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German Pages 92 [96] Year 1915
URSPRUNG UND SACHLICHES VERHÄLTNIS VON LEIBNIZENS SOGENANNTER MONADOLOGIE UND DEN PRINCIPES DE LA NATURE ET DE LA GRÀCE I. TEIL: DIE ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER BEIDEN ABHANDLUNGEN
INAUGURAL-DISSERTATION ZUR
ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE GENEHMIGT
VON DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER
FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT ZU BERLIN VON
CLARA STRACK AUS
BERLIN-WILMERSDORF
TAG DER PROMOTION: 2. JUNI 1915
Referenten : Professor Dr. Erdmann. Professor Dr. R i e h l .
Mit Genehmigung der hohen Fakultät kommt hier nur der erste Teil der ganzen Arbeit zum Abdruck.
Druck von Georg Reimer, Berlin W.
DEM GASTLICHEN HAUSE
HILDEBRANDT IN HANNOVER MIT FREUNDESGRUSS
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Vorwort. Die Ergebnisse der nachstehenden Untersuchung sind abhängig von dem Zugang zu den einschlägigen Manuskripten, welchen mir die Bibliotheken von H a n n o v e r , W i e n , G o t h a , B e r l i n und H a l l e (Fr a n c k e s e h e S t i f t u n g e n ) bereitwilligst gewährt haben. Den Herren Direktor Professor Dr. K u n z e - Hannover, Bibliothekar Dr. M e y e r - Hannover, Direktor Professor Dr. Josef Ritter von K a r a b a c e k , Wirklicher Hofrat, Wien, Direktor Professor Dr. E h w a l d Gotha, Professor Dr. W e i s k e - H a l l e sage ich für ihre große Freundlichkeit den ergebensten Dank. Ein wichtiges Ergebnis der Forschung wurde durch den Nachweis der für Heinrich Koehlers Schriftbeweis unentbehrlichen Manuskripte ermöglicht. Herr Professor Dr. K a b i t z - Breslau hatte die Güte, mir die diesbezüglichen, nicht öffentlich katalogisierten Codices zu bezeichnen. Für die Sicherheit in der Bestimmung der Wasserzeichen verdanke ich viel dem Einblick in die reichen Sammlungen des Herrn Professor Dr. P a u l R i t t e r - Berlin. Ihm bin ich außerdem für manchen guten Rat, schließlich noch für den der Neuaufrollung des Problems im vorliegenden Teildruck von einer andern Richtung her, als die erste Darstellung eingeschlagen hatte, vielen herzlichen Dank schuldig. Den größten Anteil an der Arbeit aber hat mein sehr verehrter Lehrer, Herr Professor Dr. B e n n o E r d m a n n genommen, der die erste Anregung zu dieser Untersuchung gegeben hat. Auch als sie nicht bloß rein philosophische Wege wandeln konnte, hat er diese Arbeit mit nie ermüdender Güte und Hilfsbereitschaft, mit seinem freundlichsten Interesse und Rat begleitet.
Inhaltsverzeichnis. Vorwort Verzeichnis der Abkürzungen Übersicht Entstehungsgeschichte der Abhandlungen Einleitung Quellenuntersuchung I : Die Hannoveraner Handschriften A. Die Monadologie B . Die Principes Ergebnisse Quellenuntersuchung I I : Die Wiener Handschriften... A. Die Principes im Eugenischen Buch B . Die Monadologie im Cod. Palat. Vindob. 10 4 9 5 . . . Ergebnisse Datierungen A. Die Principes. (Abfassungszeit und Anlaß.) B . Die Monadologie (Abfassungszeit. Anlaß. Adressaten.) Anhang I. Proben für das Textverhältnis der Hannoveraner Handschriften der Monadologie Anhang II. Proben für das Text Verhältnis der Hannoveraner Handschriften der Principes Anhang I I I . Fragment eines Briefkonzepts LeibnizBonneval Anhang IV. Proben für das Verhältnis der Handschrift H. zu den Hannoveraner Monadologietexten Anhang V. Verse Fraguiers an Leibniz
5 9 11 13—77 15 14—26 14—22 22—24 24 26—49 26—33 33—47 47—49 49—77 49—52 52—77 77—82 82—87 87 87—89 90—92
Verzeichnis der Abkürzungen. Erstdruck der lateinischen Version der M o n a d o l o g i e unter dem Titel P r i n c i p i a P h i l o s o p h i a e in den A c t i s E r u d i torum Lipsiensium. C. Hannoveraner Konzept der M o n a d o l o g i e in Leibniz' Hand. Cod. Pal. Vindob. 10 495. Kodex mit einer frühen Kopie der M o n a d o l o g i e , in Wien aufbewahrt, in Schreiberhand. Cod. Pal. Vindob. 10 588. Wiener Originalexemplar des E u g e n i s c h e n B u c h s , in Schreiberhand und in Leibniz' Hand. E. Hannoveraner Konzept der P r i n c i p e s de la N a t u r e e t de la G r â c e in Leibniz' Hand. F. Hannoveraner Foliokopie der M o n a d o l o g i e in Schreiberhand. H. Kopie der M o n a d o l o g i e im Co d. P a l a t . V i n d o b . 10495. K. Koehlers Jenenser Erstdruck der M o n a d o l o g i e in deutscher Übersetzung. 1720. L. Erste Hannoveraner Kopie der P r i n c i p e s de la N a t u r e ... in Leibniz' Hand. Pi- Text der P r i n c i p e s de la N a t u r e . . . im E u g e n i s c h e r i Buche. P 6 . Brief an einen Ungenannten im Eugenischen Buche. P e . O b j e c t i o n s de M. B a y l e a v e c les r é p o n s e s ( = Gerhardt IV., S. 524 ff.) Q. Hannoveraner Quartkopie der M o n a d o l o g i e in Schreiberhand. S. Zweite Hannoveraner Kopie der P r i n c i p e s de la N a t u r e in Schreiberhand. X. Verschollene Vorlage der nicht autorisierten Kopien und Publikationen des 18. Jahrhunderts. Acta = Acta Eruditorum Lipsiensium. Dutens = Gothofr. Guilel. Leibnitii opera omnia, nunc prim. collecta, in classes distributa, praefationibus et indicibus ornata studio Ludovici Dutens. Genevae 1768. Gerhardt = Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. Herausgegeben von C. J . Gerhardt. Berlin 1875 bis 1890. Principes = Principes de Ja Nature et de la Grâce, fondés en Raison. Principia Philosophiae = Erstdruck der lateinischen Übersetzung der Monadologie und deren Nachdrucke im 18. Jahrhundert.
