Thermische Verfahrenstechnik: Band 1 Eigenschaften und Verhalten der realen Stoffe [Reprint 2019 ed.] 9783111361703, 9783111004440


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Table of contents :
Inhalt des ersten Bandes
Inhalt des zweiten Bandes
Inhalt des dritten Bandes
Einleitung
I. Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe
II. Thermodynamik der Gemische
III. Thermodynamik der irreversiblen Prozesse
Literatur
Namen- und Stichwort-Register
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Thermische Verfahrenstechnik: Band 1 Eigenschaften und Verhalten der realen Stoffe [Reprint 2019 ed.]
 9783111361703, 9783111004440

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SAMMLUNG GÖSCHEN BAND

1209/1209a

THERMISCHE VERFAHRENSTECHNIK TOD

DR. H E R B E R T

B O C K

I EIGENSCHAFTEN DER

U N D

REALEN

VERHALTEN

STOFFE

Mit 28 Abbildungen

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . T r ü b n e r • Veit & Comp. BERLIN

1963

© Copyright 1963 by W a l t e r de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner-Veit 81 Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, einsdil. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr. 7980637. — Satz und Druck: Hildebrandt & Stephan, Berlin 61. — Printed in Germany.

Inhalt des ersten Bandes Eigenschaften und Verhalten der realen Stoffe Seite

Einleitung I. Thermodynamik der reinen (u. einfachen) Stoffe 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

Zustand und Zustandsgröße Druck Volumen und Dichte Gesetz von Boyle-Mariotte Temperatur Thermische Zustandsgieichung u. Zustandsdiagramme Theorem der korrespondierenden Zustände Größen, Maßeinheiten und Dimensionen Arbeit Wärmemengen und I. Hauptsatz Kalorische Eigenschaften der realen Stoffe, Messung u. Deutung Zustandsänderungen Entropie Umwandlungen zwischen Wärme u. Arbeit in Kreisprozessen Arbeitsfähigkeit Gleichgewicht und II. Hauptsatz Dampfmaschine i. h-s-, Kältemaschine i. h-log p-Diagramm Methoden der klassischen Thermodynamik Struktur der kondensierten Phasen Umwandlungswärme u. -Entropie Clausius-Clapeyron'sche Gleichung

II. Thermodynamik der Gemische 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

Konzentrationsmaße Enthalpie und Volumen von Gemischen Aktivität Arbeitsfähigkeit und Entropie von Gemischen Bezugssystem, Normalwerte Trennungen an Phasengrenzen, Phasenregel Gas-Dampf-Gemische Zustandsänderungen, Klimatechnik Siedepunkts-Erhöhung von Lösungen Absorption Adsorption Fest-Flüssig-Ubergang Schmelzdiagramme Extraktions-Gleidigewichte Ideale Flüssigkeitsgemische Reale Flüssigkeitsgemische

7 9 9 12 14 16 18 20 25 27 29 31 33 37 41 43 46 48 52 55 57 60 62

63 63 66 68 72 74 75 77 81 84 87 90 92 94 96 98 102

Inhalt des ersten Bandes Seite 17. 18. 19. 20. 21.

Chemische Zustandsänderungen Affinität und Chemisches Gleichgewicht Reaktions-Diagramme Otto-Motor im h-s-Reaktions-Diagramm Simultan-Gleichgewichte

104 109 113 118 120

III. Thermodynamik der irreversiblen Prozesse • • • •

122

1. Irreversible Vorgänge 2. Diff. Gl. der stationären und instationären Wärmeleitung 3. Transporterscheinungen u. Friktionskoeffizienten . . . . 4. Diffusion und innere Reibung 5. Grenzschicht-Theorie der Turbulenz 6. Ströme und Kräfte 7. Wärmedurchgang, Wärmestrahlung 8. Ähnlichkeitstheorie 9. Erzwungene Konvektion 10. Freie Konvektion 11. Ubergang bei Zustandsänderung 12. Elektronen-Leiter 13. Ionenleitung 14. Elektrodenvorgänge, Potentiale 15. Technische Behandlung chemischer Reaktionen 16. Modellmäßige Reaktionskinetik 17. Friktion und Hysterese 18. Irreversible Effekte 19. Systematik der Irreversiblen Vorgänge und Thermischen Verfahren 20. Arbeitsverlust irreversibler Vorgänge 21. Fließbett Literatur Namen- und Stichwort-Register

122 124 128 133 135 137 140 143 147 150 152 154 157 159 163 165 167 169 171 172 174 177 179

Inhalt des zweiten Bandes Funktionen und Berechnung der elementaren Geräte I. Einführung in den verfahrenstechnischen Apparatebau 1. Historische Entwicklung und Situation. — 2. Das diemische Konzept. — 3. Das Ingenieur-Konzept der „unit Operations". — 4. Das physikalisdie Konzept der Fließbilder. — 5. Die Fundamental-Gleichungen. — 6. Die Kostengleichungen.

II. Wärmeübertrager 1. Fundamentalgleichungen 1 bis 4. — 2. Lösung im I-t-Diagramm und spezielle Fälle. — 3. Arbeitsverlust, Anpassung, Wirkungsund Gütegrad. — 4. Wirtschaftliche Optimerung. — 5. Berechnung eines Kühlwasserstromes. — 6. Berechnung der konstruktiven Daten aus dem Druckverlust. — 7. Kristallisation. — 8. Die vier einfachen Trennaufgaben.

III. Extraktions-Säulen 1. Stoffübertrager. — 2. Extraktion bei gegenseitig unlösbaren Trägern. — 3. Berechnung bei linearem Gleichgewicht. — 4. Bilanzen bei 3-Stoff-Löslichkeit. — 5. Gleichgewichte und Funktionsbedingungen. — 6. Friktion und Konstruktion. — 7. Sonderfälle.

IV. Rektifikations-Übertrager 1. Bilanzgleichungen, Pol und Querschnittsgerade. — 2. Gleichgewicht und Stufenkonstruktion. — 3. Friktion und wirtschaftliche Optimierung. — 4. M c C a b e - T h i e l e -Diagramm und Näherungsrechnung. — 5. Komplikationen, Mehrstoff-Gemische.

V. Stripper, Wäscher, Absorber 1. Fundamentalgleichungen. — 2. Angepaßter Betrieb. 3, L e w i s Faktor. — 4. Verdunstungskühler, mit Methode der HalbwertAustausdier. — 5. Absorber, mit Boden-Methode berechnet. — 6. Sprühtrockner.

VI. Regeneratoren 1. Speicherung, Zeitfunktion, Füllverlust. — 2. Differentialgleichungen, reduzierte Koordinaten. — 3. Dämpfungs-Regenerator, optimaler Steindurchmesser. — 4. Linearisierte Näherungslosung und Gütegrad. — 5. Nasser Regenerator-Betrieb. — 6. Sorptiv-Regenerator, Sorptions-Adiabate. — 7. Die „ausgezeichnete" Sorptions-Adiabate (ASA). — 8. Chromatographie.

VII. Gleichstrom-Reaktor 1. Der Apparat. — 2. Die Systeme mit reinen Phasen. — 3. Fraktionierte Destillation und Kondensation. — 4. Reaklions-Typen. — 5. Reaktions-Adiabate. — 6. Technische Reaktoren, FlammenReaktionen. — 7. Rohr- und Rührkessel-Reaktor.

VIII. (Nicht a-)diabate Stoffübertrager 1. Kombination von Wärmeübertragung und „Böden". — Diabate Rektifikation. — 3. Diabate Ab- und Adsorption.

2.

IX. Elektro-Reaktoren 1. Fundamentalgleichungen und allgemeines. — 2. Elektrolyseure. — 3. Brennstoff-Element. — 4. Elektro-Öfen.

X. Elektro-Stoffübertrager 1. Membranen. — 2. Konzentrierung mit Elektro-Dialyse. — 3. Säure-Basen-Trennung. — 4. Regenerativ-Ionenaustausdier mit Längsfeld. — 5. Elektro-Phorese. — 6. Elektro-Sichter.

XI. Gegenstrom-Reaktoren 1. Konstruktion der Reaktions-Räume. — 2. Gegenstrom-Wärmeausnutzung der Reaktion. — 3. Kopplungs-Reaktionen im Gegenstrom. — Literatur.

Inhalt des dritten Bandes Fließbilder, ihre Funktion und ihr Zusammenbau aus Geräten I. Einführung in der Theorie der Fließbilder 1. Problemstellung. — 2. Systematik der Verfahren. — 3. Der Verfahrensschritt. — 4. Der Joule-Prozeß als Stammfließbild. — 5. Degeneration, Fließbild-Familie. — 6. Systematik der Geräte. — 7. Systematik der thermischen Apparate. — 8. Wirkungsgrad. — 9. Wirtschaftliche Optimierung. — 10. Stoffeinfluß, Stufenund Kaskaden-Fließbilder. — 11. Gesamtheit der Stammfließbilder pro Feld. — 12. Betriebsweisen, Aufgabentypen. — 13. Transformation. — 14. Regelung.

II. Thermische Trenn- und Misch-Verfahren 1. Bedeutung und Gliederung. — 2. Stammfließbild und formale Variationen. — 3. Verfahren der Gas-Dampf-Trennung. — 4. Umkehr-Verfahren der Gas-Dampf-Misdiuiyj. — 5. Konzentrations-Transformation. — 6. Kristallisation und Ausdampfen. — 7. Destillation und Rektifikation. — 8. Sublimation, Gefriertrocknung. — 9. Konzentrations-Ubertragung. — 10. Flüssigflüssig- und Fest-flüssig-Rektifikation. — 11. Gas-Gas-Trennung mit Thermodiffusion.

III. Mechanische und thermo-chemische Verfahren 1. Der van'tHoff-Prozeß. — 2. Medianische Trennverfahren. — 3. Das thermo-chemische Stammfließbild. — 4. W ä r m e als Nutzeffekt. — 5. Stoff als Nutzeffekt.

IV. Elektrische Verfahren

1. Elektromechanische Wandler und Elektro-Transformatoren. — 2. Elektro-chemisdie Wandler. — 3. Stammfließbild der ElektroWärme-Umwandlung. — 4. Peltier- und Seebeck-Effekt-Verfahren. — 5. Umwandlungen zwischen Elektro- und KonzentrationsEnergie.

V. Restliche Verfahren und Zusammenfassung 1. Umwandlungen zwischen Konzentrations- und Energie. — 2. Transformation chemischer Energie. sammenfassung. — Literatur.

chemisdier — 3. Zu-

EINLEITUNG Die Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Erzeugung von Produkten aus Rohstoffen und Energie. Produkte sind Verbrauchsgüter wie Mehl, Schwefelsäure, Penicillin, Nylon etc., deren Wert überwiegend in ihrer stofflichen Substanz und nicht in ihrer Form liegt, wenn auch Produkte in festem Aggregatzustand in einer definierten Form — Pulver, Tabletten, Faser etc. — ausgestoßen werden müssen. Die hierzu gegensätzliche Herstellung von Gegenständen fällt in die Zuständigkeit der Fertigungstechnik. Im Produktionsbetrieb ist vielfach beides vertreten, die Abgrenzung ist dann oft konventionell. Sachlich gliedert man in die hier behandelte thermische, in die mechanische und die Kern-Verfahrenstechnik. Das Funktionieren einer Anlage beruht auf der richtigen Berücksichtigung von dreierlei Einflüssen: der Stoffe, der Geräte und des Verfahrens. Diese Dreiteilung liegt der folgenden Behandlung als Gliederung zugrunde. Die Gliederung steht in enger Beziehung zur Gliederung von Technik und Wissenschaft. Die Behandlung der Stoffe fällt in die Zuständigkeit der Chemie, die Verfahrenstechnik betrachtet die Stoffeigenschaften jedoch unter allgemeinen Gesichtspunkten und behandelt sie mit Rechenmethoden, die für alle Stoffe anwendbar sind, so daß die über den einzelnen Stoff benötigte Information sich auf wenige Zahlenwerte beschränkt. Die Behandlung der Geräte — Apparate und Maschinen — fällt in die Zuständigkeit des Maschinenbaues, speziell des Faches konstruktiver Apparatebau. Das verfahrenstechnische

8

Einleitung

Interesse konzentriert sich auf das Funktionieren der Geräte und die Berechnung der in jedem Einzelfall wirtschaftlichsten Lösung. Die Verfahren als ureigenstes Problem der Verfahrenstechnik entspringen den Gebieten der Physik, die hier behandelten thermischen Verfahren der Thermodynamik, ihre Behandlung stellt einen Ausbau der thermodynamischen Methode der Kreisprozesse dar. Die Fülle der zu behandelnden Fragen zwingt zu starker Konzentration und Abstraktion. Die in aller Technik impizite und hier sogar explizite notwendige Beachtung der Wirtschaftlichkeit wirkt sich jedoch auch in der lehrhaften Darstellung dahingehend aus, daß aus den zum Verständnis erforderlichen Grundbegriffen und Ansätzen die Folgerungen nur soweit exakt entwickelt werden, als diese Exaktheit nützlich und nicht zu schwerfällig ist. Das heißt: es werden idealisierte Vereinfachungen abgeleitet, die als Näherungslösungen auch dort noch benutzt werden, wo die Vernachlässigungen zahlenmäßig auf Grund von Versuchsergebnissen korrigiert werden müssen. Der richtige Gebrauch von Formeln schließt daher — in der Verfahrenstechnik mehr als anderswo — die Kritik ihrer Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit ein. Die notwendige Information für Konstruktion und Betrieb der Anlagen gewinnt man auf dem Wege von Laborversuchen über den halbtechnischen „Pilot Plant"; die billigste und ergiebigste Informationsquelle ist jedoch die Literatur der Fachbücher, Datenund Nachschlagewerke, Handbücher und Zeitschriften. Im Interesse einer knappen Darstellung sind im folgenden Aufgaben gestellt, die teils zur Vertiefung, zur Ableitung zusätzlicher Formeln und teils zur Übung, auch des Aufsuchens benötigter Stoffwerte in Nachschlagewerken oder auch zu deren Abschätzung anregen sollen. Da hierfür nur der Lösungsweg interessiert, die Ergebnisse aber je nach

Zustand und Zustandsgrößen

9

Unterlagen und Aufwand verschieden ausfallen, wurde auf eine Angabe der Lösungen bewußt verzichtet. Dafür sei z. B. auf [1] im Literatur-Verzeichnis verwiesen. I. Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe 1. Zustand und Zustandsgrößen Eine grobe Einteilung unterscheidet die drei Aggregatzustände: Gas, Flüssigkeit und Kristall. Die ersten beiden faßt man als fluide, die letzten beiden als kondensierte Zustände zusammen, amorphe Stoffe und Gläser werden als erstarrte Flüssigkeiten angesehen. Für genaue Definitionen muß der Begriff der Phase benutzt werden, der jeweils einen einheitlichen, homogenen Zustandsbereich bezeichnet. System bedeutet jeweils die gesamte betrachtete Stoffmenge, ein homogenes System hat nur eine Phase, ein inhomogenes mehrere. Zum Beispiel kommt fester Kohlenstoff in zwei Modifikationen vor, kann also zwei Phasen bilden, hexagonal kristallisierten Graphit und kubisch kristallisierten Diamant. Die Gasphase ist immer homogen, d. h. es gibt in jedem System nur eine Gasphase. Im flüssigen Zustand bilden unlösliche Gemische inhomogene Systeme, z. B. Lebertran eine öl- und eine wasserreiche Phase. Von den reinen Stoffen bildet Helium zwei flüssige Phasen. Eine scharfe Definition des Zustandes erhält man durch Angabe der Eigenschaften eines Stoffes, z. B. Dichte, Leitfähigkeit, Zähigkeit. Bei genauen Messungen stellt man fest, daß alle Eigenschaften veränderlich, also vom Zustand abhängig sind; man kann daher umgekehrt den Zustand eines Stoffes durch Angabe von einigen Eigenschaf-

10 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

ten definieren. Es fragt sich dann, wieviel Eigenschaften festgelegt werden müssen, um eine eindeutige Definition zu bekommen. Diese Zahl ist eine fundamentale Erfahrungstatsache: Der Zustand des reinen Stoffes und des homogenen Gemisches — im folgenden als einfacher Stoff bezeichnet — ist durch Angabe von zwei Eigenschaften eindeutig festgelegt, die Gesamtheit seiner möglichen Zustände bildet daher eine Fläche, die Zustandsfläche, und kann in ebenen Diagrammen dargestellt werden. Alle damit festgelegten Eigenschaften werden (im weiteren Sinne) als Zustandsgrößen bezeichnet. Daneben gibt es Eigenschaften wie innere Spannungen in Festkörpern, Oberfläche inhomogener Systeme etc., die durch die definierte Mindestzahl von Zustandsgrößen noch nicht festgelegt sind, also keine Zustandsgrößen sind. Exakt gilt die Mindestzahl überhaupt nur, wenn die Oberfläche des Systems klein, die Zahl der an Oberflächen grenzenden Moleküle klein gegen die der inneren Moleküle ist. Für 1 mm 3 Gas im Normalzustand ist das Zahlenverhältnis 1(T15. Natürlicherweise pflegt man eine Ursache — z. B. Erhöhung der Temperatur — und eine Wirkung — z. B. Verringerung der Dichte — zu unterscheiden, insbesondere Druck und Temperatur als unabhängige, von außen aufgeprägte Größen und nicht als Eigenschaften des Stoffes anzusehen. Da die Zusammenhänge aber als mathematische Gleichungen umkehrbar sind, ist jede derartige Auswahl willkürlich. Die Bezeichnung Zustandsgröße vermeidet die mit dem Wort Eigenschaft verbundenen Vorstellungen und ist allgemein anzuwenden. Trotzdem muß eine Unterscheidung zwischen den Zustandsgrößen definiert werden: Intensitätsgrößen (Druck, Temperatur etc.) sind von der Größe des Systems unabhängig, Quantitätsgrößen

Zustand und Zustandsgrößen

11

sind dagegen der Größe des Systems oder der Menge des Stoffes proportional. Umgekehrt kann man daher Quantitätsgrößen als Mengenmaße benutzen, z. B. Gasmengen in m 3 (korrekt in Nm3) messen. Zweckmäßige Mengenmaße sind die Masse (Einheit kg) und das kmol, definiert als soviel kg, wie das Molekulargewicht angibt bzw. soviele Formelmoleküle, wie die L o s c h m i d t ' s e h e Zahl angibt. Daneben wird im Maschinenbau das (Normal-) Gewicht in kp als Mengenmaß benutzt. Um den Zustand eines Stoffes unabhängig vom speziellen System und seiner Menge zu definieren, benutzt man die auf die Mengeneinheit bezogenen spezifischen Quantitätsgrößen, daneben spielen in der Verfahrenstechnik die Ströme, Quantitäten pro Zeiteinheit, eine Rolle. Für die Schreibweise wird festgelegt: Volumen V, Volumenstrom V, spezifisches Volumen v (bezogen auf die Masseneinheit) und Molvolumen t). Zu jeder Intensitätsgröße gibt es eine Quantitätsgröße derart, daß das Produkt beider eine Arbeit bedeutet — z. B. Druck p • Volumen V = Kompressions - etc. - Arbeit, entsprechend p • V = Leistung. — Analog der mechanischen Arbeitsdefinition Kraft • Weg haben demnach Intensitätsgrößen die Bedeutung verallgemeinerter Kräfte. Die Zahl der bei einem Vorgang beteiligten Intensitätsgrößen liefert die Zahl der notwendigen Bestimmungsstücke des Zustandes, die demnach später (Kap. 2) über die vorerst festgelegte Anzahl 2 hinausgehen werden. Weiterhin werden später (Kap. 3) Größen wie die Wärmeleitfähigkeit zu behandeln sein, die im weiteren Sinne Zustandsgrößen sind, aber weder als Quantitäts- noch als Intensitätsgrößen eingeordnet werden können, sondern als Quotienten aus „Strom"/„Kraft" mit einem Geometriefaktor entstehen. Da diese Größen im Zusammenhang mit verallgemeinerten

12

Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Reibungsvorgängen auftreten, seien sie als FriktionsGrößen bzw. -Koeffizienten bezeichnet. Quantitätsund Intensitätsgrößen sind die Zustandsgrößen im engeren Sinne. Entsprechend dem technischen Interesse für Arbeit und Wärme, die über Zustandsgrößen aus den beiden Intensitätsgrößen des reinen Stoffes, Drude und Temperatur, zu berechnen sind, beschränkt sich das Größensystem der klassischen Thermodynamik auf zwei unabhängige und zwei abhängige, durch Zustandsgleichungen festzulegende Größen. Die Zustandsfläche liegt also im 4-dimensionalen Zustandsraum. Praktisch benutzt man viel mehr Zustandsgrößen, die durch Kombination der ursprünglichen definiert werden und der Einführung neuer, für bestimmte Aufgaben zweckmäßiger Koordinatensysteme im 4dimensionalen Raum entsprechen. Ihre Umrechnung erfolgt nach den Formeln der Differentialgeometrie, die exakt gültig sind, aber keine Aussagen über Stoffeigenschaften liefern, die nicht bereits in der zugrundegelegten Zustandsfläche und ihren zwei Zustandsgieichungen enthalten sind. A u f g a b e : Differenziere als formale Übung die Definitionsgleichung der Enthalpie H = U + p V mit verschiedenen unabhängigen Variablen und berechne die Neigung d T/d p der Isenthalpen auf einer Zustandsfläche.

