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Wolfgang Wieland
Urteil und Gefühl Kants Theorie der Urteilskraft
Vandenhoeck & Ruprecht
2001. L2932
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wieland, Wolfgang: Urteil und Gefühl : Kants Theorie der Urteilskraft / Wolfgang Wieland. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2001 ISBN 3-525-30136-7 (kart.) ISBN 3-525-30137-5 (Ln.)
© 2001, Vandenhoeck & Ruprecht in Gottingen Internet: http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Die Urteilskraft ist eine schwierige Sache. (Martin Heidegger an Hannah Arendt)
Inhaltsübersicht
Einleitung
15
I. Der Begriff des Ästhetischen
25 §1
Weil sich die Welt des Schönen durch keine Wissenschaft, sondern mangels eines Begriffs allein durch den Geschmack erschließen läßt, verzichtet Kants „Kritik der Urteilskraft" auf den Gebrauch des Wortes „Ästhetik". Im Gegensatz zu den beiden anderen Kritiken will die Dritte Kritik keine rationale, systematische Doktrin fundieren; daß die Dinge, die den Geschmack herausfordern, als solche von keiner Wissenschaft erreicht werden, gehört zu ihren Resultaten: „Daher muß der Schulname Ästhetik vermieden werden, weil der Gegenstand keinen Unterricht der Schulen verstattet". Dem Ausdruck „Ästhetik" verbleibt nur die Aufgabe, seinem ursprünglichen Wortsinn gemäß eine Wissenschaft von der Sinnlichkeit zu bezeichnen
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§2 Entsprechendes gilt auch für Kants Gebrauch des Wortes „ästhetisch", insofern es immer nur dazu bestimmt ist, eine Sache der Sphäre der Sinnlichkeit überhaupt, aber gerade nicht notwendig der Welt des Geschmacks und ihrer Inhalte zuzuordnen. Sinnliches wird als solches von der Subjektivität nur als eine Modifikation ihrer selbst erfahren; ästhetische Urteile sind demnach nicht auf objektive Gegenstände, sondern auf die Sinnlichkeit der urteilenden Instanz bezogen. Die Urteilskraft ist ästhetisch insofern, als ihre Tätigkeit vom Urteilenden sinnlich empfunden werden kann; unter dem Aspekt ihrer sinnlichen Erfahrbarkeit läßt sie sich am besten dort studieren, wo sie in der Rolle des Geschmacks am Werk ist
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§3 Die Ästhetik Alexander Baumgartens und seiner Schule macht ein wesentliches Stück des polemischen Kontextes von Kants Dritter Kritik aus. Diese neue Wissenschaft konzipiert Baumgarten zunächst als eine propädeutische Theorie von der Sinnlichkeit überhaupt und führt sie als Pendant zur Logik als der Propädeutik des Verstandes ein. Ihre Aufgabe besteht darin, die sinnliche Erkenntnis zu vervollkommnen, soweit dies nicht erst von dem ihr übergeordneten Verstand, sondern schon innerhalb ihrer eigenen Sphäre erreicht werden kann. Dem Geschmack fällt die Aufgabe zu, dies zu leisten; nur deswegen wird er mitsamt seiner Welt zum Thema der bei Baumgarten als Wissenschaft auftretenden Ästhetik
II. Das Urteil als Leitfaden der philosophischen Untersuchung . . . . §4 Kants Urteile haben ihren Ort nicht in der Sprache, sondern im Bewußtsein des Urteilenden; von sprachlichen Aussagen werden sie, oft fehlerhaft, lediglich dokumentiert. Urteile im engeren Sinn des Wortes sind Erkenntnisurteile, die sich mit Hilfe von Begriffen auf objektive Gegenstände beziehen. Zu den Urteilen im weiteren Sinn gehören auch bloße Vorstellungsverbindungen von der Art der Wahrnchmungsurtciie; sie verweisen nicht auf Wahrnehmungen oder Empfindungen, sondern enthalten sie als ihre Elemente. Ihre auf die urteilende Instanz und auf deren Urteilsakt beschränkte monovalente Gültigkeit folgt bereits aus ihrer Faktizität. Anders als Erkenntnisurteile lassen sie sich weder negieren noch quantifizieren §5 Analytische Urteile unterscheiden sich durch die Art der Relation zwischen den in ihnen enthaltenen Begriffen von den synthetischen Urteilen. Diese Dichotomie der beiden Urteilsartcn ist jedoch nicht für die formale Logik, sondern nur für die Transzcndcntalphilosophic bedeutsam; deren Probleme lassen sich in der Frage nach der Möglichkeit erfahrungsunabhängiger Synthesen zusammenfassen. Gegebene Begriffe stehen niemals zwischen sicheren Grenzen; für die Klassifizierung gegebener Urteile oder
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ihrer Dokumentationen ist jene Unterscheidung daher nicht von Nutzen. Weil das Geschmacksurteil trotz seiner apriorischen Fundicrung keine Begriffe enthält, kann es nur ein synthetisches Urteil sein 104 §6 Sowohl im Bereich der theoretischen als auch in dem der praktischen Vernunft kommt die Philosophie ihren Aufgaben nach, indem sie bereits gegebene Begriffe und gegebenes Wissen auf dem Weg der Analyse deutlich macht. Sie expliziert dabei nur, was schon vor aller Reflexion jedem auf latente, ungegenständliche Weise vertraut ist und prüft es auf seine Legitimation hin. Dazu gehört auch die einwertige transzendentale Wahrheit, durch die Erfahrung erst möglich wird und an der jedes zweiwertige Urteil unabhängig von seinem Inhalt auch dann noch teilhat, wenn es irrig ausfällt. Wo immer geurteilt wird, kann es daher nur einen partiellen, niemals aber einen totalen Irrtum geben . . . 115
III. Die Urteilskraft und ihre Leistungen
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§7 Die Urteilskraft verfügt selbst über keinen eigenen apriorischen Besitz, den sie zum Inhalt einer Erkenntnis beisteuern könnte, wenn sie sinnliche und begriffliche Elemente zu einem Urteil fügt. In der Ersten Kritik zeigt die Transzendentale Doktrin der Urteilskraft, wie sie apriorische Gehalte der Sinnlichkeit und des Verstandes subsumierend verknüpft und mit Hilfe der Schemata die Grundsätze des reinen Verstandes hervorbringt. Als bestimmende Urteilskraft subsumiert sie auch in der Empirie Sinnliches unter Begriffliches, nachdem sie zuvor als „bloß" reflektierende Urteilskraft Elemente, die für eine solche Subsumtion geeignet sind, ausfindig gemacht und geprüft hat. In ihrer Rolle als Geschmack ist sie ausschließlich in ihrer reflektierenden Funktion am Werk 130 §8 Die Urteilskraft läßt es nicht zu, ihre Tätigkeit letztgültig unter Regeln zu stellen. Da jede Anwendung einer Regel selbst wiederum eine Regulierung fordern würde, ergäbe sich ein unend-
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licher Regreß. Diese Aporie der Urteilskraft umgeht Kant zunächst mit ihrer Naturalisierung. Als eine von der Natur gegebene, nicht übertragbare, durch Übung und Reifung jedoch perfektionierbare Disposition bleibt sie schon durch ihren Status von allem gelehrten Wissen unterschieden. Ihr Fehlen macht die Dummheit aus, „und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen". Von pragmatischen Regeln kann die Urteilskraft Gebrauch machen, sofern ihr das Recht verbleibt, über Ausnahmen zu entscheiden 149 §9 Eine Domäne der Urteilskraft ist die Welt des Handelns. Sie findet sich dort mit singulären Situationen konfrontiert, die von den generellen Normen des Handelns allein nicht erreicht werden. Sie dominiert auch in den praktischen Disziplinen wie Medizin und Jurisprudenz, die letztlich nicht auf Erkenntnis, sondern auf die Ermöglichung sinnvollen Handelns abzielen. Wegen des der Urteilskraft eigenen Begründungsdefizits tendieren die theoretischen Wissenschaften dazu, sie zu entlasten; die Ausgrenzung von „mechanisch" lösbaren Teilproblemen, der Ersatz klassifikatorischer durch metrische, die Verdrängung gegebener durch gemachte Begriffe und auf deren Basis die Gestaltung einer artifizicllen Welt schaffen Reservate, in denen ihr oft nur noch triviale Aufgaben gestellt sind 160
IV. Das Urteil des Geschmacks und die okkasionelle Finalität seiner Elemente 185 §10 Wie jedes andere ästhetische, nur auf das Subjekt bezogene Urteil enthält auch das Geschmacksurteil lediglich sinnliche Elemente. Mangels eines Begriffs kann es einen Gegenstand als solchen nicht objektiv bestimmen, sondern in Gestalt der Vorstellung von ihm nur seine Form als eines seiner Elemente in sich aufnehmen. Da die Sinne nichts Allgemeines, sondern nur Einzelnes präsentieren, ist sein formallogischer Status der eines Singulärurteils, das keine Quantifizierung erlaubt. Als ein nicht auf ein Objekt bezogenes Urteil involviert es auch den individuellen Urteilenden in seinen Inhalt; seine korrekte, elaborierte Doku-
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mentation legt deswegen eine präsentische Singuläraussage in der ersten Person nahe 185 §11 In der sprachlichen Dokumentation des Geschmacksurteils verweist der Prädikator („... ist schön") nicht auf einen Wertbegriff, sondern unmittelbar auf das lustbetonte Gefühl des interesselosen Wohlgefallens. Die aktuelle Gefühlsempfindung selbst, nicht ihr Begriff nimmt im Urteil die Stelle des Prädikats ein. Dieses Gefühl ist weder Gegenstand noch Rechtfertigungsgrund dieses Urteils, sondern eines seiner Elemente; anders als das Prädikat im Erkenntnisurteil wird es von keinem Objekt ausgesagt. So erübrigt es sich, vor diesem Urteil noch einen besonderen Akt ästhetischer Erfahrung anzusetzen. Da es ihrem formalen Status nach negative Gefühle nicht geben kann, ist jedes Geschmacksurteil in logischer Hinsicht stets ein positives Urteil 204 §12 Was die Dokumentation des Geschmacksurteils als seinen Gegenstand auszuweisen scheint, gibt in Wirklichkeit nur den Anlaß für das Urteil und das in ihm enthaltene Gefühl. Als Anlaß ist er lediglich durch seine Eignung und damit durch die Zweckmäßigkeit charakterisiert, eben dies zu leisten, da er von dem Urteil selbst inhaltlich nicht weiter bestimmt wird. Diese Zweckmäßigkeit läßt sich auch aus keinen seiner objektiv bestimmbaren Eigenschaften ableiten. Insoweit ist sie zufällig: „Zweckmäßigkeit ist eine Gesetzmäßigkeit des Zufälligen als eines solchen". Dieser Finalität, für den Urteilenden wahrnehmbar, verdankt es der Gegenstand, daß er durch die okkasionelle Funktion nicht entwertet wird, die er im Urteil erfüllt 221
V. Der Geltungsanspruch des Geschmacksurteils und der irrende Geschmack 240 §13 Indem das Geschmacksurteil nicht nur für den individuellen Urteilenden, sondern in strenger, apriorisch fundierter Allgemeinheit für jedermann gelten will, erhebt es einen bivalenten Gel-
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tungsanspruch, der es dem Risiko möglichen Irrtums aussetzt. Nur deswegen wird es zu einem Thema der Transzendentalphilosophie. Weil sich sein Geltungsanspruch nicht durch objektive Gründe stützen läßt, kann es der Urteilende seinesgleichen immer nur „ansinnen". Beim Erkenntnisurteil kommt sein durch eine Gegenstandsreferenz gestützter Anspruch auf objektive Geltung mit dem Anspruch auf subjektive Gültigkeit für jedermann stets nur gemeinsam vor; das Geschmacksurteil fordert dagegen eine Entkopplung dieser beiden Geltungstypen 240
§14 Der Anspruch des Geschmacksurteils auf apriorisch gestützte Geltung läßt sich auf der Grundlage eines freien Spiels von Einbildungskraft und Verstand legitimieren. Da diese Vermögen, die dabei keinerlei empirische Inhalte intendieren, an diesem Spiel nur als solche beteiligt sind, kann jeder Urteilende an ihm teilhaben. Kant erprobt verschiedene Modelle, um den empirischen Charakter des Anlasses zum Geschmacksurteil mit seinem Anspruch auf apriorisch fundierte Gemeingültigkeit und auf Reinheit zu vereinbaren. Diese final, modal, hypothetisch oder an einem Stufenmodell orientierten Ansätze liefern Beiträge zu einer Theorie dieses Urteils, die auch seinem vom Urteilenden erfahrenen sinnlichen Charakter gerecht werden wollen 2.57
§15
Auch der Anspruch des Geschmacksurteils auf Geltung für jedermann wird dem Urteilenden auf sinnliche Weise bewußt; in diesem Urteil wird nicht nur ein Lustgefühl verallgemeinert, sondern ein Gemeingültigkeitsanspruch wird auf lustbetonte Weise wahrgenommen. Durch seinen Geschmack als eine der Gestalten des gemeinschaftlichen Sinnes (sensus communis) ist der Urteilende befähigt, die in seinem Urteil enthaltene Empfindung der Allheit von seinesgleichen „mitzuteilen" und sich so mit ihr verbunden zu fühlen. Er hat von der Kontingcnz der eigenen Person schon abgesehen, wenn ihm auf diese Weise seine in einem apriorisch-emotionalen Fundament gründende Sozialität bewußt wird 280
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VI. Die Erfahrung des Urteilens und die Reflexionslust
13 293
§16 Wie jedes andere ästhetische Urteil ist auch das Geschmacksurteil nur im Akt des Beurteilens selbst existent. Er bringt kein von ihm selbst verschiedenes Resultat hervor, sondern findet sein Ziel in sich selbst. Als eine Tatsache des Bewußtseins ist jeder Beurteilungsprozeß für den Urteilenden ein Vorgang, der auch sinnlich empfunden werden kann. Die ästhetischen Beurteilungen, auch die des Geschmacks, werden von ihren sinnlich empfindbaren Eigenschaften jedoch dominiert, die hier, anders als bei den Urteilen des Erkennens, nicht durch gegenständliche Intentionen überlagert und verdeckt werden. Weil jede Empfindung ein passiv rezipiertes Widerfahrnis ist, wird das Geschmacksurteil vom Urteilenden eher erfahren als im vollen Sinn des Wortes aktiv gefällt 293 §17 Anders als beim gewöhnlichen Sinnenurteil geht beim Geschmacksurteil der Beurteilungsprozeß dem mit ihm verbundenen spezifischen Lustgefühl vorher. Es ist weder Gegenstand noch Voraussetzung noch Anlaß der Beurteilung. In ihm wird vom Urteilenden vielmehr das Reflektieren seiner ästhetischen Urteilskraft und damit das Spiel der an ihr beteiligten, noch nicht auf einen Gegenstand ausgerichteten Vorstcllungsvermögen unmittelbar empfunden. Mit seiner begrifflichen Auslegung wird der Theoretiker nur „zum Dolmetscher für die, welche die Sinnensprachc nicht genug verstehen". Der Urteilende kann dieses Spiel nicht willkürlich ins Werk setzen. Stellt sich das Gefühl bei einem geeigneten Anlaß ein, kann es der Urteilende nur gewähren lassen 303 §18 Das Fehlen eines eigenen Gegenstandsbereichs der Urteilskraft wird ebenso wie das Fehlen eines objektiven Prinzips, das ihre Tätigkeit regulieren könnte, durch ihre subjektive Autonomie kompensiert. Solange sie nur reflektiert, braucht sie nur sich selbst vorauszusetzen; sie macht sich damit zum Gegenstand und zugleich zum Gesetz ihrer selbst. Am Beispiel des Geschmacks läßt sich zeigen, wie die reflektierende Urteilskraft, die in dieser Rolle nicht im Dienst anderer Ziele steht, sondern
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sich selbst genügt, sich mit Hilfe des lustbetonten Gefühls selbst zu steuern vermag, in dem der Urteilende sein Reflektieren empfindet. Wie jedes Lustgefühl strebt auch die Reflexionslust danach, sich selbst zu erhalten 335
VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkennens
344
§19 Das Prinzip des Geschmacks ist zugleich das subjektive Prinzip der reflektierenden Urteilskraft überhaupt. Wird die Urteilskraft im Dienst der Erkenntnis beschäftigt, reguliert dieses Prinzip zwar nicht deren Begründung, wohl aber deren Genese. In der Reflexionslust wird der Raum der nichtpropositionalen „Erkenntnis überhaupt" erschlossen, die selbst zwar das Denken anregt, aber selbst bestimmte Erkenntnisse weder enthält noch vermittelt, weil sie lediglich eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet. Wenn der Erkennende unter ihnen eine Wahl trifft, gewinnt er propositionales, mitteilbares Wissen. Auch die ästhetische Idee ist ein Gebilde, das viel zu denken veranlaßt, ohne selbst bereits konkrete Erkenntnisse zu verkörpern 344 §20 Weil die reflektierende Urteilskraft, unverstellt empfindbar in den Beurteilungen des Geschmacks, zwar nicht an der Begründung, wohl aber an der Genese der objektiven Erkenntnis beteiligt ist, hat alles Erkennen auch eine ästhetische Vorgeschichte. Daraus ergibt sich die nur scheinbare Paradoxie, daß der Bereich des Erkennbaren mit dem des Schönen zusammenfällt. Wie jede Empfindung gehört auch die Reflexionslust zu den intensiven Größen, die in unterschiedlichen, wenngleich niemals negativen Graden realisiert sein können. Das gilt auch für die in diesem Gefühl präsente Erfahrung des Schönen. Es ist der Scharfsinn, ebenfalls eine Gestalt der Urteilskraft, der das Empfinden selbst noch von minimalen Graden dieser Lust für das Erkennen fruchtbar machen kann 362 Abschluß
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Literaturverzeichnis
389
Stcllcnregister
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Einleitung
In einer kleinen Schrift aus der vorkritischen Epoche seines Denkens fragt Kant, „was denn dasjenige für eine geheime Kraft sei, wodurch das Urteilen möglich wird" 1 . Diese Frage stellt sich ihm bei der Erörterung des Problems, wie sich vernunftlose von vernünftigen Wesen angesichts der Tatsache abgrenzen lassen, daß Vernunftbesitz nicht zu den notwendigen Voraussetzungen der Fähigkeit gehört, Dinge voneinander zu unterscheiden. Doch allein den vernünftigen Wesen gesteht Kant das Privileg zu, Dinge nicht nur unterscheiden, sondern die Unterschiede auch erkennen zu können. Es ist die Fähigkeit des Urteilens, die ihnen diese Differenzierungsleistung ermöglicht. Kant deutet an, wo er die Antwort auf die Frage nach der gesuchten, hinter dem Urteilen stehenden geheimen .Kraft finden zu können hofft, wenn er vermutet, daß es gerade nicht ein intellektuelles, sondern ein sensuelles Vermögen, nämlich der innere Sinn ist, der das Urteilen möglich macht. Damit ist bereits die Richtung angezeigt, in der er später die Antwort finden wird. Die Frage nach dem Ursprung und nach der Tätigkeitsweise des Urteilsvermögens hat Kant fortan immer wieder beschäftigt, ja sogar irritiert. Freilich scheint es, als hätte er diese Frage zunächst einmal suspendiert, nachdem er das Konzept der kritischen Philosophie entworfen und sich mit Hilfe der Techniken transzendentalphilosophischer Analyse auf die Suche nach der apriorischen, nicht in der Erfahrung gründenden Ausstattung der Subjektivität und nach den von ihr gezogenen Grenzen der für den Menschen erreichbaren Erkenntnis begeben hatte. Die „Kritik der reinen Vernunft" befaßt sich mit der Urteilskraft als solcher, mit ihrer Struktur und mit den Gesetzen ihrer Tätigkeit nur auf eine eher beiläufige Weise. Eine ausgearbeitete Theorie über dieses Vermögen findet man hier ebensowenig wie in der „Kritik der praktischen Vernunft". Gleichwohl ist die Urteilskraft in beiden Kritiken auf andere Art präsent. Auch wenn dieses Vermögen dort kaum einmal selbst zum Thema wird, so liefern dennoch mit den Urteilen und mit den Sätzen seine Produkte den Leitfaden für bestimmte Prinzipienuntersuchungen. Das geschieht beispielsweise dort, wo sich Kant an den Urteilsformen orientiert, um die reinen Verstan1
II60.
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Einleitung
desbegriffe, die Kategorien herzuleiten und in eine systematische Ordnung zu fügen. Auf andere Weise ist die Urteilskraft präsent, wo sie in Gebrauch genommen wird, um bestimmte Aufgaben zu lösen, die von keiner anderen Instanz bewältigt werden können. Das gilt für die theoretische Urteilskraft, wenn sie mit apriorischen Materialien arbeitet und dabei die Grundsätze des reinen Verstandes hervorbringt, aber auch für die praktische Urteilskraft, wenn sie das Sittengesetz mit dem Feld des Handelns im konkreten Hier und Jetzt vermittelt. Trotz dieser unübersehbaren Präsenz der Urteilskraft und ihrer Hervorbringungen werden in Kants ersten beiden Kritiken allenfalls Fragmente einer sich thematisch mit ihr befassenden Theorie vorgestellt. Dafür läßt sich ein einfacher Grund finden. Die Urteilskraft müßte, um selbst zu einem Gegenstand der kritischen Transzendentalphilosophie werden zu können, über eigene apriorische Prinzipien verfügen. Solche Prinzipien kann Kant zunächst jedoch noch nicht entdecken, da für ihn die Urteilskraft als solche, ähnlich wie die formale Logik, der Unterscheidung von Apriorischem und Empirischem gegenüber neutral bleibt. Ebenso wie für die Logik scheint auch für sie der formale Status der Materialien gleichgültig zu sein, mit denen sie umgeht. Gewiß können bestimmte Produkte ihrer Tätigkeit als Leitfaden für philosophische, auch für transzendentalphilosophische Analysen in Dienst genommen werden. Doch für sie selbst gibt es, wie es Kant zunächst noch scheint, kein objektives Prinzip, keinen Leitfaden und keine Regel, an die sie sich bei ihrer Tätigkeit halten könnte. Auf welche Weise sie wirkt, auf welchem Weg sie zu ihren Ergebnissen gelangt, bleibt daher offen. Erst in der „Kritik der Urteilskraft" schickt sich Kant an, die Frage nach der Struktur und nach der Vorgehensweise des Urteilsvermögens zu beantworten. Einer Kritik im kantischen Sinn läßt sich dieses Vermögen allerdings nur unterwerfen, wenn ihm ein apriorisches Prinzip zugrunde liegt, das einer Prüfung sowohl fähig als auch bedürftig ist, da es sonst noch nicht einmal „selbst der gemeinsten Kritik ausgesetzt sein würde" . Dieses Prinzip, von Kant erst spät und zu seiner eigenen Überraschung entdeckt, unterscheidet sich aber nicht nur inhaltlich, sondern bereits in seiner Struktur und in seiner Eigenschaft als Prinzip von jenen Prinzipien, mit deren Analyse die ersten beiden Kritiken befaßt waren. Kant hatte entdeckt, daß die Urteilskraft in ihrer Tätigkeit dem Urteilenden nicht nur auf unmittelbare Weise in einem Gefühl bewußt wird, sondern daß sie diesem Gefühl überdies auch ihre Beziehung zum Reich des Apriorischen verdankt. Kant verdeutlicht dies an Hand des Gcschmacksurteils, eines Urteils, das ihm, entgegen dem ersten Anschein, auch in der Dritten Kritik 2
V169.
Einleitung
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nur als Paradigma dient, an dem er Strukturen von allgemeinerer Relevanz ablesen will. Eine Überraschung bedeutete jene Entdeckung aber vor allem deswegen für ihn, weil er bis dahin im Urteilen eine kognitive Leistung gesehen hatte, die fernab von allen Emotionen erbracht wird oder doch zumindest erbracht werden sollte. Jetzt aber ist es gerade eine Emotion, nämlich ein bestimmtes Gefühl, dem die Aufgabe übertragen wird, eine Beziehung zur Sphäre des Apriorischen anzuzeigen. Es ist ein Gefühl, das zwar nicht selbst in das Resultat einer auf den Gewinn von Erkenntnis zielenden Beurteilung eingeht und deshalb auch zur Erkenntnis nichts Inhaltliches beiträgt, das aber trotzdem die Wirkungsweise der Urteilskraft bestimmt und reguliert, da es hinter der Genese nicht nur des Geschmacksurteils, sondern ebenso auch des Erkenntnisurteils steht. Bei der Konzeption der kritischen Philosophie hatte Kant zunächst jedenfalls noch nicht damit gerechnet, daß die apriorische Ausstattung der Subjektivität die Sphäre der Emotionen berühren und an wenigstens einer Stelle sogar in sie hineinreichen könnte. Von ihren Anfängen an hatte die Philosophie zu den Gefühlen, zu den Emotionen überhaupt eine in der Sache distanzierte oder zumindest ambivalente Haltung eingenommen. Damit ist nicht gemeint, daß Gefühle und Empfindungen, Triebe und Stimmungen für das Interesse des philosophischen Denkens gleichgültig geblieben wären. Die Philosophen hatten im Gegenteil dieser Sphäre von jeher ihre Aufmerksamkeit zugewendet, sie aber sehr oft - und durchaus nicht immer grundlos - mit Argwohn und Reserve angesehen. Diese Reserve gründete zu einem guten Teil darin, daß selbst sehr starke Emotionen flüchtige Gebilde sind, die sich schwer oder gar nicht objektivieren und mangels Randschärfe auch kaum eindeutig identifizieren und voneinander abgrenzen lassen. Nicht zu übersehen ist auch, daß Gefühle leicht von denen als asylum ignorantiae mißbraucht werden, die nicht bereit sind, die Anstrengung des Begriffs auf sich zu nehmen. Auch Kant distanziert sich von allen, die nicht denken können und deshalb „sich durchs Fühlen auszuhelfen glauben" 3 . Auf der anderen Seite gibt es nichts, was dem Menschen auf eine so unmittelbare und ungegenständliche, jede denkbare Distanzierung noch unterlaufende Weise so vertraut wäre wie seine Emotionen. Leicht in Verlegenheit gerät indessen, wer diese Vertrautheit auf den Begriff bringen will und die Beziehung des Fühlenden zu seinem Gefühl präzise zu bestimmen sucht. Dazu kommt, daß niemand seine Gefühle förmlich zu Gegenständen seiner Aufmerksamkeit machen kann, ohne sie eben dadurch zugleich in ihren spezifischen Qualitäten und in ihrer Gegebenheitsweise zu modifizieren. Die Reserve der Philosophie gegenüber den Emotionen zeigt sich vor al3
IV 442.