A.
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Principia Philosophiae Leibnitii = Godefridi Guilelmi Leibnitii Principia Philosophiae More Geometrico demonstrata cum Excerptis ex Epistolis Philosophi et Scholiis quibusdam ex historia philosophica studio M. G. Hanschii. Francof. ad Moen. 1728. Ratio = Ratio Praelectionum Wolfianarum in Mathesin et Philosophiam Universam. Halae Magdeb. 1718. Recueil = Recueil de Diverses Pieces, sur la Philosophie, la Religion etc. par Mrs. Leibniz, Clarke, Newton & autres Autheurs célèbres. Amsterdam. 1720.
Übersicht über die Gesamtarbeit. Der vorliegende Teildruck I bietet mit der E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e der Leibnizschen M o n a d o l o g i e u n d der P r i n c i p e s de la N a t u r e et de la G r â c e die Lösung der U r s p r u n g s f r a g e für beide Abhandlungen, soweit dafür die Anwendung der historischen Methode in Betracht kommt. Daneben lieferten auch philosophische Untersuchungen über die Abwandlung der in Frage stehenden Einzelprobleme ihrerseits Bestätigungen und Ergänzungen zu den auf historischem Wege gewonnenen Resultaten. Insbesondere diente der Klärung der Ursprungsfrage auf diesem Gebiete auch eine Darstellung des Verhältnisses der frühesten Phase der Wölfischen Metaphysik zur Leibnizschen Metaphysik, die einem späteren Abdruck vorbehalten wird. Die Darlegung des s a c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e s der M o n a d o l o g i e und der P r i n c i p e s füllt einen besonderen philosophischen Teil II. Darin geht der vergleichenden Analyse der Abhandlungen eine Untersuchung ihrer prinzipiellen Voraussetzungen in materialer und formaler Hinsicht voraus, wobei einerseits die generellen Voraussetzungen der Leibnizschen Lehre und die Sonderstellung der Substanzentheorie im System, andrerseits die Eigentümlichkeiten der Leibnizschen Darbietungsweise erörtert werden. Daraufhin wird zur Ergänzung der von Leibniz publizierten Ausführungen über die Substanz eine Darstellung dieser Theorie nach handschriftlichem, zum Teil noch ungedrucktem Material des Nachlasses unternommen. Aus dieser Voruntersuchung fließen Resultate, die für die Interpretation der Abhandlungen von 1714 um so beachtenswerter sind, als die beiden zeitlich, örtlich und inhaltlich aufs engste benachbarten Traktate von sehr verschiedenem sachlichem Werte sind. Die in der Haupt-
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sache auf die Substanzentheorie sich beschränkende vergleichende Analyse selbst bestätigt ihrerseits die im Studium der Leibnizschen Dokumente sich wiederholende Wahrnehmung, daß dieser Philosoph mehr als irgendein anderer die Darbietungsfülle seiner Begriffe und die Darstellungsweise seiner Probleme nach Art und Grad der philosophischen Schulung seiner Adressaten variiert hat.
Ursprung der Leibnizschen Monadologie und der Principes de la Nature et de la Grâce. I. Teil: Entstehungsgeschichte der Abhandlungen. Einleitung.
Arbeitsziele und Arbeitsmethoden.
Da es sich im folgenden um ein Problem aus der Geschichte der Philosophie handelt und die Frage nach dem Ursprung der Leibnizschen M o n a d o l o g i e und der P r i n c i p e s de la N a t u r e et de la G r â c e zwei Abhandlungen gilt, die erst 1840 voneinander unterschieden wurden, nachdem sie aus bisher unaufgeklärten Gründen im ganzen 18. Jahrhundert und darüber hinaus miteinander identifiziert worden waren, so wird durch die Aufgabe selbst die anzuwendende Methode bedingt. Es handelt sich um zeitlich und örtlich zu bestimmende Objekte, um Aufhellung historischer Vorgänge, um Feststellung von Tatsachen. Die Untersuchung ist an das empirische Ermittelungsverfahren gewiesen. Wir gehen an die Dokumente der Abhandlungen und fragen nach der Art ihrer Überlieferung. Für Leibnizsche Philosophica liegen die Überlieferungsverhältnisse allgemein günstig. Infolge der Vorliebe des Philosophen für direkte Übermittelung seiner Theorien an Einzelpersönlichkeiten steht ein reiches, von der Kgl. Bibliothek in Hannover gehütetes handgeschriebenes Material aus dem Nachlaß zur Verfügung. Die Uberlieferung ist einwandfrei. Die Prüfung der einschlägigen Handschriften erfolgt unter Heranziehung der Arbeitsweisen der historischen Hilfswissenschaften: 1. auf die äußeren Merkmale hin nach den Regeln der Diplomatik; 2. auf die inneren Merkmale hin, textvergleichend, nach philologischer Methode. Das erste Ziel ist: Gewinnung der Datierung beider Abhandlungen ; das zweite : Aufhellung der Adressatenfrage.