2. Druck Der Druck, mit p bezeichnet, bedeutet Kraft pro Flächeneinheit. Fundamental mißt man mit der Schwerkraft, also Gewichtskräften. Für kleinere Drucke benutzt man Flüssigkeitssäulen: 1) p = V- e-gli = i-h-Q-gli = h- ß- g = h- y. Praktisch gibt man nur die Höhe und die Art der Flüssigkeit an (mmWS, mmHg = Torr). Wegen der Kapillarkräfte darf der Durchmesser der Standrohre nicht zu klein sein.

Druck

13

Größere Drucke mißt man mit der Druckwaage: unter einem mit dem Gewicht G belasteten Kolben der Fläche / herrscht der Druck 2) p = Gif. Zur praktischen Druckmessung benutzt man Manometer, in denen die Gegenkraft durch elastische Verformung von Membranen, Wellrohren oder vor allem der B o u r d o n ' sehen Röhrenfeder entsteht. Die Verformung wird über Zeiger vergrößert sichtbar gemacht. Manometer müssen vor Überlastung und Druckschwingungen bewahrt werden, ihre Genauigkeit sollte in regelmäßigen Zeitabständen durch Vergleich mit Fundamentalgeräten kontrolliert werden. Infolge der vielen Kraftund Flächeneinheiten gibt es zahlreiche Druckeinheiten. Die wichtigsten sind — in grober Näherung untereinander und mit dem Luftdruck übereinstimmend: at = kp/cm2 = 735,56 Torr. Bar = 105 N/m3 = 750,06 Torr und Abb. 1. Manometer-Prüfung. Atm = 760 Torr. Die meisten Instrumente Links: Meß werk mit B o u r d o n - Feder, rechts: Druckzeigen den Differenzdruck waage. gegen den Luftdruck an, bei Präzisionsmessungen ist mit dem momentanen atmosphärischen Luftdruck in Höhe der Meßstelle zu korrigieren. 1 m Höhenunterschied macht rund 0,1 Torr aus. Da der Druck fast alle Eigenschaften verändert, kann man umgekehrt diese Eigenschaften zur Druckmessung benutzen, praktisch insbesondere den elektrischen Widerstand von Legierungen mit verschwindendem Temperaturkoeffizienten für hohe Drucke und die Piezo-Elektrizität für schnell veränderliche Drucke. Das Druckgebiet unter 1 Atm bezeichnet man als

14

Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Vakuum, hierfür gibt es spezielle Meßverfahren, insbesondere unterhalb 1 Torr.

A u f g a b e : Rechne die U. S. Druckeinheit psi ( = pound (11b = 0,45 359 kp) per Square inch (metr. Zoll = 2,54 cm)) in at um. Wieviel at mißt eine Druckwaage, die einem Kolben von 7,5 mm 0 mit 12 kp belastet, und wie hoch ist die entsprechende Quecksilbersäule.

3. Volumen und Dichte Das Volumen (auch Volum) V ist als geometrische Größe zwar sehr anschaulich, das Volumen von Stoffmengen ist aber wegen der unregelmäßigen Gestalt der Feststoffe, Abrundung von Gefäßen etc. direkt nur schwer genau zu messen. Man mißt praktisch die Dichte q — 1/v (kg/m3) bzw. das spezifische Gewicht y (kp/m3), y = Q ' g (N/m3) durch Vergleich mit der bekannten Dichte von Flüssigkeiten. Als Bezugsflüssigkeit dient meist Wasser, dessen größte Dichte bei 4 °C gleich 1 kg/Ltr. gesetzt ist. Bei der Festlegung der Grundmaße ist ein Meßfehler unterlaufen, demzufolge 1 Ltr. um 27 mm3 größer ist als 1 dm3. Für absolute Volumen-Messungen benutzt man den zylindrischen Teil von Büretten, in dem der Durchmesser und der Unterschied der Standhöhe geometrisch genau vermessen werden kann. Durch Wägung des ausgeflossenen Flüssigkeitsvolumens erhält man die Dichte der Flüssigkeit. Nachdem die Dichte von Wasser für einen weiten Bereich der Drucke und Temperaturen genau absolut vermessen ist, erhält man durch Differenzwägung von leerem und wassergefülltem Gefäß das Volumen von Meßgefäßen (Pyknometer), mit deren Hilfe man dann die Dichte beliebiger Flüssigkeiten durch Wägung ermittelt. Bei genauen Wägungen ist stets der Auftrieb in Luft zu berücksichtigen. Mit den Indices: Luft L, Gewichtsstück G, Flüssigkeit F und untersuchte Sub-

Volumen und Dichte

15

stanz x gilt für das Gleichgewicht an der gleicharmigen Waage: 3) (£>* - QL) Vxg= (QG - QL) VG g = NIG (1 - QLIQG) g. Luftdichte und Korrekturfaktor für Gewichtsstücke können Tabellen entnommen werden, vielfach kann man die kleinen Schwankungen der Luftdichte, abhängig von Druck und Temperatur, vernachlässigen und mit einem Mittelwert von 1,2 kg/m3 rechnen. Die Dichte der Gewichtsstücke ist bekannt. Man beachte, daß die Erdbeschleunigung g sich herauskürzt, die Waage liefert also Massen, nicht Kräfte. Im einfachsten Fall arbeitet man mit einem Gefäß bekannten Volumens VXl das vorher luftgefüllt auf der Waage tariert ist. Die Tarier-Gewichtsstücke bleiben unverändert. Das mit einem fluiden Stoff vollständig gefüllte Gefäß erfordert ein Zusatzgewicht dig zum Ausgleich der Waage, es gilt dann: 4)

MX

7)

MX

5)

=

MG

(1

-

QLIQG)

+

-

QLIQG)

1(1

V «

QL

ßx = mclV x + QL (1 - mGleG V J . Bei der Messung von Gasdichten muß QL genau eingesetzt werden. Es können dabei negative mG auftreten, d. h. die Zusatzgewichte müssen auf derselben Waagschale mit dem Gefäß aufgelegt werden. Speziell erhält man durch Evakuieren des Gefäßes die Luftdichte: 6) QL— — mGl(Vx + VG). Von Feststoffen ermittelt man die Masse, indem man den Feststoff — insbesondere Pulver, Schaumund poröse Stoffe — in das Meßgefäß bringt und dieses dann evakuiert; es gilt Formel 4. Wenn z. B. ein Pulver das Meßgerät ganz ausfüllt, liefert Formel 6 die Schüttdichte als QX. Für Feststoffe unbekannter Dichte und unregelmäßiger Form ist zweimalige Wägung in Luft (mß) und in einer Flüssigkeit (mG) erforderlich, woraus die Doppelgleichung folgt: =

MGR(L

=

MA

(1

-

QLIQG)I(

1

QLIQX) -

e t lex)

=

16 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

mit der Auflösung: 8) mx = (ma Qt - m^ ql) (1 - QLlQG)l(Qf - Ql) 9) qx = (ma Qf — mG ql)Itiig — hg') • Das Tauchverfahren kann auch umgekehrt benutzt werden, um mit definierten Tauchkörpern die Dichte von Flüssigkeiten zu bestimmen (Mohr'sehe Waage, Aräometer). Gasdichten werden praktisch meist mit indirekten Methoden bestimmt. A u f g a b e n : Bei q l = 1,2 kg/m 3 , Qf = 0,998 kg'Ltr. (Wasser) wiegt man mit Messinggewichten ( q g = 8,4 kg/Ltr.). a) Festkörper in Wasser 0,28472 kg, in Luft 0,42 467 kgDichte? b) Pyknometer 10,00 ml mit Luft 5,28 g, mit verd. Alkohol 13,86 g • Dichte? c) Gefäß mit Wasser 1,28472 kg, mit Luft 0,27 563 g • Volumen? d) Gefäß aus c) mit Gas 0,27 619 kg-Gasdichte? Rechne die Dichteangabe 60 pound/euft um.

4. Gesetz von Boyle-Mariotte Bei der Untersuchung der Kompressibilität von Gasen fanden B o y 1 e und M a r i o t t e das einfädle Gesetz: 10) p • V = konstant. Es gilt für alle Gase und Dämpfe mit etwa 10 %> Ungenauigkeit, bei kleinem Druck bzw. kleiner Dichte oder großem spezifischen Volumen gilt es exakt. Bei der Untersuchung wurde das Gas in einem kalibrierten Rohr durch eine Flüssigkeitssäule eingeschlossen, der Gasdrude p ergibt sich aus äußerem Luftdruck ± Differenzdrude der Flüssigkeitshöhe zwischen den an das Gas und die Luft grenzenden Oberflächen. Aus der heute vielfach erwiesenen Erkenntnis, daß die Materie aus Molekülen besteht, die sich im Gaszustand ziemlich unabhängig voneinander wie PingPong-Bälle bewegen, ergibt sich eine Deutung des B.-M.-Gesetzes, die zur kinetischen Gastheorie führt. Es sei angenommen, je 1/3 der N Moleküle bewege sich in Nord-Süd, Ost-West und in senkrechter Rieh-

Gesetz von Boyle-Mariotte

17

tung von Wand zu Wand mit der Geschwindigkeit w'. An der Wand sollen elastische Stöße erfolgen, bei denen die Geschwindigkeit w' ohne Verlust in — w' umgekehrt wird. Die Wände des guaderförmig und senkrecht zu den 3 Bewegungsrichtungen gedachten Volumens seien h , ¡2, h voneinander entfernt, dann ist die Zahl der Stöße in der Zeiteinheit N • w'l3 • h. Bei jedem Stoß wird der mit der Masse des Moleküls m' gebildete Impuls ( = Kraft • Zeit) m w' in — m w' umgekehrt, also der Impuls 2 m' w' auf die Wand übertragen. Multiplikation mit der Zahl der Stöße ergibt 2 N m W'2/3 • k als auf die Wand ausgeübte Kraft. Damit entfällt auf die Flächeneinheit der Wand •— entsprechend der Definition des Druckes: p = 2Nm' w'2/3 Ji h h = konst/V . Es ergibt sich also aus der Modellvorstellung genau das ß.-M.-Gesetz. Bei Berücksichtigung einer wahrscheinlicheren Verteilung der Geschwindigkeiten auf alle Richtungen und alle Beträge liefert die kinetische Gastheorie einen von 2/3 abweichenden Zahlenfaktor, ohne an dem Ergebnis grundsätzlich etwas zu ändern. Es ist dann einzusetzen das mittlere Geschwindigkeitsquadrat w'2 bzw. die mittlere kinetische Translationsenergie der Moleküle m' w'2/2 = u . Aus chemischen Reaktionen — z. B. elektrolytische Zersetzung von Salzsäure 2 HCl = H2 + CI2 — kann man Gasmengen gleicher Anzahl N von Molekülen definieren und herstellen. Bei deren Untersuchung findet man, daß die Konstante des ß.-M.-Gesetzes für die gleiche Zahl von Molekülen denselben Betrag hat, unabhängig von der Art der Moleküle. Das bedeutet offenbar: Die kinetische Translationsenergie m w'2/2 hat für Moleküle jeder Art, d. h. jeder Masse m denselben Betrag (Gleichverteilungs-Satz). Daraus folgt weiter, daß sich Gasgemische wie reine Gase verhalten; man kann Partialdrucke pi und Partialvolumina Wi definie2

Bode, Therm. Verfahrenstechnik I

18 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

ren, die einfach den molaren Mengenanteilen im Gemisch proportional sind: 11)

pi/p = N\/N

= m\lMi((2

im/Mi)

=

.

Hieraus resultiert die Zweckmäßigkeit des Rechnens mit mol. In 11) bedeutet Mj das Molekulargewicht, m, die Masse des i-ten Bestandteils im_Gemisch, man kann ein_mittleres Molekulargewicht M definieren; so daß m/M die Anzahl n der Mole des Gemisches mit der Gesamtmasse m ausdrückt: M = ml (2 inj Mi) .

12)

Bei Gasen entspricht die Angabe der Volumen% den Mol°/o.

A u f g a b e n : Als Kompressibilitätskoeffizient ist der Ausdruck % = — (l'v0) (5 v/6 p)T definiert. Berechne'/Gas• Beredine das mittlere Molekulargewicht von NH 3 -Synthesegas.

5. Temperatur Aus den Überlegungen in 1 folgt, daß das B.-M.Gesetz noch keine vollständige Zustandsgieichung sein kann — es fehlt noch eine Größe —, andererseits enthält die Konstante den Faktor m' v/ 2 /2, also die kinetische Energie der Moleküle, die natürlich veränderlich, d. h. Zustandsgröße sein muß. Man setzt die mittlere kinetische Translationsenergie der Moleküle bzw. die Konstante des B o y 1 e M a r i o t t e ' sehen Gesetzes einer neuen Zustandsgröße proportional, der Temperatur. Da das ß.-M.-Gesetz bei kleinen Drucken exakt gilt, ist damit eine exakte Definition und Meßmethode der Temperatur gewonnen zugleich mit der einfachsten für „ideale" Gase g ü l t i g e n theimischen 13)

p-V

Zustandsgieichung:

= N-k-T

=

n-1R-T.

Darin bedeutet k die B o l t z m a n n -Konstante (bezogen auf das einzelne Molekül), 1R = / c - L o s c h m i d t ' scher Zahl die Gaskonstante für 1 mol (kmol).

19

Temperatur

Wie bei der Volumenmessung wäre auch bei der Temperaturmessung die absolute fundamentale Methode mit dem Gasthermometer — meist mit konstantem Volumen nach Abbildung, seltener mit konstantem Druck — zu schwerfällig, man benutzt sekundäre Thermometer und schließt diese an sogenannte Fixpunkte an, die leicht reproduzierbar sind und deren exakte Temperatur mit dem Gasthermometer gemessen wurde. Als Fundamentalpunkte sind definiert: 0 °C = Temperatur des schmelzenden Eises (genauer + 0,0200 °C = Tripelpunkt des Wassers) und + 100 °C = Temperatur des bei 760 Torr siedenden Wassers. Damit ist die Größe des Temperaturgrades (grd) und die praktische Centigrad-Skala (f, °C) festgelegt. Mit dem Gasthermometer findet man in dem festgelegten 2. Gasthermogrd-Maß für 0 °C die Temperatur Abb. meter mit konstan+ 273,16, man bezeichnet das als tem Volumen. „absolute" Temperatur oder K e l v i n - S k a l a (T, °K). Es ist z.B. 300 ° K = +26,84 °C. In den USA wird vielfach mit °R (R a n k i n e) als absoluter und °F F a h r e n h e i t) als praktischer Skale gearbeitet. Es sind 9 °R = 5 °K, 0 °C = + 3 2 °F. Da der thermische Volumen-Ausdehnungskoeffizient ß = (l/v 0 ) (3 v/3 T)p für Flüssigkeiten 10" 3 ... 10~4/ grd, für feste Stoffe 10~4... 10"5/grd ist, benutzt man am einfachsten Ausdehnungsthermometer zur praktischen Temperaturmessung: Glas mit Quecksilberoder Alkohol-Füllung, verschiedene Metalle in Bimetall-Thermometern. Glasthermometer erreichen hohe Genauigkeit, nachteilig ist die Zerbrechlichkeit. Bei „Fernthermometern" wird der verschiedene Spannungskoeffizient y = (l/po) (3 p/3 T)v von Hüllrohr (Fühler, Kapillare und B o u r d o n feder) und Flüssig-

M

2'

20

T h e r m o d y n a m i k der reinen (und der einfachen) Stoffe

keitsfüllung mit einem manometrischen Anzeigewerk ausgenutzt, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit ist gering. Für genaue Messungen werden die teueren elektrischen Widerstandsthermometer und — insbesondere für höhere Temperaturen •—• Thermoelemente benutzt, die auch Fernmessung erlauben. Auch Dampfdruck-(Tensions-)Thermometer kommen für kleine Temperaturbereiche in Frage, nachteilig ist ihre unsymmetrische Skalenteilung, vorteilhaft die gute manometrische Zuverlässigkeit. Im Bereich hoher Temperaturen beruht die Temperaturmessung fundamental auf den Strahlungsgesetzen, von denen hier nur das S t e f a n - B o l t z m a n n ' sehe Gesetz der Gesamtstrahlung des schwarzen Körpers (Hohlraum-Strahler) erwähnt sei: 14)

q =

F-o-T4

15) q = F-a- (T/100)4 a = 4,96 W/m2 (°K/100)4 . Die zweite Schreibweise ist technisch bequemer. Die Meßgeräte heißen Pyrometer, Meßgröße kann neben dem Wärmestrom (Bolometer) Farbe oder Helligkeit (z. B. Glühfaden-Pyrometer) sein.

A u f g a b e : B e r e c h n e für das i d e a l e G a s y und ß (Aus (13)). E i n e A m p u l l e mit 1 g Flüssigkeit wird in einem Gefäß mit 3 Ltr V o l u m e n z e r t r ü m m e r t . Das Gefäß ist mit Luft bei 2 5 °C, 7 5 0 T o r r gefüllt und v o r der Z e r t r ü m m e r u n g geschlossen w o r d e n . Durch die V e r d u n s t u n g der Flüssigkeit steigt der Druck auf 833,5 Torr. W i e groß ist das M o l e k u largewicht der Flüssigkeit? Ein Luftballon v o n 3 5 0 m 3 F a s s u n g s v e r m ö g e n ist mit H2 bzw. H e prall gefüllt. W i e groß ist seine G e s a m t - T r a g k r a f t (einschließlich Hülle, K o r b etc) bei e i n e m Druck v o n 0,6 at und einer T e m p e r a t u r v o n —10 ° C ?

