Unternehmenskontrolle, Kapitalmärkte und Fair Value Accounting [1 ed.] 9783896449245, 9783896732248

Nach »Enron«, »Worldcom« und »Parmalat« wurde der Ruf nach besserer Corporate Governance wieder lauter. In diesem Zusamm

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German Pages 292 [293] Year 2004

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Unternehmenskontrolle, Kapitalmärkte und Fair Value Accounting [1 ed.]
 9783896449245, 9783896732248

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Schriftenreihe Recht + Wirtschaft

Lars-Gerrit Lüßmann

Unternehmenskontrolle, Kapitalmärkte und Fair Value Accounting

Verlag Wissenschaft & Praxis

Unternehmenskontrolle, Kapitalmärkte und Fair Value Accounting

Schriftenreihe Recht + Wirtschaft

Band 3

Lars-Gerrit Lüßmann

Unternehmenskontrolle, Kapitalmärkte und Fair Value Accounting

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 2003

ISBN 3-89673-224-2

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2004 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde nach ihrer Einreichung im Sommer 2003 im Wintersemester 2003/2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Referenten waren Professor Dr. jur. Werner F. Ebke, LL.M., der die Arbeit betreut und das Erstgutachten erstellt hat, und Professor Dr. jur. Günter Reiner, der das Zweitgutachten erstellt hat. Tag der mündlichen Prüfung war der 15. Dezember 2003. Die Arbeit gibt den Stand der Diskussion im Sommer 2003 wieder. Einzelne Entwicklungen und Diskussionsbeiträge konnten bis Dezember 2003 berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Ebke, für die Anregung zu dieser Arbeit und die vorzügliche Betreuung sowie für seine Bereitschaft, das Erstgutachten zu erstellen. Herrn Professor Reiner danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, Dr. Hartwich und Sigrid Lüßmann, die mich in jeder Lebensphase nach Kräften gefördert und mir meine Ausbildung und damit auch die Erstellung dieser Arbeit ermöglicht haben, sowie meiner Frau Helen für ihre Geduld mit meinen „schriftstellerischen“ Ambitionen. Ihnen widme ich dieses Buch.

Frankfurt am Main, im März 2004

Lars-Gerrit Lüßmann

5

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................14 A. Einleitung....................................................................................................................19 B. Corporate Governance, Shareholder Value und Kapitalmarkt ..................................25 I.

Der Begriff „Corporate Governance“ .................................................................26

II.

Shareholder Value als Leitmotiv „guter Corporate Governance“ ......................29

III. Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt................................................31 1. „Separation of Ownership and Control“ – Überwachungs- und Kontrolldefizite in der modernen Publikumsaktiengesellschaft ....................31 2. Instrumente der Unternehmenskontrolle........................................................34 a) Unternehmensinterne Instrumente der Unternehmenskontrolle ...............35 b) Unternehmensexterne Instrumente der Unternehmenskontrolle...............36 (1) Unternehmenskontrolle durch den Primärmarkt ................................37 (2) Unternehmenskontrolle durch den Sekundärmarkt............................38 (a) Die Indizwirkung des Aktienkurses ............................................38 (b) Der Markt für Manager ...............................................................39 (c) Der Markt für Unternehmenskontrolle (Market for Corporate Control) ......................................................................39 3. Voraussetzungen wirksamer Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt...................................................................................................41 a) Funktionierende Kapitalmärkte und Information......................................42 b) Erhöhung des Ausschüttungsdrucks..........................................................45 4. Kritik an der Theorie einer Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt...................................................................................................47 a) Zweifel an den beschriebenen Funktionsmechanismen ............................48 b) Tatsächliche Effizienz und Kontrollleistung des Kapitalmarktes .............50 IV. Unternehmenskontrolle und Rechnungslegung ..................................................53 1. Rechnungslegung im Rahmen unternehmensinterner Kontrollmechanismen ....................................................................................53 2. Rechnungslegung im Rahmen unternehmensexterner Kontrollmechanismen ....................................................................................54 C. Fair Value Accounting – Zeitwertbilanzierung ..........................................................61 I.

Begriffsbestimmung „Fair Value Accounting“ ..................................................61

II.

Ermittlung des Fair Value...................................................................................64 1. Problemstellung .............................................................................................64 2. Vorgaben der Standardsetter ..........................................................................65 3. Zuverlässigkeit und ausreichende Objektivierbarkeit von Zeitwerten ..........66

7

a) Zuverlässigkeit und Objektivierbarkeit der Wertansätze nach HGB ........66 b) Ausreichende Objektivität und größere Relevanz.....................................67 III. Die Zeitwertbilanzierung von Finanzinstrumenten ............................................69 1. Innovative Finanzinstrumente........................................................................69 a) Einführung.................................................................................................69 b) Begriff .......................................................................................................71 c) Problemstellung.........................................................................................74 2. Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach deutschen Rechnungslegungsgrundsätzen ......................................................................76 a) Die Bilanzierung von Wertpapieren im Allgemeinen...............................76 b) Die Bilanzierung der nicht in einem Sicherungszusammenhang stehenden Derivate ....................................................................................76 c) Hedge Accounting und die Bildung von Bewertungseinheiten ................78 d) Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten im Jahresabschluss der Banken und Versicherungen .....................................................................80 (1) Kreditinstitute.....................................................................................80 (2) Versicherungen...................................................................................82 3. Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach US-GAAP..........................83 a) Publizitätspflichten....................................................................................83 b) Originäre (primäre) Finanzinstrumente/Wertpapiere................................84 (1) „Securities held for trading“...............................................................84 (2) „Securities held to maturity“ ..............................................................85 (3) „Securities available for sale“ ............................................................85 c) Derivative Finanzinstrumente und Sicherungsgeschäfte ..........................85 (1) Allgemeine Grundsätze ......................................................................86 (2) Die Bilanzierung von nicht zu Sicherungszwecken eingesetzten Derivaten ............................................................................................87 (3) Die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Hedging Activities) ...........................................................................................87 (a) Fair Value Hedge ........................................................................88 (b) Cash-flow Hedge.........................................................................88 (c) Foreign Currency Hedge .............................................................89 4. Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften nach IAS.........................................................................................................89 a) Einführung.................................................................................................89 b) Anwendungsbereich ..................................................................................90 c) Die Bilanzierung von „ungebundenen“ Finanzinstrumenten....................91 d) Die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften.............................................93 5. Der Entwurf der Joint Working Group of Standard Setters...........................94 a) Einführung.................................................................................................94 b) Anwendungsbereich ..................................................................................95 c) Generelle Fair Value-Bewertung...............................................................96 d) Keine Sonderregeln für Sicherungsgeschäfte............................................96 e) Zusätzliche Angaben .................................................................................97 6. Die Fair Value-Richtlinie der EU vom 27. September 2001 .........................97 a) Einführung.................................................................................................97 b) Anwendungsbereich ..................................................................................98 c) Weitergehender Richtlinienentwurf ..........................................................98

8

d) Bilanzierung von Zeitwertveränderungen .................................................99 e) Sicherungsgeschäfte ................................................................................100 f) Publizitätspflichten..................................................................................100 IV. Weitere Ansätze von Zeitwertbilanzierung ......................................................100 1. Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (Investment Property) ...........100 2. Sachanlagevermögen ...................................................................................102 3. Landwirtschaft .............................................................................................103 4. Bodenschätze ...............................................................................................105 5. Vorräte und Warenlager...............................................................................105 6. Fair Value bei der Bilanzierung des Goodwill gemäß US-GAAP – SFAS 141 und 142 .......................................................................................106 7. Sonstiges ......................................................................................................106 V.

Die Entwicklung zeitwertorientierter Ansätze in der Rechnungslegung..........107 1. Zeitwerte in der klassischen Bilanztheorie ..................................................107 a) Statische Bilanztheorie ............................................................................107 b) Dynamische Bilanztheorie ......................................................................108 c) Organische Bilanztheorie ........................................................................111 2. Jüngere Ansätze – „Inflation Accounting“ ..................................................113

VI. Ansätze von Zeitwertbilanzierung im Jahresabschluss nach HGB ..................115 1. Marktwert und beizulegender Zeitwert gemäß § 253 HGB.........................115 2. Wertaufholung/Zuschreibung gemäß § 280 HGB .......................................115 3. Teilgewinnrealisierung bei der Bilanzierung von langfristigen Aufträgen und teilweise erfüllten Leistungen..............................................117 4. Die Bilanzierung von Gewinnen eines Tochterunternehmens im Jahresabschluss des Konzernmutterunternehmens ......................................119 5. Ansätze von Zeitbewertung im HGB-Konzernabschluss ............................120 a) Zeitwertbilanzierung im Konzernabschluss allgemein ...........................120 b) Zeitwerte im Rahmen der Konsolidierung des Eigenkapitals .................121 c) Zeitwerte im internationalen Konzernabschluss – Währungsumrechnung ............................................................................123 VII. Vergleich und Analyse der bestehenden und geplanten Regelungen zur Zeitwertbilanzierung.........................................................................................125 1. Grundelemente von Zeitwertbilanzierung ...................................................125 2. Vergleich der betrachteten Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten......................................................................................126 a) Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten ....................................126 b) Hedge Accounting...................................................................................128 3. Vergleich von Fair Value Accounting mit den früheren Konzeptionen einer Bilanzierung zum sogenannten Tageswert .........................................130 4. Ein grundlegend neues Bilanzverständnis des HGB?..................................131 VIII. Die absehbare weitere Entwicklung .................................................................132 1. Pläne der internationalen Standardsetter und Rechnungslegungsstrategie der EU .............................................................132 2. Erstreckung auf den Einzelabschluss ...........................................................138

9

D. Rechtliche Konsequenzen von Rechnungslegung auf der Grundlage von Zeitwerten .................................................................................................................145

10

I.

Auswirkungen der Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss nach deutschem Recht ...............................................................................................146 1. Die traditionelle Funktion der handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für das deutsche Recht im Überblick....................146 2. Auswirkungen von Fair Value Accounting in der Handelsbilanz ...............148 a) Schutzzweckkonzeption des Handelsbilanzrechts ..................................148 (1) Grundprinzipien handelsrechtlicher Bilanzierung ...........................148 (2) Aufgaben der Handelsbilanz ............................................................150 (a) Dokumentation..........................................................................150 (b) Ausschüttungsbemessung .........................................................151 (c) Rechenschaft und Information ..................................................152 (3) Schutzzweck des Handelsbilanzrechts: „Gläubigerschutz – Grundprinzip des deutschen Bilanzrechts“? ....................................157 b) Ansatz......................................................................................................159 c) Bewertung – Vorsichtsprinzip.................................................................160 d) Gewinnermittlung....................................................................................161 e) Stille Reserven.........................................................................................165 f) Folgen von Fair Value Accounting für System und Bedeutung bilanzrechtlicher Grundprinzipien und Aufgabenstellungen ..................166 3. Auswirkungen von Fair Value Accounting im Aktienrecht ........................167 a) Die gesellschaftsrechtliche Schutzzweckkonzeption des deutschen Rechts und ihre Schnittstellen mit der Handelsbilanz.............................167 (1) Gläubigerschutz als Hauptanliegen des Rechts der Kapitalgesellschaften .......................................................................167 (2) Grundkapital und gesetzlich fixierte Nennkapitalziffer ...................168 (a) Grundkapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung .........168 (b) Grundkapital als Haftungssubstrat ............................................169 (3) Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung ...........................171 (a) Bilanzgewinn als Maßstab des Ausschüttungsanspruchs der Aktionäre...................................................................................171 (b) Bilanzielle Gewinnermittlung und Kapitalerhaltung ................172 b) Folgen von Fair Value Accounting für Gesellschaftsrecht und Kapitalschutzsystem................................................................................173 (1) Wegfall einer tauglichen Grundlage für die Ausschüttungsbemessung.................................................................173 (2) Aushöhlung des Systems von Nennkapital und Kapitalschutz ........174 c) Das Vorwarnsystem gemäß § 92 Abs. 1 AktG .......................................175 4. Fair Value Accounting und Insolvenzrecht .................................................176 5. Fair Value Accounting, Steuerrecht und Maßgeblichkeitsprinzip...............178

II.

Funktion und rechtliche Einbindung des Jahresabschlusses in den USA.........183 1. Grundprinzipien und Aufgaben von Rechnungslegung angelsächsischer Prägung ........................................................................................................183 a) Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen.............................................................................................184 (1) Conceptual Framework des FASB...................................................184

(2) Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Jahresabschlüssen des IASB ............................................................185 b) Aufgaben und Ziele der Rechnungslegung .............................................186 c) Schutzzweck der Rechnungslegung ........................................................188 2. Trennung von Gesellschafts- und Bilanzrecht .............................................190 a) Gläubigerschutzkonzept und Abschaffung des „Legal Capital“.............190 b) Gewinnbeteiligungsanspruch der Aktionäre und Ausschüttungsbemessung in den USA....................................................192 3. Handels- und Steuerbilanz ...........................................................................195 III. Folgerungen für das deutsche Recht.................................................................196 1. Informations- statt Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz...............................................................................................198 2. Abkopplung des Aktienrechts vom Bilanzrecht ..........................................200 a) Abschaffung des Nennkapitalsystems und des Kapitalschutzes durch Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung ..................................200 b) Alternative Möglichkeiten der Ausschüttungsbemessung im deutschen Recht.......................................................................................205 (1) Problemstellung und Interessenlage.................................................205 (2) Lösungsansätze.................................................................................207 3. Neuorientierung des aktien- und bilanzrechtlichen Schutzzwecksystems ....................................................................................211 a) Relativierung des Dogmas vom Vorrang des Gläubigerschutzes im Aktienrecht ..............................................................................................211 b) Anlegerschutz als Forderung der Kapitalmärkte.....................................213 E. Moderne Corporate Governance als taugliches System des Interessenausgleichs in der Kapitalgesellschaft..........................................................................................215 I.

Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht als Ersatz und Ergänzung von Gesellschaftsrecht .............................................................................................215 1. Die traditionelle Aufgabenzuweisung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.........................................................................................215 a) Gesellschaftsrecht....................................................................................215 b) Kapitalmarktrecht....................................................................................216 c) Kapitalmarktrecht als bundesrechtliche Ergänzung einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts in den USA ..............................................................217 2. Ergänzung durch die Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes ................218 a) Begrenztheit institutionell-gesellschaftsrechtlicher Unternehmens(leiter)kontrolle ................................................................218 b) Kapitalmarkt als notwendiges zusätzliches Regulativ ............................221 c) „Internationalisierung“ des Bilanzrechts und „Amerikanisierung“ des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts .............................................221 3. Zusammenwirken von Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht .......222

II.

Betonung der Anlegerinteressen und Schutz anderer Interessengruppen ..........223 1. Gleichklang der Interessen von Anteilseignern und anderen Beteiligten ....223 a) Problemstellung.......................................................................................223 b) Ausschüttungsinteressen .........................................................................224

11

c) Informationsinteressen ............................................................................226 d) Einflussnahme im Unternehmen .............................................................227 e) Interessen der weiteren „Stakeholder“ ....................................................228 2. Shareholder Value als Bindeglied aller Interessengruppen in der Publikumsaktiengesellschaft........................................................................228 III. Schutzrichtung der Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt ...231 1. Eigenkapitalmärkte und Anlegerschutz .......................................................231 2. Der Markt für Fremdkapital als gleichwertiges Instrument der Unternehmens(leiter)kontrolle .....................................................................231 a) Annäherung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung .........................232 b) Rating und Indizwirkung der Fremdfinanzierungsfähigkeit ...................232 IV. Festsetzung angemessener Ausschüttungsbeträge............................................234 V.

Zwischenergebnis .............................................................................................235

F. Zeitwertbilanzierung als Beitrag zu einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung......................................................................................................237

12

I.

Verbesserung und Erleichterung der Abbildung von Finanzinstrumenten im Jahresabschluss............................................................................................237 1. Die Corporate Governance-Relevanz von Finanzinstrumenten...................237 2. Risikoeinschätzung und Beurteilung des Umgangs mit Derivaten durch die Unternehmensführung............................................................................238 3. Verwendbarkeit dank Bilanzierbarkeit ........................................................240

II.

Verbesserung der Informationsfunktion von Rechnungslegung durch zeitwertorientierte Bilanzierung .......................................................................241 1. Anforderungen des Kapitalmarktes an die Rechnungslegung .....................241 a) Lieferung von Information als Grundlage kompetenter Investitionsentscheidungen .....................................................................241 b) Anforderungen an die Rechnungslegung nach US-GAAP und IAS ......243 (1) Relevanz ...........................................................................................244 (2) Verlässlichkeit..................................................................................245 (3) Vergleichbarkeit ...............................................................................246 2. Informationswert handelsrechtlicher Rechnungslegung..............................246 a) Grenzen der Informationsproduktion handelsrechtlicher Rechnungslegung ....................................................................................246 (1) Komplexität der abzubildenden Sachverhalte..................................247 (2) Vergangenheitsbezogenheit und Unvollständigkeit der Daten ........247 (3) Wahlrechte und Gestaltungsmöglichkeiten......................................248 (4) Vorsichtsprinzip und stille Reserven................................................249 (5) Objektivität und Relevanz................................................................250 b) Überlegener Informationswert von Rechnungslegung nach USGAAP und IAS........................................................................................250 c) Empirischer Nachweis des generellen Informationswerts externer Rechnungslegung ....................................................................................253 d) Empirischer Nachweis der Überlegenheit von Rechnungslegung nach US-GAAP oder IAS........................................................................253

3. Steigerung des Informationswerts von Rechnungslegung durch zeitwertorientierte Bilanzierung...................................................................254 a) Generelle Informationsorientierung der Rechnungslegung ....................254 b) Produktion (entscheidungs-)relevanter Information durch Fair Value Accounting ..............................................................................................255 (1) Gesteigerte Aktualität der Rechnungslegungsinformation ..............255 (2) Abbildung künftiger Cashflows und Liquiditätsspeicher.................256 (3) Reduzierung stiller Reserven ...........................................................256 (4) Vergleichbarkeit ...............................................................................257 (5) Leistungskontrolle der Unternehmensführung („performance measurement“) .................................................................................257 (6) Abbildung immaterieller Vermögenswerte und derivativer Finanzinstrumente ............................................................................258 c) Ausreichende Verlässlichkeit und Objektivität.......................................259 III. Erhöhung des Ausschüttungsdrucks und Beschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit.............................................................................260 IV. Flexibilisierung des Finanzmanagements.........................................................261 V.

Zwischenergebnis .............................................................................................261

G. Zusammenfassung, Einschränkungen und Ausblick ................................................263 Literaturverzeichnis .......................................................................................................273

13

Abkürzungsverzeichnis

a.A. a.a.O. ABl. Abs. a.F. AG AktG Am.Econ.Rev. Am.J.Comp.L. Anm. AO ARB Art., Artt. Aufl. BB Bd. betr. BFH BFuP BGB BGH BGHZ

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz alte Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen Aktiengesetz American Law and Economics Review The American Journal of Comparative Law Anmerkung Abgabenordnung Accounting Research Bulletin Artikel Auflage

BWL bzw.

Betriebs-Berater: Zeitschrift für Recht und Wirtschaft Band betreffend Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985 Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise

CalPERS

California Public Employees Retirement System

d.h. DB ders. dies. Diss. DM DRS DRSC

das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe dieselbe; dieselben Dissertation Deutsche Mark Deutsche Rechnungslegungsstandards Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V.

BiRiLiG BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE

14

DSR DStR DStZ DTG

Deutscher Standardisierungsrat (beim DRSC) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Treuhand Gesellschaft

EAR ebd. EG EGV Einf. Einl. engl. EStG EU EuGH EWG EWS

European Accounting Review ebenda Europäische Gemeinschaft Vertrag der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung englisch Einkommensteuergesetz Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht – Betriebsberater für Europarecht (Zeitschrift)

f., ff. FASB FAZ FB Fin.Executive Fn. FN-IDW

(fort-)folgende Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz Betrieb (Zeitschrift) Financial Executive (Zeitschrift) Fußnote IDW-Fachnachrichten: Aktuelle Informationen des IDW für seine Mitglieder Festschrift

FS GAAP GesO GG GmbH GmbHG GoB griech. Großkomm. GuV

Generally Accepted Accounting Principles Gesamtvollstreckungsordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung griechisch Großkommentar Gewinn- und Verlustrechnung

Harv.L.Rev. HGB h.Lit. h.M. Hrsg.

Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Ansicht in der Literatur herrschende Meinung Herausgeber

IAS

International Accounting Standards

15

IASB IASC i.d.R. IDW IFRS insbes. InsO Int.J.Acct. IOSCO IRC i.V.m.

International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. International Financial Reporting Standards insbesondere Insolvenzordnung The International Journal of Accounting International Organisation of Securities Commissions (Internationale Vereinigung der Börsenaufsichten) Internal Revenue Code in Verbindung mit

J.Acct. J.Fin.Econ. J.Pol.Econ. JWG JWGSS JZ

Journal of Accountancy Journal of Financial Economics The Journal of Political Economy Joint Working Group (of Standard Setters) Joint Working Group of Standard Setters Juristen-Zeitung

KapCoRiLiG KIR KK-AktG KO KOM KonTraG KoR KWG

Kapitalgesellschaften- und Co.-Richtlinie-Gesetz Kurznachrichten Internationale Rechnungslegung Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Konkursordnung Kommission Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kreditwesengesetz

LBO Lit. lit.

Leveraged Buy Out Literatur Buchstabe

M.B.C.A. MBO MüKo m.w.N.

Model Business Corporation Act Management Buy Out Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen

n.F. NJW No. Nr. NYSE

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Numero Nummer New York Stock Exchange

ÖBA

Bank-Archiv : Zeitschrift für das gesamte Bankund Börsenwesen (vormals Österreichisches Bank-Archiv)

16

OECD o.O. OTC RabelsZ

Organisation for Economic Co-operation and Development ohne Ortsangabe Over-the-counter (außerbörslich)

RegE RIW R.M.B.C.A. Rn. ROHGE Rspr.

Zeitschrift für ausländisches und internationales Recht, begründet von Rabel Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen Regierungsentwurf Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revised Model Business Corporation Act Randnummer Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rechtsprechung

S. SEC SFAC SFAS SIC s.o. s.u. str. StuB SWI SZW

Satz; Seite Securities and Exchange Commission Statement of Financial Accounting Concepts Statement of Financial Accounting Standards Standard Interpretations Committee (des IASB) siehe oben siehe unten streitig Steuer- und Bilanzpraxis (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

TransPuG Tul.L.Rev. Tz.

Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Tulane Law Review Textziffer

u. u.a. U.Chi.L.Rev. UCLA L.Rev. Urt. USA US-GAAP

und und andere The University of Chicago Law Review University of California Los Angeles Law Review Urteil United States of America United States Generally Accepted Accounting Principles

v. Va.L.Rev. vgl. VglO Vol.

versus (engl.: gegen); von Virginia Law Review vergleiche Vergleichsordnung volume

RechVersV

17

Wayne L.Rev. WM WPg WpHG WPK WPK-Mitt. WpÜG z.B. ZfB ZfbF ZGR ZHR ZIAS Ziff. ZIP zit. ZSR

18

Wayne Law Review Wertpapiermitteilungen: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeitsund Sozialrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Schweizerisches Recht

A.

Einleitung

In Deutschland ist die Börseneuphorie der neunziger Jahre verflogen. Die unerfüllten Versprechungen der sogenannten „New Economy“ und die Erkenntnis, dass man an der Börse nicht nur Geld verdienen, sondern auch verlieren kann, führten zu einem Rückzug vieler Anleger von der Börse. Das junge Pflänzchen deutscher Aktienkultur drohte so bereits in einem frühen Stadium seiner Entwicklung zu verdorren. Die erschütternden Ereignisse des 11. September 2001 und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung taten ein übriges, die Kapitalmärkte nachhaltig einbrechen zu lassen1. Darüber hinaus haben die Vorkommnisse bei Enron, Worldcom und anderen US-amerikanischen Unternehmen das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte weltweit beeinträchtigt. Trotz allem spricht aber einiges dafür, dass diese Rückschläge nur zu einem „Zwischentief“ der langfristigen und nachhaltigen Entwicklung des deutschen und europäischen Kapitalmarktes geführt haben. Im Verlauf des Jahres 2003 konnte sich der Deutsche Aktienindex DAX spürbar erholen, gleichwohl ohne auch nur annähernd das Niveau der Jahre 1999 bis 2001 zu erreichen. Die Gesetzgebungstätigkeit der letzten Jahre belegt, dass auch die rot-grüne Bundesregierung erkannt hat, wie wichtig ein funktionierender Kapitalmarkt für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist2. Das Erfordernis einer privaten Altersvorsorge im Angesicht des Scheiterns staatlicher Fürsorgekonzepte ist ein weiterer Katalysator für eine langfristige Evolution deutscher Aktienkultur. Ein funktionierender und konkurrenzfähiger Kapitalmarkt in Deutschland ist auf Dauer nicht nur erforderlich, sondern unausweichlich. Maßgeblich für diesen Trend ist seitens der Unternehmen das Erfordernis, sich zusätzliche Kapitalquellen zugänglich zu machen, da die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre einen gesteigerten Kapitalbedarf der Unternehmen mit sich brachte. Ursächlich dafür sind der rasante Fortschritt auf allen Gebieten der Technik und die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs in einer dank moderner Kommunikationstechnik „kleiner“ gewordenen Welt. Die Unternehmen brauchen Kapital nicht nur um innovations- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Kapital wird auch benötigt, um Wachstum durch Akquisition zu ermöglichen und auf diese Weise die für den internationalen Wettbewerb erforderliche kritische Größe und Finanzkraft zu erlangen. Die Aktie dient

1

2

Vgl. nur FAZ – Wirtschaft vom 15.6.2002, S. 13. Die massiven Kursverluste werden begleitet von den Vertrauensverlusten von Anlegern wie Unternehmen; die verschwindend geringe Anzahl an Börsengängen und Neuemissionen belegt, dass vor allem auch für junge Unternehmen der (Eigen-)Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle einen Ansehens- und Bedeutungsverlust hinnehmen musste. Z.B. Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19.7.2002, BGBl. 2002 I, 2681; Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002, BGBl. 2002 I, 2010; WpÜG vom 20.12.2001, BGBl. 2001 I, 3822; zur Begründung des TransPuG mit kapitalmarktorientierten Erwägungen seitens der Bundesregierung vgl auch Schüppen, ZIP 2002, 1269 u. 1277 m.w.N.

19

nicht mehr nur der Kapitalbeschaffung, sondern muss auch als „Akquisitionswährung“ 3 fungieren . Mit dem Phänomen der Globalisierung geht die Internationalisierung der Kapitalmärkte einher. Die Unternehmen müssen zur Deckung ihres gestiegenen Kapitalbedarfs zunehmend nicht nur den heimischen, sondern darüber hinaus auch weitere Kapitalmärkte erschließen und in Anspruch nehmen. Naturgemäß steht hier – schon allein aufgrund seiner Größe und seines Volumens – der US-amerikanische Markt und damit der Gang an die „Wall Street“ im Mittelpunkt des Interesses. In den letzten Jahren sind daher zahlreiche deutsche Unternehmen mit einem „Listing“ an die New York Stock Exchange (NYSE) gegangen4. Die Finanzkraft gerade zahlreicher institutioneller Anleger aus den USA macht aus Sicht der deutschen Wirtschaft außerdem eine Öffnung des einheimischen Kapitalmarktes für ausländische Investoren interessant. Die Attraktivität des deutschen Kapitalmarktes wird zum überlebenswichtigen Wettbewerbsfaktor für die hiesigen Unternehmen. Globalisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte steigern die ohnehin schon hohe Mobilität des Kapitals weiter. Die genannten Faktoren tragen zu einer ständigen Verschärfung der Wettbewerbssituation bei. Da die Anleger nur bereit sind, dort zu investieren, wo sie ihre Rechte auch wohlvertreten und -beschützt wissen, wird der Wettbewerb um Kapital damit auch zum Wettbewerb der Rechtsordnungen. Bei deutschen Unternehmen führt die verstärkte Inanspruchnahme des Kapitalmarktes bei der Unternehmensfinanzierung zu einer zunehmenden Schwerpunktverlagerung von den traditionellen Hausbanken hin zum Kapitalmarkt und seinen verschiedenen, sich immer weiter entwickelnden Finanzierungsinstrumenten. Während auf den Kapitalmärkten der Wettbewerb der Unternehmen um Kapital entstand, löste sich das enge Beziehungsgeflecht zwischen Kapitalgeber (sprich: Hausbank) und Unternehmen auf und konnte nicht mehr für die Interessenwahrnehmung aller Kapitalgeber sorgen5. Dadurch ist eine Lücke im deutschen System der „Unternehmenskontrolle“ entstanden. Die Investoren, die den Unternehmen Kapital über den (Eigen-)Kapitalmarkt überlassen, haben gerade in Deutschland traditionellerweise nicht annähernd soviel Einfluss wie die Banken als Fremdkapitalgeber. Viele ausländische Investoren fordern daher seit einigen Jahren auch von einheimischen Unternehmen eine „good corporate governance“ als Grundvoraussetzung ihres finanziellen Engagements6. Leitmotiv ist dabei der Gedanke des Shareholder Value7. Die internationalen institutionellen Anleger erwarten von den deutschen Unternehmen vor

3 4 5 6 7

20

Vgl. Herzig, FAZ vom 11.3.2002, S. 27. Die Daimler-Benz AG bereits 1993, vgl. Ebke, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 12, 13 f. m.w.N. Allein zwischen 1991 und 1996 hat sich die Zahl der an der NYSE notierten ausländischen Unternehmen etwa verdoppelt, vgl. Ebke, FS Buxbaum, S. 113, 115 m.w.N. Dazu Ebke, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 12, 13; Kübler, ZGR 2000, 550, 555; zum Wettbewerb der Unternehmen um Kapital vgl. auch RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. Deutscher Corporate Governance Kodex/von Werder, Vorbem. Rn. 2. Vgl. statt aller: von Wartenberg, WM 2001, 2239.

allem ein gewisses quantitatives und qualitatives Niveau an Information, bevor sie ihnen Kapital zur Verfügung stellen. Dazu gehören insbesondere Zahlen und Daten, die denjenigen der Unternehmen in ihren Heimatkapitalmärkten vergleichbar sind. Im Rahmen dessen wird regelmäßig auch die Forderung nach einer Rechnungslegung auf der Grundlage international anerkannter Grundsätze erhoben. Das Investitionsvolumen und die Marktkraft zahlreicher institutioneller Investoren insbesondere aus den Verei8 nigten Staaten verleihen dieser Forderung erheblichen Nachdruck . Durch den am 30. 9 Juli 2002 vom US-Präsidenten unterzeichneten Sarbanes-Oxley-Act hat die Corporate Governance-Diskussion einen weiteren kräftigen Schub aus den USA erhalten. Insbesondere die US-amerikanischen Anforderungen an Unternehmen haben damit auch in Deutschland eine Diskussion über „gute Corporate Governance“ börsennotierter Kapitalgesellschaften angestoßen, die einen vorläufigen Abschluss im Deutschen Corporate Governance Kodex der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex vom 26. Februar 200210 gefunden hat, in dem international und national anerkannte Standards guter Unternehmensführung insbesondere im Hinblick auf eine Verbesserung der Transparenz zur Stärkung des Vertrauens der Kapitalmärkte formuliert sind11. Gemäß Ziff. 7.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex sollen börsennotierte Kapitalgesellschaften Konzernabschluss und Zwischenberichte unter Beachtung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze aufstellen. Der Rechnungslegung wird damit eine neue Rolle zugewiesen. Sie ist als Informationsinstrument für Kapitalmarkt und Anleger ein wichtiges Element „guter Corporate Governance“ verstanden als wirksame Unternehmens(leiter)kontrolle im Interesse der Kapitalanleger. Skandale wie die um Enron und Worldcom und die Reaktion des Gesetzgebers in den Vereinigten Staaten mit dem Sarbanes-Oxley-Act of 2002 belegen die Bedeutung von Rechnungslegung und Abschlussprüfung für die Wahrung der Rechte der Kapitalanleger. In Deutschland zeigte der Streit der Metallgesellschaft mit ihrem Großaktionär Happel im Frühjahr 2001, bei dem es nicht zuletzt um Fragen der Rechnungslegung ging, den engen Zusammenhang zwischen Rechnungslegung und Interessen der Aktionäre, zwischen Rechnungslegung und Corporate Governance. Die Auseinandersetzung kreiste um Performancedruck für Unternehmen und Management sowie um Kontrolle der Unternehmensleitung und Bilanzierung. Es ging um die Eignung von Rechnungslegung als Grundlage der Investitionsentscheidung des Anlegers und die Erkennbarkeit

8 9 10 11

Ebke, FS Buxbaum, S. 113, 121. Sarbanes-Oxley Act of 2002, im Internet abrufbar unter http://www.law.uc.edu/ CCL/SOact/soact.pdf. Zuletzt geändert am 21.5.2003, veröffentlicht am 4.7.2003; im Internet abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de. Gleichwohl ist die Corporate Governance-Diskussion in Deutschland damit nicht beendet; Der Kodex ist Gegenstand regelmäßiger Überprüfung und Überarbeitung, das wirtschaftliche Tagesgeschehen erfordert regelmäßig neue Antworten auch im Bereich der Corporate Governance. Zum weiteren Reformbedarf und der sogenannten „Aktienrechtsreform in Permanenz“ vgl. Seibert, AG 2002, 417 m.w.N.

21

12

von Missmanagement anhand der von Rechnungslegung gelieferten Information . Die Kontroverse ist damit ein geradezu klassischer Corporate Governance-Fall. Die Tatsache, dass ein Aktionär Rechnungslegungsfragen zum zentralen Gegenstand einer Auseinandersetzung mit der Gesellschaft macht, ist ein Indiz für die zentrale Rolle, die Rechnungslegung für die Interessen der Anleger einnimmt. Die Anforderungen der USamerikanischen Börsenaufsicht SEC an die Rechnungslegung der Unternehmen und die Erwartungen der amerikanischen institutionellen Investoren unterstreichen die Bedeutung von Rechnungslegung für das Verhältnis von Anlegern und Unternehmensleitung. Rechnungslegung nach international anerkannten Grundsätzen ist deshalb nicht nur in vielen Fällen Zugangsvoraussetzung zu ausländischen Kapitalmärkten, sondern auch entscheidend für die Öffnung und die Attraktivität des einheimischen Kapitalmarktes und für die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten hiesiger Unternehmen13. Globale Märkte erfordern globale Rechnungslegungsregeln14. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zeichnet sich daher seit einigen Jahren der Trend ab, zumindest börsennotierten Unternehmen jedenfalls die Erstellung des Konzernabschlusses im Einklang mit international anerkannten Rechnungslegungsstandards zu gestatten15. In den international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen wiederum befindet sich eine Bilanzierung zum sogenannten Fair Value auf dem Vormarsch und greift damit eine andere Entwicklung der internationalen Kapitalmärkte auf: die sogenannten innovativen Finanzinstrumente. Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist es, den Nachweis zu erbringen, dass in der Publikumsaktiengesellschaft der Kapitalmarkt ein wirksames Instrument der Unternehmens(leiter)kontrolle zugunsten der Kapitalanleger ist, das ergänzend neben die „klassischen“, insbesondere aktienrechtlichen Kontrollinstrumente tritt, und dass darüber hinaus ein modernes System „guter Corporate Governance“ geeignet ist, einen gerechten Ausgleich der Interessen im Unternehmen herbeizuführen und dadurch gleichzeitig den Erwartungen und Bedürfnissen der internationalen Kapitalmärkte zu entsprechen. Dabei sollen insbesondere die Auswirkungen von Zeitwertbilanzierung und ihr Beitrag zu einem solchen System untersucht werden. Die Arbeit verknüpft die Corporate Governance-Debatte mit der Diskussion über eine Reform und „Internationalisierung“ der Rechnungslegung und untersucht, ob eine „Internationalisierung“ der Rechnungslegung eine Veränderung und Anpassung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts erfordert und gegebenenfalls begünstigt. 12 13 14 15

22

Vgl. nur FAZ vom 29.3.2001, S. 17. Dazu Ebke, FS Buxbaum, S. 113, 121; ders., in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 43, 55 f. Ebke, FS Buxbaum, S. 113, 136; vgl. auch Krumnow, FS Moxter, S. 679, 685 f. Vgl. § 292 a HGB, der freilich nur bis zum 31.12.2004 befristet ist; mit der EU-IASVerordnung vom 19.7.2002 wurde die Erstelllung des Konzernabschlusses börsennotierter Unternehmen nach IAS/IFRS für Geschäftsjahre beginnend mit dem 1.1.2005 europaweit verpflichtend, Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243/1 v. 11.9.2002 (EU-IAS-Verordnung).

Dazu werden zunächst Inhalt und Bedeutung von „Corporate Governance“ und das der Corporate Governance-Diskussion zugrundeliegende Phänomen der Trennung von Eigentum und Kontrolle in der modernen Publikumsaktiengesellschaft sowie die wesentlichen Instrumente der Unternehmenskontrolle kurz beschrieben. Dabei wird insbesondere auf die Möglichkeiten von Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt, hier vor allem den sogenannten Markt für Unternehmenskontrolle (market for corporate control), und deren Voraussetzungen eingegangen sowie die Rolle von Rechnungslegung für die Unternehmenskontrolle erläutert. Abschließend wird kurz der Stand der Umsetzung dieser Erkenntnisse auf nationaler und europäischer Ebene dargestellt. Vor diesem Hintergrund wird die Reformdiskussion im Bereich der Rechnungslegung im Hinblick auf die Einführung von Fair Value Accounting im Jahresabschluss großer Publikumsaktiengesellschaften beschrieben. Dazu wird zunächst in aller Kürze die Entwicklung innovativer Finanzinstrumente und ihre Verwendung im Unternehmen geschildert. In einem weiteren Schritt werden die mit der zunehmenden Verwendung solcher Finanzinstrumente verbundenen Bilanzierungsprobleme in ihren Grundzügen dargestellt. Die Bilanzierung zu Zeitwerten wird allgemein als Lösung dieser Probleme verstanden. Entsprechend untersucht die Arbeit im Anschluss die Regelungen zur Einführung von Zeitwertbilanzierung in den US-GAAP, den IFRS und dem europäischen Recht und vergleicht sie mit ähnlichen Ansätzen in der klassischen Bilanztheorie und dem heutigen HGB. Daran anknüpfend wird die weitere Entwicklung des Bilanzrechts auf deutscher und europäischer Ebene skizziert und die Prognose gewagt, dass angesichts der Entwicklung des europäischen Bilanzrechts mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs von Zeitwertbewertung als maßgeblichem Bewertungsgrundsatz auch im Einzelabschluss gerechnet werden muss. Daraufhin werden die Auswirkungen der Einführung von Zeitwertbilanzierung im deutschen Recht erörtert und analysiert und gegebenenfalls erforderliche Änderungen im Hinblick auf die Anforderungen des Kapitalmarktes bewertet. Dabei wird vor allem auf das herkömmliche System des Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung im Bilanz- und Aktienrecht eingegangen und untersucht, ob dieses System bei Einführung von Zeitwertbilanzierung aufrechterhalten werden könnte, oder ob es nicht im Zuge dieser Veränderungen im Bilanzrecht abzuschaffen und durch ein modernes, den Anforderungen der internationalen Kapitalmärkte entsprechendes System zu ersetzen wäre. In einem weiteren Schritt wird die Eignung funktionsfähiger Kapitalmärkte zur Überlagerung und Ergänzung gesellschaftsrechtlicher Anleger- und Gläubigerschutzmechanismen dargestellt. Darauf aufbauend wird der Beitrag von Zeitwertbilanzierung zu einem solchen System moderner, vor allem kapitalmarktorientierter Corporate Governance untersucht und bewertet. Die Arbeit versucht dabei nachzuweisen, dass Zeitwertbilanzierung den Interessen der Kapitalmärkte besser gerecht wird als die herkömmliche Bilanzierung zu historischen Kosten, gerade weil sie das herkömmliche System des Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung im Bilanz- und Gesellschaftsrecht aufbricht und damit gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Unternehmens-

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kontrolle leistet. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung wird effiziente Unternehmenskontrolle durch die Kapitalmärkte teilweise überhaupt erst möglich machen, da sie einerseits den dafür erforderlichen Gesinnungswandel in der deutschen Rechnungslegung einleitet und erzwingt, andererseits den Kapitalmarkt mit wesentlicheren Informationen versorgt, als dies eine Rechnungslegung zu historischen Anschaffungskosten zu leisten imstande ist.

24

B.

Corporate Governance, Shareholder Value und Kapitalmarkt

Am 1. Januar 2002 ist das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber einen Rahmen für den sogenannten Markt für Unternehmenskontrolle in Deutschland geschaffen. Kurz darauf, am 26. Februar 2002, hat die von der Bundesregierung auf Empfehlung der Regierungskommission Corporate 16 Governance eingesetzte Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex unter dem Vorsitz von Gerhard Cromme17 den Deutschen Corporate Governance Kodex vorgelegt18. Der Kodex beinhaltet neben einer knappen Darstellung des geltenden Rechts an die Unternehmen gerichtete Empfehlungen und Anregungen für eine 19 „gute Corporate Governance” . Der Kodex wird flankiert von § 161 AktG, eingeführt durch das TransPuG. Diese Bestimmung fordert von Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften eine Erklärung darüber fordert, ob den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wird bzw. welche Empfehlungen nicht angewendet werden (sogenannte Entsprechenserklärung). Die Entwicklung ist mit der Schaffung des Kodex aber keineswegs abgeschlossen: Am 25. Februar 2003 veröffentlichte die Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung von Anlegerschutz und Unternehmensintegrität20. Der Maßnahmenkatalog zielt auf eine Wiedergewinnung des verlorengegangenen Vertrauens der Anleger in die Integrität der Unternehmensführungen und den Aktienmarkt insbesondere durch mehr Transparenz auf dem Kapitalmarkt und Verbesserung der Kontrolle von Unternehmen21. Am 21. Mai 2003 veröffentlichte darüber hinaus die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Verbesserung der Corporate Governance in Europa mit dem Ziel der Stärkung der Aktionärsrechte und der Verbesserung des Schutzes Dritter sowie der Förderung der 22 Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen . Der Aktionsplan beruht auf dem Bericht der von der EU-Kommission eingesetzten Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 4. November 200223, der unter an16 17 18 19 20 21 22 23

Sogenannte „Baums-Kommission“; vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Tz. 5 ff., 17. Sogenannte „Cromme-Kommission“. ZIP 2002, 452; AG 2002, 236; zuletzt geändert am 21.5.2003; im Internet abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de. Dazu Peltzer, NZG 2002, 593; Seibert, BB 2002, 581; Ulmer, ZHR 2002, 150. Deutscher Corporate Governance Kodex, Präambel; Seibert, BB 2002, 581, 582. Sogenanntes Zehn-Punkte-Programm, beruhend auf einem Zehn-Punkte-Programm vom Sommer 2002; Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de ebd. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan, KOM (2003) 284 vom 21. 5. 2003. Nach dem Vorsitzenden der Expertengruppe, Jaap Winter, sogenannter „Winter-Report“, Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Com-

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derem Empfehlungen zur Corporate Governance enthält. Ziel des Aktionsplans ist es insbesondere, das durch die Finanzskandale der jüngeren Vergangenheit verlorengegangene Vertrauen der Anleger durch eine Verbesserung der Corporate Governance in der EU auf der Grundlage gleichwertiger Regeln und Grundsätze auf EU-Ebene wiederher24 zustellen . Sowohl im Deutschen Corporate Governance Kodex als auch in den erwähnten Vorhaben der Bundesregierung und der EU-Kommission haben sich die Überlegungen und Erkenntnisse einer langjährigen Diskussion über „gute Corporate Governance“ nieder25 geschlagen , deren Grundlagen im Folgenden dargestellt werden sollen. Der Schwerpunkt der Darstellung wird dabei auf der Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt als einer besonderen und im deutschen Corporate Governance-System verhältnismäßig neuen Facette des Themas „Corporate Governance“ liegen.

I.

Der Begriff „Corporate Governance“

Der Begriff „Corporate Governance“ ist seit einigen Jahren in aller Munde26, ohne dabei wirklich einer Übersetzung zugänglich zu sein, die ihm in seiner schillernden Vielfalt auch gerecht wird. Wörtlich bedeutet „Corporate Governance“ „körperschaftliche Steuerung“27. Der Begriff bezeichnet also die Art und Weise, in welcher Unternehmen geführt werden, „the system by which companies are run“. Diese Aussage entbehrt aber noch jeder inhaltlichen Schärfe28. Die verschiedenen Versuche einer Begriffsbestimmung geraten 29 dementsprechend nicht immer eindeutig; ihre Variationsbreite ist enorm . Grund dafür ist, dass je nach Blickwinkel und Ansatzpunkt der Begriff „Corporate Governance“ die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen der mit einem Unternehmen in Berührung stehenden Personengruppen untereinander und zum Unternehmen selbst sowie zum Kapitalmarkt ebenso bezeichnen kann wie die optimale wertorientierte und wertsteigernde

24 25 26 27 28 29

26

pany Law in Europe, Brussels, 4 November 2002, http://europ.eu.int/comm/internal_market/en/ company/modern/index.htm. KOM (2003) 284, S. 7. Für den Deutschen Corporate Governance Kodex vgl. Hucke/Ammann, Der Deutsche Corporate Governance Kodex, S. 21 f. Vgl. Strenger, DStR 2001, 2225. Engl. „to govern“ (lenken, leiten, steuern); ausführlich zur etymologischen Herleitung des Begriffs von griech. „kybernetes“, latinisiert „gubernator“ für Steuermann und lat. „corporatio“ für Körperschaft: Böckli, SZW 1999, 1, 2. „Cadbury Report“, vgl. Achleitner, in: Der Schweizer Treuhänder 1995, 881; Böckli, SZW 1999, 1, 2. Vgl. dazu statt aller Böckli, SZW 1999, 1, 2, und die launigen Ausführungen von Hakelmacher, WPg 2001, 177, jeweils m.w.N. Allein in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren vier verschiedene Gremien des Problemkomplexes „Corporate Governance“ angenommen, die teilweise verschiedene Ansätze verfolgen: der Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance, die Grundsatzkommission Corporate Governance (auch Frankfurter Initiativkreis genannt) und die Regierungskommission Corporate Governance (sowie auf deren Arbeiten aufbauend die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex); dazu Volk, DStR 2001, 412; U.H. Schneider, DB 2000, 2413.

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Führung des Unternehmens durch sein Management . Der Begriff kann reduziert sein auf die Frage der Überwachung und Kontrolle des Managements durch die Anteilseigner; er kann aber auch ein ganzes Geflecht von Beziehungen umfassen, die weit über das Unternehmen hinaus reichen und den Staat ebenso einbeziehen wie beispielsweise die interes31 sierte Öffentlichkeit, Arbeitnehmer und Gewerkschaften . Aus amerikanischer Sicht kann Corporate Governance bezeichnet werden als der Prozess der Kontrolle und der Verwaltung des Vermögens und der Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft im Interesse der Eigentümer dieser Gesellschaft. Dabei geht es um die Verantwortlichkeit und die Überwachung des Managements sowie die Mechanismen, die sicherstellen, dass das Management fundierte Entscheidungen trifft und im Interesse der Aktionäre handelt32. Für manche Autoren bezeichnet Corporate Governance lediglich 33 die gesetzliche Unternehmensverfassung . Andere beschränken den Begriff auf die Beziehungen aller an der Bestimmung von Leitung und Leistung des Unternehmens Beteiligten („stakeholders“) 34 , manche beschränken ihn hauptsächlich auf das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Managern der Aktiengesellschaft und damit letztlich auf die Überwachung des Managements durch die Anteilseigner („monitoring“) und die Durchsetzung und Bewahrung der Rechte der Anteilseigner gegenüber den Manage35 mentinteressen . Systematisiert man die zahlreichen Ansätze, lässt sich Corporate Governance als die Lehre von einer optimalen Unternehmensführung und einer optimalen Überwachung dieser Führung bezeichnen36. Der Begriff „Corporate Governance“ beinhaltet somit Unternehmensführung und -steuerung einerseits und Unternehmenskontrolle und -überwachung andererseits37. Optimale Unternehmensführung und -steuerung im betriebswirtschaftlichen Sinne beinhaltet, dass die Unternehmensleitung das Unternehmen erfolgreich und insbesondere im Hinblick auf eine nachhaltige Steigerung von Unternehmenswert und Gewinnen lenkt. Hierbei geht es unter anderem um Fragen der Optimierung unternehmensinterner Informations-, Entscheidungs- und Kontrollprozesse. Optimale Kontrolle durch den Vorstand selbst gilt es zu gewährleisten. Hierzu dienen Interne Revision und Controlling. Die optimale Unternehmensführung in diesem Sinne ist eng verbunden mit dem Begriff des internen Rechnungswesens. Die optimale Überwachung der Führung wiederum hat zum Ziel, die Übereinstimmung der Interessen des Managements einerseits und des Unternehmens an sich sowie der Anteilseigner und an30 31 32 33 34 35 36 37

Vgl. U.H. Schneider, DB 2000, 2413 m.w.N. Vgl. die Aufzählung bei Feddersen/Hommelhoff/Schneider, in: dies. (Hrsg.), S. 1; ähnlich Weston/ Chung/Siu, Takeovers, Restructuring, and Corporate Governance, S. 393. G. Hess, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), S. 9 f. Solange sich die Diskussion allerdings darauf beschränkt, handelt es sich um „alten Wein in neuen Schläuchen“ unter Verwendung neuer, englischsprachiger und deshalb modischerer Termini, U.H. Schneider, DB 2000, 2413; ähnlich Achleitner, in: Der Schweizer Treuhänder 1995, 881. Monks/Minow, Corporate Governance, S. 1. So Pinto, Understanding Corporate Law, S. 83; ähnlich Andre, 73 Tul.L.Rev. 69, 71 (1998). Prägnant: Peltzer/von Werder, AG 2001, 1; ebenso FAZ vom 3.12.2001, S. 15. Ähnlich Böckli, SZW 1999, 1, 2; Achleitner, in: Der Schweizer Treuhänder 1995, 882.

27

deren Beteiligten andererseits herzustellen und zu garantieren. Hier vor allem sind die juristischen Aspekte der Corporate Governance zu lokalisieren. Dieser Aspekt von Cor38 porate Governance lässt sich wiederum in zwei Bereiche unterteilen . Zum einen ist dies die sogenannte interne Corporate Governance. Sie betrifft das „Kräftespiel innerhalb der Kapitalgesellschaft“ 39 und umfasst die gesellschaftsrechtlichen Aspekte der Unternehmenskontrolle. Die interne Corporate Governance beinhaltet die institutionalisierte Kontrolle und Überwachung der Organe, die „Verfassung des Unternehmens“. Die externe Corporate Governance betrifft die unternehmensexternen Beteiligten und 40 den Markt, insbesondere Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt . Die Aktionäre werden von den Mechanismen und Regulativen der internen wie der externen Corporate Governance erfasst. Agieren sie in ihrer Aktionärseigenschaft im Rahmen der ihnen vom Gesetz zugewiesenen internen Möglichkeiten, insbesondere im Rahmen der Hauptversammlung, betrifft dies die interne Corporate Governance beziehungsweise Unternehmenskontrolle. Agieren sie hingegen über den Markt, kann dies ein Fall externer Unternehmenskontrolle sein. Verbunden werden interne und externe Corporate Governance durch Offenlegung und Abschlussprüfung, die nicht nur innerhalb der Kapitalgesellschaft von Bedeutung sind, sondern auch für den Markt, an den sie sich gleichermaßen richten41. Die teilweise, vor allem in der englischsprachigen Literatur, zu beobachtende Beschränkung beziehungsweise Konzentration auf den „Monitoring“-Aspekt, d.h. auf die Fragen effizienter Kontrolle und Überwachung der Unternehmensleitung durch die Anteilseigner und die Wahrung ihrer Rechte, beinhaltet bereits insofern eine Wertung, als die Interessen der Anteilseigner als die entscheidenden und allein maßgeblichen angesehen werden. Dadurch ist der Begriff der Corporate Governance untrennbar verbunden mit der Idee des Shareholder Value und den sogenannten institutionellen Investoren42. Solange sich die Corporate Governance-Diskussion in Fragen der (gesellschaftsrechtlichen) „Spitzenverfassung“ des Unternehmens erschöpft, ist dies in der Tat „alter Wein in neuen Schläuchen“43. Überlegungen zum Verhältnis der Gesellschaftsorgane zueinander und zum Schutz und zur Interessenwahrung der einzelnen an der Kapitalgesellschaft beteiligten oder mit ihr in Kontakt stehenden Personen und Personengruppen sind so alt wie die Rechtsform der Kapitalgesellschaft selbst. Entscheidend aber ist, dass diese Fragen unter dem Blickwinkel des Shareholder Value und der Interessen aller weiteren Beteiligten 44 („stakeholders“) diskutiert werden . Dadurch kommt das Element des Kapitalmarktes hinzu, das als Steuerungs- und Kontrollelement gegebenenfalls ergänzend neben das Gesellschaftsrecht mit seinen Regelungsmechanismen tritt und als solches dem deutschen 38 39 40 41 42 43 44

28

Diesen Aspekt beschreibt Hopt, ZGR 2000, 779, 782. Hopt, ZGR 2000, 779, 782. Hopt, ZGR 2000, 779, 782. Hopt, ZGR 2000, 779, 782. Böckli, SZW 1999, 1, 2. U.H. Schneider, DB 2000, 2413. Böckli, SZW 1999, 1, 2.

45

Recht bisher jedenfalls fremd war . Diese Kombination macht die Diskussion um die 46 Corporate Governance ebenso aktuell wie zeitlos . Der kapitalmarktorientierten Ausrichtung entsprechend rücken die Interessen der Anleger in den Vordergrund. Das theoretische Fundament der Corporate GovernanceDiskussion besteht in der Erkenntnis der Trennung von Eigentum und Kontrolle in der modernen Publikumsaktiengesellschaft und den Überlegungen zur Überbrückung dieses Problems und der optimalen Wahrung und Durchsetzung der Interessen der Anteilseigner gegenüber der Unternehmensleitung. Eine kapitalmarktorientierte Rechnungslegung kann gegebenenfalls dazu beitragen, diese Kontrolle zu verbessern. Da die vorliegende Arbeit ihren Ausgangspunkt im Recht der Rechnungslegung nimmt, konzentriert sie sich auf diesen „Monitoring“-Aspekt von Corporate Governance. Dementsprechend interessiert hier in erster Linie die (externe) Unternehmenskontrolle und -überwachung im Sinne einer Kontrolle der Unternehmensleitung insbesondere durch die Kapitalmärkte. Fragen der (internen) Unternehmenssteuerung und der zu diesem Zweck erstellten internen Rechnungslegung sollen hier weitgehend außer Betracht bleiben.

II.

Shareholder Value als Leitmotiv „guter Corporate Governance“

„Aktionäre sind dumm und frech; dumm, weil sie Aktien kaufen, und frech, weil sie auch noch Dividende haben wollen.“ Von diesem Ausspruch des Berliner Bankiers von Fürstenberg47 bis zu einer modernen, am Interesse der Kapitalanleger ausgerichteten Unternehmensführung führte ein weiter Weg. Es ist vor allem den institutionellen Anlegern zu verdanken, die Diskussion um „gute Corporate Governance“ in den letzten Jahren in Gang gebracht zu haben, indem sie eine wertorientierte Unternehmensführung forderten, die sich an den Interessen aller Aktionäre ausrichtet, aber vor allem an denen der institutionellen Investoren selbst. Zur Wahrung und Durchsetzung dieser Interessen verlangten sie zusätzlich eine effiziente Kontrolle und Überwachung des Managements48. Die Erwirtschaftung langfristig angemessener Anlagerenditen, der Erhalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, insbesondere aber die nachhaltige Erhöhung des Unternehmenswerts (Shareholder Value) lassen sich dabei als Ziele kapitalmarktori49 entierter Unternehmensführung nennen . Dies alles liegt im ureigenen Interesse der Anteilseigner, da mit der Steigerung des Unternehmenswerts auch eine Steigerung des Anteilswerts erreicht wird50. Angesichts des weltweiten Wettbewerbs um Kapital bekennen

45 46 47 48 49 50

Vgl. aber bereits Großfeld/Ebke, AG 1977, 57 u. 92, insbes. S. 98 f. Ebke, JZ 1999, 399. Hier zit. nach Busse von Colbe, WPg 1995, 713. Dazu ausführlich Carlsson, Ownership and Value Creation, S. 25-39; Andre, 73 Tul.L.Rev. 69 (1998), insbes. hinsichtlich des deutschen „Corporate Governance-Systems“ aus US-amerikanischer Sicht. Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 43, 57; vgl. auch Strenger, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 65, 69. Groh, DB 2000, 2153.

29

sich inzwischen zahlreiche Unternehmen, die an diesem Wettbewerb um Eigen-, aber 51 auch um Fremdkapital teilnehmen, zu diesem sogenannten Shareholder Value-Prinzip . Shareholder Value ist der ökonomische Wert, der für die Anteilseigner als Kapitalgeber geschaffen wird. Dieser geht über den Gewinn pro Aktie hinaus. Er berücksichtigt auch die Opportunitätskosten und entspricht so dem „Marktwert des Eigenkapitals“52. Im weiteren Sinne zählen dazu ein überzeugendes Gesamtbild des Unternehmens mit überdurchschnittlichem Management, Konzentration auf die Kernkompetenzen, langfristig überdurchschnittliche Ergebnisse, Transparenz und offene Informationspolitik53. Der Begriff des Shareholder Value bedeutet insofern ein Umdenken, als er den Blick von den Interessen des Unternehmens auf diejenigen der Anteilseigner lenkt54. Der Shareholder Value wird ermittelt auf dem Ertragswertprinzip als Barwert künftiger Überschüsse („discounted cash flows”). Diese Methode wird schon seit langem zur Bewertung ganzer Unternehmen, einzelner Betriebe und Anteile anlässlich eines Eigentümerwechsels angewendet. Neu ist ihre Verwendung zur strategischen Steuerung und Kontrolle des Unternehmens im Sinne 55 einer wertorientierten Unternehmenssteuerung . Während Shareholder Value damit die materiellen Inhalte optimierter Unternehmensführung und -steuerung umschreibt, bezeichnet Corporate Governance die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, um diesen Inhalten Geltung zu verschaffen56. „Gute Corporate Governance“ in diesem Sinne ist somit eine am Shareholder Value und den Bedürfnissen der Kapitalmärkte und ihrer Akteure ausgerichtete Unternehmensteuerung und -überwachung. Es überrascht nicht, wenn eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey vom Juni 2000 belegen kann, dass der Aktienkurs deutscher Unternehmen mit „guter Corporate Governance“ von institutionellen Investoren durchschnittlich über 20% höher bewertet wurde57. Der Kapitalmarkt war also bereit, für „gute Corporate Governance“ eine erhebliche Prämie zu bezahlen. Ebenso wenig überrascht es, dass „gute Corporate Governance“ inzwischen zu den Erwartungen gehört, welche die institutionellen Investoren an die kapitalsuchenden Unternehmen stellen. Immer öfter werden Corporate Governance-Fragen zum entscheidenden Kriterium bei der Bereitstellung von Kapital an ein Unterneh58 men . Die internationalen Kapitalmärkte, insbesondere die institutionellen Anleger in den angelsächsischen Ländern, stellen dabei spezifische Anforderungen an die „Corpo51 52 53 54 55 56 57 58

30

Dazu Schilling, BB 1997, 373, 374. Schilling, BB 1997, 373. Strenger, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 65, 69; grundlegend zum Shareholder Value-Gedanken: Rappaport, Creating Shareholder Value. Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 62; ausführlich dazu auch Groh, DB 2000, 2153. Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 714 f.; Groh, DB 2000, 2153; ausführlich Schilling, BB 1997, 373. Vgl. Strenger, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 71. McKinsey & Company: Investor Opinion Survey on Corporate Governance“, June 2000, http:/www. McKinsey.com; zu weiteren Untersuchungen mit vergleichbaren Ergebnissen vgl. Strenger, DStR 2001, 2225. Vgl. z.B. CalPERS; TIAACref und inzwischen auch DWS, http://www.dws.de; ausführlich dazu Andre, 73 Tul.L.Rev. 69 (1998); Carlsson, Ownership and Value Creation, S. 25-39.

rate Governance“ der kapitalsuchenden Unternehmen. Dazu gehört nicht zuletzt, dass das Verhältnis von Eigentümern beziehungsweise Investoren und Unternehmensleitung optimiert, insbesondere eine optimale Kontrolle der Unternehmensleitung durch die (wirtschaftlichen) Eigentümer und damit die Führung des Unternehmens im Interesse der Aktionäre gewährleistet wird. Shareholder Value wird damit zum Leitmotiv, anhand dessen eine „gute Corporate Governance“ beurteilt wird. Von den Unternehmen erfordert dies eine Orientierung an den Erfordernissen des Kapitalmarktes und seiner Kontrollmechanismen, vom Gesetzgeber die Bereitstellung eines kapitalmarktfreundlichen Ordnungsrahmens, um Unternehmen und Anlegern die Wahrnehmung ihrer Interessen 59 zu erleichtern .

III.

Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt

1.

„Separation of Ownership and Control“ – Überwachungs- und Kontrolldefizite in der modernen Publikumsaktiengesellschaft

Ausgangspunkt aller Überlegungen zu Leitung und Kontrolle im Unternehmen ist die These von der Trennung von (wirtschaftlichem) Eigentum der Aktionäre und Kontrolle durch das Management. In ihrer vielbeachteten Schrift „The Modern Corporation and Private Property“ wiesen Adolf A. Berle und Gardiner C. Means bereits vor gut siebzig Jahren auf das Phänomen der Trennung von Eigentum und Kontrolle („separation of ownership and control”) hin60. Sie stellten fest, dass in der modernen Publikumsaktiengesellschaft der Anteilsbesitz nicht mehr in den Händen eines Aktionärs oder einiger weniger Aktionäre – meist des Firmengründers beziehungsweise seiner Familie –, sondern breit gestreut ist („dispersed stockownership”)61. Die breite Streuung des Anteilsbesitzes macht es für die Aktionäre nach Ansicht von Berle und Means schwieriger, wenn nicht unmöglich, ihren Willen und ihre Aktionen zu koordinieren und das Management effektiv zu beaufsichtigen 62 . Insbesondere könne der einzelne Aktionär aufgrund seiner niedrigen Beteiligungsquote seine Interessen auch deshalb nicht im Alleingang durchsetzen, weil seine individuellen Kosten zur Durchsetzung seiner Interessen höher wären als der auf ihn entfallende Ertragsanteil eventuell erfolgreich ergriffener Maßnahmen63. Dieses Phänomen gipfelt in dem freilich schon bei Berle und Means anklingenden Problem mangelnder Teilnahme an der Hauptversammlung seitens der Aktionäre und deren fehlendem Interesse an 59

60 61 62 63

Bereits in der Begründung zum KonTraG hat der Gesetzgeber dies anerkannt, vgl. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11, und in den Folgejahren beispielsweise mit der Einführung des WpÜG am 1.1.2002 versucht umzusetzen, vgl Fn. 2; in dieselbe Richtung zielt auch die OECD, vgl. OECD (Hrsg.), White Paper on Corporate Governance in South East Europe, S. 9 ff. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 47 ff. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 78 ff., 84 ff.; Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 170; Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 8. Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 115.

31

64

aktiver Einflussnahme auf die Geschicke des Unternehmens . Dies führt zu einer fortgesetzten Entfremdung zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern und trägt zur weiteren Vergrößerung des Machtfreiraums der Unternehmensleitung bei. Aufgrund der breiten Streuung des Aktienbesitzes großer Unternehmen sind diese somit nicht mehr unter der Kontrolle ihrer wirtschaftlichen Eigentümer. Hinzu kommt, dass die Leitungsaufgaben in der Gesellschaft statt dessen, wie in Deutschland nach dem Prinzip der Fremdorganschaft, von angestellten Managern übernommen werden, die grundsätzlich keine oder jedenfalls zu vernachlässigende Eigentümerinteressen in der Gesell65 schaft haben . Kontrolle im Unternehmen wird somit unabhängig von der Eigentümerstellung ausgeübt66. Auf diese Weise entsteht für die Unternehmensleitung ein Machtfreiraum, der es ihr erlaubt, die Gesellschaft ohne Einflussnahme der Anteilseigner zu führen. Diese Verselbstständigung des Managements und der damit verbundene Verlust eigentumsvermittelter Unternehmenssteuerung wiederum bringen die Gefahr mit sich, 67 dass das Management sich auf Kosten der Anteilseigner selbst begünstigt . Berle und Means gehen davon aus, dass jedes Individuum zunächst sein Eigeninteresse verfolgt und man daher nicht automatisch eine Identität der Interessen von Anteilseignern und Managern unterstellen kann68. Während die Interessen der Anteilseigner in erster Linie auf maximale Profiterzielung unter angemessener Risikoberücksichtigung, Ausschüttung eines unter Berücksichtigung der Unternehmensinteressen möglichst hohen Anteils am Gewinn und freie Handelbarkeit ihrer Aktie zu einem vernünftigen Marktpreis gerichtet sind, können die Interessen der die Kontrolle über die Kapitalgesellschaft ausübenden Organe entgegengesetzt sein69. Anstelle einer hohen Gewinnausschüttung an die Aktionäre kann die Unternehmensleitung es beispielsweise vorziehen, Gewinne im Unternehmen zu kumulieren, um darüber leichter und unabhängig vom Einfluss der Anteilseigner verfügen zu können, und gleichzeitig ihre eigene Macht und ihren eigenen Einfluss zu vergrößern. Je geringer die Beteiligung des Managements am Anteilseigentum ist, desto mehr kann es im Interesse des Managements liegen, sich auf Kosten des Unternehmens und seiner Eigentümer persönlich zu bereichern70. Die sogenannten Managerialisten verfolgen 64 65 66 67 68

69 70

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Theory of rational ignorance und free rider-Problematik, Pinto, Understanding Corporate Law, S. 99. Zur Passivität der Aktionäre vgl. auch Langenbucher/Blaum, DB 1994, 2197. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 112. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 110 f. Zusammenfassend: Meier-Schatz, ZHR 1985, 76, 90; Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 8. Das Problem der Fremdorganschaft und der damit verbundenen Interessenkonflikte hat freilich bereits Adam Smith beschrieben: „Von den Direktoren einer solchen Gesellschaft, die ja bei weitem eher das Geld anderer Leute als ihr eigenes verwalten, kann man daher nicht gut erwarten, daß sie es mit der gleichen Sorgfalt einsetzen und überwachen würden, wie es die Partner in einer privaten Handelsgesellschaft mit dem eigenen zu tun pflegen“, Der Wohlstand der Nationen, S. 629, vgl. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 61, und Berle/ Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 304 und 114 ff. Dieses Problem wurde nicht nur von Berle und Means gesehen; weitere Nachweise zum Auseinanderdriften von wirtschaftlichem Eigentum und Leitungsmacht in der Kapitalgesellschaft und dem damit verbundenen Interessenantagonismus zwischen Aktionären und Management bei Moxter, FS Häuser, S. 257, 259. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 114. Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 114 ff.

diese These weiter und vertreten die Ansicht, dass die Manager großer Publikumsgesellschaften dazu tendieren, anstatt den Gewinn zu steigern, Größe und Wachstum des von ih71 nen kontrollierten Unternehmens zu maximieren („empire-building“) . Entsprechend zögen Manager es vor, Gewinne im Unternehmen zu reinvestieren, anstatt sie an die Aktionäre auszuschütten. Dies laufe den Interessen der Aktionäre insofern zuwider, als „Wachsen um jeden Preis“ nicht notwendigerweise auch mit positiver „performance“ verbunden ist. Für die Manager hingegen ist die Zunahme der Unternehmensgröße in der Regel verbunden mit einer Zunahme an Prestige und Einkommen72. Die These von Berle und Means, dass die Trennung von Eigentum und Kontrolle in der Publikumsgesellschaft zu einer weitgehenden Unabhängigkeit des Managements führt, wurde viel diskutiert, ist bis heute aber Ausgangspunkt aller Überlegungen um die 73 Verfassung der modernen Publikumsgesellschaft geblieben . Mit der Trennung von Eigentum und Kontrolle entsteht ein Bedürfnis nach wirkungsvoller Durchsetzung von Interessen der Aktionäre und effizienter Überwachung des Managements, um dafür zu sorgen, dass die Unternehmensleitung nicht die Interessen ihrer Aktionäre missachtet 74 . Das Trennungsphänomen wurde fortentwickelt und verfeinert von der mikroökonomischen Firmentheorie75. Sie deutet nicht nur die Beziehung von Anteilseignern und Unternehmensleitung als Vertragsverhältnis im wirtschaftlichen Sinne. Das Unternehmen ist ein „nexus of contracts“, eine Verknüpfung zahlreicher Verträge zwischen den beteiligten „stakeholders“ wie beispielsweise Gläubigern, Arbeitnehmern, Aktionären, Management. In diesen Vertragsbeziehungen wird – wie grundsätzlich in einem zivilrechtlichen Vertrag – ein Interessenausgleich herbeigeführt und die Trennung von Eigentum und Kontrolle insbesondere durch vertragliche Anreizsysteme u.ä. überwunden. Das Verhältnis von Anteilseignern und Unternehmensleitung im Besonderen wird als „Agency“-Beziehung gedeutet. Das Management handle als Vertreter („agent“) der Aktionäre („principals“), zwischen den Aktionären als Gesamtheit der Eigentümer und den angestellten Managern liege ein Principal-Agent-Verhältnis im Sinne eines Vertretungsverhältnisses vor76. Da der Agent nicht immer im besten Interesse des Prinzipals handelt, muss dieser den Agenten bei der Ausführung seiner Tätigkeit beaufsichtigen. Dies ist für den Prinzipal und Agenten mit Kosten verbunden („agency costs”), die es niedrig zu halten gilt. Diese Agency Costs tei71 72 73

74 75 76

Ebke, FS Buxbaum, S. 9; Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 172, jeweils m.w.N. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 170. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 171; Ebke, FS Buxbaum, S. 9; zur Kritik an der Trennungsthese und zu empirischen Untersuchungen, die die Trennungsthese für die USA, die Schweiz und Deutschland eindrucksvoll bestätigen, vgl. Meier-Schatz, ZSR 1988, 191, 197200 m.w.N. Meier-Schatz, ZHR 1885, 76, 89. Meier-Schatz, ZSR 1988, 196. Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J.Fin.Econ. 305 (1976); vgl. dazu z.B. Kallfass, Kapitalmarktkoordination, S. 35 m.w.N.; Meier-Schatz, ZSR 1988, 191, 196. Es muss jedoch festgehalten werden, dass ein Vertretungsverhältnis aus juristischer Sicht selbstverständlich nicht besteht; ein solches besteht lediglich zwischen der Kapitalgesellschaft als juristische Person und den für sie handelnden Leitungsorganen.

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len sich auf in Überwachungs-(„monitoring“)Kosten seitens des Prinzipals und Bonding 77 Costs sowie aufgrund nicht vollständiger Lösbarkeit des Principal/Agent-Konfliktes 78 verbleibenden Verlust („residual loss“) . Je besser und effizienter das Überwachungsund Kontrollsystem ist, und je mehr es gelingt, die Interessen von Agent und Prinzipal in eine Richtung zu lenken, desto niedriger bleiben die Agency Costs und desto effizienter und „besser“ wird die Corporate Governance. 2.

Instrumente der Unternehmenskontrolle

Aus der Erkenntnis von der Trennung von Eigentum und Kontrolle in der modernen Publikumsaktiengesellschaft folgt, dass der Schutz der Kapitalanleger im Vordergrund stehen muss und damit „monitoring“, die Überwachung des Managements, eine der zentralen Aufgaben ist, die im Rahmen der Corporate Governance-Debatte zu lösen sind79. Dies kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden, sei es durch die interne Struktur des 80 Unternehmens, sei es durch das freie Spiel der Kräfte auf dem Markt . Dementsprechend steht ein breites Spektrum verschiedener Instrumente zur Verfügung, um die Trennung von Eigentum und Kontrolle im Unternehmen zu überwinden und die Wahrung und Durchsetzung der Interessen von Anteilseignern und gegebenenfalls von Dritten zu gewährleisten. Entsprechend der Einteilung in „interne“ und „externe Corporate Governan81 ce“ lassen sich die internen, vorwiegend gesellschafts- beziehungsweise aktienrechtlichen und die externen Instrumente der Unternehmens(leiter)kontrolle unterscheiden, die 82 auf die regulativen Kräfte insbesondere des Kapitalmarktes vertrauen . Sie richten ihr Augenmerk daher auch auf das Kapitalmarktrecht zur Wahrung und Sicherung eines funktionierenden Marktes, der seine Kontroll- und Überwachungsfunktion andernfalls nicht ausüben kann. Interne und externe Steuerungsinstrumente von Unternehmensverfassung und Unternehmenskontrolle können sogar ineinander greifen, sich ergänzen oder vielleicht sogar ersetzen83. Ob das institutionelle Überwachungssystem in der Kapitalgesellschaft dabei durch Einflüsse des Kapitalmarktes überlagert oder sogar zurückgedrängt 84 wird und ob das erstrebenswert ist , ist umstritten. Das gesellschafts- und unternehmensrechtliche Kontrollsystem kann jedenfalls eng zusammenwirken, gesellschaftsinterne Kontrollmechanismen durch die Kapitalmärkte gegebenenfalls ergänzt werden85.

77 78 79 80 81 82 83 84 85

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Kosten, die dem Agenten dadurch entstehen, dass er den Prinzipal von seiner fortdauernden Loyalität überzeugen muss. Jensen/Meckling, 3 J.Fin.Econ. 305, 308 (1976). Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 289; Meier-Schatz, ZSR 1988, 191, 196. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 174. S.o. bei Fn. 38 bis 41. Dieser Einteilung folgt auch Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 139; er spricht bzgl. der Wirkung der Kapitalmärkte von Kontrollsubstituten. Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 399. So z.B. J. Wagner, Aufsichtsgremien im Gesellschaftsrecht, S. 122. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27 f.

Es bestehen verschiedene Ansätze, wie die Trennung von Eigentum und Kontrolle im Einzelnen zu überbrücken ist und welchem Rechtsgebiet man sich zu diesem Zwecke hauptsächlich anvertrauen soll. Während in der konservativen juristischen Literatur insbesondere in Deutschland das Hauptaugenmerk auf den Institutionen des Gesellschafts86 rechts und deren Vervollkommnung liegt beziehungsweise lag , rückt die moderne, zumeist betriebswirtschaftliche Theorie Marktmechanismen und Anreizsysteme in den Vordergrund. Vor allem die Vertreter der mikroökonomischen Theorie vertrauen heute auf die Kräfte des Marktes – jedenfalls in den Vereinigten Staaten. Die bestehenden 87 vertraglichen und institutionellen Strukturen halten sie für in der Regel ausreichend . Die Agency Costs können z.B. durch die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses niedrig gehalten werden. Insbesondere die Schaffung von Anreizen wie gewinnorientierte Vergütung oder Kapitalbeteiligung im Rahmen von Stock Option Plans ermöglicht es, die Interessen von Anteilseignern und Managern zur Übereinstimmung zu bringen; es sind aber eben auch und gerade die Mechanismen des Marktes, die zu einer Senkung der Agency Costs beitragen können. a)

Unternehmensinterne Instrumente der Unternehmenskontrolle

Bei den unternehmensinternen Kontrollmechanismen88 handelt es sich um die Kontrollinstrumente des klassischen Aktienrechts mit seinem System institutioneller Kontrolle und Überwachung, das gestützt wird durch Einsichts- und Auskunftsrechte sowie andere subjektive Rechte aus der Mitgliedschaft und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen 89 Durchsetzung . Zu diesen Kontrollinstrumenten zählen insbesondere die rechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses von Leitungsorganen und Anteilseignern und der Rechte der Aktionäre in der Hauptversammlung90 und die Überwachung der Unternehmensleitung durch ein gesellschaftliches Kontrollorgan, sei es in einem dualistischen System deutscher Prägung durch den Aufsichtsrat oder in einem monistischen System durch Verwaltungsrat oder „board“91. An der Schwelle von interner und externer Unternehmens(leiter)kontrolle liegen die Einflussmöglichkeiten institutioneller Anleger. Ihre zunehmende Bedeutung hat zur Folge, dass sie auch unternehmensintern mehr Einfluss- und insbesondere Kontrollmög92 lichkeiten verlangen . Gefordert werden vor allem eine Verbesserung von Performance

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Hierauf wird später noch einzugehen sein. Meier-Schatz, ZHR 1985, 76, 89 (93). Zur Unterscheidung vgl. Hopt, ZGR 2000, 779, 782 f.; s.o. B. I., S. 26 ff. Z.B. actio pro socio, derivative suit in den USA, dazu ausführlich Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte. Vgl. z.B. §§ 76-147 AktG, hier insbes. §§ 118 ff., 131 AktG; für die Ausgestaltung durch die Rspr. vgl. z.B. BGHZ 119, S. 305 ff. („Holzmüller“), zum Ganzen Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 29-31. Vgl. dazu insbes. §§ 84, 90, 111 AktG; zur Rspr. dazu vgl. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 29-31. Vgl. dazu z.B. Gentz, Mitglied des Vorstands Daimler-Chrysler AG, in: FAZ vom 19.9.2000, S. 19.

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93

Evaluation und Monitoring sowie weitergehende Informationsrechte . Die institutionellen Investoren können so möglicherweise die Lücke füllen, die durch das Desinteresse der einzelnen (Klein-)Aktionäre an einer aktiven Teilnahme an der Unternehmensführung, insbesondere der Hauptversammlung, entstanden ist. Angesichts der Größe der Beteiligungen, die von institutionellen Anlegern insbesondere in den Vereinigten Staaten gehalten werden, wird bereits vertreten, dass die Berle/Means’sche Trennungsthese, wenn überhaupt, nur eingeschränkt gültig ist, da jedenfalls solchen Anteilseignern ein bestimmender Einfluss im Unternehmen verblieben ist beziehungsweise neuerdings 94 wieder zukommt . Diese Behauptung ist aber angesichts der Tatsache zu relativieren, dass auch die institutionellen Investoren schon im Interesse einer angemessenen Risikostreuung und ausreichender Börsenliquidität in der Regel nicht mehr als 5% der Anteile an einem Unternehmen halten 95 . Das „Monitoring“-Problem ist mit der Behauptung vom bestimmenden Einfluss der institutionellen Investoren im Übrigen noch nicht gelöst. Selbst beim Halten maßgeblicher Stimmrechtsanteile bedürften die Anteilsinhaber immer noch der geeigneten Möglichkeiten der Überwachung und Kontrolle des Managements, um eine Unternehmensführung in ihrem Interesse sicherzustellen. b)

Unternehmensexterne Instrumente der Unternehmenskontrolle

Bei den unternehmensexternen Instrumenten der Unternehmens(leiter)kontrolle handelt es sich um die Kontrolle des Managements durch den Kapitalmarkt im weitesten Sinne. Denn der Kapitalmarkt wird heute vielfach, insbesondere in den Vereinigten Staaten, als wirkungsvoller externer Kontrollmechanismus der Unternehmensleitung angesehen. Alle Ansätze einer Lösung der Corporate Governance-Problematik durch die Finanzmärkte haben gemeinsam, dass es um die Überlagerung und Ergänzung der internen Leitungsund Kontrollstruktur durch einen externen Kontrollmechanismus geht96. Diese unternehmensexternen Kontrollinstrumente sind einer gesetzlichen Regelung oder einer „Kodifizierung“ in einem Corporate Governance Code nur mittelbar durch das Bereitstellen geeigneter Rahmenbedingungen97 zugänglich. Als externe Kontrollmechanismen werden der Kapitalmarkt als solcher, der (Arbeits-)Markt für Manager98 und der Markt für

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Zu den Anforderungen im Einzelnen vgl. z.B. Strenger, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 65. Meier-Schatz, ZSR 1988, 197 f.; vgl. auch Carlsson, Ownership and Value Creation, S. 36 m.w.N. Strenger, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 67 f. Köndgen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), S. 128, 138; Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7 ff., 14 und 27. Wie später noch gezeigt werden wird, trifft dies auf den Markt für Eigenkapital ebenso zu wie auf den Markt für Fremdkapital. In Deutschland beispielsweise durch das WpÜG; die gesetzlichen Maßnahmen zur Bereitstellung eines geeigneten Rahmens für einen funktionierenden Kapitalmarkt entfalten demnach nur reflexartige Schutzwirkung für den Anleger, Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 203. Dazu ausführlich Fama, 88 J.Pol.Econ. 288 (1980); Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 139.

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Unternehmenskontrolle („market for corporate control”) genannt, wie der Markt für Un100 ternehmensübernahmen auch bezeichnet wird . Die Frage der Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt ist insofern von besonderer Bedeutung, als letztlich auch die Mechanismen einer Kontrolle durch den Markt für Manager und einer solchen durch den Market for Corporate Control vom Kapitalmarkt bestimmt werden101. Der Managermarkt und der Markt für Unternehmenskontrolle sind dabei, ebenso wie der Anlageinformationsmarkt102, als Sekundär- oder Annexmärkte des Kapitalmarktes zu sehen103. Man unterscheidet weiter zwischen den Kontrollmechanismen des Primär- oder Emissi104 onsmarktes und jenen des Sekundär- oder Effektenmarktes . (1)

Unternehmenskontrolle durch den Primärmarkt

Auf dem Primärmarkt werden neu geschaffene Aktien ausgegeben. Das Unternehmen kann sich so mit Eigenkapital versorgen. Im Wettbewerb um Eigenkapital auf diesem Markt setzen sich diejenigen Unternehmen durch, denen die Marktteilnehmer zutrauen, für ihr eingesetztes Kapital die beste Rendite zu erwirtschaften, die mithin über das effizientere Management und die erfolgversprechendere Unternehmensstrategie verfügen. Fehlt dieses Vertrauen auf Seiten der Marktteilnehmer, sind die neu ausgegebenen Aktien nur schwer verkäuflich, jedenfalls nur zu einem niedrigen Kurs. Die Investoren stellen mithin dem Unternehmen auf diesem Wege kein oder nur wenig Kapital zur Verfügung. Auf dem Primärmarkt wird das bessere Management auf diese Weise mit der günstigen Bereitstellung von Eigenkapital honoriert105. Die Ermittlung des Aktienkurses durch den Sekundärmarkt hat ebenfalls entscheidenden Einfluss auf die Möglichkeiten des Unternehmens, auf dem Primärmarkt Kapital aufzunehmen. Je niedriger der Aktienkurs eines Unternehmens, desto weniger Vertrauen genießt offensichtlich die Unternehmensleitung und umso schwieriger wird es, Käufer für neu emittierte Aktien zu finden106. Auf diese Weise übt der Kapitalmarkt einen nicht unerheblichen Druck auf die Unternehmensleitung aus, sofern diese bei der Finanzierung neuer Projekte auf den Kapitalmarkt angewiesen ist. Daher wird teilweise eine möglichst umfassende Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionäre gefordert, damit die Unternehmensleitung Projekte nicht aus eigenen Mitteln finanzieren und so der

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Anders als oben ist Unternehmenskontrolle hier als Verfügungsmacht über die Unternehmung, insbes. über die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen zu verstehen, vgl. Jensen/Ruback, 11 J.Fin.Econ. 5 (5) (1983); D. Schneider, in: Gröner (Hrsg.), S. 39, 44. Zusammenfassend Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 135 f. Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 365. Dazu Reuter, Aktienmarkt und Aktieninformationsmarkt, 1980; Gilson/Kraakman, 70 Va.L.Rev. 549 (1984). Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 365. Vgl. z.B. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 143. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 143. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 145.

37

107

Überwachung durch den Kapitalmarkt entgehen kann . Auf diesem „Parkett“ spielen die institutionellen Investoren ebenfalls eine herausragende Rolle. Aufgrund ihres Investitionsvolumens verfügen sie über erhebliche Marktmacht und können gegebenenfalls in der Lage sein, durch ihr Investitionsverhalten Einfluss auf die Aktienkurse und damit auf die Finanzierungsfähigkeit des Unternehmens zu nehmen. (2)

Unternehmenskontrolle durch den Sekundärmarkt

Der aktive Handel mit Aktien kann bereits per se einen Marktmechanismus bieten, um die Unternehmensführung zu überwachen. Typischerweise bieten sich drei Ansatzpunkte, über die der Aktienkurs seine Kontrollfunktion ausüben kann. (a)

Die Indizwirkung des Aktienkurses

Der marktbestimmte Aktienkurs kann an sich als Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seiner Führung genommen werden, denn neben zahlreichen anderen Faktoren wird der Preis einer Aktie an der Börse insbesondere auch durch Erfolg und Misserfolg des Unternehmens bestimmt und damit durch die Art und Weise, wie die Manager die Geschäfte führen108. Der auf dem Sekundärmarkt ermittelte Aktienkurs ist gleichzeitig ein Signal für den Primärmarkt und die Fähigkeit des Unternehmens, günstig Kapital aufzunehmen. Der Aktienkurs ist ein Indiz für das Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seines Managements. Der Aktienkurs wird damit auch ein Leistungsindikator auf dem Managermarkt. Allein die Preisveränderung der Aktie kann auf diese Weise bereits eine gewisse Kontrolle der Unternehmensleitung gewährleisten 109 . Die Signale, die ein effizienter Kapitalmarkt über den Wert der Anteile eines Unternehmens abgibt, sind ebenso wichtig und geeignet für die Bewertung der Unternehmensführung durch den Managermarkt110 wie für den Market for Corporate Control. Zwar geht es auch hier um den Handel mit Aktien, das Ziel dabei ist aber, das Unternehmen durch Anteilserwerb zu übernehmen und kontrollieren zu können, was bei niedrigen Aktienkursen leichter zu finanzieren ist. Die Kontrolle eines Unternehmens durch den Erwerb einflussgewährender Aktienpakte ist ungleich wirkungsvoller als die reine Indizwirkung sinkender Aktienkurse. Der Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt in der Form des Market for Corporate Control wird daher auch ungleich mehr Aufmerksamkeit gewidmet111.

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Jensen, 76 Am.Econ.Rev. 323 (1986) m.w.N.; Kallfass, Kapitalmarktkoordination, S. 96 ff., insbes. S. 104. Großfeld/Ebke, AG 1977, 92, 98. Lenel, in: Gröner (Hrsg.), S. 9. Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 292 (1980). Lenel, in: Gröner (Hrsg.), S. 9 f.

(b)

Der Markt für Manager

Auf dem sogenannten Managermarkt unterscheidet man den externen und den internen 112 Managermarkt . Diesem Arbeitsmarkt für Manager wird eine Überwachungsfunktion aufgrund folgender Überlegungen zugesprochen113: Der Arbeitsmarkt für Manager wird wie alle Märkte von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Manager befinden sich auf diesem Markt in Wettbewerb um interessante und lukrative Posten. Die Unternehmen hingegen sind nur bereit zu zahlen, was ihrem Nutzen aus der Anstellung des Managers im Vergleich zu seinen Mitbewerbern entspricht. Sie befinden sich wiederum im Wettbewerb 114 um die kompetentesten Manager und müssen eine entsprechende Vergütung anbieten . Jeder Manager muss daher darum bemüht sein, auf diesem Markt „zu einem möglichst hohen Preis gehandelt zu werden“115. Sein Marktpreis aber wird bestimmt durch seine Leistung, mithin seinen (bisherigen) Erfolg beziehungsweise denjenigen seines bisherigen Unternehmens. Im Interesse seines eigenen Marktwerts muss folglich dem Management jedes Unternehmens daran gelegen sein, dieses effizient zu führen116. Da sich die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und seiner Führung im Aktienkurs niederschlägt, gelingt den Managern dies am besten durch Erfüllung der Ziele der Anleger117. Der interne Managermarkt sorgt für Überwachung der Manager durch andere Manager, und zwar sowohl „von oben nach unten“ als auch „von unten nach oben“. Selbstverständlich fordern und messen Vorgesetzte Leistung und Produktivität ihrer Untergebenen. In demselben Maße findet auch Kontrolle der höheren Leitungsebenen durch niedrigere statt. Untergebene suchen nach Fehlern ihrer Vorgesetzten, um diese aus ihrer Position zu verdrängen. Gleichzeitig sind sich alle der Tatsache bewusst, dass der Kapitalmarkt die Leistung des Managements in seiner Gesamtheit beurteilt, insbesondere aber natürlich das Top-Management. Im Interesse ihres Marktwerts auf dem externen Managermarkt müssen Untergebene wie Vorgesetzte auch intern ständig gegenseitig ihre Leistung kontrollieren. Kurz, jeder Manager hat ein handfestes Interesse daran, dass die anderen Manager unter und über ihm Leistung erbringen und wird entsprechend in beide Richtungen Kontrolle ausüben118. (c)

Der Markt für Unternehmenskontrolle (Market for Corporate Control)

Eine besondere Spielart der Unternehmensüberwachung durch die Finanzmärkte stellt der Market for Corporate Control dar119. Hier werden die Mechanismen des Kapitalmarktes 112 113 114 115 116 117 118 119

Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 365; Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 292 (1980). Meier-Schatz, ZSR 1988, 204; Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 292 f. (1980). Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 292 (1980). Meier-Schatz, ZSR 1988, 204. Meier-Schatz, ZSR 1988, 204. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 232. Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 293 (1980). Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 128, 138. Beachte in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Bedeutung des Wortes „Unternehmenskontrolle“: einerseits im Sinne von Unternehmensüberwachung („monitoring“), andererseits im Sinne von Kontrolle über das Unternehmen durch Er-

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zur Unternehmensüberwachung besonders wirksam. Unternehmensüberwachung wird demnach insbesondere durch die drohende Gefahr feindlicher Übernahmen ausgeübt: Bei schlechter Leistung des Managements sinkt der Kurswert der Aktie. Dies macht das Unternehmen zum Übernahmekandidaten. Ein Übernahmeangebot wiederum wird nur abgegeben von Interessenten, die der Ansicht sind, über das bessere Management zu verfügen und so in der Lage zu sein, das zu übernehmende Unternehmen effizienter zu führen. Eine feindliche Übernahme ist daher für das Management mehr von Nachteil als für die Aktionäre, die immerhin von der üblicherweise gezahlten „Prämie“ profitieren, weil das Angebot des Übernehmers deutlich über dem Kurswert der Aktie liegen muss, um die Altaktionäre überhaupt zum Verkauf zu veranlassen. Für das Management des Übernahmekandidaten hingegen ist eine feindliche Übernahme in der Regel verbunden mit dem Verlust der Stellung und damit dem Verlust von 120 Macht, Einfluss und Einkommen , da der Übernehmer sein eigenes Management für 121 besser hält und es daher zu ersetzen trachtet . Um sich vor einer solchen Übernahme zu schützen, muss das Management gute Arbeit leisten und das Unternehmen nachhaltig wertsteigernd und gewinnbringend führen, so dass die Aktionäre keinen Anlass zum Verkauf ihrer Aktien haben122. Dementsprechend sehen manche den Markt für Unternehmenskontrolle auch als Markt, auf dem verschiedene Managementteams um die Leitung von Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen 123 . Die „Pruning deadwood“These spitzt diesen Ansatz zu und behauptet, Funktion und Ziel feindlicher Übernahmen auf dem Markt für Unternehmenskontrolle sei ausschließlich oder zumindest vorwiegend der Austausch schwacher Unternehmensleitungen und deren Ersetzen durch ein 124 leistungsstarkes und kompetentes Management . Die Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle als Fortführung des Gedankens einer Disziplinierung des Managements durch den Kapitalmarkt wurde zunächst grundlegend von H.G. Manne entwickelt125. Die Kontrolle über ein Unternehmen stellt nach Manne ein werthaltiges Wirtschaftsgut dar, und zwar insbesondere dann, wenn die Ausübung dieser Kontrolle die Realisierung eines Vermögensvorteils verspricht126. Dieses Wirtschaftsgut besteht unabhängig von jedem Interesse an Einsparungen durch Rationalisierung („economies of scale”) oder Gewinnen aufgrund einer Monopolstellung. Es besteht ferner ein aktiver Markt für diese Unternehmenskontrolle, und es ist davon aus-

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werb einer Anteilsmehrheit; der Begriff des „market for corporate control“ wurde geprägt von Manne, 73 J.Pol.Econ. 110 (1965). Wenngleich in der Regel durch sogenannte „golden parachutes“ den ausscheidenden Managern eine „sanfte Landung“ garantiert wird; vgl. dazu die in Deutschland geführte Diskussion über die Abfindung des Mannesmann-Vorstands nach der Übernahme durch Vodafone. Meier-Schatz, ZSR 1988, 203. G. Hess, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), S. 11. Jensen/Ruback, 11 J.Fin.Econ. 5, 6 (1983); Flassak, Der Markt für Unternehmenskontrolle, S. 49. Grundlegend Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161, 1169 (1981); zusammenfassend MeierSchatz, ZHR 1985, 76, 95. Überblick und Zusammenfassung bei Meier-Schatz, ZHR 1985, 94; Ebke, FS Buxbaum, S. 25. Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965).

zugehen, dass ein Großteil der zustande gekommenen Fusionen wahrscheinlich ein Ergebnis des erfolgreichen Ineinandergreifens der Mechanismen dieses Marktes ist. Dies hat entscheidende Auswirkungen auf die Frage der Trennung von Eigentum und Kontrolle in großen Publikumsgesellschaften: Der Markt für Unternehmenskontrolle verleiht den Anteilseignern Macht und Einfluss entsprechend ihrem Interesse in den Angelegen127 heiten der Gesellschaft . Dabei setzt Manne eine positive Wechselwirkung zwischen Effizienz des Unternehmensmanagements und dem Marktpreis der Aktien dieses Unternehmens als fundamental voraus128. Bei schlechter und unwirtschaftlicher Verwaltung eines Unternehmens – d.h. wenn es für die Anteilseigner keine Gewinne abwirft oder weniger Gewinne als unter einer effizienten Führung möglich wären – sinkt der Kurs der Aktien des Unternehmens im Vergleich zu dem anderer Unternehmen in derselben Branche oder zum Markt insgesamt. Der Aktienkurs spiegelt aber auch potentielle Kursgewinne wider. Je niedriger der Aktienkurs ist im Vergleich zu dem Kurs, den die Aktie des Unternehmens unter einer besseren und effizienteren Unternehmensleitung haben könnte, umso höher ist das Wertsteigerungspotential des Unternehmens und die potentiellen Kursgewinne für diejenigen, die glauben, das Unternehmen effizienter und gewinnbringender führen zu können. Gerade diese potentiellen Kursgewinne machen die Übernahme eines schlecht geführten Unternehmens wirtschaftlich interessant und die Kontrolle über ein Unternehmen zu einem werthaltigen Wirtschaftsgut per se129. Der Aktienkurs wird daher als der einzige objektive Maßstab zur Bestimmung der Effizienz des Managements angesehen. Nur durch die Mechanismen des Marktes für Unternehmensübernahmen wird unter den Managern Wettbewerbsdruck erzeugt und auf diese Weise zum Schutz der Interessen der Kleinanleger beigetragen130. 3.

Voraussetzungen wirksamer Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt

Wirksame Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt bedarf bestimmter Grundvoraussetzungen. Eine entscheidende Voraussetzung wirksamer Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt ist dessen Effizienz. Voraussetzungen eines effizienten Kapitalmarktes sind seine institutionelle, operationale und allokative Funktionsfähigkeit. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Unternehmen auf den Kapitalmarkt angewiesen sind, da dieser ansonsten seine Kontrollmechanismen von vornherein nicht entfalten kann.

127 128 129 130

Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965). Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965). Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 113 (1965). Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 113 (1965).

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a)

Funktionierende Kapitalmärkte und Information

Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes wird bestimmt durch eine ausreichende Breite und Tiefe des Marktes, eine angemessene Höhe der Transaktionskosten, insbesondere 131 aber auch durch einen aktiven Übernahmemarkt . Faktoren wie das Anlageverhalten der einzelnen Marktteilnehmer, der Einfluss der Banken und institutionellen Investoren ebenso wie das Anlageverhalten der Bevölkerung generell spielen dafür eine entscheidende Rolle132. Information ist dabei ein unverzichtbarer Bestandteil funktionierender Kapitalmärkte. Ohne Information gibt es weder institutionelle noch operative, noch allokative 133 Funktionsfähigkeit . Sie dient rationalen Individuen dazu, bei der Auswahl von Handlungsalternativen ihre Risiken zu minimieren134. Anleger müssen sich daher Informationen beschaffen und sie auswerten, bevor sie eine Entscheidung über die Vergabe ihres Kapitals treffen. Die Informationsbeschaffung und -auswertung ist aber mit Kosten verbunden. Diese Kosten müssen niedriger bleiben als die erwartete Rendite. Ist die Informationsbeschaffung zu kostspielig beziehungsweise das verbleibende Risiko zu hoch, ist es für den Investor wirtschaftlich sinnlos, dem Markt sein Kapital zur Verfügung zur stellen. Er hält sich infolgedessen vom Kapitalmarkt fern und dieser droht zusammenzubrechen. Sind die Informationskosten zu hoch, werden auch hochwertige von minderwertigen Anlage135 alternativen nicht mehr unterschieden . Anbieter hochwertiger Produkte ziehen sich dann aber ebenso vom Markt zurück wie die Anleger. Das Versiegen des Informationsflusses kann daher zum Zusammenbruch des Marktes führen136. Um sich problemlos über den Kapitalmarkt finanzieren zu können, muss ferner auch den Unternehmen, deren Titel am Kapitalmarkt gehandelt werden, daran gelegen sein, das Risiko der Anleger – und damit auch die an sie zu zahlende Risikoprämie – gering zu halten und auf diese Weise die Investitionsbereitschaft der Anleger zu erhöhen. Die Versorgung des Marktes mit Information bewirkt auch eine Senkung der Kapitalkosten. Je geringer und schlechter die Information ist, welche die Anleger über ein Unternehmen erhalten, desto höher ist auch das mit der Investition verbundene Risiko. Für ein höheres Risiko wird aber in der Regel auch eine angemessene Kompensation in Form einer Risikoprämie verlangt. Dies verteuert die Kapitalaufnahme für die Unternehmen. Die Kapitalkosten für die Unternehmen sind damit direkt abhängig von Umfang und Qualität der Information, welche die Anleger über das Unternehmen erhalten137. Aufgrund der dargestellten Zu131 132

133 134 135 136 137

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Zusammenfassend Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390 f. m.w.N. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 17 u. 27 jeweils m.w.N.. Diese Faktoren werden wiederum geprägt von den Besonderheiten der nationalen Volkswirtschaften wie z.B. den Systemen sozialer Sicherheit und Vorsorge; die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch den Schutz der Anleger und ihres Vertrauens in den Markt dient daher durchaus auch sozialpolitischen Zielen, vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390 f. m.w.N. Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390 f. m.w.N. Ausführlich Strong/Walker, Information and Capital Markets. Vgl. zu diesen Zusammenhängen insbes. auch aus Sicht der Unternehmen: Kallfass, Kapitalmarktkoordination, S. 64-71. Ausführlich Assmann, Prospekthaftung, S. 23 f. u. 276 ff. m.w.N. Kübler, ZGR 2000, 550, 555.

sammenhänge trägt Information auch zur Preisbildung bei. Für die Bildung eines realistischen Preises ist sie geradezu unerlässlich. Ohne realistische Preise wiederum kann der Markt nicht funktionieren. Gerade die realistische Preisbildung ist aber entscheidend für die Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt, insbesondere den Market for Corporate Control. Der Kapitalmarkt kann seine Kontrollfunktion schließlich nur ausüben, wenn er ausreichende Informationen erhält, die es erlauben, den Wert eines Unter138 nehmens und die Leistungsfähigkeit seiner Führung realistisch zu beurteilen . Es muss eine Wechselbeziehung zwischen Aktienkurs und Leistung der Unternehmensleitung be139 stehen , die nur über die Mechanismen realistischer Preisbildung herzustellen ist. Zahlreiche Anhänger der Theorie von Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt gehen davon aus, dass ein effizienter Kapitalmarkt auch hinsichtlich seiner Informationsverarbeitung effizient ist (Efficient Capital Market Hypothesis [ECMH] oder Kapitalmarkteffizienzhypothese). Das bedeutet, dass in einem effizienten Markt die Preise unverzüglich alle verfügbaren Informationen widerspiegeln und sich dabei so verhalten, als ob jedermann über die entscheidenden Informationen verfügen würde. Da der Börsenkurs alle verfügbaren Informationen über ein Unternehmen enthält, entspricht er auch dessen innerem Wert und ist in der Lage, Auskunft über die Leistungsfähigkeit der Unternehmensführung zu geben140. Ob dies die Wirklichkeit der Kapitalmärkte zutreffend beschreibt, ist umstritten. Die These ist empirisch weder belegt noch widerlegt141. Dagegen spricht, dass es zahlreichen Investoren in der Vergangenheit immer wieder – und beispielsweise im Falle Warren Buffets sogar regelmäßig – gelungen ist, den Markt zu schlagen, was bei Zutreffen der ECMH völlig ausgeschlossen wäre. Die Märkte reagieren auch nicht immer rational und effizient, wie beispielsweise im Oktober 1987, als ein Kursverfall des Dow Jones von 36% in wenigen Tagen nicht einer rationalen Reaktion auf bestimmte Informationen zugeschrieben werden konnte und auf soziale und psychologische Kräfte zurückgeführt werden musste142. Darüber hinaus gibt der Aktienkurs nicht immer den tatsächlichen Wert des Unternehmens korrekt wieder. Vielmehr lehrt gerade die Erfahrung mit dem Neuen Markt und der „New Economy“ im zweiten Halbjahr 2000 und in den Jahren 138 139 140

141 142

J. Wagner, Aufsichtsgremien im Gesellschaftsrecht, S. 124. Vgl. bereits Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965). Grundlegend Fama, 88 J.Pol.Econ. 288, 293 (1980); Gilson/Kraakman, 70 Va.L.Rev. 549 (1984); Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161 (1981); vgl. auch Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 24; Meier-Schatz, ZHR 1985, 76, 94-96 jeweils m.w.N.; man unterscheidet drei Varianten dieser Kapitalmarkteffizienzhypothese. Während die schwächste Variante lediglich aussagt, dass der Börsenkurs nur Informationen aus der Vergangenheit beinhaltet und daher keine Aussagen über die Zukunft zulässt, vertritt die wohl h.M. mit der mittelstrengen (semieffizienten) Variante, dass der Kurswert sofort jedwede öffentlich verfügbare Information widerspiegelt. Die strenge Kapitalmarkteffizienzhypothese geht davon aus, dass selbst nicht öffentlich zugängliche Information in den Marktpreisen enthalten ist. Belege für die Richtigkeit der Kapitalmarkteffizienzhypothese finden sich bei Kress, Effizienzorientierte Kapitalmarktregulierung, S. 53; gegen die empirische Gültigkeit der Kapitalmarkteffizienzhypothese vgl. Böcking, in: Ballwieser/Schildbach (Hrsg.), S. 17, 24 m.w.N. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 396.

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2001/2002, dass der Aktienkurs nicht nur echte Informationen enthalten kann, sondern auch Spekulationen und Erwartungen, die sich häufig nicht erfüllen und als Trugbilder erweisen, deren „Platzen“ gewaltige Kursverluste nach sich zieht. Der Markt zeigte in dieser Phase einmal mehr, dass er nicht streng rational und effizient arbeitet. Kritiker halten der Theorie effizienter Kapitalmärkte ferner entgegen, dass sie – wenn überhaupt – nur für die großen Publikumsaktiengesellschaften zutrifft, deren Anteile aktiv und zahlreich gehandelt werden. Nur diese Gesellschaften stehen hier allerdings auch zur Diskussion; bei kleineren, nicht börsengängigen Aktiengesellschaften und GmbH stellt sich auch das Problem der Trennung von Eigentum und Kontrolle nicht in 143 dieser Schärfe . Im Übrigen wohnt der Kapitalmarkteffizienzhypothese ein Paradoxon inne. Dieses sogenannte Informationsparadoxon besteht darin, dass anerkanntermaßen Information, insbesondere auch die Rechnungslegungsinformation und deren Analyse, eine unerlässliche Voraussetzung effizienter Kapitalmärkte ist. In einem effizienten Kapitalmarkt im Sinne auch der halbstrengen ECMH ist gerade Rechnungslegungsinformation aber überflüssig und nutzlos, da sie schließlich im Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens bereits in den Kursen enthalten sein soll. Daher besteht auch kein Anreiz, sich Informationen zu beschaffen und diese auszuwerten. Der für die Informationsbeschaffung zu betreibende Aufwand lohnt sich nicht, solange aufgrund der Information kein Vorteil am Markt erzielt werden kann144. Dies führt wiederum dazu, dass Information weder nachgefragt noch produziert wird; der Markt müsste dadurch eigentlich ineffizient werden und mangels Information zusammenbrechen. Ob die Kapitalmärkte wirklich effizient im Sinne der ECMH sind, kann letztlich dahinstehen. Eine Auflösung des Informationsparadoxons kann und soll an dieser Stelle auch nicht geleistet werden. Es ist jedenfalls anerkannt, dass die Kapitalmärkte „sensibel und einschneidend reagieren“145, die erwähnte Wechselbeziehung zwischen der Leistung der Unternehmensleitung und dem Aktienkurs also durchaus besteht. Unabhängig davon, wie effizient die Kapitalmärkte tatsächlich sind und ob die ECMH zutrifft, gilt es als gesichert, dass die Kapitalmärkte bei besserer Information – insbesondere auch durch Rechnungslegung – zunehmend effizient reagieren. Je effizienter ein Markt ist, desto wirksamer ist er letztlich auch bezüglich der Informationsverarbeitung und desto exakter ist die Aussage der Aktienkurse über den wahren Wert des Unternehmens und die Leistung seines Managements146. Es ist daher weithin unbestritten, dass diese Wechselbeziehung 143 144 145 146

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Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 128, 138. Gilson/Kraakman, 70 Va.L.Rev. 577 (1984). RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. Gilson/Kraakman, 70 Va.L.Rev. 601 (1984). Inzwischen geht auch der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass der Aktienkurs maßgeblich für die Bestimmung des Wertes eines Unternehmens sein kann: § 31Abs. 1 WpÜG i.V.m. §§ 3 ff. WpÜG-Angebotsverordnung legt bei der Bestimmung des angemessenen Preises für die Aktien der Zielgesellschaft den Dreimonatsdurchschnittskurs der Aktie der Zielgesellschaft vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots zugrunde. Damit vollzieht der Gesetzgeber einen bereits 1999 durch die Rspr. (BVerfGE 100, 289) eingeleiteten Paradigmenwechsel, Haarmann, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 31 WpÜG Rn. 18.

zur Förderung eines effizienten Kapitalmarktes und einer effizienten Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt zu stärken ist. Folglich müssen die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Effizienz der Kapitalmärkte geschaffen und dadurch die Funktionsfähigkeit von Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt hergestellt und gesteigert werden. Eine solche Steigerung der Effizienz der Kapitalmärkte kann nur durch zusätzliche und bessere Information geschehen. Der Zusammenhang zwischen Rechnungslegung, 147 Information und Kapitalmarkt gilt daher auch als belegt . Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen sprechen jedenfalls dafür, dass die Informationseffizienz des Kapitalmarktes nicht so ausgeprägt ist, dass Jahresabschlussdaten für die Marktteilnehmer vollkommen nutzlos wären 148 . Rechnungslegung bleibt daher unentbehrlich 149 . Eine gewisse Informationsasymmetrie zwischen dem Management einerseits und den Kapitalmarktteilnehmern ist im Übrigen unvermeidlich. Der Markt kann daher im Zweifel nie zu 100% effizient im Sinne der Kapitalmarkteffizienztheorie sein150. Das Management ist über das Unternehmen immer besser informiert als Anleger und Anteilseigner151. Wenn diese grundsätzliche Informationsasymmetrie im Zweifel auch nie völlig beseitigt werden kann, so ist ihr im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes 152 dennoch entgegenzuwirken . Es ist daher für einen steten und nachhaltigen Informationsfluss zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt zu sorgen. Aus den genannten Gründen wird immer ein ständiger Informationsbedarf des Kapitalmarktes bestehen. Um diesen Informationsbedarf des Kapitalmarktes zu decken, stehen insbesondere Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Publizität zur Verfügung. Diese drei Bereiche werden so zu den tragenden Pfeilern eines funktionierenden Kapitalmarktes153. b)

Erhöhung des Ausschüttungsdrucks

Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt kann nur dann funktionieren, wenn die Unternehmen auf den Kapitalmarkt angewiesen sind. Sobald ein Unternehmen in der Lage ist, unter Umgehung des Kapitalmarktes Kapital zu sammeln, können die Kontrollmechanismen des Marktes keine Wirkung entfalten. Für eine effiziente Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt ist es daher von entscheidender Bedeutung, 147 148 149 150 151 152 153

Vgl. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 43; Ordelheide, in: Picot (Hrsg.), S. 89, 91. Busse von Colbe, in: F.W. Wagner (Hrsg.), S. 11, 16. Ausführlich zur Rechtfertigung der Informationsproduktion durch Rechnungslegung auch auf nahezu effizienten Kapitalmärkten R.H. Schmidt, ZfbF 1982, 728. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 396. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 43; im Gegensatz zu den Annahmen der strengen Kapitalmarkteffizienzhypothese. Vgl. Strong/Walker, Information and Capital Markets, S. 89; Kallfass, Kapitalmarktkoordination, S. 64 m.w.N. Ebke, Vorwort zu MüKo-HGB, Bd. 4, S. IX; ders., in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 24 f.; ähnlich Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 128, 152; diesen Zusammenhang unterstreicht der USamerikanische Gesetzgeber mit dem Sarbanes-Oxley-Act of 2002, indem er strengere Regeln für die Unabhängigkeit und Qualität der Abschlussprüfung aufstellt.