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F ü r die P r i n c i p e s liegen hierbei von vornherein die Problemverhältnisse günstiger. Seit Gerhardts Publikation der Remondschen Briefe an Leibniz (1887) ist bekannt, daß es die ca. 1714 geschriebenen P r i n c i p e s waren, welche f ü r d e n P r i n z e n E u g e n v e r f a ß t wurden. Doch fehlt der Datierung die Präzision. Über die M o n a d o l o g i e ist Zuverlässiges überhaupt nicht bekannt. Das bisher Berichtete greift in die Sphäre der P r i n c i p e s hinüber. Die Untersuchung verfährt daraufhin für beide A b handlungen von Grund aus. Quellenuntersuchung I. Die Hannoveraner Handschriften. Für die M o n a d o l o g i e kommen drei in originaler Form überlieferte T e x t e in B e t r a c h t , und für die P r i n c i p e s sind ebenfalls drei in originaler Form überlieferte T e x t e vorhanden. A. Die Handschriften der Monadologie. Äufiere Merkmale. Schreibstoff. E r s t e H a n d s c h r i f t , im folgenden a l s C. z i t i e r t : 3 Bogen Folio Konzeptpapier mit Wasserzeichen im M i t t e l b r u c h . Wasserzeichen in Bogen 1 und 2 : achtstrahliger S t e r n ; in Bogen 3 : gekrönter Löwe (vgl. Abb. 1). Z w e i t e H a n d s c h r i f t , im folgenden a l s F . z i t i e r t : 5 Bogen Folio Kanzleipapier mit Wasserzeichen auf der Mitte des 2. B l a t t e s . D r i t t e H a n d s c h r i f t , im folgenden a l s Q . z i t i e r t : 8 B l a t t Folio Kanzleipapier w i e b e i F . , zu Quartformat gebrochen. Wasserzeichen b e i d e r Handschriften siehe Abb. 2 Die prinzipielle Beachtung der Wasserzeichen an s ä m t lichen einschlägigen Korrespondenzen und philosophischen Abhandlungen des hannoverschen Nachlasses hat zu folgenden Ergebnissen geführt:
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ad C. Das Konzeptpapier der Bogen C. 1 und 2 bzw. eine Variante dieses Papiers mit sechsstrahligem, umkränztem Stern im M i t t e l b r u c h ist n u r nachweisbar an einer größeren Gruppe von W i e n e r Konzepten aus dem Jahre 1714; und zwar dasselbe Papier: 1. an der von Leibniz gefertigten K o p i e des ihm n a c h W i e n gesandten letzten Schreibens
O
Abb. 1. Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolffenbüttel, datiert 6. März 1714. 2. am Briefkonzept Leibniz' an Ghamberlayne, datiert Vienne 21. April 1714; die Variante: 1. an Konzepten der Briefwechsel mit Remond (dat. 1 0 . 1 . 1 7 1 4 Vienne), Chamberlayne (dat. 10. 1. 1714 Vienne), A. H. Francke (dat. 17. 1. 1714 Wien), Theobald Schottel, Kaiserl. Kammertürhüter in Wien (mit Leibnizscher Anmk.: „Theobald Schottel hat 1 Tabell ausgerechnet . . . darauf hin schicke ihm dieses 19. Febr. 1714."), Hofrat Schmid in Wien (dat. 16. 2. 1714 Wien); ferner 2. an undatierten Foliokonzepten
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mit mathematischen Berechnungen für Theobald Schottel und dyadischer Rechnung für Overbeck. Das Konzeptpapier des Bogens C. 3 weist ebenfalls auf W i e n und das Jahr 1714; denn es ist nur nachweisbar: an Konzepten 1. der Briefwechsel mit Caroline von Braunschweig-Lüneburg (dat. Vienne ce 7 de juillet 1714) und mit Westerloo (dat. Vienne 14 juillet 1714); 2. der Abhandlungen
a) „Extrait" nebst Rezension „du petit Liure imprimé cette année 1714 sous le titre de Reflexions sur les grands hommes qvi sont morts en plaisantant 1 ), par M. D*** à Rochefort, chez Jaques le Noir 1714", b) „Extrait du Dict. de Bayle art. Rorarius pag. 2599 seqq. de l'Edition de l'an 1702 avec mes *) mit zwei kleinen Parallelstellen zu Monadologie und Principes.