6. Thermische Zustandsgieichung und Zustandsdiagramme Die Darstellung der Quantitätsgröße V des realen Stoffes als Funktion der Intensitätsgrößen p und T

Thermische Zustandsgieichung u. Zustandsdiagramme 21

bezeichnet man als thermische Zustandsgieichung. Das H e n r y ' s e h e Gesetz der idealen Gase (13) im vorigen § 5) ist die erste Näherung, die 2. Näherung benutzt z. B. den 2-ten Virialkoeffizienten B: p-V = 9 t r + B(T)-p

.

Um die notwendigen Meßwerte zu bekommen, füllt man z. B. ein Wellrohr nach nebenstehender Skizze mit einer abgewogenen Stoffmenge. Das Volumen wird in Abhängigkeit von Druck und Temperatur und der meßbaren Längenänderung vorher durch Vergleichsmessungen mit einer Eichsubstanz (Wasser) bestimmt. Man mißt dann die zu verschiedenen p, T gehörigen Volumina der eingewogenen Substanz, bildet ß, % und evtl. — y = (l/po) {ß/x) u n ( i erhält eine in kleinen Zustandsbereichen brauchbare lineare Formel: v = v 0 ( l +ßAT-%Ap)

.

Uber diesen linearen Ansatz könnte man zu höheren Näherungen fortschreiten, indem man die Temperatur- und Druckabhängigkeit von ß und x experimentell bestimmt und in die Formel einsetzt, man kommt jedoch schneller und mit weniger Meßaufwand genauer zum Ziel, wenn man theoretische und Modell-Vorstellungen verwertet. V a n d e r W a a l s be- Abb. 3. Apparatur zur Mesrücksichtigte, daß die Mo- sung der thermischen Ausleküle ein Eigenvolumen dehnung und Kompressibilieines elektrischen bl4 haben und durch ihre tät mittels Schleifkontaktes. gegenseitige Anziehung den von außen meßbaren Druck p um a/v2 verringern, Einsetzen beider Korrekturen in das H e n r y -

22 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe sehe Gesetz liefert die v a n d e r W a a l s ' sehe Gleichung: 16) (p + a/t>2) (t>-b)=5R-T. Diese Gleichung ist im Volumen vom 3-ten Grade, liefert also (unterhalb der kritischen Temperatur) zu jedem Wertepaar p, T 3 Volumina, wovon in guter Näherung das kleinste das Flüssigkeits-, das größte das Gasvolumen angibt. Dabei liegt i. a. einer der beiden Zustände in dem instabilen Gebiet der überhitzten Flüssigkeit (Siedeverzug) bzw. des unterkühlten (übersättigten) Dampfes. Die Abbildung zeigt ein p—v-Diagramm mit Isothermen nach der v. d. W. Gl. Schneidet man die Isothermen unterhalb der kritischen so mit Isobaren, daß die ober- und unterhalb abgetrennten Flächen gleich werden, so hat man die zugleich isobare und isotherme Isophase des 2-phasigen Gebietes gey funden, die links an der Abb. 4. p-v-Diagramm nach Siedelinie in die Flüssigvan der Waals. keits-Isotherme, rechts an der Taulinie in* die GasIsotherme übergeht. Im 2-phasigen Gebiet ist Flüssigkeit und Dampf koexistent, Temperatur und Druck, ebenso auch die Dichten von Flüssigkeit und Dampf bleiben auf der ganzen Isophase konstant, es ändert sich lediglich ihr Anteil von 0 °/o Dampf an der Siede- zu 100 % Dampf an der Taulinie. Die graphische Darstellung der Zustandsfläche ist immer möglich. Nachdem die genaue mathematische Formulierung der thermischen Zustandsgieichung sehr schwierig ist — auch die v. d. W a a l s ' sehe Gl. ist nur eine Näherung, die in einigen Fragen versagt —

Thermische Zustandsgieichung u. Zustandsdiagramme 23

andererseits die Volumina abhängig von Druck und Temperatur ja gemessen werden können, ergibt sich als technisch meist vorteilhaftester Weg: Man stellt den wirklichen Zustandsverlauf der realen Stoffe in Zustandsdiagrammen dar. Die Darstellung ist so genau, wie die zugrunde liegenden Messungen, Zeichengenauigkeit und Interesse es zulassen bzw. erfordern. Solange man sich auf die thermische Zustand-Gleichung beschränkt, wählt man meist das p — v-Diagramm, in dem die Fläche die Bedeutung von Arbeit hat, so daß Arbeitsbeträge aus dem Diagramm durch Planimetrieren graphisch gewonnen werden können. Die Darstellung der technischen Arbeit L = — / V - d p entspricht der im Indikator-Diagramm einer KolbenMaschine (nach Skizze) gewonnenen, z. B. liefert die Übertragung der Kompressionskurve ins p — V-Zustandsdiagramm die Kompressionsendtemperatur.

t

P

Abb. 5. Prinzip des Indikators an Kolbenmaschine. Praktisch steht das Druckmeßwerk still und das Diagrammpapier wird bewegt.

24 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Tau- und Siedelinie treffen sich mit waagrechter Tangente im kritischen Punkt, von der kritischen Isotherme an deren Wendepunkt mit gleichfalls waagrechter Tangente berührt. Der Zustandsbereich des Gases liegt rechts von der Taulinie — in deren Nähe als Dampf bezeichnet — und vom kritischen Punkt ab oberhalb der kritischen Isotherme. Links von der kritischen Isotherme und der Siedelinie liegt das Flüssigkeitsgebiet. Durch die v. d. W. — und andere — thermische Zustandsgleichung ist eine geschlossene Darstellung aller fluiden Zustände möglich. Praktisch kann man sich meist auf Interpolationsformeln in kleineren Zustandsbereichen beschränken, die viel einfacher zu handhaben sind. Wichtg ist vor allem der Gasbereich. Dort rechnet man meist mit dem H e n r y ' sehen Gesetz, das mit dem Realfaktor z = niRTlpVreai korrigiert wird: p- V = nitT/z. Die Realfaktoren z sind für einige Stoffe tabelliert. Unterhalb des 2-phasigen Dampf-Flüssigkeits-Bereiches liegt der Dampf-Kristall-Bereich, zwischen beiden die Isophase des Tripelpunktes, an dem Dampf, Flüssigkeit und Kristall koexistent sind. Die Taulinie geht ohne Sprung, jedoch meist mit einem Knick in die Kristall-Taulinie über; die linke Grenzkurve, Sublimationslinie genannt, setzt an der TripelpunktIsophase gegen die Siedelinie versetzt an, entsprechend der Volumendifferenz zwischen Flüssigkeit und Kristall — meist positiv, jedoch z. B. bei Wasser negativ. Oberhalb der Tripelpunkt-Isophane gibt es ein 2-phasiges Gebiet zwischen Flüssigkeit und Kristall, durch Solidus- und Liquidus-Linie begrenzt. Die Solidus-Linie endet an der kritischen Isotherme. Das Kristallgebiet ist unübersichtlich, weil es meist mehrere (Hochdruck-)Modifikationen gibt, offenbar kann aber der feste Zustand auch noch oberhalb der kritischen Temperatur bei hohen Drucken existieren — nachge-

Theorem der übereinstimmenden Zustände

25

wiesen bei Helium, wahrscheinlich im Inneren von Sternen. Praktisch kann man die Druckabhängigkeit der Schmelztemperatur — Größenordnung 10"2 grd/at, Vorzeichen entsprechend der Volumendifferenz — meist vernachlässigen.

A u f g a b e : Berechne die technische Arbeit der isothermen Kompression und Förderung eines fluiden Stromes a) für eine Flüssigkeit (v = konst), b) für ein ideales Gas, c) graphisch für ein reales Gas.

7. Theorem der übereinstimmenden Zustände Das Verhalten aller Stoffe ist ähnlich, am wenigsten im festen Zustand, am meisten als Gas, wo es bei kleinen Drucken identisch wird. Eine quantitative Ausnutzung dieser Ähnlichkeit erreicht man für die fluiden Zustände durch Bezugnahme auf „korrespondierende" Zustände, ausgehend vom kritischen Punkt. Man führt „reduzierte", dimensionslose Zustandsg r ö ß e n e i n : II = plpkrit,

£ = TlTkrit,

$ = VlVkr.

Ein

in reduzierten Koordinaten gezeichnetes Zustandsdiagramm hat hinsichtlich der thermischen Zustandsgleichung für alle Stoffe in guter Näherung Gültigkeit. Durch die reduzierten Koordinaten sind die individuellen Diagramme so verzerrt, daß die kritischen Punkte zusammenfallen. Das Diagramm wäre universell gültig, wenn der Realfaktor Zhnt für alle Stoffe denselben Zahlenwert hätte. Die v. d. W. Gl. liefert Zkr — 8/3, die realen Stoffe haben jedoch größere, meist über 3 liegende und verschiedene Werte. R i e d e 1 mußte daher das erweiterte Korrespondenz-Prinzip einführen, wonach Stoffgruppen mit gleichem z/cr. in reduzierten Koordinaten mit hoher Genauigkeit übereinstimmende Diagramme haben. Da im Laufe der Zeit für viele Stoffe genaue Daten der thermischen Zustandsgieichung aus Messungen bekannt geworden sind, kann man sich weitere Messungen weitgehend sparen, indem man die Molvolumina aus dem Korrespondenzprinzip umrechnet.

26 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Für einen neuen Stoff müssen danach nur noch die kritischen Daten bestimmt werden. z/cr. stimmt insbesondere bei chemisch verwandten Stoffen, z. B. in homologen Reihen, meist gut überein, wonach man geeignete Vergleichsstoffe auswählen kann. Zur Bestimmung des kritischen Punktes schließt man eine Substanzmenge in ein Glasrohr ein, das mit einem Manometer verbunden ist. Die Menge wird so gewählt, daß gleichzeitig Flüssigkeit und Dampf vorhanden ist. Beim Erwärmen steigt der Dampfdruck und der Meniskus der Grenzfläche verschiebt sich im Rohr — je nach der Füllmenge überwiegt die Ausdehnung oder die Verdampfung der Flüssigkeit. Am kritischen Punkt verschwindet der Meniskus, Flüssigkeit und Dampf haben dieselbe Dichte. Damit ist Druck und Temperatur des kritischen Punktes gefunden. Die direkte Messung des kritischen Volumens gelingt meist nur ungenau, es gilt jedoch die C a i 11 e t e t - M a t h i a s ' sehe Regel: Trägt man die Dichten von Flüssigkeit Q und Dampf Q" über der Siedetemperatur auf, so erhält man eine Parabel. (£>' + (?")/2 ergibt fast genau eine Gerade, deren Schnittpunkt mit dem Scheitel der Parabel bzw. der kritischen Temperatur die kritische Dichte liefert. Das kritische Volumen ist meist etwa das 3fache des Flüssigkeitsvolumens bei tiefen Temperaturen, der kritische Druck meist in der Größenordnung von 50 at (He 2,26 Atm, Wasser 217,5 Atm). Man findet in D ' A n s - L a x [5], 33 121 die Dichten g' und Q" von Fluor-, Chlor- und Jod-Benzol, in 323 412 die kritischen Daten auch von Brombenzol. Berechne die Dichten von Brombenzol, interpoliert für runde Drucke bzw. Temperaturen. A u f g a b e n : In untenstehender Tabelle sind die kritischen Daten von Äthan (M = 30,07) und Bromwasserstoff (M = 80,924) sowie ein Auszug aus der Dampftafel des Äthan gegeben. Berechne die Dampftafel für HBr auf Grund des Korrespondenzprinzips, d. h. trage die korrespondieren-

Größen, Maßeinheiten und Dimensionen

27

den Zahlen in die Tabelle ein und beurteile die Zuverlässigkeit der Rechnung aus dem verallgemeinerten Korrespondenzprinzip. / °C +

32,1

-

70

-

p at

g'

50,3

231

g" k g / m 3 231

2,549

525

4,80

80

1,606

537

3,12

90

0,960

548

1,932

-100

0,535

559

1,125

t °C +

90

p at 84

g'

e"kg/m3

807

807

8. Größen, Maßeinheiteil und Dimensionen Die vorkommenden Gleichungen werden hier als Größengleichungen geschrieben. Das hat den Vorteil, daß die Gleichungen allgemein gültig und anwendbar sind, unabhängig vom jeweiligen Maßsystem. Es hat aber den Nachteil, daß immer alle Größen in zueinander passenden Einheiten ausgedrückt, eventuelle Umrechnungsfaktoren also beim Gebrauch der Gleichungen noch eingesetzt werden müssen. In begrenzten Gebieten ist es oft zweckmäßiger, mit einem bestimmten Maßsystem und ZahlenwertGleichungen zu arbeiten, in der Verfahrenstechnik treffen jedoch verschiedene Gebiete der Technik — mit verschiedenen Maßsystemen — zusammen und vielfach müssen die benötigten Meßergebnisse aus ausländischen Veröffentlichungen entnommen werden, so daß ein Umrechnen ohnehin nötig ist. Die Gleichartigkeit von Größen und Maßeinheiten drückt man durch den Begriff der Dimension aus, der wiederum als Potenzprodukt geschrieben werden kann. Z. B. hat die Dichte die Dimension m/13 (Masse/ Länge3), die für die üblichen Einheiten kg/Ltr. (für Flüssigkeit und Feststoff), kg/m3 (für Gas), g/cm3, 1b/ gal etc. übereinstimmt. Das spezifische Gewicht ist eine Größe anderer Art, Dimension Kraft/m3, die Einheiten kp/m3 und kg/m3 unterscheiden sich um den Umrechnungsfaktor 1 mit der Dimension kp/kg.

28 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

In eine Größengleichung müssen die Größen so eingesetzt werden, daß das Potenzprodukt der Einheiten (und Dimensionen) auf beiden Seiten der Gleichung und bei Summanden übereinstimmt. Vielfach legt man die Umrechnung in bestimmte Größen, die ursprünglich reine Zahlenwerte sind. Z. B. ist die Gaskonstante 9t eigentlich die Zahl 2 der Freiheitsgrade (Druck und Temperatur sind variabel) und hat im kalorischen Maßsystem auch annähernd diesen Betrag 9t = 1,9858 kcal/kmol-grd). Setzt man den Druck in at = kp/cm2, das Volumen in m3 ein, so steht auf der linken Seite des H e n r y ' schen Gesetzes at • m3 = 104 m • kp, während auf der rechten Seite in SRkcal stehen. Da 1 kcal = 426,782 mkp ist, kann man die Umrechnung auf SR = 1,98 . . . 426 . . . /104 = 0,084788 m3 at/kmol. grd zusammenziehen. Die benötigten Zahlenwerte findet man in Nachschlageund Tabellenbüchern. Die kcal war ursprünglich als Wärmemenge definiert, die 1 kg Wasser von 14,5 auf 15,5 °C erwärmt, jetzt gilt 1 kWh = 860 kcal. Zur Umrechnung auf molare Größen dient: Bei 0 °C, 760 Torr nimmt 1 mol ideales Gas 22,416 Ltr ein, 1 mol enthält 6,0227 • 1023 Formel-Moleküle (L o s c h m i d t ' sehe Zahl). Man beachte, daß es in der kinetischen Gastheorie und den daraus ableitbaren Teilen der Thermodynamik nicht auf die Zahl der Formel-Moleküle, sondern der Partikel ankommt. Diese Zahl wird durch Assoziation kleiner, durch Dissoziation und Ionisation (auch Elektronen sind Partikel!) größer. Die Zahl (n) der Mole ist demnach eine Zustandsgröße im H e n r y ' sehen Gesetz, die nur näherungsweise als konstant angesehen werden darf. Aufgaben: Wieviel mol enthält 1 Nm 3 (O °C, 760 Torr) und 1 nm 3 (15 °C, 1 at)? Wieviel Partikel enthält 1 mol bei einem Dissoziationsgrad von 2,8 %? Die Elektronenladung ist 1,602-10" 1 9 C ( = As), wie groß ist die

Arbeit

29

F a r a d a y - Konstante = Ladung von 1 mol Elektronen = 1 Äquivalentladung? 9. Arbeit Bisher waren die Zustandsgrößen p, V und T behandelt, was aber interessiert, ist die Arbeit bzw. Leistung. Man kann bilden das Produkt (p-V), die Verdrängungs- oder Verschiebe-Arbeit. Diese ist als Produkt zweier Zustandsgrößen wieder eine Zustandsgröße, die etwa einem „Arbeitsinhalt" des Stoffes entspricht. Die Änderung der Verschiebungsarbeit d (p • V) = p • dV + V • dp ist ein vollständiges Differential. Praktisch ist bei der Kompression einer abgeschlossenen Stoffmenge die Kompressionsarbeit A = f p • dV durch Verschieben eines Kolbens aufzuwenden, wobei die Kraft p • F, der Weg dx = dVlF ist. Diese Kompressionsarbeit ist nur ein Teil der oben angeschriebenen Verschiebungsarbeit, ein „partielles" Differential. Das bedeutet, daß die Kompressionsarbeit keine Zustandsgröße, sondern vom Weg der Zustandsänderung abhängig ist.

\

t

t

p

L

Q.

1 P. 0

A —AV —

Abb. 6. p —v-Diagramm mit eingezeichneten Flächen der Kompressions-Arbeit A und der technischen Arbeit L.