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Einleitung
lern darin, daß sie in ihnen oft nur Störfaktoren sah, von denen die Gefahr droht, daß sie die Rationalität des Denkens ebenso wie die normative Ausrichtung des Handelns durchkreuzen. So schien es geboten zu sein, den von ihnen ausgehenden, schwer zu zügelnden Einfluß zu neutralisieren und ihnen gegenüber sogar eine Abwehrhaltung einzunehmen. Dann kommt es darauf an, zunächst in der theoretischen Sphäre Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß die Intentionen des Urteilenden durch sie verwirrt oder abgelenkt werden, daß sie ihn zu Irrtümern verleiten oder daß sie ihn dazu verführen, eigene Wünsche und Absichten schon für Realität zu nehmen. Dann geht man dem Geschäft des Erkennens im Idealfall nur noch in einem Raum nach, der gegenüber allen Emotionen abgeschirmt bleibt. Freiheit und Unabhängigkeit von Emotionen wird so zu einem Wesensmerkmal einer Rationalität, an der Gefühle keinen Anteil mehr haben. „Emotional" wird unter diesen Umständen leicht zu einem Ausdruck, der vorwiegend in abwertendem Sinn verwendet wird. Ähnlich liegen die Dinge in der Sphäre der Praxis. Wie immer man die Leitnormen des Handelns inhaltlich bestimmen, wie immer man sie legitimieren mochte - auch das normgemäße Handeln schien einer Abschirmung gegenüber den Emotionen zu bedürfen, von denen die Gefahr ausgeht, daß sie das durch die Normen zu regulierende Handeln durchkreuzen und in Verwirrung bringen. Deswegen hat sich die angewandte Ethik von alters her auch darum bemüht, praktikable Regeln zu erarbeiten, die es ermöglichen, Emotionen unter Kontrolle zu halten und ihrem Einfluß auf die Ausrichtung des eigenen Handelns zuvorzukommen. So konnten Emotionen zum Gegenstand von Bemühungen um eine Disziplinierung werden, die ihnen gerade noch ein Reservat für die Fälle garantiert, in denen man vom Menschen im lebensweltlichen Umgang mit seinesgleichen erwartet, daß er bestimmte Emotionen selbst dann noch kundzugeben bemüht ist, wenn er sie selbst gar nicht wirklich empfindet. Daß man in den Emotionen bis heute oftmals nur Störfaktoren des Erkennens und des normierten Handelns sieht, kommt freilich nicht von ungefähr. Sein Denken und sein Verhalten glaubt jedermann in der Hand zu haben und darüber verfügen zu können. Emotionen ist es dagegen eigentümlich, daß man sie vielleicht nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend auf passive Weise, als Widerfahrnisse erfährt, als Geschehnisse, die einem zustoßen, denen man manchmal geradezu ausgeliefert ist, ohne Herr über sie werden zu können. Die Tatsache, daß einem seine Emotionen nicht wie objektive Sachverhalte, sondern in einer eigentümlichen Unmittelbarkeit und Distanzlosigkeit begegnen, führt überdies dazu, daß sich die Person mit ihnen sogar zu identifizieren pflegt. Arbeit läßt sich verteilen, da man seine eigene Arbeit grundsätzlich immer auch von anderen verrichten lassen kann. Auch viele Erkenntnisleistungen lassen sich delegieren; anderen-
Einleitung
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falls wäre es gar nicht möglich, auch die Wissenschaft dem Prinzip der Arbeitsteilung zu unterwerfen. Gegenüber seinen Gefühlen kann man sich dagegen nicht so distanzieren, daß auch nur der Gedanke an eine Delegation sinnvoll erscheinen könnte. Man kann sie immer nur auf authentische Weise, immer nur in eigener Person empfinden. In Dingen der Emotionalität kann man sich niemals vertreten lassen. Darauf beruht es auch, daß Herrschaft von Menschen über Menschen am wirkungsvollsten dort ausgeübt wird, wo man mit Erfolg auf ihre Emotionen Einfluß nimmt. Natürlich darf man nicht übersehen, daß die konstruktiven Funktionen und Leistungen der Emotionen niemals völlig vergessen waren. Damit ist natürlich nicht die Trivialität gemeint, daß schwerlich ein Mensch bereit wäre, ein gänzlich emotionsfreies Leben zu wählen, gesetzt den Fall, eine derartige Option stünde ihm offen. Gemeint ist auch nicht, daß man in der zwischenmenschlichen Kommunikation von jedermann erwartet, bei bestimmten Gelegenheiten bestimmte Emotionen zu empfinden oder dies zumindest vorzugeben. Zu denken ist hier vielmehr an das stets auch von Emotionen durchwirkte Kraftfeld, innerhalb dessen sich das gesamte bewußte Leben des Menschen abspielt. Aus ihm bezieht das Erkennen ebenso wie das Handeln die Triebkräfte, ohne die beides schwerlich ins Werk gesetzt und in Gang gehalten werden könnte. Es gibt schlechterdings kein Erkennen und kein Handeln, das nicht von Empfindungen und von Gefühlen zumindest begleitet wäre. Vor allem sollte man nicht aus dem Auge verlieren, daß Emotionen fähig sind, bestimmte Seiten der Welt und der Wirklichkeit allererst zu erschließen. Sie können auf unmittelbare Weise Phänomene noch diesseits der Gegenständlichkeit sichtbar machen, deren Eigenart man leicht verfehlt, wenn man sie vorschnell zum Gegenstand von Erkenntnisurteilen macht. Was Gefühle zu verstehen geben können, läßt sich durchaus nicht immer ohne Rest von einer Theorie einholen, die sich auf sie bezieht. Dazu gehört ein guter Teil dessen, was sich in den interpersonalen Beziehungen zwischen Menschen abspielt, dazu gehört vieles von jenen Gestalten des Wissens, die man heute als nichtpropositional zu bezeichnen pflegt, dazu gehört auch der stumme Hintergrund, der allem ausdrücklichen, gegenstandsbezogenen und propositionalen Wissen erst Zusammenhang und Kontur verleiht. Gewichtige Gründe sprechen für die Annahme, daß auch die mit dem Selbstbewußtsein verbundenen Probleme nicht zu lösen sind, wenn die Ebene der Emotionen übersprungen wird. Philosophische Entwürfe der neueren Zeit haben sich, wenngleich auf sehr unterschiedliche Weise, die Rehabilitierung von Emotionen und des von ihnen Angezeigten und Erschlossenen angelegen sein lassen. Zu denken ist dabei beispielsweise an Heideggers phänomenologische Fundamentalontologie, an die von Whitchead den Gefühlen zugewiesene Rolle inner-
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Einleitung
halb seines Entwurfs einer kosmologisch ausgerichteten Metaphysik, aber auch an das von Hermann Schmitz vorgelegte System der Philosophie, das den rehabilitierten und hier auf bislang ungewohnte Weise präsentierten Gefühlen eine zentrale Stellung einräumt. Das sind freilich Ansätze, die in gänzlich andere Richtungen weisen als Kants Dritte Kritik. Kant ist weit davon entfernt, den Gefühlen insgesamt im Entwurf der kritischen Transzendentalphilosophie eine beherrschende Stellung zuzugestehen. Um so wichtiger wurde für diese Philosophie aber die Entdeckung, daß sich, wenn auch in einem sehr schmalen Bereich, die Sphäre der Gefühle mit der des Apriorischen überschneidet. Zwar ist es eine Sphäre, die zum Inhalt begründbarer Erkenntnis nichts beiträgt. Gleichwohl ist es mit der Reflexionslust ein spezifisches, universell präsentes, nicht in der Empirie gründendes und im Geschmacksurteil sogar unmittelbar und unverstellt empfindbares Gefühl, das allererst eine reelle Chance eröffnet, konkrete Erkenntnisse zu erarbeiten. Am Beispiel dieses Gefühls läßt sich studieren, in welcher Weise dem Menschen sowohl die von der Wissenschaft erforschte Welt als auch die Welt, in der er lebt und mit seinesgleichen kommuniziert, auf originäre, unmittelbare und unvertretbare Weise auch mit Hilfe des Emotionalen erschlossen wird. Die vorliegende Abhandlung unternimmt es, Kants Dritte Kritik, insbesondere deren erste Hälfte, die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft", im Blick auf derartige Zusammenhänge zu untersuchen. Es liegt in der Natur der Sache, daß bei einer solchen Untersuchung nur bestimmte Gesichtspunkte zum Tragen kommen können, andere dagegen ausgeblendet bleiben müssen. So kommen die wirkungsgeschichtlich höchst folgenreichen Elemente von Kants Dritter Kritik, die für eine Philosophie der Kunst und der Künste relevant sind, allenfalls beiläufig zur Sprache. Auch tritt die Analytik des Erhabenen gegenüber der des Schönen in den Hintergrund. Nicht im einzelnen behandelt werden auch die Konsequenzen, die sich aus den Überlegungen der Dritten Kritik in bezug auf die moralische Bestimmung des Menschen und damit für die Ethik ergeben. Vor allem der entwicklungsgeschichtliche Hintergrund der „Kritik der Urteilskraft" bleibt in der vorliegenden Untersuchung ausgeblendet. Sie stellt sich nur der Aufgabe, den Kern jener Theorie zu rekonstruieren, die Kant mit seiner im Jahre 1790 erschienenen Dritten Kritik intendiert, zum großen Teil ausgearbeitet und - oft freilich nur in der Art eines begrifflichen Stenogramms - dokumentiert hat. Gewiß hat Kant die einzelnen Lchrclemente dieser Theorie nicht gleichzeitig konzipiert. Um so mehr muß man in Rechnung stellen, daß es sich um eine Theorie handelt, die schwerlich als solche eine Entwicklung durchlaufen hat, die auf diese Bezeichnung rechtens Anspruch erheben könnte. Es sind vielmehr heterogene, sogar aus unterschiedlichen Diszipli-
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nen stammende Entwicklungslinien, die sich in dieser Theorie treffen. Wer nach den Stationen auf Kants Denkweg sucht, insofern er schließlich zur „Kritik der Urteilskraft" geführt hat, wird zunächst natürlich von der Ersten und von der Zweiten Kritik ausgehen müssen. Essentielle Elemente der Theorie von 1790 tauchen indessen zum ersten Mal in Zusammenhängen auf, die von der kritischen Fragestellung unabhängig sind, so beispielsweise im Rahmen der Reflexionen zur Metaphysik und vor allem zur Logik, deren Ergänzung durch eine Ästhetik im Sinne einer zweiten propädeutischen Disziplin ein zentrales Anliegen Alexander Baumgartens, des Namenspaten der modernen Ästhetik, gewesen war; andere Elemente werden erstmals in Kants Überlegungen zur empirischen Psychologie und zur pragmatischen Anthropologie greifbar. Hier finden sich mancherlei Materialien, die unterschiedlichen Epochen der Entwicklung von Kants Denken entstammen. Kant hat sie zum Teil unabhängig von der transzendentalphilosophischen Fragestellung bearbeitet, aber eben doch erst nach der entscheidenden Entdeckung des im Geschmacksurteil faßbaren emotionalen Apriori für die Prinzipienuntersuchungen der Transzendentalphilosophie fruchtbar gemacht. Erst durch diese Entdeckung wurde der Geschmack zu einem Thema nicht nur der mit der Erhebung und der Erklärung von Fakten befaßten empirischen Psychologie, sondern auch der kritischen Philosophie, insofern sie nach Möglichkeitsbedingungen und nach nicht der Erfahrung entstammenden Legitimationsgründen des Erkennens und des Handelns fragt. Trotz ihrer Konzentration auf die in der „Kritik der Urteilskraft" dokumentierte Theorie ist es nicht inkonsequent, wenn die vorliegende Arbeit Materialien aus Kants Nachlaßrcflexionen und aus seinen Vorlesungen auch ohne Rücksicht auf ihre unterschiedliche Entstehungszeit heranzieht. Die Vorlesungen sind für das Studium der von Kant selbst veröffentlichten Werke auch deswegen von Nutzen, weil sie für alles das hellhörig machen, was Kant bei seinen Lesern bereits voraussetzen konnte. Vor allem jedoch sind sie, ebenso wie die Reflexionen aus dem Nachlaß, unabhängig von allen genetisch orientierten Interessen auch deswegen bedeutsam, weil man hier immer wieder auf körnige Formulierungen stößt, auf Dokumente der ersten und unmittelbaren Konzeption eines Gedankens, die einem gute Dienste leisten, wenn es darum geht, den Text der Dritten Kritik zu deuten und ihm Kontur zu verleihen. Ihr Inhalt ist in diesen Text oft nur in modifizierter und reflektierter Gestalt eingegangen, in der sie die ursprüngliche Frische und die Prägnanz ihrer Diktion eingebüßt haben. Das gilt entsprechend auch für die von Kant zurückgezogene Erste Einleitung in die Dritte Kritik und für die Materialien, die in die in Kants Auftrag aus seinen Materialien von Jäschc kompilierte Logik eingegangen sind. Trotzdem schien es ratsam zu sein, diese Materialien, ungeachtet ihrer Entstchungszcit, nur
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Einleitung
zur Ergänzung, zur Erläuterung und zur Konturierung der von Kant in der „Kritik der Urteilskraft" vorgelegten Theorie zu verwenden und ihnen in deren Rekonstruktion, sieht man von der Theorie der Unmöglichkeit eines totalen Irrtums als der einzigen Ausnahme ab 4 , keine Aufgabe anzuvertrauen, bei deren Auflösung sie die Funktion von tragenden Elementen übernehmen müßten. In der umfangreichen, mittlerweile nur noch mit Mühe zu überschauenden Forschungsliteratur werden immer wieder wirkliche oder vermeintliche Inkonsistenzen in Kants Dritter Kritik zur Sprache gebracht, die nicht selten zu dem vorschnell gefällten Urteil führen, dieses Werk sei in wesentlichen Teilen mißlungen. Nun läßt sich schwerlich in Abrede stellen, daß Kants Darbietung seines Gedankengangs an manchen Stellen auch in inhaltlicher Hinsicht einer letzten Abgleichung und Glättung noch entbehrt. Auch ist nicht zu übersehen, daß die heterogene Herkunft der dort fruchtbar gemachten und eingearbeiteten gedanklichen Materialien ihre Spuren hinterlassen hat. Doch manche scheinbare Inkonsistenzen und Widersprüche ergeben sich nur dann, wenn man den Unterschied vernachlässigt, der zwischen den phänomenologisch zu beschreibenden, der Sinnlichkeit verhafteten Bewußtseinsinhalten dessen besteht, der selbst Geschmacksurteile fällt, und der Ebene des mit Begriffen arbeitenden und analysierenden Theoretikers, der sich solche Urteile mitsamt der hinter ihnen stehenden urteilenden Instanz zum Gegenstand einer Theorie macht, ohne selbst Urheber eines derartigen Urteils zu sein5. Wo ein seinem Wesen nach in der Sphäre des Sinnlichen verortetes Geschmacksurteil gefällt wird, stehen dem Urteilenden selbst keinerlei Begriffe zur Verfügung; erst recht hat er keinen Zugriff auf die Hilfsmittel, mit denen der analysierende Theoretiker arbeitet. Es ist nicht immer leicht, diese beiden Einstellungen in der Arbeit an einem Text randscharf auseinanderzuhalten, der die Dinge bald von der einen, bald von der anderen Position aus zur Sprache bringt. Schwierigkeiten, jedem Textstück Kants eine dieser beiden Einstellungen eindeutig zuzuordnen, ergeben sich auch daraus, daß jeder Phänomenologe schon deswegen stets zu Konzessionen gezwungen ist, weil er für seine Beschreibungen keine Sprache findet, die nicht durch eine ihr als Sprache schon von Hause aus immanente Theorielastigkeit vorgeprägt wäre. Vernachlässigt man die auf diesen Dingen beruhende Mehrschichtigkeit von Kants Dritter Kritik, macht es wenig Mühe, in diesem Werk angebliche Widersprüche aufzuspüren. Trivial bleibt dennoch die Feststellung, daß dem Sinn eines philosophischen Textes nicht gerecht wird, wer dem mit dessen Inhalt verbundenen Wahrheitsanspruch ausweicht oder ihn auf 4
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Vgl. unten S. 121 ff. Vgl.dazuSchaper(1979),S.67f.
Einleitung
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sich beruhen läßt. Jeder derartige Text will vom Leser auf diesen Anspruch hin verstanden und geprüft, notfalls auch kritisiert werden. Deshalb empfiehlt es sich, ihn zunächst stets sub ratione veritatis zu lesen, also mit der Hypothese, daß er Wahrheit enthält und mitzuteilen hat. Dann ist es die Aufgabe des Interpreten, nach Bedingungen zu suchen, unter denen sich die vom Autor mitgeteilten Gedanken als zutreffend erweisen. Natürlich muß er sich bei einem solchen Vorgehen darauf gefaßt machen, mit dieser Hypothese im Einzelfall immer wieder zu scheitern. Doch selbst dann noch erweist sie sich beim Umgang mit den klassischen Texten der Philosophie oftmals als fruchtbar. Natürlich zeigen die einschlägigen Resultate, daß es bei weitem nicht jeder philosophische Text verdient, unter der Voraussetzung dieser gewiß häufig auch leerlaufenden Hypothese interpretiert zu werden. Aber es ist fraglich, ob sich eine nicht an der Meinung des Autors, sondern an den von ihm intendierten Sachverhalten orientierte Beschäftigung mit einem philosophischen Text für den überhaupt noch lohnt, der von dieser Hypothese keinen Gebrauch macht. Eine Schwierigkeit, mit der man gerade beim Umgang mit philosophischen Werken von Rang immer wieder konfrontiert wird, steht mit den Verwerfungen in Zusammenhang, die daher rühren, daß auch Innovationen im Denken zunächst stets mit Hilfe überkommener, ihr nicht immer adäquater Ausdrucksmittel dargestellt werden müssen. Gerade Kant wußte, daß auch jede Innovation von der Nachahmung eines schon Gegebenen ausgehen muß . Daraus pflegen sich Deutungsschwierigkeiten in bezug auf manche Details der Texte zu ergeben. Der Blick auf Kants eigentliche Leistung der Dritten Kritik, die Entdeckung und die Analyse eines emotionalen Apriori der Urteilskraft, braucht dadurch jedoch nicht verstellt zu werden. Es ist ein Apriori, für das es kein Urteil gibt, in dem man es als eines seiner Elemente wiederfinden könnte, das aber die Genese von Urteilen aufzuhellen fähig ist. Außerdem erschließt es dem Menschen einen Bereich seines bewußten Lebens, der vom begrifflichen und vom wissenschaftlichen Denken nicht unmittelbar erreicht wird, von dem aber auch noch dieses Denken getragen und ermöglicht wird. Darin gründet die Hoffnung, daß nicht alle Bemühungen des Menschen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind, die sich darauf richten, begriffliche und wissenschaftliche Erkenntnis zu gewinnen, treffende Urteile zu fällen und sie seinesgleichen mitzuteilen. Jenes Apriori kann freilich den Inhalt konkreter, einzelner Urteile inhaltlich weder begründen noch widerlegen. Wohl aber prägt es den Status dessen, dem man attestiert, daß er - wie man zu sagen pflegt - ein Urteil hat, dem also eine bestimmte Disposition eigen ist und 6 „Es gibt keinen Fortschritt des Geistes, keine Erfindung, ohne das, was man schon kennt, in neuer Beziehung nachzuahmen" (R 778).
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Einleitung
der Fähigkeiten kultiviert hat, die sich in der Fällung von treffenden Einzelurteilen bewähren, jedoch niemals erschöpfen. Am Beispiel dieses emotionalen Apriori hat Kant jedenfalls ein Stück jener Tiefenschicht des Erkennens und zugleich des menschlichen Zusammenlebens sichtbar gemacht, die auf ihre vollständige theoretische Durchdringung immer noch wartet.
I. Der Begriff des Ästhetischen
§1 Wer in unseren Tagen das Wort „Ästhetik" verwendet, bezieht sich gewöhnlich auf eine Disziplin, die der Welt der Kunst und ihren Phänomenen auf der Ebene des Begriffs gerecht zu werden sucht. Wer die historische Dimension dabei nicht außer Acht lassen will, wird berücksichtigen, daß die Thematik dieser Disziplin vormals nicht an der Welt der Kunst selbst, sondern an den Phänomenen des Schönen in Natur und Kunst orientiert war. Doch das Schöne in der Natur, dem in der Vergangenheit gegenüber dem Kunstschönen oft der Vorrang zuerkannt wurde, vermag in unserer Gegenwart das Interesse des Ästhetikers nur noch selten auf sich zu ziehen. Die Entwertung des Naturschönen wurde indessen durch eine der Kunst neu zugewachsene Dignität in dem Maße kompensiert, manchmal sogar überkompensiert, in dem die Schönheit ihren Rang als oberste Leitnorm für die Beurteilung von Kunstwerken einbüßte. In der gegenwärtigen Zeit der nicht mehr schönen Künste haben sich der Kunst Möglichkeiten eröffnet, zugleich aber auch Aufgaben gestellt, von denen niemand etwas ahnen konnte, als man die einstmals unter dem Namen der schönen Künste zusammengefaßten Disziplinen lediglich gegenüber den mechanischen und den handwerklichen Künsten abzugrenzen brauchte. Diese Umschichtungen im Bezugsbereich der Ästhetik haben der Anerkennung Kants als eines der klassischen Autoren dieser Disziplin trotz seiner Verwurzelung in jener älteren Tradition keinen Abbruch getan. Die Einschätzung der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft" als eines auch für die gegenwärtige Diskussion immer noch bedeutsamen Textes wird nicht dadurch gemindert, daß ihr Autor dem Naturschönen den Vorrang vor dem Schönen in der Kunst zugesteht, auch nicht dadurch, daß für ihn die Kunst, sofern sie die ästhetische Urteilskraft beschäftigt, nur schöne Kunst sein kann, sieht man von der Sonderstellung des Erhabenen ab. Diese Einschätzung wird noch nicht einmal dadurch relativiert, daß Kants Dritte Kritik nur in bescheidenem Umfang Spuren von Begegnungen ihres Autors mit konkreten Inhalten aus dem Bereich des Schönen oder dem der Kunst erkennen läßt. Man könnte fast den Verdacht hegen, Kant sei geradezu ängstlich darum bemüht gewesen, solche Spuren gar nicht erst entstehen
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I. Der Begriff des Ästhetischen
zu lassen. Bei der Analyse des Geschmacksurteils gibt er jedenfalls nur gelegentlich einmal konkrete Beispiele von Dingen, die ein solches Urteil veranlassen können. Die Orientierung am Beispiel einer eher trivialen Aussage wie „Die Rose, die ich anblicke, erkläre ich durch ein Geschmacksurteil für schön" 1 , tut ihm für die Realisierung der mit seinen Analysen verbundenen Absichten auf weite Strecken durchaus Genüge. Gelegentlich versucht man, diese Dinge vor dem Hintergrund von Kants Biographie zu erklären. Solche Versuche pflegen sich auf ein vermeintliches Defizit an eigenen einschlägigen Erfahrungen Kants zu berufen und damit auf eine Distanz, die er zur Welt der Kunst angeblich eingehalten hat, zu einer Welt, der er, wie es scheinen könnte, nicht erlaubt hat, auf sein Denken Einfluß zu nehmen. Doch solche Erklärungsversuche greifen zu kurz. Was wir von Kants Leben und von seiner Persönlichkeit wissen, berechtigt niemanden zu einem Zweifel daran, daß er die von ihm mit dem Namen des Geschmacks bezeichnete Fähigkeit, zumindest unter den Bedingungen seiner individuellen kulturellen Lebenswelt2, auf differenzierte Weise kultiviert hatte, auch wenn sich im Laufe der Jahre sein Interesse abschwächte, Gelegenheiten aufzusuchen, bei denen er diese Fähigkeit hätte bewähren müssen. Zudem gilt für Kant ebenso wie für jeden Denker von Rang, daß von den Ergebnissen seiner Arbeit in der Sache nur Bestand hat, was sich einer Reduktion auf biographische Tatsachen widersetzt. Kants Rang als der eines Klassikers der philosophischen Ästhetik wird durch seine persönliche Einstellung zu den ihm vertrauten Inhalten des ästhetischen Bewußtseins ebensowenig berührt wie durch manche Annahmen und Überzeugungen, die zu den zeitgebundenen, kontingenten Randbedingungen gehören, unter denen seine Schriften entstanden sind. Die Zuerkennung dieses Ranges gründet in einem anderen Sachverhalt. Kant hatte bei seiner lebenslangen theoretischen Beschäftigung mit den Phänomenen des Geschmacks erst spät und zu seiner eigenen Überraschung Strukturen entdeckt, deren Untersuchung dazu zwang, sie in die Erörterung der auf das Apriorische zielenden Prinzipienfragen der kritischen Philosophie einzubeziehen3. Diese Entdeckung veranlaßte ihn, eine Begrifflichkeit zu entwickeln, die dazu bestimmt war, eine Analyse des Geschmacks im Blick auf eben diese Prinzipienfragen zu ermöglichen. So war mit der Überantwortung der Welt des Geschmacks an die Kompetenz der philosophischen Prinzipientheorie ein Maßstab gesetzt, auf dessen Verbindlichkeit man sich
1
V215. Vgl. dazu Böhme (1999). Die erste eindeutige Dokumentation dieser Entdeckung findet sich in dem Brief an Reinhold vom 28.12.1787 (X 487ff.); vgl. aber auch die Briefe an Schütz vom 25.6.1787 (X 466 f.) und an Jakob vom 11.9.1787 (X 471 f.). 2
§1
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auch heute noch unabhängig davon einigen kann, ob man die zentralen Fragen einer solchen Theorie in bezug auf Kant im Zeichen der Nachfolge, der Kritik oder der Gegnerschaft erörtert. Viele pflegen sich heute einer Kurzform zu bedienen und von Kants Ästhetik zu sprechen, wenn von der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft" die Rede sein soll. „Kants Begründung der Ästhetik" lautet der Titel jenes Standardwerks von Hermann Cohen, das die Deutung von Kants Dritter Kritik geraume Zeit beherrscht hat und auch in der gegenwärtigen Diskussion zumindest untergründig immer noch präsent ist. Gegen die Rede von Kants Ästhetik wäre wenig einzuwenden, würde sie nur dazu dienen, ein bestimmtes Lehrstück seiner Philosophie bibliographisch eindeutig zu kennzeichnen. Ohnehin ist der Titel manch eines klassischen philosophischen Textes in der Fachdiskussion oft nur in einer Kurzform präsent. Dadurch entsteht allerdings die Gefahr, daß sich solche Verkürzungen selbständig machen und ein Eigenleben führen, das mit einem adäquaten Verständnis der Sache nicht selten in Konflikt gerät. So wird durch die gängige Rede von Kants Ästhetik die Tatsache verdunkelt, daß Kant eine Ästhetik im Sinne einer wissenschaftsfähigen, philosophischen Disziplin von der Welt des Geschmacks und des Schönen weder begründet hat noch begründen wollte. Statt dessen bemüht er sich um den Nachweis, daß es eine Ästhetik im Sinne einer Wissenschaft von den Dingen, die den Geschmack herausfordern, aus prinzipiellen Gründen nicht gibt und auch niemals wird geben können. Nun braucht man sich gewiß nicht daran hindern zu lassen, auch eine prinzipientheoretische philosophische Untersuchung, unter deren Resultaten sich die These von der Unmöglichkeit einer Wissenschaft von der Welt des Geschmacks findet, als eine im weiteren Sinn des Wortes zu verstehende Ästhetik zu bezeichnen. Dann ist freilich Vorsicht geboten, da man die Frage nach dem formalen Status der Aussagen, mit denen man die Ergebnisse derartiger Untersuchungen dokumentiert, nicht auf sich beruhen lassen darf. So bleibt es eine nichttriviale Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Sinn Kants Dritte Kritik eine Ästhetik enthält. Unter diesen Umständen wird ein terminologischer Befund bedeutsam. In der „Kritik der Urteilskraft" verzichtet Kant nämlich auf den Ausdruck „Ästhetik" - von einer einzigen, als echtes Gegenbeispiel wenig tauglichen Tcxtstelle abgesehen 4 . Dieser Befund fällt um so mehr auf, als sich Kant in anderen Werken bekanntlich nicht scheut, von diesem Terminus Gebrauch zu machen. Man wird hier natürlich vor allem an die „Transzendentale Ästhetik" denken, trotz ihrer Knappheit eines der tragenden Elemente der „Kritik der reinen Vernunft", das nicht dem Umfang, wohl aber der systematischen Position nach der ungleich umfangreicheren „Transzendentalen 4
V 269; vgl. aber XX 247, 249.
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I. Der Begriff des Ästhetischen
Logik" die Waage hält. Diese Ästhetik macht bekanntlich die nicht in der Erfahrung gründenden, sondern sie allererst ermöglichenden Formen der Anschauung zum Gegenstand, die überall dort bereits vorausgesetzt sind, wo Dinge auf sinnliche Weise zur Erscheinung kommen. So bezeichnet der Name der Transzendentalen Ästhetik eine der theoretischen Philosophie zugehörige Teildisziplin, von der Raum und Zeit, also die nicht in der Erfahrung gründenden Fundamentalstrukturen der Sinnlichkeit, der Anschauung und der Wahrnehmung unter prinzipientheoretischen Fragestellungen untersucht werden. Wollte Kant vielleicht den Ausdruck „Ästhetik" ausschließlich für die Bezeichnung einer Lehre von der Sinnlichkeit überhaupt reservieren und die Konsequenz in Kauf nehmen, daß er damit für die Lehre vom Geschmack und vom Schönen in Natur und Kunst nicht mehr zur Verfügung steht? Es ist zweckmäßig, vor einer Beantwortung dieser Frage die Architektonik der kritischen Philosophie ins Auge zu fassen. Sinnvoll ist dies auch deswegen, weil Kant, obwohl in den Fragen der Terminologie oft auf eine den Leser verwirrende Weise großzügig, der architektonischen Ordnung des philosophischen Gedankens stets besondere Aufmerksamkeit schenkt. Überdies läßt sich gerade hier deutlich machen, welche besondere Bewandtnis es mit der Dritten Kritik im Unterschied zu den beiden anderen Kritiken hat. Kant betrieb sein „kritisches Geschäft" als eine Vorbereitungsarbeit, die damit befaßt ist, die Grenzen, die der Reichweite der menschlichen Subjektivität durch ihre eigene Natur gezogen sind, in ihrem Verlauf nachzuzeichnen, aber auch zu sichern. Die Vermessung des so eingegrenzten Bereichs sollte es zugleich ermöglichen, dem Aufbau des Systems der Philosophie ein tragfähiges Fundament zu liefern. Kritik und System haben daher unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen: „Die Philosophie der reinen Vernunft ist nun entweder Propädeutik (Vorübung), welche das Vermögen der Vernunft in Ansehung aller reinen Erkenntnis a priori untersucht, und heißt Kritik, oder zweitens das System der reinen Vernunft (Wissenschaft), die ganze (wahre sowohl als scheinbare) philosophische Erkenntnis aus reiner Vernunft im systematischen Zusammenhange, und heißt Metaphysik" 5 . Der Kritik wird keineswegs die Aufgabe gestellt, unmittelbar bestimmte Fachwissenschaften wie die Mathematik oder die Physik zu begründen. Zwar kann sie Bedingungen aufzeigen, unter denen diese Wissenschaften erst möglich werden. Auf die Kritik ist aber nicht angewiesen, wer lediglich innerhalb dieser Disziplinen mit Aussicht auf Erfolg wissenschaftlich arbeiten will. Die Kritik soll nur die Elemente bereitstellen, aus denen ein geplantes System einer von der Erfahrung nicht abhängigen theoretischen wie auch praktischen Erkenntnis unter dem Titel einer Me1
A 841 / B 869; vgl. B XXXV], A 11 / B 25 ff., A 204 / B 249; V 161, 194.