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remarques", undatiert; aber von dem 1 7 1 4 in W i e n w e i l e n d e n Mag. Heinrich Koehler in der Vorrede zu seiner 1720 in Jena erschienenen deutschen Übersetzung dieses Extrait auf Wien 1714 datiert 1 ), c) „ P r i n c i p e s de la N a t u r e et de la G r â c e f o n d é s en R a i s o n " (Erstentwurf). Das Konzeptpapier der Bogen C. 1—3 ist noch dadurch als Wiener Papier bezeugt, daß sich die Spur der Mitführung ähnlicher Konzeptpapiere von Wien nach Hannover in der Leibnizschen Korrespondenz des Sept. 1714 nachweisen läßt. In dieser der Rückkehr von Wien unmittelbar folgenden Zeit entwarf Leibniz auf 1 Bogen Folio gleicher Qualität, mit Wasserzeichen im Mittelbruch (springender Löwe), Konzepte an die Kaiserin Elisabeth-Christine (dat. Hanover ce 16 de Sept. 1714), die Hofdame von Klenck in Wien (dat. Hanover ce 16 de Sept. 1714) und den Grafen Windischgraetz in Wien (dat. Hanover ce [16] Fassung; c) in axiomatischer J 2. Entwicklung der aus den Prinzipien resultierenden Konsequenzen a) der nächsten, b) der weitreichendsten; ö*
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3. Anwendung der Prinzipien a) zur Erklärung der seelischen 1 .... , , ., iv i 1-. j physischen v • , b) zur üErklärung der J^ Wirksamkeiten (der „passions" und der „effets naturels"). Zum Schluß faßte Remond die Forderungen so zusammen, daß er Leibniz mitteilte, es handle sich demnach um die p o s i t i v e D a r s t e l l u n g seines M o n a d e n s y s t e m s . Er betonte, daß auch seine eigene Kenntnis dieses Systems nicht genüge, diese positive Darstellung zu unternehmen, da er erst an dem Punkte angelangt sei, wo bei lückenhafter Kenntnis des Ganzen dem grübelnden Verstände Einwände entsteigen; und daß er Fraguier recht geben müsse, wenn dieser ihrer beider Kenntnis des Systems der Kenntnis vergleiche, die wir von der Sonne haben würden, wenn wir sie nur aus vereinzelten Strahlen kennen lernten, die durch trübe Wolken brechen. Die Verse Fraguiers trugen dieselben Gedanken unbestimmter und metaphorisch ausgedrückt vor, so daß die Remondsche Formulierung dieser Forderungen für die Abfassung der Monadologie maßgebend geworden ist. Der E i n f l u ß R e m o n d s war auch für den Inhalt der Abhandlung mitbestimmend; denn seine Wünsche vom 17. Februar wurden von Leibniz zugleich berücksichtigt und mit den Fraguierschen Forderungen verschmolzen. Infolge der Hinweise Hugonys und der früheren Äußerungen Remonds trägt überdies die Monadologie noch etwas vom Charakter des eigentlichen Eclaircissement an sich, das der Überführung auf Grund von Einwänden gilt. Da formulierte Zweifel nicht vorgebracht worden waren, nahmen die betreffenden Wendungen die mildeste Form an (Monadologie § 10): „je prends aussi pour accordé . . . " ; (Monadologie § 8): „le plein étant supposé . . . " u. ä. Daß nach Leibniz' eigener Meinung der Monadologie der Charakter des E c l a i r c i s s e m e n t verblieb, ist seinen Äußerungen vom Juli 1714 und vom 26. August 1714 x ) zu entnehmen. 1 ) Vgl. den Briefwechsel mit Remond, Gerhardt III, S. 618 f. und S. 624 f.
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Der E i n f l u ß F r a g u i e r s machte sich andrerseits sowohl für das Sachliche wie für das Formale geltend. Um seiner poetischen Absichten willen tritt in der Monadologie die „sublime" Seite der Philosophie hervor. Die Darstellung wird auf das Gebiet der Metaphysik und der Ethik eingeschränkt, dem Leibniz selbst des öfteren den Bereich der Physik und der Mathematik entgegengesetzt hat. Hieraus erklärt sich das Ausfallen der Mathematica, die in Leibniz' Philosophie einen breiten Raum einnehmen würden, wenn etwa eine systematische Übersicht über seine Gesamtphilosophie geplant worden wäre. Wenn in der Monadologie die stereotype Wendung gegen Descartes' Bewegungsgesetze einen Platz findet, so ist dies keine Grenzüberschreitung. Denn Leibniz war durch seine Lehre von der Dynamik zur Erkenntnis der metaphysischen Basis des Mechanismus geführt worden. „Les loix de la mecanique ne sont pas mécaniques elles-mêmes." Fraguiers Forderungen übten sodann auf d i e D a r s t e l l u n g die Wirkung aus, daß die Formulierung hier der Metapher entrât und der präzise, begrifflich strenge, positive Ausdruck herrscht. So fehlt z. B. das Leibniz sehr geläufige Symbol des Kreises, der seine Peripherie überall hat, während es in den verwandten Gedankenreihen der Principes sofort Verwendung findet. — Um Fraguiers willen suchte Leibniz in der Systematik der Monadologie jene Schönheit zu entfalten, die in der vom Intellekt vollzogenen Ordnung besteht. Wie groß der Einfluß Fraguiers war, verrät sich am Schluß des Julibriefs an Remond: „Mr. l'Abbé Fraguier donnant par des vers d'une eminente beauté du relief à des pensées aussi médiocres que les miennes, que ne feroit-il pas s'il traitoit un grand sujet et des matieres relevées? Si je p o u v o i s c o n t r i b u e r par q u e l q u e s e c l a i r c i s s e m e n s à l ' e n c o u r a g e r p o u r l ' e x e c u t i o n du b e a u d e s s e i n q u ' i l p a r o i s t a v o i r , de d o n n e r du corps et de la c o u l e u r a u x p e n s é e s de la p l u s s u b l i m e p h i l o s o p h i e , j ' a u r o i s r e n d u un g r a n d service a u x hommes."