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auf eine Beschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit der Unternehmen hinzuwir154 ken . Die Selbstfinanzierungsquote eines Unternehmens wird zum Gradmesser der Ineffektivität des Kapitalmarktes. Dieser fällt als wirksamer Kontrollmechanismus aus, solange das Unternehmen sich „am Kapitalmarkt vorbei“ finanzieren kann155. Daher wird konsequenterweise gefordert, auf die Unternehmen Ausschüttungsdruck auszuüben. Gewinnausschüttungspflichten können das Druckpotential von Kapital- und Unternehmenskontrollmarkt erhöhen156, da sie die Möglichkeiten des Unternehmens einschränken, sich aus Eigenmitteln zu finanzieren. Zur Erhöhung des Ausschüttungsdrucks ist die Aufdeckung beziehungsweise Verhinderung der Bildung von stillen Reserven unabdingbar. Solange im Hinblick auf die Vermögensbindung durch Kapitalschutz vorsichtig bilanziert wird und quasi hinter dem Rücken der Anleger stille Reserven gelegt und wieder aufgelöst werden können, bleibt dem Unternehmen auch die Möglichkeit der Selbstfinanzierung und damit der Vermeidung von Wettbewerbsdruck bei der Finanzierung. Sind sie hingegen auf den Kapitalmarkt angewiesen, treten sie automatisch mit anderen Unternehmen in Wettbewerb um Kapital. Müssen die stillen Reserven dagegen aufgedeckt werden, kann das Management nicht an den Aktionären vorbei Kapitalpolster anlegen. Im Gegenteil werden die Manager die Nichtausschüttung gegenüber den Anteilseignern zu rechtfertigen haben. Die Anteilseigner bekommen damit eine Handhabe, die Ausschüttung höherer Dividenden zu fordern und zu begründen. Verbleiben keine Kapitalpolster im Unternehmen, ist es bei der Finanzierung von der Evaluierung seiner Projekte durch den Kapitalgeber abhängig. Auf diese Weise bewirken Ausschüttungen, dass das Unternehmen zur Finanzierung verstärkt auf den Kapitalmarkt angewiesen ist und sich zur Kapitalaufnahme dessen Beobachtung und Kontrolle unterwerfen muss. Das Unternehmen ist so zu Transparenz verpflichtet, und die Unternehmensleitung und ihre Vorhaben werden einer Ex-ante-Kontrolle durch den Kapitalmarkt ausgesetzt. Es ist im Sinne guter Corporate Governance, wenn das Management die Profitabilität der geplanten Investition der Beurteilung durch die Kapitalmärkte unterziehen muss. Sowohl Eigen- wie Fremdkapitalgeber haben daran ein Interesse. Die Einschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit der Unternehmen ist daher ein wichtiger Beitrag zur effizienten Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt und dient gleichzeitig Anteilseignern und Gläubigern157. Ein solcher Ausschüttungsdruck ist daher aus Sicht moderner Corporate Governance-Theorie unbedingt erwünscht. Es liegt im Interesse der Anteilseigner, ihre Investition durch Ausschüttungen in die Unternehmung amortisiert zu sehen. Im Hinblick auf eine wirksame Kontrolle der Unternehmensführung durch die Kräfte des Kapitalmarktes ist dies ebenfalls im Interesse der Anteilseigner. Die insbesondere in den Vereinigten Staaten aufgestellte Vermutung, dass ein unter dem Druck des Kapitalmarktes stehendes Unternehmen im Allgemeinen effizienter und profitabler

154 155 156 157

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Grundlegend: Jensen, 76 Am.Econ.Rev. 323 (1986). Meier-Schatz, ZSR 1988, 211 f. Meier-Schatz, ZSR 1988, 232. Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft, S. 110 f.

geführt wird, lässt die Ausübung eines solchen Druckes auf Unternehmen und Management nicht nur vorteilhaft im Sinne der Anteilseigner erscheinen, sondern auch im Sinne der Gläubiger im weitesten Sinne. Ein effizient geführtes und profitabel operierendes Unternehmen bietet schließlich die beste Sicherheit, dass es seine Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern auch wird erfüllen können. Gegen die Beschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit der Unternehmen wird vorgebracht, dass eine hohe Verschuldensrate zwar sicher zur Disziplinierung der Unternehmensleitung beitragen kann, indem der Finanzierungsdruck durch die Kapitalmärkte für das Management erhöht wird, dabei aber das Kapitalstrukturrisiko nicht ü158 bersehen werden darf . Die Beurteilung des Risikos einer zu geringen Eigenkapitalausstattung unterliegt jedoch gewissen Messschwierigkeiten. Diese sind zurückzuführen auf die generelle Schwierigkeit der Einschätzung der von einem Unternehmen eingegangenen Risiken und die Schwierigkeit für die unternehmensexternen Kapitalgeber, 159 diese aus dem Jahresabschluss zu beurteilen . Im Interesse einer vernünftigen Unternehmensstrategie auch im Interesse der Anleger ist aber eine ausreichende Eigenkapitalausstattung sicherlich nach wie vor unverzichtbar. Aufgrund ihrer Längerfristigkeit im Vergleich zur Fremdkapitalfinanzierung und dank ihrer Teilnahme am unternehmerischen Risiko bleibt die Eigenkapitalfinanzierung eine wichtige Voraussetzung für die notwendige Investitions- und Innovationsbereitschaft des Unternehmens. Ein erhöhter Fremdkapitalanteil, d.h. ein höherer Verschuldungsgrad, bedeutet auch ein höheres Risiko. Es ist daher ein Ausgleich zu finden zwischen angemessener Kapitalausstattung und Beschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit des Unternehmens andererseits. Die Erhöhung des Ausschüttungsdrucks auf die Unternehmen und die Beschränkung ihrer Selbstfinanzierungsfähigkeit muss jedoch nicht notwendigerweise eine Erhöhung der Fremdkapitalquote zur Folge haben. Die Finanzierung soll ja auch und gerade über den Eigenkapitalmarkt und unter Beachtung des richtigen Verhältnisses von „Leveraging“ und angemessener Eigenkapitalausstattung erfolgen. In den Vereinigten Staaten lassen sich als Folge stärkerer Inanspruchnahme des Kapitalmarktes für die Unternehmensfinanzierung im Vergleich zu Deutschland erheblich höhere Eigenkapitalquoten beobachten, obwohl die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven dort schon seit langem stark eingeschränkt sind160. 4.

Kritik an der Theorie einer Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt

Die Theorie einer Unternehmensüberwachung durch den Kapitalmarkt, insbesondere durch den Markt für Unternehmenskontrolle, wird in verschiedener Hinsicht angezweifelt. Zunächst ist fraglich, ob der Kapitalmarkt auch in Deutschland die Funktionsvoraussetzungen erfüllt, die vorliegen müssen, damit die Kontrollmechanismen des Mark158 159 160

D. Schneider, in: Gröner (Hrsg.), S. 48. D. Schneider, in: Gröner (Hrsg.), S. 56. Vgl. Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 27, insbes. die unbereinigten und bereinigten Zahlen unter seiner Fn. 9.

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tes greifen können. Darüber hinaus wird auch bezweifelt, ob die beschriebenen Mechanismen auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen greifen können. Dies führt zur Frage, ob der Kapitalmarkt und der Markt für Unternehmenskontrolle überhaupt einen Beitrag zur Unternehmensüberwachung leisten können. Entsprechend ist die rechtspolitische Einschätzung des Marktes für Unternehmenskontrolle und seiner Wirksamkeit insbesondere in Bezug auf Disziplinierung und damit Steigerung der Effizienz des Mana161 gements umstritten . a)

Zweifel an den beschriebenen Funktionsmechanismen

Ob der Markt für Unternehmenskontrolle und eine Überwachung des Managements von börsennotierten Unternehmen durch diesen Markt tatsächlich so funktionieren kann, wie in der Literatur beschrieben, ist fraglich. Die Theorie der Unternehmensüberwachung durch den Market for Corporate Control unterstellt, dass ein ineffizientes Management den Aktienkurs des Unternehmens senkt, worauf das Management eines anderen Unternehmens bereitwillig interveniert, die Aktien aufkauft und bereit und in der Lage ist, dafür auch noch eine Prämie zu zahlen, nur um nun selbst das Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Wäre dies eine feststehende Gesetzmäßigkeit, würde – insbesondere bei informationseffizienten Kapitalmärkten – von vornherein niemand seine Aktien verkaufen, sondern jeder Aktionär würde immer auf den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auftretenden Tender-Offeror warten, um in den Genuss der Prämie zu kommen. Wenn die Effizienz des Kapitalmarktes mit einer effizienten und symmetrischen Verteilung von Information Voraussetzung für die Theorie von der Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt ist, dann sind auch alle Anleger über die Entwicklungs- und Renditepotentiale informiert und haben folglich keinen Grund, ihre Anteile zu verkaufen. Konsequent gedacht käme der Stimmrechtsmarkt so überhaupt nicht zustande162. Dann könnten aber die Aktienkurse des schlecht geführten Unternehmens gar nicht erst zu sinken beginnen. Der Anteilseigner wird vielmehr ein Sinken der Aktienkurse von vornherein verhindern wollen. Der Austritt aus der Gesellschaft, die „Abstimmung mit den Füßen“ gegen das Management, ist für den Kleinaktionär schließlich wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn er seine Aktien vor dem Kursrückgang verkaufen kann163. So gesteht zwar auch Manne zu, dass diejenigen Aktionäre, die aus Unzufriedenheit ihre Anteile verkaufen, schwere Kursverluste hinzunehmen haben. Es würden aber noch schwerere Verlus-

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163

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Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 403; Meier-Schatz, ZHR 1985, 76, 95-103. D. Schneider, in: Gröner (Hrsg.), S. 39, 46. Vgl. auch Easterbrook/Fischel, „Unless stock markets are substantially inefficient, the bidder will not be able to acquire a company for less than its value under current conditions“ (94 Harv.L.Rev. 1161, 1168 [1981]), die aber dennoch vertreten, dass der Markt für Unternehmenskontrolle in effizienten Märkten im Sinne der Efficient Capital Market Hypothesis funktioniert. Busse von Colbe, Unternehmenskontrolle durch Rechnungslegung, in. Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 37, 39.

te dank des Marktes für Unternehmenskontrolle vermieden, weil letztlich vermieden 164 würde, dass ein unfähiges Management das Unternehmen in die Insolvenz führt . Die Kritik beruht auf der Annahme voll effizienter Kapitalmärkte im Sinne der ECMH in ihrer extremsten Ausprägung; allerdings vertritt heute kaum jemand die Auffassung, die Kapitalmärkte seien wirklich in diesem Maße effizient. Außerdem beruht die Theorie einer Unternehmenskontrolle durch den Market for Corporate Control auf der weiteren These, dass das Management des übernehmenden Unternehmens sich zutraut, den Unternehmenswert der Zielgesellschaft und deren Aktienkurs erheblich zu steigern165. Es unterstellt damit Entwicklungspotentiale, deren Existenz dem Markt im Zweifel noch unbekannt ist und die daher auch noch nicht im Aktienkurs berücksichtigt sind166. Ansonsten wäre auch die Zahlung einer Prämie auf den Aktienkurs wirtschaftlich sinnlos, jedenfalls aber zu teuer. Gemäß der Kapitalmarkteffizienzhypothese spiegelt der Aktienkurs zwar alle verfügbaren Informationen und damit den gegenwärtigen Wert des Unternehmens unter seinem gegenwärtigen Management exakt wider, er spiegelt dabei aber nur den Wert des Unternehmens unter seinem derzeitigen Management, nicht jedoch, oder jedenfalls nicht in voller Höhe167, den Wert, den das Unternehmen unter einer anderen, effizienteren Unternehmensleitung haben könnte. Hier liegt der Anreiz für den Unternehmensübernehmer („Tender-Offeror“). Das Unternehmen ist demzufolge zwar nicht unter seinem tatsächlichen Wert zu erwerben, aber es bleibt noch Raum für eine positive Entwicklung, so dass der Erwerb eines Übernahmekandidaten sich lohnen kann. Da der Aktionär einer feindlichen Übernahme nicht hundertprozentig sicher sein kann, ist die Entscheidung, seine Aktien zu halten oder zu verkaufen, immer spekulativ. Ein ineffizientes Management garantiert noch keine feindliche Übernahme, so dass der einzelne Aktionär sehr wohl vor der Entscheidung steht, seine Anteile zu verkaufen, um weitere Kursverluste zu vermeiden oder aber zu halten in der Hoffnung auf die Prämie des Tender-Offerors. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich – angesichts der Gefahr des Ausbleibens einer „rettenden“ feindlichen Übernahme – immer einige Aktionäre für den Verkauf ihrer Anteile entscheiden und so die Kurse ins Wanken bringen. Dies bedeutet aber letztlich, dass die Mechanismen des Marktes für Unternehmenskontrolle ebenso funktionieren können wie eine Kontrolle durch den Kapitalmarkt an sich, da die Aktienkurse tatsächlich eine Indizwirkung für die Qualität der Unternehmensführung entfalten können. Eine weitere Erklärung für das Auftreten feindlicher Übernahmen trotz Annahme eines (annähernd) effizienten Kapitalmarktes liegt in der Senkung von Agency-Kosten. Damit wird die Rolle feindlicher Übernahmen bei der Überwachung der Leistung der Unternehmensleitung noch unterstrichen168. Selbst wenn der einzelne Aktionär der durch suboptima164 165 166 167 168

Vgl. bereits Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965). Dies unterliegt zunächst der subjektiven Einschätzung des übernehmenden Managements, vgl. bereits Manne, 73 J.Pol.Econ. 110, 112 (1965). Jedenfalls der „mittelstrengen“ Kapitalmarkteffizienzhypothese zufolge. Zur Wiedergabe von Erwartungen für die Zukunft durch die Aktienkurse vgl. Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161, 1167 (1981). Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161, 1169 (1981).

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les Management verursachten Agency-Kosten gewahr wird, hat er aufgrund mangelnden Einflusses in der Kapitalgesellschaft keine Möglichkeit, auf eine Senkung derselben hinzuwirken. Aufgrund der Free-rider-Problematik hat er daran auch kein Interesse, da sich sein Engagement für ihn nicht auszahlen würde. Anders stellt sich die Situation jedoch für den Übernehmer dar. Dieser ist in der Lage, durch Mehrheitserwerb an Aktien das bisherige Management auszutauschen und die Agency-Kosten zu senken. Wegen des Erwerbs einer Mehrheit der Aktien stellt sich für ihn das Free rider-Problem nicht. Anders als der einzelne Minderheitsaktionär kann der Tender-Offeror somit Profit erzielen, obwohl er zusätzlich zu einem Aktienkurs, der den tatsächlichen Wert des Übernahmekandidaten widerspiegelt, 169 noch eine Prämie zahlt . Aufgrund dieser Zusammenhänge ist der Vorwurf des Zirkelschlusses der Theorie einer Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt beziehungsweise den Markt für Unternehmenskontrolle meines Erachtens auch widerlegt. Gegen die Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle und die Kapitalmarkteffizienzhypothese wird ferner eingewandt, dass sie durch das Scheitern eines erheblichen Teils der Fusionen und Übernahmen selbst widerlegt zu sein scheinen. Der Aktienkurs kann dann bei diesen gescheiterten Transaktionen nicht den wahren Wert des übernommenen Unternehmens ausgedrückt haben. Die Kritik vernachlässigt allerdings den subjektiven Faktor, der darin liegt, dass eine Übernahme dann stattfindet, wenn ein anderes Management der Ansicht ist, das zu übernehmende Unternehmen besser führen zu können. Dies kann sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Die Kapitalmarkteffizienzhypothese ist damit noch nicht widerlegt. Lediglich ist in Frage gestellt, ob die Übernahme auch tatsächlich im Interesse der Aktionäre war. Im Interesse der Aktionäre des übernommenen Unternehmens war sie dann aber auf jeden Fall; sie haben schließlich für ihren Ausstieg aus dem Unternehmen eine Prämie erhalten. Kursverluste müssen die Aktionäre des übernehmenden Unternehmens hinnehmen. Scheiternde Übernahmen widersprechen im Zweifel auch den Interessen der anderen Stakeholders. Leidtragende sind hier insbesondere die Arbeitnehmer. Hierin liegt die bereits dargestellte Gefahr des „empire-building“170. Dem kann aber wirksam entgegengetreten werden. Durch eine Einschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit des Unternehmens ist das Management außerstande, uneingeschränkt Übernahmen durchzuführen. Muss es sich für eine solche Maßnahme das Kapital erst beschaffen, muss dies gegebenenfalls unter Hinzuziehung der Kontrollorgane Aufsichtsrat und Hauptversammlung geschehen; jedenfalls aber wird die geplante Maßnahme dem kritischen Urteil des Marktes überantwortet. b)

Tatsächliche Effizienz und Kontrollleistung des Kapitalmarktes

Das tatsächliche Vorliegen der Funktionsvoraussetzungen der Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes und seiner Effizienz ist selbst für den wesentlich weiterentwickelten ame169 170

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Zu diesem gesamten Komplex grundlegend Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161, 1168 ff. (1981) und Jensen/Meckling, 3 J.Fin.Econ. 305 (1976) sowie Jensen, 76 Am.Econ.Rev. 323 (1986). Vgl. Meier-Schatz, ZHR 1995, 76, 101.

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rikanischen Kapitalmarkt umstritten . Daraus wird geschlossen, dass die Voraussetzungen für eine effiziente Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt und für einen wirksamen Markt für Unternehmenskontrolle auf dem vergleichsweise unterentwickelten deutschen Kapitalmarkt erst recht (noch) nicht vorliegen172. Dabei wird aber übersehen, dass es heute keine nationalen Kapitalmärkte im eigentlichen Sinne mehr gibt. Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen belegen, dass nicht mehr allein der nationale Kapitalmarkt Unternehmenskontrolle ausübt. Sobald man generell anerkennt, dass der Kapitalmarkt in der Lage ist, einen Beitrag zur Unternehmenskontrolle und -überwachung zu leisten, kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die Voraussetzungen dafür bereits vorliegen, sie müssen jedenfalls geschaffen werden. Dieses Ansinnen verfolgt seit einigen Jahren auch der Gesetzgeber173. Dem Kapitalmarkt wird in der Praxis außerdem generell die Fähigkeit abgesprochen, in hinreichendem Maße Fehlleistungen der Unternehmensleitung zu erkennen, in entsprechende Aktienkurse umzusetzen und damit das Management zu disziplinieren174. Dem ist allerdings entgegenzusetzen, dass der Kapitalmarkt seine disziplinierende Wirkung aufgrund sinkender Aktienkurse bereits bei der bloßen Gefahr einer feindlichen Übernahme und der bloßen Gefahr eines Austauschs der Unternehmensführung entfaltet. Der unternehmensexterne Überwachungsprozess durch potentielle Übernehmer bedeutet somit eine ständige Bedrohung ineffizienten Managements durch eine mögliche Übernahme, unabhängig davon, wie exakt der Aktienkurs die Leistungsfähigkeit der Unternehmensleitung tatsächlich wiedergibt175. Solange überhaupt ein Übernahmepotential besteht, gilt dies auch in einem nicht volleffizienten Markt. Für die Vereinigten Staaten gilt die disziplinierende Wirkung der latenten Übernahmedrohung durch einen funktionstüchtigen Kapitalmarkt auf das Management der großen Publikumsgesellschaften inzwischen als empirisch belegt176. Mit dem Inkrafttreten des WpÜG am 1. Januar 2002 wurde auch in Deutschland ein verbindlicher gesetzlicher Rahmen für öffentliche Übernahmen börsennotierter Gesellschaften mit Sitz in Deutschland geschaffen, vgl. §§ 1, 2 Abs. 3 WpÜG. Die Zahl der auf der Grundlage des WpÜG seither durchgeführten öffentlichen Angebote kann als Beleg dafür herangezogen werden, dass sich inzwischen auch in Deutschland ein aktiver Markt für Unternehmensübernahmen gebildet hat, der in der Lage ist, die geschilderte Kontrollfunktion auszuüben177. 171 172 173 174 175 176 177

Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 290; Meier-Schatz, ZHR 1995, 76, 99 f. m.w.N. Zur Entwicklung des deutschen Kapitalmarktes und seinen Defiziten im Hinblick auf eine wirkungsvolle Unternehmenskontrolle vgl. Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 241-244. Vgl. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. Meier-Schatz, ZHR 1995, 76, 96 f. m.w.N. Easterbrook/Fischel, 94 Harv.L.Rev. 1161, 1174 (1981). Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 241-244. Die Datenbank der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) weist für den Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2003 über 80 gemäß § 14 WpÜG veröffentlichte Angebotsunterlagen aus; abrufbar unter http://www.bafin.de. Auch wenn man einschränkend berücksichtigt, dass es sich bei einigen dieser Angebote um konzerninterne Umstrukturierungen oder um Rückkäufe eigener Aktien handelt, belegt diese Zahl doch eine signifikante Aktivität auf dem deutschen Markt für Unternehmenskontrolle.

51

Obgleich die Bedeutung von Übernahmen für den Kapitalmarkt und für die Unternehmens(leiter)kontrolle noch vereinzelt angezweifelt wird, ist sie in der Praxis ebenso wie 178 vom Gesetzgeber anerkannt . Dementsprechend war und ist der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene bemüht, mit Vorhaben wie dem WpÜG oder der nach jahrzehntelangem Ringen schließlich doch zustande gekommenen EU-Übernahmerichtlinie179 einen entsprechenden Rahmen bereitzustellen, um in diesem Rahmen die Kapitalmarktkontrolle unternehmerischer Tätigkeit zu ermöglichen180. Die Shareholder Value-Diskussion und das Bemühen der Unternehmen, ihr gerecht zu werden, belegen eindrucksvoll, dass sich die Unternehmen und ihr Management durchaus dem Druck der Kapitalmärkte ausgesetzt fühlen und Unternehmens(leiter)kontrolle durch die Aktionäre 181 über die Märkte tatsächlich ausgeübt wird . Die Unternehmen stellen sich dem Markt 182 für Unternehmenskontrolle ganz bewusst, um für die Börse attraktiv zu bleiben . Wer den Anschein erweckt, sich dieser Kontrolle entziehen zu wollen, muss bereits mit einer empfindlichen „Bestrafung“ durch die Börse rechnen, insbesondere durch institutionelle Investoren und Analysten, die davon ausgehen, dass ein erfolgreiches Management, das nichts zu verbergen hat, sich auch getrost dem Wettbewerb auf dem Market for Corporate Control zu stellen bereit und in der Lage ist183. Die Kapitalmärkte können daher sehr wohl verhaltenssteuernde und disziplinierende Wirkung entfalten, auch wenn dies zunächst auf die großen Publikumsgesellschaften mit börsengängigen Anteilen beschränkt ist und eines Maximums an Publizität und Rech184 nungslegung sowie eines aktiven Übernahmemarktes bedarf . Andererseits werden auch kleine und mittlere Unternehmen von den Mechanismen der Kapitalmärkte erfasst. Bei der Finanzierung sind sie zunehmend auf den Markt für Fremdkapital angewiesen. Wie später noch zu zeigen sein wird, entwickeln diese insbesondere über das sogenannte Rating

178

179

180

181 182 183

184

52

Vgl. FAZ vom 14.5.2001; RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 11; vgl. auch den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10.1.2002, S. 21, der feststellt, dass tatsächliche und potentielle Übernahmeangebote ein wichtiges Mittel zur Disziplinierung der Leitungsorgane börsennotierter Gesellschaften sind, im Internet abrufbar unter http://www.europa.eu.int/comm/ internal_market/en/company/company/news/hlg01-2002_de.pdf. Die Richtlinie wurde am 16.12.2003 vom Parlament angenommen (Text abrufbar unter http://register.consilium.eu.int/pdf/de/03/st15/st15476.de03.pdf, Stand: 5.3.2004); zum Entwurf vom 2.10.2002: Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote vom 2. 10. 2002, KOM (2002) 534. Für das WpÜG: Schüppen, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, Einleitung Rn. 7, 22. Für die EUKommission vgl. den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 10.1.2002, S. 21, den sich die Kommission insoweit zu eigen macht, KOM (2002) 534, S. 3. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 41. Vgl. FAZ vom 14.5.2001. Diese Überlegung steht auch hinter der Regelungstechnik des § 161 AktG, der vorschreibt, dass die von den Unternehmen abzugebende Entsprechenserklärung Abweichungen vom Deutschen Corporate Governance Kodex offenzulegen hat. Ähnlich EU-Kommission, KOM (2003) 284, S. 15. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27; Köndgen, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), S. 128, 138.

durchaus vergleichbare Kontrollmöglichkeiten. Zur günstigen Kapitalaufnahme sind Un185 ternehmen auch hier auf positive externe Beurteilung durch den Markt angewiesen .

IV.

Unternehmenskontrolle und Rechnungslegung

Sowohl Kapitalmarkt als auch Aufsichtsgremien bedürfen zur Ausübung optimaler Kontrolle aufschlussreicher Rechnungslegungsgrundsätze 186 . Der dargestellte Zusammenhang zwischen Unternehmenskontrolle, funktionstüchtigen Kapitalmärkten und Information macht deutlich, dass Rechnungslegung eine zentrale Rolle im Rahmen von Corporate Governance und Unternehmenskontrolle zukommt 187 . Als Lieferant von Nachrichten über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Information und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Die Bedeutung von Rechnungslegung liegt damit in ihrer Funktion als „Informati188 onsinstrument der Überwachungsträger“ . Rechnungslegung ist das entscheidende Bindeglied zur Gewährleistung wirksamer Unternehmenskontrolle – unternehmensintern wie -extern189. 1.

Rechnungslegung im Rahmen unternehmensinterner Kontrollmechanismen

Im Rahmen unternehmensinterner Kontrollmechanismen fungiert Rechnungslegung als Steuerungs-, Führungs- und Kontrollinstrument. Sie dient nach klassischem Verständnis der Selbstkontrolle, insbesondere dem Gläubigerschutz durch Selbstinformation und -kontrolle im Hinblick auf das Schuldendeckungspotential des Unternehmens190. Daneben dient Rechnungslegung der Information der Unternehmensleitung und der unternehmensinternen Kontrollgremien. Rechnungslegung ist somit eine wichtige Grundlage für die ökonomischen Entscheidungen des Managements und der Kontrolle nachgeordneter 191 Hierarchiestufen . Als solches dient Rechnungslegung auch der Planung und Steuerung 192 und ist damit ein wichtiges Element interner Corporate Governance . Für die interne Corporate Governance sind sowohl interne als auch externe Rechnungslegung wichtig und 185 186 187

188 189 190 191 192

S.u. E. III. 2., S. 231 ff. Ordelheide, in: Picot (Hrsg.), S. 89. Der Sarbanes-Oxley-Act unterstreicht die Bedeutung der Verlässlichkeit von Rechnungslegungsdaten, indem er durch strenge, strafbewehrte Regeln für die Abschlussprüfung und die Bestätigung der Jahresabschlüsse durch das Management das Vertrauen in die im Rahmen der Rechnungslegung des Unternehmens veröffentlichte Information stärken will, vgl. Lanfermann/Maul, DB 2002, 1725, 1728 ff. Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1446. Mestmäcker, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 66 f.; ähnlich Hopt, ZGR 2000, 779, 782; ausführlich dazu Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37. Vgl. Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1446. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 38. Zum Zusammenhang von Controlling im Sinne von Planung, Steuerung und Kontrolle im Interesse ertragsorientierten Managements und interner und externer Rechnungslegung, vgl. Wenk, Marktwert, S. 129-150; Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 714 f.

53

erforderlich. Gegebenenfalls bietet es sich an, die Regelungen der externen Rechnungslegung auch für die interne Steuerung und Kontrolle zu benutzen. Dazu bedarf es aber einer Annäherung von interner und externer Rechnungslegung, die teilweise schon prakti193 ziert wird . De lege lata sind einer solchen Annäherung enge Grenzen dadurch gezogen, dass die vorsichtige Bilanzierung nicht die zur Erfüllung von Controllingfunktionen er194 forderlichen Informationen bereit stellt und so intern zu Fehlsteuerungen führen kann . Durch eine Verbesserung der Informationsleistung externer Rechnungslegung kann die Annäherung möglicherweise erreicht werden195. Die Einführung von IFRS würde die An196 näherung von internem und externem Rechnungswesen im Zweifel weiter fördern . Rechnungslegung ist ferner von großer Bedeutung für den Aufsichtsrat und seine Funktion als Überwachungs- und Kontrollorgan der Aktiengesellschaft. Eine seiner zentralen Aufgaben ist dabei zunächst gemäß § 171 Abs. 1 AktG die Prüfung des Jahresabschlusses selbst197. Die Rechnungslegung des Unternehmens ist darüber hinaus eines der entscheidenden Informationsinstrumente des Aufsichtsrates, die es ihm ermöglichen sollen, auch ansonsten seine gesetzliche Kontrollfunktion auszuüben. Dabei soll die Rechnungslegung ihm insbesondere den notwendigen Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens liefern, die der Aufsichtsrat über die Überprüfung des Ab198 schlusses hinaus zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe braucht . Als Grundlage ihres Gewinnverwendungsbeschlusses unterstützt der Jahresabschluss zugleich die Kontrolltätigkeit der Hauptversammlung. Die Entscheidung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat beispielsweise kann in der Hauptversammlung je kompetenter getroffen werden, desto besser die Informationen sind, auf denen die Entscheidung beruht. Auf dieser Überlegung beruhen §§ 131, 337 Abs. 4 AktG, die den Aktionären eine sachgemäße Beurteilung der Gegenstände der Hauptversammlung ermöglichen sollen199. 2.

Rechnungslegung im Rahmen unternehmensexterner Kontrollmechanismen

Unternehmensextern ist Rechnungslegung ebenfalls das entscheidende Instrument der Unternehmens(leiter)kontrolle. Wie dargelegt, ist Information einer der wichtigen Parameter effizienter Kapitalmärkte. Die Verbesserung von Transparenz und Publizität zur Lösung des Prinzipal-Agent-Problems steht daher auch im Vordergrund der Corporate Governance-Diskussion. Transparenz des Unternehmens und seiner Leitung gegenüber dem Kapitalmarkt bildet ein Kernelement des Deutschen Corporate Governance Kodex und ist ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung in ihrem Zehn-Punkte193 194 195 196 197 198 199

54

Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 42. Wenk, Marktwert, S. 129, 130. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 49; vgl. dazu auch Kubin, FS Coenenberg, S. 525; Küting, BB 2000, 451. Th. Kümpel, DB 2002, 905, 910. Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1447. Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1447. Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1447/1448.

Programmm ebenso wie der EU-Kommission in ihrem Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäi200 schen Union . Damit befinden sich deutscher und europäischer Gesetzgeber im Einklang mit der international vorherrschenden Ansicht201 . Als wesentlicher Bestandteil der Unternehmenspublizität ist Rechnungslegung dabei eine der wichtigsten Möglichkeiten, den Kapitalmarkt mit Information zu versorgen und wird somit selbst zu einer unverzichtbaren Voraussetzung (wenigstens einigermaßen) effizienter Kapitalmärkte202. Indem sie für den erforderlichen steten Informationsfluss an Investoren und Analysten sorgt, garantiert sie das Funktionieren der Unternehmensüberwachung. Damit dient sie auch einer „richtigen“ Preisbildung, die wiederum unerlässlich ist für das Vertrauen der Anleger in den Markt, aber auch für eine optimale Beurteilung von Chancen und Risi203 ken auf dem Markt für Unternehmenskontrolle . Das Informationsbedürfnis des Kapitalmarktes lässt sich zum einen konkretisieren in der Forderung der Kapitalgeber nach Rechenschaft. Die Anteilseigner brauchen die Informationen, um zu beurteilen, ob das Unternehmen profitabel ist, ob die Gewinne hoch genug sind oder schon im Rückgang begriffen. Diese Informationen liefert ihnen vorrangig die Rechnungslegung204. Rechnungslegung wird in diesem Rahmen zu einem direkten Instrument der Managerkon205 trolle . Zum anderen sind auch die Aktienmarktteilnehmer als künftige Investoren auf Information durch Rechnungslegung regelrecht angewiesen, um beurteilen zu können, ob sie dem Unternehmen gewinnbringend Kapital zur Verfügung stellen können oder nicht206. In ihrer Eigenschaft als Informationslieferant wird Rechnungslegung somit auch zum Kommunikationsinstrument gegenüber Anlegern und potentiellen Investoren 207 und gleichzeitig zum externen Kontrollinstrument, indem sie der Information und Rechenschaft gegenüber den Kapitalgebern dient, aber auch der Beurteilung potentiellen Engagements im Unternehmen durch den Kapitalmarkt. Rechnungslegung wird damit zum Bestandteil der Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung gegenüber Unternehmensbetei-

200 201 202 203 204 205 206 207

Deutscher Corporate Governance Kodex, Ziff. 1 (Präambel), Ziff. 6 (Transparenz) und Ziff. 7 (Rechnungslegung); Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de; EU-Kommission, KOM (2003) 284, S. 7 f., 16. Für den US-amerikanischen Gesetzgeber vgl. nur den Sarbanes-Oxley-Act of 2002: „an Act to protect investors by improving the accuracy and reliability of corporate disclosures“; vgl. auch OECD (Hrsg.), White Paper on Corporate Governance in South East Europe, S. 33. Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Tz. 266 u. 268. Vgl. dazu Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1125. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 39. Böcking, in: Ballwieser/Schildbach (Hrsg.), S. 17, 25; Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 41-43; aus amerikanischer Sicht wird dem „financial accounting“ daher eine regelrechte „stewardship function“ zugesprochen, vgl. Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 30 m.w.N. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 41-43. Böcking, WPg 2001, 1433, 1438.

55

208

ligten und Kapitalmarkt . Aus diesen Gründen sind Rechnungslegungsregeln unver209 zichtbar, die den Informationsbedürfnissen der Kapitalmärkte Rechnung tragen .

V.

Der Stand der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Corporate GovernanceDiskussion in Deutschland und Europa

Trotz aller im Detail vorgebrachten Kritik gelten die geschilderten Erkenntnisse und Theorien inzwischen als gesichert und anerkannt210. Folglich zeigt sich auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene das Bemühen, diese Erkenntnisse umzusetzen und einen geeigneten Rahmen für „gute Corporate Governance“ zu schaffen. 1.

Der Diskussionsstand in Deutschland

Das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene WpÜG und der Deutsche Corporate Governance Kodex nebst seiner gesetzlichen Implementierung durch das TransPuG beruhen auf den dargelegten Erkenntnissen zur Bedeutung von Unternehmenskontrolle im Sinne einer an den Bedürfnissen des Kapitalmarkts ausgerichteten Leitung und Überwachung börsennotierter Unternehmen. Indem er einen gesetzlichen Rahmen für einen Markt für Unternehmenskontrolle geschaffen hat, hat der deutsche Gesetzgeber einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der externen Corporate Governance in Deutschland geleistet. Das WpÜG dient insbesondere dem Abbau von Übernahmehindernissen (beispielsweise durch die in § 33 Abs. 1 WpÜG vorgesehene eingeschränkte Neutralitätspflicht der Leitungsorgane der Zielgesellschaft211) und will damit das Entstehen eines aktiven Marktes für Unternehmensübernahmen (Unternehmenskontrolle) fördern. Indem sich gemäß § 31 Abs.1 WpÜG der an die Aktionäre der Zielgesellschaft zu zahlende Mindestpreis am Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft orientiert, hat der Gesetzgeber im WpÜG darüber hinaus die Effizienz des Kapitalmarkts im Hinblick auf die Bewertung der Publikumsaktiengesellschaft anerkannt. Der am 26. Februar 2002 vorgestellte Deutsche Corporate Governance Kodex greift eine Vielzahl der Forderungen zur Verbesserung des deutschen Corporate GovernanceSystems auf und versucht diese umzusetzen. Der Kodex stellt das deutsche System der gesetzlichen Unternehmensverfassung kurz dar und formuliert mit seinen Empfehlungen und Anregungen zusätzlich zum geltenden Recht national und international anerkannte Verhaltensstandards für die betroffenen Unternehmen, um die Qualität deutscher Corporate Governance zu verbessern und den Anforderungen ausländischer Investoren

208 209 210 211

56

Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Tz. 266 u. 268. Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, S. 43, 57. Escher-Weingart: Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 180 ff., 202 f. Zur (eingeschränkten) Neutralitätspflicht des Vorstands der Zielgesellschaft und der zugrundeliegenden rechtspolitischen Diskussion vgl. Röh, in: Haarmann/Riehmer/Schüppen, § 33 WpÜG Rn. 1 ff., 15 ff.

212

zu entsprechen . Dabei differenziert er zwischen Anregungen, die mit „sollte” oder „kann” gekennzeichnet sind, und Empfehlungen, die mit „soll” gekennzeichnet sind. Während die Unternehmen von den Anregungen ohne weitere Offenlegung abweichen können, sind Abweichungen von den Empfehlungen jährlich offen zu legen. Der Kodex zielt sowohl auf interne als auch auf externe Corporate Governance. Das deutsche System interner Unternehmenskontrolle soll zunächst vor allem ausländischen Investoren vermittelt, aber durch die zahlreichen Verhaltensstandards auch verbessert, transparenter und nachvollziehbar werden. Der Kodex bezweckt damit insbesondere ei213 ne Stärkung des Vertrauens der Anleger in den deutschen Kapitalmarkt . Die Verbesserung der Transparenz der Aktivitäten des Unternehmens und seiner Leitung und Überwachung als zentrales Element guter Corporate Governance dient aber zugleich der externen Unternehmenskontrolle. Nur durch eine offene Kommunikation mit den verschiedenen am Unternehmen beteiligten Interessengruppen kann das notwendige Vertrauen der Beteiligten hergestellt und gefestigt werden214. Dazu gehört auch eine transparente, informationsorientierte Rechnungslegung, der der Kodex einen eigenen Abschnitt (Ziff. 7) widmet. In Ziff. 7.1.1 fordert die Kodex die Erstellung des Konzernabschlusses, den er als maßgebliches Informationsmedium der Anteilseigner und Dritter sieht, unter Beachtung international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze aufzustellen. Durch die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG fügt der Gesetzgeber den Deutschen Corporate Governance Kodex in das Aktienrecht ein. Damit wird die unverbindliche Empfehlung eines privaten Gremiums mit dem geltenden Recht verknüpft und ihr mittelbar eine gewisse Verbindlichkeit verliehen. Voraussetzung dieser Regelungstechnik ist die Erwartung, dass die den Kapitalmarktteilnehmern zur Verfügung gestellte Information über Abweichungen von den Empfehlungen des Kodex zu entsprechenden Reaktionen am Markt führt215, eine „schlechte Corporate Governance“ mithin durch den Kapitalmarkt „bestraft“ wird. In der Regelungstechnik, derer sich der Gesetzgeber zur Implementierung des Deutschen Corporate Governance Kodex bedient, bringt er damit sein Vertrauen in die Wirksamkeit einer Unternehmenskontrolle durch den Kapital216 markt zum Ausdruck . Der Deutsche Corporate Governance Kodex und seine aktienrechtliche Implementierung gemäß § 161 AktG stellen einen wichtigen Schritt, sicherlich aber nicht den Schlussstein der langjährigen Diskussion über kapitalmarktorientierte Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle in Deutschland dar. Die Cromme-Kommission wird regelmäßig zusammentreten und den Kodex überprüfen und bei Bedarf den jeweils anerkannten Standards guter Corporate Governance anpassen217. Darüber hinaus zeigt 212 213 214 215 216 217

Deutscher Corporate Governance Kodex/von Werder, Präambel Rn. 61. Deutscher Corporate Governance Kodex, Präambel. Deutscher Corporate Governance Kodex/von Werder, Präambel Rn. 65. Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271. S.o. Fn. 183. Deutscher Corporate Governance Kodex/Ringleb, Vorbem. Rn. 33.

57

das Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung, mit dem die Entwicklung moderner Corporate Governance in Deutschland insbesondere angesichts der Entwicklung in den USA mit dem Sarbanes-Oxley-Act weiter vorangetrieben werden soll, welche Bedeutung einem System moderner und transparenter Corporate Governance zugemessen wird. 2.

Der Diskussionsstand in Europa

Die Aktivitäten auf europäischer Ebene belegen ebenfalls, dass die Entwicklung einer modernen kapitalmarktorientierten Corporate Governance für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und Kapitalmärkte für unverzichtbar gehalten wird. In dem Bereich der internen Unternehmenskontrolle stehen die Bemühungen der EUKommission um eine Harmonisierung und Modernisierung des Gesellschaftsrechts, wie sie in dem Aktionsplan der EU-Kommission zur Modernisierung des Gesellschafts218 rechts zur Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union zum Ausdruck kommen, im Mittelpunkt. Dabei geht es um eine Stärkung der Aktionärsrechte und die Verbesserung des Schutzes Dritter insbesondere durch die Schaffung von Vertrauen in die Gesellschaften innerhalb der Europäischen Union219. Mit dem Aktionsplan will die Kommission die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken. Dies soll unter anderem durch mehr Transparenz und strengere Rahmenvorschriften insbesondere bei den Publizitätsanforderungen verwirklicht werden220. Im Bereich der externen Corporate Governance steht eine Stärkung des Kapitalmarkts und seiner Funktionsmechanismen durch Schaffung eines Markts für Unternehmenskontrolle im Mittelpunkt. In ihrem ersten Bericht hat die von der EU-Kommission eingesetzte Hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts festgestellt, dass Unternehmensübernahmen sowohl als ein Mittel zur Nutzung von Synergien dienen, um den europäischen Unternehmen die Möglichkeit zur Erzielung von Skaleneffekten und zum Erreichen einer kritischen Größe zu geben, mit der sie im internationalen Wettbewerb bestehen können, als auch ein Instrument zur Unternehmens(leiter)kontrolle in der Publikumsaktiengesellschaft darstellen 221 . Ein wirksamer Anlegerschutz hängt demnach eng zusammen mit entwickelten, gut funktionierenden Kapital- und Finanzmärkten. Der Bericht zielt daher auf den Abbau von Hindernissen für die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen im Bereich von Unternehmensübernahmen und damit eines europaweiten Rahmens für einen funktionierenden Markt für 218 219 220 221

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Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan, KOM (2003) 284 vom 21. 5. 2003; dazu Wiesner, ZIP 2003, 977. Der Aktionsplan ist auch eine Reaktion auf die Bilanzskandale in den USA und den SarbanesOxley-Act of 2002. KOM (2003) 284; Report of the High Level Group of Company Law Experts on a modern regulatory framework for company law in Europe, 4.11.2002. Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10.1.2002, S. 19.

Unternehmenskontrolle. In ihrer Begründung zum Richtlinienvorschlag der Kommission für eine Übernahmerichtlinie vom 2.10.2002 macht sich die EU-Kommission die Er222 kenntnisse des Berichts der Hochrangigen Gruppe von Experten zu eigen . Die Schaffung eines „Level Playing Field“ für Unternehmensübernahmen soll die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Markt für Unternehmenskontrolle innerhalb des europäischen Binnenmarktes verbessern. Transparenz bezüglich Kapital- und Kontrollstruktur und Verteidigungsstrukturen soll einem potentiellen Bieter die Analyse der Zielgesellschaft und damit die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebotes und den Aktionären der Zielgesellschaft die Entscheidung über die Annahme des Angebotes erleichtern223.

VI.

Zusammenfassung

Die Aktivitäten im Hinblick auf eine stärkere Kapitalmarktorientierung des deutschen und europäischen Gesetzgebers, wie sie durch das WpÜG und die EU-Übernahmerichtlinie zum Ausdruck gebracht wird, zeigen, dass die oben dargelegten Erkenntnisse der Corporate Governance Diskussion mittlerweile zum allgemeinem gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Standard gehören. Mit der Schaffung von Rahmenbedingungen für einen Markt für Unternehmenskontrolle hat der Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene die Kontrollfunktion des Kapitalmarkts anerkannt. Ein weiterer Schwerpunkt der Bemühungen liegt in der Herstellung von verbesserter Transparenz und Publizität zur Gewährleistung einer effizienten Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt im Interesse der Anleger 224 . Rechnungslegung, Abschlussprüfung und Publizität sind daher zentrale Elemente des deutschen Corporate Governance Kodex, des Zehn-Punkte-Programms der Bundesregierung vom Februar 2003 sowie des Aktionsplans der EU-Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und der Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union. Alle Bemühungen um eine verbesserte Corporate Governance schließen zur Verbesserung von Transparenz und Publizität auch die Forderung nach einer informationsorientierten Rechnungslegung auf der Grundlage international anerkannter Rechnungslegungsstandards ein. Als solche gelten die US-GAAP und die IFRS, deutscher und europäischer Gesetzgebers aber bevorzugen die IFRS225.

222 223

224 225

KOM (2002) 534, S. 3. Nach über 14 Jahre währender kontroverser Diskussion hat man nunmehr eine politische Einigung über eine EU-Übernahmerichtlinie erzielen können. das Europäische Parlament hat einen entsprechenden Richtlinienvorschlag am 16. Dezember 2003 angenommen, so dass die Richtlinie nun in Kraft treten kann. Escher-Weingart: Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 203. Mit seiner Zielsetzung „to protect investors by proving the accuracy and reliability of corporate disclosures“ gibt der Sarbanes Oxley Act of 2002 hier den Takt vor. Vgl. auch OECD (Hrsg.), White Paper on Corporate Governance in South East Europe, S. 34.

59

C.

Fair Value Accounting – Zeitwertbilanzierung

Parallel zur Entwicklung der Corporate Governance- und Shareholder Value-Debatte erfährt auch die Rechnungslegung eine tiefgreifende Umwälzung. Die Diskussion steht 226 hier unter dem Vorzeichen „Internationalisierung der Rechnungslegung“ . Maßgebliche Impulse kommen von den internationalen Kapitalmärkten sowie europäischen und internationalen Gremien zur Modernisierung der Bilanzierungsstandards 227 . In der Rechnungslegungsdiskussion lassen sich zwei Stoßrichtungen unterscheiden: zum einen die Frage der optimalen Darstellung moderner, innovativer Finanzprodukte im Jahresabschluss und zum anderen der Wunsch nach internationaler Angleichung der Rechnungslegungsstandards, um Unternehmen und Investoren neue Kapitalmärkte zu erschließen. Diese Unterscheidung ist jedoch vordergründig. Die Diskussion über die Bilanzierung von Finanzinstrumenten ist letztlich nichts anderes als ein wesentlicher Teilbereich der Auseinandersetzung um Aufgaben und Aussagekraft des Jahresabschlusses, die auch die Bemühungen um eine internationale Angleichung der Rechnungslegungsstandards im Hinblick auf deren Kapitalmarkttauglichkeit beherrscht. Die soeben dargestellte Bedeutung von Rechnungslegung für die Unternehmens(leiter)kontrolle, die in den Forderungen institutioneller Investoren an die Unternehmen, aussagekräftige, nach Möglichkeit international anerkannte Rechnungslegungsstandards zu verwenden, ebenso zum Ausdruck kommt wie im Deutschen Corporate Governance Kodex und den einschlägigen EU-Dokumenten, belegt, dass zwischen der Corporate Governance-Debatte und den Bemühungen zur Modernisierung der Rechnungslegungsstandards ein Zusammenhang besteht.

I.

Begriffsbestimmung „Fair Value Accounting“

Seit einigen Jahren wird insbesondere in den Ländern des angelsächsischen Rechtskreises und hier wiederum vor allem in den Vereinigten Staaten diskutiert, bestimmte Vermögensgegenstände und Schulden nicht mehr ausschließlich zu ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern zu ihrem jeweils aktuellen Wert zu bilanzieren228. In der 226 227

228

Vgl. Ebke, WPK-Mitt. Sonderheft, Juni 1997, 12; ders., FS Buxbaum, S. 113; ders., Schweizerischer Juristenverein, Referate 2000, Heft 1, S. 39, insbes. S. 43-61. Dazu auch unten C. VIII. 1., S. 132, insbes. zur Rechnungslegungsstrategie der EU-Kommission. Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, wurde in Deutschland mit dem KonTraG erstmals ein privater Standardsetter vorgesehen (vgl. § 342 HGB), der Einfluss auf die internationale Entwicklung nehmen und für eine zügige Anpassung deutscher Rechnungslegungsnormen an internationale Standards sorgen soll. Diese Funktion wird von dem vom Bundesministerium der Justiz gemäß § 342 Abs. 1 HGB anerkannten Deutschen Standardisierungsrat (DSR) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) wahrgenommen, vgl. Hopt, HGB, § 342 Rn. 1; http://www.drsc.de. Vgl. z.B. S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81, aber auch schon ders., 29 UCLA L.Rev. 271 (1982).

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englischsprachigen ebenso wie in der anglizismenverliebten deutschsprachigen Literatur hat sich für diese Form der Bewertung der Begriff „Fair Value Accounting“ in Abgren229 zung zum „Historical Cost Accounting“ durchgesetzt . Aufgrund des übermächtigen 230 Einflusses der US-GAAP auf internationaler Ebene erstreckt sich diese Diskussion längst auf die IFRS und hat die Europäische Kommission ebenso wie die Bundesregierung erreicht. In den IFRS ebenso wie in der englisch- und deutschsprachigen Literatur versteht man unter „Fair Value“ den Preis, zu dem ein Aktivum oder eine Verbindlichkeit zwischen zwei Parteien gehandelt werden kann. Dieser Preis muss unter den Bedingungen eines freien und aktiven Marktes zustande gekommen sein. Es ist daher der Betrag, zu dem sachverständige, vertragswillige und voneinander unabhängige Vertragspartner bereit wä231 ren, den Vermögensgegenstand zu tauschen oder die Schuldposition zu begleichen . Regelmäßig handelt es sich dabei um die durch eine Börse oder einen Markt bestimmten und dort notierten Preise232. „Fair Value“ oder „Mark-to-market Accounting“ bedeutet somit 233 die Anpassung der fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Vermö234 gensgegenstands in der Bilanz an seinen gegenwärtigen (Markt-)Wert . Während die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten den Marktwert des Vermögensgegenstands oder der Verbindlichkeit zu dem Zeitpunkt reflektieren, als der Vermögensgegenstand erworben oder die Verbindlichkeit eingegangen wurde, gibt der Fair Value den 235 aktuellen Wert am Bilanzstichtag wieder . Neben dem Begriff „Fair Value“ oder „Fair Market Value“ werden vor allem noch in der älteren Literatur häufig auch die Begriffe „Current Value“, „Market Value“ oder „Mark-to-Market“ verwendet. Sie haben alle insofern die im Wesentlichen gleiche Bedeutung, als es immer um eine Bewertung zum Markt- oder Zeitwert des zu bewertenden Vermögensgegenstands am Abschlussstichtag geht236. Korrekter ist es jedoch, den 237 Fair Value als den „Oberbegriff aller marktnahen Wertansätze“ zu bezeichnen . Im Gegensatz zum Begriff „Market Value“ soll „Fair Value“ nämlich auch den Wert solcher Vermögensgegenstände bezeichnen, für die ein Markt nicht existiert. Daher verwendet das FASB entgegen dem Sprachgebrauch früherer Regelungen heute durchge238 hend den Begriff „Fair Value“ anstelle von „Market Value“ . 229 230 231

232 233 234 235 236 237 238

62

Vgl. S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 82; Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 781. Vgl. dazu statt aller Havermann, FS Moxter, S. 655, 671. „Knowledgeable, willing parties in an arm’s length transaction“; vgl. statt aller IAS 32 Tz. 5; IAS 39 Tz. 8. Die IFRS enthalten auch die IAS. Letztere wurden vom IASB übernommen. Bei Bezugnahme auf einzelne Standards werden diese daher im Folgenden (noch) als IAS zitiert. Diese Definition wird letztlich auch von den anderen Standardsettern zugrunde gelegt; ebenso: Black’s Law Dictionary „Fair (Market) Value“. Sog. „Marking to Market“: Willis, WPg 1999, 854, 855; Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 781. „Carrying value of assets“. „Current Value“ oder „Market Price“: S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81, 83. Willis, WPg 1999, 854, 855. Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 783. So Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 131. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 192; Göbel, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 171.

In der Diktion der amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätze umfasst der Begriff „Fair Value“ schließlich auch die Begriffe „Current (Replacement) Cost“ und „Current 239 (Market) Value“ . Während unter „Current (Replacement) Cost“ die Wiederbeschaffungs- beziehungsweise Wiederherstellungskosten verstanden werden, handelt es sich beim „Current (Market) Value“ um den Marktwert im Sinne des Wertes, der bei einem Verkauf zum Bilanzstichtag erzielt würde240. Der Begriff des Fair Value kann also sowohl eine beschaffungsmarktorientierte als auch eine absatzmarktorientierte Bewertung umfassen. Auf diese Unterscheidung kommt es jedoch nicht an, solange ein aktiver Markt für den zu bewertenden Vermögensgegenstand besteht, da sich die Werte dann einander annähern241. In der deutschsprachigen Literatur liest man für „Fair Value“ meist die Begriffe „Marktwert“, „Zeitwert“ oder „Tageswert“. Obwohl in ihrem bisherigen Regelungszusammenhang nicht gänzlich deckungsgleich, werden diese Begriffe in der Literatur weitgehend sy242 nonym verwendet . Der Begriff „Tageswert“ wird häufig im Sinne der Theorie der organischen Tageswertbilanz verstanden. Diese Theorie verfolgt einen substanzerhaltenden Ansatz, was dazu führt, dass der Tageswert häufig mit den Wiederbeschaffungskosten des zu bewertenden Vermögensgegenstands gleichgesetzt wird 243 . Der deutsche handelsrechtliche Marktwertbegriff im Sinne des § 253 Abs. 3 S. 1 HGB bezeichnet einen an einem notierten Markt- oder Börsenpreis ablesbaren Wert. Der Begriff setzt mithin einen funktionierenden aktiven Markt für den fraglichen Vermögensgegenstand voraus und ist damit auch enger als der Begriff des „Fair Value“. Er entspricht wohl eher dem amerikanischen „Current“ oder „Market Value“. Der Begriff des Zeit- oder Stichtagswerts ist dagegen umfassender und bezeichnet im deutschen Handelsrecht generell den am Abschlussstichtag gemäß § 253 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 2 HGB beizulegenden Wert, auch wenn ein Börsenoder Marktpreis nicht existiert244. Dieser Wert richtet sich nach dem am Markt im weites245 ten Sinne zu erzielenden oder zu bezahlenden Preis . Beim Anlagevermögen wird der Zeitwert allgemein vom Wiederbeschaffungswert bestimmt, wenn es zur baldigen Veräußerung vorgesehen ist vom Veräußerungswert; falls ein Markt fehlt, insbesondere bei Patenten, Beteiligungen und ähnlichen Rechten vom Ertragswert246. Beim Umlaufvermögen bestimmt man den Zeitwert für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ebenfalls nach den Wiederbeschaffungskosten, für fertige und unfertige Produkte und Handelswaren in der Regel nach dem Veräußerungswert247. Daneben gibt es noch den Begriff des Teilwerts. Zwar 239 240 241 242 243 244 245 246 247

S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81, 83. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 155. MüKo-HGB/Ballwieser, § 253 Rn. 57. Vgl. z.B. van Hulle, ZGR 2000, 537, 542: „Marktwert“; Hennrichs, ZGR 2000, 627, 634: „Zeitbewertung“, „Zeitwert“; Busse von Colbe, ZGR 2000, 651, 654: „Tageswert“. Vgl. z.B. Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten, S. 10. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 216; Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 933-935. Hopt, HGB, § 253 Rn. 15. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 216; Hopt, HGB, § 253 Rn. 11; Adler/Düring/Schmaltz § 253 HGB Rn. 508. H.M., Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 216; Hopt, HGB, § 253 Rn. 18-20.

63

ähnelt dieser dem handelsrechtlichen Zeitwertbegriff, es ist aber zu beachten, dass es sich 248 beim Teilwert um einen spezifisch steuerrechtlichen Wertmaßstab handelt . Rechtsprechung und Schrifttum zum Teilwert können dennoch Anhaltspunkte für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts sein249. Da auch im Englischen der Fair Value-Begriff bewusst über den Begriff des Market Value hinausgeht, ohne sich auf eine wiederbeschaffungs- oder absatzmarktgeprägte Orientierung festzulegen, wird er ins Deutsche am treffendsten mit „Zeit- oder Tageswert“ übersetzt, wobei Zeitwert als der neutralere und nicht durch die auf Substanzerhaltung zielende Tageswertdiskussion „vorbelastete“ Begriff vorzuziehen ist. In der deutschen Ausgabe der IFRS wird „Fair Value“ ebenfalls als „beizulegender Zeitwert“ wiedergegeben250.

II.

Ermittlung des Fair Value

Die Frage nach der Bestimmung des Fair Value schließt sich unmittelbar an die Begriffsbestimmung an. Wenn der Fair Value definiert wird als der Preis, zu dem ein Vermögensgegenstand oder eine Verbindlichkeit auf einem aktiven Markt zwischen zwei Parteien frei gehandelt werden kann, ist hier bereits eine erste Aussage darüber getroffen, wie er bestimmt beziehungsweise ermittelt wird. Gerade in den Augen vieler Kritiker stellt sich allerdings die Frage der Ermittlung beziehungsweise Berechnung des Fair Value der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden als das Hauptproblem bei der Bilanzierung zum Fair Value und damit zugleich als die Achillesferse der Argumentation ihrer Befürworter dar. 1.

Problemstellung

Solange ein funktionierender aktiver Markt für den Vermögensgegenstand, der zu bilanzieren und zu bewerten ist, existiert, und ein notierter Preis lediglich „abgelesen“ werden muss, gilt die Ermittlung des Fair Value grundsätzlich als unproblematisch251. Existiert ein Börsen- oder Marktpreis aber nicht, muss der Fair Value des zu bilanzierenden Vermögensgegenstands geschätzt werden. Die Wertermittlung muss dann anhand von Modellrechnungen erfolgen, deren Ziel es ist, als Fair Value wenigstens einen fiktiven Marktpreis zu ermitteln, nämlich den Wert, der bezahlt würde, wenn es einen funktionierenden Markt gäbe252. Das IDW vertritt die Ansicht, dass es sich beim Fair Value grundsätzlich nur um einen geschätzten Wert handeln kann, da der tatsächliche

248 249 250 251 252

64

Adler/Düring/Schmaltz, § 253 HGB Rn. 470; Mellwig, FS Moxter, S. 1069, 1071, 1088, der sich vehement für eine Annäherung des Teilwertbegriffs an den handelsrechtlichen beizulegenden Wert bzw. für deren Identität ausspricht. Adler/Düring/Schmaltz, § 253 HGB Rn. 471. IAS 39 Tz. 66 ff. Sog. „Marking to Market“. Sog. „Marking to Model“. Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 789.

253

Wert erst mit dem tatsächlichen Stattfinden einer Transaktion bekannt wird . Jedenfalls bei häufig gehandelten Vermögensgegenständen in einem aktiven Markt kann dies aber keinen wesentlichen Unterschied zum markt- beziehungsweise börsennotierten Preis bedeuten. Die im Einzelfall erforderlichen Schätzungen beziehungsweise Modellrechnungen u.ä. können ein Element der Unsicherheit in die Bilanzierung zu Zeitwerten bringen. Wenn ein Markt für die zu bewertenden Vermögensgegenstände nicht vorhanden ist, fehlt eine objektive Grundlage für die Bewertung. Dadurch können den Bilanzierenden eventuell bisher ungekannte Manipulationsmöglichkeiten eröffnet werden254. Mangels einheitlicher Bewertungsmethoden sehen deshalb Kritiker hier der Willkür Tür und Tor geöffnet. Diese Unsicherheiten bei der Bewertung trügen ganz erheblich dazu bei, die Aussagekraft des Jahresabschlusses zu mindern255. 2.

Vorgaben der Standardsetter

Die gesetzlichen Regelungen beziehungsweise die Vorgaben der Standards wie IFRS oder US-GAAP zur Ermittlung des Fair Value geben allesamt keinen weiteren Aufschluss zur Lösung dieses Problems. Bei Fehlen eines aktiven Marktes mit ablesbaren Marktwerten verweisen sie im Einklang mit der Wissenschaft kursorisch auf Optionspreismodelle und Discounted Cash-flow-Verfahren. Eindeutige Anforderungen zur Bestimmung des Fair Value sind sie jedoch nicht in der Lage vorzugeben256. Mit seinem Statement of Financial Accounting Concept No. 7 hat das FASB im Februar 2000 allerdings einen Versuch vorgelegt, diesem Problem abzuhelfen. In diesem Concept Statement werden Verfahren der modellgestützten Bewertung („marking to model“) konkretisiert, um die Ermittlung verlässlicher Zeitwerte zu erleichtern. Der US-amerikanische Standardsetter versucht, Hilfestellungen zur Ermittlung des Fair Value in Abwesenheit ablesbarer Marktwerte zu geben; insbesondere soll eine angemessene Verarbeitung der Unsicherheit künftiger Cash-flows entwickelt werden257. Die Ermittlung eines hypothetischen Marktpreises gilt angesichts dieser Unsicherheiten auch in den Augen des FASB nur als die zweitbeste Lösung und hat beim Vorliegen „echter“ Marktpreise daher immer zurückzutreten258.

253 254 255

256 257 258

IDW, WPg 2000, 611, 615. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 66 ff., 70. So liege z.B. die Bandbreite, innerhalb derer sich der Wert nicht marktorientierter Finanzinstrumente bewegen könnte, bei rund 20%. Bei den deutschen Banken beträgt aber der Anteil nicht marktfähiger Finanzinstrumente an der Bankbilanz Schätzungen zufolge mindestens 60%. Bundesverband deutscher Banken, in: FAZ vom 14.5.2001, S. 30. Vgl. Art. 42 b der Fair Value-Richtlinie, Richtlinie 2001/65/EG vom 27.10.2001; ähnlich IAS 39.95-102 und SFAS 107.11 und 18 (Appendix A); für das FASB vgl. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 201. SFAC 7.11; Hitz/Kuhner, WPg 2000, 889, 892. Vgl. SFAC 7.1; Hitz/Kuhner, WPg 2000, 889, 892.

65

3.

Zuverlässigkeit und ausreichende Objektivierbarkeit von Zeitwerten

Das Fehlen eines aktiven Marktes trifft für zahlreiche Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zu. Gerade für zahlreiche Derivate, für Mitarbeiteroptionen und für viele 259 immaterielle Wirtschaftsgüter lässt sich ein Marktwert nicht ohne weiteres bestimmen . Den Kritikern zufolge setzt eine nachprüfbare Ermittlung des Zeitwerts aber gerade die Existenz leistungsfähiger, dem Ideal vollkommener Märkte nahekommender und auf breite Information gestützter Märkte mit täglichem Handel notwendig voraus260. Das Mo261 dell effizienter Kapitalmärkte prägt traditionell auch die Überlegungen des FASB . a)

Zuverlässigkeit und Objektivierbarkeit der Wertansätze nach HGB

Andererseits ist das Problem der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts von Vermögensgegenständen und Schulden der HGB-Rechnungslegung bekannt. Selbst wenn die Anschaffungs- und Herstellungskosten die Bilanzierung eines Vermögensgegenstands oder einer Verbindlichkeit zum beizulegenden Zeitwert nach oben begrenzen, muss dieser zunächst ermittelt werden. Zwar garantiert die Begrenzung des Zeitwerts durch die historischen Kosten eine gewisse Solidität und verhindert, dass sich aus der Wertermittlung ergebende Unsicherheitsfaktoren allzu gravierende Auswirkungen auf Jahresabschluss und Ergebnis haben, an der Art und Weise der Ermittlung des Zeitwerts selbst ändert sich dadurch aber nichts262. Es ist daher fraglich, ob die bei Fehlen eines aktiven Marktes auftretende Bewertungsunsicherheit tatsächlich gegenüber der heutigen Rechnungslegung nach HGB einen wesentlichen Nachteil bedeutet. Gemäß § 253 Abs. 3 HGB müssen schließlich unabhängig vom Existieren eines funktionierenden Marktes bereits nach geltendem Recht Zeitwerte für das Umlaufvermögen geprüft werden263. Gleiches kann gemäß § 253 Abs. 2 S. 3 HGB für das Anlagevermögen gelten. Die in § 253 Abs. 2 und 3 HGB vorgesehenen Möglichkeiten beziehungsweise Verpflichtungen zum Ansatz des (niedrigeren) beizulegenden Zeitwerts bringen mit sich, dass bei der Bestimmung der Wertansätze für die Bilanz parallel immer der Zeitwert der jeweiligen Vermögensgegenstände und Schulden zu ermitteln und gegebenenfalls auch anzusetzen ist. Gerade beim Anlagevermögen können leicht ablesbare Marktpreise aber fehlen. Dies gilt insbesondere für Beteiligungen. Hier ist der beizulegende Wert dann auch heute schon nach den Verfahren der Unternehmensbewertung zu schätzen (Ertragswertverfahren, Discounted Cash-flow-Verfahren u.ä.)264. Die kritisierten Unsicherheiten bei der Wertermittlung werden somit zugunsten des Niederstwertprinzips bereits de lege lata billigend in Kauf genommen. 259 260 261 262 263 264

66

S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 84; vgl. auch Fn. 255. Schildbach, BFuP 1998, 581, 587. Hitz/Kuhner, WPg 2000, 889, 899. Gleichwohl kann z.B. das Unterlassen einer Bewertung zum niedrigeren beizulegenden Zeitwert aufgrund fehlerhafter Ermittlung desselben zum Verschleiern von Verlusten und zur Ausschüttung von Scheingewinnen führen. T. Siegel, BFuP 1998, 593, 599. MüKo-HGB/Ballwieser, § 253 Rn. 53. Dazu auch Großfeld, BB 2001, 1836.

b)

Ausreichende Objektivität und größere Relevanz

Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Verlässlichkeit und Relevanz der Angaben des Jahresabschlusses. Anschaffungskosten gelten als verlässlich, aber weniger re265 levant, Zeitwertangaben als relevanter, aber weniger verlässlich . Ein an einem aktiven Markt abgelesener beziehungsweise quotierter Marktpreis ist relativ einfach zu ermitteln und erfüllt darüber hinaus die Grundsätze der Zuverlässigkeit und der Überprüfbarkeit und damit der Objektivierbarkeit. Problematischer ist die Frage, ob auch die Bewertung von Vermögensgegenständen, für die ein solcher aktiver Markt nicht existiert, diese Voraussetzungen erfüllen kann und inwieweit relevantere Zeitwertangaben ausreichend verlässlich sind266. Die heutige Praxis belegt, dass sich für immaterielle Vermögensgegenstände ein Markt- oder Zeitwert regelmäßig ermitteln oder fingieren lässt. Schließlich muss bei jeder Unternehmensübernahme dafür ein Wert ermittelt werden, auf den sich beide Parteien – wie auf einen Kaufpreis – einigen können. Nichts anderes aber stellt der Fair Value im Sinne oben angeführter Definitionen dar. Insbesondere bei selbstgeschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen – vorausgesetzt, sie können zum Ansatz in der Bilanz kommen – erscheint die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten zum Teil sogar erheblich schwieriger als die Ableitung eines eventuellen Marktpreises. Darüber hinaus wird in der Wissenschaft vielfach vertreten, dass zumindest für die meisten Finanzinstrumente – und hier liegt nach wie vor der Schwerpunkt der aktuellen Fair Value-Diskussion – heute hinreichend verlässliche Bewertungsverfahren existieren. Als solche werden vor allem die auch von den Standardsettern angeführten Optionspreismodelle und Discounted Cash-flow-Verfahren genannt. Als klassisches Optionsbewertungsmodell gilt beispielsweise das Black-Scholes-Verfahren 267 . Nach Reiner ist die Tatsache, dass Derivaten zu jedem Zeitpunkt ihrer Laufzeit ein theoretisch berechenbarer Marktwert zugeordnet werden kann, der den gegenwärtigen Wert der zukünftigen Zahlungsströme widerspiegelt, ein notwendiger Bestandteil des Derivatbegriffs, und der aktuelle Marktwert derivativer Finanzinstrumente definitionsgemäß jederzeit durch Glattstellung realisierbar268. Der Begriff des Derivats beinhaltet, dass sein Wert von einem Basiswert abgeleitet, mithin anhand dieses Basiswertes jederzeit berechnet werden kann269. Demzufolge ist für die Markt- beziehungsweise Fair Value-Bewertung von Derivaten auch unerheblich, ob es sich um ein marktgängiges Finanzinstrument oder um ein auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnittenes OTC-Geschäft handelt. Die Han-

265 266 267

268 269

Glaum, in: FAZ vom 14.5.2001, S. 30, der davon ausgeht, dass dieser Konflikt wohl nie völlig aufgelöst werden kann. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 200 f. So Glaum (zit. in: Bundesverband deutscher Banken), in: FAZ vom 14.5.2001, S. 30, der an dieser Stelle fragt, ob nicht-bewertbare Finanzinstrumente überhaupt in das Portfolio eines Unternehmens gehören. Zu den Bewertungsmodellen zur Bestimmung von Fair Values, insbes. zum Verfahren nach Black/Scholes, vgl. Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305, 324-327. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 60 f. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 11 f.

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delbarkeit von Finanzinstrumenten an den Finanzmärkten zeigt jedenfalls, dass für sie wirtschaftlich vernünftige, sogenannte „faire“ Preise durchaus ermittelt werden kön270 nen . Ähnliches gilt für die verschiedenen Vergütungsformen auf Aktienbasis („stock based compensation“). Das FASB vertraut in diesem Zusammenhang bereits seit Oktober 1995 darauf, dass die Finanzwissenschaft in der Lage ist, ausreichend zuverlässige Formeln zur Wertermittlung zu liefern. Selbst ein „marking to model“ kann demnach durchaus zu ausreichend objektivierbaren Werten führen271. Die betriebswirtschaftliche Literatur hat in den letzten Jahren verschiedentlich die hinreichende Objektivierbarkeit 272 und Überprüfbarkeit von Fair Values untersucht und nachgewiesen . Es ist müßig, an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass die Ermittlung des Zeitwerts von Vermögensgegenständen und Schulden in einem Unternehmen nicht mit derartigen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten verbunden sein kann, denn sonst hätte der Gesetzgeber sie niemals der Erstkonsolidierung im Rahmen der Erstellung des Konzernabschlusses zugrunde gelegt. Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses, der gerade für die hier interessierenden Global Players auf den internationalen Kapitalmärkten von Interesse ist, führt schon heute kein Weg mehr an der Ermittlung von Zeitwerten vorbei. Dies lässt den begründeten Schluss zu, dass solche Werte – jedenfalls aus Sicht des Gesetzgebers – auch ausreichend zuverlässig berechnet werden können und für die Zwecke des Jahresabschlusses auch ausreichend objektivierbar sind. Das eigentliche Problem in diesem Zusammenhang ist daher nicht die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts an sich und die damit verbundenen Unsicherheiten, sondern der sich aus den Unsicherheiten der Wertberechnung zwanglos ergebende Paradigmenwechsel. Liegt der Schwerpunkt heute auf der vorgeblichen Verlässlichkeit der Angaben im Jahresabschluss zu Lasten ihrer Relevanz, wird dieses Gewichtung durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung zugunsten der (Entscheidungs-) Relevanz dieser Angaben verschoben. Eine Entwicklung, die für den Konzernabschluss bereits vollzogen ist, für den Einzelabschluss in Zukunft wohl ebenfalls unvermeidbar sein wird. Bereits aus der Bezeichnung „Fair Value“ statt „Market Value“ beziehungsweise „Zeitwert“ statt „Marktwert“ lässt sich ablesen, dass die internationalen Standardsetter wie alle Befürworter von Fair Value Accounting die Existenz vollkommener und aktiver Märkte für jedes zu bilanzierende Wirtschaftsgut gar nicht voraussetzen, sondern ganz bewusst diese Form der Bewertung auch über marktgängige Güter hinaus angewendet wissen wollen. Die Standardsetter haben sich damit ganz bewusst dafür entschieden, Bewertungsunsicherheiten in Kauf zu nehmen und dafür die Entscheidungsrelevanz 270 271 272

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Herzig/Mauritz, BB 1997, Beilage 5 zu Heft 15, 2*. S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 88; Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 160 m.w.N. Vgl. z.B. Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten (allerdings unter der Prämisse einer Substanzerhaltungskonzeption im Sinne der Tageswertbilanz; die dargestellten Methoden liefern daher in erster Linie Wiederbeschaffungswerte); Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 160 m.w.N.; Lamprecht, ÖBA 1991, 71, 72, der allerdings eine Mindestmarkttransparenz, ausreichendes Marktvolumen und (Sekundärmarkt-)Liquidität voraussetzt.

(„relevance“) von Jahresabschlüssen zu Lasten ihrer Verlässlichkeit („reliability“) zu fördern. Insofern stößt sich eine Bilanzierung zum Zeitwert erheblich mit den klassischen Zielsetzungen traditioneller Rechnungslegung in Deutschland. Die Einführung von Fair Value Accounting muss daher zwangsläufig auch zu einem Paradigmenwech273 sel im Rahmen der Bilanzziele führen .

III.

Die Zeitwertbilanzierung von Finanzinstrumenten

Während sich in früheren Jahren die Diskussion um ein Abweichen von den historischen Kosten zugunsten von Zeit- oder Tageswerten um verschiedene Substanzerhal274 tungskonzeptionen und inflationsbereinigte Bilanzierung rankte , stehen heute Fragen von Bewertung und Ansatz der sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreuenden neuen Finanzinstrumente im Zentrum der Fair Value-Diskussion. Die Diskussion um die Zulassung der Bewertung mit dem Fair Value in der Bilanz entzündete sich ganz wesentlich an der Frage der Bilanzierung derivativer Finanzinstrumente275. Die rasante Entwicklung der Kapitalmärkte gab daher einen wesentlichen Impuls in Richtung Zeitwertbilanzierung. Den Finanzinstrumenten, insbesondere den Derivaten kommt dabei eine „Lokomotivfunktion“ zu, da ihre Bilanzierung Fragen aufwirft, die 276 sich andernorts in dieser Schärfe (noch) nicht stellen . 1.

Innovative Finanzinstrumente

Als Ende der achtziger Jahre die Kapitalmärkte komplexer, globaler und dynamischer wurden, erschienen dort eine Reihe neuer, innovativer Finanzinstrumente („investment” beziehungsweise “financial instruments”). Dabei handelte es sich meist um derivative Finanzinstrumente wie Futures, Optionen, Forwards und Swaps, die heute auf den internationalen Finanzmärkten neben den traditionellen primären oder originären Finanzinstrumenten wie Aktien und Anleihen verwendet werden. a)

Einführung

Die zunehmende Verwendung innovativer Finanzierungsinstrumente in den letzten Jahren ist insbesondere auf eine Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen zurückzuführen. Die Inflation der siebziger und achtziger Jahre verursachte erhebliche Schwankungen der Zinssätze und Wechselkurse und förderte damit die Entwicklung von Finanzierungsinstrumenten, die durch entsprechende Ausgestaltung eine Beschränkung

273 274 275 276

Auf diese Zusammenhänge wird noch ausführlich eingegangen. Wie noch bei Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten und S. Schmidt, Bewertung von Vermögen zum Tageswert, die letztlich alle auf Fritz Schmidt aufbauen; vgl. auch Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 1095-1103; dazu unten C. V. 1. c), S. 111 ff. Aus rechtlicher Sicht grundlegend: Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461.

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277

der Währungs- und Zinsänderungsrisiken anstrebten . Daneben spielen Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen für die zunehmende Verwendung innovativer Finanzinstrumente ebenso eine Rolle wie die Fortschritte in der Kommunikations- und Informationstechnologie278. Die Entwicklung nahm ihren Ausgang in den USA, greift aber inzwischen in zunehmendem Maße auch auf Deutschland über. Im Verlauf der neunziger Jahre kann auch hier eine deutliche Zunahme von Entwicklung und Einsatz insbesondere derivativer Finanzinstrumente verzeichnet werden. Inzwischen setzen nach eigenen Angaben ca. 90% der großen deutschen Industrie- und Handelsunternehmungen 279 derivative Finanzinstrumente zur Steuerung ihrer finanzwirtschaftlichen Risiken ein . Derivate werden in erster Linie zum Risiko- und Portfoliomanagement im Unternehmen verwendet. Sie können aber auch eingesetzt werden, um bewusst Risikopositionen zu Spekulationszwecken einzugehen. Darüber hinaus können Derivate alle weiteren Funktionen von Finanzinstrumenten wie insbesondere Investition und Finanzierung übernehmen280. Derivative Finanzinstrumente eignen sich zum Risikomanagement im Unternehmen, weil sie Risiken, Ansprüche und Zahlungsströme isoliert handelbar machen. Dadurch ermöglichen sie es, finanzwirtschaftliche Risiken zu bewältigen, indem die Risiken auf andere Marktteilnehmer übertragen werden, die besser in der Lage oder eher gewillt 281 sind, sie zu tragen . Rechtlich gesehen erlauben Derivate mit den Mitteln des Schuldrechts die Erzeugung finanzieller Chancen und Risiken, also zukünftiger, zufallsabängiger („stochastisch bedingter“) Zahlungsströme, die üblicherweise an den dinglichen Erwerb oder die dingliche Übertragung von Vermögensgegenständen gekoppelt sind282. Die Besonderheit von Derivaten liegt darin, dass sie das Aufteilen von Risiken möglich machen. Grundsätzlich lassen sich für jedes finanzielle Risiko Derivate konstruieren, deren Ertragsstruktur genau diesem Risiko entspricht283. Beim sogenannten Hedging wird versucht, mittels meist derivativer Sicherungsgeschäfte risikobehafteten Grundgeschäften eine gegenläufige Position gegenüberzustellen und damit das Risiko zu kompensieren oder wenigstens zu begrenzen284. Andererseits können mit Hilfe derivativer Finanzinstrumente nicht nur Risiken reduziert, sondern auch zusätzliche Risiken geschaffen werden, da sie auch zum Aufbau spekulativer Positionen geeignet sind. Schließlich können im Gegenzug auch ganz bewusst Risiken erworben werden. Da der zugrundeliegende Basiswert nicht erworben werden muss, kann die Risikotragung von der dinglichen Inha-

277 278 279

280 281 282 283 284

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Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 737 f. Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 737. 88% der Unternehmen nutzen diesen Angaben zufolge Derivate ausschließlich zur Absicherung von Risiken, die übrigen 12% auch, um Gewinne an den Finanzmärkten zu erzielen, vgl. Glaum/Förschle, DB 2000, 581 m.w.N., insbes. auch zur Praxis des Risikomanagements in großen deutschen Unternehmen; dies., DB 2000, 1525. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 4 f. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 6 f. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 4 f. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 193-207 m.w.N.

285

berschaft getrennt werden . Dadurch kann ein Hebeleffekt zwischen eingesetztem Kapital und Chancen beziehungsweise Risiken entstehen. Im Vergleich zu Investitionen in den Basiswert ist nur ein relativ geringer (oder kein) Kapitaleinsatz erforderlich. Das verleiht Derivaten ihre erhebliche Hebelwirkung („leverage”) und erhöht damit das mit 286 dem Abschluss solcher Geschäfte verbundene Risiko . Die Höhe der investierten Mittel trifft dabei keine Aussage mehr über das mit einem bestimmten Geschäft eingegangene Risiko und den höchstmöglichen Verlust287. Das belegen die hohen Verluste einer 288 Reihe von Unternehmen aus dem Umgang mit Finanzderivaten . Derivative Finanzinstrumente können daher nicht nur zur Risikoabsicherung dienen, sondern auch selbst neue Risiken oder gar Verluste entstehen lassen. Investoren und Gläubiger haben folglich ein starkes Interesse daran, über die Art und Weise des Einsatzes von Derivaten im Unternehmen und die damit verbundenen Risiken informiert zu werden. b)

Begriff

Der Begriff der Finanzierungs- oder Finanzinstrumente („financial instruments“) umfasst als Oberbegriff die gesamte Bandbreite finanzwirtschaftlicher Instrumente. Dazu gehören theoretisch auch die nicht handelbaren Vermögensgegenstände oder solche, die nicht gehandelt werden sollen, wie Beteiligungen, Grundstücke oder der Firmenwert. Die „klassischen“ Funktionen von Finanzinstrumenten sind jedoch Handel, Hedging und Spekulation 289 . Man unterscheidet am Kassamarkt gehandelte originäre und am 290 Terminmarkt gehandelte derivative Finanzinstrumente . Finanzinstrumente können eigenkapitalbezogen sein, wie Aktien, stille Einlagen und Genussscheine, oder fremdkapitalbezogen, wie Forderungen, Verbindlichkeiten oder Schuldverschreibungen. Derivative Finanzinstrumente beziehen sich auf einen zugrundeliegenden Wert („underlying“), der durch den Kassamarkt definiert wird, wie Zinssätze, Wechselkurse, Aktienkurse oder Warenpreise291. § 2 Abs. 2 WpHG definiert Derivate als vom Wert eines Wertpapiers im Sinne des § 2 Abs. 1 WpHG oder von Zinssätzen, Geldmarktinstrumen292 ten oder von Waren oder Edelmetallen abgeleitete Geschäfte . Der Begriff „Derivat“ 285 286 287 288 289 290 291 292

Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 40 m.w.N.; allgemein zu den Risiken im Zusammenhang mit Derivatgeschäften: ders., a.a.O., S. 37 ff. Steiner/Tebroke/Wallmeier, WPg 1995, 533. Dieses Risiko ist zwar typischerweise mit Derivaten verbunden, stellt aber kein Alleinstellungsmerkmal dar, vgl. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 42. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525. Spätestens die Fälle der Metallgesellschaft AG und der Barings Bank haben die mit Derivaten verbundenen Risiken offen zutage treten lassen: Maulshagen/ Maulshagen, BB 2000, 243; Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 47 f. Gemäß § 1 Abs. 11 KWG umfassen Finanzinstrumente Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten und Derivate. Statt aller: Perlet/Baumgärtel, FS Clemm, S. 287, 289. Perlet/Baumgärtel, FS Clemm, S. 287, 289. § 2 Abs. 1 WpHG definiert wiederum Wertpapiere als Aktien, Schuldverschreibungen oder mit ihnen vergleichbare Papiere, die auf einem Markt gehandelt werden können. Derivate müssen hingegen nicht auf einem organisierten Markt gehandelt werden; die Vorschrift erfasst daher auch die sogenannten OTC-Geschäfte, vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2

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bezeichnet damit ein breites Spektrum von Finanzinstrumenten, deren Wert sich vom Kurs oder Preis eines Basisinstruments ableitet, das seinerseits Wertschwankungen un293 terworfen ist . Der Begriff lässt sich präzisieren, indem man darauf abstellt, dass der Wert des Derivats nicht nur vom Kurs des Basiswerts abgeleitet ist, sondern von diesem ableitbar im Sinne einer Berechenbarkeit seines Marktwertes anhand des Basiswerts zu jedem Zeitpunkt während der Laufzeit294. Als Grundformen von Derivaten werden allgemein Futures und Forwards (Terminkäufe), Swaps und Optionen genannt, sowie Kombinationen der beiden ersten Formen. Diese können wiederum fast unbegrenzt mit Basiswerten verbunden werden295. Terminkäufe (Futures und Forwards) und Swaps zeichnen sich durch beiderseitig fest vereinbarte zukünftige Leistungspflichten mit symmetrisch verteilten Gewinn- und Verlustchancen für beide Vertragsparteien aus. Sie werden daher auch als Festgeschäfte bezeichnet. Bei Optionen ist die Risikoverteilung hingegen asymmetrisch, da der mögliche Gewinn auf der einen Seite und der mögliche Verlust auf der anderen Seite von vornherein auf einen bestimmten Betrag, die Optionsprämie, beschränkt ist296. Die meisten Derivate sind wiederum sogenannte OTC-Instrumente, Instrumente, die in einem „Over-the-counter“-Geschäft direkt auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnitten sind297. Eine definitorische oder erschöpfend aufzählende Erfassung von derivativen Finanzinstrumenten durch den Gesetzgeber oder Standardsetter ist daher ebenso wenig möglich wie eine abschließende zivilrechtliche Kategorisierung und wird konsequenterweise auch nirgends versucht, um nicht der Kapitalmarktpraxis zu enge Grenzen zu ziehen und permanenten Anpassungsdruck an die Entwicklungen der Praxis zu vermeiden298. Die Dominanz solcher OTC-Geschäfte hat zur Folge, dass ein Markt im eigentlichen Sinn mangels regelmäßigen und aktiven Handels mit gleichen Gütern für die meisten Derivate nicht existiert. Dementsprechend fehlen für diese Titel auch ablesbare notierte Preise. Nichtsdestotrotz kann der jeweilige Marktwert dieser Instrumente jederzeit aus dem zugrundeliegenden Basiswert abgeleitet werden299.

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296 297 298 299

72

Rn. 25. In Übereinstimmung mit § 2 WpHG definiert § 1 Abs. 11 KWG Derivate als Termingeschäfte, die als Fest- oder Optionsgeschäfte ausgestaltet sind und deren Preis abhängt vom Börsenoder Marktpreis von Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten, Waren, Edelmetallen, Zinssätzen oder anderen Erträgen; vgl. auch ausführlich S. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 14. Teil. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 28. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 12. Die Präzisierung ist zur Abgrenzung derivativer von originären Finanzinstrumenten erforderlich, da auch der Wert originärer Finanzinstrumente im weitesten Sinne abgeleitet ist, wie etwa der Wert einer Forderung von der Bonität des Schuldners, vgl. Reiner, a.a.O. m.w.N. Vgl. die Übersicht über Finanzinstrumente bei Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 80; die größte Bedeutung haben allerdings die sogenannten „Plain-VanillaInstrumente“, auf die sich 74% der Benutzer von Derivaten beschränken: Glaum/Förschle, DB 2000, 581. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 3. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 33 m.w.N. Für das WpHG vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 28. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 60 f.

Über die Rechtsnatur selbst der wichtigsten Grundformen derivativer Finanzinstru300 mente besteht bis heute keine Einigkeit . Allgemein werden sie als meist synallagmatische Verträge zwischen zwei oder mehr Parteien bezeichnet, wobei der Erfüllungszeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeit hinausgeschoben ist 301 . Die Vertragspflichten sind auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages gerichtet (Erzeugung von Zahlungsströmen), dessen Wert ausschließlich stochastisch bedingt ist, d.h. vom Zufall abhängt. Derivatgeschäfte sind zwar aleatorisch im Sinne einer Zufallsbedingtheit, aber 302 nicht dem Spieleinwand der §§ 762 ff. BGB unterworfen und daher wirksam . Die sto303 chastisch bedingten Zahlungsströme sind jederzeit reproduzierbar . Der Geldbetrag wird bei Derivaten mit symmetrischer Risikostruktur erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig, während bei Optionen eine Partei bereits bei Vertragsschluss einen bestimmten Betrag, die Optionsprämie zu entrichten hat304. Bei Optionen und Termingeschäften generell ist nach Reiner zu unterscheiden, ob sie lediglich auf Barausgleich gerichtet sind oder auf Erfüllung in Natur. Sind sie auf Erfüllung in Natur gerichtet, manifestieren sich die Marktbewegungen des Basiswerts nicht unmittelbar in Zahlungsströmen. Mangels ausschließlich aleatorischem Element sind letztere keine Derivate im eigentlichen Sinn, da lediglich der Erfüllungszeitpunkt gegen Zahlung einer Prämie herausgeschoben wird. Bei diesen Geschäften kommt es den Parteien nicht ausschließlich auf die lediglich vom Zufall abhängige Generierung subjektiven Mehrwerts an, sondern zusätzlich auch auf die Erfüllung der Lieferpflichten. Sie sind daher nur derivateähnliche Geschäfte305. Die zivilrechtliche Einordnung derivativer Finanzinstrumente ist aber für die Bilanzierung weithin ohne Belang. Auf die Art des zugrundeliegenden zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts kommt es für die zu bilanzierenden Vermögensgegenstände einschließlich Forderungen und Schulden zunächst nicht an 306 . Die zivilrechtliche Beurteilung kann allenfalls ausschlaggebend dafür sein, ob es sich überhaupt um einen ansatzfähigen Gegenstand handelt307. Die Einordnung unter die Typenverträge des BGB ist im Hinblick auf die Bilanzierung allerdings weniger entscheidend als ihre Analyse im Hinblick auf die Eigenschaft von Derivaten als schwebende Geschäfte im Sinne des Handelsbilanzrechts. 300

301 302 303 304 305 306 307

Optionen gelten als Kaufvertrag mit vertraglich eingeräumtem Gestaltungsrecht oder als Kombination eines Vertrags sui generis oder Rechtskaufs bei Abschluss und eines weiteren unbedingten Kaufvertrags bei Ausübung (str.), vgl. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 15; Futures und Forwards gelten nach allgemeiner Ansicht als Kaufverträge gemäß § 433 BGB, bei Fehlen synallagmatischer Austauschpflichten als Verträge sui generis; Swaps werden entweder als Tauschverträge, als Kombination zweier Kaufverträge oder ebenfalls als Verträge sui generis qualifiziert (str.); ausführlich Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente; von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 44-48; Maulshagen/Maulshagen, BB 2000, 243. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 32 m.w.N. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 147 ff. „Bausteineffekt“: Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 50 ff. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 13. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 29 u. 32. A.A. wohl Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 173. Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 173.

73

c)

Problemstellung

In den USA stellte sich aufgrund der geschilderten Besonderheiten schon früh heraus, dass die traditionellen Financial Statements trotz ihrer Übereinstimmung mit den Anforderungen der US-GAAP insbesondere nicht mehr die tatsächlichen Risiken widerspiegelten, die mit einer Investition verbunden waren. Damit wurde ein starker Bedarf 308 nach Änderung der US-GAAP geschaffen . In Deutschland konnte die Rechnungslegung mit der Entwicklung auf den Finanzmärkten ebenfalls nicht Schritt halten. Die bilanzielle Abbildung von derivativen Finanzinstrumenten und das Hedging, die Risikoabsicherung durch Abschluss eines Gegengeschäfts, bereiten große Schwierigkeiten309. Mit traditionellen Bilanzierungsmethoden können Finanzinstrumente und ihre Verwendung nicht mehr angemessen dargestellt werden. Der Einsatz von Derivaten im Unternehmen an sich ebenso wie die Frage, ob sie zu Spekulationszwecken oder aber zur Risikoabsicherung eingesetzt werden, geht de lege lata aus dem Jahresabschluss kaum hervor. Die Darstellung der Risiken und Sicherungszusammenhänge ist mit den herkömmlichen deutschen Bilanzierungsmethoden nur schwer oder gar nicht möglich. In einer empirischen Studie zum Einsatz von Derivaten in deutschen Unternehmen empfinden die Befragten daher auch die Beurteilung der Risiken der Derivate und die deutschen Rechnungslegungsvorschriften als die mit Abstand größten Probleme bei der Verwendung von derivativen Finanzinstrumenten im Unternehmen310. Primäre oder originäre Finanzinstrumente, die auf dem Kassamarkt gehandelt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass Vertragsabschluss und Vertragserfüllung im weitesten Sinne zeitlich zusammenfallen, d.h. es liegen maximal sieben Tage dazwischen311. Da ein Umsatzakt zeitnah erfolgt, stellen sich für diese Instrumente per se keine fundamentalen Bilanzierungsprobleme. Derivate sind hingegen grundsätzlich Termingeschäfte, die sich gegenüber Kassageschäften dadurch auszeichnen, dass Vertragsabschluss und Vertragser312 füllung zeitlich zum Teil erheblich auseinanderfallen . Es handelt sich um Rechte, die in der Zukunft oder über einen zukünftigen Zeitraum hinweg geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind313. Derivatgeschäfte werden von der h.M. mithin als schwebende 314 Geschäfte im Sinne des Handelsbilanzrechts angesehen . Bei solchen zweiseitig unerfüllten Verträgen geht der Kaufmann ursprünglich davon aus, dass Leistung und Gegenleistung mindestens gleichwertig sind, jedenfalls nicht von vornherein mit einem Verlust

308 309 310 311 312

313 314

74

S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 82, 83. Vgl. z.B. Ordelheide, BFuP 1998, 604, 607; Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 238. Glaum/Förschle, DB 2000, 581, 582. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 198. Dazu einführend Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 738 ff., 860; Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 198, ob auch Optionen Termingeschäfte sind, ist str., wird aber von der h.M. in Rspr. und Schrifttum angenommen, vgl. Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 72 f. m.w.N. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 28. Schwebende Geschäfte sind gegenseitige Geschäfte, bei denen die Hauptleistung, die Gegenstand des Geschäfts ist, noch nicht bewirkt ist. , Hopt, HGB, § 252, Rnr. 16.

315

zu rechnen ist . Aufgrund des Realisationsprinzips können sie daher mangels Umsatzakts beziehungsweise einredefreier Forderungsentstehung keinen Eingang in die Bilanz 316 finden, solange mit einem positiven Ergebnisbeitrag zu rechnen ist . Ziel der Bilanzierung muss es sein, Finanzinstrumente entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bilanzieren zu können. Dies soll es ermöglichen, den Bilanzleser über den Einsatz solcher Instrumente im Unternehmen und das damit verbundene Risiko angemessen zu informieren. Es gibt im Grundsatz zwei Ansätze zur Bilanzierung insbesondere derivativer Finanzinstrumente. Ein Ansatz besteht in der Bildung von Bewertungseinheiten für solche Finanzinstrumente, die miteinander in einem Sicherungszusammenhang stehen (Hedge-Accounting). Die in der deutschsprachigen Literatur unter dem Begriff „Hedge-Accounting“ diskutierten Verfahren beruhen alle weiterhin auf dem Anschaffungskosten-, dem Niederstwert- und dem Realisationsprinzip. Mit Ausnahme des Einzelbewertungsgrundsatzes braucht bei dieser Methode somit nicht gegen hergebrachte Regeln handelsrechtlicher Bilanzierung verstoßen zu werden. Ein zweiter Ansatz liegt in der generellen Bewertung aller Finanzinstrumente mit ihrem Markt- oder Zeitwert317. Bewertungseinheiten brauchen dann möglicherweise nicht mehr gebildet zu werden, da sich durch die Marktbewertung Gewinne und Verluste der im Sicherungszusammenhang stehenden Instrumente ohnehin aufheben. Zusätzlich gelingt aber auch die bilanzielle Abbildung solcher Instrumente, die nicht in einem Sicherungszusammenhang stehen, sondern lediglich zu Handels- beziehungsweise Spekulationszwecken gehalten werden318. Eine Bilanzierung zum Fair Value kann daher möglicherweise gerade bei der Abbildung derivativer Finanzinstrumente im Jahresabschluss eine Überwindung der gravierendsten Probleme versprechen319.

315 316 317

318

319

Sogenannte Ausgeglichenheitsvermutung, vgl. Hopt, HGB, § 252, Rnr. 16 m. w. N. Leffson, GoB, S. 413; etwas anderes ergibt sich aufgrund des Imparitätsprinzips erst dann, wenn mit negativem Erfolgsbeitrag gerechnet werden muss. Ein dritter Ansatz ist die von Reiner auf der Grundlage seiner Theorie der Werthaltigkeit der synallagmatischen stochastisch bedingten Leistungsversprechen vorgeschlagene Aktivierung und Passivierung der jeweils im Synallagma stehenden Leistungsverpflichtungen wie Kombinationen zweier wechselseitiger Optionen mit ihrem jeweiligen Marktwert. Diese Lösung hat den Vorteil, Derivatgeschäfte in der herkömmlichen Handelsbilanz ergebnisneutral sichtbar zu machen, ohne gegen Grundsätze des geltenden Handelsbilanzrechts zu verstoßen, und erlaubt die grundsätzliche Gleichbehandlung derivativer Finanzinstrumente im Rahmen der Bilanzierung; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 274 ff., 302. Perlet/Baumgärtel, FS Clemm, S. 287, 290-293; zum Ganzen auch Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305; Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637; zu den grundsätzlichen Alternativen bei der Darstellung von Sicherungszusammenhängen im Jahresabschluss vgl. auch Steiner/Tebroke/Wallmeier, WPg 1995, 533, 535. So im Ergebnis auch Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 302 f., allerdings mit dem Hinweis auf die damit verbundenen Kollisionen mit herkömmlichem deutschen Handelsbilanzrecht.

75

2.

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach deutschen Rechnungslegungsgrundsätzen

a)

Die Bilanzierung von Wertpapieren im Allgemeinen

Für Finanzinstrumente, die unter den handelsrechtlichen Wertpapierbegriff fallen, ist neben den allgemeinen Ansatz- und Bewertungsvorschriften § 266 HGB zu beachten. Wertpapiere in diesem Sinne sind zunächst alle „klassischen“ Papiere wie Aktien oder Schuldverschreibungen. Der handelsrechtliche Wertpapierbegriff umfasst somit auf jeden Fall die Wertpapiere im Sinne des § 2 WpHG. Generell sind auf Wertpapiere die Ansatz- und Bewertungsvorschriften der §§ 246-256 HGB anzuwenden. Obergrenze für die Bewertung von Wertpapieren im Jahresabschluss nach HGB bleiben daher die Anschaffungskosten. § 266 Abs. 2 HGB regelt die Gliederung der Bilanz und unterscheidet danach, ob es sich bei den zu bilanzierenden Wertpapieren um solche des Anlage- oder des Umlaufvermögens handelt, ob sie also der längerfristigen Kapitalanlage dienen und zum 320 Finanzanlagevermögen zählen oder ob sie als Liquiditätsreserve gehalten werden . Wertpapiere des Umlaufvermögens gemäß § 266 Abs. 2 HGB sind jederzeit veräußerbar und stellen weder Anteile an verbundenen Unternehmen noch am eigenen Unternehmen dar321. Die Wertpapiere des Anlage- und des Umlaufvermögens unterscheiden 322 sich dem Grunde nach nicht; lediglich ihre Zwecksetzung ist eine andere . b)

Die Bilanzierung der nicht in einem Sicherungszusammenhang stehenden Derivate

Die Bilanzierung derivativer Finanzinstrumente befindet sich noch in der Diskussion, von einer h.M. oder allgemein anerkannten Grundsätzen kann wohl noch nicht gesprochen werden323. Unstreitig ist allerdings, dass die bilanzielle Behandlung von Finanzinstrumenten – de lege lata – aus den allgemeinen Grundsätzen der Rechnungslegung abgeleitet 324 werden muss . Da abgesehen von den §§ 340 b und 340 h HGB keine Regeln zu Ansatz und Bewertung von Derivaten kodifiziert sind, gelten die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung (GoB) und die allgemeinen Vorschriften der §§ 246-256 325 HGB . Bei der Bilanzierung derivativer Finanzinstrumente ist zu unterscheiden zwischen Optionen und (Termin-) Festgeschäften (Futures, Forwards und Swaps). Aufgrund der Zahlung der Optionsprämie bei Vertragsschluss sind Optionen nach h.M. nicht mehr „in der Schwebe“ und daher als Vermögensgegenstände anzusehen und als solche in der Bilanz anzusetzen326. Beim Optionsberechtigten ist die Option wie ein Wertpapier als nicht abnutzbarer Vermögensgegenstand des Anlage- oder Umlaufvermögens in Höhe ih320 321 322 323 324 325 326

76

Wiedmann, Bilanzrecht, § 266 HGB Rn. 25; Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 16 f.; Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 215. Wiedmann, Bilanzrecht, § 266 HGB Rn. 41. Wiedmann, Bilanzrecht, § 266 HGB Rn. 38. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 97 m.w.N. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1526. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 97. Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 131-140.

rer Anschaffungskosten, d.h. mit der bezahlten Optionsprämie zu aktivieren. Eventuelle Wertminderungen sind nach dem Niederstwertprinzip gemäß § 253 HGB zu berücksichtigen und entsprechend abzuschreiben. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind sie als Aufwand zu verbuchen. Wertsteigerungen bleiben unberücksichtigt. Wird die Option ausgeübt, ist die bezahlte Optionsprämie bei Barausgleich mit dem Gewinn zu verrechnen, bei Erfüllung in Natur ist sie Bestandteil der Anschaffungskosten des Vermögensgegenstandes beziehungsweise mit dem Verkaufserlös zu verrechnen. Beim Stillhalter, dem Optionsverpflichteten, ist die erhaltene Optionsprämie als Verbindlichkeit zu passivieren. Steigt der Wert des Optionsrechts ist darüber hinaus eine Rückstellung für drohende 327 Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden . Terminfestgeschäfte sind mangels Erbringung einer finanziellen Leistung seitens der Vertragspartner bei Abschluss des Geschäfts nach h.M. als schwebende Geschäfte anzusehen328. Folglich sind sie gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung generell nicht zu bilanzieren. Schließlich fehlt es mangels Umsatzakt 329 an der erforderlichen Realisierung . An nachfolgenden Bilanzstichtagen ist aber zu prüfen, ob aus noch offenen Verträgen Verluste zu erwarten und entsprechend Rückstellungen zu bilden sind; unrealisierte Gewinne hingegen dürfen selbstverständlich nicht bilanziert werden330. Es erfolgt eine „imparitätische Marktbewertung“331. Die Einordnung derivativer Finanzinstrumente als schwebende Geschäfte durch die h.M. greift jedoch unter dem Gesichtspunkt zu kurz, dass man die Bewirkung der Hauptleistung bereits in der Eingehung der stochastisch bedingten Verpflichtung sehen kann, obwohl der Inhalt der geschuldeten Leistungen unsicher und stochastisch wertschwankend ist332. Die von den Parteien eingegangenen synallagmatischen unsicheren Leistungsverpflichtungen sind per se subjektiv werthaltig, unabhängig von der dinglichen Herbeiführung eines – weiteren – Leistungserfolgs333. Derivate können deshalb korrekter als „laufende“ Geschäfte bezeichnet werden. Sie sind nicht bis zum Ende ihrer Laufzeit „in 334 der Schwebe“ . Entsprechend sind diese Leistungsrechte und -pflichten bei den Parteien in ihrer Kombination als Forderung und Verbindlichkeit jeweils zu bilanzieren und 327 328 329 330 331 332 333

334

Zum Ganzen: Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 258 f. m.w.N. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1526; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 256 ff.; s.o. C. III. 1. c), S. 74 f. „Grundsatz der Nichtbilanzierung des schwebenden Geschäfts“, Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 27; von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 101; Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1526; vgl. oben bei Fn. 316. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1526. Barckow/Rose, WPg 1997, 789, 801. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 253, 275 ff. Die Werthaltigkeit ergibt sich für Reiner aus der Tatsache, dass der Parteiwille bei Derivaten (mit Ausnahme von Optionen) auf den synallagmatischen Austausch stochastisch bedingter Leistungspflichten gerichtet ist, deren Eingehung für die jeweils andere Partei bereits mit einem am Markt manifestierbaren und damit jederzeit realisierbaren objektiven Mehrwert verbunden ist, vgl. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 138 f., 145ff. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 38, Fn. 145: laufende (Derivat-) Geschäfte sind solche, deren Vertragspflichten insoweit noch nicht erfüllt sind, als sie noch einem Marktrisiko aus dem Basiswert unterworfen sind.