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taphysik aufgebaut werden kann. Die Erfahrung bietet manche Gelegenheiten, von denen die Entwicklung einer solchen Disziplin begünstigt wird. Die von ihr erarbeiteten Begründungen dürfen hingegen niemals auf Fakten zurückgreifen, wie sie nur durch die Erfahrung vermittelt werden. Nach einem verbreiteten, vor allem auf den Neukantianismus der Marburger Schule zurückgehenden Mißverständnis soll Kant die reale Existenz bestimmter, von ihm vorgefundener Wissenschaften als ein Faktum gesehen haben, das von der Philosophie nicht mehr in Frage gestellt, sondern als eine der Voraussetzungen ihrer Arbeit nur noch hingenommen werden kann. Nun läßt sich schwerlich daran zweifeln, wie bedeutsam Kants Vertrautheit mit der Mathematik und der Physik seiner Zeit und das Interesse, das er an ihnen nahm, für die Entwicklung seines philosophischen Denkens war. Die Entstehung und der „sichere Gang" 6 dieser Disziplinen diente ihm sogar zum Vorbild bei seinen Bemühungen, nunmehr auch die Metaphysik mit Hilfe der Entwicklung von neuen, nur ihr eigenen Methoden nach langen Irrwegen endlich in den Rang einer strengen Wissenschaft zu erheben. Trotzdem dienen die von ihm vorgefundenen, bereits etablierten strengen Wissenschaften in seinen Überlegungen nur der Orientierung. Ihre faktische Existenz liefert der Philosophie keine Prämissen, die sie nur zu übernehmen brauchte, um sie ihrer Arbeit zugrunde zu legen. Im Rahmen des systematischen Aufbaus der kritischen Philosophie wird der bloßen Existenz einer Fachwissenschaft denn auch nirgends eine Begründungsleistung abverlangt. Das gilt auch dort, wo Kant dem Faktum bestimmter Wissenschaften zum Zweck einer didaktisch orientierten Aufbereitung des Stoffes eine Schlüsselstellung einräumt. Für die theoretische Philosophie geschieht dies in den „Prolegomena". Anders als die synthetisch vorgehende „Kritik der reinen Vernunft" bedienen sich die „Prolegomena" einer analytischen Methodik, wenn sie es unternehmen, die Möglichkeit einer reinrationalen theoretischen Philosophie darzutun 7 . Der Vortrag ihrer Analysen bedarf einer Voraussetzung: „Sie müssen sich also auf etwas stützen, was man schon als zuverlässig kennt" 8 . Diesen Bezugspunkt liefert die Faktizität von schon existenten, exakten Wissenschaften . Auf dieser Basis kann man dem Lernenden entgegenkommen, wenn man ihm auf dem Weg einer analytischen Erörterung von schon Bekanntem die Quellen der Erkenntnis, aber auch deren Grenzen aufzeigen will. Doch dieser Weg zeichnet nicht die architektonische Ord6
Vgl. B VII ff. Vgl. IV 274ff. 8 IV 274f.; vgl. IV 263; IX 149; aber auch B 128, 395. Auch die von Kant erst in der zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft" in die Einleitung eingefügten Ausführungen B 14-24 sind der analytischen Methodik im Sinne der „Prolegomena" verpflichtet. 7
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I. Der Begriff des Ästhetischen
nung des Aufbaus und der Begründung der Erkenntnis nach, da die Möglichkeit der geplanten, systematischen Metaphysik der Sache nach erst noch durch die ihr vorgeordnete Kritik legitimiert werden muß. Diese Folgeordnung läßt sich nicht umkehren. Die neukantianische, am „Faktum der Wissenschaft" orientierte Deutung nimmt hingegen für bare Münze, was Kant in den „Prolegomena" nur als Resultat einer didaktisch orientierten Aufbereitung des Stoffes vorträgt. Wer von diesem Hilfsmittel einmal auf angemessene Weise Gebrauch gemacht hat, bedarf seiner fortan nicht mehr. Kants Kritik stellt sich die Aufgabe, die Metaphysik als eine systematische, erfahrungsunabhängige Wissenschaft zu ermöglichen und zu legitimieren. Erst im Rahmen dieses Systems lassen sich die apriorischen Grundlagen darlegen, die von der Mathematik und von der Physik bereits vorausgesetzt werden, um auf den Titel einer Wissenschaft im strengen Sinne des Wortes rechtens Anspruch erheben zu können. Für das Verständnis der Dritten Kritik ist die Erinnerung an diesen dreistufigen, von der Kritik über das System zu den Fachwissenschaften führenden Aufbau deswegen nützlich, weil sich im Blick auf ihn verdeutlichen läßt, warum die „Kritik der Urteilskraft" hinsichtlich der Architektonik der kritischen Philosophie eine Sonderstellung einnimmt. Zunächst könnte man erwarten, daß die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft", auch wenn sie selbst keine Ästhetik im Sinne einer Wissenschaft vom Schönen oder von der Kunst entwickelt, eine derartige Disziplin doch zumindest ermöglicht, sei es als eine Fachwissenschaft oder als deren Grundlegung. Denn sowohl die Erste als auch die Zweite Kritik will Kant als systematisch, jedoch nicht didaktisch vorgehende Propädeutiken verstanden wissen, die dazu bestimmt sind, begründungsfähige Metaphysiken der Natur und der Sitten zu ermöglichen. Dann liegt es nahe, von der Dritten Kritik zu erwarten, daß sie in analoger Weise den Weg zu einer - kantisch ausgedrückt - Metaphysik des Schönen, vielleicht auch der Kunst eröffnet, die dann als Grundlage für die Legitimation einer wissenschaftlichen Ästhetik dienen könnte. Wer solche Erwartungen hegt, wird jedoch enttäuscht, weil die Dritte Kritik in der Architektonik der kritischen Philosophie insoweit eine Asymmetrie aufweist. Auf sie macht Kant sogleich in der Vorrede aufmerksam: „Hiermit endige ich also mein ganzes kritisches Geschäft. Ich werde ungesäumt zum doktrinalen schreiten ... Es versteht sich von selbst, daß für die Urteilskraft darin kein besonderer Teil sei, weil in Ansehung derselben die Kritik statt der Theorie dient; sondern daß nach der Einteilung der Philosophie in die theoretische und praktische und der reinen in ebensolche Teile die Metaphysik der Natur und die der Sitten jenes Geschäft ausmachen werden" 10 . Die Versicherung, dies verstehe sich von selbst, überV 170; vgl. 168, 194, 417 sowie XX 246.
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fordert freilich den Leser der Vorrede, der noch keine Gelegenheit hatte, die Gründe kennenzulernen, auf denen die Asymmetrie beruht, die es der Dritten Kritik versagt, eine systematische metaphysische Disziplin und mittelbar möglicherweise auch noch eine Fachwissenschaft zu fundieren. Hier ist jedoch zu bedenken, daß die Vorrede der Dritten Kritik als ihr spätestes Textstück entstanden ist . Von selbst versteht sich die architektonische Sonderstellung der „Kritik der Urteilskraft" nur für den, der die dort vorgetragene Lehre bereits in ihrem Zusammenhang und in ihrer Begründung überblickt. Nur er sieht ein, warum die Dritte Kritik keine Ästhetik im Sinne einer doktrinalen, also einer metaphysischen oder gar einer fachwissenschaftlichen, Disziplin zu fundieren vermag. Daß es eine derartige Wissenschaft auch niemals wird geben können, gehört zu den Resultaten, mit denen Kant den Anspruch verbindet, sie in der Dritten Kritik erzielt und begründet zu haben. Gleichwohl bleibt die Frage, warum nach der Aussage der Vorrede schon „die Kritik statt der Theorie" dient. In der Tat will die Dritte Kritik ihre Thematik in einer Weise erschöpfen, zu der es in den beiden anderen Kritiken keine Parallele gibt, wenn sie sich damit abfinden muß, daß es ihr ihre Sonderstellung versagt, eine metaphysische und eine fachwissenschaftliche Disziplin zu fundieren. Entgegen dem ersten Anschein und im Gegensatz zu den in der Ersten und in der Zweiten Kritik untersuchten Verhältnissen korrespondiert nämlich den von ihr entdeckten und analysierten Strukturen der Subjektivität gerade kein eigener Gegenstandsbereich, der dann von einer Wissenschaft erforscht werden könnte. Nur aus diesem Grund übernehmen diese Strukturen in der Dritten Kritik zugleich Funktionen, wie sie auf der Ebene der Ersten und der Zweiten Kritik erst von den ihnen zugeordneten systematischen Disziplinen erfüllt werden. Kann es nämlich keine Wissenschaft geben, die sich auf die Resultate der Dritten Kritik gründen läßt, so muß die Kritik, sofern überhaupt möglich, diese Leerstelle auf ihre Weise kompensieren. Die „Kritik der reinen Vernunft" will eine Disziplin begründen, in Kants Sprache eine Metaphysik der Natur, von der die Prinzipien vorstellig gemacht werden, die jeder mit der natürlichen Welt befaßten Erkenntnis zugrunde liegen. Die „Kritik der praktischen Vernunft" soll eine Metaphysik der Sitten fundieren, der die Aufgabe zukommt, konkrete Normen für das praktische Verhalten zu formulieren und die von ihnen beanspruchte Verbindlichkeit zu legitimieren. Die Dritte Kritik erarbeitet dagegen bei ihrer Analyse des Geschmacksurtcils keine Prinzipien, die geeignet wären, die Betätigung des hinter diesem Urteil stehenden Vermögens zu regulieren und Wege aufzuzeigen, auf denen sich die Resultate dieser Tätigkeit auf bündige Weise " Vgl. die Briefe an de la Garde vom 9.2., 9.3. und 25.3.1790 (XI 129 f., 140 f., 142 ff.).
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I. Der Begriff des Ästhetischen
begründen und gegen mögliche Irrtümer sichern lassen. Umgekehrt will sie einsichtig machen, warum jede Hoffnung vergeblich ist, jemals Prinzipien aufzufinden, die es erlauben, Geschmacksurteile zu begründen und sie in eine systematische Wissenschaft von den Gegenständen der Welt einzufügen, die den Geschmack herausfordern. Einen Weg zu einer derartigen systematischen Doktrin kann die Analyse des Geschmacksurteils in Kants Dritter Kritik schon deswegen nicht weisen, weil dieses Urteil keine Begriffe enthält, wie sie zum Aufbau einer jeden Theorie notwendig sind. Die Einsicht in die Struktur dieses Urteils eröffnet schon deswegen keine Möglichkeit, zu einer objektiven und begründungsfähigen Erkenntnis von Inhalten zu gelangen, wie sie ihrer Natur nach nur vom Geschmack selbst erschlossen werden können, aber schon nicht mehr von einer Wissenschaft vom Geschmack. Deshalb kann es im Umkreis der „Kritik der Urteilskraft" keine Prolegomena zu einer jeden künftigen Ästhetik geben, die als Wissenschaft würde auftreten können. Eine Ästhetik, die sich thematisch mit den Gegenständen befaßt, die den Geschmack beschäftigen, könnte immer „nur empirische Prinzipien" haben; sie könnte „nie Wissenschaft oder Doktrin sein, wofern man unter Doktrin eine dogmatische Unterweisung aus Prinzipien a priori versteht, wo man alles durch den Verstand ohne anderweitige, von der Erfahrung erhaltene Belehrungen einsieht" 12 . Diese von Kant in den Papieren zur Logik skizzierte Position läßt sich in das Konzept der „Kritik der ästhetischen Urteilskraft" nahtlos einpassen. Es ist ein Konzept, dem die Entdeckung zugrunde liegt, daß auch der Geschmack zu den Vermögen gehört, die durch ein apriorisches Prinzip reguliert werden. Mit diesem Prinzip hat es deswegen eine besondere Bewandtnis, weil es trotz seiner Apriorität der Begriffslosigkeit des Geschmacksurteils wegen keinen Weg zum Aufbau einer Ästhetik als einer mit den Gegenständen des Geschmacks befaßten Disziplin eröffnet, die dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit würde genügen können. In bezug auf die Urteilskraft dient also die „Kritik statt der Theorie" 13 , weil es eine Wissenschaft nur von der Urteilskraft selbst geben kann, beispielsweise vom Geschmack als einer ihrer Gestalten, nicht aber von den Gegenständen, von denen dieses Vermögen herausgefordert wird und an denen es sich bewähren muß. Diese Wissenschaft beschränkt sich darauf, in transzendentaler Absicht am Beispiel des Geschmacks die Möglichkeit einer auf Grund eines apriorischen Prinzips tätigen Urteilskraft darzutun 14 . Die Sonderstellung der Dritten Kritik in der Architektonik der kanti12
1X15. " V170. 14 Vgl. V 286.
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sehen Philosophie kommt auch in der Einleitung zu diesem Werk zur Sprache, wenn dort gesagt wird, „daß die ästhetische Urteilskraft zum Erkenntnis ihrer Gegenstände nichts beiträgt und also nur zur Kritik des urteilenden Subjekts und der Erkenntnisvermögen desselben ... gezählt werden m u ß " ' \ Die Urteilskraft tritt hier als ein Vermögen auf, das immerhin mit einem bestimmten Sachbereich befaßt ist, wenn auch auf eine eigentümliche Weise. Sie steht durchaus nicht gänzlich außerhalb jeder intentionalen oder rcferenziellen Beziehung. Es ist sogar gerade die zumindest indirekte Beziehung der ästhetischen Urteilskraft auf einen Referenzbereich, die es nicht nur möglich, sondern sogar notwendig macht, sie einer Kritik zu unterziehen und die Tragweite der Geltungsansprüchc zu prüfen, die sie auf der Grundlage dieser Beziehung erhebt. Diese Kritik muß aber zugleich dem Irrtum vorbeugen, als sei die Urteilskraft in der Rolle des Geschmacks ähnlich wie der Verstand fähig, schon auf Grund ihrer Ausstattung über die Verfassung der Gegenstände ihres Intentionsbereichs etwas auszumachen. Da der Geschmack - anders als der Verstand - zur inhaltlichen Bestimmung seiner Gegenstände jedoch nichts beisteuert, kann seine Untersuchung nur zu einer Aufklärung über bestimmte Strukturen der Subjektivität beitragen. Hier liegt einer der Gründe dafür, daß schon die Einleitung in die „Kritik der Urteilskraft" Aufgaben zu erfüllen hat, mit denen die Einleitungen in die beiden anderen Kritiken nicht belastet sind. Gerade weil die Dritte Kritik keine Aussicht auf eine noch zu erarbeitende systematische Doktrin über einen bestimmten Gegenstandsbereich eröffnet, entscheidet sich Kant dafür, in der Einleitung die Ordnung des Ganzen der kritischen Philosophie zu skizzieren und die Idee ihrer Systematik vor Augen zu stellen. Das gilt in gleicher Weise auch für die von ihm zurückgezogene Erste Einleitung. Dort bittet er den Leser im Blick auf die Untersuchung der Urteilskraft um die Erlaubnis, „in der Bestimmung der Prinzipien eines solchen Vermögens, das keiner Doktrin, sondern bloß einer Kritik fähig ist, von der sonst überall notwendigen Ordnung abzugehen und eine kurze enzyklopädische Introduktion derselben ... voranzuschicken" IA . Eine derartige Einleitung soll an die Stelle der sonst üblichen, propädeutisch orientierten Einleitungen treten, die „zu einer vorzutragenden Lehre vorbereiten, indem sie die dazu nötige Vorerkenntnis aus anderen schon vorhandenen Lehren oder Wissenschaften anführen" 17 - wie dies auf exemplarische
ls
V194. XX 242; Kant wollte diese Einleitung nicht zufällig auch typographisch vom Haupttext der Dritten Kritik abgehoben wissen (vgl. den Brief an de la Garde vom 25.3.1790 (XI 142 ff.). 17 XX 241. 16
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Weise in der Vorrede und in Teilen der Einleitung zur zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft" geschieht. Sinnvoll ist dies, weil sich im Einzugsbereich der Urteilskraft keine Wissenschaft auffinden läßt, die von einer propädeutischen Einleitung zu ihrem Ausgangspunkt gemacht werden könnte. Das gilt in gleicher Weise auch für die endgültige Einleitung in die Dritte Kritik. Auch sie ist, wenngleich nicht mehr so bezeichnet, ihrem Charakter und ihrer Anlage nach keine propädeutische, sondern eine enzyklopädische Einleitung. Wenn sich die Resultate der Dritten Kritik nicht für die Grundlegung einer apriorisch fundierten Wissenschaft über einen bestimmten Gegenstandsbereich fruchtbar machen lassen, findet sich auch für eine andere Asymmetrie im Aufbau von Kants kritischen Hauptwerken eine zwanglose Erklärung. In der Ersten wie in der Zweiten Kritik folgt auf eine Elementarlehre, in der die einschlägigen Prinzipien entwickelt werden, als zweiter Hauptteil eine Methodenlehre. In beiden Fällen soll sie als Bindeglied zwischen Kritik und systematischer Doktrin dienen, weil es zu ihren Aufgaben gehört, den Aufbau der durch die Kritik fundierten Metaphysik der Natur und der Metaphysik der Sitten vorzubereiten. Die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft" muß auf eine so ausgerichtete Methodenlehre verzichten. Freilich trägt ihr Schlußparagraph den Titel „Von der Methodenlehre des Geschmacks". Er ist jedoch ausdrücklich als „Anhang" gekennzeichnet. Er soll nur noch einmal an die in der Kritik bereits erörterten Sachverhalte erinnern, die den Grund dafür abgeben, warum der Platz einer Methodenlehrc leer bleiben muß: „Die Einteilung einer Kritik in Elementarlehre und Mcthodcnlehrc, welche vor der Wissenschaft vorhergeht, läßt sich auf die Geschmackskritik nicht anwenden, weil es keine Wissenschaft des Schönen gibt noch geben kann, und das Urteil des Geschmacks nicht durch Prinzipien bestimmbar ist" 18 . Die in der Dritten Kritik entwickelte Prinzipienlehre ist in der Tat nicht von der Art, daß sie inhaltlich bestimmte Urteile legitimieren könnte. Was sie begründen will und begründen kann, ist nur die Struktur und die grundsätzliche Möglichkeit von Geschmacksurteilen überhaupt, ferner die Möglichkeit, daß der von solchen Urteilen erhobene spezifische Gcltungsanspruch legitim ist, daß überdies Gebilde von der Struktur der Geschmacksurteile unvertretbare Funktionen zwar nicht in der Begründung, wohl aber in der Genese der Erkenntnis erfüllen. Zugleich zeigt sie aber auch auf, warum sich das einzelne, individuelle Geschmacksurteil jedem Zugriff eines Begründungsversuchs entzieht. So erinnert Kant in jenem Schlußparagraphen nur an Überlegungen, deren Resultat schon an einer früheren Stelle zusammengefaßt ist: „Es gibt weder
18
V354f.
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eine Wissenschaft des Schönen, sondern nur Kritik, noch schöne Wissenschaft, sondern nur schöne Kunst" 1 . In einer früheren Phase der Entwicklung seines Denkens hatte Kant noch mit dem Gedanken an eine solche Wissenschaft gespielt . Doch er mußte einsehen, daß selbst seine Entdeckung einer das Geschmacksurteil fundierenden apriorischen Struktur keinen Weg zur Begründung einer Metaphysik des Schönen oder einer Wissenschaft vom Schönen eröffnet. „Vom Schönen gibt es keine Wissenschaft"21 - so lautet eine These, die Kant in den Reflexionen wiederholt notiert, zunächst allerdings nur auf den empirischen Charakter des Schönen gründet. Aber auch seine spätere Entdeckung eines emotionalen Apriori im Geschmacksurteil, eines apriorisch fundierten Lustgefühls 22 , modifiziert nicht die These selbst, sondern nur die Art ihrer Begründung. Auf den Geschmack und seine Prinzipien läßt sich, der in ihm verborgenen Apriorität zum Trotz, schon seiner Distanz zur Welt der Begriffe wegen keine wissenschaftliche Disziplin gründen. Es kann noch nicht einmal eine wissenschaftliche Disziplin geben, die seiner Betätigung die Richtung vorzeichnen könnte. Deswegen bleibt er letztlich immer auf sich selbst gestellt. Auch kennt er keine Kriterien, die ihm für die Richtigkeit seiner konkreten Beurteilungen in Zweifelsfällen eine Bestätigung vermitteln oder gar Sicherheit geben könnten. Er darf noch nicht einmal darauf hoffen, eine dermaleinst noch zu entwickelnde wissenschaftliche Ästhetik würde ihm eines Tages solche Kriterien vielleicht doch noch liefern können. Andererseits braucht er aber auch nicht damit zu rechnen, die Resultate seiner Betätigung jemals dem Richterspruch einer solchen Disziplin unterwerfen zu müssen. Erörtert man die Frage, warum Kant eine Wissenschaft von den durch den Geschmack erschlossenen Dingen für unmöglich hält, so muß man einem Mißverständnis vorbeugen, das sich leicht in bezug auf eine oft zitierte Stelle in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" einstellt. In der Vorrede zu dieser Schrift attestiert Kant der Chemie und der empirischen Psychologie ihren Mangel nicht nur an Wissenschaftlichkeit, sondern auch an Wissenschaftsfähigkeit; er rechnet sie folglich nicht zum Kreis der Disziplinen, für die von der kritischen Philosophie Begründungsleistungen erbracht werden können 23 . Jedem dieser beiden Fachgebiete will er nur den Status einer praktischen Kunst zugestehen, die auf einer apriorischer Prinzipien nicht bedürftigen Erfahrungskunde basiert. 19
V 304; vgl. R 5063. Vgl. R 670, 1753; ferner die Briefe an M.Herz vom 7.6.1771 und vom 21.2.1772 (XI16 ff., 123 ff.). 21 Vgl. R 1585, 1588,1892. 22 Vgl. VI 87; XX 207. 21 Vgl. IV 471; vgl. aber V 26. 20
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Überdies gibt er ein Kriterium an, das es ihm erlaubt, die Wissenschaftlichkeit und die Wissenschaftsfähigkeit zumindest bestimmter Fachdisziplinen zu beurteilen: „Ich behaupte aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist" 24 . Der Gehalt an Mathematik taugt demnach also nur dort als Kriterium, wo eine „besondere Naturlehre" vorliegt. Eben dies wird oftmals übersehen. Ein Fach, dem der Status einer besonderen Naturlehre nicht zukommt, ermangelt der Wissenschaftsfähigkeit nicht schon deswegen, weil es nicht zum Einzugsbereich der Mathematik gehört und vielleicht sogar niemals dort angesiedelt werden kann. Mathematisicrbarkeit ist für Kant daher keine notwendige Bedingung für Wissenschaftlichkeit überhaupt. Für die allgemeine reine Naturwissenschaft, zu der die „Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft" einen Beitrag liefern wollen, die selbst freilich nicht den Status einer „besonderen Naturlehre" hat, erhebt Kant durchaus den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, obwohl die Mathematik in ihrem Aufbau allenfalls von untergeordneter Bedeutung ist. Entsprechendes gilt für die Rechtslehre und für die Tugendlehrc der „Metaphysik der Sitten", also für zwei Disziplinen, die gänzlich außerhalb des Einzugsbereichs der Mathematik stehen. Es gilt schließlich sogar für die allgemeine, reine Logik. Ihren Status als den einer Wissenschaft zieht Kant niemals in Zweifel 25 , obgleich an ihrem Aufbau und an ihren Begründungsmethoden - für den heutigen Logiker überraschend, wenn nicht gar befremdend - seiner Deutung ihres systematischen Status gemäß die Mathematik schon deswegen niemals beteiligt sein kann, weil sie in ihrem Aufbau an keiner Stelle auf die Anschauung rekurrieren darf, auch nicht auf die reine Anschauung, die der Mathematik allererst den Raum eröffnet, innerhalb dessen sie ihrer Arbeit nachgehen kann, Begriffe in der reinen Anschauung zu konstruieren. Die Erinnerung an diese Dinge ist von Nutzen, wenn man dem Mißverständnis zuvorkommen will, das den Grund der Unmöglichkeit einer als Wissenschaft vom Schönen betriebenen Ästhetik in ihrer mangelnden Mathematisierbarkeit finden zu können glaubt. In Wahrheit beruht die von Kant behauptete Wissenschaftsunfähigkeit der Welt des Geschmacks auf ihrer Begriffsferne, also darauf, daß sie sich der Erfassung nicht nur durch die Mathematik, sondern durch Begriffe überhaupt entzieht. Auch das Urteil des Geschmacks besetzt einen Ort jenseits des begrifflichen Einzugsbercichs. Es enthält keinen Begriff und es wird auch durch Begriffe weder bestimmt noch begründet. Das gilt für seinen Inhalt ebenso wie für den Modus seiner Geltung. Gerade jene dem Geschmacksurteil eigene, essen24 25
IV 470. Vgl. B VIII f., A 5 2 / B 76 ff.
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helle Begriffsferne verbietet es, die Ergebnisse der Beurteilungen des Geschmacks in Inhalte wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überführen, da es keine Wissenschaft ohne Begründungen und keine Begründungen ohne Begriffe geben kann. Im Innenbcrcich einer Wissenschaft können Begriffe unterschiedliche Rollen übernehmen. Man kann unmittelbar nach logischen Regeln mit ihnen umgehen, man kann durch die Anwendung von Begriffen auf Anschauung Erfahrung entstehen lassen und begründen, schließlich kann man, wie in der Mathematik, Begriffe in der Anschauung konstruieren. Wenn bei den Urteilen des Geschmacks jedoch, wie noch zu zeigen sein wird, Begriffe überhaupt nicht im Spiel sind, fehlt eine der unabdingbaren Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wo wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen, aufgebaut und begründet werden soll. Die Sonderstellung der Dritten Kritik in der Architektonik der kantischen Philosophie ergibt sich nicht ausschließlich aus der Einsicht in die Unmöglichkeit einer Ästhetik als einer Wissenschaft von den Gegenständen des Geschmacks oder vom Schönen. Handelte es sich nur darum, könnte man immer noch an die Möglichkeit einer Ästhetik denken, die sich dem Kreis jener Künste und Fertigkeiten zuordnen ließe, die ausschließlich auf Empirie basieren und deswegen an jener apriorisch legitimierten Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit keinen Anteil haben, wie sie von jeder wirklichen Wissenschaft für ihre Grundlegung in Anspruch genommen wird. Nun schließt aber die mangelnde Wissenschaftsfähigkeit der Welt des Geschmacks keineswegs die Möglichkeit aus, dieses Vermögen selbst einer im kantischen Sinn verstandenen Kritik zu unterziehen. Es ist nämlich gerade das von Kant entdeckte, hinter seiner Tätigkeit stehende apriorische Prinzip, das es dem Geschmack ermöglicht, mit eben dieser Tätigkeit einen Geltungsanspruch besonderer Art zu verbinden. Nach dem Verzicht auf früher einmal gehegte Hoffnungen hatte sich Kant zunächst freilich mit der Annahme der Wissenschaftsunfähigkeit der Welt des Geschmacks und ihren Gegenständen abgefunden und daraus die Folgerung gezogen, dem Geschmack einen Ort gänzlich außerhalb des Einzugsbereichs apriorischer Strukturen anzuweisen. Diese Position hat in der ersten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft" Spuren hinterlassen. Dort kommen im Rahmen der Transzendentalen Ästhetik als der mit den apriorischen Formen der Sinnlichkeit befaßten Disziplin beiläufig die Gründe zur Sprache, aus denen sich Kant nicht dazu verstehen kann, das Wort „Ästhetik" auch für die Bezeichnung einer mit der Welt des Geschmacks befaßten Disziplin in Anspruch zu nehmen: Wenn sich allein die Deutschen des Wortes „Ästhetik" bedienen, wo andere von der Kritik des Geschmacks sprechen, so „liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum Grunde, die der vortreffliche Analyst Baumgarten faßte, die kritische Beurteilung des Schönen unter Vernunftprinzipien zu bringen
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und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemühung ist vergeblich. Denn gedachte Regeln oder Kriterien sind ihren Quellen nach bloß empirisch, und können also niemals zu Gesetzen a priori dienen, wonach sich unser Geschmacksurteil richten müßte ... Um deswillen ist es ratsam, diese Benennung wiederum eingehen zu lassen, und sie derjenigen Lehre aufzubehalten, die wahre Wissenschaft ist" 26 , nämlich der Lehre von der Sinnlichkeit und von ihren Formen. Die hier dokumentierte Position Kants ist unmißverständlich: Wo der Ausdruck „Ästhetik" verwendet wird, könnte schon seine sprachliche Gestalt zu der Annahme verführen, es sei von einer Wissenschaft die Rede. Gerade Alexander Baumgarten hatte von diesem Wort Gebrauch gemacht, um eine neue, mit dem Anspruch einer Wissenschaft ausgestattete Disziplin zu bezeichnen. Nach seiner Konzeption war sie dazu bestimmt, ein Pendant zur Logik zu bilden, zu einer Disziplin also, deren Wissenschaftscharakter ohnehin niemals strittig war. Kant lehnt es indessen ab, der mit der Welt des Geschmacks befaßten Ästhetik im Sinne Baumgartens den Status einer Wissenschaft zuzuerkennen, weil er, jedenfalls noch zur Zeit der ersten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft", im Einzugsbereich des Geschmacks keinerlei apriorische Strukturen ausmachen kann. Die Wissenschaftsunfähigkeit, die er einer Ästhetik attestiert, die sich mit den Gegenständen des Geschmacks befaßt, beruht also gerade darauf, daß dieses Vermögen, wie ihm hier noch scheint, an keiner Stelle die Sphäre des Apriorischen berührt oder gar an ihr teilhat. Wissenschaftsfähig ist dagegen eine Disziplin, die sich, übrigens der ursprünglichen Wortbedeutung des Ausdrucks „Ästhetik" gemäß, lediglich mit den Formen und Strukturen der Sinnlichkeit befaßt. Ihr will Kant den Namen der Ästhetik vorbehalten wissen. Gewiß hatte er sich der Ausdrucksweise, von der er sich in der „Kritik der reinen Vernunft" distanziert, zuvor auch selbst gelegentlich einmal bedient 27 und sich insoweit dem durch Baumgarten geprägten Sprachgebrauch angeschlossen. Der von ihm im Jahre 1781 vorgeschlagenen terminologischen Konvention bleibt er in der Folgezeit dann aber treu. Konsequent verwendet er fortan das Wort „Ästhetik" ausschließlich zur Bezeichnung einer wissenschaftlichen Disziplin, die sich mit den Strukturen der Sinnlichkeit, also der Anschauung, der Wahrnehmung und der Empfindung befaßt. Nur noch eine Ästhetik im Sinne einer „Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit überhaupt" 28 ist er bereit, als Pendant zu der mit dem Verstand und seinen Regeln befaßten Logik zu akzeptieren. Diese Dichotomie von Ästhetik und A 2 1 ; vgl. IX 15. Vgl. II 311; R 670, 716, 1753. A 5 2 / B 7 6 ; vgl. R 1584,4276
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Logik bestimmt bekanntlich auch die Architektonik der Elementarlehre der Ersten Kritik. Eine der transzendentalen, auf apriorische Strukturen ausgerichteten Fragestellung verpflichtete Ästhetik bildet dort als die „Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit a priori" 29 den ersten der beiden Teile der Elementarlehre, dem die der Analyse der apriorischen Prinzipien des Verstandes gewidmete transzendentale Logik als gleichrangiger anderer Teil gegenübersteht. Auch die Zweite Kritik enthält ein Lehrstück, das den Namen der Ästhetik trägt. Kant spricht dort, wenngleich nur im Sinne einer Analogie, von einer „Ästhetik der reinen praktischen Vernunft" 30 . Auch diese Ästhetik ist mit einer nicht der Erfahrung entstammenden Gestalt der Sinnlichkeit befaßt. Allerdings handelt es sich hier weder um eine gegenstandsbezogene Anschauung noch um deren Form, sondern um ein bestimmtes moralisches Gefühl, nämlich um die vom Sittengesetz geforderte Achtung, insofern sie dem Menschen unmittelbar im Modus einer Empfindung bewußt wird. Anders als die unübersehbare Vielfalt der meisten anderen Gefühle zeichnet sich diese Achtung durch ihren apriorischen Ursprung aus, der nicht in der Natur, sondern im intelligiblen Bereich, nämlich im Bewußtsein des Sittengesetzes liegt. Dieses Gefühl wirkt zugleich als Triebfeder, durch deren Vermittlung das Sittengesetz reale Wirkungen zeitigen kann, indem es auf den Willen und damit auf das Handeln des Menschen Einfluß nimmt. Die Fähigkeit der praktischen Vernunft, den Willen zu motivieren, läßt sich daher nicht nur auf dem Wege über eine prinzipientheoretische Reflexion einsehen. Sie wird schon vor jeder theoretischen Reflexion und unabhängig von ihr durch jenes Gefühl der Achtung unmittelbar erschlossen. Daher überrascht es nicht, daß Kant sogar den Plan erwägt, die „Metaphysik der Sitten" durch eine „Ästhetik der Sitten" zu ergänzen 31 . Obwohl sie nicht selbst zu einem Bestandteil der Metaphysik der Sitten würde, bliebe sie ihr zugeordnet, weil sie dazu bestimmt ist, die Wege zu untersuchen, auf denen sich die Inhalte dieser Metaphysik, also die Prinzipien der Moralität, dem Subjekt im Hinblick auf seine sinnliche Verfassung vor Augen stellen und für sein Handeln fruchtbar machen lassen. Die angeführten Beispiele belegen, daß Kant dort, wo er das Wort „Ästhetik" zulassen will, immer eine Lehre von der Sinnlichkeit im Auge hat. Erörtert man die Probleme seiner Philosophie am Leitfaden der Terminologie, deren er sich bei der Dokumentation seines Denkens bedient, so ist freilich Vorsicht geboten. Den Fragen, die mit der sprachlichen Vermittlung des Denkens zusammenhängen, widmet er zwar nicht in allen, so 29
A 21 / B 35. V 90; vgl. XX 206 f. " VI 406; vgl. IV 401.