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E i n e ganze R e i h e v o n B e w e g g r ü n d e n aber stand noch im H i n t e r g r u n d . Denn es konnte Leibniz nicht gleichgültig sein, daß der Platonismus Remonds diesen schon zu einer Stellungnahme gegen den Cartesianismus geführt hatte, der etwa dem Leibnizschen Standpunkt entsprach, und daß Remond seine Bereitwilligkeit erklärt hatte (vgl. den ferneren Inhalt des Remondschen Briefs vom 5. Mai 1714), sich dem Urteile, das Leibniz über die Korpuskularphilosophie Gassendis fällen würde, zu unterwerfen, obgleich er Gassendi persönlich liebte und bewunderte. Dazu kam, daß die Parteinahme für Leibniz im Newtonstreit, die Remond (ebenfalls am 5. Mai 1714) unverhohlen zur Schau getragen hatte, dem Philosophen ebenso lieb sein mußte, wie dem Politiker und Staatsmann die Beziehungen Remonds zum Hause Orléans. Diese Momente machen begreiflich, daß Leibniz die Gelegenheit, einen exklusiven und einflußreichen Pariser Zirkel für seine Lehren zu interessieren und völlig zu gewinnen, nicht vorübergehen ließ. Die Hoffnung endlich, in d e r f o r m v o l l e n d e t e n Poesie F r a g u i e r s seiner P h i l o s o p h i e den zeitgenössisch wirksamsten Ausdruck verliehen zusehen, drängte ihn trotz der Kürze der Bekanntschaft mit Remond zur Abfassung der ebenso feinsinnigen wie feinstilisierten Monadologie. Über der Arbeit an der Abhandlung verstummte der Briefwechsel zwischen Leibniz und Remond. Die Beantwortung des Briefs vom 5. Mai erfolgte erst im Juli und wurde dann auf das sorgsamste vollzogen. Um Satz für Satz des Remondschen Schreibens zu erwidern, entwarf Leibniz nicht, wie er oft tat, ein flüchtiges Konzept auf den leeren Seiten des empfangenen Briefs, obwohl ihm hier zwei breite Quartseiten völlig zur Verfügung gestanden hätten. Er konzipierte vielmehr ein eingehendes, wohl ausgeführtes, einen ganzen Foliobogen füllendes Schreiben. Hierin vertröstete er Remond des Eclaircissement wegen auf später, nachdem er sich davon überzeugt hatte,
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daß die Zusendung des Brief-Eclaircissement an Stelle der Monadologie nicht tunlich war. Denn an diesem viel kleineren Eclaircissement hat Leibniz, wie die mit dem Foliokonzept und der letzten Verbesserung übereinstimmende, sehr gelb gewordene Tinte des Datierungsvermerks ausweist, d a m a l s die zweite Korrektur vorgenommen, das Brief-Eclaircissement als vorläufigen Ersatz für die Monadologie zu übersenden, also die Absicht gehabt. Da es jedoch nicht anging, den Inhalt dieses Eclaircissement dem Remondschen Kreise vorzuenthalten, nachdem Hugony in aller Namen jene ersten Aufklärungen erbeten hatte und Fraguiers besonderes Interesse an ihnen wachgeworden war, sah sich Leibniz bewogen, das Manuskript zurückzuhalten, das überdies den im Mai geäußerten Wünschen Remonds und Fraguiers allzu wenig entsprach. Seine ursprüngliche Absicht, die Monadologie im Juli 1714 abzusenden, war gewiß nicht bloß durch die Zerstreuungen des Hoflebens, sondern auch durch die Arbeit an den Principes vereitelt worden. Wie weit Leibniz zur Zeit der Abfassung des Julibriefs an Remond mit dem Text der Monadologie gediehen war, läßt sich nicht weiter feststellen. Sicher ist nur, daß er noch in Wien nach der Vollendung des Hauptkontextes mit der Durchsicht der Theodizee begonnen hat. Denn der dem Anfang des umfangreichen Werks entnommene Verweis auf pref. * a, b bei § 90 der Monadologie wurde bereits v o m S c h r e i b e r in Q. nach F. kopiert. Er blieb dort einzig in seiner Art. Weil vermutlich die Kopie Q. für Fraguier, die Kopie F. ursprünglich für Remond bestimmt war, wurden die Remond zugedachten Hinweise auf die Theodizee nicht in Q. von Leibniz nachgetragen, sondern nur in F. eingearbeitet. Sie sind, nach Äußerlichkeiten zu schließen, zugleich mit dem Numerieren der Absätze und mit den Zusätzen letzter Hand (in F. u n d Q.) vollzogen und e r s t in H a n n o v e r a n g e f ü g t worden. Daß in W i e n das Leibnizsche Interesse für die Pariser Gelehrten und für die M o n a d o l o g i e durch das Interesse für den anwesenden Eugen und für die P r i n c i p e s zeitweilig
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in den Hintergrund gedrängt wurde, ist wohl begreiflich. Wie umfangreich die philosophischen Darlegungen sind, durch welche Leibniz dem Prinzen ein „Abrégé de ses pensées systématique" zu geben wünschte, wird erst jetzt aus dem Inhalt des Cod. Palat. Vindob. 10 588 deutlich. Die Zeitdauer der Arbeitsunterbrechung an der Monadologie ist daraus abzulesen. Fragt man, warum bei solcher zeitlichen Nachbarschaft der Abhandlungen Leibniz dem Prinzen nicht eine Kopie der leicht zu vollendenden M o n a d o l o g i e überreichte, statt an die Abfassung einer neuen Arbeit zu gehen, so ist zweierlei zu erwidern. Einmal decken sich trotz der Ähnlichkeit die Inhalte der Abhandlungen nicht völlig. Auf eine Darstellung der Leibnizschen Naturphilosophie wollen wohl die P r i n c i p e s , will aber nicht die M o n a d o l o g i e hinaus. Eben dadurch erklärt sich die Streichung des § 12 im Konzept, der von d e r K r a f t im a l l g e m e i n e n handelte. Der Gegenstand der Monadologie ist einzig die mit V o r s t e l l u n g s k r a f t begabte Substanz, d i e M o n a d e , während die Principes ihren Ausgangspunkt von d e r S u b s t a n z i m allgemeinen nehmen. So ist die Grundlage und die Tendenz der Principes weitreichender. E s ist eine Sache für sich, daß der Vorbildung des Lesers wegen beim Aufbau auf dieser Grundlage in der Eugenischen Abhandlung längst nicht alle Momente berücksichtigt wurden, die für die Leibnizsche Physik in Betracht kommen. Das schnelle Hinübergleiten in den eigentlichen Bereich der Monadologie wurde noch gefördert durch den von Leibniz vertretenen realistischen Spiritualismus, démzufolge j e d e Substanz als Monade gefaßt werden kann. Sodann aber ist der Unterschied zwischen Monadologie und Principes derselbe formale, der an der R é p l i q u e a u x R é f l e x i o n s de B a y l e und den O b j e c t i o n s de M. B a y l e a v e c l e s R é p o n s e s von 1714 studiert werden kann. M o n a d o l o g i e und R é p l i q u e sind Arbeiten für die französische Gelehrtenwelt. P r i n c i p e s und O b j e c t i o n s wenden sich an einen Laien. Hier galt es, populär darzustellen, ohne