77

gleichzeitig als Forderung und als Verbindlichkeit in Höhe ihres theoretischen Marktwertes anzusetzen. Der Wert der eigenen (stochastisch bedingten) Zahlungsverpflichtung stellt dabei die Anschaffungskosten für den zu bilanzierenden erworbenen stochastisch 335 bedingten Anspruch dar . Dieser Ansatz gelangt so zu einer ergebnisneutralen Bilanzierung und grundsätzlichen bilanziellen Gleichbehandlung derivativer Finanzinstrumente ohne gegen handelsrechtliche Grundprinzipien verstoßen zu müssen. Im Anhang haben Kapitalgesellschaften ferner gemäß § 285 Nr. 3 HGB eventuell drohende Verluste aus Derivatgeschäften im Rahmen derjenigen sonstigen finanziellen Verpflichtungen auszuweisen, die nicht in der Bilanz erscheinen. Zusätzlich können weitere Angabepflichten aus §§ 289 Abs. 1 und 315 Abs. 1 HGB entstehen, die vorschreiben, dass Kapitalgesellschaften im Lagebericht beziehungsweise im Konzernlagebericht den Geschäftsverlauf und die Lage der Unternehmung beziehungsweise des Konzerns unter Beachtung des True-and-Fair-View-Prinzips korrekt darzustellen haben. Dabei ist auch auf die Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen. Derivate finden dann aber nur Erwähnung, wenn von ihnen Risiken ausgehen, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder von erheblichem Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sind336. c)

Hedge Accounting und die Bildung von Bewertungseinheiten

Der Grundsatz der Einzelbewertung führt im Zusammenhang mit dem Imparitäts- und dem Realisationsprinzip insbesondere bei Instrumenten, die zu Zwecken des Hedging eingesetzt sind, zu problematischen Verzerrungen. Sicherungszusammenhänge zwischen Grund- und Gegengeschäft, die zur Kompensation negativer und positiver Erfolge aus den streng einzelbewerteten Positionen führen würden, werden somit nicht berücksichtigt337. Wirtschaftlich ist gerade bei Sicherungsgeschäften genau das Gegenteil gewollt. Kaufmännisch vernünftiges Handeln wird so in letzter Konsequenz bilanziell bestraft. Es kann gegenüber Unternehmen, die keine Absicherung betreiben, zu einem ungünstigeren Erfolgsausweis und damit zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil 338 kommen . Das kann letztlich dazu führen, dass unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gerade nicht vermittelt wird. Es kommt zu einem Konflikt zwischen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und den Grundprinzipien des deutschen Bilanzrechts einerseits und dem Erfordernis des True and Fair View des § 264 Abs. 2 HGB339. Zur Lösung dieses Problems bedient man sich daher einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und bildet Bewertungseinheiten aus risikobehaftetem Grundgeschäft und Si335 336 337 338 339

78

Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 276 ff., 302. So die Auslegung des IDW, vgl. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1526 m.w.N. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 103 m.w.N.; Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 103 m.w.N.; Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527; Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 12; Menninger, Financial Futures und ihre bilanzielle Behandlung, S. 123. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527.

340

cherungsgeschäft . Der Grundsatz der Einzelbewertung muss dazu über den Wortlaut hinaus im Sinne dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgedehnt und auf Grundund Sicherungsgeschäft angewandt werden. Unter Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs werden Grund- und Sicherungsgeschäft fiktiv als ein einheitliches Geschäft aufgefasst. Im Rahmen der Bewertung einer solchen Einheit werden die unrealisierten Gewinne und Verluste der betreffenden Geschäfte miteinander verrechnet; die Bewertung erfolgt kompensatorisch341. Abschreibungen oder Rückstellungen für drohende Verluste sind dann nur erforderlich, wenn aus dem Zusammenhang von 342 Grund- und Sicherungsgeschäft ein Verlust droht . Verluste müssen daher gemäß dem Imparitätsprinzip nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch einen sicheren – später realisierbaren – Gewinn kompensiert werden343. Anstatt einer streng imparitätischen Einzelbewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften erfolgt eine Anwendung des Imparitätsprinzips auf Grund- und Sicherungsgeschäft als Bewertungseinheit. Das Imparitätsprinzip wird auf die Ebene der Hedge-Position verlagert344. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens ist als praeter legem umstritten. Es scheint jedoch weitgehend Einigkeit darüber zu bestehen, dass eine imparitätische Berücksichtigung von Risiken – und damit gleichzeitig eine Einzelbewertung – nicht geboten ist, solange ein Verlust mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, mithin die Position „risikomäßig weitgehend geschlossen ist“345. Folgende Kriterien für die Zulässigkeit der Bildung 346 von Bewertungseinheiten werden ferner in der Literatur genannt : Grund- und Sicherungsgeschäft müssen eindeutig identifiziert sein. Die Gewinnchancen müssen konkretisiert sein, d.h. Grund- und Sicherungsgeschäft müssen bis zum Bilanzstichtag verbindlich abgeschlossen sein und ihre Erfüllung feststehen. Ferner darf keine Relativierung durch Restrisiken vorliegen, vielmehr dürfen nur Positionen einwandfreier Bonität in die Bewertungseinheit einbezogen werden. Lediglich gleichartige Risiken dürfen zusammengefasst werden. Es muss sich um gegenläufige Positionen handeln, jedem nicht berücksichtigten Teil der Aufwendungen müssen kompensierende Erträge gegenüber stehen, und es muss die Möglichkeit objektiver Wertermittlung bestehen. Ferner muss das Management beabsichtigen, den Sicherungszusammenhang über den Bilanzstichtag hinaus aufrechtzuerhalten.

340 341 342 343 344 345 346

Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527. Zum Begriff der Bewertungseinheit und zur Zulässigkeit der Bildung von Bewertungseinheiten ausführlich Wiedmann, FS Moxter, S. 453; Alsheimer, Die Rechtsnatur derivativer Finanzinstrumente, S. 152-170. Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305, 310. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 104. Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 98. Wenk, Marktwert, S. 63 m.w.N.; Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 808; „Wahrscheinlichkeit“ des Ausgleichs von Chance und Risiken“, Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637, 639. Wenk, Marktwert, S. 64 m.w.N.; zu den Voraussetzungen der Bildung von Bewertungseinheiten ausführlich: Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637, 638 f.; Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 310 f. m.w.N.

79

Man unterscheidet drei Formen des Hedging: Micro Hedges, Portfolio Hedges und Macro Hedge. Micro Hedge bezeichnet die Absicherung und spätere Zusammenfassung eines Grundgeschäfts mit einer einzelnen konkreten Hedge-Transaktion. Wird der gegenseitige Wertausgleich innerhalb von Gruppen gleichartiger Geschäfte vorgenommen, spricht man von Portfolio Hedge. Im Unterschied zum Micro Hedge kann hier der Wertzuwachs eines Geschäfts nicht mehr der Wertminderung eines anderen genau identifizierbaren Geschäfts zugeordnet werden. Beim Macro Hedge wird zunächst die Netto-Risikoposition für das Gesamtunternehmen ermittelt und sodann durch Sicherungsgeschäfte abgesichert. Man sichert das Nettorisiko aller Grundgeschäfte des Unternehmens beziehungsweise sogar des Konzerns. Wie beim Portfolio Hedge ist auch hier eine Zuordnung der Wertentwick347 lung von Sicherungsgeschäften und Grundgeschäften nicht mehr möglich . Während auf den ersten Blick Micro Hedging und seine Bilanzierung unter Bildung von Bewertungseinheiten unter Umständen noch mit den Grundsätzen deutschen Bilanzrechts vereinbar erscheint, sind jedenfalls Portfolio und Macro Hedge jenseits der Grenzen des Wortlauts des Gesetzes. Entsprechend gelten Micro Hedges als in Deutschland allgemein akzeptiert348. Die Bildung einer Bewertungseinheit aus Grund- und Sicherungsgeschäft wird in diesen Fällen von der inzwischen wohl h.M. für zulässig gehalten. Zur Begründung einer kompensatorischen Bewertung in diesen Fällen beruft man sich auf die Ausnahmeregelung des § 252 Abs. 2 HGB349. Portfolio Hedges sind immer noch umstritten, setzen sich aber wohl zunehmend durch. Macro Hedges hinge350 gen sind nach h.M. mit dem geltenden deutschen Bilanzrecht nicht vereinbar . d)

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten im Jahresabschluss der Banken und Versicherungen

In den Sondervorschriften für Banken und Versicherungen werden erstmals Ausnahmen von den soeben geschilderten Rechnungslegungsgrundsätzen zugelassen, um der Bedeutung von Finanzinstrumenten für den Jahresabschluss von Unternehmen dieser Branchen gerecht werden zu können351. (1)

Kreditinstitute

§ 340 h HGB schreibt seit 1990 unter Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips für den (Einzel-) Jahresabschluss von Kreditinstituten den Ansatz von Valutapositionen

347 348 349 350 351

80

Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527; Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 1997, 637, 638 f.; ausführlich Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305, 310-314. Reiner, Derivative Finanzgeschäfte im Recht, S. 261 m.w.N. Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 310 m.w.N.; Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 806-808; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 263. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527 m.w.N. Vgl. dazu insbes. Wenk, Marktwert; Geib, Die Pflicht zur Offenlegung; zur aktuellen Diskussion auch FAZ-Wirtschaft vom 8.10.2001.

352

des Umlaufvermögens zu Tageswerten auch oberhalb der Anschaffungskosten vor . Wenn auch contra legem, übernahmen im Übrigen auch andere Unternehmen diese Be353 wertung . § 340 h HGB beinhaltet die Pflicht zur Bildung von Bewertungseinheiten für Fremdwährungsgeschäfte und Finanzinnovationen. Im Rahmen gebildeter Bewertungseinheiten führen Kreditinstitute bei der Bilanzierung von Derivaten eine Mark-toMarket-Bewertung durch354. Im Rahmen dieser Bewertungseinheiten kann es auch zur Berücksichtigung unrealisierter Gewinne kommen. Eine Durchbrechung von Realisations- und Imparitätsprinzip im HGB bedeutet diese Regelung allerdings insofern nicht, als diese Bewertungseinheiten risikomäßig weitgehend geschlossen sein müssen, Gewinne und Verluste innerhalb der Bewertungseinheit also weitestgehend kompensiert werden355. Eine Annäherung an die Marktbewertung von Finanzinstrumenten wird damit auch in 356 Deutschland jedenfalls in Ansätzen schon praktiziert, ist aber noch umstritten . Ferner ist unter Durchbrechung des Realisations- und Einzelbewertungsgrundsatzes bei kurzfristigen Währungsverbindlichkeiten und -forderungen bereits unter bisherigem Bilanzrecht in der Praxis eine Bewertung zum Stichtagskurs in einem Währungskontokorrent üblich357. Hier werden bereits Gewinne und Verluste ausgewiesen, ohne in einem 358 Umsatzprozess tatsächlich realisiert worden zu sein . Mittel- und langfristige Währungsforderungen und -verbindlichkeiten sind hingegen nach wie vor getreu den Prinzipien Imparität, Realisation und Einzelbewertung zu bilanzieren359. Die Möglichkeiten der Zeitwertbilanzierung sind – nicht nur für Banken – de lege lata begrenzt. Aufgrund von Imparitäts- und Realisationsprinzip können immerhin bei ungesicherten Positionen Wertminderungen berücksichtigt werden, aufgrund des Niederstwertprinzips müssen sie beim Umlaufvermögen sogar beachtet werden. Der Berücksichtigung von Wertsteigerungen werden jedoch durch Anschaffungs- und Herstellungskosten Grenzen gesetzt. Entsprechend führen bei schwebenden Geschäften Verluste zu Rückstellungen in der Bilanz, während Gewinne unberücksichtigt bleiben360. Lediglich für den Fremdwährungsbereich von Kreditinstituten ist gemäß § 340 h Abs. 1 S. 2 HGB die Marktwertbilanzierung für das Umlaufvermögen und das besonders gedeckte Anlagevermögen auch bei Übersteigen der Anschaffungskosten vorgeschrieben. Auf der Passivseite sind Wertminderungen 361 aufgrund eines niedrigeren Wechselkurses ebenfalls zu berücksichtigen . In § 340 h

352 353 354 355 356 357 358 359 360 361

Busse von Colbe, in: F.W. Wagner (Hrsg.), S. 24; ders., ZGR 2000, 651, 654; vgl. auch Steiner/ Tebroke/Wallmeier, WPg 1995, 533, 540. Busse von Colbe, ZGR 2000, 651, 654. Köllhofer, FS Moxter, S. 747, 764. Wiedmann, FS Havermann, S. 808-808, insbes. S. 808. Köllhofer, FS Moxter, S. 747, 764. Str.; Strobl, FS Moxter, S. 407, 424; dagegen Moxter, WPg 1984, 397, 400. Strobl, FS Moxter, S. 407, 424. Strobl, FS Moxter, S. 407, 425. Vgl. Wenk, Marktwert, S. 78. Wenk, Marktwert, S. 78.

81

HGB findet sich damit die erstmalige Kodifizierung einer Pflicht zur Marktbewertung 362 im deutschen Recht . (2)

Versicherungen

Versicherungen finanzieren sich überwiegend mit Fremdkapital, das ihnen die Versicherungsnehmer durch ihre Beitragszahlungen zur Verfügung stellen. Zu den Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts gehört daher eine umfangreiche Gläubigerposition der Versicherungsnehmer und die Langfristigkeit der Geschäftsbeziehungen. Daraus folgt ein besonderes Bedürfnis nach Information durch den Jahresabschluss363. Daneben 364 kommt im Versicherungsgeschäft den Kapitalanlagen eine besondere Funktion zu . Erfolg und Misserfolg im Geschäft mit Kapitalanlagen sind deshalb für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Versicherungsunternehmens und seines Managements besonders wichtig. Dementsprechend ist die Offenlegung von Zeitwerten der Kapitalanlagen von Versicherungsunternehmen sowohl für den aktuellen und potentiellen Aktionär als auch für den Versicherungsnehmer und Gläubiger von Interesse. In der Versicherungsbilanzrichtlinie versucht der europäische „Gesetzgeber“ diesen Bedürfnissen nachzukommen und führt die Offenlegung von Zeitwerten der Finanzanlagen von Versicherungsunternehmen ein365. Zwar wird den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einführung des zwingenden Ansatzes von Zeitwerten in der Bilanz ein Wahlrecht eingeräumt, die Offenlegung des Zeitwerts von Kapitalanlagen wird aber jedenfalls im Anhang zwingend vorgeschrieben. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat für die Einführung der Zeitwertbilanzierung, so sind im Gegenzug im Anhang die Anschaffungskosten der zum Zeitwert bilanzierten Vermögensgegenstände offen zu legen. Auf diese Weise soll dem Bilanzleser in beiden Modellen, die den Mitgliedstaaten zur Wahl stehen, die Möglichkeit garantiert werden, (historische) Anschaffungskosten und (aktuelle) Zeitwerte zu vergleichen und nicht nur die aktuelle Vermögenslage zu beurteilen, sondern die Vermögensentwicklung. Basierend auf der Richtlinie sieht das deutsche Bilanzrecht für Versicherungsunternehmen ebenfalls eine Zeitwertbewertung in gewissem Rahmen vor. Gemäß § 341 d HGB sind beispielsweise Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungen zwingend mit dem Zeitwert zu bewerten366. Zeitwert im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich der Marktwert. Darunter versteht man den Preis, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, dass der Vermögensgegenstand offen am Markt angeboten wurde, die Marktverhältnisse einer ordnungsgemä362 363 364 365 366

82

Wenk, Marktwert, S. 4. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 9 m.w.N. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 23 ff. Dazu ausführlich Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 48 ff. Dazu Geib, FS Havermann, S. 143 ff.

ßen Veräußerung nicht im Wege stehen und eine der Bedeutung des Objekts angemes367 sene Verhandlungszeit zur Verfügung stand . 3.

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach US-GAAP

a)

Publizitätspflichten

Um mit der Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten und dem wachsenden Einsatz insbesondere derivativer Finanzinstrumente Schritt zu halten, verfolgt in den USA das FASB seit 1986 im Rahmen des „Project on Financial Instruments“ das Ziel, ein konsistentes, auch auf neue Finanzinstrumente anwendbares Bilanzierungssystem zu entwickeln. In einem ersten Schritt wurden zunächst mit den SFAS 105 und 107 bloße Offenlegungspflichten geschaffen. Ziel dieser Publizitätspflichten war es, Zweck, Risikopotential und eingegangene Positionen am Abschlussstichtag für Investoren erkennbar zu machen, damit dies in ihre Investitionsentscheidung einfließen könne368. In einem zweiten Schritt folgte dann die Entwicklung von Standards zu Ansatz und Bewertung369. SFAS 105 betraf Informationspflichten für Finanzinstrumente, die mit „Off-BalanceSheet Risk“ verbunden sind, deren Risiko und Verwendung mithin aus der Bilanz nicht hervorgeht. Er wurde mittlerweile von SFAS 133 ersetzt, der eine Bilanzierung dieser 370 Instrumente ermöglicht und damit SFAS 105 überflüssig macht . SFAS 107 (Disclosure about Fair Value of Financial Instruments) wurde im Dezember 1991 herausgegeben. Es ist anwendbar auf Financial Statements betreffend Geschäftsjahre, die nach dem 15. Dezember 1992 enden. Ausgenommen waren zunächst Unternehmen mit einer Gesamtsumme an Vermögensgegenständen von weniger als 150 Millionen Dollar. Für sie gilt dieser Standard erst für Geschäftsjahre, die nach dem 15. Dezember 1995 enden. Sie sollten dadurch Zeit und Gelegenheit erhalten, die notwendigen Systeme zur Implementierung dieser Vorgaben zu schaffen. Das FASB definiert in Statement 107 Finanzinstrumente als flüssige Mittel oder vertragliche Verpflichtungen, die letztendlich zu einer Übertragung flüssiger Mittel führen können, oder als Eigentümerpositionen an Unternehmen (z.B. Forderungen, Verbindlichkeiten, Forward-Verträge, Optionen, Bürgschaften, Anteilspapiere)371. Der beizulegende Zeitwert (Fair Value) der genannten Finanzinstrumente ist von den betroffenen Unternehmen in den Financial Statements oder den begleitenden Notes offen zu legen, sofern die Ermittlung des Zeitwerts praktikabel erscheint. Ebenfalls offen zu legen sind die Methoden, derer man sich zur Ermittlung des Zeitwerts bedient hat, 372 und die Annahmen, die der Ermittlung zugrunde gelegt wurden . Zur Ermittlung des 367 368 369 370 371 372

Vgl. § 55 Abs. 1 RechVersV. Pfeffer, WPg 1995, 411. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 184 m.w.N.; zu den Regelungen der SFAS 105 und 107 vgl. ausführlich Pfeffer, WPg 1995, 411 und Swenson/Buttross, 175 J.Acct. 71 (1993). SFAS 133.502 u. 525 (Appendix D: Amendments to Existing Pronouncements). Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 788; SFAS No. 107 Tz. 3. SFAS 107.10.

83

offenzulegenden Fair Value nimmt der Standard zwar Stellung, verweist aber lediglich kursorisch auf notierte Marktpreise, Marktpreise vergleichbarer Instrumente oder Dis373 counted Cash-flow-Verfahren . b)

Originäre (primäre) Finanzinstrumente/Wertpapiere

Generell sind nach den US-GAAP Gegenstände des Umlaufvermögens ebenfalls nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bewerten. Bei bestimmten Current Assets können diese jedoch überschritten werden374. Dies gilt gemäß SFAS 115 insbesondere für bestimmte Wertpapiere. Die Bilanzierung von Wertpapieren wurde durch das FASB in SFAS 115 (Accounting for Certain Investments in Debt and Equity Securities) bereits im Jahr 1993 geregelt. SFAS 115 ist grundsätzlich für alle Unternehmen bindend. Ausgenommen sind lediglich Not-for-Profit Organizations und solche Unternehmen, für die branchenspezifische Sondervorschriften gelten. SFAS 115 regelt die Bilanzierung von verbrieften Fremdkapital- und marktgehandelten Eigenkapitaltiteln. Entsprechend ihrem Verwendungszweck unterscheidet der Standard drei Kategorien von Wertpapieren: Held-to-Maturity, Trading und Available-for-Sale Securities. Bereits im Akquisitionszeitpunkt des Wertpapiers muss dieses einer dieser Kategorien zugeteilt werden. Diese Zuordnung ist zu jedem Bilanzstichtag auf ihre Angemessenheit zu überprüfen, und es 375 muss gegebenenfalls eine Umwidmung vorgenommen werden . Eine solche erfolgt ebenfalls zum Zeitwert. Die Wertpapiere sind dann grundsätzlich so zu behandeln wie die Papiere der Gruppe, der sie im Zuge der Umwidmung zugeteilt wurden. In die „earnings“ einfließen dürfen nur unrealisierte Gewinne oder Verluste, die aus dem Übergang von Wertpapieren einer bestimmten Kategorie in die Gruppe der Wertpapiere des Handelsbestandes resultieren376. (1)

„Securities held for trading“

Trading Securities sind Fremd- oder Eigenkapitaltitel, die zu Handelszwecken gehalten werden. Sie umfassen alle Wertpapiere, die das Unternehmen nur kurzfristig hält. Dabei hat man insbesondere den Handelsbestand von Kreditinstituten im Auge, dessen Aufgabe es ist, Arbitragegewinne zu erzielen oder Handelsmargen zu vereinnahmen377. Sie zählen damit zu den Current Assets und sind dem deutschen Umlaufvermögen ver378 gleichbar . Die Wertpapiere des Handelsbestandes sind grundsätzlich mit dem Fair Value am Bilanzstichtag zu bilanzieren. Alle Wertänderungen, d.h. auch unrealisierte Gewinne und Verluste, werden erfolgswirksam erfasst. Gerechtfertigt wird dies mit der

373 374 375 376 377 378

84

SFAS 107.11 und 18 (Appendix A), s.o. C. II. 2., S. 65 f.. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 222. SFAS 115.6 und 83 (Appendix A). Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 213 und ausführlich mit Beispiel S. 214 f. Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305, 314. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 210.

Marktnähe dieser Papiere und ihrer – auch vom Management intendierten – jederzeitigen Veräußerbarkeit. (2)

„Securities held to maturity“

Held-to-Maturity Securities sind Fremdkapitaltitel, bei denen die Absicht und die Fähigkeit besteht, sie bis zur Fälligkeit zu halten. Sie werden im Gegensatz zu den Wertpapieren der beiden anderen Kategorien mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten („amortized cost“) bewertet. Das FASB lehnt eine Zeitwertbilanzierung für diese Titel ab, weil während der Laufzeit eintretende Gewinne oder Verluste lediglich Opportunitäts379 gewinne oder -verluste darstellen, die keine Bedeutung für das Unternehmen haben . Lediglich im Falle einer dauerhaften erheblichen Wertminderung kann außerplanmäßig auf den Fair Value abgeschrieben werden. Eine spätere Wertaufholung ist dann allerdings nicht mehr möglich. Dabei wird – im Gegensatz zum Grundsatz der Einzelbewertung im deutschen Recht – eine Gesamtportfoliobetrachtung vorgenommen. Eine Abschreibung ist erst dann erforderlich, wenn der Stichtagswert des gesamten Portfolios die kumulierten Anschaffungskosten der einzelnen Wertpapiere unterschreitet. (3)

„Securities available for sale“

Available-for-Sale Securities sind alle übrigen Wertpapiere, die keiner der beiden anderen Kategorien zugeordnet werden können. Available-for-Sale Securities sind Papiere, für die eine Vermutung besteht, dass sie nicht bis zur Fälligkeit gehalten werden. Sie werden ebenfalls mit ihrem Fair Value am Bilanzstichtag bilanziert, bloße Wertänderungen und damit unrealisierte Gewinne und Verluste sind jedoch erfolgsneutral in einem Sonderposten innerhalb des Eigenkapitals auszuweisen380. Eine erfolgswirksame Gewinnrealisierung erfolgt bei diesen Papieren somit nur im Falle einer tatsächlichen 381 Veräußerung . Das Argument für die gesonderte Behandlung ist die fehlende Marktnähe von Available-for-Sale Securities. Da mit ihnen nicht aktiv gehandelt wird und ihre jederzeitige Veräußerung nicht unbedingt bezweckt ist, ist, anders als bei den Papieren des Handelsbestandes, eine sofortige Realisierbarkeit der Wertveränderung, die eine gewinnwirksame Bilanzierung rechtfertigt, nicht gegeben. Da diese Papiere nur eventuell zur Veräußerung vorgesehen sind, kann die ansonsten angenommene Veräußerungsfiktion an dieser Stelle nicht greifen382. c)

Derivative Finanzinstrumente und Sicherungsgeschäfte

Die Bilanzierung von derivativen Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften ist für die US-GAAP mittlerweile in SFAS No. 133 (Accounting for Derivative Instruments 379 380 381 382

SFAS 115.42 und 58; Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 315. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1528. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 189. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 211.

85

and Hedging Activities) geregelt. Dieser detailliert ausformulierte Standard kam erst nach langen Debatten und Vorarbeiten des FASB im Jahre 1998 zustande. SFAS 133 enthält erstmals eine umfassende Regelung für die Bilanzierung von derivativen Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften (Hedging Activities). Der Standard ersetzt eine Reihe von Einzelvorschriften, die bisher die Bilanzierung von Derivaten regelten, und will insbesondere Inkonsistenz, Unvollständigkeit und Komplexität der bisherigen Re383 384 geln mildern . Dennoch ist der Standard ebenso eine Zwischenlösung wie IAS 39 . Er gilt als Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer generellen Zeitwertbilanzierung von Finanzinstrumenten. Nachdem sein Inkrafttreten aufgrund von Interpretations- und Umsetzungsproblemen zunächst aufgeschoben worden war, gilt er nun für alle Rechnungslegungsperioden beginnend mit dem 15. Juni 2000. (1)

Allgemeine Grundsätze

Dem Standard liegen vier allgemeine Grundsätze betreffend Ansatz und Bewertung von derivativen Finanzinstrumenten zugrunde, die das FASB bei den Vorarbeiten zu diesem 385 Standard formuliert hat. Sie bilden die Eckpfeiler („cornerstones“) des Standards . Derivate stellen Rechte und Verpflichtungen dar und erfüllen die Definition von Vermögensgegenständen und Schulden. Sie sind daher als Assets oder Liabilities in die Bilanz einzustellen. Die Möglichkeit, ein in der Gewinnposition stehendes Derivat auszuüben und damit in einen Vermögensgegenstand umzuwandeln, stellt einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen im Sinne des SFAS 6 dar und ist damit als Vermögensgegenstand („asset“) anzusetzen. Gleiches gilt sinngemäß für Verlustpositionen als künftige wirtschaftliche Belastung im Sinne der Liability-Definition386. Die Realisierbarkeit wird dabei der Realisation gleichgestellt. Derivate sind in der Bilanz generell zum Fair Value zu bewerten. Dies gilt unabhängig von ihrer Zweckbestimmung. Der Zeitwert (Fair Value) ist der relevanteste Maßstab für Finanzinstrumente im Allgemeinen und für derivative Finanzinstrumente im Besonderen. Anpassungen der fortgeführten Anschaffungskosten von „hedged items“ sollten Veränderungen ihres Zeitwerts wiedergeben. Es dürfen in der Bilanz als Assets oder Liabilities aber nur solche Positionen erscheinen, die die allgemeinen Aktivierungs- und Passivierungsvoraussetzungen erfüllen. Die Möglichkeit, Sicherungsbeziehungen durch ein spezielles Hedge Accounting abzubilden, sollte gewährt, aber an feste Voraussetzungen geknüpft werden. Ein Aspekt dabei ist die Erwartung weitgehender Kompensation der Fair Value-Veränderungen der im Sicherungszusammenhang stehenden Geschäfte387. SFAS 133 macht die Fair Value-Bewertung von Derivaten für alle Unternehmen zur Regel. Dies gilt grundsätzlich auch für Derivate, die zu Sicherungszwecken gehalten 383 384 385 386 387

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Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 12. SFAS 133.216; Willis, WPg 1998, 854. SFAS 133.3 und 217-231; vgl. dazu Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 316 f. SFAS 133, 525-531; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 192. SFAS 133.3 und 217-231.

werden. Hier ist weiter zu unterscheiden zwischen Fair Value Hedges, Cash-flow Hed388 ges und Foreign Currency Hedges . Unabhängig von dieser Unterscheidung verlangt SFAS 133 gleichwohl, dass generell auch bei Sicherungsgeschäften das derivative Finanzinstrument zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren ist389. Das FASB vertritt allerdings die Ansicht, dass auch dies nur eine Übergangsregelung darstelle und langfris390 tig alle Finanzinstrumente zum Fair Value zu bilanzieren seien . (2)

Die Bilanzierung von nicht zu Sicherungszwecken eingesetzten Derivaten

Derivate im Sinne des SFAS 133 sind Finanzinstrumente oder andere Verträge, deren Wert von einer oder mehreren Basisvariablen („underlying“) und Nominalbeträgen oder Zahlungsvereinbarungen bestimmt wird. Bei Abschluss des Vertrages darf grundsätzlich keinerlei Zahlung fällig sein. Gemäß SFAS 133.17 sind Derivate generell sowohl beim erstmaligen Ansatz als auch im Rahmen der Folgebewertung mit dem Fair Value anzusetzen. Die Bestimmung des Fair Value erfolgt nach den Richtlinien von SFAS 107.11. Notierte Börsen- oder Marktpreise sind generell der exakteste Nachweis eines Fair Value. Wenn solche nicht existieren, müssen die Werte vergleichbarer Posten herangezogen werden. Oder das Unternehmen muss sich anderer Bewertungsmethoden bedienen wie Optionspreismodelle oder der Ermittlung des gegenwärtigen Wertes künftiger Cash-flows unter Berücksichtigung der bestehenden Risiken. Bei allen Derivaten, die nicht in einem Sicherungszusammenhang stehen oder deren Sicherungscharakter nicht anerkannt wird und damit als aus Handels- und Spekulationsmotiven abgeschlossen gelten, sind Veränderungen des Fair Value erfolgswirksam im Periodenergebnis zu erfassen391. (3)

Die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Hedging Activities)

SFAS 133 sieht für zu Sicherungszwecken eingesetzte Derivate ein spezielles Hedge Accounting vor. Absicherungszusammenhänge werden grundsätzlich nur anerkannt, wenn es sich bei dem Sicherungsgeschäft um ein Derivat handelt392. Mit dem Hedge Accounting soll insbesondere dem Problem begegnet werden, die Kompensationswirkungen beste393 hender Sicherungszusammenhänge im Jahresabschluss kenntlich zu machen . Die Anwendung des sogenannten Hedge Accounting ist an das Vorliegen bestimmter formeller Voraussetzungen gebunden394. Generell ist erforderlich, dass das derivative Finanzinstrument einem Grundgeschäft individuell zugeordnet ist, es sich also um einen sogenannten Micro Hedge handelt. Portfolio Hedges sind zulässig, wenn die zusammengefassten 388 389 390 391 392 393 394

Vgl. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1528; Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 14. Barth/Porlein, FB Beilage 1/2000, 16, 18 f. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1528 m.w.N.; das FASB hat in einem Änderungsvorschlag zu SFAS 133 vorgeschlagen, künftig auch bestimmte Kreditzusagen („loan commitments“) zum Fair Value zu bilanzieren, vgl. Rechnungslegungsreport, KoR 2002, 107, 109. „Shall be recognized currently in earnings“, SFAS 133.18. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 127. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 194. SFAS 133. 62; deutsch zusammenfassend: Barth/Porlein, FB Beilage 1/2000, 16, 19.

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Grundgeschäfte demselben Risiko unterliegen. Macro Hedges sind jedoch von der An395 wendung ausgenommen . Es werden drei Kategorien des Hedge Accounting unterschieden: Fair Value Hedge, Cash-flow Hedge und Foreign Currency Hedge. (a)

Fair Value Hedge

Ein Fair Value Hedge im Sinne der Verlautbarungen des FASB ist der Abschluss eines derivativen Sicherungsgeschäfts, um Marktpreisänderungen eines Grundgeschäfts durch gegenläufige Wirkungen des Derivats zu kompensieren. Ziel ist die Absicherung des Zeitwerts des Grundgeschäfts gegen Marktpreisrisiken. Liegen die Voraussetzungen für die Bildung eines Fair Value Hedge vor, werden die Wertänderungen des als Sicherungsinstrument dienenden Derivats erfolgswirksam ausgewiesen. Die Wertänderungen des Grundgeschäfts („changes in fair value“) führen, sofern sie auf das abgesicherte Risiko zurückgehen, zu Anpassungen seines Buchwerts und werden unter dieser Voraussetzung ebenfalls erfolgswirksam in der Bilanz berücksichtigt. Das Grundgeschäft als solches wird dabei aber nicht zum Fair Value bewertet und bilanziert. Zeitwertänderungen sind nur relevant, sofern sie auf das gesicherte Risiko zurückzuführen sind396. Gewinn und Verlust des gesamten, in Sicherungszusammenhang stehenden Geschäfts werden somit erfolgswirksam bilanziert. Damit soll sich in den Earnings widerspiegeln, zu welchem Grad der Hedge sein Ziel, die Zeitwertveränderungen von Grund- und Sicherungsgeschäft zu kompensieren, verfehlt hat. Bei einem vollständig wirksamen Absicherungszusammenhang werden damit die Gewinne und Verluste aus den Veränderungen des Fair Value komplett ausgeglichen. Unterscheiden sich die Wertveränderungen von Grund- und Sicherungsgeschäft, verändert sich der Periodenerfolg um den nicht ausgeglichenen Betrag, Hedge-Ineffizienzen werden mithin erfolgswirksam erfasst397. Nicht zum Fair Value Hedge zugelassen sind Bilanzpositionen, deren Bewertung ohnehin zum Fair Value erfolgt und deren Wertänderungen bereits bei Auftreten im Periodenergebnis erfasst werden. Dazu gehören beispielsweise die unter SFAS 115 fallenden 398 Instrumente des Handelsbestandes („trading securities“) . (b)

Cash-flow Hedge

Bei einem Cash-flow Hedge werden erwartete Zahlungsströme oder Transaktionen abgesichert, deren Eintritt wahrscheinlich, deren Höhe aber noch variabel ist399. Ziel eines Cash-flow Hedge ist die Absicherung zukünftiger, unsicherer Zahlungsströme und nicht des Zeitwerts des Grundgeschäfts. Künftig zu erwartende Schwankungen dieser Zahlungsströme sollen dadurch geglättet werden400. Da es sich um die Absicherung noch 395 396 397 398 399 400

88

Barckow/Rose, WPg 1997, 789, 794; von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 127. SFAS 133.336; Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 17. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 195. SFAS 133. 21 c; Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 15. SFAS 133 Tz. 4 b. Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 320.

nicht abgeschlossener Transaktionen handelt, spricht man auch von antizipativem Hed401 ging . Wertänderungen des Sicherungsgeschäfts sind teilweise effektiv, teilweise ineffektiv. Der effektive Teil lässt sich auf das abgesicherte Risiko zurückführen, der ineffektive auf andere Einflüsse. Der ineffektive Teil wird sofort gewinnwirksam ausgewiesen, der effektive Teil wird zunächst erfolgsneutral im „Other Comprehensive Income“ verbucht, um erst dann erfolgswirksam bilanziert zu werden, wenn auch die gesicherten Positionen die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen oder die Voraussetzungen zur Bildung des Cash-flow Hedge wegfallen402. (c)

Foreign Currency Hedge

Foreign Currency Hedges betreiben die Absicherung gegen Wechselkursrisiken. Sie werden unterteilt in Foreign Currency Fair Value Hedges, Foreign Currency Cash-flow Hedges und Hedges of a net Investment in a Foreign Entity. Während die beiden ersten Varianten nur wechselkurs-spezifische Sonderfälle der bereits geschilderten Hedges sind, handelt es sich bei der letztgenannten Form um die Absicherung gegen das Wechselkursrisiko bei Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften. Wertänderungen werden hier erfolgsneutral erfasst. 4.

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften nach IFRS

Die Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften nach IFRS ist derzeit geregelt in IAS 39. IAS 39 in seiner derzeitigen Fassung geht zurück auf den Entwurf E 62 des IASC und wurde im Dezember 1998 verabschiedet. Der Standard ist nach einigen kleineren Änderungen anzuwenden auf Geschäftsjahre beginnend mit dem 1. Januar 2001403. a)

Einführung

Seit Mitte der achtziger Jahre wird die Frage der Bilanzierung von Finanzinstrumenten und Sicherungsgeschäften diskutiert404. Da hier objektiv ein gewaltiger Regelungsbedarf bestand und auch allgemein empfunden wurde, war über die Bilanzierung insbesondere von derivativen Finanzinstrumenten zum Fair Value dementsprechend auch am leichtesten Einigkeit zu erzielen. Zunächst beschränkte man sich dabei – ähnlich wie bei den Änderungen der US-GAAP – mit IAS 32 auf Ausweis- und Offenlegungspflichten. IAS 39 lehnt sich stark an die Regelung in den US-GAAP, SFAS 115 und 133 an, nachdem vorherige, radikalere Vorschläge auf erhebliche Kritik gestoßen waren. Diese Vorschläge ver401 402 403 404

Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 195. Von Westphalen, Derivatgeschäfte, S. 129. Zur alten „Rechtslage“ unter dem für Berichtsperioden bis Ende 2000 gültigen IAS 25, der von IAS 39 und 40 abgelöst wurde, vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 462. Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1529. Auf eine ausführliche Darstellung der Genese des Standards soll hier verzichtet und auf die zahlreich vorhandene Literatur verwiesen werden.

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folgten über die zu Handelszwecken gehaltenen Wertpapiere hinaus das Ziel einer gene405 rellen, erfolgswirksamen Fair Value-Bilanzierung aller Finanzinstrumente . Es gab jedoch auch kritische Stimmen, die einer solchen umfassenden Zeitwertbilanzierung und der damit verbundenen Neuausrichtung der Bewertungsgrundsätze nicht vorbehaltlos zustimmen wollten406. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zwar grundsätzlich ein Bedarf für die Einführung eines Standards zur Fair Value-Bewertung von Finanzinstrumenten anerkannt wurde, deren erforderlicher Umfang aber umstritten blieb. Da das IASB das Ziel einer umfassenderen Zeitwertbilanzierung weiter im Auge behält407, war IAS 39 von Beginn an lediglich als Interimslösung bis zur Erarbeitung eines umfassenderen Standards für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten gedacht408. b)

Anwendungsbereich

IAS 39 gilt für alle Unternehmen und für alle Finanzinstrumente. Der Standard erfasst somit Ansatz und Bewertung aller Finanzaktiva und -passiva („financial assets and liabilities”). Dazu gehören sämtliche klassischen bilanzwirksamen Anlage- und Finanzinstrumente ebenso wie die Derivate. Bezüglich der Definitionen von Finanzinstrumenten, finanziellen Vermögenswerten und Schulden („financial assets and liabilities“) usw. bezieht der Standard sich auf IAS 32. Ein Finanzinstrument ist demnach ein Vertrag, der gleichzeitig bei dem einen Unternehmen zu einem finanziellen Vermögenswert führt und bei dem anderen zu einer Verpflichtung oder einem Eigenkapitaltitel409. Es handelt sich um vertragliche Ansprüche und Verpflichtungen, die unmittelbar oder mittelbar auf den 410 Austausch von Zahlungsmitteln gerichtet sind . Der Begriff „Finanzinstrumente“ umfasst das gesamte Geldvermögen der Aktivseite von liquiden Mitteln über Aktien bis zu Geldforderungen; auf der Passivseite zählen alle Geldverbindlichkeiten, aber beispielsweise auch Sachleistungsverpflichtungen dazu411. Finanzderivate wiederum werden definiert als Finanzinstrumente, deren Wert sich in Abhängigkeit vom Wert eines Basisobjekts verändert, die im Vergleich zu Verträgen mit einer gleichartigen Risikoexposition, die ähnlich auf Änderungen der Marktbedingungen reagieren, bei Abschluss keiner oder nur einer geringen Investition bedürfen und die zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden412. IAS 39 schreibt den bilanziellen Ansatz sämtlicher finanziellen Vermögenswerte und Schulden einschließlich aller derivativen Finanzinstrumente vor. Der Standard gleicht in weiten Teilen einer Zusammenfassung von SFAS 115 und 133. Das IASB verzichtet damit auf eine Sonderregelung für derivative Finanzinstrumente. Vom Ansatz in der Bi405 406 407 408 409 410 411 412

90

Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1529. Pape, WPg 2001, 1458, 1459. Vgl. Statement by the Board of the IASC – December 2000, Tz. 12 (als „Download“ im Internet unter http//www.iasc.org.uk). Pape, WPg 2002, 1459; ausführlich zum Ganzen: KPMG, Financial Instruments, Rn. 254 f. IAS 39.8 i.V.m. IAS 32.5. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461. KPMG, Financial Instruments, Rn. 257. IAS 39.10.

lanz ausgenommen sind nur solche Finanzaktiva und -passiva, die für das Unternehmen keine Begünstigung oder Belastung (mehr) bedeuten. Voraussetzung zum Ansatz ist gemäß IAS 39.27 eine vertraglich eingegangene Verpflichtung. Lediglich geplante 413 Transaktionen sind damit vom Ansatz ausgeschlossen . Die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Hedging) wird in IAS 39. 121 gesondert behandelt. Bzgl. Ansatz und Bewertung ist daher vorab zu prüfen, ob das fragliche Finanzinstrument unabhängig ist oder aber in einem Sicherungszusammenhang steht. c)

Die Bilanzierung von „ungebundenen“ Finanzinstrumenten

Bei der Bilanzierung ungebundener Finanzinstrumente unterscheidet der Standard zwischen erstmaliger Bewertung und Folgebewertung. Bei ihrer Erstbewertung, d.h. im Zeitpunkt ihrer erstmaligen bilanziellen Erfassung, sind alle finanziellen Vermögenswerte und Schulden, einschließlich der Derivate, mit ihren Anschaffungskosten (zuzüglich Transaktionskosten) zu bewerten. Diese entsprechen dem beizulegenden Zeitwert der beim Erwerb hingegebenen oder erhaltenen Gegenleistung414. In der Folge werden grundsätzlich alle finanziellen Vermögenswerte mit ihrem beizulegenden Zeitwert (neu-) bewertet („remeasured“). Davon ausgenommen und folglich mit den fortgeführten Anschaffungskosten („amortized cost“) zu bewerten sind vom Unternehmen ausgereichte Kredite und Forderungen, die auf originären Ansprüchen aus der Bereitstellung von Geld, der Lieferung von Waren oder der Ausführung von Dienstleistungen beruhen und nicht ausdrücklich zu Handelszwecken gehalten werden („loans and receivables originated by the enterprise”), sonstige Finanzinvestitionen mit fester Laufzeit, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen („held to maturity“) und solche finanziellen Vermögenswerte, deren Fair Value nicht verlässlich bestimmt werden kann415. Der Ansatz dieser Positionen mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten steht jedoch unter dem Vorbehalt einer Imparitätsprüfung („impairment test“). Diese Ausnahmen von der Zeitwertbilanzierung sind sehr restriktiv zu handhaben416. Schulden hingegen sind generell mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten, d.h. mit dem ursprünglich erfassten Betrag abzüglich Kapitalrückzahlungen und Amortisierung, zu bewerten. Dies entspricht ihrem Rückzahlungsbetrag. Derivative Finanzinstrumente und andere Verbindlichkeiten, die zu Handelszwecken gehalten werden, sind aber ebenfalls grundsätzlich mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren. Bezüglich der bilanziellen Behandlung der auf Änderungen des Zeitwerts der entsprechend bilanzierten finanziellen Vermögensgegenstände beruhenden Gewinne und Verluste differenziert IAS 39 zwischen den Vermögensgegenständen des Handelsbe-

413 414 415 416

IAS 39.29e; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 136. Zum Problem der Zugangsbewertung von Derivaten, bei deren Anschaffung in der Regel noch keine Zahlungsmittel fließen, vgl. KPMG, Financial Instruments, Rn. 267. IAS 39.10 u. 68 f. IAS 39.70.

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417

standes und denjenigen, die zur Veräußerung verfügbar sind („available for sale“) . Zur Veräußerung verfügbar sind alle Instrumente, die nicht in eine der drei Kategorien Handelsbestand, vom Unternehmen ausgereichte Kredite und Forderungen beziehungsweise bis zur Endfälligkeit zu haltende Finanzinvestitionen eingeordnet werden kön418 nen . Während die Gewinne und Verluste aus Zeitwertänderungen bei den Finanzinstrumenten des Handelsbestandes in das Ergebnis der Periode einzubeziehen sind, in der sie entstanden sind, besteht bei den zur Veräußerung verfügbaren Finanzinstrumenten ein Wahlrecht. Gewinne oder Verluste aufgrund von Zeitwertänderungen dieser Instrumente sind entweder ebenfalls im Ergebnis der Periode zu berücksichtigen, in der sie entstanden sind, oder zunächst erfolgsneutral im Eigenkapital zu erfassen und erst im Zeitpunkt ihrer Realisierung in das Ergebnis der Periode einzubeziehen, in der sie realisiert wurden. Bei denjenigen Finanzinstrumenten, die zu ihren fortgeschriebenen Anschaffungskosten („amortized cost“) bilanziert werden, führt die Bewertung erst dann zu ergebniswirksamen Beiträgen, wenn sich diese fortgeführten Anschaffungskosten verändern, wenn eine Wertminderung („impairment“) vorliegt oder wenn das Finanzinstrument ausgebucht und die Wertveränderung realisiert wird419. Wie SFAS 115 die originären Finanzinstrumente so teilt IAS 39 auch alle Finanzinstrumente, die nicht zu Sicherungszwecken gehalten werden, in die Kategorien Trading, Available for Sale und Held to Maturity (und die zusätzliche Kategorie der Forderungen und Verbindlichkeiten „originated by the enterprise“) ein. Die Entscheidung über die Zuordnung eines Finanzinstruments zu einer dieser Gruppen muss das Unternehmen bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Finanzinstruments treffen. Zum Zeitwert werden letztlich nur die Instrumente des Handelsbestandes und der Kategorie Available for Sale bilanziert. Wie alle Finanzinstrumente werden auch Derivate demnach unterschieden in einzelne, unabhängige Instrumente und solche, die in einem Sicherungszusammenhang stehen. Sind sie nicht zu Absicherungszwecken geschlossen, gelten sie grundsätzlich als Handelsund Spekulationsgeschäfte420. Als solche sind sie mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten und in der Bilanz anzusetzen. Zeitwertänderungen sind erfolgswirksam zu erfassen421. Durch ihre generelle Zuordnung zu den Instrumenten des Handelsbestandes gilt nach IAS 39 für Derivate, die nicht in einem Sicherungszusammenhang stehen, eine allgemeine, erfolgswirksame Bilanzierung zu Zeitwerten und damit im Ergebnis nichts anderes als in den US-GAAP unter SFAS 133. Ein wesentlicher Unterschied zu den US-GAAP ist dabei das Wahlrecht bzgl. der erfolgswirksamen oder erfolgsneutralen Erfassung der Finanzinstrumente der Kategorie Available for Sale. Zeitwertänderungen von Papieren dieser Kategorie sind unter SFAS 115 zwingend erfolgsneutral zu bilanzieren.

417 418 419 420 421

92

IAS 39.103. IAS 39.10. IAS 39.108; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 261. IAS 39.103 u. 122; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 136. Vgl. IAS 39. 103 u. 122.

d)

Die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften

IAS 39 enthält darüber hinaus umfangreiche Regelungen zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften (Hedge Accounting). Sicherungsgeschäft ist ein Instrument oder die Kombination aus mehreren Instrumenten, die einem Grundgeschäft zugeordnet wird, um durch eine Änderung ihres beizulegende Zeitwerts einen Ausgleich für die Änderungen des beizulegenden Zeitwerts oder des Cash-flows aus dem Grundgeschäft zu bewir422 ken . IAS 39 lässt über die Absicherung einzelner Grundgeschäfte (Mikro-Hedge) hinaus auch die Absicherung einer Gruppe von Geschäften mit gleichartigen Risikostruktu423 ren (Portfolio-Hedge) zum Hedge-Accounting zu . Ebenso wie SFAS 133 unterscheidet der Standard zwischen Fair Value Hedge, Cash-flow Hedge und Foreign Currency Hedge, bei dem die Nettoinvestition in eine wirtschaftlich selbstständige Einheit im Ausland abgesichert wird424. Als Sicherungsinstrument kommen in erster Linie derivative Finanzinstrumente in Betracht. Nicht-derivative Finanzinstrumente sind als Sicherungsgeschäfte nur ausnahmsweise zu bilanzieren, sofern sie der Absicherung eines Kursänderungsrisikos dienen. Die als Sicherungsinstrument eingesetzten Derivate sind grundsätzlich mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten425. Gesicherte Grundgeschäfte können alle Arten von bilanzwirksamen Vermögensgegenständen oder Schulden sein oder ein höchstwahr426 scheinlich eintretender erwarteter künftiger Geschäftsvorfall . Grundvoraussetzung für Hedge Accounting ist, dass das zu sichernde Grundgeschäft und das vorgesehene Sicherungsgeschäft unterschiedlichen Ansatz- oder Bewertungsvorschriften folgen. Werden Grund- und Sicherungsgeschäft beispielsweise beide mit dem Fair Value bewertet, finden die Regeln des Hedge Accounting keine Anwendung, da sich die Wertänderungen ohnehin kompensieren und damit Sicherungswirkung und Marktwertänderung des Grundgeschäfts in derselben Periode in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen427. Da dem Hedge Accounting nach IAS 39 ebenfalls die generelle Zeitbewertung aller Finanzinstrumente zugrunde liegt, ist sein Anwendungs428 bereich wohl a priori verhältnismäßig stark eingeschränkt . Darüber hinaus wird eine Sicherungsbeziehung aber nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als Hedge anerkannt. Diese Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, sind im Einzel429 nen : Zu Beginn des Sicherungsgeschäfts müssen sowohl die Sicherungsbeziehung als auch die Zielsetzungen und Strategien des Risikomanagements des Unternehmens im Hinblick auf das Sicherungsgeschäft formal dokumentiert sein. Die Absicherung der dem erwarteten Risiko zuzurechnenden Fair Value-Veränderungen muss als hochwirk-

422 423 424 425 426 427 428 429

IAS 39.10. IAS 39.127 u. 132 f.; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 137 f. IAS 39.137. IAS 39.122. IAS 39.127. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1467; KPMG, Financial Instruments, Rn. 296 f.; Scharpf, DB 2000, 629, 633. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1467. Vgl. IAS 39.142; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 137 f.

93

sam eingestuft sein und mit der ursprünglichen Sicherungsstrategie übereinstimmen. Bei Absicherungen des Cash-flows muss eine dem Sicherungsgeschäft zugrundeliegende vorhergesehene Transaktion eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit haben und Risiken ausgesetzt sein, die sich letztlich im Ergebnis niederschlagen können. Die Wirksamkeit eines Sicherungsgeschäfts muss verlässlich bestimmbar sein. Das heißt, der beizulegende Zeitwert beziehungsweise die Cash-flows des gesicherten Geschäfts und der Zeitwert des Sicherungsgeschäfts müssen verlässlich bewertet werden können. Und schließlich muss das Sicherungsgeschäft fortlaufend beurteilt und für die gesamte Berichtsperiode als hoch wirksam eingestuft worden sein. Wird die Absicherung des beizulegenden Zeitwerts eines Grundgeschäfts vorgenommen (Fair Value Hedge) und liegen die vorgenannten Voraussetzungen vor, wird der aus den Zeitwertänderungen des Sicherungsinstruments resultierende Gewinn oder Verlust sofort im Periodenergebnis erfasst. Gleichzeitig sind die Wertänderungen des abgesicherten Finanzinstruments erfolgswirksam zu erfassen. Nicht im Periodenergebnis berücksichtigt werden dürfen allerdings solche Wertänderungen des Grundgeschäfts, die nicht auf das abgesicherte Risiko zu430 rückzuführen sind . Anders als der Fair Value Hedge dient der Cash-flow Hedge wie bei SFAS 133 der Absicherung von Risiken betreffend den erwarteten Cash-flow aus bestehenden Bilanzpositionen, geplanten Transaktionen und vertraglichen Verpflichtungen431. Bei Vorliegen der qualifizierenden Voraussetzungen für eine Sicherungsbeziehung wird beim Cash-flow Hedge der effektive Teil der Wertänderungen des Hedging Instruments, d.h. derjenige Teil, der das Risiko wirksam absichert, zunächst gesondert in einer Neubewertungsrücklage im Eigenkapital ausgewiesen, um später den Aufwendungen und Erträgen der zukünftigen Transaktionen gegenübergestellt werden zu können. Der ineffektive Teil wird hingegen unverzüglich im Periodenergebnis erfasst, sofern es sich bei dem Sicherungsgeschäft um ein derivatives Finanzinstrument handelt. In den wenigen Fällen, in denen das Sicherungsinstrument kein Derivat ist, ist der ineffektive Teil dann erfolgswirksam zu erfassen, wenn es zu Handelszwecken gehalten wird. Es gilt IAS 39.103432. 5.

Der Entwurf der Joint Working Group of Standard Setters

a)

Einführung

Im Jahr 1997 haben das IASC und einige nationale Standard Setter die Financial Instruments Joint Working Group of Standard Setters (JWG) ins Leben gerufen. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, einen international konsensfähigen Entwurf eines Standards zur zeitwertorientierten Bilanzierung von Finanzinstrumenten zu erarbeiten 433 . Die Joint 430 431 432 433

94

IAS 39.153; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 137 f. Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 139. IAS 39.158; KPMG, Financial Instruments, Rn. 318; Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 139. WPg 2001, 52; zur Arbeit der JWG vgl. Breker/Gebhardt/Pape, WPg 2000, 729.

Working Group of Standard Setters hat im Dezember 2000 einen Entwurf eines umfassenden Standards zur Bilanzierung und Bewertung von allen Finanzinstrumenten – nicht nur von Derivaten – unter dem Titel „Draft Standard December 2000: Financial Instruments 434 and Similar Items” vorgelegt . Der Entwurf gibt allerdings nicht die Meinung aller betei435 ligten Standard Setter wieder . Er soll die Grundlage bieten für die weitere Diskussion über die Bilanzierung von Finanzinstrumenten. Auf seiner Grundlage soll IAS 39 später ersetzt werden436. Der Standard schlägt weitreichende Veränderungen der Rechnungslegung für Finanzinstrumente und vergleichbare Gegenstände vor. Diese beinhalten insbesondere die Bewertung nahezu aller Finanzinstrumente zum Fair Value zu jedem Abschlussstichtag. Alle daraus resultierenden Wertveränderungen sollen sofort ergebniswirksam berücksichtigt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Finanzinstrumente innerhalb eines Handelsbestandes, bis zur Fälligkeit oder im Rahmen von Sicherungsgeschäften (Hedging) gehalten werden. b)

Anwendungsbereich

Der Entwurf definiert zunächst den Begriff „Finanzinstrument“. Die Definition entspricht im Wesentlichen der Definition in IAS 32 beziehungsweise 39. Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind insbesondere Finanzinstrumente, deren Bilanzierung bereits in anderen Standards geregelt ist. Dies sind beispielsweise Beteiligungen an Tochterunternehmen, assoziierten Unternehmen und Joint Ventures (IAS 27, 28 und 31), Vermögensgegenstände und Schulden, die aufgrund von Leistungen an Mitarbeiter entstehen („employee benefits“), vom Unternehmen selbst ausgereichte Eigenkapitalinstrumente. Damit wird der Anwendungsbereich zeitwertorientierter Bilanzierung erheblich ausgedehnt. Er umfasst mithin nicht nur originäre und derivative Finanzinstrumente eines Handelsbestandes, sondern insbesondere auch langfristige Darlehensforderungen und Verbindlichkeiten, Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Beteiligungen, die nicht konsolidiert oder nach der Equity-Methode bewertet werden. In Ausnahmefällen kann sich die Zeitwertbewertung auch auf Vermögensgegenstände und Schulden beziehen, bei denen es sich nicht um Finanzinstrumente handelt437. Bereits im Titel ist mit der Einbeziehung von „similar items“ ein breiterer Anwendungsbereich des Draft Standard angelegt.

434 435 436 437

Eine englische Zusammenfassung des Draft Standard sowie dessen vollständige Fassung nebst Anwendungshinweisen und Begründung ist auf den Websites von IASC, IDW und DRSC verfügbar (http://www.iasc.org.uk, http://www.idw.de, http://www.drsc.de); vgl. WPg 2001, 52. Vgl. die abweichenden Ansichten (Dissenting Views) der französischen und der deutschen Delegation, Appendix A zum Draft Standard, S. 285. WPg 2001, 52. WPg 2001, 52, 53.

95

c)

Generelle Fair Value-Bewertung

Die Bewertung aller Finanzinstrumente erfolgt dem Draft Standard zufolge generell zum Fair Value. Der Standard unterscheidet dabei nicht mehr zwischen Erst- und Folgebewertung. Die JWG ließ sich dabei von der Überlegung leiten, dass Fair Values exaktere Aussagen über Volumen, zeitliche Verteilung und Eintrittswahrscheinlichkeit künftiger Zahlungen aus den entsprechenden Finanzinstrumenten zulassen als historische Anschaffungskosten und eine bessere inner- und zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit garantieren. Ferner würden Fair Values von Finanzinstrumenten nicht durch leistungswirtschaftliche Risiken aus dem Produktions- und Absatzprozess des Unter438 nehmens beeinflusst . Die Ermittlung des Fair Value von Finanzinstrumenten hält die JWG für generell möglich und für Zwecke der Rechnungslegung auch für ausreichend zuverlässig und objektivierbar. Zunächst ist dabei auf einen beobachtbaren Marktpreis abzustellen. Es soll sich dabei um den Betrag handeln, der am Bewertungsstichtag bei Veräußerung eines finanziellen Vermögensgegenstands erzielt werden könnte beziehungsweise für die Begleichung einer finanziellen Verbindlichkeit entrichtet werden müsste. Transaktionskosten sind zu vernachlässigen und dürfen nicht in die Wertermittlung eingehen439. Wenn ein Unternehmen den beizulegenden Zeitwert eines Finanzinstruments durch beobachtbare Marktpreise identischer oder vergleichbarer Instrumente nicht ermitteln oder schätzen kann, hat es den Zeitwert zu ermitteln, indem es sich Bewertungstechniken bedient, die jene Faktoren umfasst, welche die Marktteilnehmer bei 440 der Bildung eines Marktpreises berücksichtigen würden . Die JWG verzichtet allerdings darauf, spezielle Bewertungstechniken und -methoden aufzulisten, derer sich die Unternehmen bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts von Finanzinstrumenten bedienen sollen, für die kein ablesbarer Börsen- oder Marktpreis existiert441. d)

Keine Sonderregeln für Sicherungsgeschäfte

Der Draft Standard verbietet („does not permit“) spezifische Rechnungslegungsmethoden für Finanzinstrumente, die im Rahmen von Risikomanagementaktivitäten eingegangen wurden. Finanzinstrumente, die Sicherungszwecken zu dienen bestimmt sind, werden – wie üblich – mit ihrem beizulegenden Zeitwert bewertet. Zeitwertänderungen werden, wie bei allen anderen Finanzinstrumenten auch, im Income Statement ihrer Entstehungsperiode ausgewiesen442. Hedge Accounting wird damit jedenfalls dort für überflüssig erklärt, wo es um die Absicherung von Finanzinstrumenten geht, und durch eine konsequente, gewinnwirksame Zeitwertbilanzierung sowohl des Sicherungs- als auch des Grundgeschäfts ersetzt.

438 439 440 441 442

96

WPg 2001, 52, 53. Draft Standard Tz. 70/72. Draft Standard Tz. 104. Draft Standard, Basis for Conclusions, Tz. 1.39. Draft Standard Tz. 153.

e)

Zusätzliche Angaben

Im Anhang hat das Unternehmen zusätzlich detaillierte Angaben zu den bilanzierten Finanzinstrumenten zu machen. Näher zu erläutern sind insbesondere wesentliche Merkmale und Risiken der verwendeten Instrumente sowie Art und Methoden der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts der abgebildeten Finanzinstrumente. Darüber hinaus ist die Risikopolitik des Unternehmens sowie Ziele und Strategien seines Risikomanagements darzulegen. 6.

Die Fair Value-Richtlinie der EU vom 27. September 2001

a)

Einführung

Am 27. September 2001 wurde die am 31. Mai 2001 von Rat und Europäischem Parlament verabschiedete, sogenannte EU-Fair-Value-Richtlinie (2001/65/EG) veröffentlicht, mit der die Bilanzierung einzelner Vermögensgegenstände zum Zeitwert in der 443 Bilanz- und der Konzernabschlussrichtlinie eingeführt wird . Die Regelungen sind bis 444 Ende 2003 in nationales Recht umzusetzen . Die Richtlinie beruht auf einem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 24. Februar 2000, der erstmals die Bewertung bestimmter Vermögensgegenstände im Jahresabschluss zum Fair Value vorsah. Mit dem Vorschlag verfolgte die Kommission das Ziel, die Vorgaben der andernorts formulierten Rechnungslegungsstrategie der EU teilweise umzusetzen und die europäischen Rechnungslegungsvorschriften an die Veränderung und Weiterentwicklung der internationalen Geschäftspraktiken insbesondere auf dem Gebiet derivativer Finanzinstrumente ebenso anzupassen wie an die International Financial Reporting Standards (IFRS), um einerseits Kohärenz mit den IFRS herzustellen und andererseits den europäischen Unternehmen Rechnungslegung nach IFRS gestatten zu können445. Die Zielsetzung wurde vom europäischen „Gesetzgeber“ übernommen und findet sich in den Abschnitten (6) bis (10) der Präambel wieder. Die Richtlinie bezieht sich auf den Einzel- und Konzernabschluss. Während der Vorschlag noch nicht auf Kreditinstitute und Versicherungen 446 anwendbar sein und für diese Branchen ein eigener Vorschlag folgen sollte , gilt die verabschiedete Richtlinie nun auch für Banken. Die Richtlinie fügt einen neuen Abschnitt 7 a mit dem Titel „Bewertung zum beizulegenden Zeitwert“ in die 4. (Bilanz-)Richtlinie ein. Daneben werden erforderliche Anpassungen betreffend die Vorschriften über Anhang und Lagebericht vorgenommen. Der neue Abschnitt umfasst die Artt. 42 a bis 42 c. Die Vorschriften über Anhang und Lagebericht werden ebenfalls angepasst und geändert. Die Änderungen betreffen in erster Linie 443

444 445 446

Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.9.2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, Abl. EG L 283/28. KIR, DB 2001, 2619 und KIR, DB 2001, 1162. Mitteilung der Kommission, KOM (2000) 80, S. 2 und 3. Helmschrott, DStR 2000, 941, 943.

97

die 4. Richtlinie. Modifikationen der 7. (Konzernbilanz-)Richtlinie sind Folgeänderungen 447 ohne eigenständigen Regelungsgehalt . Art 61 a stellt die neuen Regeln unter einen Überprüfungsvorbehalt der Kommission. Die Kommission hat spätestens zum 1. Januar 2007 die neuen Regeln anhand der Erfahrungen bei der Bilanzierung und Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert, aber auch im Hinblick auf die internationalen Entwicklungen im Bereich des Rechnungswesens zu überprüfen. Dadurch soll eine „Zementierung“ der Rechtslage verhindert werden. Die Vorschrift dient damit der generellen Strategie der Kommission, eine langfristige Kompatibilität der europäischen Rechnungslegungsvorschriften mit den IFRS zu erreichen und in der Zukunft aufrechtzuerhalten448. b)

Anwendungsbereich

Art. 42 a Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedstaaten, abweichend von Art. 32 der 4. Richtlinie allen oder nur bestimmten Gesellschaften oder Gruppen von Gesellschaften die Bewertung und Bilanzierung aller Finanzinstrumente einschließlich der Derivate mit dem beizulegenden Zeitwert zu gestatten oder vorzuschreiben. Die Mitgliedstaaten können die Zeitwertbilanzierung auf den Konzernabschluss beschränken. Auf Verbindlichkeiten ist diese Regel gemäß Art. 42 a Abs. 3 nur insoweit anzuwenden, als sie als Teil eines Handelsbestandes gehalten werden oder derivative Finanzinstrumente sind. Nicht zum Zeitwert bilanziert werden gemäß Art. 42 a Abs. 4 nicht-derivative Finanzinstrumente, die bis zur Fälligkeit gehalten werden, von der Gesellschaft vergebene Darlehen und von ihr begründete Forderungen, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, sowie Anteile an Tochtergesellschaften, assoziierten Unternehmen u.ä. c)

Weitergehender Richtlinienentwurf

Damit bleibt die Richtlinie hinter dem Entwurf der EU-Kommission zurück. Dieser sah noch vor, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, allen oder nur bestimmten Unternehmen die Bewertung und Bilanzierung sämtlicher Bilanzposten einschließlich der Derivate zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zu gestatten oder verpflichtend vorzuschreiben. Den Mitgliedstaaten wurde allerdings freigestellt, den Anwendungsbereich beispielsweise auf den Konzernabschluss oder auf zu Handelszwecken gehaltene Finanzinstrumente einzuschränken449. Zwar gestattete Art. 42 a Abs. 1 des Richtlinienentwurfs damit eine Bilanzierung sämtlicher Vermögensgegenstände und Schulden zum Fair Value, diese Vorgabe wurde aber durch Art. 42 a Abs. 3 wieder eingeschränkt. Langfristige Verbindlichkeiten sowie Bilanzposten, bei denen es sich nicht um Finanzinstrumente handelt, blieben von einer Fair Value-Bewertung im Ergebnis auch künftig ausgeschlossen. Die von der Fair Value-Bewertung ausgenommenen langfristigen Verbindlichkeiten wurden präzisiert als Verbindlichkeiten, die nicht als Teil eines Handelsbestandes 447 448 449

98

Künnemann, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 179, 190, noch zum Entwurf. S.u. C. VIII. 1., S. 132 ff. Helmschrott, DStR 2000, 941, 943.

gehalten werden und weder als abgesicherte Posten ausgewiesen noch derivative Fi450 nanzinstrumente sind . Der Ausschluss einer Fair Value-Bewertung für sämtliche Bilanzposten, die nicht Finanzinstrumente sind, schließt eine solche insbesondere für Sachanlagen und Vorräte aus. Die Regelungstechnik bleibt dennoch bemerkenswert. Art. 42 a des Richtlinienentwurfs führte in Absatz 1 die Zeitwertbilanzierung als Regel ein und schränkt diese mit einer Regel-Ausnahme-Technik erst in Absatz 3 wieder ein. Die Bilanzierung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten sollte damit offenbar nicht mehr der Regelfall sein. Eine erweiterte Zulassung der Zeitwertbilanzierung bedürfte bei dieser Regelungstechnik daher lediglich einer Kürzung der in Absatz 3 als „potentielle Streichliste“451 aufgelisteten Ausnahmen. Mit der Umkehrung des althergebrachten Regel-Ausnahme-Verhältnisses hätte der europäische „Gesetzgeber“ somit einen 452 fundamentalen Paradigmenwechsel in der Rechnungslegung vollziehen können . d)

Bilanzierung von Zeitwertveränderungen

Art. 42 c regelt, wie Änderungen des Fair Value eines Finanzinstruments auszuweisen sind. Grundsätzlich hat gemäß Art. 42 c Abs. 1 eine – erfolgswirksame – Ausweisung dieser Veränderung in der Gewinn- und Verlustrechnung für das jeweilige Geschäftsjahr zu erfolgen. Die Wertänderung ist ausnahmsweise direkt im Eigenkapital in einer Zeitwert-Rücklage zu erfassen, wenn das Finanzinstrument ein Sicherungsinstrument ist und im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften erfasst wird, bei der eine Wertänderung nicht ausgewiesen zu werden braucht, oder die Wertänderung auf eine Wechselkursdifferenz zurückgeht, die einen Posten betrifft, der Teile einer Beteiligung an einer wirtschaftlich selbstständigen Teileinheit im Ausland ist, Art. 42 c Abs. 1 lit. a) u. c). Die Mitgliedstaaten können jedoch gemäß Art. 42 c Abs. 2 vorsehen, dass Wertänderungen von Finanzanlagen, die zur Veräußerung verfügbar, aber keine derivativen Finanzinstrumente sind, in der Zeitwert-Rücklage im Eigenkapital zu erfassen sind. Der Entwurf des Art. 42 c Abs. 2 stellte es den Mitgliedstaaten ebenfalls frei, zuzulassen oder vorzuschreiben, dass Veränderungen des Fair Value von nicht zu Handelszwecken gehaltenen Finanzanlagen in einer Fair Value-Rücklage direkt unter dem Eigenkapital ausgewiesen werden. Sie gelten damit als nicht erfolgswirksam. Mit dieser Regelung soll eine Ausschüttung nicht realisierter Gewinne verhindert werden453. Die Differenzierung ist aus Sicht der Kommission gerechtfertigt, da bei Handelsbeständen aufgrund ihres häufigen Umschlags die Gewinne und Verluste als sofort realisiert betrachtet werden können. Sie können daher sofort erfolgswirksam erfasst werden454.

450 451 452 453 454

Sell, StuB 2000, 511, 512. Hommel/Berndt, BB 2000, 1184, 1188. Hommel/Berndt, BB 2000, 1184, 1188. Scharpf, DB 2000, 629, 632. Scharpf, DB 2000, 629, 632.

99

e)

Sicherungsgeschäfte

Auf Hedge Accounting geht die Richtlinie beziehungsweise der Richtlinienvorschlag nicht eigens ein. Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt die Hedge-Rechnungslegung aber nicht gegen die allgemeinen Grundsätze der Richtlinien. Angesichts der andauernden Diskussion um die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften sollen hier keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, sondern das europäische Bilanzrecht für die Entwicklungen 455 insbesondere im Bereich der internationalen Standard Setter offen bleiben . Lediglich in Art. 42 c Abs. 1 lit. a) (entspricht Art. 42 c Abs. 3 des Richtlinienentwurfs) erwähnt die Richtlinie die Bilanzierung von Sicherungszusammenhängen und schreibt die erfolgsneutrale Erfassung von Fair Value-Änderungen vor, wenn das betreffende Finanzinstrument im Rahmen eines Hedge-Systems erfasst ist, bei dem derartige Wertänderungen nicht erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden müssen. f)

Publizitätspflichten

Die Richtlinie sieht – wie schon der Richtlinienentwurf – in Art. 42 d zusätzlich umfangreiche Publizitätspflichten bezüglich der zum Fair Value bewerteten Finanzinstrumente vor. So ist im Anhang anzugeben, welche Bilanzposten zum Fair Value angesetzt wurden, welche Bewertungsmodelle und -methoden bei der Ermittlung des Fair Value angewendet wurden und welche zentralen Annahmen den Bewertungsmodellen zugrunde gelegt wurden. Ferner sind umfangreiche Angaben betreffend die bilanzierten Derivate zu machen (Umfang, Art, Bedingungen, Höhe, Sicherheit zukünftiger Zahlungsströme). Unternehmen, die sich bei Ausübung ihres Wahlrechts gegen eine Zeitwertbilanzierung entschieden haben, müssen gemäß Art. 43 Abs. 1 Nr. 14 für jede Kategorie derivativer Finanzinstrumente Angaben über deren Fair Value im Anhang machen. Im Lagebericht ist nach den Vorgaben der Richtlinie ausführlich Stellung zu nehmen zu den Risikomanagementzielen und -strategien der Gesellschaft sowie zu den Mitteln, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Ebenfalls ausführlich darzustellen sind an dieser Stelle die mit den eingesetzten Finanzinstrumenten verbundenen Risiken. Dies bedeutet gegenüber der bisherigen Rechtslage eine deutliche Aufwertung des Lageberichts456.

IV.

Weitere Ansätze von Zeitwertbilanzierung

1.

Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (Investment Property)

Der erst im März 2000 vom Board des IASC angenommene IAS 40 regelt die Bilanzierung von Investment Property (als Finanzinvestitionen gehaltene Grundstücke und Bau-

455 456

100

Vorschlag der Kommission, Begründung, S. 10, KOM (2000) 80. Hommel/Berndt, BB 2000, 1184, 1187.

457

ten ). IAS 40 eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, Investment Property wahlweise zum Fair Value oder zu den historischen Kosten zu bilanzieren. Zum ersten Mal führt das IASC damit ein zeitwertorientiertes Bewertungsmodell für nicht-finanzielle Vermögenswerte („non-financial assets“) ein 458 . Der Standard gilt für Rechnungslegungsperioden beginnend ab dem 1. Januar 2001. Er ersetzt den noch gültigen Teil von IAS 25, Bilanzierung von Finanzinvestitionen (Accounting for Investments), der sich auf Grundstücke und Bauten erstreckt und daher nicht bereits von IAS 39 substituiert wurde. Der Anwendungsbereich des Standards erfasst alle Unternehmen, nicht nur solche deren Hauptgeschäftstätigkeit im Bereich der Investment Property liegt. Der Standard definiert Investment Property als Immobiliarvermögen, Grundstücke, Gebäude oder Anteile an Gebäuden, oder beides, das der Eigentümer oder Mieter im Falle eines Finanzierungsleasing – in diesem Falle im Zweifel als wirtschaftlicher Eigentümer – in der Absicht hält, Mieteinnahmen, Wertsteigerungen oder beides zu erzielen. Sechs Punkte werden vom Begriff „Investment Property“ ausdrücklich ausgenommen. Zunächst solches Vermögen, das zur Herstellung oder zur Lieferung von Waren und Dienstleistungen oder für administrative Zwecke bestimmt ist und daher unter IAS 16 (Sachanlagen [Property, Plant and Equipment]) fällt. Ferner Vermögen, das zum Verkauf im normalen Geschäftsgang („ordinary course of business”) bestimmt ist und unter IAS 2 fällt. Vermögen, welches sich noch in Bau oder Entwicklung befindet, um künftig als Investment Property gebraucht zu werden, ist ebenfalls ausgenommen. Bis zur Vollendung von Bau oder Entwicklung fällt solches Vermögen unter IAS 16. Erst im Zeitpunkt der Fertigstellung wird dann IAS 40 anwendbar. IAS 40 ist auch nicht anwendbar auf Operating-Leasingverhältnisse, die unter IAS 17 fallen. Ebenfalls nicht auf Forst und ähnliche regenerative natürliche Ressourcen. Diese fallen nunmehr unter den neuen IAS 41 (s.u.). Schließlich ist IAS 40 auch nicht anwendbar auf Mineral Rights und alle Rechte und Aufwendungen für Erforschung, Entwicklung und Ausbeutung natürlicher nicht erneuerbarer Rohstoffe. Diese sind Gegenstand des Projekts „Extractive Industries“ des IASB459. IAS 40 stellt den Unternehmen zwei Rechnungslegungsmodelle zur Wahl: ein Fair Value-Modell und ein (Anschaffungs-)Kostenmodell460. Entscheidet sich ein Unternehmen für das Fair Value-Modell, sind alle als Finanzinvestitionen gehaltenen Grundstücke und Bauten (Investment Property) mit ihrem beizulegenden Zeitwert (Fair Value) anzusetzen. Gewinne und Verluste aus Veränderungen des Fair Value sind in der Gewinn- und Verlustrechnung (Income Statement) und damit erfolgswirksam zu erfassen. Das Kostenmodell entspricht der sogenannten Benchmark-Methode nach IAS 16 Tz. 28. Investment Property ist in dieser Alternative zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungs457 458 459 460

Vgl. die Zusammenfassung von IAS 40 im Internet unter http://www.iasc.org.uk. Die deutsche Ausgabe der IAS übersetzt „investment property“ in IAS 25 Tz. 4 mit „als Finanzinvestition gehaltene Grundstücke und Bauten“, IAS 25 Tz. 4. IAS 40 (2000) Tz. 7. Vgl. KIR, DB 1999, 2485. Das in der englische Ausgabe der IAS verwendete „cost“ wird in der deutschen Ausgabe mit „Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ wiedergegeben, vgl. IAS 16 Tz. 6.

101

kosten (abzüglich aller kumulierten Wertminderungsaufwendungen) anzusetzen. Bei Entscheidung für das Kostenmodell hat das Unternehmen aber den Zeitwert seiner als Finanzinvestitionen gehaltenen Grundstücke und Bauten im Anhang offen zu legen. Das gewählte Modell ist auf sämtliche Grundstücke und Gebäude des Unternehmens anzuwenden, die als Finanzinvestitionen gehalten werden. Wechsel von einem Modell zum anderen sind nur dann vorzunehmen, wenn der Wechsel eine angemessenere Darstellung bewirkt. Der Standard spricht eine Vermutung dahingehend aus, dass dies bei einem Wechsel vom Fair Value- zum Kostenmodell höchstwahrscheinlich nicht der Fall ist („highly unlikely to be the case”). Ein solcher Wechsel vom Fair Value- zum Kostenmodell gilt lediglich in besonderen Ausnahmefällen als angemessen. Dies ist dann der Fall, wenn der Zeitwert von Investment Property nicht verlässlich bestimmt werden kann, beispielsweise bei einem Wechsel der Zweckbestimmung, bei einem Neuerwerb oder bei Vollendung, wenn ein Gegenstand in Händen des Unternehmens Investment Property wird. In solchen Einzelfällen ist nach der Benchmark-Methode gemäß IAS 16 zu verfahren. Alle anderen, als Finanzinvestitionen gehaltenen Grundstücke und Bauten werden weiter mit dem beizulegenden Zeitwert angesetzt. Das IASB führte das Wahlrecht zwischen Fair Value- und Cost-Modell ein, da der Entwurf zu diesem Standard (E 64) starke Bedenken hervorgerufen hatte. Es wurden praktische, aber auch konzeptionelle Vorbehalte dagegen laut, eine Zeitwertbewertung auf Non-financial Assets auszudehnen. Insbesondere wurde im Vorfeld angezweifelt, ob die Märkte für Investment Property schon die notwendige Reife besitzen, um Fair Values problemlos ermitteln zu können. Ferner wird bezweifelt, dass es möglich ist, den Begriff „Investment Property“ exakt zu definieren. Folglich könne eine Fair ValueBewertung nicht zwingend vorgeschrieben werden. Das Board hielt es daher für (noch) nicht praktikabel, ein Fair Value-Modell zwingend vorzuschreiben. Gleichzeitig sei es aber erstrebenswert, ein Fair Value-Modell zuzulassen, bis die Märkte einen größeren Grad an Reife erreicht und die Bilanzierenden und Bilanznutzer mehr Erfahrung mit einem solchen Bewertungsmodell gesammelt haben461. 2.

Sachanlagevermögen

Gemäß IAS 16 Sachanlagen („property, plant and equipment”) ist das Sachanlagevermögen des Unternehmens grundsätzlich mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Dies gilt ausnahmslos für die Bewertung im Rahmen des erstmaligen Ansatzes in der Bilanz. Im Rahmen der Folgebewertung sind grundsätzlich ebenfalls die fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten maßgeblicher Wertmaßstab. Alternativ zur Folgebewertung mit den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten sieht IAS 16 für Gegenstände des Sachanlagevermögens jedoch daneben die Möglichkeit einer Neubewertung vor (als „alternative treatment”). Danach kann ein Vermögensgegenstand auch mit seinem beizulegenden Zeitwert im Neubewertungszeitpunkt angesetzt werden, 461

102

IAS 40 Tz. 7, 8.

wenn dieser die Anschaffungs- und Herstellungskosten übersteigt. Als anzusetzender Fair Value kann beispielsweise ein von Gutachtern ermittelter Marktwert herangezogen wer462 den . Der Neubewertungsbetrag, mithin der Zeitwert, wird dann die neue Grundlage künftiger Abschreibungen463. Eine solche Neubewertung soll jedoch nicht regelmäßig zum Abschlussstichtag stattfinden, sondern ist von Preisschwankungen abhängig und soll daher im Abstand von drei bis fünf Jahren ausreichend sein. Wertminderungen sind – wie bei der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten – erfolgswirk464 sam außerplanmäßig abzuschreiben . Werterhöhungen hingegen sind erfolgsneutral in einer Neubewertungsrücklage innerhalb des Eigenkapitals zu erfassen. Dies ist der wesentliche Unterschied zur Zeitwertbilanzierung nach IAS 39 und 40465. Anders als beim Sachanlagevermögen liegt dort eine jederzeitige Umsetz- und Realisierbarkeit vor. Damit lässt sich rechtfertigen, dass Zeitwertänderungen dann auch mehr Einfluss auf das Periodenergebnis haben. Beim Sachanlagevermögen hingegen sind Wertänderungen nicht im selben Maße Ausdruck der Geschäftstätigkeit und Leistungsfähigkeit des Unternehmens. 3.

Landwirtschaft

Zeitwertbilanzierung erstreckt sich nach IFRS inzwischen auch auf Vermögensgegenstände in der Landwirtschaft. Im Dezember 2000 verabschiedete das IASC den Standard IAS 41 „Agriculture“ und reguliert damit die Bilanzierung landwirtschaftlicher Prozesse466. Der Standard sieht eine grundsätzliche Fair Value-Bilanzierung sämtlicher biologischer Vermögenswerte und landwirtschaftlicher Erzeugnisse vor. Die Bestimmbarkeit eines Marktwerts wird dabei widerlegbar vermutet. Zeitwertänderungen sind grundsätzlich erfolgswirksam zu erfassen467. IAS 41 ist verbindlich für Rechnungslegungsperioden beginnend ab dem 1. Januar 2003. Der Standard beruht auf einem Entwurf („exposure draft”) E 65 vom Juli 1999 betreffend die Bilanzierung von landwirtschaftlichen Aktivitäten („agricultural activity“). Darin wurde bereits vorgeschlagen, alle biologischen Vermögensgegenstände („biological assets”) und alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse im Erntezeitpunkt zum Fair Value zu bewerten; die Veränderungen des Fair Value biologischer Vermögensgegenstände sollten im Periodenergebnis, mithin erfolgswirksam, zu verzeichnen sein („be reported in net profit or loss”)468. Zu diesem Entwurf erklärte der damalige Generalsekretär des IASC, Sir Bryan Carsberg: „Nach Ansicht des Boards ist die Veränderung des Fair Value biologischer Vermögensgegenstände ein aussagekräftigerer Indikator der Leistungsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs, als der auf der Basis traditioneller 462 463 464 465 466 467 468

Baetge/Beermann, StuB 1999, 341, 344. Baetge/Beermann, StuB 1999, 341, 345. Baetge/Beermann, StuB 1999, 341, 344. Baetge, Bilanzen, S. 243. Vgl. KIR, DB 2001, 60; Zusammenfassung von IAS 41 unter http://www.iasc.org.uk. KIR, DB 2001, 60. 77 Management Accounting, Vol. 8, 48 (1999).

103

historischer Anschaffungskosten ermittelte Gewinn oder Verlust, bei der kein Gewinn erwirtschaftet wird, solange nicht ein Verkauf getätigt wurde. Im Falle von Vieh- und Holzwirtschaft kann dies mehrere Jahre dauern. Verlässliche Maßstäbe für den Fair Value von biologischen Vermögensgegenständen im Erntezeitpunkt stehen bereits zur Verfügung“469. (Übersetzung durch den Verf.)

IAS 41 schreibt vor, dass biologische Vermögenswerte generell mit dem beizulegenden Zeitwert abzüglich der geschätzten Verkaufsnebenkosten („point-of-sale costs“; Maklerlohn, Notarkosten oder Gebühren) bewertet werden, es sei denn, der beizulegende Zeitwert kann nicht zuverlässig ermittelt werden. Der Standard umfasst ebenso wie der Entwurf des IASCIASB nicht die weitere Verarbeitung des landwirtschaftlichen Produkts nach der Ernte wie beispielsweise die Verarbeitung von Trauben zu Wein oder das Reifen von Tabak oder Fleisch. Diese Vorgänge werden als Verarbeitungsprozesse angesehen, auf welche die Rechnungslegungsstandards für Vorräte („inventories“), IAS 2, anzuwenden sind. IAS 41 bringt keine Neuerungen für landwirtschaftlich genutzten Grund und Boden. Auf landwirtschaftliches Nutzland soll weiterhin IAS 16 anwendbar sein, der für Sachanlagen („property, plant and equipment”) neben einer Bewertung nach der BenchmarkMethode neuerdings alternativ eine Fair Value-Bewertung zulässt, vgl. IAS 16 Tz. 29470. Daneben ist natürlich IAS 40 zu beachten, falls das Land nicht als Sachanlage zu qualifizieren ist, sondern als Finanzinvestition gehalten wird. Biologische Vermögenswerte, die physisch mit dem Grund und Boden verbunden sind, werden mit dem Fair Value abzüglich der geschätzten Verkaufsnebenkosten getrennt von Grund und Boden angesetzt und bewertet. Der Standard spricht eine Vermutung aus, dass der beizulegende Zeitwert biologischer Vermögenswerte verlässlich ermittelt werden kann. Diese Vermutung kann nur widerlegt werden bei erstmaligem Ansatz eines biologischen Vermögenswerts, für den marktbestimmte Preise oder Werte nicht verfügbar sind und alternative Schätzungen des beizulegenden Zeitwerts ohne Zweifel völlig unzuverlässig sind. Sobald ein Fair Value für einen solchen biologischen Vermögenswert zuverlässig messbar wird, sollte das Unternehmen den fraglichen Vermögensgegenstand auch zum Fair Value abzüglich der geschätzten Verkaufsnebenkosten ansetzen. Existiert ein aktiver Markt für einen biologischen Vermögenswert oder ein landwirtschaftliches Erzeugnis, dann ist der notierte Preis auf diesem Markt die Grundlage zur Bestimmung des Fair Value dieses Vermögenswerts. Existiert ein solcher Markt nicht, hat ein Unternehmen, sofern verfügbar, marktbestimmte Preise oder Werte wie den zuletzt in einer Markttransaktion erzielten Preis zu verwenden. Falls unter Umständen Marktpreise oder ein Fair Value für einen Vermögensgegenstand in seinem gegenwärtigen Zustand nicht zur Verfügung stehen, ist der gegenwärtige Wert der von diesem Vermögensgegenstand erwarteten Nettozahlungsströme („discounted at a current market-determined pre-tax rate”) zur Bestimmung des Fair Value heranzuziehen. Gewinne

469 470

104

77 Management Accounting, Vol. 8, 48 (1999). S.o. C. IV. 2., S. 102; vgl. bereits für den Entwurf E 65: 77 Management Accounting, Vol. 8, 48 (1999).

oder Verluste aufgrund des erstmaligen Ansatzes biologischer Vermögensgegenstände oder aufgrund einer späteren Veränderung des Fair Value sind in das Ergebnis der Periode einzubeziehen, in der sie entstanden sind. 4.

Bodenschätze

Wie im Bereich der Landwirtschaft geht es bei der Bilanzierung von Bodenschätzen im Bereich der sogenannten Extractive Industries, der Montan-, Öl- und Gasindustrie um die zutreffende Darstellung des gegenwärtigen Wertes künftiger Ertragsquellen. In dem Projekt „Extractive Industries“ des IASC ist vorgesehen, Unternehmen der Bergbau-, Öl- und Gasindustrie die Aktivierung und Abschreibung von Such- und Erschließungskosten ebenso zu gestatten wie die Bilanzierung und Bewertung von noch auszubeuten471 den Rohstofflagerstätten („reserves“) . Information über Menge und Wert vorhandener Rohstoffreserven wird als maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit 472 von Unternehmen dieser Branchen betrachtet . Wie in der Landwirtschaft lassen sich diese Reserves als Liquiditätsspeicher verstehen, dessen Fair Value als Discounted Cash-flow in der Bilanz messbar ist. Dadurch können künftige Cash-flows und das Ertragspotential des Unternehmens sichtbar gemacht werden. Es besteht aber noch keine Einigkeit darüber, wie diese Werte in den Jahresabschluss Eingang finden sollen. 5.

Vorräte und Warenlager

Als Teile des Umlaufvermögens zeichnen sich gerade Vorräte und Warenlager durch hohe Umsätze und, sofern sie nicht gerade zur Weiterverarbeitung bestimmt sind, gegebenenfalls durch große Marktnähe aus. Dennoch werden sowohl nach US-GAAP als auch nach IFRS Vorräte („inventories“) grundsätzlich mit ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten bewertet473. Regeln für die Bewertung von Vorräten nach US-GAAP finden sich in ARB 43 chapter 4, das allerdings im Wesentlichen aus dem Jahr 1953 stammt474. In Statement 3 werden die (historischen) Kosten als Grundlage der Bewertung von Inventories genannt. Ähnlich wie in Deutschland ist im Übrigen bei der Bewertung von Inventories nach US-GAAP grundsätzlich das Lower of Cost or Market Principle zu beachten475. Ausnahmsweise können jedoch auch über den Anschaffungs- und Herstellungskosten liegende Markt- oder Börsenpreise angesetzt werden. Dies setzt allerdings die unmittelbare Verwertbarkeit dieser Gegenstände am Absatzmarkt insbesondere ohne hinzukommende 471 472 473 474 475

KIR, DB 2001, 60. Vgl. IASB, Issues Paper: Extractive Industries, download unter www.iasc.org.uk; zur Bedeutung von Information über den Wert von Rohstofflagerstätten für den Anleger vgl. auch Ziffer 4.1.7 (4) Nr. 1 des Regelwerks Neuer Markt der Deutschen Börse AG. Historical Cost Principle, Kieso/Weygand, Intermediate Accounting, S. 44; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 214 u. 472. „Accounting Research Bulletin“; zu Definition, Stellung und Bedeutung der ARB innerhalb des „House of GAAP“ vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 118-126. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 214.

105

wesentliche Veräußerungskosten und einen Markt mit notierten Preisen voraus. Sofern eine solche Bewertung oberhalb der Anschaffungskosten erfolgt, ist dies auch in den „notes“ 476 anzugeben . Aus dieser Marktbewertung hervorgehende Gewinne werden in der Gewinn- und Verlustrechnung als Umsatzerlös ausgewiesen477. Die IFRS regeln die Bewertung von Vorräten in IAS 2 „Inventories“. Anders als nach US-GAAP werden Vorräte nach IAS 2 grundsätzlich zu Anschaffungs- und Herstellungskosten oder dem niedrigeren Nettoveräußerungserlös bilanziert. Grundlage der Bewertung sind somit auch hier 478 die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten . Die nach US-GAAP unter Umständen mögliche Bewertung über die Anschaffungs- und Herstellungskosten hinaus ist allerdings nach IFRS für Vorräte nicht vorgesehen479. 6.

Fair Value bei der Bilanzierung des Goodwill gemäß US-GAAP – SFAS 141 und 142

In zwei erst jüngst verabschiedeten Standards spielt der Fair Value als Bewertungsmaßstab ebenfalls eine Rolle. Am 29. Juni 2001 verabschiedete das FASB die neuen SFAS 142 und 142 betreffend „Business Combinations“ und „Goodwill and Other Intangible As480 sets“ . Der im Rahmen einer Unternehmensakquisition erworbene („derivative“) Goodwill ist demnach als eigener Vermögensgegenstand zu betrachten. Der Goodwill ist nun nicht mehr planmäßig abzuschreiben, sondern kann nur noch bei Vorliegen einer Wertminderung, d.h. bei Absinken seines Fair Value unter die Anschaffungskosten, außerplanmäßig abgeschrieben werden. Dazu ist der Goodwill mindestens einmal jährlich einem Werthaltigkeitstest („impairment test“) zu unterziehen. Hierbei ist der jeweilige Fair Value des Goodwills zu ermitteln und mit dem entsprechenden Buchwert zu vergleichen. Der Differenzbetrag ist als „impairment loss“ in der Gewinn- und Verlustrechnung innerhalb des Ergebnisses der fortlaufenden operativen Tätigkeit separat auszuweisen481. 7.

Sonstiges

Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf das Projekt „Disclosures about Intangibles“ hingewiesen. Darin diskutiert das FASB Art und Umfang der Informationen, die künftig bezüglich selbst erstellter immaterieller Werte anzugeben sein sollen. Neben qualitativen Informationen wird erwogen, auch Angaben zu den beizulegenden Zeitwerten zu verlangen482.

476 477 478 479 480 481 482

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ARB 43 Chapter 4 Statement 9; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 214 u. 472. Göbel, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 169, 185. „lower of cost and net realizable value“, IAS 2.6; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 223-225; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 471-475. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 472. Dazu ausführlich: Pellens/Sellhorn, DB 2001, 1681; Hitz/Kuhner, WPg 2002, 273; Alvarez/Biberacher, BB 2002, 346 m.w.N. auch zum Diskussionsstand in Deutschland. Ausführlich Alvarez/Biberacher, BB 2002, 349. KIR, DB 2002, 495.

8.

Die Modernisierungsrichtlinie der EU

Die am 6. Mai 2003 verabschiedete EU-Modernisierungsrichtlinie bringt verschiedene Neuerungen für die EU-Rechnungslegungsrichtlinien mit dem Ziel einer weiteren An483 gleichung des EU-Rechnungslegungsrechts an die IFRS . Im Anschluss an die im Mai 2001 verabschiedete Fair-Value-Richtlinie, welche die Mitgliedstaaten verpflichtete, die Bewertung bestimmter Finanzinstrumente mit dem beizulegenden Zeitwert vorzuschreiben oder zu gestatten, wird nun den Mitgliedstaaten im Rahmen der 4. EURichtlinie das Wahlrecht eingeräumt, den Unternehmen die Bewertung bestimmter weiterer Arten von Vermögensgegenständen auf der Grundlage des beizulegenden Zeitwerts (Fair Value) zugestatten oder vorzuschreiben484. Die Modernisierungsrichtlinie erlaubt ferner, die Wertänderungen der betroffenen Vermögensgegenstände erfolgsneutral oder unmittelbar erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen, vgl. Art. 1 Abs. 12 der Modernisierungsrichtlinie. Über die Verweisung in Art. 29 der 7. EURichtlinie wird den Mitgliedstaaten freigestellt, die Neubewertung sowohl für den Jahres- als auch für den Konzernabschluss anzuwenden. Damit greift die Modernisierungsrichtlinie zunächst die Entwicklung der Zeitwertbilanzierung in den IFRS mit IAS 40 (als Finanzinstrumente gehaltene Immobilien) und IAS 41 (Landswirtschaft) auf und passt die EU-Rechnungslegungsrichtlinien an diese an, bleibt aber weniger konkret und erfasst auf diese Weise auch künftige Änderungen der IFRS485.

V.

Die Entwicklung zeitwertorientierter Ansätze in der Rechnungslegung

Überlegungen zu einer am Wert zum Bilanzierungszeitpunkt ausgerichteten Bilanzierung sind nicht so neu, wie die aktuelle Diskussion glauben machen mag. 1.

Zeitwerte in der klassischen Bilanztheorie

a)

Statische Bilanztheorie

Ende des vorletzten Jahrhunderts bereits hielt es Simon ausdrücklich für zulässig, Vorräte an Fertigerzeugnissen und andere zur Veräußerung bestimmte Gegenstände mit ihrem – eventuell sogar über den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegenden – Marktpreis zu bewerten, obwohl seine statische Bilanztheorie grundsätzlich die Bilan-

483

484 485

Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. L 178/16 v. 17.7.2003. Zu den Änderungen im einzelnen vgl. Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 397 ff. Art. 1 Abs. 12 der Modernisierungsrichtlinie Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 400.

107

486

zierung von Vermögensgegenständen zum „Erwerbspreis“ verlangte . Vorschriften, welche die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Wertobergrenze festlegen, betreffen nach dieser Ansicht nicht die Vermögensermittlung im Sinne von Bilanzvorschriften, sondern nur die Dividendenverteilung487. Daraus wird deutlich, dass mit einem statischen Bilanzverständnis nicht notwendigerweise eine Bewertung mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten verbunden sein muss. Vielmehr ist auch nach dieser Bilanzauffassung die Bewertung bestimmter Posten mit ihrem Fair Value naheliegend, um den Status des Unternehmensvermögens am Bilanzstichtag möglichst korrekt ermitteln zu können. Da es nach Simon primär darauf ankommt, die Höhe des Kaufmanns- beziehungsweise Unternehmensvermögens zutreffend darzustellen, wird eine umsatzunabhängige Gewinnerzielung unter Durchbrechung des Realisationsprinzip nicht von vornherein abgelehnt, da das 488 Realisationsprinzip für ihn nicht zu den GoB zählt . Selbst ein unrealisierter Gewinn ist für Simon ein „nach Bilanzgrundsätzen erzielter Gewinn“, wenngleich dieser Gewinn nicht ausgeschüttet werden darf. Die Einhaltung des Realisationsprinzips ist daher lediglich bei der Bestimmung des ausschüttungsfähigen Gewinns erforderlich489. b)

Dynamische Bilanztheorie

Zahlreiche Gedanken aus der aktuellen Fair Value-Diskussion finden sich vor allem in Schmalenbachs dynamischer Bilanztheorie. Nicht umsonst wird im Zusammenhang mit dem wachsenden Einfluss internationaler beziehungsweise US-amerikanischer Rechnungslegungsgrundsätze von einer „Dynamisierung“ der Handelsbilanz gesprochen490. Dies gilt insbesondere für die mit der Einführung von Fair Values als Bewertungsmaßstab verbundenen Zielsetzungen, die teilweise in ähnlicher Form schon der dynamischen Bi486

487 488 489 490

108

Baetge, Bilanzen, S. 12-17 u. 166-168; Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften, 1886, S. 408. Simon gilt als Begründer der statischen Bilanztheorie, die noch heute Grundlage des Bilanzverständnisses des HGB ist. Nach diesem Verständnis soll die Bilanz den Status von Vermögen und Schulden an einem Stichtag darstellen; Gewinn wird dabei als Vermögenszuwachs zwischen zwei Stichtagen verstanden; Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 5 f.; Baetge, a.a.O., S. 12. Im 19. Jahrhundert war die Bilanzierung zu Zeit- oder Tageswerten nicht unbekannt. Ein Teil der Unternehmenszusammenbrüche der Gründerzeit geht darauf zurück, dass, bedingt durch die Bewertung zum Zeitwert, unrealisierte Gewinne ausgeschüttet und den Gesellschaften damit haftendes Grundkapital entzogen wurde, vgl. Schön, ZHR 1997, 133, 141. In den USA war die Bewertung zum Zeitwert (Market oder Current Value Accounting) bis in die Dreißiger Jahre jedenfalls für Banken gängige Praxis. Erst mit Roosevelts „New Deal“-Gesetzgebung als Reaktion auf den Börsenkrach von 1929 und die Weltwirtschaftskrise wurde die Bilanzierung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten Standard, Swenson/Buttross, 175 J.Acct. 71 (1993). Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 16 f. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 17. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 17 f. In den angelsächsischen Ländern, insbes. in den Vereinigten Staaten ist man schon im Lauf der letzten 50 Jahre mehr und mehr von einer statischen zu einer eher dynamischen Bilanzierung übergegangen. Auf diesem Umweg finden die Überlegungen der dynamischen Bilanztheorie wieder zurück in das deutsche Handelsbilanzrecht, vgl. Biener, DStZ 1997, 345, 349. Vgl. insbesondere z.B. die Aktivierungsregeln nach Schmalenbach und nach US-GAAP betr. Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 33; vertiefend zum Ganzen: Baetge/Beermann, BFuP 1998, 154.

lanztheorie zugrunde gelegt wurden. Nach Schmalenbach ist die Bilanz die Darstellung 491 des „Kräftespeichers der Unternehmung“ . Ziel einer so verstandenen Bilanzierung ist es, aus der Bilanz die Leistungsfähigkeit der Unternehmung ablesen zu können. Die Bilanz soll nicht das wirkliche Vermögen des Unternehmens ausweisen, sondern den Geschäftserfolg492. Gewinn beziehungsweise Erfolg im Sinne der dynamischen Bilanzauf493 fassung ist die Differenz zwischen Aufwand und Leistung beziehungsweise Ertrag . Die dynamische Bilanzauffassung bemüht sich dabei um eine korrekte Periodenzuordnung der Aufwendungen und Erträge. Erfolg im Sinne Schmalenbachs ist die Steigerung des Unternehmenswerts. Dieser wiederum ist nur durch Diskontierung der künftigen Zahlungsüberschüsse korrekt zu bestimmen. Da dies angesichts der Unsicherheit der künftigen Einzahlungsüberschüsse und der Bestimmung des richtigen Kalkulationszinsfußes sehr subjektiven Einflussfaktoren unterworfen ist, sieht sich Schmalenbach gezwungen, aus praktischen Gründen auf bewährte, „objektivere“ Grundsätze zurückzugreifen494. Die Vorstellung von der Bilanz als Kräftespeicher der Unternehmung muss zu spezifischen Ansatz- und Bewertungsvorschriften führen. Die dynamische Bilanz im Sinne Schmalenbachs soll die Fähigkeit des Unternehmens darstellen, zukünftige Einnahmen zu generieren. In der Bilanz werden zukünftige Einnahmen und Ausgaben beziehungsweise Aufwendungen und Erträge gespeichert. Bilanzposten werden verstanden als noch nicht erfolgte Umsätze und nicht als Bestände am Bilanzstichtag495. Dieser Ansatz führt dazu, dass bestimmte Posten in der Bilanz durchaus zu ihrem Markt- oder Zeitwert am Abschlussstichtag anzusetzen sein können. Die dynamische Bilanztheorie folgt allerdings generell und konsequent dem Anschaffungskostenprinzip und mit ihm dem Vorsichts496 und Realisationsprinzip . Daher dürfen auch sogenannte „spekulative Vorräte“, obwohl „in keiner Weise gehindert ..., aus dem Betrieb in den Markt hinüberzuspringen“, höchstens mit ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Bilanz erscheinen, auch wenn grundsätzlich der Preis des Bilanzstichtages der geeignetere Wertmaßstab ist; denn es gilt, den Spekulationsgewinn im Realisationsjahr zu erfassen, nicht im Spekulationsjahr497. Schmalenbach verfolgt dabei ein strenges Niederstwertkonzept. Der Bilanzierende hat demnach immer die Anschaffungs- und Herstellungskosten mit dem Marktwert am Abschlussstichtag und dem zu erwartenden Veräußerungserlös abzüglich bis dahin noch entstehender Kosten zu vergleichen und den niedrigsten dieser drei Werte anzusetzen498. Dem Vorsichtsprinzip wird mithin überragende Bedeutung beigemessen und dabei in Kauf genommen, dass das Bilanzziel nur mit Einschränkungen erreicht werden kann. 491 492 493 494 495 496 497 498

Schmalenbach, Dynamische Bilanz, S. 74; Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 1096. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 31. Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 1096. Baetge/Beermann, BFuP 1998, 154, 156. Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 1097. Das Realitätsprinzip in seiner heutigen Gestalt als fundamentaler Grundsatz handelsrechtlicher Rechnungslegung geht letztlich auf Schmalenbach zurück, vgl. Baetge, Bilanzen, S. 12-17 u. 166-168. Moxter, Bilanzlehre, Bd. I, S. 42 m.w.N. Baetge, Bilanzen, S. 21.

109

499

Die dynamische Bilanzauffassung wurde weiterentwickelt durch Walb . Er unterscheidet drei Gewinnarten: den reinen beziehungsweise rationalen Unternehmungsgewinn als den Gewinn der reinen, theoretischen Handelsbilanz, den reinen beziehungsweise rationalen Betriebsgewinn als Gebilde eigener Art und den Gewinn nach der „praktischen Handelsbilanz“, so wie er in der Praxis nach den handelsrechtlichen Vor500 schriften ermittelt wird . Der Betriebsgewinn ist der kalkulatorisch orientierte und für die besonderen Zwecke der Betriebsüberwachung und -steuerung nach eigenen Methoden und Bewertungen errechnete Erfolg501. Er fällt ebenfalls unter den Oberbegriff des 502 reinen, rationalen Gewinndenkens und bedarf deshalb hier neben dem rationalen Unternehmensgewinn keiner weiteren Erörterung. Für den „praktischen Gewinn“ hingegen gelten andere Maßstäbe als für die beiden Varianten rationalen Gewinndenkens. Die Erfordernisse der Praxis und die individuelle Situation des Unternehmens können dazu führen, dass von theoretisch als richtig erkannten, streng rationalen Gesichtspunkten abgewichen werden muss503. Der rationale Unternehmungsgewinn als Gewinn einer theoretischen, streng rationalen Handelsbilanz wird als exakter geldwirtschaftlicher Periodenerfolg verstanden. Erforderlicher Aufwand und entsprechender erzielter Ertrag müssen daher einander gegenübergestellt und periodenmäßig exakt zugeordnet, d.h. in der Periode verrechnet werden, in der sie verursacht wurden. Hinzu kommt als Erfordernis rationaler Erfolgsermittlung deren Vergleichbarkeit504 . Der reine, rationale Unternehmungsgewinn gilt als der „Idealtyp“, der als Beurteilungsgrundlage für alle anderen Gewinnarten dient, auch wenn seine Tauglichkeit für die praktische Umsetzung eingeschränkt erscheint. Eine entsprechende Bilanzierung ist jedoch am ehesten in der Lage, die Forderung nach Bilanzwahrheit zu erfüllen505. Im Unterschied zu Schmalenbach relativiert Walb deshalb bei der Ermittlung des reinen, rationalen Unternehmungsgewinns die Bedeutung von Vorsichts-, Realisations- und Niederstwertprinzip zugunsten „rationaler“ Periodenzuordnung und Bewertung. Beim reinen (rationalen) Unternehmungsgewinn wird das Realisationsprinzip durchbrochen, denn dessen strenge Einhaltung bewirkt bei rationaler Betrachtung eine Vernachlässigung des Periodenverursachungsprinzips und der Vergleichbarkeit. Das Niederstwertprinzip hat bei einer rationalen Betrachtung von vornherein keinen Raum. Dies gilt insbesondere für Wertsteigerungen bei marktnahen Vermögensgegenständen und für die Bilanzierung bei langfristiger Fertigung. Der nicht realisierte Gewinnanteil bei langfristiger Fertigung muss demnach ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der jeweils genauen periodischen Gegenüberstellung von Aufwand und Ertrag beziehungsweise der Beachtung der Verursa499 500 501 502 503 504 505

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Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz; dazu allgemein: Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 1217 f. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 75 f. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 76. Vgl. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 74-88. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 82 f. u. 88 f. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 79. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 82 f.

chungsperiode anteilsmäßig den jeweiligen Perioden zugerechnet werden. Ebenso bringen Wertveränderungen an spekulativen Beständen den „Erfolg der Lagerdisposition der Periode“ zum Ausdruck und müssen folglich erfolgswirksam berücksichtigt werden, während Wertveränderungen an gebundenem, „außerhalb der Marktsphäre stehendem“ Vermögen, d.h. am Anlagevermögen, den reinen Periodenerfolg unberührt lassen, da sie kei506 nerlei logische Beziehung zum Marktwert haben . Für das „spekulative Vermögen“ werden Marktwerte somit als die rationaleren und daher in der Theorie als die bei der Bilanzierung durchaus bevorzugt heranzuziehenden Werte angesehen. Das Vorsichtsprinzip darf dementsprechend unter keinen Umständen als Argument für das Legen stiller Reserven dienen. Zwar ist es sinnvoll, „finanzwirtschaftliche Vorsicht“ walten zu lassen und finanzielle Polster anzulegen, dies kann aber nur durch „offene Reserven“ geschehen, nachdem der Gewinn so exakt und vergleichbar wie möglich ermittelt wurde507. Der Gewinn nach der praktischen Handelsbilanz ist die aus Gründen der Praxis und aufgrund der verschiedenen Anforderungen, die an die Bilanz gestellt werden, „verkürzte“ Form der reinen, rationalen Gewinnermittlung. Das konsequent rationale Gewinndenken wird hier aus Gründen der Praxis insbesondere durch das Vorsichtsprinzip beschnitten. Im Bereich der „praktischen Handelsbilanz“ hat das Vorsichtsprinzip nach Walb aber durchaus seine Berechtigung, und sei es nur, um das Unternehmen durch das Schaffen stiller Reserven vor den „im eigenen Haus auftretenden Entnahmehyänen“ zu schützen, oder als „psychologischer Grundfaktor“ für den von Haus aus vorsichtig ver508 anlagten und daher zu „Mindestziffern neigenden“ Kaufmann . Mit der Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens zu Marktwerten und der exakten Periodenzuordnung als rational für richtig erkannte Bilanzierungsprinzipien liefert Walb trotz seiner Zugeständnisse an die Praxis bereits wesentliche Elemente dessen, was heute in der Diskussion um die Einführung von Fair Value Accounting vorgebracht wird. Insbesondere wird hier schon dem Argument Vorschub geleistet, dass Marktbewertung des Umlaufvermögens eine Beurteilung der Qualität des Managements zulässt509. c)

Organische Bilanztheorie

Ein weiteren Schritt hin zu einer Bilanzierung von Fair Values bedeuten im Verlauf der weiteren Entwicklung die verschiedenen Versuche, Geldentwertung und Preisverfall auch im Rahmen der Bilanzierung zu berücksichtigen. In Deutschland wurde eine solche Diskussion bereits unter dem Eindruck der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg geführt. Ausgangspunkt solcher Überlegungen ist die Tatsache, dass bei hoher Inflations-

506 507 508 509

Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 79-81. Die Unterscheidung des Vermögens in gebundene und ungebundene bzw. „eiserne“ und spekulative Bestände geht bereits auf Schmalenbach zurück, vgl. Walb, a.a.O., S. 80. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 81 f. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 92 bzw. 93 f. „Erfolg der Lagerdisposition der Periode“, vgl. Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 81 f.