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doch in den meisten Fällen nur ein begrenztes Maß an Aufmerksamkeit. Jede Erwartung terminologischer Konstanz wird beim Kantstudium immer wieder aufs neue enttäuscht. Kant befürchtet sogar, daß der Leser die Aufmerksamkeit von der verhandelten Sache in dem Maße abzieht, in dem er sie auf das ihrer Erschließung dienende sprachliche Instrumentarium lenkt. Diese Befürchtung ist nicht unbegründet. Sie wird aber durch die Erwartung aufgewogen, jede ernsthafte und sachgerechte Beschäftigung mit den jeweiligen Inhalten werde am Ende, gleichsam als Nebenfolge, eine zweckmäßige sprachliche Vermittlung des Gedankens von selbst herbeiführen 32 . In der Tat kann man dem, was ein sachgerecht gestalteter Text zu verstehen geben will, schwerlich gerecht werden, wenn man den einzelnen sprachlichen Ausdruck als eine unveränderliche, ein für allemal fixierte Größe ansieht und darauf verzichtet, den Sinn und die Bedeutung dieses Ausdrucks stets auch im Blick auf den vom Autor jeweils intendierten Sachverhalt zu ermitteln und zugleich auf die Vielfalt der wechselnden Kontexte Rücksicht zu nehmen, von denen die Bedeutung eines jeden einzelnen Ausdrucks ständig aufs neue modifiziert wird. Für die Texte Kants gilt dies nicht weniger als für die Texte jedes anderen Autors von Rang. Gerade wegen Kants notorischer Großzügigkeit in terminologischen Dingen sollte das Interesse zu denken geben, das er an der Regulierung des Umgangs mit dem Wort „Ästhetik" erkennen läßt. Es beruht schwerlich auf einem bloßen Zufall, wenn die Dritte Kritik, die in ihrem ersten Teil gerade nicht eine generelle Wissenschaft von der Sinnlichkeit überhaupt, sondern eine Theorie der Urteilskraft am Paradigma des Geschmacks entwickelt, den Gebrauch dieses Wortes konsequent vermeidet. Lehrreich wird in diesem Zusammenhang die Modifikation, die Kant in der zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft" an der Begründung der von ihm in der ersten Auflage vorgeschlagenen terminologischen Konvention vornimmt, ohne die Konvention selbst zu widerrufen. Nach der ersten Auflage sind die Regeln oder Kriterien des Gcschmacksurtcils „ihren Quellen nach bloß empirisch, und können also niemals zu Gesetzen a priori dienen" , nach denen sich dieses Urteil anderenfalls zu richten hätte. Nach dem Text der zweiten Auflage sind diese Regeln oder Kriterien jedoch nur „ihren vornehmsten Quellen nach bloß empirisch und können also niemals zu bestimmten Gesetzen a priori dienen" 34 . Erst jetzt rechnet Kant mit der Möglichkeit, daß bei den Geschmacksurteilen zumindest mittelbar auch apriorische Momente im Spiel sind. Aber auch die Existenz solcher Momente würde nicht ausreichen, um eine wissenschaftliche Disziplin zu funa Vgl. etwa VIII 152. " A21.
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diercn und eine Ästhetik als Wissenschaft von der Welt des Geschmacks und seinen Gegenständen zu ermöglichen. So braucht Kant seine terminologische Konvention nicht zu modifizieren, die den Namen „Ästhetik" allein für die Bezeichnung einer Wissenschaft von der Sinnlichkeit reserviert. Trotzdem erwägt er jetzt noch einen Vermittlungsvorschlag, der es ermöglicht, „sich in die Benennung mit der spekulativen Philosophie zu teilen und die Ästhetik teils im transzendentalen Sinne, teils in psychologischer Bedeutung zu nehmen" 35 . Dieser Vorschlag stellt es frei, mit dem Namen der Ästhetik nicht nur eine Lehre von der Sinnlichkeit zu bezeichnen, die den Bedingungen genügt, die an eine Wissenschaft zu stellen sind, sondern in einer zweiten Bedeutung auch eine Disziplin vom Status einer empirischen Technik, die sich damit befaßt, das Geschmacksvermögen auszubilden, einzuüben und zu vervollkommnen. Von dieser Konzession hat Kant selbst jedoch keinen Gebrauch gemacht. Er hält sich auch fortan an den Sprachgebrauch, der den Namen der Ästhetik, für den sich Kant hier auch an seinem ursprünglichen Wortsinn orientiert, ausschließlich der Bezeichnung einer Wissenschaft von der Sinnlichkeit vorbehält. Gleichwohl sieht er sich durch die Entdeckung apriorischer Momente im Umkreis des Gcschmacksurtcils veranlaßt, das „kritische Geschäft" auszuweiten. Jede Kritik im Sinne seiner Philosophie setzt bei Geltungsansprüchen an, die auf Grund einer Legitimitätsprüfung entweder bestätigt oder zurückgewiesen werden. So vermessen die ersten beiden Kritiken die Grenzen, innerhalb deren eine auf Erfahrung zwar stets bezogene, von ihr aber nicht abhängige Vernunft in ihrem theoretischen ebenso wie in ihrem praktischen Gebrauch rechtens Gcltungsansprüchc erheben darf. Vor allem in bezug auf ihren theoretischen Gebrauch wird sie darüber belehrt, wie viel enger das ihr zugewiesene Feld begrenzt ist als das Gebiet, das man ihr in der Tradition der Metaphysik für ihre Betätigung glaubte zuweisen zu können. Es erweist sich, daß es die der Vernunft eigenen Hilfsmittel und Techniken nicht erlauben, „einen Turm,... der bis an den Himmel reichen sollte" zu bauen, sondern lediglich ein Wohnhaus, „welches zu unseren Geschäften auf der Ebene der Erfahrung gerade geräumig und hoch genug" A ist. Anders verhalten sich die Dinge in der Sphäre, mit der sich die Dritte Kritik befaßt. Die Analyse des Geschmacks im Blick auf die an ihm und an seiner Betätigung beteiligten apriorischen Momente kommt ebenso wie die Prüfung der von ihm erhobenen Gcltungsansprüchc zu dem Ergebnis, daß auch diese Momente keine Möglichkeit eröffnen, die Grenzen zu revidieren, die der dem Menschen zugänglichen Erkenntnis gezogen sind. Diese Untersuchungen sind nicht geeignet, eine ihren sicheren » B36. * A 707 / B 735
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Gang aufnehmende Wissenschaft von der durch den Geschmack erschlossenen Welt zu ermöglichen, die durch überprüfbare Begründungen gesicherte Ergebnisse erzielen könnte. Deswegen kann die „Kritik der Urteilskraft" - in der Metaphorik der Ersten Kritik ausgedrückt - mit ihren eigenen Mitteln noch nicht einmal ein „Wohnhaus" errichten. Das führt zu ihrer Sonderstellung, die es ihr verwehrt, die Grundlegung für eine auch noch so eng begrenzte doktrinale Lehre zu liefern. Weil die Kritik den Bereich, den sie hier eröffnet, mit ihren Untersuchungen der Struktur der Urteilskraft auch schon erschöpft, muß sie in diesem Fall selbst „statt der Theorie" dienen 37 . Kant stellt die einschlägigen Untersuchungen am Ende unter den Titel einer „Kritik der Urteilskraft" und nicht unter den von ihm anfangs erwogenen Titel einer „Kritik des Geschmacks", der im Text der Dritten Kritik gleichwohl noch manche Spuren hinterlassen hat. Dies mag überraschen, wenn man berücksichtigt, daß Kant gerade in seinem Plädoyer für die Einschränkung des Ausdrucks „Ästhetik" auf die Bezeichnung einer Theorie von der Sinnlichkeit eine Vorliebe für den Titel „Kritik des Geschmacks" erkennen läßt 38 . Sein Verzicht auf ihn läßt sich noch nicht einmal dadurch erklären, daß in der Dritten Kritik schließlich auch die Erörterungen der mit der teleologischen Urteilskraft verbundenen Probleme ihren Platz finden mußten. Auch den ersten Teil der Dritten Kritik stellt Kant thematisch nicht als eine Kritik des Geschmacks, sondern als eine Kritik der ästhetischen Urteilskraft vor, obgleich dort die Urteilskraft in ihrer Rolle als Geschmack im Vordergrund steht. Doch seinem systematischen Status nach erfüllt der Geschmack in diesem Fall nur die Aufgabe, als Paradigma für die Urteilskraft überhaupt, zumindest in ihrer reflektierenden Funktion zu dienen. Diese Funktion hindert Kant nicht daran, von einer Kritik des Geschmacks gelegentlich auch dann zu sprechen, wenn er nicht die Kultivierung dieses Vermögens oder den praktischen Umgang mit den Resultaten seiner Betätigung, sondern die transzendentale Untersuchung im Sinn hat, die sich seine Grundverfassung und die Legitimität der von ihm erhobenen Geltungsansprüche zum Thema macht. Zu einer Kritik der Urteilskraft, genauer zu einem Teil dieser Kritik wird diese Untersuchung nur deswegen, weil sich der Geschmack als ein Vermögen erweist, in dem sich die Urteilskraft in ihrer reflektierenden Funktion in reiner und unverstellter Form studieren läßt. Nur deswegen gewinnt diese Untersuchung eine Bedeutsamkeit, die über die Sphäre des Geschmacks und der ihm zugeordneten Inhalte weit hinausreicht. Ein Titel „Kritik des Geschmacks" bliebe überdies doppeldeutig. Einmal V170. Vgl. A 21 / B 3 5 .
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könnte er so verstanden werden, als würde er die Untersuchung des Geschmacks in das Programm einfügen, das dazu bestimmt ist, die Grenzen des menschlichen Wissens nachzuzeichnen und zu sichern. Zugleich könnte er aber auch in der Bedeutung, die ihm Kant in der Ersten Kritik reservieren will, auf lediglich empirische Erörterungen verweisen, mit denen man die Resultate konkreter Betätigungen des Geschmacks zu prüfen und zu explizieren pflegt, um damit der Bildung und der Kultivierung dieses Vermögens zu dienen. Die „Kritik der Urteilskraft" versagt dem Geschmack keineswegs das Recht, solche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Eine so verstandene Geschmackskritik kann aber immer nur eine pragmatischen Zwecken dienende Übung sein, wie sie Kant auch in der Dritten Kritik gegenüber der mit dem Anspruch einer als Wissenschaft auftretenden Transzendentalphilosophie präzise abgrenzt . Wer diese Unterscheidung im Auge behält, wird sich daher schwerlich von den Stellen irritieren lassen, an denen Kant, vornehmlich in den genetisch älteren Passagen der Dritten Kritik, von einer Kritik des Geschmacks auch in dem Sinn spricht, in dem dieser Ausdruck ein Lehrstück der Transzendentalphilosophie bezeichnet40. An solchen Stellen kann ohnehin kein begründeter Zweifel daran aufkommen, daß die von dieser Philosophie erarbeitete kritische Disziplin ihren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit nicht mit einer im Sinne einer praktischen Kunst betriebenen, empirischen Geschmackskritik teilen kann. Somit ergibt sich das Fazit, daß der Name „Ästhetik" in der Tat ausschließlich der Wissenschaft von der Sinnlichkeit vorbehalten bleibt, daß die Untersuchung des Geschmacks und seiner Geltungsansprüche der Begriffslosigkeit des Geschmacksurteils wegen niemals eine lchrbarc, begründende Wissenschaft im strengen Sinne des Wortes fundieren kann und daß schließlich eine als praktische Kunst betriebene Geschmackskritik keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit im strengen Sinn erheben kann. „Daher muß der Schulname Ästhetik vermieden werden, weil der Gegenstand keinen Unterricht der Schulen verstattet" 41 . Dieser Forderung, in einer Reflexion notiert, ist Kant in der „Kritik der Urteilskraft" nachgekommen. Für die oben erwähnte, einzige Ausnahme bietet sich eine zwanglose Erklärung an. Es handelt sich um eine Stelle, an der Kant fordert, es müsse „in der transzendentalen Ästhetik der Urteilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urteilen die Rede sein"42. Damit sind apriorisch fundierte Urteile gemeint, die als Geschmacksurteile nicht durch Begriffe, 39
Z. B. V 286; vgl. auch V 355; R 4455, 5063. Z. B. V 216, 227, 278, 286, 337, 354. 41 R 626; vgl. auch R 5063: „Critic des Geschmacks ... man mußte ihr nicht den Namen einer Wissenschaft geben, vornehmlich nicht den, der aus einer alten Benennung, die einen ganz weiten Gebrauch hat, entlehnt ist". 42 V269f. 40
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auch nicht durch den Begriff des Zwecks bestimmt oder begründet sind, zumal da sie lediglich sinnliche Elemente enthalten. Aber selbst an dieser Stelle ist Kant weit davon entfernt, mit dem Gedanken einer Wissenschaft von den Gegenständen der Geschmackswelt zu spielen. Mit dem Ausdruck „transzendentale Ästhetik der Urteilskraft" bezieht er sich nur auf die vorangegangenen Teile der Untersuchung, vor allem auf die Analytik des Schönen 43 . Diese mit verwickelten Erscheinungsformen der Sinnlichkeit befaßten Lehrstücke werden hier und nur hier unter den Obertitel einer transzendentalen Ästhetik gestellt. Diese transzendentale Ästhetik der Urteilskraft ist daher, wie der Zusammenhang beweist, in Wirklichkeit nichts anderes als die unter einem variierten Namen vorgestellte Kritik der ästhetischen Urteilskraft. Den Kenner von Kants Erster Kritik und ihrer Systematik könnte es dennoch befremden, einer Untersuchung zu begegnen, die zwar unter dem Obcrtitel der auf eine Lehre von den apriorischen Formen der Sinnlichkeit verweisenden transzendentalen Ästhetik auftritt, die ihm aber zugleich als eine Analytik, nämlich des Schönen und des Erhabenen präsentiert wird, die sie der Sphäre der Logik zuzuordnen scheint. Dieser Widerstreit läßt sich indessen auflösen. Es sind Urteile, nämlich Beurteilungen des Geschmacks, die Kant für seine Untersuchungen als Leitfaden benutzt. Für deren Methodik bietet sich der Name der Analytik an, weil sie der Logik als der Disziplin zuzuordnen sind, die von Hause aus für die Analyse von Urteilen zuständig ist. Zugleich kann die Untersuchung den Namen einer Ästhetik aber auch deswegen tragen, weil sie sich mit Urteilen von einem besonderen, exzeptionellen Status befaßt. Wie noch zu zeigen sein wird, handelt es sich bei ihnen um Gebilde, deren Eigenart sich nur fassen läßt, wenn man die Aufmerksamkeit darauf richtet, auf welche Weise sie sich mitsamt ihren Elementen unmittelbar in der Sinnlichkeit, nämlich in der Empfindung darbieten. Die Lehre von der Sinnlichkeit ist für die Untersuchung dieser Urteile deswegen zuständig, weil sie sinnliche Elemente enthalten und nicht nur auf Sinnliches referieren 44 . In der von ihm zurückgezogenen Ersten Einleitung in die Dritte Kritik hatte Kant von dem Ausdruck „Ästhetik" immerhin noch Gebrauch gemacht. Das gilt vor allem für den achten Abschnitt dieses Textes, der den Titel „Von der Ästhetik des Beurteilungsvermögcns"4st Wer auf Erkenntnis aus ist, muß zunächst auf die Suche nach geeigneten Begriffen gehen, die seinen jeweiligen Intentionen angemessen sind. In diesem Stadium befindet er sich in einer Situation, die der Lage dessen, der mit Geschmacksurteilen befaßt ist, insofern ähnelt, als kein fixierbares Resultat vorliegt, an dem er sich orientieren könnte. In beiden Fällen ist die „bloß" reflektierende Urteilskraft am Werk. In dieser Funktion nimmt die Urteilskraft auch in der Arbeit an der Erkenntnis ein Gegebenes zum Anlaß ihres Reflektierens, ohne schon über einen Begriff zu verfügen, unter den sie es subsumieren könnte. Der „bloß" Reflektierende hat es vorerst noch nicht mit Gegenständen im eigentlichen Sinn, sondern mit sich selbst zu tun 1 . Wer seinen Geschmack beschäftigt, hat daher ein Stück Weges mit dem gemeinsam, der auf Erkenntnis aus ist und in den Prozeß des Reflektierens mit der Hoffnung eintritt, dabei einem auf seinen Fall passenden Begriff zu begegnen. Hier wie dort läßt der Urteilende seinen Verstand und seine Einbildungskraft, sei es vorläufig oder endgültig, nur spielen. Solange der Reflcxionsprozcß andauert, ist in keinem der beiden Fälle ein objektivierbarcs Ergebnis greifbar. Ihre Differenz besteht darin, daß im Erkenntnisprozeß mit dem Reflektieren ein solches Ergebnis angestrebt wird, während der Prozeß der Reflexion in den Beurteilungen des Geschmacks nicht über sich hinausweist, weil er sein Ziel in sich selbst hat und weil das mit diesem Prozeß verbundene, lustbetontc Gefühl danach strebt, sich selbst zu erhalten. Ob das Reflektieren Selbstzweck oder Mittel zu einem Zweck ist - in ihrer reflektierenden Funktion kann sich die Urteilskraft immer nur an sich selbst halten, wenn sie den an ihr beteiligten Erkenntnisvermögen Gelegenheit gibt, in ein Spiel einzutreten oder sich zueinander in ein qualifiziertes Verhältnis zu setzen. Ob es dazu wirklich kommt, kann in beiden Fällen niemand garantieren. Stellt sich aber beim Urteilenden die entsprechende Empfindung ein, so hat er Anlaß zu der Vermutung, auf dem richtigen Weg zu sein und, wenn er eine Erkenntnis anstrebt, auch zu der Erwartung, das Spiel mit der geglückten Wahl eines Begriffs beenden zu können, unter den die Urteilskraft dann in ihrer bestimmenden Funktion den Gegenstand subsumiert, mit dem er befaßt ist. Die Absicht dessen, der auf Erkenntnis aus ist, strebt freilich weder eine Geschmacksbeurteilung noch ein nach seiner Sclbsterhaltung strebendes 13
Vgl. A 260 / B 316,
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Lustgefühl an, das sich bei dieser Gelegenheit einstellen kann. Doch auch er macht von den Requisiten einer solchen Beurteilung solange Gebrauch, als er sein Ziel noch nicht erreicht hat und seine Urteilskraft mangels eines bestimmten Begriffs vorerst nur an ihr selbst, nämlich an ihrer eigenen, über ein Lustgefühl sich selbst steuernden Tätigkeit ausrichtet. Kants Rede von der „bloß" reflektierenden Urteilskraft kann daher auch dort nicht abwertend gemeint sein, wo diese Einschränkung nur die vorbereitende Funktion der reflektierenden Urteilskraft im Erkenntnisprozeß artikuliert, auf der dann die bestimmende, faktische Subsumtionen realisierende Urteilskraft aufbaut. Auch wenn sich die Urteilskraft um Erkenntnis bemüht, kann sie sich, solange sie „bloß" reflektiert, ohne schon einen Begriff in der Hand zu haben, nur an sich selbst und an ihre eigene, empfindbare Tätigkeit halten und eben darin ihre Autonomie bewähren. Nur weil im Erkenntnisprozeß die von der bestimmenden Urteilskraft realisierte Subsumtion den Schlußakt bildet, geraten die Leistungen ihres vorbereitenden, reflektierenden Pendants für das Bewußtsein des Urteilenden leicht in deren Schatten. Die Parallelität der Reflexionsprozesse wird auch dadurch verdunkelt, daß die Urteilskraft das eine Mal in einem Beurteilungsvorgang des Geschmacks präsent ist, das andere Mal aber eine vorbereitende Dienstfunktion in der Realisierung eines auf den Gewinn von Erkenntnis zielenden Plans erfüllt. Wo die Urteilskraft, „bloß" reflektierend, in der Rolle des Geschmacks am Werk ist, steht sie gerade nicht im Schatten eines schon erreichten oder eines noch zu erreichenden Ergebnisses. Hier ist der Beurteilungsvorgang nur von seiner empfindbaren Prozcssualität her faßbar. Somit ist gerade der Geschmack mit seinen Beurteilungen dazu prädestiniert, die reflektierende Urteilskraft gleichsam von ihrer Innenseite her vorstellig zu machen. Wenn es ein und dieselbe Urteilskraft ist, die in ihrer reflektierenden Funktion im Geschmack am Werk ist, andererseits aber auch den Prozeß steuern kann, der zur Erkenntnis führt, ergibt sich die Frage, ob der Geschmack auch als solcher eine Funktion in der Genese der Erkenntnis erfüllt und ob ihn der Erkennende in seinen Dienst nehmen kann, wenn er Ziele im Dienst des Erkenncns verfolgt. In beiden Fällen stehen die Betätigungen der Urteilskraft nicht nur im Verhältnis einer Analogie, die man als eine bloße Kuriosität abtun könnte. Um dies einzusehen, braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, daß das Geschmacksurteil als reiner Fall einer Betätigung der reflektierenden Urteilskraft zustande kommt „vermittelst eines Verfahrens der Urteilskraft, welches sie auch zum Behuf der gemeinsten Erfahrung ausüben muß" 14 . Dann aber muß man dem Sachverhalt gerecht werden, daß Kant in der „Kritik der reinen Vernunft", wie es 14
V 292; vgl. 187.
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkcnnens
zunächst scheinen mag, ein tragendes Element der Erkenntnis nicht angemessen zur Sprache gebracht, wenn nicht gar übersehen hat. Nun enthält eine Beurteilung des Geschmacks keinerlei Erkenntnis. Durch das Gefühl, in dem der Urteilende sein Reflektieren empfindet, wird kein Gegenstand objektiv erkannt. Dieses Gefühl kann eine Erkenntnis weder des die Reflexion veranlassenden Gegenstandes inhaltlich begründen, noch des urteilenden Subjekts, das sich in seinem Geschmacksurteil nur selbst empfindet, aber sich nicht selbst erkennt 15 . Selbst dort, wo die Reflexion der Urteilskraft im Erkenntnisprozeß dazu dient, ein fixierbares Resultat vorzubereiten, gilt immer noch, „daß die ästhetische Urteilskraft zum Erkenntnis ihrer Gegenstände nichts beiträgt" 16 . Diese Negativaussage bietet einen doppelten Aspekt. Einmal liefert die ästhetische, in ihrer Tätigkeit sinnlich empfindbare Urteilskraft nichts, was als Element in ein inhaltlich bestimmtes Resultat des Erkennens eingehen und dort identifiziert werden könnte; zum anderen könnte sie für ein solches Resultat selbst dann keine Begründung liefern, wenn es ohne ihre Hilfe gar nicht zustande gekommen wäre. Obwohl die Reflexionen der Urteilskraft als solche weder im inhaltlichen Resultat des Erkennens noch in seiner Begründung erkennbare Spuren hinterlassen, erfüllen sie in der Genese des Erkenntnisurteils Funktionen, in denen sie sich von keiner anderen Instanz vertreten lassen können. Die Domäne der reflektierenden Urteilskraft, sofern sie im Dienst der Erkenntnis steht, ist ihr Entdeckungskontext, wie ihn die moderne erkenntnistheoretische Diskussion dem Begründungskontext entgegenzusetzen pflegt. Wenn sie dagegen einmal, wie im Geschmack, allein und unverstellt tätig ist, darf man damit rechnen, zugleich ein Stück der Vorgeschichte, der Archäologie der Erkenntnis zu Gesicht zu bekommen, da sie in deren Entstehungsprozeß und damit auch in den Prozeß der Forschung involviert und überdies an seiner Steuerung beteiligt ist17. Der Beitrag, den die Untersuchung der Urteilskraft in ihrer Rolle als Geschmack zur Analyse der Erkenntnis leisten kann, führt also nicht zur Einsicht in ihre Logik und ihre Systematik, in ihren Inhalt oder in dessen Begründung, um so mehr aber zum Verständnis ihrer Genese und ihrer Heuristik. An dieser Stelle wird deutlich, inwiefern hinter Kants Differenzierung von bestimmender und reflektierender Urteilskraft immer noch die ciceronische Unterscheidung von inventio und Judicium steht, eine Unterscheidung, die auf dem Weg über Petrus Ramus auch einen Teil der neuzeitlichen Schullogik be-
u 16 17
Vgl. V 204. V194. Vgl. auch Genova (1972) S. 462 ff.
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stimmt hatte 18 . Das ist ein Fragenkreis, der in der Ersten Kritik nicht berührt wird 19 . Die „Kritik der reinen Vernunft" eruiert allerdings nur die Rahmenbedingungen, unter denen sich gültige Erkenntnis begründen und legitimieren läßt, wie immer sie auch gewonnen worden sein mag. Weil sie sich mit Problemen der Grenzen und der Legitimation möglichen Erkennens befaßt, sagt sie nichts darüber aus, wie man Elemente finden kann, die in diesen Rahmen passen. Von ihrer Warte aus betrachtet muß ein Erfolg des Suchens nach einer begründungsfähigen konkreten Erkenntnis als ein Zufall erscheinen, der sich als solcher nur noch hinnehmen läßt. Erst die auf der Basis der in der Dritten Kritik am Paradigma des Geschmacks vorgenommenen Untersuchungen zeigen, worauf die reelle Chance beruht, Einsichten zu gewinnen, die sich zum Gegenstand von Begründungsfragen machen lassen. Will man die Rolle des Geschmacks in der Genese der Erkenntnis genauer bestimmen, muß man berücksichtigen, daß Kant alle Empfindungen empirischer Natur aus dem Zentrum von dessen Einzugsbereich ausgrenzt. Dazu gehören die Empfindungen, die in gewöhnliche Wahrnehmungsurteile eingehen, alle Privatempfindungen von Angenehmem und Unangenehmem, nicht zu vergessen auch alles, was die Formel „Reiz und Rührung" zusammenfaßt. Als Proprium des Geschmacks bleibt von allen Empfindungen nur die auf dem freien Spiel der Erkenntnisvermögen beruhende Reflexionslust. Betrachtet man sie unter dem Blickwinkel des Erkennens, erweist sie sich als jener Gemütszustand, „der im Verhältnis der Vorstellungskräfte zueinander angetroffen wird, sofern sie eine gegebene Vorstellung auf Erkenntnis überhaupt beziehen" ü . Was diesen Zustand dominiert, ist also gerade nicht die gegebene Vorstellung selbst, sondern das sich in einer Empfindung präsentierende Verhältnis, in dem diese Kräfte zueinander stehen, wenn eine Vorstellung Anlaß zu ihrem Spiel gibt. Es ist das Spiel dieser Kräfte und daher zumindest nicht unmittelbar die veranlassende Vorstellung, von der das erschlossen wird, was Kant mit dem ' s Die Unterscheidung von inventio und Judicium war ursprünglich auf den Gebrauch innerhalb der Rhetorik zugeschnitten. Die inventio des Redners, der für einen konkreten Fall nach Argumenten auf der Basis von Mustern sucht, die ihm ein schon vorliegendes Repertoire liefert, kann deshalb nicht unbesehen auf die Tätigkeit des Forschers angewendet werden, der auf die Suche nach neuen Erkenntnissen geht. 19 Vgl. aber die Anspielung auf Petrus Ramus A 133 / B 172. 20 V 217. Dem Raum der „Erkenntnis überhaupt" lassen sich auch jene prinzipiell unbestimmbaren „Begriffe überhaupt" (vgl. V 256; R 988) zuordnen, die hinter jedem Geschmacksurteil schon wegen der Beteiligung des Verstandes an ihm stehen; sie verweisen auf das Übersinnliche (vgl. V 339 f.). Ein Analogon liegt im Bereich der Kategorien vor, insofern sie „Begriffe von einem Gegenstande überhaupt" sind (B 128; vgl. A 93 / B 126); erst sie eröffnen den Raum, in dem bestimmte Gegenstände zur Erscheinung kommen und Stoff für eine Erfahrungserkenntnis liefern können.