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banal zu werden. Dort war die logische Verkettung streng formulierter Begriffe geboten. Nachdem die Herstellung der Eugenischen Texte die Arbeit an der Monadologie so stark aufgehalten hatte, hinderten die plötzlich eintretenden p o l i t i s c h e n E r e i g n i s s e des A u g u s t 1714 noch viel ernstlicher A b s c h l u ß u n d Abs e n d u n g der Monadologie *). Am 20. August, dem Tage der Leibnizschen Audienz bei Eugen vor dessen Abreise nach Baden, trafen die Kuriere ein, die den Tod der Königin Anna von England meldeten, woraufhin Prinz Eugen seine Abreise verschob; denn das dem hannoverschen Hofe verschwägerte Kaiserhaus gewärtigte eine günstige Schwenkung der englischen Politik. Auch Leibniz war an diesem Ereignis persönlich interessiert und beteiligt, da Kurfürst Georg Ludwig von Hannover nun als Georg I. den englischen Thron bestieg. Der Hofkanzler von Sinzendorf ließ sich nach längeren Konferenzen mit Leibniz noch auf der Fahrt zur Audienz bei der Kaiserin Amalie von ihm nach Schönbrunn begleiten. Eine große politische Ära schien sich vor Leibniz aufzutun. In rascher Aufeinanderfolge sandte er seine Berichte an den Minister von Bernstorff. Er war jetzt geneigt, nach Hannover zurückzukehren, um sich von da nach London zu begeben. Während er der Heimkehr bisher unter Ausflüchten aller Art sichtlich ausgewichen war, ohne freilich die Beziehungen zu Hannover ganz abzubrechen, nahm er jetzt die Ordnung seiner Angelegenheiten und die Vorbereitungen zur Abreise ernsthaft in die Hand. Es war vorauszusehen, daß sich in der nächsten Zeit keine Muße zur Durchsicht der Theodizee finden würde, deren weiter ausgeführte Gedankengänge Remond das Verständnis für die Monadologie erleichtern sollten. So rüstete *) Die folgende Darstellung gründet sich auf die Publikation des Kgl. Archivars R. Doebner, Hannover 1882, „Leibnizens B r i e f w e c h s e l m i t dem M i n i s t e r v . B e r n s t o r f f u. a. Briefe und A k t e n s t ü c k e aus den Jahren 1 7 0 5 — 1 6 " und auf den Briefwechsel Leibniz-Sully (in Manuskripten der Kgl. Bibl. Hannover).
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Leibniz denn am 26. August den jungen Sully mit der öfters erwähnten Kopie der P r i n c i p e s de la N a t u r e et de la G r â c e und dem bekannten Begleitbrief an Remond aus. Im September, vermutlich absichtlich unmittelbar n a c h des Königs Abreise, traf Leibniz in Hannover ein. Er hoffte, sehr bald seine Gönnerin, die P r i n z e s s i n v o n W a l e s (Karoline von Anspach) nach London zu begleiten. Es steht aus S u l l y s Briefen fest, daß Leibniz in London Quartier bestellen ließ. Sully besorgte ihm von Paris aus durch seine englischen Freunde das Logis, so daß jene durch Paris zirkulierenden Gerüchte von seiner Reise nach London so grundlos nicht waren, wie Leibniz bald genug Veranlassung hatte, sie hinzustellen. Am 1. November nämlich schrieb ihm Bernstorff von London aus in Worten, wie sie brüsker im Munde des Höflings und Diplomaten nicht lauten können: „ J ' a y remis mes réponses à la votre parce que l'on nous a mandé que vous alliez vous mettre en chemin pour ce pays icy, et on addressoit même deja des lettres icy pour vous. Vous faites bien, Monsieur, de rester à Hannovre et d'y reprendre vos travaux, vous ne sauriez mieux faire votre cour au Roy, ny mieux racommoder les absences passées, qu'en présentant à Sa Majesté quand elle viendra à Hannovre une bonne partie des ouvrages qu'Elle attend depuis longtemps." Daraufhin konnte Leibniz die Reise nach London nicht wagen. Er hoffte nach der Abreise der Prinzessin von Wales etwas von ihrer Fürsprache am englischen Hofe. Sie teilte ihm in einem eigenhändigen Schreiben mit, daß die Gnade Georgs I. nicht anders als durch die Vollendung der Braunschweiger Genealogie zurückzugewinnen wäre. In der Stille des nach der Abreise des Hofs verödeten Kleinstadtlebens hatte Leibniz zur Durchsicht der T h e o d i zee Muße genug. Doch lastete auf ihm die Ungnade des Königs. Über seinen Besuch auf dem Braunschweiger Kongresse und seine Reise zum Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz wurde von Übelwollenden alsbald nach London berichtet. Georg befahl dem Conseil in Hannover, Leibniz durch Reskript Reiseverbot aufzuerlegen und ihn zur V o l l -