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rate die Aussagekraft von Jahresabschlüssen, welche die Vermögensgegenstände zu ihren historischen Anschaffungskosten ansetzen, sinkt. Jahresabschlüsse auf der Basis historischer Anschaffungskosten weisen dann Scheingewinne aus, die in Wirklichkeit nicht vom Unternehmen generiert wurden. Dies beginnt dramatisch zu werden, wenn die Inflationsrate der nominellen Kapitalrendite des Unternehmens entspricht: Der Jahresabschluss scheint einen Gewinn auszuweisen, der in Wahrheit von der Inflationsrate wieder voll aufgezehrt wird. Übersteigt die Inflationsrate die nominelle Kapitalrendite, macht das Unternehmen in Wahrheit Verluste, obwohl der Jahresabschluss immer noch 510 einen Gewinn ausweist . In den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es daher bereits vor allem in Deutschland Überlegungen zu einer Bilanzierung zu Zeit- oder Tageswerten511. Das Konzept der „organischen Tageswertbilanz“ von Fritz Schmidt verfolgte aber einen anderen Ansatz und vor allem ein anderes Ziel als die Standardsetter mit ihren Fair ValueÜberlegungen heute. Angesichts der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg war dieser Ansatz an der Erhaltung der Substanz des Unternehmens und der Vermeidung der Bilanzierung und Ausschüttung von Scheingewinnen ausgerichtet 512 . Folgerichtig konzentriert sich dieses Konzept auf eine Tageswertbilanzierung auf der Basis der Wiederbeschaffungskosten. Zum Ansatz kommen sollen daher die fiktiven Anschaffungs- und nicht die – gleichermaßen fiktiven – Veräußerungswerte am Bilanzstichtag. Die Vertreter der organischen Bilanztheorie beschränken ihre Überlegungen nicht auf den engen Kreis der Unternehmung an sich, sondern fassen die Unternehmung als organischen Teil, als „Zelle“ der Gesamtwirtschaft auf513. Als solcher ist sie dazu bestimmt, dem Organismus der Gesamtwirtschaft und „dem Konsumentenkreise“ größtmöglichen Nutzen zu bringen. Daraus ergibt sich als oberster Grundsatz das Prinzip ihrer relativen Werterhaltung, einer Erhaltung in dem Maße, in dem sie für die Bedürfnisbefriedigung 514 der Verbraucher im Interesse der Gesamtwirtschaft Dienste leistet . Erfolgreich war die Unternehmung erst, wenn sie ihre relative Stellung in der Gesamtwirtschaft behauptet hat515. Gewinn kann nach Schmidt demnach nur sein, was über die Erhaltung des 516 Unternehmensvermögens hinaus erzielt wird . Ob sich die Unternehmung behauptet und Gewinn erwirtschaftet hat, ergibt sich aus ihrem „Reproduktionswert“ am Anschlussstichtag. Gewinn ist somit ausschließlich das, was über den Tagesbeschaffungs510

511 512 513 514 515 516

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So haben aufgrund der hohen Inflation Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre Teile der amerikanischen Industrie unter der Vorgabe, Dividenden zu zahlen, tatsächlich Eigenkapital zurückgezahlt, während andere eine Kapitalrendite ausgewiesen haben, die ihre realen wirtschaftlichen Gewinne bei weitem übertraf. S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 281 f. u. 284 (1982); allgemein: Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 21. Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten, S. 10. Das Konzept der Bilanzierung zu Tageswerten geht maßgeblich zurück auf f. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz. Zusammenfassung und Überblick bei Baetge, Bilanzen, S. 23-25 u. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 57. Vgl. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 31. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 47. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 30-54, 395. Baetge, Bilanzen, S. 23. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 55 f.

517

wert aller Einzelteile hinaus erzielt wird . Aus diesen Überlegungen folgt die Verwendung von Tagesbeschaffungspreisen als ausschlaggebendem Wertmaßstab. Nur Tagesbeschaffungspreise sind in der Lage, Auskunft darüber zu geben, ob das Unternehmen tatsächlich seine Stellung behauptet hat, ob sein Reproduktionswert unter oder über 518 demjenigen der Vorperiode liegt . Mit diesem Gewinnverständnis hält die organische Bilanztheorie am Realisationsprinzip fest, denn eine Wertsteigerung im Vergleich zur Vorperiode führt zu einer Erhöhung der Reproduktionskosten, nicht aber zu einem Gewinn519. Wertsteigerungen werden als „Wertänderung am ruhenden Vermögen“ passi520 viert, sind aber nicht Gewinn. Ein solcher entsteht erst mit dem Umsatzakt . Der Gewinn im Sinne der organischen Bilanztheorie könne daher nach Schmidt auch allen Funktionen gerecht werden. Er könne Basis für die Besteuerung ebenso sein wie für die Ausschüttungsbemessung und daneben als Grundlage betrieblichen Handelns und Entscheidens dienen. Schmidt nennt seine organische Bilanz eine „volldynamische“, da man aus der Jahresbilanz die Leistungsfähigkeit der Unternehmung ablesen könne521. Trotz aller Unterschiede erlaubt es der von der organischen Bilanzauffassung angestrebte Ausweis von Wertveränderungen in der Bilanz somit, die organische Tageswertbilanz als Vorläufer des Fair Value Accounting anzusehen. 2.

Jüngere Ansätze – „Inflation Accounting“

In den Vereinigten Staaten hatte die Inflation der Siebziger und frühen Achtziger Jahre ein Experimentieren mit „inflation-adjusted“ oder „constant-dollar accounting“ und „fair value“ oder „current-cost accounting“ zur Folge522. Spätestens seit Schmidt und seiner organischen Bilanzauffassung ist auch in Europa die Diskussion über die Berücksichtigung von Geldentwertung bekannt. Die verschiedenen Konzeptionen der Rechnungslegung zur Lösung dieses Problems werden im Folgenden unter den Stichworten „Realwertrechnung“ und „Substanzwertrechnung“ erörtert523. In den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es bereits Regelungen zur Berücksichtigung von Geldentwertung bei der Bilanzierung mit dem Ziel einer realen Kapitalerhaltung im Sinne einer Kaufkrafterhaltung. Unternehmen sollten bei der Bilanzierung die Geldentwertung berücksichtigen und eine regelmäßige Neubewertung von Vermögensgegenständen unter Berücksichtigung des allgemeinen Preisniveaus vornehmen dürfen. Dabei konnten die – um Abschreibungen geminderten – Anschaffungs- und Herstellungskosten gegebenenfalls überschritten werden. Im Falle einer solchen Überschreitung der An-

517 518 519 520 521 522 523

F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 63 f. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 87-89, 396. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 67. F. Schmidt, Die organische Tageswertbilanz, S. 318 f., 324; Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 64-66. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 69. Dazu ausführlich S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271 (1982). Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten, S. 1; Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, § 21.

113

schaffungs- und Herstellungskosten sollten die Aufwertungsbeträge auf einem Rück524 lagenkonto gegengebucht werden . Um der inflationsbedingten Verwässerung der Aussagen des Jahresabschlusses Herr zu werden, wurde dieser Lösungsansatz in den USA unter dem Begriff „Constant Dollar Accounting“ oder „Constant Purchasing Power Accounting“ erörtert. In der deutschsprachigen Literatur wird der Begriff der realen Kapitalerhaltung verwendet. Hierbei sollten die historischen Anschaffungskosten an die Kaufkraft der Bilanzwährung angepasst werden525. Es werden nicht einzelne Preisveränderungen abgebildet, sondern der 526 generelle Preisverfall . Daneben gab es Überlegungen zum sogenannten Current Cost Accounting527. In der deutschsprachigen Literatur wird „Current Cost“ mit „Tageswert“, „Zeitwert“ oder „Wie528 derbeschaffungswert“ ausgedrückt . Bei „Current Cost Accounting“ werden also die Vermögensgegenstände und Schulden im Jahresabschluss mit Beträgen angesetzt, die jeweils ihren aktuellen Wert wiedergeben529. Es werden keine Anpassungen der Bewertungseinheit (z.B. Euro) an einen Index vorgenommen, sondern an die gegenwärtigen Marktpreise oder Wiederbeschaffungskosten des zu bilanzierenden Vermögensgegenstands. Ziel ist die gütermäßige Substanzerhaltung. Der augenscheinliche Vorteil dieser Methode ist, dass der Bilanzleser lediglich die jüngsten Zahlen anzusehen braucht, um einen realistischen Überblick über die gegenwärtige finanzielle Situation des Unternehmens zu erhalten530. Ein weiterer wesentlicher Vorzug ist die Wiedergabe von Kursgewinnen neben dem operativen Ergebnis. Der Bilanzleser kann so die tatsächliche Leistung des Unternehmens, insbesondere ihre Komponenten, identifizieren und einschätzen531. Das Inflation Accounting und damit erste Ansätze von Zeitwertbilanzierung findet sich auch in Art. 33 Abs. 1 der 4. Bilanzrichtlinie wieder. Art. 33 lässt den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht, die Bilanzierung von Sachanlagen mit begrenzter zeitlicher Nutzung sowie von Vorräten zum Wiederbeschaffungswert zuzulassen oder der Inflation mittels anderer Bewertungsmethoden Rechnung zu tragen (Art. 33 Abs. 1 lit. b) oder die Neubewertung von Sach- und Finanzanlagen zu gestatten oder vorzuschreiben (Art. 33 Abs. 1 lit. c). Mit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) vom 19.12.1985 hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen diese Möglichkeit der Inflationsberücksichtigung entschieden532. Die Bundesregierung hat in § 244 HGB vielmehr ein Abweichen vom Nomi524 525 526 527 528 529 530 531 532

114

Vgl. Stenzel, Die Bewertung im veröffentlichten Jahresabschluß von Aktiengesellschaften der Länder der EG, S. 181 ff., zu den Regelungen in Großbritannien und anderen Ländern Westeuropas vgl. insbes. S. 182 ff. I.d.R. durch Multiplikation der Währungseinheiten mit dem anhand eines Indexes gewonnen Kaufkraftkurs am Bilanzstichtag. S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 281 f. u. 286 (1982). Auch als „replacement“ oder „reproduction cost“ geläufig, vgl. Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten, S. 10 m.w.N. Kritschgau, Die Problematik der Bilanzierung zu Tageswerten, S. 10 m.w.N.; s.o. C. I., S. 61 ff. S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 292 (1982). S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 292 (1982). S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 297 f. (1982). Hopt, HGB, § 244 Rn. 2.

nalwertprinzip und dem Grundsatz „Mark ist gleich Mark“ bereits bei den Vorarbeiten 533 zum BiRiLiG offen abgelehnt .

VI.

Ansätze von Zeitwertbilanzierung im Jahresabschluss nach HGB

Elemente von Fair Value Accounting oder Zeitwertbilanzierung finden sich durchaus auch bereits im HGB, wenngleich die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 253 Abs. 1 HGB grundsätzlich die Obergrenze jeder Fair Value-Bewertung in Deutschland darstellen und allen anderen Wertmaßstäben nur die Funktion von Korrekturwerten zukommt534. 1.

Marktwert und beizulegender Zeitwert gemäß § 253 HGB

In § 253 Abs. 3 HGB ist die Bilanzierung zum Börsen- oder Marktwert am Abschlussstichtag beziehungsweise zum beizulegenden Zeitwert für Gegenstände des Umlaufvermögens verpflichtend vorgeschrieben, solange der Zeitwert die fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht übersteigt. Der beizulegende Wert im Sinne des § 253 Abs. 3 S. 2 HGB entspricht einem vorsichtig beziehungsweise pessimistisch ermittel535 ten Marktwert im weitesten Sinne . Gegenstände des Anlagevermögens können gemäß § 253 Abs. 2 S. 3 HGB ebenfalls mit ihrem beizulegenden Zeitwert bilanziert werden. Beide Vorschriften zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Ansatz von Werten, die den Marktpreisen am Abschlussstichtag entsprechen oder nahe kommen, ausdrücklich dem Ansatz zu Anschaffungs- und Herstellungskosten gegenüberstellen. Die Entwicklung des Marktoder Zeitwerts der zu bilanzierenden Vermögensgegenstände muss daher berücksichtigt werden, auch wenn dies nur gilt, solange der Markt im Vergleich zu den historischen Kosten zurückfällt. Die Bewertung zum Fair Value ist damit bereits im HGB angelegt. Mit dem Ansatz des niedrigeren Markt- oder Zeitwerts gemäß § 253 HGB wird jedoch nicht der Zweck verfolgt, aktuelle Werte zum Bilanzstichtag anzugeben, sondern künftige, noch nicht realisierte Verluste zu antizipieren536. Entsprechend der generellen Zielsetzung deutscher Einzelabschlüsse geht es hier um vorsichtige Bewertung und Kapitalschutz, nicht um Information der Bilanzleser. 2.

Wertaufholung/Zuschreibung gemäß § 280 HGB

Erfolgte in einem Geschäftsjahr eine Abwertung eines Vermögensgegenstands und fallen die Gründe hierfür in einem späteren Geschäftsjahr weg, so ist gemäß § 280 Abs. 1 HGB der Betrag dieser Abwertung wieder zuzuschreiben. Die Anschaffungs- und Her533 534 535 536

Schildbach, BFuP 1998, S. 580, 586. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 125; Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 215 f. Hopt, HGB, § 253 Rn. 15; Herzig/Mauritz, BB 1997, Beilage 5 zu Heft 15, S. 9*. Geib, FS Havermann, S. 143, 173.

115

stellungskosten – vermindert um planmäßige Abschreibungen – stellen allerdings wie537 derum die Obergrenze jeder Wertaufholung dar . Während § 253 Abs. 5 HGB grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Beibehaltung des niedrigeren Wertansatzes in der Bilanz und einer Wertaufholung oder Zuschreibung gewährt, schließt § 280 HGB dieses Wahlrecht für Kapitalgesellschaften explizit aus und schreibt ihnen die Wertaufholung 538 verbindlich vor . § 280 Abs. 2 HGB erlaubt allerdings auch hier einen Ansatz zum niedrigeren Wert, wenn die handelsrechtliche Zuschreibung unmittelbare steuerliche Konsequenzen hätte539. Zweck der Vorschrift ist es, durch eine Bewertung, die näher am tatsächlichen Wert des fraglichen Vermögensgegenstands liegt, der Entstehung und Beibehaltung stiller Reserven entgegenzuwirken und – im Hinblick auf § 264 Abs. 2 HGB – den Informationsgehalt des Jahresabschlusses zu erhöhen, indem die Vermögenslage des Unter540 nehmens zutreffender dargestellt wird . Mit ein wenig gutem Willen kann man hier ebenfalls Grundgedanken einer Zeitwertbilanzierung entdecken. Die Wertaufholung gemäß §§ 253, 280 HGB steht in Widerspruch zum Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, denn der im Rahmen der Wertaufholung entstandene Ertrag könnte grundsätzlich als Gewinn ausgeschüttet werden, obwohl er nicht durch tatsächliche Zahlungsflüsse realisiert wurde. Die Unternehmensleitung kann jedoch gemäß § 58 Abs. 2 a AktG den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen in „Andere Gewinnrücklagen“ im Sinne des § 272 Abs. 3 S. 2 HGB einstellen und damit eine Ausschüttung an die Gesellschafter vermeiden541. Die Einstellung in andere Gewinnrücklagen ist allerdings 542 nicht verpflichtend, es besteht vielmehr lediglich ein Wahlrecht . Bei entsprechender Ausübung des Wahlrechts kann hier theoretisch sogar die Ausschüttung unrealisierter Gewinne drohen543. Damit ist an einer weiteren Stelle im HGB die Bilanzierung von Fair Values vorgesehen. Die mit der Einführung von Fair Value Accounting verbundenen Probleme sind dadurch auch an dieser Stelle im HGB bereits angelegt, wenn auch in milderer Form.

537 538 539

540 541

542 543

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Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 177; Wiedmann, Bilanzrecht, § 280 HGB Rn. 5. Wiedmann, Bilanzrecht, § 280 HGB Rn. 2. Damit bestand faktisch doch weitgehend ein Wahlrecht bzgl. Zuschreibung oder Beibehaltung, Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 276; Wiedmann, Bilanzrecht, § 280 HGB Rn. 9 ff.; mit der Einführung eines steuerrechtlichen Wertaufholungsgebots durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geht die Ausnahmeregelung des § 280 Abs. 2 HGB heute jedoch ins Leere, Wiedmann, Bilanzrecht, § 280 Rn. 11. MüKo-HGB/Lange, § 280 Rn. 1. Sog. Wertaufholungsrücklage; Wiedmann, Bilanzrecht, § 280 HGB Rn. 3; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 275. Auf den Konflikt mit dem Realisationsprinzip zielt auch § 280 Abs. 2 HGB, der die Steuerneutralität der Zuschreibung wahren und damit die Besteuerung unrealisierter Gewinne vermeiden will; Hopt, HGB, § 280 Rn. 2; Großfeld, a.a.O., Rn. 276. MüKo-HGB/Lange, § 280 Rn. 62. So auch Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 275.

3.

Teilgewinnrealisierung bei der Bilanzierung von langfristigen Aufträgen und 544 teilweise erfüllten Leistungen

Ein weiterer Aspekt, der Elemente des Fair Value Accounting vorwegnimmt, ist die Frage der Bilanzierung und Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung. Die Bilanzierung bei langfristiger Fertigung ist von besonderer Bedeutung für Gewerbe, die Aufträge mit extrem weitem Zeithorizont annehmen wie beispielsweise die Baubranche, Schiffs-, Maschinen- oder Anlagenbau, stellt sich aber generell, wenn zwischen Herstellungsbeginn und Abnahme und Bezahlung durch den Auftraggeber mindestens ein Bilanzstichtag liegt545. Nach deutschem Handelsrecht ist eine vorzeitige Vereinnahmung von Gewinnen aus solcher langfristiger Fertigung aufgrund des Realisationsprinzips generell nicht gestattet. Solange nicht tatsächlich ein Teil der Gegenleistung in den jeweiligen Perioden erbracht wird und als endgültig und sicher vereinnahmt gelten kann, verstößt eine anteilige Verteilung des Gesamtgewinns auf die verschiedenen Fertigungsperioden gegen das Realisationsprinzip. Ertrag und Gewinn aus solchen langfristigen Fertigungsaufträgen können daher grundsätzlich erst in der Periode von tatsächlicher Fertigstellung und Fälligwerden der (Gesamt-)Gegenleistung bilanziert werden546. Werden dagegen in den jeweiligen Perioden stets nur die auf die Fertigung verwendeten Aufwendungen bilanziert, der Gewinn aus dem Auftrag jedoch lediglich in der letzten Periode nach endgültiger Vereinnahmung, führt dies zu einer Verzerrung des Jahresabschlusses, da in den Perioden der Fertigung trotz guter Auftragslage kein Gewinn, gegebenenfalls sogar ein Verlust, im Jahr der Fertigstellung ein unverhältnismäßig hoher Gewinn bei Überkompensation der vorangegangenen Verluste ausgewiesen wird 547 . Dies verstößt nicht nur gegen § 264 Abs. 2 HGB, sondern zieht im Jahr der Fertigstellung unangemessene Dividendenausschüttungen und – bei Progression der Steuertarife – eine zu hohe Besteuerung nach sich548. In der Literatur wird diskutiert, das Problem der langfristigen Fertigung über das Ge549 schäftsjahr hinaus entweder durch eine Analogie zu § 269 HGB , nach anderer und wohl überwiegender Ansicht mit Hilfe der Ausnahmeregelung des § 252 Abs. 2 HGB zu lindern550. Der Weg über die Ausnahmeregelung des § 252 Abs. 2 HGB ist naheliegend. Der Vorteil der analogen Anwendung von § 269 HGB ist allerdings, dass Satz 2 der Vorschrift zugleich sicherstellt, dass die Aktivierung der Aufwendungen nicht zu einer Ausschüttung führt551. Im Ergebnis lassen beide Ansichten unter Durchbrechung des Realisationsprin544

545 546 547 548 549 550 551

Dazu Adler/Düring/Schmaltz, § 252 HGB Rn. 88; MüKo-HGB/Ballwieser, § 252 Rn. 77-81; Wiedmann, Bilanzrecht, § 252 HGB Rn. 31; Strobl, FS Moxter, S. 407; Hopt, HGB, § 252 Rn. 14; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 244, Baetge, Bilanzen, S. 621; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 220. Daher auch „stichtagsübergreifende Bilanzierung“; Baetge, Bilanzen, S. 621. Sog. Completed Contract-Methode. MüKo-HGB/Ballwieser, § 252 Rn. 78. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 168. So Hopt, HGB, § 252 Rn. 14. Adler/Düring/Schmaltz, § 252 HGB Rn. 86-91; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 168. Hopt, HGB, § 269 Rn. 2.

117

zips eine Teilgewinnrealisierung unter bestimmten, sehr restriktiven Voraussetzungen zu. Es existieren jedoch hierzu bislang keine allgemein anerkannten Grundsätze. Die Bilanzierung erfolgt dann nach der sogenannten Percentage of Completion-Methode, die es erlaubt, einen Prozentsatz des erwarteten Gesamtgewinns entsprechend dem jeweiligen Grad der Fertigstellung anteilsmäßig auf die einzelnen Perioden zu verteilen und zu bilan552 zieren . Die Percentage of Completion-Methode wird in vielen Bereichen der Praxis auch in Deutschland inzwischen generell für zulässig erachtet553. Fraglich ist, ob nicht statt der Percentage of Completion-Methode hier ebenfalls eine Zeitwertbewertung erfolgen darf beziehungsweise sinnvollerweise zu erfolgen hat. Dies könnte darin bestehen, den jeweiligen Fair Value oder Zeitwert des vollständig vollzogenen Auftrags zu ermitteln und in der Bilanz anzusetzen, indem man den Ertrag bei Fertigstellung auf den Zeitpunkt der Bilanzierung abzinst. Aus einer Frage der Bewertung wird in diesem Zusammenhang dann gleichzeitig eine Frage der Periodisierung und des Ansatzes554, denn bei einer Totalperiodenbetrachtung kommen beide Methoden zu einem gleich hohen Gewinnausweis. Nach der handelsrechtlichen Gewinnermittlungskonzeption soll der Wertansatz in der Bilanz Auskunft über die zu erwartenden Erträge geben555. Kann der Wert demnach auch ermittelt werden mit der Formel „vereinbarter Veräußerungspreis ./. zu erwartender Aufwand, abgezinst auf den Bilanzstichtag“? Eine so verstandene Fair Value-Bilanzierung entspräche dann im Zweifel einer Art Ertragswertbilanzierung. Bei einer solchen Vorgehensweise wird nicht der Wert der tatsächlich erbrachten Teilleistung und der darauf entfallende Anteil des Gewinns betrachtet, sondern es wird versucht, den Wert zu ermitteln, der dem Gesamtwert der Leistung bei Fertigstellung zum Bilanzierungszeitpunkt beizulegen ist. Dies wäre in Deutschland de lege lata aber nicht zulässig, da nach der Percentage of Completion-Methode Teilgewinne überhaupt nur unter der Voraussetzung realisiert werden dürfen, dass allenfalls der auf die bisher tatsächlich erbrachte Teilleistung anteilsmäßig entfallende Gewinn berücksichtigt wird556. Der anteilsmäßig auf die Teilleistung entfallende Gewinn muss aber nicht dem Fair Value im fraglichen Zeitpunkt entsprechen. Das Problem langfristiger Fertigung wird in den US-GAAP und in den IFRS nach dem Prinzip des True and Fair View behandelt, schließlich soll die Bilanz bestmögliche Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens liefern. Das Realisationsprinzip ist zwar auch in den US-GAAP und den IFRS bekannt, wird aber eingeschränkt durch das Prinzip der Aufwandszuordnung (Matching Principle)557. 552

553 554 555 556 557

118

Strobl, FS Moxter, S. 424 m.w.N.; zu den Voraussetzungen vgl. Adler/Düring/Schmaltz, § 252 HGB Rn. 88; vgl. bereits Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 79-81. Eine Teilgewinnrealisierung nach der Percentage of Completion-Methode unter Verweis auf das Realisationsprinzip und den Bilanzzweck der Kapitalerhaltung kategorisch ablehnend Baetge, Bilanzen, S. 626 f. Adler/Düring/Schmaltz, § 252 HGB Rn. 88. Vgl. auch Hopt, HGB, § 252 Rn. 13; MüKo-HGB/Ballwieser, § 252 Rn. 73. Ob das Realisationsprinzip sowohl Ansatz als auch Bewertung betrifft, ist allerdings umstritten (ebd., jeweils m.w.N.). Wiedmann, Bilanzrecht, § 253 HGB Rn. 81 u. 83. Adler/Düring/Schmaltz, § 252 HGB Rn. 88; Wiedmann, Bilanzrecht, § 252 HGB Rn. 31. Die IAS definieren das Matching Principle in weitgehender Übereinstimmung mit den USGAAP, vgl. Strobl, FS Moxter, S. 416; SFAC 6.146; IASB Framework, Tz. 95.

Das Matching Principle sorgt dafür, dass Ausgaben der Periode den zugehörigen Ein558 nahmen zugeordnet werden, wann immer dies vernünftig und praktikabel ist . Man versucht so einen exakteren Einblick in die tatsächliche Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu gewinnen. In den Fällen langfristiger Fertigung wird daher nach der Percentage of Completion-Methode verfahren. Demzufolge kann der Ertrag in jeder Periode prozentual in Höhe der Fertigstellung bilanziert werden, sofern der Prozentsatz der Fertigstellung und die bis dahin angefallenen Kosten verlässlich messbar sind559. Grundsätzlich wird im Rahmen der Bilanzierung langfristiger Auftragsfertigung lediglich eine Durchbrechung des Realisationsprinzips durch Anwendung der Percentage of Completion-Methode diskutiert. Eine Fair Value-Bilanzierung im eigentlichen Sinne steht auch nach IFRS und US-GAAP nicht zur Debatte. Es bestehen aber Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Themenkomplexen. Es wird versucht, den aktuellen Wert eines Vermögensgegenstands am Bilanzstichtag zum Ansatz bringen zu können, obwohl das Realisationsprinzip dem entgegensteht, anstatt ihn vollständig zu vernachlässigen. Dieser Wert kann in etwa dem Markt- oder Zeitwert des fraglichen Gegenstands entsprechen. Gemeinsam ist dementsprechend auch die „Marktnähe“ des zu bilanzierenden Gegenstands, die (möglicherweise auch nur theoretische) Realisierbarkeit und die Identität bei Totalperiodenbetrachtung. Die Methode der Wertermittlung ist allerdings nicht unbedingt identisch. Teilweise fertiggestellte Produkte können jedoch auch einen Marktwert haben, der im Zweifel abhängig ist vom Grad ihrer Fertigstellung. Vergleichbar ist jedenfalls der Versuch, den derzeitigen Wert künftiger Erträge abzubilden. 4.

Die Bilanzierung von Gewinnen eines Tochterunternehmens im Jahresabschluss des Konzernmutterunternehmens

Die Diskussion um den richtigen Zeitpunkt für die Bilanzierung der Gewinne der Tochterunternehmen im Einzelabschluss des Konzernmutterunternehmens nimmt ebenfalls verschiedene Aspekte vorweg, die im Zusammenhang mit der Einführung von Zeitwertbilanzierung die Gemüter erregen. Die Probleme sind hier ähnlich gelagert wie bei der Teilgewinnrealisierung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Gewinn des Tochterunternehmens bereits im Jahr der Erwirtschaftung und Feststellung des Gewinns bei der Tochter oder erst im Jahr der Ausschüttung an die Mutter als „Forderung gegen verbundene Unternehmen“ gemäß § 266 Abs. 2 B Nr. II 2 HGB in deren Jahresabschluss aufgenommen werden kann. Im Konzern kann nach h.M. unter Umständen ein noch nicht entstandener Gewinnanspruch gegen ein Tochterunternehmen dann bilanziert werden, wenn er sich gegen ein verbundenes Unternehmen mit gleichem Geschäftsjahr richtet, an dem die Mutter mehrheitlich beteiligt ist560. Denn in dem Zeitpunkt, in dem die Tochtergesellschaft ihren Jahresabschluss feststellt, erscheint die Entstehung mindestens tatsächlich als gesi-

558 559 560

Strobl, FS Moxter, S. 411. MüKo-HGB/Ballwieser, § 252 Rn. 88; für die IAS vgl. Baetge/Beermann, BFuP 1998, 154, 165. Zu den Voraussetzungen: BGH JZ 1998, 735; dazu Henssler, JZ 1998, 701.

119

chert. Bei Konzernunternehmen unter einheitlicher Leitung im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG sollen die Gewinne des Tochterunternehmens zeitgleich beim Mutterunternehmen erscheinen, um den Jahresabschluss der Mutter nicht zu verzerren und einen zeitnahen Einblick zu gewähren. Da die Ausschüttung praktisch als sicher gilt, liegt nach dieser Auffas561 sung auch kein Verstoß gegen das Realisationsprinzip vor . Letztlich geht es hier um den Fair Value der Beteiligung in der jeweiligen Periode. Fragen der Periodisierung lassen sich von solchen der Bewertung nicht ohne weiteres trennen, wie schon die jeweilige Diskussion im Rahmen des Realisationsprinzips zeigt. Die daraus resultierenden Probleme sind vergleichbarer Natur, geht es doch einerseits immer darum, ob nur ein bereits realisierter oder auch schon ein realisierbarer Umsatz und Gewinn zum Ansatz in der Bilanz kommen kann, und andererseits um die Frage, ob ein in einer späteren Periode erwarteter Gewinn auch in einer früheren Periode einen beizulegenden Zeitwert hat, mit dem er in der Bilanz angesetzt werden soll und kann. 5.

Ansätze von Zeitbewertung im HGB-Konzernabschluss

a)

Zeitwertbilanzierung im Konzernabschluss allgemein

Beim Konzernabschluss nach HGB begegnen uns ebenfalls bereits Probleme und Diskussionspunkte, die in dieser oder anderer Form im Rahmen der Fair Value-Diskussion wieder auftauchen. Es liegt jedoch an den spezifischen Besonderheiten des Konzernabschlusses, dass diese Probleme als weniger gravierend empfunden werden. Weder Kapitalschutzregeln noch andere Rechtsfolgen knüpfen beispielsweise an den Konzernabschluss an. Die Einführung von Fair Value-Bewertung im Konzernabschluss wird daher weniger dogmatische Schwierigkeiten bereiten562. Schließlich steht beim Konzernabschluss auch weniger die Gläubigerschutz- und Kapitalerhaltungsfunktion als die Informationsfunktion im Vordergrund. Er hat weniger unterschiedliche beziehungsweise einander widersprechende Funktionen zu erfüllen und ist damit bereits mehr „auf Linie“ mit IFRS und US563 GAAP. Eine Annäherung an diese fällt daher auch in jeder Beziehung leichter . Da gemäß § 292 a HGB eine befreiende Aufstellung Konzernabschlusses nach IFRS oder USGAAP erfolgen kann, spielen Zeitwerte hier ohnehin bereits eine wichtige Rolle, wenn auch ohne unmittelbare Eingliederung in das Regelwerk des HGB. Grundsätzlich sind gemäß § 298 Abs. 1 HGB auf den Konzernabschluss die für den Einzelabschluss geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Die bereits angeführten Vorschriften zur Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert oder zur Wertaufholung gelten daher auch hier. Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses treten jedoch zusätzlich einige konzernspezifi-

561

562 563

120

Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 511 f.; BGHZ 65, 230, 234, zit. nach Großfeld, a.a.O. Dies erinnert an die Argumente zur Fair Value-Bilanzierung bei Wertpapieren des Handelsbestandes, die nicht nur jederzeit realisierbar sind, sondern die auch spekulativen Zwecken dienen und daher mit der Vereinnahmung der Wertsteigerung gerechnet werden kann. Vgl. Schulze-Osterloh, in: Schruff (Hrsg.), S. 121, 127. Vgl. zum Ganzen MüKo-HGB/Busse von Colbe, § 292 a Rn. 10.

sche Besonderheiten auf, denen ebenfalls Gedanken einer Fair Value-Bilanzierung innewohnen. Die gemäß § 308 Abs. 1 HGB geforderte Einheitlichkeit der Bewertung bei der Übernahme der Vermögensgegenstände und Schulden der Tochterunternehmen in den Konzernabschluss sorgt dafür, dass auch im HGB-Konzernabschluss die (HGB-)Bewertungsmethoden, die für den Jahresabschluss des deutschen Mutterunternehmens gelten, angewendet werden. Die oben diskutierten Möglichkeiten der Zeitwertbewertung setzen sich hier also fort. Ausnahmsweise können die Möglichkeiten zum Ansatz von Zeitwerten jedoch gegenüber dem Einzelabschluss erweitert sein, denn gemäß § 308 Abs. 2 S. 4 HGB kann im Interesse der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes von den üblichen Bewertungsregeln abgewichen werden. Hier ist bei Tochterunternehmen in Staaten mit hoher Inflationsrate bereits heute eine Bewertung zum Wiederbeschaffungswert und damit eine marktnahe Bewertung im Sinne von Fair Values anstelle 564 der Anschaffungskosten denkbar . Neben den bekannten Fragen der Bestimmung dieser Werte kann in der Folgeperiode dann auch hier das Problem des Ausweises unrealisierter Gewinne aufgrund von bloßen Wertveränderungen im Jahresabschluss auftreten. b)

Zeitwerte im Rahmen der Konsolidierung des Eigenkapitals

Zeitwerte tauchen ferner beim Ansatz des Eigenkapitals im Rahmen der Konsolidierung auf565. Nach der herrschenden Einheitstheorie hat der Abschluss der wirtschaftlichen Einheit Konzern im Ergebnis dem Abschluss eines rechtlich einheitlichen Unternehmens zu entsprechen, vgl. § 297 Abs. 3 S. 1 HGB. Bei der Konsolidierung geht es nun darum, Doppelerfassungen zu eliminieren, die sich aus der „Addition“ der Abschlüsse von Mutter566 und Tochterunternehmen zwangsläufig ergeben . Gegenstand der Kapitalkonsolidierung sind die gesellschaftsrechtlichen Anteile des Mutterunternehmens am Eigenkapital der Tochter567. Wird die Erstkonsolidierung nach der Erwerbsmethode vorgenommen, lässt § 301 Abs. 1 HGB dem Bilanzierenden die Wahl zwischen der Buchwertmethode 568 (§ 301 Abs. 1 Nr. 1 HGB) und der Neubewertungsmethode (§ 301 Abs. 1 Nr. 2 HGB) . Beide Methoden differenzieren zwischen Buchwerten und Zeitwerten und unterscheiden sich lediglich durch die Reihenfolge der Aufdeckung stiller Rücklagen und Lasten. Bei der Buchwertmethode werden zunächst das gezeichnete Eigenkapital des Tochterunternehmens und der Buchwert der Anteile des Mutterunternehmens an der Tochter miteinander verrechnet. Entsteht dabei eine Differenz, werden in einem zweiten Schritt die 564 565 566 567 568

So Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 574. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 590 f.; zum Komplex der Kapitalkonsolidierung allgemein ders., ebd., Rn. 585-632, sowie die Kommentierungen zu § 301 HGB bei Wiedmann, Bilanzrecht und MüKo-HGB/Busse von Colbe. Vgl. statt aller Wiedmann, Bilanzrecht, § 301 HGB Rn. 1. Wiedmann, Bilanzrecht, § 301 HGB Rn. 6. Die Erwerbsmethode („purchase method“) ist das international vorherrschende Verfahren der Kapitalkonsolidierung, MüKo-HGB/Busse von Colbe, § 301 Rn. 4; § 302 HGB lässt daneben die Methode der Interessenzusammenführung („pooling of interests“) zu.

121

Zeitwerte der Vermögensgegenstände und Schulden der Tochter ermittelt und dadurch die stillen Reserven bis zur Höhe der Differenz beider Buchwerte aufgedeckt. Bei der Neubewertungsmethode wird erst der Zeitwert des Eigenkapitals des Tochterunternehmens ermittelt, indem die stillen Reserven und Lasten aufgedeckt und Vermögensgegenstände und Schulden entsprechend mit ihren Zeitwerten in einer Neubewertungsbilanz angesetzt werden. Dann wird der Wert der Anteile der Konzernmutter an der Tochter mit dem neubewerteten Eigenkapital des Tochterunternehmens verrechnet. Bei der Konsolidierung nach der Erwerbsmethode werden auf diese Weise die Zeitwerte der Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens in der Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem gezeichneten Eigenkapital des Tochterunternehmens und dem Buchwert der Anteile der Konzernmutter am Tochterunternehmen realisiert. Bleiben die Zeitwerte hinter dem Buchwert der Anteile in der Bilanz des Mutterunternehmens zurück, handelt es sich bei diesem Unterschiedsbetrag um den Goodwill des Tochterunternehmens, der gemäß § 301 Abs. 3 HGB als Geschäfts- oder Firmenwert in der Konzernbilanz anzusetzen und in der Folge gemäß § 309 HGB abzuschreiben ist. Beide Methoden schließen ein, dass die Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens mit ihren Zeitwerten zu bewerten sind. Es bestehen daher die auch sonst bei der Zeitwertbilanzierung diskutierten Probleme der Ermittlung objektiver Zeitwerte. Man geht hier zwar von der Verwendung der Wiederbeschaffungskosten bei der 569 Ermittlung des Zeitwerts aus, da dies am ehesten der Erwerbsmethode gerecht würde , aber auch Wiederbeschaffungswerte lassen sich nicht ohne Weiteres ermitteln, wenn ein Markt für die betroffenen Vermögensgegenstände oder Schulden nicht existiert. Bei beiden Methoden ist gemäß § 301 Abs. 2 S. 4 HGB die Zeit- oder Neubewertung der Vermögensgegenstände und Schulden des Tochterunternehmens auf die Anschaffungskosten der Konzernmutter für das Tochterunternehmen, d.h. den für die Beteiligung gezahlten Kaufpreis, begrenzt. Das Ergebnis der Neubewertung ist daher gegebenenfalls nach unten zu korrigieren570. Diese Begrenzung ist weder in der 7. Bilanzrichtlinie noch in IAS 22 vorgesehen571. Sowohl Richtlinie als auch IFRS sind dadurch offen für eine echte Bewertung zum Zeitwert über die Anschaffungskosten der Beteiligung hinaus. Durch die Zeitwertbewertung der Vermögensgegenstände und Schulden im Rahmen der Erstkonsolidierung wird im Konzernabschluss ein vom Tochterunternehmen nicht realisierter Gewinn ausgewiesen. Zwar birgt dies aufgrund der Reduzierung des Konzernabschlusses auf seine Informationsfunktion keine Gefahr für die Ausschüttungsbemessung im Hinblick auf den Gläubigerschutz, die im Rahmen der Einführung von Zeitwertbilanzierung vielfach beschworene Gefahr des „Weckens von Begehrlichkeiten“ seitens der Ausschüttungsberechtigten besteht hier aber offensichtlich schon de lege lata. Dies umso mehr als der Konzernabschluss in der Praxis schon heute von überragender Bedeutung ist und vielen Anle-

569 570 571

122

Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 603. Wiedmann, Bilanzrecht, § 301 HGB Rn. 4; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 616. Wiedmann, Bilanzrecht, § 301 HGB Rn. 4 u. 99; MüKo-HGB/Busse von Colbe, § 301 Rn. 11.

572

gern als alleinige Informationsquelle auch bezüglich ihres Dividendenanspruchs dient . Hervorzuheben ist an dieser Stelle allerdings, dass bei der Folgekonsolidierung die bei der Erstkonsolidierung angesetzten Werte gemäß § 308 HGB übernommen und fortgeschrieben werden. Eine neuerliche Neubewertung mit dem beizulegenden Zeitwert findet nicht 573 statt . Es kann deshalb auch im Konzernabschluss generell nicht zum Ausweis von Gewinnen aufgrund von Veränderungen der Zeitwerte der fraglichen Vermögensgegenstände und Schulden im Vergleich zur Vorperiode kommen. c)

Zeitwerte im internationalen Konzernabschluss – Währungsumrechnung

Fair Values beziehungsweise Zeit- oder Stichtagswerte rücken beim internationalen Konzernabschluss auch dann in den Vordergrund, wenn es darum geht, die Währungen der einzelnen ausländischen Tochterunternehmen in die der Konzernmutter umzurechnen. Aufgrund der unvermeidlichen Wechselkursschwankungen bereitet die Umrechnung in die für den Konzernabschluss geforderte Währung (gemäß §§ 298 Abs. 1, 244 HGB in Euro) immer wieder Schwierigkeiten. Von Interesse ist dabei insbesondere, ob aus der Währungsumrechnung im Einzelfall resultierende Umrechnungsdifferenzen sich erfolgswirksam oder erfolgsneutral in der Konzernbilanz niederschlagen. Solche Umrechnungsdifferenzen können sich aus der Verwendung verschiedener Kurse im selben Abschluss ergeben574. Theoretisch denkbar ist eine Bilanzierung mit dem historischen Kurs, mit dem Bilanzstichtagskurs oder mit dem Durchschnittskurs. Der historische Kurs ist der Kurs zum Zeitpunkt der Entstehung des fraglichen Wertes, z.B. der Anschaffung eines Vermögensgegenstands; Bilanzstichtagskurs ist der Wechselkurs am Abschlussstichtag des Konzernabschlusses; beim Durchschnittskurs handelt es sich um einen gewichteten Jahresdurchschnittskurs575. Man unterscheidet zwei Grundmodelle der Währungsumrechnung: die Zeitbezugsund die Stichtagskursmethode. Das Konzept der funktionalen Währung lässt als dritten Weg beide Methoden nebeneinander zu und entscheidet im Einzelfall, welche Methode besser geeignet ist, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild abzugeben, 576 je nach Stellung des jeweiligen Tochterunternehmens im Konzern . Bei der Zeitbezugsmethode werden grundsätzlich alle Aktiva und Passiva mit dem historischen Kurs zum Zeitpunkt ihrer Erfassung in der Bilanz angesetzt577. Die Posten in den Abschlüssen der ausländischen Tochterunternehmen werden so umgerechnet, als bilanzierten diese von vornherein in der Währung der Konzernmutter und nach deutschem Recht. Es werden historische Kurse angesetzt und entsprechend abgeschrieben. Allerdings wird – in Analogie zum Niederstwertprinzip des § 253 HGB – gleichzeitig der Gegenwartswert ermittelt und zum Stichtagskurs umgerechnet und der niedrigere dieser beiden Werte

572 573 574 575 576 577

Vgl. MüKo-HGB/Busse von Colbe, Vor § 290 Rn. 28-30. MüKo-HGB/Busse von Colbe, § 301 Rn. 13. Baetge, Konzernbilanzen, S. 170. Baetge, Konzernbilanzen, S. 171. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 706. Baetge, Konzernbilanzen, S. 171.

123

578

übernommen . Lediglich die liquiden Mittel werden zum Bilanzstichtagskurs umge579 rechnet . Die Zeitbezugsmethode stößt an ihre Grenzen, wenn sie mit der Generalklausel des § 297 Abs. 2 S. 2 HGB kollidiert und beispielsweise aufgrund erheblicher Wechselkursdifferenzen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild mit ihrer Hilfe nicht mehr vermittelt werden kann580. Aufgrund der gleichzeitigen Verwendung unterschiedlicher Wechselkurse können Umrechnungsdifferenzen entstehen. Diese sind generell erfolgswirksam zu behandeln581. Bei der Stichtagskursmethode werden grundsätzlich alle Abschlussposten in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung einheitlich mit dem Wechselkurs am Bilanzstichtag umgerechnet582. Umrechnungsdifferenzen können dabei nicht entstehen, da Wechselkursänderungen lediglich zu einer Multiplikation sämtlicher Bilanzposten mit dem neu583 en Stichtagskurs führen . Währungsschwankungen von Periode zu Periode erhöhen oder senken aber das Eigenkapital; durch Aufwertung der Auslandswährung entstehen so unrealisierte Gewinne 584 . Solche Veränderungen des Eigenkapitals sollen erfolgs585 neutral gesondert ausgewiesen werden . Sowohl Zeitbezugs- als auch Stichtagskursmethode stoßen im Hinblick auf das True and Fair View-Gebot des § 264 Abs. 2 HGB an ihre Grenzen. Abhängig von der Einbindung des Tochterunternehmens in den Konzern können beide Methoden im Einzelfall zu Verzerrungen führen, die eine Wiedergabe der tatsächlichen Finanz- und Ertragslage des Konzerns verhindern. Bei der Stichtagskursmethode wird die Beteiligung an einem ausländischen Tochterunternehmen als Finanzinvestition angesehen, deren Wert als Ganzes durch die Bilanz korrekt dargestellt werden soll; die wirtschaftliche Einheit des Konzerns wird hingegen vernachlässigt586. Während die Stichtagskursmethode somit im Fall einer weitgehenden Selbstständigkeit des Tochterunternehmens vorzugswürdig ist, führt die Zeitbezugsmethode bei weitgehender Einbindung des Tochterunternehmens in die Geschäftstätigkeit des Mutterunter587 nehmens zu besseren Ergebnissen . Das Konzept der funktionalen Währung versucht die jeweiligen Schwächen der beiden Methoden dadurch zu eliminieren, dass dem Bilanzierenden je nach Lage und Einbindung des ausländischen Tochterunternehmens in den Konzern die Wahl der Methode freigestellt wird. Die Währungsumrechnung zu Bilanzstichtagskursen, insbesondere bei konsequenter Anwendung auf den gesamten Jahresabschluss im Sinne der Stichtagskursmethode, ist mit den üblichen Schwierigkeiten der Bilanzierung zu Zeitwerten verbunden. Dementsprechend stellen sich auch hier bereits Fragen nach der Volatilität der ausgewiesenen Werte, 578 579 580 581 582 583 584 585 586 587

124

Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 703. Baetge, Konzernbilanzen, S. 172. Baetge, Konzernbilanzen, S.183-186. Baetge, Konzernbilanzen, S. 176 f. Baetge, Konzernbilanzen, S. 181; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 701. Baetge, Konzernbilanzen, S. 182. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 701 f. Baetge, Konzernbilanzen, S. 183. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 702, 706; Baetge, Konzernbilanzen, S. 181 m.w.N. Baetge, Konzernbilanzen, S. 186.

nach ihrer Eigenkapital- und Gewinnwirksamkeit, sowie der Objektivität und Verläss588 lichkeit der beizulegenden Zeitwerte am Bilanzstichtag . Es erfolgt in der Konzernbilanz mithin bereits heute eine Darstellung des Wertes der Beteiligung ähnlich einem Finanzinstrument mit allen damit verbundenen Problemen und Schwierigkeiten589.

VII. Vergleich und Analyse der bestehenden und geplanten Regelungen zur Zeitwertbilanzierung 1.

Grundelemente von Zeitwertbilanzierung

Betrachtet man die Regelungen von Zeitwertbilanzierung, lassen sich verschiedene Grundelemente herausarbeiten, welche die mit der Einführung von Zeitwerten verfolgte Intention und gleichzeitig auch die Unterschiede zu ähnlichen Regelungen in der Vergangenheit deutlich machen. Die aktuelle Fair Value-Diskussion entzündete sich an den Bilanzierungsproblemen beim Umgang mit innovativen Finanzinstrumenten, insbesondere mit Derivaten. Im Gegensatz zu ähnlichen Ansätzen in der Vergangenheit verfolgt sie damit in erster Linie das Ziel, diese Instrumente darstellbar zu machen. Für den Ansatz in der Bilanz maßgeblicher Wert ist der Zeitwert am Abschlussstichtag, der im Idealfall einem marktnotierten Preis entspricht. Deutlich erkennbar werden keine Substanzerhaltungsziele mit Zeitwertbilanzierung verbunden. Anders als noch vor einigen Jahren kann heute mit Bestimmtheit gesagt werden, dass für die Bestimmung des Fair Value Ertragswerte im Sinne diskontierter Einnahmeüberschüsse maßgeblich sind590. Die Diskussion, ob nicht alternativ auch beispielsweise Wiederbeschaffungs- oder Zerschlagungswerte einschlägig sein können, hat sich erledigt. Den bisherigen Regelungen kann klar entnommen werden, dass Veräußerungs- beziehungsweise Ertragswerte anzusetzen sind. Allen Regelungen zur Einführung von Fair Value Accounting kommt es ersichtlich darauf an, künftige Cash-flows sichtbar zu machen591. Daran wird auch die verfolgte Zielsetzung deutlich: Es geht primär darum, den Informationsgehalt des Jahresabschlusses zu verbessern. Gerade bei verhältnismäßig marktnahen Vermögensgegenständen ist unter Informationsgesichtspunkten der Ertrags- beziehungsweise potentielle Veräußerungswert aussagekräftiger als andere in Frage kommende Wertansätze. Um ein zu weites Abrücken von hergebrachten Bilanzierungsgrundsätzen und extreme Brüche zu vermeiden, war die leichte Realisierbarkeit wird dabei zunächst das entscheidende Kriterium, das allen für eine Zeitwertbilanzierung in Frage kommenden Vermögensgegenständen gemeinsam ist592. Gerade der Blick auf die US-amerikanischen 588 589 590 591 592

Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 714-716. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 702, 706; Baetge, Konzernbilanzen, S. 181 m.w.N. Anders z.B. noch King, Fin. Executive, Heft 4, Jul./Aug. 1999, 53. Auch die Einführung der Teilgewinnrealisierung nach der „percentage of completion method“ unterstreicht dieses Ansinnen, s.o. C. VI. 3., S. 117 ff. Wie bei börsennotierten Wertpapieren, Devisen, Finanzinstrumenten oder Rohstoffen vgl. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 46.

125

Regelungen zeigt, dass es bei einer Fair Value-Bilanzierung im Gegensatz zum deutschen Realisationsprinzip auf die Realisierbarkeit von Erträgen ankommt. Dies soll dann der Fall sein, wenn die fraglichen Vermögensgegenstände jederzeit in bekannte Beträge liquider Mittel umgewandelt werden können. Es sollen die Liquiditätsspeicher des Unternehmens 593 aufgedeckt werden. Die Gegenstände müssen also handelbar sein . Zeitwertveränderungen sind grundsätzlich auch erfolgswirksam zu bilanzieren. Dies dient ebenfalls einer Verbesserung der Informationsvermittlung durch den Jahresabschluss. Gerade bei Finanzinstrumenten tragen Änderungen des Zeitwerts erheblich zum wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens bei. Dies soll entsprechend kenntlich gemacht werden. 2.

Vergleich der betrachteten Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten

a)

Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten

Vergleicht man die einzelnen Regelungen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten, dann fällt zunächst auf, dass alle drei Systeme, die der Bilanzierung den Fair Value zugrunde legen, in Begriff, Definitionen und Methode starke Ähnlichkeiten aufweisen, wenn nicht gar identisch sind. Angesichts des übermächtigen Einflusses der US-GAAP auf die IFRS einerseits und des Versuchs der EU-Kommission, das europäische Bilanzrecht „IFRS-kompatibel“ zu machen, andererseits, vermag dies jedoch kaum zu verwundern. FASB, IASB und EU-Kommission verwenden einen identischen Fair Value-Begriff. Die EUKommission bezieht sich sogar ausdrücklich auf die Diktion des IASB594. In IAS 39 sind Darlehen und Forderungen von der Zeitwertbilanzierung ausgenommen, die das Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit selbst geschaffen hat und die nicht zu Handelszwecken gehalten werden. Dies entspricht der Regelung der US-GAAP, die für diese Finanzinstrumente ebenfalls keine Bewertung zum Zeitwert fordern. Hintergrund für diese Ausnahme ist die Tatsache, dass eine Fair Value-Bewertung dieser Instrumente eine zu weitreichende Abkehr von der bisherigen Bilanzierungspraxis bedeutet hätte und daher wohl (noch) nicht mehrheitsfähig war595. Die EU-Kommission definiert den Begriff bewusst nicht umfassend und abschließend, um die europäische Regelung für neue Entwicklungen und Tendenzen der Finanzmärkte, aber auch für weitere Änderungen im Bereich der internationalen Standards offen zu halten und einem ständigen Anpassungsdruck auszuweichen. Ebenfalls werden sowohl in den US-GAAP als auch in den IFRS und der Richtlinie Investments von der Zeitwertbilanzierung ausgenommen, die bis zur Fälligkeit gehalten werden („held to maturity”). Inhaltlich liegt dieser Ausnahme die Überlegung zugrunde, dass zwischenzeitliche Wertänderungen bei Papieren dieser Kategorie irrelevant sind. 593 594 595

126

Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 203. KOM (2000) 80, S. 3 u. 11. Vgl. auch die Definition für die Fair Value-Bewertung im HGBJahresabschluss von Versicherungen in Deutschland in § 55 Abs. 2 RechVersV, s.o. C. III. 6. a), S. 97 ff. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1465 f.

Zeitwertänderungen können hier keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. Da die künftigen Zahlungsströme bereits vertraglich fixiert sind, bedürfen sie im Übrigen auch keiner 596 Absicherung mehr . So erklären sich auch die hohen Anforderungen, die IAS 39 ebenso wie SFAS 115 an die Einordnung von Finanzinstrumenten in diese Kategorie stellt. Schließlich gilt es sicherzustellen, dass Finanzinstrumente dieser Kategorie auch tatsächlich bis zur Fälligkeit gehalten werden, da andernfalls zwischenzeitliche Wertänderungen durchaus ergebnisrelevant würden. In diese Richtung zielt auch Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie, wenn er bis zur Fälligkeit gehaltene, nicht derivative Finanzinstrumente von der Zeitwertbilanzierung ausnimmt. Etwas weiter ging hier noch der Richtlinienentwurf, indem er in Art. 42 a Abs. 4 den Mitgliedstaaten immerhin noch freistellt, die Zeitwertbilanzierung auf bis zur Fälligkeit gehaltene Finanzinstrumente und von der Gesellschaft selbst ausgegebene Darlehen und Kredite, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden, zu erstrecken, oder aber die Zeitwertbilanzierung von vornherein auf zu Handelszwecken gehaltene Finanzinstrumente zu beschränken. Der weiteren Ausnahme derjenigen Instrumente von der regelmäßigen Fair Value-Bilanzierung in allen Regelwerken einschließlich der Richtlinie, deren Zeitwert nicht verlässlich zu ermitteln ist, liegen Objektivierungsgründe zugrunde597. Allen Regelwerken ist daran gelegen, keine Unwägbarkeiten und Unsicherheiten bei der Bewertung zu fördern. Die erfolgswirksame Zeitwertbilanzierung für Finanzinstrumente des Handelsbestandes und die generelle Zeitwertbilanzierung von Derivaten sind ebenfalls allen Regelwerken gemeinsam. Unterschiede hinsichtlich der Erfolgswirksamkeit von Zeitwertänderungen bestehen aber bei den Finanzinstrumenten der Kategorie „available for sale“, wo die IFRS bezüglich der erfolgswirksamen Erfassung von Wertänderungen ein Wahlrecht vorsehen und die Richtlinie die erfolgswirksame Erfassung in das Ermessen der Mitgliedstaaten stellt. Es ist jedoch zu erwarten, dass ein Großteil der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen sein Wahlrecht US-GAAP-konform ausüben und die Finanzinstrumente dieser Kategorie analog SFAS 115 erfolgsneutral im Rahmen des Eigenkapitals bilanzieren wird598. Im Vergleich zu den Regeln der US-GAAP, der IFRS und auch zur Richtlinie und zum Richtlinienentwurf der Kommission geht der Draft Standard der Joint Working Group of Standard Setters wesentlich weiter. Der Entwurf erstreckt die erfolgswirksame Zeitwertbilanzierung auf alle Finanzinstrumente ohne Ansehen ihrer Zweckbestimmung. Er kann damit auf die differenzierten Regelungen verzichten, die bisher bestimmen, wann ein Finanzinstrument mit seinem beizulegenden Zeitwert bilanziert wird und wann Änderungen dieses Zeitwerts geeignet sind, Einfluss auf das Periodenergebnis zu nehmen. Gleichzeitig kann der Entwurf dank dieses einheitlichen Ansatzes zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten auf Sonderregeln zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften verzichten (s.u.). 596 597 598

Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1466; vgl. auch Einf. zu IAS 39, Tz. 14. Für die IAS vgl. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1465. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1467.

127

b)

Hedge Accounting

Mit der in Deutschland verfolgten Methode der Bildung von Bewertungseinheiten im Rahmen des Hedge Accounting und der imparitätischen Berücksichtigung von Verlusten der Bewertungseinheit befindet man sich noch auf einer Vorstufe der Zeitwertbilan599 zierung . Zeitwertänderungen werden nur insoweit berücksichtigt, als sie zu einem Verlust auf der Ebene der Bewertungseinheit führen. Positive Zeitwertänderungen werden hingegen als innerhalb der Bewertungseinheit kompensiert betrachtet, die Bilanzierung erfolgt solange weiterhin zu den Anschaffungskosten. Eine Stufe weiter gehen die US-GAAP und die IFRS, befinden sich aber beide gleichfalls noch in einem Vorstadium zur vollen Zeitwertbilanzierung (Full Fair Value Accounting), wie sich insbesondere im Vergleich zum Draft Standard der JWG zeigt. Es erfolgt eine teilweise Markt- oder Zeitwertbewertung innerhalb von Bewertungseinheiten. Dabei wird zwar der Zeitwert von Hedge-Insuffizienzen ausgewiesen und gegebenenfalls erfolgswirksam bilanziert, eine umfassende Zeitwertbilanzierung von Sicherungs- und Grundgeschäft findet aber nicht statt. Zwar dienen als Sicherungsgeschäfte fast ausnahmslos Derivate, die generell zum Zeitwert bilanziert werden, als Grundgeschäfte können der Sicherungsbeziehung aber auch Finanzinstrumente zugrunde liegen, deren Bewertung zu Anschaffungskosten zu erfolgen hat. Die Notwendigkeit für ein besonderes Hedge Accounting ergibt sich unter IAS 39 und SFAS 133 daher gerade aus der Korrektur von Ansatzunterschieden zwischen Grundund Sicherungsgeschäft600. Ebenso werden Bewertungsunterschiede ausgeglichen, die sich aus der Zeitwertbilanzierung des Sicherungsinstruments und der Bewertung des Grundgeschäfts zu seinen Anschaffungskosten ergeben können 601 . Damit ein Hedge Accounting nach IAS 39 überhaupt möglich ist, müssen das zu sichernde Grundgeschäft und das Sicherungsgeschäft unterschiedlichen Ansatz- und/oder Bewertungsvorschriften folgen. Werden z.B. sowohl Grund- als auch Sicherungsgeschäft ohnehin bereits zum Fair Value bewertet, scheidet die Anwendung der Regeln zum Hedge Accounting von vornherein aus, da Sicherungswirkung und Zeitwertänderung des Grundgeschäfts in der gleichen Periode auftreten. Gegenläufige Veränderungen des Zeitwerts gleichen sich hier ohnehin aus. Finanzinstrumente, die bereits zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden, werden daher weder von SFAS 133 noch von IAS 39 zum Hedge Accounting zugelassen602. In IAS 39 ebenso wie in SFAS 133 ist Hedge Accounting deswegen an besonders enge Voraussetzungen geknüpft und durch die weitgehende Fair Value-Bilanzierung von Finanzinstrumenten bereits von vornherein in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt. Schließlich wird die gesonderte Bilanzierung von Sicherungsaktivitäten durch

599 600 601 602

128

Vgl. Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 96. KPMG, Financial Instruments, Rn. 296. KPMG, Financial Instruments, Rn. 297. Scharpf, DB 2000, 629, 633; Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1467; Labude/Wienken, WPg 2000, 11, 15; SFAS 133.21 u. 405.

eine konsequente Zeitwertbilanzierung eigentlich überflüssig. Hedge Accounting dient im Ergebnis nur dazu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem mit seinen Anschaffungskosten bewerteten Grundgeschäft und dem mit seinem Zeitwert bewerteten Sicherungsgeschäft. Hedge Accounting wird daher ebenfalls nur als Vorstufe zur Markt- oder 603 Zeitwertbilanzierung bezeichnet . Es ist solange notwendig, wie noch keine umfas604 sende Zeitwertbilanzierung für Finanzinstrumente umgesetzt ist . Eine noch stärkere Ausweitung der Zeitwertbilanzierung geht daher mit dem weitgehenden Wegfall des Hedge Accounting einher605. Entsprechend soll dem Comprehensive Standard der Joint Working Group of Standard Setters zufolge die Bildung von Bewertungseinheiten überflüssig werden, da dann alle Finanzinstrumente mit ihrem beizulegenden Zeitwert bewertet werden sollen 606 . Der Draft Standard erlaubt keine spezifische Bilanzierung von Finanzinstrumenten, die als Hedging-Instrumente oder abzusichernde Grundgeschäfte („hedged items“) dienen. Die Nichtzulassung der Finanzinstrumente zum Hedge Accounting folgt aus zwei grundlegenden Prinzipien des Draft Standards: der Bewertung aller Finanzinstrumente mit ihrem Zeitwert und der Erfassung aller Gewinne und Verluste aus Zeitwertänderungen in der Periode ihres Entstehens607. Die JWG benennt zwei verschiedene Situationen, für welche die spezifischen Methoden der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften entwickelt wurden. Hedge Accounting sollte einmal dazu dienen, Unstimmigkeiten in der Rechnungslegung („accounting inconsistencies“) zu korrigieren, die dazu führen, dass die Risikoexpositionen vergleichbarer Vermögensgegenstände oder Schulden auf unterschiedlicher Basis angesetzt und bewertet werden. Dies hat zur Folge, dass sich eigentlich gegenseitig ausgleichende Gewinne und Verluste in verschiedenen Perioden erfasst werden. Ferner soll Hedge Accounting bei der Absicherung künftiger Cash-flows sicherstellen, dass die Gewinne und Verluste aus dem Sicherungsinstrument zurückgestellt werden, um erst den Ertrag derjenigen Periode zu erhöhen oder zu belasten, in der das Grundgeschäft ebenfalls ergebniswirksam wird608. Die umfassende und erfolgswirksame Bilanzierung aller Finanzinstrumente zum beizulegenden Zeitwert beseitigt aus der Sicht der JWG dieses Problem bereits an ihrer Wurzel und erlaubt daher den Verzicht auf besondere Regeln zum Hedge Accounting. Die Absicherung von „non-financial assets, liabilities or commitments“ mit Finanzinstrumenten als Sicherungsinstrument („hedging instrument“) führt ebenfalls zu Unstimmigkeiten. Bei diesen Sicherungsgeschäften wird der Buchwert der Non-financial Assets oder Liabilities dem Fair Value des gesicherten Risikos angepasst. Da bei dieser Art von Sicherungsgeschäften Ansatz und Bewertung von Non-financial Assets zur Diskussion stehen, werden sie nach Ansicht der JWG vom Anwendungsbereich des Draft Standard 603 604 605 606 607 608

Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 96 u. 99-104. Vgl. SFAS 133. 335. Gebhardt/Naumann, DB 1999, 1461, 1469. Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 139; Draft Standard, S. V u. Tz. 153. Draft Standard, Basis for Conclusions, Tz. 7.1 u. 2. Draft Standard, Basis for Conclusions, Tz. 7.3.

129

609

nicht berührt . Der Entwurf schließt damit das Hedge Accounting nur für diejenigen Sicherungsbeziehungen aus, in denen sowohl Grund- als auch Sicherungsinstrument Finanzinstrumente sind. Für Sicherungsgeschäfte auf der Grundlage sonstiger, nichtfinanzieller Vermögensgegenstände und Schulden bleiben die Regeln zum Hedge Accounting somit bestehen. Dieses „radikale“ Vorgehen ist allerdings sehr umstritten. So wird in der Literatur trotz Zeitwertbilanzierung die Bildung von Bewertungseinheiten und damit Sonderregeln für die Bilanzierung von Hedging-Aktivitäten für unverzichtbar gehalten. Schließlich gibt eine bloße Markt- oder Zeitbewertung noch keinen Aufschluss über bestehende Sicherungszusammenhänge und das Risikomanagement an sich. Solche über die Zeitwerte der in der Bilanz angesetzten Finanzinstrumente hinausgehenden Informationen sind von großer Bedeutung für die Einschätzung des Risikoprofils eines Unternehmens610. Die Möglichkeit der Bildung von Bewertungseinheiten schafft dem Management andererseits unerwünschten Spielraum. Durch Freiheiten bei der Zuordnung der Grund- zu den Sicherungsgeschäften insbesondere bei Portfolio und Makro Hedging entsteht der potentielle Anreiz, durch Bildung und Auflösung von Bewertungseinheiten 611 das Periodenergebnis zu beeinflussen . 3.

Vergleich von Fair Value Accounting mit den früheren Konzeptionen einer Bilanzierung zum sogenannten Tageswert

Die früheren Konzepte einer Bilanzierung zum Zeit- oder Tageswert beruhten auf Kapitalund Substanzerhaltungsüberlegungen, insbesondere um inflationsbedingter Probleme im Jahresabschluss Herr zu werden. Mit der Konzeption der Substanzerhaltung eng verbunden ist das Verständnis des Tageswerts als Wiederbeschaffungswert. Unter Zeit- oder Tageswert war aus dieser Sicht entsprechend eine Bilanzierung zu den Wiederbeschaffungskosten zu verstehen612. Da Ausgangspunkt aller Fair Value-Überlegungen zunächst der Ansatz zu Marktwerten ist, spricht allerdings einiges dafür, anzunehmen, dass in den vorgesehenen Fällen diese Werte nahezu identisch sind oder als identisch anzusehen sind. Von der Extremsituation einer Zerschlagung des Unternehmens und den dabei regelmäßig weit unter dem Marktwert liegenden Erlösen soll jedenfalls heute ersichtlich nicht ausge613 gangen werden . Heute geht es vielmehr darum, in der Bewertung von Vermögensgegenständen die Cash-flows auszudrücken, die künftig aus diesen Vermögensgegenständen fließen beziehungsweise von diesen generiert werden. Es kann sich bei Fair Value Accounting aus heutiger Sicht somit nur um eine Ertragswertkonzeption unter Going Con609 610 611 612 613

130

Draft Standard, Basis for Conclusions, Tz. 7.6-9. Benecke, Internationale Rechnungslegung, S. 162-164. Vgl. statt aller Glaum/Förschle, DB 2000, 1525, 1527 m.w.N. Vgl. z.B. Baetge, Bilanzen, S. 23 f.; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse. Davon haben sich auch die Bilanztheoretiker seit langem abgewandt. Die Auffassung von der Bilanz als Zerschlagungswertbilanz wurde vom Reichsoberhandelsgericht in ROHGE 12, 15-23 zugrunde gelegt, aber bereits damals namentlich von Simon heftig kritisiert, vgl. Baetge, Bilanzen, S. 12 f.

cern-Gesichtspunkten handeln. Dafür spricht auch das Verständnis von Fair Value als diskontierter, künftig zu erwartender Cash-flow aus dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand. Im Gegensatz zu den früheren Tageswertkonzepten ist daher als Fair Value der Markt- oder Veräußerungswert relevanter als die Wiederbeschaffungskosten. 4.

Ein grundlegend neues Bilanzverständnis des HGB?

Die mit der Einführung von Fair Value Accounting verbundene Annäherung des Rechts der Rechnungslegung an die IFRS beziehungsweise die US-GAAP kann zwar zu Recht 614 als Revolution bezeichnet werden , wesentliche Elemente der Diskussion sind der deutschen Bilanztheorie aber bereits vertraut. Die Bilanzierung zu Zeitwerten ist auch für das deutsche Handelsbilanzrecht und die deutsche Bilanztheorie kein fundamental neuer Gedanke. In der Handelsbilanz nach HGB sind, wie dargelegt, bereits heute an verschiedenen Stellen Zeitwerte vorgesehen. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung über die bisher geregelten Fälle hinaus kann zwar generell zu Kollisionen mit dem heutigen Bilanzverständnis führen615, einige Probleme, die mit der Einführung von Zeitwertbilanzierung einhergehen, sind aber auch heute schon im Gesetz angelegt. Das Konzept ist einschließlich der in vielen Fällen problematischen Ermittlung des Zeitwerts mithin bereits bekannt und vorhanden. Wie beispielsweise in § 280 HGB hat sich der Gesetzgeber auch bereits mit dem Problem der Volatilität und Nichtrealisierung von Zeitwerten auseinandergesetzt und einer Lösung zugeführt, indem er Gewinne aus den 616 Zeitwertveränderungen mit einer Ausschüttungssperre belegt hat . Der Vergleich mit den Ansätzen der klassischen Bilanztheorie zeigt im Übrigen, dass die Einführung von Zeitwertbilanzierung im HGB jedenfalls bilanztheoretisch keinen umwälzenden Systemwechsel nach sich zieht. Insbesondere hat sich gezeigt, dass verschiedene Elemente von Zeitwertbilanzierung in den „klassischen“ Ansätzen bereits vorhanden sind. Es bleibt festzuhalten, dass das Bilanzrecht des HGB zwar grundsätzlich auf den Vorstellungen der statischen Bilanztheorie und damit der Idee der Vermögensermittlung am Bilanzstichtag beruht, aber gleichzeitig Elemente anderer Bilanzauffassungen eine nicht minder bedeutende Rolle für das handelsrechtliche Bilanzverständnis spielen. Die Einführung von Zeitwertbewertung brächte dementsprechend in diesem Bereich nicht den befürchteten, grundsätzlichen und alles umwälzenden Paradigmenwechsel mit sich. Lediglich die Betonung einzelner, bereits vorhandener Elemente würde sich verschieben. Das Bilanzrecht bliebe dennoch eine Mischung einzelner Gedanken derselben Bilanzauffassungen. Allenfalls das Mischungsverhältnis würde sich ändern. Die Betonung läge dann mehr auf Marktwerten als auf Anschaffungs- und Herstellungskosten, dafür weniger auf Ermittlung und Vergleich eines Vermögensstatus als auf der Darstellung eines „Kräftespeichers der Unternehmung“.

614 615 616

Vgl. z.B. FAZ Wirtschaft vom 14.1.2002, S. 11. Hierauf wird im Folgenden eingegangen. S.o. C. VI. 2., S. 115 ff.

131

Wie noch zu zeigen sein wird, hätte die konsequente Einführung von „Full Fair Value Accounting“ zwar weitreichende und fundamentale Veränderungen hervorrufende Folgen im deutschen Recht, insbesondere im Hinblick auf die Grundprinzipien und den Schutzzweck handelsrechtlicher Rechnungslegung; bilanztheoretisch ist aber tatsächlich mehr eine Akzentverlagerung damit verbunden als ein Aufbruch zu völlig neuen und unbekannten Ufern.

VIII. Die absehbare weitere Entwicklung 1.

Pläne der internationalen Standardsetter und Rechnungslegungsstrategie der EU

Bereits aus der geschilderten bisherigen Entwicklung von Zeitwertbilanzierung in den IFRS und den US-GAAP lassen sich bestimmte Aussagen über die Zukunft ableiten. Die Entwicklung nahm ihren Ausgang in dem Problem der Bilanzierung moderner, innovativer, insbesondere derivativer Finanzinstrumente. In einem ersten Schritt wurden in fast allen Rechnungslegungssystemen zunächst Publizitätsvorschriften eingeführt, um eine Einschätzung der Verwendung dieser Instrumente im Unternehmen (Spekulationsoder Sicherungsgeschäft) und der damit verbundenen Risiken zu ermöglichen. Als nächster Schritt folgte die Verpflichtung, wenigstens einen Teil der betroffenen Instrumente, nämlich denjenigen, der dem Markt und einer eventuellen Realisierung am nächsten liegt, in der Regel sogar erfolgswirksam zu bilanzieren. Der Entwurf der JWGSS macht deutlich, dass die Entwicklung an diesem Punkt keineswegs zum Stillstand kommen kann und dehnt die erfolgswirksame Zeitwertbilanzierung auf alle Finanzinstrumente aus. Das „gemischte Modell“ von IAS 39 oder SFAS 133 wird daher über kurz oder lang einer Full Fair Value-Bewertung aller Finanzinstrumente wei617 chen . Das FASB hat seit einiger Zeit ebenfalls die Fair Value-Bilanzierung aller Financial Assets und Liabilities als langfristiges Ziel seiner Reformbemühungen unterstrichen618. Die Erstreckung der Fair Value-Bilanzierung auf grundsätzlich alle Finanzinstrumente steht auch in den US-GAAP mithin unmittelbar bevor. Darüber hinaus sind sowohl USGAAP als auch IFRS im Begriff, die Zeitwertbilanzierung auf weitere Vermögensgegenstände zu erstrecken. Ihnen folgt nunmehr auch die EU-Kommission mit der am 619 6. Mai 2003 verabschiedeten Modernisierungsrichtlinie . Agriculture, Extractive Industries, Investment Property sind die oben bereits näher erläuterten Stichworte, die die617 618 619

132

Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67, S. 71. Vgl. bereits Willis, WPg 1998, 854; SFAS 133.334: „the Board believes that all financial instruments should be carried in the statement of financial position at fair value“; FASB: Preliminary Views. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. L 178/16 v. 17.7.2003.

se Entwicklung illustrieren. Mit Ansatz und Bewertung von immer mehr Vermögensgegenständen zum Fair Value ist daher zu rechnen. Es zeichnet sich ferner ab, dass zukünftig die Zeitwertänderungen aller entsprechend bilanzierten Vermögensgegenstände gewinnwirksam sein werden. Die bisherige Beschränkung auf marktnahe, jederzeit realisierbare Wertveränderungen wird bereits heute aufgegeben oder eingeschränkt. Die Standards beziehungsweise Entwürfe zur Fair Value-Bilanzierung von landwirtschaftlichen Vermögensgegenständen und Bodenschätzen zeigen, dass man sich von einer theoretisch sofortigen Realisierbarkeit entfernt. Der künftig ins Auge gefassten Realisierung und der solange gespeicherten Liquidität, dem heutigen Wert des künftigen Cashflow kommt in diesem Bereich mehr Bedeutung zu als der sofortigen Realisierbarkeit am Abschlussstichtag. Damit geht die Abschaffung der Regeln zum Hedge Accounting einher. Wie im Entwurf der JWGSS schon geschehen, wird sich auch hier die Überzeugung durchsetzen, dass eine konsequente Zeitwertbilanzierung die Besonderheiten des Hedge Accounting überflüssig macht und insbesondere aus Informationsgesichtspunkten überlegen ist. Angesichts dieser Entwicklung hat die EU-Kommission mit der Fair Value-Richtlinie zunächst den kleinstmöglichen Schritt gewählt, eine Kompatibilität des EU-Bilanzrechts mit den IAS beziehungsweise IFRS herzustellen, so dass mit einer baldigen Nachbesse620 rung schon im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung zu rechnen war . Mit der Modernisierungsrichtlinie hat die EU-Kommission jedoch den vom US-amerikanische FASB schon früher vollzogenen Paradigmenwechsel von der Bevorzugung historischer Kosten hin zu möglichst umfassender Zeitwertbilanzierung nachvollzogen621, wie dies auch schon in der Systematik des Richtlinienentwurfs der Fair-Value-Richtlinie wenigstens theoretisch 622 angelegt war . In den jüngeren Verlautbarungen des FASB lässt sich eine schrittweise Lösung vom Ansatz historischer Kosten feststellen.Im Februar 2000 wurde das Statement of Financial Accounting Concepts No. 7 mit dem Titel „Using Cash-Flow Information and Present Value in Accounting Measurements“ veröffentlicht623. In diesem Statement findet eine eingehende Auseinandersetzung mit der Verwendung von Fair Values in der Bilanz statt, insbesondere mit der Ermittlung der anzusetzenden Werte. Das FASB hält den Fair Value für den relevantesten Wertansatz. Für Finanzinstrumente hat es dies ohnehin schon lange formuliert; die weite und umfassende Formulierung von SFAC 7 lässt vermuten, dass dies generell auch für andere Vermögensgegenstände und Schulden unterstellt werden kann. Aus dem Concept Statement geht zwar nicht ausdrücklich hervor, welche Vermögensgegenstände und Schulden künftig zum Fair Value zu bilanzieren sein sollen, es ist aber doch so weit gefasst, dass neben den Financial In-

620 621 622 623

So auch Helmschrott, DStR 2000, 941, 945. Hitz/Kuhner, WPg 2000, 889, 902; ebenso bereits S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81. S.o. C. III. 6. c), S. 98. SFAC 7; dazu ausführlich Hitz/Kuhner, WPg 2000, 889; Starbatty, WPg 2001, 543; Ballhaus/Futterlieb, KoR 2003, 564.

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struments mit der Bilanzierung weiterer Assets und Liabilities zum Fair Value in Zu624 kunft gerechnet werden darf . Das IASB prüfte ebenfalls die weitere Ausdehnung von Zeitwertbilanzierung auf weitere Vermögensgegenstände und Schulden über Finanzinstrumente hinaus. Finanzinstrumente werden hier nur als die ersten (Pilot-)Gegenstände angeführt, anhand derer die Einführung von Fair Value Accounting erstmals versucht wurde. Die Entscheidung, ob weitere Vermögensgegenstände zum Zeitwert bilanziert werden sollen, bleibt ein zentraler Punkt in der Arbeit des IASB und seiner Nachfolgeinstitution im April 2001 neu konstituierten IASB625. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Entwicklung ist eine zu erwartende weitergehende Angleichung der IFRS an die US-GAAP. Dafür trägt nicht nur der erhebliche amerikanische Einfluss auf die Arbeit des IASB Sorge, sondern auch die Zielsetzung des IASB, auf eine Konvergenz der unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme hinzuwirken, hinter der das Bemühen um Anerkennung der IFRS als den USGAAP ebenbürtige Rechnungslegungsstandards auf den US-amerikanischen Kapitalmärkten steht626. Die Entwicklung wird die Rechnungslegungssysteme aller EU-Mitgliedstaaten maßgeblich beeinflussen. Angesichts der bereits vor einigen Jahren formulierten „Neuen Rechnungslegungsstrategie“ der EU steht schon lange fest, dass die IFRS und damit die Bilanzierung zahlreicher Vermögensgegenstände und Schulden zum Fair Value auf dem Weg über das Europarecht Eingang in die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten finden und damit auch vor den HGB nicht halt machen werden627. Seit der Formulierung dieser Strategie ist es ein erklärtes Ziel der EU-Kommission, die europäischen Rechnungslegungsregeln für internationale Regeln zu öffnen und eine Anpassung an die IFRS zu erreichen. Sie bedeutete eine Kehrtwende im Rahmen der Harmonisierung des europäischen Bilanzrechts, die aufgrund verschiedener Schwierigkeiten bis dato auf der Stelle trat628. Während das europäische Bilanzrecht beruhend auf Art. 54 Abs. 3 lit. g EGV a.F. (Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV n.F.) mit dem Schutz der Gesellschafter und Dritter, d.h. insbesondere der Gläubiger, traditionell gesellschaftsrechtlich orientiert war, richtet die Kommission nunmehr ihren Blick verstärkt auf Anlegerschutz und Kapitalmärkte629. Die neue Strategie beruht auf der Einsicht der Kommission, dass angesichts der rasanten Entwick624 625 626 627 628

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Starbatty, WPg 2001, 543, 544. IASC, Statement by the Board, Dec. 2000, Tz. 12. Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67, 69. „Harmonisierung auf dem Gebiet der Rechnungslegung: Eine neue Strategie im Hinblick auf die internationale Harmonisierung“, Mitteilung der Kommission vom 14.11.1995, KOM (95) 508. Dies ist insbes. darauf zurückzuführen, dass die europäischen Rechnungslegungsvorschriften lediglich einen Minimumstandard darstellen und gleichzeitig den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung zahlreiche Wahlrechte einräumen. Darüber hinaus lässt die allgemein gehaltene Formulierung der Richtlinien viel Raum für Interpretationen seitens der Mitgliedstaaten. Vgl. dazu ausführlich van Hulle, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 44; zur Rechnungslegungsstrategie der EU vgl. auch ders., WPg 1998, 138; ders., ZGR 2000, 537; Möllers, AG 1999, 433. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen, KOM (2000) 359 vom 13.6.2000, insbes. S. 1, 5 f.; Schön, ZGR 2000, 706, 708-713.

lung der internationalen Kapitalmärkte die Abschlüsse international ausgerichteter europäischer Unternehmen auf Grundlage der europäischen Rechnungslegungsrichtlinien für diese Märkte nicht mehr verwendbar sind, weil sie den internationalen Anforderungen, insbesondere denjenigen der US-amerikanischen SEC nicht genügen. Daher sind global agierende europäische Unternehmen gegebenenfalls gezwungen, unter hohem Zeit- und Kostenaufwand zwei Abschlüsse oder aufwendige Überleitungsrechnungen zu erstellen, was nach Überzeugung der Kommission nicht nur einen Wettbewerbsnachteil bedeutet, sondern auch zur Verwirrung des Anlegerpublikums und zu Zweifeln an der 630 Glaubwürdigkeit von Rechnungslegungsinformation beiträgt . Auf der Grundlage dieser Strategie veröffentlichte die EU-Kommission am 13. Februar 2001 einen Vorschlag für eine Verordnung, die alle europäischen börsennotierten Gesellschaften sowie Unternehmen, die eine Börsenzulassung vorbereiten, verpflichten soll, ab 1. Januar 2005 IFRS-konforme Konzernjahresabschlüsse vorzulegen631. Durch einheitliche Regelungen von hoher Qualität für alle Kapitalmärkte der EU soll die Vergleichbarkeit und Transparenz der Finanzinformationen erhöht und dadurch die Effektivität der Märkte verbessert und die Kapitalkosten für die Unternehmen gesenkt werden. Anlegerschutz sowie Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Fi632 nanzmärkte sind dabei wichtige Aspekte . Am 7. Juni 2002 hat der Ministerrat die sogenannte EU-IAS-Verordnung auf der Grundlage dieses Entwurfes verabschiedet 633 . Die Verordnung schreibt in ihrem Art. 4 vor, dass ab dem 1. Januar 2005 alle an einem organisierten Kapitalmarkt tätigen Unternehmen ihren Konzernabschluss nach IFRS

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KOM 95 (508), S. 2 u. 4 f. Gleichzeitig ist es ein Anliegen der Kommission, eine Alternative zu den international dominierenden US-GAAP zu schaffen. Durch eine Öffnung und Anpassung der eigenen Vorschriften an die IAS soll diesen international mehr Gewicht verliehen werden. Erst wenn die IAS ein Gegengewicht zu den dominierenden US-GAAP bilden und Anerkennung genießen, erhalten die Europäer auf internationaler Ebene ein Mitspracherecht beim Setzen maßgeblicher Rechnungslegungsstandards und können sich so dem Diktat der SEC entziehen, ebd. S. 2 u. 6; van Hulle, WPg 1998, 138, 139; ders., ZGR 2000, 537, 544. Kritisch zur Fixierung der Kommission auf die IAS mit dem Hinweis auf die faktische Bedeutung der US-GAAP in der heutigen Rechnungslegungspraxis europäischer Unternehmen und die bei einer Umstellung auf IAS erneut anfallenden Kosten: DRSC, Schreiben an das Bundesministerium der Justiz vom 21.9.2000, http://www.drsc.de. EU-Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze, KOM (2001) 80, ABl. C 154 E vom 29.5.2001, S. 285-289. De facto erfordert das eine Umstellung der Rechnungslegung bereits für das Jahr 2003, da für die Bilanz zum 31.12.2005 bereits die Vorjahreszahlen und dafür wiederum die Schlussbilanz 2003 benötigt werden, vgl. Böcking, WPg 2001, 1433, 1434; Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67. EU-Kommission, KOM (2001) 80, S. 9. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. L 243/1 vom 11.9.2002.

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aufzustellen haben, die von der EU-Kommission im Rahmen eines sogenannten „En634 dorsement“-Verfahrens gebilligt und übernommen wurden . Gemäß Art. 6 EU-IAS-Verordnung wird die Kommission im Rahmen dieses Endorsement-Verfahrens durch einen Regelungsausschuss für Rechnungslegung (Accounting Regulatory Committee, ARC) unterstützt635. In einem ersten Schritt hat der Ausschuss der Übernahme sämtlicher bestehender IFRS mit Ausnahme von IAS 32 und 39, die derzeit vom IASB überprüft und überarbeitet werden, zugestimmt. In einem zweiten Schritt werden Kommission und ARC die Billigung und Übernahme von IAS 32 und 39 prüfen, sobald sie vom IASB überarbeitet sind. Dies soll bis März 2004 umgesetzt werden. Übernommene IFRS werden gemäß Art. 3 Abs. 4 der EU-IAS-Verordnung als Kommissionsverordnung vollständig in allen Amtssprachen der Gemeinschaft im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht,. Damit werden die IFRS ins europäische Bilanzrecht integriert und letztlich zu EU-Recht636 . Durch das Endorsement-Verfahren soll gewährleistet werden, dass die IFRS mit europäischem Recht in Einklang stehen und in der EU rechtsverbindlich sind, ohne die Rechtssetzungsbefugnisse der EU auf einen privaten Standardsetter wie das IASB, über den weder die EU 637 noch ihre Organe irgendeine Kontrolle haben, übertragen zu müssen . Gleichzeitig wird auf diese Weise dafür Sorge getragen, dass der Implementierungsprozess nicht zu langwierig gestaltet und die IFRS-Konformität des europäischen Bilanzrechts zeitnah hergestellt werden kann638. Im Zuge des „Endorsement“-Verfahrens zur Übernahme der IFRS kommt den Rechnungslegungsrichtlinien eine wesentliche Bedeutung zu. Die zu übernehmenden IFRS sollen den Richtlinien gegenübergestellt und anhand dieser überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln. Entweder wird ein IFRS vollständig oder überhaupt nicht übernommen.639 Über die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) als Interessenvertretung der Mitgliedstaaten gegenüber dem IASB soll auf den Erlass der IFRS Einfluss genommen und deren Vereinbarkeit mit europäischem Bilanzrecht von vornherein sichergestellt werden, um „Euro-IFRS“ zu vermeiden640.

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Für Unternehmen, die in New York notiert sind und deshalb ihren Konzernabschluss nach USGAAP aufstellen, und für Unternehmen, die nur Schuldverschreibungen und keine Aktien ausgegeben haben, ist eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2006 vorgesehen. Der Ausschuss besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten unter dem Vorsitz der Kommission. Er gibt Stellungnahmen ab zu Vorschlägen der Kommission betreffend die Übernahme von IFRS durch die Kommission gemäß Art. 3 der EU-IAS-Verordnung. Böcking, WPg 2001, 1433, 1437 m.w.N. Diese Lösung wird rechtlich und politisch für problematisch gehalten; vgl. dazu Heintzen, BB 2001, 827; Ernst, BB 2001, 823; Schön, ZGR 2000, 706, 736; zu diesem vorgesehenen, zweistufigen Implementierungsverfahren vgl. auch Ernst, WPg 2001, 1440, 1441. Ernst, WPg 2001, 1440, 1441. Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 396 insbesondere FN. 21 Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 396 M.W.N.

Bei einem Nicht-Endorsement, d.h. wenn IFRS nicht übernommen werden, gelten au641 tomatisch die Regelungen der EU-Rechnungslegungsrichtlinien . Die EU-IAS-Verordnung räumt den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht ein, die Anwendung der IFRS auch für den Konzernabschluss aller übrigen Unternehmen sowie für den Einzelabschluss aller Unternehmen vorzuschreiben oder zu gestatten, vgl. Art 5 der Verordnung. Damit fällt die bislang mögliche befreiende Aufstellung des Konzernabschlusses nach US-GAAP, vgl. § 292 a HGB, weg. In einem „technischen Dialog“ bemühen sich IASB und FASB daher um Konvergenz von IFRS und US-GAAP. Das auch bereits im Verordnungsvorschlag vorgesehene Wahlrecht bezüglich der Einbeziehung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen in die Rechnungslegung nach IFRS darf allerdings nicht so verstanden werden, dass diese Unternehmen langfristig von der IFRSBilanzierung ausgenommen sein sollen. Vielmehr geht es lediglich darum, eine allmähliche und schrittweise Annäherung zu erreichen, um auch diesen Unternehmen ein „langsames Hineinwachsen“ in die Bilanzierung nach IFRS zu ermöglichen642. Dies gelingt über die Rechnungslegungsrichtlinien, die als Rechtsgrundlage für die Rechnungslegung von Unternehmen, die nicht der EU-IAS-Verordnung unterliegen und ihren Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss daher nicht nach IFRS erstellen. Die Modernisierung der Rechnungslegungsrichtlinien und deren Anpassung an die IFRS durch die FairValue- und die Modernisierungsrichtlinie ermöglicht eine an die jeweiligen nationalen Gegebenheiten angepasste und zeitlich flexible Transformation der für diese Unternehmen weiterhin anwendbaren einzelstaatlichen Rechnungslegungsnormen hin zu den IFRS643. Letztlich wird dadurch unterstrichen, dass die EU in den IFRS ein Rechnungslegungssystem für alle zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen sieht, da einerseits durch die EU-IAS-Verordnung diese unmittelbare Geltung für den Konzernabschluss börsennotierter Unternehmen erlangen, gleichzeitig aber über die Fair-Valueund Modernisierungsrichtlinie eine schrittweise Angleichung des europäischen Bilanzrechts mit den IFRS herbeigeführt wird, und somit auch die nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit weiteren Änderungen der Richtlinien an die IFRS herangeführt werden. Anders als in den USA kommt es daher in Europa gerade nicht zur Spaltung der Rechnungslegung nach Einzel- und Konzernabschluss bzw. nach der Kapitalmarktorientierung. Die EU-Rechnungslegungsstrategie lässt vielmehr keinen Zweifel darüber aufkommen, dass auch die nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit weiteren Änderungen der Richtlinien und einer damit einhergehenden Angleichung an die IFRS zu rechnen haben644. Durch diese zweigleisige Reform des EU-Bilanzechts über eine 641 642 643

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4. und 7. EU-Richtlinie, 78/660/EWG bzw. 83/349/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen; Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 396. Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67. Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen sowie Versicherungsunternehmen, KOM (2002) 259/2 vom 9. Juli 2002, S. 24. Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 396.

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direkte Anwendung der IFRS einerseits und eine Angleichung der Rechnungslegungsrichtlinien an die IFRS andererseits werden die IFRS und Fair Value Accounting in weiterem Umfang in allen europäischen Bilanzrechtsordnungen jedenfalls im Konzernabschluss verpflichtend. 2.

Erstreckung auf den Einzelabschluss

Angesichts dieser Entwicklung lässt sich die Diskussion über die Einführung international anerkannter Rechnungslegungsstandards im deutschen Bilanzrecht nicht auf den Konzernabschluss beschränken. Zwar ist die Konzentration auf diesen mit weniger dogmatischen Problemen verbunden und eine Einführung neuer Prinzipien zieht hier nicht unmittelbar systemverändernde Konsequenzen nach sich, die Entwicklung in Richtung einer Internationalisierung der Rechnungslegung wird aber letztlich auch vor 645 dem Einzelabschluss nicht halt machen können . Konzern- und Einzelabschluss können nicht als zwei völlig unabhängig voneinander bestehende Institute betrachtet werden. Obwohl sie rechtlich zwei voneinander unabhängige Gebilde darstellen, die generell anderen Vorschriften und Prinzipien folgen („Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung“)646, bestehen doch faktische und wirtschaftliche Interdependenzen. Dies beginnt bereits mit der Erfüllung der jeweiligen Aufgaben von Konzern- und Einzelabschluss. Obwohl die Aufgabe des Konzernabschlusses ausschließlich die Ver647 mittlung von Information ist , während der Einzelabschluss zahlreiche teilweise ein648 ander widersprechende Funktionen zu erfüllen hat , ist der Konzernabschluss allein nicht in der Lage, die Informationsbedürfnisse der Anleger tatsächlich zu befriedigen. Denn die Bedürfnisse der Anleger sind auch auf Informationen über die Einzelunternehmen gerichtet. Solange der Einzelabschluss ausschließlich für die Höhe eventueller Ausschüttungen maßgeblich ist, ist der Einzelabschluss neben dem Konzernabschluss für die Information der Anleger schon alleine deshalb von erheblicher Bedeutung, weil deren Informationsinteressen nicht zuletzt auf die Höhe zu erwartender Dividendenzahlungen gerichtet sind649. Dies ist allerdings nur ein Teilaspekt. Die Entwicklung von Einzelunternehmen kann von erheblichem Einfluss auf die Entwicklung des Konzerns sein, so dass ein über die Dividendenhöhe hinausgehendes generelles Interesse an Information über die Einzelunternehmen nicht von der Hand zu weisen ist650.

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So auch Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 720 m.w.N.; ders., in: MüKo-HGB, § 292 a Rn. 10; ebenso Hahn, DStR 2001, 1267, 1268; Euler, BB 2002, 875. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 519, 549, 560 unter Hinweis auf §§ 298 Abs. 1, 300 Abs. 1 S. 2 HGB. Statt aller Busse von Colbe, in: MüKo-HGB, Vor § 290 Rn. 23; ders., in: F.W. Wagner (Hrsg.), S. 11, 19 u. 26 f. Zu den Funktionen des Einzelabschlusses vgl. unter D. I. 2. a) (2), S. 150 ff. Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 108 m.w.N. Böcking, WPg 2001, 1433, 1438.

Die Informationsvermittlung von Einzel- und Konzernabschluss greift somit ineinander und ergänzt sich. Trotz generell unterschiedlicher Funktionen und Aufgaben ist eine strikte Trennung von Einzel- und Konzernabschluss und der jeweils anzuwendenden Prinzipien aufgrund des engen Zusammenwirkens beider bei der Erfüllung dieser Funk651 tionen daher kaum aufrechtzuerhalten . Unterschiedliche GoB für Einzel- und Konzernabschluss und unterschiedliche Konzeptionen bei zentralen Fragen der Rechnungslegung wie Ansatz und Bewertung, wie sie heute noch durch die Befreiungsregelung in § 292 a HGB möglich sind, tragen mehr zur Verwirrung und Desinformation der Bilanzleser bei, als den Aufgaben des Jahresabschlusses zu genügen. Im Interesse einer konsistenten Rechnungslegung und Informationsvermittlung in Einzel- und Konzernabschluss müssen daher jeweils dieselben Wertmaßstäbe gelten. Nur wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse von Einzelunternehmen und Konzern aus einer identischen Sichtweise dargestellt werden, erlangen die Abschlüsse im Verhältnis zueinander und in ihrer jeweiligen Ergänzung hinreichende Aussagekraft652. Die Einführung informationsorientierter Rechnungslegungsvorschriften auch für den Einzelabschluss ist daher ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Information aller Unternehmensbeteiligten653. Eine Trennung von Einzel- und Konzernabschluss lässt sich im Übrigen auch in der Praxis nicht aufrechterhalten. Rückwirkungen vom Konzernabschluss auf den Einzelabschluss können im Gegenteil nicht generell ausgeschlossen werden654. Insbesondere bei der Ausübung von Wahlrechen werden die Bilanzierenden dazu verleitet sein, dies auch bei der Erstellung des Einzelabschlusses im Einklang mit den Grundsätzen internationaler Konzernrechnungslegung zu tun, was dazu führen wird, dass diese Grundsätze Eingang in den Einzelabschluss finden und Einzel- und Konzernabschluss sich insoweit 655 auch ohne Zutun des Gesetzgebers angleichen . Entsprechend werden auch die Einzelgesellschaften großer Konzerne, deren Mütter heute bereits nach international anerkannten Standards bilanzieren, langfristig ebenfalls ein Interesse daran entwickeln, ihren Jahresabschluss nach denselben Standards aufzustellen wie die Konzernmutter656. Allein aus ökonomischen Gründen und um der besseren Vergleichbarkeit willen sollten der Einzelabschluss des Mutterunternehmens und die Einzelabschlüsse der Töchter nach den gleichen – im Zweifel international anerkannten – Vorschriften aufgestellt werden dürfen wie der Konzernabschluss657.

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Trotz unterschiedlicher Aufgaben besteht eine enge inhaltliche Verknüpfung von Konzern- und Einzelabschluss, Schön, ZGR 2000, 706, 721. Hahn, DStR 2001, 1267, 1268 m.w.N.; Budde, FS Beisse, S. 105, 115-121, insbes. S. 117; Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 108 f. Böcking, WPg 2001, 1433, 1438; zur Forderung nach einem IFRS-Einzelabschluss insbesondere zur Herstellung zwischenbetrieblicher Vergleichbarkeit vgl. auch Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 2003, 1585. Vgl. Ebke, ZIP 1999, 1193, 1196 m.w.N. hinsichtlich der eigentlich auf den Konzernabschluss konzentrierten Regulierungstätigkeit des DRSC. Budde, FS Beisse, S. 120. Vgl. Busse von Colbe, in: Altenburger/Busse von Colbe/Küpper u.a., BFuP 2001, 67. Hahn, DStR 2001, 1267, 1268.

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Über seine Informationsfunktion hinaus dient der Konzernabschluss in vielen Gesellschaften bereits de facto als Bemessungsgrundlage für die Ausschüttungen. So ist er inzwischen in vielen Gesellschaften materiell die Basis für den Ausweis des Jahresergebnisses und die Bemessung der Ausschüttung der Muttergesellschaft. In 42 von 100 deutschen Großkonzernen wird daher ein mit dem Bilanzergebnis der Konzernmutter identisches Konzernergebnis ausgewiesen, um Verwirrung unter den Aktionären insbesonde658 re über die Höhe des Ausschüttungsbetrages zu vermeiden . Auf den sich zunehmend entwickelnden Kapitalmärkten werden vom Einzelabschluss abweichende Konzerner659 gebnisse daher zusätzliche Fragen aufwerfen und „Begehrlichkeiten“ wecken . Die Unternehmen geraten so unter zusätzlichen Begründungszwang. Rechtspolitisch ist eine Beschränkung der Einführung international anerkannter Rechnungslegungsstandards einschließlich Zeitwertbilanzierung auf den Konzernabschluss ebenfalls verfehlt. So eröffnet die bisherige, bis zum 31. Dezember 2004 befristete Regelung des § 292 a HGB nur den sogenannten „Global Players“ die Möglichkeit einer Rechnungslegung nach internationalen Standards. Unternehmen, die nicht zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sind, sind jedoch zunehmend weltweit tätig und an den Finanzierungsmöglichkeiten über die Kapitalmärkte interessiert660. Die Inanspruchnahme beispielsweise des Neuen Marktes in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zeigt, dass auch kleinere und mittlere Unternehmen ein Interesse an der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes haben. Solchen Unternehmen darf gerade der attraktive US-amerikanische Kapitalmarkt ebenfalls nicht verschlossen bleiben. Zwar haben sich schon seinerzeit die am Neuen Markt notierten Unternehmen privatrechtlich verpflichtet, einen Jahresabschluss nach IFRS oder US-GAAP aufzustellen661, das Ziel, Unternehmen von den Kosten einer dualen Rechnungslegung zu entlasten, muss aber nicht nur für die großen Konzerne, sondern auch und gerade für kleinere und mittlere Unternehmen gelten662. Die Frage, warum die von Kapitalmarkt und Kreditinstituten für den Konzernabschluss als besser angesehenen Regeln nicht auch für den Einzelabschluss gelten sollen, stellt sich damit für Unternehmen aller Größenordnungen663. Neben den Zugang zu fremden Kapitalmärkten tritt die Vergleichbarkeit miteinander im Wettbewerb stehender Unternehmen auf dem heimischen Markt. IFRS und US-GAAP erleichtern es Außenstehenden, vor allem Kunden und den betroffenen Unternehmen 664 selbst, verschiedene Konkurrenten miteinander zu vergleichen . Dies gilt in demselben 658 659 660 661 662 663 664

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MüKo-HGB/Busse von Colbe, Vor § 290 Rn. 28 f.; MüKo-HGB/Böcking/Nowak, §§ 340 i, j Rn. 8 m.w.N. Vgl. Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 248 m.w.N. Hahn, DStR 2001, 1267, 1268. Vgl. Ziff. 7.3.2 Regelwerk Neuer Markt; Baetge/Beermann, StuB 1999, 341. Hüttche, RIW 1996, 1018, 1023. Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 720 m.w.N; dagegen Euler, BB 2002, 875, 879 f., der sich dafür ausspricht, die IAS auf den (Einzel-)Abschluss prüfungspflichtiger und börsennotierter Unternehmen zu beschränken. Nur hier bestehe schließlich auch ein Kapitalmarktinteresse. Baetge/Beermann, StuB 1999, 341.

Maße für Investoren. Sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalgeber haben ein Interesse daran, die finanzielle Lage von Unternehmen auf internationaler Ebene miteinander vergleichen zu können. Gerade mittelständische Unternehmen sehen hier jedoch eine Grenze, die der Information durch Rechnungslegung gezogen werden muss. IFRS und US-GAAP stellen aus dieser Perspektive zu hohe Informationsanforderungen an kleine und mittlere Un665 ternehmen . Zuviel Transparenz wird abgelehnt, um nicht der Konkurrenz einen unerwünscht tiefen Einblick in das eigene Unternehmen und die eigene Kalkulation bieten zu müssen. Überschreiten diese Unternehmen die Schwelle zu Größenordnungen, die eine Inanspruchnahme ausländischer Absatz- und Kapitalmärkte erforderlich machen, ist es in ihrem eigenen Interesse, sich den Informationsanforderungen zu beugen und sich auf diese Weise die Finanzierungsmöglichkeiten attraktiver Kapitalmärkte zu erschließen. Die Übernahme internationaler Standards für den Einzelabschluss ist daher nach Abwägung aller Umstände insgesamt wünschenswert und langfristig wohl auch unausweichlich666. Die angestrebte Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse europäischer Unternehmen, wenn nicht sogar von Unternehmen weltweit, ist anders jedenfalls nicht zu erreichen667. In einer Stellungnahme vom 15. Mai 2001 gegenüber dem Bundesministerium der Justiz spricht sich auch das IDW dafür aus, dass langfristig alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der 4. EU-Richtlinie fallen, auch ihre Einzelabschlüsse unter Beachtung der IFRS aufstellen sollten, wenngleich dies erst nach umfassenden Anpassungen im Gesellschafts- und Steuerrecht auf EU- und Mitgliedstaatenebene er668 folgen könne . Dies schließt die Einführung von Fair Value Accounting für zahlreiche Vermögensgegenstände ein. Die Fair Value- und Modernisierungsrichtlinie ebenso wie die EU-IAS-Verordnung belassen den Mitgliedstaaten zwar bislang noch ein Wahlrecht, ob sie die Fair Value-Bewertung auch für den Einzelabschluss zulassen oder vorschreiben wollen, eine Übernahme der neuen Bewertungsgrundsätze auch für den Einzelabschluss ist aber aus heutiger Sicht insbesondere in Erwartung weitergehender Rechtsangleichung im Bereich des Bilanzrechts nicht mehr auszuschließen. Im Hinblick auf die Entwicklung und Förderung des heimischen Kapitalmarktes wäre dies rechtspolitisch jedenfalls erstrebenswert669. Für den deutschen Gesetzgeber ergibt sich aufgrund der Vorgaben der EU Umsetzungsbedarf im Bilanzrecht. Zwar ist der Gesetzgeber bis zum heutigen Zeitpunkt dem 665 666 667 668 669

Böcking, WPg 2001, 1433, 1437. Vgl. auch Max Dietrich Kley, Präsident des Deutschen Aktieninstituts (DAI), in: FAZ Finanzmarkt vom 5.4.2001, S. 33: „Deshalb müßten IAS und US-GAAP angeglichen und auf Dauer auch für deutsche Einzelabschlüsse vorgesehen werden“; Hahn, DStR 2001, 1267, 1268. Vgl. Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67, 73. FN-IDW 2001, 221, 223. Ebenso gegenüber dem DSR, FN-IDW 2001, 228, 229. Vgl. Art. 42 a Abs. 1 S. 2 der Richtlinie; Art. 42 a Abs. 2 des Richtlinienentwurfs; Ernst, WPg 2001, 245, 247, 253; FAZ Wirtschaft – Management im Überblick vom 24.9.2001, S. 30; Hahn, DStR 2001, 1267, 1268; Hopt, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 27, 49 f.; Bruns, WPg-Sonderheft 2001, S. 67, 73. Eine mehr kapitalmarktorientierte Ausrichtung des deutschen Aktien- und Bilanzrechts und die Einführung international üblicher Bilanzstandards gehören daher auch zum langfrsitigen Reformprogramm des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, vgl. Seibert, AG, 2002, 417, 419.