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkenncns
Ausdruck „Erkenntnis überhaupt" bezeichnet. Hier liegt die Nahtstelle, an der sich Geschmack und Erkennen berühren. Während die „Erkenntnis überhaupt" in bezug auf das konkrete Erkennen zu den Bedingungen seiner Möglichkeit und zu einer durch ein Gefühl erschlossenen Struktur seiner Tiefenschicht gehört, markiert sie für den Geschmack jenen epistemischen Horizont, innerhalb dessen er sich bewegt, ohne daß ihm seine indirekte Beziehung auf das Erkennen selbst deutlich werden müßte. Der von Kant thematisch nirgends ausführlich explizierte, geschweige denn definierte Begriff der „Erkenntnis überhaupt", im vorhergehenden Kapitel schon unter dem Blickwinkel des Geschmacks gestreift, soll jetzt in bezug auf das Erkennen selbst betrachtet werden. Er bezieht sich auf den mentalen Raum, in dem konkrete Erkenntnisse ihren Ort haben, nicht aber auf konkrete Erkenntnisse, auch dann nicht, wenn sie von noch so hohem Allgemeinheitsgrad sind. Deshalb kann man „Erkenntnis überhaupt" niemals durch konkrete Fälle exemplifizieren. Will man nicht in Widerspruch zu Kants Texten geraten, darf man ihr nicht den Status eines Oberbegriffs zuschreiben, unter den sich konkrete Erkenntnisse subsumieren lassen, aber auch nicht die Erkenntnis in ihr suchen, die den Anlaß jener Reflexionslust zu ihrem Gegenstand macht, die den Raum der „Erkenntnis überhaupt" erst erschließt. Das Geschmacksurteil könnte nicht außerhalb der Welt des Begriffs verortet sein, wenn es bereits selbst eine konkrete Erkenntnis, beispielsweise die seines Anlasses, auch nur auf mittelbare Weise intendierte. Ebensowenig handelt es sich bei der „Erkenntnis überhaupt" um eine Metastufc im Sinne einer Erkenntnis über Erkenntnisse. Da sich das Geschmacksurteil andererseits aber selbst genügt, kann die „Erkenntnis überhaupt" auch kein Ergebnis sein, das von diesem Urteil gezielt intendiert würde. Der Gebrauch, den Kant von dieser Denkfigur macht, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, daß die „Erkenntnis überhaupt" als ein bivalentes, wahrheitsdefinites Gebilde selbst irgend etwas Bestimmtes intendieren könnte. So darf man ihr weder einen bestimmten Gegenstand noch einen bestimmten Inhalt zuordnen, der sich in einem Urteil oder in einem System von Urteilen darstellen ließe. Unberührt davon bleibt natürlich die Möglichkeit, sie selbst zu einem Gegenstand von Urteilen und Aussagen zu machen, von denen ihre Struktur thematisiert wird und die Beziehungen, in denen sie steht, auf den Begriff gebracht werden. Auch wenn sie selbst kein Urteil enthält, kann man natürlich gültige Urteile über sie fällen. Daraus folgt nicht, daß der Gegenstand solcher Urteile auch selbst die Struktur eines Urteils aufweisen müßte. Jedes konkrete Erkenntnisurteil hat den Status eines propositionalen Gebildes. Die „Erkenntnis überhaupt" braucht dagegen allein deshalb, weil sich Propositionen auf sie beziehen können, selbst kein Gebilde von pro-
§19
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positionalcr Struktur zu sein. Es handelt sich bei ihr vielmehr um die Region, in der man sich schon bewegt, wenn man sich um konkrete Erkenntnisse bemüht. Thematische Intentionen richtet man auf bestimmte Inhalte; die Sphäre, innerhalb deren sie sich präsentieren, ist dabei immer nur auf unausdrückliche Weise mitgemeint. Man kann sich auf sie beziehen, auch ohne zugleich einzelne Gegenstände zu intendieren. Eben dies geschieht in den Reflexionen des Geschmacks. Dem Urteilenden brauchen diese Zusammenhänge nicht gegenständlich bewußt zu sein. Wenn er urteilt, hat er der Sache nach den Raum der „Erkenntnis überhaupt" gleichwohl immer schon vorausgesetzt. Konkrete Erkenntnisse lassen sich nur auf der Grundlage des Zusammenwirkens von Sinnlichkeit und Verstand als den beiden gleichberechtigten Stämmen der Subjektivität gewinnen, sofern bestimmte Inhalte intendiert werden. Das noch nicht auf bestimmte Inhalte festgelegte, freie Spiel von Einbildungskraft und Verstand eröffnet dem Urteilenden dagegen nur den Raum der „Erkenntnis überhaupt", den er dann mit konkreten Erkenntnissen besetzen kann. Kant setzt bei der Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustandes an, von dem das Geschmacksurteil getragen wird, um zu begründen, warum sich dieses Urteil auf „Erkenntnis überhaupt" bezieht, obwohl es selbst bestimmte Erkenntnisse weder enthält noch intendiert 21 . Diese Erkenntnisbedeutung des Geschmacks hängt an der allgemeinen Mitteilungsfähigkeit der Erkenntnis und an dem mit dem Beurteilungsprozeß verbundenen Gefühl. Denn es kann „nichts allgemein mitgeteilt werden als Erkenntnis und Vorstellung, sofern sie zum Erkenntnis gehört" 22 . Konkrete, einzelne Erkenntnisse lassen sich nur mitteilen, wenn auch die Randbedingungen mitteilbar sind, ohne die sie nicht zustande kommen können: „Sollen sich aber Erkenntnisse mitteilen lassen, so muß sich auch der Gemütszustand, d.i. die Stimmung der Erkenntniskräfte zu einer Erkenntnis überhaupt ... allgemein mitteilen lassen: weil ohne diese als subjektive Bedingung des Erkennens das Erkenntnis als Wirkung nicht entspringen könnte" 23 . Eine subjektive Bedingung ist dies lediglich für die Genese einer Erkenntnis, nicht aber für die Möglichkeit ihrer Begründung Der Gemütszustand, von dem hier die Rede ist, die im Prozeß der Beurteilung empfundene Reflexionslust, ist aber gerade dann verwirklicht, wenn eine Tätigkeit des Subjekts am Werk ist „in Ansehung der Erkenntnis überhaupt, aber ohne auf eine bestimmte Erkenntnis eingeschränkt zu sein" 24 . Dieser Zustand findet sein Ende, sobald eine konkrete Erkenntnis angebahnt ist. Das freie Spiel 21 22 21 24
Zum Begriff der Mitteilung vgl. oben S. 286 V217. V238; vgl. 218. V222.
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der Erkenntnisvermögen, das im Geschmacksurteil fühlbar wird, dauert ohnehin nur solange an, als „kein bestimmter Begriff sie auf eine besondere Erkenntnisregel einschränkt" 25 . Das sich im Modus eines lustbetonten Gefühls präsentierende freie Spiel der Erkenntnisvermögen ist das „zum Erkenntnis überhaupt schickliche subjektive Verhältnis"7'6. Für jede bestimmte Erkenntnis gilt überdies, daß sie „immer auf jenem Verhältnis als subjektiver Bedingung beruht" 27 . Innerhalb der Genese des Erkennens markiert dieses Spiel trotzdem nur eine ihrer Phasen, die dazu bestimmt ist, durch eine andere Phase abgelöst zu werden. Die Genese kann diese Phase nicht überspringen, auch wenn sie im Einzelfall nur in rudimentärer Gestalt durchlaufen wird. Es mag zunächst paradox erscheinen, daß die Sphäre, innerhalb deren konkrete Erkenntnisse gewonnen werden, auf originäre Weise durch ein Gefühl erschlossen wird. Doch dieses Gefühl nimmt unter allen Empfindungen eine Sonderstellung ein, weil in ihm und sogar nur in ihm das Spiel der auf konkrete Inhalte noch nicht ausgerichteten Vorstellungskräfte empfindbar wird. So eröffnet die „Erkenntnis überhaupt" als eine transzendentale Bedingung nicht der Gültigkeit, wohl aber der Genese objektiver Erkenntnis den Raum für ein Kontinuum von Möglichkeiten, die in Gestalt einzelner Urteile realisiert werden können. Solche Urteile kommen schon deswegen stets in der Mehrzahl vor, weil sich jedem Erkenntnisurteil als Pendant seine Negation zuordnen läßt. Von jenem Raum des Erkenncns, der „Erkenntnis überhaupt", die selbst nicht den Status eines propositionalen Gebildes hat, kann es dagegen kein negatives Pendant geben. Auch deswegen braucht es nicht zu überraschen, daß er sich dem Urteilenden in einem Gebilde diesseits der Bivalenz, nämlich in einem Gefühl präsentiert. Solange sich die Urteilskraft im Status des Reflektierens befindet, hat sie noch nicht für einen bestimmten Begriff oder für ein bestimmtes Urteil optiert. Hat sie hingegen eine Option ausgeübt, so ist von da ab „die Zusammenstimmung beider Gemütskräfte gesetzlich, unter dem Zwange bestimmter Begriffe"28. Läßt der Verstand einen bestimmten Begriff in Funktion treten, geht das Verhältnis der beiden Vorstcllungsvermögen von einer freien in eine gesetzmäßige Zusammenstimmung über. Von ihr wird zugleich die Einbildungskraft dem Zwang des Verstandes und des von ihm bestimmten Begriffs unterstellt. Sie wird „der Beschränkung unterworfen . . . , dem Begriffe desselben angemessen zu sein". Trotzdem kann die Ein-
V 217; vgl. A 155 / B 194f., A 239 / B 298 f. V218. V218. V296.
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bildungskraft auch hier immer noch ein Stück ihrer Freiheit retten, um „reichhaltigen unentwickelten Stoff für den Verstand, worauf dieser in seinem Begriffe nicht Rücksicht nahm, zu liefern, welchen dieser aber nicht sowohl objektiv zum Erkenntnis, als subjektiv zur Belebung der Erkenntniskräfte, indirekt also doch auch zu Erkenntnissen anwendet" . Eine randscharfe Abgrenzung zwischen der Reflexion im freien Spiel und dem mit der Herrschaft des Begriffs eintretenden gesetzmäßigen Zustand ist aus diesem Grund oft nur noch idealtypisch möglich. Gerade weil der Einzugsbereich jedes Begriffs begrenzt ist, kann das Spiel der Vorstellungskräfte außerhalb dieser Grenzen auch dann noch fortdauern, wenn ein Begriff bereits in Funktion getreten ist. Bedeutsam ist dies vor allem deswegen, weil das Fortdauern jenes nur ästhetisch rezipierbaren, auf „Erkenntnis überhaupt" bezogenen Zustandes die Fortführung des Erkenntnisprozesses ermöglicht. Die Zustände überlagern sich, wenn die Einbildungskraft ihr Material auch noch dann, wenn der Verstand mittels eines bestimmten Begriffs schon ein Urteil gefällt hat, für Bestimmungen durch andere Begriffe und für andere Urteile bereit hält. Die These, daß die ästhetische Urteilskraft „zum Erkenntnis ihrer Gegenstände nichts beiträgt" 30 , gilt nur für den Inhalt, nicht dagegen für die Genese der Erkenntnis. Zudem bezieht sie sich offensichtlich nur auf propositionale Gestalten des Erkennens. Eine Frage der sprachlichen Konvention bleibt es, ob man auch bestimmte nichtpropositionale Gebilde als Erkenntnisse akzeptieren will. Wer diese Frage bejaht, hat es leichter, die in der Rcflexionslust auf unmittelbare Weise erschlossene „Erkenntnis überhaupt" als Beispiel einer nichtpropositionalen Erkenntnis zu akzeptieren. Zu den Merkmalen solcher Erkenntnisse gehört es, daß sie nicht notwendig mit Gegenständen befaßt sind, schon gar nicht nur mit solchen Inhalten, die sich sowohl vom Erkennenden als auch untereinander randscharf abgrenzen lassen. Jedenfalls kann gerade von Handlungen, Einstellungen oder - wie im Fall des Geschmacks und der reflektierenden Urteilskraft deutlich wird - auch von Gefühlen Ungegenständliches erschlossen werden, also Dinge, von denen sich der Erkennende nicht distanziert und sich oft auch gar nicht distanzieren kann. Dem Menschen ist die Welt, in der er lebt, zu einem guten Teil nur auf diese Weise vertraut. Die objektive Erkenntnis, die Kant zumeist im Auge hat, bedarf hingegen eines Begriffs. Sie intendiert einen Gegenstand und hat propositionalen Charakter. Es ist klar, daß Kants „Erkenntnis überhaupt" nicht unter diesen engeren Begriff von Erkenntnis fallen kann.
V316f. V194.
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Kants These, die ästhetische Urteilskraft trage nichts zur Erkenntnis bei, muß auch vor dem Hintergrund des polemischen Kontextes der Dritten Kritik verstanden werden. Baumgartens Ästhetik hatte dem Geschmack die Fähigkeit zuerkannt, zu Erkenntnissen zu gelangen, die jener Klarheit und Deutlichkeit freilich noch ermangeln, deren allein der Verstand fähig ist. Für den Umkreis der alltäglichen condicio humana hatte sich diese Ästhetik dennoch in vielen Fällen mit den unklaren und undeutlichen Einsichten der durch den Geschmack perfektionierten Sinnlichkeit begnügt. Weil das hinter dieser Ästhetik stehende Konzept ohnehin sämtliche Erscheinungsformen der Subjektivität in eine graduelle Ordnung fügt, kann jeder, der sich um Erkenntnis bemüht, zunächst einmal pragmatisch entscheiden, bis zu welchem Grad von Klarheit und Deutlichkeit er seine jeweiligen Bemühungen vorantreiben will. Nach Kants Konzept können die fundamental heterogenen Stämme Sinnlichkeit und Verstand dagegen nur durch ihr Zusammenwirken begründungsfähige Erkenntnis hervorbringen. Auch in den Beurteilungen des Geschmacks sind beide Stämme des Erkennens präsent, nur daß der Verstand hier nicht in derselben Weise am Werk ist wie dort, wo er mit Subsumtionen unter bestimmte Begriffe Erkenntnisse erarbeitet. Somit kann die ästhetische Urteilskraft den Erkenntnisprozeß befördern, auch wenn sie zum Inhalt der propositionalen Erkenntnis selbst nichts beiträgt. Solange sie „bloß" reflektiert, verbleibt sie daher nur im Vorfeld des Erkennens. In den Beurteilungen des Geschmacks wird dem Inbegriff der Möglichkeiten des Erkennens in Gestalt der „Erkenntnis überhaupt" ein Ort angeboten, der sich dem Urteilenden im Modus nicht des gegenständlichen Erkennens, sondern des Empfindens präsentiert. Nun gibt es noch eine Gelegenheit eigener Art, sich den Erkenntnishorizont des Geschmacks auf exemplarische Weise zum Bewußtsein zu bringen. Sie wird von der ästhetischen Idee geboten. Die Konzeption dieser Idee stellt Kant bei Gelegenheit der Erörterung eines speziellen Sachthemas, der Lehre vom Genie vor. Den Begriff des Genies bestimmt er, an den Ansatz bei der Naturalisierung der Urteilskraft anknüpfend, als die „angeborene Gemütsanlage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt" '. Der Gehalt dieser Formel wird deutlich, wenn man auf die Beziehung achtet, in der das Genie zum Geschmack steht. Der Geschmack hält sich für den Prozeß einer freien Reflexion bereit, wie er von vorgefundenen Gegenständen oder Vorstellungen veranlaßt wird. Stellt sich im Zuge einer Beurteilung das Gefühl der Reflexionslust ein, macht er die Erfahrung des Schönen. Schöne Dinge nicht nur zum Anlaß von Beurteilungen zu nehmen, sondern sie allererst hervorzubringen, ist indessen Sache des von der Natur begünstig" V 307; vgl. 350 f.; VII 226
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ten Genies 3 . Zu den „Vermögen des Gemüts, welche das Genie ausmachen" 33 , gehört allerdings auch die Fähigkeit, sein naturgegebenes Talent schulmäßig ausbilden zu lassen34. Die zentrale Stellung unter jenen Vermögen kommt jedoch dem Geist zu, weil er fähig ist, ästhetische Ideen nicht nur zu erfassen, sondern auch darzustellen; „unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgendein bestimmter Gedanke, d.i. Begriff, adäquat sein kann" 35 . Anders als ihr Pendant, die Vernunftidec, ist die ästhetische Idee eine Anschauung besonderer Art. Obwohl sie ein möglicher Gegenstand des Denkens ist, kann sie durch keinen einzelnen Begriff jemals erschöpft werden. Gibt es für die Vernunftidee keine Anschauung, die ihr adäquat wäre, so handelt es sich bei der ästhetischen Idee reziprok hierzu um eine Anschauung, zu der sich kein einzelner Begriff finden läßt, der ihr adäquat wäre 36 . Daß sie eine Fülle von Inhalten zu denken veranlassen kann, gehört zu ihren essentiellen Merkmalen. Es ist noch nicht einmal notwendig, daß sich die Mannigfaltigkeit dieser Inhalte in ein widerspruchsfreies System fügen läßt. Obwohl also die ästhetische Idee selbst noch keine Erkenntnis verkörpert, kommt ihr dennoch die Fähigkeit zu, mancherlei Erkenntnisse zu ermöglichen und auf den Weg zu bringen. Vernunftidee und ästhetische Idee kommen darin überein, daß sie konstruktive und unvertretbare Funktionen im Dienste des Erkenncns erfüllen können. Während die ästhetische Idee dem Denken eine Fülle von Möglichkeiten eröffnet, läßt sich mit Hilfe der Vernunftidee eine Vielheit von zunächst unverbundenen, schon gegebenen Einzclcrkcnntnisscn in die Einheit eines Systemzusammenhangs fügen. Vernunftideen sind Begriffe, die Unbedingtes zum Inhalt haben und sich deshalb niemals unmittelbar auf die Anschauung anwenden lassen, die immer nur Bedingtes präsentiert. Das von diesen Ideen intendierte Unbedingte erlaubt es nicht, sie als Mittelglieder in Bedingungsketten einzufügen, die von der Erfahrung dargeboten werden. Die Welt der Erscheinungen präsentiert andererseits aber nur Bedingungsketten, deren Endglieder, sollten sie überhaupt existieren, für die Erfahrung unzugänglich bleiben. Deswegen bedarf die Vernunft in besonderem Maße gerade dort der Kritik, wo sie nicht mehr von der Erfahrung berichtigt werden kann, einer Kritik, von der die Selbsttäuschungen aufgedeckt werden, zu denen sie von ihrer Anmaßung verführt wird,
,2
Vgl. V 311 ff. " V313. 14 Vgl. V 310. " V313f. ,A Vgl. V 341 f.
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mit Hilfe der Ideen von Unbedingtem, die zu konzipieren sie in der Tat fähig ist, ein Unbedingtes auch unmittelbar zum Gegenstand begründbarer Erkenntnis machen zu können. Unbedingtes wird für das dem Menschen mögliche Erkennen niemals zu einem Objekt unter anderen Objekten. Dagegen können die Ideen von ihm kraft ihrer regulativen Potenz Einzelerkenntnisse, gleichsam in ihrem Rücken stehend, zu einer systematischen Einheit zusammenschließen. Damit ist noch deutlicher geworden, was der Vernunftidee und der ästhetischen Idee gemeinsam ist. Keine von beiden verkörpert selbst eine Erkenntnis und keine von beiden läßt sich als Element in eine gegenständliche Erkenntnis einfügen. Beide erbringen aber Leistungen, die für die Erkenntnis dienstbar gemacht werden können, sei es in ihrem Vorfeld für ihre Genese, sei es zum Zweck einer Einheitsstiftung. Die Differenzen ergeben sich aus ihrem formalen Status. Die Vernunftidee ist ein Begriff, wenngleich ein Begriff besonderer Art, für den aber immer noch die logischen Regeln für den Umgang mit Begriffen gelten. Die ästhetische Idee hat dagegen den Status einer „Vorstellung der Einbildungskraft" 37 , einer „inneren Anschauung" 38 . Sie ist ein Gebilde, das ausschließlich der Sphäre des Sinnlichen zugeordnet ist und dennoch „für sich allein soviel zu denken veranlaßt, als sich niemals in einem bestimmten Begriff zusammenfassen läßt" 39 . Auch wenn mit ihrer Hilfe eine konkrete begriffliche Erkenntnis auf den Weg gebracht worden ist, bleibt sie weiterhin fähig, „das Gemüt zu beleben, indem sie ihm die Aussicht in ein unabsehliches Feld verwandter Vorstellungen eröffnet" 40 . Gerade der Reichtum dieser Möglichkeiten ist es, der es ihr verbietet, bereits in der Realisierung einer von ihnen eine endgültige Erfüllung zu finden und in ihr zur Ruhe zu kommen. Es charakterisiert sie, „daß für sie kein Ausdruck, der einen bestimmten Begriff bezeichnet, gefunden werden kann, die also zu einem Begriff viel Unnennbares hinzudenken läßt, dessen Gefühl die Erkenntnisvermögen belebt und mit der Sprache, als bloßem Buchstaben, Geist verbindet" 41 . Zu den Fähigkeiten und zu den Aufgaben des Geistes gehört es auch, „das Unnennbare in dem Gemütszustande bei einer gewissen Vorstellung auszudrücken und allgemein mitteilbar zu machen" 42 . Deswegen gilt nicht nur von der ästhetischen Idee, sondern auch von dem Geist, der mit ihr umgeht, daß er „viel zu denken gibt" 43 . Mit dem stets nur im Modus der 37 38 39 40 41 42 43
V314. V314. V315. V 315. V316. V317. R958.
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Sinnlichkeit möglichen Erfassen dieser Idee wird auf exemplarische und eminente Weise realisiert, was sich der Sache nach bei Gelegenheit jeder Beurteilung des Geschmacks ereignet. Die ästhetische Idee arbeitet dem Verstand zu, indem sie ihm Stoff liefert, den er auch subjektiv zur Belebung der Erkenntniskräfte fruchtbar machen kann. Wenn sich Kant bei der Analyse dieser Idee auf Unnennbares beruft, so liegt darin durchaus keine irrationalistische Option. Nicht von einem Unsagbaren, das sich dem Zugriff des Denkens überhaupt entziehen würde, ist hier die Rede. Unsagbar ist es nur, weil es das Denken provoziert, ohne von ihm erschöpfend erfaßt werden zu können. Wohl kann es von dem mit Begriffen arbeitenden Denken zu seinem Gegenstand gemacht werden. Aber dieses Denken kann nicht vermitteln, was sich von der ästhetischen Idee originär allein in einer unmittelbaren sinnlichen Erfahrung erschließt. Was immer darüber gesagt werden mag, verliert daher niemals den Charakter des nur Vorläufigen. Obwohl das Konzept der ästhetischen Idee von Kant im Blick auf das Schöne in der Kunst entwickelt wird, bleibt sein Erklärungspotential nicht auf den Bereich beschränkt, in dem Künstler solche Ideen in der Gestaltung ihrer Werke darstellen. Auch wer mit einem gewöhnlichen Geschmacksurteil befaßt ist, bezieht sich zumindest mittelbar auf eine ästhetische Idee, da sich Schönheit in der Natur ebenso wie in der Kunst als „Ausdruck ästhetischer Ideen" 44 deuten läßt. Der geniale Künstler zeichnet sich durch eine besondere Beziehung zu diesen Ideen nur deswegen aus, weil er sie nicht nur auffassen, sondern auch Dinge hervorbringen kann, die dazu bestimmt sind, ästhetische Ideen darzustellen 4 . Das spezifische Talent des Genies, ebenso wie die Urteilskraft eine Naturgabe, kann für sich allein den Erfolg seiner Betätigung jedoch nicht garantieren. Schon das zu jeder Darstellung ästhetischer Ideen nötige Material zwingt auch das Genie dazu, sich in seiner Arbeit dessen Gesetzen unterzuordnen. Ohne diesen Zwang ließe sich ein geplantes Werk schwerlich konkretisieren. Kant erinnert an den in allen Künsten erforderlichen Mechanismus, „ohne welchen der Geist, der in der Kunst frei sein muß und allein das Werk belebt, gar keinen Körper haben und gänzlich verdunsten würde" 46 . Schon deswegen ist auch das Genie nicht davon dispensiert, bei der Gestaltung seiner Werke die Schulregeln selbst dann im Auge zu behalten, wenn es gezielt gegen sie verstoßen will. Durch die Anwendung solcher Regeln allein kommt jedoch keine Darstellung einer ästhetischen Idee zustande, die mehr zu denken gibt, als sich unter einen einzelnen Begriff bringen läßt. 44 45 46
V320. VgLV311,313f. V304.
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Gewiß ist an den Beurteilungen des Geschmacks kein bestimmter Begriff beteiligt. Anders liegen die Dinge bei der Darstellung des Schönen durch den Künstler. Hier muß „zuerst ein Begriff von dem zum Grunde gelegt werden, was das Ding sein soll" 47 . Trotzdem erfüllt dieser Begriff nur eine Hilfsfunktion, weil nicht er es ist, der die ästhetische Idee konkretisiert. Deshalb darf er im Werk niemals so hervortreten, daß er dessen Rezeption dominiert. Auch wenn sich Beurteilungen des Geschmacks ebensowenig wie gelungene künstlerische Produktionen auf die bloße Anwendung von Regeln zurückführen lassen, kann man den Gedanken der Regelanwendung im Sinne einer Analogie fruchtbar machen, die für die Deutung der Rolle des Geschmacks im Erkenntnisprozeß nützlich wird. Nur muß man bei dieser Analogie von einem Merkmal absehen, das den Umgang mit Regeln üblicherweise charakterisiert. Regelanwcndung ist gewöhnlich eine bewußt ausgeübte, zielgerichtete Tätigkeit. Trivial scheint die Feststellung zu sein, daß die Regel kennen muß, wer von ihr Gebrauch machen will. Wenn Kant die Möglichkeit erwägt, unter bestimmten Bedingungen die Erfahrung ebenso wie die artifizielle Hervorbringung des Schönen auch an Hand des Konzepts der Regelanwendung zu deuten, nimmt er jedoch zugleich an, daß sich die Regel in solchen Fällen zwar postulieren, aber nicht ausformulieren läßt. In diesem Sinn wird das im Geschmacksurteil erschlossene Schöne betrachtet als Beispiel „einer allgemeinen Regel, die man nicht angeben kann" 48 , da sie immer nur indirekt, in ihren Beispielen faßbar ist 49 . Deswegen hat die Sache, die den Geschmack herausfordert, exemplarische, aber eben auch nur exemplarische Bedeutung. Das gilt nicht nur für den Urteilenden selbst, sondern auch für den Theoretiker. Es sind prinzipielle Gründe, die jede Hoffnung vereiteln, dermaleinst eine solche Regel doch noch finden und ausformulicren zu können. Mit der Annahme einer verborgen bleibenden, nicht faßbaren Regel kommt man im übrigen auch der Okkasionalität des Gegenstandes entgegen, der den Anlaß zu einem Geschmacksurteil gibt. Läßt sich ein Gegenstand in bezug auf den Geschmack als Realisierung oder als Beispiel eines selbst nicht vorzeigbaren Urbildes deuten, so wird damit bestätigt, daß sich die Erfahrung des Schönen und die Reflcxionslust gerade nicht unmittelbar nur mit der puren Faktizität eines Gegenstandes verbindet. Und wenn Kant die produktive Aktivität des Genies im 47
V 3 1 1 ; vgl. 317. V237. 49 Aus diesem Grund ist der Geschmack zu seiner Bildung in höherem Grade auf Beispiele angewiesen als die mit Begriffen umgehenden Gestalten der Urteilskraft, obwohl auch er jedes Beispiel, von dem er Gebrauch macht, der Idee nach schon beurteilt haben muß; vgl. V 283 f., 286. 48
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Sinne einer Rcgelanwendung deutet, hat er auch hier keine Regel im üblichen Sinn des Wortes vor Augen, die vielleicht nur zufällig oder nur im Augenblick noch nicht ausformuliert ist. Denn im Genie, einem „Günstling der Natur" 5 0 , ist in Wirklichkeit die Natur selbst am Werk. Aus diesem Grund braucht gerade das Genie nicht alle Prinzipien des Prozesses zu kennen, in dem es seine Hervorbringungen gestaltet. Von hier aus ist auch die Formel zu verstehen, gemäß der die Natur durch das Genie der Kunst die Regel gibt 51 . Das Genie ist nicht daran gehindert, sich selbst als Medium einer Instanz zu verstehen, die es nicht zu begreifen braucht, vielleicht noch nicht einmal begreifen kann. Es sind Gesetze der Natur, die in ihm wirken, die nicht nur ihm selbst, sondern vielleicht sogar jedermann verborgen bleiben. Es ist diese Naturalisierung des Genies, die der Natur selbst noch im Bereich des artifiziell gestalteten Schönen den Vorrang sichert. Wo Kant die einzelnen Künste auch auf ihre Eignung hin untersucht, ästhetische Ideen darzustellen, räumt er der Dichtkunst den Vorrang ein. Er gründet nicht nur darin, daß in dieser Kunst „alles ehrlich und aufrichtig" 5 zugeht. Er beruht vor allem darauf, daß diese Kunst „fast gänzlich dem Genie ihren Ursprung verdankt und am wenigsten durch Vorschrift oder durch Beispiele geleitet sein will" . Aus diesem Grunde kann sich nur in ihr „das Vermögen ästhetischer Ideen in seinem ganzen Maße zeigen" 54 . Gerade sie bringt Darstellungen hervor, die mit einer „Gedankenfülle verknüpft" sind, „der kein Sprachausdruck völlig adäquat ist" . Doch auch Malerei und Plastik können ästhetische Ideen darstellen, die das Gemüt beleben. Auch sie bringen Werke hervor, die im Gegensatz zu den Werken der Musik in den Vorstellungskräften nicht nur einen transitorischen, sondern einen bleibenden Eindruck hinterlassen 56 . Selbst der von Kant nicht ohne Argwohn betrachteten Musik ist es möglich, „die ästhetische Idee eines zusammenhängenden Ganzen einer unnennbaren Gedankenfülle ... auszudrücken" 57 . Nun sind die Werke der Kunst nicht dazu bestimmt, selbst Gedanken darzustellen. Wohl aber geben sie etwas zu denken. Das verbindet sie mit den schönen Dingen in der Natur Ihnm gegenüber sind sie dadurch ausgezeichnet, daß sie nicht nur geeignet, sondern sogar dazu bestimmt sind, ästhetische Ideen zu vermitteln. Die FähigMI
51 S2 53 54 SS 56 S7
V 318, 309. Vgl. oben S. 356. V327. V326. V314. V326; vgl. 315. Vgl. V 330. V329.
