschaft über alles, was gut, edel und erhaben ist, das Feld zu sichern. Das ist Stellers GlaubmSbekmntnis. In der Schrift werdm folgende Gegenstände behandelt: Die wirtschaflliche und soziale Bedeutung des Unternehmertums. Das Auffteigen zum Untemehmer. Die öffentlichm Lasten des Unternehmertums. Die Kehrseite der Arbeiteroersichemng. Die Erhöhung der Lebmsansprüche durch die Sozialpolitik. Ueber Tarisoerttäge. Unzulänglichkeit des gesetzlichm Schutzes gegen persönliche Be­ leidigungen. Schutzlosigkeit der ArbeitSwilligm. Fach- und Fort­ bildungsschulwesen in Deutschland. Landwirffchast und Jndusttie. Wirffchastliche Jntereffenverttetung in Deutschland. Die Monarchie

-

als Hort der Reichslasten.

Gewerbetätigkeit.

89

— Das

Wirtschaftsleben

und

die

Wir machen noch darauf aufmerksam, daß der Berfaffer im Herbst 1910 eine zusammenfassende und eindringliche Schilderung der

schweren Belastung der deutschen Industrie durch die Steuern und durch die gesetzlichen sowie durch die fteiwilligen Aufwendungen für Arbeiterwohlfahrt

veröffentlichte:

„Da-

Uebermaß

der öffent­

lichen Lasten der Industrie in Deutschland." Ein Mwkblatt für die Gesetzgeber, von Paul Steiler, Kölner BerlagSanstalt und

Druckerei-A.-G.

90

Der Ausschuß des tzenlratvervandes «ach dm Wmwahlm «nd Krgänzungen »am 27. April 1911.

Mitglieder.

Stellvertreter.

Böcking, Rud., Geh. Kommerzien­

Röchling, Louis, Kommerzienrat,

rat, Brebach.

Völklingen a. Saar. Lehmann, Professor, Dr., Han­ delskammersyndikus , Geschäfts­ führer des Vereins Deutscher Tuch- und Wollwarenfabrikanten

und des Vereins für die bergund hüttenmännischen Jntereffen im Aachener Bezirk, Aachen. Brückner, Rich.,

Fabrikbesitzer,

Vorsitzender deSVereinsDeutscher Papierfabrikanten, Calbe a. S.

Euler, SB., Kommerzienrat, Bens­

heim.

Delius, Karl, Dr.-Jng.d.o., Geh. Kommerzienrat, Aachen. Flohr, Geh. Baurat, BredowStetün. Gärtner, R., Kommerzienrat, Freiburg i. Schl.

Delden, Gerrit van, Kommerzimrat, Gronau i. W.

Goldschmidt, Karl, Dr., Kom­ merzienrat, Essen.

Curtius, Richard, Duisburg.

Haarmann, A., Dr.-Jng., Geh.

Baara, Fritz, Geh. Kommerzien­

Kommerzienrat, Osnabrück. Hummel, Friedrich, General­ direktor, Ettlingen.

rat, Bochum. Kran er, Direktor, Erlangen.

Kauffmann, Georg,Dr., Kommer­ zienrat, Hermsdorf a. d. Katzbach, Kreis Goldberg in Schlesien.

Mittelstaedt, Wilhelm, langenbielau.

Toussaint, Direktor, Kiel.

Websky, Ernst, Tannhausen.

Fabrikbesitzer,

Ober-

91

Kraushaar, Dr., Generaldirektor, Hannover.

Heintze, G., Direktor, bei Hannover.

Langen, C. O., Kommerzienrat, M.-Gladbach.

Laurenz, Anton, Kommerzienrat, Ochtrup i W.

Linke, Paul, Domänenrat, Slawentzitz.

Knochenhauer, Kattowitz.

Lueg, H., Dr.-Jng., Geh. Kom­ merzienrat, Düsseldorf.

Schrödter, E., Dr.-Jng., In­ genieur, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Eisenhütten­ leute, Düsseldorf. Bourcart, Fabrikbesitzer, Geb­ weiler.

Melchior, A., Geh. Kommerzien­ rat, Nürtingen.

Döhren

Bergrat,

Meyer, Ed., Fabrikbesitzer, Aachen-.

Neubarth, Eug., Kommerzienrat, Forst i. L.

Meyer, Wilhelm, Rechtsanwalt, Hannover, Langensalzastr. 4.

Jüngst, Geh. Bergrat, Kurfürstendamm 214.

Mieg, Daniel, Fabrikant, Mül­ hausen i. E.