141

Gebot zur Umsetzung der Fair-Value-Richtlinie nicht nachgekommen, so dass mit einer baldigen Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie wohl ebenfalls nicht zur rechnen 670 sein wird . Immerhin hat die Bundesregierung in ihrem Zehn-Punkte-Programm aber nunmehr die Einführung der Fair-Value-Bewertung für Finanzinstrumente im Konzernabschluss vorgesehen, soweit hierfür liquide Märkte bestehen 671 . Das Zehn-PunkteProgramm der Bundesregierung sieht ferner vor, dass IFRS auch von nicht börsennotierten Unternehmen für den Konzernabschluss gewählt werden können. Darüber hinaus will die Bundesregierung jedenfalls zu Informationszwecken die IFRSRechnungslegung auch im Einzelabschluss zulassen, der dann gemäß § 325 HGB beim Handelsregister eingereicht beziehungsweise bei großen Kapitalgesellschaften im Bundesanzeiger veröffentlicht wird672. Dabei soll allerdings der nach HGB aufzustellende Einzelabschluss, der dem Gläubigerschutz, der Ausschüttungsbemessung und der Besteuerung dient, erhalten bleiben673. Damit hat sich die Bundesregierung vom Konzept eines einheitlichen Abschlusses für Steuer-, Ausschüttungsbemessungs- und Informati674 onszwecke verabschiedet . Mit dieser Konzeption folgt die Bundesregierung auch den Empfehlungen des Arbeitskreises „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, der ebenfalls die Aufstellung eines IFRS-Einzelabschlusses befürwortet, für Zwecke der Besteuerung, Ausschüttungsbemessung und des Feststellens einer Überschuldung aber einen weiteren „Einheitsabschluss“ fordert, der nach Regeln aufzustellen sein soll, die auf der Grundlage der bestehenden handels- und steuerrechtlichen Grundsätze insbesondere unter Beibehaltung des Realisationsprinzips zu entwickeln sind675. Eine Annäherung des HGB an IFRS ist aber auch im Einzelabschluss grundsätzlich durch die EU gewollt und sollte (und muss) vom deutschen Gesetzgeber sowohl für den Konzern als auch für den Einzelabschluss umgesetzt werden676. Dies ist nicht allein eine

670 671 672 673

674 675 676

142

Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 400. Pressemitteilung der Bundesregierung vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de. Zehn-Punkte-Programm, Ziff. 4, Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de Am 15.12.2003 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf eines Bilanzrechtsreformgesetzes vorgelegt, der die weitgehende Anwendung der IFRS ermöglichen soll und insoweit die Vorhaben des Zehn-Punkte-Programms umsetzt. Die IFRS sollen im Einklang mit der EU-IASVerordnung im Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen verpflichtend sein, im Konzernabschluss nichtkapitalmarktorientierter Unternehmen und im Einzelabschluss wird den Unternehmen diesbezüglich ein Wahlrecht eingeräumt, wobei jedoch zu Gewinnausschüttungsund Steuerzwecken die Erstellung eines HGB-Einzelabschlusses verpflichtend bleibt. Pressemitteilung vom 15.12.2003, http://www.bmj.bund.de. So auch Prinz, DStR 2003, 1359, 1363. Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 2003, 1585, 1588, s.o. Fn. 653. Aus europäischer Sicht ist die insofern schlüssig als - zumindest langfristig - auch das europäische System des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes überprüft und nach tauglichen Alternativen gesucht werden soll; die Aufrechterhaltung des Nennkapitals stünde dann der IFRSBilanzierung im Einzelabschluss nicht mehr im Wege, vgl. Aktionsplan der EU-Kommission, KOM (2003) 284, S. 21.

Frage der Umsetzungspflicht der maßgeblichen EU-Richtlinien, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Rechtsordnung, des deutschen Kapitalmarkts und der deutschen Unternehmen. Die Diskussion über die Eignung der IFRS für den Jahresabschluss muss hiermit als beendet angesehen werden. Es gilt zu vermeiden, dass langfristig zwei unterschiedliche Rechnungslegungssysteme in einem Rechtskreis angewendet 677 werden . Die Vorgabe des Zehn-Punkte-Programms, einen IFRS-orientierten Konzernabschluss sowie einen (Informations-) Einzelabschluss nach IFRS neben einem dem Gläubigerschutz, der Ausschüttungsbemessung und der Steuerung dienenden HGBEinzelabschluss aufzustellen, ist daher langfristig nicht zukunftstauglich.

677

Böcking/Herold/Wiederhold, Der Konzern 2003, 394, 406.

143

D.

Rechtliche Konsequenzen von Rechnungslegung auf der Grundlage von Zeitwerten

Rechnungslegungsstandards sind ein wesentlicher Bestandteil der Rechts- und Wirtschaftsordnung eines Staates. Aus diesem Grunde verbietet sich auch ihre isolierte Betrachtung678. Im Rahmen des Konzernabschlusses sind die Auswirkungen von Systemveränderungen im Recht der Rechnungslegung allerdings noch verhältnismäßig gering, denn der Konzernabschluss nach deutschem Recht steht für sich allein, und es sind keine unmittelbaren Rechtsfolgen in angrenzenden Rechtsgebieten mit ihm verbunden679. Weder das Steuerrecht knüpft an den Konzernabschluss an noch die gesellschaftsrechtlichen Ansprüche der Aktionäre, geschweige denn die Vorschriften zur Ausschüttungsbemessung und Kapitalerhaltung680. Der Konzernabschluss in Deutschland dient vielmehr ausschließlich der Information. Entsprechend seiner Konzeption als Informationsinstrument ist der Konzernabschluss – anglo-amerikanischen Gepflogenheiten folgend – dabei, sich zum maßgeblichen Instrument für die Kommunikation der Unternehmen mit 681 dem Kapitalmarkt zu entwickeln . Der Übergang von der Bewertung zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zur Rechnungslegung auf der Basis von Zeitwerten kann daher im Konzernabschluss problemlos und ohne Verwerfungen innerhalb des gesamtrechtlichen Normengefüges vollzogen werden. Entsprechend ließ sich auch die Befreiung von der Aufstellungspflicht nach deutschem Konzernrechnungslegungsrecht gemäß § 292 a HGB ohne weitere Komplikationen ins deutsche Recht einfügen682, wie überhaupt die Diskussion über die Anwendung internationaler Standards im deutschen Bilanzrecht in der Vergangenheit weitgehend auf den Konzernabschluss beschränkt blieb683. Heute sind Tendenzen in Richtung einer immer stärkeren Öffnung auch des Einzelabschlusses für international anerkannte Rechnungslegungsstandards erkennbar. An den Einzelabschluss sind aber verschiedene, sehr wesentliche Rechtsfolgen geknüpft. Insbesondere bei den Vorschriften über Ansatz und Bewertung, überschneiden sich Bilanz-, Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht und bilden ein enges Beziehungsgeflecht. Daher können Veränderungen im Einzelabschluss erhebliche Konsequenzen in anderen Rechtsgebieten nach sich ziehen. 678 679 680 681 682

683

Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 71; Havermann, FS Moxter, S. 655, 677. Budde, FS Clemm, S. 81, 87; ganz h.M. Vgl. Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 123, 135 m.w.N. Vgl. statt aller MüKo-HGB/Busse von Colbe, Vor § 290 Rn. 23; ders., in: F.W. Wagner (Hrsg.), S. 19 u. 26 f.; IDW, FN-IDW 2001, 637. Vgl. statt aller Strobl, FS Clemm, S. 389, 391 m.w.N.; § 292 a HGB stellt sich freilich ebenfalls nur als Übergangslösung dar. Bereits mit dem KapCoRiLiG vom März 2000 wurde sein Anwendungsbereich erweitert. Seine Geltung ist jedoch bis Ende 2004 befristet; stattdessen schreibt ab dem 1.1.2005 die EU-IAS-Verordnung die Erstellung des Konzernabschlusses kapitalmarktorientierter Unternehmen nach IFRS vor. Schön, WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 76.

145

Bei den IFRS indessen können solche Zusammenhänge nicht bestehen. Als Empfehlungen eines internationalen Gremiums können sie nur in dem Bereich wirken, der ihnen von den teilnehmenden Staaten zur Regelung beziehungsweise Empfehlung übertragen wurde. Verknüpfungen mit Rechtsgebieten, die nationaler – oder wie im Falle der Europäischen Union supranationaler – Legislative vorbehalten sind, sind daher von vornherein 684 nicht denkbar . Bei den US-GAAP bestehen ebenfalls keine vergleichbaren Verknüpfungen des Einzelabschlusses mit anderen Rechtsgebieten. Veränderungen der Rechnungslegungsstandards und Bilanzierungsprinzipien müssen daher nicht unmittelbar Auswirkungen in angrenzenden Regelungsbereichen nach sich ziehen685. Allerdings wird in den Vereinigten Staaten dem Konzernabschluss eine wesentlich größere Bedeutung zugemessen als in Deutschland. Er ist das primäre Informationsinstrument zwischen Unternehmen und Kapitalanlegern und seine Daten dienen meist als eine der Entscheidungsgrundlagen bei der Festlegung der auszuschüttenden Dividende durch das Board686.

I.

Auswirkungen der Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss nach deutschem Recht

1.

Die traditionelle Funktion der handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für das deutsche Recht im Überblick

Die Handelsbilanz nach deutschem Recht ist kein Selbstzweck, sondern hat zahlreiche Funktionen zu erfüllen. Gerade die bilanziellen Ansatz- und Bewertungsvorschriften bilden daher die Schnittstelle verschiedener Rechtsgebiete, die alle gemeinsam ein aufeinander abgestimmtes und eng verzahntes Gebilde darstellen. Fragen der Zeitwertbilanzierung berühren das deutsche Recht daher an zahlreichen Punkten. De lege lata handelt es sich bei diesem Gebilde insbesondere im Recht der Kapitalgesellschaften um ein umfassend aufeinander abgestimmtes System des Gläubigerschutzes. Dazu gehört im Gesellschaftsrecht das Nennkapitalprinzip mit den Grundsätzen von Kapitalaufbringung und -erhaltung, das ergänzt wird durch die handels- beziehungsweise bilanzrechtlichen Vorschriften zur vorsichtigen Bilanzierung und Gewinnermittlung, die wiederum der Ausschüttungsbeschränkung und damit der Kapitalsicherung dienen. Bilanz- und Gesellschaftsrecht wollen hier Hand in Hand ein Finanzpolster zur Sicherung der Gläubiger schaffen687. Die engen Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz durch Kapitalsicherung (besser: Vermögensbindung) und den Regeln des Bilanzrechts beruhen somit vor allem auf der Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz. 684 685 686 687

146

So haben die IAS insbes. keine Bedeutung für Ausschüttungsbemessung oder steuerliche Zwecke, vgl. statt aller: Hüttche, RIW 1996, 1018, 1019. Zur Rechtsnatur der IAS als Empfehlungen eines privaten Gremiums vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 415-425. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 54 f. u. 73 f. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 173-175; zur Ausschüttungsbemessung s.u. D. II. 2. b), S. 192 ff. Vgl. Kübler, ZHR 1995, 550, 555.

Beide Rechtsgebiete sind auf diese Weise so eng miteinander verschränkt, dass eine isolierte Betrachtung der Komplexität der gesetzlichen Regelung nicht gerecht werden kann, denn fundamentale Änderungen im Handelsbilanzrecht können erhebliche Er688 schütterungen im Kapitalgesellschaftsrecht bewirken und umgekehrt . Die Übernahme von IFRS oder US-GAAP, insbesondere aber einer Bilanzierung zum Zeitwert in den Einzelabschluss, kann daher das gesamte Gläubigerschutzkonzept im Zusammenklang von Kapitalaufbringung und -erhaltung, Ausschüttungsbemessung und Vorsichtsprinzip 689 in Frage stellen . Das Insolvenz- beziehungsweise Konkursrecht und das Steuerrecht durch den in § 5 Abs. 1 EStG normierten Grundsatz der Maßgeblichkeit sind ebenfalls in dieses System eingebunden. Im Konkurs- beziehungsweise Insolvenzrecht haben Regelungen und Wertungen des Handelsbilanzrechts und die Grundsätze des gesellschafts690 rechtlichen Kapitalschutzes allerdings nach h.M. allenfalls indizielle Bedeutung . Dennoch kann die Einführung von Zeitwertbilanzierung auch auf dieses Beziehungsgeflecht nicht ohne Auswirkungen bleiben. Während das Insolvenzrecht gleichermaßen dem Schutz und der Befriedigung der Gläubiger dient (vgl. § 1 InsO), stellt das durch das Maßgeblichkeitsprinzip angebundene Steuerrecht allerdings keinen fundamentalen Bestandteil dieses dem Gläubigerschutz verpflichteten Systems dar. Das Handelsbilanzrecht ist in erster Linie gesellschaftsrechtlich geprägt691. Die Verknüpfung der Steuer- mit der Handelsbilanz beruht primär auf anderen Überlegungen wie der Unzumutbarkeit der staatlicherseits auferlegten Pflicht, zwei verschiedene Jahresabschlüsse zu erstellen. Die Einheitsbilanz im Sinne der Identität von Handels- und Steuerbilanz wird insbesondere für kostensparender 692 gehalten als die Aufstellung einer gesonderten Bilanz für Steuerbemessungszwecke . Gläubigerschutzgesichtspunkte schwingen hier allenfalls insofern mit, als die Anknüpfung der Besteuerung an den im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn sicherstellt, dass die Besteuerung nicht zu Lasten der Gläubiger die Leistungsfähigkeit des Unternehmens überfordert. Den steuerrechtlichen Auswirkungen der Einführung von Zeitwertbilanzierung im handelsrechtlichen Einzelabschluss soll daher im Folgenden nur der Vollständigkeit halber, aber nicht vertiefend nachgegangen werden693.

688

689 690 691 692 693

Ebenso Schulze-Osterloh, ZIP 2001, 1433, 1436 f. Der enge Zusammenhang zwischen Rechnungslegung und Kapitalgesellschaftsrecht zeigt sich übrigens auch in der weitgehend synchron gehenden Fortentwicklung, die beide Rechtsmaterien in den USA jüngst durchlaufen haben, Kübler, ZHR 1995, 550, 555. Vgl. auch Strobl, FS Clemm, S. 389, 391. Daran hat sich auch durch die Einführung der InsO nichts geändert, vgl. §§ 102, 207 KO und §§ 16-19 InsO. Vgl. dazu auch Biener, DStZ 1997, 345, 347. Vgl. dazu ausführlich: Sigloch, BFuP 2000, 157; Schulze-Osterloh, ZGR 2000, 594, 595. Vgl. dazu ausführlich Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung.

147

2.

Auswirkungen von Fair Value Accounting in der Handelsbilanz

Eine Übernahme von IFRS oder US-GAAP im deutschen Handelsbilanzrecht würde zahlreiche fundamentale Veränderungen mit sich bringen. Die international anerkannten Rechnungslegungsstandards weichen an zahlreichen Stellen von deutschen Bilanzie694 rungsprinzipien ab . Insbesondere aber die Einführung von Bilanzierung zum Zeitwert führt, ob isoliert oder im erweiterten Rahmen der Übernahme international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze, zu grundlegenden Konflikten mit den traditionellen deutschen Bilanzierungsregeln. Zeitwertbilanzierung führt in Ansatz und Bewertung zu erheblichen Abweichungen vom traditionellen deutschen Bilanzrecht, insbesondere vom Vorsichtsprinzip und den mit ihm im Zusammenhang stehenden Bilanzierungsgrundsätzen. Aufgrund der besonderen Relevanz der handelsrechtlichen Vorschriften und GoB, betreffend Ansatz und Bewertung für die Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns und damit für das Kapital- und Gläubigerschutzsystem, sind die Folgen der Einführung von Zeitwertbilanzierung an dieser Stelle von besonderem Interesse. Zeitwertbilanzierung berührt damit Grundfragen und Grundprinzipien des deutschen Handelsbilanzrechts sowie seine gesetzlich bestimmte Aufgabe und Funktion695. a)

Schutzzweckkonzeption des Handelsbilanzrechts

(1)

Grundprinzipien handelsrechtlicher Bilanzierung

Aufgaben und Zielsetzung von Rechnungslegung in Deutschland werden vom Gesetz 696 nicht ausdrücklich genannt . Sie müssen daher erst aus dem Gesetz heraus, insbesondere aus seinen Grundprinzipien entwickelt werden, um nicht den Willen des Gesetzgebers zu konterkarieren697. Zu den Grundprinzipien gehören auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB), die teilweise direkt im Handelsbilanzrecht kodifiziert sind, teilweise kraft Verweisung für das gesamte Recht der Rechnungslegung Geltung erlangen, vgl. § 243 Abs. 1 HGB698. Das deutsche Bilanzrecht geht in seiner heutigen Gestalt maßgeblich auf das BiRiLiG vom 19.12.1985 zurück. Bei diesem Gesetz handelt es sich um die Umsetzung der 4., 7. und 8. EG-Bilanz-Richtlinien betreffend den Jahresabschluss von

694 695

696 697 698

148

Z.B. bei der Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände; die Literatur zu US-GAAP und Rechnungslegung nach HGB ist beinahe unüberschaubar; einen Überblick liefert Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 37 f. Dies gilt jedenfalls solange, wie man am Konzept der Einheitsbilanz festhält; in ihrem ZehnPunkte-Programm sieht die Bundesregierung jetzt einen weiteren IAS-Einzelabschluss ausschließlich zu Informationszwecken vor, der zusätzlich neben den HGB-Einzelabschluss treten soll, Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de; Prinz, DStR 2003, 1359, 1363. Anders die US-GAAP und die IAS; hier werden im Conceptual Framework ausdrücklich Aufgaben und Zwecksetzung von Rechnungslegung aufgeführt; vgl. Ballwieser, in: FS Kropff, S. 371, 375. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 12; Baetge, Bilanzen, S. 104; vgl. zum Ganzen auch Moxter, FS Goerdeler, S. 361, 363-365. Hopt, HGB, § 238 Rn. 11.

Kapitalgesellschaften, den Konzernabschluss und die Abschlussprüfung. Ziel der Reform war insbesondere eine verbesserte Selbstinformation des Unternehmers im Interesse verbesserter Entscheidungsfindung. Zentraler Grundsatz der für den Einzelabschluss maßgeblichen 4. (Bilanz-) Richtlinie ist daneben das aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende Prinzip des „true and fair view“, vgl. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie sowie deren Präambel. Aus der Richtlinie ergibt sich immerhin, dass das Ziel der europäischen Harmonisie699 rung der Rechnungslegung der Schutz der Gesellschafter sowie Dritter ist . Ob im deutschen Recht die Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern gleichermaßen geschützt werden sollen, ist allerdings nach wie vor umstritten. Durch die Weitergeltung der traditionellen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung werden die zentralen Vorstellungen der Richtlinie im deutschen Recht relativiert. Es gilt, die mit der Richtlinie neu hinzugekommenen Vorstellungen von Sinn, Zweck und Funktion von Rechnungslegung mit dem traditionellen Verständnis zu versöhnen. Dies mag ein Grund dafür sein, dass in Deutschland eine Menge verschiedener, teilweise gegenläufiger Rechnungslegungsfunktionen miteinander konkurrieren. Die Tatsache, dass die 4. Richtlinie bereits Ziel und Schutzzweck von Rechnungslegung vorgibt, kann daher nach allgemeiner Ansicht nicht darüber hinweghelfen, dass dies für das deutsche Recht weiterhin aus den Grundprinzipien der GoB entwickelt werden muss. Die Grundprinzipien sind in erster Linie Gewinnermittlungsprinzipien. Dazu zählen das Vorsichtsprinzip mit Imparitäts- und Niederstwertprinzip und das Realisationsprinzip700. Leitprinzip des GoB-Systems und damit über § 243 Abs. 1 HGB auch der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist das Vorsichtsprinzip. Es ist zwar inzwischen in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB gesetzlich verankert, geht aber über diese bloße Bewertungsregel hinaus und beherrscht als das dominierende Prinzip die handelsrechtliche Rechnungslegung generell. Das Vorsichtsprinzip als das vorrangige Prinzip gilt daher nicht nur für die Bewertung, sondern für die Rechnungslegung generell, beispielsweise auch im Rahmen des Ansatzes701. Mit dem Vorsichtsprinzip eng verbunden ist das Prinzip der Objektivität, mit dem der Gesetzgeber die Bilanzierung von Posten ausschließen will, deren Werthaltigkeit 702 von subjektiven Einschätzungen abhängt . Bilanzen sollen demnach grundsätzlich einen objektivierten und verlässlichen Wertansatz verfolgen. Alle Grund- und Leitprinzipien sind auf vorsichtigen Ansatz und vorsichtige Bewertung ausgerichtet. Vermögensgegenstände sind demnach grundsätzlich eher niedrig zu bewerten und erst dann anzusetzen, wenn sie als sicher vereinnahmt gelten können. Wertsteigerungen am ruhenden Vermögen dürfen dementsprechend auch nicht berücksichtigt werden, Obergrenze der Bewertung sind vielmehr die Anschaffungs- und Her699 700 701 702

Vgl. die Präambel der 4. Richtlinie; die Richtlinie beruht auf Art. 54 Abs. 3 lit. G (Art. 44 Abs. 2 lit. G n.F.) EGV, der den Schutz der Gesellschafter sowie Dritter ausdrücklich erwähnt; Baetge/ Thiele, FS Beisse, S. 11, 12. Moxter, FS Goerdeler, S. 365. Vgl. z.B. Hopt, HGB, § 243 Rn. 9, § 252 Rn. 10; Beisse, FS Beusch, S. 77, 83. Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 21.

149

stellungskosten. Schulden hingegen sind tendenziell höher zu bewerten und bereits dann anzusetzen, wenn mit ihnen gerechnet werden muss. Während bei Vermögensgegenständen der tatsächliche Umsatzakt, die Realisierung abzuwarten ist, werden Schulden und Verluste antizipiert. Die Betonung des Vorsichtselements der Bilanzierungsgrundsätze und -vorschriften zielt insgesamt darauf ab, einen Gewinn zu ermitteln, der unbe703 denklich ausgeschüttet werden kann . Als Aufgaben des Jahresabschlusses werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur generell Dokumentation, Ausschüttungsbemessung sowie Information und Rechenschaftslegung genannt704. Neben der gelegentlich hinzutretenden Bemessung der Besteuerungsgrundlage gelten diese weltweit als die traditionellen Funktionen von Rechnungslegung in einem marktwirtschaftlichen System705. Vorrangige Aufgabe des Jahresabschlusses nach deutschem Recht ist aber nach verbreiteter Ansicht vor allem anderen die Ausschüttungsbemessung durch vorsichtige Ermittlung des verteilbaren Gewinns, wie es sich an den Leitprinzipien der deutschen Rechnungslegung ablesen lässt706. Streit herrscht weiter über den mit der Erfüllung dieser Aufgaben verfolgten Schutzzweck. Der vorrangige Schutzzweck ist jedenfalls aus der dem Jahresabschluss primär zugewiesenen Funktion abzuleiten. Nach bislang wohl h.M. ist der Gläubigerschutz daher immer noch das vor707 herrschende Ziel des deutschen Handelsbilanzrechts . (2)

Aufgaben der Handelsbilanz

(a)

Dokumentation

Der Jahresabschluss im Sinne des HGB hat zunächst Dokumentations- und Beweisfunktion. Die Aufgabe der Dokumentation ergibt sich bereits aus § 238 I HGB. Das Unternehmensgeschehen soll durch die Abbildung der in der Berichtsperiode entstandenen und verbrauchten Werte und des Wertbestandes festgehalten werden708. Die Dokumentation ist Basisaufgabe des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und ergibt sich aus dessen beiden zentralen weiteren Funktionen Ausschüttungsbemessung und Information. Dokumentation im Sinne eines vollständigen, richtigen und systematischen Aufschreibens und Festhaltens aller Güterbewegungen und Zahlungsvorgänge in der Berichtsperiode ist die unerlässliche Grundlage der Erfüllung dieser anderen Aufgaben des Jahresabschlusses709. Aus der Aufgabe der Dokumentation wird die Beweisfunktion des Jahresabschlusses abgeleitet. Diese dient gleichzeitig der Prävention unternehmens-

703 704 705 706 707 708 709

150

Statt aller: Strobl, FS Clemm, S. 389, 395; Moxter, FS Goerdeler, S. 365. Vgl. z.B. Baetge, Bilanzen, S. 79 f.; Ballwieser, FS Clemm, S. 1 m.w.N.; Schulze-Osterloh, in: Schruff (Hrsg.), S. 121, 123 f.; Lück, Rechnungslegung, Rn. 3-7. Vgl. S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft, Juni 1997, S. 81, 82. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 156-165; Strobl, FS Clemm, S. 388, 393 m.w.N. Str., ausführlich u. D. I. 2. a) (3) S. 157 ff., a.A. z.B. Baetge, Bilanzen, S. 91. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 36. Baetge, Bilanzen, S. 82 f. u. 90; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 36; Lück, Rechnungslegung, Rn. 3.

schädigender Handlungen. Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle soll den Nachweis solcher Handlungen durch Angehörige des Unternehmens erleichtern. Die Dokumentation der handelsrechtlichen Buchführung dient fer710 ner gemäß § 140 AO auch dem steuerrechtlichen Nachweis der Geschäftsvorfälle . (b)

Ausschüttungsbemessung

Die herkömmlicherweise wohl wichtigste Aufgabe des Jahresabschlusses nach HGB ist seine Ausschüttungsbemessungs- und Kapitalerhaltungsfunktion711. Die Funktion wird abgeleitet aus den gesetzlichen Pflichten zu vorsichtiger und objektiver Bilanzierung und Gewinnermittlung. Aus dem gesetzlichen Vorsichtsprinzip folgt, dass das Gesetz solche Aufgaben für vorrangig hält, die eine entsprechend vorsichtige Bilanzierung erfordern. Dies ist in erster Linie die Ermittlung eines unter dem Gesichtspunkt der Un712 ternehmenserhaltung unbedenklich ausschüttbaren Gewinns . „Als primärer Sinn und Zweck einer solchen umsatzbezogenen, verlustantizipierenden und ausgeprägt objektivierten Gewinnermittlung kann nur die vor713 sichtige Bestimmung des als Gewinn entziehbaren Betrages gelten.“

Im Rahmen seiner Ausschüttungsbemessungsfunktion legt der Jahresabschluss die Höhe des grundsätzlich an die Gesellschafter ausschüttungsfähigen Anteils am Gewinn fest. Dieser wird wesentlich bestimmt durch das Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip. Es soll nur ein Betrag ausgeschüttet werden können, der den Fortbestand des Unternehmens nicht in Frage stellt und das den Gläubigern haftende Gesellschaftskapital nicht schmälert714. Die Bilanz verfolgt damit das wichtige Ziel der Sicherung des Unterneh715 mensbestandes durch Erhaltung des Nominalkapitals . Der Nominalkapitalerhaltung 716 dient das Anschaffungskostenprinzip als objektive Bewertungsgrundlage . Hintergrund dieser Regelungen ist daher nach allgemeiner Ansicht insbesondere bei Kapitalgesellschaften wegen ihrer Haftungsbegrenzung der Gläubigerschutz717. Damit soll gesetzlich verhindert werden, dass durch Ausschüttungen an die nicht persönlich haftenden Gesellschafter Gesellschaftsmittel dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden718. Gleichzeitig dient die Bilanz den Gesellschaftern zur Ermittlung eines Mindestanspruchs auf Gewinnausschüttung. Minderheitseigner sollen so vor „Aushungern“ durch die Mehrheit geschützt werden, aber auch die Gesellschafter allgemein vor eigenmächtigem Handeln der Ge719 schäftsführung . Dieses Anliegen wird unterstützt durch ein Gewinnverkürzungsverbot. 710 711 712 713 714 715 716 717 718 719

Baetge, Bilanzen, S. 82 f. u. 90; Lück, Rechnungslegung, Rn. 3. Vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 156-165; Strobl, FS Clemm, S. 388, 393 m.w.N.; Hueck, Gesellschaftsrecht, S.268. Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 157. Moxter, FS Goerdeler, S. 361, 373 f. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 51. Baetge, Bilanzen, S. 87. Baetge, Bilanzen, S. 89. vgl. Hopt, HGB, § 243 Rn. 9; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 259. Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 7 f.; Moxter, FS Häuser, S. 257, 263. Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 259 f.; Moxter, FS Häuser, S. 257, 262.

151

Der Gewinn darf daher auch nicht durch entsprechenden Wertansatz in der Bilanz zu nied720 rig ausgewiesen werden . Allein in der Frage der Ausschüttungsbemessung finden sich mithin zwei einander gegenläufige Interessen. Im Zweifel überwiegt hier jedoch das Vorsichtsprinzip als das vorrangige Prinzip des deutschen Bilanzrechts. Dem Gläubigerschutz wird somit Vorrang eingeräumt vor den Ausschüttungsinteressen der Anteilseigner721. (c)

Rechenschaft und Information

Als weitere Bilanzzwecke gelten Rechenschaft und Information. Informationsfunktion im engeren Sinne als Hilfe für die Investitionsentscheidungen der Kapitalanleger und Rechenschaftslegung als Instrument der Kontrolle des Managements durch die Kapitalgeber sind dabei zwei Seiten derselben Medaille einer Informationsfunktion von Rech722 nungslegung im weitesten Sinne . Während Rechenschaftslegung mehr die Anleger, Aktionäre und Gläubiger im Auge hat, die ihr Kapital der Gesellschaft bereits zur Verfügung gestellt haben, zielt Information im engeren Sinne auf den potentiellen Investor. Beide verfolgen sie jedoch das Ziel, die Kapitalmarktteilnehmer über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ins Bild zu setzen. Die beiden Funktionen können hier daher gemeinsam behandelt werden. Ob Rechenschaftslegung ein vom Bilanzrecht verfolgter Zweck ist, ist jedenfalls aus juristischer Sicht umstritten. Gegen eine Rechenschaftslegungsfunktion wird vorgebracht, dass ausschließlich die gesellschaftsrechtlichen Auskunfts- und Informationsrechte der Rechenschaft gegenüber den Kapitalgebern insbesondere den Aktionären dienen. Das Handelsbilanzrecht diene diesem Zweck nur mittelbar723. Für eine Rechenschaftslegungsfunktion des Handelsbilanzrechts lassen sich jedoch gewichtige Gründe nennen. Die Geschäftsführung eines Unternehmens arbeitet in der Regel nicht mit eigenem, sondern mit fremdem Geld, dem der Gläubiger und der Gesellschafter und Anteilseigner als wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens. Diese Situation bedingt nach verbreiteter Ansicht eine Verpflichtung zur Rechenschaftslegung724. Gerade bei den Kapitalgesellschaften besteht daher eine typische, der Geschäftsführungssituation im Sinne des § 666 BGB vergleichbare Beziehung zwischen den Beteiligten. Die Kapitalgeber, Anteilseigner wie auch Kreditgeber als Gläubiger, fungieren als Treugeber, das Management wie ein Treunehmer, der den Treugebern gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet ist. Dies ist auch der Ausgangspunkt von Rechnungslegung heute. Aufgabe des vom Management zu erstellenden Jahresabschlusses muss daher auch die Rechenschaft gegenüber den Kapitalgebern sein, sowohl gegenüber den Gläubigern als auch

720 721 722 723 724

152

Moxter, FS Häuser, S. 257, 262. Moxter, FS Häuser, S. 257, 262. Busse von Colbe, ZfbF-Sonderheft 32 (1993), S. 11, 13 f.; zur Unterscheidung und gegebenenfalls auch unterschiedlichen Zielrichtung: ders., in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 44 f. u. 47-49. Wohl str.; vgl. Hüffer, in: Großkomm.HGB, § 238 Rn. 2-4 m.w.N., § 242 Rn. 2. Budde, FS Clemm, S. 88.

725

gegenüber den Gesellschaftern . Rechenschaftslegung ist danach immer noch eine 726 Zentralfunktion handelsrechtlicher Rechnungslegung . Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gehört Rechenschaftslegung zweifellos zu den Aufgaben und Zielen des Bilanzrechts. In der neueren Bilanztheorie wird die Unternehmung als Koalition aller Beteiligten gedeutet. Die Koalitionsteilnehmer benötigen Informatio727 nen als Grundlage für ihre Entscheidung über Eintritt oder Verbleib in der Koalition . Daraus folgt die Funktion des Jahresabschlusses als Rechenschaftsbericht der Unternehmensleitung gegenüber den übrigen Koalitionsteilnehmern; er unterrichtet sie über den Grad der Erreichung ihrer finanziellen Zielvorstellungen und versorgt sie so mit entscheidungsrelevanter Information 728 . Obwohl die Pflicht zur Rechenschaftslegung einen Eingriff in die Grundrechte der Unternehmung darstellt, muss sie daher im Interesse der Allgemeinheit erfüllt werden. Sie dient der Öffentlichkeit, den Anteilseignern und anderen Interessierten, z.B. potentiellen Investoren, und hat insofern auch Informa729 tionsfunktion . Die Rechenschaftslegung kann jedoch mit anderen Funktionen des Jahresabschlusses in Konflikt geraten. Insbesondere gegenüber der Ausschüttungs- und Gläubigerschutzfunktion gilt die Rechenschaftslegung als untergeordnete Funktion und hat im Konfliktfalle zurückzutreten730. Information ist als Aufgabe des Jahresabschlusses gemeinhin anerkannt. Dies ist völlig unbestritten. Anleger sowie potentielle und gegenwärtige Vertragspartner des Unternehmens bedürfen der Information zur Entscheidungsunterstützung. Ebenso wie die Ausschüttungsbemessungsfunktion lässt sich auch die Informationsfunktion des Jahresabschlusses aus dem Gesetz ableiten. Sie steht hinter den gesetzlichen Gliederungsregeln und den Auskunftspflichten in Anhang und Lagebericht731. Unterstrichen wurde die Informationsfunktion des Jahresabschlusses durch die Einführung des angelsächsischen Grundsatzes der Vermittlung eines „true and fair view“ in § 264 Abs. 2 HGB durch das BiRiLiG. In Übereinstimmung mit Art. 2 Ziff. 3 der 4. EG-(Bilanz-)Richtlinie732 hat der deutsche Gesetzgeber in dieser Vorschrift festgelegt, dass der Jahresabschluss in seinen drei Teilen unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft zu vermitteln habe. Auf dieses Bild der tatsächlichen Verhältnisse verweisen ferner §§ 265 Abs. 7 Ziff. 1, 289, 322 HGB. § 264 Abs. 2 HGB gilt ausschließlich für Kapitalgesellschaften. Im Hinblick auf deren Inanspruchnahme des gemeinsamen 725 726 727 728 729 730 731 732

Baetge, Bilanzen, S. 86. Lutter, in: IDW-Fachtagung 1991, S. 410 f. m.w.N. Kubin, FS Coenenberg, S. 525, 526; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1075 ff.; Lück, Rechnungslegung, Rn. 7. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1075 ff.; Lück, Rechnungslegung, Rn. 7. Str.; Budde, FS Clemm, S. 88. Str.; Lutter, in: IDW-Fachtagung 1991, S. 432. Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 8. Vierte Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25.7.1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11.

153

Markts für Eigen- und Fremdkapital stellen der europäische und der deutsche Gesetzge733 ber höhere Informationsansprüche an diese als an andere Unternehmen . Zweck der Vorschrift ist die Sicherung einer gewissen Mindestinformation der Kapitalgeber. Die Wiedergabe der tatsächlichen Verhältnisse durch den Jahresabschluss muss gewährleisten, dass gegenwärtige und künftige Kapitalgeber nicht Entscheidungen fällen, die ein 734 sorgsamer Kaufmann nicht fällen würde . Der Begriff der tatsächlichen Verhältnisse soll den englischen „true and fair view“ in das deutsche Bilanzrecht übertragen. Dies ist daher bei der Auslegung der Generalklausel im Auge zu behalten735. Die mehrsprachige Abfassung der Richtlinie bedeutet, dass die Fassungen in allen Sprachen inhaltsgleich sind und damit auch die verschiedenen Termini736. Dementsprechend kann und muss der englische Hintergrund des Begriffs bei der Auslegung berücksichtigt werden. Der „true and fair view“ im englischen Recht betont die Richtigkeit des Gesamtbildes, die einzelne Norm ist mit Blick auf das Gesamtbild zu interpretieren737. Der Jahresabschluss darf mithin nicht irreführend („misleading“) sein 738 oder wesentliche Sachverhalte verbergen . Mit der Forderung nach einem Bild der tatsächlichen Verhältnisse bezieht sich die Generalklausel zwar zunächst auf das Gesamtbild des Jahresabschlusses; sie kann aber auch auf die Abbildung einer einzelnen Position im Jahresabschluss anzuwenden sein739. Die Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse verlangt vom Jahresabschluss, dass die Reihe der Jahresabschlüsse über mehrere Jahre eine klare Vorstellung von der Situation des Unternehmens gibt, dass die Entwicklungstendenz der Unternehmung erkennbar bleibt und der einzelne Jahresabschluss als Ganzes nicht zu einer falschen Vorstellung führt, selbst wenn die einzelnen Posten noch in Einklang mit der Rechtslage 740 angesetzt sind . Der True and Fair View des § 264 Abs. 2 HGB kann mithin ein Bindeglied darstellen zwischen Rechnungslegung und Rechenschaftslegung741 und Information. Zur Ausschüttungsbemessung kommt aufgrund dessen in den meisten Rechnungslegungssystemen weltweit und insbesondere in den Rechnungslegungssystemen 733 734 735

736 737 738

739 740 741

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Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 95. Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 98. Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 96; zum Begriff des „true and fair view“ im englischen Recht vgl. Großfeld, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 196 ff.; zur Zulässigkeit des englischen Begriffs bei der Auslegung von § 264 Abs. 2 HGB vgl. auch Lutter, in: IDWFachtagung 1991, S. 412, 413; Leffson, FS Goerdeler, S. 315, 322. Leffson, FS Goerdeler, S. 315, 322. Großfeld, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 196 ff. Leffson, FS Goerdeler, S. 315, 322; zum Bedeutungsgehalt der Begriffe „true“ und „fair“ vgl. die häufig zitierte Anekdote vom Kapitän und seinem dem Alkohol verfallenen Steuermann z.B. bei Lutter, in: IDW-Fachtagung 1991, S. 413: Als der Steuermann zum wiederholten Male betrunken zum Dienst erschienen war, verlor der Kapitän eines Tages die Geduld und notierte ins Logbuch: „Der Steuermann war heute betrunken.“ Als der Steuermann dies anderntags bemerkte, schrieb er, um sich zu rächen, ins Logbuch: „Der Kapitän war heute nicht betrunken.“ True but not fair! Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 97; str., a.A. Hopt, HGB, § 264 Rn. 9. Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 97; Großfeld, Bilanzrecht, S. 31. Lutter, in: IDW-Fachtagung 1991, S. 411.

anglo-amerikanischer Prägung die Information der Jahresabschlussadressaten als wichtigste Aufgabe der Rechnungslegung hinzu. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob diese 742 Information primär dem Schutz der Investoren oder der Gläubiger dient . Die Generalklausel des § 264 Abs. 2 HGB ist nach verbreiteter Ansicht von zentraler Bedeutung für das auf der 4. EG-(Bilanz-)Richtlinie beruhende neue Bilanzrecht des HGB743. Die Abbildung der tatsächlichen Verhältnisse gilt als „Hauptziel“744 der Richtlinie. Im Interesse einer europarechtskonformen Rechtsauslegung sei diese Bedeutung der Vorschrift daher auch im deutschen Recht zuzumessen745. Mit der Einführung des Grundsatzes des True and Fair View in § 264 Abs. 2 HGB rückt die Informationsfunktion des Jahresabschlusses mehr und mehr in den Vordergrund. Information ist daher als wesentliche Aufgabe des Jahresabschlusses anzuerkennen. Manche sehen in der Infor746 mationsfunktion inzwischen sogar die Hauptaufgabe des Jahresabschlusses . Vertreter dieser Ansicht halten das True –and –Fair View-Prinzip – ausgehend von den Vorgaben der 4. (Bilanz-)Richtlinie – sogar für die oberste Generalnorm des Handelsbilanzrechts, wenn nicht gar für ein „overriding principle“, das alle anderen Prinzipien im Zweifel verdrängt747. Darüber hinaus zeigt sich eine zunehmende faktische Bedeutung der Information durch Rechnungslegung auch in Deutschland in den zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Aktionären und ihren Unternehmen über den Umfang der Auskunftsrechte und Rechenschaftslegungspflichten748. Konservative Vertreter in der Literatur beschränken hingegen die Informationsfunktion des Jahresabschlusses auf Anhang und Lagebericht, während die Bilanz ausschließlich oder jedenfalls vorrangig der Ausschüttungsbemessungsfunktion verpflichtet sei749. Gewinnermittlungsregeln sind nach dieser mit dem Begriff „Abkopplungsthese“ verbundenen Ansicht strikt zu trennen von der Vermittlung eines True and Fair View über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens im Sinne des § 264 Abs. 2 750 HGB . Aus der gesetzlichen Verankerung des Vorsichtsprinzips folge, dass die Informationsfunktion der Ausschüttungsbemessung auf jeden Fall unterzuordnen sei. Diese 742 743 744 745 746 747

748 749

750

Vgl. z.B. Wöhe, Einf. Allg. BWL, S. 963; Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 17; Budde, FS Clemm, S. 81, 88. Leffson, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 95; str. So in der Begründung des Richtlinienvorschlags, ABl. C 7 vom 2.1.1972, S. 11. Großfeld, in: Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), S. 195; str. So Budde, FS Clemm, S. 81; für einen Vorrang der Informationsfunktion auch: Baetge, Bilanzen; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 36. Vgl. Budde; Claussen, FS Goerdeler, S. 79; ähnlich Leffson; Großfeld; vermittelnd Baetge, Bilanzen; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse. Zusammenfassend zum Streit um den Vorrang von Ausschüttungsbemessungs- oder Informationsfunktion Ballwieser, FS Clemm, S. 8 f. Budde, FS Clemm, S. 81, 89 m.w.N. Vgl. z.B. Beisse, FS Beusch, S. 77, 96 f.; ähnlich Moxter, Bilanzlehre, Bd. 1, S. 157 f. Diese sogenannte Abkopplungsthese wurde maßgeblich von Moxter entwickelt, vgl. Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 67 f. Vgl. auch Lutter, der die wegen des Gläubigerschutzes in der Bilanz nur eingeschränkt mögliche Rechenschaftslegung ebenfalls im Anhang ergänzt sehen will (in: IDWFachtagung 1991, S. 432). Ballwieser, FS Clemm, S. 8 f. m.w.N.

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Einseitigkeit nehme das Gesetz in Kauf, weil es ihm eben nicht primär um die Information über den tatsächlichen Vermögenszuwachs gehe, sondern um die Ermittlung eines 751 unbedenklich ausschüttbaren Vermögenszuwachses . Etwaige Defizite der Informationsvermittlung können nur in Anhang und Lagebericht behoben werden. Die Abkopplungsthese wird trotz aller Kritik gestützt vom Gesetzeswortlaut und der Entwicklung der Vorschrift in Literatur und Rechtsprechung752. Die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage steht gemäß § 264 Abs. 2 S. 1 HGB unter dem Vorbehalt der GoB. Damit ordnet der Gesetzgeber das True –and –Fair View-Prinzip den vom Vorsichtsprinzip geprägten und dominierten GoB unter. Rechenschaft und Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist daher in der Bilanz nur zu vermitteln, solange sie nicht dem aus dem Vorsichtsprinzip und damit den GoB abgeleiteten Gläubigerschutz zuwiderläuft. In diesem Falle sind gemäß § 264 Abs. 2 S. 2 HGB zusätzliche Angaben im Anhang erforderlich753. Andererseits verstößt eine solche Argumentation gegen die erklärten Absichten des europäischen Gesetzgebers, der offensichtlich dem True and Fair View größere Bedeutung beigemessen sehen wollte als lediglich die eines untergeordneten Bilanzierungsprinzips754. Dessen ungeachtet wertet § 264 Abs. 2 HGB die Informationsfunktion des Jahresabschlusses gegenüber der Ausschüttungsbemessungsfunktion jedenfalls auf. Zwar wird die Tatsache, dass das True –and –Fair View-Gebot vom Gesetzgeber unter den Vorbehalt der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gestellt wurde, von manchen sogar als Aufwertung des Vorsichtsprinzips gesehen, es bleibt aber dennoch festzuhalten, dass die Information von Gesellschaftern und Investoren als weitere Funktion des Handelsbilanzrechts hinzugekommen ist755. Die Bedeutung, der Rechenschafts- und Informationsfunktion des Jahresabschlusses unterstreicht der Gesetzgeber im Übrigen durch die Straf- und Bußgeldvorschriften bei unrichtiger Darstellung und Verletzung der Berichtspflicht gemäß §§ 331-335 HGB. Ob von einer Gleichwertigkeit der Prinzipien gesprochen werden kann, ist freilich fraglich. Ein „overriding principle“ ist der „true and fair view“ allerdings nach wohl noch überwiegender Ansicht de lege lata jedenfalls nicht, die Informationsfunktion daher auch nach geltendem Recht der Ausschüttungsbemessungsfunktion im Zweifel unterzuordnen756.

751 752 753 754

755 756

156

Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 67 f. Dazu ausführlich Beisse, FS Clemm, S. 27. Hopt, HGB, § 264 Rn. 9; vgl. Beisse, FS Beusch, S. 77, 83 u. 92 f. Zur Kritik an der Abkopplungsthese und der Unterordnung des „true and fair view“ unter das Vorsichtsprinzip, insbes. im Hinblick auf die angestrebte europäische Harmonisierung des Bilanzrechts, vgl. Busse von Colbe, ZfbF-Sonderheft 32 (1993), S. 11, 21 f.; Großfeld, FS Havermann, S. 183, 195 f.; Streim, FS Moxter, S. 391, 403 f. Ablehnend unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 317 Abs. 1 S. 3 HGB und das „Tomberger“-Urteil des EuGH auch Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 43, 63 m.w.N. Schön, ZHR 1997, 133, 152 f. Beisse, FS Clemm, S. 27, 54 f.; Kübler, FS Budde, S. 361, 363 m.w.N.

(3)

Schutzzweck des Handelsbilanzrechts: „Gläubigerschutz – Grundprinzip des deutschen Bilanzrechts“?

Es ist umstritten, wessen Interessen der handelsrechtliche Jahresabschluss vorrangig schützen soll. Der Streit lässt sich reduzieren auf das Verhältnis von Gläubiger- und Anteilseignerschutz. Zwar ist das Ziel der europäischen Harmonisierung der Rechnungsle757 gung durch die 4. Richtlinie der Schutz der Gesellschafter sowie Dritter . Durch die Weitergeltung der traditionellen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung werden die zentralen Vorstellungen der Richtlinie im deutschen Recht aber relativiert beziehungsweise unterminiert. Die Vorstellungen des europäischen „Gesetzgebers“ wurden in das deutsche System der handelsrechtlichen Rechnungslegung integriert. Die vorrangige Schutzrichtung des deutschen Bilanzrechts muss nach wie vor aus den Grundprinzipien der Rechnungslegung und ihren Funktionen entwickelt werden. Einhellig wird vor allem in der älteren Literatur der Gläubigerschutz als „Grundprinzip“758 und Hauptzweck des deutschen Bilanzrechts bezeichnet. Das Gläubigerschutz759 prinzip gilt als „Ausdruck einer bewährten Wirtschaftsgesinnung“ . In der juristischen Literatur wird der Gläubigerschutz vor allem aus der Dokumentationsfunktion des Jahresabschlusses abgeleitet. Die Dokumentation der Geschäftsvorfälle erlaube einen 760 „Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle des Kaufmanns“ . Die betriebswirtschaftliche Literatur leitet den Gläubigerschutz vor allem aus der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses ab 761 . Der nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Gewinn dient als Grundlage dessen, was an die Gesellschafter ausgeschüttet werden darf. Damit dient der Jahresabschluss der Kapitalerhaltung und mithin dem Gläubigerschutz. Die Gläubigerschutzfunktion aufgrund seiner Ausschüttungsbemessungs- und Kapitalerhaltungsfunktion erlangt der Jahresabschluss daher mittelbar durch seine Einbeziehung in das gesellschaftsrechtliche System der Kapitalaufbringung und -erhaltung. Der hohe Stellenwert des Gläubigerschutzgedankens im deutschen Bilanzrecht zeigt sich bereits an seiner Einbettung in das Normengefüge des HGB. Der Verweis auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) in den §§ 243 Abs. 1 und 264 Abs. 2 HGB, deren Leitprinzip das Vorsichtsprinzip mit dem zugrundeliegenden Gläubigerschutzgedanken ist, ist eine Wertentscheidung des Gesetzgebers für die Geltung des Gläubigerschutzprinzips762. Dies wird flankiert durch die Kodifizierung einzelner GoB. Der Grundsatz der vorsichtigen und tendenziell zu niedrigen Berechnung des ausschüttungsfähigen Gewinns gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB dient ebenso dem Gläubiger-

757 758 759 760 761 762

Vgl. die Präambel der 4. Richtlinie; die Richtlinie beruht auf Art. 54 Abs. 3 lit. G (Art. 44 Abs. 2 lit. G n.F.) EGV, der den Schutz der Gesellschafter sowie Dritter ausdrücklich erwähnt; Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11 f. So Beisse, FS Beusch, S. 77. Beisse, FS Beusch, S. 87. Hopt, HGB, Einl. vor § 238 Rn. 14; Hüffer, in: Großkomm.HGB, Vor § 238 Rn. 1, § 242 Rn. 2; K. Schmidt, Handelsrecht, § 15 I 2 u. III 1 b; Canaris, Handelsrecht, S. 190. Baetge, Moxter; vgl. aber auch Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 268. Strobl, FS Clemm, S. 389, 394.

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schutz wie die Ausprägungen dieses Grundsatzes im Imparitäts-, Niederstwert- und Realisationsprinzip. Es ist allerdings fraglich, ob dies ein unumstößlicher Grundsatz bleiben muss, oder ob nicht neuere Entwicklungen dazu beigetragen haben beziehungsweise noch dazu beitragen können, bereits de lege lata dem Bilanzrecht weitere Funktionen und Schutzbereiche zu unterstellen. Ob die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung neben dem Gläubigerschutz auch noch dem Anlegerschutz dient, ist nach wie vor umstritten. Da sich die Interessen des Gesellschafters und des potentiellen Investors nicht mit denen des Gläubigers deckten, ist nach herkömmlicher Ansicht eine Anlegerschutzfunktion von Rechnungslegung 763 abzulehnen . Denn angesichts des Primats des Gläubigerschutzes können andere, gegenläufige Interessen keine Berücksichtigung finden. Die Interessen der Aktionäre und Anleger können allenfalls solange Schutz genießen, wie dies den Interessen des Gläubigerschutzes nicht zuwiderläuft. Dem Schutz der Aktionäre dient unter dieser Prämisse ebenfalls die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses. Durch den Jahresabschluss werden auf diese Weise nicht nur die Maximalausschüttungen festgelegt, sondern gleichzeitig auch eine Untergrenze für Minimalausschüttungen gezogen764. Eine inzwischen wohl im Vordringen befindlichen Ansicht geht jedoch davon aus, dass der Anlegerschutz bereits de lege lata als Schutzzweck gleichberechtigt neben dem Gläubigerschutz steht765. Begründet wird dies mit § 264 Abs. 2 S. 1 HGB766, der einen fairen Einblick in die Vermögens- und Ertragslage gebietet. Die Einführung des True – and –Fair View-Prinzips verleiht mithin der Rechenschaftslegungs- und Informationsfunktion gegenüber den Kapitalgebern mehr Gewicht767. Norm- und Schutzadressaten sind nach dieser Ansicht folglich auch die Aktionäre. Gegen eine Dominanz des Gläubigerschutzes als Jahresabschlusszweck spricht auch, dass nur bei Einbeziehung aller Adressaten ein gerechter Ausgleich aller Interessen erzielt werden kann768. Ein gerechter Ausgleich aller Interessen ist aber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nur bei grundsätzlich gleichwertiger Berücksichtigung von Aktionärs- und Gläubigerinteressen gewährleistet. Die Bevorzugung einer Interessentengruppe vor allen anderen ist unter ver769 fassungsrechtlichen Gesichtspunkten jedenfalls bedenklich . Entschließt man sich, die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses als maßgeblich anzuerkennen, bekennt man sich auch zum Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung als oberstem Prinzip mit der Folge, bei Auslegungszweifeln einer vorsichtigen Bewertung gegenüber der Vermittlung von Information generell Vorrang zu gewähren. Der Schutz anderer In-

763 764 765 766 767 768 769

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Beisse, FS Beusch, S. 77, 78. Moxter, FS Beisse, S. 347, 348. Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 315; ders., in: KK-AktG, § 264 HGB Rn. 14; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 31 Abs. 11, § 18 Abs. 2; ebenso Baetge, Bilanzen; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse; dezidiert a.A.: Beisse, FS Beusch, S. 77, 78. Dazu ausführlich und kritisch: Streim, FS Moxter, S. 391. Vgl. statt aller Lutter, in: IDW-Fachtagung 1991, S. 411, 412. Baetge, Bilanzen, S. 91. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 19.

teressenten, insbesondere der Anteilseigner und der gegenwärtigen und potentiellen Investoren, ist aber im geltenden Bilanzrecht ebenfalls angelegt. b)

Ansatz

Die §§ 246 ff. HGB regeln als Vorschriften über den Ansatz in der Bilanz die Bilanzierungsfähigkeit von Vermögensgegenständen und Schulden. Bei den Vermögensgegenständen muss es sich um selbstständig bewertbare und verwertbare, verkehrsfähige wirtschaftliche Werte handeln. Bilanzierungsfähige beziehungsweise -pflichtige Schulden müssen ebenfalls selbstständig bewertbar und abgrenzbar sein. Es muss sich um bestehende oder hinreichend sicher zu erwartende Belastungen des Vermögens handeln, die auf einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Leistungsverpflichtung des Unternehmens beruhen. Beim Bilanzansatz zu beachtende Grundsätze sind vor allem die Prinzipien der Bilanzidentität, Vollständigkeit (vgl. § 246 Abs. 1 HGB) und Darstellungsstetigkeit so770 wie das Verrechnungsverbot (vgl. § 246 Abs. 2 HGB) . Fair Value Accounting oder Bilanzierung zum Zeitwert betrifft zwar in erster Linie Fragen der Bewertung, verschiedene Bilanzierungssituationen stellen sich aber bereits so dar, dass es sich – jedenfalls aus dem Blickwinkel der jeweiligen Periode und nicht auf lange Sicht – mitnichten nur um Fragen der Bewertung, sondern auch bereits grundsätzlich um die Frage des Ansatzes in der Bilanz, des „Ob überhaupt“ der Bilanzierung handelt. Das Realisationsprinzip wird einerseits im Einklang mit dem Gesetz als Bewertungsgrundsatz angesehen (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Entsprechend werden Probleme in diesem Zusammenhang in der Regel im Rahmen der Bewertung behandelt771. Das Realisationsprinzip als Ausdruck des Vorsichtsprinzips kann aber andererseits auch als grundlegendes Aktivierungs- und Passivierungsprinzip der Rechnungslegung nach HGB verstanden werden772, denn es sind Situationen denkbar, in denen Vermögensgegenstände unter Beachtung des Realisationsprinzips nicht nur mit einem niedrigeren Wert angesetzt werden, sondern überhaupt gar nicht erst zum Ansatz in der Bilanz kommen können. Damit in engem Zusammenhang steht das Imparitätsprinzip. Gewinn wird an Umsatz gebunden; Verluste hingegen antizipiert und frühzeitiger in der Bilanz angesetzt. Positive Wertveränderungen, sofern sie die Anschaffungs- und Herstellungskosten übersteigen, gelangen daher von vornherein nicht zum Ansatz in der Bilanz. Zeitwertbilanzierung hingegen führt zum Ansatz in der Bilanz auch ohne Umsatz-, d.h. Realisationsakt773. Die Zeitwertbewertung von Finanzinstrumenten erlaubt daher vielfach erst den Ansatz zahlreicher Instrumente in der Handelsbilanz. Da auch solche Geschäfte mit einem Fair Value erfasst werden können, die mangels Umsatzakt sich noch in der Schwebe befinden und denen deshalb auch noch kein Wert im herkömmlichen Sinne von An770 771 772 773

Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 89-92; Baetge, Bilanzen, S. 104-116; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 95-97. Vgl. Baetge, Bilanzen, S. 110 f. u. 166-168; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 167 f. So wohl Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 804; aber auch Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 93. Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 804.

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schaffungs- oder Herstellungskosten zugewiesen werden kann, ermöglicht die Fair Value-Bewertung den Ansatz eines erheblich breiteren Spektrums von Finanzinstrumenten in der Bilanz. Viele dieser Instrumente kommen unter herkömmlicher Bilanzierung erst im Zeitpunkt ihrer Veräußerung, mithin wenn das von ihnen verkörperte Geschäft realisiert wird, in der Bilanz zum Ansatz. Erst durch Zeitwertbilanzierung werden diese Instrumente bereits vor dem eigentlichen Umsatzakt selbstständig bewertbar im bilanziellen Sinne und damit fähig zum Ansatz in der Bilanz. Dadurch wird über mehrere Perioden betrachtet eine Frage des Ansatzes eine solche der Bewertung. Ähnlich verhält es sich mit der Bilanzierung von unerledigten oder teilweise erledigten Aufträgen nach der „percentage of completion method”. In diesem Bereich kommen aufgrund einer Art Fair Value-Bewertung ebenfalls Vermögensgegenstände in der Bilanz zum Ansatz, die nach deutschem Handelsrecht dort sonst grundsätzlich nicht erscheinen würden. Folge dieser Bilanzierungsmethode ist gegebenenfalls eine Teilgewinnrealisierung ähnlich wie bei der Bilanzierung von Finanzinstrumenten. Ausnahmsweise wird allerdings schon heute unter bestimmten engen Voraussetzungen eine Teilgewinnrealisierung als eine Aus774 nahme zum Realisationsprinzip im Sinne des § 252 Abs. 2 HGB zugelassen . Im Rahmen der Vorschriften zur Ansatzfähigkeit von Vermögensgegenständen (Assets) in der Bilanz ist generell festzuhalten, dass beispielsweise US-GAAP und IFRS grundsätzlich auf die Erwartung zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens, gemessen in 775 künftigen Einzahlungsüberschüssen, abstellen , während das HGB mit der Einzelver776 wertbarkeit im Aktivierungszeitpunkt einen statischen Ansatz verfolgt . Die Erwartung zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens lässt sich aber besser durch den Fair Value ausdrücken. Historische Kosten stehen einem solchen System von vornherein entgegen. Zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen lässt sich durch sie gerade nicht ausdrücken. Folglich gelangen nach HGB auch weniger Vermögensgegenstände in der Bilanz zum Ansatz777. Die sich aus diesen Unterschieden der Regelwerke ergebende Bilanzverlängerung oder -verkürzung kann von wesentlichem Einfluss auf den Eigenkapital- und Gewinnausweis sein778. c)

Bewertung – Vorsichtsprinzip

Die Bewertung von Vermögensgegenständen im Rahmen der handelsrechtlichen Bilanzierung folgt ebenso dem Vorsichtsprinzip wie deren prinzipieller Ansatz in der Bilanz (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Mit der Einführung von Fair Value Accounting im deutschen Recht wird das Vorsichtsprinzip im Rahmen der Bewertung an zahlreichen Stel774 775 776 777

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Vgl. statt aller Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 168; s.o. C. VI. 3., S. 117 ff. Vgl. IAS Rahmenkonzept Tz. 89. Strobl, FS Clemm, S. 389, 396 f. Vgl. insbes. die Regeln zum Ansatz immaterieller Vermögensgegenstände, die sicherlich häufig einen künftigen wirtschaftlichen Nutzen haben, oft aber keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten; sie erscheinen daher regelmäßig in Bilanzen nach IAS oder US-GAAP, nicht aber nach HGB, vgl. Hopt, HGB, § 246 Rn. 4; § 266 Rn. 5. Strobl, FS Clemm, S. 389, 396 f.

len durchbrochen oder außer Kraft gesetzt werden. Das Regel-/Ausnahmeverhältnis gemäß § 252 Abs. 2 HGB wird umgedreht. Bilanzierung zum Zeitwert bedeutet zunächst eine Abkehr vom Niederstwertprinzip und damit vom Gebot der Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten, sofern diese nicht dem beizulegenden Zeitwert entsprechen oder ihn übersteigen. Sie bewirkt somit, sofern nicht ohnehin gemäß § 253 Abs. 3 HGB der niedrigere beizulegende Zeitwert anzusetzen ist, die Auflösung beziehungsweise Aufdeckung der stillen Reserven. Eine weitere einschneidende Konsequenz ist die Durchbrechung des Realisationsprinzips. Die Bewertung von Vermögensgegenständen zum Fair Value beinhaltet die Berücksichtigung von Wertveränderungen der einzelnen Vermögensgegenstände in der Bilanz und führt so zum Ansatz unrealisierter Gewinne oder Verluste. Dies ist eines der ganz wesentlichen Merkmale der Fair Value779 Bilanzierung . Eine (erfolgswirksame) Zeitwertbilanzierung bewirkt somit die Einschränkung beziehungsweise Beseitigung bisher systemtragender Grundsätze und daraus folgend eine Beeinträchtigung des Vorsichtsprinzips deutscher und kontinentaleuropäischer Prägung780. Hierin liegt aber die wesentliche Bedeutung der Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten im Sinne des Niederstwertprinzips. Es ist die Grundlage dafür, dass als Gewinn nur ausgewiesen werden kann, was auch tatsächlich realisiert wurde. Ein Abweichen vom Niederstwertprinzip und der Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten bedeutet damit gleichzeitig auch das Abweichen vom Realisationsprinzip. Ebenso betroffen ist das Imparitätsprinzip. Wurden bisher nur unrealisierte Verluste in der Bilanz berücksichtigt, gilt dies bei Zeitwertbilanzierung auch für Gewinne. Das Imparitätsprinzip wird dadurch außer Kraft gesetzt, die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven weiter eingeschränkt. d)

Gewinnermittlung

Der Gewinnermittlung nach HGB liegt als Konzept die Erhaltung des Nominalkapitals zugrunde. Nominalkapitalerhaltung ist dabei im Sinne eines festen Geldbetrags zu verstehen, nicht etwa im Sinne realer Kapital- oder vermögensmäßiger Substanzerhaltung 781 . Ziel ist die Erhaltung des von den Anteilseignern investierten Geldes dem Betrage nach. Gewinn wird deshalb definiert als der Betrag, der über die zur Erhaltung 782 des ursprünglichen Eigenkapitals notwendigen Erträge hinaus erwirtschaftet wurde . Die Schwelle ist der Ersatz der historischen Ausgaben für verbrauchte Güter. Deshalb wird einer solchen Geldkapitalerhaltungskonzeption das Anschaffungswertprinzip zugrunde gelegt, während bei Sachkapital- oder Substanzerhaltungskonzeptionen von einem gütermäßigen Gewinnbegriff und damit vom Tageswertprinzip ausgegangen

779 780 781 782

Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 805. Hommel/Berndt, BB 2000, S. 1184, 1189. Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 14 f.; vgl. auch bereits Geßler, FS 75 Jahre DTG, S. 129, 159. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1079.

161

783

wird . Gewinn oder Verlust im Sinne der Handelsbilanz nach HGB ist also die Veränderung des nominalen Eigenkapitals pro Periode. Gewinn entsteht mit anderen Worten, 784 sobald für Vermögensgegenstände mehr erlöst wird, als für sie ausgegeben wurde . Dieser Erlös muss in einem tatsächlichen Umsatzakt realisiert worden sein. Im Umkehrschluss heißt das, dass Wertveränderungen über die Anschaffungskosten hinaus keinen Einfluss auf die Gewinnermittlung haben dürfen, solange es an einem solchen Realisierungsakt fehlt. Vorsichts-, Realisations- und Imparitätsprinzip werden damit als fundamentale Gewinnermittlungsgrundsätze jedem bilanziellen Gewinnausweis nach HGB zugrunde gelegt. Die nominale Geldkapitalerhaltung wird in der Definition des Jahreserfolges durch das Realisationsprinzip und das mit ihm verbundene Anschaffungswertprinzip garantiert785. Aus alledem wird geschlossen, dass der Grundsatz der Erhaltung des Nennkapitals auf dem Anschaffungswertprinzip beruht786. Dies gilt m.E. aber allenfalls dann, wenn, wie im 787 HGB, Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung gleichgesetzt werden . Dagegen lässt sich nämlich einwenden, dass für die bilanzielle Gewinnermittlung der Periodenvergleich entscheidender ist als die Differenz zwischen den Anschaffungskosten eines Vermögensgegenstands und dem für ihn erzielten Erlös. Grundsätze der Bewertung haben zwar Einfluss auf die Höhe des in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapitals, auf dessen Erhaltung im Zweifel aber zunächst nicht. Erst in einem zweiten Schritt im Rahmen der Ausschüttungsbemessung haben Bewertungsmaßstäbe mittelbar Einfluss auf die Erhaltung des Eigenkapitals788. Das Realisationsprinzip wird dementsprechend auch als Gewinnverteilungsschranke bezeichnet789. Solange aber Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung quasi identisch sind, ist die Bezeichnung von Vorsichts-, Imparitäts- und Reali790 sationsprinzip als Kapitalerhaltungsgrundsätze noch gerechtfertigt. Mit der Beeinflussung des Vorsichtsprinzips und seiner Ausprägungen hat Zeitwertbilanzierung somit auch

783 784 785 786

787 788

789 790

162

Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1079 f. Bei Substanzerhaltungskonzeptionen werden Tageswerte nota bene als Wiederbeschaffungswerte verstanden. Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 16 u. 36. Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 16; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1079, 1083; D. Schneider, BWL Bd. 2: Rechnungswesen, S. 159. Str.; vgl. Seicht, Bilanztheorien, S. 103 u. 142; D. Schneider, BWL Bd. 2: Rechnungswesen, S. 36; Baetge, Bilanzen, S. 87-90; a.A. Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 16 u. 36; Leuz, Rechnungslegung, S. 191 f. Nach dieser Ansicht ist das Anschaffungswertprinzip für die Nominalkapitalerhaltung nicht zwingend; vielmehr kann Nominalkapitalerhaltung auch bei erfolgswirksamer Neubewertung über die Anschaffungskosten hinaus gewährleistet sein. Andere Wertansätze führen lediglich zu einer anderen Periodisierung des Totalerfolgs, haben bei einer Totalperiodenbetrachtung damit auch keinen Einfluss auf das Nominalkapital. So auch Leuz, Rechnungslegung, S. 20 f. m.w.N. u. 219-224. Selbstverständlich führen Verluste aufgrund von bloßen Wertminderungen wegen des Imparitätsprinzips bereits heute ebenso zu einem niedrigeren Eigenkapitalausweis wie realisierte Verluste; davor können und wollen Kapitalerhaltungsregeln auch gar nicht schützen. Die Kapitalerhaltung erschöpft sich in der Ausschüttungsbegrenzung oder -sperre durch Ausschüttungsbemessung. Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 16. So Baetge, Bilanzen, S. 113.

direkte Auswirkungen auf die bilanzielle Gewinnermittlung. Bei Bilanzierung zum Zeitwert besteht der Gewinn folglich zumindest teilweise aus Wertveränderungen des Zeitwerts bestimmter Aktiva und Passiva zum Abschlussstichtag, ohne dass diese Veränderungen realisiert worden und dem Unternehmen tatsächlich zugeflossen wären. Es werden 791 in der Bilanz Erfolge gezeigt, die liquiditätsmäßig noch gar nicht vorliegen müssen . So waren noch nach Art. 42 c des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission beispielsweise Bewertungsgewinne und -verluste aufgrund einer Bewertung zum Fair Value grundsätzlich sofort erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen792. Aus Sicht der EU-Kommission gelten insbesondere bei Handelsbeständen aufgrund des häufigen Umschlages der Bestände die Gewinne und Verluste als sofort realisiert. Dies führt zu einer erfolgswirksamen Behandlung von aus derzeitiger Sicht nicht realisierten 793 Gewinnen und Verlusten . Der in der Bilanz ermittelte und ausgewiesene Gewinn wird nicht nur um diese bloßen Wertveränderungen vermindert oder erhöht, er ist dadurch auch größeren Schwankungen ausgesetzt, abhängig vom Kursverlauf der zum Zeitwert bilanzierten, teilweise stark volatilen Vermögensgegenstände. Der in der Bilanz ermittelte Gewinn entspricht de lege lata gleichzeitig dem Betrag, der an die Gesellschafter ausgeschüttet werden darf. Durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung erhöht sich nach geltendem Recht dadurch auch der Ausschüttungsanspruch der Gesellschafter auf einen Betrag, den auszuschütten das Unternehmen mangels tatsächlich zugeflossener liquider Mittel möglicherweise gar nicht in der Lage ist. Zur Erfüllung eines solcherart begründeten Ausschüttungsanspruchs wäre das Unternehmen möglicherweise gezwungen, sich durch Veräußerungen liquide Mittel zu verschaffen und damit seine Substanz anzugreifen. Dies widerspricht der Rechnungslegungskonzeption des HGB, derzufolge nicht realisierter Gewinn nicht als ausschüttungsfähig gelten darf794. Nach geltendem Handelsrecht erfolgt die Gewinnermittlung nicht nur durch Periodenvergleich des Eigenkapitals in der Bilanz, sondern auch in der Gewinn- und Verlustrechnung795. Ziel der Gewinn- und Verlustrechnung ist die Darstellung der Ertragslage und die Analyse der Erfolgskomponenten. Hier erscheint der Gewinn als Saldo aus Er-

791 792

793 794

795

Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 341. Art. 42 c der Richtlinie ist demgegenüber etwas enger formuliert. Wertänderungen sind nunmehr nur dann in der Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen, wenn das fragliche Finanzinstrument kein Sicherungsinstrument darstellt und die Wertänderung nicht auf Wechselkursdifferenzen der Nettobeteiligung an einer ausländischen Gesellschaft beruht. In diesen Fällen ist die Wertänderung in einer Zeitwertrücklage im Eigenkapital zu erfassen. Scharpf, DB 2000, 629, 632. T. Siegel, BFuP 1998, 593, 597. Aus denselben Gründen soll nicht-realisierter Gewinn auch nicht der Besteuerung unterliegen. Bei hoher Inflationsrate kann im Übrigen auch und gerade die Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten dazu führen, dass die Bilanz Gewinne ausweist, die realiter nicht bestehen und deren Ausschüttung zu Substanzschädigungen beim ausschüttenden Unternehmen führen kann. Die in der Vergangenheit diskutierten verschiedenen Konzeptionen der Substanzerhaltung belegen, dass Bilanzierung zu historischen Kosten auf der Grundlage des Nominalwertprinzips kein Garant für die Erhaltung des Grundkapitals zugunsten der Gesellschaftsgläubiger ist (s.o. C. V., S. 107 ff.). Prinzip der doppelten Buchführung, vgl. statt aller Baetge, Bilanzen, S. 539-547.

163

trägen und Aufwendungen der Periode, vgl. § 242 Abs. 2 HGB. Der von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung jeweils ermittelte Periodenerfolg ist dennoch identisch. Den in Erträgen und Aufwendungen periodisierten Einnahmen und Ausgaben entspricht 796 in der Bilanz die Mehrung oder Minderung bestimmter Aktiva und Passiva . Unter Erträgen und Aufwendungen versteht das Gesetz jeden Vorgang, der zu einer Erhöhung oder Verminderung des Nettovermögens führt. Aufwendungen und Erträge umfassen damit mehr als Auszahlungen und Einzahlungen und Ausgaben und Einnahmen. Sie 797 schließen Wertzuwachs und Wertverzehr mit ein . Es stellt sich die Frage, ob bilanziell ermittelter Gewinn und Gewinn laut Gewinnund Verlustrechnung bei der Einführung von Zeitwertbilanzierung noch identisch sein können. Schließlich stellt die Gewinn- und Verlustrechnung auf einen umsatzbedingten Gewinnbegriff ab, während aufgrund von Zeitwertbilanzierung im Rahmen der Bilanz auch Wertveränderungen ohne Umsatzakt zum Gewinn oder Verlust beitragen können. In der Gewinn- und Verlustrechnung gilt ebenfalls das Realisationsprinzip. Wie bei der Bilanz auch wird das Realisationsprinzip von Zeitwertbilanzierung durchbrochen und führt damit zu einem wesentlich veränderten Gewinnausweis. Daher besteht auch kein Bedarf, künftig zu trennen zwischen Gewinn laut Bilanz, der Informationszwecken dient, und Gewinn laut Gewinn- und Verlustrechnung, der der Ausschüttungsbemessung dient. Entsprechend werden beispielsweise im Rahmen des Finanzergebnisses auch heute Wertveränderungen berücksichtigt; wie beispielsweise bei Fremdwährungen. Ebenso können auch heute schon Zuschreibungen als Erträge problemlos in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt werden798. Solange sie unter der Prämisse eines nominalen Eigenkapital- und Gewinnbegriffs erstellt wird, basiert die Gewinn- und Verlustrechnung ebenfalls auf den Anschaffungskosten. Im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung, die dazu dient, Auskunft über die Herkunft und Quellen des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinns zu geben, sind die Anschaffungskosten insofern von Bedeutung, als es hier im Zweifel tatsächlich auf die Differenz zwischen diesen und dem für einen Vermögensgegenstand erzielten Erlös ankommt. Andererseits gilt auch hier, dass Wertveränderungen im Periodenvergleich durchaus als Erträge ausgewiesen werden können, sofern man bereit ist, auf das Realisationsprinzip und einen Umsatzakt zu verzichten. Stellt man auf Wertveränderungen im Periodenvergleich anstatt auf die Differenz zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungserlös ab, ändert dies nichts am grundsätzlichen Charakter der Gewinn- und Verlustrechnung als Zeitraumrechnung und Herkunftsangabe des Jahresergebnisses. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung ist daher mit den Grundsätzen und dem Charakter der Gewinn- und Verlustrechnung nicht weniger vereinbar als mit denjenigen der Bilanz. Hier wie dort ist die Realisation durch einen Umsatzakt heute fundamentales Prin-

796 797 798

164

Baetge, Bilanzen, S. 539-547; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 447. Wöhe, Handels- und Steuerbilanz, S. 9 f.; Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 419 f. Vgl. Baetge, Bilanzen, S. 553-605.

zip, dem eine Bilanzierung zum Zeitwert ebenso fundamental zuwiderläuft. Der generellen Zweckbestimmung der Gewinn- und Verlustrechnung und ihrem Charakter als Zeitraumrechnung und Herkunftsangabe der Aufwendungen und Erträge aber widerspricht eine Bewertung zum Zeitwert nicht. e)

Stille Reserven

Mit seinen soeben skizzierten Ansatz- und Bewertungsvorschriften fördert das HGB die Bildung stiller Reserven. In gewissem Rahmen wird dies insbesondere im älteren Schrift799 tum als „Ausdruck einer bewährten Wirtschaftsgesinnung“ für gut geheißen oder jeden800 falls billigend in Kauf genommen . Stille Reserven sind nach diesem Verständnis Ausdruck und Konsequenz der Gläubigerschutzfunktion von Rechnungslegung. Sie vergrößern das Kapitalkissen, das den Gläubigern als Sicherheit und Haftungsgrundlage dient. Sie garantieren, dass weniger Gewinn ausgeschüttet wird, als gegebenenfalls möglich wäre, und sind so Ausdruck konservativer kaufmännischer Gesinnung. Stillen Reserven wird ferner die Aufgabe zugewiesen, dem Unternehmen seine Selbstfinanzierungsfähigkeit zu erhalten. Nur so könne das Unternehmen bestehen, ohne in unerwünschte Abhängigkeit von seinen Kapitalgebern zu geraten. Stille Reserven dienen außerdem dazu, durch Anlegen eines Kapitalpolsters in guten Zeiten Vorsorge zu treffen für schlechtere. Eine solche restriktive und vorsorgende Ausschüttungspolitik lässt sich aber nach Ansicht der Befürworter stiller Reserven nicht gegen den Willen der Aktionäre durchsetzen, wenn die stillen Reserven aufgedeckt werden müssten. Diese verschwiegene Vorsorge an den Anteilseignern vorbei sei förderlich, um den Unternehmensbestand in Zeiten geringerer Gewinne oder gar Verluste zu garantieren801. „Gläserne Taschen“ ließen 802 sich „nicht verschlossen halten“ . Die Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven wurden bisher bereits für Kapitalgesellschaften durch die Verpflichtung zur Wertaufholung gemäß § 280 HGB oder Unterbewertungsverbote beschränkt. Damit trug der Gesetzgeber in gewissem Umfang der Tatsache Rechnung, dass stille Reserven dem in § 264 Abs. 2 HGB normierten Grundsatz des True and Fair View widersprechen. Gerade im Falle ungünstiger Unternehmensentwicklung kann ihr stilles Auflösen diese Entwicklung vertuschen oder verzögern803. Ein Einblick in die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wird dadurch erschwert oder verhindert. Mit der Einführung von Zeitwertbilanzierung wird die Bildung stiller Reserven erheblich eingeschränkt, da die Bildung stiller Reserven in erster Linie von Vorsichts-, Imparitäts- und Realisationsprinzip bewirkt wird, diese Prinzi-

799 800 801 802 803

Beisse, FS Beusch, S. 77, 87. Ebenroth/Koos, BB 1985, Beilage 8, 1*, 10* f.; Moxter, BB 1985, 1101, 1103; ders., FS Häuser, S. 257, 258. Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 75 f. Moxter, BB 1985, 1101, 1103; ders., FS Häuser, S. 257, 258. Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 75 f.

165

pien durch Zeitwertbilanzierung aber gerade erheblich eingeschränkt und teilweise aufgehoben werden. f)

Folgen von Fair Value Accounting für System und Bedeutung bilanzrechtlicher Grundprinzipien und Aufgabenstellungen

Die Einführung von Zeitwertbilanzierung hat erhebliche Auswirkungen für das Handelsbilanzrecht und das bisherige Verständnis von GoB und Prinzipienrangfolge bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Die geschilderten Einschränkungen von Vorsichtsund Realisationsprinzip mit ihren Folgen für Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung bieten Anlass, die herkömmlichen bilanzrechtlichen Prioritäten zu überdenken. Wenn Zeitwertbilanzierung das Vorsichtsprinzip begrenzt, bedeutet das gleichzeitig eine Beschneidung seiner Bedeutung als alles beherrschendes „Grundprinzip“ des deutschen Bilanzrechts. Gleichzeitig erfährt dadurch der True and Fair View im Sinne des § 264 Abs. 2 HGB und damit die Informationsfunktion des Jahresabschlusses eine er804 hebliche Aufwertung. Die im Zweifel ohnehin schon heute europarechtswidrige Abkoppelungstheorie wird damit endgültig obsolet. Der True and Fair View kann endlich auch den ihm vom europäischen Gesetzgeber zugedachten Stellenwert beanspruchen. Damit verliert auch der Gläubigerschutz seine übergeordnete Stellung. Schließlich wird nach h.M. die Stellung des Gläubigerschutzes als übergeordnetes und alles dominierendes Prinzip des deutschen Handelsbilanzrechts lediglich abgeleitet aus der beherrschenden Stellung des Vorsichtsprinzips im System des Handelsbilanzrechts und der GoB. Der Gläubigerschutz ist damit kein originär dem Bilanzrecht innewohnendes und dieses beherrschendes Prinzip. Wird die dominierende Stellung des Vorsichtsprinzips anderen Prinzipien geopfert, zieht dies unweigerlich auch einen Bedeutungsverlust des daraus abgeleiteten Gläubigerschutzprinzips nach sich805. Die lediglich „derivative Dominanz“ des Gläubigerschutzes ermöglicht es dann, an seiner Stelle anderen Schutzrichtungen den Vorzug zu geben oder sie wenigstens auf dieselbe Stufe mit ihm zu heben.

804 805

166

Vgl. Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 43, 63 m.w.N. Nach Kubin übt der Jahresabschluss selbst keine Schutzfunktion aus, obwohl die Fachliteratur vereinfachend von der „Gläubiger- und Gesellschafterschutzfunktion des Jahresabschlusses“ spricht. Der Schutzgedanke des Jahresabschlusses beruhe nämlich ausschließlich auf der Schutzfunktion, die von den „Standard Settern“ durch die erlassenen Rechnungslegungsnormen, von dem „Corporate Governance System“ einschließlich des internen Kontrollsystems, von den externen Prüfern und von dem allgemeinen rechtlichen Rahmen einschließlich der Gerichtsbarkeit ausgeübt wird. Insofern sei die Schutzfunktion des Jahresabschlusses lediglich eine derivative Funktion, Kubin, FS Coenenberg, S. 525, 529 unter Fn. 4.

3.

Auswirkungen von Fair Value Accounting im Aktienrecht

a)

Die gesellschaftsrechtliche Schutzzweckkonzeption des deutschen Rechts und ihre Schnittstellen mit der Handelsbilanz

(1)

Gläubigerschutz als Hauptanliegen des Rechts der Kapitalgesellschaften

Aufgabe und Zweck des Rechts im Allgemeinen ist es, einen gerechten Ausgleich aller 806 auch widerstreitenden Interessen herbeizuführen . Auf das Gesellschaftsrecht bezogen, bedeutet das, dass die Rechtsordnung einen gerechten Ausgleich herzustellen hat zwischen den Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter/Anteilseigner einerseits und denjenigen ihres sozialen Umfelds andererseits. Dem traditionellen Misstrauen gegenüber der Finanzierungsform Kapitalgesellschaft entsprechend sieht das klassische deutsche Gesellschaftsrecht seine Aufgabe insbesondere darin, den Antagonismus zwischen Gesellschaftern und Gläubigern der Gesellschaft zu ordnen. Der Schutz dessen, der mit der Kapitalgesellschaft rechtlich in Kontakt tritt, gilt als vorrangig zur Sicherung des Rechtsfriedens und zur Herstellung von Vertrauen in die Rechtsordnung, die auf diese Weise gewährleistet, dass die Rechtsform der Kapitalgesellschaft nicht dazu missbraucht wird, ihre Vertragspartner zu übervorteilen. Es ist letztlich Berle/Means zu verdanken, das Augenmerk auf den weiteren Antagonismus zwischen Gesellschaftern und Management gelenkt zu haben. Inzwischen wird daneben auch der Aktionärsschutz als weitere, genuin gesellschaftsrechtliche Aufgabe anerkannt807. Gläubigerschutz gilt traditionell als eines der Hauptanliegen des deutschen Kapitalge808 sellschaftsrechts , auch wenn der BGH noch andere Interessengruppen – gegenwärtige und künftige Aktionäre, Arbeitnehmer und das allgemeine Wirtschaftsleben – für schützenswert hält809. Die besondere Bedeutung des Gläubigerschutzes beruht teilweise auf 810 historischen Entwicklungen , die in Deutschland ein gewisses Misstrauen gegenüber der Rechtsform der Kapitalgesellschaft und dem Prinzip der beschränkten Haftung wachsen ließen, teilweise auf dem (im Zweifel trügerischen) Glauben an ein geringeres Ausfallrisiko bei Personengesellschaften aufgrund der persönlichen und unbeschränkten

806 807 808 809 810

Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 81. Vgl. Kübler, SZW 1995, 223, 225, und bereits Geßler, FS 75 Jahre DTG, S. 129, 152-155. Vgl. statt aller Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 89. Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 57 m.w.N. Zu den im Verlauf der Geschichte der Aktiengesellschaft in Deutschland aufgetretenen Missständen (Gründerschwindel) vgl. z.B. Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 176 f. Der Gründerschwindel hatte aber zunächst das verstärkte Bedürfnis nach einem Schutz der Aktionäre vor betrügerischen Gründern und Vorständen zur Folge. Das starke Misstrauen gegenüber der Rechtsform der Kapitalgesellschaft hat aber darin ebenso seine Ursache, wie im missbräuchlichen Umgang mit der Rechtsform der GmbH. Letzterer führte in der Tat häufig zur Schädigung der Gläubiger dieser Gesellschaften. Zur historischen Entwicklung vom Aktionärs- zum Gläubigerschutz im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht, der letztlich erst mit dem vollständigen Erliegen des Kapitalmarkts in Deutschland und der damit verbundenen verstärkten Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften in den Vordergrund trat, vgl. Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 67 ff., 93.

167

Gesellschafterhaftung. Dahinter steht die Befürchtung, dass durch das Institut der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen das Verlustrisiko von der Gesellschaft und den Gesellschaftern auf die Gläubiger übertragen werden könnte. Das Prinzip der Haftungsbeschränkung gilt immer noch als ein von der Rechtsordnung verliehenes Privileg, das grundsätzlich geeignet ist, die Gläubiger zu gefährden, und daher nicht 811 vorbehaltlos gewährt werden darf . Gefördert wird dies noch durch die Vorstellung, dass der Gläubiger einer Personengesellschaft grundsätzlich besser gestellt sei, da er zusätzlich zum haftenden Gesellschaftsvermögen einen persönlich und grundsätzlich unbeschränkt haftenden Schuldner habe, in dessen Vermögen er noch 30 Jahre nach dem Insolvenzverfahren über die Gesellschaft vollstrecken darf812. Zwar ist mit der Aktienrechtsreform 1965 der Aktionärsschutz als Ziel des Aktienrechts neben den Gläubigerschutz getreten, indem umfangreichere Informationspflichten und eindeutigere Gewinnermittlungsregeln eingeführt wurden 813 , am Gläubigerschutzprinzip wurde aber nicht gerüttelt. Insbesondere im Vergleich mit dem Rechtskreis des Common Law genießt der Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht in Deutschland daher eine im Vergleich zum Schutz anderer Interessengruppen überpro814 portional große Bedeutung . (2)

Grundkapital und gesetzlich fixierte Nennkapitalziffer

Das Anliegen des Gläubigerschutzes versucht das deutsche Recht auf verschiedene Weise zu verwirklichen. Insbesondere aber die Idee einer festen Nennkapitalziffer mit dem daran anknüpfenden Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals dient dem Gläubigerschutz, indem man der Gesellschaft ein Vermögen mindestens in Höhe des Grundkapitals zu erhalten sucht815. Das Nennkapitalkonzept ist der Dreh- und Angelpunkt des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems. Es handelt sich damit um einen der wichtigsten Grundsätze des deutschen Aktienrechts816. (a)

Grundkapital, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung

Das Aktiengesetz schreibt für Aktiengesellschaften in den §§ 1 Abs. 2, 6, 7 AktG ein gesetzliches Grundkapital von mindestens 50.000 Euro vor. Die nominelle Höhe des Grundkapitals wird in der Gesellschaftssatzung festgelegt und kann lediglich unter den strengen Voraussetzungen für Kapitalerhöhung und -herabsetzung gemäß §§ 182 ff. beziehungsweise 222 ff. AktG verändert werden. Das Grundkapital setzt sich zusammen 811

812 813 814 815 816

168

Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 97; zu dieser Ansicht vgl. statt aller: Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 182. Zur wirtschaftlichen und rechtlichen Legitimation des Instituts der beschränkten Haftung ausführlich Bauer, ebd., S. 95-108; aus US-amerikanischer Sicht: Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89 (1985). Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 93 f. So Geßler, FS 75 Jahre DTG, S. 159, 161. Kübler, Aktie, S. 56 f.; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 97. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 89. So z.B. Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 185; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 166.

aus der Summe der Nennbeträge der Aktien oder der Summe der auf die einzelnen Aktien entfallenden Anteile am (nominellen) Grundkapital (vgl. §§ 1 Abs. 2, 8 Abs. 1-4 AktG). Das Grundkapital ist streng vom sich im Verlauf der Geschäftstätigkeit ständig verändernden Gesellschaftsvermögen zu unterscheiden. Die gesetzliche Festlegung eines nominellen Grundkapitals wird ergänzt durch die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung. Im Rahmen der Sicherung der Kapitalaufbringung ist zunächst das Verbot der Unterpari-Emission gemäß § 9 Abs. 1 AktG zu nennen. Die Vorschrift will sicherstellen, dass wenigstens im Zeitpunkt der Ausgabe der Aktien ein Grundkapital in Höhe der Summe der Nennwerte der ausgegebenen Aktien eingezahlt worden ist. Zur Ergänzung verbietet § 66 AktG jegliche Befreiung der Aktionäre von ihren Leistungspflichten. Rechtsprechung und Literatur haben die gesetzliche Sicherung der Kapital817 aufbringung darüber hinaus erweitert um die Lehre von der verdeckten Sacheinlage . Zu Erhaltung des Grundkapitals sieht § 57 Abs. 1-3 AktG das Verbot jeglicher Einlagenrückgewähr vor. Ergänzend verbieten die §§ 71-71 e AktG grundsätzlich den Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft oder vergleichbare Geschäfte, der grundsätzlich als verbotene Einlagenrückgewähr anzusehen ist und daher gemäß § 71 AktG auf bestimmte Ausnahmefälle und auf eine Höhe von maximal zehn Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft beschränkt bleibt. Ein wesentlicher Beitrag zur Kapitalerhaltung ist ferner die Pflicht, das Grundkapital als Eigenkapital zu passivieren. Die §§ 152 AktG, 266 Abs. 3 A I HGB bewirken gemeinsam mit den §§ 58 AktG, 266 Abs. 2 Nr. 2 HGB, dass eine Ausschüttung an die Gesellschafter nur erfolgen kann, wenn das Gesellschaftsvermögen das Grundkapital übersteigt 818 . Die Passivierungspflicht des Grundkapitals stellt damit sicher, dass ein verteilungsfähiger Gewinn nur vorhanden sein kann, wenn das Aktivvermögen größer ist als die Summe aus Grundkapital und Verbindlichkeiten819. Gleichzeitig verhindert § 57 Abs. 3 AktG, dass – gleichsam als Sonderfall der Einlagenrückgewähr – ein den Bilanzgewinn übersteigender Betrag an die Gesellschafter ausgekehrt wird und das Gesellschaftsvermögen darüber hinaus geschmälert wird. Das Absinken des Gesellschaftsvermögens unter das Grundkapital käme in einem solchen Fall einer Einlagenrückgewähr durch (Schein-) Gewinnausschüttung gleich. (b)

Grundkapital als Haftungssubstrat

Der Ausschluss der persönlichen Haftung der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften im deutschen Recht ist, anders als das Prinzip der Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen820, nicht logisch notwendige Folge der Eigenschaft der Kapitalge-

817 818 819 820

Dazu ausführlich Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 1-59. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 326. Kraft, in: KK-AktG, § 1 Rn. 29. Dazu statt aller Hüffer, AktG, § 1 Rn. 4.

169

821

sellschaften als Körperschaft und damit als juristische Person . Die Einführung eines gesetzlichen Mindestkapitals für Kapitalgesellschaften wird daher als bewusste gesetzgeberische Entscheidung angesehen, um einen Ausgleich zu schaffen für den Ausschluss der persönlichen Haftung der Anteilseigner und die Tatsache, dass das Gesell822 schaftsvermögen das einzige Haftungsobjekt für die Gläubiger darstellt . Richtigerweise kann es sich bei der gesetzlichen Mindestkapitalziffer an sich jedoch lediglich um eine gesetzliche „Seriositätsschwelle“ handeln, eine gesetzliche Schwelle für den Zugang zur Rechtsform der Kapitalgesellschaft und zum Privileg des Haftungsausschlus823 ses . Die dauerhafte Sicherung der Gläubiger kann das Grundkapital alleine hingegen nicht gewährleisten, sofern nicht Maßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass es sofort im Geschäftsbetrieb aufgezehrt oder gar nach Einzahlung wieder an die Gesellschafter zurückgezahlt wird. Als Rechtfertigung und Ausgleich für das Fehlen der persönlichen Mitgliederhaftung kann eine gesetzliche Mindestkapitalziffer nach allgemeiner Ansicht daher erst dienen im Verbund mit den Regeln zu Kapitalaufbringung und -erhaltung, Unterkapitalisierungsverboten und Insolvenzantragspflichten bei Überschuldung, die allesamt dazu bestimmt sind, ein Gesellschaftsvermögen in Höhe des Grundkapitals dauerhaft aufzubringen und der Gesellschaft zu erhalten824. Das Grundkapital im Sinne der §§ 1 Abs. 2, 6 AktG allein ist somit weder materielles Substrat der Rechtspersönlichkeit noch primär ein Ausgleich für das Fehlen der persönlichen Haftung der Mitglieder. Ein solcher wird es erst im Zusammenhang mit den genannten gesetzlichen Kapitalschutzregeln. Die mit Grundkapital und den Grundsätzen von Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung erreichte Vermögensbindung bezweckt eine Bindung des gesamten Gesellschaftsvermögens, nicht nur des Grundkapitals selbst825. Damit wird aus dem Grundkapital die materielle Grundlage für das Haftungskapital der Gesellschaft im Interesse der Sicherung Dritter826. In diesem Sinne versteht das Aktiengesetz das Grundkapital als Garantiekapital für die Gläubiger. Das Grundkapital hat damit die Aufgabe, der Aktiengesellschaft im Interesse der Gläubiger ein Vermögen zumindest in Höhe dieses Grundkapitals zu verschaffen und zu erhalten. Die Gläubiger genießen im Hinblick 821

822 823 824 825 826

170

Hüffer, AktG, § 1 Rn. 8; Kraft, in: KK-AktG, § 1 Rn. 28. Vielmehr diente der Ausschluss der persönlichen Haftung und die damit verbundene Reduzierung des Risikos des Aktionärs auf sein finanzielles Engagement in der Aktiengesellschaft wohl eher der Steigerung der Attraktivität der Anlageform „Aktie“ und damit der Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft. Dazu ausführlich und zu den verschiedenen Möglichkeiten des Haftungsdurchgriffs: Raiser, FS Lutter, S. 637; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 98-102. Für die diesbezüglich weitgehend ähnlich verlaufene Rechtsentwicklung in den USA vgl. Klein/Coffee, Business Organizations and Finance, S. 139; Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89 (1985). Hüffer, AktG, § 1 Rn. 10. Statt aller Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 1. Eine Sperrfunktion kann der Mindestnennbetrag von 50.000 Euro heute wohl aber nur noch gegenüber Klein- und Kleinstunternehmen erfüllen, Müko-AktG/Heider, § 7 Rn. 7; Schön, ZHR 2002, 1. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 18 IV 1, S. 540; ebenso Hüffer, AktG, § 1 Rn. 11, 12; Kraft, in: KK-AktG, § 1 Rn. 28, § 7 Rn. 4. Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 215. Kraft, in: KK-AktG, § 1 Rn. 28; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 325; Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 185; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 153.

auf die Existenz des Grundkapitals und seine Funktion als Haftungssubstrat Vertrauensschutz. Aufgrund der Geschäftstätigkeit der AG und der damit verbundenen Verlustrisiken darf sich der Rechtsverkehr allerdings nicht darauf verlassen, dass immer ein Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, dessen Wert dem des eingetragenen Grundkapitals ent827 spricht oder ihn übersteigt . Der Grundsatz der Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals beinhaltet nicht, dass den Gläubigern wertmäßig die Substanz des Vermögens ihrer Schuldnerin erhalten bleibt828. Dennoch steht hinter der gesetzlichen Festlegung einer formellen Nennkapitalziffer die Idee, eine im Idealfall angemessene Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft zu erreichen und dadurch einen gerechten Ausgleich der Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern herbeizuführen829. (3)

Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung

(a)

Bilanzgewinn als Maßstab des Ausschüttungsanspruchs der Aktionäre

§ 58 Abs. 4 AktG bestimmt, dass die Aktionäre einen Anspruch auf Ausschüttung des 830 Bilanzgewinns haben . Indem § 58 Abs. 4 AktG den Anspruch der Aktionäre auf den Bilanzgewinn festschreibt, beschränkt er deren Anspruch auch auf denselben. Daneben fixiert § 57 Abs. 3 AktG ausdrücklich den Bilanzgewinn als Obergrenze dessen, was an die Gesellschafter vor Auflösung der Gesellschaft ausgeschüttet werden darf. Der Bilanzgewinn im Sinne der §§ 57, 58 AktG ergibt sich durch Weiterrechnung des Jahresüberschusses laut Gewinn- und Verlustrechnung gemäß § 158 Abs. 1 AktG. Dabei wird der Jahresüberschuss erhöht durch Gewinnvortrag und Entnahmen aus Gewinnrücklagen und vermindert durch Verlustvortrag und Einstellungen in Gewinnrücklagen831. Die Beschränkung des Ausschüttungsanspruchs der Aktionäre dient der Kapitalerhaltung832 und steht damit im Einklang mit den §§ 9, 57 und 66 AktG, die alle dem Zweck der Er833 haltung des Grundkapitals verpflichtet sind . Durch die Verweisung auf dem Jahresüberschuss laut Gewinn- und Verlustrechnung gemäß § 158 Abs. 1 AktG werden die bilanziellen Regeln betreffend die Ausschüttungsbemessung und Gewinnermittlung zum wesentlichen Bestandteil der gesellschaftsrechtlichen Kapitalsicherung.

827 828 829 830

831 832 833

Müko-AktG/Heider, § 6 Rn. 5; ausführlich Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 62 m.w.N. Geßler, FS 75 Jahre DTG, S. 129, 159. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 112. Vgl. auch § 29 GmbHG, der den Anspruch der GmbH-Gesellschafter auf Auszahlung des Jahresüberschusses zuzüglich Gewinnvortrag und abzüglich Verlustvortrag festlegt. Mit der Festschreibung des Ausschüttungsanspruchs wird gleichzeitig ein Mindestausschüttungsanspruch zum Schutz der Minderheitsgesellschafter geschaffen. Hüffer, AktG, § 58 Rn. 3. Vgl. statt aller Hüffer, AktG, § 58 Rn. 5. Vgl. statt aller Eisenhard, Gesellschaftsrecht, Rn. 491.

171

(b)

Bilanzielle Gewinnermittlung und Kapitalerhaltung

Die aktienrechtliche Zielsetzung der Kapitalerhaltung wird durch die Vorschriften zur Ermittlung des Bilanzgewinns im Rahmen der Rechnungslegung verwirklicht. Da das Aktienrecht hinsichtlich der Bemessung des ausschüttungsfähigen Gewinns auf die handelsrechtlichen Vorschriften zur Gewinnermittlung verweist, fallen Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung zusammen. Entscheidend für Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung sind die Vorschriften betreffend Ansatz und Bewertung, insbesondere das Vorsichtsprinzip und seine Ausprägungen Realisations-, Niederstwert834 und Imparitätsprinzip . Damit gelingt die rechtstechnische Verwirklichung des Kapitalschutzes im Interesse der Gläubiger. Der Bilanzgewinn als die für die Höhe der Zuwendungen an die Aktionäre aus dem Gesellschaftsvermögen maßgebliche Größe erlangt dadurch zentrale Bedeutung. Seine Ermittlung bestimmt unmittelbar das Ausmaß des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes835. Im Interesse dieses Kapitalschutzes darf sich der Kaufmann, insbesondere die Kapitalgesellschaft, nicht reicher darstellen als sie ist, um ihre Gläubiger nicht zu gefährden836. Das Verbot der Bilanzierung noch nicht realisierter Gewinne soll hierbei ebenso wie die Bilanzierung höchstens zu historischen Anschaffungskosten gemäß § 253 Abs. 1 HGB die Ausweisung und Ausschüttung zu hoher Gewinne und die damit verbundene Gefahr einer Verringerung des Grundkapitals zu verhindern helfen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Auszahlung unrealisierter Gewinne einer verbotenen Einlagenrückgewähr im Sinne des § 57 Abs. 1 u. 3 AktG gleichkommt. Werden unrealisierte Gewinne bei der Bestimmung des Bilanzgewinns berücksichtigt, kollidiert dies mit den aktienrechtlichen Vorschriften zur Kapitalerhaltung. Durch das Verbot des Ansatzes unrealisierter Gewinne und das gleichzeitige Gebot des niedrigstmöglichen Wertansatzes und durch die gleichzeitige Verlustantizipation durch das Imparitätsprinzip führt das Vorsichtsprinzip zur Bildung stiller Reserven. Dies geschieht etwa durch überhöhte Abschreibungen und Bildung von Rückstellungen, insbesondere aber „automatisch“ durch die Bilanzierung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten, sobald diese hinter der Entwicklung der Marktpreise zurückbleiben. Bei geschicktem Umgang mit den so entstandenen stillen Reserven kann einerseits das Ergebnis geglättet und negative Entwicklungen verborgen werden837. Die bei dieser Bilanzierungsweise entstehenden stillen Reserven ergänzen aber andererseits gleichzeitig 838 das „Kapitalkissen“ und verbreitern damit die Haftungsmasse . Die zwangsweise Bildung stiller Reserven durch eine Bewertung auf der Basis historischer Anschaffungsund Herstellungskosten soll also die finanzielle Stabilität eines Unternehmens fördern, indem dank vorsichtiger und zurückhaltender Gewinnermittlung unangemessen hohe 834 835 836 837 838

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Zum Zusammenhang Baetge, Bilanzen, S. 87 ff.; Schulze-Osterloh, in: Schruff (Hrsg.), S. 121, 124 f.; ders., in: IDW-Fachtagung 1994. Schulze-Osterloh, in: Schruff (Hrsg.), S. 121, 124 f. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 93. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 46. Dazu, insbes. zu den stillen Reserven, ausführlich Kübler, ZHR 1995, 550, 553.

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Ausschüttungen vermieden werden und Kapital im Unternehmen erhalten bleibt . Dadurch sollen die stillen Reserven das durch das Grundkapital garantierte „Finanzkissen“ erhalten helfen und die dem Zugriff der Gläubiger zur Verfügung stehende Haftungsmasse sichern und vergrößern. Je vorsichtiger der Bilanzgewinn ermittelt wird, desto geringer fallen mögliche Ausschüttungen an die Aktionäre aus und desto mehr wird das „Kapitalkissen“ geschont oder sogar erhöht. Erst aus diesem Zusammenhang heraus lässt sich das über die Dokumentation der Geschäftsvorfälle hinausgehende Bilanzziel Gläubigerschutz ableiten und erklären. Daneben wird selbstverständlich auch die Erhaltung und Stabilität des Unternehmens und seiner Substanz angestrebt. Die vorsichtige Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns trägt dafür Sorge, dass nur „echte“ Gewinne als solche ausgewiesen werden, und verhindert eine zu hohe Volatilität des ausgewiesenen Gewinns. Denn Ausschüttungsentscheidungen auf der Basis gegebenenfalls zu hoch ausgewiesener und darüber hinaus extrem volatiler Bilanzgewinne gefährden nach dieser Konzeption die Stabilität des Unternehmens und seine Substanz. b)

Folgen von Fair Value Accounting für Gesellschaftsrecht und Kapitalschutzsystem

Da das System einer vorsichtigen, anschaffungskostenorientierten Rechnungslegung die aktienrechtlichen Vorschriften ergänzt und sich damit auch in den Dienst der Erhaltung des Grundkapitals stellt, liegt hier – wie oben dargestellt – eine wichtige Schnittstelle zwischen Bilanz- und Gesellschafts-, insbesondere Aktienrecht. Durch die Kopplung des Ausschüttungsanspruchs der Aktionäre an den Begriff des Bilanzgewinns in § 58 Abs. 4 AktG wird das bilanzrechtliche Schema einer am Vorsichtsprinzip orientierten Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns zu einem wichtigen, vielleicht dem wichtigsten Instrument 840 zur Verwirklichung des gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungsgrundsatzes841. Aufgrund dieser Zusammenhänge führt die Rechnungslegung auf der Basis von Zeitwerten zu einem Konflikt mit dem aktienrechtlichen System von Grundkapital, Nennwertprinzip und Aufbringung und Erhaltung dieses (Nenn-)Kapitals; es kommt zu einer Gefährdung des traditionellen Gläubigerschutzes im Handelsbilanzund Kapitalgesellschaftsrecht. (1)

Wegfall einer tauglichen Grundlage für die Ausschüttungsbemessung

Die Bilanzierung von Vermögensgegenständen zum Zeitwert setzt das Vorsichtsprinzip außer Kraft. Dies hat wesentlichen Einfluss auf die Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung. Der nach Handelsbilanz ermittelte Gewinn ist größeren Schwankungen ausgesetzt als bisher, je nach Volatilität der zum Zeitwert bilanzierten Vermögensgegenstände. Bei positiver Wertentwicklung kommt es zu einem höheren Gewinnausweis und damit zu einem höheren Ausschüttungsanspruch der Aktionäre. Werden Fair Value839 840 841

Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 72 m.w.N. So Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 405. Vgl. statt aller Hueck, Gesellschaftsrecht, S. 268.