30 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Bei der Förderung und Kompression eines Stoffstromes ist außer der Kompressionsarbeit A=f p-dV der Stoff noch anzusaugen und nach der Kompression auszuschieben, also die Verdrängungsarbeit zu leisten. Formal ist die technische Arbeit dL = dA — d (p- V) = — V • dp. Im Diagramm erkennt man die Bedeutung der einzelnen Summanden. Die Festlegung der Vorzeichen kommt vom technischen Interesse an gewonnener Arbeit, die positiv gezählt wird. Tatsächlich ist bei der Kompression demnach sowohl A, als auch L negativ, bei L ist es am Vorzeichen erkennbar, p nimmt zu. Bei A ist jedoch dV negativ. Die technische Arbeit L = — fV • dp ist wie die Kompressionsarbeit keine Zustandsgröße, sondern vom Weg abhängig. Wenn sich die Form der in Abb. 6 dick ausgezogenen Begrenzungskurve ändert, so ändert sich auch die umrandete Fläche, d. h. der Betrag des bestimmten Integrals zwischen den gegebenen Grenzen. Man kann daher aus einer Stoffmenge beliebige Arbeitsbeträge gewinnen, indem man sie in einem „Kreisprozeß" auf verschiedenen Wegen zwischen 2 Zuständen hin und her umwandelt. Ein Beispiel dafür ist bereits in Abb. 5 dargestellt, die angegebenen Pfeilrichtungen entsprechen einem Arbeitsgewinn. Um zu eindeutigen Aussagen über die Arbeitsbeträge zu kommen, sind 2 Wege gangbar. Die klassische Methode besteht darin, den Weg vorzuschreiben, z. B. eine Kompression bei konstanter Temperatur, oder ohne Zu- bzw. Abfuhr von Wärme (= adiabat). Das ist im Maschinenbau zweckmäßig, wo primär die Frage gestellt wird, was in einer bestimmten Maschine passiert. In der Verfahrenstechnik wird primär gefragt, wie man den Stoff vom einen in einen anderen Zustand umwandeln kann und wieviel Arbeit dabei aufzuwenden oder zu gewinnen ist, welche Geräte und Verfahren anwendbar sind. Man kann jedoch i. a. angeben,

Wärmemengen und I. Hauptsatz

31

ob man eine abgeschlossene Stoifmenge oder laufend einen Stoiistrom verarbeiten will, und man weiß, in welcher Umgebung (Druck, Temperatur) die Anlage zu arbeiten hat. Man kommt dann auf die Arbeitsfähigkeit des Stoffes, „Motivity" (nach T h o m s o n ) für die abgeschlossene Menge, „Exeigie" (nach R a n t ) für den Stoffstrom, in denen die Unbestimmtheit durch Bezugnahme auf die Umgebung beseitigt ist. A u f g a b e : Berechne für das ideale Gas A bei isothermer Kompression und vergleiche mit dem oben berechneten L (§6). 10. Wärmemengen und I. Hauptsatz Wärme tritt im allgemeinen an Stoff gebunden auf, sie kann unter Temperaturausgleich vom wärmeren auf den kälteren Stoff übergehen. Der Charakter der Wärme als Energieform wurde erst ersichtlich, als man die Umwandlung anderer Energieformen in Wärme untersuchte — aus mechanischer Energie durch Reibung, aus elektrischer als J o u l e ' scher Wärme. Nachdem der Satz der Erhaltung der Energie in der Mechanik längst bekannt war, wurde er durch R o b e r t M a y e r auch die Wärmemengen umfassend ausgesprochen. Die Schwierigkeit der Formulierung liegt in der richtigen Erfassung der gebundenen Wärme und der Erkenntnis, daß die Wärmeinhalte Zustandsgrößen sind. In Worten lautet dann der Energiesatz, hier als I. Hauptsatz bezeichnet, für eine Zustandsänderung: 17) Zugeführte Wärme dq = Zunahme der inneren Energie du + abgeführte Arbeit dA . Da O und A keine Zustandsgrößen sind, kann die Zustandsgröße U hiermit nicht definiert werden. Man braucht hierzu eine neue Zustandsgieichung, die kalorische Zustandsgieichung. Da nun bei konstantem Volumen keine Arbeit geleistet wird (dV = dA = 0), untersucht man die Zustandsänderung bei konstantem

32 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe Volumen, wobei die etwa aus elektrischer Heizung meßbar zugeführte Wärme restlos zur Vergrößerung von U durch Steigerung der Temperatur dient. Es gilt: 18) dQv = Cv-dT = dUv , dqv = cv-dT = duv . Cy ist die Wärmekapazität, man geht wieder zur Mengeneinheit über und definiert cv als spezifische Wärme bei konstantem Volumen. Analog ist die Molwärme c„ definiert, Maßeinheit ist meist die kcal, also kcal/kg • grd bzw. kcal/kmol • grd, neuerdings wird statt der kcal das J bevorzugt. Praktisch mißt man meist bei konstantem Druck, vor allem im Strömungskalorimeter. Dabei leistet der Stoff die Verdrängungsarbeit d (p • V), bei „idealen" Gasen n • 9t • dT, bei kondensierten Stoffen meist vernachlässigbar klein. Auch damit ist eine Zustandsgröße definiert: Die Enthalpie wird mit H, im Schrifttum des deutschen Maschinenbaues mit I bezeichnet. Es gilt: 19) dQp = Cp • dT = dHp (= dlp) , dqp = cp- dT = dhp (= dip) . 20) Cp = cv + SR z . Darin wird praktisch für (ideale) Gase z = 1, für (ideale) Flüssigkeiten und Kristalle z = 0 gesetzt. Die beiden Zustandsgrößen können direkt als Integrale in Verbindung gebracht bzw. umgerechnet werden: 21) H ( = I) = U + p • V . Mit der Enthalpie schreibt sich der I. Hauptsatz zunächst: 22) dq = du + pdv + vdp — vdp = dh — vdp . Da aber — vdp = dL, die abgeführte technische Arbeit ist, gilt wieder in Worten: 23) Zugeführte Wärmemenge dQ = Zunahme der Enthalpie dH + abgeführte technische Arbeit dL. Die Formulierung des I. Hauptsatzes in Worten hat den Vorteil, daß „Arbeit" allgemein gilt, also auch elektrische, magnetische etc. Arbeitsbeträge umfaßt, ohne daß diese selten auftretenden Größen (z. B.

Kalorische Eigenschaften der realen Stoffe

33

Kälteverfahren der adiabaten Entmagnetisierung) immer explizit in den Formeln mitgeschleppt werden müssen.

A u f g a b e n : W i e groß ist dA bei isobarer, dL bei isochorer ( = gleiches Volumen) Erwärmung? Gib den Formelausdruck für die magnetische Arbeit an.

11. Kalorische Eigenschaften der realen Stoffe, Messung und Deutung Die oben in 18) und 19) in differentieller Form gegebene Definition der spezifischen Wärmen kann wiederum noch keine vollständige kalorische Zustandsgleichung sein: u und h müssen außer von der Temperatur i. a. auch vom Druck abhängig sein. Man definiert wieder ein kalorisch „ideales" Gas durch Verschwinden der Druckabhängigkeit und evtl. Konstanz der spezifischen Wärme, so daß h = ho + c„ • T gilt. Abgesehen davon, daß hier 2 Größen h und u auftreten, die sich um den aus der thermischen Zustandsgleichung bekannten Summanden p • V unterscheiden, besteht die größere Schwierigkeit bei den kalorischen Zustandsgrößen darin, daß es kein direktes Meßverfahren für ihren Gesamtbetrag gibt. Man mißt also immer Änderungen von u bzw. h, und zwar die Temperaturabhängigkeit durch die spezifischen (und latenten) Wärmen, die Druckabhängigkeit durch d e n J o u l e - T h o m s o n - Effekt.

Die Meßgeräte heißen Kalorimeter, man mißt meist bei konstantem Druck cp. Von kondensierten Stoffen füllt man eine abgewogene Menge in ein wärmeisoliertes Gefäß und führt eine meßbare Wärmemenge, z. B. durch elektrische Heizung (q = i •

Ti > T0, p > po sei. Als Uberführungsweg wird zuerst isentropische Entspannung von p auf po, T auf Ti und anschließend isobare Abkühlung auf To angenommen. Für die praktisch wichtigere Exergie erhält man, da si = s : 52) Tl e = (h-hi)+fCadh = cp(T-T1) + cp / (T~To)dTlT = = cp(T-T1 + T1-To)-To (s - s0) e = Ah — Tods. Die Exergie ist damit in den allgemeinen Größen h und s ausgedrückt, umfaßt also automatisch auch andere Energieformen als Volumenarbeit. Im h — sDiagramm findet man die Exergie als senkrechten Abstand des Zustandspunktes von der „Umgebungsgeraden". Die Umgebungsgerade ist nach B o s n j a k o v i c [10] die Tangente an die po-Isobare bei To, ihre Steilheit ist dhlds = To. Man erkennt, daß Stoffströme mit hoher oder tiefer Temperatur positive Exergie besitzen, daß aber ein mit Unterdruck zuströmender Stoffstrom nur unter Arbeitsaufwand in die Umgebung ausgestoßen werden kann. Die Motivity gibt einen komplizierteren Ausdruck. Sie entspricht der Arbeit A, auf der Isentrope ergibt sich daher die Änderung von u, längs der Isobare gilt das oben berechnete, man schreibt aber etwas anders Ah = Au+poAv (zwischen 0 und 1). Nunkommt aber bei der Isentrope noch ein Betrag hinzu, den man üblicherweise vernachlässigt. Nach dem I. Hauptsatz ist 0 = du+pdv, genaugenommen ist aber nur die Differenz p —Po ausnutzbar, d. h. dA = (p — po) dv = = —du—podv. Daraus folgt: 53) / = U - Ul + p0(V - Vi) + Ul - U0 + Po(Vi - V0) - To(S(l) - s0) — Au+poAv—ToAs.

48 Thermodynamik der reinen (und der einfachen) Stoffe

Aus dieser Schreibweise erkennt man die Eigenschaft der Zustandsgröße (2-ter Art), da keine partiellen Differentiale, sondern Produkte mit Konstanten (poTo) auftreten, die unabhängig vom Weg integrierbar sind. Es sei noch eine andere Form angegeben. Nach dem I.Hauptsatz ist dq = Tds = du+pdv, d.h. du = Tds — pdv. Indem man das einsetzt erhält man in differentieller Form: 54) d;' = (T —To) ds — (p —Po) dv. Das ist eine „quadratische Form"; man ersieht daraus, daß die Motivitie immer positiv ist. Die Kurven ;' = konst sind in Zustandsdiagrammen meist etwas deformierte Kreise um den Umgebungszustand, der Betrag von ) nimmt etwa mit dem Quadrat der Entfernung von poTo zu.

A u f g a b e : Berechne e und j von 1 m 3 /h bzw. 1 m 3 Wasser, das mit p = l , 5 a t ü und f = + 1 5 ° C zuströmt; a) im Winter mit t 0 = - 5 ° C , b) im Sommer mit i 0 = + 2 5 °C (ohne Verdunstung!) Wieviel macht hierbei die WasserEntspannung aus? Lies aus dem h — s-Diagramm von Wasserdampf ab, um wieviel die spezifische Exergie (pro kg) eines Sattdampfstromes von 20 ata abnimmt, wenn auf 1 ata gedrosselt wird. Umgebungszustand 1 ata, + 2 0 °C.

16. Gleichgewidit und II. Hauptsatz Bisher war aus Gründen der Vereinfachung konsequent „idealisiert" worden, die technische Anlage hat aber natürlich Verluste, d.h. Wirkungsgrade 17iph + (1 - vi) p/2, woraus notwendig eine Bedingungsgleichung für die f folgt: 75) fe = (l-yifi)/(l-Vi)W e n n man jedoch die Partialdrucke nicht nach 73) aus dem gemessenen Gesamtdruck und Molenbruch, sondern aus dem Henry'sehen Gesetz berechnet, so muß man dieses durch den Realfaktor z korrigieren: 76) p! = nifHTl[Vz) . Für z (p, T) ist es dann richtiger, aber auch nicht exakt, den zu p gehörigen W e r t statt des zu pi gehörigen Wertes zu nehmen, d. h. eine Additivität der Volumina statt der Drucke anzunehmen. Da i. a. zi^=z2 und l/z=t=yi/zi + yj2lz2 ist, kommt hier eine für die Mischung gültige Korrektur des Stoff-Verhaltens hinzu, die man teils in den Aktivitätskoeffizienten hineinnimmt, teils auch gesondert angibt (Preßeifekt; insbesondere bei der Umrechnung zwischen Flüssigkeit und Gas: Fugacität etc.). Bei Zusammenziehung beider Korrekturen wird natürlich 75) ungültig. Glücklicherweise reicht die Anwendbarkeit der Näherungen und der Annahme / = 1 technisch vielfach aus, so daß jedenfalls in der Gasphase meist der Partialdruck statt der Aktivität benutzt werden darf.

72

Thermodynamik der Gemische 4. Arbeitsfähigkeit und Entropie von Gemischen

Motivity und Exergie waren bisher für reine Stoffe definiert, sie sind als Quantitätsgrößen additiv, d. h. ein System aus y>A Mol A und (1 — y>A) Mol B hat 77) 3 S = V M S . 4 + ( 1 - v m ) 3 B ®S = VA ®A + {1-V>A) ©S

Der Index S sagt, daß es sich um die Summe des Unvermisditen handelt, der Index M bedeutet das Gemisch. Setzt man zunächst die Mischung zweier idealer Gase voraus, so wird:

78)

=

(L—TFA) UB + PO (TL>A + L—VA)L%$ —

To (yjA ®A ( P a ) + (1 - VA) @ B (*>B))

®M = VA$A + ( 1 -Y>A) ®BTo (VA ®A (PA) + (1 -VA)&B (PB))

Der Volumen-Term addiert sich exakt, die WärmeTerme unter der Voraussetzung idealer Mischung, die bei Gasen gilt, es bleibt lediglich eine Änderung des Entropie-Termes übrig. Bezieht man SA,3B, 3S und &A, ©B, ®s auf Drude, und Temperatur der Mischung (Normalbeträge), so kann man schreiben: 79)

3M = 3 S - 7 O ^ @ A /

®M =

®S-T0A®M

Es tritt also bei der Mischung für beide ein gemeinsamer Zusatz-Term auf, die „Tiennarbeit" aus der „Mischungsentropie", die sich aus der bekannten Druckabhängigkeit der Entropie berechnet zu: 80) AA) In (p/pB)) = 3 f l2> i ln(l/V;) Da man als Normaldruck po = 1 und in zweckmäßiger Definition entsprechend a,o = 1 wählt, schreibt sich die Mischungsentropie für den realen Stoff: 81) = 3t.Zy>i-ln (l/a/) Man beachte, daß darin nebeneinander der Mengenanteil ipi und die Aktivität at vorkommt, so daß Integrationen etc. recht schwierig werden. Es war schon festgestellt worden, daß beim realen Stoff Wärmetönungen der Mischung, d. h. zusätzliche

Arbeitsfähigkeit und Entropie von Gemischen

73

Mischungsenthalpien Ah (und Au) vorkommen, deren Ausgleich natürlich auch Zusatz-Entropien ASM (h) = Ah/T liefert. Beim isothermen Mischen bei To heben sich die Beiträge für die Trennarbeit wieder heraus, bei abweichenden Temperaturen sind sie jedoch zu beachten. Da sich die thermische Verfahrenstechnik zum sehr wesentlichen Teil mit der Entwicklung praktischer Misch- und Trennveriahren beschäftigt und dabei auch die Frage nach den im Grenzfall idealisierbaren Verfahren auftaucht, kann man später diese Verfahren für Meßzwecke so überdimensioniert verwenden, daß die Arbeitsfähigkeit praktisch beliebig genau meßbar wird. Es sind dann meßbar ju — js bzw. e« — es, Auu bzw. Ahnt als Wärmetönungen und aus em — es = AhM — To(ofähM dh/T+Asü) erhält man als einzige Unbekannte ASM, woraus nach 81) die Aktivitäten berechnet werden können — als Ergebnis von Arbeitsmessungen. Für 2 Komponenten setzt man Ü'B = 1 — Ü'Ahat also nur eine Unbekannte. Soweit spezielle Meßwerte fehlen und entbehrlich erscheinen, benutzt man die idealisierten Formeln. Die Trennarbeit wird für 1 Mol Gemisch mit y> = ipA nochmals ausgeschrieben: 82) © s - e«=T 0 SR [yln (1/V) +(1 -ip) In (1/(1 - y ) ] Beide Summanden vor der Klammer verschwinden sowohl für (der erste, weil ip schneller gegen 0 als — lnt/r-»-°° geht, der zweite wegen In 1=0) als auch für yj->l (Analog). Die Trennarbeit verschwindet also für spurenweise Verunreinigungen und erreicht für äquimolare Gemische ihren Maximalwert: SR To In 2 für binäre, SÜTo In 3 für ternäre usw. Für 1 mol Produkt A wird die Trennarbeit dagegen (&S — &M)IWA, geht also für yj->-0 gegen unendlich, weil erst eine unendlich große Gemischmenge 1 Mol des unendlich verdünnten A liefern kann.

74

Thermodynamik der Gemische

A u f g a b e : Berechne die Trennarbeit für 0 2 —N2-Gemische unter Normalbedingungen für 1 Nm3. a) Gemisch, b) 0 2 , c) N 2 und trage sie über y> graphisch auf. Aus Rauchgas mit 16 % C 0 2 soll bei + 20 °C das C 0 2 gewonnen werden. Gib die theoretische Trennarbeit je kg C 0 2 an.

5. Bezugssystem, Normalwerte In der Formel für die Motivity steht explizit der Umgebungsdruck po, in Exeigie und Motivity geht der Bezugsdruck in den Zahlenwert der Entropie ein. Meist werden die Rohstoffe unter po, To angeliefert und ebenso die Produkte mit po, To abgegeben, vernünftigerweise werden daher „Normal-Entropien" eingesetzt. Genaugenommen sollte statt des Umgebungsdruckes po die Aktivität ao des fraglichen Stoffes in der „Umgebung" eingesetzt werden. Das gibt im allgemeinen unendlich große j und e und ist daher sinnlos. Anders liegt es jedoch, wenn es sich um Komponenten handelt, die in der Luft enthalten sind und aus ihr gewonnen werden sollen. Das gilt für die Erzeugung von 0 2 , N2, Edelgasen, evtl. von CO2 aus Rauchgasen, ferner für die Trocknung von Luft (Klimatechnik) und die Gewinnung von Wasser aus feuchter Luft oder Kälte aus verdunstendem Wasser. Hier ist z. B. das Ergebnis obenstehender Aufgabe, wonach das 50°/oige Gemisch die kleinste Arbeitsfähigkeit hat, offensichtlich unsinnig, es würde besagen, daß man dieses Gemisch unter Arbeitsgewinn aus Luft erzeugen könnte. In Wirklichkeit hat natürlich die normale Umgebungsluft die Arbeitsfähigkeit 0, die Trennarbeit wird um so größer, je mehr sich die gewünschte Konzentration von der Umgebungskonzentration unterscheidet. Es bedeutet dann sinngemäß: Mofiviiy = Arbeitsaufwand zum erstmaligen Füllen eines Kessels, Anlage etc., die anfänglich natürliche Luft enthalten, mit dem gewünschten Gemisch, wobei

Trennungen an Phasengrenzen, Phasenregel

75

die überschüssigen Komponenten bei fallender Innenaktivität gegen die Außenaktivität, die unterschüssigen von der Außenaktivität gegen die steigende Innenaktivität gefördert werden müssen. Exeigie = Arbeitsaufwand zum Erzeugen eines Gasstromes, dessen Komponenten mit den konstanten Außenaktivitäten aufgenommen und auf die gleichfalls konstanten Innenaktivitäten komprimiert bzw. expandiert werden müssen. Für Pinnen = Po sind beide Größen positiv, e > ; . Einfache Recheniormeln gewinnt man aus dem Gedankenexperiment der Trennung mit halbdurchlässigen Membranen und isothermer Druckänderung nach van 'tHoff.

A u f g a b e n : Beredine die Exergie von angereichertem O2 als Funktion der Endkonzentration y>. Berechne die Motivity der Füllung einer Schweißwerkstatt von 300 m 3 mit Argon.