Kiener, Andr«, Handelskammer­ präsident, Colmar i. Els.

Müser, Kommerzienrat, General­ direktor, Dortmund.

Graß mann, (Ruhr).

Randebrock, Bergrat, General­ direktor, Gelsenkirchen.

Caro, Geh. Gleiwitz.

Nickel, Ferd., Direktor, Har­ burg. Sartorius, Franz, Kommerzien­ rat, Bielefeld.

Herbst, Kommerzienrat, Triebes.

Möhlau, Ad., Düsseldorf.

ServaeS, Geh. Kommerzienrat, Düsseldorf.

Kamp, Kommerzienrat, Grunewald-Berlin, Auerbachstr. 9.

Stark, Emil, Chemnitz.

Kommerzienrat,

Zeyß, Richard, Dr., Syndikus der Handelskammer Crefeld.

Kaisers­

Stumpf, F., Generalsekretär des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten-Bereins, Syndikus der Handelskammer zu Osnabrück, Osnabrück.

Walter, W., Direktor, HannoverLinden. Weisdorff, Generaldirektor, Burbacher Hütte bei Saarbrücken.

Amann, Emil, Kommerzienrat, Bönnigheim i. Württemberg. Wandel, Justizrat, Essen (Ruhr).

Ug6, Kommerzienrat, lautern (Pfalz).

Bergrat,

Berlin,

Esten

Kommerzienrat,

Kommerzienrat,

92 Williger, Bergrat, Kattowitz.

Boltz, Dr., Generalsekretär des Oberschlesischen berg und hüttenmännischen Vereins, Kat­ towitz.

Winkler, Paul, Geh.Kommerzien­ rat, Fürth i. Bayern.

Müllensiefen, Th., Kommerzien­ rat, Crengeldanz.

Ziegler, Kommerzimrat, Düssel­ dorf, Ahnfeldstr. 17.

Reusch, Kommerzienrat, Gute­ hoffnungshütte - Oberhausen II, Rheinland.

Zugewählte Mitglieder. Baur, Baurat, Germaniawerst, Kiel. Beukenberg, Baurat, Hörde i. W. Beumer, W., Dr., M. d. A., Generalsekretär des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirt­ schaftlichen Interessen in Rhein­ land und Westfalen und der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Düsseldorf.

Blohm, Dr.-Jng., Herm., Ham­ burg. Bock, Heinrich, Kommerzienrat, Würzburg. Böker, M., Kommerzienrat, Vor­ sitzender des Bergischen Fabri­ kantenvereins, Remscheid, von Borsig, E., Kommerzienrat, Berlin. Brandt, Dr., Syndikus der Handelskammer Düsseldorf, Ge­ schäftsführer des Vereins Deut­ scher Eisengießereien, Düssel­ dorf. Brockhaus, Prokurist der Firma Berliner Sandsteinwerke Rob. Guthmann, G. m. b. H., Berlin, Neustädtische Kirchstr. 15.

Budde, Professor, General­ direktor der Aktiengesellschaft Siemens & Halske, Berlin, ASkanischer Platz 3.

Büttner, Erhard, Dr., Syndikus, Augsburg. von Buz, Hch., Kommerzienrat, Direktor der Maschinenfabrik Augsburg - Nürnberg A. - G., Augsburg.

Co sie, D., Kommerzienrat, Biere. Dietel, Franz, Geh. Kommerzien­ rat, Coßmannsdorf.

Dietrich, Dr., HandelskammerSyndikus, Plauen.

Ditges, Generalsekretär des Ver­ eins Deutscher Papierfabrikanten und des Vereins Deutscher Schiffswerften, Berlin, Lützowufer 17. von Donnersmarck, Fürst Guido Henckel, Neudeck (O.-S.).

Dulon, M., Magdeburg.

Kommerzienrat,

Ehrhardt, Max, Baurat, Weimar, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Tonindustrieller.

93

Eichler, Generaldirektor des Kali­ syndikats, Staßfurt.

Lauchhammer.

Ev ers, Ziegeleibesitzer, Vorsitzender

des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller, Berlin, Gitschiner Straße 109.

des Verbandes Deutscher Ton­ industrieller , Berlin, Alt-

Moabit 110.

Stahlwerke van der Zypen und

von der Herberg, C., Direktor, Mülheim a. Rh., Vorsitzender der Verkaufsstelle des Deutschen

Kupferdrahtverbandes, Köln.

Kommerzienrat, Düsseldorf, Tonhallenstr. 15.