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endung der G e s c h i c h t e d e s W e i f e n h a u s e s anzuhalten. In einem stolzen Schreiben vom 18. Dezember 1714 rechtfertigte sich Leibniz dem Könige gegenüber. Er mußte darin seine Verdienste, die wie ein Nichts bewertet worden waren, herzählen. „C'est peutétre la premiere fois que j e parle ainsi de moy même et cela me coûte assés." Dennoch ergab sich auch hierdurch für ihn kein Ausweg aus der Verbannung. Zu eilig hatte Leibniz schließlich, nach allem voraufgegangenen Zögern, noch Wien verlassen. Die Pläne zur Gründung der Akademie scheiterten, zumeist weil nach Leibniz' Abreise das Interesse für das kostspielige Unternehmen erlahmte. Nur die persönliche Anwesenheit und die gewandte und formvollendete Aktivität dieses Diplomaten ohnegleichen wäre allen Schwierigkeiten erfolgreich begegnet. In Hannover aber hatte er durch seine Rückkehr nichts gewonnen. Der König zürnte ihm wegen des Wiener Aufenthalts, der der Genehmigung des damaligen Kurfürsten von Hannover durchaus entbehrte. Das Verhältnis zwischen Georg Ludwig und Leibniz war stets kühl gewesen; in Wien aber hatte sich Leibniz geradezu, ohne die Beziehungen zum hannoverschen Hofe völlig zu lösen, in kaiserliche Dienste direkt und in den Dienst „de toutes les branches de la Maison" indirekt gestellt. Die zwischen den einzelnen Linien des Weifenhauses herrschende Eifersucht hätte schon genügt, sein Vorgehen verwerflich erscheinen zu lassen. Daß er sich aber obendrein für den talentvollsten und ehrgeizigsten Fürsten des gesamten Hauses, den berühmten Anton-Ulrich von Braunschweig-Wolffenbüttel, einsetzte, machte Leibniz in Hannover nahezu des Verrats an der landesherrlichen Sache verdächtig. Die Verzeihung Georgs I., die Leibniz nach dem Thronwechsel in England und dem Tode Anton-Ulrichs anstrebte, da er dem englischen Hofe gern seine politische Tätigkeit zur Verfügung gestellt hätte, war von der Ableistung eines persönlichen Dienstes abhängig. Das gesamte wissenschaftliche Interesse Georgs I. konzentrierte sich auf die Genealogie seines Hauses. Es war ein rein dynastisches Interesse, das
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ihn leitete; denn die mühevolle Kompilation des seit Jahren betriebenen Werks, die großzügige Forschungsweise, das Quellenstudium, das Leibniz betrieb, zu würdigen, war Georg I. nicht befähigt. E i n e h i s t o r i s c h e A r b e i t wurde also au! längere Zeit hinaus und sehr gegen den Willen des für die Gegenwart interessierten Staatsmannes das Z e n t r u m einer angestrengten T ä t i g k e i t , die L e i b n i z in H a n n o v e r ausübte. Im Frühjahr 1715 wandte er sich z. B. mit der Bitte um Beschaffung historischen Materials an Remond. Die vergleichende Durchsicht der Theodizee darf als nebenher betrieben und, nach dem Stand der Manuskripte zu schließen, als im Januar 1715 sicher vollendet angesehen werden. Der A b s e n d u n g des M a n u s k r i p t s der „ M o n a d o l o g i e " bzw. einer Kopie des stark verbesserten Textes hätte von dieser Zeit ab an und für sich nichts im Wege gestanden. Aber Remond hatte sich mit den „ P r i n c i p e s " zufriedenstellen lassen und sogar den am 26. August 1714 erteilten Hinweis, den Leibniz auf seine in Pariser, Leipziger und holländischen Journalen publizierten Philosophica gab, für überflüssig erklärt. In einem Schreiben, dat. 9. Jan. 1715, stellte er die von Leibniz erbetenen Fragen, deren Beantwortung schon am 27. Januar 1715 erfolgte. Das Foliokonzept zeigt in einer ersten Streichung, daß Leibniz hier sogleich mit dem „Eclaireieren" begann und sich erst bei näherer Überlegung darauf besann, daß die Höflichkeitsbezeugungen in der üblichen Weise vorangehen müßten. Die bestimmten Eclaircissements zog Leibniz jeder andern Art der Darstellung seiner Lehren vor; und es lag auch nicht in seiner Natur, eine Arbeit, nach der niemand Verlangen trug, „anzubringen". Vergessen war die Monadologie nicht; denn der nur in der Foliokopie befindliche Zusatz zu § 42, die „inertie" betreffend, ist, wie E. Kreipe völlig zu recht behauptet hat,
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der Kopie nach Empfang des Remondschen Schreibens vom 9. Januar 1715 eingefügt worden. Aber d i e A b h a n d l u n g w u r d e d a r a u f z u r ü c k g e l e g t . Der ähnliche Probleme erörternde C l a r k e - S t r e i t setzte an. Er nötigte zu beständigen Eclaircissements direkt vorgebrachter Einwände und Fragen. Leibniz verband mit dem Interesse des Philosophen das des Politikers an den unter den Auspizien der Prinzessin von Wales vor sich gehenden Kontroversen. An eine poetische Darstellung des zurzeit so umstrittenen Systems war nicht zu denken. Außerdem wünschte Remond nicht mehr über das Leibnizsche System, sondern über die chinesische Philosophie aufgeklärt zu werden. Noch sein letztes Schreiben drängte Leibniz zu einer Auseinandersetzung über diese Lehre. Sie war geschrieben und, wie Eckhart und Kortholt versichern, an Remond schon adressiert, gelangte jedoch, da der Tod Leibniz übereilte, so wenig wie die Remond früher zugedachte Wiener Abhandlung in die Hände ihres Adressaten. D e n n i n f o l g e der h i e r d a r g e s t e l l t e n V o r g ä n g e i s t d i e M o n a d o l o g i e n i e m a l s zur A b s e n d u n g g e l a n g t . Vermutlich unter dem konfiszierten Briefwechsel von Leibniz mit Remond befindlich, ruhte sie nach dem 14. November 1716 im Archiv; eben dadurch in ihrer letzten Fassung vor den Übergriffen E c k h a r t s u n d anderer gesichert. Anhang I (zu Seite 22). Das Seite 22 charakterisierte V e r h ä l t n i s d e r H a n n o v e r a n e r M o n a d o l o g i e t e x t e C., F., Q. wird durch die folgenden Proben aus der Kollation der Handschriften veranschaulicht. Die Abschnitte sind so gewählt, daß die grundlegende Bedeutung der Handschrift C. hervortreten und die zentrale 1 ) Vgl. über dessen leichtherziges Verleihen von Leibnitianis Kortholt, Epistolae Leibnitii. IV.