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Veränderungen trotz ausgebliebener Realisierung erfolgswirksam bilanziert, besteht insbesondere aufgrund deren hoher Volatilität ferner die Gefahr, dass sich die am Bilanzstichtag ausgewiesenen Gewinne aufgrund von marktbedingten Wertveränderungen nach 842 dem Bilanzstichtag bei negativer Marktentwicklung schnell wieder verflüchtigen . Ein Gewinn, der derartigen Schwankungen ausgesetzt ist und aus nicht realisierten, der jeweiligen Marktentwicklung weiterhin ausgesetzten Wertveränderungen besteht, taugt jedenfalls nicht mehr ohne weiteres als Bemessungsgrundlage für die Ausschüttungen an die Anteilseigner, da der ausgewiesene Gewinn nicht nur mit erheblichen Risiken behaftet, sondern im Zweifel auch gar nicht vorhanden und zur Auszahlung verfügbar ist. Für das gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzsystem bedeutet das konkret, dass im Einzelfall ein höherer Bilanzgewinn ermittelt und ausgewiesen wird und damit höhere Aus843 schüttungen an die Gesellschafter erfolgen können . Die Bilanz läuft in einem solchen Fall Gefahr, ihre Fähigkeit zu verlieren, als Bemessungsgrundlage des ausschüttbaren Gewinns zu dienen. Die starre Verbindung des gesellschaftsrechtlichen Gewinnbeteiligungs- und Auszahlungsanspruchs der Gesellschafter mit dem bilanziell ermittelten Gewinn ist daher aufzulösen. Es muss über andere Wege nachgedacht werden, den Gewinnbeteiligungsanspruch der Gesellschafter und die Höhe der auszuzahlenden Dividende festzulegen. (2)

Aushöhlung des Systems von Nennkapital und Kapitalschutz

Durch die Begrenzung des der Gesellschaft entziehbaren Gewinns auf den Bilanzgewinn wird dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der nominellen Kapitalerhaltung Rechnung getragen 844 . Das Prinzip vorsichtiger Bilanzierung bildet so das logisch zwingende Korrelat zu einem an formellen Bilanzzahlen orientierten Nominalkapital845 schutz . Indem die Gewinnermittlung auf der Basis von Zeitwerten zu einem Gewinnausweis führt, der nicht mehr am Vorsichtsprinzip orientiert ist, stellt sie dieses Prinzip in Frage. Die bei einer solchen Gewinnermittlung drohende Auszahlung unrealisierter Gewinne stellt eine verbotene Einlagenrückgewähr im Sinne des § 57 AktG dar. Dies wiederum führt zu einer Beeinträchtigung des auf der Basis des Grundkapitals geschaffenen „Kapitalkissens“. Ein solcherart ermittelter Gewinn als Ausschüttungsbemessungsgrundlage ist zur Erhaltung des Nominalkapitals daher nicht mehr geeignet. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung führt dazu, dass – Identität von Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung auch künftig unterstellt – das Verbot der Einlagenrückgewähr eingeschränkt und die Erhaltung des Grundkapitals dadurch gefährdet wird. Damit fällt einer der tragenden Pfeiler des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzsystems. Wie dargelegt, kann das Grundkapital den beabsichtigten Gläubigerschutz nur gewährleisten, wenn gleichzeitig für seine Aufbringung und Erhaltung gesorgt ist. 842 843 844 845

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Dazu ausführlich: Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 343. Vgl. Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 136 f. Strobl, FS Clemm, S. 389, 404. Schön, ZHR 2002, 1, 3.

Konsequent zu Ende gedacht heißt das auch, dass das Prinzip der Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals in Frage gestellt wird und mit ihm das System einer gesetzlichen Mindestkapitalziffer selbst. Die gesetzliche Mindestkapitalziffer wird rechtspolitisch immer nur gerechtfertigt im Zusammenhang mit den Grundsätzen von Kapitalaufbringung und 846 -erhaltung. Brechen diese weg, ist deren Fundament aber ebenso überflüssig . Die bilanzielle Rechengröße Grundkapital verliert damit an Bedeutung. Das Nennkapital in seiner Unveränderlichkeit lässt sich dann aber kaum mehr erhalten847. Damit stellt eine Bewertung zum Zeitwert mit der Ausschüttungsbemessungs- und Kapitalerhaltungsfunktion der deutschen Rechnungslegung auch deren Verknüpfung mit dem Aktienrecht gemäß § 58 Abs. 4 AktG in Frage. Solange Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung parallel laufen, bedeutet daher ein Abrücken vom Anschaffungskostenprinzip bei der Bilanzierung zugunsten von Zeitwerten gleichzeitig eine Gefährdung des Nominalkapitalprinzips. c)

Das Vorwarnsystem gemäß § 92 Abs. 1 AktG

Eine weitere wichtige Schnittstelle zwischen gesellschaftsrechtlichem Kapitalschutz und Bilanzrecht bildet das gesetzliche Vorwarnsystem des § 92 Abs. 1 AktG mit der Pflicht des Vorstands, bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen848. Nach h.M. bedeutet das, dass das Gesellschaftsvermögen nur noch die Hälfte des Nennkapitals deckt. Für Ansatz und Bewertung im Rahmen des § 92 Abs. 1 AktG sind grundsätzlich ebenfalls die für die Jahresbilanz gel849 tenden Regeln des HGB maßgeblich . Zweck der Regelung ist die Information der Hauptversammlung über krisenhafte Entwicklungen im Unternehmen und die Herstellung der Handlungsfähigkeit der Aktionäre, die ausschließlich im Rahmen der Hauptversammlung tätig werden können. Insbesondere sollen die Aktionäre in die Lage versetzt werden, frühzeitig mit geeigneten Maßnahmen auf die Krise zu reagieren850. § 92 Abs. 1 AktG dient dem Schutz der Anteilseigner, während § 92 Abs. 2 u. 3 AktG wiederum dem Schutz der Gläubiger verpflichtet sind851. Die Regeln zur vorsichtigen Gewinnermittlung, insbesondere die Verpflichtung zur Verlustantizipation im Imparitätsprinzip, entscheiden über die Wirksamkeit dieses Vorwarnsystems. Durch die Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten können diese Verluste darüber hinaus mit positiven Wertveränderungen nicht ausgeglichen werden. Eine vorsichtige Gewinnermittlung mit der Vorwegnahme von Verlusten soll bewirken, dass der Eintritt der Anzeigepflicht des § 92 Abs. 1 AktG erheblich nach vorne verlegt wird. Je 846 847 848 849 850 851

Zum Zusammenhang von vorsichtiger Bilanzierung und Gewinnermittlung einerseits und Gläubigerschutz durch Kapitalschutz in Form der Erhaltung eines nominellen Stamm- bzw. Grundkapitals vgl. auch Schön, ZGR 2000, 706, 728 f. Zu diesem Zusammenhang vgl. auch Schön, ZHR 2002, 1, 5. Vgl. entsprechend § 49 III GmbHG für die GmbH. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 2, 3; Mertens, in: KK-AktG, § 92 Rn. 4, 12-14; Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 125, jeweils m.w.N. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 1. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 1.

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frühzeitiger die Benachrichtigung der Aktionäre erfolgt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, zur Wahrung ihrer Interessen erfolgversprechend und effizient handeln zu können. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung setzt das Zusammenspiel von Realisationsprinzip und Bewertung zu historischen Anschaffungskosten einerseits und Imparitätsprinzip andererseits außer kraft. Gewinne und Verluste werden dabei gleichermaßen antizipiert, und es besteht die „Gefahr“ höherer Gewinnausweise. § 92 Abs. 1 AktG verliert dadurch an Aussagekraft. Im selben Maße wie sich der Bilanzgewinn durch Zeitwertbilanzierung erhöhen kann, kann der Verlust der Hälfte des Grundkapitals im Sinne des § 92 Abs. 1 AktG später eintreten und dadurch das Vorwarnsystem des Aktiengesetzes unterlaufen werden. Wertveränderungen ohne jeglichen Umsatzakt sind geeignet, die Effek852 tivität der Verlustanzeigepflichten zu beeinträchtigen . Angesichts der höheren Volatilität von Zeitwerten und damit auch des Gewinn- und Verlustausweises des Unternehmens wird das Vorwarnsystem des § 92 Abs. 1 AktG allerdings ohnehin fragwürdig. Der spätere Verlusteintritt im Sinne des § 92 Abs. 1 AktG kann mithin ebenso wie der höhere Bilanz853 gewinn dazu beitragen, dass mehr Vermögen an die Gesellschafter ausgeschüttet wird . Der aktienrechtliche Gläubigerschutz wird auf diese Weise weiter ausgehöhlt. 4.

Fair Value Accounting und Insolvenzrecht

Eine Veränderung der Rechnungslegungsnormen kann – wie gesehen – eine Veränderung der Kapitalbasis der Unternehmen bewirken. Hieran aber kann unter Umständen der Eintritt der Insolvenz geknüpft sein854. Es stellt sich daher die Frage nach den Schnittstellen des Insolvenzrechts mit den handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften. Das Insolvenzrecht erlangt zunächst Bedeutung im gesamtrechtlichen Gefüge des Gläubigerschutzes wie beispielsweise bei 92 Abs. 2 AktG, der an die Begriffe der §§ 17-19 InsO 855 anknüpft . Während § 92 Abs. 1 AktG den Schutz der Gesellschaft und mit ihr den der Anteilseigner bezweckt, zielt Absatz 2 auf den Schutz der Gläubiger der Gesellschaft856. Anders als in § 92 Abs. 1 AktG hält die h.M. für § 92 Abs. 2 AktG einen auf Zeitwerten 857 aufbauenden Vermögensstatus für maßgeblich . Insolvenzgründe sind zunächst drohende oder bestehende Zahlungsunfähigkeit. Diese Zahlungsunfähigkeit im Sinne der §§ 17, 18 InsO bemisst sich nicht nach bilanziellen Maßstäben, sondern danach, ob das Unternehmen tatsächlich oder voraussichtlich seine

852 853 854 855 856 857

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Strobl, FS Clemm, S. 389, 407; Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 136. Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 136 f. Zum Ganzen Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 255 f. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 7 u. 10; früher an den Zahlungsunfähigkeits- und Überschuldungsbegriff des § 207 KO. Mertens, in: KK-AktG, § 92 Rn. 3. A.A. Mertens, in: KK-AktG, § 92 Rn. 4, 29-31, der wie bei § 92 Abs. 1 AktG eine Feststellung der Überschuldung auf der Basis der handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für vorzugswürdig hält, um insbes. subjektive Bewertungsspielräume des Vorstands auszuschließen.

858

Zahlungspflichten dauerhaft zu erfüllen in der Lage sein wird . Überschuldung als weiterer Insolvenzgrund liegt gemäß § 19 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Hierfür kann die bilanzielle Überschuldung laut Handelsbilanz gegebenenfalls ein Anhaltspunkt sein859. Der BGH schränkt aber ein, dass eine in der Jahresbilanz ausgewiesene Überschuldung bei der Prüfung der Insolvenzreife allenfalls indizielle Bedeutung haben kann und lediglich Ausgangspunkt für die weitere Ermittlung des wahren Wertes des Gesellschaftsvermögens ist. Die buchmäßige Überschuldung kann nicht nur durch stille Reserven neutralisiert werden, letztere können gegebenenfalls auch von externen Gläubigern als ausreichende Sicherheit angesehen werden und damit der Annahme der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft entgegenstehen860. Die Handelsbilanz ist damit nicht maßgeblich für 861 die Feststellung der Überschuldung . Es ist vielmehr eine gesonderte Überschuldungsbilanz zu erstellen. In der Überschuldungsbilanz werden die Aktiva nach ihren wahren beziehungsweise realisierbaren Verkehrswerten unter Auflösung der stillen Reserven angesetzt, während bei den Passiva die real bestehenden Verbindlichkeiten angesetzt werden862. Dies galt bereits für den Überschuldungsbegriff der KO863. Wird gemäß § 19 Abs. 2 InsO von Unternehmensfortführung ausgegangen, ist die Überschuldungsbilanz unter Going-Concern-Gesichtspunkten aufzustellen, insbesondere nicht unter Ansatz von Liquidationswerten. Die Überschuldungsbilanz ist eine Sonderbilanz. Es wird eine Bewertung zu Wiederbeschaffungs- oder Zeitwerten vorgenommen. Auf der Aktivseite ist dabei die Aktivierungsfähigkeit nicht entgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände hervorzuheben sowie die Neubewertung und die damit verbundene Auflösung der stillen Reserven. Auf der Passivseite werden nur Verbindlichkeiten ausgewiesen, Grundkapital, Rücklage, Gewinnvortrag oder Jahresüberschuss hingegen nicht864. Die Besonderheiten der Überschuldungsbilanz im Sinne der §§ 92 Abs. 2 AktG, 19 Abs. 2 InsO haben zur Folge, dass eine allgemeine Übernahme international anerkannter Rechnungslegungsgrundsätze im Handelsrecht keine weiteren Auswirkungen für den Bereich des Insolvenzrechts hätte865. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung im Besonderen bewirkt vielmehr eine Annäherung der Handelsbilanz an die Überschuldungsbilanz im Sinne des § 19 InsO. Da es bereits heute zur Feststellung der Überschuldung erforderlich ist, Zeitwerte und die stillen

858 859 860 861 862 863 864 865

Vgl. statt aller H. Hess, InsO, § 17 Rn. 11 u. 15-22. Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 255 f. m.w.N. Vgl. jüngst BGH Urt. vom 2. 4. 2001 – II ZR 261/99, NJW aktuell 27/2001, S. X. Ganz h.M., vgl. MüKo-InsO/Drukarczyk/Schüler, § 19 Rn. 14-19; Mertens, in: KK-AktG, § 92 Rn. 29, der selbst aber anderer Ansicht ist, vgl. Rn. 31. Breuer, Das neue Insolvenzrecht, S. 43 m.w.N. Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 102 Rn. 3; Mertens, in: KK-AktG, § 92 Rn. 29; Kilger/K. Schmidt, § 207 KO Anm. 3, § 102 KO Anm. 2. Hüffer, AktG, § 92 Rn. 11; vgl. auch Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 255 f. Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 255 f.

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866

Reserven zu berücksichtigen , brächte eine konsequente Zeitwertbilanzierung und die damit verbundene Aufdeckung der stillen Reserven mit sich, dass die Handels- auch gleichzeitig als Überschuldungsbilanz zu dienen geeignet wäre. Eine Überschuldung könnte danach auch von Außenstehenden frühzeitiger erkannt werden. Rettungsmaßnahmen nach InsO könnten mithin rechtzeitig eingeleitet werden. Dies dient nicht nur dem 867 Fortbestand des Unternehmens selbst und damit den Aktionären, sondern auch den Gläubigern. Schließlich erhöht der Fortbestand des Unternehmens zugleich deren Chance auf Befriedigung. Die frühzeitige Einleitung des Insolvenzverfahrens erhöht nicht nur die Rettungschancen des Unternehmens; im Falle eines Scheiterns der Sanierungsbemühungen besteht die Hoffnung, den Gläubigern eine höhere Quote für ihre Forderungen zukommen lassen zu können, je früher das Insolvenzverfahren eingeleitet wird und je mehr Vermögensmasse aufgrund dessen noch vorhanden. Je früher das Insolvenzverfahren eingeleitet und die Verteilung des Schuldnervermögens zur Befriedigung der Gläubiger vorgenommen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Gläubiger zu ihrem Recht kommen und weitestgehend befriedigt werden können. Langes Zuwarten hingegen führt erfahrungsgemäß dazu, dass das Schuldnervermögen aufgezehrt und eine Befriedigung der Gläubiger kaum noch möglich ist. 5.

Fair Value Accounting, Steuerrecht und Maßgeblichkeitsprinzip

Ein ganz erhebliches Problem der Einführung von Fair Value Accounting im deutschen Recht darf hier bei aller Konzentration auf das Gesellschafts- und Handelsrecht der Vollständigkeit halber nicht völlig außeracht gelassen werden: die steuerrechtlichen Auswirkungen. Die Einführung zeitwertorientierter Rechnungslegung für den Einzelabschluss rührt an eine „heilige Kuh des deutschen Bilanzrechts“868. Es entsteht ein erhebliches Konfliktpotential aufgrund der Verknüpfung der Steuer- mit der Handelsbilanz durch das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG, da die Berücksichtigung unrealisierter Gewinne durch Rechnungslegung zum Fair Value zu einer steuerlichen Benachteiligung des 869 steuerpflichtigen Unternehmens führen kann . Denn die Besteuerung unrealisierter Gewinne kann die Leistungsfähigkeit des steuerpflichtigen Unternehmens übersteigen und dadurch das Unternehmen in seiner Substanz schwächen. Damit besteht an dieser Stelle eine bemerkenswerte Parallele zwischen den Interessen des Staates und denjenigen der Aktionäre. Beide sind gerichtet auf Beteiligung am erwirtschafteten Gewinn; der Staat tritt hier als ein weiterer „Ausschüttungsgläubiger“ auf. Nach der sogenannten „Gleichstellungsthese“ können dementsprechend die Gewinnansprüche des Fiskus als „stiller Teilhaber“ nicht anders bemessen werden als die Gewinnansprüche anderer Teilhaber am Ge-

866 867 868 869

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BGH Urt. vom 2.4.2001 – II ZR 261/99, NJW aktuell 27/2001, S. X. Vgl. § 1 S. 1 InsO, der als gleichwertiges Ziel des Insolvenzverfahrens neben der Vermögensverwertung den Erhalt des Unternehmens nennt. Havermann, WPg 1988, 614. Statt aller Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 806.

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winn der Unternehmung . Entsprechend gleichgerichtet sind demnach auch die jeweiligen Anforderungen an den Jahresabschluss. Das Maßgeblichkeitsprinzip beruht auf verschiedenen Überlegungen: zunächst auf der rechtsstaatlichen Überzeugung, dass die Besteuerung die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht übersteigen darf und ihr daher nur der nach allgemein gültigen Rechnungslegungsgrundsätzen ermittelte Gewinn aus der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen zugrunde gelegt werden kann; ferner darauf, dass den Unternehmen eine weitere Buchführung allein zu steuerlichen Zwecken nicht zugemutet werden kann und darf, solange sie eine grundsätzlich dafür verwendbare bereits für ihren Geschäftsbetrieb haben müssen871. Als weitere Gründe für die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz werden im Übrigen nach wie vor die Einheit der Rechtsordnung und die 872 Vereinfachung der Rechtsanwendung bemüht . Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist ein fundamentaler Grundsatz des Steuerrechts873. Der Steuergesetzgeber bedient sich des Maßgeblichkeitsprinzips auch, um das Leistungsfähigkeitsprinzip angemessen zu realisieren. Die Verbindung zwischen Handels- und Steuerbilanz in § 5 Abs. 1 EStG soll dementsprechend „die Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit ökonomisch zutreffend konkretisieren“874. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz auch sinnvoll. Was problemlos und ohne substanzschmälernde Wirkung ausgeschüttet werden kann, kann auch der Besteuerung unterworfen werden, ohne die Leistungsfähigkeit des steuerpflichtigen Unternehmens zu übersteigen. Ein Festhalten am Nominalwertprinzip bedeutet andererseits aber auch, dass das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht konsequent verfolgt wird. Auskunft über die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens können eigentlich nur Realwerte geben875. Im Hinblick auf eine Internationalisierung des deutschen Bilanzrechts und dessen Anpassung an international anerkannte Bilanzierungsmethoden wird heute oft die 876 Aufgabe des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gefordert . Die „deutsche Eigenart“ des § 5 Abs. 1 EStG kommt international unter Druck, weil die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz

870 871 872 873 874

875 876

Kahle, WPg 2002, 178, 179 m.w.N. Biener, DStZ 1997, 345. Mathiak, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 5 Rn. A 71-76. Grundlegend: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 479-530; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, insbes. S. 50 ff. u. S. 155 ff. Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 303. Die Funktionsfähigkeit des Modells der Besteuerung des ökonomischen Gewinns sei auf Grundlage der deutschen GoB oder der IAS fraglich. Denn ökonomisches Einkommen hängt auch von zukünftigen Zahlungen ab, ist aber nicht rechtssicher im Sinne der Anforderungen des Steuerrechts zu ermitteln, vgl. Kahle, WPg 2002, 178, 183, 188. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 512-514, der sich an dieser Stelle insbes. mit dem Problem inflationsbereinigter Bilanzierung und den bei Inflation auftretenden Scheingewinnen auseinandersetzt. Vgl. FAZ vom 26.2.2001, S. 29: „Das Maßgeblichkeitsprinzip der deutschen Rechnungslegung fällt“. Zur Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips und seiner Vereinbarkeit mit modernem Bilanzrecht, insbes. auch im internationalen Vergleich, vgl. Sigloch, BFuP 2000, 157 und vertiefend Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung.

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für die Steuerbilanz tendenziell zur Ausweisung niedrigerer Gewinne führt und damit die Aussagen deutscher Jahresabschlüsse insbesondere im Vergleich zu solchen nach IFRS 877 oder US-GAAP „weiter verdunkelt“ . Denn zusätzlich zu den technischen, auf Vorsicht bedachten Vorschriften des Bilanzrechts bildet das Maßgeblichkeitsprinzip einen psychologischen Anreiz, „sich arm zu rechnen“. Dies widerspricht der Informationsorientierung der internationalen Rechnungslegungsstandards, der auch die Zeitwertbilanzierung verpflichtet ist. Dadurch wiederum werden die Chancen deutscher Unternehmen verringert, auf ausländischen Kapitalmärkten günstig Kapital aufzunehmen878. Schon heute ist im deutschen Recht die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz bereits erheblich eingeschränkt und im Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit auf den Kopf gestellt. Aufgrund der zahlreichen Durchbrechungen, Umkehrungen und Ausnahmen besteht im Prinzip kaum noch eine Übereinstimmung zwischen Handelsund Steuerbilanz. Aus demselben Grund ist die angestrebte Einheit der Rechtsordnung an zahlreichen Stellen ohnehin bereits durchbrochen879, ebenso wie die anvisierte Einfachheit der Rechtsanwendung dadurch längst in Frage gestellt ist. Das Konzept der Einheitsbilanz wird daher in der Literatur teilweise – jedenfalls für die großen Kapitalgesellschaften – schon heute als gescheitert angesehen880. Die enge Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz ist auch nicht so zwingend, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz soll zwar die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Gewinnermittlung garantieren, vernachlässigt aber die teilweise unterschiedliche Zwecksetzung von handelsrechtlicher und einkommensteuerrechtlicher Gewinnermittlung. Die Handelsbilanz ist nach bisherigem Verständnis Ausschüttungsbilanz, das EStG hingegen bezweckt die Ermittlung des wirklichen Gewinns als Indikator der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen 881 . Während es aus Gründen der Kapitalerhaltung handelsrechtlich opportun erscheint, den Gewinn so niedrig wie möglich auszuweisen, hat der Fiskus ein erhebliches Interesse daran, dem „nach unten“ eine Grenze zu ziehen, um eine angemessene Besteuerung zu gewährleisten882. Angesichts der Diskussion um die Anpassung des europäischen und damit des deutschen Bilanzrechts an international anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze wird das Maßgeblichkeitsprinzip somit zunehmend in Frage gestellt, auch wenn seine Abschaf883 fung generell nach verbreiteter Ansicht nicht zwingend scheint . Die Übernahme in877 878 879 880 881 882 883

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Str.; Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 85. Nach a.A. ist es von vornherein noch nicht erwiesen, dass der Informationsgehalt US-amerikanischer Abschlüsse tatsächlich höher ist als der von Abschlüssen auf der Grundlage des HGB. Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 85; Wiedmann, FS Havermann, S. 779, 806; Schulze-Osterloh, ZGR 2000, 594, 595-600. Busse von Colbe, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 37, 50. So Schulze-Osterloh, ZGR 2000, 594, 600. L. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 5 Rn. 21, 27. Loritz, Einkommensteuerrecht, Rn. 770. Zu diesem Schluss gelangt jedenfalls Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 276, 413; ebenso Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die

ternationaler Rechnungslegungsnormen generell muss die Abschaffung des Maßgeblichkeitsprinzips nicht notwendigerweise nach sich ziehen. Aufgrund der faktischen Annäherung der steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften an die Bilanzierungsregeln nach IFRS beziehungsweise US-GAAP und der umgekehrten Maßgeblichkeit bewirke die Umstellung des Einzelabschlusses auf internationale Rechnungslegungsstandards 884 nur geringe Veränderungen in der Steuerlast . Bei einem Wechsel zu einer dynamischeren Rechnungslegung nach angelsächsischem Muster entstünde ferner nur in der Übergangsperiode eine verbreiterte Bemessungsgrundlage, da die Unterschiede in den meisten Fällen auf Fragen der Steuerstundung und des Vereinnahmungszeitpunkts (insbesondere aufgrund der Durchbrechung des Realisationsprinzips) beruhten885. Dies trifft im Übrigen auch auf zahlreiche Fälle der Zeitwertbilanzierung zu; Gewinne und Verluste werden oft nur anderen Perioden zugewiesen. Bei einer Totalperiodenbetrachtung hingegen müssen die Gewinne identisch sein. Konstante Steuertarife vorausgesetzt 886 bleibt die Steuerbelastung in diesen Fällen ebenfalls identisch . Fraglich ist, ob die Einführung der gewinnwirksamen Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss zu einem anderen Ergebnis nötigt887. Wenn das Maßgeblichkeitsprinzip trotz aller Vorbehalte einer „Internationalisierung“ der deutschen Rechnungslegungsvorschriften auch nicht unbedingt im Wege steht, so sind die spezifischen Auswirkungen von Fair Value Accounting wohl deutlicher888. Die Besteuerung von Gewinnen, die auf reinen Zeitwertänderungen beruhen und nicht in einem Umsatzakt realisiert wurden, ist grundsätzlich denkbar. Nach der klassischen Reinvermögenszugangstheorie stellen auch nichtrealisierte Wertänderungen einen Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dar. Eine Besteuerung dieser Wertänderung ist daher grundsätzlich mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Dies muss erst recht dann gelten, wenn der Wertzuwachs – wie bei marktgängigen Wertpapieren – jederzeit sofort realisierbar ist. Dann ist auch die erforderliche hinreichende Sicherheit und Objektivierbarkeit des Wertzuwachses gegeben889. Eine Besteuerung unrealisierter Gewinne wird jedoch in den Fällen abgelehnt, in denen der Zugriff des Fiskus den Steuerpflichtigen dazu zwänge, die betreffenden Vermögensgegenstände (steuerrechtlich: Wirtschaftsgüter) zu veräußern oder zu belasten. Dies kann als Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot gesehen werden. Ob die Besteuerung auch solcher „marktnaher“ Wertveränderungen tatsächlich

884 885 886 887 888 889

deutsche Rechnungslegung, S. 244 f. und 253; Bippus, DStZ 1998, 637; Hommel/Berndt, BB 2000, 1184, 1189. Schaffer, Die Übernahme internationaler Normen in die deutsche Rechnungslegung, S. 244 f. und 253; ähnlich Bippus, DStZ 1998, 637, 650. Biener, DStZ 1997, 345, 348. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 186 f.; Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 223-225 u. 355. Dazu Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 353-360. Zu diesem Ergebnis gelangt auch Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 359. Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 357. Allerdings liegt de lege lata nicht die Reinvermögenszugangstheorie dem deutschen (Einkommen-)Steuerrecht zugrunde, sondern die Markteinkommenstheorie, vgl. ders., ebd., S. 328-331, insbes. dort Fn. 1720.

181

auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen muss, ist umstritten. Eine Besteuerung unrealisierter Gewinne aufgrund von Veränderungen des Zeitwerts bestimmter Vermögensgegenstände beziehungsweise Wirtschaftsgüter ist aber selbst dann problematisch, wenn 890 man sie nicht als Verstoß gegen das Übermaßverbot betrachtet . Die hohe Volatilität der Wertveränderungen macht es schwierig, einen Wertzuwachs zu besteuern, als sei er tatsächlich vereinnahmt und realisiert worden. Da der zu versteuernde Gewinn nur schwer objektivierbar ist, ist auch die Praktikabilität der Besteuerung solcher Gewinne fraglich. Insbesondere aber ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewährleistet, solange es im Ermessen des Steuerpflichtigen liegt, welche Bilanzpositionen mit dem Zeitwert zu bewerten sind und welche nicht891. Für Wertzuwächse, die nicht als Gewinne am Markt realisiert worden sind, ist eine Besteuerung daher abzulehnen. Es würden letztlich informationsorientierte, aber weniger objektivierte Werte der Besteuerung zugrunde gelegt892. Bei Einführung von Zeitwertbilanzierung auch im Einzelabschluss kann die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz daher nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Logische Konsequenz ist die Trennung von steuerlicher Bemessungsgrundlage und handelsrechtlichem Gewinnausweis. Diese Trennung würde ohnehin durch den Bewertungsvorbehalt des § 6 Abs. 1 EStG herbeigeführt, weil dann bereits de facto handelsrechtliche und steuerliche Bewertung auseinanderlaufen893. Die Regelungen über Ansatz und Bewertung sind bereits heute originär steuerrechtlicher Natur und 894 vom Anwendungsbereich des Maßgeblichkeitsgrundsatzes ausgenommen . Eine logische Konsequenz wäre dann die eigenständige steuerrechtliche Normierung von Ansatzund Bewertungsregeln ohne Verweis auf das Handelsbilanzrecht895. Eine Orientierung am handelsrechtlich ausschüttbaren Gewinn bleibt allerdings möglich. Der gesonderte Ausweis der Zeitwertveränderungen als Gewinn aber nicht als ausschüttungsfähiger Gewinn stellt auch hier im Zweifel eine tragfähige Lösung dar. Letztlich stellt sich das Problem der Besteuerung nicht anders als das der Ausschüttungsbemessung. Besteuerung und Ausschüttungsbemessung können durchaus miteinander verknüpft bleiben. Ausschüttungsbemessung und Besteuerung auf der Basis von Zeitwerten sind aber gleichermaßen problematisch. Die Abschaffung des Maßgeblichkeitsprinzips ist somit grundsätzlich für eine allgemeine Öffnung des deutschen Handelsbilanzrechts gegenüber internationalen Standards nicht unbedingt erforderlich. Speziell die Einführung der gewinnwirksamen Bilanzierung von Zeitwerten im Einzelabschluss hätte allerdings zur

890 891 892 893 894 895

182

Vgl. zum Ganzen: Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 328-331 u. S. 357; ähnlich Bippus, DStZ 1998, 637, 649. Z.B. hinsichtlich der Einteilung der Wertpapiere in Handelsbestand und langfristig gehaltene Anlagen („held to maturity), Broer, Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, S. 328-331 u. S. 357. Helmschrott, DStR 2000, 941, 947. Helmschrott, DStR 2000, 941, 947. Bippus, DStZ 1998, 637, 643. Helmschrott, DStR 2000, 941, 947.

Folge, dass der handelsrechtliche Gewinnausweis als Bemessungsgrundlage für die Be896 steuerung nicht mehr uneingeschränkt herangezogen werden kann .

II.

Funktion und rechtliche Einbindung des Jahresabschlusses in den USA

Die aktuellen Überlegungen zur Einführung von Fair Value Accounting haben ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten897. Fair Value Accounting stößt dort nicht auf vergleichbare Probleme wie in Deutschland und hat deshalb geringere Auswirkungen im dortigen Rechtssystem. Die Rechnungslegung ist in den Vereinigten Staaten auf andere Weise in das rechtliche Gefüge eingebettet. Ihre Aufgaben und ihr Schutzzweck sind folglich auch anders ausgestaltet. Entsprechend sind dort die in Deutschland mit der Rechnungslegung in so engem Zusammenhang stehenden Problemkreise der Ausschüttungsbemessung und gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung zum Schutze der Gläubiger unterschiedlich und mit deutlich anderer Zweckrichtung oder aber überhaupt nicht geregelt. Gleichzeitig wird in der Diskussion über die Modernisierung der Rechnungslegung immer wieder das US-amerikanische System als Vorbild angeführt898. Parallel dazu verläuft unter dem Stichwort „Corporate Governance“ auch die Diskussion im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, wo vor allem von etlichen Marktteilnehmern die Forderung nach einer „Amerikanisierung“ des rechtlichen Rahmens vehement vorgetra899 gen wird . Aufgrund der erheblichen Kollisionen von Zeitwertbilanzierung mit dem deutschen Recht stellt sich die Frage nach einem alternativen Lösungsweg, um den Schutzbedürfnissen der verschiedenen Interessengruppen in der Kapitalgesellschaft gerecht zu werden und das gestörte Gleichgewicht im Zusammenhang von Bilanz- und Kapitalgesellschaftsrecht wieder herzustellen. Das amerikanische System kann daher unter Umständen eine Vorlage bieten für die Schlussfolgerungen, die gegebenenfalls aus den Auswirkungen von Zeitwertbilanzierung im deutschen Recht zu ziehen sind. 1.

Grundprinzipien und Aufgaben von Rechnungslegung angelsächsischer Prägung

Aufgrund ihrer von vornherein anderen Zielsetzung führt die Einführung von Fair Value Accounting in den US-GAAP ebenso wie in den IFRS nicht zu einer vergleichbaren Grundsatzdiskussion. Die Einführung von Fair Value Accounting soll vielmehr sogar der Verwirklichung dieser Ziele und Grundprinzipien dienen900. Diese Ziele und die damit verbundenen Konzeptionen von Rechnungslegung in den US-GAAP sollen daher 896 897 898 899 900

Die Aufstellung einer gesonderten Steuerbilanz ist schon heute bei manchen großen Kapitalgesellschaften in Deutschland Praxis, Helmschrott, DStR 2000, 941, 947. Vgl. S. Siegel, in: Schruff (Hrsg.), S. 97; ders., 29 UCLA L.Rev. 271 (1982). Vgl. z.B. Hüttche, RIW 1996, 1018. Als Beispiel sei der hier vernachlässigte, ebenfalls im Rahmen der Corporate GovernanceDiskussion geführte Streit über die Einführung eines einheitlichen Boards anstelle von Vorstand und Aufsichtsrat genannt; Nachweise bei Hopt, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 27, 30. Indem man den Fair Value als den (entscheidungs-)relevantesten aller Wertansätze propagiert, vgl. Starbatty, WPg 2001, 543, 544.

183

an dieser Stelle kurz dargestellt werden. Aufgrund ihrer engen Verwandtschaft mit den US-GAAP wird an dieser Stelle ebenfalls auf die IFRS eingegangen. a)

Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen

Aufgaben und Schutzzweck der Rechnungslegung nach US-GAAP und IFRS müssen nicht wie in Deutschland in einer mühsamen Exegese von Gesetzesrecht und ungeschriebenen GoB gewonnen werden. Sie sind stattdessen jeweils in einem Rahmenkonzept (Conceptual Framework) ausdrücklich fixiert. (1)

Conceptual Framework des FASB

Die Zielsetzung US-amerikanischer Rechnungslegung geht daher aus dem Conceptual Framework des FASB hervor. Es besteht mittlerweile aus sieben sogenannten Statements 901 of Financial Accounting Concepts und umfasst mehrere hundert Seiten . Die Statements befassen sich mit den Zielen der Rechnungslegung (SFAC 1 und 4), den qualitativen Anforderungen an Rechnungslegung (SFAC 2), den Elementen des Jahresabschlusses (SFAC 3 und 6), Ansatz und Bewertung im Jahresabschluss (SFAC 5) und dem Gebrauch von Cash-flow-Information und Present Value bei Bewertungsfragen (SFAC 7). Diese Statements stehen nicht nebeneinander, sondern bauen aufeinander auf902. Das Conceptual Framework ist ein kohärentes System wechselseitig aufeinander bezogener Grundlagen 903 und Zielsetzungen . Die Rechnungslegungsziele in Statement No. 1 sind der Ausgangspunkt für alle weiteren Teile des Frameworks. Die Ziele werden zunächst konkretisiert durch die qualitativen Merkmale und die Elemente der Rechnungslegung und finden zuletzt ihren Ausfluss in den Ansatz- und Bewertungskonzeptionen904. Das Conceptual Framework beinhaltet einen Großteil der in der Praxis gewonnenen traditionellen Rechnungslegungsprinzipien und -auffassungen905. Es stellt damit einen theoretisch fundierten Bezugsrahmen dar, der als Grundlage für die Anwendung und Auslegung bereits bestehender Rechnungslegungsstandards ebenso wie für die Weiterentwicklung alter und die Ausgestaltung neuer Standards dienen soll906. Hauptadressat 907 ist daher neben Anwendern und Prüfern von Finanzinformationen das FASB selbst . Das Framework bietet somit keine direkten Antworten, sondern lediglich Hilfestellung beziehungsweise Werkzeuge („tools“) zur Lösung problematischer Rechnungslegungs-

901

902 903 904 905 906 907

184

Das Conceptual Framework gehört als „other accounting literature“ zur untersten Ebene der GAAP, auf die dann zurückgegriffen werden kann, wenn kein „established accounting principle“ höherer Gruppen einschlägig ist, vgl. Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 125 und 71 ff. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 132. Einl. vor SFAC 7. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 132. Haller, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 1, 7. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 130; Einl. vor SFAC 1. Einl. vor SFAC 1.

908

fragen . Es soll eine systematische Regelfindung erleichtern und Wesen, Funktionen 909 und Grenzen von Rechnungslegung darlegen . (2)

Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Jahresabschlüssen des IASB

Das 1989 verabschiedete „Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements” des IASC legt ebenfalls die Konzeptionen dar, die der Aufstellung und Darstellung von Jahresabschlüssen zugrunde liegen. Bei den Vorarbeiten dazu griff das IASB auf die veröffentlichten Arbeiten des US-amerikanischen FASB zurück und profitierte in erheblichem Maße von parallelen Arbeiten der Standardsetter in Australien und Kanada. Ebenso wurden die der Rechnungslegung zugrundeliegenden Konzeptionen in Kontinentaleuropa, Japan und zahlreichen anderen Ländern untersucht910. Obwohl sich der italienische Vertreter im „Framework Steering Committee“ des IASB dazu hinreißen ließ, die Arbeit des IASB an einem Conceptual Framework als „late victory for the Continental Europeans“ zu bezeichnen911, sind die angelsächsischen, vor allem aber die amerikanischen Einflüsse und die Parallelen zu den Arbeiten des FASB nicht zu übersehen912. Daher ähnelt das Rahmenkonzept heute in Aufbau und Inhalt weitgehend dem Conceptual Framework des FASB913. Das Rahmenkonzept des IASB beschreibt ebenfalls die maßgeblichen Ziele, Grundsätze und Methoden der Rechnungslegung nach IFRS und dient damit als Grundlage für die Ausgestaltung der International Accounting Standards, sowohl bei der Entwicklung künftiger als auch bei der Überprüfung bestehender Standards, als Hilfestellung bei Aufstellung und Prüfung von IFRS-Abschlüssen und als Unterstützung für die Jahresabschlussadressaten bei deren Interpretation 914 . Wie das FASB nimmt das IASB im Rahmenkonzept Stellung zu der Zielsetzung von Abschlüssen, den qualitativen Anforderungen, die den Nutzen der im Abschluss enthaltenen Informationen bestimmen, der Definition, Ansatz und Bewertung der einzelnen Posten des Jahresabschlusses und den 915 Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepten . Das IASB stellt ausdrücklich klar, dass es sich beim Framework nicht um einen Standard handelt und es mithin auch keine Grundsätze für Fragen von Ansatz und Bewertung im konkreten Einzelfall enthält. Wie bei den US-GAAP sind die speziellen Regelungen der einzelnen IFRS immer vorrangig und können durch das Framework nicht durchbrochen werden. Im Falle eines Widerspruchs zwischen Framework und IFRS setzen sich vielmehr letztere durch916.

908 909 910 911 912 913 914 915 916

Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 125; Einl. vor SFAC 1. Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 125; Einl. vor SFAC 7. Cairns, Guide to Applying IAS, S. 37. Cairns, Guide to Applying IAS, S. 37. Zum Einfluss der Länder mit angelsächsisch geprägten Rechnungslegungssystemen auf die Arbeit des IASC, vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 390. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 412. IAS Rahmenkonzept Tz. 1. IAS Rahmenkonzept Tz. 5. IAS Rahmenkonzept Tz. 2, 3.

185

b)

Aufgaben und Ziele der Rechnungslegung

Für die US-GAAP erläutert das Statement of Financial Accounting Concepts No. 1 des FASB mit dem Titel „Objectives of Financial Reporting by Business Enterprises“ die Ziele der Rechnungslegung von Wirtschaftsunternehmen. Die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen ist danach die primäre Aufgabe des Jahresabschlusses nach amerikanischem Verständnis. Rechnungslegung in den USA verfolgt demnach als Zweck die Vermittlung umfassender Informationen über die Vermögens-, Finanz- und 917 Ertragslage des Unternehmens . Die Rechnungslegung soll gegenwärtige wie potentielle Anleger in die Lage versetzen, auf dieser Grundlage ihre Investitionsentscheidung über Einstieg, Ausstieg oder Verbleib in einem finanziellen Engagement im Unternehmen informiert und kompetent zu treffen. Man spricht von der sogenannten „Decision918 Usefulness“ des Jahresabschlusses . Der Vorrang der Informationsaufgabe verdrängt alle übrigen Grundsätze, wie z.B. den am Vorsichtsprinzip orientierten „conservatism“919. Dieser Bedarf an Information, auf deren Grundlage Investitions-, Kredit- und ähnliche Entscheidungen getroffen werden können, liegt allen Aufgaben und Zielen von Rechnungslegung zugrunde920. Dem „Decision Making“ kommt somit die zentrale Rol921 le bei der Frage nach dem Zweck von Rechnungslegung zu . Als Grundlage für die Investitionsentscheidung gegenwärtiger und künftiger Anleger ist die Rechnungslegung nach amerikanischem Verständnis zugleich ein Kriterium für die Qualität des Managements, das auf diese Weise Rechenschaft ablegt über die Verwaltung 922 des ihm anvertrauten Vermögens . Information über Gewinn und Verlust ist gemeinhin der zentrale Anhaltspunkt, um die Verwaltung des Unternehmens und die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung zu beurteilen923. Rechnungslegung sollte daher auch Informationen darüber liefern, wie das Management eines Unternehmens seinen Pflichten zur Verwaltung der ihm anvertrauten Unternehmensvermögens erfüllt hat924. Das FASB betont jedoch, dass Rechnungslegungsinformation nur begrenzt tauglich ist, um die Leistung 925 der Unternehmensleitung losgelöst von der des Unternehmens zu beurteilen . Zu viele externe Faktoren hätten neben den Fähigkeiten des Managements Einfluss auf die Leistungsentwicklung des Unternehmens, als dass die Performance des Managements mit der926 jenigen des Unternehmens ohne weiteres gleichgesetzt werden könnte . Anders als nach deutschem Recht dient Rechnungslegung nach US-amerikanischem Recht nicht dem Zweck der Ausschüttungsbemessung und damit auch nicht dem Gläu-

917 918 919 920 921 922 923 924 925 926

186

KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 11. Dazu ausführlich S. Siegel, 29 UCLA L.Rev. 271, 272-278 (1982). Steiner/Wallmeier, FS Coenenberg, S. 305, 309. SFAC 2.27. SFAC 2.27. KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 11; SFAC 1.50. SFAC 1.51. SFAC 1.50. SFAC 1.53. SFAC 1.53.

927

bigerschutz durch restriktiven Gewinnausweis und Ausschüttungssperren . Gewinnermittlung im Rahmen der Rechnungslegung ist folglich ausschließlich Bestandteil der 928 Informationsfunktion, nicht aber deren eigentliches Ziel . Da die Vereinigten Staaten, wie noch näher darzulegen sein wird, auch keine generelle Maßgeblichkeit der Handelsfür die Steuerbilanz kennen, besteht bei den US-GAAP somit auch nicht das Problem gegenläufiger Zielsetzungen des Jahresabschlusses929. Ihrer vorwiegend anglo-amerikanischen Herkunft entsprechend steht auch in den IFRS die geeignete Information der Rechnungslegungsadressaten im Vordergrund 930 . Das IASB verfolgt bei der Rechnungslegung wie das FASB den sogenannten „Decision Usefulness-Ansatz“. Insbesondere für den Anleger soll der Jahresabschluss ein Informationsmittel sein, um seine Anlageentscheidung kompetent treffen zu können931. Folglich ist das formulierte Ziel der Rechnungslegung nach IFRS, solche Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie Veränderungen in der Vermögens- und Finanzlage eines Unternehmens zu liefern, die für einen breiten Adressatenkreis bei dessen wirtschaftlichen Ent932 scheidungen nützlich sind . Abschlüsse, die zum Zwecke der Informationsvermittlung aufgestellt wurden, erfüllen nach Ansicht des IASB auch die Bedürfnisse der meisten Adressaten. Einschränkend weist es jedoch darauf hin, dass auch informationsorientierte Abschlüsse nicht alle zur Entscheidungsfindung notwendigen Informationen liefern können. Dies liegt an der Vergangenheitsbezogenheit der gelieferten Daten und der Beschränkung auf Finanzinformationen933. Das Rahmenkonzept des IASB betont im Übrigen ebenfalls die Bedeutung von Abschlüssen für die Beurteilung „des Handelns des Managements und dessen Verantwortlichkeit für das ihm anvertraute Vermögen“934. Die Beurteilung von Qualität und Effizienz des Managements dient wiederum als Grundlage wirtschaftlicher Entscheidungen, sei es Erwerb oder Veräußerung von Anteilen, sei es Bestätigung oder Abberufung der Unternehmensleitung935. Mit ihrer Konzentration auf die Informationsfunktion des Jahresabschlusses und auf die „decision usefulness“ der zu vermittelnden Rechnungslegungsinformationen sind sowohl die US-GAAP als auch die IFRS primär auf die Bedürfnisse des Kapitalmarktes und seiner Akteure ausgerichtet. Kollisionen mit anderen, gegebenenfalls gegenläufigen Funktionen von Rechnungslegung können auf diese Weise bewusst vermieden werden. Die Bilanzierung zu Zeitwerten anstelle historischer Anschaffungskosten kann sich daher nahtlos und ohne weitere Verwerfungen in das jeweilige Rechnungslegungssystem 927 928 929 930 931 932 933 934 935

KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 11. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 42. KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 11; s.u. D. II. 3., S. 195 f. Strobl, FS Clemm, S. 388, 393 m.w.N. Strobl, FS Clemm, S. 388, 393 m.w.N.; Baetge/Beermann, BFuP 1998, 154. IAS Rahmenkonzept Tz. 12. IAS Rahmenkonzept Tz. 13. IAS Rahmenkonzept Tz. 14. IAS Rahmenkonzept Tz. 14.

187

einfügen. Der Ausweis von Gewinnen, die auf Veränderungen des Zeitwerts einzelner Vermögensgegenstände beruhen und daher weder realisiert noch „sicher“ im Sinne einer tatsächlichen und endgültigen Vereinnahmung sind, ist mithin im Vergleich zum deutschen Recht relativ unproblematisch. Der ausgewiesene Gewinn dient lediglich der Information und ist nur ein Gesichtspunkt bei der Ermittlung der auszuzahlenden Dividende. Er kann daher jedenfalls nicht unmittelbar die Ausschüttung von Dividenden bewirken, deren Grundlage nach dem Bilanzstichtag der Gefahr schneller Verflüchtigung ausgesetzt oder gar nicht vorhanden ist. c)

Schutzzweck der Rechnungslegung

Der Anlegerschutz steht im Mittelpunkt der Rechnungslegung nach US-GAAP. Mit dem Ziel der Decision Usefulness zielt die US-amerikanische Rechnungslegung in erster Linie auf den Anleger, der auf dieser Grundlage seine Investitionsentscheidung treffen soll. Da das Kapitalgesellschaftsrecht der Zuständigkeit der Bundesstaaten unterliegt, besteht hier ein äußerst uneinheitliches Schutzniveau für die Aktionäre wie für die Gläubiger. Dies versucht der amerikanische Gesetzgeber auf Bundesebene durch gesteigerte Transparenz und Information der Kapitalgeber auszugleichen. Da der Bundesgesetzgeber keine Zuständigkeit zur Regelung gesellschaftsrechtlicher Sachverhalte hat, bedient er sich zum Schutze der Aktionäre (und Gläubiger) des Kapitalmarktrechts. Mit dem Anlegerschutz fördert er damit gleichzeitig das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und die Aktie als Anlageform. Hauptadressaten von Rechnungslegung sind somit aktuelle und potentielle Investoren neben Gläubigern, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmern, Unternehmensleitung, Analys936 ten, Beratern, Steuerbehörden oder der Öffentlichkeit Eigen- und Fremdkapitalgeber sollen durch Rechnungslegung über die Fähigkeit des Unternehmens, liquide Mittel zu erwirtschaften, und die Nachhaltigkeit und Wahrscheinlichkeit von Zahlungsströmen (Future Cash-flows) informiert werden937. Das FASB bezeichnet es folglich als zentrale Aufgabe der betrieblichen Rechnungslegung, Investoren und Gläubiger mit Information zu versorgen, aufgrund derer sie den zukünftigen Cash-flow beurteilen können938. In ihrer Eigenschaft als Lieferanten von Eigen- oder Fremdkapital stehen Investoren und Gläubiger damit im Mittelpunkt, da gerade ihre Entscheidungen die Ressourcenallokation in der Wirtschaft maßgeblich beeinflussen939. Dabei geht man davon aus, dass Informationen, die für Investoren nützlich sind, auch für alle anderen Interessengruppen 940 nützlich sind, da ihre Interessen weitgehend übereinstimmen . Es wird unterstellt, dass wiederum die Anteilseigner als diejenigen, die dem Unternehmen Eigenkapital als Risi-

936 937 938 939 940

188

SFAC 1.24. KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 11. S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft, Juni 1997, S. 81 f. Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 125 und 71 ff. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 42; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 133; SFAC 1.30.

kokapital zur Verfügung stellen, die umfangreichsten Informationsbedürfnisse haben, welche die Informationsbedürfnisse der übrigen Adressaten im Wesentlichen umfas941 sen . Die Anteilseigner werden damit zum Maßstab der Informationsvermittlung durch den Jahresabschluss. Die Rechnungslegung soll dabei insbesondere denjenigen zugute kommen, die aufgrund ihrer geringen Einflussnahmemöglichkeiten allein nicht in der Lage sind, sich entscheidungsrelevante Informationen zu verschaffen und mit dem vorlieb nehmen müssen, was ihnen die Geschäftsleitung präsentiert. Sie zielt also vor allem auf die bei der Artikulation und Durchsetzung ihrer Interessen benachteiligten Kleinanleger942, denn gerade dieser Gruppe wird besondere Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zugemessen943. In Anlehnung daran nennt auch das Rahmenkonzept des IASB Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, Lieferanten und andere Gläubiger, Kunden, Regierungen und deren Institutionen sowie die allgemeine Öffentlichkeit als Adressaten des Jahresabschlusses. Sie alle verwenden Abschlüsse, um ihre gegebenenfalls unterschiedlichen Informa944 tionsbedürfnisse zu befriedigen . Das IASB stellt innerhalb dieses Adressatenkreises 945 keine offizielle Rangfolge auf . Wie das FASB stellt aber auch das IASB trotz aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Adressatengruppen und ihrer Interessen eine gewisse Konvergenz ihrer Informationsbedürfnisse fest. Investoren stellen Risikokapital bereit und sind daher interessiert an Risiken und Erträgen beziehungsweise Ertragschancen ihrer Investition. Sie benötigen Informationen, um über ihr finanzielles Engagement entscheiden zu können („buy-hold-sell“). Dazu zählen auch die Aktionäre, welche die Fähigkeit des Unternehmens zur Ausschüttung von Dividenden beurteilen und ebenfalls eine „Buy-hold-sell-Entscheidung“ treffen müssen946. Das Interesse der Arbeitnehmer richtet sich ebenfalls auf Rentabilität und Stabilität des Unternehmens als Arbeitgeber. Sie wollen die Fähigkeit zur Zahlung von Löhnen und die Stabilität der Arbeitsplätze beurteilen947. Da die Investoren dem Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen, entspricht nach Ansicht des IASB deren Informationsbedarf den Informationsbedürfnissen der meisten anderen Adressaten, soweit diese überhaupt von Abschlüssen erfüllt werden können948. Schließlich ist der Informationsbedarf der Risikokapitalgeber am höchsten, und es kann folglich davon ausgegangen werden, dass er die Informationsbedürfnisse der meisten anderen Rechnungslegungsadressaten weitgehend umfasst949. Wie die US-GAAP richten sich die IFRS daher grundsätzlich an den Schutzbedürfnissen der Kapitalanleger, insbesondere der Aktionäre aus. Aktionärs- und Anlegerschutz kann mithin für beide Regelwerke als maßgeblicher Schutzzweck festgehalten werden. 941 942 943 944 945 946 947 948 949

Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 17. Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 42. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 133; SFAC 1.30. IAS Rahmenkonzept Tz. 9. Cairns, Guide to Applying IAS, S. 77. IAS Rahmenkonzept Tz. 9. IAS Rahmenkonzept Tz. 9. IAS Rahmenkonzept Tz. 10. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 17.

189

2.

Trennung von Gesellschafts- und Bilanzrecht

In den USA sind Kapitalgesellschaftsrecht und Rechnungslegung nicht in demselben Maße miteinander verflochten wie im deutschen Recht. Da die Rechnungslegung nach US-GAAP – wie oben dargestellt – ausschließlich der Information dient und nicht der Bemessung gesellschaftsrechtlich Gewinnausschüttungsansprüche, können auch beide Bereiche weiterentwickelt werden, ohne in angrenzenden Rechtsgebieten Kettenreaktionen auszulösen, wie dies in Deutschland der Fall ist. Formal ist sicher die Aufteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen staatlicher und Bundesebene ein Grund für die Unabhängigkeit des Kapitalgesellschaftsrechts von der Rechnungslegung nach USGAAP. Es kommt aber entscheidend hinzu, dass man sich in den Vereinigten Staaten von gesellschaftsrechtlichen Traditionen verabschiedet hat, die – jedenfalls in Deutschland – diese enge Anbindung des Gesellschafts- an das Bilanzrecht bedingen. Es wurde gezeigt, dass in Deutschland das Dogma vom Vorrang des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht und die damit einhergehende Überzeugung von der Notwendigkeit der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals die Grundlage dafür sind, dass die Handelsbilanz von den Erfordernissen vorsichtiger Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung dominiert wird. Gerade hiervon hat man sich in den USA inzwischen getrennt. In den meisten Bundesstaaten, jedenfalls aber in den gesellschaftsrechtlich maßgeblichen, wurde das Nennkapitalkonzept aufgegeben. Damit entfallen die Erfordernisse der Kapitalaufbringung und -erhaltung und mit ihnen eine darauf abgestimmte Bilanzierung. Weiter ist in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Festlegung von Dividendenausschüttungen vom bilanziellen Gewinnausweis zu nennen. Mit der Abschaffung des Nennkapitals kann auch darauf verzichtet werden, Ausschüttungen auf den Bilanzgewinn zu beschränken. Ausgeschüttet werden kann, was betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheint. a)

Gläubigerschutzkonzept und Abschaffung des „Legal Capital“

In den USA ist vor allem seit den achtziger Jahren eine Abkehr vom traditionellen Nennkapitalsystem zu beobachten 950 . Zahlreiche Bundesstaaten, darunter Kalifornien und Delaware, ebenso wie der M.B.C.A. haben den Schritt bereits vollzogen. Wenn auch das traditionelle System noch in vielen Bundesstaaten besteht, so ist der Trend hin zu einem modernen System doch eindeutig. Es bestehen keine Zweifel, dass sich auf 951 Dauer alle Bundesstaaten dem modernen System anschließen werden . Die Aufgabe des Prinzips des Nennkapitals, die bereits zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eingeleitet wurde, findet in der gesellschaftsrechtlichen Diskussion heute bereits keine nennenswerte Erwähnung mehr. Interessanterweise scheint in den Vereinigten Staaten 950 951

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Ausführlich zur Abkehr vom Nennkapitalsystem in den USA Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Mindestkapitalziffer, S. 294; grundlegend Manning/Hanks, Legal Capital. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 371. So folgt inzwischen insbes. auch die neue Fassung des Delaware General Corporation Law dem modernen, nennwertlosen System, vgl. Kübler, ZHR 1995, 550, 556.

uneingeschränkter Konsens darüber zu bestehen, „daß Gesellschaftsrecht ohne die tradi952 tionellen Requisiten des Nennwerts und des Grundkapitals besser funktioniert“ . Im modernen amerikanischen, nennwertlosen System verkörpert jede Aktie grundsätzlich ein Stimmrecht und ein Anteilsrecht im Rahmen der Verteilung von Dividenden und Liquidationserlös. Aufgegeben wird das Konzept des Nennwerts der Aktien und damit des gesetzlichen Grundkapitals („stated“ oder „par capital“), das sich im traditionellen System aus der Addition des Nennwerts aller ausgegebenen Aktien errechnete, während der bei Überpari-Emissionen über den Nennwert hinaus erzielte Betrag dem sogenannten Capital Surplus zugerechnet wurde. Vielmehr legt beim nennwertlosen System allein das Board of Directors fest, in welcher Höhe auf jede Aktie eine Einlage geleistet werden muss und ob die Einlage ausschließlich auf das Stated Capital geleistet, oder aber teilweise dem Capital Surplus zugerechnet wird953. Das moderne System einer Abkehr vom Nennwertprinzip zeichnet sich insbesondere durch eine Vereinfachung der Ausgabe von Aktien und eine Liberalisierung der Vorschriften über Gewinnausschüttung und Einlagenrückgewähr aus. Auf diese Weise erleichtert es die Gründung und Finanzierung von Unternehmen954. Wesentliche Vorteile einer Abschaffung des „legal capital“ sind daher eine Beschleunigung der Gründung von Kapitalgesellschaften, die Vereinfachung der Aufnahme von Kapital ebenso wie der Ausschüttung nicht mehr benötigter Mittel sowie die Senkung der mit dem Finanz955 management verbundenen Transaktionskosten . Aus amerikanischer Sicht werden gegen das Konzept des Nennkapitals verschiedene Argumente ins Feld geführt956. Das Konzept des Nennkapitals biete den Gläubigern keinen effektiven Schutz mehr und sei daher irreführend. Eine dauerhafte Sicherung des Vorhandenseins von Gesellschaftsvermögen in Höhe der Nennkapitalziffer sei nicht zu gewährleisten. Ebenso wenig könne ein Schutz vor dem allgemeinen Verlustrisiko geboten werden. Der Bedeutungsverlust gesetzlicher Mindestkapitalziffern in der Praxis insbesondere der Kreditvergabe belege dies eindrücklich. Entsprechend sicherten die Gläubiger sich längst in anderer Weise und seien auf „legal capital“ nicht mehr angewiesen. Dies geschehe beispielsweise durch die sogenannten Covenants der Finanzgläubiger957, durch dingliche oder persönliche Sicherheiten für Waren- und Dienstleistungsgläubiger und bei der Close Corporation durch die Übernahme persönlicher Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die persönliche Haftung der handelnden Personen und Organe neben der Gesellschaft sorge gerade bei deliktischen und vergleichbaren Ansprüchen in ausreichendem Maße dafür, dass das gesellschaftsrechtliche Haftungsstatut

952 953 954 955 956 957

Kübler, Aktie, S. 29 f. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 384 f.; Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 49. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 384 f.; Kübler, ZHR 1995, 550, 556. Fleischer, ZGR 2001, 1, 13. So die Ergebnisse von Kübler, Aktie, S. 30-33. Zum System vertraglicher Gläubigersicherung durch sog. „covenants“ in den USA vgl. Alberth, WPg 1997, 744; ders., ZfB 1998, 803.

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nicht zu Lasten der Gläubiger ausgenutzt werde. Ferner könne gerade bei hohem Haftungsrisiko davon ausgegangen werden, dass die Gesellschaft über umfangreichen Versicherungsschutz verfügt. Der Gläubigerschutz wird außerdem – zumindest in der Theorie – ergänzt durch die im Vergleich zu Deutschland schärferen Regelungen des Haftungsdurchgriffs auf die Gesell958 schafter , wenngleich ein Durchgriff auf die Gesellschafter bei publicly-held corporations praktisch kaum vorkommt und auch im Konzern auf krasse Einzelfälle beschränkt ist959. Selbst wenn dies keinen ausreichenden Schutz bietet, besteht doch Einigkeit darüber, dass derartige Risiken auch durch ein gesetzlich vorgeschriebenes Grundkapital nicht aufgefangen werden können, da sie ex ante kaum quantifizierbar sind und ihre Höhe zu prohibitiven Kapitalisierungsvorschriften führen müsste960. Im Übrigen ist man der Überzeugung, dass die Abschaffung des Legal Capital zu keiner Verschlechterung der Situation der Gläubiger geführt hat. Eine Beschränkung und damit Verteuerung der Kapitalaufnahme fällt vielmehr langfristig auch den Gläubigern zur Last, wohingegen die wirtschaftlichen Vorteile größerer Flexibilität insbesondere des Finanzmanagements auch den Gläubigern mehr wirtschaftliche Sicherheit bieten961. Denn was im Interesse des Unternehmens ist, ist aus amerikanischer Sicht auch im Interesse der Gläubiger, da mit der wirtschaftlichen Prosperität auch die Zahlungsfähigkeit einhergeht. b)

Gewinnbeteiligungsanspruch der Aktionäre und Ausschüttungsbemessung in den USA

Im Hinblick auf die Bemessung möglicher Ausschüttungen und den Gewinnbeteiligungsanspruch der Aktionäre lohnt ebenfalls ein Blick über die Grenzen. Vorbild einer Anpassung des deutschen Rechts an die Folgen des Fair Value Accounting könnte auch hier das amerikanische Recht sein962. In diesem Bereich sind Gesellschaftsrecht und Rechnungslegung ebenfalls voneinander abgekoppelt. Es besteht kein Anspruch der Aktionäre auf Ausschüttung des nach US-GAAP ausgewiesenen Gewinns oder jedenfalls eines gewissen, nicht zu unterschreitenden Teils davon. Die Bemessung der ausschüttbaren Dividende richtet sich generell nach rein gesellschaftsrechtlichen Maßstäben. Der Jahresabschluss ist hier nur mittelbar von Bedeutung. In den meisten Staaten der USA stellt das Gesellschaftsrecht die Entscheidung über die Ausschüttung von Dividenden und deren Höhe allein in das Ermessen der Directors. Diese sind dabei meist nur an eine Art Liquiditätsprüfung gebunden. Die Ausübung des Ermessens wird grundsätzlich von der Business Judgement Rule gedeckt. Erst bei Ermessens958 959 960 961 962

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„Piercing the Corporate Veil“, Überblick bei Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 139-142; Ebke, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), S. 279, 323 ff. m.w.N. Ebke, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), S. 279, 322. Vgl. dazu auch die Diskussion um die Haftung für Unterkapitalisierung im deutschen Recht; Nachweise bei Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 372; s.u. bei Fn. 1008; rechtsvergleichend Lutter, FS Riesenfeld, S. 165. Kübler, Aktie, S. 33 und 40. Hüttche, RIW 1996, 1018.

missbrauch kann unter Umständen die Ausschüttung einer Dividende eingeklagt wer963 den . Daraus folgt, dass die Aktionäre zwar generell keinen Anspruch auf Ausschüttung des erwirtschafteten Gewinns haben, wohl aber einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Gleichwohl beruht das amerikanische (Kapital-) Gesellschaftsrecht auf der Grundannahme, dass es die primäre Aufgabe eines Unternehmens sei, Gewinne für seine 964 Eigentümer zu erwirtschaften . Der Anspruch auf Ermessensausübung in Bezug auf die Auszahlung einer Dividende ist aber nicht am Bilanzgewinn orientiert. Den Aktionären steht nach dem Verständnis des Common Law lediglich ein Residual Claim zu, ein Residualanspruch auf das, was nach Befriedigung aller vorrangigen Gläubiger noch zu verteilen bleibt. Die Vermögensrechte der Anteilseigner beschränken sich demnach auf den Anteil am Gewinn und den nach Abzug aller Verbindlichkeiten verbleibenden Vermögensanteil. Ein Anspruch der Aktionäre auf Auszahlung einer Dividende ist weder gesetzlich kodifiziert noch an Rechnungslegungsdaten gebunden965. Allerdings wird gem. § 532 IRC Gesellschaften, die ohne nachvollziehbaren wirtschaftlichen oder unternehmerischen Grund Gewinne thesaurieren, anstatt sie an die Gesellschafter auszuschütten, eine (Straf-)Steuer auf die thesaurierten Beträge auferlegt966. Von diesen steuerrechtlichen Implikationen abgesehen, sind die Directors bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Festlegung der Dividende grundsätzlich frei. Der mit Hilfe der Rechnungslegung ermittelte Jahresüberschuss ist lediglich ein Anhaltspunkt. Maßstab für die Höhe der Ausschüttung ist unter den meisten Gesellschaftsrechten in den USA generell nur die Liquidität der Gesellschaft und ihre Schuldendeckungsfähigkeit. Gewinn ist nach amerikanischem Verständnis somit lediglich eine Informationsgröße für den Kapitalmarkt, die das Ausschüttungsverhalten der Gesellschaft wenn überhaupt, dann nur indirekt beeinflusst, ohne aber Gewinnansprüche zu dokumentieren oder gar der Höhe nach festzulegen 967 . Gewinnermittlung im Rahmen der Rechnungslegung und gesellschaftsrechtliche Bemessung der zulässigen Ausschüttung an die Gesellschafter sind mithin in den USA unabhängig voneinander und strikt zu trennen. Im Einzelnen existieren in den USA verschiedene Konzepte zur Ausschüttungsbegrenzung. Die Verwendung dieser Konzepte ist abhängig davon, ob das jeweilige Gesell968 schaftsstatut ein Nennkapital vorsieht oder dies schon abgeschafft worden ist . Die zent963 964

965 966 967 968

Henn/Alexander, Corporations, Nr. 327. Zum Ermessensmissbrauch und Entstehen eines Anspruchs auf Ausschüttung vgl. z.B.: Dodge v. Ford Motor Company, 170 N.W. 668 (Mich. 1919). Immerhin hat das Gericht hier festgestellt, dass es zur Natur eines finanziellen Engagements in Aktien gehört, Gewinne in Form von Dividenden zu erzielen und die „directors“ generell dazu verpflichtet sind, ihr Ermessen unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes auszuüben, vgl. Klein/Coffee, Business Organization and Finance, S. 126. Vgl. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 54 u. 134-137. Bei thesaurierten Gewinnen von über $ 100.000 beträgt diese Steuer 38 1/2 % der thesaurierten Beträge. Zum Ganzen: Ebke, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), S. 279, 326 m.w.N. Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 27; ders., in: MüKo-HGB, Vor § 238 Rn. 7. Vgl. dazu Kübler, Aktie, S. 36-40; ausführlich Manning/Hanks, Legal Capital, S. 63-90. Methoden zur Ausschüttungsbemessung, die auf dem Nennkapitalkonzept beruhen, sind der Balance Sheet Surplus- und der Earned Surplus-Ansatz. Während der Balance Sheet Surplus Test ledig-

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rale Regel zur Ausschüttungsbeschränkung unter dem M.B.C.A. ist der Equity Insolvency 969 Test . Dieser Test orientiert sich an der gegenwärtigen Liquidität des Unternehmens unter der Prämisse des Going Concern. Ausschüttungen sind unzulässig, wenn die Gesellschaft zum Ausschüttungszeitpunkt zahlungsunfähig ist oder es durch die Ausschüttung wird. Dazu bedarf es einer Prognose, ob die Ertragskraft der Gesellschaft ausreicht, die konkret bestehenden Verbindlichkeiten bei deren Fälligkeit zu befriedigen. Die American Bar Association gibt damit alle statischen Bilanzkriterien auf. Die gesetzliche Ausschüttungsbeschränkung wird dadurch auf dieselbe Basis gestellt wie die betriebswirtschaftliche Ausschüttungsentscheidung und kann damit auch wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Realitäten Rechnung tragen 970 . Daneben sieht der M.B.C.A. einen Balance Sheet Test ohne Nennkapitalerfordernis vor. Ausschüttungen sind demzufolge nur zulässig, solange die Aktiva der Gesellschaft deren Verbindlichkeiten zuzüglich der vorrangigen Liquidationsansprüche der Vorzugsaktionäre übersteigen971. Die Ermittlung des maximal ausschüttungsfähigen Betrages hat das Board im Übrigen anhand dieser Tests auf der Grundlage angemessener Rechnungslegungsregeln durchzuführen 972 . Die Bezugnahme auf verbindliche und anerkannte Regeln wie die US-GAAP ist nicht vorgeschrieben. Dem Board soll auch in dieser Beziehung größtmögliche Entscheidungsfreiheit eingeräumt werden, um eine korrekte Einzelfallentscheidung treffen zu können. Ausdrücklich wird hier auch eine Bemessung auf der Grundlage eines auf Fair Values basierenden und gegebenenfalls nicht realisierten Gewinns zugelassen. In einem solchen Fall ist allerdings an die Entscheidung des Boards ein strengerer Sorgfaltsmaßstab anzulegen973. Der Official Comment betont ausdrücklich, dass der Act hier ein Abweichen von Rechnungslegung auf der Grundlage historischer Kosten autorisiert und 974 Tageswertmethoden zur Festlegung der Höhe von Ausschüttungen zulässt . Entscheidend für die Zulässigkeit der Ausschüttungen bleibt alleine die Prognose über die Zah-

969 970 971 972 973 974

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lich danach fragt, ob die Summe der Aktiva die Summe der Passiva und das satzungsmäßig festgelegte Nennkapital übersteigt und diesen Überschuss zur Ausschüttung freigibt, kommt es beim Earned Surplus Test darauf an, dass dieser Überschuss tatsächlich auf Gewinne zurückzuführen ist. Der Bankruptcy Insolvency Test hingegen zielt auf die Zerschlagung des Unternehmens. Während sich der Bankruptcy Test (statisch) auf die Bilanz des Unternehmens konzentriert, orientiert sich der Equity Test wiederum an Einkommen und Cash-flow Statements. Wegen seines Vorbildcharakters für die einzelstaatliche Gesetzgebung beschränkt sich die Arbeit hier auf den M.B.C.A. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 320. § 6.40 M.B.C.A. Official Comment. Zu den Hintergründen vgl. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 321; Cox/Hazen/O’Neil, Corporations, § 20.12. „Reasonable under the circumstances“. Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 322 m.w.N. M.B.C.A. Annotated, 6-201. Die Zulassung unrealisierter Gewinne als Grundlage für eine Dividende erfolgte schon 1940 in Randall v. Bailey, 23 N.Y.S.2d 173 (Sup. Ct. 1940), aff’d, 43 N.E.2d 43 (N.Y. 1942); dazu Cox/Hazen/O’Neil, Corporations, § 20.13.

lungsfähigkeit, die ebenso gut auf Zeitwerten wie auf historischen Kosten getroffen 975 werden kann . Der US-amerikanische Gesetzgeber setzt damit in Bezug auf die Bemessung von Ausschüttungen nur absolute Minimumstandards. Die Kontrolle der Entscheidung des Boards über die Höhe der Ausschüttung wird damit weitgehend Vertrags- und Marktmechanismen, insbesondere der Kontrolle des Unternehmens und der Unternehmensleitung durch den Kapitalmarkt, den Markt für Unternehmenskontrolle und den Markt für Manager überlassen976. Eine Gesellschaft die keine oder zu wenig Dividende ausschüttet, wird es schwer haben, Aktionäre zu finden und sich über den Markt für Eigenkapital zu finanzieren. Angesichts der Freiheiten des Boards bei der Festlegung der Dividenden kann unterstellt werden, dass auch die Gläubiger und Fremdkapitalgeber die Dividendenpolitik eines Unternehmens genauestens beobachten und ihren Entscheidungen zugrunde legen. Dies hat Einfluss auf den vertraglichen Absicherungsbedarf der Gläubiger im Wege der Covenants, deren Verlangen nach Bestellung von Sicherheiten und, nicht zuletzt über das Rating, auf die Fremdfinanzierungsfähigkeit der Gesellschaft generell 977 . Während der Schutz der Aktionäre vor allem dem Kapitalmarkt anvertraut wird, schützen sich insbesondere die Finanzgläubiger privatvertraglich mit sogenannten Covenants. Diese sehen allerdings oft Ausschüttungsbeschränkungen vor, die sich an einer gesonderten, vorsichtigen Rechnungslegung orientieren. Diese privatvertraglich vereinbarten Ausschüttungsbeschränkungen auf einen vorsichtig und imparitätisch ermittelten Gewinn ähneln wiederum sehr stark der deutschen handelsrechtlichen Rechnungslegung. 3.

Handels- und Steuerbilanz

Im Gegensatz zur hiesigen Rechtslage herrscht in den USA heute auch eine verhältnismäßig klare Trennung von Handels- und Steuerbilanz978, obwohl Section 446 (a) IRC als allgemeine Regel zunächst vorschreibt, dass das zu versteuernde Einkommen nach den Regeln zu ermitteln sei, nach denen der Steuerzahler auch sonst seine Bücher führt und sein Einkommen ermittelt. Damit wird grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen betrieblicher („handelsrechtlicher“) und steuerlicher Rechnungslegung vom Gesetzgeber vorgegeben. Diese Vorgabe richtet sich allerdings an die interne Rechnungslegung979. Der US-amerikanische Gesetzgeber selbst nimmt bereits in Section 446 (b) IRC eine Einschränkung vor, indem er darauf abstellt, dass die für die Besteuerung maßgebliche Rechnungslegungsmethode eine „clear reflection of income“ darzustellen hat. Die Trennung von Handels- und Steuerbilanz ist damit schon im Gesetz angelegt. Eine deut975 976 977 978 979

Wie auch in Deutschland im Rahmen der Überschuldungsbilanz gemäß § 19 InsO; s.o. D. I. 4., S. 176 ff. Pellens, Internationale Rechnungslegung, S.136. Zu den faktischen Beschränkungen der Ausschüttungsbemessung vgl. auch Cox/Hazen/O’Neil, Corporations, § 20.13. Zum Zusammenhang zwischen Steuer- und Handelsbilanz in den USA, insbesondere zur historischen Entwicklung vgl. Lischer/Märkl, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 91, 94 ff. Lischer/Märkl, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 91, 93 ff.

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liche Trennlinie zwischen Handels- und Steuerbilanz hat dann der US-Supreme Court gezogen. Als Argument für die Unabhängigkeit von Handels- und Steuerbilanz führt das Gericht insbesondere an, dass Financial Accounting und Rechnungslegung für Steuerzwecke (Accounting for Tax Purposes) unterschiedliche Ziele verfolgten und daher im Interesse dieser Ziele notwendigerweise auch unterschiedliche Regeln bei der Auf980 stellung der jeweiligen Abschlüsse maßgeblich sein müssten . Eine Vereinheitlichung der beiden Rechnungslegungssysteme hätte nach h.M. in den Vereinigten Staaten zur Folge, dass die Erfüllung der beiden unterschiedlichen Funktionen nicht mehr gewährleistet werden kann981. Die SEC befürwortet ebenfalls eine solche Trennung im Interesse der Information der Kapitalanleger982. Da die US-GAAP nicht für jedermann zwingend sind, herrscht allerdings de facto eine Art Maßgeblichkeit der Steuer- für die Handelsbilanz, da diejenigen, die keinen Abschluss nach US-GAAP aufzustellen verpflichtet sind, lediglich die eine – für die Zwecke der Besteuerung erforderliche – Bilanz an983 fertigen . Die höheren Kosten, die bei einer Trennung von Handels- und Steuerbilanz 984 auf die Unternehmen zukommen sollen, sind hier jedenfalls kein Problem , bewirken aber, dass viele Unternehmen aus Gründen der Rationalisierung bemüht sind, handelsrechtliche und steuerliche Rechnungslegung aufeinander abzustimmen und anzugleichen. Die Erstellung eines einzigen Abschlusses, der sowohl den US-GAAP als auch den steuerrechtlichen Vorschriften genügt, ist in den USA dennoch nicht möglich. Die Abweichungen zwischen beiden Regelwerken sind nicht zuletzt aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzung zu erheblich985.

III.

Folgerungen für das deutsche Recht

Die rechtlichen Konsequenzen der Einführung gewinnwirksamer Zeitwertbilanzierung sind im deutschen Recht also erheblich. Während im Bereich des Insolvenzrechts mangels unmittelbarer Anknüpfung an die Handelsbilanz keine gravierenden Auswirkungen absehbar sind und lediglich eine Annäherung von Insolvenz- und Handelsbilanzrecht erfolgt, wird im Bereich des Bilanz- und Gesellschaftsrechts am System des nominellen Grundkapitals und damit an den Grundfesten des damit verbundenen Schutzzwecksystems gerüttelt. Während im Handelsbilanzrecht die Diskussion um den Schutzzweck des Jahresabschlusses und dessen Gläubigerschutz- oder Informationsfunktion kreist, bewegt sich die gesellschaftsrechtliche Diskussion um die Effizienz des Gläubigerschutzes durch Kapital980 981 982 983 984 985

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Thor Power Tool Co. v. Commissioner, 439 U.S. 522, 542-543 (1979); ausführlich zur Rspr. des Supreme Court: Lischer/Märkl, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 91, 98. Haller, Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, S. 246 f.; Lischer/Märkl, WPKMitt. Sonderheft Juni 1997, 91, 104 f. Ausführlich zur Diskussion in den USA: Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 389. Haller, Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, S. 253. So Groh, FS Clemm, S. 175, 186 f. Haller, Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, S. 253 f.; Lischer/Märkl, WPKMitt. Sonderheft Juni 1997, 91, 104 f.

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erhaltung . Die Einführung von Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss bietet Anlass, beides in seiner Verknüpfung und seinem Ineinandergreifen in neuem, kritischem Licht zu betrachten. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung führt dazu, dass das Gläubigerschutzsystem des deutschen Gesellschafts- und Bilanzrechts zwar nicht notwendigerweise beseitigt, aber doch an wesentlichen Stellen unbrauchbar wird. Dies ließe sich zwar verhindern, indem Zeitwertänderungen nicht ergebniswirksam, sondern beispielsweise lediglich in einer Wertsteigerungsrücklage innerhalb des Eigenkapitals ausgewiesen werden. Angesichts der Richtung, welche die Entwicklung der US-GAAP und der IFRS eingeschlagen hat, ist dies aber langfristig auch für den deutschen Einzelabschluss nicht aufrechtzuerhalten. Zeitwerte werden wohl auf lange Sicht auch im Einzelabschluss gewinnwirksam zu bilanzieren sein. Sofern die Zeitwertbilanzierung freilich mit einer gewinnwirksamen Erfassung der Zeitwertänderungen in der Gewinn- und Verlustrechnung verbunden ist, wird die Ausschüttungsbemessung auf der Basis der Handelsbilanz, das Ziel der Erhaltung des Grundkapitals und damit der an den Begriff des nominellen Grundkapitals anknüpfende Gläubigerschutz in Frage gestellt. Eine weitere Lösungsmöglichkeit klingt im Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung vom 25. Februar 2003 an987. Hier verbindet die Bundesregierung die Einführung von IFRS und damit auch von Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss mit einer strikten Trennung von Informationsbilanz einerseits und Ausschüttungsbemessungs- und Steuerbilanz andererseits. Demnach soll ein auf IFRS und mithin Zeitwerten basierender Einzelabschluss zu Informationszwecken auch gemäß § 325 HGB veröffentlicht werden können, der für die Ausschüttungsbemessung und Besteuerung maßgebliche Einzelabschluss soll aber weiterhin auf der Grundlage des HGB unter Berücksichtigung des Gläubigerschutzes aufgestellt werden. Die Bundesregierung greift damit den Gedanken eines dualen Rechnungslegungssystems auf, das sich an Informations- und Gewinnanspruchszwecken (und Kapitalerhaltungszwecken) ausrichtet 988 . Diese Beschränkung der Veröffentlichung auf den (zusätzlichen) IFRS-Einzelabschluss ist aber problematisch989. Der veröffentlichte Informationsabschluss und der nicht (mehr) veröffentlichte Ausschüttungsbemessungsabschluss fallen auseinander und die den Rechnungslegungsadressaten zur Verfügung gestellten Daten sind damit nicht diejenigen, die der Ermittlung ihrer Dividende zugrunde liegen. Damit wird aber die Qualität der mit dem IFRS-Einzelabschluss bezweckten Information in Frage gestellt. Als Konsequenz wird daher eine grundsätzliche Umorientierung von Aufgaben und Schutzzweck des Bilanzrechts vonnöten sein. Daran schließt sich zunächst die Überlegung an, ob das System des Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung erhaltenswert ist 986 987 988 989

Vgl. dazu insbes. Kübler, Aktie; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer; Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht. Pressemitteilung der Bundesregierung vom 25.2.2003, http://www.bmj.bund.de. Prinz, DStR 2003, 1359, 1363 m.w.N.; ähnl. Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, DB 2003, 1585. Prinz, DStR 2003, 1359, 1363 m.w.N.

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oder ob es nicht einer weiteren Entwicklung und Modernisierung des Aktien- und Bilanzrechts im Wege steht. Damit verbindet sich die Frage, ob die Dominanz des Gläubigerschutzgedankens sowohl im Gesellschafts- als auch im Bilanzrecht überhaupt noch sinnvoll ist, um der heutigen Rechtswirklichkeit gerecht zu werden, und ob angesichts dessen nicht ohnehin ebenfalls eine Neuorientierung vonnöten ist. Während im Kapitalgesellschaftsrecht die Interessen anderer Beteiligter, wie beispielsweise der Anteilseigner oder der Arbeitnehmer, längst als schützenswert anerkannt sind, wird hingegen im Bilanzrecht bis heute heftig gestritten, ob ausschließlich die Gläubigerinteressen dessen Schutz genießen oder ob nicht gleichermaßen die anderen Interessengruppen in seinen Schutz 990 einbezogen sein sollen . Es wird daher in diesem Zusammenhang weitergehend zu untersuchen sein, ob nicht andere Interessengruppen mindestens gleichwertige Schutzinteressen haben und wie ein modernes System des Interessenausgleichs im Unternehmen aussehen könnte. 1.

Informations- statt Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz

Die Relativierung des Vorsichtsprinzips und seiner Bedeutung für die handelsrechtliche Rechnungslegung durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung bewirkt eine deutliche Zurückdrängung des Gläubigerschutzgedankens. Dies wiederum erlaubt eine Schwerpunktverlagerung im Handelsbilanzrecht von der Ausschüttungs- und Gläubigerschutzfunktion zur Informationsfunktion, die dem Schutz der Anleger und Gläubiger gleichermaßen dient. Während aus rechtlicher Sicht die Kapitalerhaltungsfunktion der Handelsbilanz immer noch im Vordergrund steht, ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Informationsfunktion von Handelsbilanz und Jahresabschluss neben der Kapitalerhaltung eine Selbstverständlichkeit991. Von rechtlicher Seite ist an dieser Stelle aber ebenfalls keine radikale Umkehr erforderlich. Der deutsche Jahresabschluss ist bereits auf dem Weg zu einer deutlicheren Betonung der Informationsfunktion. Mit der Einführung des True and Fair View durch das BiRiLiG wurde die Informationsfunktion von handelsrechtlichen Jahresabschlüssen jedenfalls für Kapitalgesellschaften bereits vom Gesetzgeber anerkannt. Die ausführliche und Jahrzehnte alte Diskussion, ob das deutsche Bilanzrecht der Information neben Gläubigerschutz- und Ausschüttungsbemessung dienen kann und soll, belegt, dass die Aufwertung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses durch Fair Value Accounting lediglich eine Entwicklung zum vorläufigen Abschluss bringt und an dieser Stelle nicht eine radikale Neuordnung einleitet. Es bietet sich daher der Anlass und die Chance, de lege ferenda die lange ersehnte und von der EU-Kommission angestrebte992 Gleichwertigkeit deutscher beziehungsweise europäischer Jahresabschlüsse mit Abschlüssen herzustellen, die auf US-GAAP oder IFRS beruhen. Die Gleichwertigkeit deutscher und internationaler Abschlüsse kann

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Siehe bereits oben D. I. 2. a) (3), S. 157 ff. vgl. z.B. Burger/Buchhart, KoR 2002, 82. „Neue Rechnungslegungsstrategie der EU“, KOM (95) 208; s.o. C. VI. 1., S. 132 ff.

dann auch in viel größerem Maße als bisher im Rahmen der Bilanz selbst und nicht nur in Anhang und Lagebericht angesteuert werden, was vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtslage nach traditioneller Ansicht kaum möglich war. Die Gleichwertigkeit deutscher mit ausländischen Jahresabschlüssen unter dem Gesichtspunkt des True and Fair View konnte gemäß der Abkopplungsthese bisher nur im Rahmen von Anhang und 993 Lagebericht hergestellt werden . Da das deutsche Bilanzrecht de lege lata auf die GoB mit dem Vorsichtsprinzip baut, ist nach traditioneller Ansicht eine veränderte Aufgabenstellung mit verändertem Schutzzweck für die deutsche Handelsbilanz nicht denkbar und daher völlig ausgeschlossen. Gleichwertigkeit der Jahresabschlüsse setzt dieser Ansicht nach im Übrigen nicht die Standardisierung der Bilanzen voraus. Hier gelte es, Gläubigerschutz- und Vorsichtsprinzip zu bewahren994. Diese Ansicht schließt m.E. aber von vornherein aus, dass wirkliche Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit der Abschlüsse jemals erreicht werden kann. Vergleichbarkeit mit auf internationalen Standards beruhenden Abschlüssen kann nur da vorliegen, wo die Abschlüsse auch nach Aufgabenstellung und Grundprinzipien vergleichbar sein sollen. Eine Angleichung an international anerkannte Rechnungslegungsstandards kann erst recht nur erfolgreich vorgenommen werden, wenn mit der Rechnungslegung auch eine zumindest vergleichbare Zwecksetzung verbunden ist. Die Grundsätze teleologischer Gesetzesauslegung lehren, dass sich auch ähnlich lautende Regelungen bei unterschiedlichem zugrundegelegten Regelungszweck bis zur Grenze des möglichen Wortsinns auseinanderentwickeln können995. Die Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips durch Fair Value Accounting ermöglicht einen weiteren Schritt in diese Richtung, weil sie die Bedeutung der hergebrachten Prioritäten und Prinzipien einschränkt. Damit können andere Prinzipien in den Genuss größerer Aufmerksamkeit und gleichwertiger Bedeutung kommen. Insbesondere kann die Informationsfunktion des Jahresabschlusses auch im deutschen Abschluss mehr in den Vordergrund treten. Im Hinblick auf Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit mit IFRS und US-GAAP ist dies auch dringend erforderlich. Die Beschränkung des Jahresabschlusses auf seine Informationsfunktion fördert eine effizientere Informationsvermittlung durch den Jahresabschluss. Da dann keine Rücksicht mehr zu nehmen ist auf die anderen teilweise gegenläufigen Aufgaben des Jahresabschlusses, können so alle Regeln auf eine möglichst umfangreiche und interessengerechte Informationsvermittlung ausgerichtet werden. Dieser informationsorientierte Ansatz ist im Interesse der Kapitalmärkte. Während mit Ausschüttungsbemessungsfunktion und Vorsichtsprinzip der Vorrang eines objektivierten verlässlichen Wertansatzes einhergeht, rückt eine stärkere Betonung

993 994 995

Moxter, Bilanzlehre Bd. 2, S. 67, s.o. bei Fn. 749. Beisse, FS Beusch, S. 77, 96 f. Vgl. hierzu z.B. auch die Schwierigkeiten der Schweiz bei der sogenannten autonomen Rechtsangleichung an das europäische Gemeinschaftsrecht, Kahil-Wolff/Lüßmann, ZIAS 1999, 381. So lehrt das Beispiel der autonomen Rechtsangleichung in der Schweiz, dass eine tatsächliche Angleichung nur erfolgreich vorgenommen wird, wenn die Rechtsnormen auch nach Ziel und Funktion einander in etwa entsprechen. Ist dies nicht der Fall, bleibt es insbes. im Bereich der Rspr. bei lediglich vordergründiger Annäherung. Die Rechtsentwicklung nimmt jedoch einen anderen Verlauf.

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der Informationsfunktion stattdessen die (Entscheidungs-)Relevanz in den Vordergrund. Entscheidungsrelevanz ist nicht nur aus Sicht der internationalen Standardsetter ein wichtiges Kriterium für die Brauchbarkeit von Rechnungslegungsinformation (ihre „decision usefulness“), sondern wird auch vom Kapitalmarkt erwartet. Aufgrund des übermächtigen Einflusses der Märkte wird eine solche informationsorientierte Rechnungsle996 gung im Zweifel auch von den Märkten erzwungen werden . 2.

Abkopplung des Aktienrechts vom Bilanzrecht

Die Kollisionen von Zeitwertbilanzierung mit Prinzipien und Schutzzweck des deutschen Bilanz- und Aktienrechts legen es nahe, analog der Entwicklung in den Vereinigten Staaten für eine vollständige Trennung der beiden Rechtsgebiete zu plädieren. Es wurde bereits dargelegt, dass der bilanzrechtliche Gläubigerschutz durch vorsichtige Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung eng mit dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Kapitalaufbringung und -erhaltung zusammenhängt. Wenn der Informationsfunktion der Rechnungslegung der Vorzug gegeben wird, bedeutet das auch, dass der Zusammenhang von gesellschaftsrechtlicher Kapitalerhaltung und Bilanz aufgegeben werden muss. a)

Abschaffung des Nennkapitalsystems und des Kapitalschutzes durch Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung

Als logische Konsequenz einer Trennung von Aktien- und Bilanzrecht und des damit verbundenen Wegfalls vorsichtiger Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung ist die vollständige Aufgabe des formellen Nennkapitals denkbar. Bei Ausfall der am Vorsichtsprinzip orientierten Bemessung des entziehbaren Gewinns ist der Verzicht auf den gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungs- und Kapitalschutz und damit die Erhaltung eines nominalen Grundkapitals nur der nächste Schritt997. Die Abschaffung des formellen Nennkapitals im Gesellschaftsrecht macht auch die Kapitalerhaltungsfunktion des Jahresabschlusses überflüssig. Des Kapitalschutzes durch vorsichtige Ausschüttungsbemessung in der Bilanz bedarf es dann nicht mehr. Wird darüber hinaus das Dogma vom Vorrang des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht abgeschafft, dann ist auch die Ausrichtung der Handelsbilanz am Ziel des Gläubigerschutzes nicht mehr notwendig. Dies wie998 derum macht den Weg frei für eine informationsorientierte Rechnungslegung . Doch selbst bei einem unbedingten Festhalten am Primat des Gläubigerschutzes ist der rechtspolitische Nutzen des deutschen Kapitalschutzsystems fraglich. Das Regelungsziel der Erhaltung eines Kapitalkissens in Höhe des Nennkapitals steht damit zur

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Ebke, FS Lutter, S. 17. Ähnlich Schön, ZHR 2002, 1, 3; ders., WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 76. So im Ergebnis auch Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 61 f.

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Diskussion. Ob das deutsche (und europäische ) System von Nennkapital und Kapitalaufbringung und -erhaltung ineffizient und nicht mehr zeitgemäß und infolgedessen 1000 abzuschaffen ist, ist allerdings umstritten . Die EU-Kommission will in ihrem Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union vom 21. Mai 2003 zwar kurzfristig am Grundkapitalprinzip festhalten, stellt aber, gestützt auf den Bericht der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 4. November 20021001, die Eignung des in der 2. Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie festgeschriebenen Mindestkapitalsystems zur Erfüllung der ihm zugewiesenen Schutzfunktionen in Frage und fasst mittelfristig die Prüfung alternativer Schutzsysteme ins Auge1002. Der deutsche Gesetzgeber hat ebenfalls trotz aller Modernisierungs- und Liberalisierungstendenzen im Aktienrecht jedenfalls bislang Nennkapital, Kapitalaufbringung und -erhaltung beibehalten. Mit der Einführung von Stückaktien in § 8 AktG hat sich der Gesetzgeber zwar immerhin von der Nennbetragsaktie gelöst, die Entscheidung für die sogenannte unechte nennwertlose Aktie und die rechtliche Ausgestaltung im AktG bedeutet aber gleichwohl ein Festhalten am nominellen Grundkapital und der Sicherung von Kapitalaufbringung und -erhaltung1003. Das Prinzip eines festen Eigenkapitalbetrages als Haftungsgrundlage und des damit bezweckten Gläubigerschutzes wurde dementsprechend vom Gesetzgeber nicht aufgegeben1004. Die von der EU-Kommission und der Hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts langfristig geplante Überprüfung des Mindestkapitalsystems und ein damit verbundener Systemwechsel werden von deutscher Seite abgelehnt1005. Es entspreche Lebenserfahrung und Pfadabhängigkeit, im Zweifel an der bisherigen Rechtsordnung festzuhalten, wenn sie trotz gewisser Schwächen keine wesentlichen Nachteile mit sich bringe und die Alternativen ihrerseits keine erhebliche Verbesserung versprä1006 chen .

999 Vgl. dazu Schön, ZGR 2000, 706, 719 u. 725-739. 1000 Zusammenfassend Fleischer, ZGR 2001, 1, 12 m.w.N. 1001 Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, 4.11.2002, S.78 ff. 1002 Zu diesem Zweck wird die Kommission mittelfristig eine Studie über die Realisierbarkeit einer Alternative zum Kapitalerhaltungssystem in Auftrag geben; kurzfristig sei gleichwohl am hergebrachten System festzuhalten, solange keine mindestens gleichwertigen Alternativen bereitstünden, die einen hohen Qualitätsstandard zum Schutze der Gläubiger und der Aktionäre garantieren, vgl. KOM (2003), 284, S. 21. 1003 Vgl. statt aller Menold/Schröder, in: Dörner/Menold/Pfitzer (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, S. 27 m.w.N., insbes. S. 36. 1004 Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 11. 1005 Zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht (Group of German Experts of Corporate Law) zum Report of the High Level Group of Company Law Experts on a modern regulatory framework for company law in Europe, ZIP 2003, 863, 872; ebenso Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375 f. 1006 ZIP 2003, 863, 872

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Die Gegner des Nennkapitalsystems machen dagegen geltend, dass ein einheitliches Mindestkapital nicht ausreichend differenziert ist, um den Bedürfnissen der Unternehmen aller Branchen genügen zu können. Das gesetzlich vorgeschriebene „Kapitalkissen“ genügt beileibe nicht, um notfalls tatsächlich die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Insbesondere müsste beispielsweise je nach Branche oder Umfang der Geschäftstätigkeit ein verschieden hoher Betrag gefordert werden. Doch selbst wenn man dies wollte, ist die gesetzliche Festlegung eines im Einzelfall angemessenen Betrages kaum möglich und vorstellbar. Sollte eine derart festgelegte Summe den vorgesehenen Gläubigerschutz tatsächlich bewirken können, wäre ihre Höhe von prohibitiver Wirkung. Der Zugang zur Haftungsbefreiung im Wege der GmbH-Gründung wäre insbesondere für kapitalschwache Unternehmensgründer weitgehend versperrt. Die Gründung von Aktiengesellschaften würde dadurch ebenfalls dermaßen erschwert, dass dies wieder negative Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und Dynamik des Kapitalmarktes haben müsste. Dass darüber hinaus die gesetzliche Festlegung eines angemessenen Betrages nicht möglich ist, ist heute allgemein anerkannt. Es ist den Ökonomen bis heute nicht gelungen, ex ante festzulegen, welche Summe eine für ein Unternehmen 1007 angemessene Kapitalisierung darstellt . Von juristischer Seite wird dies durch den Streit um die Durchgriffshaftung im Falle einer Unterkapitalisierung belegt. Hier ist es bisher ebenfalls nicht gelungen, klare Aussagen – insbesondere ex ante – darüber zu treffen, wann ein Fall eindeutig unzureichender Eigenkapitalausstattung vorliegt1008. Ebenso wenig werden Substanzverluste durch unternehmerische Fehlentscheidungen verhindert. Das allgemeine wirtschaftliche Verlustrisiko kann nicht durch gesetzliche Mindestkapitalerfordernisse aufgefangen werden1009. Der durch das Mindestkapitalerfordernis bezweckte Gläubigerschutz wird mithin nicht erreicht. Die durchschnittliche Konkursquote spricht hier für sich selbst. Gerade im Konkurs- oder Insolvenzfall ist das Gläubigerschutzsystem nicht imstande zu leisten, was man sich eigentlich davon verspricht1010. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Mindestkapital keinen Aufschluss über die Fähigkeit der Gesellschaft gibt, ihre Schulden zu bezahlen und die Gläubiger daher nicht an dem Mindestkapital der Gesellschaft an sich, sondern an ihrer Fähigkeit, ihre lang- und kurzfristigen Verbindlichkeiten zu begleichen, interessiert sind1011. Für eine Abschaffung des Nennkapitalsystems werden ferner dessen hohe ComplianceKosten ins Feld geführt1012. Selbst in der bisherigen Höhe wirken die Anforderungen an 1007 Vgl. Fleischer, ZGR 2001, 1, 10 f. m.w.N. 1008 Vgl. dazu statt aller Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 372 m.w.N.; Raiser, FS Lutter, S. 637, 647-650. 1009 „Vor betriebswirtschaftlicher Unvernunft kann ein Kapitalschutzreglement nicht bewahren“, Schön, ZHR 2002, 1, 5. 1010 Vgl. statt aller Schön, ZHR 2002, 1, 5; ebenso: Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, 4.11.2002, S. 87. 1011 Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, a.a.O. 1012 Fleischer, ZGR 2001, 1, 12 f. m.w.N.

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die Kapitalaufbringung und -erhaltung eher prohibitiv und gründungshemmend als gläubigerschützend. Für die kapitalmarktorientierten Unternehmen ist das feste Grundkapital ebenfalls ein Hemmschuh bei der optimalen Gestaltung ihrer Finanzierung über die Märkte für Fremd- und Eigenkapital. Der Erwerb eigener Aktien ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich, die Unterpari-Emission als Gestaltungsmittel bleibt den Unternehmen verwehrt, und die Unterstützung eines Management Buy Outs beispielsweise durch die Bestellung von Sicherheiten seitens der Gesellschaft ist kaum 1013 möglich, da man hier fast regelmäßig an die Grenzen des § 57 AktG stößt . Dagegen wird angeführt, dass ein materieller Kapitalschutz im Rechtsverkehr mit Kapitalgesellschaften unverzichtbar ist. Bei der Gesellschaftsgründung würde durch eine Abschaffung der Garantiekapitalziffer nur wenig an Aufwand und Kosten eingespart werden, die geltenden Regeln seien insbesondere unverzichtbar, um im Interesse der anderen Kapitalanleger des Kapitalmarktes ein korrekte Erfüllung der übernommenen Einlagepflichten zu garantieren. Eine moderate Mindestkapitalziffer bilde eine Seriositätsschwelle, die leichtfertige Gesellschaftsgründungen verhindere, ohne den Marktzugang für Unternehmensneugründungen sichtlich zu erschweren1014. Die Bedeutung von Mindestkapital und Kapitalschutz belege nicht zuletzt die Rechtsentwicklung in den Vereinigten Staaten. Hier haben sich in den Covenants von Kreditverträgen Vereinbarungen etabliert, die quasi ein privatautonomer Ersatz gesetzlicher Kapitalerhaltungsregeln sind. Im Ergebnis entsprechen diese Covenants häufig den gesetzlichen Regeln in Deutschland, insbesondere sehen sie bilanzielle Regeln zur Ausschüttungsbegrenzung vor, die auf vertraglicher Ebene eine vorsichtige Gewinnermittlung verlangen. Die Notwendigkeit privatvertraglicher Vereinbarung dieser Gläubigerschutzmechanismen erhöhe die Transaktionskosten und damit die Fremdkapitalkosten für die Unternehmen, während ein Verzicht auf solche Abreden mit hohen Risikozuschlägen erkauft werden muss, die ebenfalls zu einer erheblichen Steigerung der Finanzierungskosten der Unternehmen führen. Das deutsche (und europäische System) habe demgegenüber den Vorteil, die Gläubigerinteressen für alle Betroffenen gleich und objektiv zu regeln, ohne auf ungleichmäßige einzelvertragliche Regelungen angewiesen zu sein, die mit erheblichen „Reibungsverlusten“ verbunden sind1015. Andererseits ist die privatautonome Vereinbarung gläubigerschützender Kapitalerhaltungsregeln flexibler zu handhaben und dem jeweiligen Einzelfall, insbesondere dem jeweiligen Risiko, besser anzupassen. Covenants in Kreditverträgen haben längst Eingang in die deutsche Vertragspraxis gefunden. Häufig wird darin die Einhaltung bestimmter Eigenkapitalquoten (debt-equity ratio) festgelegt. Dies mag als weiterer Beleg dafür gelten, dass das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital den bezweckten Gläubigerschutz nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Die Bedeutung der bilanziellen Kapi-

1013 Vgl. dazu und zu weiteren Beispielen Schön, ZHR 2002, 1, 2 m.w.N. 1014 ZIP 2003, 863; 872; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, BB 2002, 2372, 2375 f.. 1015 Vgl. zusammenfassend Schön, ZGR 2000, 706, 726 f. m.w.N.

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talerhaltung wird daher allgemein überschätzt. Angesichts der zahlreichen Möglichkeiten individuellen Gläubigerschutzes, beispielsweise auch durch den Abschluss von Kreditversicherungen, hat sie nur noch für eine kleine Restmenge von Gläubigern, deren Ansprüche nicht bereits durch Vertrag oder spezielles Gesetzesrecht gesichert sind, subsidiäre Bedeutung. Angesichts der in vielen Fällen bestehenden gesetzlichen Versicherungspflicht ist auch für die Gruppe der unfreiwilligen, zumeist deliktischen Gläubiger der 1016 Schutz durch Kapitalerhaltung entbehrlich . Neben bestehenden Pflichtversicherungen wird sich der Schuldner beziehungsweise das Schuldnerunternehmen in vielen Fällen selbst zusätzlich versichern, z.B. im Hinblick auf ein eventuelles Produkthaftpflichtrisiko. Auf diese Weise wird er das Zugriffsvermögen der Gläubiger erheblich ausdeh1017 nen und deren Schutz durch ein gesetzliches Mindestkapital verzichtbar machen . Den Gläubigern stehen daher über das geltende Zivilrecht zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Forderungen gegenüber ihren Schuldner abzusichern, deren Effizienz sich in der Praxis bewährt1018. Die privatrechtlichen Mittel der Gläubigersicherung lassen sich gegebenenfalls durch eine Erweiterung des Haftungsdurchgriffs ergänzen, wie er in der jüngeren BGH-Rechtsprechung anklingt1019. Dadurch wird das gesetzliche Ga1020 rantiekapital für den Gläubigerschutz unnötig . An dieser Stelle ist auch die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung in die Überlegungen einzubeziehen. Das gesellschaftsrechtliche Kapitalschutzsystem ist ein Kind der „Old Economy“, der traditionellen (Schwer-) Industrie, wie sie Europa und Nordamerika seit 1021 dem 19. Jahrhundert geprägt hat . Das Erzielen von wirtschaftlichem Erfolg war sehr kapitalintensiv. Die Vermögenssubstanz war bei einer solcherart geprägten Wirtschaft dementsprechend in erheblichem Maße ausschlaggebend für den ökonomischen Erfolg. Eine dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzte Vermögensmasse wesentlichen Umfangs war mithin immer vorhanden und entsprach in ihrem Umfang auch dem Risiko und der Bedeutung des Unternehmens. Ebenso war der Ertrag abhängig von der vorhandenen Substanz und damit letztlich auch der Börsenwert. Heute steht weniger der Substanzwert als die Ertragskraft im Vordergrund. Die Schere zwischen tatsächlich vorhandener Vermögenssubstanz, Börsenkapitalisierung und (erwartetem) Ertrag klafft zum Teil erheblich auseinander. Die Aussagekraft und Bedeutung des nominellen Grundkapitals für die als Haftungsmasse zur Verfügung stehende Vermögenssubstanz und die Ertragskraft des Unternehmens ist daher erheblich geschwunden. Ein aussagekräftiger Jahresabschluss, der insbe1016 Rammert, Gläubigerschutz durch Nominalkapitalerhaltung, S. 34. 1017 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 116 und allgemein zum Gäubigerschutz durch Versicherungen seitens des Gläubigers oder des Schuldners, S. 115 f. 1018 Vgl. dazu Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 84 ff.; EscherWeingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 111 ff. 1019 „Existenzvernichtender Eingriff“, BGH ZIP 2002, 848; BGH ZIP2002, 1578. 1020 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 136 f. 1021 Bezeichnenderweise war das Konzept des „Legal“ oder „Par Capital“ auch den angelsächsischen Ländern bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg nicht fremd, vgl. Manning/Hanks, Legal Capital, S. 20-30.

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sondere auch einen Einblick in die tatsächliche Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens gestattet, vermag daher heute im Zweifel größere Gläubigerschutzwirkung zu entfalten als die Aufbringung und Erhaltung eines gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitals. Daran schließt sich die weitergehende Überlegung an, ob nicht auch dem Gläubigerschutz besser gedient ist, wenn ein ausgewogeneres, die Interessen aller Beteiligten besser berücksichtigendes System an die Stelle des heutigen Gläubigerschutzsystems tritt. Es stellt sich die Frage, ob der Vorrang des Gläubigerschutzes heute noch geeignet ist, den vom Gesetzgeber bezweckten gerechten Ausgleich der Interessen von Gesellschaftern und 1022 Gläubigern herbeizuführen . Die seit einigen Jahren auch in Deutschland geführte Diskussion um den „Shareholder Value“ und das Interesse an einer stärkeren Inanspruchnahme des Kapitalmarktes machen darüber hinaus deutlich, dass anstelle der Gläubiger eine andere Gruppe mit ihren Interessen und Schutzbedürfnissen in den Mittelpunkt der gesellschaftsrechtlichen Diskussion geraten ist1023. b)

Alternative Möglichkeiten der Ausschüttungsbemessung im deutschen Recht

Die Schwierigkeiten, die sich der Einführung von Zeitwertbilanzierung im deutschen Einzelabschluss bieten, beruhen zu einem großen Teil auf der Verknüpfung von Handelsbilanz und aktienrechtlichem Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung und -erhaltung. Bei Auflösung dieser Verbindung bedarf es daher unabhängig von der Diskussion über das Nennkapitalsystem einer alternativen Regelung für die Bemessung der an die Gesellschafter auszuschüttenden Dividende. Die Abschaffung des gesellschaftsrechtlichen Grundkapitals und Kapitalschutzes kann eine Lösung hier aber erleichtern, weil dadurch auch das Erfordernis wegfällt, durch die bilanzielle Gewinnermittlung die aktienrechtliche Kapitalerhaltung zu gewährleisten. (1)

Problemstellung und Interessenlage

Die durch Fair Value Accounting und seine rechtlichen Konsequenzen angestoßene Abschaffung oder jedenfalls Einschränkung des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung und die gleichzeitige Schwerpunktverlagerung im Bilanzrecht von der Ausschüttungsbemessungs- und damit Gläubigerschutzfunktion hin zur Informationsfunktion des Jahresabschlusses erfordern neue Lösungen gerade im Bereich der Gewinnverwendung und Ausschüttungsbemessung. Die Betonung der Informations- anstelle der Ausschüttungsbemessungsfunktion der Handelsbilanz durch Fair Value Accounting zieht die Frage nach sich, ob die Handelsbilanz auch künftig noch ohne weiteres Grundlage für die Bemessung der Dividendenansprüche bleiben kann. Da es die Natur von Zeitwerten, wie bereits gesehen, mit sich bringt, dass der ausgewiesene Gewinn vielleicht informativer, aber auch wesentlich volatiler ist und insbesondere – zumindest zum Teil – nicht realisiert, stellt sich die Frage, ob ein solcher Gewinn überhaupt noch 1022 S.o. Fn. 829. 1023 So auch Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 106.