Fleitmann,

Ingenieur,

Haumann, Ober-Bürgermeister, Generaldirektor der Bereinigten Wissener Eisenhütten, Köln,

Fiebelkorn, Dr., Geschäftsführer

Frölich,

Kommerzienrat,

Hallbauer,

Geschäfts­

führer des Vereins Deutscher Maschinenbauanstaltm, Düssel­

Hirsch, M. d. A., Syndikus der Handelskammer (Ruhr).

Essen,

Essen

Hoeter, Ministerialdirektor a. D., 5 erlitt W, Kurfürstendamm 220.

dorf. Fromm, E., Geh. Kommerzienrat,

Rosenberg (Oberpfalz). Fuchs, H., Direktor der Nord­

deutschen Wagenbau - Vereini­ gung, Charlottenburg, Bleib­

Junghann, Geheimer Bergrat, Schlachtensee, Zietenstraße.

Kirdorf, A., Geh. Kommerzien­

rat, Aachen.

treustr. 20. Goldberger, Geh. Kommerzien­ rat, Vorsitzender der Ständigm

Ausstellungskommission für die deutsche Industrie, Berlin, Mark­

grafenstr. 53/54. G o t t st e in, L. ,Dr., Kommerzienrat,

Vorsitzender des Vereins deutscher Zellstoff-Fabrikanten, Breslau I. Großberger, Generaldirektor, Kneuttingen.

von Guilleaume,

Jordan, H., Dr., Bankdirektor, Elberfeld.

Th.,

Kom­

merzienrat, Köln. Haas, Karl, Geh. Kommerzienrat, erster stellvertretender Vorsitzen­

der des Vereins Deutscher Zell­ stoffabrikanten, Waldhof bei Mannheim.

Klein,

Kommerzienrat,

Dahl­

bruch, Vorsitzender des Vereins DeutscherMaschinenbauanstalten. Kleine, Bergrat, Dortmund, Vor­ sitzender des Vereins zur Wah­

rung der bergbaulichen Inter­ essen im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund. Körting,

Berth.,

Geh.

Kom­

merzienrat, Hannover. Kramer, i. Fa. Raab, Karcher 6 Co., Duisburg. Krause, Max,

Baurat,

Berlin,

Chausseestr. 13.

Kröner, Kommerzienrat, KieferSfeden.

94 Krüger, Generalleutnant z. D., Exz., Geschäftsführer deS Ver­

eins der Fabrikanten landwirt­ schaftlicher Maschinen und Ge­ räte, Berlin-Westend, Kaiser­ damm 67. Kuhlo, Dr., Syndikus deS Baye­

rischen Jndustriellen-Berbandes,

München, Prannerstr. 15. Landsberg, Heinrich, Direktor des Heddernheimer Kupferwerks,

vormals F. A. Hesse Söhne zu Frankfurt a. M., Vorsitzender der Verkaufsstelle des Kupfer­ blechverbandes, Kassel. von Langen, Gottlieb, Köln. Laval, Direktor der Firma SchäfferL Budenberg, G. m.b.H.,

Magdeburg-Buckau.

von und zu Loewenstein, Berg­ assessor, Geschäftsführer des Ver­ eins zur Wahrung der berg­ baulichen Interessen im Ober­

bergamtsbezirk Dortmund, Essen (Ruhr). Mann, L., Handelsrichter, Vor­ sitzender des Vereins Deutscher

Lackfabrikanten, Berlin, Meinekestraße 4.

Mathies, Geh. Baurat, Re­ gierungsrat , Berlin - Halensee, Kurfürstendamm 75. Meesmann, Geschäftsführer des Mittelrheinischen FabrikantenVereins und der Süddeutschen

Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, Mainz. M. d. A., Kom­

Menck, I. A.,

merzienrat, Altona. Merwitz, Direktor, per Adresse: C. Heckmann, A.-G., Duisburg, Postfach 125.

Meyer, Paul, Dr., Berlin N 39, Lynarstr. 5/6.

Müller, Waldemar, Geh. OberFinanzrat a. D., Direktor der Dresdner Bank, Berlin W 9, Bellevuestr. 13.

Müller, Dr., Kalkberge/Mk., Vor­ sitzender des Vereins Deutscher Portland - Cement-Fabrikanten. Müller,

Gebr.

Th.,

Direktor,

Stumm,

i. Fa.

Neunkirchen,

Bez. Trier.