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keit, das Denken und die Erkenntnis anzuregen, kommt ihnen, sind sie gelungen, sogar in einem exemplarischen Sinn zu.
§20 Die ästhetische Idee und die „Erkenntnis überhaupt" bezeichnen Orte, an denen sich der Geschmack, das Denken und das Erkennen treffen. Die Beziehungen zwischen diesen Größen waren zunächst von der Warte des Geschmacks aus beleuchtet worden, insofern er dem Erkennen vielerlei Möglichkeiten eröffnet, ohne selbst eine von ihnen zu verwirklichen. Dies wird dem Urteilenden jedoch nicht gegenständlich, sondern nur im Erfassen einer ästhetischen Idee oder in der Reflexionslust bewußt, insofern ihm auf diese Weise etwas erschlossen wird, das in seiner prinzipiellen Unsagbarkeit von keinem einzelnen, konkreten Urteil eingeholt werden kann. Betrachtet man diese Dinge von der Seite des Erkennens aus, ist danach zu fragen, was es für das Erkennen bedeutet, daß man in seinem Vorfeld jenes Vermögen antrifft, das in unverstellter Gestalt in den Beurteilungen des Geschmacks am Werk ist. Man könnte zunächst vermuten, daß dieser Sachverhalt für den Aufbau und für die Genese der Erkenntnis höchstens von faktischer, nicht aber von prinzipieller Bedeutsamkeit ist. Dies wäre in der Tat anzunehmen, würde das Erkennen von den Fähigkeiten des Geschmacks nur gelegentlich einmal Gebrauch machen, ohne auf sie angewiesen zu sein. Dann würde der Geschmack allenfalls einen zur Erkenntnis führenden Nebenweg eröffnen. In Wirklichkeit bleibt jedoch alles Erkennen zwar nicht in bezug auf seine Begründung und auf die Rechtfertigung seiner Geltung, wohl aber hinsichtlich seiner Genese auf die Vorarbeit jener unverstellt nur im Geschmack präsenten reflektierenden Urteilskraft angewiesen, deren Tätigkeit dem Urteilenden im Modus einer Empfindung bewußt wird. Nicht nur gelegentlich, sondern in jedem Fall hat das Erkennen seine ästhetische Vorgeschichte, weil die Realisierung selbst seiner trivialen Gestalten auf die Reflexionen der Urteilskraft angewiesen ist. Es war schon davon die Rede, daß das Geschmacksurteil zustande kommt „vermittelst eines Verfahrens der Urteilskraft, welches sie auch zum Behuf der gemeinsten Erfahrung ausüben muß" . Das schließt auch die Reflexionslust ein, in der dem Urteilenden dieses Verfahren auf unmittelbare Weise bewußt wird. „Diese Lust muß notwendig bei jedermann auf den nämlichen Bedingungen beruhen, weil sie subjektive Bedingungen der JI
V292
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Möglichkeit einer Erkenntnis überhaupt sind, und die Proportion dieser Erkenntnisvermögen, welche zum Geschmack erfordert wird, auch zum gemeinen und gesunden Verstände erforderlich ist" 59 . Deswegen gilt auch für die Reflexionslust, daß selbst „die gemeinste Erfahrung ohne sie nicht möglich sein würde" 6 . Es gibt daher bei den Erkenntnisvermögen eine „proportionierte Stimmung, die wir zu allem Erkenntnisse fordern" 61 ; denn die zweckmäßige Übereinstimmung eines Gegenstandes mit dem internen Verhältnis dieser Vermögen wird „zu jedem empirischen Erkenntnis erfordert" 62 . Das gilt auch für den gemeinen Menschenverstand, der als eine der Gestalten, in denen die Urteilskraft auftritt 6 , auf seine Weise zu Erkenntnissen gelangen kann. Begründungen und Systematisierungen sind allerdings nicht seine Sache. Zu deren Erarbeitung bedarf es in jedem Fall der methodischen Argumentation. Umgekehrt kann sich aber niemand von seiner Arbeit an der Erkenntnis Erfolg versprechen, dem es bereits an jenem gemeinen Verstand fehlt. Deshalb müssen die Bedingungen, die schon der gemeine Verstand voraussetzt, erst recht dort erfüllt sein, wo Begründungen und Systematisierungen erarbeitet werden. Die „subjektiven Bedingungen der Möglichkeit einer Erkenntnis überhaupt" 64 müssen also schon gegeben sein, wenn in dem durch sie erschlossenen Raum ein konkretes Resultat erzielt und begründet werden soll. Vor jeder begrifflichen Subsumtion liegt ein Stadium, in dem die Urteilskraft zunächst reflektierend ein Allgemeines in Gestalt eines Begriffs zu ermitteln oder wenigstens zu approbieren sucht, unter das sie dann das ihr vorliegende Besondere oder Einzelne subsumiert. Hier bleibt ihr nur übrig, sich von sich selbst und von ihrer eigenen Tätigkeit leiten zu lassen, deren sie sich in der Reflexionslust bewußt wird. Bei dieser Sachlage ergibt sich ein Problem, das in der Kantforschung schon des öfteren eingehend erörtert worden ist. Ist nämlich die Genese gegenständlicher Erkenntnis auf jene reflektierende Tätigkeit der Urteilskraft angewiesen, mit der sie auch in den Beurteilungen des Geschmacks am Werk ist, so müßte in der Vorgeschichte jedes Erkcnntnisurteils auch ein Geschmacksurteil zu finden sein. Um sich von seinen einschlägigen Bemühungen einen Erfolg versprechen zu können, müßte der Erkennende das, was er jeweils zu seinem Gegenstand machen will, zunächst mit Hilfe des Geschmacks daraufhin mit positivem Resultat getestet haben, ob es ein
V292f. V187. M V219. "2 V 1 9 1 . 61 Vgl. V 169; A 1 3 3 / B 172. 64 V292; vgl. 217f.;XX224; R 988 "
60
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entsprechendes Urteil auszulösen fähig ist65. Das würde dann aber zu der Konsequenz zwingen, daß Erkennbarkeit und Schönheit konvergieren. Nur Schönes wäre unter diesen Voraussetzungen erkennbar, alles Erkennbare umgekehrt auch schön. Eine solche Konsequenz scheint nun allerdings in krassem Gegensatz zu der elementarsten Weltkenntnis zu stehen. Eine Schwierigkeit bliebe selbst dann noch bestehen, wenn Erkennbarkeit und Schönheit nur umfangsgleiche Klassen bezeichneten, hingegen intensional unterschieden blieben. Doch auch die Annahme einer lediglich intensionalen Differenz beider Eigenschaften würde einen letztlich nicht davor bewahren, alle schönen Dinge als erkennbar und alle erkennbaren Dinge als schön akzeptieren zu müssen. Damit entsteht ein Dilemma, zumal da schon die Annahme einer bloßen Extensionsgleichhcit des Schönen und des Erkennbaren entweder den Bereich erkennbarer Gegenstände ungebührlich stark einzuschränken oder aber den Bereich des Schönen ebenso ungebührlich stark auszudehnen scheint. Vollends widersinnig scheint die Zumutung zu sein, einer Sache die Erkennbarkeit schon dann abzusprechen zu sollen, wenn sie ungeeignet ist, ein positives Geschmacksurteil zu veranlassen. Das gemeine Weltverständnis pflegt schönen Dingen eher den Status von Ausnahmephänomenen zuzugestehen, die sich vor dem Hintergrund einer Welt abheben, in der gewöhnlich nur Durchschnittliches und Gleichgültiges, den Geschmack nicht Berührendes zur Erscheinung kommt. Wer die natürliche Einstellung zur Welt und die üblicherweise mit ihr verbundenen Intentionen kultiviert hat, muß von der These befremdet sein, daß die Welt der Erscheinungen nur Dinge präsentiert, die allesamt fähig und geeignet sind, das Geschmacksvermögen schon deswegen zu befriedigen, weil sie prinzipiell alle erkennbar sind. Schönheit wäre in diesem Fall geradezu inflationär über alles Erkennbare und damit über die ganze Welt der Erscheinungen verbreitet. So ist es verständlich, daß sich die Kantforschung in einem fast einhelligen Konsens darüber befindet, daß Wege ausfindig zu machen sind, auf denen man einer derartigen Konsequenz entgehen kann 66 . Eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu. Die in der Rcflexionslust präsente Erfahrung des Schönen mag dem Erkennen dadurch zuarbeiten, daß sie den Raum der „Erkenntnis überhaupt" eröffnet. Sic kann das Erkennen aber auch behindern, da jede Lust nach ihrer Selbsterhaltung strebt. Das gehört sogar zu ihrer Wesensbestimmung, wenn in jeder Lust ein vorbegriffliches Bewußtsein jener Kausalität enthalten ist, die eine Vorstellung mit dem Ziel ausübt, das empfindende Subjekt in seinem Zustand zu crhal-
65 h6
Vgl. V194 Vgl. z.B. Henrich (1992) S.43f.
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ten 67 . Weil dies natürlich auch für die Reflexionslust gilt, strebt auch sie als eine „Gemütsstimmung, die sich selbst erhält" 6 , nach ihrer Perpctuierung. Es versteht sich, daß diese Kausalität vom Urteilenden nicht begrifflich erfaßt, sondern nur empfunden wird. Da wir nun aber „weilen bei der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung sich selbst stärkt und reproduziert" 69 , müßte der Erkennende der Tendenz dieses Gefühls auf Selbsterhaltung geradezu entgegenwirken, handelte es sich bei der Reflexionslust in diesem Fall lediglich um eine Zwischenphase in der Genese eines kognitiven Prozesses, die für den Erkennenden nur ein Mittel zum Zweck darstellt, das seine Funktion erfüllt hat, sobald das Ziel erreicht ist. Dieses Gefühl ist spätestens dann nicht mehr präsent, wenn der Urteilende aus dem vom freien Spiel der Vorstellungsvermögen eröffneten Raum der „Erkenntnis überhaupt" eine der vielen Alternativen ausgewählt und damit für einen bestimmten Begriff optiert hat. Die Reflexionslust bleibt daher für den Erkennenden ambivalent, wenn er mit ihr in vielen Fällen auch auf eine Weise umgehen muß, die ihrer Tendenz auf Selbsterhaltung zuwiderläuft. Trotz alledem besteht kein Anlaß, in der sich aus Kants Dritter Kritik ergebenden Konvergenz von Schönheit und Erkennbarkeit ein Dilemma zu sehen, das es auf jeden Fall zu vermeiden oder aufzulösen gilt. Wenn die „subjektiven Bedingungen der Möglichkeit einer Erkenntnis überhaupt" , im Geschmacksurteil unverstellt präsent, auch die Sphäre der Erkenntnis umgrenzen, setzen sie damit zugleich Bedingungen der Möglichkeit einer jeden Einzelerkenntnis, wie sie nur innerhalb dieser Sphäre konkretisiert werden kann. Doch obwohl jede Erkenntnis ihre ästhetische, empfindbare Vorgeschichte hat, ist Kant weit davon entfernt, den Erkenntnisprozeß im ganzen zu ästhctisicren. Der Abschnitt „Von der Verbindung des Gefühls der Lust mit dem Begriffe der Zweckmäßigkeit der Natur" 7 1 der endgültigen Einleitung zur Dritten Kritik ist einer der wenigen Texte, die nicht nur beiläufig von den Problemen handeln, die von der sinnlich-emotionalen Vorgeschichte des Erkenncns gestellt werden. Gerade dieser Abschnitt macht auch die Zusammengehörigkeit der beiden Teile der „Kritik der Urteilskraft" deutlich. Kant verweist dort auf die lustbetonte Bewunderung, die von der Entdeckung eines gemeinsamen Prinzips von zunächst nur heterogen erscheinenden Naturgesetzen ausgelöst wird und insofern im Gegensatz zu dem emotional neutralen Zusammentreffen von sinnlichen
67
Vgl. V 220 sowie oben S. 339 ff. V230. 6V V222. 7 " V 292; vgl. 218. 71 V I 86 ff.
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Wahrnehmungen und Kategorien steht. Diese Neutralität kommt freilich nicht von ungefähr, da die Kategorien bei jeder gegenständlichen Erkenntnis ohnehin immer vorausgesetzt werden. Der reflektierenden Urteilskraft bedarf es dazu ebensowenig wie zur Realisierung der Prozesse, die zur Entstehung der Schemata und der Grundsätze des reinen Verstandes führen. Wo nur von den Kategorien Gebrauch gemacht wird, bedarf es lediglich der bestimmenden Urteilskraft. Für den gegenständlich erkennenden Verstand gibt es zu ihnen ohnehin keine Alternative, für die er optieren könnte. Die reflektierende Urteilskraft ist dagegen nötig, wenn ein empirischer Begriff gesucht wird, unter den eine gegebene Wahrnehmung subsumiert werden soll. Wenn sich diese Suche im Raum der „Erkenntnis überhaupt" abspielt, muß auch sie, befindet sie sich auf dem richtigen Weg, von einer Reflexionslust begleitet werden, die vom Urteilenden empfunden wird. Nun ließe sich einwenden, daß sich bei den Versuchen, die natürliche Welt der Erscheinungen zu erforschen und ihre Gesetze in ein einheitliches System einzuordnen, bei weitem nicht in allen Fällen das Lustgefühl einstellt, das eigentlich zu erwarten wäre, wenn die Urteilskraft in der Phase der freien Reflexion am Werk ist. In dem erwähnten Abschnitt gibt Kant eine Erklärung dafür, warum faktisch eben doch nicht mit jedem Erkenntnisvorgang eine aktuelles Empfinden der Reflexionslust verbunden ist: „Zwar spüren wir an der Faßlichkeit der Natur ... keine merkliche Lust mehr; aber sie ist gewiß zu ihrer Zeit gewesen, und nur weil die gemeinste Erfahrung ohne sie nicht möglich sein würde, ist sie allmählich mit dem bloßen Erkenntnisse vermischt und nicht mehr besonders bemerkt worden" . Mit dieser Wendung und mit der Annahme, daß die Reflexionslust im Zuge der Arbeit an der Erkenntnis mit der Zeit aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit verdrängt wird, wird es nun aber möglich, die Universalität dieses Gefühls für die Vorgeschichte alles Erkennens zu retten und zugleich der Konvergenz von Schönem und Erkennbarem gerecht zu werden. Dies gelingt, weil Kant eine Graduierungsfahigkeit aller Empfindungen, so auch des einschlägigen Lustgefühls annimmt. Es kann in unterschiedlicher Stärke ausgeprägt sein. Ohnehin muß bei den meisten Gefühlen damit gerechnet werden, daß ihre Wahrnehmung durch Gewöhnung und die mit ihr verbundene Abschwächung allmählich unter die Aufmcrksamkeitsschwelle abgedrängt wird. Besonders leicht tritt diese Wirkung im Erkenntnisprozeß ein, weil der Reflexionslust die Aufmerksamkeit des Urteilenden hier von anderen Elementen streitig gemacht wird, die an diesem Prozeß beteiligt sind. Im Prinzip wird dennoch selbst die „gemeinste Er-
V 187; zur Freude an einem Erfolg des Rcflektiercns vgl. auch V 184.
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fahrung" von dieser Lust nicht nur begleitet, sondern in ihrer Existenz allererst ermöglicht. Wenn das Lustgefühl, das die Tätigkeit der reflektierenden Urteilskraft begleitet, wie alle anderen sinnlichen Empfindungen der Steigerung wie auch der Abschwächung bis hin zur Aufmerksamkeitsschwelle fähig ist, wird ihm nicht gerecht, wer im Sinn einer binären Alternative nur seine Präsenz oder seine Abwesenheit feststellen will. Kann die Reflexionslust in einem Kontinuum von Intensitätsgraden empfunden werden, braucht der besondere Status, der gerade diesem Gefühl schon seiner apriorischen Fundierung wegen zukommt, niemanden daran zu hindern, auch an ihm die Merkmale ausfindig zu machen, die allen Empfindungen gemeinsam sind, unabhängig davon, ob ihnen ein apriorischer oder ein empirischer Status zukommt. Apriorisch fundierte Merkmale, die ohne Ausnahme alle Empfindungen aufweisen, werden von Kant in der „Kritik der reinen Vernunft" unter dem Titel der „Antizipationen der Wahrnehmung" erörtert 73 . In diesem Lehrstück sind die Empfindungen allerdings nicht um ihrer selbst willen von Interesse. Kant erörtert sie in der Ersten Kritik und in den „Prolegomena" nur deswegen, weil es unter ihnen Arten gibt, an denen sich Eigenschaften ablesen lassen, die man auch den Gegenständen in der Welt der Erscheinungen zuschreiben darf, auf die sie sich beziehen lassen. Es handelt sich mithin um Strukturmerkmalc, die zu jenen apriorischen Bedingungen gehören, die Erfahrung allererst ermöglichen, weil nur unter ihrer Voraussetzung Gegenstände zur Erscheinung kommen können. So lehrt die „Kritik der reinen Vernunft" nach dem Text der ersten Auflage, daß „die Empfindung und das Reale, welches ihr an dem Gegenstande entspricht ... eine intensive Größe, d.i. einen Grad" hat 74 . Die zweite Auflage scheint zunächst den Geltungsbereich dieses Grundsatzes einzuschränken, wenn der Charakter einer intensiven Größe dort nicht mehr der Empfindung selbst, sondern nur noch dem Korrelat zugesprochen wird, auf das sie sich beziehen läßt, nämlich dem Realen, „was ein Gegenstand der Empfindung ist"75. Doch entgegen dem ersten Anschein hat Kant die Lehrmeinung hier nicht geändert, sondern nur präzisiert. Schon in der ersten Auflage zielt die Darstellung der Antizipationen der Wahrnehmung auf die Konsequenzen, die sich aus den nicht in der Empirie gründenden Strukturmerkmalen der Empfindungen für die Erfahrungserkenntnis der Gegenstände ergeben, auf die sie sich beziehen lassen. Für die Thematik der Ersten Kritik sind daher auch hier alle Empfindungen, 73
Vgl. A 1 6 6 / B 207 ff. A 166; vgl. A 143 / B 182; IV 306. - Auch die Dritte Kritik erinnert an die Bestimmung der Empfindung als des Realen der Wahrnehmung, vgl. V 189, 291. 75 B207. 74
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkcnnens
die keiner Zuordnung zu einem Objekt fähig sind, nicht weiter von Interesse. Gleichwohl geht es um eine Struktur, die auch ihnen eigentümlich ist, weil sie sämtlichen Empfindungen ohne Unterschied zukommt. Auch in der zweiten Auflage macht die das Prinzip der Antizipationen der Wahrnehmung explizierende Erörterung deutlich, daß der Charakter jeder Empfindung als einer intensiven, stets in einem bestimmten Grad realisierten Größe nicht zu den Resultaten, sondern zu den Voraussetzungen der Argumentation gehört. Deren Beweisziel bildet in Übereinstimmung mit der Thematik der Ersten Kritik der Nachweis, daß die Empfindung ihre Eigenschaft, eine intensive Größe zu sein, an den Gegenstand gleichsam vererbt, auf den sie sich, falls dies überhaupt möglich ist, beziehen läßt 76 . Weil die Gefühle eine echte Teilklasse der Empfindungen bilden, brauchen sie in der Ersten Kritik weder bei den Grundsätzen des reinen Verstandes noch bei deren Explikation eigens berücksichtigt zu werden. Was sich über Empfindungen auch unabhängig von einer allfälligcn Gegenstandsbeziehung generell ausmachen läßt, gilt auch für sie. Nun ist es aber ausschließlich der Charakter einer intensiven Größe, „was sich an jeder Empfindung als Empfindung überhaupt (ohne daß eine besondere gegeben sein mag,) a priori erkennen läßt" 77 , unabhängig davon, welche Eigenschaften sich an ihr außerdem noch feststellen lassen. Weil die Grade, die eine Empfindung als eine intensive Größe annehmen kann, nach dem Prinzip der Stetigkeit geordnet sind, „ist zwischen Realität in der Erscheinung und Negation ein kontinuierlicher Zusammenhang vieler möglicher Zwischenempfindungen, deren Unterschied voneinander immer kleiner ist, als der Unterschied zwischen der gegebenen und dem Zcro, oder der gänzlichen Negation" . Das ist allerdings auch schon die einzige Eigenschaft, über die sich unabhängig von der Empirie hinsichtlich aller Empfindungen etwas ausmachen läßt . Die von Kant erst nach der Konzeption der Ersten Kritik entdeckte Sonderstellung der Reflcxionslust beruht darauf, daß sich ihre apriorisch fundierten Strukturmerkmale nicht auf das beschränken, was sie mit sämtlichen anderen Empfindungen gemeinsam hat. Die Berechtigung, die gemäß der Ersten Kritik für Empfindungen überhaupt geltenden Bestimmungen auch für dieses Gefühl fruchtbar zu machen, wird dadurch jedoch nicht berührt. Dazu gehört auch, daß dieses Gefühl schon seines Status als einer Empfindung wegen stets eine positive Größe ist. Nur als Grenzfall 76 Daß es sich um eine Struktur handelt, die ohne Ausnahme allen Gestalten des Bewußtseins eigentümlich ist, wird auch durch B 414f. deutlich. 77 A 168 / B 210; vgl. XX 237. 7S A 1 6 8 / B 210; vgl. A 1 4 3 / B 182. 79 Aus diesem Grund ist die Kontinuität der Fmpfindungsgradc auch das einzige Phänomen im Bereich des inneren Sinnes, das einer Mathcmatisicrung zugänglich ist; vgl. IV 471.
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kann im Sinne des „Zero, oder der gänzlichen Negation" 8 ihre Abwesenheit konstatiert werden. Negative Werte kann ihr Grad jedoch ebensowenig annehmen wie der Grad irgendeiner anderen Empfindung 81 . Dies betrifft jedoch nur ihren formalen Charakter als Empfindungen, nicht dagegen ihre inhaltsbezogenen Qualitäten, auf Grund deren man widrige oder abstoßende Empfindungen durchaus als negativ zu charakterisieren pflegt82. Auf jeden Fall gründet in diesem formalen Charakter aller Empfindungen auch die Tatsache, daß alle ästhetischen Urteile, weil sie Empfindungen nicht intendieren, sondern enthalten, ihrer logischen Qualität nach positive Urteile sind. Dem Charakter der Rcflexionslust als einer intensiven Größe, die keine negativen Werte annehmen kann, wird Kant auch in der „Kritik der Urteilskraft" gerecht. Es ist die Einsicht in dieses Strukturmerkmal, die eine zwanglose Deutung der Interdcpendcnz von Geschmack und Erkennen ermöglicht. Das Verhältnis der Vorstellungsvermögen, wie sie in den Beurteilungen des Geschmacks wie in jeder anderen Rolle der reflektierenden Urteilskraft vorliegen, erscheint hier als eine Proportion, die in Gestalt einer „subjektiven Bedingung des Erkenncns" empfunden wird, ohne die „das Erkenntnis als Wirkung nicht entspringen könnte" 83 . Damit wird zugleich bestätigt, daß es hier nicht um den Inhalt von Erkenntnissen und schon gar nicht um ihre Begründung, sondern allein um ihre Genese geht. Nun gibt es ein ganzes Spektrum von Proportionen, in denen die an der Urteilskraft beteiligten Vorstcllungsvermögen zueinander stehen können: „Diese Stimmung der Erkenntniskräfte hat nach Verschiedenheit der Objekte, die gegeben werden, eine verschiedene Proportion. Gleichwohl aber muß es eine geben, in welcher dieses innere Verhältnis zur Belebung (einer durch die andere) die zuträglichste für beide Gemütskräfte in Absicht auf Erkenntnis (gegebener Gegenstände) überhaupt ist; und diese Stimmung kann nicht anders als durch das Gefühl (nicht nach Begriffen) bestimmt werden" 84 . Für jeden Gegenstand gibt es also ein optimales Verhältnis der an seiner Erkenntnis beteiligten Vorstellungskräfte, das sich zugleich stets in einer Empfindung darstellt. Für jede Größenbestimmung gilt aber, daß sie „keinen absoluten Begriff von einer Größe, sondern allemal nur einen Vcrgleichungsbegriff" liefcrt8S. Die Gültigkeit dieses Grundsatzes, in der Dritten Kritik freilich nur im Blick auf die extensiven Größen der äußeren An80
A 1 6 8 / B 210. Vgl. XXIV 364. " 2 Vgl. den Fall von „negativer Lust" in der „Analytik des Erhabenen" (V 24S). 83 V238. 84 V238f. 8< V248. 81
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkcnnens
schauung formuliert, ist in der Sache keineswegs auf diesen Bereich beschränkt. Er läßt sich auch für die Analyse der Empfindungen des inneren Sinnes und der Gefühle fruchtbar machen. In Übereinstimmung mit der gemeinen Welterfahrung läßt sich dann auch die der Schönheit zugeordnete Empfindung dem Maß des Mehr oder Weniger unterwerfen: „Übrigens geht die Beurteilung der Dinge als groß oder klein auf alles, selbst auf alle Beschaffenheiten derselben; daher wir selbst die Schönheit groß oder klein nennen" 86 . Diese Überlegungen berechtigen dazu, die vermeintliche Paradoxie der Konvergenz von Schönheit und Erkennbarkeit durch die Graduierung der Reflexionslust und damit zugleich der Erfahrung des Schönen zu entschärfen. Auf dieser Grundlage wird die Annahme der Erfahrbarkeit auch einer kleinen, ja einer minimalen Schönheit sinnvoll 87 . Beachtet man die Graduierungsfähigkeit, die der Reflexionslust wie jeder anderen Empfindung eigentümlich ist, so eröffnet sich auch die Möglichkeit, das vielfältig behandelte Problem zu lösen, wie die unterschiedlichen Verhältnisse zu deuten sind, in denen Verstand und Einbildungskraft zueinander stehen können, wenn sie kooperieren. Kant spricht bekanntlich von einem freien Spiel der Vorstellungskräfte, wenn von der Erfahrung des auf eminente Weise Schönen die Rede ist. Wo es um eine Kooperation der Vermögen im Dienst der Erkenntnis und um die Kunsttheorie geht, spricht er mit Hilfe von Ausdrücken, die eine Abschwächung anzuzeigen scheinen, aber auch von einer Harmonie oder einer selbst noch in ihrem Kontrast harmonischen Beschäftigung dieser Vermögen, von ihrer einhelligen Tätigkeit, ihrer Zusammenstimmung, ihrer Einstimmung, ihrer Übereinstimmung, ihrer zweckmäßigen Stimmung oder ihrer proportionierten Stimmung 88 . Die Frage, ob es sich hier um identische, um verwandte oder um gänzlich differente Strukturen handelt, ist im Blick auf die Gradationsfähigkeit aller Gefühle einer einfachen Antwort fähig. Wenn sich diese Relationen der Erkenntnisvermögen dem Bewußtsein des Urteilenden stets in Gestalt unterschiedlicher Grade der Reflexionslust als einer intensiven Größe darstellen, ist man zu der Annahme berechtigt, daß sich darin eine analoge Klimax von proportionierten Stimmungen ausdrückt, in denen die Vorstellungskräfte untereinander stehen können. Im Umkreis der Subjektivität läßt sich kein Phänomen finden, das nicht auch einen Aspekt böte, unter dem es das Gefühl berührt. „Weil die Selbstempfindung der letzte Beziehungsgrund von allen unseren Tätigkeiten ist, so bezieht sich alles auf das Gefühl" 89 . Dies beruht darauf, daß „jeder Ge86
V 249
87
Vgl. Hogrebe (1980), S. 35 ff. Vgl. V218f., 228, 238,244,258, 292, 29.5,318, 321,324, 342, 344; R 1931
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genstand der Sinnlichkeit auf unseren Zustand ein Verhältnis hat, selbst in dem, was zur Erkenntnis ... gehört, nämlich in der Vergleichung des Mannigfaltigen und der Form (denn diese Vergleichung selbst affiziert unseren Zustand . . . ) " ; daher „ist etwas in jeder Erkenntnis, was zur Annehmlichkeit gehört" 9 . Die Annehmlichkeit, von der Kant in dieser Reflexion spricht, darf hier allerdings nicht in jenem engeren Sinn verstanden werden, in dem sie, wie in der Dritten Kritik, einen Gegensatz zur Schönheit bildet und sie aus ihrer Sphäre ausschließt. Ohnehin kommt die Sonderstellung des Schönen und des ihm zugeordneten, nicht in der Erfahrung gründenden Gefühls in dieser Reflexion nicht zur Sprache. Der universellen Präsenz dieser emotionalen Komponente in sämtlichen Phänomen des Bewußtseins und der Subjektivität trägt Kant gerade in der Dritten Kritik Rechnung. Es gilt ohne Ausnahme, daß „alle Vorstellungen in uns ... subjektiv mit Vergnügen oder Schmerz, so unmerklich beides auch sein mag, verbunden werden können" . Deswegen läuft jeder Erkenntnisprozeß unter emotionalen Randbedingungen ab, die weitaus vielgestaltiger sind, als es zunächst scheinen mag. Die Dritte Kritik stellt sich nicht die Aufgabe, diese Randbedingungen in ihrem ganzen Umfang vorstellig zu machen. Sie fragt nur, ob sich unter diesen Randbedingungen auch apriorische Strukturen befinden, die nicht schon in den gemäß den Antizipationen der Wahrnehmung für alle Empfindungen überhaupt geltenden Gesetzlichkeiten enthalten sind. Diese Frage wird bejaht, weil sich in dem Gefühl, das die Tätigkeit der reflektierenden Urteilskraft begleitet, freilich auch nur in ihm, eine Empfindung meldet, die zwar immer nur bei Gelegenheit eines empirischen Anlasses entstehen kann, in der jeder Urteilende aber dennoch keine empirischen Inhalte, sondern nur sich selbst und seine Erkenntnisvermögen in bezug das empfindet, was ihm mit seinesgleichen gemeinsam ist. Wenn die Rcflexionslust wie jede andere Empfindung graduell abgestuft auftritt, darf man erwarten, daß sich auch schwächere Ausprägungen dieses Gefühls für das Erkennen fruchtbar machen lassen, sofern nur ihr Intensitätsgrad von Null verschieden ist. Für die Genese einer Erkenntnis bedarf es aus diesem Grund durchaus nicht immer eines besonders intensiv ausgeprägten freien Spiels der Vorstelhingsvermögen, wie es sich in einer exemplarischen Empfindung präsentiert, die auf Grund ihres lustbetonten Charakters danach strebt, sich selbst zu erhalten. Eine lediglich proportionierte Zusammenstimmung der Vermögen, verbunden mit einem schwächer ausgeprägten Gefühl, kann für die Genese einer Erkenntnis sogar noch günstiger sein. Bei einer in diesem Fall auch schwächeren Tendenz 9(1 9
R 672. ' V277.