6. Trennungeil an Phasengrenzen, Phasenregel Die halbdurchlässigen W ä n d e wurden durch v a n ' t H o f f zur theoretischen Behandlung der Trennungen eingeführt und haben vereinzelt technische Anwendung gefunden zur Messung von Aktivitäten sowie neuerdings in der Elektrodialyse, sie bilden weitgehend die Grundlage biologischer Trennmethoden im lebenden Organismus. Das Wesentliche ist, daß es sich hierbei um Phasengrenzflächen handelt, und daß alle Phasengrenzflächen mehr oder weniger selektiv sind, selten für Vorgänge der Diffusion, öfter für Adund Absorption und allgemein für Kondensation. Die Technik der Trennverfahren läßt sich daher gliedern nach den angewandten Kombinationen von Aggregatzuständen. Die plausible Ursache des Trenneffektes ist die größere Ordnung einer Phase, in die die vermischten Molekülsorten verschieden gut hineinpassen. Die größte Ordnung herrscht im Kristall, daher findet man dort die schärfste Selektivität, die

76

Thermodynamik der Gemische

geringste dagegen ist gerade noch feststellbar bei Gasen in den lediglich makroskopischen Feld-Ordnungen der Thermodiifusion. Für die Beantwortung der Frage, wie viele Phasen auftreten und wie viele Größen dann noch variiert werden können, ist die G i b b s ' sehe Phasenregel nützlich. Mit der Zahl der beteiligten Stoffe n, der Zahl der Phasen p und der Zahl der Fieiheitsgrade i gilt 83) n+2 = p+f Die 2 ist die schon bekannte Dimensionszahl der Zustandsfläche bzw. der in 3t = 2 ausgedrückten Grund-Freiheitsgrade. Das 1-Stoff-System kann nach 83) höchstens 3 Phasen an eindeutig definierten Tripelpunkten haben, beim 2-Stoffsystem hat die 3-Phasenkombination Dampf (nie zu vergessen!), Flüssigkeit und Bodenkörper noch einen Freiheitsgrad: die Dampfdruckkurve erlaubt die Änderung des Druckes, womit aber die Temperatur festliegt. Nimmt man noch Inertgas (Luft) hinzu, so ist p und T beliebig wählbar. Im Rahmen der Gesamtkonzeption werden vorerst die Stoffeigenschaften behandelt, insbesondere die Gleichgewichtsbedingungen der verschiedenen Kombinationen — vorwiegend aus ModellvoiStellungen — abgeleitet und die zweckmäßige Darstellung in Diagrammen entwickelt. Die damit angreifbaren verfahrenstechnischen Aufgaben werden nur erwähnt und ihre technischen Lösungen gelegentlich zur Erläuterung herangezogen, ohne daß Vollständigkeit angestrebt wird. Lediglich Meßverfahren werden soweit wie möglich behandelt. Die Energetik wird erst später im Zusammenhang mit der Analyse des Wirkungsgrades von Verfahren interessant. Da man aus den bereits begründeten Schwierigkeiten heraus in den Diagrammen meistens auf die Entropie-Darstellung verzichtet, geht die Analyse der Trennarbeit etc. meist von den oben angegebenen idealisierten Formeln aus. Die dabei ge-

Gas-Dampf-Gemische

77

machten Fehler sind i. a. klein gegenüber den später für technische Wirkungs- und Geräte-Gütegrade anzubringenden Korrekturen, so daß die exakte Behandlung in speziellen Entropie-Diagrammen nur lohnt, wenn diese Diagramme ohnehin benötigt werden.

A u f g a b e : Entwirf eine Systematik der Trennverfahren nach Kombinationen der Aggregatzustände und gib für jede Gruppe ein Beispiel.

7. Gas-Dampf-Gemische Der einfachste Fall liegt vor bei gasförmigen Gemischen, die nur eine Dampf-Komponente besitzen, die — durch Erhöhen des Druckes oder Senken der Temperatur — zur Kondensation gebracht werden kann und sich dabei rein abscheidet, d. h. ohne die Gas-Komponente(n) in merklicher Menge zu lösen. Das wichtigste Beispiel ist feuchte Luft. Ihr CO2Gehalt ist zwar auch kondensierbar, kann aber mengenmäßig vernachlässigt werden. Zur Darstellung wird das h-x-Diagramm (übliche Bezeichnung i —x-Diagramm, auch M e r k e l - D i a gramm) bevorzugt, die Enthalpie des Gemisches pro kg trockenes Gas als Ordinate (schiefwinklig), x, der Dampfgehalt in kg (bzw. g) pro kg trockener Luft als Abszisse. Das Diagramm gilt also für 1 kg Gas + x kg Dampf. Der Darstellungspunkt von reinem Dampf bzw. Kondensat würde nach rechts im Unendlichen liegen, man gibt auf einem Randmaßstab die Richtungen an, in denen, vom Koordinaten-Nullpunkt bèi f = 0°, x = 0 aus, der Zustandspunkt wandert bei Zusatz von Dampf oder Kondensat verschiedener spezifischer Enthalpie. Am linken Diagrammrand trägt man Temperaturund Enthalpie-Skala auf. Nach rechts hin nimmt die spezifische Wärme 84)

Cp (Gemisch) = Cp (Gas)+X

• Cp"(Dampf)

zu. Würde man die Isothermen waagrecht ausziehen,

78

Thermodynamik der Gemische

so müßten die Isenthalpen konvergieren, stattdessen läßt man die Isothermen nach rechts divergieren und benutzt parallele Isenthalpen als Koordinaten. Die Enthalpie des Gemisches ist: 85)

i(Gemisch)

—t'

Cp (Getmsch)~^~X'

T

mit der Verdampfungswärme r kcal/kg Dampf — bzw. der Sublimationswärme. Wegen des großen Betrages von r nimmt h mit x stark zu, man nimmt deshalb Koordinaten-System, in dem die ein schiefwinkliges Isenthalpen nach rechts — meist etwa unter 45° — abfallen und die Isothermen im Mittel etwa waagrecht verlaufen. Da das Gas — z. B. feuchte Luft — sich weitgehend ideal verhält, ist dieser Teil des Diagrammes vom Druck unabhängig. Der Partialdruck des Dampfes p" kann im Gleichgewicht höchstens gleich dem Sättigungs-Dampfdruck p"s bei der betreffenden Temperatur werden, damit ist die Grenze des homogenen Gasgemisch-Bereiches als Täulinie definiert bei: >«n öbj

X

"

M

"

P

"

MG x M0 p-p" M" p"s Xs Mg (p — p"s) Darin bedeutet M" das Molekulargewicht des Dampfes (hier Wasser), MG das des Gases (hier mittleres Molekulargewicht der Luft). Die Lage der Taulinie hängt vom Druck ab, bei höherem Druck rückt sie nach oben bzw. links, da die mit der Temperatur konstant bleibende Dampfmenge nun mit einer dichteren Luft gemischt, x also kleiner ist. überschüssiges Wasser kann im Gleichgewicht nur flüssig als Nebel bzw. fest als Eis (Schnee) in der Luft vorhanden sein, unterhalb der jeweiligen Taulinie liegt also das Nebel-Gebiet. p-p"

Gas-Dampf-Gemische

79

Für das überschüssige Wasser ist der Enthalpiebetrag nur dx't' Cp (Wasser) bzw. /Ix (t' Cp {Eis) — s), s = Schmelzenthalpie. An der Taulinie knicken daher die Isothermen in die Nebel- bzw. Eisnebel-Isothermen ab, die fast parallel den Isenthalpen verlaufen.

f

8

t

t°c

20

/

\\

//

X



.80°

V//

10

\

-700

V \

v

\ -600

\

// /M\oc-) *

-10 1

~500

/ \

10 \\ \

-

—» dh

~l

II wird Trennfaktor genannt. Für ideales Verhalten darf 77 = konst angenommen werden, weiter gilt für die Partialdrucke in Dampf = Aktivitäten: 96)

fil

= Psl1fl

p2 = Ps2W2=Ps2{l — m') •

Ideale Flüssigkeitsgemische

99

Man berechnet die (molare) Dampfkonzentration: 97) n" = Pil(P\+&) = PsiVil(PsiW+Ps2 U-Vi) = _ Jiwi ~~ üipi+l — ipi Danach ist für ipi' — O auch yi" = 0 und für ip{ = l ebenso \pi" = l, für alle dazwischenliegenden Konzentrationen ist jedoch solange 7 7 > i , d.h.: Der flüchtigere Stoff ist in der Dampf-Phase angereichert. Die graphische Darstellung der Dampf-Konzentration ip" über der Flüssigkeitskonzentration %p' heißt M c C a b e - T h i e l e -Diagramm. Si? ergibt sich als Ergebnis von Messungen oder durch Berechnung nach 97). Nebenstehendes Diagramm ist mit 77 = 2 berechnet, das entspricht etwa einem Unterschied der Siedepunkte von 10 grd. Das einfache Ver- | dampfen einer Teil- y menge und anschließende Kondensieren wird Destination genannt. Es ergibt sich eine Stufe im Diagramm, das wieder kondensierte Destillat ist reicher an der flüchtigen Komponente, die auch „Geist" (Weingeist) genannt wird. Das Verfahren wird in Abb. 19. M c C a b e - T h i e l e der Umgangssprache Diagramm eines idealen Gemiauch „Brennen" ge- sches mit Trennfaktor 77 = 2. nannt (Branntwein), höhere Alkohol-Konzentrationen erreicht man durch zwei- und mehrmaliges Brennen (Doppel-Korn). Wird das Destillieren fortgesetzt, so verarmt die Lösung an Geist, ihr Zustandspunkt rückt auf der T

100

Thermodynamik der Gemische

Diagonale nach links unten und entsprechend wird auch das Destillat geist-ärmer. Man bezeichnet als fraktionierte Destillation ein Arbeitsverfahren, bei dem die Destillate in Teilmengen entnommen und beim Fortschreiten die ärmeren wieder dem Rohgemisch zugesetzt werden. Praktisch wird die Methode vor allem im Labor benutzt, um vielkomponentige Gemische zu zerlegen. Bei mehrstufiger Destillation kann man den aus der unteren Stufe aufsteigenden Dampf direkt als Heizmittel für die nächste Stufe benutzen. Konstruktiv bildet man die einzelnen Stufen dann als „Böden" aus, auf denen der von unten kommende Dampf durch die Flüssigkeit perlt, von oben kommende Flüssigkeit zum nächsten Boden abfließen kann. Das Verfahren der vielstufigen, kontinuierlichen Destillation heißt Rektifikation. Der oberste Teil einer „Kolonne" ist der „Kopf", das flüchtige Produkt daher auch Kopf-Produkt. Der unterste Teil, in dem die Verdampfungswärme zugeführt wird, heißt Sumpf, das dort abgezogene Sumpfprodukt oder Schlempe. Durch den Stoffaustausch mit dem Dampf verarmt die Flüssigkeit auf einem Boden an Geist, man muß daher von oben reichere Flüssigkeit nachfließen und die verarmte nach unten abströmen lassen. Der zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes erforderliche Rückfluß wird im Kopf der Kolonne durch Kondensation im Dephlegmator erzeugt. Das Verhältnis von Rückfluß/Produktstrom (Rückflußverhältnis) ist eine wichtige Betriebsgröße der Anlage. Nach der oben skizzierten Treppenkonstruktion hat der Dampf die Konzentration des nächsten Bodens, Konzentrationsänderungen können nur vermieden werden, wenn ebensoviel Flüssigkeit von oben herabfließt, wie Dampf aufsteigt. Das bedeutet: Obiges Diagramm ist für totalen Rückfluß gezeichnet.

Ideale Flüssigkeitsgemische

101

Wenn der Dampfstrom D gleich dem Flüssigkeitsstrom. F ist, wird kein Durchsatz erzielt. Praktisch will man das Gemisch („Maische") in der Mitte einspeisen und oben Geist abziehen, so daß in der Verstärkungssäule D^>F und analog in der unteren Abtriebssäule F>D sein muß. Wegen der Mengenbilanz muß in jedem Teil der Durchsatz ± (F — D) konstant sein. In der Idealiiserung nimmt man an, daß zufolge der nahezu gleichen Siedetemperaturen nach der T r o u t o n ' sehen Regel auch die molaren Verdampfungswärmen beider Stoffe und aller Gemische gleich sind. Dann sind aber auch die molaren Ströme F und D einzeln und demzufolge FlD in jeder Säule konstant. Da weiterhin auch für die einzelnen Komponenten Bilanzgleichungen gelten und d y i " D = dipi F sein muß, ergibt sich: 98) d xpi'ld ipx = FlD = konst. Das ist im M c C a b e - T h i e l e Diagramm die Gleichung einer Geraden, der Betriebsgeraden der Säule, die in jedem Querschnitt den Zusammenhang von Dampf- und Flüssigkeits-Konzentration angibt. Senkrecht darüber findet man auf der Gleichgewichtskurve die Konzentration des aufsteigenden Dampfes, von dort waagrecht nach rechts am Schnittpunkt mit der Betriebsgeraden die Konzentration des nächsten Bodens. Zu jeder Betriebsgeraden liefert also die Treppenkonstruktion die Zahl der theoretischen Böden. Der nach oben abschließende Dephlegmator kann durch Gegenstrom-(Rückfluß-)Kondensation eine mehreren Böden entsprechende Trennwirkung erzielen, ebenso analog der Kocher bei entsprechender Konstruktion, was z. B. im Dünnschicht-Verdampfer selbständig ausgenutzt wird. A u f g a b e n : Man stelle Mindest-Rückfluß bzw. (in der Abtriebssäule) Mindest-Dampfstrom durch Bilanzüberlegung fest und gebe die zugehörigen Lagen der Betriebsgeraden im Diagramm an. Für Einspeisung y)^ = 50% und

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Thermodynamik der Gemische

Gleichgewicht entsprechend der Skizze (77 = 2) gebe man die Mindestbodenzahlen für Trennung auf a) 2 0 % / 8 0 % , b) 5 % / 9 5 % an. Man gebe die Mindest-Rückfluß-Verhältnisse an.

16. Reale Flüssigkeitsgemische Bei realen Flüssigkeitsgemischen kann 1) 77 von der Konzentration und vom Druck abhängen, 2) die Verdampfungswärme von der Konzentration abhängen und durch zusätzliche Mischungswärmen modifiziert sein. Die 1-te Störung führt zur Verformung der Gleichgewichtskurve im M c C a b e - T h i e l e - Diagramm. Berührungs- und Schnittpunkte mit der Diagonalen bedeuten eine Azeotropie, die durch Rektifikation nicht getrennt werden kann. Nach der Regel von K o n o w a l o v kann die Gleichgewichtskurve nicht abfallen. Bisweilen kann die Azeotropie durch Zumischen eines 3-ten Bestandteiles überwunden werden (Azeotropeund mit Zusatz-Strom: Extraktive-Rektifikation). Bei realen Gemischen nimmt vielfach 77 mit steigendem Drude ab, mit sinkendem tritt eine Annäherung an ideales Verhalten ein, die auch manchmal eine Azeotropie zum Verschwinden bringt. Das sowohl als auch die Temperaturempfindlichkeit mancher Produkte legt die Vakuum-Rektitikation nahe. Dabei ist durch konstruktive Maßnahmen der Druckverlust innerhalb der Säule möglichst gering zu halten. Schließlich kann in der Flüssigkeitsphase eine Mischungslücke auftreten. Wenn die Dampfkonzentration ip" zwischen denen der beiden flüssigen Phasen xpi , liegt, bedeutet das eine Azeotropie. Gemische mit Komplikation der Umwandlungswärme müssen im h — f- bzw. h — y-Diagramm dargestellt werden. Im M c C a b e - T h i e l e - Diagramm würden sich statt der Betriebs-Geraden gekrümmte Referenz-Kur-

Reale Flüssigkeitsgemische

103

ven ergeben. Die Geometrie wird dadurch unübersichtlich. Praktisch benutzt man das M c C a b e T h i e l e - Diagramm vor allem, solange keine genaueren Unterlagen aus Messungen vorliegen, also auch noch als Näherung, wenn die Voraussetzungen nicht mehr zutreffen. Im Enthalpie-Diagramm darf man die Isothermen des Dampf- und Flüssigkeits-Gebietes als unabhängig vom Druck ansehen, beide Kurvenscharen gelten also allgemein. Dagegen ist Tau- und Siedelinie wiederum nur für einen Druck gültig, man kann aber — ähnlich wie im h — x-Diagramm der Gas-Dampf-Gemische — die Grenzkurven für verschiedene Drucke übereinander zeichnen. Das interessanteste sind die NaßdampfIsothermen oder Konoden. Sie bilden eine Geradenschar, die nicht durch einen Pol geht, sondern eine — meist außerhalb des Diagramm liegende —• Abb. 20. h — f-Diagramm der Hüllkurve rechts und Verdampfung nach B o x n j a links besitzt. k o v i c [10]. Für die praktische Konstruktion der Konoden benutzt man als Hilfslinie eine „Falsche Taulinie", definiert durch die Schnittpunkte der Senkrechten von der Siede- und Waagrechten von der Taulinie, jeweils zur gleichen Konode gehörig. Man beachte, daß es je nach Vorgang verschiedene Verdampfungs- und Kondensationswärmen — für ein kg gegebenes Gemisch oder konstanter Konzentration einer Phase, sowie schließlich pro kg

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Thermodynamik der Gemische

Stoff 1 etc gibt, die man graphisch im Diagramm ermitteln kann. Aus der später zu behandelnden Bilanzgleichung ergibt sich, daß an die Stelle der Betiiebsgeiaden im M c C a b e - T h i e l e - Diagramm hier eine durch einen Pol gehende Geradenschar tritt und daß sich die Treppe aus Geraden dieser Schar und den Konoden zusammensetzt. Die Mindesthöhe des Poles bzw. der Pole ist durch die steilste Konode bestimmt. I. a. (für ein ideales Gemisch) sind die maßgebenden Konoden die mittleren bzw. vom Pol entferntesten. Durch Heranziehen des s — f-Diagramms läßt sich zeigen, daß die Rektifikation mit einem Exergie-Verlust verknüpft ist, weil die Konoden keinen Pol haben. A u f g a b e n : Entwirf die Treppenkonstruktion für totalen Rückfluß und diskutiere den Einfluß der Polhöhe auf den Wärmeverbrauch der Trennung. Konstruiere Destillation und fraktionierte Destillation im Diagramm.