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zur Bemessung der Ausschüttungen an die Anteilseigner herangezogen werden kann, oder ob nicht durch geeignete Gegenmaßnahmen die bei gewinnwirksamer Zeitwertbilanzierung drohende Ausschüttung zu hoher, nicht ausreichend stabiler oder nicht realisierter Beträge verhindert werden kann und muss. Kriterien für die Ausschüttungsfähigkeit von Gewinnen sind traditionell Gläubigerschutz und Substanzerhaltung. Aufgrund der im deutschen Recht bestehenden Identität von handelsrechtlicher Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung folgt dies bereits 1024 aus den bilanziellen Gewinnermittlungsprinzipien . Gleichzeitig sind bei der Ausschüttungsbemessung auch die Interessen der Aktionäre zu beachten, die ein Recht auf eine angemessene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals haben. Das Gesetz erkennt dieses Interesse in § 58 Abs. 4 AktG an, indem durch den dort geregelten Ausschüttungsanspruch nicht nur die Obergrenze, sondern auch die Untergrenze möglicher Ausschüttungen festgelegt wird. Zur Vermeidung einer „Ausbeutung“ des Unternehmens und seiner Substanzschwächung sind zu hohe Ausschüttungen ebenso zu verhindern wie im Interesse des Aktionärs-, insbesondere des Minderheitenschutzes zu niedrige1025. Herzig/Mauritz bezweifeln, dass die Substanzerhaltung, die der Ausschüttungsbemessung de lege lata zugrunde liegt, tatsächlich ein ökonomisch erstrebenswertes Ziel ist. Während in der deutschen Literatur die Erhaltung des Unternehmens und seiner Substanz teilweise als ein Wert an sich dargestellt wird1026, ist eigentlich zu fragen, zu welchem Zweck das Unternehmen erhalten werden soll und ob sich seine Erhaltung um 1027 dieses Zwecks willen (noch) rentiert . Ökonomisch gesehen dienen Unternehmen der Gewinnerzielung. Es ist das Recht der Kapitalgeber, insbesondere der Aktionäre, dass das Unternehmen Gewinn erwirtschaftet und an sie ausschüttet1028. Das Recht der Aktionäre auf angemessene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals darf daher nicht aus den Augen verloren werden. Ist ein Unternehmen nicht mehr in der Lage, Gewinne zu generieren, verliert es seine Existenzberechtigung. Substanzerhaltung um ihrer selbst willen ist daher nicht notwendigerweise wünschenswert1029. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung bringt – wie oben gezeigt – eine neue Wertung sowohl im Aktien- als auch im Bilanzrecht mit sich. Die einzelnen schutzwürdigen Interessen sind anders zu bewerten als nach herkömmlichem deutschen Recht, so dass der Vorrang des Gläubigerschutzes zugunsten der Aktionärsinteressen zurückweichen muss. Ob man das Ziel der Substanzerhaltung allerdings tatsächlich aufgeben soll, kann hier letztlich dahinstehen. Dagegen spricht die gesellschaftliche Rolle gerade der hier 1024 Die Identität von Gewinnermittlung und Gewinnverwendung/Ausschüttungsbemessung ergibt sich aus der Verknüpfung des gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsanspruchs mit dem in der Handelsbilanz ermittelten Gewinn gemäß § 58 Abs. 4 AktG. 1025 Zur Interessenlage im Einzelnen s.u. E. II. 1., S. 223 ff. 1026 Beisse, FS Beusch, S. 77, 87; Moxter, BB 1985, 1101, 1103; vgl. auch BVerfG, ZIP 1999, 1801, 1803. 1027 Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 337; ähnlich: T. Siegel/Bareis/Rückle u.a.; ZIP 1999, 2077, 2081. 1028 In den USA herrscht diese Ansicht letztlich seit der Entscheidung Dodge v. Ford vor, vgl. Dodge v. Ford Motor Company, 170 N.W. 668 (Mich. 1919). 1029 Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 337.

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betrachteten großen Publikumsgesellschaften und ihrer entsprechenden Verantwortung, 1030 die sich nicht nur im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern niederschlägt . Das Ziel der Kapitalmarktförderung darf dabei aber nicht aus den Augen verloren werden. Entscheidend ist daher letztlich die Anerkennung der Interessen von Anlegern und Aktionären als mindestens äquivalent gegenüber denjenigen der Gläubiger. (2)

Lösungsansätze

Die verschiedenen Ansätze zur Lösung des Problems der Ausschüttungsbemessung unterscheiden sich danach, ob sie eine Integration von Zeitwertbilanzierung in das herkömmliche System des Bilanz- und Gesellschaftsrechts bezwecken oder eine Neuausrichtung dieses Systems im Hinblick auf die veränderte Rechtswirklichkeit global agierender Unternehmen und Anleger ins Auge fassen. In diesem Sinne „alles beim alten“ lässt daher, wer dafür plädiert, die Veränderungen des Zeitwerts lediglich in einer Wertsteigerungsrücklage unter dem Eigenkapital auszuweisen. Zeitwertänderungen können auf diese Weise zwar ausgewiesen werden, schlagen sich aber nicht im Ergebnis nieder. Dadurch wird eine ernsthafte Kollision mit dem Vorsichtsprinzip vermieden1031. Der im Jahresabschluss erscheinende Gewinn ist nach wie vor vorsichtig ermittelt und realisiert. Der Gewinn kann daher auch nach traditionellem Verständnis unbedenklich weiter zur Ausschüttungsbemessung herangezogen werden, ohne das Prinzip des Gläubigerschutzes durch Erhaltung des Haftungspotentials zu gefährden. Eine solche ergebnisneutrale Zeitwertbilanzierung lässt sich verhältnismäßig leicht in jedes Rechnungslegungssystem integrieren, da alle Rechtsfolgen, die an den im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn anknüpfen, davon unberührt bleiben. Es ist bezeichnend, dass die ersten Standards zur Fair Value-Bilanzierung solche Regelungen vorsahen und dass sie auch heute noch gerade auf EU-Ebene bevorzugt werden, wo den verschiedenen Rechnungslegungstraditionen der Mitgliedstaaten ebenso wie dem Prinzip der Kapitalerhaltung entgegengekommen werden muss1032. Diese Vorschläge gehen an der Wirklichkeit der internationalen Kapitalmärkte aber auf Dauer vorbei, weil sie übersehen, dass international Standards gefordert werden, die im Wesentlichen den US-GAAP oder zumindest den IFRS entsprechen. In beiden Rechnungslegungsregelwerken zeichnet sich inzwischen ab, dass Veränderungen des Fair Value, positiv oder negativ, erfolgswirksam zu bilanzieren sind. International wird mithin ein Ergebnisausweis erwartet, der auch die Veränderungen des Zeitwerts der entsprechenden 1030 Vgl. dazu Groh, DB 2000, 2153, 2154-2156; Semler, in: Picot (Hrsg.), S. 29, 32 f. 1031 So im Ergebnis Haußer, Die Bewertung von Wertpapieren des Umlaufvermögens nach HGB, US GAAP und IAS, S. 400 f. 1032 Zwar wird auch im europäischen Gesellschaftsrecht der Gläubigerschutz heute noch im Wege bilanzrechtlicher Kapitalsicherung angestrebt, heute aber zunehmend in Frage gestellt; Kapitalrichtlinie, 2. Richtlinie EG vom 13.12.1976, ABl. L 26, S. 1; KOM (2003) 284 , S. 21. SchulzeOsterloh, in: Schruff (Hrsg.), S. 121, 123 u. 126; Schön, ZGR 2000, 706, 710. Entsprechend betont die 4. Bilanzrichtlinie das Vorsichtsprinzip als obersten Ansatz- und Bewertungsgrundsatz und mit ihm die Anschaffungskosten, vgl. Artt. 31 Abs. 1 lit. c, 32 der Richtlinie.

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Vermögensgegenstände beinhaltet. Bei einer Beibehaltung der Identität von Gewinnermittlung und Gewinnverwendung beziehungsweise Ausschüttungsbemessung stellen sich allerdings die erwähnten Probleme von Volatilität und Verflüchtigungsgefahr des Gewinns nach dem Bilanzstichtag sowie unzureichender Liquidität mangels Realisierung in aller Schärfe. Als Lösung bleibt nur die Trennung von bilanzieller Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung, um den nichtrealisierten beziehungsweise volatilen Teil des 1033 ausgewiesenen Gewinns de facto mit einer Ausschüttungssperre belegen zu können . Bei einer solchen Trennung sind zwei gangbare Wege denkbar. Als eine Lösungsmöglichkeit kommt die Erstellung einer Gewinnermittlungsbilanz und einer weiteren Ausschüttungsbilanz in Betracht1034. Hier wird ebenfalls eine Wertsteigerungsrücklage gebildet. Deren Bildung erfolgt aber nicht im Rahmen der Gewinnermittlung, sondern erst im Rah1035 men der Gewinnverwendung . Dabei wird vorgeschlagen, direkt anhand dualer GoB zwei verschiedene Jahresergebnisse zu ermitteln, eines zur Information und eines als Grundlage der Ausschüttungsbemessung1036. Die Differenz zwischen Zeitwert und fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten wird durch die Verbuchung in einer Wertsteigerungs-/Neubewertungsrücklage mit einer Ausschüttungssperre belegt. Dies ist letztlich ebenfalls unproblematisch mit dem heutigen Bilanzverständnis zu vereinbaren. Die Information durch Rechnungslegung wird verbessert, gleichzeitig wird aber nicht an die Rechte der Gläubiger gerührt1037. Der Ansatz stammt ursprünglich aus der an den Wiederbeschaffungskosten ausgerichteten Tageswert-Literatur und ist daher ebenfalls 1038 auf Substanz- und Kapitalerhaltung ausgerichtet . Entsprechend wird hier insbesondere die starre Obergrenze möglicher Ausschüttungen im Ergebnis nicht angetastet. Eine zweite Lösungsmöglichkeit liegt in der völligen Abkopplung des gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsanspruchs vom Handelsbilanzrecht und damit dem Streichen der Verknüpfung von Aktien- und Bilanzrecht in § 58 Abs. 4 AktG. Ausschüttungsbemessung im Rahmen von Bilanzierungsregeln wie in Deutschland ist schließlich nicht der einzig denkbare Weg. Denkbar ist beispielsweise ebenso eine Ausschüttungsbemessung allein unter Liquiditäts- oder Finanzierungsaspekten wie in den Vereinigten Staa-

1033 Dazu ausführlich Leuz, Rechnungslegung, S. 219-225. 1034 Ähnlich Schön, der an dieser Stelle drei Optionen unterscheidet: das Erstellen einer Ausschüttungsbilanz, aus der in einer Überleitungsrechnung eine Informationsbilanz entwickelt wird, das Erstellen einer Informationsbilanz, aus der die ausschüttungsfähigen Gewinne herausgerechnet werden und die vollständige Trennung und Parallelführung von Ausschüttungs- und Informationsbilanz in gesonderten Regelwerken; Schön, ZGR 2000, 706, 739 m.w.N. 1035 S. Schmidt, Bewertung von Vermögen zum Tageswert. 1036 In diesem Sinne könnte auch die von der Bundesregierung in ihrem Zehn-Punkte-Programm vorgeschlagene Differenzierung zwischen einer an Informationszwecken ausgerichteten IASBilanz und einer weiterhin am Gläubigerschutz orientierten HGB-Ausschüttungsbilanz zu verstehen sein. 1037 T. Siegel/Bareis/Rückle u.a., ZIP 1999, 2077, 2080 m.w.N.; ähnlich bereits Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 23; Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 123, 136 f.; Strobl, FS Clemm, S. 389, 409. 1038 Ähnlich Schön, der nicht vom Kapitalschutzsystem abweichen will, Schön, ZGR 2000, 706, 739 m.w.N.

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ten . Der im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn verliert bei einer solchen Lösung seine unmittelbare und alleinige Maßgeblichkeit für die Bestimmung der Höhe der Ausschüttungen an die Anteilseigner und wird zu einem Faktor unter mehreren, die für die Ausschüttungsbemessung heranzuziehen sind. Die Höhe der Ausschüttung ist dann alleine nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben festzulegen. Eine Art „Mittelweg“ beschreitet der Gesetzgeber bereits nach derzeitigem Recht mit § 280 HGB und § 58 Abs. 2 a AktG. Gemäß § 280 HGB i.V.m. § 58 Abs. 2 a AktG steht es im Ermessen der Unternehmensleitung, den auf einer Wertaufholung beruhenden und nicht realisierten Wertzuwachs in eine Wertsteigerungsrücklage einzustellen und auf diese Weise mit einer Ausschüttungssperre zu belegen oder ihn als Gewinn auszuweisen und an die Gesellschafter auszuschütten1040. Die Ausschüttung von auf Zeitwertänderungen beruhenden Gewinnen wird letztlich auch schon hier in das Ermessen der Unternehmensleitung gestellt. Als weiterer, völlig anderer Weg kommt die Beibehaltung der Identität von Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung trotz Zeitwertbilanzierung in Betracht. Dies wird von Herzig/Mauritz befürwortet. Sie reden einer zeitwertorientierten Bilanz mit Ausschüttungsbemessungsfunktion das Wort. Trotz der erwähnten Gefahren schneller Verflüchtigung aufgrund hoher Volatilität des Gewinnausweises und fehlender Liquidität mangels Realisierung hätte eine solche Bilanz einerseits keine nachteiligen Wirkungen auf den Gläubigerschutz, andererseits übte sie den zum Schutz der Anteilseigner erforderlichen Ausschüttungsdruck aus1041. Welcher Ansatz vorzugswürdig ist, ist fraglich. Eine Antwort kann nur unter Beachtung und Abwägung aller maßgeblichen Interessen gefunden werden. Wie oben bereits geschildert, ist die Beibehaltung der Identität von Gewinnermittlung und Gewinnverwendung/Ausschüttungsbemessung unter dem Primat von Vorsichtsprinzip und Gläubigerschutz angesichts der „Internationalisierung“ der Rechnungslegung keine wirkliche Alternative. Eine Ausschüttungssperre durch Ausweis der Zeitwertänderungen in einer Wertsteigerungsrücklage und die dadurch bewirkte Reduzierung des Gewinns entsprechen nicht den internationalen Anforderungen an den Jahresabschluss. Die Trennung von Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung ist m.E. daher bei Einführung von Fair Value Accounting und dem damit verbundenen Funktionswandel gesetzlicher Rechnungslegung zwingend1042. Es war ohnehin schon früher fraglich, ob der in der Handelsbilanz ausgewiesene Gewinn auch tatsächlich ausschüttbar, d.h. bedenkenlos dem Unternehmen entzogen werden kann. So war bereits für Schmalenbach Gewinn zwar das Erzielte, nicht aber automatisch auch das Verteilbare1043. Ähnlich argumentiert 1039 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 7 f.; vgl. dazu auch Moxter, FS Clemm, S. 231. Eine solche Lösung soll auch nach Ansicht der EU-Kommission als in die 2. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie aufzunehmende Alternative zum Kapitalerhaltungssystem mittelfristig geprüft werden, KOM (2003), 284, S. 21, s.o. Fn. 1002. 1040 Vgl. Hopt, HGB, § 280 Rn. 1; s.o. C. VI. 2., S. 115 ff. 1041 Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 343-348. 1042 Dies entspricht wohl inzwischen der h.M.; vgl. T. Siegel/Bareis/Rückle u.a., Baetge/Thiele, Schulze-Osterloh, Strobl, jeweils, a.a.O., Fn. 1037, m.w.N. 1043 Dazu Moxter, FS Clemm, S. 233.

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ihm folgend Walb, der ebenfalls differenziert zwischen erzieltem und entziehbarem Gewinn. Entziehbarer und verteilbarer Gewinn hatten durch das Vorsichtsprinzip geprägt zu sein. Die Ermittlung des erzielten Gewinns sollte objektiver erfolgen, das Vor1044 sichtsprinzip wurde hier sogar als Fremdkörper betrachtet . Die Erstellung zweier Bilanzen, einer Gewinnermittlungsbilanz und einer nach wie vor am Vorsichtsprinzip orientierten Ausschüttungsbilanz, wie sie auch in dem ZehnPunkte-Programm der Bundesregierung anklingt, bleibt allerdings als zu konservativ hinter den Anforderungen der Kapitalmärkte zurück. Die in diesem Zusammenhang vorgeschlagene Bildung einer Wertsteigerungsrücklage im Rahmen der Gewinnverwendung (Ausschüttungsbilanz)1045 berücksichtigt nicht die Bedürfnisse von Kapitalmarkt und Corporate Governance. Da auch hier der auf die Veränderungen der Zeitwerte zurückgehende Gewinn mit einer absoluten Ausschüttungssperre belegt wird, lastet auf dem Unternehmen diesbezüglich auch kein Ausschüttungsdruck. Der im traditionellen Sinne vorsichtig ermittelte Gewinn bleibt auch nach dieser Konzeption unverrückbare Obergrenze jeder Dividendenauszahlung an die Anteilseigner. Zu weit gehen aber wohl diejenigen Stimmen in der Literatur, die auch den auf der Basis von Zeitwerten ermittelten Gewinn unmittelbar jeder Ausschüttung zugrunde legen wollen und damit ebenfalls für eine Beibehaltung der Identität von Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung trotz Zeitwertbilanzierung plädieren1046. Bilanzielle Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung sind daher voneinander abzukoppeln. Die Ermittlung der Höhe auszuschüttender Dividenden kann auch unabhängig vom im handelsrechtlichen Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn rein gesellschaftsrechtlich erfolgen. Amerikanischem Vorbild entsprechend ist es dann möglicherweise ausreichend, Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter nur noch im Rahmen einer Schuldendeckungs- oder Liquiditätskontrolle zu überprüfen, während der im Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn dabei lediglich eine weitere Richtgröße darstellt. Eine solche „amerikanische Lösung“ ist an dieser Stelle vorzugswürdig. Für eine solche Lösung spricht insbesondere ihre Flexibilität sowie die Tatsache, dass der im Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn nur einer von mehreren Parametern bei der Ermittlung der Höhe des an die Gesellschafter auszuzahlenden Gewinnanteils ist. Damit bleibt die Möglichkeit bestehen, allen Interessengruppen gerecht zu werden und Raum zu lassen für die Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes. Ein einseitiger Zwang zur Ausschüttung „nicht vorhandener“ Gewinne im Interesse von Anlegern und „Spekulanten“ kann vermieden werden, dennoch ist die umfassende Information der Kapitalmarktteilnehmer über den erwirtschafteten Gewinn und ein damit bewirkter Ausschüttungsdruck auf Unternehmen und Unternehmensleitung gewährleistet. Es erscheint daher durchaus sachgerecht, die Höhe der Auszahlung von Dividenden in das Ermessen der Unternehmensleitung zu stellen. Das Management ist zum einen in der

1044 Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, S. 80; Moxter, FS Clemm, S. 233; s.o. C. V. 1. c), S. 111 ff. 1045 Vgl. T. Siegel/Bareis/Rückle u.a., ZIP 1999, 2077, 2080; Strobl, FS Clemm, S. 389, 409; Baetge/ Thiele, FS Beisse, S. 11, 23. Ähnlich Schulze-Osterloh, in: IDW-Fachtagung 1994, S. 123, 136 f. 1046 Vgl. Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335.

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Lage, Marktnähe, Realisierbarkeit und Volatilität der ausgewiesenen Wertsteigerungen zu beurteilen. Es bleibt zum anderen dabei immer gezwungen, seine Entscheidung dem Urteil des Marktes zu überantworten und entsprechend zu rechtfertigen. So haben es Management und Kapitalmarkt wechselseitig in der Hand, über die Höhe der auszuzahlenden Dividende zu entscheiden. Der Kapitalmarkt erhält einerseits umfassende Information über die Ertragslage des Unternehmens, der Unternehmensleitung bleibt es andererseits im Rahmen ihres Ermessens unbenommen, die Höhe der Gewinnauszahlung deutlich niedriger festzulegen, als es der laut Bilanz ermittelte Gewinn auf dem Papier zuließe. Wird die vorgenommene Auszahlung von den Aktionären als zu gering empfunden, bleibt ihnen die „Abstimmung mit den Füßen“. Auf diese Weise kann es gelingen, einen vernünftigen Ausgleich herzustellen zwischen dem durch höheren Gewinnausweis bewirkten Ausschüttungsdruck einerseits und der Vermeidung zu hoher und für das Unternehmen schädlicher Ausschüttungen andererseits. Das von Herzig/Mauritz vorgeschlagene Modell einer Ausschüttungsbemessung auf der Grundlage zeitwertorientierter Gewinnermittlung vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Es erzeugt zwar erheblichen Ausschüttungsdruck auf Unternehmen und Management und ist daher durchaus im Sinne anlegerorientierter Corporate Governance, bleibt aber zu starr, da die Möglichkeit einer Beschränkung der Gewinnausschüttung auf tatsächlich im Unternehmen vorhandene Mittel nicht vorgesehen ist. 3.

Neuorientierung des aktien- und bilanzrechtlichen Schutzzwecksystems

a)

Relativierung des Dogmas vom Vorrang des Gläubigerschutzes im Aktienrecht

Das Festhalten am System von Nennkapital, Kapitalaufbringung und -erhaltung wird damit begründet, dass der Kapitalstock Korrelat für die Beschränkung der Haftung auf das 1047 Gesellschaftsvermögen sei . Es ist erstaunlich, dass das Dogma von der Gefährdung der Gläubiger durch den Haftungsausschluss der Mitglieder und die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen in Deutschland so wenig in Frage gestellt wird. Denn es ist nur schwer ersichtlich, warum die persönliche Haftung natürlicher Personen dem Gläubiger mehr Sicherheit bieten soll als die unbeschränkte Haftung einer juristischen Person. Schließlich stehen Unternehmensgründungen auch mittellosen natürlichen Personen offen. Deren persönliche Haftung kann den Gläubigern aber nicht die Sicherheit gewährleisten, die man sich von der „Kapitalersatzfunktion der persönlichen Haftung“ verspricht1048. Hier wie dort hat sich der Gläubiger seinen Vertragspartner und Schuldner selbst ausgesucht und muss infolgedessen auch dessen Liquiditätsrisiko tragen. Dies ist als Konsequenz der aus der allgemeinen Privatautonomie abgeleiteten Vertragsfreiheit ein allge1049 mein anerkannter Grundsatz des Zivilrechts . Heute – angesichts der Seriositätsbemühungen im Aktienrecht der letzten hundert Jahre – ist das Risiko, einen illiquiden Schuld1047 S.o. D. I. 3. a) (2), S. 168 ff. 1048 Vgl. auch Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 94 m.w.N. 1049 Vgl. z.B. Medicus, Schuldrecht II, § 133 II 1 b, S. 356.

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ner zu erhalten, bei natürlichen Personen nicht größer oder kleiner als bei Körperschaften und insbesondere bei Aktiengesellschaften. Das Dogma lässt sich somit zwar historisch erklären; es muss aber kein unumstößlicher Grundsatz unserer Gesellschaftsrechtsordnung bleiben. Wenn das heute bestehende Gläubigerschutzsystem das Ergebnis einer Gegenreaktion auf erheblichen Missbrauch der Rechtsform der Kapitalgesellschaft ist, wie man ihn insbesondere in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts erlebt hat, ist die Frage berechtigt, warum man nicht einem solchen Missbrauch zielgerichtet beispielsweise durch einen verstärkten Ausbau derjenigen Haftungstatbestände begegnet, die die persönliche Gesellschafterhaftung in Fällen vorsehen, in denen ein Missbrauch der Rechtsfigur der Kapitalge1050 sellschaft und ihrer Haftungsbeschränkung durch die Gesellschafter vorliegt . Darüber hinaus ist der Vorrang des Gläubigerschutzes im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht mit seinen gesetzlich normierten Schutzmechanismen geradezu kontraproduktiv1051. Ausgangspunkt dieser These ist die Überlegung, dass ein verstärkter Schutz der Gläubiger deren Risiken vermindert und so die Aufnahme von Fremdkapital verbilligt und damit erleichtert, während eine Verbesserung des Anlegerschutzes die Aufnahme von Eigenkapital fördert1052. Die Verbilligung von Fremdkapital durch Verbesserung des Gläubigerschutzes führt dann konsequenterweise zu einer Erhöhung der Fremdkapitalquote zu Lasten der Eigenkapitalfinanzierung1053. Dies bewirkt aber wiederum eine Senkung des Gläubigerschutzniveaus, jedenfalls solange man davon ausgeht, dass insbesondere in der Insolvenz eine im Vergleich zum Anteil der Fremdfinanzierung hohe Eigenkapitalquote den Fremdkapitalgebern als Sicherheit und damit dem 1054 Gläubigerschutz dient . Dies bedeutet aber auch, dass ein verstärkter Anleger- beziehungsweise Aktionärsschutz auch eine Verbesserung des Gläubigerschutzes bewirkt, indem Anreize zur Erhöhung der Eigenkapitalquote entstehen und damit die den Gläubigern zur Verfügung stehende haftende Vermögensmasse vergrößert wird, während die einseitige Betonung des Gläubigerschutzgedankens letztlich ihre Wirkung verfehlt. Es stellt sich daher a priori die Frage, ob das Regelungsziel „Gläubigerschutz“ als eine der Grundmaximen des deutschen (und europäischen) Gesellschaftsrechts nicht in seiner Bedeutung für den heutigen Rechtsverkehr völlig überschätzt wird und daher zugunsten anderer, mindestens gleichwertiger Schutzziele zurückzudrängen ist. Obwohl

1050 S.o. bei Fn. 1019. 1051 So z.B. Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 68 f.; im Ansatz ähnlich bereits Kübler, Aktie, S. 33, 40 u. 59. 1052 Kübler, Aktie, S. 59; La Porta u.a., 58 J.Fin.Econ. 3, 15 (2000). 1053 Die These lässt sich empirisch untermauern durch einen Vergleich der Eigenkapitalquoten deutscher und US-amerikanischer Aktiengesellschaften, da die amerikanische Rechtsordnung den Anlegerschutz betont. Unabhängig davon, ob man bereinigte oder unbereinigte Zahlen zugrunde legt, weisen die amerikanischen Aktiengesellschaften erheblich höhere Eigenkapitalquoten auf als die deutschen; vgl. dazu die Zahlen bei Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 27 unter Fn. 9. 1054 Str., vgl. Klose-Mokroß, Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 68 f. m.w.N.

212

1055

dies jedenfalls im Aktienrecht bereits teilweise anerkannt wird , sind der Kapital- und damit auch der Gläubigerschutz eminente Ziele des deutschen Aktienrechts geblieben, hinter denen die Rechte der Aktionäre und Anleger regelmäßig zurückzustehen haben. b)

Anlegerschutz als Forderung der Kapitalmärkte

Das Dogma vom Vorrang des Gläubigerschutzes führte darüber hinaus zu einer Verengung 1056 im der Perspektive. Während der Gläubiger als „Objekt paternalistischer Fürsorge“ Zentrum des gesellschafts- und bilanzrechtlichen Schutzes stand und der Aktionär als „Eigentümer“ gerade in den Genuss aktienrechtlich-institutionellen Schutzes kam, wurde der Anleger in seiner Rolle als Kapitalgeber lange vernachlässigt. Mit der zunehmenden Inanspruchnahme des Kapitalmarktes bei der Unternehmensfinanzierung treten diese Mängel 1057 deutlich zutage . Der institutionelle Aktionärsschutz des deutschen Aktienrechts hat sich vor diesem Hintergrund nicht bewährt und angesichts der Entwicklung der Kapitalmärkte versagt. Eine Antwort auf das Problem der Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt in der Publikumsaktiengesellschaft, das sich mit der zunehmenden Finanzierung der Unternehmen über den Kapitalmarkt in immer schärferem Maße stellt, ist das deutsche Aktienrecht bisher schuldig geblieben. Insbesondere der in der Corporate GovernanceDebatte immer wieder unterstellte Nachholbedarf des deutschen Rechts belegt diese Defi1058 zite . Das Verständnis des Aktionärs als Eigentümer und Unternehmer und weniger als Kapitalgeber ist eine Folge (fehlender) deutscher Kapitalmarkttradition1059. Angesichts der Globalisierung der Kapitalmärkte, die aufgrund der besonderen Mobilität von Kapital schneller voranschreitet als in anderen Bereichen, muss der Aktionär jedoch auch in seiner Rolle als Anleger wahrgenommen werden1060. Neben den sozialen Interessen, die im letzten Jahrhundert gerade in Deutschland die rechtspolitische Diskussion bei den großen Publikumsaktiengesellschaften geprägt haben und zu einer Zurückdrängung der wirtschaftlichen Eigentümer und ihrer Interessen führten, müssen als Folge des Wett1055 Vgl. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C. Rn. 183, die zum Ausdruck bringt, dass gerade Fragen materieller Unterkapitalisierung und Vermögensvermischung die GmbH weit mehr betreffen, die klassische Gläubigerschutzsituation im Aktienrecht somit kaum mehr besteht. Ebenfalls Klose-Mokroß mit dem Hinweis auf die statistisch gegenüber Aktiengesellschaften höhere Ausfallquote in Konkurs bzw. Insolvenz bei GmbH (Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 71-79). Angesichts des Misstrauens, das der GmbH traditionell entgegengebracht wird, und der Konkursstatistiken, stellt sich hier das Problem ein wenig anders dar, wenngleich auch hier nicht einzusehen ist, warum der Gläubiger einer GmbH gefährdeter sein soll als derjenige einer natürlichen Person, solange nicht wirklich ein Missbrauchstatbestand vorliegt. 1056 Kübler, ZHR 1995, 550, 555. 1057 Eine weniger gläubigerorientierte und mehr kapitalmarktorientierte Ausrichtung des Aktien- und Bilanzrechts gehört daher zum langfristigen Reformprogramm in Deutschland, Seibert, AG 2002, 417, 419. 1058 Zum Nachholbedarf des deutschen Rechts und dessen Ursachen vgl. Seibert, AG 2002, 417, 418. 1059 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 175 1060 Hellwig, EWS 2001, 580, 582.

213

bewerbs um Kapital im Gesellschaftsrecht auch und gerade die Interessen der Anleger als Kapitalgeber berücksichtigt werden. Die Anleger und mit ihnen die Märkte selbst bedürfen eines verstärkten und effizienten Schutzes. Andernfalls sinken ihre Investitionsbereitschaft und ihr Vertrauen in den (deutschen) Kapitalmarkt und schädigen dadurch kapitalsuchende Unternehmen ebenso wie Kleinanleger auf der Suche nach sicheren und lukrativen Investitionsmöglichkeiten. Die Förderung von Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt bietet die Chance, diesen Defiziten des deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts entgegenzuwirken und ein international wettbewerbsfähiges System moderner, kapitalmarktorientierter Corporate Governance zu schaffen.

214

E.

Moderne Corporate Governance als taugliches System des Interessenausgleichs in der Kapitalgesellschaft

Die rechtlichen Konsequenzen der Einführung von Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss einerseits und die Forderungen der internationalen Kapitalmärkte andererseits erzwingen eine Neuausrichtung des Zusammenspiels von Bilanz-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Zudem lässt sich der eingangs geschilderten Problematik der Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt in der Publikumsaktiengesellschaft mit den herkömmlichen Mitteln des deutschen Aktienrechts nicht wirksam begegnen. Oben wurde bereits die Wirkungsweise und theoretische Tauglichkeit des Kapitalmarktes zur Unternehmens(leiter)kontrolle und -überwachung dargelegt, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Anteilseignern und Unternehmensleitung und die „separation of ownership and control“1061. Es stellt sich die Frage, ob ein System moderner, d.h. kapitalmarktorientierter Corporate Governance über die bloße Steigerung des Shareholder Value im Interesse der Anteilseigner hinaus eine Verbesserung für alle Beteiligten im Unternehmen mit sich bringt. Das Augenmerk ist dabei insbesondere darauf zu richten, ob der Kapitalmarkt tatsächlich in der Lage ist, das Gesellschaftsrecht zu ersetzen oder wenigstens zu ergänzen, um das durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung zusätzlich ins Wanken geratende herkömmliche deutsche Corporate Governance-System zu stützen, und dabei im Gefüge des deutschen Rechts eine ordnende und ausgleichende Rolle einzunehmen, die ohne einseitige Bevorzugung der Anlegerinteressen den vielfältigen Erwartungen zahlreicher Interessengruppen gerecht wird. Zunächst einmal ist daher zu klären, ob der Kapitalmarkt grundsätzlich quasi gesellschaftsrechtliche Funktionen übernehmen kann und soll, und ob durch Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt der erstrebenswerte Interessenausgleich aller an der Unternehmung beteiligten Personengruppen herbeigeführt oder wenigstens gefördert werden kann, den eigentlich das Gesellschaftsrecht zu leisten hat1062.

I.

Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht als Ersatz und Ergänzung von Gesellschaftsrecht

1.

Die traditionelle Aufgabenzuweisung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

a)

Gesellschaftsrecht

Gesellschaftsrecht im klassischen Sinne wird verstanden als Organisations- und Unternehmensträgerrecht. Es ist Organisationsrecht, indem es die Verhältnisse der Gesellschafter untereinander und zu ihrer Gesellschaft der jeweiligen Rechtsform entspre1061 S.o. B III., S. 31 ff. 1062 Kübler, SZW 1995, 223, 225.

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chend regelt. Als Unternehmensträgerrecht regelt es mit dem Recht des jeweiligen Un1063 ternehmensträgers zugleich das Recht des Unternehmens selbst . Es bezweckt die Harmonisierung potentiell einander widersprechender Interessen von Gesellschaftern, Gläubigern oder Leitungsorganen und bedient sich dabei insbesondere der Zuweisung subjektiver Rechte als rechtliches Instrumentarium1064. Das Gesellschaftsrecht ist daher grundsätzlich das Rechtsgebiet, dem unsere Rechtsordnung die Verfolgung von Zielen wie Anteilseigner- und Gläubigerschutz vorrangig zuweist. Folglich wird im Gesellschaftsrecht herkömmlicherweise auch der Ort gesehen, dem die Regelung von Problemen der Corporate Governance vorrangig anvertraut ist. Gerade in Deutschland wird daher auch heute noch vielfach davon ausgegangen, dass die oben aufgeworfenen Corporate Governance-Fragen ausschließlich oder jedenfalls vorwiegend vom Gesellschaftsrecht zu lösen sind1065. b)

Kapitalmarktrecht

Das Kapitalmarktrecht hingegen ist primär Wirtschaftsrecht. Regelungsobjekt des Kapitalmarktrechts ist der Kapitalmarkt in seiner Eigenschaft als Markt für langfristige Kredite und Beteiligungen. Es ist folglich darauf gerichtet, die notwendigen rechtlichen Vorkehrungen für das Funktionieren dieses Marktes zur Verfügung zu stellen1066. Das Kapital1067 marktrecht verfolgt damit in erster Linie das Ziel des Funktionenschutzes . Der Funktionenschutz gewährleistet die dauerhafte Fähigkeit des Kapitalmarktes, zwischen den Interessen von Unternehmen und Anlegern zu vermitteln. Die Regelungen beziehen sich dabei vorwiegend auf Marktinformation, Publizität und Transparenz1068. Dem Kapitalmarktrecht als eigenständigem Rechtsgebiet wird daher die Fähigkeit oft abgesprochen, zum Schutz des einzelnen Aktionärs beziehungsweise Anlegers oder des einzelnen Gläubigers beitragen zu können; es wurde sogar vielfach nicht einmal als eigenständiges Rechtsgebiet anerkannt; eine Ergänzung und Überlagerung des Gesellschaftsrechts und des gesellschaftsrechtlichen Schutzes des einzelnen Gläubigers oder Aktionärs sei es nicht zu leisten imstande1069. Dennoch verfolgt das Kapitalmarktrecht mittelbar ebenso Ziele des Indivi-

1063 Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 244; Kübler, SZW 1995, 223, 225. 1064 Kübler, SZW 1995, 223, 225; das Recht der Mitgliedschaft als zentrales Recht des Aktionärs steht auch heute vielfach noch im Zentrum gesellschaftsrechtlicher Diskussion, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 19-21; dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 69-71. 1065 So z.B. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 59-61, nicht ohne allerdings eine gewisse Kontrollmöglichkeit durch den Kapitalmarkt anzuerkennen, vgl. dazu auch die Nachweise bei Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 69-71. 1066 Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 356. 1067 Vgl. zur Frage der Schutzgesetzeigenschaft der §§ 88 BörsG a.F., 15 WpHG im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB jüngst BVerfG, ZIP 2002, 1986, 1988 f.;OLG München, ZIP 2002, 1989, 1991 u. 1994 („Infomatec II“) m. Anm. Möllers/Leisch. Die Kläger haben gegen diese Entscheidung Revision beim BGH eingelegt, vgl. NJW-aktuell, NJW 2002, Heft 44, X. 1068 Kübler, SZW 1995, 223, 225. 1069 Kübler, SZW 1995, 223, 224; Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft, S. 9 m.w.N.

216

1070

dualschutzes . Damit soll das Vertrauen der Anleger in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und seiner Institutionen gewahrt und gestärkt werden. Hierbei wirken der Schutz des individuellen Anlegers und der Schutz der Funktionen des Kapitalmarktes zusammen und überlagern sich. Nach der Rspr. entfalten kapitalmarktrechtliche Normen mittelbar anlegerschützende Wirkung als Reflex des kapitalmarktrechtlichen Funktionen1071 schutzes . Obwohl der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz in der traditionellen deutschen Gesellschaftsrechtslehre lediglich als „Marginalie des Gesellschaftsrechts“ betrachtet wird1072, kann das Kapitalmarktrecht mit dem Anlegerschutz auf diese Weise eine Schutzrichtung bekommen, die zur gesellschaftsrechtlichen parallel läuft. c)

Kapitalmarktrecht als bundesrechtliche Ergänzung einzelstaatlichen Gesellschaftsrechts in den USA

Anders verlief die Entwicklung in den Vereinigten Staaten. Hier besteht traditionell ein erheblich größeres Vertrauen in die regulative Kraft des Kapitalmarktrechts ebenso wie in die Kraft des Kapitalmarktes selbst. Da das Gesellschaftsrecht dort Sache der Bundesstaaten ist, das Kapitalmarktrecht hingegen in die Zuständigkeit des Bundes fällt, bediente man sich schon früh der „Krücke“ des Kapitalmarktrechts1073, um im Interesse eines bundesweit einheitlichen Schutzniveaus für die Anleger solche eigentlich gesell1074 schaftsrechtlichen Sachverhalte zu regeln . Dementsprechend blickt das US-amerikanische Kapitalmarktrecht als zusammenhängender Regelungskomplex auch auf eine lange Geschichte zurück, die schon zu Beginn der dreißiger Jahre mit Roosevelts „New Deal“ ihren Anfang nahm1075. Daher ist man dort eher bereit, dem Kapitalmarktrecht die – zumindest ergänzende – Regelung eigentlich gesellschaftsrechtlicher Sachverhalte anzuvertrauen. Die amerikanische Entwicklung belegt eine Wechselwirkung zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Der Ausbau zwingender Regelungen im Kapitalmarktrecht erlaubt eine Liberalisierung des Gesellschaftsrechts, während eine zunehmende Liberalisierung andererseits wiederum weitere zwingende Regeln im Kapitalmarktrecht erfordert1076. Als Gegensatzpaar oder voneinander unabhängige Rechtsgebiete werden Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht nicht verstanden, sondern als

1070 Ausführlich Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft, S. 19-24; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 107-113. 1071 Vgl. zuletzt BVerfG, ZIP 2002, 1986, 1988; OLG München, ZIP 2002, 1989, 1991. 1072 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 II 2 d, S. 13; vgl. dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 71. 1073 Und des Steuerrechts: vgl. Ebke, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), S. 279, 326 m.w.N. 1074 Ähnlich Mestmäcker, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 66, der die Quellen des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts auf das Bedürfnis nach Aktivierung der Aktionärsrechte zurückführt. Der bundesweite Regelungsbedarf in den USA gilt vor allem als eine Folge des sogenannten „race to the bottom“, des mit gegenseitiger Unterbietung im Schutzniveau der Anleger und Gläubiger ausgetragenen Wettbewerbs der Einzelstaaten als bevorzugte Standorte von Kapitalgesellschaften, vgl. dazu Ebke, RabelsZ 1998, 196, 207. 1075 Kübler, SZW 1995, 223, 224. 1076 Kübler, SZW 1995, 226.

217

ein wie selbstverständlich ineinandergreifendes Getriebe zur optimalen Gestaltung des Rechts der Publikumsaktiengesellschaften. 2.

Ergänzung durch die Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes

a)

Begrenztheit institutionell-gesellschaftsrechtlicher Unternehmens(leiter)kontrolle

Während es heute in den USA zum gesicherten Bestand des Gesellschaftsrechts im weitesten Sinne gehört, dem Kapitalmarkt eigentlich gesellschaftsrechtliche Schutz- und Kontrollfunktionen zuzusprechen, forderten Berle und Means noch als regulationspolitische Folgerungen ihrer These von der „separation of ownership and control“ vor allem rechtliche, insbesondere gesellschaftsrechtliche Konsequenzen, die eine verbesserte interne und externe Kontrolle der Manager gewährleisten sollten, um den durch die Tren1077 nung von Eigentum und Kontrolle entstandenen Machtfreiraum zu füllen . Sie hielten die Kontrollmechanismen des Marktes insbesondere mangels attraktiver Anlagealternativen für den Kleinanleger nicht für ausreichend. Da der Kleinanleger auf den Kapitalmarkt angewiesen bleibt, sei er quasi gezwungen, sein Kapital zur Verfügung zu stellen, unabhängig von den möglicherweise gegenläufigen Interessen des Managements der kapitalaufnehmenden Gesellschaft1078. Ähnlich greift man auch heute noch in Deutschland bevorzugt auf den institutionellen Rahmen des Aktienrechts zurück. Der deutsche Kapitalmarkt galt und gilt im Vergleich zu den „reifen“ und bereits auf einige Tradition zurückblickenden Kapitalmärkten in New York und London gemeinhin als unterentwickelt. Hierzulande ist ein aktiver Kapitalmarkt erst im Begriffe sich zu entwickeln. Die Mechanismen des Marktes sind noch kein jedermann geläufiger Teil deutscher Aktienkultur. In Deutschland fehlt daher auch generell im Vergleich zu den USA das Vertrauen in die regulative Kraft des Marktes. Man verlässt sich lieber auf klassische institutionalisierte rechtliche Regelungsmechanismen. Der Markt wird als unkontrollierbar und suspekt empfunden. In der Tat muss ja auch damit gerechnet werden, dass der Markt nur solange seine regelnde Kraft entfalten kann, wie er auch tatsächlich funktioniert; ein Zusammenbrechen des Marktes führt auch zu einem Versagen der auf ihn aufbauenden Schutzmechanismen. Daher aber ist es auch so wichtig, den rechtlichen Rahmen zu schaffen für ein dauerhaftes und nachhaltiges Funktionieren des Kapitalmarktes. In den USA wird seit Jahrzehnten er1077 Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 9; Meier-Schatz, ZSR 1988, 191, 200. 1078 Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, S. 62; vgl. dazu auch MeierSchatz, ZHR 1985, 76, 90; dieses Problem wird auch für den deutschen Markt gesehen, kann aber angesichts der Entwicklung des deutschen Kapitalmarktes m.E. für überwunden gelten, Juhnke, Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt, S. 241 f. Im Übrigen ist dabei zu beachten, dass der US-amerikanische Anleger angesichts des weitgehenden Fehlens sozialer Sicherungssysteme in viel größerem Maße auf den Kapitalmarkt angewiesen ist bzw. war als der deutsche, dem jedenfalls außerhalb des Kapitalmarktes alternative Investitionsmöglichkeiten und vor allem Vorsorgemodelle offenstehen; einen Überblick zur Entwicklung des US-amerikanischen und des deutschen Kapitalmarktes und auch zu den sozialpolitischen Hintergründen dieser Entwicklung gibt Kübler, SZW 1995, 223, 224.

218

folgreich daran gearbeitet, das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu stärken und die möglichst uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu garantieren. Aufgrund der völlig anderen Kapitalmarkttradition, aber auch aufgrund langjähriger erfolgreicher Bemühungen seitens des Gesetzgebers und dank der beinahe legendären Börsenaufsicht SEC, konnte das Vertrauen der Anleger hier über Jahrzehnte wachsen und reifen. Gegen die Tendenz, Corporate Governance-Probleme über die Mechanismen des Kapitalmarktes anstatt über strukturelle verbandsrechtliche Mechanismen zu lösen, werden ferner Bedenken erhoben im Hinblick auf § 118 Abs. 1 AktG und Art. 9 Abs. 1 GG. Eine zunehmende Zurückdrängung der Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer sei in letzter Konsequenz mit dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nicht vereinbar. Die aus § 118 AktG und Art. 9 GG fließenden Rechte forderten vielmehr eine Stärkung der Rolle des Aktionärs bei der aktiven Mitwirkung im Unternehmen und damit eine Stärkung der Hauptversamm1079 lung . Darüber hinaus sei bereits durch den Einfluss des Shareholder Value-Gedankens ein erheblicher Machtzuwachs auch der Streubesitzaktionäre innerhalb der verbandsrechtlichen Institutionen festzustellen. Hier sei anzuknüpfen und ein weiterer Ausbau der Aktionärsrechte erforderlich1080. Es ist generell zuzugeben, dass eine stärkere Rolle der Aktionäre durchaus wünschenswert ist. Die Mitgliederrechte bilden einen wichtigen Baustein bei der Überwachung des Managements, nicht zuletzt weil sie den Aktionären – gerade im Vergleich zu den anonym wirkenden und abstrakten Kräften des Marktes – konkrete Ansprüche 1081 und Möglichkeiten zur Durchsetzung derselben an die Hand geben . Andererseits darf die Forderung nach einer Stärkung der Mitgliedschaftsrechte nicht den Blick auf die heutige Realität des Kapitalmarktes verstellen. Die meisten Aktionäre in den großen Publikumsaktiengesellschaften betrachten sich selbst als Investoren auf dem Kapitalmarkt und nicht als wirtschaftliche Eigentümer eines Unternehmens, die Einfluss nehmen sollen auf unternehmerische Entscheidungen und die Führung des Unternehmens. Bei den großen börsennotierten Kapitalgesellschaften hat mit der zunehmenden Bedeutung der Kapitalmärkte auch in Deutschland eine Entwicklung vom Unternehmeraktionär zum Kapitalanleger stattgefunden, die als wirtschaftshistorische Tatsache zu akzeptieren ist. Dem vorrangig an seiner Rendite interessierten Kapitalanleger geht es konsequenterweise weniger um innergesellschaftliche Mitwirkungsrechte als um die Wahrung der Grundlagen seiner Investitionsentscheidung und die Reduzierung seiner Anlagerisiken1082. Dies geschieht nicht durch Überwachung der Firmenpolitik und gesellschaftsrechtliche Durchsetzung seiner Rechte, sondern durch Diversifikation seiner Investition und gegebenenfalls Verkauf seiner Anteile1083.

1079 1080 1081 1082

Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 777. Baetge, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 64 f. Ebke, JZ 1999, 399; Mestmäcker, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 68. Heiser, Interessenkonflikte in der Aktiengesellschaft, S. 39 u. 91 f., insbes. auch zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Interessen von Unternehmer- und Anlegeraktionären; zur Entwicklung vom Unternehmeraktionär zum Kapitalanleger ausführlich Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, insbes. S. 88. 1083 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 199 f.

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Die Forderung nach einer effizienteren Unternehmens(leiter)kontrolle durch Stärkung der Rolle der Aktionäre innerhalb der Institutionen der Kapitalgesellschaft übersieht ferner die faktischen Probleme der Gewährleistung einer aktiven Mitwirkung der Aktionäre ebenso, wie sie an deren tatsächlichen Interessen vorbeigeht. Der Kapitalanleger erwirbt seine Beteiligung gerade nicht, um sich aktiv zu beteiligen und Einfluss im Unternehmen 1084 auszuüben . Free-rider-Problem und Rational Ignorance seitens der Aktionäre ebenso wie deren mangelnde Fähigkeit zu koordiniertem Handeln einerseits und das vorrangige Interesse der Kapitalanleger an der Rendite ihres Investments müssen als Faktum hingenommen werden. Für den Kleinaktionär wird die aktive und kompetente Beteiligung und Mitbestimmung im Unternehmen aus oben genannten Gründen auch in Zukunft zu zeitund kostenintensiv sein. Die schon von Berle und Means festgestellte Problematik ausbleibender Beteiligung der (Minderheits-)Aktionäre ist nicht – oder nicht allein – mit einer Stärkung der Hauptversammlungskompetenzen oder einer sonstigen Stärkung der Mitgliedschafts-, insbesondere der Mitwirkungsrechte zu lösen. Ein solcher Ansatz muss daher als zu idealistisch erscheinen. Die Erfahrungen auf dem „erwachsenen“ Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten zeigen, dass gerade bei den großen Publikumsgesellschaften der Aktionär in seiner Eigenschaft als Investor gesehen werden muss und als solcher zu schützen ist1085. Die Rolle des wirtschaftlichen Eigentümers und Unternehmeraktionärs wird der Wirklichkeit eines aktiven Kapitalmarktes jedenfalls nicht in vollem Maße gerecht. Der aktienrechtliche Ansatz des Schutzes der Aktionäre durch Beteiligung an der Entscheidungsfindung in der Gesellschaft geht daher angesichts der Veränderung der Interessenlage vom Unternehmeraktionär zum Investor heute fehl1086. Es kommt hinzu, dass die „klassischen“ Aufsichts- und Kontrollinstitutionen ihre Aufgaben nicht in vollem Umfang erfüllt haben. Die Shareholder Value-Diskussion und die Aktivitäten der institutionellen Investoren unterstreichen, dass es in Deutschland insbesondere beim Aktionärsschutz Defizite gibt, zu deren Schließung der Kapitalmarkt als zusätzliches Kontrollinstrument beitragen kann1087. Angesichts dieser Schwächen des Gesellschaftsrechts halten manche den Markt als zusätzliches Regulativ sogar für dringend erforderlich1088.

1084 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 108. 1085 Vgl. auch Posner, demzufolge die Opportunitätskosten aktiver Beteiligung für die Aktionäre von prohibitiver Größenordnung sind. Folglich sei nicht eine partizipatorische Aktionärsdemokratie im Interesse der Aktionäre, sondern Instrumente, die es dem Management verleideten, in die eigene Tasche anstatt in diejenige der Aktionäre zu wirtschaften (Economic Analysis of Law, zit. nach Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 254 f.). 1086 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 204 ff., 230. 1087 Zu den Stärken und Schwächen des deutschen Corporate Governance-Systems vgl. Hopt, in: IDW Fachtagung 2000, S. 27; ausführlich aus US-amerikanischer Sicht: Andre, 73 Tul.L.Rev. 69 (1998). 1088 So Lutter, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 75.

220

b)

Kapitalmarkt als notwendiges zusätzliches Regulativ

Die Defizite des deutschen Corporate Governance-Systems sind heute gemeinhin aner1089 . Entsprechend wird dem Kapitalmarkt kannt und werden entsprechend adressiert selbst von den Befürwortern einer Unternehmens(leiter)kontrolle durch Ausbau der verbandsrechtlichen Institutionen auch durchaus ein beträchtliches Kontrollpotential zugestanden1090. Dieses gilt es als Ergänzung mitgliedschaftlicher Rechte auch voll auszuschöpfen1091. Die generell positive Wirkung des Kapitalmarktes als Instrument der Unternehmens(leiter)kontrolle wird daher wohl auch ernsthaft nicht mehr bestritten. Dem Kapitalmarkt und dem Kapitalmarktrecht kann insofern auch eine gesellschaftsrechtliche Funktion zugesprochen werden. Dort, wo es auf direkten Schutz des individuellen Anlegers zielt, entfaltet es aktienrechtliche Wirkungen, weil es Einfluss nimmt auf das Verhältnis von Anlegern/Aktionären und den handelnden Personen in der Aktiengesellschaft. Erkennt man den Kapitalmarkt im obigen Sinne als ein Mittel zur Kontrolle des Managements im Interesse der Aktionäre an, erfüllt auch die Funktionenschutzfunktion des Kapitalmarktrechts gesellschaftsrechtliche Zwecke, indem sie ein reibungsloses Funktionieren des Kapitalmarktes und damit seiner Kontrollfunktion zu gewährleisten sucht. Unternehmenskontrolle wird dann ausgeübt durch ein ineinandergreifendes Geflecht gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Regelungen ebenso wie durch den Kapitalmarkt an sich. c)

„Internationalisierung“ des Bilanzrechts und „Amerikanisierung“ des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts

Die Einführung von Zeitwertbilanzierung trägt darüber hinaus ihren Teil dazu bei, dass den Kontrollmechanismen des Marktes künftig eine stärkere Bedeutung zuzumessen sein wird. Wie bereits dargelegt, hat Zeitwertbilanzierung einen erheblichen Einfluss auf das herkömmliche gesellschaftsrechtliche Schutzsystem. Durch die Unterminierung dieses gesellschaftsrechtlichen Schutzsystems wird es geradezu erforderlich werden, den Kapitalmarkt zur Ergänzung heranzuziehen1092. Die „Internationalisierung“ des Bilanzrechts wird auf diese Weise eine „Amerikanisierung“ im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht nach sich ziehen. Denn wenn man, wie dies bei der Einführung von Zeitwertbilanzierung geschieht, an einer Stellschraube im rechtlichen Gefüge dreht, muss man an anderer Stelle gegebenenfalls nachbessern. Dies kann dadurch geschehen, dass der Kapitalmarkt, und dadurch mittelbar das seine Funktionsfähigkeit sichernde Kapitalmarktrecht, das Gesellschaftsrecht ergänzt, überlagert und möglicherweise entstandene Lücken füllt. Das Kapi-

1089 Vgl. Seibert, AG 2002, 417, insbes. 419. 1090 Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, S. 781. 1091 Ebke, JZ 1999, 399. Noch weiter geht Lutter, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 63: Der Markt wird für den erforderlichen Interessenausgleich in der Publikums-AG sorgen, die eigentliche Unternehmenskontrolle mithin nicht mehr intern gewährleistet, sondern vom Kapitalmarkt ausgehen; vermittelnd Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27; Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 399. 1092 So schon für die heutige Rechtslage Lutter, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 75.

221

talmarktrecht kann zwar nicht eo ipso den entfallenden gesellschaftsrechtlichen Schutz ersetzen, aber es kann die Funktionsfähigkeit des Marktes aufrechterhalten helfen, dessen Mechanismen an die Stelle des verlorengegangenen beziehungsweise wirkungslos gewordenen gesellschaftsrechtlichen Schutzes treten. Die Corporate Governance-Debatte kann in diesem Sinne nutzbar gemacht werden für die durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung erforderlich gewordene oder jedenfalls angestoßene Neuausrichtung des Gesellschaftsrechts. Umso mehr wird es erforderlich, sich das Ineinandergreifen von Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht bewusst zu machen und sich seiner im Interesse einer „guten Corporate Governance“ zu bedienen. Die Erkenntnis der Wirkungsweise der Marktmechanismen als Ergänzung verbands-, insbesondere aktienrechtlicher Institutionen kann so zu einer ganzheitlichen Sicht dieser Rechtsgebiete führen, deren gemeinsame 1093 Klammer der Kapitalmarkt ist . Die Gewichtung zwischen Kapitalmarktkontrolle und gesellschaftsrechtlicher Kontrolle ist daher auch unter diesem Aspekt neu zu überdenken1094. Heute muss daher mit der inzwischen wohl herrschenden Ansicht in der Literatur davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Aktiengesellschaft immer stärker auch anderen rechtlichen Steuerungselementen ausgesetzt wird, die neben die klassische Innensteuerung durch Organi1095 sations- und Unternehmensträgerrecht treten . Diese Tendenz wird durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung noch bestärkt und beschleunigt. 3.

Zusammenwirken von Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht

Das im deutschen Recht bislang wirkende engmaschige Netz aus Bilanz- und Gesellschaftsrecht wird nicht völlig zerstört, sondern bleibt erhalten. Neu ist der Schwerpunkt und die Ergänzung durch den Kapitalmarkt. Ein System moderner Corporate Governance baut daher ebenfalls auf einem solchen Netzwerk aus Bilanz-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht auf. Dabei bildet der Markt mit seinen Regelungsmechanismen die alle drei Rechtsgebiete verbindende Klammer. In einem solchen System dient Rechnungslegung nicht mehr vorrangig dem Gläubigerschutz durch Ausschüttungsbemessung, sondern in erster Linie dem Kapitalmarkt als Informationsinstrument. Damit liefert Rechnungslegung eine grundlegende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt. Dies wiederum macht es möglich, dass der Kapitalmarkt als Aufsichts- und Kontrollinstrument neben die originär gesellschaftsrechtlichen Instrumente treten kann. Information durch Rechnungslegung ist dabei zur Förderung eines effizienten Kapitalmarktes unerlässlich1096. Letzterer wird aber nicht nur von den internationalen Investoren gefordert, sondern ist ein wesentlicher Bei1093 Ähnlich Kübler, SZW 1995, S. 227. 1094 Generell: Funke, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Geleitwort, S. VII. 1095 Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 245; Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27; und bereits Großfeld/Ebke, AG 1977, 57. Spätestens seit dem KonTraG verfolgt wohl auch der Gesetzgeber diesen Ansatz, vgl. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 11. 1096 S.o. B. III. 3., S. 41 ff. u. B. IV., S. 53 ff.

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trag zum Standort Deutschland. Angesichts einer Liberalisierung, die über die Zeitwertbilanzierung zahlreicher Vermögensgegenstände das Bilanzrecht und in ihren Konsequenzen damit auch das Gesellschaftsrecht ergreift, wird ein effizienter Kapitalmarkt so 1097 zu einem wichtigen Baustein der Unternehmens(leiter)kontrolle .

II.

Betonung der Anlegerinteressen und Schutz anderer Interessengruppen

Ein massiver Kritikpunkt an der Förderung des Kapitalmarktes als Ergänzung gesellschaftsrechtlichen Individualschutzes ist die Konzentration dieses Konzepts auf Anleger und Investoren. Es besteht die Gefahr, dass moderne, kapitalmarktorientierte Corporate Governance – insbesondere unter dem Leitmotiv des Shareholder Value – eine einseitige Bevorzugung der Anlegerinteressen fördert, während andere Gruppen wie Gläubiger und Arbeitnehmer, die bislang den besonderen Schutz der Rechtsordnung genießen, vernachlässigt werden. Dabei sind zwei Aspekte zu untersuchen. Zunächst ist zu fragen, ob die Interessen von Anlegern und anderen Gruppen tatsächlich einander widersprechen oder ob sie nicht vielmehr zumindest teilweise parallel laufen. Ferner ist zu überprüfen, ob diese anderen Interessengruppen tatsächlich eines besonderen und wirksamen Schutzes verlustig gehen, oder ob ihren Interessen nicht auch in einem kapitalmarktorientierten System entsprochen werden kann. 1.

Gleichklang der Interessen von Anteilseignern und anderen Beteiligten

a)

Problemstellung

Um überhaupt einen gerechten Ausgleich der möglicherweise widerstreitenden Interessen aller am Unternehmen beteiligten Personengruppen erreichen zu können, müssen diese Interessen zunächst analysiert und auf ihre Gegensätzlichkeit hin untersucht werden. Während traditionell von der Gegensätzlichkeit und generellen Unvereinbarkeit der meisten dieser Interessen ausgegangen wurde, stellt sich dies im Lichte funktionstüchtiger Kapitalmärkte möglicherweise anders dar. Auf der einen Seite stehen traditionell die Interessen der Anteilseigner der Kapitalgesellschaft. Bei großen, börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften sind wiederum zum einen langfristig engagierte (Unternehmer-) Aktionäre und kurzfristige, spekulationsorientierte Anleger zu unterscheiden, zum anderen Aktionäre mit erheblichem Anteilbesitz und damit verbundener starker Anteil- und Einflussnahme im Unternehmen und kleine Streubesitzaktionäre, die nicht in der Lage sind, die Geschicke des Unternehmens zu beeinflussen und daran auch kein Interesse haben.

1097 So im Ergebnis auch Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 230, derzufolge ein verstärkter Anlegerschutz durch den Kapitalmarkt eine Deregulierung des Gesellschaftsrechts unter Abschaffung des gesetzlichen Mindestgarantiekapitals, vgl. S. 322, erlaubt.

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Auf der anderen Seite steht zunächst das Management, dem möglicherweise gegenläu1098 fige Interessen unterstellt werden müssen . Ebenfalls anders gerichtete Interessen können seitens der Gläubiger, Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmer bestehen. Während der Interessengegensatz Management/Aktionäre als Gegenstand der Unternehmenskontrolle bereits thematisiert wurde, interessieren an dieser Stelle insbesondere die Interessen der Gläubiger und der anderen Stakeholders im Verhältnis zu den Interessen der Anteilseigner und Investoren. Durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung müssen vor allem die Gläubiger erhebliche Einbußen in ihrer bisherigen, privilegiert geschützten Rechtsposition gegenüber den Anteilseignern hinnehmen. Diese Einbußen mögen einerseits rechtspolitisch gerechtfertigt sein 1099 ; andererseits ist die Schwere dieser Einbußen gemildert, wenn ihre Interessen denjenigen der Anteilseigner nahe kommen. Ob überhaupt und inwieweit Gläubiger und Anteilseigner eines Unternehmens gleichgerichtete Interessen haben können, ist umstritten. Während teilweise vertreten wird, dass die Interessen von Gläubigern einerseits und Anteilseignern und potentiellen (Eigenkapi1100 tal-) Investoren andererseits diametral entgegengesetzt seien , wird andernteils argumentiert, ihre Interessen seien weitgehend gleichgerichtet und dementsprechend mit vergleichbaren Mitteln zu bedienen und zu schützen1101. Die Interessen dieser Gruppen können wiederum nach ihrer Zielrichtung unterschieden werden. Alle Gruppen haben zunächst bestimmte finanzielle Interessen. Diese richten sich auf die Ausschüttungspolitik des Unternehmens. Über die Gewinnausschüttung hinaus bestehen möglicherweise verschiedene Interessen im Hinblick auf die Information seitens des Unternehmens und damit gegebenenfalls unterschiedliche Erwartungen an die Rechnungslegung. b)

Ausschüttungsinteressen

Die Gegensätzlichkeit der Interessen von Gläubigern und Anteilseignern wird zunächst begründet mit der Tatsache, dass das Interesse von Anteilseignern primär auf möglichst hohe Gewinnausschüttungen gerichtet sei, das der Gläubiger hingegen darauf, Gewinnausschüttungen so niedrig wie möglich zu halten, um im Unternehmen möglichst viel haftungsfähiges Vermögen zurückzubehalten1102. Im Einklang mit dem historischen Gesetzgeber wird insbesondere bei Kapitalgesellschaften die Gefahr betont, dass die Gesellschafter dem Unternehmen zu viel Kapital entziehen und in den haftungsfreien privaten Bereich verbringen könnten1103. Hierin schließlich kann ein fundamentaler Interessengegensatz zwischen Aktionären und Gläubigern begründet liegen.

1098 1099 1100 1101

Vgl. bereits ausführlich oben B. III. 1., S. 31 ff. S.o. D. III. 3. b), S. 213 ff. Beispielhaft Beisse, FS Beusch, S. 77, 78. Dies wird vom IASB und vom FASB im jeweiligen Conceptual Framework lapidar festgestellt und mithin als gesicherte Erkenntnis den Rechnungslegungsstandards zugrunde gelegt; vgl. IASB, Framework, Rz. 11. Für die US-amerikanische Sichtweise vgl. Beaver, Financial Reporting, S. 8. 1102 Vgl. statt aller: Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 16. 1103 Vgl. Moxter, FS Häuser, S. 257, 263.

224

An dieser Stelle kann weiter unterschieden werden zwischen langfristig im Unternehmen engagierten Aktionären und kurzfristigen Investoren, die ihre Anteile nur zu Spekulationszwecken halten. Langfristige (Unternehmer-)Aktionäre haben ein Interesse an möglichst hohen Dividenden auf lange Sicht. Daran ist ein erhebliches Interesse an der Substanzerhaltung des Unternehmens geknüpft, da andernfalls die Dividendenzahlungen in der Zukunft gefährdet sind. Investoren mit kurzfristigen, spekulativen Absichten ist hingegen generell weniger an der Substanzerhaltung gelegen als an der Optimierung ihres Investments. Das schließt ein Interesse an möglichst hohen Dividenden ohne Rücksicht auf andere Zwecke und Interessen im Zweifel ein. Das Interesse kurzfristiger Investoren an der Erhaltung der Unternehmenssubstanz ist letztlich abhängig von der voraussichtlichen Dauer ihres Engagements, aber auch – wie später noch zu zeigen sein wird – von der damit zusammenhängenden Entwicklung des Aktienkurses. In diesem Zusammenhang wird denn auch der Ansatz der Shareholder-Value-Orientierung im Gesellschaftsrecht verworfen, da dieser zwangsläufig zu Interessenkonflikten mit den anderen Stakeholders, insbesondere den Gläubigern, führen müsse, denn gerade Shareholder Value-Orientierung bedeute in erster Linie die Konzentration auf eine Maximierung der Dividendenzahlungen zu Lasten der verbleibenden haftenden Vermögensmas1104 se . Diese Argumentation greift heute allerdings zu kurz. Die Interessen von Anteilseignern und Gläubigern sind vielmehr weitgehend gleichlaufend. Schließlich haben beide Gruppen gemeinsam, dass sie dem Unternehmen ihr Kapital als Eigen- beziehungsweise Fremdkapital zur Verfügung stellen. Beide Gruppen erwarten daher auch nicht nur, ihr eingesetztes Kapital nicht zu verlieren, sondern auch eine angemessene Verzinsung als Kompensation für ihr Risiko. Je risikobehafteter es demnach ist, einem Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen, desto teurer wird es für dieses Unternehmen, Kapital aufzunehmen. Dies gilt gleichermaßen für Fremd- und Eigenkapital. Eine Ausschüttungspolitik, die diesen Zusammenhang aus den Augen verliert und einseitig die Interessen der Anleger mit überhöhten Dividenden bedient, erhöht nicht nur das Ausfallrisiko für die übrigen Kapitalgeber, sondern damit auch die Kapitalkosten für das Unternehmen. Eine die Interessen der Gläubiger nicht hinreichend berücksichtigende Ausschüttungs- und Geschäftspolitik ist somit langfristig auch nicht im Sinne der Aktionäre, denn dann versperrt sich das Unternehmen gegebenenfalls den Zugang zum Fremdkapitalmarkt mit der Folge von Liquiditäts- und eventuellen Rentabilitätseinbußen1105. Erschwerte Fremdkapitalaufnahme aber kann wiederum ein negatives Indiz für den Kapitalmarkt sein und den Aktienkurs entsprechend beeinflussen. Ein gesteigertes Risiko erhöht dementsprechend auch die Eigenkapitalkosten für das Unternehmen. Eine Erhöhung der Eigenkapitalkosten wiederum bedeutet sinkende Aktienkurse. Dem nur an kurzfristigen (Kurs-)Gewinnen und Dividendenauszahlungen interessierten Aktionär kann daran aber ebenfalls nicht gelegen sein. Weil Ausschüttungen, die das Unter1104 Vgl. Weiss/Heiden, BB 2000, 35, 35 u. 36 m.w.N. 1105 Weiss/Heiden, BB 2000, 37.

225

nehmen in seiner Substanz gefährden und nicht Ausdruck einer langfristigen und nachhaltigen Unternehmenspolitik sind, ein weiteres Risiko für alle im Unternehmen gebundenen Investoren darstellen, führen sie daher mittelbar zu einem Sinken der Aktienkurse. Sie wirken somit auch für den kurzfristigen Investor kontraproduktiv. Die parallel laufende Entwicklung der Kosten für Fremd- und Eigenkapital ist daher ein weiteres Indiz für den Interessengleichklang von Aktionären und Gläubigern. Eine Verbesserung des Schutzes sowohl von Aktionären als auch von Gläubigern im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Investoren ist daher geeignet, die Kapitalkosten zu senken und damit die Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens zu verbilligen. Nebenbei wird gleichzeitig ein erheblicher Beitrag zur 1106 Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes geleistet . Im Übrigen darf das tatsächliche Interesse an Dividendenzahlungen m.E. nicht überschätzt werden. Kursgewinne sind gerade für kurzfristige und spekulative Anleger mindestens ebenso wichtig wie Gewinnausschüttungen, die häufig nur eine vergleichsweise geringe Rendite pro Aktie einbringen. Die Unternehmensführung ist somit gezwungen, gerade auch bei der Ausschüttungspolitik die Interessen von Anteilseignern und Gläubigern gleichermaßen zu befriedigen1107. Das Argument des grundsätzlichen Interessengegensatzes zwischen Aktionären und Gläubigern aufgrund unterschiedlicher Erwartungen an die Höhe vorzunehmender Ausschüttungen läuft deshalb leer. c)

Informationsinteressen

An vergleichbare Interessen im Hinblick auf die Ausschüttungspolitik des Unternehmens knüpfen sich auch ähnliche Anforderungen an die durch die Rechnungslegung vermittelte Information. Die Anteilseigner erwarten, über Verwendung und Ertrag ihres Kapitals informiert zu werden. Gleiches gilt letztlich auch für die Gläubiger, die Informationen über die Sicherheit und die Ertragschancen ihrer Investition erwarten. Die Aktionäre sind die primären Träger des unternehmerischen Risikos. Sie erhalten für ihr Kapital lediglich eine residuale Verzinsung. Ihr Kapitaleinsatz wird abhängig vom Unternehmenserfolg entlohnt. Bei negativer Erfolgsentwicklung laufen sie als erste Gefahr, ihres eingesetzten Kapitals verlustig zu gehen. Bei positiver Entwicklung steigt jedoch ihr Anspruch auf Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals in Form angemessener Ausschüttungen. Sie benötigen daher Informationen sowohl über positive als auch über negative Entwicklungen des Unternehmens1108. Die Gläubiger erhalten hingegen eine feste Verzinsung für ihr eingesetztes Kapital und tragen folglich auch nicht das Risiko der Unternehmenstätigkeit ihres Schuldners. Lediglich im Falle negativer Erfolgsentwicklung besteht für sie die Gefahr, ihren Anspruch auf Zinszahlung und Rückzahlung ihres Kapitals zu verlieren. Ihr Informationsinteresse ist daher in erster Linie auf negative Entwicklungen der Ertragslage des

1106 La Porta u.a., 58 J.Fin.Econ. 3, 6 f., 15-17 (2000). 1107 Weiss/Heiden, BB 2000, 37. 1108 Burger/Buchhart, BB 2000, 2197, 2199.

226

Unternehmens gerichtet. Positive Entwicklungen sind für sie insofern gleichgültig, als 1109 sie an höheren Erträgen auch nicht teilnehmen . Dennoch stimmen die Informationsbedürfnisse der Gläubiger mit denjenigen der Aktionäre prinzipiell überein. Zwar erhalten die Gläubiger Zins- und Tilgungszahlungen und keine Ausschüttungen, die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen seine Zins- und Tilgungsverpflichtungen bedienen kann, entspricht aber den Ausschüttungserwartungen1110. Bei Verschlechterung der Ausschüttungserwartungen verschlechtern sich auch 1111 die Aussichten auf Zins- und Tilgungszahlungen und umgekehrt . Es handelt sich hier um ein argumentum a fortiori: wenn schon die Aktionäre mit ihrem lediglich residualen Anspruch noch eine „Zinszahlung“ auf ihr eingelegtes Kapital erwarten können, dann erst recht die Gläubiger, deren Zins- und Tilgungsansprüche denjenigen der Anteilseigner vorrangig und daher auch vorab zu befriedigen sind. Die Informationsbedürfnisse der Anteilseigner und Gläubiger sind daher trotz unterschiedlicher Schwerpunkte weitgehend gleichgerichtet. Ein Widerspruch zwischen ihren jeweiligen Interessen besteht entgegen der landläufigen Meinung jedenfalls nicht, vielmehr besteht Interessenparallelität hinsichtlich der Forderung nach einer zutreffenden Darstellung der wirtschaftlichen Lage des bilanzierenden Unternehmens1112. d)

Einflussnahme im Unternehmen

Es besteht somit ein genereller Gleichlauf der Interessen der beiden Gruppen im Hinblick auf Ausschüttungspolitik und Information, da beiden zunächst an einer optimalen Einschätzung des Risikos ihres finanziellen Engagements gelegen ist. Zusätzlich besteht für beide ein grundsätzliches Interesse an Einfluss im Unternehmen, um das eingegangene Risiko möglichst gering halten und eine vorsichtige und an einer vernünftigen Geschäftspolitik ausgerichtete Verwendung ihres zur Verfügung gestellten Kapitals gewährleisten zu können. Gläubiger und Anteilseigner haben daher nicht nur gleichlaufende Informationsinteressen, sondern auch einander weitgehend entsprechende Kontroll- und Überwachungsbedürfnisse, denen mit Information und Rechenschaftslegung entsprochen werden soll. Die Positionen von Anteilseignern und Gläubigern nähern sich auch rechtstatsächlich weiter an, wo die Position der Gläubiger durch sogenannte Financial Covenants gestärkt wird. Generell lässt sich sagen, dass diese einen umso stärkeren Einfluss der (Finanz-)Gläubiger auf das Unternehmen vorsehen, je höher das Risiko ist, mit dem deren finanzielles Engagement behaftet ist1113.

1109 1110 1111 1112 1113

Burger/Buchhart, BB 2000, 2197, 2199. Moxter, FS Häuser, S. 257, 264. Moxter, FS Häuser, S. 257, 264. Burger/Buchhart, BB 2000, 2197, 2199; Herzig/Mauritz, ZfB 1998, 335, 341. Vgl. Fleischer, ZIP 1998, 313, 315 f., der solche Finanzgläubiger als „Quasi-Gesellschafter“ bezeichnet. Zum Zusammenhang von Risiko des Investors einerseits und Einfluss bzw. Mitspracherecht im Unternehmen andererseits vgl. Pinto, Understanding Corporate Law, S. 67-71.

227

e)

Interessen der weiteren „Stakeholder“

Die Interessen von Aktionären und Gläubigern sind nicht die einzigen, die an dieser Stelle Beachtung verdienen. Vielmehr ist auch den verschiedenen anderen Stakeholdern gerecht zu werden. Neben Anteilseignern und Gläubigern werden vom Gesetzgeber verschiedene weitere Personen oder Personengruppen als schutzwürdige Adressaten von Rechnungslegung identifiziert. Als solche kommen insbesondere Arbeitnehmer und Marktpartner, also Lieferanten und Kunden, sowie die allgemeine Öffentlichkeit in Betracht. Jede dieser Gruppen richtet ihre spezifischen Interessen an den Jahresabschluss des Unterneh1114 mens . Für die Arbeitnehmer kommt es insbesondere darauf an, ob das Unternehmen seine Verpflichtungen ihnen gegenüber wird erfüllen können. Die Sicherheit der Arbeitsplätze ebenso wie die Sicherheit der Lohn- und Gehaltszahlungen hängen wiederum ganz wesentlich von der Bestandskraft des Unternehmens und seiner Ertragsentwicklung ab1115. Ihre Interessen können damit auch als Gläubigerinteressen klassifiziert werden. Über typische Gläubigerinteressen hinaus geht ihr Interesse allerdings insbesondere auch auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Marktpartner (Kunden und Lieferanten) sind zivilrechtlich eigentlich auch Gläubiger des Unternehmens, sollen hier aber in Abgrenzung zu den Finanzgläubigern, d.h. insbesondere den kreditgebenden Banken, gesondert betrachtet werden. Für sie gilt letztlich nichts anderes als für alle anderen Gläubiger auch. Sie sind an einer Erfüllung ihrer Ansprüche gegen das Unternehmen interessiert. Ihre (Informations-)Interessen richten sich daher ebenfalls auf die wirtschaftliche Prosperität des Schuldnerunternehmens und damit die Sicherheit ihrer Forderungen1116. Die Interessen der allgemeinen Öffentlichkeit sind auf verschiedenste Punkte gerichtet. Hier geht es zunächst um den Beitrag eines Unternehmens zur Sicherung der Wirtschaftskraft einer Region und zum Steueraufkommen und um die Sicherung von Arbeitsplätzen, darüber hinaus aber auch um Um1117 weltschutz und andere öffentliche Belange . Informationen über die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, seine Bestands- und Ertragskraft, können folglich zwar nicht alle Bedürfnisse befriedigen, sind aber von erheblichem Interesse. 2.

Shareholder Value als Bindeglied aller Interessengruppen in der Publikumsaktiengesellschaft

Den Diskussionsbeiträgen, die sich vornehmlich an Markt und Shareholder Value ausrichten, wird in Europa, vor allem in Deutschland, vorgeworfen, sie verfolgten einen neoliberalen Manchester- oder gar „Vulgär-Liberalismus“1118 der „sozialen Kälte“, in dem vorwiegend kurzfristige, auf ein Hochtreiben des Aktienkurses gerichtete Unter-

1114 1115 1116 1117 1118

228

Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 13 f. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 15. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 15. Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 15. Zit. nach Schilling, BB 1997, 373, 374.

nehmensstrategie reüssieren und vor den Blicken räuberischer Kapitalanleger und Spekulanten bestehen könne. Einen solchen kurzfristigen, einseitig auf die Gewinninteressen der Aktionäre ausgerichteten Ansatz wollte Rappaport mit seinem Shareholder Value-Konzept jedoch gerade nicht verfolgen; er zielt vielmehr auf eine langfristige Er1119 trags- und Wertsteigerung des Unternehmens . Kritiker weisen ferner darauf hin, dass noch nicht einmal davon ausgegangen werden kann, dass die Interessen aller Aktionäre gleichgerichtet sind, ganz zu schweigen von den anderen Stakeholder. Die Principal/Agent-Perspektive führe zu einer unzulässigen Verengung des Problems und Vernachlässigung der Interessen anderer beteiligter Gruppen1120. Die Urteile über die Effizienz einer Unternehmensleitung fallen dann aber allein schon deswegen, trotz Gleichverteilung des Wissens, auseinander. Diese Unterschiede in der Beurteilung des Managements verstärken sich noch bei asymmetrischer Informationsverteilung1121. Bei einer Ausrichtung am Konzept des Shareholder Value wird diese Aussage allerdings in Frage gestellt. Die Theorie des Marktes für Unternehmenskontrolle fördert aber gerade den Shareholder Value-Gedanken. Um der Gefahr einer Übernahme zu entgehen, ist die Unternehmensleitung immer gehalten, das Unternehmen wirtschaftlich zu führen und den Aktienkurs im Auge zu behalten. Wirtschaftliche Prosperität aber widerspricht nicht den Interessen der Stakeholders, sie sichert vielmehr Arbeitsplätze und garantiert, dass das Unternehmen in der Lage bleibt, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Da bei sinkenden Kursen und drohender Übernahme lediglich den Aktionären wenigstens eine Prämie winkt, die den übrigen Stakeholders versagt bleibt, sind deren Interessen mindestens im selben Maße an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gebunden wie die der Anteilseigner. Gerade im Hinblick auf den Wettbewerb um Kapital muss der Shareholder Value dem Stakeholder Value zwar vorgehen, denn das Unternehmen gehört letztlich den Gesellschaftern, nicht den Managern, Arbeitnehmern oder Kunden1122. Eine solche Bevorzugung der Anlegerinteressen muss aber gerade nicht bedeuten, dass die Interessen der übrigen Beteiligten vernachlässigt werden. Die Steigerung des Shareholder Value bedeutet, wie soeben dargelegt, vielmehr eine Steigerung des Unternehmenswertes im Interesse auch der Gläubiger, Arbeitnehmer und anderen Vertragspartner, da dadurch gewährleistet wird, dass das Unternehmen seine Verpflichtungen wird erfüllen können. Ein Sinken des Shareholder Value ist hingegen trotz ihrer bevorzugten Befriedigungsrechte gleichbedeutend mit einer Gefährdung der Ansprüche der übrigen Stakeholders. Der Shareholder Value-Gedanke wirkt daher wie eine Klammer, welche die Interessen aller Beteiligten zusammenhält und ihnen eine gemeinsame Richtung gibt1123. In der Idee des Shareholder Value wird die Interessenidentität insbesondere von Anteilseignern und Gläubigern besonders deutlich. Die Maximierung des Shareholder Value ist über die Anteilseigner hin1119 1120 1121 1122 1123

Schilling, BB 1997, 373, 374 m.w.N. Assmann, in: Großkomm.AktG, Einl. Rn. 290. D. Schneider, in: Gröner (Hrsg.), S. 39, 47. Baetge, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 65. Vgl. Schilling, BB 1997, 373, 374 m.w.N.

229

aus im Interesse aller am Unternehmen beteiligten Gruppen, insbesondere wenn sie durch Stock Option und Pension Plans am Erfolg des Unternehmens und an der Steigerung des Shareholder Value profitieren können. So profitieren alle entweder direkt als Anteilseigner oder indirekt als künftige Pensionsempfänger von der Maximierung des Shareholder 1124 Value . Aber auch über die direkt oder indirekt an der Steigerung des Shareholder Value Beteiligten hinaus dient dieses Konzept zugleich den Interessen anderer, insbesondere den Fremdkapitalgebern (Bondholder). Nicht nur die klassischen Instrumente einer Shareholder Value-orientierten Unternehmenspolitik wie Information und Transparenz 1125 kommen ihnen ebenfalls zugute, auch die Zielsetzung ist ähnlich . Insgesamt lässt sich das Interesse der Anteilseigner als gemeinsamer Nenner aller Gruppen herauskristallisieren. Sie haben ein besonderes, vielleicht das stärkste Interesse an der wirtschaftlichen Stabilität und Ertragskraft des Unternehmens. Ein solches Interesse ist aber, wenngleich in abgestufter Intensität, letztlich allen Beteiligten und Interessenten zu eigen. Die Kontrolle und Überwachung insbesondere durch Information derjenigen Gruppe, die auch das größte Risiko, das „residual risk“, trägt, garantiert daher eine effiziente Überwachung und Kontrolle auch im Interesse der anderen beteiligten Interessengruppen, deren Risiko geringer ist. Denn damit sind auch ihre Informations- und Kontrollund Überwachungsbedürfnisse wesentlich geringer als die der Anteilseigner. Der Ansatz der US-GAAP und der IFRS, die Interessengruppe der Aktionäre zum Maßstab aller Dinge im Bereich der Rechnungslegung zu machen, ist mithin überzeugend. Dementsprechend geht die US-amerikanische Rechnungslegungstheorie und Gesellschaftsrechtslehre auch grundsätzlich von der Figur des Kapitalgebers aus. Hier wird differenziert nach dem jeweils eingegangenen Risiko und der dafür versprochenen Kompensation durch Zins- oder Dividendenzahlung einerseits und gewährten Einfluss auf das Unternehmen andererseits. Der Aktionär als Träger des Residualrisikos („residual risk“) hat demnach mit seiner gewinnabhängigen Risikokompensation aufgrund des höchsten Risikos auch die höchsten Gewinnchancen und den meisten Einfluss im Unternehmen. Kreditgeber hingegen tragen kein Residual Risk, da sie vorrangig zu befriedigen sind. Sie erhalten dafür einen festen Zinssatz als (gegebenenfalls geringere) Kompensation ihres (geringeren) Risikos. Ihrem geringeren Risiko entspricht auch ein verhältnismäßig geringer Einfluss im Unternehmen1126. Ihre Interessen sind jedoch grundsätzlich gleichgerichtet. Schließlich geht es für beide Gruppen gleichermaßen um Risikominimierung (durch Einfluss auf das Unternehmen und seine Strategie) und Risikokompensation (in Form von Zins- oder Dividendenzahlungen). Beides ist sowohl für Aktionäre als auch für Gläubiger nur gewährleistet bei anhaltender wirtschaftlicher Prosperität des Unternehmens.

1124 Hertig, FS Buxbaum, S. 265, 266. 1125 Weiss/Heiden, BB 2000, 35, 37-39; ähnlich Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 39, 62. 1126 Zu diesen Zusammenhängen s.o. E. II. 1. d), S. 227; insbes. Pinto, Understanding Corporate Law, S. 67-71.

230

III.

Schutzrichtung der Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt

1.

Eigenkapitalmärkte und Anlegerschutz

Die Schutzmechanismen der Kapitalmärkte dienen primär dem Schutz der Aktionäre. In dieser Funktion leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Überbrückung der „separation of ownership and control“ und der damit verbundenen Überwachungs- und Kontroll1127 . Der gesellschaftsrechtliche Minderheitenschutz gehört defizite im Unternehmen auch zu den Kernaufgaben des Gesellschaftsrechts in Deutschland. Die Kapitalmärkte leisten dazu einen wesentlichen Beitrag1128. Der Schutz der Minderheitsgesellschafter trägt nebenbei auch zur Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bei, indem er den Anlegern das Vertrauen vermittelt, ihrer Rechte nicht durch die Hauptversammlungsmehrheit oder gar nur durch Großaktionäre mit bestimmendem Einfluss beraubt zu werden. Vergleich und Analyse der Interessen der verschiedenen Beteiligten in einer Publikumsaktiengesellschaft haben bereits zu Tage gefördert, dass ein grundsätzlicher Interessengegensatz nicht besteht, dass die Interessen der Anteilseigner als Träger des Residualrisikos sich vielmehr als kleinster gemeinsamer Nenner identifizieren lassen. Lediglich die Managementinteressen sind erst unter erheblichen Anstrengungen durch vertragliche Anreizsysteme und ähnliches in dieses Schema mit einzubeziehen. Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt dient auf diese Weise sowohl den Interessen der gegenwärtigen und potentiellen Aktionäre als auch denjenigen der gegenwärtigen und potentiellen Gläubiger. Niedrige Aktienkurse sind auch für Fremdkapitalgeber ein Indiz für die Risikoeinschätzung1129. Der Schutz der Gläubiger erfolgt daher einerseits mittelbar über den Aktionärsschutz und die Indizwirkung des Aktienkurses, gleichzeitig aber auch unmittelbar über die Mechanismen des Marktes für Fremdkapital. Die Abhängigkeit eines Unternehmens vom Kapitalmarkt bei Beschränkung der Selbstfinanzierungsfähigkeit dient Gläubigern wie Anteilseignern, denn in jedem Fall muss das Unternehmen die Profitabilität seiner geplanten Investition dem Urteil des Kapitalmarktes aussetzen1130. 2.

Der Markt für Fremdkapital als gleichwertiges Instrument der Unternehmens(leiter)kontrolle

Der weltweite Einbruch der Aktienmärkte in der zweiten Jahreshälfte 2000 und im Verlauf der Jahre 2001 und 2002 bewirkte einen Rückschlag für die Entwicklung der vergleichsweise unreifen Kapitalmärkte in Deutschland und Kontinentaleuropa. Die internationalen Kapitalmärkte haben einen erheblichen Vertrauensverlust in weiten Kreisen der Anleger hinnehmen müssen. Der Verlust des Vertrauens in die Anlageform Aktie

1127 1128 1129 1130

S.o. B. III., S. 31 ff. Näher Köndgen, in: Ott/Schäfer, S. 128, 153. Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft, S. 110 f. Ridder-Aab, Die moderne Aktiengesellschaft, S. 110 f.

231

führte zu einer verstärkten Hinwendung zu alternativen Anlage- und Finanzierungsformen. Fremd- statt Eigenkapital gewinnt wieder an Bedeutung, Anleihen stoßen wieder 1131 auf gesteigertes Interesse . Mit dem Einbruch der Kurse an den internationalen Kapitalmärkten ist nicht nur die Euphorie der Marktteilnehmer verflogen, sondern auch das Vertrauen in die regulativen Kräfte des Marktes. Mit den Zweifeln an der Funktionsfähigkeit und Effizienz der Kapitalmärkte gehen Zweifel an deren Eignung zur Unternehmens(leiter)kontrolle einher. Die in den neunziger Jahren vorherrschende Sicht des Anlegers als Shareholder und die entsprechende Deutung seiner Interessen wird in Frage gestellt; ebenso die daraus abgeleiteten Folgerungen für die Corporate Governance. Solche Schlüsse sind allerdings nicht zwingend. Das bisherige Theoriegebäude für die Corporate Governance muss nicht in Zweifel gezogen werden. Insbesondere brauchen die bisherigen Überlegungen zur Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt dadurch in keiner Weise in Frage gestellt zu werden. a)

Annäherung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung

Durch die Entwicklung immer neuer Finanzierungsinstrumente verwischen die Grenzen zwischen Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung zusehends. Dies führt dazu, dass sich Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumente in ihrer Ausgestaltung immer mehr annähern. Insbesondere die im Rahmen von Kreditverträgen eingeräumten Mitsprache- und Kontrollrechte belegen dies. Die aus den USA stammenden und sich auch in der deutschen Praxis durchsetzenden Financial Covenants zeigen nicht zuletzt, dass die dem Kreditgeber teilweise eingeräumten Rechte denjenigen des Eigenkapitalgebers durchaus vergleichbar sind1132. Daraus folgt eine zunehmende Interessenkonvergenz der Anleger, die sich nicht nur in einer Auflösung des klassischen Interessengegensatzes zwischen Gläubigern und Aktionären bemerkbar macht, sondern auch in einer Parallelität der ihrem jeweiligen Schutz dienenden vertraglichen und gesellschaftsrechtlichen Regeln und Marktmechanismen. Die Märkte für Fremd- und Eigenkapitaltitel nähern sich einander an, ebenso wie die Position von Eigen- und Fremdkapitalgebern im Unternehmen. b)

Rating und Indizwirkung der Fremdfinanzierungsfähigkeit

Eine entscheidende Rolle kommt in diesem Zusammenhang ferner dem sogenannten Rating zu. Unter Rating versteht man die Beurteilung der Bonität eines Unternehmens

1131 Vgl. zum Ganzen z.B. FAZ – Finanzmarkt vom 5.4.2001, S. 33; FAZ – Wirtschaft vom 7.5.2001, S. 15: „Der neue Charme des Fremdkapitals“. 1132 Solche Rechte sind insbes. Einsichts-, Mitsprache- und Kontrollrechte, vgl. Alberth, WPg 1997, 744; ders., ZfB 1998, 803; Fleischer, ZIP 1998, 313. Eine zu weitgehende Angleichung der Stellung des Fremdkapitalgebers an diejenige eines Gesellschafters kann allerdings konsequenterweise sowohl in Deutschland als auch in den USA zu dessen Haftung als „gesellschaftergleicher Dritter“ führen, sofern der Kreditgeber durch die Covenants in die Lage versetzt wird, Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen zu nehmen, vgl. Fleischer, ZIP 1998, 313, 316-319.

232

1133

durch spezielle Institutionen – sogenannte Rating-Agenturen – oder Banken . Dabei geht es im Kern um eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Unternehmen künftig seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern fristgerecht und vollständig erfüllen kann und wird. Ergebnis des Ratings ist ein standardisiertes, objektives, aktuelles und skaliertes Urteil über Bonität und wirtschaftliche Lage des Unternehmens, das in einer Kennzahl, dem sogenannten Ratingsymbol, zusammengefasst wird1134. Anders als die klassische Kreditwürdigkeitsprüfung beschränkt sich das Rating nicht auf eine Analyse der Daten zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, sondern fordert eine umfassende Bewertung aller Faktoren, die das Risiko des Unternehmens beeinflussen1135. Neben den „hard facts“ insbesondere des Jahresabschlusses werden auch besonders sogenannte „soft facts“, Faktoren wie Innovationsfähigkeit oder Qualität des Managements, strategische Position des Unternehmens, Produktsortiment und -qualität, Produktion oder Vertrieb berücksichtigt1136. Dadurch wird ein wesentli1137 cher Beitrag zur Transparenz im Interesse der Gläubiger geleistet Das Ergebnis des Ratings entscheidet letztlich über die Fähigkeit eines Unternehmens, sich zu finanzieren und Kapital aufzunehmen in demselben Maße wie dessen Aktienkurs. Was der Kapitalmarkt – und dort insbesondere die Analysten – für den Eigenkapitalbereich ist, sind die Rating-Agenturen für den Fremdkapitalbereich. Ein schlechtes Rating bedeutet für den Emittenten, dass er höhere Kapitalkosten aufbringen muss, da er eine Risikoprämie in Form einer höheren Rendite für das im Rating ausgedrückte Bonitätsrisiko zahlen muss1138. Eine schlechte Benotung im Rahmen des Ratings entspricht damit einem niedrigen Börsenkurs und erhöht folglich die Kapitalkosten und umgekehrt. Den Anforderungen der internationalen Rating-Agenturen und denen der Finanzanalysten ist daher gleichermaßen zu genügen1139. Damit können die Rating-Agenturen einen nicht unerheblichen Beitrag zur Corporate Governance leisten. Mit ihrem Rating liefern sie nicht nur eine Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens zur vollständigen und termingerechten Tilgung und Verzinsung seiner Schulden, sondern fällen gleichzeitig auch ein Urteil über Leistung und Leistungsfähigkeit der Unternehmensleitung. Es kommt somit zu vergleichbaren Kontrollmechanismen. Über das Medium Rating-Agenturen wird die Fähigkeit, Fremdkapital aufzunehmen, ebenso zum Gradmesser erfolgreichen Managements wie auf dem Eigenkapitalmarkt der Börsenkurs. Beide beeinflussen sich wiederum wech-

1133 Vgl. zum Ganzen Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 190 ff.; Semler, in: Picot (Hrsg.), S. 29, 64 m.w.N.; FAZ – Wirtschaft vom 19.4.2001, S. 17; ausführlich FAZ – Wirtschaft: Management im Überblick vom 7.5.2001, S. 28. 1134 Vgl. dazu ausführlich Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 402 m.w.N. 1135 Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 402 m.w.N. 1136 FAZ – Wirtschaft: Management im Überblick vom 7.5.2001, S. 28; Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 402 m.w.N. Bei Unternehmensratings gehen die „hard facts“ mit ca. 60-70%, die „soft facts“ mit ca. 30-40% in das Ratingurteil ein, wobei der Trend in Richtung einer noch stärkeren Berücksichtigung qualitativer Aspekte zu gehen scheint, Wambach/Kirchmer, BB 2002, 400, 402 m.w.N. 1137 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 115, 191. 1138 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 192. 1139 Ebke, in: Schweizerischer Juristenverein (Hrsg.), Referate 2000, Heft 1, S. 43, 57.

233

selseitig. Die im Rating ausgedrückte Fähigkeit zur Aufnahme von Fremdkapital bleibt 1140 nicht ohne Auswirkungen auf den Aktienkurs . Man kann daher mit gutem Grund von einer Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt im besten und umfassenden Sinne des Wortes sprechen. Unternehmens(leiter)kontrolle wird nicht allein durch den Aktienmarkt als Markt für Eigenkapital ausgeübt, sondern ebenso durch den Markt für Fremdkapital. Um beim Rating ein zutreffendes Bewertungsergebnis zu erhalten, ist Information und Transparenz unerlässlich. Beides ist für die Gläubiger ebenso unverzichtbar wie für die Anteilseigner. Der „Bondholder Value“ tritt gleichberechtigt neben den „Shareholder Value“1141.

IV.

Festsetzung angemessener Ausschüttungsbeträge

Das Beispiel der USA zeigt außerdem, dass der Kapitalmarkt geeignet ist, eine angemessene Höhe der Ausschüttungsbeträge zu garantieren. Die Trennung von Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung bewirkt eine erhöhte Flexibilität bei der Festlegung der auszuschüttenden Dividende, die nicht mehr schematisch anhand des Bilanzgewinns ermittelt wird. Die betriebswirtschaftliche Angemessenheit muss freilich dem Urteil des Kapitalmarktes standhalten. Eine zu niedrige Dividende wird daher als Belastung der Anleger ebenso sanktioniert wie eine zu hohe Dividende, die das Unternehmen betriebswirtschaftlich nicht verkraften kann und die daher langfristig ebenfalls den Aktionären wie den Gläubigern zum Schaden gereichen wird. Die Überforderung des Unternehmens durch zu hohe Ausschüttungen mag im Hinblick auf den Aktienkurs kurzfristig erfolgreich sein, langfristig jedoch honoriert der Kapitalmarkt nur eine Ausschüttungspolitik, welche die Interessen des Unternehmens sichert und dessen Fortbestand nicht zugunsten kurzfristiger Erfolge auf dem Kapitalmarkt gefährdet. Die Wirkungsweise dieser Marktmechanismen ist im Rahmen empirischer Untersuchungen über das Ausschüttungsverhalten deutscher und amerikanischer Unternehmen aufgezeigt und belegt worden1142. Daher gehen die Interessen im Hinblick auf die Ausschüttungspolitik des Unternehmens auch gar nicht so weit auseinander, wie häufig unterstellt wird. Die oben bereits geschilderten Zusammenhänge zwischen Ausschüttungspolitik, Risiko, Kapitalkosten und Aktienkurs machen deutlich, dass auch ohne zwingende Orientierung an einem unter Beachtung der Erhaltung des Nominalkapitals ermittelten Bilanzgewinn durch das freie Spiel der Marktkräfte eine Ausschüttungshöhe ermittelt werden kann, die den Schutzinteressen aller Beteiligten entspricht.

1140 Semler, in: Picot (Hrsg.), S. 29, 64 m.w.N. 1141 FAZ – Wirtschaft vom 7.5.2001, S. 15; vgl. auch Weiss/Heiden, BB 2000, 35. 1142 Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 136 f.

234

V.

Zwischenergebnis

Ein Corporate Governance-System, das sich den Erfordernissen der Kapitalmärkte öffnet und sich gleichzeitig ihrer bedient, ist durchaus in der Lage, die Funktionen wahrzunehmen, die das herkömmliche Gefüge aus Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht im heutigen Recht wahrnimmt, wenn auch mit anderen Mitteln. Gerade die Mechanismen einer Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt können das bisherige System ersetzen, wo die Einführung von Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss Veränderungen erzwingt und hergebrachte Rechtsinstitute beseitigt, und ergänzen, wo dies von den Kapitalmarktteilnehmern erwartet wird, und wo die traditionellen gesellschaftsrechtlichen Institutionen nicht in der Lage sind, den erwünschten Ausgleich aller Inte1143 ressen in befriedigendem Maße herbeizuführen . Die Erfüllung der zentralen Aufgaben Aktionärs- beziehungsweise Anleger- und Gläubigerschutz bleibt weiterhin gewährleistet. Darüber hinaus gelingt es auf diese Weise, dem Problem der Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt in der deutschen Publikumsaktiengesellschaft wirksam und mit international anerkannten Methoden zu begegnen. Eine Akzentverlagerung in Richtung des Anlegerschutzes führt andererseits zu keinen nennenswerten Einbußen für das Schutzniveau der Gläubiger, da die Schutzrichtung der kapitalmarktorientierten Unternehmenskontrolle auch auf diese zielt. Gleichzeitig gelingt auch weiterhin die Festsetzung von Ausschüttungen, die mit den Zielen des Anleger- und Gläubigerschutzes konform gehen. Der Kapitalmarkt kann somit unter bestimmten Voraussetzungen einen wichtigen Beitrag zur Unternehmens(leiter)kontrolle leisten und damit das gesellschaftsrechtliche Kontroll- und Überwachungssystem ergänzen. Damit trägt er zu einem System „guter Corporate Governance“ bei.

1143 So im Ergebnis auch Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 230, 322; kritisch Haußer, Die Bewertung von Wertpapieren des Umlaufvermögens nach HGB, US GAAP und IAS, S. 365 ff., 370, angesichts der in Deutschland noch wenig entwickelten Kapitalmarktaufsicht.

235

F.

Zeitwertbilanzierung als Beitrag zu einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung

Die Einführung von Zeitwertbilanzierung macht die Ergänzung des Aktienrechts durch die Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes aufgrund ihrer Auswirkungen auf das herkömmliche bilanz- und gesellschaftsrechtliche Schutzsystem nicht nur erforderlich. Aufgrund der bereits dargestellten Zusammenhänge zwischen Unternehmens(leiter)kontrolle und Rechnungslegung kann sie dies im Zweifel auch erheblich fördern. Es ist daher zu untersuchen, inwieweit Zeitwertbilanzierung einen Beitrag zu kapitalmarktorientierter Rechnungslegung leisten kann und damit gegebenenfalls selbst zu einem Element „guter Corporate Governance“ wird. Auf diese Weise könnte sie nicht nur zu einer Öffnung des deutschen Bilanzrechts, sondern auch des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts für die Bedürfnisse der internationalen Kapitalmärkte beitragen. Die zentralen Aspekte der Diskussion über eine moderne, kapitalmarktorientierte Rechnungslegung und die Einführung von Zeitwertbilanzierung sind die Bilanzierung innovativer, insbesondere derivativer Finanzinstrumente und die Lieferung von für die Kapitalmarktteilnehmer ent1144 scheidungsrelevanter Information durch Rechnungslegung . Insbesondere letzteres ist eine der wesentlichen Forderungen der Kapitalmärkte an die Rechnungslegung. Die Frage, ob Zeitwertbilanzierung tatsächlich zur Verbesserung der Informationsleistung des Jahresabschlusses beiträgt, ist daher ausschlaggebend für deren Beitrag zu einer effizienten Unternehmenskontrolle durch den Kapitalmarkt und damit zu einem System moderner Corporate Governance.

I.

Verbesserung und Erleichterung der Abbildung von Finanzinstrumenten im Jahresabschluss

1.

Die Corporate Governance-Relevanz von Finanzinstrumenten

Ein erster wichtiger Aspekt bei der Bewertung der Rolle von Zeitwertbilanzierung für eine gute Corporate Governance ist die Bedeutung der Finanzinstrumente, insbesondere der Derivate. Weil Derivatgeschäfte in erheblichem Maße an die Interessen insbesondere von Anteilseignern und Gläubigern des Unternehmens rühren können1145, hat der zunehmende Einsatz derivativer Finanzinstrumente in den Unternehmen auch erhebliche Bedeutung für Unternehmenssteuerung und -kontrolle1146. Derivatgeschäfte sind aus zwei Gründen von erheblicher Bedeutung für die Corporate Governance-Diskussion. Erstens aufgrund

1144 Vgl. Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 714. 1145 Der Zusammenbruch der Barings Bank ist hierfür lediglich ein prominentes und spektakuläres Beispiel. 1146 Dazu ausführlich von Randow, ZGR 1996, 594; ders., Derivate und Corporate Governance; KPMG (Hrsg.), Financial Instruments, S. 33.

237

der erheblichen Risiken, die mit ihrem Einsatz im Unternehmen verbunden sind: hier geht es vor allem um Fragen der Aussagekraft des Jahresabschlusses und eine ausreichende In1147 formation der Jahresabschlussadressaten . Rechnungslegung muss es daher den Anlegern ermöglichen, sich einerseits über die Risikoexposition des Unternehmens aufzuklären und andererseits die Qualität des Risikomanagements der Unternehmensleitung zu beurteilen. Der zweite Grund für die erhebliche Corporate Governance-Relevanz von Finanzinstrumenten ist ihre Bedeutung für die Finanzierung von Investitionsvorhaben, insbesondere die Finanzierung von Fusionen, Übernahmen und anderen Kapitalmarkttransaktionen1148. Finanzinstrumente tragen dadurch zur Belebung des Kapitalmarktes bei. Sie ermöglichen teilweise erst bedeutende Finanztransaktionen, fördern solche aber jedenfalls erheblich. Sie leisten dadurch einen wichtigen Beitrag nicht nur für einen lebendigen Kapitalmarkt, sondern ganz besonders auch für den Markt für Unternehmenskontrolle, der ohne innovative Finanzinstrumente wesentlicher Hilfsmittel beraubt wäre und kaum zu wirklichem Leben kommen könnte. 2.

Risikoeinschätzung und Beurteilung des Umgangs mit Derivaten durch die Unternehmensführung

Derivate erleichtern Spekulationsgeschäfte in erheblichem Ausmaß. Bei unsachgemäßem Einsatz können Risiken entstehen, die sogar den Bestand des Unternehmens zu gefährden vermögen1149. Während früher das Eingehen erheblicher Risikopositionen abhängig war von Eigenkapitalausstattung und Kreditfähigkeit, besteht heute die Möglichkeit, Risikogeschäfte isoliert und ohne oder unter verhältnismäßig geringem Kapitaleinsatz einzugehen 1150 . Wenngleich dies keine spezifische Besonderheit von Derivaten darstellen 1151 mag , ist die Zugangsschwelle zu mit erheblichem Risiko behafteten Geschäften damit deutlich gesenkt worden. Seitens der Kapitalgeber entsteht damit ein dringendes Bedürfnis nach wirksamer Kontrolle und Überwachung der Unternehmensleitung und deren Umgang mit dem ihr zur Verfügung gestellten Kapital. Neben der Gewinnerzielung durch Spekulation und Arbitrage können derivative Finanzinstrumente aber auch der Absicherung von Wertschwankungen und anderen Risiken dienen. Gewinnerzielung mit Derivatgeschäften durch Spekulation und Arbitrage kann durchaus im Interesse der Gläubiger und Anteilseigner als Kapitalgeber liegen. Während diese Form der Verwendung von Derivaten aufgrund der eingegangenen Risiken den Interessen der Kapitalgeber zuwiderlaufen kann, ist deren Einsatz im Rahmen von Sicherungsgeschäften grundsätzlich wünschenswert. Das Risiko und der Zweck von Derivatgeschäften sind aber nur sehr schwer zu erkennen. „Der Blick auf die Transaktion sagt

1147 1148 1149 1150 1151

238

Vgl. bereits oben C. III. 1. c), S. 74 ff. Z.B. MBO oder LBO; vgl. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27 m.w.N. KPMG (Hrsg.), Financial Instruments, Rn. 24. Von Randow, ZGR 1996, 594, 596; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 39 ff. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 42.