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Stellung der Handschrift F. kenntlich werden kann. Die verschiedenen Verbesserungsschichten werden außerdem deut lieh. Zum Beweis der Durchgängigkeit dieses Bestandes sind die Beispiele allen drei Konzeptbogen (der Handschrift C.) entnommen. Erläuterungen.
(Auch für Anhang II—IV gültig.)
Kursive Kursive in Kursive in Kursive in Kursive in Kursive in Antiqua in Antiqua m Antiqua m Antiqua in
Leibnizscher Grundtext bzw. SchreiberGrundtext. < > Leibnizscher Nachtrag zu unbestimmter Zeit. erster Leibnizscher Nachtrag, zweiter Leibnizscher Nachtrag, dritter Leibnizscher Nachtrag (kommt nur O für Anhang II in Betracht), ergänzter, von Leibniz versäumter Nachtrag. [ ] Leibnizsche Streichung zu unbestimmter [ 2 ] Zeit. späte Leibnizsche Streichung, zur Zeit des zweiten Nachtrags, [* ] versäumte Streichung. [< >] Leibnizsche Streichung eines Zusatzes.
C. (11) il s'ensuit de [cela qve tous les chan...] ce qve nous venons de [poser] dire, qve les changemens des Monades viennent d'un principe interne-, [qv'on peut appeller Force active] (qvi fait le centre d'une substance composée (comme par exemple d'un animal) et le Principe de son Unicité,y est environnée d'une Masse composée d'une infinité d'autres Monades, qui constituent [son] (ley corps [organique] (propre de cette Monade centrale> suivant les affections
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L. ons du qvel [cette M o n a d e ] (elle} représente (comme dans une maniéré de centre) les choses qvi sont hors d'elle: (et le corps est organiqve qvand il forme une maniéré d'Automate ou de Machine de la nature, qvi est machine non seulement dans le tout, mais encore dans les plus petites parties qvi se peuuent faire remarqver.y
S. du quel [cette Mon a d e ] (elle} represente comme dans une maniere de centre les choses qui sont hors d'elle (Et ce corps est organiqve, qvand il forme une maniere d'Automate ou de Machine de la Nature, qvi est machine non seulement dans le tout mais encore dans les plus petites parties qvi se peuvent faire remarqvery
. .. chaqve Monade . . . chaqve Monade . . . chaque Monade est un miroir repré- est un miroir repré- est un miroir (2vivant sentatif de V univers sentatif de l'univers ou doué d'action interne, 2) representatif de l'univers . . . (mais il y a une . . . c'est en cela qve con- et céluy des causes siste (l'accord et> finales; 2> et c'est en l'union (physiqve> cela que consiste de l'Ame et du [l'union] (l'accord corps, (sans qve l'un et l'union physipuisse changer les qve!>, de l'Ame et du
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L. loix de Vautre>
corps(, sans qve Vune puisse changer les loix de Vautre>
Anhang III (zu Seite 31). F r a g m e n t aus dem undatierten B r i e f k o n z e p t , welches L e i b n i z in Erwiderung des B o n n e v a l s c h e n Schreibens vom 6. Oktober 1714 verfaßte. „[L'abrégé des mes pensées system . . . ] [L'abrégé . . . ] Vous vous souviendrés, Monsieur qve le meme abrégé qve fay eu Vhonneur de présenter à S. A. S. a été entre vos mains, et qve vous Vaviés fait copier pour M. le duc d'Arenberg, qvi le vouloit envoyer au prince de Horne, si je ne me trompe. Mais pour faire un petit volume, j'y ay joint [quelques] [écrit . . . ] [petits écrits qve j'ay faits pour répondre] aux objections de M. Bayle, et d'autres habiles gens ces réponses sont imprimées exceptée la dernière, [ou] et la plus ample par la qvelle j'ay taché de satisfaire aux repliqves de M. Bayle, qvi sont dans la seconde édition de son dictionnaire fay [fait] [12 Et generalement on peut dire qve la Force n'est autre chose qve le principe du changement] [13] Mais il faut aussi . . .
F. 11. . .. viennent d'un principe interne. Q. . . ebenso, nur e n core
H. . . . un long etourdissement . . .
. . . ce qui les a f a i t e n c o r donner dans le préjugé Scholastique . . .
Endlich folgt ein Beispiel der wenigen a u s Q. kopierten Zusätze : F. 36 u n d Q. 36. C. § 36. H. 36.