17. Chemische Zustandsänderungen Chemische Reaktionen, von denen dieser und die vier folgenden Abschnitte handeln, lassen sich aus dem Rahmen verfahrenstechnischer Produktionen nicht ausgliedern. IhreBehandlung gehört daher zur thermischen Verfahrenstechnik. Es ist jedoch sowohl der Zugang zum Verständnis als auch die spätere konkrete Aufgabenstellung für Chemiker und Verfahrensingenieur gänzlich verschieden. Während der Chemiker immer an die im Labor erworbene Stoff-Kenntnis anknüpft, sein W e g daher überwiegend induktiv zu allgemeinen Gesetzmäßigkeiten fortschreitet und nur soweit verfolgt wird, als es für die chemisch-stofflichen Produktionsaufgaben nützlich und notwendig ist, k a n n der Ingenieur umgekehrt nur deduktiv von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten ausgehen und daraus Methoden und Formeln zu gewinnen versuchen, die die

Chemische Zustandsänderungen

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Abmessungen der Reaktoren liefern, also die Lösung der Konstruktions-Aufgaben ermöglichen. Ähnlich wie oben die qualitativ gänzlich verschiedenartigen Vorgänge der Ab- und Adsorption bei gleichartiger formaler Behandlung schließlich auf einen Vorzeichenunterschied in 89) bzw. 91), Krümmungsunterschied in Fig. 15 hinausliefen, sollen hier zunächst Gleichheiten und Unterschiede zwischen den bisher behandelten physikalischen und den chemischen Zustandsänderungen festgestellt werden. Die chemische Reaktion wird also unter den Oberbegriff der Zustandsänderung eingeordnet. Da hierbei entsprechend der Reaktionsgleichung mindestens zwei, i. a. mehrere Reaktionspartner als Ausgangsstoffe und Produkte auftreten, handelt es sich um eine Zustandsänderung in Gemischen. In der Reaktionsgleichung, z.B. 2H2+C>2 = 2H20 stehen auf beiden Seiten die gleichen Anzahlen von Atomen jeder beteiligten Sorte, d. h. die Gleichung ist eine Atom- oder auch eine Massengleichung. Verschieden ist jedoch die Zusammenfassung der Atome zu Molekülen und i. a. auch deren Anzahl, oben z. B. links 3, rechts 2. Die Zusammenfassung der Atome unter dem Einfluß der chemischen Bindungskräfte kann man als Kondensations- oder Kristallisations-Vorgang ansehen, die Reaktion demnach als Umkristallisation. Da sich der Ordnungsgrad bei der Umkristallisation nicht grundsätzlich ändert, läßt sich keine „Regel" für die Größe der Umwandlungsentropie finden. Allerdings muß natürlich die chemische Bindungsenergie größer als die des Phasenzusammenhaltes durch v a n d e r W a a 1 s ' sehe Kräfte sein, andernfalls würden ja aus einer Flüssigkeit eher die Atome als die ganzen Moleküle abdampfen. Fragt man nach dem Gleichgewicht —• was im nächsten § quantitativ ausgeführt werden soll — so liegt es nahe, linke und rechte Seite der Reaktionsgleichung zusammengefaßt als 2 Phasen anzusehen,

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Thermodynamik der Gemische

von denen bei Zu- oder Abfuhr der Reaktionswärme die eine stetig verschwindet, die andere entsteht. Der Phasen-Begriff läßt jedoch eine solche Verwässerung nicht zu, die skizzierte Vorstellung ist trivial, wenn es sich wirklich um verschiedene Phasen handelt, also um heterogene Reaktionen, sie ist aber bei homogenen Reaktionen nur in der mathematisch korrekten Durchführung des folgenden § zulässig. Bei heterogenen Reaktionen wie Kalkbrennen: CaC03 = C a 0 + C02 besteht volle Analogie zwischen dem Zersetzungsdruck pC02 als Temperaturfunktion im log p—1/T-Diagramm und dem Dampfdruck etwa der verschiedenen Hydradationsstufen von Gips C a S 0 4 + n H 2 0 . Chemische oder physikalische Bindung unterscheidet sich hier im wesentlichen durch die Bindungsenergie, ob nämlich die Wärmetönung der Reaktion etwa mit der Sublimationswärme von CO2 bzw. H2O übereinstimmt oder erheblich größer ist. sei die heterogene Zur Frage der Freiheitsgrade Reaktion des Kalkbrennens mit der G i b b s ' sehen Phasenregel diskutiert. Es sei zunächst nur Existenz der rechten Seite der Reaktion, also CaO und CO2 angenommen, die Zahl der Freiheitsgrade + Phasen ist 4, z. B. könnte am Tripelpunkt der Kohlensäure noch CaO als 4-te Phase existieren und damit kein Freiheitsgrad mehr übrig sein. Nun besteht durch die Reaktionsgleichung aber ein zusätzlicher Freiheitsgrad der Bildung von CaCC>3 durch chemische Reaktion. Für diese Reaktion besteht aber andererseits noch eine Gleichgewichtsbedingung, die die Zahl der Freiheitsgrade wieder um 1 reduziert. Es kann dann bei den angenommenen Bedingungen im Gleichgewicht nur das Karbonat statt des Oxyds existieren. Wie bei einer Phasenumwandlung — z. B. Verdampfung nach I, 20 — tritt bei der chemischen Reaktion Umwandlungs-Enthalpie Ah und -Entropie As auf, die beim reinen Stoff gültige Gleichung Ah = T-As

Chemische Zustandsänderungen

107

(T = Umwandlungs- bzw. Reaktions-Temperatur) gilt hier jedoch nicht mehr allgemein, insofern hat die chemische Reaktion einen Freiheitsgrad mehr, der zur Definition der „Normal-Entropien" jedes Stoffes führt. Speziell kann durch die Gleichung auch eine „NormalTemperatur" der Reaktion definiert werden, bei der die Gleichgewichtskonstante den Wert 1 hat. Das Berechnen der Mengen-Bilanzen — in der Chemie „Stöchiometrie" — war im Vorhergehenden nur ausnahmsweise erwähnt, i. a. auf graphische Methoden in den Diagrammen zurückgeführt worden. Die gleichen Methoden lassen sich auch für chemische Reaktionen anwenden, wobei ein physikalischer und ein chemischer Vorgang nebeneinander gestellt seien: Man kann den Zusammenhang mit der Darstellung im Dreieck-Diagramm verdeutlichen. Stellt man z. B. das eutektische Gemisch unter Weglassung der GasLösung

Abb. 21. Darstellung der Zustandsänderungen nahe dem eutektischen Punkt im Dreieck-Diagramm. phase als Eis, Salz und Lösung im Dreieckdiagramm dar, so kann sich der Darstellungspunkt auf einer Geraden von der eutektischen Zusammensetzung aus Eis und Salz auf der Basis zur Spitze der Lösung be-

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Thermodynamik der Gemische

wegen durch Zufuhr von Wärme. Andere MengenAnteile ergeben analoge Gerade durch die Spitze, die zu anderen Temperaturen gehören. Bei Abkühlung der Lösung zunächst ein Wandern des Darstellungspunktes auf einer Dreiecksseite entsprechend der Abscheidung des überschüssigen Bodenkörpers. Nach Erreichen der eutektischen Zusammensetzung und Temperatur bewegt sich der Punkt bei -Weiterem Wärmeentzug auf einer Geraden parallel zur ursprünglichen Basis. Es ergeben sich also eindeutige Existenz- und Bewegungs-Gesetze für verschiedene Mengenanteile abhängig vom Wärmeumsatz, der Punkt bleibt aber in der Diagramm-Ebene. Faßt man nach der Reaktionsgleichung 2H2+C>2 = = 2H2Ö das Wasser in Analogie als „Lösung" auf, so erhält man zunächst eine etwas andere Geometrie H,0 \\

\

\ vA

\\ \\

\

\ \

\ \

0

0,5

1

15

Abb. 22. Darstellung der chemischen Reaktion, links im Dreieck-Diagramm Bewegungslinien des Bildpunktes und Gleichgewichts-Kurve (für hohe Temperatur), rechts im Aufriß Änderung der Molzahl n.

der Bewegungen, weil sich die „Lösung" nur in bestimmtem Mengenanteil bildet. Die Bewegungslinien bilden, wie man aus dem Verhalten an den Eckpunkten leicht ableitet, eine Geradenschar, die durch einen

Affinität und chemisches Gleichgewicht

109

Pol geht, der 2 Dreieckhöhen senkrecht unter der 02-Ecke liegt. Auch hier ist die Bewegung mit der Wärmetönung der Knallgasreaktion gekoppelt. Legt man nun jedoch einen Schnitt durch das für 1 Mol gezeichnete Diagramm längs einer Bewegungslinie und trägt senkrecht zur Diagramm-Ebene die Zahl der Mole n auf, so bleibt der Punkt nicht in der Ebene, sondern bewegt sich je nach Ausgangspunkt auf einer Geradenschar. Die chemische Reaktion hat also einen Freiheitsgrad mehr als die physikalische Umwandlung. In Figur 22 ist — der Deutlichkeit halber für sehr hohe Temperatur — eine Gleichgewichtskurve eingezeichnet, der sich der Darstellungspunkt zu nähern trachtet und auf der er zur Ruhe kommt. Aufgabe: Entwirf Reaktions-Dreieckdiagramme für H 2 + CI2 = 2HC1, 2 C 0 + 0 2 = 2 C 0 2 und S + 0 2 = S 0 2 .

18. Affinität und chemisches Gleichgewicht Im bisherigen konnte die schwerfällige Berechnung des Gleichgewichtes aus der Arbeitsfähigkeit meist durch die wesentlich einfachere aus der Gleichheit der Intensitätsgrößen umgangen werden. Hier muß jedoch das Rechenverfahren durchgeführt werden, aus dem sich nicht nur das Gleichgewicht, sondern auch die bisher noch nicht definierte Intensitätsgröße der chemischen Reaktion ergibt. Ein System besteht aus einer Anzahl von Stoffen X,-, jeweils in den molaren Mengen m, mit den dimensionslosen Aktivitäten a/ = aj/po. Zwischen den Stoffen besteht die Reaktionsgleichung mit den ganzzahligen Mol-Umsätzen v; 99) vaXa + vbXb+ ... =vmXm+vnXn .. 2viXi = 0 Man bringt die auf der rechten Seite der Reaktionsgleichung stehenden Glieder mit negativem Vorzeichen auf die linke, d. h. benutzt die rechts stehende Form.

110

Thermodynamik der Gemische

Da beide Seiten der Reaktionsgleichung i. a. keine Phasen bilden, kann man nicht von vornherein die Motivity beider Seiten gleichsetzen — tatsächlich gilt das nur für einen speziellen Punkt —, sondern muß mit dem differentiellen Ansatz des Minimum arbeiten. Die Gesamt-Motivity des Systems ändert sich im Verlauf der Reaktion durch das Verschwinden und Hinzukommen der Reaktions-Stoffe proportional den Vi. Statt dvi schreibt man übersichtlicher Vjd% mit der Laufzahl % der Reaktion, die von 0 bis 1 geht, also gleich dv, für v; = 1 ist. Die dimensionslosen Molumsätze Vidx sind die variablen Quantitätsgrößen der Reaktion, beim partiellen Differenzieren der GesamtMotivity nach diesen Größen bleiben als Intensitätsgrößen gerade die zugehörigen Einzel-Arbeitsfähigkeiten stehen: 100) ö v, 3 3gesl3 v-< - I i övi = (^¡SiVi) ¿2 = 0 In der zuletzt gewählten Schreibweise ist die Laufzahl x die Quantitätsgröße und die davorstehende Summe der mit Vj multiplizierten Einzel-Arbeitsfähigkeiten demnach die Intensitätsgröße der chemischen Energie, die als Affinität bezeichnet wird. Daß 100) gleich 0 gesetzt wird, bedeutet die Bedingung für das Minimum der Arbeitsfähigkeit oder auch, wenn man wieder nach linker und rechter Seite der Reaktionsgleichung sortieren würde: gleiche Änderung beider Arbeitsfähigkeiten bei einer virtuellen Änderung d%. Nachdem oben in 4 festgestellt war, daß in Mischungen hauptsächlich der Entropie-Term als Variable interessiert, geht man zweckmäßig zu einer Schreibweise und Ordnung der Gleichung über, die jede Motovity als Summe der Normal-Motivity und des Entropietermes darstellt. Ordnet man nun die Entropieterme auf die rechte Seite, so erhält man in 3 Schreibweisen:

Affinität und diemisches Gleichgewicht

101)

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— 2 Vi Qio = fHTo2viln a{ — 2 Vi ZsioffiTo = 2 Vi In a{ 102) exp (— 2 ViSio/Siro) = ZZ a{ vi = K(v) Die letzte Schreibweise ist das sogenannte „Massenwirkungs-Gesetz" der Chemie, weil man die Aktivitäten näherungsweise als Partialdrucke den Massen proportional setzt. Die „Konstante" ist eine Funktion der Temperatur To und der Reaktionsbedingungen, am wichtigsten ist die isobare Reaktion, wofür Kp gilt und bekanntlich Ge statt 9 geschrieben werden kann, in üblicher Ausdrucksweise das G i b b s ' sehe Potential ©. Für die Bezeichnungen ist festzulegen: Ail = Reaktions-Enthalpie bzw. -Wärme, A& = Reaktions-Entropie-Änderung, beides pro Formelumsatz und beides von Druck, Temperatur etc. abhängig. Setzt man die bei Umgebungs-Zustand gültigen Werte ein, so liefert Af)o — ToASo = e die Reaktions-Exergie, d.h. die maximal aus der Reaktion gewinnbare Arbeit, unabhängig vom realisierten (Fließ-) Verfahren. Setzt man dagegen die Werte bei Reaktionstemperatur T ein, so liefert Afj — TA8 =Aß das G i b b s ' sehe Potential, das bedeutet die bei dieser Temperatur direkt in Arbeit umwandelbare chemische Energie. Die bei T etwa neben der Arbeit anfallende Wärme sowie die bei den Temperaturänderungen auf To anfallende liefert indirekt noch Arbeitsfähigkeit, die in der Exergie dann aufsummiert ist. Die Beziehung dieser Größen zur Affinität ist so, daß die Affinität beim totalen Umsatz von einem Anfangswert über Null (Gleichgewicht) zum Endwert läuft, so daß die Differenz von Anfangs- und End-Affinität, d. h. die Gesamtlänge der Affinitäts-Skala gleich dem Gibbs'schen Potential bzw. der Exergie wird. Die Aussage von 101), 102) kann man im Dreieckdiagramm des vorigen § demonstrieren. Das Potenzprodukt der Aktivitäten, die 102) erfüllen, stellt sich als Parabel dar, die durch die Ecken der beiden Aus-

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Thermodynamik der Gemische

gangs-Stoffe geht und nach der Produkt-Ecke mehr oder weniger ausgewölbt ist. Im Falle der KnallgasReaktion würde die Gleichgewichtskurve praktisch mit den durch die Wasser-Ecke gehenden Seiten zusammenfallen, erst bei sehr hohen Temperaturen oder sehr kleinen Drucken wird sie in der Dreieckfläche darstellbar. Da sich jeder Einsatz im Diagramm auf einer definierten Linie bewegen muß, liefert der Schnittpunkt zwischen Reaktions- und Gleichgewichtslinie die eindeutige Zusammensetzung im Gleichgewicht. Es interessiert noch die Intensitätsgröße Affinität, „Triebkraft der chemischen Reaktion". Setzt man in die in 100) enthaltene Definition die aus 102) berechneten Gleichgewichtswerte ein, so erhält man 0 bzw. gleiche Affinität für beide Seiten der Reaktionsgleichung. Da die Affinität ohnehin nur in Verbindung und Beziehung zur Reaktionsgleichung etwas aussagt, es also keine generelle Skala gibt, definiert man zweckmäßig nicht die Einzelbeträge, sondern die Differenz als Affinität, gibt ihr also im Gleichgewicht den Zahlenwert 0. Außerhalb des Gleichgewichtes ist die Affinität dann positiv oder negativ derart, daß sie in Richtung zum Gleichgewicht treibt. Diese Festlegung deckt sich damit, daß im Gleichgewicht das System durch Angabe der Intensitätsgrößen Temperatur lind Aktivitäten vollständig beschrieben ist, außerhalb des Gleichgewichts aber noch die dann von 0 abweichende Affinität anzugeben ist. Schreibt man wieder in der Trennung in NormalMotivity und Entropieterm, so ändert sich die Normal-Motivity ja außerhalb des Gleichgewichtes nicht, kann also beispielsweise durch Kp nach 102) ausgedrückt werden. In Analogie wird der Entropie-Term außerhalb des Gleichgewichts als Kp' geschrieben, er ist ja genauso als Potenzprodukt gebildet, nur eben mit willkürlichen, hinsichtlich des Gleichgewichtes falschen Aktivitäten. Man erhält:

Reaktions-Diagramme

113

103)

Affinität = (2 vi + T 0 2 v; In a,) = = 5RTo (—In K(p)4-In K'(r)) Maßeinheit dieser Intensitätsgröße ist Energie/ Formelumsatz, z. B. kcal/2 kmol Wasser, die zugehörige Quantitätsgröße % zählt die Formelumsätze. Da die Affinität in der Nähe des Gleichgewichtes etwa linear vom Gleichgewichtsabstand — z. B. im Dreieckdiagramm — abhängt und die zugehörige Quantitätsgröße d% ebenfalls, ist die Arbeitsfähigkeit der Reaktion in der Nähe des Gleichgewichtes eine quadratische Funktion des Gleichgewichtsabstandes. Man kann sich über dem Dreieckdiagramm die Beträge der Chemischen Exergie senkrecht aufgetragen denken und erhält eine Paraboloid-Fläche, deren Tal die Gleichgewichtskurve beschreibt. A u f g a b e : Ersetze im obigen Rechengang die relativen Aktivitäten a{ durch die absoluten a; = a{ • p0 und entwickle die Druckabhängigkeit des Gleichgewichts abhängig von 2 0. Berechne aus gemessenen GleichgewichtsAktivitäten einige Gleichgewichtskonstariten. Suche die Gleichgewichts-Zusammensetzung eines Einsatzes analytisch und graphisch.