1152

nichts über ihre Funktion. Der Blick auf den Ertrag verrät nichts über ihren Erfolg“ . Es ist für den Außenstehenden kaum nachvollziehbar, ob eine Transaktion lediglich als Sicherungsgeschäft erfolgte (Hedging) oder aber mit Gewinnerzielungsabsicht (Spekulation), und der Erfolg einer Transaktion hängt ab von ihrer Zweckbestimmung. Einem erhöhten Kontrollbedürfnis steht damit eine Erschwerung der Kontrolle der Unternehmensleitung hinsichtlich ihrer Derivatgeschäfte gegenüber. Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Derivaten im Unternehmen, Gewinnerzielung und Absicherung, bringen wiederum jeweils spezifische Fehler- und Miss1153 brauchsmöglichkeiten mit sich . Werden Derivatgeschäfte zur Gewinnerzielung eingegangen, besteht die Gefahr der Überschätzung des eigenen Informationsvorsprungs durch das Management. Es „verspekuliert“ sich und erzielt gegebenenfalls hohe Verluste. Für die Fremdkapitalgeber des Unternehmens, die Gläubiger im weitesten Sinne, wird das Risiko noch gesteigert durch das sogenannte „gambling for resurrection“, dem Tätigen extrem riskanter Derivatgeschäfte in Zeiten der Unternehmenskrise. Da das Unternehmen und seine Anteilseigner in einer solchen Situation in der Regel nichts mehr zu verlieren haben, erhöht sich die Bereitschaft, letztlich zu Lasten der Gläubiger erheblich risikobehaftete Transaktionen einzugehen. Erfolge aus dem Einsatz von Finanzinstrumenten sind darüber hinaus geeignet, das Ergebnis des Kerngeschäfts eines Unternehmens zu verschleiern. Dies erschwert die Beurteilung und Kontrolle der strategischen Ausrichtung des Unternehmens durch das Management und dessen Leistung im Unternehmenskerngeschäft. Ist der Derivateinsatz auf Absicherung gerichtet (Hedging), besteht die Gefahr, dass die Unternehmensleitung den Sicherheitsbedarf der verschiedenen Stakeholders überschätzt. Die Sicherungsgeschäfte des Unternehmens können im Einzelfall die Absicherungsbemühungen der einzelnen Beteiligten (Anteilseigner oder Gläubiger) durch eigene Anpassungstransaktionen und Diversifizierung ihrer Portfolios konterkarieren1154. Ferner kann es zu Interessenkonflikten unter den Anteilseignern aufgrund unterschiedlicher Risikoeinstellung und -exposition kommen. So können in- und ausländische Investoren beispielsweise entgegengesetzten Währungsrisiken ausgesetzt sein und dementsprechend 1155 entgegengesetzte Sicherungsinteressen haben . Derivatgeschäfte zur Absicherung können ferner für eine Verstetigung der Binnenfinanzierung sorgen1156. Dies macht das Unternehmen unabhängiger von der Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapital. Auf diese Weise gelingt es, sich der Projektevaluierung und Kontrolle durch die Kapitalmärkte oder die Gläubigerbanken zu entziehen. Gleichzeitig wirken übertriebene Sicherheitsbemühungen innovationshemmend, da die Unternehmensleitung der Verantwortung für unternehmerisches Handeln und Wagnis aus 1157 dem Weg zu gehen sucht . Die Defizite in Bezug auf die Zweck- und Risikotranspa1152 1153 1154 1155 1156 1157

Von Randow, ZGR 1996, 594, 597. Vgl. dazu und im Folgenden: von Randow, ZGR 1996, 594, 600, 638. Von Randow, ZGR 1996, 594, 599, 638. Von Randow, ZGR 1996, 604. Von Randow, ZGR 1996, 639. Von Randow, ZGR 1996, 603.

239

renz des Einsatzes von Finanzinstrumenten, insbesondere von Derivaten, können auch nicht durch die Zwischenberichterstattung gemäß § 40 BörsG n.F. (§ 44 b BörsG a.F.) 1158 kompensiert werden . Der herkömmliche rechtliche Rahmen reicht zur Kontrolle und Überwachung des Managements beim Einsatz von Derivaten nicht mehr aus. Eigenund Fremdkapitalgeber, Anteilseigner und Gläubiger haben daher ein gesteigertes Interesse an der Kontrolle und Überwachung der Derivatgeschäfte der Unternehmensleitung. Was für die Corporate Governance-Relevanz derivativer Instrumente gilt, lässt sich letztlich auch für andere Finanzinstrumente verallgemeinern. Das Bedürfnis über Risikostruktur und Verwendung informiert zu sein, erstreckt sich im Ergebnis auf alle Finanzinstrumente. Eine Beschränkung allein auf Derivate wird den Informationsbedürfnissen daher nicht gerecht. Zur Einschätzung der Risikoexposition des Unternehmens bedarf es vielmehr eines umfassenden Überblicks. Dazu gehören auch die übrigen Finanzinstrumente1159. Deshalb ist es erforderlich, nicht nur die Derivate, sondern alle Finanzinstrumente in der Bilanz ihrer Bedeutung entsprechend abzubilden. Die durch Zeitwertbilanzierung erleichterte und teilweise erst möglich gewordene Abbildung von Finanzinstrumenten im Jahresabschluss liefert damit die erforderliche Information über ihre Verwendung im Unternehmen und dessen Risikoexposition. Solange Finanzinstrumente im handelsrechtlichen Jahresabschluss gar nicht oder nicht entsprechend ihrer Verwendung abgebildet werden können, werden die Anleger über einen wesentlichen Bereich der Finanzlage des Unternehmens im Dunkeln gelassen. Die Bilanzierung der Finanzinstrumente mit ihrem jeweiligen Zeitwert erlaubt damit den Kapitalanlegern erst eine realistische Einschätzung der Risiken ebenso wie der Finanz- und Ertragslage des Unternehmens. 3.

Verwendbarkeit dank Bilanzierbarkeit

Wie dargelegt, erlaubt das Bilanzrecht des HGB die Bilanzierung vieler Finanzinstrumente nur unter großen Einschränkungen und in vielen Fällen überhaupt nicht. Die Schwierigkeiten der Bilanzierung werden mithin in der Praxis auch als das Hauptproblem bei der Verwendung von innovativen Finanzinstrumenten im Unternehmen angesehen1160. Dies stellt nicht nur einen Hemmschuh für die einzelnen Unternehmen dar, die sich dieser Instrumente – sei es zur Risikoabsicherung, sei es zur Spekulation oder zur Finanzierung kapitalintensiver Projekte – bedienen wollen, es bedeutet auch ein Hindernis für die Entwicklung des Kapitalmarktes in Deutschland. Gerade für die Durchführung von Unternehmensübernahmen und für Management Buyouts beziehungsweise Leveraged Buyouts sind Finanzinstrumente wichtig. Nicht immer kann bei einer Unternehmensübernahme darauf vertraut werden, die Kosten durch späteren Verkauf wertvoller Unternehmensteile, Tochtergesellschaften oder Vermögensgegenstände („crown jewels“; „asset stripping“)

1158 Von Randow, ZGR 1996, 619 f. 1159 Von Randow, ZGR 1996, 616 m.w.N. 1160 S.o. C. III. 1. c), S. 74 ff.; Glaum/Förschle, DB 2000, 581, 582.

240

oder Synergieeffekte („economies of scale“) aufbringen zu können. Nach Mannes Theorie ist die Kontrolle über das Unternehmen schon werthaltig genug, so dass es darauf auch gar nicht anzukommen braucht. Das enthebt die (übernehmenden) Unternehmen aber nicht des Problems der Finanzierung. Dazu aber ist es erforderlich, den Unternehmen möglichst viele Instrumente an die Hand zu geben. Die Finanzierungsmöglichkeiten sind ein entscheidender Faktor für die Belebung des Marktes für Unternehmenskontrolle und damit 1161 . Indem durch Fair Valuefür die weitere Entwicklung des Kapitalmarktes selbst Bewertung die Bilanzierung von zahlreichen innovativen und derivativen Finanzinstrumenten ermöglicht wird, wird dadurch ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung funktionstüchtiger Kapitalmärkte und damit zu einer effizienteren Unternehmens(leiter)kontrolle geleistet. Die Beseitigung der Bilanzierungsschwierigkeiten kann dazu führen, dass diese Instrumente auch häufiger und bereitwilliger eingesetzt werden. Diese Erleichterungen beim Einsatz von Finanzinstrumenten werden daher nicht nur deren Verwendung steigern, sondern auch die Kreativität bei ihrer Entwicklung freisetzen und fördern.

II.

Verbesserung der Informationsfunktion von Rechnungslegung durch zeitwertorientierte Bilanzierung

1.

Anforderungen des Kapitalmarktes an die Rechnungslegung

Da grundsätzlich von einer Informationsasymmetrie zwischen Unternehmensführung und Kapitalgebern ausgegangen werden kann, besteht, wie oben erläutert, ein generelles Bedürfnis des Kapitalmarktes nach Information1162. Die Kapitalkosten hängen deshalb in zunehmendem Maße von Umfang und Qualität der Unterrichtung der Kapitalgeber ab. Weniger Transparenz ist gleichbedeutend mit höheren Transaktionskosten für den Kapitalverkehr1163. Dies gilt für die Eigenkapital- ebenso wie für die Fremdfinanzierung und ist längst empirisch belegt1164. Rechnungslegung wiederum ist eines der wesentlichen Informationsinstrumente des Unternehmens. Folglich sind an die Rechnungslegung auch spezifische Anforderungen zu richten, um die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes im Interesse einer wirksamen Unternehmens(leiter)kontrolle befriedigen zu können. a)

Lieferung von Information als Grundlage kompetenter Investitionsentscheidungen

Um die Informationsleistung von Rechnungslegung beurteilen und gegebenenfalls verbessern zu können, muss zunächst der Zweck der zu liefernden Information bestimmt werden1165. Alle Kapitalgeber wollen in die Lage versetzt werden, im Hinblick auf ihr

1161 1162 1163 1164 1165

Vgl. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 27 m.w.N. Vgl. Busse von Colbe, in: F.W. Wagner (Hrsg.), S. 11, 16 m.w.N. Schön, ZGR 2000, 706, 715. Kübler, ZGR 2000, 550, 555 u. 557; vgl. auch Schön, WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 75. Denn Information kann auch als „zweckorientiertes Wissen“ verstanden werden, vgl. Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 17 m.w.N.

241

Engagement in einem Unternehmen kompetente, d.h. vor allem wohlinformierte Entscheidungen zu treffen. Der Informationsbedarf derjenigen, die mit dem Unternehmen in Kontakt treten, erschöpft sich jedoch nicht in der Entscheidung über Bereitstellung oder Abzug von Kapital, sondern erstreckt sich generell auf die Aufnahme oder Aufrechterhal1166 tung von Geschäftsbeziehungen im Allgemeinen . Aus der Sicht des Kapitalmarktes kann der Zweck von Rechnungslegungsinformation daher nur „decision usefulness“ sein, die Brauchbarkeit der Rechnungslegungsinformation zur Vorbereitung von Anlage- und anderen Entscheidungen. Die Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen der Kapitalgeber insbesondere auch durch Rechnungslegung nimmt daher sowohl auf europäischer Ebene als auch im deutschen Recht einen zunehmend bedeutungsvolleren Rang ein1167. Diese Tendenz wird in Deutschland nicht zuletzt auch von der Regierungskommission 1168 Corporate Governance unterstützt . Die Tauglichkeit als Grundlage kompetenter Investitionsentscheidungen, die „Decision Usefulness“ nach dem Verständnis der internationalen Standardsetter, ist folglich eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Anforderung des Kapitalmarktes an die von Rechnungslegung zu liefernde Information. Die Tauglichkeit von Information als Entscheidungsgrundlage hängt in starkem Maße ab von ihrer Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit und (Entscheidungs-)Relevanz1169. Zur Entscheidungserheblichkeit (Relevanz) der von Rechnungslegung gelieferten Information gehört, dass sie einerseits prognosetauglich, andererseits bei zur Korrektur oder Bestätigung früherer Erwartungen dienlich ist1170. Die Abschlüsse müssen ferner möglichst zeitnah erstellt und veröffentlicht werden. Je größer der Zeitabstand zwischen dem Ende der Berichtsperiode und der Veröffentlichung des Abschlusses, desto unerheblicher ist die veröffentlichte Information. In dieselbe Richtung zielt die Verkürzung der Berichtsperioden. Je kürzer die Rechnungslegungsintervalle, desto entscheidungsrelevanter ist die gelieferte Information1171. Zur Verlässlichkeit gehört, dass die Rechnungslegung dem Anleger einen Einblick in die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens gibt, damit er Chancen und Risiken seiner Kapitalanlageentscheidung beurteilen kann. Verlässlichkeit setzt Offenlegung der wesentlichen Bewertungsgrundlagen voraus, um Zustandekommen der Wertansätze und Ausnutzen etwaiger Bewertungsspielräume beurteilen zu können1172. Insbesondere Verlässlichkeit und Relevanz können einander widersprechen. Es gilt daher, einen Ausgleich zwischen Relevanz und Verlässlichkeit der Informationen im Jahresabschluss herbeizuführen.

1166 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 17 m.w.N. 1167 Schön, WPg-Sonderheft 2001, S. 74, 75. 1168 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Kapitel 6, S. 281293, Tz. 266-278, insbes. Tz. 267. 1169 Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1449. 1170 Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1449. 1171 Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1449; vgl. auch Pellens/Fülbier, ZGR 2000, 572, 585; S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81, 84. 1172 Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1450.

242

Decision-Usefulness erfordert darüber hinaus, dass die von den Unternehmen gelieferte Rechnungslegungsinformation vergleichbar ist. Der Kapitalmarkt verlangt von der Rechnungslegung daher neben der Verlässlichkeit und Wahrheit der Information auch Vergleichbarkeit der Unternehmensinformationen. Vergleichbarkeit bedarf es nicht nur im Zeitablauf, sondern auch im Hinblick auf die Rechnungslegungsinformation anderer 1173 Unternehmen . Die Vergleichbarkeit der Abschlüsse ein- und desselben Unternehmens im Zeitablauf erlaubt die Beurteilung der Entwicklung und der Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Management, aber erst die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse verschiedener Unternehmen erlaubt es dem Investor, alternative Anlagemöglichkeiten gegeneinander abzuwägen. Deshalb ist entscheidungserhebliche Information durch Rechnungslegung und dadurch bewirkter kapitalmarktrechtlicher Schutz nur durch weitgehende Angleichung der nationalen Rechnungslegungssysteme zu erreichen. Nur so kann eine Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit der angebotenen Informationen geschaffen werden1174. Dies wiederum dient der unerlässlichen Schaffung gleichwertiger Rahmenbedingungen für die Unternehmen einerseits und rationaler Entscheidungsgrundlagen für die Anleger andererseits. b)

Anforderungen an die Rechnungslegung nach US-GAAP und IFRS

Da es nach dem Verständnis von FASB und IASB die zentrale Aufgabe von Rechnungslegung ist, Informationen zu liefern, auf deren Basis Eigen- oder Fremdkapitalgeber ihre Investitionsentscheidung zu treffen in der Lage sein sollen, muss sich die Qualität von Rechnungslegungsinformation immer daran messen lassen, inwieweit sie für diesen Zweck brauchbar ist. Damit sie die Aufgabe der Rechnungslegung erfüllen können, stellt das FASB in seinem Concept Statement N° 2 bestimmte Anforderungen an die im Jahresabschluss vermittelten Informationen („Qualitative Characteristics of Accounting Information”)1175. Indem es darlegt, welche Eigenschaften die Informationen haben sollten, die in den einzelnen Standards gefordert werden, schlägt das Statement eine Brücke zwischen den Zielen von Rechnungslegung einerseits und den Ansatz und Bewertungsgrundsätzen andererseits1176. Es steht damit zwischen dem „Warum“ der Ziele und dem „Wie“ anderer 1177 Statements und Standards . Die Wahl zwischen verschiedenen Rechnungslegungsmethoden – sei es durch das FASB selbst im Rahmen der Festlegung neuer Standards, sei es durch das einzelne Unternehmen bei der Ausfüllung von Ermessensspielräumen im Rahmen der Rechnungslegung – fällt leichter, wenn feststeht, worauf es bei der Information durch Rechnungslegung ankommt, und welche Methode die zur Erfüllung des Rechnungslegungszwecks nützlicheren Informationen liefert1178. 1173 Naumann/Tielmann, WPg 2001, 1445, 1450. 1174 Schön, ZGR 2000, 706, 712 f.; Ekkenga, Anlegerschutz, S. 75; Ebke, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 12, 18 f. 1175 SFAC 2; KPMG, Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 12. 1176 SFAC 2.1; Siebert, Grundlagen der US-amerikanischen Rechnungslegung, S. 135. 1177 SFAC 2.1. 1178 SFAC 2.6 ff.

243

(Entscheidungs-) Relevanz (Relevance) und Zuverlässigkeit (Reliability) sind dabei die für Entscheidungsprozesse wichtigsten und zweckdienlichsten Eigenschaften von Rechnungslegungsinformation. Fehlt eine dieser beiden Eigenschaften vollständig, ist 1179 die Information nutzlos und unbrauchbar . Im Hinblick auf die „Decision Usefulness“ der Information sind daher Relevanz und Verlässlichkeit der Informationen, die teilweise 1180 1181 gegenläufig sein können , miteinander in Einklang zu bringen . Die Anforderungen an den Jahresabschluss nach IFRS entsprechen im Wesentlichen denjenigen des FASB. Sie sind im Rahmenkonzept der IFRS niedergelegt. Um seine Informationsfunktion erfüllen zu können, muss der Jahresabschluss demnach auch nach IFRS einer Reihe qualitativer Anforderungen genügen1182. Es handelt sich um Merkmale, deren Vorhandensein die im Abschluss erteilten Informationen für die Adressaten erst nützlich macht. Die wichtigsten sind Verständlichkeit, Relevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit1183. Bei den Anforderungen an die Verständlichkeit („understandability“) des Abschlusses wird unterstellt, dass die Adressaten über angemessene wirtschaftliche Kenntnisse und Kenntnisse der Rechnungslegung verfügen und bereit sind, die angebotenen Informationen mit entsprechender Sorgfalt zu lesen1184. Auf wichtige Informationen zu komplexen und schwierigen Sachverhalten darf jedoch nicht unter 1185 dem Vorwand der Verständlichkeit verzichtet werden . (1)

Relevanz

Information ist dann relevant, wenn sie in der Lage ist, eine Entscheidung zu verändern („to make a difference“)1186. (Entscheidungs-)Relevanz kann nur vorliegen, wenn die Informationen Zukunftsprognosen ermöglichen („predictive value“) oder frühere Annahmen bestätigen beziehungsweise korrigieren („feedback value“). Üblicherweise leistet Information beides gleichzeitig, denn die Kenntnis über die Resultate früherer Tätigkeit erlaubt Aussagen über das Ergebnis vergleichbarer Tätigkeiten in der Zukunft. Kenntnis der Vergangenheit ist gleichzeitig die Grundlage für Vorhersagen für die Zukunft1187. Dabei braucht die Information nicht selbst eine Vorhersage für die Zukunft zu liefern oder zu beinhalten. Informationen über den gegenwärtigen Stand ökonomischer Ressourcen oder über die Leistungsentwicklung des Unternehmens in der Vergangenheit liefern aber ge1188 meinhin die Grundlage für Erwartungen und Zukunftsprognosen . Um relevant zu sein,

1179 1180 1181 1182 1183 1184 1185 1186 1187 1188

244

SFAC 2.33. Vgl. SFAC 2.90. KPMG, Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 12; SFAC 2.42. Vgl. dazu ausführlich Wollmert/Achleitner, WPg 1997, 209. IAS Rahmenkonzept Tz. 24. IAS Rahmenkonzept Tz. 25. IAS Rahmenkonzept Tz.25. SFAC 2.46, 47. SFAC 2.51. SFAC 2.48; SFAC 1.42.

muss die Information ferner rechtzeitig zur Verfügung stehen („timeliness“), bevor die In1189 formation keine Auswirkung auf die zu treffende Entscheidung mehr haben kann . Ferner müssen die Daten im Jahresabschluss wesentlich sein („materiality“). Wesentlichkeit im Sinne des FASB ist die Schwelle für den Ansatz im Jahresabschluss. Unwesentlich sind Informationen ohne Einfluss auf die Entscheidungen der Adressaten. Eine Information ist demzufolge dann wesentlich, wenn ihr Fehlen oder ihre fehlerhafte Darstellung die wirtschaftliche Entscheidung der Jahresabschlussadressaten beeinflussen kann1190. Unwesentliche Informationen führen lediglich zu einer Überfrachtung des Abschlusses und gereichen damit nur zur Verwirrung der Leser; sie sind nicht in den Jahresabschluss aufzunehmen. (2)

Verlässlichkeit

Unter Zuverlässigkeit beziehungsweise Verlässlichkeit ist im Sinne des Conceptual Framework zu verstehen, dass die Jahresabschlussadressaten darauf vertrauen können, dass der Jahresabschluss die wirtschaftliche Lage tatsächlich so darstellt, wie er sie vorgibt darzustellen1191. Voraussetzungen von Verlässlichkeit sind Nachprüfbarkeit („verifiability“), Neutralität („neutrality“) und wahrheitsgemäße Darstellung („representational faithfulness“). Das FASB betont, dass ein Zustand 100%iger Zuverlässigkeit nicht zu erreichen ist. Vielmehr können lediglich verschiedene Grade an Zuverlässigkeit festgestellt werden1192. Nach IFRS sind Informationen ebenfalls nur verlässlich, wenn keine wesentlichen Fehler enthalten, frei von verzerrenden Einflüssen sind und die Adressaten sich auf ihre glaubwürdige Darstellung verlassen können. Verlässlichkeit im Sinne der IFRS setzt Richtigkeit („faithful representation“), Willkürfreiheit („neutrality“), Vorsicht („pruden1193 voraus. Dem Vorsichtsce“) und Vollständigkeit („completeness“) der Bilanzierung prinzip kommt dabei jedoch nicht dieselbe Bedeutung zu wie nach deutschem Recht. Das IASB macht deutlich, dass das Vorsichtsprinzip nicht dazu führen darf, bewusst stille Reserven zu bilden. Das Vorsichtsprinzip ist vielmehr mit dem Grundsatz der 1194 Willkürfreiheit in Einklang zu bringen . Letzterer verbietet eine bewusste Über- oder Unterbewertung von Vermögensgegenständen. Vorsicht bedeutet daher lediglich, „daß ein gewisses Maß an Sorgfalt bei der Ermessensausübung, die für die erforderlichen Schätzungen unter ungewissen Umständen erforderlich ist, einbezogen wird“1195. Das Vorsichtsprinzip im Sinne der IFRS dient daher hauptsächlich als Bewertungsmaßstab bei Ermessensspielräumen1196. Zuverlässigkeit der von der Rechnungslegung geliefer1189 KPMG, Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 12; SFAC 2.42; SFAC 2.51 ff. 1190 SFAC 2.123; für die IAS vgl. IAS Rahmenkonzept Tz. 30. 1191 SFAC 2.62. 1192 SFAC 2.59. 1193 IAS Rahmenkonzept Tz. 31-38. 1194 IAS Rahmenkonzept Tz. 37. 1195 IAS Rahmenkonzept Tz. 37. 1196 Pellens, Internationale Rechnungslegung, S. 440.

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ten Daten ist im Übrigen nicht gleichbedeutend mit Bestimmtheit („certainty“) und Exaktheit („precision“). Sofern offengelegt wird, dass die Daten nicht exakt sind, kann die 1197 gelieferte Information immer noch zuverlässig sein . (3)

Vergleichbarkeit

Die Information über ein Unternehmen gewinnt an Wert, wenn sie mit ähnlicher Information über andere Unternehmen oder einen anderen Zeitraum verglichen werden kann. Die Bedeutung insbesondere von zahlenmäßiger Information hängt erheblich davon ab, ob der Informationsnutzer diese in Relation setzen kann1198. Vergleichbarkeit der Daten und Stetigkeit der Bewertungsmethoden („comparability and consistency“) sind daher ein weiteres wichtiges Qualitätsmerkmal brauchbarer Information. Jahresabschlüsse sollen sowohl im Hinblick auf unterschiedliche Geschäftsjahre als auch auf unterschiedliche Unternehmen vergleichbar sein. Dies macht eine Offenlegung der Bilanzierungsmethoden und -annahmen erforderlich. Für den Adressaten des Jahresabschlusses muss es möglich und von Nutzen sein, externe und interne Betriebsvergleiche vornehmen zu können1199. Stetigkeit der Bewertungsmethoden ist wiederum eine wesentliche Voraussetzung der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen1200. 2.

Informationswert handelsrechtlicher Rechnungslegung

a)

Grenzen der Informationsproduktion handelsrechtlicher Rechnungslegung

Bei der Beurteilung des Informationswerts externer Rechnungslegung stößt man auf die Frage der Aussagegrenzen von Bilanzen beziehungsweise Rechnungslegung an sich1201. Diese können tatsächlicher und rechtlicher Art sein. Es ist daher zu untersuchen, inwieweit Abschlüsse de lege lata oder de lege ferenda überhaupt in der Lage sind, die Informationsinteressen der Bilanzadressaten zu befriedigen, und welche rechtlichen Grenzen einer Information durch den Jahresabschluss gegebenenfalls gezogen werden müssen 1202 . Bei den Grenzen des Informationswerts von Rechnungslegung ist zu unterscheiden zwischen Faktoren, die der Rechnungslegung an sich anhaften und ihre Aussagekraft einschränken, und spezifisch deutschen Beschränkungen einer effizienten Informationsvermittlung durch den handelsrechtlichen Jahresabschluss. 1197 1198 1199 1200 1201 1202

246

SFAC 2.72. SFAC 2.111; IAS Rahmenkonzept Tz. 39-42. KPMG, Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen, S. 13. SFAC 2.120. Dazu Moxter, Bilanzlehre Bd. 1, S. 151; Streim, BFuP 2000, 111. Hier ist sicherlich an § 131 Abs. 2 AktG zu denken. Die Verpflichtung der Unternehmen zur Bereitstellung von Rechnungslegungsinformation kann nicht weiter gehen als die andernorts geregelten Informations-, Publizitäts- und Transparenzpflichten. Die wohlverstandenen existenziellen Rechte des Unternehmens ziehen die Grenze der Informationspflichten dort, wo die Veröffentlichung von Informationen dem Unternehmen Schaden zufügt und seine Wettbewerbsposition verschlechtert; vgl. dazu T. Siegel/Bareis/Rückle u.a., ZIP 1999, 2077.

(1)

Komplexität der abzubildenden Sachverhalte

Rechnungslegung ist mit der Darstellung der betriebswirtschaftlichen Sachverhalte, die der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zugrunde liegen, von vornherein überfordert. Komplexe betriebliche Sachverhalte werden in ein Zahlenschema gepresst, dem Vereinfachung erforderlicherweise systemimmanent ist. Völlig unabhängig davon, ob die Rechnungslegung US-GAAP oder HGB auf historischen Kosten oder auf Zeitwerten beruht, kann sie die Wirklichkeit nur vereinfacht und damit verfälscht abbilden. (2)

Vergangenheitsbezogenheit und Unvollständigkeit der Daten

Die Rechnungslegung soll das Wissen vermitteln, das ihre Adressaten benötigen, um Entscheidungen treffen zu können über die Aufnahme oder Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen, die Bereitstellung oder den Abzug von Kapital oder über die Entlastung und Weiterbeschäftigung der Geschäftsführung. Entscheidungen sind aber zukunfts1203 orientiert, Rechnungslegung hingegen berichtet über die soeben vergangene Periode . Ein weiteres, schwerwiegendes Problem liegt folglich darin, dass die Daten des Jahresabschlusses Grundlage für künftige Investitionsentscheidungen sein sollen, diese Daten aber vergangenheitsbezogen sind und daher nur wenig Aussagekraft für die Zukunft haben1204. Es stellt sich mithin die Frage, inwieweit Rechnungslegung grundsätzlich dazu geeignet ist, Prognosen über zukünftige Sachverhalte zu geben, auf deren Grundlage zukunftsgerichtete Entscheidungen getroffen werden können1205. Die Grenzen der Aussagekraft des Jahresabschlusses und seiner Analyse liegen damit dort, wo die gelieferten (historischen) Informationen nicht den zukunftsgerichteten Informationsbedürfnissen der Bilanzleser entsprechen. Aus dem Vergleich von Daten aufeinanderfolgender Zeiträume lassen sich allenfalls Trends ablesen, doch bewirkt die sich immer schneller verändernde Geschäftswelt, dass die zu vergleichenden Zeiträume immer kürzer werden müssen. Die heutigen Rechnungslegungsintervalle können damit nicht mehr Schritt halten. Die vierteljährliche Berichterstattungspflicht der US-GAAP scheint diesbezüglich zwar überlegen1206, muss aber ebenfalls auf die Darstellung bloßer Trends und damit letztlich auf Mutmaßungen be-

1203 Dies hat Goerdeler schon 1962 formuliert: „Schließlich muß man sich darüber im klaren sein, dass jedenfalls bisher Rechenschaftslegung vor allem über Vergangenes berichtet, also zunächst einmal retrospektiv ist; hieraus ergibt sich eine fast gegenläufige Richtung gegenüber den Bestrebungen der interessierten Kreise, aus Jahresabschluß und Geschäftsbericht Aufschluß über die künftige Entwicklung der Gesellschaft zu gewinnen“, in: Barz (Hrsg.), S. 211, 219. 1204 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 18. 1205 Zur Frage, inwieweit es überhaupt möglich ist, vernünftige Prognosen für die Zukunft abzugeben, vgl. Wallmann, 9 Accounting Horizons 81, 84 (Sept. 1995): „I also recognize fully the pitfalls inherent in predictions. I remember being taken to the 1964 World’s Fair when I was ten and marveling at that era’s vision of the 1980s – when there would be talking robots cooking and vacuuming around the house, and cars on roads whisking travelers automatically to their destination with smiling and blinking computer controls doing the driving. As a result, I know that predictions can be very wrong and, interestingly, I also remember there was no mention of derivatives at the World’s Fair.“ 1206 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 876 f.

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schränkt bleiben. Rechnungslegung kann daher nicht die für die zu treffenden Entscheidungen erforderlichen Prognosen liefern, wohl aber die Daten, aufgrund derer der Informationsempfänger seine Erwartungen mit Hilfe seiner Kenntnisse und bestimmter Gesetzmäßigkeiten selbst bilden muss und kann und auf deren Grundlage Prognosen getrof1207 fen und Entscheidungen gefällt werden können . Obwohl Prognosen nicht geliefert werden können, ist Rechnungslegungsinformation als Anhaltspunkt zur Entscheidungsfindung somit dennoch unverzichtbar und auch grundsätzlich von Wert. (3)

Wahlrechte und Gestaltungsmöglichkeiten

Das HGB sieht sowohl verschiedene Ansatz- als auch Bewertungswahlrechte vor. Solche Gestaltungsmöglichkeiten verringern den Informationsgehalt des Jahresabschlusses, da die Wirklichkeitstreue der gelieferten Daten entsprechend der Ermessensausübung der Bilanzierenden relativiert ist. Die gelieferte Information wird unpräzise. Gleichfalls geht die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse verschiedener Unternehmen verloren. Nicht nachvollziehbare Bilanzierungswahlrechte gelten daher sogar als ein Mittel zur Täuschung der Kapitalmarktteilnehmer1208. Wahlrechte und Gestaltungsmöglichkeiten erschweren auch die Aufgabe der Rechnungslegung, über die Leistung der Unternehmensführung Aufschluss zu geben („performance measurement“). Denn der Rechenschaft kann sich entziehen, wer mehr Spielraum hat. Solange dem Rechenschaftspflichtigen Spielräume bei der Erfüllung seiner Rechenschaftspflicht eingeräumt werden, kann eine effiziente Leistungsbeurteilung nicht stattfinden1209. Wahlrechte schaden auf diese Weise dem Gläubigerschutz. Gläubigerschutz wird dementsprechend nach HGB lediglich weniger durch objektive Information als durch die Gestaltung des Ergebnis- und Vermögensausweises durch die Unternehmensführung erreicht1210. Im Fall einer Unternehmenskrise besteht jedoch die Gefahr, dass negative Entwicklungen durch Gestaltungsmöglichkeiten bei der Rechnungslegung verschleiert werden und die Unternehmensleitung ihren Informationsvorsprung zu Lasten der Gläubiger ausnutzt. Der Schutz durch Informationsvermittlung wird daher gerade in der Unternehmenskrise und deren Vorfeld für die Gläubiger relevant1211. Der geringe Schutz, den die gläubigerorientierte Rechnungslegung in der Unternehmenspraxis tatsächlich entfaltet, zeigt sich auch in den Erfahrungen in Konkurs und Insolvenz. Zu einer Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger kommt es dort in der Regel kaum noch. Eine klarere und frühzeitigere Information über die tatsächliche Lage des Unternehmens wäre angesichts dieser Erfahrungen den Gläubigern dienlicher als der Zugriff auf eine zwar garantierte Haftungsgrundlage, die aber a priori nicht geeignet ist, alle Ansprüche in voller Höhe zu befriedigen.

1207 1208 1209 1210 1211

248

Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 17 f.; so sieht das letztlich auch das FASB, s.o. D. II. 1. b), S. 186 ff. Böcking, in: Ballwieser/Schildbach (Hrsg.), S. 17, 31. Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 30. Burger/Buchhart, BB 2000, 2197, 2200; Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 12 f. m.w.N. Burger/Buchhart, BB 2000, 2197, 2200.

(4)

Vorsichtsprinzip und stille Reserven

Die wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten gibt das deutsche Handelsbilanzrecht den Unternehmen mit der Möglichkeit der Unterbewertung und der Vorverrechnung von Aufwendungen aufgrund des Vorsichtsprinzips und der daraus resultierenden Bildung stiller Reserven an die Hand. Stille Reserven sind einer der Hauptangriffspunkte ausländi1212 scher Kritiker der deutschen Rechnungslegung . Sie gelten als ausgesprochen informationsfeindlich, auch wenn ihre Entstehung in gewissem Umfang in allen Rechnungslegungssystemen unvermeidlich ist. Je mehr ein Rechnungslegungssystem die Bildung stiller Reserven fördert, desto weniger ist es in der Lage, die Adressaten von Rechnungslegung mit den benötigten Informationen zu beliefern. Stille Reserven sind geeignet, von vornherein den Blick auf den wahren Wert des Unternehmens zu trüben1213. Zunächst wird dem Bilanzleser der Blick auf den tatsächlichen Wert der fraglichen Vermögensgegenstände verwehrt. Da sie ferner der Unternehmensleitung die Möglichkeit geben, durch stilles Legen und Auflösen die Ertragslage des Unternehmens zu verfälschen, tragen sie erheblich dazu bei, den Informationswert des Jahresabschlusses zu senken. Insbesondere in der Unternehmenskrise kann durch die Auflösung stiller Reserven der Gewinn „geschönt“ werden. Anleger und Gläubiger erhalten so einen falschen, zu optimistischen Eindruck von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, was zu fatalen Fehlentscheidungen führen kann. Solange im Unternehmen in hohem Maße stille Reserven existieren, kann der Jahresabschluss seine Informationsfunktion gegenüber Außenstehenden, insbesondere gegenüber den Anlegern, nicht erfüllen. Aus angelsächsischer Sicht tragen daher gerade die stillen Reserven zur geringen internationalen Akzeptanz von Jahresabschlüssen nach deutschem Recht bei. Es wird daher von zahlreichen Seiten schon seit langem gefordert, im Rahmen der Reformierung von Rechnungslegungsregeln darauf hinzuwirken, die Möglichkeiten zum Legen stiller Reserven ernsthaft zu beschränken. Gerade in Deutschland werden die stillen Reserven jedoch vehement verteidigt. Insbesondere ihre Bedeutung für die Selbstfinanzierungsfähigkeit des Unternehmens wird dabei immer betont. Die Information des Kapitalmarktes habe zurückzustehen hinter der Sicherung des Unternehmens und seiner Substanz. Es sei unerlässlich für den Bestand des Unternehmens, zur Finanzierung gerade nicht auf den Kapitalmarkt oder Kreditgeber angewiesen zu sein. Stille Reserven seien ferner unerlässlich für einen wirksamen Gläubigerschutz, da sie mit der Schaffung eines Kapitalpolsters zum Erhalt des Haftungspotentials im Unternehmen beitrügen. Da stille Reserven jedoch in Krisenzeiten nicht gebildet, sondern still aufgelöst und dadurch dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden, dienen sie gerade nicht dem Schutz der Gläubiger durch Kapitalerhaltung1214. Vielmehr werden die Gläubiger länger

1212 Kübler weist darauf hin, dass die anglo-amerikanische Rechtssprache daher auch von „hidden reserves“ spricht, demgegenüber der deutsche Ausdruck „stille Reserven“ geradezu beschönigend klingt, Kübler, FS Budde, S. 361, 364. 1213 So inzwischen auch das BVerfG, NJW 2000, 129, 130. 1214 Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 22.

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im Unklaren über die tatsächliche finanzielle Situation des Unternehmens gelassen, was ihnen im Krisenfall die Durchsetzung ihrer Ansprüche noch erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Solange die Bildung stiller Reserven nicht nur im Einzelfall als unvermeidlich geduldet, sondern ausdrücklich gefördert wird, indem Vorsichtsprinzip und Kapitalerhaltung zu Grundmaximen der Rechnungslegung erklärt werden, kann Rechnungslegung die von ihr geforderte Information aber nicht erbringen. Das Vorsichtsprinzip und mit ihm die Bildung stiller Reserven als Konsequenz sind ausgesprochen informationsfeindlich. Um den Aktionären und Gläubigern den erforderlichen Einblick in die wahre Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens gewähren zu können, 1215 muss die Bildung stiller Reserven daher eingeschränkt werden . (5)

Objektivität und Relevanz

Die traditionellen GoB legen besonderen Wert auf Objektivität. Dieser Ansatz dient ebenfalls der vorsichtigen Bemessung des ausschüttbaren Gewinns, da nur ein unter Zugrundelegung größtmöglicher Objektivität bei der Bewertung ermittelter Gewinn bedenkenlos ausgeschüttet werden kann, ohne das Unternehmen in seiner Substanz zu gefährden. Objektive Rechnungslegungsdaten sind aber nicht notwendigerweise auch entscheidungsrelevante Rechnungslegungsdaten. Wie der vorsichtigen Gewinnermittlung vor der Information der Bilanzleser ist konsequenterweise auch der Objektivität im Zweifel gegenüber der Entscheidungsrelevanz der Vorzug zu geben. Solange der Objektivität aber der Vorrang vor der Relevanz der im Jahresabschluss veröffentlichten Daten eingeräumt wird, bedeutet diese Zurücksetzung des Relevanzkriteriums eine weitere Einschränkung des Informationswerts des Jahresabschlusses gerade im Hinblick auf seine Decision Usefulness. Die Bilanzierung zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten ist ein Paradebeispiel für den Versuch, im Jahresabschluss absolute Objektivität herzustellen. Vordergründig sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Vermögensgegenstands in der Regel am objektivsten zu ermitteln; sie müssen nicht geschätzt werden, sondern es liegt ihnen der Preis aus einem „realen“ Umsatzvorgang zugrunde. Gleichwohl wohnt ihnen der Unsicherheitsfaktor der Zufälligkeit des Anschaffungszeitpunktes inne. Gleiches wird daher nicht notwendigerweise gleich bewertet, durch Veräußerung und Wiederbeschaffung eröffnen sich auch hier Manipulationsmöglichkeiten. b)

Überlegener Informationswert von Rechnungslegung nach US-GAAP und IFRS

Ein zentraler Punkt der Diskussion über die Modernisierung der Rechnungslegung ist die Frage, ob eine Anpassung der Rechnungslegungssysteme traditioneller kontinentaleuropäischer Prägung an internationale, amerikanisch geprägte Standards tatsächlich von Vorteil ist. Umstritten ist insbesondere, ob der Informationswert eines Jahresabschlusses in angelsächsisch beeinflussten Rechnungslegungssystemen tatsächlich höher ist als der eines Jahresabschlusses nach kontinentaleuropäischer, insbesondere deutscher 1215 Vgl. statt aller Kübler, FS Budde, S. 361; und bereits Großfeld/Ebke, AG 1977, 92, 100.

250

1216

Rechnungslegungstradition . Zwar kann aufgrund ihres methodischen Ansatzes generell ein höherer Informationswert von Rechnungslegung nach US-GAAP beziehungsweise IFRS unterstellt werden, andererseits ist der Fall Enron aber der beste Beleg dafür, dass auch die US-GAAP nicht in der Lage sind, ihre Informationsaufgabe in vollem 1217 Umfang zu erfüllen . Aus Sicht der Adressaten mögen jedoch die US-GAAP, und ebenso die verwandten IFRS, dem HGB überlegen sein. Dies ergibt sich einmal aus dem weitgehenden Fehlen expliziter Wahlrechte bei Ansatz und Bewertung von Bilanzposten und mithin einer größeren Eindeutigkeit der Abbildungsregeln. Hinzu kommt der Umfang der Informationspflichten1218. Unter Informationsgesichtspunkten als positiv empfunden werden in der US-amerikanischen Rechnungslegung ferner die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Anlagewerte, die Gewinnrealisierung in Abhängigkeit des Grades der Fertigstellung, die Bewertung von Wertpapieren, die nicht bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen zum Fair Value (sic!), die Equity-Bewertung im Jahresabschluss sowie der Einbezug von erwarteten Ausgabensteigerungen in die Berechnung der Pensionsrückstellungen1219. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die Vermeidung stil1220 ler Reserven insbesondere durch Bilanzierung auf der Basis von Zeitwerten . Die strikte Forderung insbesondere anglo-amerikanischer Investoren, die IFRS oder US-GAAP auch in Deutschland anzuwenden, spricht allerdings ebenfalls für deren höheren Informationswert1221. Es liegt auf der Hand, dass ein Rechnungslegungssystem, das in erster Linie auf das Hauptziel der Information insbesondere der Anleger und das Ziel der Decision Usefulness ausgerichtet ist, diesem Anspruch leichter gerecht wird als ein System, das eine Vielzahl von teilweise sich widersprechenden Zielen in sich vereinigen muss und in dem das Ziel der Information der Anleger – wenn überhaupt – von nur zweitrangiger Bedeutung ist. Im Gegensatz zum Einzelabschluss nach HGB wird bei IFRS und US-GAAP gleichermaßen eine Beeinträchtigung der Informationsfunktion durch andere, widersprechende Funktionen von Rechnungslegung vermieden1222.

1216 Vgl. einerseits Ballwieser, FS Beisse, S. 25 u. andererseits Schildbach, BB 1999, 359 u. 411; ders., StuB 2001, 857; zur empirischen Nachweisbarkeit s.u. f. II. 2. d), S. 253 ff. 1217 FAZ vom 2.2.2002; vgl. auch Handelsblatt vom 22./23.2.2002, S. 26: „HGB besser als sein Ruf“. 1218 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 22; Altenburger, FS Seicht, S. 533, 544. 1219 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 22. 1220 Altenburger, FS Seicht, S. 533, 543. 1221 Vgl. z.B. Californian Public Employees’ Retirement System (CalPERS). CalPERS ist nach eigenen Angaben der größte Public Pension Fund der USA und damit einer der größten der Welt. CalPERS hat Prinzipien aufgestellt, die als Mindestvoraussetzung einer „good Corporate Governance“ angesehen werden. In den „Germany Market Principles“ wird auch eine verbesserte Information der Aktionäre gefordert. Einer der drei Bereiche, die dabei insbes. zu verbessern sind, sei die Rechnungslegung. Die Rechnungslegung nach US-GAAP oder IAS wird danach ausdrücklich begrüßt und unterstützt, vgl. http://www.calpers.ca.gov: Germany Market Principles, 7 f. Ausführlich zur Einflussnahme von CalPERS auf die Corporate Governance Prinzipien der betroffenen Unternehmen insbes. in Deutschland: Andre, 73 Tul.L.Rev. 69 (Nov. 1998) und Carlsson, Ownership and Value Creation, S. 25 ff. 1222 Altenburger, FS Seicht, S. 533, 537.

251

Indem US-GAAP und IFRS ausschließlich Informationsinteressen dienen, gelingt es ihnen jedenfalls in der Theorie, potentielle Konflikte aufgrund unterschiedlicher Interessen und Anforderungen an den Jahresabschluss weitgehend aufzulösen, während die Rechnungslegung nach HGB heute immer noch vom dem Zielkonflikt zwischen Aus1223 schüttungsbemessung und Information beherrscht wird . Dennoch wird auch der Informationsgehalt der amerikanischen Rechnungslegung wie der IFRS als nicht befriedigend hinsichtlich der Bedürfnisse seiner Adressaten angesehen1224. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit diese Kritik auf immanenten Problemen und Unzulänglichkeiten der jeweiligen Rechnungslegungssysteme beruht und nicht auf den Grenzen von Rechnungslegungsinformation an sich. Für die Überlegenheit von US-GAAP und IFRS gegenüber deutschen Rechnungslegungsregeln spricht daher auch, dass etliche der oben erläuterten Beschränkungen des Informationswerts von Rechnungslegung spezifisch deutschen Ursprungs sind. Zwar ist zuzugeben, dass der Information durch Rechnungslegung generell Grenzen gezogen sind, die allen Rechnungslegungssystemen auferlegt sind, es bleibt aber festzuhalten, dass einige Besonderheiten der handelsrechtlichen Rechnungslegung in Deutschland den Informationswert des Jahresabschlusses noch weiter einschränken. Dabei handelt es sich um Eigenheiten der deutschen Rechnungslegung, die in den IFRS beziehungsweise den USGAAP nicht oder nicht im selben Maße vorhanden sind. Dazu zählen neben der Förderung (statt bloßer Inkaufnahme) stiller Reserven die Bevorzugung objektiver vor entscheidungsrelevanten Daten und die verschiedenen Wahlrechte und Gestaltungsmöglichkeiten. Doch selbst wenn man die Gleichwertigkeit von IFRS, US-GAAP und HGB im Hinblick auf ihre Informationsleistung unterstellt und annimmt, dass das Insistieren der anglo-amerikanischen institutionellen Investoren auf Anwendung der IFRS oder USGAAP in Deutschland lediglich auf US-amerikanischem Chauvinismus und Gewöhnung an das heimische System beruht, gilt es, das nationale Recht zu öffnen. Die Bedeutung der Kapitalmärkte in New York und London, die Marktmacht insbesondere US-amerikanischer institutioneller Anleger und das ureigene Interesse an einer Öffnung des deutschen Kapitalmarktes für ausländisches Kapital zwingen dazu, eine Anpassung an internationale Regeln vorzunehmen. Es kommt darauf an, dass Rechnungslegungsregeln international verständlich, vergleichbar und kompatibel werden. Rechnungsregeln werden damit auch zum Standortfaktor im internationalen Wettbewerb der Kapitalmärkte1225. Ein Festhalten an hergebrachten deutschen Grundsätzen scheint dann aber angesichts der erwiesenen Schwächen der deutschen Jahresabschlusses im Hinblick auf die Erfüllung seiner Informationsfunktion weder möglich noch sinnvoll.

1223 Baetge/Thiele, FS Beisse, S. 11, 20. 1224 Ballwieser, FS Clemm, S. 1, 23; Altenburger, FS Seicht, S. 550; Kahle, KoR 2002, 95. 1225 Vgl. CalPERS, Germany Market Principles, p. 8.

252

c)

Empirischer Nachweis des generellen Informationswerts externer Rechnungslegung

Die theoretischen Überlegungen zum Informationsgehalt von Rechnungslegung und zur Überlegenheit von US-GAAP und IFRS müssen ergänzt werden durch Untersuchungen über tatsächlichen Nutzen und Nutzung der Rechnungslegungsdaten durch die Adressaten. Erst die Anwendung in praxi gibt Aufschluss über den tatsächlichen Informations1226 wert von Rechnungslegung . Trotz der oben aufgeführten Unsicherheiten haben kapitalmarktorientierte Studien einen deutlichen Nachweis der grundsätzlichen Relevanz der Rechnungslegung für Entscheidungen und das Verhalten der Rechnungslegungsadressaten erbracht und damit die Existenzberechtigung der externen Rechnungslegung im 1227 Hinblick auf ihre Informationsfunktion bestätigt . Einschränkend ist hinzuzufügen, dass die im Jahresabschluss veröffentlichten Daten meist schon aus anderen Quellen heraus Einfluss auf die Entscheidungen der Anleger genommen haben, die Veröffentlichung des Jahresabschlusses mithin mehr bestätigenden Charakter hat als primär informierenden. Man spricht von der „Informationshygiene“-Funktion des Jahresabschlusses1228. Mehrere Untersuchungen in den USA kamen darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass die ergebniswirksame Berücksichtigung im Jahresabschluss von höherer Entschei1229 dungsrelevanz ist als die bloße Angabe im Anhang . Bilanzansätze können daher durch Anhangsangaben nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden 1230 . Darüber hinaus konnte eine gewisse Prognosefähigkeit des Jahresabschlusses empirisch nach1231 gewiesen werden. Insbesondere eine Eignung zur Krisendiagnose wurde festgestellt . 1232 Die Rendite des nächsten Geschäftsjahres ließ sich ebenfalls prognostizieren . d)

Empirischer Nachweis der Überlegenheit von Rechnungslegung nach US-GAAP oder IFRS

Nicht eindeutig belegen lässt sich dagegen die postulierte grundsätzliche Überlegenheit der amerikanischen Rechnungslegung gegenüber derjenigen nach HGB. Harris/Lang/ Möller verglichen die Relevanz von Rechnungslegungsdaten für Investoren auf Basis deutscher und US-amerikanischer Abschlüsse. Belegen ließ sich in beiden Ländern ein deutlicher Zusammenhang zwischen Aktienrendite und Jahresabschlussdaten. Die Untersuchung konnte allerdings nahezu keinen Unterschied zwischen den deutschen und den

1226 Ballwieser, FS Kropff, S. 371, 387. 1227 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1146; gerade im Hinblick auf die Hypothese von der Effizienz der Kapitalmärkte wird dies ja vereinzelt jedenfalls in der Theorie in Zweifel gezogen, s.o. B. III. 3. a), S. 42. 1228 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1133. 1229 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1134 m.w.N. 1230 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1146. 1231 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1131 f. 1232 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S. 1131 f.

253

1233

amerikanischen Daten ausmachen . Dies lässt vermuten, dass die von Rechnungslegung vermittelten Informationen in beiden Ländern durchaus entscheidungsrelevant sind. Die Vergleichbarkeit der von der Studie ermittelten Daten aber deutet darauf hin, dass die Verwendung von Rechnungslegungsinformation in der Praxis unabhängig davon erfolgt, ob die Information auf der Basis von US-GAAP oder HGB ermittelt wurde. Immerhin gibt es Studien, die belegen, dass die Verwendung internationaler Rechnungslegungsstandards im Unternehmen zu einer erhöhten Liquidität der Aktien und zu einer Internationalisierung und damit zu einer potentiellen Erweiterung des Investorenkreises führt1234. Ebenso scheint empirisch nachgewiesen, dass sich die Kapitalkosten deutscher Unternehmen durch eine Ergänzung ihrer herkömmlichen Bilanzierung durch eine Konzernrechnungslegung nach US-GAAP oder IFRS reduzieren ließen1235. Mehr als einen ers1236 ten Anschein können solche Studien allerdings nicht erbringen ; es bleibt dabei, dass man aufgrund der Menge und des höheren Präzisionsgrades der unter US-GAAP gelieferten Daten von deren potentiell höherem Informationswert und damit stärkeren Entscheidungserheblichkeit auszugehen hat1237. 3.

Steigerung des Informationswerts von Rechnungslegung durch zeitwertorientierte Bilanzierung

Angesichts der erheblichen Auswirkungen, welche die Einführung einer zeitwertorientierten Rechnungslegung auf weiten Gebieten des Bilanz-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts hätte, stellt sich die Frage, ob dadurch der Informationswert externer Rechnungslegung tatsächlich verbessert werden könnte. Dies ist – gerade in Deutschland – heftig umstritten. a)

Generelle Informationsorientierung der Rechnungslegung

Mit der Einschränkung des Vorsichtsprinzips als Grundmaxime herkömmlicher handelsrechtlicher Rechnungslegung bewirkt Zeitwertbilanzierung eine verstärkte Fokussierung auf die Informationsfunktion des Jahresabschlusses. Da gleichzeitig Ausschüttungsbemessungs- und Kapitalerhaltungsfunktion des Jahresabschlusses durch Zeitwertbilanzierung eingeschränkt werden beziehungsweise nicht mehr aufrechtzuerhalten sind, löst sich auch die Vielfalt der Aufgaben und Ziele des Jahresabschlusses auf. Dadurch wird es möglich, den Jahresabschluss ausschließlich an seiner Informationsfunktion auszurichten. Da dann keine Rücksicht mehr auf Aufgaben und Ziele genommen werden muss, die der In-

1233 Coenenberg, Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, S.1141; Ballwieser: FS Kropff, S. 371, 388, 389, jeweils m.w.N. 1234 Kahle, KoR 2002, 95, 103 m.w.N. 1235 Kübler, ZGR 2000, 550, 555 m.w.N. 1236 Insbes. bleibt das bei empirischen Untersuchungen immer bestehende Problem der Methodik und der Auswahl und Gewinnung der Daten, vgl. Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 38. 1237 Str.; wie hier Ballwieser, FS Beisse, S. 25, 38.

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formation der Rechnungslegungsadressaten zuwiderlaufen, kann Zeitwertbilanzierung generell eine erhebliche Verbesserung der Information durch Rechnungslegung bewirken. b)

Produktion (entscheidungs-)relevanter Information durch Fair Value Accounting

Obwohl böse Zungen behaupten, Fair Value Accounting brächte lediglich „eine Verwir1238 rung der Bilanzleser auf aktuellem Niveau“ , bewirkt die Einführung von Zeitwertbilanzierung nicht nur einen allgemeinen Schwenk in der Zielsetzung des Jahresabschlusses von der Kapitalerhaltungs- zur Informationsfunktion, sondern gelangt auch im Einzelnen zu erheblichen Verbesserungen der Aussagekraft von Rechnungslegung. (1)

Gesteigerte Aktualität der Rechnungslegungsinformation

Gegen das für die gesteigerte Aussagekraft von Rechnungslegung auf der Basis von Zeitwerten immer wieder vorgebrachte Argument höherer Aktualität wird eingewandt, dass es sich bei den Zeitwerten im Jahresabschluss mitnichten um aktuelle Werte handele. Vielmehr seien im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Jahresabschlusses auch die „aktuellen“ Zeitwerte bereits wieder historisch. Der Informationsnutzen dieser Wertansätze für den Bilanzleser sei daher keinesfalls höher als derjenige historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten. Diese seien wenigstens exakt zu ermitteln und objektivierbar. Die hohe Volatilität der Zeitwerte gerade von Finanzinstrumenten trägt zu diesem Problem erheblich bei. Insbesondere bei Derivativen, aber auch bei anderen Wirtschaftsgütern kann der Marktwert so flüchtig sein, dass ein solcher Wert in einem Jahresabschluss schon nach wenigen Wochen oder gar Tagen keine Aussagekraft mehr besitzt und nicht minder „historisch“ ist als die Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die durch Zeitwertbilanzierung erhöhte Volatilität des Jahresabschlusses wird daher insgesamt auch kritisch gesehen. Durch Zeitwerte in der Bilanz veranlasste Ergebnisschwankungen trügen nicht zur Verbesserung der Information durch Rechnungslegung bei, denn Anleger seien mehr an langfristig erzielbaren Wertsteigerungen interessiert als am zufälligen, volatilen Ergebnis der einzelnen Periode1239. Die Relevanz von Fair Value1240 Angaben wird daher auch bezweifelt . Eine breitere Anwendung von „current valuation“ muss daher dazu führen, dass periodische „financial statements“ veraltete Informationen liefern und monatliches, wöchentliches oder gar tägliches „financial reporting“ erforderlich machen1241. Dennoch ist eine größere Relevanz von Rechnungslegungsinformation auf der Basis von Zeitwerten zu unterstellen. Es erscheint schon auf den ersten Blick logisch, dass Informationen, welche die gegenwärtige oder jedenfalls nur einen kurzen Zeitraum zurückliegende Marktsituation widerspiegeln, für die Entscheidungen von Investoren und Gläubigern wesentlicher sind als Informationen, die auf historischen 1238 Scheffler, in: IDW-Fachtagung 2000, S. 213. 1239 Perlet, in: FAZ vom 10.12.2001, S. 14, zur Einführung von Zeitwerten im Jahresabschluss von Versicherungsunternehmen. 1240 Ablehnend z.B. Schildbach, WPg 1999, S. 177 ff. 1241 S. Siegel, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, S. 81, 84.

255

1242

Marktpreisen beruhen . Gerade bei Finanzinstrumenten hält das FASB deshalb den 1243 Fair Value auch für den relevantesten Wertansatz . (2)

Abbildung künftiger Cash-flows und Liquiditätsspeicher

In den Augen des IASB ist es eines der Hauptziele der Rechnungslegung, im Rahmen der Decision Usefulness des Jahresabschlusses den Adressaten die Einschätzung künftiger Cash-flows zu ermöglichen1244. Die Bewertung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten im Jahresabschluss zum Zeitwert ist dabei hilfreich. Bewertungen von Vermögensgegenständen können dabei betrachtet werden als Anzeige der Mittel zur Einnahme künftiger Cash-flows, über die das Unternehmen bereits verfügt. Bewertungen von Verbindlichkeiten andererseits können gesehen werden als Anzeige für die Ansprüche anderer auf Teile des künftigen Cash-flows1245. Die Bewertung zum Fair Value stellt den gegenwärtigen Wert künftiger Cash-flows dar und kann daher direkt den potentiellen Beitrag eines Vermögensgegenstands zu künftigen Cash-flows zeigen beziehungsweise den Anspruch auf Teile des künftigen Cash-flows im Falle einer Verbindlichkeit1246. Damit ist Fair Value Accounting wesentlich besser geeignet als herkömmliche Rechnungslegung, als Grundlage für Prognosen der künftigen Entwicklung zu dienen. Marktgängige Kapitalanlagen stellen einen Liquiditätsspeicher dar. Zeitwertveränderungen wirken daher wie eine Zunahme oder Abnahme liquider Mittel. Durch Fair Value Accounting werden sie auch als solche dargestellt1247. (3)

Reduzierung stiller Reserven

Zeitwertbilanzierung reduziert oder verhindert – wie oben geschildert – die Bildung stiller Reserven. Damit wird ein weiterer wichtiger Beitrag zur Steigerung des Informationswerts deutscher Jahresabschlüsse geleistet, da die gezielte Bildung stiller Reserven nach herkömmlichem deutschen Handelsbilanzrecht als größtes Hindernis informationsorientierter Rechnungslegung in Deutschland gilt. Die mit der Einführung von Zeitwertbilanzierung verbundene Aufdeckung der stillen Reserven wird von ihren Befürwortern daher 1248 auch besonders hervorgehoben . Gewinnglättungsmaßnahmen durch Sachverhaltsgestaltung und insbesondere durch Bildung und Auflösung stiller Reserven werden erheblich erschwert und eingeschränkt. Ergebnisse können nicht durch zeitliche Manipulation von Kapitalanlagedispositionen beeinflusst werden1249. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung auch nur für einen Teil der Posten in der Bilanz ist daher eine deutliche Verbesserung

1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248 1249

256

Ausführlich Willis, WPg 1998, 854. SFAS 133.221. S.o. D. II. 1. b), S. 186 ff. Statement by the Board of the IASC, Dec. 2000, N° 13; http://www.iasc.org.uk. Ebd. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 68. Schildbach, BFuP 1998, S. 580, 586 f. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 68.

der Produktion entscheidungsrelevanter Rechnungslegungsinformation im Interesse der Kapitalmarktteilnehmer. (4)

Vergleichbarkeit

Durch Zeitwertbilanzierung wird ferner die Vergleichbarkeit der Finanzlage verschiedener Unternehmen erhöht. Eine Bilanzierung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten erschwert den Vergleich bei ähnlichem Kapitalanlagebestand und unterschiedlichem 1250 Transaktionsverhalten . Andererseits ist gerade dieses unterschiedliche Transaktionsverhalten eine Tatsache, die gegebenenfalls von Interesse ist und deren Spiegelung im 1251 Jahresabschluss daher durchaus von Vorteil sein kann . Dementsprechend werden durch Zeitwertbilanzierung unterschiedliche Bilanzierungsansätze von Vermögensgegenständen mit wirtschaftlich gleichem Wert vermieden, die bei Bilanzierung zu historischen Anschaffungskosten aufgrund verschiedener Anschaffungszeitpunkte sonst entstehen. Dahinter steht ein Bedürfnis nach exakter Abbildung der fraglichen Vermögensgegenstände im Jahresabschluss, die zu historischen Anschaffungskosten insbesondere bei derivativen Finanzinstrumenten nicht möglich wäre. Dadurch soll auch die Vergleichbarkeit von Abschlüssen erhöht werden1252. Gleiche Vermögensgegenstände sollen mit gleichen Werten angesetzt werden. Der Ansatz zu historischen Kosten täuscht hier bei unterschiedlichen Einbringungszeitpunkten Wertdifferenzen vor, die tatsächlich nicht bestehen. (5)

Leistungskontrolle der Unternehmensführung („performance measurement“)

Fair Value Accounting führt auch zu einer erheblichen Verbesserung im Hinblick auf die Überprüfung der Management Performance einschließlich des Risikomanagements. Dies gelingt zunächst allein durch die Verbesserung der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen verschiedener Unternehmen ebenso wie des eigenen im Zeitablauf. Gleiches ist zum selben Zeitpunkt auch gleich zu bewerten. Gefördert wird dies ferner durch Einschränkung der Wahlrechte und Manipulationsmöglichkeiten bei der Bewertung, da nunmehr insbesondere der Zeitpunkt der Aufnahme in die Bilanz für die Bewertung keine Rolle mehr spielt. Darüber hinaus sind gerade auch Erfolg und Misserfolg im Geschäft mit Kapitalanlagen und beim Risikomanagement für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Unternehmensführung von Bedeutung. Da ohne Fair Value Accounting die Abbildung zahlreicher Finanzinstrumente im Jahresabschluss überhaupt nicht möglich ist, leistet dessen Einführung einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Informationsleistung von Rechnungslegung, indem auf diese Weise das Risikomanagement des Unternehmens und der Einsatz von Finanzinstrumenten aus dem Jahresabschluss heraus erst erkennbar werden. Die Offenlegung der tatsächlichen Wertentwick1250 Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 66. 1251 Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 66. 1252 Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 69 m.w.N.

257

lung im Bilanzierungszeitraum ermöglicht eine erheblich bessere Beurteilungsmöglich1253 keit der Kapitalanlagedispositionen des Managements . Damit wird den Investoren der Einblick in die Unternehmensführung ermöglicht und damit eine Beurteilung deren Leistungsfähigkeit1254. Über die Frage der stillen Reserven hinaus trägt Zeitwertbilanzierung somit ebenfalls zur Verbesserung des Informationswerts des Jahresabschlusses bei. Auf der Basis von Zeitwerten können beispielsweise Wertveränderungen im Kapitalanlagebestand von den Bilanzlesern als Leistung oder Fehlleistung des Managements interpretiert werden. Dies kann nicht nur ausschlaggebend sein für die Kapitalanlageentscheidung potentieller Aktionäre, sondern auch für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen 1255 . Damit aber werden die Interessen verschiedener Gruppen angesprochen und bedient. Beim Treffen einer Kapitalanlageentscheidung kommt es nicht mehr auf den Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital an; die Interessen der Gläubiger genießen denselben Schutz wie diejenigen der Aktionäre. (6)

Abbildung immaterieller Vermögenswerte und derivativer Finanzinstrumente

Die Einführung von Bilanzierung zum Zeitwert entspricht der wachsenden Bedeutung immaterieller Vermögensgegenstände. Zur Zeit der Einführung des Anschaffungskostenprinzips stammte der Großteil wirtschaftlicher Wertschöpfung aus materiellen Vermögensgegenständen wie Grund und Boden oder Maschinen (klassische „Old Economy“), während heute die Bedeutung materieller Vermögensgegenstände für die Wertschöpfung zugunsten von Wissen und Dienstleistung nachgelassen hat. Entsprechend hatten früher auch die Anschaffungskosten von Vermögensgegenständen eine höhere Aussagekraft für die Ertragskraft des Unternehmens. Regelungen, die wie SFAS 140 und 142 beispielsweise die Bilanzierung des derivativen Goodwills zum Fair Value vorsehen, versuchen diese Entwicklung aufzugreifen. Aufgrund der gesunkenen Bedeutung materieller Vermögensgegenstände für die Ertragslage des Unternehmens und der gleichzeitig weiter steigenden Bedeutung immaterieller Vermögenswerte erhöhen sich Betrag und Bedeutung des Goodwill in der Bilanz. Seine Bilanzierung erhöht daher die Aussagekraft des Jahresabschlusses hinsichtlich der Ertragskraft des Unternehmens und wirkt der Bildung stiller Reserven entgegen. Hinzu kommt, dass sich vielen der heute in nahezu allen Unternehmen verwendeten derivativen Finanzinstrumente überhaupt keine Anschaffungskosten zuordnen lassen. Bei Aktien wiederum sagen Anschaffungskosten überhaupt nichts aus über ihren tatsächlichen Wert. Zeitwerte verbessern dadurch die durch den Jahresabschluss vermittel-

1253 Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 69 m.w.N. 1254 Böcking, WPg 2001, 1433, 1438; zum Management Approach vgl. Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 7 ff. 1255 Zur Bedeutung der Offenlegung von Zeitwerten von Kapitalanlagen bei Versicherungsunternehmen für das Nachfrageverhalten der Versicherungsnehmer vgl. Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 73 ff.

258

te Information. Die Abbildung derivativer Finanzinstrumente im Jahresabschluss wird vereinfacht. Es können alle Finanzgeschäfte unter Beachtung des Einzelbewertungsgrundsatzes mit ihrem Marktwert angesetzt werden. Hierbei wird insbesondere die Bildung von Bewertungseinheiten überflüssig und damit auch das Problem der Abgren1256 zung dieser Bewertungseinheiten . Damit wird ein weiterer Unsicherheitsfaktor eliminiert, der zu Ergebnisverzerrungen führen kann. Die Informationen über den Fair Value sollen es den Bilanzlesern insbesondere erleichtern, die Finanzposition eines Unternehmens zu bestimmen und die mit den Finanzinstrumenten verbundenen Chancen und 1257 Risiken einzuschätzen . Der Jahresabschluss wird dadurch umfangreicher und detaillierter. Vermögenswerte, die für die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, für seine Wettbewerbsposition und Zukunftschancen wesentlich sind, werden erstmals aussagekräftig abgebildet. c)

Ausreichende Verlässlichkeit und Objektivität

Historische Kosten haben die Vermutung größerer Objektivität und Verlässlichkeit für sich. Fair Values hingegen sind als aktuellere Werte und Ausdruck des Wertes künftiger Cash-flows von höherer Entscheidungsrelevanz. Dies geht angefangen bei der Wahl der richtigen Ermittlungsmethode zu Lasten ihrer Objektivität. Strittig ist daher auch, ob für den Informationswert exakt zu ermittelnde und objektivierbare Werte nicht doch förderlicher sind als Werte, deren erhöhte Entscheidungsrelevanz mit Einschränkungen ihrer Verlässlichkeit und Objektivität erkauft werden muss. Es wurde bereits dargestellt, dass Zeitwerte sich mitnichten durch derart geringe Objektivität und Verlässlichkeit auszeichnen, dass sie zur Lieferung entscheidungsrelevanter Information unbrauchbar werden. Bei derivativen Finanzinstrumenten ist aufgrund ihres Zusammenhangs mit einem Basiswert die Berechnung ihres Fair Value anhand des Marktwertes ihres Basiswertes jederzeitig möglich1258. Die moderne Betriebswirtschaftslehre hat im Übrigen Methoden zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts auch solcher Vermögensgegenstände entwickelt, deren Wert sich nicht unmittelbar an einem Markt- oder Börsenpreis ablesen lässt („marking to model“)1259. Eine Überprüfung dieser Methoden daraufhin, dass die auf solche Weise ermittelten Werte auch tatsächlich ausreichend zuverlässig und objektiv sind, kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Die Annahme ausreichender Zuverlässigkeit und Objektivität von Zeitwerten ist jedenfalls betriebswirtschaftlich vertretbar1260.

1256 1257 1258 1259 1260

Herzig/Mauritz, BB 1997, Beilage 5 zu Heft 15, S. 8*. Böcking/Benecke, in: Ballwieser (Hrsg.), S. 193, 236. Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 60-62. S.o. C. II., S. 64 ff. Vgl. Herzig/Mauritz, BB 1997, Beilage zu Heft 15, 2*; Benecke, Internationale Rechnungslegung und Management Approach, S. 160 m.w.N. 1260 Moxter, FS Häuser, S. 257, 258; Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 74.

259

III.

Erhöhung des Ausschüttungsdrucks und Beschränkung derSelbstfinanzierungsfähigkeit

Durch die Verhinderung der Bildung stiller Reserven trägt Fair Value Accounting nicht nur zu einer verbesserten Information der Kapitalmarktteilnehmer bei, sondern erhöht auch gleichzeitig den Ausschüttungsdruck auf die Unternehmen. Der Ausschüttungsdruck entsteht zum einen als Folge verbesserter Information der Anleger, zu anderen aufgrund des durch Zeitwertbilanzierung veranlassten höheren Gewinnausweises. Nach herkömmlicher Auffassung in Deutschland soll dies aber gerade verhindert werden. Zur Verteidigung der stillen Reserven wird daher angeführt, dass „gläserne Taschen kaum verschlossen zu halten sind“ und daher bei Offenlegung der stillen Reserven durch Zeitwertbilan1261 zierung ein erhöhter Ausschüttungsdruck auf den Unternehmen lasten würde . Dieser wird für besonders schädlich gehalten und gefährde das Unternehmen in seinem gesunden Bestand; er mache es vielmehr sogar zum Spielball der eigennützigen Anlegerinteressen. Ein solcher Ausschüttungsdruck ist allerdings aus der Sicht moderner Corporate Governance-Theorie gerade erwünscht. Es ist natürlich zunächst im Interesse der Anteilseigner, dass sich ihre Investition in die Unternehmung durch Ausschüttungen bezahlt macht. Es konnte aber gezeigt werden, dass die Interessen der Anleger denjenigen des Unternehmens und der anderen Beteiligten an dieser Stelle nicht zuwiderlaufen. Ausschüttungen, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens übersteigen, sind auch nicht im Interesse der Anleger. Sie führen nur zu Schieflagen und ziehen unweigerlich sinkende Kurse nach sich. Eine angemessene Ausschüttungspolitik ist daher im Interesse aller Beteiligten und wird dementsprechend auch von den Märkten gefordert und gewürdigt1262. Indem ein auf Zeitwerten beruhender Jahresabschluss zu einem höheren Gewinnausweis führt und gleichzeitig auch detaillierter Aufschluss über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens gibt, trägt er gleichzeitig dazu bei, nicht nur den Ausschüttungsdruck zu erhöhen, sondern auch die Kontrolle über die Höhe des Ausschüttungsbetrages zu verbessern. Aufgrund dieser verbesserten Informationen wird der Kapitalmarkt in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob das Management die Höhe der auszuschüttenden Dividende angemessen festgesetzt hat. Ein wichtiges Element bei der Erzeugung und Ausübung des im Sinne optimaler Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt erforderlichen Ausschüttungsdrucks ist die Art und Weise der Ausschüttungsbemessung. Das amerikanische Modell, das bei für den Kapitalmarkt transparenter bilanzieller Gewinnermittlung die Festlegung der Ausschüttungshöhe von Handels- und Steuerbilanz abkoppelt und – weitgehend – allein in das Ermessen des Managements stellt, führt hier zu angemessenen Ergebnissen. Der Blick des Kapitalmarktes auf die „gläsernen Taschen“ übt einerseits den angemessenen Druck aus, vorhandene Gewinne auch auszuschütten und nicht im Unternehmen (versteckt) zu kumulieren, andererseits werden so gefährliche Automatismen vermieden und die Festlegung des auszuschüttenden Gewinns in angemessener Höhe erlaubt. Die Auf1261 Moxter, FS Häuser, S. 257, 258; Geib, Die Pflicht zur Offenlegung, S. 74. 1262 S.o. E. II. 1. b), S. 224 ff.

260

deckung stiller Reserven durch Zeitwertbilanzierung ermöglicht damit auch die Kontrolle der Dividendenentscheidung durch den Kapitalmarkt und garantiert einen gerechten Interessenausgleich. Durch die Verhinderung stiller Reserven und gleichzeitige Verbesserung der Information durch den Jahresabschluss trägt die Einführung von Zeitwertbilanzierung auch auf diesem Wege zu einer „guten Corporate Governance“ bei.

IV.

Flexibilisierung des Finanzmanagements

Die Einführung von Zeitwertbilanzierung im deutschen Einzelabschluss mit all ihren Konsequenzen führt in zweierlei Hinsicht zu einer deutlichen Erleichterung und Flexibilisierung des Finanzmanagements der betroffenen Unternehmen. Primär erleichtert die möglich gewordene Abbildung insbesondere derivativer Finanzinstrumente im Jahresabschluss deren Verwendung und erweitert so mit den Möglichkeiten der Kapitalbe1263 schaffung den finanziellen Spielraum der Unternehmen . Die geschilderten rechtlichen Konsequenzen tragen mittelbar ebenfalls zu dieser Erleichterung und Flexibilisierung bei. Indem Zeitwertbilanzierung zu einer Einschränkung, wenn nicht zur Abschaffung des Nennkapitalsystems und damit der Grundsätze von Kapitalaufbringung und -erhaltung führt, wird das starre Korsett des deutschen Aktienrechts im Interesse der internationalen 1264 Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gelockert . Diese Lockerung der Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften erleichtert und fördert nicht nur die Gründung von Aktiengesellschaften, sondern beispielsweise auch - sofern zulässig - den Erwerb eigener Aktien. Sie bietet damit den Unternehmen ein weiteres Spektrum an Handlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Kapitalbeschaffung und die Pflege des Aktienkurses ebenso wie beispielsweise die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg über die Ausgabe eigener Aktien oder Stock Option-Pläne1265.

V.

Zwischenergebnis

Die Einführung von Zeitwertbilanzierung ist mithin ein wesentlicher Beitrag zu einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung und wird damit selbst zu einem Element „guter Corporate Governance“. Zeitwertbilanzierung erlaubt nicht nur erstmals den Ansatz zahlreicher Finanzinstrumente in der Bilanz, sie fördert damit gleichzeitig auch deren Verwendung. Denn problemlos verwendbar ist nur, was auch problemlos bilanzierbar ist. Gerade im Interesse eines guten Risikomanagements, das ein zentrales Element guter Corporate Governance bildet, ist der Einsatz moderner Finanzinstrumente unverzichtbar. Der Einsatz innovativer Finanzinstrumente erleichtert ferner die Finanzierung von Übernah1263 Vgl. bereits oben F. I. 3., S. 240. 1264 Kübler, Aktie, S. 55 f.; Bauer, Gläubigerschutz durch eine formelle Nennkapitalziffer, S. 336. 1265 Vgl. die heute schon bestehende Privilegierung der Mitarbeiter beim aktienrechtlichen Kapitalschutz in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG.

261

men und fördert damit einen aktiven und funktionierenden Kapitalmarkt, der in der Lage ist, die ihm zugedachte Kontrollfunktion insbesondere über den Market for Corporate Control auch tatsächlich auszuüben. Trotz aller Grenzen, die der Information des Kapitalmarktes durch Rechnungslegung gezogen sind, spielt Rechnungslegung eine herausragende und als solches auch empirisch nachweisbare Rolle bei der Versorgung der Kapitalmarktteilnehmer mit entscheidungsrelevanter Information. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung wiederum leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Aussagekraft von Rechnungslegung. Die Steigerung des Informationswerts von Rechnungslegung durch Fair Value Accounting ermöglicht eine effizientere Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Kapitalmarkt. Im Gegensatz zur Bilanzierung auf der Basis historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten liefert zeitwertorientierte Rechnungslegung Daten, die geeignet sind, als Grundlage kompetenter Entscheidung zu dienen. Die damit verbundene Erhöhung des auf den Unternehmen lastenden Ausschüttungsdrucks und die Flexibilisierung des Finanzmanagements durch Verwendbarkeit dank Bilanzierbarkeit zahlreicher Finanzinstrumente einerseits und die mit Zeitwertbilanzierung verbundene Einschränkung des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes andererseits sind weitere Beiträge zu einer wirksamen Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt und zu einem System moderner und „guter“ Corporate Governance. Dies ist ein großer Schritt in Richtung effizienterer Kapitalmärkte und effizienterer Unternehmens(leiter)kontrolle durch die Kapitalmärkte. Zeitwertbilanzierung ist damit ein wesentlicher Bestandteil „guter Corporate Governance“.

262

G.

Zusammenfassung, Einschränkungen und Ausblick

Der Begriff „Corporate Governance“ dominiert seit einigen Jahren die Diskussion zur Reformierung des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts auch in Deutschland. Markstein dieser Reformbemühungen ist der Deutsche Corporate Governance Kodex der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“1266, der auf dem Bericht der Regie1267 aufbaut. Unter Corporate Governance versteht rungskommission Corporate Governance man die Führung und Steuerung eines Unternehmens sowie die Kontrolle und Überwachung dieser Führung. Die Kontrolle und Überwachung der Unternehmensführung betrifft zunächst insbesondere Fragen der Wahrung und Durchsetzung der Rechte der Aktionäre. Dieses System gilt es im Interesse des Shareholder Value zu optimieren. Der Shareholder Value wird damit zum Leitmotiv „guter Corporate Governance“ und zu einem zentralen Aspekt bei der Ausgestaltung moderner Corporate Governance-Regeln. Die Wahrung und Durchsetzung der Rechte der Aktionäre gestaltet sich aber schwierig, da in den großen börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften mit breiter Streuung des Anteilbesitzes das wirtschaftliche Eigentum zwar in den Händen der Aktionäre liegt, die Kontrolle über das Unternehmen aber von angestellten Managern ausgeübt wird. Angesichts dieses Phänomens der Trennung von Eigentum und Kontrolle besteht ein erheblicher Bedarf, die Rechte der Aktionäre gegenüber der Unternehmensführung zu sichern und durchzusetzen, nicht zuletzt um eine Shareholder Value-orientierte Unternehmenssteuerung zu gewährleisten. Neben den „klassischen“ gesellschaftsrechtlichen Instrumenten können die Kräfte des Kapitalmarktes theoretisch Druck auf die Unternehmensleitung ausüben und damit ergänzend zur Sicherung der Aktionärsrechte gegenüber dem Management herangezogen werden. Unternehmens(leiter)kontrolle in diesem Sinne erfolgt sowohl durch den Primärmarkt als auch durch den Sekundärmarkt. Auf dem Primärmarkt wird eine gute Unternehmensführung durch die Bereitstellung von Eigenkapital seitens des Kapitalmarktes belohnt. Will sich diese des Kapitalmarktes zur Finanzierung von Projekten bedienen, muss sie das Projekt und ihre eigene Leistungsfähigkeit dem Urteil des Marktes unterwerfen, der nur Kapital bereitstellt, wenn er Vertrauen in die Qualität des Managements und seiner Vorhaben besitzt. Auf dem Sekundärmarkt übt bereits die Entwicklung des Aktienkurses Druck und Kontrolle über das Management aus. Der im Aktienkurs ausgedrückte Erfolg des Unternehmens kann als Indiz für die Qualität der Unternehmensführung angesehen werden und hat damit gleichzeitig indizielle Bedeutung bei der Beurteilung des Managements durch den (Arbeits-) Markt für Manager. Die entscheidende Kontrollfunktion wird aber ausgeübt durch den Markt für Unternehmenskontrolle („market for corporate control“). Auf dem Markt für Unternehmenskontrolle konkurrieren die Manager börsennotierter Aktiengesellschaften um Führung und Kontrolle dieser Unternehmen. Die Überwachung des Unternehmens und seiner Füh1266 http://www.corporate-governance-code.de. 1267 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance.

263

rung wird dabei gewährleistet durch die drohende Gefahr feindlicher Übernahmen und den damit verbundenen Austausch des Managements der übernommenen (Ziel-)Gesellschaft durch dasjenige des Übernehmers. Bei einem unterstellten Zusammenhang zwischen Leistung des Managements einer börsennotierten Aktiengesellschaft und deren Aktienkurs wird ein Unternehmen zum Übernahmekandidaten, wenn sein Aktienkurs aufgrund schlechter „Management Performance“ so weit sinkt, dass seine Übernahme durch ein anderes, besser geführtes Unternehmen rentabel erscheint. Auf diese Weise wird ein auf der Unternehmensleitung lastender Wettbewerbsdruck erzeugt, der diese veranlasst, im Interesse der Aktionäre zu handeln, um ein Sinken des Aktienkurses und die damit verbundene Gefahr einer Übernahme zu verhindern. Voraussetzung für eine wirksame Unternehmens(leiter)kontrolle durch die Kapitalmärkte in diesem Sinne ist deren Effizienz. Nur in einem funktionierenden und effizienten Kapitalmarkt, den die Unternehmen auch tatsächlich zur Finanzierung in Anspruch nehmen (müssen), spiegelt der Aktienkurs auch tatsächlich den Wert des Unternehmens unter seinem gegenwärtigen Management wider. Deshalb kommt der Information des Kapitalmarktes eine entscheidende Bedeutung zu, denn der Zusammenhang zwischen Managementleistung und Aktienkurs setzt voraus, dass die Anleger auf dem Kapitalmarkt wohlinformierte Entscheidungen treffen können. Transparenz und Publizität stehen daher im Zentrum sämtlicher Überlegungen zur Verbesserung von Corporate Governance. Dies gilt für den Deutschen Corporate Governance Kodex und das Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung vom Februar 2003 ebenso wie für den Aktionsplan der EU1268 Kommission. . Als wesentlicher Bestandteil der Unternehmenspublizität spielt informationsorientierte Rechnungslegung damit bei der Unternehmenskontrolle eine zentrale 1269 Rolle . Die Forderung nach einer grundlegenden Reformierung der Rechnungslegung insbesondere zur Verbesserung ihrer Informationsleistung ist daher auch ein Kernpunkt der Corporate Governance-Debatte1270. Die Corporate Governance-Diskussion ist daher von den Modernisierungsbemühungen im Bereich der Rechnungslegung nicht zu trennen. Ziel der Reformierung der Rechnungslegung wiederum ist heute vor allem ihre internationale Harmonisierung im Interesse einer größeren Vergleichbarkeit der Abschlüsse international operierender und internationale Kapitalmärkte in Anspruch nehmender Unternehmen für die Anleger. Internationale Harmonisierung kann jedoch gleichgesetzt werden

1268 Die Überlegungen der Bundesregierung und der EU-Kommission werden ferner getragen von der im Sarbanes-Oxley-Act of 2002 zum Ausdruck gekommenen Überzeugung des USamerikanischen Gesetzgebers von der Bedeutung verlässlicher Unternehmensinformation für den Kapitalmarkt. Ebenso OECD (Hrsg.), White Paper on Corporate Governance in South East Europe, S. 33. 1269 Jedenfalls für den Konzernabschluss wird daher die Anwendung international anerkannter und informationsorientierter Rechnungslegungsstandards als Bestandteil guter Corporate Governance gefordert, vgl. Deutscher Corporate Governance Kodex, Ziff. 7.11. 1270 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Tz. 266; in diesem Sinne sprechen sich auch die Corporate Governance-Grundsätze der meisten großen institutionellen Investoren insbes. aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten aus, siehe dazu die Fundstellen bei Fn. 1221.

264

mit der Angleichung nationaler Rechnungslegungsvorschriften an die US-GAAP oder die IFRS. In diesen international maßgeblichen Rechnungslegungssystemen ist mit der zunehmenden Bedeutung innovativer Finanzinstrumente das Fair Value Accounting, die Bilanzierung zum beizulegenden Zeitwert, auf dem Vormarsch. So sehen die derzeitigen Standards der US-GAAP ebenso wie der IFRS vor, verschiedene Vermögensgegenstände und Schulden in der Bilanz nicht mit ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern mit ihrem Fair Value, ihrem Markt- oder Zeitwert am Abschlussstichtag, anzusetzen. In einer auf einem Richtlinienentwurf der Kommission vom Februar 2000 beruhenden Richtlinie sieht nunmehr auch der europäische Gesetzgeber die Einführung von Zeitwertbilanzierung für bestimmte Finanzinstrumente vor. Das Bedürfnis nach Einführung von Zeitwertbilanzierung entstand zunächst mit dem Aufkommen innovativer, insbesondere derivativer Finanzinstrumente. Diese waren mit den herkömmlichen Bilanzierungsgrundsätzen in der Bilanz in Bezug auf ihre Verwendung im Unternehmen, ihr Risiko und ihren Wert nicht adäquat abzubilden. In vielen Fällen sind diese Finanzinstrumente schwebende Geschäfte, so dass ihnen mangels Bestätigung durch einen Umsatzakt ein Wert auf der Basis historischer Kosten noch überhaupt nicht beigelegt werden kann. Erst durch Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert können diese Elemente überhaupt in die Bilanz aufgenommen werden. Anders als bei der herkömmlichen Bewertung mit den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten hat der zu bilanzierende Wert bei der Zeitwertbewertung (noch) keine Bestätigung durch einen Umsatzakt gefunden. Damit gelangt ein gewisses hypothetisches Element in die Bewertung und Bilanzierung. Solange für den zu bilanzierenden Vermögensgegenstand der Markt- oder Zeitwert an einem Markt- oder Börsenkurs abgelesen werden kann, ist seine Ermittlung unproblematisch. Existiert ein notierter Markt- oder Börsenpreis hingegen nicht, muss der beizulegende Zeitwert anhand von Modellrechnungen ermittelt werden. Die neuere Betriebswirtschaftslehre hat allerdings inzwischen Methoden entwickelt, um den beizulegenden Zeitwert für zahlreiche Vermögensgegenstände, insbesondere aber für Finanzinstrumente, hinreichend objektivierbar und zuverlässig zu bestimmen. Inzwischen haben sowohl US-GAAP als auch IFRS den Anwendungsbereich von Zeitwertbilanzierung erheblich ausgedehnt. Neben Finanzinstrumenten werden neuerdings zahlreiche derjenigen Vermögensgegenstände und Schulden zum Zeitwert bilanziert, die im Begriffe sind, umgesetzt zu werden beziehungsweise deren Wert für das Unternehmen besser durch seinen Zeitwert als durch seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgedrückt wird. Insbesondere kommt es darauf an, den Ertragswert beziehungsweise die künftigen Cash-flows, die der fragliche Vermögensgegenstand generieren kann oder wird, in der Bilanz abzubilden. Veränderungen des Fair Value „marktnaher“ Vermögensgegenstände, die jedenfalls realisierbar sind, können dabei im Einzelfall auch gewinnwirksam bilanziert werden. Solche Gedanken sind indes nicht wirklich neu. Ansätze von Zeitwertbilanzierung lassen sich sowohl bei den „klassischen“ Bilanztheorien nachweisen als auch im HGB. Neu ist allerdings, dass Zeitwerte nicht mehr mit dem Ziel der Substanzer-

265

haltung verbunden werden, sondern mit der Darstellung insbesondere innovativer Finanzinstrumente im Jahresabschluss, mit dem Sichtbarmachen künftiger Cashflows und damit der Verbesserung der Information der Kapitalmärkte durch Rechnungslegung, insbesondere mit einer Steigerung der Entscheidungserheblichkeit von Rechnungslegungsinformation. Mit der Einführung von Zeitwertbilanzierung verfolgen die Standardsetter mithin den Zweck, die Aussagekraft von Jahresabschlüssen zu erhöhen, insbesondere der wachsenden Bedeutung innovativer Finanzinstrumente gerecht zu werden. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung auch für den deutschen handelsrechtlichen Einzelabschluss ist zwar noch nicht unmittelbar vorgesehen, deutet sich aber in der Entwicklung des Rechts der Rechnungslegung an. Auf Dauer ist es weder möglich noch sinnvoll, in Konzern- und Einzelabschluss unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsgrundsätzen zu folgen. Allerdings hätte die Einführung von Zeitwertbilanzierung im Einzelabschluss bei einem Festhalten am Einheitsabschluss erhebliche Auswirkungen auf das deutsche Recht und die herkömmlichen Regeln der Corporate Governance in Deutschland. Dies beruht auf der engen Verknüpfung des Kapitalgesellschafts- und des Steuerrechts mit dem Handelsbilanzrecht, insbesondere über den Begriff des in der Handelsbilanz ausgewiesenen Jahresüberschusses bzw. über den Maßgeblichkeitsgrundsatz. Das deutsche Handelsbilanzrecht beruht traditionell auf den Prinzipien der Vorsicht und der Objektivität. Daraus wird als Hauptaufgabe der Handelsbilanz und des Jahresabschlusses die Ermittlung eines unbedenklich ausschüttbaren Gewinns abgeleitet. Hauptsächlicher Schutzzweck des Handelsbilanzrechts ist damit nach traditioneller Auffassung der Gläubigerschutz. Die Einführung von Fair Value Accounting im deutschen Einzelabschluss ist mit dem Vorsichtsprinzip unvereinbar. Damit wird die Ausschüttungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses zurückgedrängt und die Informationsfunktion rückt in den Mittelpunkt. Der Gläubigerschutz gilt de lege lata auch im Aktienrecht als zentraler Schutzzweck der gesetzlichen Regelung. Das deutsche Recht versucht den Gläubigerschutz durch die Grundsätze von Aufbringung und Erhaltung des nominellen Grundkapitals zu gewährleisten. Dem dient insbesondere die Beschränkung des Ausschüttungsanspruchs der Gesellschafter auf den in der Handelsbilanz ermittelten Gewinn. Damit werden Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung beziehungsweise Gewinnverwendung gleichgesetzt. Indem Zeitwertbilanzierung das Vorsichtsprinzip durchbricht, durchbricht sie auch das Prinzip der Kapitalerhaltung durch Beschränkung der Ausschüttung auf den vorsichtig ermittelten Gewinn laut Handelsbilanz. Damit wird das Gläubigerschutzsystem von Aktien- und Handelsbilanzrecht nachhaltig erschüttert. Die Einführung von Zeitwertbilanzierung bietet somit Anlass, das System des Gläubigerschutzes durch Kapitalerhaltung und vorsichtige Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung zu überprüfen und den Erfordernissen moderner Corporate Governance und informationsorientierter Rechnungslegung anzupassen. Damit beschwört Zeitwertbilanzierung zunächst einen Paradigmenwechsel im Handelsbilanzrecht herauf. Indem statt objektivierbarer, vorsichtig ermittelter Werte mit den Zeitwerten weniger objektivierbare, aber (entscheidungs-)relevantere Werte zum Ansatz

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in der Bilanz kommen, wird ein Wechsel von der Ausschüttungsbemessungs- zur Informationsfunktion des Jahresabschlusses gefördert. Eine entsprechende Entwicklung haben die US-GAAP bereits vollzogen. Wie die IFRS dienen sie der Information der Kapitalmarktteilnehmer, der Anleger und Aktionäre. Die Information muss geeignet sein, als Grundlage ökonomisch vernünftiger Entscheidungen dienen zu können („decision usefulness”). Zeitwertbilanzierung fördert damit eine Hinwendung des Rechnungslegungsrechts zum Kapitalmarkt. Wenn der Jahresabschluss aber nur der Information und nicht mehr der Ausschüttungsbemessung dient, kann sich die aktienrechtliche Kapitalerhaltung nicht mehr auf ihn stützen. Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung wären voneinander zu trennen. Gleichzeitig steht die Ausrichtung des Aktienrechts an Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung einer Öffnung des deutschen Rechts für die Bedürfnisse des Kapitalmarktes sowohl im Bilanz- als auch im Gesellschaftsrecht im Wege. Denn das Gläubigerschutzsystem durch Kapitalerhaltung hat sich nicht bewährt; die Konzentration von Aktien- und Bilanzrecht auf den Gläubigerschutz 1271 entspricht auch nicht den Bedürfnissen der Kapitalmärkte . Der Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung ist vielmehr kontraproduktiv und ein Hemmschuh jeder Flexibilisierung des Aktienrechts. Die Diskussion über die Themen „Corporate Governance“ und „Shareholder Value“ belegt, dass auch das deutsche Aktienrecht einer stärkeren Orientierung an den Interessen der Kapitalmärkte und damit der Anleger bedarf. Eine moderne, auf die Förderung effizienter Kapitalmärkte und den Schutz der Anleger und nicht nur einseitig auf den Gläubigerschutz gerichtete, „gute Corporate Governance“ bietet sich damit alternativ als modernes System des Interessenausgleichs in der Publikumsaktiengesellschaft an, denn aufgrund der Wirkungsweise der eingangs beschriebenen Kontrollmechanismen sind Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht geeignet, neben das Gesellschaftsrecht und seine Institutionen zu treten und es zu ergänzen. Die Kontrolle der Unternehmensleitung durch den Kapitalmarkt funktioniert auch in der Praxis. Der Zusammenhang zwischen Rechnungslegungsinformation und Aktienkurs gilt jedenfalls als empirisch belegt. Selbst in Deutschland ist der Kapitalmarkt in der Lage, in gewisser Weise Kontrollfunktionen auszuüben. Diese Fähigkeit muss gestärkt und gefördert werden. Unter dem Gesichtspunkt des Shareholder Value besteht darüber hinaus ein weitgehender Gleichklang der Interessen von Anteilseignern, Gläubigern und anderen Beteiligten. Eine Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt, die sich an den Interessen der Anteilseigner ausrichtet, dient gleichzeitig auch anderen Interessenten, insbesondere den Gläubigern. Der Shareholder Value-Gedanke wirkt dabei als alle Interessen verbindende Klammer, da eine positive Entwicklung des Unternehmens letztlich allen Beteilig1271 Entsprechend soll dieses System auf europäischer Ebene mittelfristig überprüft werden und langfristig gegebenenfalls ein alternatives System, in dem jeder Dividendenzahlung und sonstigen Ausschüttung zumindest eine Solvenzprüfung vorauszugehen haben würde, in die 2. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie aufgenommen werden. Die Abschaffung des Mindestkapitalsystems beziehungsweise die Zulassung alternativer Systeme ist daher auf EU-Ebene auf lange Sicht nicht mehr auszuschließen. KOM (2003), 284, S. 21.

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ten zugute kommt. „Gute Corporate Governance“ wirkt damit zum Vorteil aller am Unternehmen Interessierten, einschließlich Eigentümern, Mitarbeitern, Kunden und Öffent1272 lichkeit . Die Gleichrichtung der Interessen von Gläubigern und Anteilseignern wird ferner dadurch gefördert, dass sich die Märkte für Eigen- und Fremdkapital immer weiter angleichen. Die Ausgestaltung von Eigenkapital- und Fremdkapitalinstrumenten nähert sich an. Der Markt für Fremdkapital übt eine dem Markt für Eigenkapital vergleichbare Unternehmens(leiter)kontrolle aus. Die Kapitalmärkte und die durch sie vermittelte Beaufsichtigung und Kontrolle der Unternehmensleitung sind auch in der Lage, die Festsetzung angemessener Ausschüttungsbeträge zu garantieren. Die Bemessung des ausschüttungsfähigen Gewinns anhand eines unter Beachtung von Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung ermittelten Bilanzgewinns wird damit obsolet. Daher ist eine moderne Corporate Governance im Sinne anlegerorientierter Unternehmens(leiter)kontrolle geeignet, als ein System des umfassenden Interessenausgleichs aller an der Unternehmung Beteiligten an die Stelle des herkömmlichen, vom Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung beherrschten Lehrgebäudes zu treten. Das Verhältnis von Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Bilanzrecht ist entsprechend neu zu bestimmen. Eine solche moderne Unternehmens(leiter)kontrolle wird durch die Einführung von Zeitwertbilanzierung nicht nur aufgrund ihrer Kollision mit dem herkömmlichen Schutz- und Interessenausgleichssystem angestoßen, sondern auch erheblich gefördert. Die externe Rechnungslegung lässt sich in den Dienst einer kapitalmarktorientierten Unternehmensführung stellen, wenn sie nicht mehr primär der Bemessung des ausschüttungsfähigen Gewinns verpflichtet ist, sondern der fairen Information der Kapitalmarktteilnehmer dient1273. In einem kapitalmarktorientierten System dient Rechnungslegung dazu, die Kapitalmarktteilnehmer mit Informationen zu versorgen, die für die zu treffenden Anlageentscheidungen entscheidungsrelevant sind. Rechnungslegung auf der Basis von Zeitwerten liefert den Kapitalmarktteilnehmern diesbezüglich relevantere Informationen als eine solche auf der Basis historischer Anschaffungskosten. Zeitwertbilanzierung erweitert darüber hinaus die Möglichkeiten der Unternehmen beim Einsatz innovativer Finanzinstrumente. Durch die Möglichkeit der Bilanzierung solcher Instrumente erweitert sich auch der Rahmen ihrer Anwendung. Gleichzeitig garantiert Zeitwertbilanzierung eine bessere Risikoeinschätzung des Einsatzes von Finanzinstrumenten. Damit wird zugleich ein weiterer erheblicher Beitrag zur Verbesserung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses geleistet. Fair Value Accounting erhöht ferner die Vergleichbarkeit verschiedener Unternehmen und ihres Managements. Das Finanz- und Risikomanagement des Unternehmens wird der direkten Beurteilung durch die Märkte ausgesetzt. Gleichzeitig erhöht Zeitwertbilanzierung die Effizienz der Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt, indem durch Aufdeckung der stillen Reserven die Selbstfinanzierungsfähigkeit der Unternehmen eingeschränkt wird. Dadurch sind die Unterneh1272 So auch Strenger, DStR 2001, 2225, ohne dies allerdings näher zu begründen. 1273 Busse von Colbe, WPg 1995, 713, 714.

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men und ihr Management für die Beschaffung von Finanzmitteln auf die Beurteilung durch die Märkte angewiesen. Durch die Einbeziehung auch von nicht realisierten Wertsteigerungen in den ausgewiesenen Gewinn wird dieser erhöht. Damit wird zusätzlicher Druck auf die Unternehmen ausgeübt, die Anteilseigner durch Ausschüttungen daran zu beteiligen. Der Druck der Kapitalmärkte auf die Unternehmensleitung, im Interesse der Kapitalgeber zu handeln, erhöht sich. Schließlich führt der Abbau der strengen Kapitalschutzvorschriften als Folge der Einführung von Zeitwertbilanzierung zu einer Flexibilisierung des Finanzmanagements und dadurch ebenfalls zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, mithin zu verbesserter Corporate Governance aufgrund effizienterer Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt. An dieser Stelle seien jedoch nochmals die rechtlichen und faktischen Grenzen der Information durch Rechnungslegung betont. Zwar bringt Zeitwertbilanzierung eine erhebliche Verbesserung der Produktion entscheidungsrelevanter Rechnungslegungsinformationen mit sich, der Aussagekraft eines jeden Jahresabschlusses sind aber Grenzen gesetzt, die auch die Bewertung zum Zeitwert nicht oder zumindest nicht vollständig überwinden kann. Rechtlich muss die Grenze von Zeitwertbilanzierung wie jeder Informationsbereitstellung dort gezogen werden, wo existentielle Interessen des Unternehmens selbst berührt werden und weitergehende Information geeignet ist, das Unternehmen beispielsweise in Wettbewerbsposition oder Bestand zu gefährden. Die Rechte der Anleger auf Information seitens des Unternehmens können nicht weiter gehen als diejenigen der Aktionäre gemäß § 131 AktG. Diese rechtlichen Grenzen sind neben den dargestellten faktischen Grenzen der Information durch Rechnungslegung zu beachten. Sicherlich ist ein auf Zeitwertbilanzierung basierendes Rechnungslegungssystem auch im Übrigen nicht perfekt. So bleiben beispielsweise auch in einem solchen Rechnungslegungssystem Wahlrechte bestehen, welche die Aussagekraft und Entscheidungsrelevanz der Rechnungslegungsin1274 formation beschränken . Kritiker führen weiter an, dass bei einer konsequenten Zeitwertbilanzierung auch der Passiva des Unternehmens die Information der Bilanzleser erheblich schwächer ist als bei der herkömmlichen Bilanzierung zu historischen Kosten. So würde bei nachlassender Kreditwürdigkeit des Unternehmens der Zeitwert seiner Ver1275 pflichtungen sinken und damit zu einem erhöhten Eigenkapitalausweis führen . Dem könnte m.E. allerdings durch eine Aktivierung des Goodwills des Unternehmens begegnet werden. Der in einer solchen Situation sinkende Wert des Goodwills des Unternehmen könnte dann den Eigenkapitalzuwachs aufgrund des gesunkenen Wertes der Verpflichtungen kompensieren. Nicht zuletzt um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, kann und soll jedoch ein in jeder Hinsicht stimmiges Rechnungslegungssystem an dieser Stelle nicht entwickelt werden. Die Ergebnisse und Aussagen dieser Arbeit dürfen im Übrigen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Unternehmens(leiter)kontrolle durch den Kapitalmarkt nur ein Mosaik1274 Vgl. dazu aus der jüngeren Literatur z.B. Engel-Ciric, DStR 2002, 780; Euler, BB 2002, 875, 878 f., jeweils m.w.N. 1275 Vgl. dazu Kahle, KoR 2002, 95, 99 f.

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stein eines Systems „guter Corporate Governance“ ist, und die vordergründige „compliance“ mit einem Corporate Governance-Kodex noch keine Garantie für die tatsächliche 1276 . RechUmsetzung dieser Grundsätze im Unternehmen darstellt und umgekehrt nungslegung wiederum stellt ebenfalls nur einen Teilaspekt dar; mit ihren Implikationen für die Unternehmens(leiter)kontrolle aber auch für die Unternehmenssteuerung und -führung ist sie ein wichtiger Baustein. Allein, Rechnungslegung kann die Informationsversorgung des Kapitalmarktes nicht alleine leisten. Sie bedarf der Ergänzung durch Transparenz, Publizität und Abschlussprüfung 1277 . Die Informationen in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung müssen ferner ergänzt werden durch Anhang, Lagebericht und andere Wege zusätzlicher qualifizierter Informationsvermittlung1278. Zur Beurteilung eines Unternehmens und der Performance seines Managements bedarf es schließlich auch sogenannter „non-financial information“; Rechnungslegungsinformation ist lediglich ein Teilaspekt. Es liegt auf der Hand, dass ein solches, auf der Information des Kapitalmarktes durch die Unternehmen beruhendes System nur funktionieren kann, wenn es durch rechtliche Sanktionen abgesichert ist1279. Wenn Information dazu geeignet sein soll, Entscheidungen vorzubereiten und damit auch das Vertrauen der Anleger zu stärken, dann ist auch durch Kontrolle und die Androhung und Ausführung von Sanktionen dafür Sorge zu tragen, dass die gelieferten Informationen verlässlich sind und die Unternehmen ihren 1280 Informationspflichten tatsächlich nachkommen . Trotz all dieser sicherlich berechtigten Einschränkungen bietet die konsequente Einführung von Zeitwertbilanzierung im deutschen Recht die Chance, das Gesamtgefüge von Bilanz- und Gesellschaftsrecht den Anforderungen der internationalen Kapitalmärkte entsprechend umzugestalten. Die Zusammenhänge zwischen Aktien- und Bilanzrecht bewirken, dass eine konsequente „Internationalisierung“ des handelsrechtlichen Einzelabschlusses zwangsläufig eine „Amerikanisierung“ des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts nach sich ziehen muss. Weil die Internationalisierung der Rechnungslegung eine Flexibilisierung des Aktienrechts und damit aber auch eine Einschränkung des herkömmlichen aktienrechtlichen Schutzsystems mit sich bringt, wird es erforderlich werden, sich wie in den Vereinigten Staaten des Kapitalmarktes und des Kapitalmarktrechts zu bedienen, um ein angemessenes Schutzniveau aufrechterhalten zu können. Nur auf den ersten Blick ginge dies zu Lasten des Gläubigerschutzes. Eine „Good Corporate Governance“ 1276 Vgl. FAZ – Wirtschaft vom 11.6.2002, S. 13: „Braucht der ehrbare Kaufmann die Corporate Governance?“ 1277 Ebke, Vorwort zu MüKo-HGB, Bd. 4, S. IX; ders., in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), S. 7, 24 f.; s.o. unter Fn. 153; nicht zuletzt im Sarbanes-Oxley-Act of 2002 hat sich die Bedeutung und das Zusammenspiel dieses Dreiklangs erneut manifestiert. 1278 Euler, BB 2002, 875, 880. 1279 Kübler, ZGR 2000, 550, 558; vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Tz. 277 f.; dies wird vom US-amerikanischen Gesetzgeber im Sarbanes-Oxley-Act of 2002 konsequent umgesetzt. 1280 Dazu Wüstemann, BB 2002, 718; zur Durchsetzung von Corporate Governance-Regeln allgemein vgl. Ehrhardt/Nowak, AG 2002, 336.

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dient den Interessen aller Beteiligten im Unternehmen und ist daher dem einseitigen Vorrang des Gläubigerschutzes traditioneller Prägung überlegen. Gleichzeitig kann nur auf diese Weise die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und des Finanzplatzes Deutschland auch in der Zukunft gewährleistet werden. Denn Märkte machen 1281 heute Recht . Aufgrund der überragenden Bedeutung der US-amerikanischen Kapitalmärkte und des damit verbundenen Drucks der internationalen Finanzwelt ist eine Amerikanisierung unseres Corporate Governance-Systems daher unausweichlich. Es ist deshalb die Aufgabe von Wissenschaft und Praxis in Deutschland, sich die Diskussion um die Reformierung und Internationalisierung der Rechnungslegung nutzbar zu machen für eine konsequente Modernisierung des deutschen Bilanz-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts. Nur so erhält der Finanzplatz Deutschland und mit ihm die deutschen Unternehmen die Chance, auch in Zukunft international wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland haben aber auch Gesetzgeber wie Unternehmen begründeten Anlass, das Thema „Corporate Governance“ und mit ihm die Internationalisierung der Rechnungslegung beherzt und mit besonderem Nachdruck anzugehen1282. Angesichts des Scheiterns der herkömmlichen staatlichen Fürsorgekonzepte hat die Entwicklung eines leistungsfähigen und funktionstüchtigen Kapitalmarktes darüber hinaus auch eine soziale Komponente. Die Förderung privater Altersvorsorge wird zur sozialpolitischen Notwendigkeit und damit die Schaffung eines ausreichend tiefen und diversifizierten Kapitalmarktes, auf dem eine solche private Altersvorsorge überhaupt erst möglich ist. Die Entwicklung des Kapitalmarktes und die Stärkung des Anlegerschutzes dienen daher nicht nur den großen Publikumsaktiengesellschaften und „Global Players“, sondern gerade auch dem deutschen Kleinanleger, der künftig mehr denn je auf den Kapitalmarkt angewiesen sein wird.

1281 Vgl. Ebke, FS Lutter, S. 17, 30. 1282 Ähnlich Strenger, DStR 2001, 2225, 2228.

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