March, Fabrikbesitzer, Vorsitzender

Mundt, Arthur, i. Fa. Berliner

des Deutschen Vereins für Ton-, Cement-und Kalkindustrie, Charlottenburg, Sophienstr. 23/25.

GipSwerke L. Mundt Dorrn. H. Kühne, Berlin SW, verl. Trebbiner Straße.

Martens, Dr., Syndikus der Handelskammer Dortmund, Dortmund. Marwitz, Kommerzienrat, Vor­ sitzender des Verbandes Deut­ scher Baumwollgarnverbraucher,

Dresden.

Offermann,

Geh. Kommerzien­

rat, Leipzig. Oswald,

W.,

Kommerzienrat,

Coblenz. Protzen, Kommerzienrat, Berlin, Köllnischer Fischmarkt 4.

95 Reinecker, I. E., Dr.-Jng., Chemnitz, stellvertretender Vor­ sitzender deS Vereins Deutscher Wertzeugmaschinenfabriken,

von Schubert, Generalleutnant Exzellenz,

Berlin W 35, Kur­

fürstenstr. 134. Siemens, Bergrat, Halle a. S.,

Düffeldorf.

Rennen, Kommerzienrat, Ober­

Königstr. 84, Vorsitzender des Deutschen Braunkohlen-Jndu-

strievereins, Halle a. S.

homburg. Rentzsch, H., Dr., Blasewitz bei

Dresden.

von Skene, Karl, Geh. Kom­ merzienrat, Klettmdorf bei Bres­ lau.

Rocke, Dr., Geschäftsführer des

Epringorum,

Kommerzienrat,

Han­ nover-Linden und die benach­

fitzmder des Vereins Deutscher

barten Kreise, Hannover.

Eisenhüttenleute, Düffeldorf.

Fabrikantenvereins

für

Roessing, Kommerzienrat, Prä­ sident der Handelskammer Plauen, Plauen i. B.

Direktor,

Schaafhausen,

Neu-

Gmeraldirektor, Dortmund, Bor-

Steller,

Paul,

Generalsekretär

de» Verein» der Industriellen des RegiemngSbezirkS Köln und de» Verein» Deutscher Wertzeugmaschinenfabriken, Köln.

Wetzow (R.-L). StinneS, Schaltenbrand, Vorsitzender de» Direktorium» de» Stahlwerks­ verbandes, Düffeldorf.

Schieß, Emst,

Dr.-Jng.,

Geh.

Kommerzienrat, Düffeldorf.

Schmid, Th. W., Direktor, Hof

in Bayern.

Herzog

Ernst

Günther

zu

Schleswig-Holstein, Schloß

Primkenau. S ch o t t, F., Kommerzienrat, Heidel-

berg. Schroers, A., Kommerzienrat, erster Vorsitzender de» Verein»

Hugo,

Mülheim-

Ruhr. Tille, Alexander, Dr., Syndikus

der Handelskammer Saarbrückm, Generalsekretär de» Verein» zur Wahrung der gemeinsamen wirt­ schaftlichen Interessen der Saarindustrie und der Südwestlichm Gruppe de» Verein» Deutscher

Eisen- und Stahl-Industrieller, Saarbrückm. Uthemann, Geh. Bergrat, Generaldirektor von Gmrg von Giesche'» Erbm, Zalenze, Kreis

Kattowitz. Bischer, Generaldirütor, Unter­ türkheim, Borfitzmder de» Ver­

der deutschen Textilveredlungs­

ein» Deutscher Motorfahrzeug­

industrie, Düffeldorf, Crefeld.

industrieller.

96 Weinlig, Generaldirektor,

Dil­

van den Wyngaert, Jos., I.,

de Wendel, Humbert, Hayingen.

Direktor, Wilmersdorf, Prinzregentenstr. 118.

lingen a. d. Saar.

Wenzel, Kommerzienrat, Direktor der Kammgarnspinnerei z»

Leipzig, Leipzig.

Werminghoff, I., General­ direktor , Dresden, Weißer Hirsch. Wessel, C., Geh. Kommerzienrat,

Bernburg. Wiebe,

Zanders, Han», Kommerzienrat,

l F. I W. Zanders, Papier­ fabriken, Bergisch-Gladbach.

Zörner, Bergrat, General­ direktor der Maschinenbavanstalt „Humboldt",

Kalk bei

Köln.

Dr.,

Handelskammer Bochum.

Syndikus zu

der

Bochum,

Zschille, Georg Henn., Dresden, Wiener Str. 45.

»tu»; Deutsch" «erlag (•. m.».H.), Berlin BW 48. 11161