19. Reaktions-Diagramme Die große Zahl der Freiheitsgrade chemischer Reaktionen (Temperatur, Aktivitäten, Affinität) macht eine allgemeine graphische Darstellung unmöglich. V o n besonderem Interesse ist der Laufparameter % zur Behandlung des Ablaufes — bis zum Gleichgewicht oder in der Reaktionskinetik abhängig von der Zeit — und die Konzentrations-Angaben. Zufolge des Massenwirkungsgesetzes ist ja die Ausbeute, bezogen auf einen Einsatzstoff, um so größer, j e weniger bezüglich des stöchiometrischen Einsatzes davon vorhanden ist. Man wird daher in Abweichung vom stöchiometrischen Einsatz insbesondere teure Rohstoffe knapp, billige im Überschuß einsetzen. Ver8

Bode, Therm. Verfahrenstechnik I

114

Thermodynamik der Gemische

ziehtet man auf die stetige Variation von Druck und Temperatur und beschränkt sich auf 3 Komponenten — teilweise als Summen gebildet —, so kann man die hieraus erwachsenen Aufgaben im Dieieck-Diagiamm graphisch lösen. Unter Verzicht auf die Entropie kann man h— %Diagramme entwerfen, in denen sich die Gleichgewichte für verschiedene Drucke oder verschiedene Konzentrationen — z. B. Luftüberschuß bei Verbrennung — erfassen lassen. Nach A l g e r m i s s e n [20] trägt man über einer Konzentration — bzw. dem Laufparameter % — die Enthalpie der möglichen Gemische auf, wobei die Enthalpie-Nullpunkte aller Komponenten so gewählt werden, daß die Wärmetönung der Reaktion berücksichtigt ist. Hierin werden zunächst die Isothermen eingetragen. Weiter gilt für jedeTemperatureine bestimmte Gleichgewichtskonzentration, man kann also die GleichgewichtsAbb. 23. Reaktions-h —y-Diagramm k u r y e

ev

(|

nach A1 g e r m i s s e n [20], verschiedene Drucke mit p als Parameter — eintragen. Beim Ablauf der Reaktion in einem wärmedichten Reaktor, also adiabat, ändert sich nun die Enthalpie proportional %, d. h. es ergibt sich ein Büschel gerader ReaktionsAdiabaten, die zum Schnittpunkt mit der Gleichgewichtskurve führen. Beim endgültigen Verzicht auf die Variation der Konzentrationsparameter kann man eine universelle

Reaktions-Diagramme

115

Darstellung im h-s-Reaktions-Diagramm geben. Man nimmt eine als günstig ermittelte, nicht notwendig stöchiometrische Anfangszusammensetzung und die zugehörige Endzusammensetzung, d. h. x = 0 und z = l und zeichnet für beide Gemische die h-s-Diagramme in absoluten Koordinaten übereinander. Dann läßt sich rein geometrisch das GleichgewichtsDiagramm als 3-tes hinzukonstruieren. Die Darstellung gilt für alle Temperaturen und Drucke, erlaubt also die graphische Behandlung aller Zustandsänderungen. Für andere Anfangskonzentration müßte neu gezeichnet werden. Da bei der Reaktion die Masse, aber nicht immer die Molzahl konstant bleibt, geht man von 1 kg aus. Es sei vorausgesetzt, daß die h — s-Diagramme aller beteiligten Stoffe vorliegen, im gleichen Maßstab auf transparentem Papier. Von den ebenfalls vorausgesetzten absoluten Koordinaten Normalentropie und Bildungsenthalpie aus berechnet man für einen Zustandspunkt, der für alle Diagramme im Gebiet des idealen Gases liegt, die absoluten Koordinaten des Gemisches (mit den hier yj proportionalen pi = ai). Unter den berechneten und in absoluten Koordinaten ins neue, gleichfalls transparente Diagramm eingetragenen Zustandspunkt legt man nun ausgerichtet alle Diagramme so, daß die gewählten To, po in diesem Punkt alle übereinstimmen. Ein beliebiger Zustandspunkt des Gemisches liegt dann im (massenproportionalen) Schwerpunkt der zum gleichen p, T gehörenden Komponenten-Zustandspunkte. So gewinnt man punktweise das A- und E-Diagramm der Gemische. Die Konstruktion entspricht der Additivität der Volumina, die meist ungenauere der Drucke müßte die Punkte unter ihren Partialdrucken zur Deckung bringen. Die Konstruktion berücksichtigt alle Realeigenschaften der reinen Stoffe genauer, als es i. a. analytisch möglich ist, müßte allerdings für etwa auf8*

116

Thermodynamik der Gemische

tretende und bekannte Mischungswärmen noch, korrigiert werden. Die Drucke der A- und Ii-Diagramme werden bei der Reaktion zu Teilgemisch-Aktivitäten. Diese müssen sich zum jeweiligen Gesamtdruck addieren, man kann daher zu jedem Gesamtdruck eine Gruppe von

I

h

'm

Abb. 24. Reaktions-h—s-Diagramm für A = Ausgangsgemisch, E = Endgemisch und G = Gleichgewichtsgemisch mit Enveloppe des isotherm-isobaren Reaktions-Ablaufes. Wertepaaren der Teildrudte angeben und die zur gleichen Temperatur gehörenden A- und £-Punkte durch Gerade verbinden, auf denen der Zustand des Reaktions-Gemisches liegen muß. Statt der idealisierten Annahme, daß der Gemischzustand auf der Geraden im Schwerpunkt der Komponentenzustände liegt, kann man die p , T-Enveloppe der Geradenschar zeichnen, die jede Gerade im Zustandspunkt des Gemisches berührt, woraus die evt. von den Partialdrucken abweichenden Mengenverhältnisse gefunden werden können.

Reaktions-Diagramme

117

Die Einhüllende aller zum gleichen p gehörenden p , T-Enveloppen ist die Isobare des G = Gleichgewicht-Diagramms. Legt man daran die Tangente (mit der Steilheit To), so gibt deren Schnitt mit den A- und E-Isothermen die Teilgemisch-Aktivitäten, ihre Teilung das Mengenverhältnis bzw. % und ihr senkrechter Abstand vom A- und B-Punkt die Exergien der Reaktion in beiden Richtungen. Zwei zum gleichen Drude gehörende Isobaren im A- und ¿-Diagramm haben i. a. eine gemeinsame Tangente, das bedeutet, daß bei der zugehörigen Temperatur Ausgangs- und Endgemisch gleiches Gibb'sches Potential haben. Das Gleichgewichts-Gemisch liegt dann symmetrisch, es ist K P = 1. Damit ist eine ausgezeichnete „Reaktions-Temperatur" als korrespondierender Zustand aller Reaktionen definiert. In ihrer Umgebung ist zum Beispiel dyJdT am größten. Die Tabellierung dieser Temperatur würde der Tabellierung der Siedepunkte analog sein, während die übliche Tabellierung von Kp der Ordnung nach Dampfdrucken bei Normal-Temperatur entspricht. Zur Erläuterung der überraschenden Tatsache, daß hier 3 Diagramme auftreten, sei an das p —v-Diagramm der van der Waals'schen Gleichung erinnert, in dem ja auch neben dem stabilen noch jeweils instabile Zustände des unterkühlten Gases bzw. der überhitzten Flüssigkeit erscheinen. Das A- und B-Diagramm bedeutet gleichfalls instabile Zustände der Gemische, die nur deshalb oft nicht als instabil angesehen werden, weil die Reaktionsgeschwindigkeit, die sie zum G-Zustand überführt, unmeßbar klein ist. A u f g a b e n : l i e s Reaktions-Enthalpie, Entropie und — Exergie aus dem A- und B-Diagramm ab. Wie findet man mit der im folgenden bewiesenen Feststellung, daß die übliche, irreversible Reaktion isenthalpisch verläuft, die Flammentemperatur im Diagramm?

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Thermodynamik der Gemische

20. Otto-Motor im fr-s-Reaktions-Diagramm Zur Erläuterung ist nebenstehend die Anwendung des h — s — RD zur Darstellung des bekannten O t t o Prozesses angegeben. Um die Darstellung übersichtlich zu halten, sind nur die unmittelbar benötigten Angaben eingetragen, weitere können bei buntem Ausziehen konstruiert werden. VerbrennungsVerlust KompressionsArbeit Exp an S.A. - Kompr. A = Nutz -Ar bei t Auspuff-Verlust

s — Abb. 25. Darstellung des Otto-Prozesses im Reaktions-ft — sDiagramm.

Links oben ist der Anfangszustand A, unten der Gleichgewichtszustand G (hier mit £ praktisch übereinstimmend) bei To, po als Punkte eingetragen. Durch beide gehen die zugehörigen Isochoren des unteren Totpunktes Vu, durch G ist außerdem die

Otto-Motor im h — s-Reaktions-Diagramm

119

Umgebungsgerade, mit der Steigung To, Tangente an die Isobare po gezogen. Im ersten Arbeitstakt wird isentrop, also senkrecht, nach 2 auf das Volumen des oberen Totpunktes Vo komprimiert, wobei die entsprechende Kompressionsarbeit zugeführt wird. Nach der Zündung geht das Gemisch durch Verbrennung zum Gleichgewicht über, es gilt dann die Vo-Isochore des G-Diagrammes, die von der waagrechten Reaktions-Adiabate = Isenthalpe durch 2 in 3 geschnitten wird. Im zweiten Arbeitstakt erfolgt die wiederum isentrope Expansion zur Vu-Isochore des G-Diagramms im Punkt 4, danach schließt sich Auspuff und Neufüllung an. Die Technischen Arbeitsfähigkeiten ergeben sich als senkrechte Abstände zu bzw. zwischen den Umgebungsgeraden, im Diagramm sind die Exergien auf die Senkrechte 3 . . . 4 projiziert. Die Differenz zwischen Expansions- und Kompressions-Arbeit ist die Nutzarbei. Unterhalb 4 bleibt der Auspuff-Verlust zurück, der noch unterteilt werden kann in Druckverlust — bis zum Schnittpunkt mit der po-Isobare des G-Diagramms — und Wärmeverlust. Der Druckverlust ist bekanntlich in einer Abgas-Turbine noch teilweise zu gewinnen. Oberhalb 3 findet man den Verbrennungsverlust. Die adiabate, hier isochore Verbrennung ist ein isenthalpischer Vorgang, man kann daher auch von Drossel-Verlust sprechen. Erst in Bd. 3 wird an Hand des v a n ' t H o f f - Prozesses deutlich, daß man durch Einspeisen von Brennstoff-Dampf und Sauerstoff durch halbdurchlässige Wände tatsächlich viel höhere Drucke im Verbrennungsraum erreichen könnte, daß die Bezeichnung Drosselverlust also berechtigt ist. Audi der Verbrennungsverlust kann noch in zwei Anteile zerlegt werden, das Enthalpie-Defizit und das Glied

120

Thermodynamik der Gemisdie

To As, worin As die Differenz der absoluten (Normal-) Entropien zwischen A und G (bzw. E) bedeutet. As kann positiv oder negativ sein oder auch verschwinden, bei den meisten technischen Brennstoffen ist das Vorzeichen so, daß die Exergie größer als die Verbrennungswärme ist. Die technisch übliche Rechnung mit der Verbrennungswärme liefert also etwas zu günstige Wirkungsgrade. Wie man die ReaktionsExergie nutzbar machen, also den Verbrennungsverlust insgesamt vermeiden könnte, wird in Bd. 3 diskutiert, hier sei nur bemerkt, daß das GleichgewichtsDiagramm bei hohen Temperaturen in das A-, bei tiefen in das E-Diagramm übergeht, daß daher mit steigender Temperatur die Punkte 2 und 3 sich nähern müssen, der Verbrennungsverlust kleiner wird. Der Zusammenhang mit dem Carnot-Faktor ist nicht so trivial, wie es zunächst scheint. Da die Isochoren steiler als die Isobaren verlaufen, läßt sich aus einem voll ausgezogenen DiagrammSystem auch noch ablesen, daß die im O t t o - Prozeß benutzte isochore Verbrennung einen kleineren Verbrennungsverlust liefert als die isobare — z. B. im D i e s e l - oder Gasturbinen-Prozeß. A u f g a b e n : Wie findet man die hier benutzten Isochoren aus denen der reinen Komponenten? Warum kann man den Prozeß des D i e s e l motors nicht korrekt im h—s-Reaktions-Diagramm behandeln?

21. Simultan-Gleidigewichte In vielen Fällen der Praxis kann ein Anfangs-Stoff oder Gemisch A nicht nur nach einer Reaktionsgleichung zum Stoff oder Gemisch B sondern auch — direkt oder über B hinaus weiter — zu C, D etc. reagieren. Zu jeder einzelnen Reaktionsgleichung gehört ein Gleichgewicht der bisher behandelten Art, durch die gleichzeitige (simultane) Möglichkeit mehrerer Reaktionen ist aber ein endgültiges „Simul-

Simultan-Gleichgewichte

121

tan-Gleichgewicht" definiert, bei dem alle Komponenten miteinander im Gleichgewicht stehen, die Arbeitsfähigkeit den kleinsten Wert hat — niedriger als bei Einstellung nur eines einzelnen Gleichgewichts. Die analytisch nicht ganz einfache Berechnung führt man leicht und übersichtlich im Dreieckdiagramm aus. Falls mehr als 3 Komponenten, d. h. mehr als 2 Reaktionsgleichungen beteiligt sind, ordnet man den Eckpunkten Summen der weniger wichtigen Komponenten zu. Man findet zunächst auf der Grundlinie den Gleichgewichtspunkt zwischen A und B durch die übliche Rechnung. Geht man C von dort nach oben, so nimmt die Aktivität aA + aB — PAB ab. Wenn das Gleichgewicht druckabhängig ist (2Vj=|=0), verschiebt sich das Teilungsverhältnis der Waagrechten, andernfalls läuft die Kurve des EinzelGleichgewichts gradlinig zur Spitze. Man wiederholt die Abb. 26. Darstellung von SimulKonstruktion von einer tan-Reaktionen mit Simultananderen Seite aus Gleichgewicht und zeitlichem und findet das Simul- Ablauf über ein Maximum im tan- Gleichgewicht als Dreieck-Diagramm. Schnittpunkt. Zieht man noch die 3-te Gleichgewichtskurve, so ist das Dreieck in 3 Vierecke unterteilt. Der Bildpunkt der Reaktion kann sich dann innerhalb jeweils eines Vierecks bewegen, die Bewegungsrichtung hängt von den Geschwindigkeiten der 3 Teil-Reaktionen ab, die

122

Thermodynamik der irreversiblen Prozesse

Bewegung endet in jedem Falle im Simultan-Gleichgewicht. Die 3 Teilreaktionen sind B^-A, B-+C und C->A. Wenn eine der Reaktionen — natürlich oder unter dem Einfluß eines Katalysators — sehr viel schneller als die anderen abläuft, ergeben sich Kurven mit einem Maximum, wie in der Skizze von B ausgehend angeben. Soll z. B. aus B das Produkt C hergestellt werden, so wird man durch Katalyse einen solchen Kurvenverlauf anstreben und die Reaktion dann im Maximum abbrechen. Es ist dann mehr C erzeugt, als dem Simultan-Gleichgewicht entspricht, aber natürlich weniger, als dem Teil-Gleichgewicht zwischen B und C entspricht. A u f g a b e : Zeichne das Dreieck-Diagramm der 4 isomeren Butene, eis- und trans-Form zur Summe zusammengefaßt, für verschiedene Temperaturen.

III. Thermodynamik der irreversiblen Prozesse 1. Irreversible Vorgänge Die bisher behandelte „klassische" Thermodynamik ist imstande, Aussagen über Gleichgewichtszustände zu machen. Auch wo nur eine Phase vorhanden ist wurde bei der Berechnimg von Arbeits- und Wärmeinhalten stillschweigend Gleichgewicht, d. h. hier Homogenität vorausgesetzt. Beim Gleichgewicht zwischen 2 und mehr Phasen mußten alle Intensitätsgrößen von Phase zu Phase und innerhalb der Phasen gleich groß sein. Statt des Abzählens der beteiligten Intensitätsgrößen ist es in komplizierten Systemen bisweilen übersichtlicher, die Arbeisfähigkeit zu berechnen und ihr Minimum für das Gleichgewicht aufzusuchen. Der II. Hauptsatz sagt aus, daß sich das ungestörte System zum Gleichgewicht hin bewegt. Im folgenden

Irreversible Vorgänge

123

interessieren aber die Fragen: 1) Wie schnell verläuft die Annäherung an das Gleichgewicht? und 2) Wie liegt die Abweichung vom Gleichgewicht bei einem dauernd gestörten System? Da die h i e r ' interessierende Geschwindigkeit als Änderung in der Zeiteinheit zu definieren ist, tritt nun die Zeit als Variable auf, die in der klassischen Thermodynamik nicht vorkommt. Vorgänge des ersten Typs nennt man Ausgleichsvorgänge, ihre Beschreibung enthält die Zeit explizit. Vorgänge des zweiten Typs führen zu einem „stationären" Zustand, der dem Gleichgewicht dadurch verwandt ist, daß die Zeit explizit wieder verschwunden ist: Störung und Ausgleichsvorgang halten sich gerade die Waage. Ausgleichsvorgänge bedeuten einen einmaligen, stationäre einen andauernden Arbeitsverlust. Da das entscheidende Glied in Motivity und Exergie — Tods ist, bedeutet Arbeitsverlust = Entropie-Zunahme, -Erzeugung oder -Strömung. Insgesamt ist Arbeitsverlust bzw. Entropiezunahme gleichbedeutend mit irreversibel. Hinsichtlich der Schreibweise werden die Quantitätsgrößen, die sich in der Zeit ändern oder „strömen" durch einen übergesetzten Punkt gekennzeichnet. Es ist zu unterscheiden zwischen räumlichen irreversiblen Vorgängen im Stoff und Vorgängen an Grenzflächen. Im ersten Fall ist der Vorgang durch reine Materialkonstanten bestimmt, die von den Zustandsvariablen abhängen, also selbst im erweiterten Sinne Zustandsgrößen sind. Im zweiten Fall, an Grenzflächen, kommen mechanische Strömungsgeschwindigkeiten, Strömungsart, kinetische Energie etc. mit zur Auswirkung, die Vorgänge werden so kompliziert, daß nur noch ausnahmsweise exakte Lösungen möglich sind und man sich i. a. mit der Umrechnung von Versuchsergebnissen an ähnlichen Modellen begnügen muß.

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Thermodynamik der irreversiblen Prozesse

Es wird sich zeigen, daß sich die Natur nicht nur — gemäß der Alltagserfahrung und II. Hauptsatz — der Verlustlosigkeit widersetzt, sondern auch umgekehrt die Arbeitsverluste der irreversiblen Vorgänge zu bestimmten Bruchteilen zur Erzeugung von anderen Arbeitsfähigkeiten ausnutzt. Die zahlreichen beobachteten irreversiblen „Effekte" bilden ein System, das als System der energetisch schlechtestmöglichen Prozesse eine der Grundlagen der Verfahrenstechnik bildet. A u f g a b e : Nenne einige der bisher im Zusammenhang mit Verfahren erwähnten irreversiblen Vorgänge und schreibe die Strom-Gleichungen.

2. Differentialgleichungen der stationären und instationären Wärmeleitung Die Wärmeleitung ist einer der wichtigsten und typischsten irreversiblen Vorgänge. Ihre allgemeine Beschreibung erfordert die Anwendung der Vektorrechnung, da diese jedoch hier sonst nicht benötigt wird und auch in der Praxis die komplizierteren räumlichen Lösungen besser aus einfachen zusammengesetzt als exakt berechnet werden, kann man sich auf solche Probleme beschränken, bei denen die Temperatur nur von einer Koordinate abhängt: Der Wandstärke in kartesischen, Zylinder- und Kugelkoordinaten. An der betrachteten Stelle x besteht ein Temperaturgradient dT/dx, unter dessen Einfluß eine Wärmemenge dg in der Zeiteinheit dz in Richtung abnehmender Temperatur strömt. Mit einer Materialbzw. Proportionalitätskonstante 1 (kcal/m • h • grd), der Wärmeleitfähigkeit, gilt dann im stationären Fall: 104) — dg = A • (dt/dx) • F • dz — q= — dq/dz = A-F-di/dx . In der ebenen Wand ist der Strömungsquerschnitt F konstant, sofern nicht X von der Temperatur ab-

Differentialgleichungen der Wärmeleitung

125

hängt wird der Temperaturverlauf linear, man erhält integriert: 105) -q-Ax = X- F • At. Diese Gleichung bildet praktisch die Grundlage der Messung von X aus q (elektr. Heizleistung), Prüfkörperabmessungen F und Ax sowie At. In gekrümmten Wänden ist F variabel, man rechnet mit der mittleren Fläche F gemäß: 106) —AA t!q—f äx/F = AxlF. Für die einfachen Fälle der Zylinder- und KugelSymmetrie kann man das Integral auflösen und die der Bildung der mittleren Fläche zugrundeliegenden mittleren Radien exakt berechnen: 107) Zyl: fdrl(2mL)=ln{rajn)l2nL r = {ra-n)l In (ra/r;) 108) Kug: / d r / ^ r 2 ) = (l/r0-1/^/4 n = = (ra-i- 105 annähernd konstant wird. Für die laminare Strömung ist nach 123) natürlich £ = 64/fíe. Der Umschlag in Turbulenz tritt bei der Rohrströmung etwa bei Re = 3000, bei der Umströmung von Kugeln bei fíe = 0,2 ein. Die Grenze wird als kritische R e y n o l d s - Zahl bezeichnet, ihr Zahlenwert ist u. a. von der OberflächenRauhigkeit, Kantenrundung Lid etc. abhängig und wird dementsprechend verschieden gefunden. =

A u f g a b e n : Warum ist der Wind böig? Wie hängen für gegebene Flüssigkeit (i?, £>) und Strömungsform (fie) Transportleistung Sf und Druckverlust Ap/L vom Leitungsdurchmesser d ab?