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des Gefühls zu seiner Perpetuierung wird es leichter, das Erkenntnisziel zu erreichen, weil spätestens in diesem Augenblick das Gefühl erlöschen muß, das die Vorbereitungsphase dieses Prozesses begleitet, wenn nicht sogar dominiert. Schwachgradigen Empfindungen wird die Aufmerksamkeit ohnehin leicht von anderen Vorstellungen streitig gemacht, von denen sie nicht selten an den Rand der Aufmcrksamkeitsschwelle gedrängt werden 92 . Die stark ausgeprägte Tendenz eines Gefühls zur Selbsterhaltung ist dagegen fähig, die Option für einen bestimmten Begriff und damit den Gewinn einer bestimmten Erkenntnis zu suspendieren. Nun gibt es ein Talent, das als eine besondere Gestalt der Urteilskraft fähig ist, selbst noch sehr geringgradige Übereinstimmungen zwischen Einbildungskraft und Verstand im Modus von ebenso geringgradigen Empfindungen wahrzunehmen und für das Erkennen fruchtbar zu machen: „Scharfsinn ist das Vermögen, auch die kleine Einstimmung oder Widerstreit beider zu bemerken, ist also Eigenschaft der Urteilskraft" 93 ; bei den beiden hier erwähnten Vermögen handelt es sich natürlich um die Einbildungskraft und um den Verstand. Auch der Scharfsinn ist eine von der Natur gegebene Disposition, die nach der von Kant in seiner Anthropologie vorgetragenen Lehre sowohl der dort als Witz (ingenium) bezeichneten reflektierenden als auch der bestimmenden Urteilskraft zugute kommt: „Das vorzüglichste Talent in beiden ist, auch die kleinsten Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten zu bemerken. Das Vermögen dazu ist Scharfsinnigkeit (acumen), und Bemerkungen dieser Art heißen Subtilitäten: welche, wenn sie doch die Erkenntnis nicht weiterbringen, leere Spitzfindigkeiten oder eitle Vcrnünftclcicn heißen" 94 . Deshalb ist der Scharfsinn weit davon entfernt, einen Gewinn an belangvoller Erkenntnis garantieren zu können. Stets läuft er Gefahr, sich in leeren und folgenlosen Quisquilien zu verlieren. Dennoch eröffnet gerade er dem Erkennenden Chancen, die ihm von keinem anderen Talent geboten werden, weil er durch ihn und nur durch ihn befähigt wird, sich auch auf das kleinste Detail seines jeweiligen Gegenstandes einzulassen und ihm gerecht zu werden. Will er diese Chancen nicht verspielen, muß er die Hilfe anderer Vermögen in Anspruch nehmen, um Wert und Rang eines jeden von ihm ermöglichten Resultats einschätzen zu können. Ein unkontrollierter, nur auf sich selbst gestellter Scharfsinn läuft Gefahr, sich am Ende nur noch selbst zu bestätigen. Auch in der Gestalt des Scharfsinns ist die Urteilskraft ein Talent, das 92
Zum Problem der Bcwußtseinsschwächc vgl. auch A 103. R 988; vgl. R 463 ff.; A 654 / B 682; zum Topos „Scharfsinnigkeit und Urteilskraft" beim jungen Kant auch I 13; ferner Baumgarten, Metaphysica §§ 572ff. 94 VII 201. 91
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sich keinem, den die Natur nicht mit ihm ausgestattet hat, anerziehen oder auf andere Weise vermitteln läßt. Dagegen ist es möglich, den Scharfsinn, der einem gegeben ist, zu fördern und zu vervollkommnen. Man kann sich darin üben, selbst dort noch feine Unterschiede wahrzunehmen, wo das durchschnittliche und ungeschulte Bewußtsein nichts mehr bemerkt. Für den Geschmack im eigentlichen Sinn, der sich in der Erfahrung des exemplarisch Schönen selbst bestätigt, ist es wenig von Belang, daß sich Reflexionslust selbst noch an der Grenze der Aufmerksamkeitsschwelle einstellen kann. Er strebt danach, Situationen aufzuspüren, von denen seine Beurteilungsfähigkeit in eminentem Maße herausgefordert wird. Wo dagegen Erkenntnis erarbeitet wird, ist es bedeutsamer, auch noch sehr geringe Grade von Reflexionslust empfinden zu können. Dann muß sich die Urteilskraft gerade dort bewähren, wo ihr nur noch unscheinbare Anregungen geboten werden. Weil der mit Scharfsinn Begabte auch noch Unterschiede wahrnimmt, die unterhalb der Aufmerksamkcitsschwelle des alltäglichen Bewußtseins liegen und deswegen sonst zumeist verdrängt werden, ist er imstande, solche verborgenen Stellen zu orten, von denen er sich versprechen kann, an ihnen mit seiner Suche nach Erkenntnis fündig zu werden. Ihn zeichnet eine besondere Sensibilität aus, die sich im Auffinden derartiger Gelegenheiten bewährt. Schönes in der Natur oder in der Kunst präsentiert sich dem urteilenden Betrachter auf unmittelbare Weise, wie es von sich aus in Erscheinung tritt. Nach Erkenntnis muß jedoch in aller Regel gezielt gesucht werden. Dazu bedarf es einer mit dem Scharfsinn eng verwandten, von Kant als Sagazität, als Nachforschungsgabe bezeichneten Fähigkeit, eines Talents, „Bescheid zu wissen, wie man gut suchen soll: eine Naturgabc vorläufig zu urteilen, wo die Wahrheit wohl möchte zu finden sein; den Dingen auf die Spur zu kommen und die kleinsten Anlässe der Verwandtschaft zu benutzen, um das Gesuchte zu entdecken oder zu erfinden" 9 \ Die mit der Annahme einer Konvergenz von Schönem und Erkennbarem verbundene, vermeintliche Paradoxie läßt sich somit auflösen, wenn man nur die These differenziert, gemäß der Schönes und Erkennbares zusammenfallen. Wenn das Lustgefühl, in dem sich die reflektierende Urteilskraft in der Empfindung bewußt wird, graduierungsfähig ist, braucht man sich nicht darauf zu beschränken, von Schönem nur dort zu sprechen, wo Reflcxionslust in eminentem Maße ausgelöst wird. Schönes kann zunächst verborgen sein oder lediglich in Spuren vorliegen. Die Reflexionen des Scharfsinns können auch dann immer noch an zunächst übersehenen oder abgelegenen Stellen fündig werden, wenn von einer schwachen Empfindung eine nur partielle Zusammenstimmung der beteiligten Erkenntnisn
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vermögen signalisiert wird. Von Schönheit im landläufigen, durch die Umgangssprache gestützten Sinn kann hier gewiß kaum mehr die Rede sein. Die Analyse des Theoretikers läßt jedoch die gemeinsame Wurzel der im exemplarischen Fall eminenten, durch eine ästhetische Idee vermittelten Reflexionslust und jenen Gefühlsempfindungen erkennen, von denen die subtilen Entdeckungen des Scharfsinns begleitet werden. Das gilt nicht nur für die manchmal die Grenze der Spitzfindigkeit berührende Betätigung der Urteilskraft, die sich auf das kontingente Detail einer Sache einläßt. Es gilt selbst für Kants eigenes Unternehmen, fundamentale apriorische Strukturen der Subjektivität freizulegen. Es zeitigt bekanntlich extrem abstrakte Resultate, denen man Schönheit im landläufigen Sinn des Wortes schwerlich attestieren möchte. Trotzdem gesteht Kant selbst dem mit der Zergliederung von Begriffen befaßten analytischen Teil der Metaphysik „eine gewisse Schönheit" 6 zu. Ein ähnliches Votum findet sich in den Reflexionen zugunsten der Syllogistik: „Selbst ein Vernunftschluß enthält Schönheit; als Erkenntnis bezieht er sich aufs Objekt; als eine Modifikation des Gemüts, die empfunden wird, aufs Subjekt" 97 . Was dieses Zugeständnis für Kant bedeutet, kann man nur dann richtig einschätzen, wenn man zugleich seine Vorbehalte gegenüber der „falschen Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren" 98 in Rechnung stellt. Sie gründen in einer Aversion, die auch in den Logikvorlesungen ihre Spuren hinterlassen hat. Schon früh hatte sie Kant dazu geführt, die Schlußfiguren der Syllogistik als nutzlose Subtilitäten, sogar als „Schulfratzen" anzusehen 99 . Solche Beispiele belegen, daß sich Schönheit inmitten des gesamten Bereichs des Erkennbaren vom Scharfsinn allenthalben auch dort entdecken läßt, wo man sie zunächst nicht erwartet, wenn man nur bereit ist, ihr auch dort zu begegnen, wo sie mitsamt der ihr entsprechenden Reflexionslust nur noch in Spuren ausgeprägt ist. Es gibt nichts, was von Hause aus gänzlich unfähig wäre, ein Tätigsein der reflektierenden Urteilskraft zu veranlassen. Eine Ästhetik des Erkennens, zu der die Dritte Kritik einen Weg weist, hat Kant nicht in Angriff genommen und schon gar nicht ausgearbeitet. Der Abschnitt über die „Ästhetik des Beurteilungsvermögens" in der Ersten Einleitung zur Dritten Kritik 100 bleibt thematisch am Geschmacksurteil orientiert und berührt das Erkenntnisurteil nur beiläufig. Gewiß kann das Erkenntnisurteil nicht nur von einer Logik, sondern auch von ei-
IV 326. R621. II 45. Vgl. II 215. XX 221 ff.
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ner Ästhetik, also von einer Sinnenlehre zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht werden. Das Interesse am Erkenntnisurteil richtet sich jedoch gewöhnlich ausschließlich auf seine Logik und vernachlässigt seine Ästhetik, die zwar Fragen nach der Urteilsgenese und nach der Erfahrung des Urteilens, aber keine Begründungsfragen beantworten kann. Eine Analyse des ohnehin nicht begründungsfähigen Geschmacksurteils fällt dagegen überwiegend in die Kompetenz einer Ästhetik des Urteils. Beschäftigt sie sich mit den Bedingungen, unter denen sich dieses Urteil auf sinnliche Weise dem Urteilenden präsentiert, erarbeitet sie einen ungleich höheren Ertrag an inhaltlich relevanten Aussagen über dieses Urteil als dies einer Logik möglich wäre. Gerade die spezifischen Leistungen des Geschmacksurteils bleiben verborgen, solange man sich nur an seiner rudimentären Logik orientiert. Auch wo die Erste Kritik mit Problemen des Reflektierens befaßt ist, thematisiert sie nicht die Fragen, für deren Erörterung eine Ästhetik des Erkennens zuständig wäre. Im Bereich des durch Begriffe regulierten Erkennens richtet sich die Reflexion ebensowenig wie im Einzugsgebiet des Geschmacks unmittelbar auf die Gegenstände selbst. Sie befindet sich nur auf einem Weg, der zu Begriffen führen kann, ohne daß sie selbst schon einen Begriff bilden würde. Bei dieser Reflexion der Urteilskraft handelt es sich, wenngleich immer angeregt von gegebenen Vorstellungen, immer nur um den „Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können" 101 . Diese Bedingungen werden in der „Kritik der reinen Vernunft" bei weitem nicht in allen ihren Bezügen untersucht, schon gar nicht im Hinblick auf den Modus, in dem sie sich der empfindenden Subjektivität präsentieren. Sie sind dort nur insofern von Interesse, als sie zu Fehlerquellen werden, sobald man im Umgang mit den Techniken der Reflexion den empirischen Gebrauch bestimmter Begriffe mit ihrem transzendentalen Gebrauch verwechselt. Mit dieser Thematik befaßt sich der Anhang zur Transzendentalen Analytik, die „Amphibolie der Reflexionsbegriffe". Die subjektiven Bedingungen nicht der Begründung und der Geltung, sondern der Genese der Erkenntnis gehören hingegen nicht mehr zu den Themenbereichen, die von der Ersten Kritik bearbeitet werden. Die Reflexionslust, die sich bei der Vorbereitung einer Erkenntnis und bei der Suche nach ihr einstellen kann, vermag dieser Arbeit die Richtung zu weisen, ohne ihr indessen einen Erfolg garantieren zu können. Stellt sich dabei dieses Gefühl ein, wenn auch nur in einem geringen Grad, signalisiert es dem Erkennenden, daß er sich nicht auf einem gänzlich falschen " " A 2 6 0 / B 316
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Weg befindet. Diese Empfindung geht als Element in das ohnehin nur im Beurteilungsprozeß existente Reflexionsurteil, nicht aber in das Urteil ein, in dem ein Erkenntnisprozeß an sein Ziel kommt. Die Evidenz, mit der sie im Urteilen oder im Reflektieren erfahren wird, kann weder die Irrtumsanfälligkeit des Geschmacksurteils noch die des Erkenntnisurteils neutralisieren. Daß die auch in der Arbeit an der Erkenntnis empfindbare Rcflexionslust nicht als Kriterium für die Gültigkeit bivalenter Urteile taugt, folgt schon daraus, daß sie den Status eines Gefühls hat. Von einem Kriterium verlangt man, daß es als solches jederzeit identifizierbar ist. Dieser Forderung kann ein Gefühl mit einer jeden Irrtum ausschließenden Eindeutigkeit schon deswegen nicht genügen, weil man es nicht wie andere Empfindungen auf äußere Gegenstände in der Welt der Erscheinungen beziehen und zumindest auf diesem Umweg auch selbst objektivieren und identifizieren kann. Der Grund hierfür ist darin zu suchen, daß sich in der nach Kant den Status einer strengen Wissenschaft nicht erreichenden Psychologie „das Mannigfaltige der inneren Beobachtung nur durch bloße Gedankenteilung voneinander absondern, nicht aber abgesondert aufbehalten und beliebig wiederum verknüpfen ... läßt, und selbst die Beobachtung an sich schon den Zustand des beobachteten Gegenstandes alteriert und verstellt" 102 . „Der ächte Geschmack erleichtert das Denken" 103 ; er „macht dem Verstände Empfehlung" 104 . Solche Sätze aus Kants Reflexionen sind Keimzellen, die den Kern dessen enthalten, was auch in der Dritten Kritik zu dem einschlägigen Thema nur angedeutet, nicht aber ausgeführt wird. Doch es bleibt stets dieselbe Urteilskraft, die das eine Mal reflektierend eine durch Begriffe bestimmte Erkenntnis vorbereitet und das andere Mal, frei von Verpflichtungen im Dienste von Erkenntniszielen, in der Rolle des Geschmacks die Erfahrung des Schönen macht. In beiden Fällen wird sie vom Urteilenden sinnlich empfunden, wenngleich in unterschiedlichen Graden der Intensität. Wenn aber überall dort, wo Erkenntnis erarbeitet wird, der Erkennende zugleich auf Empfindungen angewiesen ist, die der Erfahrung des Schönen verwandt sind, dann ist Schönheit, wo immer Erkennbares entdeckt und Erkenntnis vorbereitet wird, selbst dann präsent, wenn das ihr zugeordnete Gefühl nur noch in einer Schwundstufe im Spiel ist. Diese Universalität des Schönen läßt sich auch als ein Analogon zur Universalität der Wahrheit und zur Unmöglichkeit eines totalen Irrtums deuten 105 . Gemäß dieser Lehre steht niemand gänzlich außerhalb des Einzugs102 103 104 105
IV 471. R856. R 806. Vgl. oben S. 121 ff.
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bereichs der Wahrheit, der auch nur irgendein objektives Urteil fällt, weil er sich schon mit dem faktischen Urteilen auf den Boden jener transzendentalen Wahrheit stellt, an der auch noch jedes irrige Urteil partizipiert. Auf analoge Weise läßt sich die Universalität des Schönen und seiner Erfahrung deuten, die zwar nicht im Inhalt, wohl aber in der Genese des Erkenntnisurteils virulent ist. Wo die Suche nach Erkenntnis Erfolge gezeitigt hat, ist die Reflexionslust niemals ganz ausgeblendet gewesen. Wenn es gewöhnlich nur schwächere Grade dieses Gefühls sind, die dem Erkennen zugute kommen, so liegt dies auch daran, daß im Erkenntnisprozeß mit der Option für einen bestimmten Begriff die Tendenz des Lustgefühls zur Selbsterhaltung zwangsläufig durchkreuzt wird. Daher ist es eine nur scheinbar Paradoxie, wenn gerade die eminenten, durch die Erfahrung einer ästhetischen Idee gekennzeichneten Grade der Reflexionslust das Interesse daran hintanhalten, für eine bestimmte Möglichkeit innerhalb des durch sie eröffneten Raumes der „Erkenntnis überhaupt" zu optieren. Obwohl die von Kant am Exempel des Geschmacks erarbeitete Analyse der reflektierenden Urteilskraft zugleich ein Stück aus der Vorgeschichte des Erkennens vor Augen stellt, obwohl man hoffen darf, der Wahrheit dort ein Stück weit näher gekommen zu sein, wo das Reflektieren der Urteilskraft auf lustvolle Weise erfahren wird, findet man an dieser Stelle dennoch keinen Ansatzpunkt für die Entwicklung einer ars inveniendi. Von alters her hatte man nach Regeln gesucht, deren Befolgung die Entdeckung neuer Einsichten garantieren sollte. Auch in dem Umkreis, in dem Kants Philosophie entstanden ist, wurden immer noch solche Hoffnungen genährt. So hatte sich mit der Ästhetik Baumgartens auch die Erwartung verbunden, den Geschmack für die Fundierung einer ars inveniendi nutzbar machen zu können 106 . Kants Untersuchungen präsentieren Gründe für die Annahme, daß derartige Erwartungen notwendigerweise enttäuscht werden. Die reflektierende Urteilskraft bleibt ein Vermögen, das sich nicht auf die Befolgung vorgegebener Regeln verpflichten läßt, wenn es sich immer nur selbst zur Regel und zum Gesetz nimmt. Empfindet der Urteilende ihre Tätigkeit in Gestalt eines spezifischen Lustgefühls, darf er zwar hoffen, bei seiner Suche nach Erkenntnis auf dem richtigen Weg zu sein. Dennoch läßt sich für den Einzelfall aus prinzipiellen Gründen niemals vorweg ausmachen, bei welchen Gelegenheiten sich das Spiel oder die Zusammenstimmung der Vorstellungsvermögen einstellt. Das Widerfahrnis der Reflexionslust läßt sich deshalb auch nicht instrumentalisieren und beim Verfolgen bestimmter Erkcnntnisziele wie ein Werkzeug einsetzen. Jeder Versuch muß scheitern, der darauf abzielt, sie in ein Rcgelsystem einzufügen und für die Entwicklung einer ars inveniendi fruchtbar Vgl. Bäumlcr(1923)S.168ff.
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkennens
zu machen. Obwohl sich im Rückblick immer wieder zeigt, wie fruchtbar sie für den Erwerb und für das Auffinden von Erkenntnis sein kann, läßt sich auf sie gestützt keine Heuristik im Sinne einer Findungsmethode entwickeln, die mit einer Erfolgsgarantie ausgezeichnet wäre, noch nicht einmal in Analogie zu der Weise, in der sich die Ideen der reinen Vernunft für eine Heuristik der wissenschaftlichen Erkenntnis fruchtbar machen lassen 107 . Man darf nicht erwarten, daß das Resultat einer geglückten Bemühung um Erkenntnis noch Spuren seiner ästhetischen Vorgeschichte erkennen läßt. Der Theoretiker muß diese Vorgeschichte ohnehin solange dahingestellt sein lassen, als er sich nur mit dem Inhalt und mit der Begründung der Erkenntnis befaßt. Er darf sie dagegen dort nicht vernachlässigen, wo er danach fragt, was die Erarbeitung und der Besitz von Erkenntnis für den Erkennenden bedeutet. Das ist eine Frage, die von den Erkenntnistheoretikern zumeist verdrängt wird. Ein Zufall ist dies nicht, da sich das Resultat der Arbeit am Erkennen von dem Weg, der zu ihm geführt, aber auch von dem Subjekt, das diese Arbeit geleistet hat, der Idee nach isolieren läßt. Dieses Resultat kann man sprachlich dokumentieren und in dieser Gestalt sowohl mitteilen als auch thesaurieren. Den Inhalt einer solchen Dokumentation pflegt man mit einem heute beliebten Ausdruck als Information zu bezeichnen. Zum Wesen einer Information gehört es, daß sie der Instanz gegenüber neutral bleibt, die sie erarbeitet hat oder die mit ihr umgeht. Sie stellt keine Fragen und gibt als solche auch keine Antworten. Sie ist subjektloses Wissen, vergegenständlichte, vorerst aber noch unverstandene Erkenntnis. Um sie zu verstehen, bedarf es einer Instanz, der erst von ihrer Urteilskraft gezeigt wird, „welcher Gebrauch von dem Verstände zu machen ist; er ist erforderlich, um, was man lernt oder spricht, zu verstehen und um nichts, ohne es zu verstehen, nachzusagen" . Es ist immer nur der Informationsgehalt einer Erkenntnis, der sich in propositionaler Gestalt darstellen und gegebenenfalls auch formalisieren läßt. Die ästhetische Vorgeschichte des Erkennens macht deutlich, in welcher Weise der Erkennende in den Erkenntnisprozeß auch selbst involviert ist, wenn sich die Reflexionslust, in der ihm die Tätigkeit seiner Urteilskraft bewußt wird, anders als ein Informationsinhalt noch nicht einmal fiktiv von dem empfindenden Subjekt abheben läßt. Zwar gibt es anonyme Informationen, aber keine anonymen Gefühle. Auch der Unterschied zwischen authentischem und nichtauthentischem Wissen wird sofort deutlich, wenn der bloße Informationsgehalt eines authentischen Wissens isoliert und zum Gegenstand einer Mitteilung gemacht wird, da es zwar authentiVgl. A 738 / B 766, A 771 / B 799; V 411; R 1629.
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sches Wissen, aber keine authentischen Informationen geben kann. Anders verhalten sich die Dinge in der Region der Gefühle, insofern sie sich immer nur authentisch und in eigener Person empfinden lassen. In bezug auf seine Gefühle kann man sich niemals durch jemanden vertreten lassen; Fühlen und Empfinden läßt sich nicht delegieren. So verweist zwar nicht das in Gestalt einer Information dokumentierte Resultat des Erkennens, wohl aber der zu ihm führende Weg mitsamt seinen emotionalen Komponenten auf die Unhintergehbarkeit der Instanz, die sich auf diesen Weg begeben hat und die bei dieser Gelegenheit zugleich eine Erfahrung mit sich selbst macht. Diese sich selbst nicht erkennende, wohl aber empfindende Subjektivität ist Bezugspunkt nicht nur der Beurteilungen des Geschmacks, sondern auch jener „Erkenntnis überhaupt", die erst den Raum schafft, innerhalb dessen konkrete Erkenntnisse gewonnen werden können. Auch sie gehört zu den nichtpropositionalen Komponenten der Erkenntnis, die sich nicht ohne Rest in die Gestalt einer Information transformieren lassen. Die Tatsache, daß der im Dienst des Erkennens stehende Reflexionsprozcß und das im Fall eines Erfolges mit ihm verbundene, lustbetonte Gefühl an ein Ende kommen muß, wenn das Erkennen ein faßbares Resultat zeitigen soll, macht auch ein allbekanntes Phänomen verständlich. Dem Sinn des Erkennens würde zwar nicht gerecht, wer das Ziel aus dem Auge verliert, um dessentwillen jeder Erkenntnisprozeß ins Werk gesetzt wird. Mit dieser Zielorientierung wäre es nicht gut zu vereinbaren, der nach ihrer eigenen Perpctuierung strebenden Reflexionslust freien Lauf zu lassen. Doch das Erreichen des Ziels führt gewöhnlich zu einer Ernüchterung. Wer sich auf das mühevolle Geschäft der Erkenntnis einläßt, pflegt sich in aller Regel mit dem isolierbaren Resultat seiner Tätigkeit viel weniger zu identifizieren als mit dieser Tätigkeit selbst. Der Vorrang des Strebens nach Wahrheit vor der Wahrheit selbst ist jedenfalls ein spätestens seit Lessing vielberufcner Topos. Eine befriedigende Antwort auf die Frage, was Erkenntnis für den Erkennenden bedeutet, was sie bedeuten kann und was sie bedeuten sollte, müßte zugleich auch die Antwort auf die Frage enthalten, was unter der Überfülle alles Wißbaren auch wissenswert ist. Diese Antwort wird sich nur auf der Grundlage jener „erweiterten Urteilskraft" geben lassen, die der Mensch braucht, um zu der „Erkenntnis des schicklichen Gebrauchs der Wissenschaft" 109 zu gelangen. Es gibt kein Wissen, das von sich aus garantieren könnte, daß der Wissende stets auf „schickliche" Weise mit ihm 109 R 2046; vgl. dazu die Ausführungen des jungen Kant über den „richtigen Geschmack in der Naturwissenschaft, welcher bald die freien Ausschweifungen einer Neuigkeitsbegierde von den sicheren und behutsamen Urteilen, welche das Zeugnis der Erfahrung und der vernünftigen Glaubwürdigkeit auf ihrer Seite haben, zu unterscheiden weiß" (I 471).
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VII. Die Urteilskraft im Vorfeld des Erkennens
umgeht. Wer um Erkenntnis bemüht ist, darf daher nicht vergessen, daß ein Wissen, das die letzten Zwecke des Menschen außer Acht läßt, allzu leicht einmündet in eine „Wissenschaft, die ein Werkzeug der Eitelkeit ist" 110 . Auf jedes derartige Wissen paßt eine sarkastische Bemerkung in Kants Logikvorlesungen: „Unser Wissen ist nichts, wenn andere es nicht wissen, daß wir es wissen" 111 . Auch hier findet die Philosophie eine ihrer Aufgaben: „Philosophie zeigt den wenigen Nutzen von vielen Kenntnissen. Das Wissen läßt eine große Leere" 112 . Deswegen gehört es zu den vornehmsten Aufgaben des Philosophen, darauf zu sehen, „wozu am Ende alle Gelehrsamkeit nütze" 11 . Im Rahmen einer oft zitierten Reflexion notiert Kant schon lange vor der Konzeption der Dritten Kritik: „Die schönen Dinge zeigen an, daß der Mensch in die Welt passe" 114 . Isoliert betrachtet könnte dieser Satz dazu verführen, ihn für einen Ästhetizismus im landläufigen Sinne des Wortes in Anspruch zu nehmen. Er unterstellt jedoch nicht, die Welt sei voll von in eminentem Grade schönen Dingen. Er fordert den Menschen auch nicht auf, die Welt nach dem Muster schöner Dinge auszugestalten und sich auf diese Weise selbst zu bilden. Er spricht den schönen Dingen in der Welt vielmehr eine indikatorische Funktion zu. Seinen Sinn verfehlt, wer übersieht, daß schöne Dinge nur in der Welt des Menschen erscheinen können, also in einer Welt, in der Wesen leben, die sowohl mit sinnlichen als auch mit intellektuellen Vorstellungsvermögen ausgestattet sind 115 . Es gibt keine Dinge, die bereits an und für sich schön wären. Schönes gibt es nur für Wesen, deren Ausstattung es ihnen erlaubt, sich auf Veranlassung durch dazu geeignete und zweckmäßige Dinge hin in eine Situation versetzen zu lassen, in der Sinnlichkeit und Verstand in ein harmonisches Spiel eintreten, zumindest zu einer Zusammenstimmung gelangen, in jedem Fall aber einen Zustand erzeugen, der sich unmittelbar empfinden läßt. Ein ausschließlich mit sinnlichen oder ein ausschließlich mit intellektualen Vermögen ausgestattetes Wesen könnte Schönes nicht erfahren. Wenn der Mensch in die Welt paßt, in der er lebt, dann deswegen, weil in ihr ihm und nur ihm Dinge begegnen können, die zu den einschlägigen Erfahrungen Anlaß geben und die ihm zugleich vor Augen stellen, daß er in dieser Welt auf seinesgleichen bezogen ist. Dies sind Erfahrungen, die nicht nur durch im eminenten Sinn des Wor" " R 16.5; vgl. V 433. " ' XXIV46. 112 XXIX (1) 13; vgl. dazu Kants Ausführungen über den Weltbegriff der Philosophie A 8 3 8 / B 866 ff.; IX 23 ff. " 3 XXIV813. 114 R 1820a. lu Vgl. V 210, 233.
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tes schöne Dinge vermittelt werden, schon gar nicht nur durch Dinge, die sich als Darstellungen ästhetischer Ideen verstehen lassen. Denn hier dürfen auch die Erfahrungen nicht vergessen werden, die mit den unabsehbar vielen Dingen verbunden sind, die nur noch den Scharfsinn beschäftigen, wenn sie ihn zu Empfindungen anregen, die gewiß nicht in ihrer Intensität, wohl aber in ihrer formalen Struktur der Erfahrung des Schönen vergleichbar sind. Solche Empfindungen sind Wegmarken, an denen sich der Gang des Erkennens orientieren kann. Daß der Mensch in die Welt paßt, zeigt sich daher auch an seiner Chance, in seinen Versuchen, die Dinge in der Welt der Erscheinungen zu erkennen, trotz mancher Fehlschläge, die niemals ausbleiben, nicht ständig enttäuscht zu werden. Er darf darauf hoffen, daß seine Bemühungen immer wieder Erfolge zeitigen werden, auch wenn sie ihm von niemandem garantiert werden können" 6 .
1,6
Vgl. V 185, 193.
Abschluß
Das Geschmacksurteil, das man in Anlehnung an seine landläufige sprachliche Dokumentation zunächst als ein Werturteil über einen Gegenstand der sinnenfälligen Welt anzusehen pflegt, hat sich in der Analyse als ein wahrheitsfähiges Gebilde mit dem Anspruch auf Geltung für jedermann gezeigt, das nur im Akt der Beurteilung, nämlich in einem Reflexionsvorgang existent ist, der die Gestalt eines sich selbst genügenden, freien Spiels der Erkenntnisvermögen hat, der kein isolierbares Resultat hervorbringt, andererseits aber darauf angewiesen ist, von einem dazu geeigneten, für den Urteilenden unverfügbaren Gegenstand oder von der Vorstellung von ihm ausgelöst zu werden. Der Urteilende selbst empfindet diesen Vorgang im Modus eines spezifischen Lustgefühls. Anders als im Erkenntnisurteil kann dieser Gegenstand im Geschmacksurteil inhaltlich nicht weiter bestimmt werden. Er wird gleich allem, was dieses Urteil zu verstehen gibt, durch keine Theorie, auch nicht durch eine Theorie des Geschmacks, sondern in seiner Funktion immer nur durch den Geschmack selbst erschlossen. In bezug auf jenen in einer lustbetont erlebten Reflexion, in einem freien Spiel der Vorstellungsvermögen erfahrenen Kern des Geschmacksurteils ist der dieses Urteil veranlassende Gegenstand letztlich immer nur von exemplarischer Bedeutung. Deswegen läßt sich auf begründungsfähige Weise von ihm nur das aussagen, was die Funktion anbetrifft, die ihm im Aufbau dieses Urteils zukommt. Unter diesen Umständen ist es evident, daß sich das Geschmacksurteil von Urteilen anderer Art, beispielsweise vom Erkenntnisurteil, nicht nur durch seinen Inhalt unterscheidet, sondern daß es auch in einem anderen Sinn ein Urteil ist als sie. Das zeigt sich schon dar in, daß es keinen Begriff enthalt, und daß sich auch die Begriffe, mit deren Hilfe man Urteile zu analysieren pflegt, wie beispielsweise der Begriff des Prädikats, nur noch in einem modifizierten Sinn anwenden lassen, wenn man sie auf ein Urteil bezieht, das nicht Resultat eines Beurteilungsprozesses ist, sondern nur in Gestalt eines solchen Prozesses existiert. Die Untersuchung des Gcschmacksurteils war für Kant kein Selbstzweck. Auch zielt die „Kritik der ästhetischen Urteilskraft" nicht darauf ab, eine Philosophie der Kunst zu fundieren. Allenfalls beiläufig und anhangsweise präsentiert sie Materialien, die sich für einen solchen Zweck fruchtbar machen lassen. Denn das Geschmacksurteil dient Kant nur als
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Abschluß
Excmpcl, an dem sich sonst zumeist verborgene Strukturen der Subjektivität unverstellt ablesen lassen. Es sind Strukturen, von denen sich zeigen läßt, daß sie auch die Genese des Erkenntnisurteils, wenngleich nicht seinen Inhalt bestimmen. Nun ist die Urteilskraft bereits als solche fähig, allein durch ihre reflektierende Tätigkeit auf dem Weg über eine Emotion dem Urteilenden etwas zu erschließen, was sich auf andere Weise nicht vermitteln läßt, schon gar nicht durch die Arbeit des Begriffs. In jeder Beurteilung des Geschmacks, aber auch in jedem anderen Prozeß, in dem oder durch den ein bivalentes Urteil zustande kommt, wird dem Urteilenden auf ungegenständliche Weise, nämlich im Modus eines Gefühls, nicht nur ein Stück der Welt erschlossen, in der er sich vorfindet und lebt, sondern er wird sich auch seiner selbst in einer Weise bewußt, in der er sich auf seinesgleichen bezogen weiß. Hier handelt es sich um sinnliche Erfahrungen, wie sie sich auf keinem anderen Weg vermitteln lassen, auch nicht durch die Analysen des Theoretikers, der sich diese Dinge zu seinem Gegenstand macht und sie damit objektiviert. Gerade deswegen ist es wichtig, bei der Untersuchung von Kants Texten niemals den Unterschied aus dem Auge zu verlieren, der zwischen der Position des analysierenden, begrifflich argumentierenden Theoretikers und dem Standpunkt des Urteilenden besteht, in dessen Urteil zwar ein Gegenstand involviert sein mag, der sich aber zu ihm nicht als zu einem Gegenstand verhält. Mit dem Projekt der kritischen Philosophie hatte es Kant unternommen, auf dem Weg über eine Untersuchung der Ausstattung, über die der Mensch unabhängig von der Erfahrung verfügt, die Grenzen zu vermessen, die der Reichweite seines objektiven Erkennens ein für allemal gezogen sind. Auch die Dritte Kritik bewegt sich mit ihren Analysen innerhalb dieser Grenzen, wenn sie mittels der Untersuchung des Geschmacksurtcils „eine Eigenschaft unseres Erkenntnisvermögens aufdeckt, welche ohne diese Zergliederung unbekannt geblieben wäre" 1 . Die Grenzen, um deren Vermessung sich Kant bemüht, sind indessen von besonderer Art. Zwar bewegen sich auch die Untersuchungen der Dritten Kritik immer noch im Einzugsbereich der Frage, wie weit die Sphäre reicht, in der sich der Verstand legitimerweise betätigen kann, wenn er sich seiner ureigensten Mittel, der Begriffe bedient. Kant will hier jedoch plausibel machen, warum das, was der Mensch im Zeichen des Schönen erfährt, außerhalb der Reichweite des Begriffs liegt und mit keinen Mitteln in sie einbezogen werden kann, auch nicht durch eine Theorie, die sich mit diesen Dingen als mit ihren Gegenständen beschäftigt. Gleichwohl bleibt diese dem begrifflichen Erkennen unzugängliche Region der empfindenden und urteilenden Subjektivität nicht verschlossen. Gerade eine Emotion, in diesem Fall ein 1
V213.
Abschluß
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spezifisches, apriorisch fundiertes Lustgefühl, kann insoweit unvertretbare, erschließende Funktionen übernehmen. Hier erweist sich, daß die Grenzen des begrifflich fundierten, gegenständlichen Erkennens nicht notwendig zugleich auch Grenzen sind, jenseits derer sogleich ein für den Menschen gänzlich unzugängliches Gebiet beginnen würde. Die moderne philosophische Reflexion geht ihre Probleme gerne in der Weise an, daß sie zuerst nach den Spuren sucht, die ihr jeweiliger Gegenstand in der Welt der Propositionen und der sprachlichen Aussagen hinterlassen hat. Hier haben die Logik und die Linguistik dem Analytiker höchst leistungsfähige Werkzeuge für seine Arbeit an die Hand gegeben. Zunächst mochte es so scheinen, als ließe sich auf dieser Basis eine Universalmethode entwickeln, deren Zugriff sich kein Gegenstand entziehen kann, weil es schlechterdings nichts gibt, was sich nicht zum Gegenstand oder zum Inhalt einer Proposition machen ließe. Doch man mußte einsehen, daß auch dem Einzugsbereich der Propositionen Grenzen gesetzt sind. Nicht alle Dinge lassen sich dadurch vollständig erschließen, daß man sie zu Gegenständen treffender Aussagen macht. Allenthalben gibt es Inhalte, die zwar von Aussagen intendiert, aber trotzdem dadurch allein nicht eigentlich mitgeteilt werden können. Wer freilich nur nach Inhalten sucht, von denen er meint, daß sie schlechterdings keine Gegenstände von Propositionen werden können, muß sich darauf gefaßt machen, enttäuscht zu werden. Denn hier sind die eigentlichen Grenzen nicht in den Gegenständen, sondern in der Methode der Propositionalisicrung zu suchen. Sie sind dadurch vorgezeichnet, daß in eine Proposition niemals alles das ohne Rest eingeht und daß von ihr niemals alles das vermittelt wird, was von ihrem Gegenstand auch noch auf andere Art erschlossen werden kann, wenn ihm nur die Gelegenheit geboten wird, sich in einem Raum außerhalb des Zauberkreises der Propositionen in geeigneter Weise zu präsentieren. Das lehren bereits die elementarsten sinnlichen Erfahrungen. Zwar läßt sich jede Wahrnehmung zum Gegenstand von Aussagen machen. Aber stets bleibt eine unaufhebbare Differenz bestehen zwischen dem, was die wahrnehmende Instanz von ihr auf unmittelbare, ungegcnständhche Weise erfährt, und dem, was eine Aussage vermittelt, die sie zu ihrem Gegenstand macht. Das belegen auch die von Kant in der Dritten Kritik vorgetragenen Überlegungen. Die Reflexionslust, in unverstellter Gestalt in den Beurteilungen des Geschmacks erfahrbar, kann natürlich zum Gegenstand von begründungsfähigen Aussagen gemacht werden, beispielsweise in einer transzendentalphilosophischen Untersuchung. Verhielten sich die Dinge anders, wäre ein Unternehmen von der Art der „Kritik der Urteilskraft" von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Doch es gibt keine Theorie, die ihren Adressaten die Rcflexionslust, die von ihr behandelt und untersucht wird, im Modus des Empfindens vermitteln könnte, geschwei-
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ge denn das, was dem Reflektierenden durch dieses Gefühl erschlossen wird. Streng genommen gibt es noch nicht einmal eine Proposition, die bei ihrem Adressaten nicht eine vorgängige Vertrautheit mit der Sache voraussetzen müßte, von der sie handelt und deren Sinn sich in ihrem puren Informationsgehalt erschöpfen würde. Jede Proposition bleibt überdies stets auf eine Instanz angewiesen, die mit ihr umzugehen und von ihr Gebrauch zu machen versteht. Wer mit Propositionen umgeht, bleibt stets von Voraussetzungen abhängig, über die er nicht verfügen kann, auch nicht dadurch, daß er sie zum Gegenstand seines theoretischen Interesses macht. Modernen philosophischen Erörterungen liegt nicht selten die Hoffnung zugrunde, alles Wissen in Information transformieren zu können, wie immer man den Informationsbegriff auch bestimmen und eingrenzen mag. Die Motive, von denen diese Hoffnung genährt wird, sind durchschaubar, zumal da Informationen Materialien sind, für deren Verarbeitung man auf vielfältige, höchst leistungsfähige Methoden zurückgreifen kann. Diese Techniken der Informationsverarbeitung werden auch dadurch ermöglicht, daß sich Informationen mit Hilfe von Abstraktionsprozessen verdinglichen und von den Instanzen distanzieren lassen, die gewöhnlich mit ihnen umgehen. Auf diese Weise wird Wissen in Gestalt von Informationen verfügbar und sogar handelbar. Wie sich mittlerweile gezeigt hat, lassen sie sich sogar quantifizieren und damit auch messen. Möglich ist dies deswegen, weil Information stets vergegenständlichtes, letztlich subjektloses Wissen ist. So konnten unter dem Namen einer künstlichen Intelligenz Techniken entwickelt werden, die auf den Umgang mit Informationen zugeschnitten sind und die, freilich immer nur innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, ungleich effizienter und leistungsfähiger arbeiten können als jede personale Instanz. Leicht wird dabei aber vergessen, daß auch Informationen immer Gebilde bleiben, die darauf warten, verstanden zu werden. Niemand wird die Chancen leichtfertig verspielen wollen, die dadurch eröffnet worden sind, daß man gelernt hat, Wissensinhalte zu vergegenständlichen, zu speichern, und sie damit zumindest virtuell von der Bindung an eine wissende Instanz zu befreien. Die Karriere der modernen Wissenschaften wäre ohne diese Möglichkeiten schwerlich möglich geworden. Gerade diese Chancen können die Aufmerksamkeit zugleich auf solche Gestalten des Wissens lenken, die noch nicht einmal eine virtuelle Isolierung von einer wissenden Instanz zulassen, die überdies auch selbst nicht die Gestalt von Informationen haben und die auch dann nicht ohne Rest in Informationen eingehen, wenn sie deren Gegenstand bilden. Wahrnehmungen und Empfindungen, Affekte und Gefühle, Haltungen und Dispositionen erschließen, jeweils auf ihre Art, der hinter ihnen stehenden Instanz auf ungegenständliche Weise ein Stück Welt. Doch gerade sie lassen sich nicht von dieser Instanz distanzie-
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ren, mit der sie verbunden sind oder zu deren Bestimmungen sie gehören. Von Informationen läßt sich dagegen sinnvoll auch dann noch sprechen, wenn man jede Beziehung auf eine informierte oder eine zu informierende Instanz ausklammert. Wahrnehmungen und Emotionen eröffnen keine derartige Möglichkeit. Mit ihnen hat sich die empfindende Instanz immer schon identifiziert. Sie hat die Chance, sich auf dem Weg über sie etwas zu erschließen, was gerade nicht in eine Information eingeht, die sich dergleichen zu ihrem Gegenstand macht. Dazu gehören auch Dinge, die noch im Hintergrund des Wissens stehen, das lediglich Informationen verwaltet, weil sowohl seine Genese als auch seine Mitteilung auf sie angewiesen sind. Gerade die „Kritik der Urteilskraft" ist geeignet, die Aufmerksamkeit auf die vielgestaltige Welt dessen zu richten, was sich an unserem Wissen und Erkennen, in ihm und in seinem Umkreis nicht auf Informationen reduzieren läßt. Die Entdeckung eines emotionalen Apriori hat es Kant ermöglicht, die Spuren dieser Verflechtungen zu verfolgen und für ihre Deutung eine tragfähige Fundierung bereitzustellen. Dies sind nicht Dinge, die lediglich im Blick auf das zunächst abgelegen erscheinende Reservat der Geschmacksurteile bedeutsam sind. Handelte es sich nur darum, könnte man die apriorische Fundierung der mit diesem Urteil verbundenen Reflexionslust als eine Kuriosität registrieren und damit abtun. In Wirklichkeit wird an Hand dieses Urteilstypus in paradigmatischer Weise etwas von dem aufgezeigt, was zumindest untergründig überall dort Wirkungen zeitigt, wo man bivalente Urteile fällt oder zumindest vorbereitet. Doch die theoretische Analyse der Beurteilungen des Geschmacks mitsamt der in sie integrierten Rcflexionslust kann den Einzugsbereich begründungsfähigen Urtcilens, der dem Menschen zugänglich ist, nicht erweitern. Auch ändert diese Analyse nichts daran, daß die sich allein im Geschmack unverstellt präsentierende reflektierende Urteilskraft das Beispiel eines nach wie vor „sonderbaren" 2 und „uns selbst seinen Quellen nach verborgenen Vermögens" 1 bleibt. Was aber für den Menschen die Fähigkeit des Urteilens überhaupt bedeutet, für das Verständnis seiner selbsr ebenso wie für die Kommunikation mit seinesgleichen, für jenen Menschen, von dem Kant bereits wußte, daß „er selbst, soviel an ihm ist, an der Zerstörung seiner eigenen Gattung arbeitet" 4 - sich darüber klar zu werden, liefert seine paradigmatische Analyse des Geschmacksurteils nicht den schlechtesten Wegweiser.
2
V281. ' V341. 4 V430.
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Stellenregister1 Bandl
13 227 471
372 121 379
Band II
45 ff. .59 f. 60 180 f. 215 278 f. 284 f. 291 f. 311
198,374 150 15,126,342 216 374 83 101 101 38
Band III / IV AXVI B VII ff. B VIII f. BIX BXIf. BXIII BXVII B XXXVII BXL BXLIV B 1 B3f. B4 B5
259 29, 178 36,69,188 198 179 179 94 239 90 240 232 253, 289 194 289
A5/B9 A6/B10f. A7/B11 B 14 ff. B 19 B21f. A l l /B25ff. B25 A12 A 14/B28 A 1 5 / B 29 ff. A21 A21 / B 3 5 B35 B36 B37ff. A 24 / B 39 A26/B40ff. A28 A28/B44 B46ff. A31 / B 4 7 A 32 / B 47 A 32 / B 48 ff. A 34 / B 50 A 43 / B 60 f. A 47 / B 64 B66 B67ff. A50/B74ff. A51 / B 7 5 A 5 2 / B 76 ff.
117 106 107 29,114 105 120,136 117 134 114 120, 308 52,148 38,40,183 39,42, 70 40 41 201 201 258 89 54, 100 201 201 200 258 89 63,109,118 119 126 193,298 52,139, 295, 300 63, 298 36,38
1 Kants Texte werden auf Grund der Akademie-Ausgabe mit Band und Seite nachgewiesen. Ausnahmen: Auf die „Kritik der reinen Vernunft" wird in der üblichen Weise nach der ersten und der zweiten Auflage (A bzw. B), auf die Reflexionen nach der Numerierung der Akademie-Ausgabe mit vorgestelltem „R" verwiesen.
396
A53/B77f. A 55 / B 79 A 56 / B 80 A 57 / B 82 A58/B82f. A59/B84f. A 62 / B 87 A 63 / B 87 A 68 / B 93
Stellenrcgister
69 96
A 135 / B 174 f. A 137 / B 176 A 138/B 177 133, 135 151 A 139 /B 178 108, 150, 306 A 143 / B 182 150 A 145 / B 184 A 146/B 185 123 124 A 151 / B 190 94,138,147,226, A 154/B 193 A 162/B 202 ff. 295, 301, 346 A 166/B 207 ff. A 69 / B 94 94,139,301 A71/B96 200 A166 110 A 74 / B 99 B207 A75/B100 274 A 168/B 210 A84/B116 258 A 172/B 214 A86/B118 232 A 183/B 226 A87/B119 A 240/B 299 ff. 258 A 92/B 125 f. 53 A241 A244f. B128 351 A98 224 A245 A99 89 A 260/B 316 A103 372 A 293 / B 350 A106 138 A 294 / B 350 A120 224 A 296 / B 352 B129f. 187, 196, 213,302 A 312/B 368 B 130 112 A 320 / B 376 90 A 320 / B 377 B 131 f. B132 128 A 343/B 401 B136 201 A 346 / B 404 B 137 94 A 348 / B 406 B 139 294 A361 A367 B140 82,93,96,101 B141 93, 95, 198 B414f. 55, 94 B 422 ff. B142 B 1.51 224 B423 B 152 ff. 298 A 452 / B 480 A511 /B539 B 157 f. 193 B167 134 A551 /B579 B169 132 A 558/B 586 A 130/B 169 64, 130 A 569 / B 597 A 131/B 169 131, 301 A 572 / B 600 A 573 /B 601 A 132/B 171 f. 130, 132f., 138, 149 151, 153, 155 f., 159, A591/B619 A 133/B 172 351, 363 A 599 / B 627 A 134/B 172 157 A 615/B 643 A 642/B 670 ff. A 134/B 173 f. 157, 168, 171 A 134/B 174 158 A 643/B 671
145 145 146 89 220, 367
221 123 f.
106 104 119 221, 367
367 367 368 f.
99 152 108,291
109 123 109 314,348,375
64 303 136 84 52, 89, 140
299 308 128 90,128
81 89 368 128 128 232 119 272 119 308 111 111 232 90 117 135, 149
135
Stellenregistcr A 6 4 6 / B 674 ff. A 6 4 8 / B 676 ff. A 649 / B 676 A 654 / B 682 A 656 / B 684 A 6 8 4 / B 712 A 707 / B 735 A 722 / B 750 A 7 2 6 / B 754 ff. A 727 / B 755 ff. A 7 2 9 / B 757 f. A 7 3 1 / B 759 A 7 3 3 / B 761 A 736 / B 765 A 737 / B 765 A 7 3 8 / B 766 A 762 / B 790 A 771 / B 799 A 7 8 3 / B 811 f. A 796 / B 824 A 822 / B 850 f. A 835 / B 863 A 837 / B 865 A 8 3 8 / B 866 ff. A841 /B869 A 842 / B 870
136, 142
399
148 148 372 138 124 41 138
400 ff.
93,109 108,117 109,175 108,110, 117,127
119 233 125 378 114 378 155 132 292 52, 148
119 380 28 120, 136
Band IV 261 f.
239
266 270 273
104,106
274 ff.
29,120 98, 105 93,97, 100,279 55 f., 94,98 f. 101, 125, 187,255,302 56 f., 98,100, 102, 125, 192, 209 f. 89,125,277, 294 88,196,213, 277
276 297 ff. 298 ff.
299 300 304 305 309 334 389 393
112 119
89 221 128 161,163f.
160
402 407 408 420 421 424 437 440 442 444 447 f.
470 471 475
397 296 297 281 272 171,338 105,281 281 161 281 115,337 17 112,281 337 36 35, 215, 368, 376 89,92,110,124
BandA 6 9 20 f. 21 f. 25 31 ff. 58 67 ff. 73 ff. 76
77 83 90 Ulf. 112 117 122 ff.
160 167 ff. 169 f.
170 174 177 f. 179 f.
193 110 337 305 216 337 296 163 297 297 297 296 39,48 83 48 48 115 226, 322, 329, 334 55, 346 16, 61 f., 67, 152f., 182f.,241, 335 f., 345 f., 363 30, 32, 42, 239 ff., 269, 292, 335, 341 142 148,341 130,133, 142 ff., 264,312,341
398 180 181 182 ff. 183 f. 184 ff.
Stellenregister
152,341,347
185
130, 264 237, 366 340, 381
186 ff.
365
187
35, 363, 366 45, 50,196, 235, 267 147,203,225, 235 f., 267, 316, 323, 367 235, 237, 280, 321, 324, 326 92,105, 209, 212, 237, 266, 276, 279, 290, 317, 321, 363 45,138,203,269, 290, 318 207,226,381 28,33,238,318, 350, 355, 364
188 f. 189 ff.
190 191
192 193 194
227,229, 243, 248 f., 251,256,274,282,
235 149
316 216 f.
43,92,129,195, 207,229,244,251, 270 f., 302, 304 f.,
217 ff.
224,231,237,261, 277 f., 286 f., 306 f., 309, 316, 320, 322, 325 f., 330 f., 333, 351, 353 f. 226, 322, 331 f., 354,
320
218 f.
370 219 ff.
226, 234, 283, 332 f.,
363 220 221 f.
339, 365 105,222,235, 254,
276 222 223 ff.
215, 322, 203, 245,
223, 231, 235, 326, 353, 365 224 f., 229, 238, 289 f.
196 ff.
148
197 198
310,328,333
224
289
341
226 ff.
74, 235, 267, 289
203 f.
49 f., 54, 100,102, 186,189,193, 205 f., 212 f., 220, 302,320 61,102,129,206, 216, 223, 225, 322,
227 228
204
350 205 ff.
210 211 ff.
212 213ff. 214 ff. 215 f.
230 231 232
92,192,224,308,
320 206 f. 207 f. 209 f.
229 f.
192,211 195,223,308,316 212, 217, 223 f. 217, 233, 380 100, 219, 226 f., 229, 241,243, 251 f., 256 f. 193, 217, 243, 248 f., 251,286 62,121,185,195, 282 f., 345, 384 196, 251, 253 26, 97, 103,189, 197, 201 f., 206,222,
233 236 237 ff.
43 227,269, 328, 333 229, 289, 294 327, 365 74,219,286 177, 202 f., 248, 274,
338 380 235 f., 267, 269, 273 245, 251 f., 261, 265, 273 f., 284, 290, 319,
360 238 f.
239 f.
240 f.
223, 272 f., 284, 286 f., 302, 326, 330, 353, 369 62, 227, 243,245, 252, 261, 265, 272, 284, 286 231,284,286
241
235
242 f.
218,244,327 219,237
243
399
Stellenregister
244 f. 245 f.
246 247 248 f.
249 250 252 254
97,203,231,268, 313,339 235, 268, 369 268 f.
259f.,262,264,289,
317
291
235, 369 227, 235, 323, 370 226, 268
292 f.
245, 265 f., 286 f., 293, 367 195, 267 f., 286, 318, 323, 330,349, 362 f.,
289 226 147,226,268,351
257 258
268 222 329
265 ff.
269 f.
270 271 274 f.
275 277 278 f. 279 ff.
280 281 f.
282 283 f.
284 285 f.
287 ff.
288 ff.
289 f.
317
365 293 ff.
243, 245 f., 267, 284,
292 295 296
149,251,272 243, 278, 286 269, 276, 284 f., 287, 317,323,326,328,
261
297
285 f.
27,43 235, 289
298 ff.
329
300 301 302 304 306 307
252,315,329 235, 316
294 f.
105, 242, 252,269 52,316
226 226 286 89, 216, 334, 371 43,105, 245 219, 225,252,258 f., 269, 289 226, 258 f., 268, 280 229,257,307,317, 323, 337, 387 236, 248,260, 337 f. 158, 242, 360 254, 274, 291 197,233,251,290,
340 286 f.
332 290 f.
256 f.
266 267 268
307f.,310,316,323,
32,43,152,183, 185., 203,219,229, 235, 347, 360 147,231,238,258, 261, 302, 321, 326 f., 331, 333, 338 f. 97, 105,113,133, 152,206f.,211,214, 262, 275 ff., 280, 290,313,331,335,
354
324 35, 325, 359
261 356
308 f.
173,338
309 310
361
311 ff.
312 313f.
314 315 316f.
173,357 317, 328, 357, 359 f. 218 f. 288, 339, 357, 359 272, 288, 358, 361 86, 358 339, 355, 358 231, 288, 339, 358
317 318 319 320 323 324
244,316
325 f.
225
361 147, 127 286, 328, 359
328
347
326 327 328 329 330
113,203,206,213, 235, 267, 276, 278,
331 f.
339
337
43,97
328, 361
361 328 147, 261, 328, 361 317,361
400 338 339 f. 340 f. 341 f. 342 f. 344 345 347 350 f. 351 353 f. 354 f. 355 f. 360 364 366 370 ff. 376 ff. 379 384 385 f. 386 387 389 f. 398 401 ff. 402 404 ff. 405 409 411 414 421 430 f. 433 456 f. 465 467
Stellenregister
274 275 f., 307, 351 74,231,253 226, 335, 357, 387 109, 288 153,323 64, 148, 303 229, 235, 322 226, 235, 260, 316, 323,326, 336 f. 130 226, 260, 318, 336 f. 34,43, 326 43,155,286,338 143, 237 235, 237 261, 267, 326 237, 339 149 143 179 130, 336 152 226 340 237 52 261 237, 321 313 237 83, 378 237 237 216, 387 286 142 292 292
Band VI
21 23 f.
24 32 46
152 58 58 161 163
186 203 205 211 f. 212 378 388 389 390 392 399 400 401 402 f. 406 411 423 f. 426 428 431 447 449 463
166 f. 170 170 53 ff., 223,231 100, 214 f., 223 297 296 161,281 161 272 57 f., 128,329 57 127,152,167 297 39 152, 164f. 165 165 165 166 272 296 123
Band VII
27 129
123 48
140 f. 143 ff.
63, 298 64,215 64, 303
146 155 161 167 168 177 191 192 193
81 298 90 224 148 108 84 84
196 f. 197 ff.
64,131
199 201 223 226
152 f., 156 142,372
230 ff.
240
156
373 374 192 63
401
Stellenregister
241 244
219, 269,284
Band VIII
152 183 f.
194 246 268 275 284 290
40 289 86 114 127 152 272 216
Band IX
15 23 ff. 46 f. 53 f.
32 380 157 64,135
54 64
121 116
93 ff.
108, 175 89 200
101 102 105 f.
108 111 113
274 140 140 100, 191
140 ff. 141 f. 142 f.
1081
461 476
158 378
108 175
BandX 116 ff. 123 ff. 369 ff. 466 f. 471 f. 487 ff.
Band X I
288
35 35 132 26 26 26,183,234,346
129 f. 140 f. 142 ff. 300 ff. 333 ff.
31 31 31,33 213 89
Band XV R 165 R 196 R202 R212 R268 R269 R271 R288 R398 R430 R435 R436
380 170 299 299 125 126 298 126 84
R 463 ff. R512 R 550
372 156
R610 R619 R621 R626 R670 R672 R686 R687 R695 R711 R736 R737 R745 R748 R 755 R769 R778 R806 R830 R856 R924 R958
216
169 f.
157 114, 170
206, 223 90,126 374 43, 77 35,38
371 283,318 153, 253
299 90,126, 370 38,217 160 317 324 125, 286 283
23 63, 376
283 376 173 358
Stellenregister
402 R988 R993 R1482 R1488 R1512
317,351,372 187 298 f. 215,317f. 338
Band XVI R1578 R 1580 ff. R1585 R 1588 R1629 R1696 R1753 R1756 R1789 R1820a R1892 R1922 R 2037 ff. R2046 R2127 R2142 R2160 R2259 R2844 R3128 R3140 R3411 R3444
47 157,169 35,47 35 378 116 35,38 218 318 380 35 218 f. 157 379 91 89 53 125 126 140 106 83 84
Band XVII R3571 R3928 R3930 R3948 R4148 R4284 R4445 R4809
160 107 233 120 120 116 125 86
Band XVIII R4857 R 4950
126 120
R4963 R5063 R5107 R 5237 R5238 R5453 R6209
155 43 84 153 159 144 111
Band X X 32 35 202 207 208 210 211 214f. 217 f. 219 220 221 222 f. 223 f. 224 225 226 ff. 228 f. 229 230 231 232 233 237 241 242 244 246 247 248 f. 249 250
124 124 147 35 341 f. 212 310, 336 f. 176 173,237,314 149, 176 235, 313, 316, 326 44,64,310,333,374 48,64 f., 89,103, 302 65,103, 147, 303, 323, 334 100, 113, 147,207, 212 144, 340 f. 74,109 235 207 235 74, 154, 265 215 147,235 289 33 33 345, 347 341 27,45,66,188 103, 279, 294 27,44, 64, 236, 279, 323 44, 268 f.
Stellenregister
310
120
323 375 f.
116 107
Band X X I V
Band XXVII 513 534 f.
165 170
535
153
Band XXVIII 62 235 370
99 99 165
369 51 99 73
447 501
165 121
685 722 783 f. 809 813
85 153 105 73 380
13 23 29 80
380 121 121 116
825 917
124 110 85
758 804 889
85 116 168
43 46 56
73,117 380 73
364 438 468 517
1001
Band XXIX
Bayarlsoh» StaatsbibliotheK München