5. Grenzschicht-Theorie der Turbulenz Läßt man in eine Wasserströmung in einem Glasrohr einen Stromfaden Tinte einfließen, so bleibt dieser in der laminaren Strömung glatt und stationär sichtbar. Beim überschreiten der kritischen ReynoldsZahl färbt sich der ganze Strömungsquerschnitt scheinbar gleichmäßig, die Blitzlicht-Beobachtung zeigt aber, daß der Faden nur verknäult, auf kurzzeitig wechselnden Bahnen verläuft. Man hat also keine örtlich

homogene,

gleichmäßige

s o n d e r n n u r i m zeitlichen

Strömung.

Mittel

Die Klärung der wirklichen

136

Thermodynamik der irreversiblen Prozesse

Strömungsbahnen wäre nicht nur sehr schwierig, sondern praktisch ohne Interesse, man behandelt die turbulenten Strömungen — und die meisten Strömungen der Technik sind turbulent — mit statistischen Methoden. Mißt man mit einigermaßen trägen Instrumenten die zeitlichen Mittelwerte der örtlichen Strömungsgeschwindigkeit etc., so findet man einen nahezu konstanten Betrag über den ganzen Querschnitt, lediglich in der Nähe der Wand ergibt sich ein steiler Abfall. P r a n d t l deutete die Ergebnisse so, daß an der Wand eine laminare „Grenzschicht" der Dicke e anliegt und stellte die Theorie auf, daß der ganze Transportwiderstand in dieser Grenzschicht liegt. Da in der laminaren Strömung keine Vermischung der Schichten eintritt, gelten in der P r a n d t l ' sehen Grenzschicht für Wärmeleitung, Diffusion etc. dieselben Gesetze, wie im ruhenden Medium, man hat damit also den Ausgangspunkt zur Berechnung der flächenhaft verteilten Übergangswiderstände gefunden. Es ergibt sich, daß der Wärmeübergang mit der Wärmeübergangszahl a = Ale (kcal/m 2 h-grd), der Stoffübergang mit der StoíSübergangszahl a— ölt in den praktischen, von N e w t o n stammenden Ansätzen beschrieben werden kann: 126) q=a-F-At m = o-F-Aq (a'inm/h) bzw. m = a-F-Ax (oinkg/m 2 h). Für den konkreten Fall besteht direkte Proportionalität zwischen a, a und dem Strömungswiderstand, £ fällt heraus. Für die praktische Darstellung und Auswertung von Meßergebnissen ist der naheliegende Weg, e zu berechnen und als Funktion der beteiligten Variablen darzustellen, nicht zweckmäßig. Einmal ist die physikalische Grenzschichtdicke e technisch nur schwer meßbar, vor allem aber ist sie von Temperatur- und Konzentrationsgradienten abhängig, man kann also

Ströme und Kräfte

137

die in der reinen Strömung isotherm bestimmte Grenzschicht-Dicke nicht mit ausreichender Genauigkeit auf Wärme- und Stoffübergang bei gleichem Re übertragen. Es kommt hinzu, daß auch die Grenzschichtdicke s natürlich nur ein statistisch definierter Mittelwert ist, der örtlich durch das Eindringen der Turbulenzballen schwankt. Aus dieser Vorstellung wird ersichtlich, daß die Turbulenzballen an der Wand bzw. Grenzschicht instationär „aufgeladen" werden, daß also auch die Temperaturleitzahl a bzw. die P r a n d t l ' s c h e Kenngröße Pr = r/a beim Wärmeübergang eine Rolle spielen muß. Da die Grenzschichtdicke durch den zunehmenden Impuls der Turbulenzballen verkleinert wird, ist es plausibel, daß bei voll ausgebildeter Turbulenz f konstant wird (etwa 2-KT 2 ), d.h. (£• w) wird konstant. A u f g a b e n : Die mit d gebildete R e y n o l d s ' s e h e Kennzahl geht mit wachsendem w gegen unendlich. Wie verhält sich die analoge, mit e gebildete dimensionslose Größe? Beschreibe den Wärmeübergang zwischen einem Rohr und darin laminar strömender Substanz — z. B. einer Paste. Welcher Unterschied besteht gegenüber der Kühltunnel-Aufgabe in 2? Entwirf eine Einrichtung zur Messung der Wärmeübergangszahl.

6. Ströme und Kräfte Die Grenzschicht-Theorie stellt den Zusammenhang her zwischen laminaren und turbulenten Strömungen, räumlichen und flächenhaften Übertragungsvorgängen und schließt damit die letzteren an die Transportgrößen der kinetischen Gastheorie und ihre Systematik an. Es ist zweckmäßig, schon hier ein einheitliches Begriffssystem einzuführen, das im folgenden dann noch erweitert wird. Ahnlich wie man in der H a m i 1 -

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Thermodynamik der irreversiblen Prozesse

t o n ' sehen Mechanik mit verallgemeinerten Lageund Impulskoordinaten rechnet, führt man in der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse „Ströme" und „Kräfte" ein. Dabei zeigt es sich, daß die Ströme mit den Erhaltungssätzen der Physik, die Kräfte mit den bereits eingeführten Intensitätsgrößen in enger Beziehung stehen. Warum man diese Beziehung nicht einfach als Identität ansehen und die üblichen physikalischtechnischen Größen in die Systematik übernehmen kann, wird später (18 bis 20) erklärt. Hier interessiert zunächst nur die Zuordnung zwischen irreversiblem Vorgang, Erhaltungssatz und Intensitätsgröße, die unten als Tabelle ausgeführt ist. Die bisherigen Beispiele zeigen schon, daß nach 104) der Wärmestrom der Temperaturdifferenz, nach 123) der Stoffstrom durch eine Kapillare der Druckdifferenz etc. proportional ist, die Gleichungen also linear sind. Lineare Gleichungen sind am einfachsten, insbesondere für die später zu behandelnde Uberlagerung mehrerer Effekte, sie stellen aber genaugenommen nur eine Näherung dar, da z. B. bei der Wärmeleitung l von der Temperatur abhängig ist, die Gleichung also nur linear bleibt, wenn man für X einen Mittelwert —• bei mittlerer Temperatur — einsetzt. Bei Überlagerungen wird die lineare Näherung oft recht grob, z. B. wird beim Wärmedurchgang durch eine leuchte Wand das Wasser in den engen Kapillaren des porösen Baustoffes zur warmen Seite gefördert, während der Dampf in den weiten Kapillaren unter dem Einfluß des Dampfdrucks zur kalten Seite diffundiert. Für die resultierende Übertragung von Kondensationswärme ist Proportionalität mit der Temperaturdifferenz angesichts der Dampfdruckformel 68) eine schlechte Näherung. Bei der praktischen Berechnung der freien Konvektion (10) und Reaktionskinetik (16) wird der lineare Ansatz dann auch formal aufgegeben.

Ströme und Kräfte

Die lineare Gleichungen sind nach dem Schema gebildet: Strom gleich Produkt aus Kraft, Stoff bzw. Funktionalgröße (z. B. X bzw. a) und Geometriefaktor. Der Geometriefaktor ist i. a. Fläche F geteilt durch Dicke d beim räumlichen bzw. F beim flächenhaften Vorgang, weicht jedoch beim Strömungswiderstand und der Reaktionskinetik hiervon ab, womit besondere Schwierigkeiten dieser Vorgänge zusammenhängen. Das sei hier am Strömungswiderstand diskutiert. Beim räumlich über den ganzen Querschnitt verteilten Strömungswiderstand, also laminarer Strömung ist nach 123) Ap proportional V und damit dem Massenstrom m. Bei turbulenter Strömung mit flächenhaft in der Grenzschicht liegendem Strömungswiderstand erhält man aus 120) mit t]ldr = rjls denselben linearenZusammenhang, aus 125) mit f jedoch Proportionalität zwischen Ap und w2, also m2 oder m • w (Impulsstrom). Man könnte daraus die Überzeugung herleiten, daß der Erhaltungssatz des Impulses — statt der Masse — anzuwenden sei, evtl. sogar wahlweise, oder der lineare Ansatz gar nicht mehr durchführbar sei. Das vorstehende Gleichungssystem ist auf die staionären Vorgänge beschränkt. Die instationä-

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ren spielen praktisch nur beim räumlichen Problem und da vorwiegend bei der Wärmeleitung eine Rolle. Bei den Strömungsvorgängen wäre für analoge Probleme die B e r n o u 11 i 'sehe Gleichung heranzuziehen. A u f g a b e : Erweitere obige Tabelle für die elektrischen Ströme.

7. Wärmedurchgang, Wärmestrahlung Technisch bezeichnet man den Wärmeübergang von einer Fläche an einen fluiden Stoff als Konvektion, man sagt dann: Wärme wird durch Leitung, Konvektion und Strahlung übertragen. Die 3 Übertragungsmechanismen sind parallel — bzw. bei Wärmedurchgang in Serie — geschaltet. Um die Wärmeleitfähigkeit von fluiden Stoffen zu messen, muß man mit Plattenapparaturen und Heizung von oben oder mit sehr engen Kapillaren mit zentralem Heizdraht arbeiten. Bei ungenügenden Schutzmaßnahmen und in technischen Anordnungen — z. B. zwischen Doppelfenstern — kommt zu der Wärmeleitung ein konvektiver Wärmeübergang hinzu. Mit der Schichtdicke nimmt der konvektive absolut und der Strahlungsanteil relativ zu, bei Messungen von X kann man daher beide durch Extrapolation auf die Schichtdicke 0 eliminieren. Die Wärmestrahlung soll hier nur ganz kurz gestreift werden, da sie selten die Hauptrolle spielt und ihre genaue Behandlung nicht ganz einfach ist. Als Bezugskörper für Strahlungsbegriffe dient der „schwarze Körper", der alle auffallende Strahlung absorbiert, also nichts reflektiert und daher selbst am stärksten strahlen muß. Er wird realisiert durch einen Hohlraum mit kleiner Öffnung (Hohlraumstrahler). Es genügt zu wissen, daß technisch rauhe Oberflächen stark (90°/o des schwarzen Körpers), spiegelnde Metalle schwach strahlen, insbesondere hat

Wärmedurchgang, Wärmestrahlung

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Aluminium nur etwa 5 % Strahlungszahl e. Die Gesamtstrahlung ist nach dem Stefan-Boltzm a n n ' sehen Gesetz der 4-ten Potenz der absoluten Temperatur proportional, für Rechnungen zweckmäßig geschrieben: 127) w2d/Oberflächen-Spannung Daneben treten Längenverhältnisse (Rauhigkeit, Rohrkrümmung), Geschwindigkeitsverhältnisse ( M a c h , E i n s t e i n ) etc. auf. In den folgenden 3 Abschnitten werden die wichtigsten, einfachen Fälle behandelt.

A u f g a b e n : Welche Kenngrößen werden für SchiffsModell-Versuche benötigt? Bilde eine Gr analoge Kennzahl für Stoffübergang bei freier Konvektion (ß ist der thermische Ausdehnungs-Koeffizient). Die Ansprechzeit eines Thermometers hängt von der Wärmeübergangszahl a, der Volumen-Wärmekapazität Q • cp und dem Fühlerdurchmesser d ab. Bilde die zugehörige Kenngröße und diskutiere, warum Fo hier nicht interessiert.

9. Erzwungene Konvektion Bei erzwungener Strömung steht diese ganz oder überwiegend unter dem Einfluß eines von außen angelegten Druckes. Messungen und Formeln liegen vorwiegend für Rohrströmungen vor, Strömungen in Ring-Kanälen, durch Rohrbündel etc. können prak10*

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tisch nach den gleichen Formeln, nur mit geänderten Zahlenfaktoren berechnet werden. Als kennzeichnender Durchmesser ist dabei 132) d = 4//u zu benutzen, worin / den Querschnitt der Strömung, u den Umfang bedeutet. Wenn der gesamte Umfang eingesetzt wird, bezeichnet man diese Größe als dh, den hydraulischen Durchmesser — maßgebend für die Strömung —, wenn nur der benutzte, z. B. an der Wärmeübertragung teilnehmende Umfang eingesetzt wird, erhält man den äquivalenten Durchmesser da. Z. B. ist für den Ringraum zwischen Rohren der Durchmesser 1 und 2: dh= 1, da = 3. Unter technischen Betriebsbedingungen darf man meist die vereinfachende Annahme machen, daß der Druckabfall von Wärme- oder Stoffübergang nicht beeinflußt wird und daß umgekehrt die freie Konvektion gegenüber der erzwungenen vernachlässigt werden darf. Letzteres gilt nicht mehr bei kleinen Re, ersteres bei großen Wärmeströmen — z. B. ergibt ein Wärmetauscher im Fahrtwind eines Flugzeuges u. U. einen Schub (fliegendes Ofenrohr). Bei getrennter Behandlung gilt für den Strömungswiderstand die schon oben angegebene Formel: 133) Ap = C-ew2L/{d-2) mit £ = 64/Re im laminaren, f = 0,32/(Re) 0 ' 25 im Zwischenbereich und 0,01 < f ^ 0 , 0 6 , abhängig von der Rauhigkeit, im Bereich voll ausgebildeter Turbulenz. Für den Wärmeübergang im turbulenten Bereich gilt eine Formel der Form Nu = /(Re,Pr). Praktisch werden Potenz-Ansätze bevorzugt, z. B. 134) Nu = 0,023-Re 0 ' 8 Pr 0 ' 4 Für genaue Bestimmungen empfiehlt sich die Benutzung von Kürvenblättern, z. B. hat H o f m a n n [40] in doppelt-logarithmischem Diagramm Nu über Pr mit Re als Parameter aufgetragen. Mit diesen Kurven-Bl. läßt sich insbesondere der Zwischenbereich

Erzwungene Konvektion

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behandeln, für den Formeln nur schwer angegeben werden können. Da der Einfluß von Pr gering ist — insbesondere für große Pr sinkt der Exponent auf 0,3 —•, bildet man auch Formeln allein mit Re oder Pe = Re-Pr, z.B. Nu = 0,04-Pe3/4. Für die laminare Rohrströmung sollte sich reine Wärmeleitung ergeben,, also Nu = konst, praktisch ist ein — wenn auch geringer — Einfluß von Strömung und freier Konvektion zu berücksichtigen, z. B. nach der Formel: Nu = 0,74 (PeJ^iGr-Pr) 0 ' 1 . Bei vertikaler Rohrachse wird Nu größer (15°/o), wenn freie und erzwungene Konvektion gegenläufig sind, sonst kleiner. Auf die Korrekturen für kurze Rohre, gekrümmte Rohre und die Ansätze für Rohrbündel soll nicht näher eingegangen werden, die benutzten Exponenten ändern sich nur geringfügig, das Zahlenmaterial ist in Nachschlagewerken aufzusuchen. Am Querrohr gilt: Nu = 0,092Pe3/4. Bei der Strömung an Wänden ist die Wandlänge in Strömungsrichtung als kennzeichnende Länge d in Re und Nu einzusetzen. Bei der Strömung von Flüssigkeitsfilmen wird w-d,j = 4V/(d-7r) zur Bildung von Re = 4V/dm benutzt. Mit der G a 1 i 1 e i - Zahl Ga = = d3g/v2 gilt für turbulenten Film Nu = 0,01 (GaPrRe)1/3, für laminaren Nu = 0,67 (Ga2Pr3Re)1/9. Die Analogie des Stof¡Überganges äußert sich darin, daß dafür dieselben Formeln gelten, wenn nur Nu durch Sh und Pr durch Sc ersetzt wird. In der G r a s h o f - Zahl ist ßAt durch Axlg (ÖQIÖX) P I T ZU ersetzen. Für ideale Gase ist ßAt = AT/T, beim Stoffübergang ergibt sich analog Ap (Mi — Mz)lpMz+ (p—£)Mi. Man benutzt die Analogie z. B. um mit SalmiakNebel die Übertragung an Modellen sichtbar zu machen und daraus konstruktiv günstige Lösungen zu entwickeln. Bei der Beurteilung der zahlreichen, in der Literatur angegebenen Meßwerte und Formeln ist zu be-

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Thermodynamik der irreversiblen Prozesse

achten, daß m a n sich grundsätzlich mit einer beschränkten Genauigkeit ( ± 1 0 % ) zufrieden geben sollte, da auch sehr e x a k t e Meß- und Rechenergebnisse mit den Betriebseigebnissen — z. B. infolge Verschmutzung v o n Austauschflächen — nicht dauernd in Einklang bleiben. A u f g a b e n : Im Ringraum eines Kreuz-GegenstromKühlers mit ^ = 90, ra= 150 mm sind 3 Lagen Kupferrohr 1 7 X 1 mm in gleichen Abständen 5 bzw. 6 bzw. 7gängig mit 30 mm Achsenabstand aufgewickelt. Wie groß ist däl Der Kondensator einer Dampfmaschine ist als Bündelrohr-Apparat mit Stahlrohr 2 3 X 2 mm, X = 40 ausgeführt. Außen kondensiert der Dampf mit a a = 12000, innen strömt Kühlwasser mit w = 4 m / s und 25 °C mittlerer Temperatur. W i e groß ist k und wie ändert es sich, wenn aa um ± 2 0 % schwankt? Was macht eine Schicht von 1 mm Kesselstein, 1 = 1,2 aus? Ein Bündel von Stahlrohren 20 X 2 in hexagonaler Anordnung mit 35 mm Achsenabstand wird achsial durchströmt, in den Rohren Wasser mit w = 3 m/s, im Zwischenraum Methanol gleicher Massenströmung ril, mittlere Betriebstemperatur + 50 °C. Berechne die Wärmedurchgangszahl und gib an, ob und wie eine Vertauschung der Ströme sich auswirkt. In einem mehrstufigen Luftverdichter wird ein effektives Ansaugvolumen von 50 m 3 /h bei 20 °C komprimiert. Zwischen den Stufen muß die Luft von 110 ° auf 30 °C gekühlt werden, wozu Glattrohr benutzt wird. Bekannt ist bei lata 0 °C: ¿ = 0,021, rj= 173 /¿P, c p = 0,24, £> = 1,29 und S u t h e r 1 a n d - Konstante der Luft C = 124 K. Berechne für die mittlere Temperatur a,- für a) 3 ata, d = 15mm, b) 9 ata, d = 8mm. 10. F r e i e K o n v e k t i o n A l s freie Konvektion bezeichnet man Strömungen, die durch den Übertragungsvorgang selbst ausgelöst werden. Temperatur- und Konzentrationsunterschiede führen zu Dichteunterschieden, die im Schwerkraftfeld eine Strömung hervorrufen.

Freie Konvektion

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Bei Überlagerung von Wärme- und Stoffübergang — z. B. bei Kondensation einer Komponente — können sich die Einflüsse addieren oder subtrahieren. Da die Strömungsgeschwindigkeit hier weder bekannt ist, noch i. a. interessiert, kommen zur Beschreibung nur dimensionslose Größen in Frage, die w nicht enthalten. Außer Nu und Pr wird daher die G r a s h o f ' sehe Kennzahl gebildet. Sie enthält die antreibende Temperatur- oder Konzentrationsdilterenz, der Gesamtzusammenhang ist also bei freier Konvektion immer nicht-linear. Bei den praktisch meist geringen Geschwindigkeiten der freien Konvektion liegt die Strömung im laminaren Bereich, es tritt dann nur das Produkt von Gr-Pr auf, dessen Größe für die Wahl der Formel maßgebend ist: 135) GrPr